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German Pages 1140 Year 2022
Schriften zum Völkerrecht Band 254
Internationale Untersuchungskommissionen Eine völkerrechtliche Studie zu Verfahrensrecht und Verfahrenspraxis des Fact-Finding
Von
Manuel Brunner
Duncker & Humblot · Berlin
MANUEL BRUNNER
Internationale Untersuchungskommissionen
Schriften zum Völkerrecht Band 254
Internationale Untersuchungskommissionen Eine völkerrechtliche Studie zu Verfahrensrecht und Verfahrenspraxis des Fact-Finding
Von
Manuel Brunner
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-15920-8 (Print) ISBN 978-3-428-55920-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für meine Großmutter
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2018 an der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover als Dissertationsschrift eingereicht und im Sommersemester 2019 angenommen. Die Disputation fand am 26. April 2019 statt. Das Erstgutachten hat mein verehrter akademischer Lehrer, Universitätspräsident Prof. Dr. Volker Epping, erstellt. Das Zweitgutachten hat Prof. Dr. Christian Wolf übernommen. Den Vorsitz bei der Disputation hatte Prof. Dr. Felipe Temming, LL. M. inne. Ihnen allen gilt mein großer Dank für die im Rahmen des Promotionsverfahrens übernommenen Aufgaben. Prof. Dr. Epping danke ich zudem sehr herzlich für die Zeit, die ich als sein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht verbringen durfte. Dort konnte ich meine ersten Schritte in Forschung und Lehre gehen. Zu danken habe ich meinem akademischen Lehrer auch für die Freiheit bei der Themenwahl für diese Arbeit und die aufgebrachte Geduld. Prof. Dr. Wolf gebührt herzlicher Dank für die Einführung in die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, die ich durch ihn erfahren habe. Prof. Dr. Wolfgang Wurmnest, LL. M., Prof. Dr. Stefan Huber, LL. M. und das Gleichstellungsbüro der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover haben die Entstehung der Arbeit durch die Erstellung von Gutachten sowie durch die Gewährung eines Stipendiums an entscheidenden Wegmarken gefördert. Hierfür danke ich an dieser Stelle. Große Dankbarkeit empfinde ich auch gegenüber den Menschen, mit denen ich am Lehrstuhl zusammenarbeiten durfte. Daher bedanke ich mich bei ihnen allen für die Zusammenarbeit und die schönen Momente. Von diesen Kolleginnen und Kollegen haben Renate Bertram, Sarah Butt, Carola Göhlich, MLE, Lara Glowienka, MLE, Dr. Greetje Grove, Veronique Hoffmann, Frederike Kollmar, MLE, Frauke Patzke, Dennis Peters, Wali Masoud, Sarah Katharina Stein, MLE, LL. M. und Dr. Dennis-N. Warman, M.C.L. durch Diskussionen und Zuspruch zur Verwirklichung meines Dissertationsprojekts beigetragen. Unter meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen verdienen einen besonders herzlichen Dank Frederik Becker, Dr. Henning Blatt und Vincent Widdig für ihre Unterstützung bei der Entstehung dieser Arbeit. Diese Unterstützung war jeweils für sich herausragend. Auch außerhalb des Lehrstuhls haben Menschen die Entstehung dieser Arbeit und mein wissenschaftliches Fortkommen durch vielfältige Diskussionen über Völkerrecht, Internationale Organisationen, Menschenrechte, Verfassungsrecht, Politik, Geschichte sowie über die Mechanismen von Krieg und Frieden begleitet. Daher gilt
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Vorwort
mein herzlicher Dank auch Dr. Stefan Birkner, PD Dr. Robert Frau, Prof. Dr. Steffen Hindelang, LL. M., Prof. Dr. Jan Martin Hoffmann, MLE, Dr. Udo Moewes und Prof. Dr. Dominik Steiger. Menschen, die mir sehr nahestehen und die die Entstehung dieser Arbeit durch ihren Zuspruch begleitet haben, sind Nina Ahrens, Alexander Busse, Fiorella Cruz, Michael Lage sowie Benjamin und Madelaine Völker. Auch ihnen danke ich herzlich. Diese Arbeit ist meiner geliebten Großmutter Hildegard Gertrud Bente, geb. Wehage (*1926 bis †2017), gewidmet. Nach dem Tod meiner Mutter hat sie mich allein großgezogen. Meiner Großmutter war es stets ein Anliegen, dass „ihr Junge“ als erster in der Familie in den Genuss einer akademischen Ausbildung kommen sollte. Dieses Ziel hat meine Großmutter erreicht. Ohne ihre Liebe, Fürsorge und Erziehung hätte ich mich niemals aus bescheidenen Verhältnissen hocharbeiten können. Meine grenzenlose Liebe und Dankbarkeit sind meiner Großmutter über ihren Tod hinaus gewiss. Eisbergen, im Sommer 2021
Manuel Brunner
Inhaltsübersicht 1. Teil Einleitung
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§ 1 Gegenstand der Arbeit und Eingrenzung der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Herkunft und Aufkommen internationaler Untersuchungskommissionen – Erster Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Internationale Untersuchungskommissionen im Kontext Internationaler Organisationen – Zweiter Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Darstellungsweise der Untersuchungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 39 39
2. Teil Internationale Untersuchungskommissionen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge § 1 Historischer Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Schnœbelé-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die internationale Untersuchungskommission hinsichtlich von Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Explosion der „U.S.S. Maine“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 44 44 46
§ 2 Das Haager System der internationalen Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . 47 A. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 C. Weitere Untersuchungskommissionen in Anlehnung an die Haager Regeln . . . 211 D. Die Optional Rules für internationale Untersuchungskommissionen des Ständigen Schiedshofes von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 § 3 Die Taft/Knox-Schiedsverträge von 1911 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 4 Die Bryan-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Entstehung und Inhalt der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der einzige Anwendungsfall: Der Letelier und Moffitt-Zwischenfall von 1976 . C. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 224 229 236
§ 5 Verträge bezüglich von Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent . . . . . . . 238
10
Inhaltsübersicht
§ 6 Erwähnung der Untersuchung als Mittel der zwischenstaatlichen Streitbeilegung im Rahmen von multilateralen Verträgen und Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 A. Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 B. Beispiele aus sonstigen Verträgen und internationalen Dokumenten . . . . . . . . . 243 § 7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Teil Internationale Untersuchungskommissionen im Rahmen Internationaler Organisationen
251
§ 1 Der Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Untersuchungspraxis des Völkerbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Annex: Das Allgemeine Abkommen zur Verbesserung der Kriegsverhütung . .
251
§ 2 Die Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Untersuchungspraxis der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einzelne Verfahrensaspekte im Rahmen internationaler Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Bemühungen innerhalb der Vereinten Nationen um die Stärkung des Konzepts der internationalen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Declaration on Fact-Finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security von 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . F. Weitere Bekenntnisse zur Bedeutung von Untersuchungen innerhalb der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
352
252 254 342 350
353 370 888 1048 1060 1075 1076
Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1082 Abschließende Thesen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1085 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1113 Verzeichnis herausgegebener Quellensammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1136 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung
31
§ 1 Gegenstand der Arbeit und Eingrenzung der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
§ 2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
§ 3 Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Herkunft und Aufkommen internationaler Untersuchungskommissionen – Erster Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Internationale Untersuchungskommissionen im Kontext Internationaler Organisationen – Zweiter Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Darstellungsweise der Untersuchungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil Internationale Untersuchungskommissionen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge
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§ 1 Historischer Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Der Schnœbelé-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die internationale Untersuchungskommission hinsichtlich von Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Explosion der „U.S.S. Maine“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Das Haager System der internationalen Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . .
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A. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung und Inhalt der Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 49
1. Der russische Vorschlag zur Schaffung von Regeln über eine internationale Untersuchungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
2. Die Beratungen auf der Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die beiden ersten Lesungen im Examinationskomitee . . . . . . . . . .
52 53
b) Die Sondersitzungen des Examinationskomitees . . . . . . . . . . . . . . .
57
c) Die Beratungen im dritten Konferenzausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die dritte Sondersitzung des Examinationskomitees . . . . . . . . . . . .
62 67
44
12
Inhaltsverzeichnis e) Die abschließenden Beratungen im dritten Konferenzausschuss . . .
70
f) Die abschließende Abstimmung auf der Plenarkonferenz . . . . . . . .
71
II. Der einzige Anwendungsfall: Der Dogger-Bank-Zwischenfall . . . . . . . . . . 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73 73
2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86 98
III. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Entstehung und Inhalt der Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Der Ständige Schiedshof als institutioneller Anker für internationale Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Die Regeln im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Zuständigkeitsbereich (Artikel 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Untersuchungsabkommen (Artikel 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Zweifelsregeln, Sitz und Sprachen (Artikel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 d) Zweifelsregel für die Bildung der Kommission (Artikel 12) . . . . . . 118 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 e) Verfahren beim Ausscheiden eines Kommissionsmitgliedes (Artikel 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 f) Agenten und Verfahrensbevollmächtigte (Artikel 14) . . . . . . . . . . . 123 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Inhaltsverzeichnis
13
g) Rolle des Internationalen Büros des Ständigen Schiedshofes (Artikel 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 h) Kommissionssitz außerhalb von Den Haag (Artikel 16) . . . . . . . . . 125 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 i) Anwendungsempfehlung (Artikel 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 j) Verfahrensordnungsrecht der Kommission (Artikel 18) . . . . . . . . . 128 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 k) Kontradiktorisches Verfahren (Artikel 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 l) Recht zur Vor-Ort-Untersuchung (Artikel 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 m) Anwesenheitsrecht (Artikel 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 n) Ersuchungsrecht (Artikel 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 o) Kooperationspflicht (Artikel 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 p) Zustimmungserfordernis für Handlungen auf dem Territorium von Drittstaaten (Artikel 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
14
Inhaltsverzeichnis bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 q) Ladung von Zeugen und Sachverständigen sowie Zeugenvernehmung (Artikel 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 r) Detailregelungen zur Vernehmung von Zeugen (Artikel 26) . . . . . . 140 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 s) Verleseverbot und Vernehmungserleichterungen für Zeugen (Artikel 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 t) Aussageprotokoll (Artikel 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 u) Verfahrensposition der Agenten (Artikel 29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 v) Beratungsmodalitäten (Artikel 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 w) Öffentlichkeit der Sitzungen (Artikel 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 x) Schluss der Untersuchung (Artikel 32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 y) Unterzeichnung des Kommissionsberichts (Artikel 33) . . . . . . . . . . 148 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Inhaltsverzeichnis
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z) Verlesung des Kommissionsberichts (Artikel 34) . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Inhalt des Kommissionsberichts (Artikel 35) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Verfahrenskosten (Artikel 36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Inhalt des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. „Tavignano“-, „Camouna“- und „Gaulois“-Zwischenfälle . . . . . . . . . . 155 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Der „Tiger“-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Der „Tubantia“-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Der „Red Crusader“-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 C. Weitere Untersuchungskommissionen in Anlehnung an die Haager Regeln . . . . 211 I. Die Zwischenfälle hinsichtlich der deutschen Unterseeboote „U.B. 6“ und „U.B. 30“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Der „Igotz Mendi“-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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Inhaltsverzeichnis D. Die Optional Rules für internationale Untersuchungskommissionen des Ständigen Schiedshofes von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Hintergrund und Entstehung der Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Inhalt der Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Anwendungsbereich der Optional Rules (Artikel 1) . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Einleitung eines Fact-Finding-Verfahrens (Artikel 2) . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Anzahl der Kommissionsmitglieder (Artikel 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Benennung der Kommissionsmitglieder (Artikel 4) . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder (Artikel 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 6. Ort des Zusammentritts der Kommission (Artikel 6) . . . . . . . . . . . . . . 215 7. Repräsentation und Unterstützung (Artikel 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8. Verfahrenssprache (Artikel 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 9. Kooperation der Parteien mit der Kommission (Artikel 9) . . . . . . . . . . 216 10. Vertraulichkeit (Artikel 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 11. Einreichung von Stellungnahmen bei der Kommission (Artikel 11) . . . 217 12. Durchführung des Untersuchungsverfahrens (Artikel 12) . . . . . . . . . . . 218 13. Entscheidungsfindung (Artikel 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 14. Beendigung des Untersuchungsverfahrens (Artikel 14, 15) . . . . . . . . . 218 15. Kosten (Artikel 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 16. Vorschuss (Artikel 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
§ 3 Die Taft/Knox-Schiedsverträge von 1911 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 4 Die Bryan-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Entstehung und Inhalt der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Der Friedensplan des William Jennings Bryan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. Die Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Die Struktur der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 B. Der einzige Anwendungsfall: Der Letelier und Moffitt-Zwischenfall von 1976
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I. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 IV. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 C. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 § 5 Verträge bezüglich von Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent . . . . . . . 238
Inhaltsverzeichnis
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§ 6 Erwähnung der Untersuchung als Mittel der zwischenstaatlichen Streitbeilegung im Rahmen von multilateralen Verträgen und Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 A. Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 B. Beispiele aus sonstigen Verträgen und internationalen Dokumenten . . . . . . . . . . 243 § 7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
3. Teil Internationale Untersuchungskommissionen im Rahmen Internationaler Organisationen
251
§ 1 Der Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Die Untersuchungspraxis des Völkerbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. Politisches Schicksal der Åland-Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Grenzfragen hinsichtlich von Albanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III. Zugehörigkeit des Mossul-Territoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Demir-Kapu-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 V. Mukden-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 3. Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
18
Inhaltsverzeichnis C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 D. Annex: Das Allgemeine Abkommen zur Verbesserung der Kriegsverhütung . . . 350
§ 2 Die Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 I. Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Sicherheitsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Untersuchungen auf der Grundlage von Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Untersuchungen auf der Grundlage einer impliziten Kompetenz . . . . . 358 3. Mittel zur Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III. Generalsekretär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 IV. Internationaler Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 V. Menschenrechtskommission/Menschenrechtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VI. Mögliche Grenzen der Befugnis zur Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1. Implied-Powers-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 2. Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 B. Die Untersuchungspraxis der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 I. Untersuchungskommissionen für politische Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Grenzzwischenfälle in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Franco-Diktatur in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 3. Korfu-Kanal-Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 4. Volksaufstand in Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
Inhaltsverzeichnis
19
5. Nordvietnamesische Grenzverletzungen gegenüber Laos . . . . . . . . . . . 407 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 6. Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha . . . . . . . . 415 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 7. Portugiesisch-senegalesische Grenzzwischenfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 8. Potenzielle portugiesische Aggression gegen Guinea . . . . . . . . . . . . . . 429 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 9. Versuchter Regierungsumsturz in Benin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 10. Entwicklungsprobleme von Botswana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 11. Rhodesische Aggression gegen Sambia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 12. Söldneraggression gegen die Seychellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
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Inhaltsverzeichnis 13. Südafrikanische Gewaltakte gegen Angola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 14. Einsatz chemischer Waffen im Konflikt zwischen dem Iran und dem Irak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 15. Festlegung der Staatsgrenze zwischen dem Irak und Kuwait . . . . . . . . 472 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 II. Untersuchungskommissionen für Dekolonialisierungsfragen . . . . . . . . . . . 481 1. Politisches Schicksal Eritreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 2. Portugiesische Kolonialherrschaft über Angola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 III. Untersuchungskommissionen in Fällen des Todes bedeutender Persönlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 1. Der Tod von Patrice Émergy Lumumba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 2. Der Tod von Dag Hammarskjöld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
Inhaltsverzeichnis
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3. Der Tod von Benazir Bhutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 IV. Untersuchungskommissionen in Fällen von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 1. Buddhisten-Krise in Südvietnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 2. Massaker in Mosambik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 3. Konflikte im ehemaligen Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 4. Konflikt in Abchasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 5. Ermordung des Präsidenten und anschließende Massaker in Burundi (I) 573 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 6. Ermordung des Präsidenten und anschließende Massaker in Burundi (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 7. Bürgerkrieg und Völkermord in Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
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Inhaltsverzeichnis b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 8. Umgang mit der Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha . . . . . . 610 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 9. Menschenrechtslage in Osttimor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 10. Menschenrechtsverletzungen während der Zweiten Intifada . . . . . . . . . 627 a) Historischer Hintergund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 11. Menschenrechtsverletzungen in Togo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 d) Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 12. Konflikt in Darfur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 a) Historischer Hindergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 13. Gewalttätige Ausschreitungen in Timor-Leste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 14. Israelische Militäroperationen im Libanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 15. Beschuss von Beit Hanoun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
Inhaltsverzeichnis
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b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 16. Weitere Entwicklungen der Lage in Darfur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 17. Israelische Militäraktionen in Gaza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 18. Massaker in Conakry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 19. Israelische Aktion gegen Blockadebrecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 20. Militärischer Konflikt in Libyen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 e) Weitere Kommissionstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 aa) Mandatsverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 bb) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 cc) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 21. Gewalt an der Côte d’Ivoire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776 22. Israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten . . . . . . . . . . . 779 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779
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Inhaltsverzeichnis c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782 23. Menschenrechtslage in Nordkorea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 24. Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 25. Menschenrechtslage in Eritrea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 26. Erneuter Konflikt im Gazastreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839 27. Menschenrechtslage in Burundi (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 28. Menschenrechtslage in Burundi (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 a) Historischer Hintergrund und Einsetzung der Kommission . . . . . . . 861 b) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 c) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 V. Untersuchungskommissionen bezüglich sonstiger Sachverhalte . . . . . . . . . 869 1. Korfu-Kanal-Zwischenfall vor dem Internationalen Gerichtshof . . . . . 869 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 2. Angriffe auf UNOSOM-II-Truppen in Somalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 a) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 b) Einsetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880
Inhaltsverzeichnis
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c) Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 d) Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 C. Einzelne Verfahrensaspekte im Rahmen internationaler Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888 I. Das Mandat der internationalen Untersuchungskommission . . . . . . . . . . . . 891 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 2. Auslegung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 3. Ausgestaltung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 a) Örtliche/Geographische Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 b) Zeitliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 c) Inhaltliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898 II. Die Mitglieder internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . 906 1. Die Zusammensetzung internationaler Untersuchungskommissionen
906
a) Besetzung mit Staaten oder mit Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906 b) Bedeutung der Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 c) Internationale Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 910 d) Anforderungen an die Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 916 e) Kommissionsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921 f) Sekretariat und Mitarbeiterstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 922 2. Vorrechte und Immunitäten der Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 a) Grundlagen der Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen und von diesen entsandten Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 927 b) Anwendbarkeit von Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen auf die Mitglieder internationaler Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . 928 aa) Anwendbarkeit ratione personae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 bb) Anwendbarkeit ratione temporis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 930 cc) Anwendbarkeit ratione loci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 c) Vorrechte und Immunitäten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 aa) Festnahme, Haft und Beschlagnahme persönlichen Gepäcks
932
bb) Justizielle Verfahren wegen mündlicher oder schriftlicher Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 cc) Papiere und Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934 dd) Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 ee) Währungs- und Devisenbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 ff) Persönliches Gepäck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 gg) Besondere Reiseregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 hh) Aufhebung der Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937
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Inhaltsverzeichnis ii) Vorrechte und Immunitäten der Mitglieder von Untersuchungskommissionen, die durch den Internationalen Gerichtshof entsandt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 938 3. Allgemeine Verhaltensregeln für Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . 939 III. Das anwendbare Recht im Rahmen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 941 1. Das Mandat als Ausgangspunkt der Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 942 2. Staatliche Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942 3. Grundlagen der völkerrechtlichen Bindungen nicht-staatlicher Gewaltakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 IV. Auswahl von Tatsachen bei der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 V. Gewinnung und Bewertung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 1. Beweismittel und Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 a) Beweise und Informationen durch Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957 b) Sonstige Beweismittel und Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . 959 c) Reisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 960 2. Quellenschutz und „do no harm“-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 3. Beweisstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965 VI. Kooperationsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969 VII. Verfahrensregeln: dargestellt anhand der Musterverfahrensregeln des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für ad-hoc-Gremien zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen von 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . 975 1. Bedeutung von Verfahrensregeln für die Arbeit der Untersuchungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975 2. Entstehung der Model Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977 3. Inhalt der Musterverfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990 a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990 aa) Anwendungsbereich (Regel 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990 bb) Modifizierbarkeit (Regel 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990 b) Konstituierung des ad-hoc-Gremiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 aa) Ad-hoc-Gremium als Nebenorgan sowie Mandat des ad-hocGremiums (Regel 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 bb) Mitgliedschaft (Regel 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 cc) Beglaubigungsschreiben (Regel 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 dd) Feierliche Erklärung (Regel 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 ee) Sitzungen (Regel 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 993 ff) Quorum (Regel 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 994 gg) Öffentlichkeit der Sitzungen (Regel 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 994 hh) Ausgaben (Regel 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 c) Tagesordnung der Sitzungen (Regel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 d) Vorsitz des ad-hoc-Gremiums (Regel 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996
Inhaltsverzeichnis
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e) Sekretariat (Regel 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 f) Arbeitssprachen (Regel 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998 g) Abstimmungen und Verfahrensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999 aa) Abstimmungen (Regel 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 bb) Verfahrensführung (Regel 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 h) Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (Regel 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001 i) Zeugenaussagen und andere Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . 1004 aa) Bekanntmachungen (Regel 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1004 bb) Arten von Aussagen (Regel 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 cc) Weitere Beweismittel (Regel 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 dd) Anhörungsersuchen (Regel 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 ee) Befragungen (Regel 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006 ff) Berichterstattung über Beweismittel (Regel 23) . . . . . . . . . . . . 1007 j) Aufzeichnungen (Regel 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008 k) Abschlussbericht (Regel 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 4. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010 VIII. Die Berichterstattung durch internationale Untersuchungskommissionen 1011 1. Abschlussbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 a) Berichtsstruktur und -inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 b) Adressaten und Funktionen von Berichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 c) Berichterstattung über Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 2. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 a) Zulässigkeit von Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 b) Adressaten und Inhalte der Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 IX. Zeitgleiche Untersuchungen anderer Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025 X. Follow-up-Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027 2. Beispiel: Der Follow-up-Mechanismus zum Goldstone-Bericht . . . . . . 1028 a) Rahmenbedingungen für die Errichtung eines Follow-up-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1028 b) Einsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1030 c) Implementierung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 d) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036 XI. Die politische Dimension der Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen durch die Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1042 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1042 2. Beispiel: Eine internationale Untersuchung des Konflikts im Jemen 1043
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Inhaltsverzeichnis D. Bemühungen innerhalb der Vereinten Nationen um die Stärkung des Konzepts der internationalen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1048 I. Errichtung eines Panels für Untersuchung und Vermittlung . . . . . . . . . . . . 1049 1. Entstehung des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049 2. Regelungen über das Panel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 3. Bedeutung des Panels in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053 II. Errichtung eines Expertenregisters für internationale Untersuchungen . . . . 1054 III. Allgemeine Bekenntnisse zur Untersuchung in Erklärungen der Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 1. Declaration on the Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 2. Manila Declaration on the Peaceful Settlement of International Disputes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 3. Declaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role of the United Nations in this Field . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1058 4. Declaration of the High-Level Meeting of the General Assembly on the Rule of Law at the National and International Levels . . . . . . . . . . . . . . 1059 E. Die Declaration on Fact-Finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security von 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1060 I. Entstehung der Deklaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1060 II. Inhalt der Deklaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 1. Gemeinsame Prinzipien des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen 1063 a) Bedeutung des Fact-Finding (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 b) Definition (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064 c) Funktionsgrundsätze (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064 d) Fact-Finding als Informationsgrundlage (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 1064 e) Signalwirkung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064 f) Zustimmung zu Vor-Ort-Besuchen (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 2. Regeln über die Entscheidung zur Entsendung einer Fact-FindingMission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 a) Zuständigkeiten der Organe der Vereinten Nationen (Abs. 7) . . . . . 1065 b) Sicherheitsrat (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 c) Angebot durch den Sicherheitsrat (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 d) Generalversammlung (Abs. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 e) Angebot durch die Generalversammlung (Abs. 11) . . . . . . . . . . . . . 1066 f) Frühzeitiger Einsatz von Fact-Finding (Abs. 12) . . . . . . . . . . . . . . . 1067 g) Generalsekretär (Abs. 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067 h) Expertenliste (Abs. 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067 i) Entscheidung über die Mitglieder einer Fact-Finding-Mission (Abs. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067
Inhaltsverzeichnis
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j) Bedeutung anderer Fact-Finding-Bemühungen (Abs. 16) . . . . . . . . 1068 k) Anforderungen an die Entscheidung zur Einsetzung einer FactFinding-Mission (Abs. 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 l) Umgang mit dem Ersuchen eines Staates (Abs. 18) . . . . . . . . . . . . 1069 3. Regeln über die Durchführung einer Fact-Finding-Mission . . . . . . . . . 1069 a) Staatliche Entscheidung über die Zulassung von Fact-FindingMissionen (Abs. 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069 b) Staatliche Begründung für die Ablehnung einer Fact-Finding-Mission (Abs. 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069 c) Allgemeine Politikempfehlung an die Staaten in Bezug auf FactFinding (Abs. 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1070 d) Kooperation zwischen Staat und Fact-Finding-Mission (Abs. 22) 1070 e) Immunitäten und Erleichterungen für Fact-Finding-Missionen (Abs. 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1070 f) Vorrechte und Immunitäten (Abs. 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1071 g) Mandatskonformität (Abs. 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1071 h) Staatliche Sicht auf Tatsachen (Abs. 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1072 i) Anhörungen (Abs. 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1072 4. Andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . 1073 a) Beobachtung der Situation des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit (Abs. 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1073 b) Informationssammlung durch das Sekretariat (Abs. 29) . . . . . . . . . 1073 5. Abschlussklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1073 a) Verhältnis des Fact-Finding zu anderen Mitteln der friedlichen Streitbeilegung (Abs. 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1073 b) Verhältnis der Deklaration zur Charta der Vereinten Nationen (Abs. 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 III. Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 F. Weitere Bekenntnisse zur Bedeutung von Untersuchungen innerhalb der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1075 G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1076 Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1082 Abschließende Thesen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1085 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1113 Verzeichnis herausgegebener Quellensammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1136 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138
Errata Brunner, Internationale Untersuchungskommissionen – Eine völkerrechtliche Studie zu Verfahrensrecht und Verfahrenspraxis des Fact-Finding ISBN 978-3-428-15920-8 Leider hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen. Bitte ersetzen Sie die Wörter wie folgt: S. 35, Absatz 1: „Vermittlungen“ ersetzen durch „Vergleichen“; S. 223, Fn. 721: „der Vermittlung“ ersetzen durch „des Vergleichs“; S. 242, Absatz 2: „Vermittlungsgremiums“ ersetzen durch „Vergleichsgremiums“; S. 1049, Überschrift: „I. Errichtung eines Panels für Untersuchung und Vermittlung“ ersetzen durch „I. Errichtung eines Panels für Untersuchung und Vergleich“; S. 1050, Absatz 1: „Vermittlungskommission“ ersetzen durch „Vergleichskommission“; S. 1050, letzter Absatz: „Vermittlungskommission“ ersetzen durch „Vergleichskommission“; S. 1051, Absatz 3: „Vermittlungskommission“ ersetzen durch „Vergleichskommission“; S. 1052, Absatz 1: „Vermittlungskommission“ ersetzen durch „Vergleichskommission“; S. 1056, letzter Absatz: „Vermittlungen“ ersetzen durch „Vergleiche“. Des Weiteren muss auch auf folgenden Seiten das Wort „Vermittlung“ durch „Vergleich“ ersetzt werden: S. 1049, Absatz 3; S. 1050, Absatz 2; S. 1053, Absatz 2; S. 1054, Absatz 1; S. 1056, letzter Absatz; S. 1060, Absatz 2.
1. Teil
Einleitung § 1 Gegenstand der Arbeit und Eingrenzung der Thematik Gegenstand dieser Arbeit sind internationale Untersuchungskommissionen. Unter Untersuchungskommissionen sind Gremien zu verstehen, die auf zeitlich begrenzter Basis eingesetzt werden, um in unparteiischer, unabhängiger und objektiver Weise Tatsachen hinsichtlich eines bestimmten Ereignisses oder mehrerer bestimmter Ereignisse zu ermitteln und anschließend hierzu Schlussfolgerungen und gegebenenfalls Empfehlungen in einem Bericht abzugeben.1 Eine Untersuchungskommission muss also danach fragen, was eigentlich passiert ist,2 und damit eine Tätigkeit ausüben, die regelmäßig mit den englischen Begriffen „fact-finding“, „inquiry“ oder „enquiry“ bezeichnet wird.3 Die Auffindung von Tatsachen ist dabei die Grundfunktion einer jeden Untersuchungskommission.4 Das Element der zeitlichen Begrenzung der Tätigkeit unterscheidet Untersuchungskommissionen von solchen Gremien, die zwar auch Tatsachenermittlungen vornehmen, aber dies im Rahmen eines festen organisatorischen Rahmens tun, wie etwa permanente Organe, Gremien und Ausschüsse Internationaler Organisationen oder internationale Ge-
1 Ähnlich die Definition bei Christian Henderson, Netherlands Yearbook of International Law 45 (2014), S. 287 (288): „Commissions of inquiry (CoIs) are bodies established on a temporary basis to undertake fact-finding missions in order to offer some form of judgement or conclusion upon particular incidents (…).“ Vgl. auch Felix Ermacora, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 62 (69). 2 Siehe Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1007). 3 Siehe hierzu auch die Definition bei Edward A. Plunckett, Virginia Journal of International Law 9 (1969), S. 154 (154): „Fact-finding or inquiry is the procedure for facilitating a solution to an international dispute by a third party’s elucidating the facts in an impartial and conscientious investigation and making a report which may be accepted or rejected by the parties.“ Vgl. auch Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 52 Fn. 1, der darauf hinweist, dass die Begriffe „inquiry“ und „fact-finding“ synonym und gegenseitig austauschbar sind. 4 Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (13).
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1. Teil: Einleitung
richte und Tribunale.5 International ist eine Untersuchungskommission dann, wenn die Kommission entweder auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung oder durch eine Internationale Organisation beziehungsweise durch deren Organe eingesetzt wird und die Kommissionsmitglieder aus verschiedenen Staaten stammen.6 Zum Zwecke dieser Studie werden sämtliche dieser Gremien unter den Begriff der „internationalen Untersuchungskommission“ gefasst, gleich wie das betreffende Gremium in der Praxis bezeichnet wurde oder wird. Daher sind sowohl „Commissions of Inquiry“, als auch „Expert Groups“, „Fact-Finding Missions“, „Sub-committees“, „Special Missions“ und ähnliche Gremien Gegenstand der Betrachtung. Anlass für die Behandlung der Thematik ist die vermehrte Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen seit dem Ende des Kalten Krieges durch Organe und Nebenorgane der Organe der Vereinten Nationen, welche über Verletzungen von international gewährleisteten Menschenrechten sowie von Regeln des humanitären Völkerrechts Bericht erstatten sollen. Solche Kommissionen wurden, wie im Detail gezeigt wird, etwa anlässlich der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, des Völkermords in Ruanda, der verschiedenen Auseinandersetzungen im Nahostkonflikt zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten sowie den Palästinensern oder auch der Konflikte des sog. Arabischen Frühlings, bei denen sich große Teile der dortigen Bevölkerung gegen die autokratisch oder diktatorisch regierenden Machthaber in verschiedenen Staaten der arabischen Welt erhoben haben, eingesetzt. Kommissionen der Vereinten Nationen waren in den vergangenen Jahren allerdings nicht nur bei der Untersuchung von länger anhaltenden bewaffneten Konflikten tätig, sondern haben auch Singularereignisse wie etwa ein einzelnes Massaker in dem westafrikanischen Staat Guinea oder den tödlichen Anschlag auf die ehemalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto untersucht. Zuletzt waren Kommissionen der Vereinten Nationen mit Untersuchungen der jeweiligen Menschenrechtssituation in den diktatorisch regierten Staaten Nordkorea und Eritrea befasst, sowie mit der grassierenden Gewalt in Burundi.
5
Siehe zu Fragen von Untersuchungen durch vertragsbasierte Menschenrechtsmechanismen etwa Martin Scheinin, in: Morten Bergsmo (Hrsg.) Quality Control in Fact-Finding, S. 54 ff.; auch Frans Vijolen, Max Planck Yearbook of United Nations Law 8 (2004), S. 49 ff. 6 Auch international tätige Nichtregierungsorganisationen wie die Internationale Juristenkommissionen, International Crisis Group, Amnesty International oder Human Rights Watch haben Kommissionen zur Untersuchung, vorwiegend menschenrechtlich determinierter Sachverhalte eingesetzt. Würde man die oben zugrunde gelegte Arbeitsdefinition erweitern, könnte man diese Kommissionen auch als internationale Untersuchungskommissionen betrachten. Allerdings sollen diese für die weitere Untersuchung außer Betracht bleiben. Siehe hierzu jedoch Gerald M. Steinberg/Anna Herzberg/Jordan Berman, Best Practices for Human Rights and Humanitarian NGO Fact- Finding, S. 1 ff.; Hans Tholen/Berth Verstappen, Human Rights Missions: A Study of Fact-finding Practice of Non-governmental Organizations, S. 1 ff.; sowie David Weissbrodt/James McCarthy, Virginia Journal of International Law 22 (1981 – 1982), S. 1 ff.
§ 1 Gegenstand der Arbeit und Eingrenzung der Thematik
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Die Einsetzung von internationalen Kommissionen zur Durchführung von Untersuchungen bestimmter Sachverhalte ist dabei allerdings nicht auf die Befassung mit Menschenrechten und Fragen des Rechts des bewaffneten Konflikts beschränkt. Als im positiven Völkerrecht verankertes Institut sind solche Kommissionen seit dem Jahr 1899 bekannt, als Regelungen über internationale Untersuchungskommissionen auf der Haager Friedenskonferenz Eingang in das I. Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle fanden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden durch Staaten und Internationale Organisationen Kommissionen zu Untersuchungen bei einer Vielzahl von Sachverhalten eingesetzt und auch in völkerrechtlichen Verträgen geregelt; völkerrechtlich nicht eingehegte Kommissionen gab es allerdings auch bereits zuvor. Die Entsendung einer Kommission ist dabei heute wohl in quantitativer Hinsicht eine Hauptform der „Untersuchung“, die auch als sog. diplomatisches Mittel der friedlichen Streitbeilegung anerkannt ist.7 Allgemeiner Grundgedanke für die Einsetzung von Untersuchungskommissionen ist es in diesem Rahmen, dass sie eine objektive Bewertung von Fakten durch eine dritte Partei erlaubt, umso das Risiko des Festfahrens einer internationalen Konfliktsituation zu verhindern oder das Risiko der Eskalation der Situation zu reduzieren. Durch die Feststellungen der Kommission wird eine neutrale Tatsachengrundlage geschaffen. So soll einer unterschiedlichen Darstellung und/oder Interpretation der Fakten durch die verschiedenen, an einer Konfliktsituation beteiligten Parteien entgegengewirkt und eine Basis für die Lösung der betreffenden Situation geschaffen werden.8 In diesem Sinne hat auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits in der Präambel zur Resolution 1967 (XVIII) über Fragen in Bezug auf das Fact-Finding vom 16. Dezember 19639 ausgeführt: „Believing that an important contribution to the peaceful settlement of disputes and to the prevention of such disputes could be made by providing for impartial fact-finding within the framework of international organizations and in bilateral and multilateral conventions“.
7 Vgl. nur Artikel 33 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen, die Charta ist in ihrer Urfassung wiedergegeben in: Yearbook of the United Nations 1946 – 1947, S. 831 ff.; siehe auch Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 52; Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 55 Rn. 5, 12 ff. 8 Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 52. Welchen Einfluss Tatsachen und die Einschätzung von Tatsachen durch sich streitende Parteien für einen Disput auf der internationalen Ebene haben können, hatte etwa auch schon der Nestor des modernen Völkerrechts, Hugo Grotius, in seiner bedeutenden Abhandlung über das Recht von Krieg und Frieden aus dem Jahr 1625 beschrieben. Dort findet sich etwa folgende Passage im Abschnitt über zweifelhafte Gründe für einen Krieg: „Plerumque vero in rebus dubiis post examen aliquod animus non in medio haeret, sed huc aut illuc ducitur argumentis ex re pertitis, aut ex opinione quam habet de allis hominibus senteniam super ea re pronunciantibus. Nam et hic verum est illud Hesiodi, praestantissimum esse per se sapere, proximum, duci aliena ope. Argumenta ex re petnutur e causis, effectis et adiunctis aliis.“; Hugonis Grotii, De Iure Belli ac Pacis, Libri Tres. In quibus ius naturae & Gentium: item iuris publici praecipua explicantur., S. 476 f. 9 UN Doc. A/RES/1967 (XVIII) vom 16. Dezember 1963; Hervorhebung im Original.
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1. Teil: Einleitung
Mit dieser Arbeit werden mehrere Anliegen verfolgt. Zum einen soll das Konzept der Untersuchung von international als bedeutsam empfundenen Sachverhalten durch Kommissionen in seiner praktischen Umsetzung systematisiert aufbereitet werden. Hierzu werden jeweils die Hintergründe aufgearbeitet, die zu der Einsetzung einer Untersuchungskommission geführt haben und die Aspekte detailreich dargestellt, die das jeweilige Untersuchungsverfahren geprägt haben. Neben der Aufbereitung der Untersuchungspraxis wird der Blick auf die Analyse der rechtlichen Grundlagen, die Einsetzung und Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen bestimmen, gelenkt. Dafür werden die verschiedenen – teils mehr oder weniger verbindlichen – internationalen Dokumente in diesem Bereich herangezogen und gemeinsam mit der dokumentierten Verfahrenspraxis internationaler Untersuchungskommission analysiert. Da die Untersuchung ein „weiches“ Mittel der Einwirkung auf internationale Sachverhalte in Konfliktsituationen ist, kann der Ansatz der Arbeit kein rein juristischer sein. Jede Kommission musste sich zudem stets mit den politischen Gegebenheiten ihrer Zeit und den anderen Umständen, die die zu untersuchende Situation umgaben, auseinandersetzen. Daher fließen in diese Arbeit nicht nur Überlegungen auf der Ebene des Völkerrechts ein, vielmehr sind auch Zugänge und die Heranziehung von Erkenntnissen aus anderen Wissenschaftsdisziplinen notwendig, die der Studie – zumindest in Teilen – einen interdisziplinären Charakter geben. Zu diesen Wissenschaftsdisziplinen zählen die Geschichtsforschung, Studien zu den internationalen Beziehungen sowie Friedens- und Konfliktforschung. Da internationale Untersuchungskommission in einer Vielzahl von Kontexten und von verschiedenen Akteuren auf den unterschiedlichsten Grundlagen eingesetzt wurden, ist die entsprechende Praxis reichhaltig. Daher musste für die nachstehende Untersuchung eine Auswahl des Darzustellenden erfolgen. Wie jede Einschränkung, die bei der Analyse eines Problems vorgenommen wird, ist auch diese Einschränkung der Kritik zugänglich. Daher müssen, eingedenk der oben bereits vorgestellten Definition des Begriffes „internationale Untersuchungskommission“, die Beweggründe des Verfassers für die Stoffauswahl erläutert werden. In die Betrachtung wird zunächst das Institut der zwischenstaatlichen Untersuchungskommission eingestellt, das insbesondere auf entsprechenden Regelungen in den I. Haager Abkommen über die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 und 1907 beruht. Hierbei handelt es sich um die Urform der völkerrechtlich geregelten Untersuchungskommission. Hinzu kommt noch eine Darstellung einiger anderer Vertragswerke, welche die Entwicklung der internationalen Streitbeilegung im Bereich von internationalen Untersuchungen maßgeblich beeinflusst haben. Bei diesen zwischenstaatlichen Untersuchungskommissionskonzepten handelt es sich jeweils um solche, deren Anwendungsbereich in den internationalen Beziehungen (nahezu) nicht begrenzt ist. Aus dem Bereich der Internationalen Organisationen werden für diese Arbeit der Völkerbund sowie die Vereinten Nationen herangezogen, um Recht und Praxis internationaler Untersuchungskommissionen näher zu beleuchten. Die Wahl fiel auf
§ 2 Stand der Forschung
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diese beiden Organisationen, weil sie als Institutionen mit einem globalen Anspruch auftraten beziehungsweise auftreten und wegen der Vielzahl der ihnen zugedachten Aufgaben auch eine Vielzahl internationaler Sachverhalte zu untersuchen hatten sowie im Falle der Vereinten Nationen auch noch haben und in Zukunft noch haben werden. Da innerhalb des Systems der Vereinten Nationen bereits eine Vielzahl von Akteuren Untersuchungskommissionen eingesetzt hat, musste der Fokus hier begrenzt werden, um ein Ausufern der Studie zu vermeiden. Daher ist in die Betrachtung nur eine Auswahl solcher Kommissionen eingestellt worden, deren Einsetzung durch eines der in Artikel 7 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen genannten Hauptorgane der Weltorganisation, namentlich durch die Generalversammlung, den Sicherheitsrat, den Internationalen Gerichtshof oder das Sekretariat, verkörpert durch dessen organisatorische Spitze, den Generalsekretär10, beschlossen wurde. Aufgrund der hohen praktischen Bedeutung für den Schutz der Menschenrechte sind Untersuchungskommissionen hinzugekommen, die durch ein Nebenorgan der Generalversammlung gemäß Artikel 7 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen, namentlich den Menschenrechtsrat beziehungsweise dessen Vorgängerin, die Menschenrechtskommission, eingesetzt wurden. Keine Berücksichtigung finden hingegen Ermittlungsteams, die sich nur aus Bediensteten der Vereinten Nationen zusammensetzten. Keine Berücksichtigung finden zudem Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen, die ihre Tätigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit noch nicht beendet hatten, da für diese noch keine finalen Schlussfolgerungen gezogen werden können. Ebenfalls werden keine internationalen Untersuchungskommissionen behandelt, die zwar ebenfalls unter die zugrunde gelegte Arbeitsdefinition fallen würden, aber auf der Grundlage weiterer zwischenstaatlicher Vereinbarungen und/oder durch andere Internationale Organisationen beziehungsweise Institutionen eingesetzt wurden. So wird etwa der Einsatz von Untersuchungskommission im Zusammenhang mit internationalen Vermittlungen ebenso keiner eingehenden Analyse zugeführt, wie die Untersuchungskommissionen, die etwa von der Organisation Amerikanischer Staaten, der Afrikanischen Union, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der Internationalen Arbeitsorganisation oder die im Bereich des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens eingesetzt worden sind.
§ 2 Stand der Forschung Trotz der Zunahme der Entsendung von internationalen Untersuchungskommissionen ist die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas bisher schmal geblieben. Dies wurde von verschiedenen Stimmen, auch aus der Praxis, bedauert.11 10
Vgl. Artikel 97 der Charta der Vereinten Nationen. Vgl. nur Geoffrey Robertson, UCL Human Rights Review 3 (2010), S. 15 (15); Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 309 (310). 11
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1. Teil: Einleitung
Insbesondere die Tätigkeit der von den Organen und Nebenorganen im Bereich der Vereinten Nationen eingesetzten Untersuchungskommissionen bietet allerdings reichhaltigen Stoff für eine Aufarbeitung. Im englisch-, französisch- und deutschsprachigen Schrifttum existieren bereits einige Monografien und Sammelbände, die aus der Sicht des Völkerrechts den internationalen Untersuchungen gewidmet sind. Lothar Kuhl etwa befasst sich in seiner Schrift mit der Tätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen.12 Bei diesem Gremium handelte es sich um einen Untersuchungsausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen, der aber seit dem Jahr 1968 bestand und zu einem quasi-permanenten Gremium wurde. Bereits deshalb fällt das Special Committee aus dem Zuschnitt dieser Arbeit heraus. Die Arbeiten von Nissim Bar-Yaacov13 und von William I. Shore14 gehen zwar beide auf das Thema internationaler Untersuchungen ein, stammen aber beide aus der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Bar-Yaacov wählt – wie in dieser Schrift – durch den Rekurs auf Primärquellen einen breiten, auch darstellenden Ansatz. Im Rahmen des ersten Kapitels dieser Arbeit kommt es insofern zu Überschneidungen, welche auf Grund des Vollständigkeitsanspruches dieser Untersuchung allerdings notwendig waren. Auch wenn die Ergebnisse der beiden genannten Schriften zum Teil heute noch zutreffend sind, so haben sich im Laufe der Zeit doch zahlreiche wichtige Entwicklungen ergeben, welche diese beiden Arbeiten noch nicht abdecken konnten, und die in dieser Arbeit, wie noch zu zeigen sein wird, zentrale Gegenstände bilden. Die Arbeit von Shore ist im Übrigen nur sehr knappgehalten. Ebenfalls aus den 1970er Jahren stammt die Schrift von Tabrizi Bensalah15, die allerdings einen sehr abstrakten Zugriff auf die Thematik bietet und sich damit einer gänzlich anderen Darstellungsweise bedient als diejenige, die hier präsentiert wird. Der Sammelband „Quality Control in FactFinding“, der von Morten Bergsmo herausgegeben wurde, beinhaltet sechzehn Einzelaufsätze zu verschiedenen Fragen der Tatsachenfeststellung, die sich jedoch nur partiell mit den hier dargestellten Problemen und Fragenkreisen überschneiden.16 Der jüngst als Neudruck erschienene und von Bertrand G. Ramcharan herausgegebene Band „International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights“ darf wohl als Klassiker auf diesem Gebiet bezeichnet werden.17 Aber auch dieser Band enthält vor allem Querschnittsaufsätze sowie einige Fallstudien und bietet daher keine zusammenhängende Darstellung. Zudem ist der Band – mit Ausnahme des Vorworts im Neudruck – auf dem Stand der frühen 1980er Jahre. Kurz vor 12 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 13 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of Disputes by Means of Inquiry. 14 William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace. 15 Tabrizi Bensalah, L’Enquête Internationale dans le Rêglement des Conflicts – Règles juridiques applicables. 16 Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding. 17 Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights.
§ 3 Gang der Darstellung
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Abschluss dieser Arbeit erschien noch der Sammelband „Commissions of Inquiry: Problems and Prospects“, der von Christian Henderson herausgegeben wurde.18 Diese Veröffentlichung unterstreicht zwar einerseits die Aktualität des Themas, bietet andererseits aber wiederum nur Einzelbeiträge zu verschiedenen Problemlagen der Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen. Eine Gesamtdarstellung wird auch hier nicht geleistet. Daneben ist noch eine Reihe von einschlägigen Aufsätzen und Buchbeiträgen zu Einzel- beziehungsweise Partikularfragen veröffentlicht worden, die aber die Thematik nicht in Gänze erfassen (können) beziehungsweise nur überblicksartigen Charakter haben. Diese Literaturauswertung zeigt, dass eine Arbeit, in der sowohl internationale Untersuchungen durch Kommissionen behandelt werden, die auf der Grundlage von zwischenstaatlichen Vereinbarungen eingesetzt wurden, als auch durch solche Kommissionen, die durch Internationale Organisationen eingesetzt wurden und werden, im aktuellen Schrifttum fehlt. Diese Lücke in der wissenschaftlichen Literatur sucht der Verfasser mit dieser Studie zu schließen.
§ 3 Gang der Darstellung Die hier vorgenommene Untersuchung ist in zwei große Teile gegliedert. Der erste Teil ist internationalen Untersuchungskommissionen gewidmet, die auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge errichtet werden können und errichtet wurden, und deren Anwendungsbereich ein allgemeiner ist, d. h. auf deren Grundlage grundsätzlich jede Begebenheit in den internationalen Beziehungen untersucht werden kann. Im zweiten Teil wird der Einsatz von internationalen Untersuchungskommissionen im Rahmen von Internationalen Organisationen thematisiert.
A. Herkunft und Aufkommen internationaler Untersuchungskommissionen – Erster Teil der Arbeit Die Untersuchung beginnt im ersten Teil mit einem historischen Prolog, in dem drei Ereignisse vorgestellt werden, die auf die spätere Verrechtlichung internationaler Untersuchungskommissionen entscheidenden Einfluss ausübten. Es sind dies der Schnœbelé-Zwischenfall, der durch die Verhaftung eines französischen Beamten in Deutschland in den späten 1870er Jahren ausgelöst wurde, eine Untersuchungskommission, deren Mitglieder aus verschiedenen Staaten stammten und die den Mitte der 1890er Jahre verübten Massakern an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich nachging sowie die Explosion des US-amerikanischen Kriegsschiffes „U.S.S. Maine“ am 15. Februar 1898 im Hafen von Havanna. Hieran schließt sich die Betrachtung des Haager Systems der internationalen Untersu18
Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects.
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1. Teil: Einleitung
chungskommission an. Hiermit sind die Regelungen über solche Kommissionen gemeint, die auf den beiden großen Friedenskonferenzen am niederländischen Regierungssitz in den Jahren 1899 und 1907 geschaffen wurden sowie die Optional Rules for Fact-Finding Commissions of Inquiry, die der Ständige Schiedshof seit Ende des Jahres 1997 zur Anwendung bereithält. Hierbei werden zunächst die Entstehung und der Inhalt der Regelungen untersucht, analysiert und im Anschluss daran die entsprechenden Anwendungsfälle vorgestellt und ebenfalls einer Analyse in Bezug auf ihre Wirkungsweisen und die bei den Untersuchungen angewendeten Verfahrensweisen unterzogen. Unter den wenigen Kommissionen, die unter Geltung der genannten Regelungen eingesetzt wurden, sticht insbesondere die erste Kommission hervor, die den bekannten Dogger-Bank-Zwischenfall untersuchte, bei dem im Jahr 1904 russische Kriegsschiffe englische Fischkutter angriffen. An die Ausführungen zum Haager System schließen sich die Darstellungen von zwei Gruppen von völkerrechtlichen Verträgen an, die auf Initiative der Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen wurden und die auf das Konzept „internationale Untersuchungskommission“ entscheidenden Einfluss ausübten. Hierbei handelt es sich um die sog. Taft/Knox-Schiedsverträge sowie die sog. Bryan-Friedensverträge. Nur einer der Bryan-Verträge kam allerdings bislang in einem einzigen Fall zur Anwendung. Es folgt eine Übersicht über die weitere Entwicklung hinsichtlich der internationalen Vertragspraxis in Bezug auf die Aufnahme von Regelungen über internationale Untersuchungen beziehungsweise Untersuchungskommissionen. Am Ende wird noch die Anerkennung der Untersuchung als Mittel der internationalen friedlichen Streitbeilegung im heutigen Völkerrecht durch die Erwähnung in den Gründungsverträgen und in wichtigen Dokumenten Internationaler und regionaler Organisationen beziehungsweise Institutionen nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgehoben. In der abschließenden Betrachtung zu diesem Kapitel werden einerseits die Gründe dafür aufgezeigt, warum die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge und Vereinbarungen bisher in den internationalen Beziehungen eine Ausnahme geblieben ist, andererseits wird an Beispielen aus der Weltpolitik aufgezeigt, dass diese Art von internationalen Untersuchungskommissionen durchaus das Potential hat, in Situationen, die zu internationaler Besorgnis Anlass geben, beruhigend auf Konfliktsituationen einzuwirken. Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der spezifischen verfahrensrechtlichen Ausgestaltung, die die internationale Untersuchungskommission des Haager Typs in den beiden Haager Abkommen über die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle erhalten hat.
§ 3 Gang der Darstellung
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B. Internationale Untersuchungskommissionen im Kontext Internationaler Organisationen – Zweiter Teil der Arbeit Im zweiten Teil der Arbeit werden, der historischen Entwicklung folgend, zunächst die Fragen hinsichtlich internationaler Untersuchungskommissionen des Völkerbundes und im Anschluss hieran internationaler Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen betrachtet. Den Darstellungen hinsichtlich beider Internationaler Organisationen ist gemein, dass sie den folgenden Aufbau teilen: Zunächst werden die kompetenzrechtlichen Grundlagen für die Einsetzung von Untersuchungskommissionen vorgestellt, hieran anschließend folgt eine Vorstellung einzelner Kommissionen, wobei diese auf der Grundlage der verfügbaren Primärquellen erfasst werden. Es folgt jeweils eine Analyse der Untersuchungspraxis der beiden Organisationen zum einen im Hinblick auf Verfahrensfragen, zum anderen auch darauf hin, welche Wirkungen für die internationalen Beziehungen von Kommissionstätigkeit und -berichterstattung ausgingen. Während es bei den vom Völkerbund eingesetzten Untersuchungskommissionen stets um die Beilegung konkreter zwischenstaatlicher Konflikte ging und daher die verschiedenen Kommissionen in chronologischer Reihenfolge dargestellt werden konnten, wurde für die Praxis der Vereinten Nationen ein anderer Weg beschritten. Die Weltorganisation beziehungsweise deren Organe und Nebenorgane setzte beziehungsweise setzten Kommissionen zur Untersuchung unterschiedlichster Situationen ein. Daher wurde hier ein kasuistisches Vorgehen gewählt und die Kommissionen in folgende Kategorien unterteilt: (1.) Untersuchungen zu politischen Sachverhalten, etwa zu zwischenstaatlichen Streitigkeiten, Grenzverletzungen, Söldneraktivitäten usw., (2.) Untersuchungen im Bereich der Dekolonialisierung, (3.) Untersuchungen hinsichtlich des unnatürlichen Todes bedeutender Persönlichkeiten, (4.) Verletzungen von Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts und (5.) Untersuchungen von sonstigen Situationen. Besonders intensiv fällt die Analyse der Verfahrenspraxis der Vereinten Nationen aus. Dies zum einen deshalb, weil die Weltorganisation in den inzwischen mehr als 70 Jahren ihres Bestehens eine Vielzahl von internationalen Untersuchungskommissionen eingesetzt hat und daher reichhaltiges Anschauungsmaterial zur Verfügung steht. Zum anderen liegt diese Schwerpunktbildung darin begründet, dass sich in der modernen (Völker-)Rechtspraxis verschiedene abstrakte Konzepte und Prinzipien herausgebildet haben, die bei der Durchführung von Untersuchungen durch internationale Kommissionen der Vereinten Nationen Bedeutung erlangen und die daher an dieser Stelle unter Anlegung der Untersuchungspraxis analysiert werden.
C. Darstellungsweise der Untersuchungspraxis Die Darstellungen der praktischen Tätigkeiten der einzelnen Untersuchungskommissionen folgen einem einheitlichen chronologischen Muster: Historischer
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1. Teil: Einleitung
Hintergrund, Einsetzung der Kommission, Durchführung der Untersuchung und Ergebnisse der Untersuchung. Weitere Untergliederungen erfolgen nicht. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Lebenszyklus von internationalen Untersuchungskommissionen nur im äußerst begrenzten Maße einheitlichen Strukturen folgt und eine weitere Vereinheitlichung der Gliederungsstruktur nicht praktikabel ist. Daher wurde vielmehr versucht, dem jeweiligen Gliederungspunkt, je nach zur Verfügung stehender Informationsdichte, eine logische innere Struktur zu geben. Im ersten Gliederungspunkt wird der historische Sachverhalt geschildert, bezüglich dessen jeweils eine Untersuchungskommission eingesetzt wurde. Es werden diejenigen Umstände des Sachverhaltes aufbereitet, die für das Verständnis der folgenden darstellenden Teile notwendig sind. Im zweiten Gliederungspunkt wird die Einsetzung der jeweiligen Untersuchungskommissionen dargestellt. Gesichtspunkte, die hier beschrieben werden, umfassen die politischen Erwägungen, die zur Einsetzung einer Untersuchungskommission geführt haben, sowie den Untersuchungsauftrag, der der jeweiligen Kommission erteilt wurde. Hinzu treten Ausführungen zu der Besetzung der jeweiligen Untersuchungskommission sowie zu dem die Kommissionsarbeit unterstützenden Personal. Der dritte Gliederungspunkt ist der Durchführung der eigentlichen Untersuchung gewidmet. Da sich die Vorgehensweisen der einzelnen Untersuchungskommissionen stets erheblich unterschieden und auf die jeweils zu untersuchende Situation zugeschnitten waren, werden diese Teile regelmäßig besonders intensiv geschildert, wobei der Versuch unternommen wurde, ein lebhaftes und plastisches Bild der Untersuchung zu zeichnen. Themen, die in diesem Gliederungspunkt bei den jeweiligen Kommissionen behandelt werden, sind die etwa die Art und Weise der Beweiserhebung durch die Kommission, die durch die Kommission angewendeten Arbeitsmethoden, Vor-Ort-Untersuchungen mit den damit verbundenen Reisetätigkeiten und etwaige Probleme und Schwierigkeiten bei der Durchführung des Untersuchungsauftrages. Die Darstellung der Ergebnisse der Kommissionstätigkeit im vierten Gliederungspunkt beginnt stets mit einer kurzen Beschreibung der Struktur des jeweiligen Abschlussberichts. In der Folge wird ein Überblick über die Ergebnisse beziehungsweise die Schlussfolgerungen gegeben, zu denen die Kommission auf der Grundlage ihrer Tätigkeit kam; zudem werden, soweit vorhanden, von der Kommission abgegebene Empfehlungen für ein weiteres Vorgehen verschiedener Akteure hinsichtlich der untersuchten Situation dargestellt. Insbesondere bei denjenigen Kommissionen, die mit Untersuchungen hinsichtlich der Verletzungen von Menschenrechten und/oder des humanitären Völkerrechts beauftragt waren, kommen noch Ausführungen zu dem angewendeten Recht und dem angelegten Beweismaßstab hinzu. Da sich die Fragen, zu denen Ausführungen zu machen waren, in diesem Gliederungspunkt allerdings bei den meisten untersuchten Kommissionen stellten, konnten diese Punkte mit kursivgesetzten Ziffern oder Buchstaben (zum Beispiel a), b), c) …) zur besseren Orientierung versehen werden.
2. Teil
Internationale Untersuchungskommissionen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge § 1 Historischer Prolog Wie viele andere Phänomene des heute gültigen Völkerrechts findet auch die internationale Untersuchung ihren internationalrechtlich verfassten Ursprung auf den beiden Friedenskonferenzen im niederländischen Den Haag in den Jahren 1899 und 1907 und ist damit eine Schaffung der Belle Époque. Dabei war die Einsetzung von internationalen Untersuchungskommission zum Zeitpunkt der Abhaltung der Konferenzen keineswegs eine Neuheit.1 Ein frühes, allerdings nur sehr rudimentäres Beispiel für eine zwischenstaatliche Untersuchungsvereinbarung ist bereits aus dem 17. Jahrhundert nachweisbar,2 namentlich in dem Friedensvertrag vom 14. November 1622 zwischen den Niederlanden und dem Barbareskenstaat Tunis.3 Unter der Bezeichnung Barbareskenstaaten wurden in Europa vom 16. bis in das frühe 19. Jahrhundert vier muslimische Herrschaftsgebiete in Nordafrika, nämlich das Sultanat Marokko sowie die Regentschaften Algier, Tripolis und Tunis, zusammengefasst.4 Zwischen diesen Staaten und den europäischen Seemächten kam es
1
Vgl. Niemeyer, Deutsche Juristen-Zeitung 9 (1904), S. 1049 (1049); auch Emanuel von Ullmann, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 1 (1907), S. 82 (107). Anders allerdings Hellmuth Hecker, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Dritter Band: Rapallo-Vertrag bis Zypern, S. 480 (481): „Vor dem Jahr 1904 hatte es Untersuchungskommissionen in der Völkerrechtspraxis nicht gegeben.“ Wahrscheinlich bezieht sich Hecker jedoch darauf, dass, wie im Folgenden noch dargestellt wird, Rechtsregeln für internationale Untersuchungen erstmals auf der ersten Haager Friedenskonferenz im Jahr 1899 in einem multilateralen Vertrag niedergelegt wurden, und diese Regelungen erstmals 1904, anlässlich des sog. Dogger-Bank-Zwischenfalles, Anwendung fanden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Tatsachenfeststellungen vor dem Jahr 1904 in der Praxis der internationalen Beziehungen bereits ein bekanntes, wenn auch nicht zwingend völkerrechtlich determiniertes, Phänomen waren. 2 Siehe J. H. W. Verzijl, International Law in Historical Perspective, Part VIII Inter-State Disputes and their Settlements, S. 56 f. 3 Traité de Paix entre les Provinces-Unies de Pays-Bas, & le Royaume de Tunis, der Vertrag ist wiedergegeben bei: Jean Du Mont, Baron du Carles-Croon (Hrsg.), Corps universel diplomatique des gens, Band V/2, S. 411 f. 4 Zur Geschichte und völkerrechtlichen Stellung der Barbareskenstaaten eingehend Jörg Manfred Mössner, Die Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbares-
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
immer wieder zu militärisch geführten Auseinandersetzungen, da die Barbaresken ihr Wirtschaftssystem zu einem Großteil auf die Kaperung fremder Schiffe, der Versklavung von deren Besatzungen und Passagieren oder gar auf die Entführung der Bevölkerung von ganzen Küstendörfern und oft der anschließenden Erpressung von Lösegeldern gründeten. Der Friedensvertrag zwischen den Vereinigten Provinzen der Niederlande und dem Königreich Tunis traf in der elften Abmachung eine Regelung für mögliche Fälle der Verletzung des Vertrages. Hiernach sollte ein Bruch des Friedens zwischen den beiden Vertragsparteien erst angenommen werden, und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten erst erlaubt sein, nachdem eine gründliche Untersuchung des behaupteten illegalen Verhaltens und der ihm zugrunde liegenden Umstände durchgeführt und hierüber Bericht erstattet worden war sowie abschließende Ratschläge erteilt worden waren.5 Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden solche Kommissionen immer wieder eingesetzt. Oftmals wurden Untersuchungskommissionen dieser Zeit dazu genutzt, um in Grenzstreitigkeiten Klarheit über die Grenzlinie zwischen zwei Staaten zu gewinnen.6 Weitere Fragen, die von derartigen Kommissionen behandelt wurden, waren Wirtschafts-, Zoll-, Post- und Eisenbahnangelegenheiten.7 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden internationale Kommissionen mehr als einhundert Mal gebildet und schon seit 1870 gab es völkerrechtliche Vorschläge, internationale Streitigkeiten Untersuchungskommissionen zu unterbreiten.8 Die Einsetzung von besonderen Kommissionen zur Untersuchung oder Feststellung von völkerrechtlich
kenstaaten, S. 1 ff., der allerdings die (umstrittene) Zugehörigkeit des Sultanats Marokko zu dieser Staatengruppe ausdrücklich offenlässt. 5 „En onzième lieu, est aussi accordé, que si quelqu’un de part ou d’autre vient à contrevenir à ce que dessus, cette Paix & correspondance ne sera pas d’abord rompuë pour cela, mais avantque de proceder à ancune hostilité, il faudra produire de bons avis & de bonnes informations contre le fait perpetré.“ 6 Vgl. Otfried Nippold, Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, S. 454 f. 7 Vgl. Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (229). Boghitchévitch weist allerdings auch darauf hin, dass solche Kommissionen damals oftmals dergestalt arbeiteten, dass sich Kommissare eines Staates auf das Gebiet des anderen Staates begaben und sich dort mit den Kommissaren des anderen Staates zusammenfanden und dort anschließend ihre Tätigkeit entfalteten. Auch wenn solche Kommissionen auf dem fremden Staatsgebiet tätig wurden, so sei ihr Charakter nach Boghitchévitch ein rein nationaler gewesen. Die Rechtsquellen für deren Tätigkeit seien jeweils im Recht ihres Heimatstaates zu suchen, da die einzelnen Kommissare nur durch ihren jeweiligen Heimatstaat beauftragt worden seien. Boghitchévitch erkennt zwar an, dass solche Kommissionen durch die Eigenart ihrer Tätigkeit zwar auch im Interesse der Staaten- beziehungsweise der Völkerrechtsgemeinschaft tätig seien, schreibt ihnen aber ein „für das Völkerrecht nur (…) mittelbares Interesse“ zu, und bezeichnet diese Kommissionen daher als „national“, S. 228 f. 8 Vgl. Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (214 Fn. 3); Denys P. Myres, The Commission of Inquiry: The Wilson-Bryan Peace Plan, S. 5.
§ 1 Historischer Prolog
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bedeutsamen Tatbeständen im Interesse der damaligen Staatengemeinschaft oder auch nur eines einzelnen Staates war also durchaus üblich.9 Eingedenk dieser Erfahrungen übten mehrere Ereignisse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die spätere völkerrechtliche Kodifikation der internationalen Untersuchungskommission einen entscheidenden Einfluss aus. 9 Vgl. Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (230). Dort wird auf ein Beispiel (m. w. N.) aus dem internationalen Wirtschaftsrecht der damaligen Zeit hingewiesen. Im Zuge der ägyptischen Staatsschuldenkrise wurde durch Dekret vom 27. Januar 1878 eine Commission supérieur d’enquête eingesetzt. Diese internationale Kommission sollte die Ursache für die schlechte ägyptische Finanzlage feststellen und ein Sanierungsprojekt hierzu ausarbeiten. Dieser Kommission folgte eine internationale Liquidationskommission, welche durch ein Dekret vom 31. März 1880 auf der Grundlage einer Erklärung von fünf Großmächten eingesetzt wurde. – Ein weiterer Fall einer internationalen Kommission im 19. Jahrhundert ist die Untersuchung der sog. Don-Pacifico-Affäre. Namensgebend hierfür war David Don Pacifico, ein britischer Staatsangehöriger jüdischen Glaubens, der in Gibraltar geboren und in Portugal aufgewachsen war. Pacifico lebte im Jahr 1847 in der griechischen Hauptstadt Athen und war dort für Portugal als Konsul tätig. Im Zuge antisemitischer Ausschreitungen wurde Pacificos Haus durch eine Menschenmenge angegriffen und verwüstet. Die Angreifer wurden dabei von der griechischen Polizei unterstützt. Zudem wurde berichtet, dass sich unter ihnen ein Sohn oder mehrere Söhne des griechischen Kriegsministers befunden hätte beziehungsweise hätten. Pacifico suchte beim Vereinigten Königreich nach dem Angriff auf sein Haus um Schutz nach. Die Regierung des Vereinigten Königreichs verlangte daraufhin von Griechenland Ersatz für die entstandenen Schäden in Höhe von 30.000 £. Allerdings verweigerte Griechenland dies mit dem Hinweis darauf, dass Pacifico zunächst vor griechischen Gerichten auf Ersatz seiner Schäden hätte klagen müssen. Nachdem langwierige Verhandlungen zwischen den beiden Staaten zu keinen Ergebnissen führten, etabliert schließlich, nach Ablauf eines Ultimatums, die Royal Navy eine Blockade von Piräus und anderen griechischen Häfen, allerdings nur gegenüber griechischen Schiffen. Sowohl in der britischen Öffentlichkeit als auch im Ausland, wurde diese Kanonenbootpolitik stark kritisiert. Daher sah sich das Vereinigte Königreich im April 1850 schließlich veranlasst, nach Vermittlung durch Frankreich, die Blockade zu beenden. Am 18. Juli 1850 schlossen Griechenland und das Vereinigten Königreich ein Abkommen, in welchem sich die griechische Seite dazu verpflichtete, Pacifico nach einer vollständigen und fairen Untersuchung zu entschädigen, falls diese ergeben würde, dass Verluste bei Pacifico entstanden seien. Weiterhin sah das Abkommen vor, dass zum Zwecke der Untersuchung von dem Vereinigten Königreich, von Frankreich und von Griechenland zwei als „Schiedsrichter“ bezeichnete Personen benannt werden sollten, sowie eine unparteiische Person, die im Falle von Differenzen zwischen den Schiedsrichtern entscheiden sollte. Diese „Schiedskommission“ sollte der britischen und der griechischen Regierung darüber berichten, ob Pacifico Schäden entstanden seien und falls dies zutraf, auch deren Höhe beziffern. Die Kommission tagte im Februar 1851 in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, da den Kern von Pacificos Forderung der Verlust von Dokumenten bei der Verwüstung seines Hauses bildete, welche verschiedene Forderungen gegen den portugiesischen Staat belegen sollten. Konsequenterweise setzte sich die Kommission aus Diplomaten Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Griechenlands in Portugal zusammen. Die Kommission entdeckte in staatlichen Archiven in Lissabon originale und beglaubigte Kopien der Dokumente, die Pacificos Forderungen untermauerten. Die Kommission befand, dass ihm eine Summe von 150 £ zustehen würde. Siehe Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 37 ff.; Wolfgang Schumann, Die Friedensblockade, S. 19 f. jeweils m. w. N.; vertiefend hierzu auch David Hannell, European History Quarterly 19 (1989), S. 495 ff.; Geoffrey Hicks, International History Review 26 (2004), S. 515 ff.; Dolphus Whitten, Historian 48 (1986), S. 255 ff.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
A. Der Schnœbelé-Zwischenfall Am 20. April 1887 nahm der französische Beamte Guillaume Schnœbelé in Deutschland an einer deutsch-französischen Dienstbesprechung über den Verlauf eines Stückes der Grenze zwischen den beiden Staaten teil, zu der er von deutscher Seite eingeladen worden war. Auf dem Weg zu dieser Dienstbesprechung wurde Schnœbelé von deutschen Polizisten aufgegriffen und in der damals zu Deutschland gehörenden Stadt Metz in Gewahrsam genommen. Die Inhaftierung geschah auf der Grundlage eines Haftbefehls, der wegen des Verdachts der Spionage ausgestellt worden war. Dies war der Auftakt zu dem sog. Schnœbelé-Zwischenfall.10 In Folge der Verhaftung Schnœbelés kam es in Frankreich zu heftigen Reaktionen, vor allem in Presse und Politik. Der französische Kriegsminister Georges Ernest Boulanger nutzte diesen Vorfall aus, um einen Vergeltungsschlag gegen Deutschland zu fordern, womit die Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 gerächt werden sollte. Mit Hilfe des Premierministers brachte Boulanger die Vorlage für ein Ultimatum an Deutschland in das französische Kabinett ein. Danach sollte, für den Fall, dass Schnœbelé nicht freigelassen würde, eine Kriegserklärung an das Deutsche Reich erfolgen. Dem Antrag Boulangers war allerdings kein Erfolg beschieden und er scheiterte schließlich bei der Abstimmung im Kabinett an den Stimmen der Kriegsgegner. Schnœbelé wurde am 30. April 1887 auf Anordnung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck wieder freigelassen. Als Grund hierfür wurde genannt, dass die Einladung durch die deutsche Stelle für Schnœbelé konkludent die Zusicherung freien Geleits enthalten habe.
B. Die internationale Untersuchungskommission hinsichtlich von Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich Ein wichtiges Beispiel für eine internationale Untersuchungskommission aus der Zeit vor den Haager Friedenskonferenzen war die Kommission, welche Mitte der 1890er Jahre bezüglich von Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich eingesetzt wurde.11 Seit dem Jahr 1894 kam es, ausgehend von der Region Sason im Osmanischen Reich, zu brutalen Übergriffen auf die dort lebende armenischstäm10
Vgl. zu dem Zwischenfall Annual Register 1887, S. 247 und eingehend Baron Franz von Holtzendorff, Revue de Droit International et de Legislation Comparée 20 (1888), S. 217 (218 ff. m. w. N.) sowie Bertrand Joly, Revue d’Histoire Moderne & Contemporaine 46 (1999), S. 325 ff.; auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 33. Siehe auch das Dokument Dossier LH/2483/51 vom 6. Februar 1877 aus dem Nationalarchiv der Französischen Republik sowie New York Times vom 6. Dezember 1900, S. 7. 11 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf der Dokumentation von N. N., Revue Général de Droit International Public 3 (1896), S. 88 ff. sowie auf den Schilderungen bei Nissim Bar-Yaccov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 35 ff. und Roy Douglas, The Historical Journal 19 (1976), S. 113 ff. m. w. N.
§ 1 Historischer Prolog
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mige, christliche Bevölkerung. Die Gewalttaten erreichten einen Höhepunkt im Spätsommer dieses Jahres. Die tiefere Ursache für die Massaker lag in der Schwächung des Osmanischen Reiches und seinem allmählichen Niedergang als eine der dominanten Mächte in Europa und im Orient. Der osmanische Sultan Abdul Hamid II. proklamierte in dieser Zeit die Idee des Pan-Islamismus als Staatsideologie. Die britische Regierung nahm sich der Armenierfrage im Osmanischen Reich intensiv an. Sie schlug den Regierungen der weiteren europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Russland vor, in der Angelegenheit zu intervenieren. Deutschland und Österreich-Ungarn zeigten kein Interesse an einer gemeinsamen Aktion. Die Regierungen Frankreichs, Italiens, des Vereinigten Königreichs und Russlands schlugen hingegen vor, eine gemischte Kommission einzusetzen, welche aus den Vertretern der vier Staaten und aus osmanischen Vertretern gebildet werden sollte. Im Verlauf des Dezembers 1894 wurde weiter auf das Osmanische Reich politischer Druck ausgeübt, um so die Akzeptanz für eine internationale konsularische Untersuchungskommission zu erreichen.12 Die osmanische Regierung benannte schließlich eine Kommission, welche aus fünf Repräsentanten bestand. Drei weitere Repräsentanten für die Kommission wurden jeweils von dem britischen, dem französischen und dem russischen Konsul in der Stadt Erzurum benannt. Der Kommission wurde beauftragt, die Hintergründe der Massaker an den Armeniern aufzuklären, die Tatsachen bezüglich der Tötungen und der Zerstörungen zu ergründen sowie die Verantwortlichkeiten hierfür festzustellen. Die Untersuchungskommission suchte im Jahr 1895 die Region Sason auf, hielt 107 Sitzungen ab und hörte 190 Zeugen. Obwohl die osmanischen Mitglieder der Kommission sich nicht sonderlich kooperativ zeigten, nahmen die Repräsentanten der anderen europäischen Mächte sehr aktiv an den Untersuchungen teil. Der russische, der französische und der britische Repräsentant verabschiedeten gemeinsam, unabhängig von den osmanischen Kommissionsmitgliedern, am 20. Juli 1895 einen Bericht über ihre Untersuchung, welcher später von der britischen Regierung dem Parlament des Vereinigten Königreichs vorgelegt wurde. Der Bericht schilderte, dass während der gewaltsamen Ereignisse im August und September 1894 in der Region Sason etwa 900 Menschen ihr Leben verloren hatten. Armenische Flüchtlinge seien von osmanischen Soldaten und Polizisten und auch von Angehörigen der kurdischen Volksgruppe ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht massakriert worden. In den von Armeniern bewohnten Regionen sei zudem in großem Ausmaß Eigentum zerstört worden. Den europäischen Großmächten war durch den Bericht der drei Repräsentanten ein Mittel an die Hand gegeben worden, um die osmanische Politik gegenüber der 12 Hellmuth Hecker, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Dritter Band: Rapallo-Vertrag bis Zypern, S. 480 (481) betont daher, dass es sich nicht um eine durch zwischenstaatliche Vereinbarung gebildete Kommission gehandelt habe, sondern um das Organ einer Intervention.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
armenischen Bevölkerung zu verurteilen. Tatsächlich entfalteten die sechs großen europäischen Mächte im Anschluss an den Bericht intensive diplomatische Aktivitäten. Das Osmanische Reich wurde dazu gedrängt, Verwaltungsreformen in den armenischen Provinzen durchzuführen. Zudem verlegten das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland Marineverbände in osmanische Gewässer und führten vor Konstantinopel eine Machtdemonstration ihrer Seestreitkräfte durch. Unter dem Druck der Großmächte verkündete der Sultan Ende des Jahres 1895 schließlich, dass Polizei und Gendarmerie umorganisiert würden, und dass das Verwaltungs- und das Justizwesen in den armenischen Provinzen einer Reform unterzogen würde.
C. Die Explosion der „U.S.S. Maine“ Am Abend des 15. Februar 1898 um 21:40 Uhr explodierte im Hafen von Havanna der gepanzerte Kreuzer der U.S. Navy „U.S.S. Maine“ (ACR-1).13 Das Kriegsschiff war einige Wochen zuvor nach Kuba entsandt worden, um dort Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika im kubanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien zu schützen. Die Explosion ereignete sich dabei plötzlich und ohne jede Vorwarnung; dabei verloren über 260 Seeleute ihr Leben. Die Ursachen für diesen Vorfall, der als „Maine“-Zwischenfall in die Geschichtsbücher eingegangen ist, blieben unklar. In den Vereinigten Staaten von Amerika verschärfte sich in der Folge in Öffentlichkeit und Politik der Ton gegenüber Spanien. Schon zuvor hatten dort Stimmen ein Vorgehen gegen die europäische Kolonialmacht gefordert. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen hatten die Vereinigten Staaten von Amerika auf der Karibikinsel beträchtliche Wirtschaftsinteressen zu wahren, zum anderen waren die Sympathien für den kubanischen Unabhängigkeitskampf groß. Um die Ursachen für den Zwischenfall an Bord der „U.S.S. Maine“ aufzuklären, wurden zwei Untersuchungskommissionen eingesetzt; ein Angebot Spaniens an die Vereinigten Staaten von Amerika, eine internationale Untersuchungskommission in der Angelegenheit ermitteln zu lassen, war zuvor ausgeschlagen worden. Spanien entsandte zwei Marineoffiziere, die zu dem Ergebnis kamen, dass eine spontane Entzündung im Kohlebunker der „Maine“ die Explosion hervorgerufen habe, der sich in unmittelbarer Nähe der Munitionslagerstätten befand. Dieser Befund wurde in der US-amerikanischen Presse allerdings nicht veröffentlicht und blieb damit der Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika unbekannt. Eine US-amerikanische Kommission kam hingegen zu dem Schluss, dass der Kontakt mit einer Seemine zu der Versenkung des Kreuzers geführt habe. 13
Vgl. für eine eingehendere Darstellung der nachfolgend beschriebenen Ereignisse und ihrer Auswirkungen Samuel Willard Cromtpton, The Sinking of the USS Maine: Declaring War against Spain, S. 1 ff.; Louis A. Peréz, Pacific Historical Review 58 (1989), S. 293 ff. m. w. N. sowie Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 33 ff. Siehe auch Annual Register 1898, S. 362 f.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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Obwohl US-Präsident William McKinley sich einem bewaffneten Konflikt mit der, schon seit langem im Verfall begriffenen, Kolonialmacht Spanien gegenüber zunächst abgeneigt zeigte, beugte er sich dem öffentlichen Druck, der sich nach dem „Maine“-Zwischenfall intensivierte.14 Am 11. April 1898 beantragte der US-Präsident beim Kongress ein Mandat, um ein Truppenkontingent nach Kuba entsenden zu können, das dort gegen die spanischen Truppen vorgehen könne. Einige Tage später, am 19. April 1898, nahmen der Senat und das Repräsentantenhaus eine gemeinsame Resolution an, die den Abzug Spaniens von Kuba forderte und in welcher der Präsident ermächtigt wurde, manu militari die Unabhängigkeit der Insel zu unterstützen. Der „Maine“-Zwischenfall wurde hierin allerdings nicht ausdrücklich als casus belli benannt. Nachdem die Resolution am nächsten Tag an Spanien übermittelt wurde, brach der südeuropäische Staat seine diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika ab und erklärte diesen am 23. April 1898 den Krieg. Der nachfolgende Spanisch-Amerikanische Krieg, der vor allem im Pazifik und auf den Großen Antillen ausgetragen wurde, forderte zirca 92.000 Todesopfer und Verwundete als Folge der Kampfhandlungen oder der im Zusammenhang mit diesen stehenden Krankheiten. Als der Krieg am 10. Dezember 1898 mit der Unterzeichnung des Friedens von Paris15 sein Ende fand, waren die Philippinen, Guam, Kuba und Puerto Rico an die Vereinigten Staaten von Amerika gefallen. Obwohl ihm noch einige kleinere überseeische Besitzungen verblieben, war das spanische Kolonialreich damit endgültig zerschlagen.
§ 2 Das Haager System der internationalen Untersuchungskommissionen A. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 Vom 18. Mai bis zum 29. Juli 1899 tagte in Den Haag eine große internationale Friedenskonferenz. Angeregt wurde das Staatentreffen durch den russischen Zaren Nikolaus II. In einem kaiserlichen Reskript vom 24. August 1898, welches durch den russischen Außenminister Graf Mikhail Nikolayevich Muravyov an die in St. Petersburg ansässigen diplomatischen Vertreter der anderen Mächte übergeben wurde, hieß es hierzu zu Beginn: „Le maintien de la paix général et une réduction possible des armements excessifs qui pèsent sur toutes les nations se présentent, dans la situation actuelle du monde entier, comme l’idéal auquel devraient tendre les efforts de 14 Vgl. hierzu und zum Folgenden aus der zeitgenössischen Literatur die ausführlichen Darstellungen von Henry Watterson, A History of the Spanish-American War, S. 1 ff. und Henry Cabot Lodge, The War with Spain, S. 1 ff. 15 Der Text des Pariser Friedens vom 10. Dezember 1898 ist wiedergegeben bei: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, S. 111 f.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
tous les Gouvernements.“16 In einem Rundschreiben des Grafen Muravyov an die Diplomaten vom 11. Januar 189917 schlug dieser im Namen des Zaren deren Regierungen „8. Acceptation en principe de l’usage des bon offices, de la médiation et de l’arbitrage facultative, pour des cas qui s’y prêtent, dans le but de prévenir des conflits armés entre nations, entente au sujet de leur mode d’application et établissement d’une pratique uniforme dans leur emploi“ vor.18 Der Vorschlag enthielt dabei acht konkrete Punkte aus den Bereichen Abrüstung, Kriegsregeln sowie der friedlichen Streitbeilegung zwischen den Staaten, über die verhandelt werden sollte.19 Beeinflusst war die Idee zu der Konferenz von den Erfahrungen nach einer Zeit relativer Ruhe in Folge des Wiener Kongresses sowie der seit Mitte des 19. Jahrhunderts wieder vermehrt auftretenden Kriege in Europa und Nordamerika, wie etwa dem Krim-Krieg (1853 bis 1856), dem amerikanischen Sezessionskrieg (1861 bis 1865), dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) oder dem Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898). Neben der allgemeinen Zunahme von Kriegen, führte deren fortschreitende Technisierung in Politik und Bevölkerung vieler Staaten zu Besorgnissen, woraus sich letztendlich die wachsende bürgergesellschaftlich organisierte internationale Friedensbewegung20 speiste.21 Die Konferenz, zu der die Niederlande einluden,22 und zu welcher 26, vorwiegend europäische, von 59 eingeladenen Staaten23 Delegationen entsandten, führte nach ihrer zehnwöchigen Arbeit zur 16 Das Rundschreiben ist wiedergegeben in: Ministère des Affaires Étrangères (Frankreich), Documents Diplomatiques: Conférence Internationale de la Paix 1899, S. 1 f. (Zitat: S. 1). 17 Das Rundschreiben ist wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Instructions adressées aux délégués américains aux conférences de La Haye et leurs rapports officiels, S. 3 f. (Zitat: S. 4). 18 Ministère des Affaires Étrangères (Frankreich), Documents Diplomatiques: Conférence Internationale de la Paix 1899, S. 3 (5). 19 Vgl. auch A. J. R. Groom, in: Andrew F. Cooper/Jorge Heine/Ramesh Thakur (Hrsg.), The Oxford Handbook of Modern Diplomacy, S. 263 (264 f.). 20 Siehe zur Friedensbewegung instruktiv Karl-Heinz Ziegler, in: ders. (Hrsg.), FATA IURIS GENTIUM, S. 341 (354 ff.); Cecilia Lynch, in: Bardo Fassbender/Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, S. 198 ff. sowie die zeitgenössische Schrift von Alfred H. Fried, Handbuch der Friedensbewegung. 21 Ausführlich zu diesen Motiven James Brown Scott, The Hague Peace Conferences of 1899 and 1907, S. 35 ff.; F. de Martens, La Conférence de la paix a la Haye, S. 7 ff.; zur Konferenz insgesamt aus der jüngeren Literatur auch Arthur Eyffinger, The 1899 Hague Peace Conference; Stephen Barcroft, Irish Studies in International Affairs 3 (1989), S. 55 ff.; siehe auch Geoffrey Best, International Affairs 75 (1999), S. 619 ff. 22 Das niederländische Einladungsschreiben ist wiedergeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 4 f. 23 Folgende Staaten entsandten Delegationen nach Den Haag: Belgien, Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Luxemburg, Mexiko, Montenegro (vertreten durch Russland), Niederlande, Osmanisches Reich, Österreich-Ungarn, Persien, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden (einschließlich Norwegen), Schweiz, Serbien, Siam, Spanien, Vereinigtes Königreich (einschließlich Irland) und Vereinigte Staaten von Amerika.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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Verabschiedung einer Schlussakte24 unter Einschluss von sechs voeux (Empfehlungen),25 drei Abkommen26 sowie drei Deklarationen.27
I. Entstehung und Inhalt der Regeln 1. Der russische Vorschlag zur Schaffung von Regeln über eine internationale Untersuchungskommission Obwohl in dem ursprünglichen Vorschlag des Zaren vom 11. Januar 1899 die Schaffung von Regeln über internationale Untersuchungen noch nicht ausdrücklich als Verhandlungspunkt zur zwischenstaatlichen Streitbeilegung aufgenommen war,28 wurde sie zu einem Teil des Programms der Konferenz im Haag. In dem von Russland vorgestellten Hauptentwurf eines Vertrages über die zwischenstaatliche friedliche Streitbeilegung,29 welcher zwischen den auf der Haager Konferenz vertretenen Mächten abzuschließen sei, waren in den Artikeln 14 bis 18 Regelungen 24 Wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 6 ff. 25 Es sind dies: die Empfehlung zur Überarbeitung der Genfer Konvention von 1864 (gemeint ist damit die Konvention über die Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde vom 22. August 1864 [Anmerkung durch den Verfasser]) wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 20; die Empfehlung betreffend der Rechte und Pflichten von Neutralen, wiedergegeben ebenda; die Empfehlung betreffend von Gewehren und Kanonen, wiedergegeben ebenda; die Empfehlung betreffend der Reduzierung von Streitkräften und von Kriegsbudgets, wiedergegeben ebenda; die Empfehlung betreffend privaten Eigentums im Seekrieg, wiedergegeben ebenda, S. 20 f.; die Empfehlung betreffend des Beschusses von Häfen, Städten und Dörfern durch Seestreitkräfte, wiedergegeben ebenda, S. 21. 26 Es sind dies: das Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 21 ff.; das Abkommen betreffend der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs nebst der Anlage zu dem Abkommen: Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, wiedergegeben ebenda, S. 45 ff., S. 51 ff. sowie das Abkommen betreffend die Adaption der Prinzipien der Genfer Konvention vom 22. August 1864 auf den Seekrieg, wiedergegeben ebenda, S. 71 ff. 27 Es sind dies: die Erklärung betreffend das Werfen von Geschossen oder Explosivstoffen aus Ballonen, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 79 ff.; die Erklärung betreffend das Verbot der Verwendung von Geschossen mit erstickenden oder giftigen Gasen, wiedergegeben ebenda, S. 81 ff. sowie die Erklärung betreffend das Verbot von Geschossen, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken, wiedergegeben ebenda, S. 83 ff. 28 In dem russischen Rundschreiben vom 11. Januar 1899 heißt es in dem Abschnitt, welcher der friedlichen Streitbeilegung gewidmet war, wie oben bereits gezeigt, lediglich, dass Regeln für die Guten Dienste, die Mediation und eine fakultative Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt werden sollten. 29 Dieser Vertrag sollte alle möglichen Arten von völkerrechtlichen Streitigkeiten umfassen; vgl. Emanuel von Ullmann, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 1 (1907), S. 82 (89).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
über eine internationale Untersuchungskommission enthalten. Der Entwurf wurde in der zeitgenössischen Literatur zum Teil als bedeutendster Vorschlag der gesamten Konferenz angesehen; ihm wurde eine große Zukunft bescheinigt.30 Zur Ausgestaltung der internationalen Untersuchungskommission sah der russische Entwurf Folgendes vor:31 „Article 14 Dans les cas où se produiraient entre les Etats signataires des divergences d’appréciation par rapport aux circonstances locales ayant donné lieu à un litige d’ordre international qui ne pourrait pas être résolu les voies diplomatique ordinaires, mais dans lequel ni l’honneur, ni les intérêts vitaux de ces Etats ne seraient engagés, les Gouvernements intéressés conviennent d’instituer une Commission internationale d’enquête, afin de constater les circonstances ayant donné matière au dissentiment et d’éclaircir sur les lieux par un examen impartial et consciencieux toutes les questions de fait. Article 15 Les Commissions internationales sont constituées comme suit: chaque Gouvernement intéressé nomme deux membres et le quarte membre réunis choisissent le cinquième membre, qui est en même temps le Président de la Commission. S’il y a partage des voix pour l’élection d’un Président, les deux Gouvernements intéressés s’adressent d’un commun accord, soit à un Gouvernements tiers, soit à une personne tierce qui nommera le Président de la Commission. Article 16 Les Gouvernements entre lesquels s’est produit un dissentiment grave ou un conflict dans les conditions indiquées plus haut, s’engagent à fournir à la Commission d’enquête tous les moyens et toutes les facilités nécessaires pour une étude approfondie et consciencieuse des faits qui y ont donné matière. Article 17 La Commission d’enquête internationale, après avoir constaté les circonstances dans lesquelles le dissentiment ou le conflit s’est produit, présente aux Gouvernements intéressés son rapport signé par tous les membres de la Commission. Article 18 Le rapport de la Commission d’enquête n’a nullement le caractère d’une sentence arbitrale; il laisse aux Gouvernements en conflit entière faculté, soit de conclure un arrangement à l’amiable sur la base du rapport susmentionné, soit de recourir à l’arbitrage en concluant un accord ad hoc, soit enfin de recourir aux voies de fait admises dans les rapports mutuels entre les nations.“
Welche Gründe Russland zur Aufnahme von Artikeln über eine internationale Untersuchungskommission bewogen hatten, lässt sich aus den Konferenzmaterialien nur schwerlich rekonstruieren. Es finden sich in diesen nur einige Anklänge zu den 30
Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 165, dort auch Fn. 1 m. w. N. 31 Der französische Originaltext des russischen Entwurfs ist wiedergegeben bei: Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 129 f.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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hinter der Regelung einer internationalen Untersuchungskommission liegenden Ideen.32 Der Nestor der völkerrechtlich kodifizierten internationalen Untersuchungskommission, der russische Delegierte Friedrich Fromhold Martens33, führte in einem Artikel in der Novemberausgabe des Jahres 1899 der Zeitschrift „The North American Review“, also nur kurz nach Abschluss der ersten Haager Friedenskonferenz, allerdings mehrere Gründe für den Wert des russischen Vorschlages an.34 Hauptziel einer solchen Kommission war es hiernach „to prevent the development of a conflict between nations by an examination in loco of the circumstances which brought about the conflict. These Commission of Inquiry may be considered as a sort of safety-valve, designed to set bounds to the discussions of the press, of the public and of representative bodies“.35 Martens sah den von ihm ins Auge gefassten praktischen Nutzen solcher Kommissionen vor dem Hintergrund diverser Ereignisse, die sich nur einige Zeit vor der Haager Friedenskonferenz zugetragen hatten, als begründet an. Als Ereignisse, auf die eine Faktenuntersuchung durch eine internationale Kommission einen beruhigenden Einfluss hätte ausüben können, benannte der russische Diplomat und Völkerrechtler ausdrücklich den Schnœbelé-Zwischenfall sowie den Zwischenfall hinsichtlich des US-amerikanischen Kriegsschiffs „U.S.S. Maine“ im Hafen von Havanna.36 Insbesondere der „Maine“-Zwischenfall dürfte, da er sich direkt in dem Jahr vor der Friedenskonferenz zugetragen und für großes internationales Aufsehen gesorgt hatte, Martens dazu veranlasst haben, eine internationale Untersuchung als unterstützenswert zu proklamieren, da sich die getrennten Untersuchungen durch Spanien und die Vereinigten Staaten von Amerika damals nicht als konfliktberuhigend erwiesen hatten.37 Auch wird in dem Artikel von Martens deutlich, dass er sich bei seinem Vorschlag an Vorbildern für internationale Untersuchungskommissionen aus der Vergangenheit orientierte. Namentlich führt er an, dass solche Kommissionen bereits zu verschiedenen Gelegenheiten eingesetzt
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So auch William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 13. Martens trug zu seiner Zeit sowohl durch seine wissenschaftliche Befassung mit dem Völkerrecht als auch durch seine Tätigkeit als Völkerrechtspraktiker entscheidend zur Weiterentwicklung des internationalen Rechts bei; vgl. Rein Müllerson, European Journal of International Law 25 (2014), S. 831 (840 f.). 34 Siehe Friedrich Fromhold Martens, The North American Review 169 (1899), S. 604 ff. 35 Friedrich Fromhold Martens, The North American Review 169 (1899), S. 604 (609). 36 Friedrich Fromhold Martens, The North American Review 169 (1899), S. 604 (612). 37 In diesem Sinne auch James Brown Scott, The Hague Peace Conferences of 1899 and 1907, S. 269; Heinrich Lammasch, in: Fritz Stier-Somlo (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts – Dritter Band: Internationales Verwaltungsrecht, Übersicht über die Ergebnisse der Ersten und Zweiten Haager Friedenskonferenz, Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange, S. 238 f.; J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 43 f.; Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 33 ff.; Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 53; John G. Collier/Vaughan Lowe, The Settlement of Disputes in International Law, S. 25; William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 14; Seth Low, The North American Review 169 (1899), S. 625 (635); Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (231). 33
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
worden seien: „for example in the Orient“.38 Auch wenn aus dem weiteren Beitrag nicht ausdrücklich hervorgeht, dass Martens hierbei die international besetzte Kommission zur Untersuchung von Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich aus dem Jahr 1894 in Bezug nahm, so ist dies jedoch sehr wahrscheinlich, da diese zur damaligen Zeit in den internationalen Beziehungen besondere Bekanntheit aufwies.39 Darüber hinaus bringt William I. Shore noch einen möglichen weiteren Grund vor, der Martens zur Schaffung einer völkerrechtlich kodifizierten internationalen Untersuchungskommission angeregt haben könnte. Dieser lag in der Tätigkeit des russischen Diplomaten begründet:40 Martens war Vorsitzender eines Schiedsgerichts, welches 1897 errichtet worden war und in einem Grenzstreit zwischen Venezuela und dem Vereinigten Königreich hinsichtlich der Kolonie Britisch-Guyana urteilen sollte.41 Dieser Grenzstreit hatte zuvor die Vereinigten Staaten von Amerika dazu veranlasst, eine nationale Untersuchungskommission in der Sache zu etablieren, da in verschiedenen britischen Handlungen eine Verletzung der sog. Monroe-Doktrin gesehen wurde, nach der es europäischen Mächten untersagt war, in der westlichen Hemisphäre zu intervenieren. Zu diesen Akten gehörte etwa die Entsendung eines Flottenverbandes der Royal Navy vor die Küste Venezuelas. Allerdings nahm die US-amerikanische Untersuchungskommission niemals ihre Tätigkeit auf. Shore mutmaßt insoweit, dass die Komplexität der Fakten, die das Schiedsgericht in der Sache zu würdigen hatte, und die Möglichkeit, dass eine Untersuchungskommission mit der Menge an vorgelegten Beweismitteln besser zurechtgekommen wäre als das Schiedsgericht, einen weiteren wichtigen Einfluss auf Martens ausgeübt haben könnten. 2. Die Beratungen auf der Konferenz Die genaue Ausgestaltung sowie die Frage, ob überhaupt Regelungen über eine internationale Untersuchungskommission völkervertragsrechtlich verankert werden sollten, waren auf der Konferenz von 1899 heftig umstritten. Meurer beschreibt in seiner zeitgenössischen Abhandlung über die erste Haager Friedenskonferenz die entsprechenden Verhandlungen sogar als „Kampf um die Untersuchungskommis-
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Friedrich Fromhold Martens, The North American Review 169 (1899), S. 604 (613). Siehe auch Albert Beaucourt, Les commissiones internationales d’enquête, S. 94; siehe auch Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (231); kritisch gegenüber einer solche Interpretation hingegen Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 36 f. 40 Siehe William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 13 m. w. N. 41 Vgl. Award regarding the Boundary between the Colony of British Guiana and the United States of Venezuela vom 3. Oktober 1899, Reports of International Arbitral Awards Vol. XXVIII, S. 331 ff.; zu der im Folgenden erwähnten Monroe-Doktrin Elihu Root, American Journal of International Law 8 (1914), S. 427 ff. 39
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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sion“,42 welcher „geradezu leidenschaftlich“ geführt worden sei.43 Wie in der Folge gezeigt wird, waren dafür eine Reihe von Missverständnissen verantwortlich.44 Die Beratungen über den russischen Vorschlag fanden im dritten Ausschuss der Konferenz statt,45 dem die Beratungen über die Kodifizierung der Mittel der friedlichen Streitbeilegung nach dem russischen Rundschreiben vom 11. Januar 1899 übertragen worden waren,46 und dem der französische Delegierte Léon Bourgeois vorsaß.47 Zur Arbeitsvereinfachung wurde der Vorschlag zusammen mit einem britischen Vorschlag zur Schaffung eines ständigen internationalen Schiedstribunals48 zu einer Voruntersuchung an ein speziell gebildetes Examinationskomitee übergeben, welchem die Delegierten aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich-Ungarn, Russland, der Schweiz sowie aus den Vereinigten Staaten von Amerika angehörten.49 Zum Vorsitzenden wurde der belgische Delegierte Ritter Descamps gewählt.50 Während der Beratungen des Examinationskomitees wurde allerdings auch immer wieder anderen Konferenzteilnehmern ein Rederecht eingeräumt. a) Die beiden ersten Lesungen im Examinationskomitee Die erste Lesung des russischen Entwurfs fand am 21. Juni 1899 auf der achten Sitzung des Komitees statt. Auf dieser wurden sofort Zweifel an der angedachten Konzeption der internationalen Untersuchungskommission laut. Bei der Diskussion um Artikel 14 des Entwurfs warf der Vertreter Österreich-Ungarns, der Wiener Völkerrechtsprofessor Heinrich Lammasch, ein, dass er zwar den Wert der Institution einer internationalen Untersuchung nicht verkenne und diese sicherlich sehr nützlich 42 43 44
(609). 45
Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 130. Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 131. Vgl. auch Friedrich Fromhold Martens, The North American Review 169 (1899), S. 604
Siehe zu dessen Besetzung James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 25 f.; siehe zu diesem Ausschuss auch insgesamt Arthur Eyffinger, The 1899 Hague Peace Conference, S. 353 ff. 46 James Brown Scott (Hrsg.), The Reports of the Hague Conferences of 1899 and 1907, S. 2 ff. 47 Arthur Eyffinger betitelt die Tätigkeiten des dritten Ausschusses auch als Arbeiten an „The Magna Charta of International Law“, The 1899 Hague Peace Conference, S. 353. Damit wird der großen Bedeutung des Arbeitsprogramms dieses Ausschusses für die weitere Entwicklung des Völkerrechts im Allgemeinen und für die internationale Streitbeilegung im Besonderen Rechnung getragen. 48 Der britische Vorschlag ist wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 813 ff. 49 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 585. 50 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 687.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
seien könne. Sie als obligatorisch auszugestalten, gehe jedoch zu weit. Die Verpflichtungen, welche Artikel 14 des Entwurfs den Staaten auferlege, seien sehr schwerwiegender Natur.51 Lammaschs eher ablehnende Haltung gegenüber der obligatorischen Untersuchungskommission wurde von dem Delegierten der Vereinigten Staaten von Amerika Holls und dem deutschen Delegierten Zorn geteilt.52 Bei den Beratungen zu Artikel 15 des russischen Entwurfs hinsichtlich der Anzahl der Mitglieder der internationalen Untersuchungskommission wurde die starre Festlegung auf fünf Mitglieder, von denen nur eines neutral sein sollte, als unbefriedigend empfunden. Holls befürchtete, dass bei einer solchen Kommissionszusammensetzung dem neutralen Kommissionsvorsitzenden nicht mehr genug Autorität zukommen würde, und die beiden widerstreitenden Lager dessen Meinung nicht akzeptieren würden. Holls schlug daher vor, die Anzahl der neutralen Kommissionsmitglieder auf mindestens drei zu erhöhen, um so der Gruppe der Neutralen in der Untersuchungskommission eine höhere Autorität zu verleihen.53 Demgegenüber wollte der britische Delegierte Pauncefote die Regelung der Kommissionsbesetzung gänzlich den Parteien einer Streitigkeit überlassen.54 Der deutsche Delegierte Zorn schlug vor, in den Text des Entwurfs einen Passus dahingehend aufzunehmen, dass es den Parteien erlaubt sei, von der eigentlich vorgesehenen Zusammensetzung abzuweichen.55 Zorn konnte sich letztendlich durchsetzen, sodass Artikel 15 des Entwurfs um die von ihm vorgeschlagene Ergänzung erweitert wurde.56 Als sehr problematisch erwies sich die Formulierung von Artikel 16 des russischen Entwurfs. Um dessen Formulierung entspann sich eine grundsätzliche Diskussion.57 Erneut waren es Holls und Zorn, die Einwände hiergegen geltend machten; sie wurden dabei vom Delegierten Frankreichs, Baron D’Estournelles de Constant, unterstützt. Diese drei Kritiker machten darauf aufmerksam, dass es fraglich sei, wer zu beurteilen habe, was unter den notwendigen Mitteln und Einrichtungen zu verstehen sei. Die vorgeschlagene Regelung wurde als schwierig und sogar als gefährlich eingestuft, da sie einen betroffenen Staat vor die Wahl stelle, entweder sich 51 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 727. 52 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 727. 53 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728. 54 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728. 55 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728. 56 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728. 57 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728.
The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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bereit zu erklären oder sich zu weigern, der Kommission Informationen über die Sicherheit des Staates zur Verfügung zu stellen.58 Hier war es der belgische Delegierte Ritter Descamps, der eine Kompromisslösung vorschlug, die letztlich angenommen wurde.59 Descamps unterbreitete den Vorschlag einer Ergänzung dahingehend, dass Bereitstellungen durch die Staaten der internationalen Untersuchungskommission so vollständig vorgenommen werden sollten, wie sie dies für möglich erachteten. Die Beratungen hinsichtlich von Artikel 18 des russischen Entwurfs, der Regelungen über den Umgang mit dem Abschlussbericht und über das Verhalten einer Partei nach dessen Vorlage enthielt, waren von Diskussionen um redaktionelle Fragen geprägt. Der niederländische Delegierte Asser betrachtete die vorgeschlagene Regelung sogar als wertlos, da Artikel 14 nach der oben beschriebenen Änderung kein obligatorisches Element mehr enthalte.60 Der Delegierte Zorn schloss sich dem Niederländer an, und betonte, dass man nach der Vorlage des Berichts den Staaten größtmögliche Freiheit lassen solle.61 Baron D’Estournelles de Constant schlug zudem vor, die letzte Passage des russischen Vorschlages zu streichen, in dem das Recht zum Krieg (beziehungsweise zur Gewaltanwendung) erwähnt werde, da ein solcher Passus unnütz sei.62 Da die übrigen Mitglieder des Komitees die Auffassung ihres französischen Kollegen teilten, wurde die Streichung vorgenommen.63 An der neunten Sitzung des Komitees nahm der Initiator der Idee einer internationalen Untersuchungskommission, der russische Delegierte Martens teil, der auf der vorherigen Sitzung gefehlt hatte, da er in dem bereits erwähnten Grenzstreit zwischen Venezuela und dem Vereinigten Königreich in Paris als Schiedsrichter fungierte.64 Martens versuchte auf der Sitzung am 23. Juni 1899 seine Idee einer obligatorischen Untersuchungskommission zu verteidigen und die Entscheidung aus der vorherigen Sitzung hinsichtlich des Artikels 14 des russischen Entwurfs zu revidieren.65 Der russische Delegierte hob hervor, dass sich solche Kommissionen in 58
James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728. 59 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 728 f. 60 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 729. 61 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 729. 62 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 729. 63 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 729, 731. 64 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 730. 65 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 730.
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der Vergangenheit bereits als nützlich herausgestellt hätten, wenn eine Streitigkeit zwischen zwei Staaten ausgebrochen sei und beide gutgläubig gehandelt hätten. Als Beispiel führte Martens Grenzangelegenheiten an. Die öffentliche Meinung würde sich verhärten, insbesondere dann, wenn eine solche Frage unerwartet auftrete. Eine uninformierte Meinung stünde den wahren Gründen für den Streit ignorant gegenüber. Die Untersuchungskommission könne hierbei Abhilfe schaffen. Zudem würde während ihrer Tätigkeit Zeit gewonnen, in welcher sich die Gemüter beruhigen könnten und die Streitigkeit aufhöre, akut zu sein. Wegen dieses zu erreichenden Ziels müsste die Einsetzung der Untersuchungskommission verpflichtend sein.66 Das Examinationskomitee überging die Auffassung von Martens nicht einfach, sondern diskutierte sie weiter. Ritter Descamps schlug insofern den Kompromiss vor, den ursprünglichen russischen Vorschlag dahingehend zu ergänzen, dass nach den Worten „conviennent d’instituer“ die Worte „si les circonstances le permettent“ eingefügt würden.67 Der deutsche Delegierte Zorn schlug eine sprachlich leicht veränderte Wortlautergänzung vor: „en tant que les circonstances le permettent“.68 Nach einer generellen Diskussion wurde diese Sprachfassung angenommen.69 Mit dem Zusatz blieb zwar der obligatorische Charakter dem Grunde nach erhalten; der reichlich unbestimmte Zusatz aber, dass die Untersuchungskommission durch die Staaten angerufen werden könne, soweit die Umstände dies erlaubten, verwässerte die ursprünglich vorgesehene Konzeption allerdings in erheblichem Maße.70 Die zweite Lesung des Entwurfs im Examinationskomitee fand am 3. Juli 1899 statt. Auf dieser Sitzung ergaben sich allerdings keine Neuerungen mehr.71 Die revidierte Fassung der Artikel über die internationale Untersuchungskommission 66 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 730. 67 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 731; Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 137. 68 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 731; Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 137. 69 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 731. Ritter Descamps wies zu einem späteren Zeitpunkt der Konferenz darauf hin, dass einige Mitglieder des Examinationskomitees diese Entscheidung bedauert hätten, da in der ursprünglichen Fassung des Artikels 14 bereits eine Restriktion hinsichtlich von Sachverhalten, welche die vitalen Interessen eines Staates oder die nationale Ehre betreffen würden, vorhanden gewesen sei. Die neue Restriktion sei daher überflüssig und schwer zu erklären, James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 595. 70 In diese Richtung auch Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 132. 71 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 765 f.
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wurde daraufhin als Teil des überarbeiteten Gesamtentwurfs dem dritten Ausschuss der Friedenskonferenz vorgelegt,72 wobei sich die einschlägigen Vorschriften nunmehr in den Artikeln 9 bis 13 des revidierten Entwurfs wiederfanden. b) Die Sondersitzungen des Examinationskomitees Nach den beiden Lesungen hielt das Examinationskomitee noch zwei Sondersitzungen ab. Die erste dieser beiden Sitzungen fand am 15. Juli 1899 statt. Der portugiesische Konferenzdelegierte D’Ornellas De Vasconcellos schlug vor, die Worte „circonstances locales“ in Artikel 9 des revidierten Entwurfs durch die Worte „circonstances de fait“ zu ersetzen. Darüber hinaus wollte er eine Streichung des Passus erreichen, der die Anrufung der internationalen Untersuchungskommission nicht zuließe, wenn Fragen der Ehre oder die vitalen Interessen eines Staates betroffen seien. Nach Auffassung des Portugiesen könnten bei der Verifikation von Fakten diese beiden Fragen niemals betroffen sein.73 Der niederländische Delegierte Asser sprang D’Ornellas De Vasconcellos hinsichtlich des ersten aufgeworfenen Punktes bei. Die bisherige Sprachfassung sei zu restriktiv. Eine unabhängige Untersuchungskommission könne auch bei anderen als rein lokalen Umständen von Nutzen sein und sollte daher nicht durch eine solche Förmelei in ihrer Tätigkeit behindert werden. Im Übrigen schlug er vor, die Worte „sur place“ zu streichen, da einige Fakten sich ansonsten nicht aufklären ließen, etwa bei Fakten, die sich auf der Hohen See ereignet hätten.74 Wie später noch zu zeigen sein wird, sollte sich dieser Streichungsvorschlag als sehr vorausschauend herausstellen. Der Delegierte Lammasch sprach sich hingegen für eine Beibehaltung der Fassung des Artikels 9 aus, da ohne eine solche Begrenzung der internationalen Untersuchungskommission ein unbegrenztes Aktionsfeld geboten würde und eine Begrenzung daher notwendig sei.75 Lammasch konnte sich mit seinen Bedenken allerdings nicht durchsetzen, da die Vorschläge der Delegierten aus Portugal und den Niederlanden angenommen wurden.76 Für den zweiten Änderungsvorschlag von D’Ornellas De Vasconcellos fand sich hingegen keine Mehrheit im Examinationskomitee, nachdem vor allem der 72 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 849 ff. (851). 73 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 774; Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 179. 74 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 774; Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 179. 75 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 774. 76 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 774.
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französische Delegierte Baron D’Estournelles de Constant geäußert hatte, dass er die angedachte Streichung für nicht opportun halte.77 Am 17. Juli 1899 sollten die Entwurfsregelungen über die internationale Untersuchungskommission erstmals im dritten Ausschuss in ihrer Gesamtheit diskutiert werden. Da die Delegierten von Rumänien, Serbien und des Osmanischen Reichs allerdings in dieser Sache noch keine Anweisungen von ihren jeweiligen Regierungen erhalten hatten, wurde die entsprechende Diskussion auf Vorschlag des Ausschussvorsitzenden zunächst vertagt.78 Zu seiner zweiten Sondersitzung kam das Examinationskomitee am 18. Juli 1899 zusammen. Die Delegierten der Niederlande und der Schweiz, van Karnebeek – der auch das Amt des Vizevorsitzenden der Friedenskonferenz innehatte – und Odier, machten gleich zu Beginn der Sitzung darauf aufmerksam, dass sie zwar noch keine Instruktionen ihrer Regierungen hinsichtlich der internationalen Untersuchungskommission erhalten hätten, diese jedoch nicht günstig für das angedachte Institut ausfallen würden.79 In diesen Äußerungen klang bereits das starke Misstrauen gegenüber der internationalen Untersuchungskommission bei den kleineren und mittleren Staaten, die auf der Konferenz vertreten waren, an, das für den weiteren Verhandlungsverlauf mitbestimmend sein sollte.80 In der weiteren Debatte ging es dann um Verbindlichkeitsfragen hinsichtlich der internationalen Untersuchungskommission. Damit stand erneut der nunmehrige Artikel 9 im Zentrum der Beratungen und es wurde eine Reihe von Einwänden gegen die Untersuchungskommission vorgebracht. Den ersten Aufschlag hierzu machte der Delegierte Siams, der erklärte, dass er in den Untersuchungskommissionen eine vorbereitende Maßnahme zu einem schiedsgerichtlichen Verfahren sehe.81 Dem widersprach Martens, der darauf hinwies, dass eine internationale Untersuchungskommission nicht notwendigerweise das Vorspiel zu einem solchen Schiedsverfahren sei.82 In der Folge brachte der US-amerikanische Delegierte Holls die Frage auf, ob es nicht besser sei, in internationalen Streitigkeiten eine Untersuchungskommission
77 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 774. 78 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 603. 79 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780. 80 Siehe auch Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 133; Otfried Nippold, Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, S. 470 ff. 81 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780. 82 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780.
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lediglich zu empfehlen.83 Der Vertreter Italiens, Graf Nigra, fragte sogar, wohl angesichts der bisher bereits geäußerten Bedenken, ob es nicht vorzugswürdig sei, für die internationale Untersuchungskommission ein eigenes Abkommen zu schaffen.84 Lammasch, der bereits zuvor Bedenken hinsichtlich der Untersuchungskommission geäußert hatte, sprang Holls bei und erinnert daran, dass die Frage einer Empfehlung bereits schon einmal diskutiert worden sei. Der verpflichtende Charakter der Untersuchungskommission könne in den Ausschussberatungen zu einer Diskussion führen, welcher Lammasch mit Sorge entgegensah. Es würde die Forderung aufkommen, Artikel 9 zu streichen, wodurch das gesamte Institut gefährdet werden könne. Er fragte daher, ob es nicht besser sei, ein Opfer zu bringen, und das verpflichtende Element im Wortlaut der Regelung zu streichen.85 Martens versuchte in seiner Antwort hierauf zwar anfänglich noch immer, die Verpflichtung zur Untersuchung beizubehalten. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der zuvor eingefügte Zusatz „en tant que les circonstances le permettent“ den Untersuchungsauftrag bereits begrenze. Letztendlich war Martens die Verpflichtung jedoch nicht so viel wert, dass dafür das gesamte Institut einer Untersuchungskommission in Frage gestellt würde, sodass er sich dazu entschied, an einem verpflichtenden Charakter der Untersuchungskommission nicht weiter festzuhalten.86 Holls brachte weiterhin vor, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika mit Artikel 9 einverstanden sei. Er äußerte jedoch das Verlangen, dass hinsichtlich des Abschlussberichts der Tätigkeit der Untersuchungskommission klargestellt werden solle, dass es sich nicht um eine Form der Schiedsgerichtsbarkeit handele. Es gebe nichts in ihrer Tätigkeit, das richterlich genannt werden könne. Die Parteien würden nicht von Anwälten vertreten und die Mitglieder der Kommission seien keine Richter, sondern lediglich Ermittler.87 Van Kranebeek trug zudem vor, dass Untersuchungen unter bestimmten Umständen gefährlich und peinlich sein könnten. Als Beispiel führte er Untersuchungen in Kolonien an.88 Baron D’Estournelles de Constant erklärte, dass er in den Tagen seit der letzten Sitzung Stellungnahmen von allen Seiten erhalten habe, in denen zum Ausdruck 83 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780. 84 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780. 85 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 780 f.; Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 185. 86 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 781. 87 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 781. 88 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 781.
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gekommen sei, dass der Untersuchungskommission mit einer lebhaften Opposition begegnet werde. Delegierte, die wegen Untersuchungen in ihren Ländern besorgt seien, würden nicht Argumente hervorbringen, sondern Angst, was es schwierig mache, diese Delegierten zu überzeugen. Der französische Delegierte nannte in der Folge zwei Gründe für diese ängstliche Haltung gegenüber dem Institut einer internationalen Untersuchungskommission: Erstens könnten solche Kommissionen die defektive Regierung in solchen Staaten offenlegen, was in der Folge zu einer Demütigung der betreffenden Staaten führen könne. Zweitens würde es in der Folge solcher Enthüllungen eine Furcht vor der öffentlichen Meinung geben. Baron D’Estournelles de Constant führte weiter aus, dass sich aus diesen Gründen eine internationale Koalition von Staaten mit mehr oder weniger schlechter Regierungsführung gegen die internationale Untersuchungskommission gebildet habe.89 Martens reagierte hierauf zwar mit grundsätzlichem Verständnis für diese Staaten; gleichwohl sollten diese Staaten sich nicht täuschen lassen, denn Untersuchungen könnten dennoch durchgeführt werden.90 Der französische Delegierte wies darauf hin, dass es das Anliegen der in Rede stehenden Staaten sei, Untersuchungen nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.91 Odier bemerkte in diesem Zusammenhang, dass die internationale Untersuchungskommission nur der erste Akt in einer Reihe von weiteren Akten sei, die die Signatarstaaten des sich in Ausarbeitung befindlichen Abkommens in größerem oder geringerem Maße binden würden und daher Angst entstehe. Die schlecht regierten Staaten fürchteten, dass eine verpflichtende internationale Untersuchungskommission als Vorwand dazu genutzt werden könne, dass die Macht, die hinsichtlich der Fakten Recht habe, die Macht, die Unrecht habe, insbesondere, wenn diese schwach sei, dazu zwingen könne, zur Schiedsgerichtsbarkeit zu schreiten. Damit könne die Anrufung eines Schiedsgerichts faktisch verpflichtend gemacht werden.92 Lammasch hob nochmals seine Sichtweise hervor und betonte, dass der Wortlaut von Artikel 9 des Entwurfs als sehr strikt empfunden werde und der Regelung ein besonderer Charakter zukommen würde.93 Der Delegierte aus Deutschland, Zorn, sah im Wortlaut des Artikels 9 des Entwurfs keine implizite Verpflichtung dazu, sich der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Allerdings wolle er auch keine schwierige Debatte über diesen Punkt für den Rest der Beratungen riskieren. Daher schloss er sich offen dem Vorschlag von Lammasch an und schlug ebenfalls vor, die Un89
James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 781. 90 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 781. 91 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 781. 92 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 781 f. 93 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 782.
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tersuchungskommission als ein rein freiwilliges Institut auszugestalten. Zorn äußerte zudem die Hoffnung, dass sich auch Martens den Befürwortern des Kompromissvorschlags anschließen würde. Es müsse anerkannt werden, dass der internationalen Untersuchungskommission ein unterschiedliches Gewicht zukomme, je nachdem, ob eine große oder eine kleine Macht involviert sei. Für eine kleine Macht könne die Kommission gefährlich sein, nicht so sehr hingegen für eine große Macht.94 Der Niederländer Asser fügte hinzu, dass auch einige Delegierte von gut regierten Ländern die Untersuchungskommission fürchteten, allerdings aus anderen Gründen. Hinsichtlich der diskutierten Pflicht zur Unterwerfung unter ein Schiedsgericht, offensichtlich im Hinblick auf die Äußerungen Odiers, führte Asser aus, dass, falls das Ergebnis einer Untersuchung für eine große Macht, welche sich im Konflikt mit einer kleineren Macht befände, ungünstig ausfallen würde, diese große Macht nicht zwingend den Wunsch verspüre, ein Schiedsgericht in Anspruch zu nehmen. Asser wollte daher letztlich auch die Verpflichtung zur Anrufung der internationalen Untersuchungskommission aufgeben. Damit solle verhindert werden, dass einige Mächte am Ende nur gewillt wären, lediglich Teile des Gesamtabkommens zu unterzeichnen oder dem Abkommen nur unter Anbringung von Vorbehalten zuzustimmen. Daher sei es vorzugswürdig, das Institut der internationalen Untersuchungskommission als freiwillig auszugestalten.95 Der Vorsitzende fasste die Diskussion schließlich zusammen, und kam zu dem Ergebnis, dass sich die Auffassungen der Mitglieder des Komitees nicht geändert hätten. Die Opposition gegen den Entwurf durch einige Mächte sei voraussehbar gewesen, und das Komitee hätte insgesamt das Verlangen danach unterstrichen, dass nicht dem gesamten Entwurf geschadet würde. Niemand sei daran gehindert gewesen, in den Ausschussberatungen seine Meinung zu vertreten. Die Beratungen wären ein guter Ort gewesen, um die Meinungen kontrovers auszutauschen. Das Komitee werde bis zum letzten Augenblick nicht nachgeben und einen Austausch der Ideen hervorrufen, der nicht vergebens und der in jedem Fall geeignet sei, die öffentliche Meinung über die Motive beider Seiten in Kenntnis zu setzen. Daher solle die Diskussion abgewartet werden, und man solle sich, falls dies notwendig werden sollte, auf den Vorschlag von Lammasch einigen.96 Martens und Lammasch schlossen sich der Auffassung des Vorsitzenden an.97
94 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 782. 95 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 782. 96 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 782. 97 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 782.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Nachdem die beiden Wortführer ihre zustimmenden Auffassungen zu dem von dem Vorsitzenden vorgeschlagenen Verfahren bekannt hatten, nahm das Examinationskomitee den Vorschlag einstimmig an.98 c) Die Beratungen im dritten Konferenzausschuss Die Beratungen über das Institut einer internationalen Untersuchungskommission begannen im dritten Ausschuss am 19. Juli 1899 auf dessen sechster Sitzung mit der ersten Lesung des dritten Abschnitts des Entwurfs über ein Abkommen zur friedlichen Streitbeilegung. Mit dieser Lesung wurde zugewartet, um es den Delegierten der Balkanstaaten Rumänien, Serbien und Griechenland zu ermöglichen, Anweisungen ihrer Regierungen zu erhalten.99 In der folgenden Debatte sollte sich ein tiefsitzendes Misstrauen der drei südosteuropäischen Staaten offenbaren, die in dem Tätigwerden einer internationalen Untersuchungskommission auf ihrem Territorium einen starken Eingriff in ihre Souveränität sahen.100 Die kleineren Balkanmächte verlangten, dass die Gefahr einer Intervention in ihre Angelegenheiten, welche sie in aufgezwungenen Untersuchungen von außen sahen, beseitigt würde.101 Hierbei sollte insbesondere die Verpflichtung zur Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission beseitigt werden,102 der, wie bereits gezeigt, erhebliche Kritik entgegengebracht wurde. Während der Beratungen bestand sogar die Gefahr, dass sich Rumänien, Serbien und Griechenland von der gesamten Konferenz zurückziehen würden, wenn die Entwurfsregelungen über die internationale Untersuchungskommission nicht in ihrem Sinne abgeändert beziehungsweise das ganze Institut der internationalen Untersuchungskommission gestrichen würde.103 Es bestand die große Sorge, dass solche Untersuchungen von größeren (Nachbar-)Mächten ausgenutzt würden, um in den 98 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 783. 99 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 626. 100 Siehe Christian Meurer, Der Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136; Nissim BarYaacov, The Handlung of International Disputes by Means of Inquiry, S. 37 vermutet in diesem Zusammenhang, dass Martens auf der Konferenz darauf verzichtet habe, die Untersuchung über die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich Mitte der 1890er Jahre zu erwähnen. So sollte wahrscheinlich vermieden werden, dass der Vorschlag zur Schaffung von Regeln über eine internationale Untersuchungskommission als Versuch der Großmächte angesehen werden könne, ein Mittel zu schaffen, um sich in die internen Angelegenheiten der kleineren Staaten einzumischen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die genannte Untersuchung zum Zeitpunkt der Konferenz erst wenige Jahre zurücklag und dieses Beispiel vermutlich im Gedächtnis der Delegierten der Balkanstaaten noch sehr präsent war. 101 Siehe Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136. 102 Siehe Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136. 103 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 25.
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kleineren Staaten Spionage zu betreiben oder Intrigen zu beginnen, wobei insbesondere Russland eines solchen Verhaltens verdächtigt wurde.104 Das Osmanische Reich, welches wie die drei Balkanstaaten nicht im Examinationskomitee vertreten war, sollte nicht aktiv an den folgenden Beratungen teilnehmen. Die Sichtweise auf die internationale Untersuchungskommission illustriert allerdings ein Zitat des Leiters der osmanischen Delegation, Turkhan Pascha: „Wenn bei uns im Orient die guten Dienste fremder Mächte beginnen, dann ist die Sache für uns verloren“.105 Im Hinblick auf die skizzierte Haltung der kleineren Staaten sollten sich die im Folgenden dargestellten Beratungen als außerordentlich intensiv geführt erweisen. Sie waren geprägt von langen, teils langatmigen Reden.106 Dabei kam es – in einer für den Konferenzverlauf eher untypischen Weise – auch zu Zwischenrufen107 und sogar zu Ermahnungen durch die Sitzungsleitung.108 Eine erste und sehr lange Rede hielt die Delegierte von Rumänien, Beldiman.109 Dieser erklärte, dass sich die Regierung Rumäniens nicht in der Lage sehe, an den Artikeln betreffend der internationalen Untersuchungskommission in Abschnitt 3 des Abkommensentwurfs festzuhalten.110 Im Kern der Ausführungen stand das Folgende:111 Beldiman kritisierte den Entwurf dahingehen, dass wegen Artikel 9 des Entwurfs zwischen der vorgeschlagenen völkerrechtlich verfestigten Untersuchungskommission und den in der Praxis oft anzutreffenden gemischten Untersuchungskommissionen ein essentieller Unterschied bestehe. Rumänien habe oft von solchen gemischten Kommissionen in seinen nachbarschaftlichen Beziehungen mit Russland, Österreich-Ungarn und Bulgarien Gebrauch gemacht; Aufgabe solcher Kommissionen sei es gewesen, Fakten festzustellen oder an Ort und Stelle Tatsachen aufzuklären, die zu einem Zwischenfall oder einer Kontroverse geführt hätten. Diese 104
S. 26. 105
Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry,
Zitiert nach: Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136 Fn. 2. Christian Meurer verglich diese Reden in seiner zeitgenössischen Schrift mit den „Parteireden der Landtage“. Die Intensität, mit der die Reden im dritten Konferenzausschuss hinsichtlich der Untersuchungskommission vorgetragen wurden und die Reaktionen hierauf, werden gut dadurch illustriert, dass Meurer meinte, es ging in der Sitzung „heiss zu“, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136. 107 Siehe James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 631. 108 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 643. 109 Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 136, weist darauf hin, dass es die längste Rede sei, die auf der gesamten Haager Friedenskonferenz von 1899 gehalten worden sei. Der Text nimmt in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, annähernd acht Seiten ein, S. 626 bis 635. 110 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 626. 111 Siehe auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 26. 106
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Kommissionen seien oft sehr nützlich dabei gewesen, den betroffenen Regierungen die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen, um gemeinschaftlich die Differenzen zu beseitigen, die durch bestimmte Fakten lokalen Charakters provoziert worden seien. Aus diesem Blickwinkel sei das vorgeschlagene Institut keine Innovation.112 Neuerungen seien hingegen das Prinzip der Verpflichtung sowie die Zusammensetzung der vorgeschlagenen Kommission. Würde das neue Prinzip für Fälle lokaler Untersuchungen angewendet werden, welche häufig und bisher allein dem uneingeschränkten Urteil der Regierungen unterworfen gewesen seien, stünde zu befürchten, dass die praktische Anwendung der verpflichtenden Regelung, geschweige denn die Erleichterung der Lösung des in Rede stehenden Konfliktes, zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Die Verpflichtung, in bestimmten Fällen eine internationale Untersuchung aufgrund vertraglicher Regelungen akzeptieren zu müssen, anstatt wie in der Vergangenheit, gänzliche Handlungsfreiheit zu genießen, könnte zu einem bestimmten Moment einen Staat mit schwierigen politischen Komplikationen konfrontieren.113 Hinsichtlich der Zusammensetzung der Untersuchungskommission vertrat Beldiman die Auffassung, dass die Mitgliedschaft in solchen Kommissionen nicht mehr auf Repräsentanten der Staaten beschränkt sei, die ein Interesse in den jeweiligen Differenzen hätten, wie dies früher der Fall gewesen sei, sondern die Tür für dritte Mächte geöffnet werde, die von der Streitigkeit nicht betroffen seien.114 Der Vertreter des Königreichs Serbien, Veljkovitch, machte in seiner Rede längere Anmerkungen zu den von Beldiman geäußerten Bedenken,115 und schloss sich dem rumänischen Delegierten im Ergebnis vollständig an.116 Veljkovitch erkannte an, dass eine internationale Untersuchungskommission, deren Einsetzung von den interessierten Parteien frei vereinbart werde, unter besonderen und außergewöhnlichen Umständen wichtige Dienste leisten könne.117 Er war der Auffassung, dass das Konzept obligatorischer internationaler Untersuchungen für die Beziehungen zwischen großen Mächten durchaus tragfähig sei, dies insbesondere durch den Ausschluss von Streitigkeiten über die nationale Ehre und die vitalen Staatsinteressen. Etwas anderes wollte er jedoch für die Beziehungen zwischen Staaten verschiedener Größe gelten lassen. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen großen Mächten ei112 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 630 f. 113 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 631. 114 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 631. Diese Äußerung rief bei einigen der Delegierten aus dem Examinationskomitee Unverständnis hervor. Es kam zu Zwischenrufen, in denen die Äußerung von Beldiman als fehlerhaft kritisiert wurde. 115 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 635 ff. 116 Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 140. 117 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 635.
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nerseits und kleinen Mächten andererseits würde die Frage aufkommen, ob in der Praxis die großen Mächte stets eine Veranlagung dahingehend hätten, anzuerkennen, dass kleine Staaten die gleichen Gefühle in Fragen der Ehre und der vitalen Interessen hätten, wie sie selbst. Veljkovitch warf die Frage auf, ob nicht die kleinen Mächte in demütigende Diskussionen darüber hineingezogen würden, ob in diesem oder jenem Fall ihre nationale Ehre tatsächlich betroffen sei, während es andererseits für die großen Mächte regelmäßig ausreichen würde, das Argument nationaler Ehre einzubringen, um es den kleinen Mächten moralisch unmöglich zu machen, ein Thema zur Diskussion zu stellen. Die „Ehrenklausel“ in Artikel 9 sei daher eine Quelle der Ungleichheit in der Behandlung von großen und kleinen Mächten.118 Weiterhin brachte Veljkovitch vor, dass, nach alledem, die öffentliche Meinung in den kleinen Staaten internationale Untersuchungskommissionen nicht länger als Mittel der unparteiischen Feststellung der wirklichen Fakten zur Erleichterung der Arbeit der Gerechtigkeit sehen würde, sondern ein vordergründiges Zeichen der Unterlegenheit und der Abhängigkeit. Daher würde die öffentliche Meinung in den kleineren Staaten solche Kommissionen niemals akzeptieren.119 Der griechische Delegierte Delyanni schloss sich in einer kurzen Bemerkung, in welcher er die Ausführungen des rumänischen und des serbischen Vertreters lobte, den Auffassungen dieser beiden Delegierten an.120 Die ablehnende Haltung gegenüber der internationalen Untersuchungskommission wurde nicht von sämtlichen kleineren Staaten geteilt. Aus dem Verbund der Balkanstaaten scherte Bulgarien aus.121 Dessen Delegierter Stanicoff vertrat die Auffassung, dass der Entwurf hinsichtlich der internationalen Untersuchungskommission den Staaten die Garantie jeglicher Unabhängigkeit geben würde, welche sie sich nur wünschen könnten. So führte er etwa die Klausel an, dass die Kommission ihre Tätigkeit nur beginnen könne, soweit die Umstände dies erlaubten.122 Auch die Regelung, dass zwei Staaten, zwischen denen eine Streitigkeit bestehe, frei ihre Repräsentanten in der Kommission wählen könnten und das dritte Mitglied als unparteiischer Vorsitzender fungiere, sei eine wichtige Garantie.123 Hinsichtlich des Unterschieds zwischen den Untersuchungskommissionen, wie sie bisher bekannt waren, und den nun geplanten Kommissionen bestehe der gleiche Unterschied wie zwischen Gewohnheit und geschriebenem Recht. Stanicoff vertrat dazu die Auf118
James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 636. 119 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 636. 120 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 637. 121 Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 141. 122 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 637. 123 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 637.
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fassung, dass es sehr zu begrüßen sei, wenn der Fortschritt der Ideen dazu führe, dass Gewohnheitsrecht durch geschriebenes Recht abgelöst würde.124 Hinsichtlich des Artikels 13 des Entwurfs rief der Bulgare zudem in Erinnerung, dass der Abschlussbericht der Kommission nicht den bindenden Charakter eines Schiedsspruches habe. Auch hier würde die Aktionsfreiheit der Staaten gewahrt. Der Abschlussbericht würde zudem die Fakten feststellen; so könne Zeit gewonnen und das öffentliche Gewissen beruhigt werden. Damit würde den Mächten eine Hilfe geschaffen, um Beruhigung eintreten zu lassen und den Konflikt beizulegen.125 Letztlich schlug Stanicoff noch vor, Artikel 13 abzuändern, und zwar dahingehend, dass es den Staaten freistünde, eine freundschaftliche Beilegung auf der Grundlage des Abschlussberichts anzustreben oder diesen so zu behandeln, als ob er niemals erstellt worden wäre.126 Die Delegierte Siams, Rolin, gab im Anschluss an Stanicoffs Vortrag bekannt, dass seine Regierung die Regeln des Entwurfs über eine internationale Untersuchungskommission befürworte und benannte nochmals verschiedene, bereits zuvor von anderen Delegierten beschriebene Vorzüge eines solchen Instituts. Rolin brachte im Anschluss hieran vor, dass eine Streitigkeit zwischen Staaten sehr selten allein eine Frage von Tatsachen sei. Die Feststellung von Tatsachen sei vielmehr natürlicher- und notwendigerweise eine Vorfrage für eine rechtliche Auseinandersetzung. Daher glaube Siam, dass ein Schiedsverfahren notwendigerweise die Folge einer Untersuchung sei.127 Die folgende Diskussion wurde vor allem durch Ritter Descamps sowie Martens bestimmt. Der belgische und der russische Delegierte verteidigten die Untersuchungskommission gegen die Kritik, welche vor allem aus den Reihen der Balkanstaaten vorgetragen worden war.128 Ritter Descamps Aussagen richteten sich vor allem gegen die Art und Weise der Kritik, mit der das Institut der internationalen Untersuchungskommission überzogen worden war. Er wies darauf hin, dass im Examinationskomitee niemand die positiven Wirkungen, welche von einer solchen Kommission ausgehen könnten, in Frage gestellt habe. Er bestritt, dass eine Streichung der Regelungen über eine Untersuchungskommission in dem Entwurf für das Gesamtprojekt eines Abkommens über
124 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 637 f. 125 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 638. 126 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 638. 127 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 638. 128 Vgl. auch Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 142.
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die friedliche Streitbeilegung einen Gewinn brächte. Es handele sich um zusammenhängende Regelungen für Fälle schwerwiegender Auseinandersetzungen.129 In der Folge verteidigte Martens die internationale Untersuchungskommission. Er erklärte, dass diese nicht dazu bestimmt sei, politische Ziele zu verfolgen oder sich in die Politik eines Staates einzumischen. Dies gelte für große wie für kleine Mächte, seien diese im Osten oder im Westen belegen. Politik sei aus den Debatten auf der Konferenz ausgeschlossen gewesen. Wie bei den weiteren Mitteln der friedlichen Streitbeilegung, sei es auch das Ziel der Untersuchungskommission, Streitigkeiten zwischen Nationen zu beruhigen und Kriege zu verhindern. Als Beispiel für einen Fall, in dem die Möglichkeit, eine internationale Untersuchung durchführen zu lassen, zu einer Befriedung einer aufgeheizten Situation hätte führen können, führte Martens den Sachverhalt des Schnœbelé-Zwischenfalls ins Feld, bei dem es, wie weiter oben bereits gezeigt, in erhitzter Stimmung Kriegsforderungen gegeben hatte.130 Weiterhin verwies Martens in seiner Bemerkung darauf, dass offensichtlich ein Missverständnis über die Tätigkeit der internationalen Untersuchungskommission vorliege. Die streitenden Parteien wären stets frei darin, die Tätigkeit der Kommission zu akzeptieren oder zurückzuweisen.131 Nachdem der Vorsitzende die Aussprache über die Entwurfsregelungen in der ersten Lesung für beendet erklärt hatte,132 wurden noch einzelne Regelungen beraten, wobei es zu kleineren Änderungsvorschlägen, insbesondere im Hinblick auf Artikel 10 bezüglich der Einfügung von Regeln zum Verfahrensrecht, kam.133 Im Anschluss hieran kam die Ausschusssitzung zu ihrem Ende. Vor der zweiten Lesung sollte noch einmal das Examinationskomitee die verschiedenen, auf der Sitzung vorgebrachten, Vorschläge beraten.134 d) Die dritte Sondersitzung des Examinationskomitees Die dritte Sondersitzung des Examinationskomitees fand nach den Ausschussberatungen am 19. Juli 1899 statt.135 Erster Beratungspunkt in dieser Sitzung war der Vorschlag des luxemburgischen Delegierten Eyschen, Artikel 10 des Entwurfs da129 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 639 f. 130 Siehe hierzu oben 2. Teil § 1 A. 131 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 640 ff. 132 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 643. 133 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 643 ff. 134 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 645. 135 James Brown Scott (Hrsg.), The Conference of 1899, S. 790.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
hingehend zu ergänzen, dass sich, in Abwesenheit von speziellen Vorschriften, das Untersuchungsverfahren nach den, in dem Entwurf des Abkommens über die friedliche Streitbeilegung enthaltenen Verfahrensvorschriften über das Schiedsverfahren richten solle, soweit diese Regeln auf das Untersuchungsverfahren anwendbar seien.136 Dieser Änderungsvorschlag wurde allerdings von einigen Mitgliedern des Examinationskomitees kritisch betrachtet. So brachte etwa der deutsche Delegierte Zorn hiergegen vor, dass Untersuchungs- und Schiedsverfahren nicht vermengt werden dürften.137 Der italienische Delegierte Graf Nigra machte, um den Gedanken von Eyschen nochmals Ausdruck zu verleihen, einen anderen Formulierungsvorschlag in der Sache, der ein Minimalverfahrensrecht enthielt. Nach diesem Vorschlag bedurfte die internationale Untersuchungskommission zu ihrer Konstituierung einer besonderen Vereinbarung zwischen den streitenden Parteien. In der Vereinbarung über die Untersuchung sollten die Tatsachen bestimmt werden, die es zu untersuchen gelte und es sollte die Reichweite der Befugnisse der Kommissionsmitglieder festgelegt werden. Das Verfahren sollte durch die Untersuchungskommission selbst festgelegt werden, beide Seiten müssten während der Untersuchung Gehör finden, Form- und Fristfragen, soweit sie nicht in der zwischenstaatlichen Vereinbarung niedergelegt seien, sollten nach diesem Vorschlag durch die Untersuchungskommission selbst bestimmt werden.138 Dieser Entwurf wurde von dem Examinationskomitee einstimmig angenommen.139 Die nächste Diskussion bezog sich auf Artikel 13 des Entwurfs. Hier war es der bulgarische Delegierte Stanicoff, der, wie bereits in der Ausschusssitzung, eine Ergänzung des Wortlauts von Artikel 13 vorschlug und einen Passus in die Norm eingefügt sehen wollte, wonach der Abschlussbericht der Untersuchungskommission durch die Parteien behandelt werden könne, als sei er niemals in die Welt gesetzt worden. Er betonte, dass es ihm um die absolute Freiheit der Parteien im Umgang mit der Untersuchung gehe.140 In der Diskussion um diesen Vorschlag war der griechische Delegierte Dylanni der Auffassung, dass die Staaten deutlich darüber informiert seien müssten, dass sie an die Schlussfolgerungen der Untersuchungskommission nicht gebunden seien. Es sei daher wünschenswert, wenn dies auch ausgedrückt würde.141 Anderen Delegierten wollte die Sinnhaftigkeit, der von dem Delegierten 136 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 790. 137 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 790 f. 138 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 791. 139 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 791. 140 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 791 f. 141 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 792.
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Bulgariens vorgeschlagenen Ergänzung, nicht einleuchten. So äußerte etwa Martens, dass es nicht notwendig sei, zu antezipieren, dass der Untersuchung keine Folgen zukämen. Dies würde sich sicherlich nicht ermutigend auf den Willen der Parteien auswirken, eine internationale Untersuchungskommission anzurufen; es sei insofern ausreichend, die Freiheit der Parteien zu garantieren.142 Schließlich konnte in dieser Frage ein Kompromiss erreicht werden, der im Examinationskomitee auf allseitige Zustimmung stieß. Der entsprechende Vorschlag ging von dem schweizerischen Delegierten Odier aus. Odier schlug eine dahingehende Formulierung für Artikel 13 vor, dass der Abschlussbericht der Untersuchungskommission auf das Auffinden von Tatsachen beschränkt sei und ihm in keiner Weise der Charakter eines Urteils zukomme. Der Bericht solle den im Streit befindlichen Mächten gänzliche Freiheit im Umgang mit den darin enthaltenen Feststellungen gewähren.143 Der letzte Diskussionspunkt auf der dritten Sondersitzung des Examinationskomitees kam schließlich auf den Dreh- und Angelpunkt aller vorherigen Verhandlungen zurück: Artikel 9 des Entwurfs. Der Vorsitzende stellte hierzu zunächst fest, dass einige Mächte gewisse Verpflichtungen aus diesem Artikel fürchten würden. Dies sei allerdings nicht die vom Examinationskomitee vertretene Auffassung. Es müsse ein Wortlaut für die Regelung gefunden werden, der ihren freiwilligen Charakter zweifellos zum Ausdruck bringe.144 Diese Auffassung wurde von dem Delegierten Italiens, Graf Nigra, geteilt. Es solle eine Formulierung gewählt werden, welche die Mächte nicht verpflichte, Gründe dafür vorzubringen, warum sie nicht zur Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission bereit seien. Er nahm dabei Bezug auf die Klausel, die einen Ausschluss der Einsetzung einer Untersuchungskommission vorsah, soweit Fragen der Ehre oder die vitalen Interessen des Staates entgegenstünden. Es müsse vielmehr, so Graf Nigra, das Bekunden genügen, dies einfach nicht zu wollen.145 Der Vorsitzende war der Auffassung, dass es, wenn die Untersuchungskommission einen rein freiwilligen Charakter habe, keinen Anlass mehr gebe, an Vorbehalten zum Schutz der nationalen Ehre oder vitaler Staatsinteressen festzuhalten.146 Martens wiederum zeigte sich bereit, die Verpflichtungselemente in Artikel 9 des Entwurfs aufzugeben, wollte jedoch wenigstens eine moralische Verpflichtung aufgenommen wissen, welche die Mächte zur Anrufung
142
James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 792. 143 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 792 f. 144 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 793. 145 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 793. 146 James Brown Scott (Hrsg.), Conference of 1899, S. 793.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
einer Untersuchungskommission anhalten solle.147 Der deutsche Delegierte Zorn äußerte seine Zustimmung zu dem System der internationalen Untersuchungskommission, war aber der Auffassung, dass Zugeständnisse zu machen seien. Er erkannte an, dass Situationen zwischen zwei großen Mächten anders beschaffen sein könnten als Situationen zwischen Mächten unterschiedlicher Stärke. Für den Fall, dass sich das Examinationskomitee bereit zeige, Zugeständnisse zu machen, wollte er von den Balkanstaaten allerdings wissen, ob diese zu einem Entgegenkommen bereit seien.148 Die Delegierten von Rumänien, Serbien und Griechenland erklärten daraufhin, dass sie hinsichtlich der bisherigen Ergebnisse zunächst Rücksprache mit ihren jeweiligen Regierungen halten müssten.149 Der luxemburgische Delegierte Eyschen erinnerte daran, dass die Regeln über die internationale Untersuchungskommission auch im Interesse der kleineren Staaten liegen würden. Allerdings sprach sich Eyschen auch für ein Beibehalten der Vorbehalte über die nationale Ehre und die vitalen Staatsinteressen aus. Diese würden auch den kleineren Staaten zum Vorteil gereichen.150 Auch Martens vertrat diese Auffassung.151 Abschließend kam ein Kompromisstext zustande, der auf die Vorbehalte der Balkanstaaten Rücksicht nahm und der von deren Delegierten an die jeweiligen Regierungen übermittelt werden sollte. Dieser Text lautete: „Dans les litiges d’ordre international provenant d’une divergence d’appréciation des faits, les Puissances signataires jugent utile, pour faciliter la solution de ces litiges, que les Parties qui n’auraient pu se mettre d’accord par les voies diplomatiques, instituent des Commissions internationales d’enquête afin d’éclaircir par un examen impartial et consciencieux toutes les questions de fait.“152
e) Die abschließenden Beratungen im dritten Konferenzausschuss Die abschließenden Beratungen über die internationale Untersuchungskommission im dritten Konferenzausschuss fanden auf dessen achter Sitzung am 22. Juli
147 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 793. 148 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 793. 149 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 793. 150 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 793. 151 Auch der Vertreter Österreich-Ungarns, Lammasch, vertrat zunächst diese Auffassung, änderte dann allerdings seine Ansicht wieder, James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 793. 152 Ministère des Affaires Étrangères (Niederlande), Conférence Internationale De La Paix: La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, Sommaire Général. Quatrième Partie. [Troisième Commission], S. 108.
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1899 statt.153 Auf dieser Sitzung gaben der griechische und der serbische Delegierte bekannt, dass ihre Regierungen der zuletzt beschlossenen Fassung des dritten Abschnitts des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle zustimmen würden.154 Die Diskussion um die internationale Untersuchungskommission musste allerdings fortgesetzt werden, nachdem von dem rumänischen Delegierten Beldiman in einem Brief ein Änderungsantrag gestellte wurde. Während in dem Schreiben die Zustimmung zu den neuen Fassungen der Artikel 10 und 13 des Entwurfs geäußert wurde, sollte Artikel 9 nochmalig abgeändert werden. Nach diesem Antrag sollte die Vorbehaltsklausel hinsichtlich der nationalen Ehren- und der Staatsinteressen wiederaufgenommen werden. Dabei sollten die vitalen Interessen den essenziellen Interessen weichen.155 Dadurch sollte eine weitere Schwächung des Artikels 9 erreicht werden.156 In der weiteren Diskussion wurde der rumänische Antrag weitestgehend unterstützt. Die Delegierten des Vereinigten Königreichs und Italiens, Pauncefote und Graf Nigra, unterstützen den Antrag ebenso157 wie der siamesische Delegierte Rolin, der Delegierte Portugals, Graf de Macedo und der griechische Delegierte Delyanni.158 Eine ablehnende Haltung nahm allerdings der serbische Vertreter Veljkovitch ein, der die Fassung des Examinationskomitees bevorzugte.159 Letztendlich wurde die von Rumänien vorgeschlagene Fassung des Artikels 9 zur Abstimmung gestellt und gegen die Stimme Serbiens und bei Stimmenthaltung des Osmanischen Reichs angenommen.160 f) Die abschließende Abstimmung auf der Plenarkonferenz Nachdem die Beratungen im dritten Konferenzausschuss abgeschlossen waren, wurde über die von diesem erarbeiteten Regelungen über die internationale Untersuchungskommission auf der Plenarkonferenz der ersten Haager Friedenskonferenz 153 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 669. 154 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 669. 155 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 116, 669 f. 156 Vgl. Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 147. 157 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 671. 158 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 672. 159 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 672. 160 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences Conference of 1899, S. 672.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
abschließend abgestimmt. Ohne weitere Diskussion wurden die Regeln in das Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle aufgenommen.161 Die Regeln über die internationale Untersuchungskommission erhielten dabei folgende abschließende Fassung:162 „TITRE III DES COMMISSIONS INTERNATIONALES D’ENQUÊTE Art. 9. Dans les litiges d’ordre international n’engageant ni l’honneur ni des intérêts essentiels et provenant d’une divergence d’appréciation sur des points des fait, les Puissances signataires jugent utile que les Parties que n’auraient pu se mettre d’accord par les voies diplomatiques instituent, en tant que les circonstances le permettront, une Commission internationale d’enquête chargée de faciliter la solution de ces litiges en éclaircissant, par une examen impartial et consciencieux, les questions de fait. Art. 10. Les Commissions internationales d’enquête sont constituées par convention spécial entre les Parties en litige. La convention d’enquête précise les faits à examiner et l’étendue des pouvoirs des commissaires. Elle règle la procédure. L’enquête a lieu contradictioirement. La forme et les délais à observer, en tant qu’ils ne sont pas fixés par la convention d’enquête, sont déterminés par la Commission elle-même. Art. 11. Les Commissions internationales d’enquête sont formées, sauf stipulation contraire, de la manière déterminée par l’article 32 de la présent Convention. Art. 12. Les Puissances en litige s’engagent à fournir à la Commission internationale d’enquête dans la plus large mesure qu’Elles jugeront possible, tous les moyens et toutes les facilités nécessaires pour la connaissance complète et l’appréciation exacte des faits en question. Art. 13. La Commission internationale d’enquête présente aux Puissances en litige son rapport signé par tous les membres de la Commission. Art. 14. Le rapport de la Commission internationale d’enquête, limité à la constatation des faits, n’a nullement le caractère d’une sentence arbitrale. Il laisse aux Puissances en litige une entière liberté pour la suite à donner à cette constatation.“ 161
James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 91. 162 Der abschließende Text des Abkommens ist in der authentischen französischen Fassung wiedergegeben in: Ministère des Affaires Étrangères (Fankreich), Documents Diplomatiques: Conférence Internationale de la Paix 1899, S. 61 ff., die Regeln über die internationale Untersuchungskommission finden sich dort auf S. 65 f.
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Das I. Haager Abkommen, das diese Vorschriften über die internationale Untersuchungskommission enthält, beansprucht heute für 72 Staaten Geltung.163
II. Der einzige Anwendungsfall: Der Dogger-Bank-Zwischenfall 1. Historischer Hintergrund Am Ende des 19. Jahrhunderts kam es in Ostasien zunehmend zu Spannungen zwischen Russland und dem aufstrebenden Japan. Insbesondere aufgrund der russischen Expansion in die Mandschurei hinein, sah Japan seine Interessen in China bedroht. Der Konflikt steuerte auf seinen Höhepunkt zu, als Russland sich zu Vorstößen nach Korea hinein anschickte, durch die Japan seine politische und wirtschaftliche Vorrangstellung auf der Halbinsel gefährdet sehen musste. Da die russische Regierung sich in der Angelegenheit unnachgiebig zeigte, waren Verhandlungen schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Am 8. Februar 1904 brach Japan seine diplomatischen Beziehungen zu Russland ab.164 Noch am 8. Februar 1904 begannen die Kampfhandlungen des Russisch-Japanischen Krieges. Japanische Zerstörer und Torpedoboote begannen einen Überraschungsangriff auf die Schiffe der 1. Pazifischen Schwadron der russischen Flotte in 163 Argentinien (15. Juni 1907), Äthiopien (30. Juli 2003), Australien (1. April 1960), Belarus (4. Juni 1962), Belgien (4. September 1900), Bolivien (15. Juni 1907), Brasilien (15. Juni 1907), Bulgarien (4. September 1900), Burkina Faso (30. August 1961), Chile (15. Juni 1907), China (21. November 1904), Dänemark (4. September 1900), Deutschland (4. September 1900), Dominikanische Republik (15. Juni 1907), Ecuador (3. Juli 1907), El Salvador (20. Juni 1907), Fidschi (2. April 1973), Frankreich (4. September 1900), Griechenland (4. April 1901), Guatemala (15. Juni 1907), Haiti (15. Juni 1907), Honduras (12. Januar 1961), Indien (29. Juli 1950), Irak (31. August 1970), Iran (4. September 1900), Island (8. Dezember 1955), Italien (4. September 1900), Japan (6. Oktober 1900), Kambodscha (7. Januar 1956), Kamerun (1. August 1961), Kanada (19. August 1960), Kirgisistan (4. Juni 1992), Kolumbien (15. Juni 1907), Demokratische Republik Kongo (25. März 1961), Kroatien (7. August 1998), Kuba (15. Juni 1907), Laos (18. Juli 1955), Libanon (14. Februar 1968), Luxemburg (12. Juli 1901), Mauritius (3. August 1970), Mexiko (17. April 1901), Montenegro (1. März 2007), Niederlande (4. September 1900), Neuseeland (10. Februar 1959), Nicaragua (15. Juni 1907), Nordmazedonien (19. Dezember 2000), Norwegen (4. September 1900), Österreich (12. November 1918), Pakistan (5. August 1950), Panama (15. Juni 1907), Paraguay (15. Juni 1907), Peru (15. Juni 1907), Portugal (4. September 1900), Rumänien (4. September 1900), Russland (4. September 1900), Schweden (4. September 1900), Schweiz (29. Dezember 1900), Senegal (1. August 1977), Serbien (5. Juni 2006), Simbabwe (19. September 1984), Slowenien (1. Oktober 1996), Spanien (4. September 1900), Sri Lanka (9. Februar 1955), Thailand (4. September 1900), Türkei (12. Juni 1907), Ukraine (4. April 1962), Ungarn (16. November 1918), Vereinigte Staaten von Amerika (4. September 1900), Vereinigtes Königreich (4. September 1900), Uruguay (17. Juni 1907), Venezuela (15. Juni 1907) und Vietnam (29. Dezember 2011). 164 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). Vgl. zu den Gründen für den Krieg zwischen Russland und Japan auch Yoji Koda, Naval War College Review 58/2 (2005), S. 10 ff.
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dem Hafen der Stadt Port Arthur auf der chinesischen Liaotung-Halbinsel, welche seit 1898 russisches Pachtgebiet war. Danach begannen die Linienschiffe und Panzerkreuzer des japanischen Verbandes ein Langstreckenbombardement der russischen Schiffe. Obwohl keines dieser Schiffe versenkt wurde, führte die Beschädigung von sieben russischen Kreuzern zu einer Vormachtstellung der japanischen Marine in den ostasiatischen Gewässern.165 In der Folge gelang es dem japanischen Militär, mehrere Siege an Land und zur See gegen die russischen Streitkräfte zu erringen. Die japanische Armee konnte hierbei die russischen Verbände auf der Liaotung-Halbinsel zurück nach Port Arthur drängen. Die Hafenstadt wurde seit dem 1. August 1904 belagert.166 Der Entsatz von Port Arthur wurde zu einer Priorität der russischen Kriegsanstrengungen. Der Oberbefehlshaber General Kuropatkin befahl daher der Baltischen Flotte, sich für einen Einsatz im Pazifik vorzubereiten.167 Am 14. Oktober 1904 liefen die 42 Kriegsschiffe der für diesen Einsatz zusammengestellten 2. Pazifischen Schwadron aus dem Hafen von Libau aus.168 Als die Flotte sich noch in der Ostsee befand, wurde sie vor japanischen Torpedobooten gewarnt, die als Fischkutter getarnt seien und von denen ein Hinterhalt auf die russischen Schiffe zwischen dem an der Nordspitze Jütlands gelegenen dänischen Ort Skagen und dem Ärmelkanal ausgehen sollte.169 Zudem fanden in der europäischen Presse Gerüchte über ein japanisches Selbstmordgeschwader Verbreitung.170 Die Berichte über die mögliche Präsenz von feindlichen Kriegsschiffen auf einem so frühen Stück der Wegstrecke nach Ostasien versetzte Admiral Roschestwenski, den befehlsunerfahrenen Kommandanten des russischen Verbandes, in einen Zustand großer Besorgnis.171 Es ordnete daher mehrere Maßnahmen zur Vorsicht an. Unter anderem wurden die Wachen verdoppelt, den Geschützbedienungen befohlen, dass ihre Posten rund um die Uhr besetzt seien müssten und es wurden bei Nacht Suchscheinwerfer eingesetzt, um die Umgebung der Schiffe auszuleuchten.172 Roschestwenski gab zudem den Befehl aus, dass es keinem fremden Schiff erlaubt 165
Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 167 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 168 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 169 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). Es stellte sich allerdings heraus, dass diese Warnungen auf Berichte eines russischen Offiziers zurückgingen, der in die dänische Hauptstadt Kopenhagen entsandt worden war, um dort ein russisches Agentennetzwerk zu organisieren. Die für den Offizier arbeitenden Agenten, die sich bemühten, ihre Ausgaben zu rechtfertigen, berichteten von verdächtigen Schiffen in abgelegenen Häfen in Dänemark und Norwegen. 170 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 171 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 172 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69). 166
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werden dürfe, zwischen die Flotte zu gelangen.173 Handelsschiffe, die sich dem russischen Verband näherten, wurden aufgefordert, sich zu entfernen, wobei teilweise Schüsse vor deren Bug abgegeben wurden.174 Ab dem 20. Oktober 1904 erhöhten sich die Spannungen, nachdem die Flotte eine Nachricht erhalten hatte, dass unidentifizierte Torpedoboote von einer geheimen Basis in Norwegen aus in See gestochen seien.175 Auch wurde von einem der russischen Schiffe die Sichtung eines Aufklärungsballons gemeldet.176 Am nächsten Morgen erreichte die Flotte die Nordsee. Zwar war der erwartete Angriff ausgeblieben, allerdings erhielt der russische Verband weitere beunruhigende Meldungen, in denen vor Treibminen und vor Fischerbooten gewarnt wurde, welche mit Torpedorohren ausgestattet seien und einen Angriff vorbereiten würden.177 Das weitere Geschehen trug sich auf Höhe der Dogger Bank, einer großen Sandbank, welche die nordwestliche Begrenzung der Deutschen Bucht bildet, zu. In der Abenddämmerung des 21. Oktobers 1904 berichtete das Schiff „Kamtschatka“, das vom Hauptverband getrennt worden war, dass es von acht Torpedobooten angegriffen werde und das Feuer erwidere.178 Eineinhalb Stunden später wurde auch das russische Flaggschiff „Suworow“ in Alarmbereitschaft versetzt, weil zwei Lichtsignale gesichtet worden waren.179 Nachdem durch die Suchscheinwerfer in einer halben Meile Entfernung Schiffe gesichtet wurden, wurde der Befehl zum Angriff erteilt.180 Daraufhin eröffneten die Kriegsschiffe für zwanzig Minuten das Feuer, bis Admiral Roschestwenski nur noch einige Fischerboote ausmachen konnte.181 Die russischen Schiffe verließen daraufhin den Schauplatz des Geschehens in der Annahme, die Torpedoboote wären geflohen.182 Tatsächlich gab es keine japanischen oder irgendwelche anderen Torpedoboote oder Kriegsschiffe in der Nähe der russischen Flotte. Die beschossenen Schiffe waren Fischerboote, die zwei Tage zuvor aus der ostenglischen Hafenstadt Hull ausgelaufen waren.183 Die kleinen Schiffe waren auch durch ihre Segel sowie durch weiße, rote und grüne Lichter als Fischerboote erkennbar.184 Bei diesen Lichtern handelte es sich wahrscheinlich um die von der Besatzung der „Suworow“ wahrgenommenen
173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184
Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (69 f.). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70).
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Lichtsignale.185 Zudem hatten einige Besatzungsmitglieder der Fischerboote versucht, den russischen Schiffen Signale zu geben, um ihre friedlichen Absichten zu bekunden.186 Der Beschuss der Fischerboote resultierte in der Versenkung eines der Schiffe, in der Beschädigung von fünf weiteren sowie in dem Tod von zwei Fischern und in schweren Verletzungen von sechs weiteren.187 Im Nachgang zu diesen Ereignissen kam es zu einer diplomatischen Krise. Am 23. Oktober 1904 wurden einige der Fischer durch den Parlamentsabgeordneten von Hull in das britische Außenministerium gebracht.188 Dort präsentierten die Fischer Splitter von Granaten.189 Die auch in der Presse verbreiteten Berichte über den Vorfall heizten die Stimmung in der britischen Bevölkerung, welche damals zu großen Teilen äußerst russlandfeindlich eingestellt war, zusätzlich an.190 Es kam zu Protesten, die soweit führten, dass der russische Botschafter in London den Schutz der Polizei benötigte, um in die eigene Botschaft zu gelangen.191 Es mehrten sich zudem die Forderungen, dass die Royal Navy den russischen Flottenverband abfangen sollte.192 Die Regierung des Vereinigten Königreichs unter dem Premierminister Arthur James Balfour war im Hinblick auf anstehende Wahlen äußerst anfällig für die öffentliche Meinung im Lande.193 Auch innerhalb der britischen Regierung war eine starke, gegen Russland gerichtete Stimmung merklich. Der Earl von Selbourne, welcher das Amt des Ersten Lords der Admiralität innehatte,194 vertrat eine besonders kriegerische Linie. Auch andere Kabinettsmitglieder, welche ansonsten nur geringes Interesse an Fragen der Außenpolitik zeigten, forderten ein militärisches Vorgehen gegen die russischen Schiffe, bis diese einen Hafen angelaufen hätten und diejenigen Offiziere, die für den Vorfall in der Nordsee verantwortlich zeichneten, von ihren Pflichten entbunden wären.195 Der Erste Seelord, Admiral Fisher – in seinem Amt 185
Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 187 Vgl. den Inhalt des Telegramms von Messrs. Jackson and Co. an den Marquess of Lansdowne vom 23. Oktober 1904, wiedergegeben in: P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 5, S. 5 f. sowie Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70); siehe auch André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (161). 188 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 189 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 190 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). Niemeyer, Deutsche Juristen-Zeitung 9 (1904), S. 1049 (1049) schreibt im Jargon der damaligen Zeit insoweit auch von dem „Terrorismus der journalistischen und politischen Phrase“. 191 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 192 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 193 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 194 Das Amt des Ersten Lords der Admiralität entspricht der früher in vielen Regierungen europäischer Seemächte vorhandenen Position des Marineministers. 195 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70). 186
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traditionell auf die Stärkung der Royal Navy bedacht –, sah sogar nunmehr eine Gelegenheit gekommen, die russische Flotte zu zerstören.196 Schließlich wurde eine gewaltsame Aktion auch von dem britischen König Edward VII. befürwortet.197 Zudem war das Vereinigte Königreich dem Kaiserreich Japan seit dem 30. Januar 1902 durch einen Allianz-Vertrag verbunden.198 In diesem erkannten die beiden Staaten ihre jeweiligen Interessen in Korea und China an,199 bekundeten, die Neutralität zu erklären, wenn eine der beiden Seiten durch diese Interessen in einen Krieg verwickelt werden sollte,200 und versprachen sich Unterstützung, wenn eine der Vertragsparteien in einen Krieg mit mehr als einer anderen Macht verwickelt würde.201 Dass es schließlich doch zu einer friedlichen Beilegung der Angelegenheit kam, war vor allem der Einstellung und den Handlungen des britischen Außenministers Lord Lansdowne zu verdanken, da dieser Anhänger einer Détente-Politik gegenüber dem Zarenreich war.202 In einer Nachricht an den britischen Botschafter in St. Petersburg, Charles Hardinge, vom 24. Oktober 1904 verlieh Lansdowne allerdings auch seiner Verärgerung über das russische Verhalten Ausdruck.203 Er sah in dem Vorfall ein Zeichen der russischen Neigung zunächst zu schießen und später die Fragen zu stellen. Durch eine solche Politik werde das Seerecht gefährdet, auf welches das Vereinigte Königreich als maritime Macht so sehr angewiesen sei. Russischen Beteuerungen, es habe sich um einen Unfall gehandelt, schenkte Lansdowne keinen Glauben. Zudem stehe durch den Vorfall das britische Ansehen als Großmacht auf dem Spiel. Auch empörte ihn, dass der russische Verband sich nicht bemüht habe, nach Beendigung des Beschusses nach Überlebenden der angegriffenen Schiffe zu suchen. Er wies den Gesandten an, gegenüber dem russischen Außenminister Graf Lamsdorff die britische Entrüstung über das Geschehene zum Ausdruck zu bringen und eine Entschuldigung, vollständige und zügige Reparationen sowie eine Versicherung gegen ein nochmaliges Vorkommen einer solchen Aktion zu verlangen. Nachdem der britische Botschafter gegenüber dem russischen Außenminister die Position der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebracht hatte, wurde von dem russischen Diplomaten betont, dass die britische Position allein auf den Aussagen von erregten Fischern beruhen würde, und man zunächst den Bericht von 196
Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (70 f.). Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (71). 198 Der Anglo-Japanische Allianz-Vertrag ist wiedergeben bei: Max Fleischmann (Hrsg.), Völkerrechtsquellen, S. 320. 199 Artikel 1 des Anglo-Japanischen Allianz-Vertrags. 200 Artikel 2 des Anglo-Japanischen Allianz-Vertrags. 201 Artikel 3 des Anglo-Japanischen Allianz-Vertrags. 202 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (71). 203 Die Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir C. Hardinge vom 24. Oktober 1904, in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 6, S. 6. 197
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Admiral Roschestwenski abwarten wolle. Nichtsdestotrotz drückte der russische Zar Nikolaus II. sein Bedauern über den Zwischenfall aus und das russische Außenministerium zeigte sich zur Zahlung von Reparationen bereit, falls sich das Vorbringen des Vereinigten Königreichs als wahr herausstellen sollte.204 Um zu verhindern, dass die russische Flotte außer Reichweite für eine gegen sie gerichtete Operation der britischen Marine lief, vereinbarten Lansdowne und Balfour, dass man Russland ein Ultimatum stellen müsse. Dieses sollte die Aufforderung beinhalten, die für den Zwischenfall verantwortlichen Offiziere sowie Zeugen in der Hafenstadt Vigo im Nordwesten Spaniens an Land zu setzen. Die russische Seite sollte die Verantwortlichen zudem bestrafen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage bereits so ernst, dass der britische Außenminister in einem Gespräch mit dem russischen Botschafter in London die Befürchtung äußerte, dass, wenn der russische Marineverband nicht den Hafen von Vigo anlaufe, sich das Vereinigte Königreich und Russland „find ourselves at war before the week was over“.205 Auf Seiten der britischen Marine waren die Vorbereitungen für eine Operation gegen den russischen Flottenverband bereits angelaufen. Sechs Schlachtschiffe der Home Fleet wurden nach Gibraltar beordert und eine Reserveflotte von sechs weiteren Schlachtschiffen stand bereit. Kreuzer wurden ausgesandt, um den russischen Verband zu beobachten. Zudem wurde die mächtige Mittelmeerflotte der Royal Navy angewiesen, ihre Besuche in italienischen und österreichischen Häfen zu beenden und ebenfalls nach Gibraltar zu laufen. Am Abend des 26. Oktobers 1904 ankerten vor der kleinen britischen Kolonie am Eingang zum Mittelmeer bereits 28 Schlachtschiffe, 44 Kreuzer sowie weitere kleinere Einheiten.206 2. Einsetzung der Kommission Der Durchbruch hin zu einer friedlichen Lösung der anglo-russischen Krise begann bereits am 27. Oktober 1904. An diesem Tag kam es zu Gesprächen zwischen Lansdowne und dem russischen Botschafter von Benckendorff, an denen auch der französische Botschafter in London, Paul Cambon, teilnahm. Dessen Beitrag sollte sich in der Folge als entscheidend erweisen, da Frankreich ein besonderes Interesse an einer Verständigung zwischen der britischen und der russischen Seite hatte.207 Frankreich war einerseits durch die Militärkonvention von St. Petersburg vom 204 Vgl. die Nachrichten von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 24. Oktober 1904; des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 24. Oktober 1904 und nochmals von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne ebenfalls vom 24. Oktober 1904; wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 7, 8, 10 und 11, S. 7 ff. 205 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir C. Hardinge vom 26. Oktober 1904, in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 13, S. 12. 206 Vgl. Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 207 Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 45.
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12. August 1892, welche am 4. Januar 1894 in Kraft getreten war, mit Russland in einem Defensivvertrag eng verbündet.208 Anderseits hatten Frankreich und das Vereinigte Königreich ihre letzten ernsthaften Differenzen in Kolonialfragen nach der sog. Faschoda-Krise im Jahr 1898, bei der es um Ansprüche beider Staaten auf den kleinen sudanesischen Ort Faschoda am Weißen Nil ging, bereinigt.209 So konnten sich die beiden Mächte annähern. Zwischen ihnen bestand seit dem 8. April 1904 die Entente Cordiale, ein Vertrag, durch welchen die beiden Staaten ihre Interessengegensätze in Kolonialfragen in Ägypten und Marokko zu lösen suchten.210 Cambon war der Architekt dieses Vertrags gewesen; er genoss daher das Vertrauen beider Seiten211 und konnte als Mittler fungieren. Bei den Gesprächen stellte das Haupthindernis für eine Lösung der Krise das Verlangen der britischen Seite dar, eine Untersuchung des Vorfalls unter Beteiligung britischer Offiziere durchzuführen, was für Russland unannehmbar war.212 Allerdings drängten sowohl Cambon als auch der französische Außenminister auf die Akzeptanz einer solchen Untersuchung.213 Cambon, Lansdowne und von Benckendorff einigten sich schließlich darauf, dass eine Untersuchung durch ein internationales Gremium ein Vorschlag wäre, welchen man dem russischen Zaren unterbreiten könne, da auch die Initiative zu den Regeln über die friedliche Streitbeilegung auf der Haager Friedenskonferenz von Russland ausgegangen war.214 Nachdem der Vorschlag an den russischen Außenminister übermittelt worden war, legte dieser ihn allerdings als seinen eigenen dem russischen Zaren vor, um dessen Akzeptanz für die Idee sicherzustellen.215 Die britischen Forderungen, welche am 27. Oktober 1904 an die russische Seite übermittelt wurden, hatten dabei folgenden Inhalt:216 „1. Before Russian Fleet leaves Vigo enquiry to be made by Russian authorities as to persons responsible for attack on fishing fleet. All these to be left behind, as well as any other whose testimony is essential to elucidation of facts. 2. A full enquiry to be held at once as to the facts by an independent Court with an international character. Procedure might be that laid down in Articles IX to XIV of Hague 208 Die Militärkonvention ist wiedergegeben in: Wilhelm G. Grewe (Hrsg.), Fontes Historiae Iuris Gentium Band 3/1 (1815 – 1945), S. 463 f.; siehe auch den vorhergehenden Briefwechsel zwischen dem russischen und dem französischen Außenminister über eine Allianz, wiedergegeben ebenda, S. 433 ff. 209 Vgl. Wilhelm W. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 514. 210 Der Vertragstext des anglo-französischen Abkommens vom 8. April 1904 ist wiedergegeben bei: Karl Strupp (Hrsg.), Documents pour servir à l’historie du droits des gens, Band II, S. 288 ff. 211 Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 212 Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 213 Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 214 Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 215 Richard Ned Lebow, Naval War College Review 31 (1978), S. 66 (72). 216 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 27. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 14, S. 14.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen Convention, and Commission might be formed of naval officers of high rank representing the two Powers concerned and, say, three other Powers. 3. Russian Government to undertake to punish adequately any persons found guilty by the Commission.“
Die diplomatischen Verhandlungen, die nunmehr zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland in der Dogger-Bank-Angelegenheit folgten, verliefen relativ unkompliziert.217 Am 28. Oktober 1904 erreichte Lansdowne eine Nachricht aus der britischen Botschaft in St. Petersburg, in der die Bereitschaft der russischen Seite mitgeteilt wurde „to submit the scrupulous examination of this question to an international commission of enquiry as foreshadowed by the Convention of the Hague.“218 Am gleichen Tage wurde dem britischen Außenministerium mitgeteilt, dass Admiral Roschestwenski Anweisungen erhalten habe, mit denjenigen Schiffen in Vigo zu verbleiben, die an dem Zwischenfall in der Nordsee beteiligt waren, um die nötige Aufklärung der Fakten gewährleisten zu können.219 In der Folge begannen die beiden Seiten, über die Einzelheiten des geplanten Untersuchungsverfahrens zu verhandeln.220 Eine dieser Einzelheiten betraf die Frage, ob die einzusetzende Untersuchungskommission die Kompetenz haben solle, Verantwortlichkeiten von Einzelpersonen betreffend den streitigen Zwischenfall festzustellen. Ein entsprechendes Ersuchen wurde ebenfalls noch am 28. Oktober 1904 von der britischen Regierung über den diplomatischen Weg an die russische Seite weitergeleitet. Personen, die von der Untersuchungskommission als verantwortlich für den Zwischenfall in der Nordsee angesehen würden, sollten von der russischen Regierung vor Gericht gestellt und in einer angemessenen Weise bestraft werden.221 Auf ein solches Ansinnen wurde von russischer Seite ablehnend reagiert. Graf Lamsdorff lehnte in einem Gespräch mit Hardinge vom 29. Oktober eine Diskussion über die Frage der Bestrafung von Personen ab. Der russische Außenminister begründete dies damit, dass zunächst die Ergebnisse der Untersuchung 217 Siehe Niemeyer, Deutsche Juristen-Zeitung 9 (1904), S. 1049 (1049). Dieser führt dies auf die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit zurück, „welche die beiden beteiligten Mächte einer – einstweilen jedenfalls – friedlichen Behandlung der Angelegenheit nicht nur geneigt machten, sondern sie eine solche lebhaft wünschen ließen, (…).“ 218 Nachricht von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 28. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 18, S. 18. 219 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 28. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 20, S. 19. 220 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 53 f.; vgl. auch die Nachricht von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 29. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 22, S. 23. 221 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 28. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 20, S. 20 f.
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abgewartet werden müssten. Erst danach sei der Zeitpunkt gekommen, Verantwortlichkeiten und Konsequenzen, in welche Richtung auch immer, zuzuweisen. Zudem betonte Graf Lamsdorff das Verdienst des britischen Außenministers, der Angelegenheit einen friedlichen Ton gegeben zu haben, beschwerte sich aber zugleich über die bedrohlichen Stimmten aus der britischen Presse.222 Ein weiteres Problem, das während der diplomatischen Kommunikation am 29. Oktober 1904 angesprochen wurde, war die Frage der russischen Vorkehrungen hinsichtlich der Vermeidung der Wiederholung von Vorfällen, wie dem in der Nordsee. In einer Unterredung mit dem russischen Botschafter in London erkannte Lansdowne zwar an, dass die russische Regierung an die Flotte entsprechende Anweisungen erteilt habe; allerdings kam der britische Außenminister in dem Gespräch noch auf weitere Sicherheitsbedenken zu sprechen. Nach britischer Auffassung resultierten solche Bedenken daraus, dass die russische Flotte auf ihrem weiteren Weg in den Fernen Osten, welcher sie zum Teil um das Kap der Guten Hoffnung und zum Teil durch den Suez-Kanal führen würde, sich selbst als befugt ansehen könne, neutrale Schiffe aufzubringen, um diese auf Konterbande hin zu untersuchen. Daher bat Lansdowne den russischen Gesandten einige Worte an seinen Außenminister diesbezüglich zu richten, um eine mögliche, erneute Konfliktlage zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland zu vermeiden.223 Am 30. Oktober 1904 wurde der britische Botschafter in St. Petersburg zudem zu einer privaten Audienz beim russischen Zaren geladen. Ein Großteil des Gesprächs betraf den Dogger-Bank-Zwischenfall. Der Monarch versicherte dem Gesandten, dass es niemand für möglich gehalten habe, dass Leben und Sicherheit britischer Fischer durch die Vorsichtsmaßnahmen, welche zum Schutz der russischen Schiffe vor tückischen japanischen Anschlägen getroffen worden seien, gefährdet würden. Weiterhin versicherte Nikolaus II. nochmals, dass die Leidenden in großzügigster Weise pekuniär entschädigt würden. Hinsichtlich dieser Frage wurde er allerdings von Hardinge darauf hingewiesen, dass eine verfrühte Zuwendung nur zu zynischen Kommentaren in der Presse führen würde. Dieser Hinweis wurde vom Zaren dankbar aufgenommen und dieser bat darum, über Graf Lamsdorff den richtigen Moment für eine Zuwendung mitzuteilen. Im Übrigen beschwerte sich der Zar auch über die britische Presse, welche die Verurteilung und Bestrafung russischer Offiziere gefordert habe, bevor diese die Gelegenheit gehabt hätten, gehört zu werden. Zudem seien die Vorbereitungen, welche von der britischen Marine nach dem Vorfall getroffen worden seien, nicht angemessen gewesen und hätten einen besonders provokanten Charakter gehabt. Der britische Botschafter reagierte hierauf, in dem er Nikolaus II. darauf hinwies, dass die Berichte der Presse hinsichtlich der militäri222
Nachricht von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 29. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 22, S. 23. 223 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 29. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 23, S. 23 f.
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schen Vorbereitungen übertrieben gewesen seien. Zwar sei der in der Presse angeschlagene Ton teilweise unnötig herausfordernd gewesen, jedoch müsse man auch bedenken, dass die britische Nation zutiefst durch die Tragödie in der Nordsee erschüttert worden sei. Eine Kontrolle der Presse durch die britische Regierung sei nicht möglich. Außerdem müsse bedacht werden, dass sich eine Regierung der öffentlichen Meinung nicht verschließen könne, wenn Schutz und Wiedergutmachung gefordert würden. Im weiteren Verlauf der Audienz äußerte der russische Monarch, dass er von der Aufrichtigkeit des Admirals Roschestwenski überzeugt sei, und dass die Fakten, wie sie der Admiral dargestellt habe, von den Ergebnissen der in Kürze beginnenden Untersuchung bestätigt werden würden. Nikolaus II. erklärte zudem, dass der Admiral ihm bei einem Besuch der Flotte in Reval erklärt habe, dass er japanische Versuche fürchte, die Flotte zu zerstören. Er würde, um seine Schiffe zu schützen, auf alle anderen Schiffe feuern, welche sich zu stark annäherten und von denen er denken würde, dass sie feindliche Schiffe seien. Der britische Botschafter wies den Zaren darauf hin, dass eine solche Vorgehensweise nicht den internationalen Gepflogenheiten entspräche und eine erhebliche Gefahr für die Handelsschifffahrt bedeuten würde. Der Zar erklärte hierzu, dass er zuversichtlich wäre, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen würde. Insbesondere hätte Admiral Roschestwenski ihm zu verstehen gegeben, dass die Gefahr eines verdeckten Angriffs sinke, sobald die Flotte die europäischen Gewässer verlassen habe. Zudem führte Nikolaus II. noch an, dass die Gefahr eine solchen Angriffs eine echte gewesen sei, wie es die Reise des japanischen Marineattachés von Berlin nach Kopenhagen sowie die Ankunft von zwanzig japanischen Offizieren in Hull belegen würden. Hinsichtlich des letzteren Vorbringens entgegnete der britische Gesandte allerdings, dass bereits eine sorgfältige Untersuchung in dieser Sache stattgefunden habe und sich entsprechende Vorwürfe als haltlos erwiesen hätten. Das Gespräch ging schließlich zu den konkreten Fragen der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission über. Der russische Zar bemerkte hierzu, dass die Besetzung mit drei fremden Admirälen, sowie jeweils einem englischen und einem russischen Admiral, die beste Besetzung sei. Den Haag sei zudem als Ort für die Sitzungen der Kommission so gut wie jeder andere Ort. Vier oder fünf Offiziere seien aus Vigo nach St. Petersburg geschickt worden und stünden daher für eine Befragung vor der Untersuchungskommission zur Verfügung. Die Flotte selbst würde ihre Reise fortsetzen, was aus versorgungstechnischen Gründen nicht anders möglich sei.224 Am 31. Oktober 1904 brachte der britische Außenminister gegenüber dem russischen Botschafter zum Ausdruck, dass die Arbeitsbedingungen für die internationale Untersuchungskommission nun sofort geklärt werden sollten.225 In diesem 224
Nachricht von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 31. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 24, S. 25 f. 225 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 31. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 25, S. 29.
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Rahmen legte Lansdowne dem russischen Diplomaten den Entwurf eines entsprechenden Statuts vor.226 Dieser enthielt sechs Artikel, welche die Zusammensetzung der Kommission, deren Aufgaben und Befugnisse, die Verfahrensordnungsbefugnis, die Pflichten der Parteien, den Sitz der Kommission sowie den Umgang mit dem Abschlussbericht regeln sollten. In der Präambel des Entwurfs wurde ein direkter Bezug zum I. Haager Abkommen von 1899 hergestellt: „The Undersigend being duly authorized thereto by their respective Governments agree that the elucidation of the questions in dispute shall be referred to an International Commission of Inquiry analogous to that provided for in Articles 9 – 14 of the Convention signed at The Hague on the 29th of July 1899.“
Von besonderem Interesse für den Fortgang der Verhandlungen über die Einsetzung der Kommission erwies sich Artikel 2 des Entwurfs. Nach diesem wurde es zur Aufgabe der Untersuchungskommission gemacht, alle Umstände hinsichtlich des Vorfalls in der Nordsee zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, insbesondere darüber „as to where the responsibilty for the disaster lies, and the degree of balme which attaches to those upon whom that responsibilty is found to rest“. Dieser Passus war für die britische Regierung von besonderer Bedeutung, da Lansdowne die russische Regierung dahingehend verstanden hatte, dass sie versprochen habe, jede Person in angemessener Weise zu bestrafen, die von der Untersuchungskommission als verantwortlich für den Vorfall in der Nordsee angesehen und der die Kommission die Schuld hierfür zuweisen würde.227 Der russische Botschafter brachte allerdings in dieser Frage seine Besorgnis zum Ausdruck. Lansdowne versuchte, ihm die britische Position nahe zu bringen, indem er argumentierte, dass die Bestimmung des Artikels 2 des Entwurfs nicht einseitig sei, da das Verteidigungsvorbringen des russischen Admirals eine Unterstellung über die Art und Weise gewesen sei, wie die britische Neutralität beachtet worden sei, und auch hinsichtlich des Verhaltens der Fischereiflotte.228 In den folgenden Verhandlungen versuchte Graf Lamsdorff beziehungsweise die russische Regierung eine Änderung des britischen Entwurfs des Statuts der internationalen Untersuchungskommission zu erreichen. Dies betraf den schon zuvor umstrittenen Artikel 2. Die Bemühungen waren jedoch letztlich nicht erfolgreich. Der französische Botschafter in London merkte hierzu allerdings in einem Gespräch mit Lansdowne am 15. November 1904 an, dass er selbst ebenfalls Zweifel an dem 226
Draft of Proposed Agreement for reference to International Commission of Inquiry, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Enclosure 1 in No. 25, S. 30 f. 227 Siehe das Protokoll der Beobachtungen, welche der britische Außenminister gegenüber dem russischen Botschafter in London vorbrachte, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Enclosure 2 in No. 25, S. 32. 228 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir Charles Hardinge vom 31. Oktober 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 25, S. 30.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Wortlaut der Bestimmung hege, denn diese würde dazu führen, dass die Kommission ihre Tätigkeit nicht ordnungsgemäß in Übereinstimmung mit dem Haager Abkommen durchführen könne. Lansdowne entgegnete diesem Einwand, dass die britische Seite „had made it clear that in our view the International Commission was to be analogous to the Commissions contemplated by the Convention and not identical with them, and that the Agreement accepted by the Russian Government was in fact worded in this sense.“229
Der britische Entwurf wurde schließlich noch um zwei zusätzliche Bestimmungen ergänzt, wobei die eine Vorschrift den Entscheidungsmodus regelte und die andere Vorschrift die Frage der Kostentragung.230 Einige letzte Änderungen des britischen Entwurfs kamen noch zustande. Es handelte sich hierbei aber fast ausschließlich um kleinere sprachliche Anpassungen.231 Allerdings gelang es der russischen Seite, noch eine größere Änderung des Artikels 2 zu erwirken. Diese Änderung bestand darin, dass ein Passus hinzugefügt wurde, nachdem die Untersuchung über die Frage der Verantwortlichkeit oder der Frage, welcher Grad an Schuld Personen zukomme, unabhängig davon durchgeführt werden sollte, ob diese Personen Staatsangehörige Großbritanniens, Russlands oder eines anderen Landes seien. Hiermit sollte den Einwänden der russischen Regierung abgeholfen werden, die vermeiden wollte, dass die Frage der Schuld an dem Zwischenfall allein russische Offiziere betreffe.232 Am 25. November 1904 wurde schließlich folgendes Abkommen über die Durchführung einer Untersuchung von dem russischen Außenminister und dem britischen Botschafter in St. Petersburg unterzeichnet:233 „Le Gouvernement de Sa Majesté Britannique et le Gouvernement Impérial de Russie s’étant mis d’accord pour confier à une Commission Internationale d’Enquête, réunie conformément aux Articles IX – XIV de la Convention de La Haye du 29 (17) Juillet 1899, pour le règlement pacifique des conflits internationaux, le soin d’éclaircir par un examen impartial et consciencieux les questions de fait se rapportant à l’incident qui s’est produit Durant la nuit du 21 – 22 (8 – 9) Octobre, 1904, dans la mer du Nord – au cours duquel le tir des pièces de canon de la flotte Russe occasionna la perte d’un bateau et la mort de deux 229 Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir E. Monson vom 15. November 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 27, S. 36. 230 Vgl. die Nachricht des Marquess of Lansdowne an Sir E. Monson vom 15. November 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 27, S. 36 [ED. NOTE.]. 231 Draft Convention, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 29, S. 38 [ED. NOTE.]. 232 Nachricht von Sir Charles Hardinge an den Marquess of Lansdowne vom 18. November 1904, wiedergegeben in: G. P. Gooch/Harold Temerley (Hrsg.), British Documents on the Origins of War, Band IV, Nr. 28, S. 37. 233 Der Text der Vereinbarung ist in französischer Sprache wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 614 f.; in englischer Übersetzung dort auf S. 410 ff.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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personnes appartenant à une flottille de pêcheurs Britanniques, ainsi que des dommages à d’autres bateaux de la dite flottille et des blessures aux équipages de quelques-uns de ces bateaux – les Soussignés, dûment autorisés à cet effet, sont convenus des dispositions suivantes: Art. I. La Commission Internationale d’Enquête sera composée de cinq membres (Commissaires), dont deux seront des officiers de haut rang des marines Britannique et Impériale Russe respectivement. Les Gouvernements des France et des États-Unis d’Amérique seront priés de choisir, chacun, un des leurs officiers de marine de haut rang comme membre de la Commission. Le cinquième membre sera élu d’accord par les quarte membres susmentionnés. Dans le cas où il ne se produirait pas d’entente entre les quartes Commissaires pour le choix du cinquième membre de la Commission, Sa Majesté l’Empereur d’Autriche, Roi de Hongrie, sera invité à le nommer. Chacune des Hautes Parties Contractantes nommera également un jurisconsulte-assesseur avec voix consultative et un agent chargé, à titre officiel, de prendre part aux travaux de la Commission. II. La Commission devra faire une enquête et dresser un rapport sur toutes les circonstances relatives à l’incident de la mer du Nord, en particulier sur la question où gît la responsabilité et sur le degré de blâme concernant les ressortissants des deux Hautes Parties Contractantes ou d’autres pays, dans les cas où leur responsabilité se trouverait constatée par l’enquête. III. La Commission fixera les détails de la procédure qui sera suivie par elle pour l’accomplissement de la tâche qui lui est dévolue. IV. Les deux Hautes Parties Contractantes s’engagent à fournir à la Commission Internationale d’Enquête, dans la plus large mesure qu’elles jugeront possible, tous les moyens et les facilités nécessaires pour le connaissance complète et l’appréciation exacte des faits en question. V. La Commission se réunira à Paris aussitôt que faire se pourra, après la signature de cet Arrangement. VI. La Commission présentera aux deux Hautes Parties Contractantes son rapport signé par tous les membres de la Commission. VII. La Commission prendra toutes ses décisions à la majorité des voix des cinq Commissaires. VIII. Les deux Hautes Parties Contractantes s’engagent à garder chacune á sa charge, par réciprocité, les frais de l’enquête faite par elle préalablement à la réunion de la Commission. Quant aux dépenses qui incomberont à la Commission Internationale d’Enquête à partir du moment de sa réunion pour l’installation de ses services et les investigations nécessaires, elles seront faites en commun par les deux Gouvernements. En foi de quoi les Soussignés ont signé la présente Déclaration et y ont apposé le sceau de leurs armes.“
Die Regierungen von Russland, dem Vereinigten Königreich, von Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika benannten gemäß Artikel I des Untersuchungsabkommens folgende Marineoffiziere ihrer jeweiligen Seestreitkräfte als Mitglieder der Untersuchungskommission: Admiral Kaznakow, Vize-Admiral Sir
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Lewis A. Beaumont, Vize-Admiral Fournier und Konteradmiral Davis.234 Zudem wurden sowohl die Regierung des Vereinigten Königreichs als auch die Regierung Russlands durch einen Assessor und einen Agenten vertreten. Die Agenten wurden wiederum durch verschiedene Berater unterstützt.235 3. Durchführung der Untersuchung Die Untersuchung begann am 22. Dezember 1904 mit der ersten Sitzung der internationalen Untersuchungskommission in Paris. Die Arbeit der Kommission wurde durch den russischen Admiral, welcher Doyen der Kommission war, für eröffnet erklärt. Der provisorische Vorsitz der Kommission wurde dann dem französischen Mitglied übertragen. Auf dieser Sitzung wurde außerdem beschlossen, die Kommission entsprechend Artikel I des Untersuchungsabkommens mit einem Offizier der österreichisch-ungarischen Marine zu komplettieren. Daher sollte der Kaiser der Habsburger Monarchie ersucht werden, ob er Admiral Baron Spaun als Kommissionsmitglied benennen könne.236 Die zweite Kommissionssitzung fand am 9. Januar 1905 statt. Der Kaiser von Österreich-Ungarn hatte zwischenzeitlich dem Ersuchen der Kommission entsprochen und Admiral Baron Spaun als Mitglied der Untersuchungskommission benannt. Zudem war Admiral Kaznakow von der russischen Regierung zwischenzeitlich durch Vize-Admiral Doubassoff ersetzt worden. Diese Sitzung, die erste, auf der folglich sämtliche Kommissionsmitglieder vertreten waren, wurde von dem österreichisch-ungarischen Kommissionsmitglied eröffnet, welches nun die Stellung des Kommissionsdoyens innehatte. Auf der Sitzung wurde zunächst einstimmig VizeAdmiral Fournier zum Vorsitzenden der Untersuchungskommission gewählt.237 Die Untersuchungskommission diskutierte auf insgesamt zehn Sitzungen vom 9. bis zum 25. Januar 1905 unter anderem über die Verfahrensordnung,238 welche sich die Kommission nach Artikel III des Untersuchungsabkommens selbst geben sollte. Hierfür legten sowohl die britische wie auch die russische Seite jeweils einen
234
Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 450. Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 450 f.; vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 60. 236 Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 450 f. 237 Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 451 ff. 238 Vgl. die Sitzung vom 9. Januar 1905, Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 451 ff.; die Sitzung vom 10. Januar 1905, ebenda, S. 454 f.; die Sitzung vom 11. Januar 1905, ebenda, S. 455 f.; die Sitzung vom 12. Januar 1905, ebenda, S. 456 ff.; die Sitzung am 17. Januar 1905, ebenda, S. 458 f.; die Sitzung vom 19. Januar 1905, ebenda, S. 459 f.; die Sitzung am 20. Januar 1905, ebenda, S. 460 f.; die Sitzung am 23. Januar 1905, ebenda, S. 462 ff.; die Sitzung am 24. Januar 1905, ebenda, S. 466 f.; sowie die erste Sitzung am 25. Januar 1905, S. 467. Vgl. auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 60. 235
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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Vorschlag vor.239 Der russische Vorschlag war dabei weitaus detailreicher als der britische Vorschlag. Während ersterer insgesamt 30 Artikel umfasste, beinhaltet letzterer lediglich elf Regeln. Hinzu kam ein Vorschlag von französischer Seite, der insgesamt 19 Regeln umfasste.240 Die wohl am intensivsten debattierte Frage während der Beratungen über die Verfahrensordnung der internationalen Untersuchungskommission war diejenige nach der Öffentlichkeit der Sitzungen.241 Der britische Agent, Sir Edward Fry, brachte hierzu vor, dass wegen des Gegenstandes der Untersuchung diese Frage von nationalem Interesse sei, und dass die britische Öffentlichkeit der Arbeit der Kommission leidenschaftlich folgen würde. Von einer breiten Öffentlichkeit werde es nichts zu befürchten geben. Der russische Agent, Baron Michael Taube, vertrat eine gegenteilige Auffassung. Nach seinem Vorbringen sei nichts besser geeignet als geschlossene Türen, um die Aufrichtigkeit der Beweisführung zu sichern. Die Zeugen würden eine Atmosphäre der Ruhe benötigen, um Aussagen über die bereits länger zurückliegenden Ereignisse treffen zu können. Außerdem könnten öffentliche Diskussionen dritten Mächten Informationen von vertraulicher Natur offenbaren. Zudem wies der russische Agent noch darauf hin, dass im Haager Abkommen das Prinzip der geschlossenen Türen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit durchaus bekannt sei242.243 Daher wurde letztendlich beschlossen, dass es öffentliche und nicht öffentliche Sitzungen geben solle.244 Schließlich wurde folgende Verfahrensordnung von der Kommission beschlossen:245 „Règlement prévu par l’article 3 de la déclaration du 12/25 novembre 1904 (1) A Constitution du Secrétariat général de la Commission Internationale d’Enquête Le président de la Commission sera assisté par un secrétaire général qui sera chargé: D’assurer l’établissement de comptes-rendus sténographiques des séances; De surveiller l’exécution de toutes les traductions nécessaires;
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Der russische Vorschlag ist wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Anée. – T. 93., 3e Série, Nos 1 – 2 – 3 (Vol. I) – 1905, S. 107 ff.; der britische Vorschlag ist wiedergegeben ebenda, S. 111 ff.; sowie eine leicht andere Fassung in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 453 f. 240 Der französische Vorschlag ist wiedergegeben bei André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 351 (356 f.). 241 Siehe hierzu auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 61. 242 Artikel 41 des I. Haager Abkommens von 1899. 243 Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 452 f. 244 Siehe Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 61. 245 Die Verfahrensordnung der internationalen Untersuchungskommission ist wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 93., 3e Série, Nos 1 – 2 – 3 (Vol. I) – 1905, S. 102 ff.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen De réunir en archives les documents remis à la Commission; D’entrer en relations avec les Ambassades, pour toutes les questions qui pourraient intéresser la Commission; De donner à la presse les communiqués établis dans les formes indiquées par l’article n8 9 du titre B; D’assurer, d’une façon générale, sous la direction du Président, tous les services auxiliaires de la Commission. Une personne autorisée de chacune des Ambassades des Hautes Parties contractantes voudra bien, s’il est possible, prêter son concours aux Secrétariat général. B Séances de la Commission 1 Les séances de la Commission seront publiques ou non publiques selon leur objet. 2 Seront publiques: 18 les séances dans lesquelles auront lieu l’exposé des faits par les Agents des Hautes Parties contractantes et les interrogatoires des témoins; 28 la séance dans laquelle les agents feront connaître leurs conclusions; 38 la dernière séance dans laquelle la Commission fera connaître le résultat de ses délibérations. 3 Ne seront pas publiques toutes les autres séances de la Commission donnant lieu à des délibérations. 4 Auront qualité pour assister aux séances non publiques de La Commission: Les Assesseurs des Commissaires; Les Agents désignés des puissances signataires de la Déclaration et leurs Conseils; Les personnes autorisées sont convoquées par la Commission; Les membres du Secrétariat général; Les aides de camp et secrétaires des Commissaires. 5 Les Commissaires et toutes les personnes désignées à l’article précèdent prendront, lors des séances de la Commission, les places indiquées par le plan qui figure à l’annexe du présent règlement. 6 La publicité des séances sera réglée dans les conditions suivantes: Un même nombre de places sera affecté à la presse des pays de chacun des Commissaires. Un nombre aus moins équivalent de ces places sera réservé à l’ensemble de la presse des autres pays. En outre, un nombre détermine de billets d’entrée sera mis, par les soins du Secrétariat général, à la disposition de chacun des Commissaires, pour les séances publiques.
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7 Des comptes rendus sténographiques des séances seront établis par les soins du Secrétariat général. Ils ne seront versés aux archives de la Commission que lorsqu’ils auront été revus et acceptés par chacune des personnes ayant pris la parole, excepté toutefois les dépositions des témoins dont le dépôt aux archives de la Commission est réglé par l’article 7, titre E. 8 Après chaque séance, le Président, aidé du Secrétariat général, dressera un procès-verbal résumant sommairement les travaux effectués. Ce procès-verbal sera lu et corrigé, au besoin, au début de la séance suivante. Il sera signé par le Président, par les deux agents et par le Secrétaire général, et établi en dix exemplaires, dont l’un sera verse aux archives de la Commission et les autres remis à chacun des Commissaires, des Assesseures et des Agents. 9 Enfin, un compte rendu sommaire des séances publiques destiné à la presse sera établi d’après les indications du Président de la Commission, après entente avec les Commissaires. 10 La langue officielle de la Commission est la langue française. Toutefois, les témoins pourront déposer dans la langue de leur pays d’origine. En outre, tout document versé à la Commission et établi dans une autre langue que la langue française devra être accompagné d’une traduction en français. C Séances de la Commission dans la salle du conseil 1 Au cours des séances, les Commissaires se retireront dans leur salle de conseil chaque fois qu’ils le jugeront utile. 2 En principe, aucune autre personne que les Assesseurs n’assistera aux délibérations des Commissaires tenues dans la salle du conseil. Toutefois es Commissaires pourront décider d’y appeler, momentanément, toute personne ayant qualité pour assister aux séances de la Commission, afin de l’entendre complément d’information ou à titre de conseil. 3 Aucune publicité ne sera donnée aux délibérations ayant lieu dans la salle du conseil entre les Commissaires et les Assesseurs. Quant aux décisions qui en résulteront, elles seront communiquées, s’il y a lieu, dans la salle des séances. D Exposé des faits 1 Les Agents des Hautes Parties contractantes procéderont à l’exposé des faits qui font l’objet de l’examen de la Commission d’enquête.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen Ces Agents pourront être assistés par des jurisconsultes, conseils ou avocats dont les noms devront être préalablement notifiés à la Commission et approuvés par elle. 2 L’exposé des faits soumis à l’examen de la Commission internationale d’enquête sera présenté en premier lieu par l’Agent du Gouvernement de Sa Majesté Britannique, en second lieu par l’Agent du Gouvernement de Sa Majesté l’Empereur de Russie. 3 Ces exposés, ainsi que les documents qui les accompagnent, seront déposés par écrit et simultanément deux jours au moins avant leur lecture en séances publiques. Aucune modification ne pourra y être apportée après leur dépôt. E Témoins 1 Les témoins seront cités devant la Commission, d’office ou à la requête des parties. 2 Les témoins que les Hautes Parties contractantes produiront devant la Commission, ou que celle-ci requerra, seront soumis à l’interrogatoire conformément aux articles suivants du présent titre. 3 Chaque témoin, avant d’être entendu, déclarera ses nom, âge, nationalité, demeure et profession, et s’il est au service de l’une des Parties. Il sera requis de prêter serment, ou de déclarer sur l’honneur de dire toute la vérité, ou d’en faire l’affirmation solennelle. Le serment, la déclaration sur l’honneur, l’affirmation solennelle, ou le refus seront mentionnés au procès-verbal de la déposition. 4 Les dispositions par écrit des témoins, dont la présence ne pourrait être assurée à bref délai, seront acceptées à titre de documents. 5 Le témoin que déclinera ou se trouvères dans l’impossibilité de comparaître pourra déposer devant les autorités compétentes de sa résidence, sur tells questions qui seront adressées par le Commission. 6 Les Assesseurs et les Agents pourront procéder en toute liberté à l’interrogation des témoins. Quant aux jurisconsultes, conseils ou avocats, ils ne pourront pas poser directement des questions aux témoins sensé n’avoir fait connaître les termes au Président. 7 Le rapport sténographique de chaque déposition sera accepté comme compte rendu officiel; il sera transcrit par les soins du Secrétariat général et ensuite lu au témoin qui le signera. Si le témoin déclare refuser ou ne pouvoir signer, il en sera fait mention au procès-verbal de la déposition.
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Les dépositions provoquées par les Commissaires et faites dans une autre langue que la langue française seront versées aux archives de la Commission aves leur traduction en français faite par les soins du Secrétariat général. Les dépositions provoquées par les Agents des Hautes Parties contractantes et faites dans une autre langue que la langue française seront remises au Secrétariat général avec leur traduction en français, revêtue de l’approbation de l’Agent ayant provoqué ces témoignages. 8 Aucun témoin ne pourra être entendu plus d’une fois sur les mêmes faits, si ce n’est du consentement de la Commission, ou pour être confronté avec un autre témoin dont la déposition contredirait la sienne. 9 Le témoin déposera d’un seul trait et sans qu’il lui soit permis de lire aucun projet écrit. Toute lois il pourra être autorisé par le Président à s’aider de notes ou documents, si la nature des faits rapportés en nécessite l’emploi. F Conclusions et rapport 1 Quand les Commissaires auront épuisé tous les moyens d’information, chacun des Agents aura la faculté de déposer par écrit les conclusions et les observations qu’il désirera soumettre à la Commission. Ces conclusions et observations seront lues par les Agents en séance publique. 2 Après la séance publique dans laquelle la lecture des conclusions et observation des Agents aura été faite, les Commissaires procéderont, dans leur salle du conseil, aux délibérations relatives aux conclusions à tirer des débats et à l’établissement du rapport prévu par l’article 6 de la déclaration du 12/25 novembre 1904. G Dates et heures des séances La Commission fixera elle-même, à la fin de chacune de ses séances, la date et l’heure de la suivante.“
Die dreizehn Sitzungen der Kommission vom 25. Januar bis zum 2. Februar 1905 waren vor allem der Vernehmung der Zeugen gewidmet, die von russischer und von britischer Seite benannt worden waren.246 Die britische Regierung ließ dabei ins246
Vgl. die zweite Sitzung vom 25. Januar 1905, Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 467 f.; die erste Sitzung vom 26. Januar 1905, ebenda, S. 468; die zweite Sitzung vom 26. Januar 1905, ebenda, S. 468; die erste Sitzung vom 27. Januar 1905, ebenda, S. 468 f.; die zweite Sitzung vom 27. Januar 1905, ebenda, S. 469; die erste Sitzung vom 30. Januar 1905, ebenda, S. 469 f.; die zweite Sitzung vom 30. Januar 1905, ebenda, S. 470; die erste Sitzung vom 31. Januar 1905, ebenda, S. 471; die zweite Sitzung vom 31. Januar 1905, ebenda, S. 471 f.; die erste Sitzung vom 1. Februar 1905, ebenda, S. 472; die zweite Sitzung vom 1. Februar 1905, ebenda, S. 472; die erste Sitzung vom 2. Februar 1905, ebenda, S. 472 f.; die zweite Sitzung vom 2. Februar 1905, S. 473. Vgl. auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 60.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
gesamt 27 Zeugen aufrufen, wobei es sich vorwiegend um Besatzungsmitglieder von Schiffen handelte, die bei dem zu untersuchenden Vorfall zugegen waren.247 Die russische Regierung benannte hingegen lediglich vier Zeugen. Bei dreien dieser Personen handelte es sich um Angehörige der russischen Streitkräfte sowie um einen norwegischen Staatsangehörigen.248 Am 19. Januar 1905 hatten die beiden Agenten in einer öffentlichen Sitzung Gelegenheit, die Tatsachenvorträge für ihre jeweiligen Regierungen zu verlesen.249 Der britische Agent leitete seinen Vortrag damit ein,250 dass er ausführte, dass das schwedische Handelsschiff „Aldebaran“ von einem Schiff der russischen Flotte gesichtet worden sei. Das Kriegsschiff hätte die „Aldebaran“ mit seinen Suchlichtern beleuchtet und dann für einige Zeit auf das schwedische Schiff gefeuert. Hinsichtlich des eigentlichen Dogger-Bank-Zwischenfalls habe es den Anschein gehabt, dass alle beteiligten russischen Schiffe, außer einigen wenigen, ihr Ruder nach Steuerbord ausgerichtet hätten, um südwärts oder luvwärts an den britischen Fischtrawlern vorbei zu laufen. An allen Trawlern wären zu diesem Zeitpunkt die regulären Lichter eingeschaltet gewesen, die eine Fischfangtätigkeit anzeigen würden; zudem wäre auch an allen Trawlern ein weißes Hecklicht eingeschaltet gewesen; einige wären auch von einem hellen Decklicht beleuchtet gewesen. Als die russische Flotte sich der Fischereiflotte genähert hätte, sei beobachtet worden, dass die Kriegsschiffe langsamer geworden wären oder gestoppt hätten. Im Anschluss hieran hätten sie Signale gegeben und ihre Suchlichter auf die Trawler gerichtet. Anschließend hätten die russischen Schiffe das Feuer sowohl nach Steuerbord eröffnet als auch nach Backbord, wo sich zwei oder drei Trawler befunden hätten. Das Feuer habe angehalten, auch nachdem die Suchlichter eine ausreichende Zeit lang auf die Trawler gerichtet gewesen seien, um es den Mannschaften an Bord der russischen Schiffe zu ermöglichen, den Charakter der Trawler als friedliche Fischereischiffe zu erkennen. Zudem bemerkte der britische Agent, dass das russische Schiff „Aurora“ durch Projektile eines anderen russischen Schiffes getroffen worden sei. Im Hinblick auf die vorherigen russischen Vorhalte eines Angriffs japanischer Torpedoboote brachte der britische Agent vor, dass sich außer den russischen Kriegsschiffen keine weiteren Kriegsschiffe irgendeiner Art zwischen den Fischereischiffen oder in der Nähe während der Nacht des Zwischenfalles befunden hätten. Kein Kriegsschiff sei durch die Trawler für lange Zeit gesichtet worden. Keines der Fischereischiffe habe irgendeine Art von Kriegsmaterial befördert. Kein japanisches Kriegsschiff irgendeiner Art habe sich im Moment des Zwischenfalls in der Nordsee befunden, noch habe sich irgendein Japaner an Bord eines der Schiffe der Fischereiflotte befunden. 247
Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 466. Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 466. 249 Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 459 f.; vgl. auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 60. 250 Der britische Tatsachenvortrag ist wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 93., 3e Série, Nos 1 – 2 – 3 (Vol. I) – 1905, S. 99 ff. 248
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Hinsichtlich der Verluste seien zwei Männer durch das Geschützfeuer getötet und sechs weitere verletzt worden; ein Schiff sei gesunken und auf fünf weiteren Schiffen wären Schäden zu verzeichnen gewesen. Andere Schiffe seien durch die von den nahen Explosionen ausgelösten Vibrationen beschädigt worden. Der britische Agent schlussfolgerte abschließend, dass die Fischereischiffe, die ihrer rechtmäßigen Beschäftigung in den Fischgründen der Nordsee nachgegangen seien, als solche bekannt gewesen wären und sich außerhalb der Routen befunden hätten, die normalerweise von Schiffen befahren würden, die zwischen Skagen und der Straße von Dover navigierten, ohne Warnung oder Provokation, von Schiffen der Imperialen Russischen Marine, beschossen worden seien. Der russische Agent begann seine Ausführungen damit,251 vorzutragen, dass nach Informationen, welche seine Regierung erhalten habe, die Japaner geplant hätten, einen Vorteil aus der Durchfahrt der Baltischen Flotte durch die Gewässer Dänemarks zu ziehen und sie dort anzugreifen. Daher habe die russische Regierung eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Nachdem die russische Schwadron Skagen am 7. Oktober 1904 verlassen und Kurs auf den französischen Hafen Cherbourg genommen habe, seien alarmierende Neuigkeiten empfangen worden, nach denen verdächtige Schiffe aufgetaucht seien. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober um 0:55 Uhr habe das Führungsschiff der letzten Staffel die Silhouetten zweier kleiner Boote ausgemacht, an welchen alle Lichter gelöscht gewesen seien, und die sich den russischen Kriegsschiffen mit großer Geschwindigkeit genähert hätten. Die gesamte Schwadron hätte sofort ihre Suchlichter ausgerichtet. In dem Licht seien die verdächtigen Boote als Torpedoboote wahrgenommen worden. Die russischen Schiffe hätten sofort das Feuer auf die Boote eröffnet. Unmittelbar danach wären kleine Boote in der Nähe der russischen Schiffe und in der von diesen beleuchteten Zone ausgemacht worden, die an Fischerboote erinnert hätten. Einige von diesen Booten hätten ihre Lichter gezeigt, andere hätten die Lichter erst später gezeigt und wieder andere der Boote hätten direkt den Weg der russischen Schiffe versperrt. Als klar wurde, dass unter den gegebenen Umständen das Feuer, welches gegen die Torpedoboote gerichtet gewesen sei, auch die Fischtrawler hätte treffen können, wären Maßnahmen getroffen worden, um deren Sicherheit soweit wie möglich zu gewährleisten. Zu diesen Maßnahmen habe es gehört, dass das russische Führungsschiff sein Suchlicht abwechselnd auf die verschiedenen Fischerboote gerichtet und dann mit dem Suchlicht in einem 458-Winkel nach oben gestrahlt habe; dies bedeute einen Befehl, auf das so markierte Schiff nicht zu feuern. Trotzdem, mit Blick auf die von einem Angriff der Torpedoboote ausgehende Gefahr, hätten die Kriegsschiffe das Feuer aufrechterhalten müssen und dies nicht nur trotz des Risikos, die Fischtrawler zu treffen, sondern auch die anderen Schiffe der Baltischen Flotte. Diese Gefahr habe sich dann auch durch die Anwesenheit der Schiffe „Dimitri Donskoi“ und „Aurora“ in der Feuerlinie manifestiert. Zwischenzeitlich hätten sich die Torpedoboote entfernt und seien kurz danach verschwunden. In diesem Moment 251 Der russische Tatsachenvortrag ist wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 93., 3e Série, Nos 1 – 2 – 3 (Vol. I) – 1905, S. 97 ff.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
wäre das Feuer beendet worden, nachdem ein entsprechender Befehl durch das Führungsschiff ergangen sei. Das Feuer habe insgesamt zehn Minuten angedauert. Auch wenn die Besorgnis bestanden habe, dass einige der Fischerboote durch das Feuer hätten beschädigt sein können, ohne dass dies allerdings festgestanden habe, sowie angesichts der Tatsache, dass die Gefahr durch zwei oder mehrere Torpedoboote in Gänze vorübergegangen sei, habe Admiral Roschestwenski entschieden, dass es wichtig gewesen sei, dass die Schwadron ihre Reise ohne Stopp fortsetzen könne. Der russische Agent beendete seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass Admiral Roschestwenski die große Verantwortung getragen habe, die Sicherheit seiner Kräfte zu garantieren. Unter den gegebenen Umständen habe der Admiral nicht nur das Recht gehabt, sondern sei unter einer absoluten Verpflichtung gewesen, so zu handeln, wie er es getan habe. Jedoch habe er realisiert, dass unschuldige Fischer verletzt werden könnten, die Staatsangehörige einer neutralen Macht gewesen seien; zur gleichen Zeit sei der Admiral gezwungen gewesen, alle Mittel, die zu seiner Verfügung standen, zu nutzen, um die Torpedoboote zu zerstören, welche die Schwadron angegriffen hätten. Am 13. Februar 1905 präsentierten beide Agenten ihre abschließenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen.252 Der britische Agent zog nach der Vorlage verschiedener Dokumente und der Aussage der verschiedenen Zeugen folgende Schlussfolgerungen:253 „I. Qu’il n’y avait à la vérité, dans la nuit du 21 – 22 (8 – 9) octobre 1904, aucun torpilleur ou contre-torpilleur parmi les chalutiers britanniques ou dans le voisinage de la flotte russe; que les officiers russes se sont trompés en croyant que des navires de ce genre étaient sur les lieux on à proximité, et qu’ils attaquèrent ou avaient l’intention d’attaquer la flotte russe. II. a) Qu’il n’y avait pas de raison suffisante pour justifier l’ouverture du feu. b) Qu’une fois le feu ouvert on n’a pas, comme on l’aurait dû, dirigé et contrôlé le tir pour éviter qu’il n’infligeât des avaries à la flottille de pêcheurs. c) Que le feu fut continué contre la flottille de pêcheurs un laps de temps déraisonnable. III. Que les gens à bord de la flotte russe auraient dû aller au secours des blessés et des bateaux avariés. IV. Qu’aucune faute ne fut commise par ceux à bord des chalutiers ou par ceux qui en avaient la direction.“ In seinen Beobachtungen unterzog der britische Agent verschiedene Ereignisse bezüglich des Dogger-Bank-Zwischenfalles einer Betrachtung.254 Zunächst wies der Agent darauf hin, dass am Morgen des 21. Oktobers 1904 der Transporter „Kamtschatka“, welcher gemeinsam mit den Kreuzern „Dimitri Donskoi“ und „Aurora“ die vierte Division der russischen Flotte gebildet habe, hinter die beiden Kreuzer zurückgefallen wäre. Diese Verzögerung sei durch einen Maschinenschaden so groß 252 Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 474; vgl. auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 60 f. 253 Die Beobachtungen und Schlussfolgerungen des britischen Agenten sind wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 474 ff. 254 Hierzu auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 65 f.
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geworden, dass das Schiff um 8:00 Uhr am Abend bereits 30 bis 35 Meilen hinter die Division von Admiral Roschestwenski zurückgefallen sei, anstatt 50 Meilen vor dieser zu sein, so wie es hätte seien sollen. In Übereinstimmung mit einem drahtlosen Telegramm, welches gegen 8:30 Uhr am Abend an das Flaggschiff „Suworow“ übermittelt worden sei, habe die Besatzung an Bord der „Kamtschatka“ geglaubt, von Torpedobooten angegriffen zu werden. Tatsächlich sei das Schiff nicht angegriffen worden, sondern habe selbst das Feuer auf das deutsche Fischerboot „Sonntag“ eröffnet und habe später das schwedische Schiff „Aldebaran“ für einen beträchtlichen Zeitraum bombardiert. Der Bericht, der von der „Kamtschatka“ empfangen worden war, habe in Admiral Roschestwenskis Division bei Sonnenuntergang einen Alarmzustand zur Folge gehabt. Die Offiziere hätten ihre Wachsamkeit verdoppelt, nachdem sie einen Angriff an dem Ort und in der Nähe des Ortes vermuteten, an dem der Zwischenfall stattfand. Als der Zwischenfall gegen 1:00 Uhr am Morgen begann, wären die „Aurora“ und die „Dimitri Donskoi“, von denen Admiral Roschestwenski und sein Stab vermutet hätten, dass sie wenigstens 15 Meilen vor der Division des Admirals befindlich wären, tatsächlich in einer Position irgendwo vor dem Bug des Führungsschiffes dieser Division gewesen und in Reichweite von dessen Geschützen. In dieser Situation hätte die Silhouette eines Schiffes vor der „Suworow“ ausgemacht werden können. Nach dem Bericht von Admiral Roschestwenski wären zwei Silhouetten auszumachen gewesen. Eine mögliche Erklärung für die folgenden Ereignisse könne es gewesen sein, dass die „Aurora“, ohne Kenntnis der Personen an Bord der „Suworow“, vor dieser – in einer Distanz von elf bis zwölf Meilen – gefahren sei, und dass es die Silhouette der „Aurora“ gewesen sei, deren Kulissen zuerst als die eines Torpedobootes wahrgenommen wurde. Die Suchlichter der „Suworow“ seien in Richtung der Silhouette gerichtet gewesen, aber es sei unmöglich gewesen, ein Objekt in so weiter Entfernung zu erhellen. Daher habe sich ein leuchtender Vorhang gebildet, hinter dem die Silhouette verschwunden sei, sodass zwei Fischerboote, welche nur zum Teil beleuchtet gewesen seien, in einem Zustand der Hektik und Erwartung für Torpedoboote gehalten worden seien. Auf der „Suworow“ sei der Befehl zum Feuern gegeben worden. Diesem Beispiel seien die anderen Schiffe der Schwadron unverzüglich gefolgt. Als Ergebnis des Beschusses sei die „Aurora“ an fünf Stellen getroffen worden. Obwohl diese Tatsachen Admiral Roschestwenski bereits kurz nach dem Zwischenfall bekannt gewesen seien, wären sie nicht in der Kopie des Telegramms des Admirals erwähnt gewesen, welches den Repräsentanten der britischen Regierung übergeben worden sei. Auch sei die Tatsache von der russischen Regierung erst sechs Wochen nach dem Zwischenfall enthüllt worden. Weiterhin sei kein Offizier von der „Aurora“ oder von der „Dimitri Donskoi“ als Zeuge vor die Untersuchungskommission zitiert worden. Auch seien die Logbücher, die Befehlsbücher oder die Signalbücher von keinem der Schiffe der Kommission bis zum Ende der öffentlichen Sitzung am 2. Februar 1905 vorgelegt worden. Außerdem wies der britische Agent darauf hin, dass nach den russischen Beweisen eines der Torpedoboote schwer beschädigt worden und in der Gefahr gewesen sei, zu sinken. Tatsächlich sei dies ein Fischereischiff gewesen, das beschädigt worden und anschließend fast gesunken sei. Nach demselben Beweis
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
wäre das sogenannte Torpedoboot an der Backbordseite, trotz des Feuers, das auf es gerichtet gewesen sei, entkommen; dies sei allerdings genau der Umstand gewesen, in dem sich das Fischerboot „Mino“ befunden habe. Außerdem sei es bekannt gewesen, dass ein Schiff anderen Typs und anderer Größe auf den ersten Blick bei Nacht für ein Torpedoboot gehalten werden könnte. Unter diesen Umständen sei es die Pflicht eines erfahrenen Offiziers gewesen, einen Moment zu warten und genau zu beobachten, bevor das Feuer eröffnet werde. Hätten die Offiziere so gehandelt, wäre ihnen aufgefallen, dass die sogenannten Torpedoboote entweder russische Schiffe oder harmlose Trawler gewesen seien. Der britische Agent insinuierte abschließend, dass der Angriff auf die Fischereischiffe vorsätzlich gewesen sei. Es erscheine aus den telegrafischen Berichten über den Zwischenfall, die von Admiral Roschestwenski gesendet und an die britische Regierung weitergeleitet worden seien, so, dass die russischen Offiziere die Trawler verdächtigt hätten, bei dem angenommenen Angriff Unterstützung geleistet zu haben. Unter diesen Umständen müsse angenommen werden, dass das Feuer zum Teil von den russischen Schiffen gezielt auf die Trawler gerichtet worden sei. Der britische Agent bemerkte hierzu noch, dass dies kaum bestritten werden könne, im Hinblick auf ein Telegramm des Admirals, nach dem er alle Fischerboote während der Reise respektiert hätte, außer diejenigen, die sich in der Begleitung fremder Torpedoboote befunden hätten. Der Agent der russischen Regierung kam zu folgenden Beobachtungen:255 „1. Que le feu de l’escadre a été exclusivement motivé par l’approche, à une distance dangereuse pour elle, de deux torpilleurs se dirigeant à la faveur de la nuit, sans feux et à toute vitesse, sur la division dont faisait précisément partie le vaisseau-amiral battant pavillon du chef d’escadre; 2. Que le feu de ladite escadre a été exclusivement dirigé sur ces torpilleur et qu’il n’a atteint les chalutiers anglais que par suite d’accidents inévitables; 3. Que tout a été fait par l’escadre pour atténuer dans la mesures de possible les risques que le feu, nécessité par l’approche desdits torpilleurs faisait courir auxdits chalutiers anglais et qu’elle n’a pu faire avantage.“
Zudem zog der russische Agent die Schlussfolgerung, dass das Feuer der russischen Schwadron in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1904 auf der Grundlage der legitimen Ausführungen der militärischen Pflichten des Kommandeurs der Schwadron befohlen und durchgeführt worden sei. Daher könne konsequenterweise weder Admiral Roschestwenski, noch einem seiner Untergebenen Verantwortung für den Zwischenfall zugewiesen werden. Um seine Befunde zu untermauern, wies der russische Agent darauf hin, dass die Tatsachen, die von seiner Regierung vorgebracht wurden, von verlässlichen Marineoffizieren von hoher Moral bezeugt worden seien. Die von Großbritannien behaupteten Fakten würden nur von offiziellen Texten einer gewissen Regierung getragen werden, nach denen keine Torpedoboote am Ort des Zwischenfalles zugegen gewesen seien und von Beweisen durch Fischer, die unter 255 Die Beobachtungen und Schlussfolgerungen des russischen Agenten sind wiedergegeben in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 482 ff. Vgl. hierzu auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 66 ff.
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solch ungünstigen Umständen gestanden hätten, dass sie den Gang der Ereignisse nicht angemessen hätten würdigen können. Im Hinblick auf den „Kamtschatka“Zwischenfall merkte der russische Agent an, dass der Alarm, der auf diesem Schiff ausgelöst worden sei, an Bord der „Suworow“ kaum Eindruck gemacht hätte. Wenn die Schwadron einen Angriff erwartet hätte, wäre dies auf Informationen rückführbar gewesen, die sie seit ihrem Aufbruch erhalten hatte, insbesondere bei Skagen. Zudem sei der Feuerbefehl von Admiral Roschestwenski selbst gegeben worden „en pleine connaissance de cause“. Der Vorwurf, dass die Fischereischiffe für Torpedoboote gehalten worden seien, wies der russische Agent als unzulässig zurück. Dies nicht nur deshalb, weil Form und Struktur der beiden Arten von Schiffen unterschiedlich seien, sondern auch deshalb, weil die gleichzeitige Anwesenheit von Torpedobooten, die in der Ferne ausgemacht worden seien, und der Gruppe von zahlreichen Fischerbooten, einen Vergleich erlaubt hätten, der jede Verwechselung ausschließe. Jeder Vorwurf, dass es sich bei den verdächtigen Booten tatsächlich um gewisse Kreuzer der Schwadron gehandelt habe, sei ebenfalls unbegründet. Die Fahrtbefehle, denen sie zu folgen gehabt hätten und denen sie stets gefolgt seien, seien so ausgestaltet gewesen, dass diese Kreuzer viele Stunden vor der Division von Admiral Roschestwenski gewesen seien, welche dieselbe Route befahren habe. Die Kreuzer hätten Cherbourg bereits lange vor der Ankunft der anderen Staffeln erreicht. Jeder Fehler mit Blick auf die anderen Schiffe der Schwadron sei ebenfalls unmöglich. Insbesondere hätte die „Aurora“ nicht involviert sein können, da ihre Position von denjenigen Positionen der beiden Torpedoboote verschieden gewesen sei und weil es nicht möglich sei, einen Kreuzer von 6.000 Tonnen mit einem Torpedoboot von 200 oder 300 Tonnen zu verwechseln. Das Objekt des Feuers sei durch die Aussage eines russischen Offiziers klar gewesen, der ausgesagt habe, dass die Torpedoboote, die Ziel des Feuers gewesen seien, durch das Glühen der brennenden Projektile erleuchtet worden seien. Der russische Agent bemerkte zudem, dass die Fischereischiffe nicht die einzigen unschuldigen Schiffe gewesen seien, bei denen es Admiral Roschestwenski unmöglich gewesen sei, den Beschuss zu vermeiden. Einige der Schiffe seiner eigenen Schwadron seien ebenfalls beschädigt worden. Schließlich gab der russische Agent noch dem tiefen Bedauern seiner Regierung Ausdruck, dass der Zwischenfall Verletzungen bei Unschuldigen hervorgerufen habe. Während er die Verantwortung des Kommandanten der Schwadron abstritt, wies er darauf hin, dass die imperiale Regierung nicht vorhabe, die Zahlung materieller Reparationen zu vermeiden. Vielmehr sei seine Regierung bereit, den unschuldigen Opfern für das Feuer der Flotte Kompensation zu leisten und den angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Die Bezifferung und die Verteilung der Kompensation könnte einem Tribunal übergeben werden, welches von dem Ständigen Schiedshof (in Den Haag) ausgewählt werden könne. Die Untersuchung endete damit,256 dass der Vorsitzende der internationalen Untersuchungskommission in der Sitzung vom 23. Februar 1905 den Agenten der 256 Siehe auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 61.
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britischen und der russischen Regierung den Abschlussbericht übergab.257 Auf der letzten Sitzung der Kommission am 25. Februar 1905 wurde schließlich noch der Bericht verlesen und es wurden von den Kommissionsmitgliedern noch einige Worte über die Arbeit der Kommission und deren Bedeutung verloren.258 4. Ergebnisse der Untersuchung a) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission, der offiziell vom 26. Februar 1905 datiert und von allen Kommissionsmitgliedern unterzeichnet wurde,259 enthält insgesamt 17 Randnummern. Der Bericht enthält eine genaue Beschreibung des Hergangs des Zwischenfalles aus Sicht der Kommission. b) Die Mehrheit der Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass Admiral Roschestwenski, nach Berichten über die Sichtung verdächtiger Schiffe, den Befehl zu deren Beschuss gegeben hätte und dem russischen Marineoffizier damit die Verantwortung hierfür und für das Ergebnis zufalle.260 Die Kommission sah es als gegeben an, dass von Seiten der Fischerboote keinerlei Feindseligkeiten ausgegangen wären. Die Kommissionsmehrheit befand es zudem als Tatsache, dass keine Torpedoboote zwischen den Fischerbooten oder sonst in der Gegend anwesend gewesen seien und der erteilte Feuerbefehl daher nicht gerechtfertigt gewesen sei.261 Das russische Kommissionsmitglied verlieh hingegen seiner Überzeugung Ausdruck, dass die verdächtigen Schiffe sich dem russischen Verband in feindseliger Absicht genähert hätten und genau dies den Beschuss provoziert hätte.262 Die Kommissionsmitglieder erkannten zudem einstimmig an, dass der russische Befehlshaber persönlich von Beginn bis zum Ende des Zwischenfalls alles getan habe, um zu verhindern, dass auf die Fischerboote, die als solche erkannt worden seien, von den russischen Schiffen gefeuert wurde.263 Letztlich erklärten die Kommissionsmitglieder noch, dass ihre Feststellungen in dem Abschlussbericht ihrer Meinung nach nicht der Natur seien, dass sie die militärischen Qualitäten oder die Humanität
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Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 489. Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 489 ff. 259 Report of the Commission: Report of the Commissioners, drawn up in accordance with article 6 of the declaration of St. Petersburg of November 12/25, 1904. – Paris, February 26, 1905, die im Folgenden verwendete englische Übersetzung des Berichts ist wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 ff.; in französischer Originalfassung ist der Bericht wiedergegeben: ebenda, S. 609 ff. sowie als Rapport des Commissaires, établi conformément à l’article 6 de la Décaration de Saint-Pétersbourg du 12/25 november 1904, in: Archives Diplomatiques 45e Année. – T. 94, 3e Série, No. 4. – Vol. II. – 1905, S. 491 ff. 260 James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 (407, Rn. 11). 261 James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 (408, Rn. 13). 262 James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 (408 f., Rn 13). 263 James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 (409, Rn. 14). 258
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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von Admiral Roschestwenski oder der Mitglieder der russischen Schwadron bewerten würden.264 c) Der Abschlussbericht wurde sowohl von britischer als auch von russischer Seite akzeptiert. Aufgrund der Feststellungen der internationalen Untersuchungskommission zahlte Russland als Kompensation 65.000 £ an das Vereinigte Königreich, welches im Gegenzug keine weitere Bestrafung der verantwortlichen russischen Offiziere verlangte.265 Die Zahlungsbereitschaft war, wie oben beschrieben, von Seiten der russischen Regierung auch bereits angekündigt worden, bevor die Kommission ihre Tätigkeit aufnahm.
III. Einordnung und Bewertung Die Regeln im I. Haager Abkommen von 1899 über die internationale Untersuchungskommission266 waren der erste Schritt zu einer Aufnahme der Untersuchung in den Kanon der anerkannten Mittel der internationalen Streitbeilegung.267 Diese Regeln eröffneten den Staaten die Chance auf ein formalisiertes, wenn auch nicht allzu stark reglementiertes Verfahren, um Tatsachen in zwischenstaatlichen Streitigkeiten festzustellen und damit die Grundlage für die diplomatische Lösung des jeweiligen Konflikts zu schaffen, mithin ein „Mittel des diplomatischen Ausgleichs“.268 Dem Institut der internationalen Untersuchungskommission wurde, entgegen der noch darzustellenden späteren Entwicklungen, im zeitgenössischen völkerrechtlichen Schrifttum teilweise „eine große Zukunft“ vorausgesagt.269 Auch 264
James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 404 (410, Rn. 17). Siehe Tobias H. Irmscher, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 8; bei James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 403 wird der entsprechende Betrag mit 300.000 US-$ angegeben. 266 Zum Teil wurde der internationalen Untersuchungskommission, trotz ihrer Regelung in einem völkerrechtlichen Vertrag, allerdings kein völkerrechtlicher Gehalt zuerkannt. So etwa die Auffassung von Paul Heilbron, in: Franz von Holtzendorff/Josef Kohler (Begr./Hrsg.), Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, Band II., S. 973 (1051), der aus diesem Grund nicht nur diese Kommissionen, sondern auch Gute Dienste, Vermittlungen und die Retorsion aus seiner Darstellung des völkerrechtlichen Verfahrensrechts ausdrücklich ausschloss. Dagegen jedoch zu Recht unter Hinweis auf die der internationalen Untersuchungskommission zugrunde liegenden Rechtsquellen Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (227). 267 In diesem Sinne auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 42; Alexandre Mérignhac, La Conférence Internationale de la Paix, S. 279. 268 Vgl. auch Alfred H. Fried, Handbuch der Friedensbewegung, I. Kapitel, S. 146 f.; siehe für diese Position aus der jüngeren Literatur auch Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (249). 269 Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 165. Siehe auch Alfred H. Fried, Handbuch der Friedensbewegung, I. Kapitel, S. 216: „Auch die Untersuchungskommissionen bezeichnen in der ihnen hier gegebenen Gestalt eine neue, höchst wichtige Fortbildung auf dem Gebiete der Friedenssicherung.“ William T. Stead meinte zudem in Bezug auf die voraussichtliche Häufigkeit der Inanspruchnahme einer internationalen Untersu265
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
wenn diese Euphorie nicht einhellig geteilt wurde, konnte, auch in Anbetracht des erfolgreichen Einsatzes bei der Klärung des Dogger-Bank-Zwischenfalles, der Untersuchungskommission bescheinigt werden, dass sie „sich sehr nützlich erweisen kann und (…), dass sie der friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten gute Dienste leisten können“ werde.270 Ob es infolge des Dogger-Bank-Zwischenfalles tatsächlich zu einem großen Krieg zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland gekommen wäre, kann nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Die Mobilisierung großer britischer Marineverbände spricht jedenfalls dafür, dass die Möglichkeit eines größeren militärischen Schlagabtausches sehr wahrscheinlich chungskommission in den internationalen Beziehungen: „For practical purposes I expect that we shall use the international Commissions d’Enquête nine times for once that shall use the permanent court of arbitration in any questions of serious importance.“, zitiert nach: Joseph H. Choate, The Two Hague Conferences, S. 31. 270 Otfried Nippold, Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, S. 452. Ähnlich auch Heinrich Lammasch, in: Fritz Stier-Somlo (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts – Dritter Band: Internationales Verwaltungsrecht, Übersicht über die Ergebnisse der Ersten und Zweiten Haager Friedenskonferenz, Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange, S. 238 f. Emanuel von Ullmann, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 1 (1907), S. 82 (107 f.) kommentierte: „(…) und dadurch, dass sie [gemeint ist die internationale Untersuchungskommission – Anmerkung des Verfassers] sich als geeignetes Mittel der Vorbereitung der Streiterledigung durch die Parteien selbst darstellen. Gerade der Huller Fall, in welchem von dieser Institution praktisch mit Erfolg Gebrauch gemacht wurde, zeigt deutlich, dass die Untersuchungskommissionen in wirksamster Weise vor allem zur Erledigung eines Streitfalles durch die Parteien selbst verwendet werden können. In der Tat liegt auch nichts näher, als dass Streitteile, die bona fide vorgehen, sich vor allem über die objektive Sachlage, von dem Stand der Tatsachen, die in ihrem Komplex den Tatbestand des Streitfalles bilden, zu überzeugen suchen und zu diesem Zwecke die Feststellung dieser Tatsachen Dritten überlassen, um jeden Vorwurf einseitiger und parteiischer Beurteilung der relevanten Tatsachen auszuschließen. Die Mitwirkung Dritter ist im übrigen auch hier in letzter Reihe nur eine Konsequenz der Anerkennung der Interessensolidarität der Mächte. Auch in diesem Punkte ist grade der Huller Fall überaus lehrreich. Welchen wichtigen Dienst hat die betreffende Kommission in jener Zeit grösster politischen Spannungen und Gefahr eines fast universellen Kriegszustandes, der für die gesamte internationale Gemeinschaft die verheerendsten Wirkungen nach sich ziehen müsste, geleistet!“; „(…) relativ sehr wertvolle[s] Institut (…)“. Interessant ist auch in diesem Zusammenhang der Tagebucheintrag der berühmten Friedensaktivistin des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts und späteren Trägerin des Friedensnobelpreises, Bertha von Suttner, die sich mit der Klausel in Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 auseinandersetzt, nach der Fragen der Ehre sowie essentiellen Interessen der Staaten von Untersuchungen ausgenommen sein sollen: „Eine Untersuchungskommission aber soll ja nicht eingesetzt werden, um Urteile zu fällen, durch deren Ausführung auf Ehre und Interessen verzichtet werden sollte, sie ist ja nur auf Feststellung von Tatsachen beschränkt. Welcher Ehrliche könnte diese fürchten? Die internationale Kommission soll Licht bereiten über die Fragen, über welche die streitenden Parteien nicht genau unterrichtet sind. Wenn man im Dunkel oder in einem Irrtum befangen ist, wie soll man da überhaupt wissen, ob die Ehre oder die Interessen der Nation auf dem Spiel stehen? Gerade über Fragen von solcher Wichtigkeit ist es nötig, durch eine vollständige und unparteiische Untersuchung Klarheit zu schaffen. Die hervorstechendsten Tatsachen der Zeitgeschichte beweisen, dass gerade der Hinweis auf Ehre und Lebensinteressen von denjenigen Leuten angewendet wird, die zum Kriege hetzen. Daher tut die Klärung gerade für diese Fälle am meisten not.“; zitiert nach: Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 164 f.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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war. Sowohl von britischer als auch von russischer Seite wurden jedenfalls alle Kräfte aufgebracht, um eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern.271 Insofern muss die friedenssichernde Wirkung des Instituts der internationalen Untersuchungskommission für diesen Fall tatsächlich bejaht werden.272 Auf der prozessualen Ebene lassen sich zur Untersuchung durch die internationale Kommission im Dogger-Bank-Fall einige interessante Beobachtungen machen, denn zum Teil gingen von der Kommissionstätigkeit wichtige Impulse aus; dies gerade bei Fragen, die bei der Friedenskonferenz von 1899 als besonders wichtig beziehungsweise problembehaftet empfunden wurden: 1. Der Zwischenfall berührte in seiner öffentlichen Wahrnehmung gerade doch Fragen der vitalen Staatsinteressen und der nationalen Ehre zwischen zwei Großmächten, wie dies schon die Mobilisierung der Royal Navy und die Aufregung über den Beschuss der Fischerboote in der britischen Öffentlichkeit belegen. Der Zwischenfall ging damit über den eigentlichen, in Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 niedergelegten, Anwendungsbereich des Instituts der internationalen Untersuchungskommission hinaus.273 Damit wurde deutlich, dass Untersuchungen durch eine internationale Kommission auch für solche Fälle zweckdienlich sein konnten.274 2. Weiterhin bedeutet schon Artikel II des Untersuchungsabkommens, welcher ausdrücklich eine Feststellung von Verantwortlichkeiten vorsah, eine bewusste Abkehr von der bloßen Tatsachenfeststellung.275 Dies manifestierte sich auch in dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission.276 Dieser enthält sowohl 271
André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (175). Siehe auch William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 18 f. Vgl. auch André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (176 f.): „On peut dire ainsi, en toute conscience, que le deux puissants monarques de Russie et de Grande-Bretagne, comme leurs ministers et leur ambassadeurs, ont bien mérité de l’humanité en sommettant un différend d’une pareille importance à la justice internationale. Le choix que firent les deux puissances d’une Commission d’enquête parmi les moyens parcifiques recommandés par la convnetion de la Paix pour le règlement des conflits internationaux a été, d’un autre côté, amplement justifié par les événements.“ 273 So auch Tobias H. Irmscher, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 10; André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (178). 274 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 48. 275 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 72; ähnlich auch J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 46. 276 In der zeitgenössischen Literatur wurden auch Zweifel laut, ob es sich bei internationalen Untersuchungskommissionen nach Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 nicht in Wirklichkeit um getarnte internationale Schiedsgerichte handele. Dies brachte insbesondere Nicholas Politis, Revue Général de Droit Internationale Public 19 (1912), S. 149 (154 ff.) vor. Hierbei stützte sich Politis vor allem auf zwei Überlegungen. Zum einen brachte er vor, dass die Verbindung von Tatsachen und Recht, wie es von einem Schiedsgericht angewendet würde, sehr eng seien. Es sei daher nicht möglich, Ergebnisse zu Tatsachen zu präsentieren, ohne dadurch gleichzeitig auch rechtliche Fragen zu berühren. Zum anderen sah Politis zwar, dass nach 272
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
eine analytische Darstellung der Fakten, einschließlich ihrer Gründe und Konsequenzen, als auch einen Teil über Verantwortlichkeiten, die aus dem Vorgehenden geschlossen wurden.277 Mandelstam bescheinigte in seinen zeitgenössischen Ausführungen den Kommissionsmitgliedern zudem, dass diese ihre Rolle als „Richter“, im Gegensatz zu „Ermittlern“, erfüllt hätten, indem sie etwa festgestellt hätten, dass von den britischen Trawlern keine feindseligen Aktionen ausgegangen seien, und dass die russische Feuereröffnung auf die Fischerboote nicht gerechtfertigt gewesen sei.278 3. Dass die französische Hauptstadt Paris als Sitz der internationalen Untersuchungskommission festgelegt wurde (vgl. Artikel V des Untersuchungsabkommens), lässt sich aus zwei Gründen erklären. Zum einen musste ein neutraler Ort für die Kommission gefunden werden, um jedweden dahingehenden Vorwurf von Parteilichkeit zu begegnen. Zum anderen spielte Frankreich – durch die Einbindung des französischen Botschafters in London – eine wichtige Rolle bei der Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland hinsichtlich der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission.279 4. Obwohl das Mandat der Kommission – vor allem mit Blick auf die Feststellung von Verantwortlichkeiten – eine zumindest quasi-juristische Tätigkeit verlangte, waren Juristen unter den Kommissionsmitgliedern nicht vertreten, sondern hochrangige Marineoffiziere, von denen daher angenommen werden muss, dass sie in Fragen der Seekriegsführung beschlagen waren. Allerdings wurde in Artikel I des Untersuchungsabkommens festgelegt, dass zwei juristische Assessoren benannt werden mussten, um die Kommission zu unterstützen. Die Verfasser des Untersuchungsabkommens waren sich daher der quasi-juristischen Funktion der Untersuchung offensichtlich bewusst und daher auch der Notwendigkeit, juristische Expertise in das Verfahren einzubringen.280 Weiterhin ist bemerkenswert, dass die Anzahl der neutralen Kommissionsmitglieder die Zahl der parteibenannten Kommissionsmitglieder überstieg. Dies führte zu einer Steigerung des Ansehens der internationalen Untersuchungskommission in der öffentlichen
Artikel 14 des Abkommens der Abschlussbericht der Untersuchungskommission die Parteien nicht binde; Politis bemerkte jedoch, dass einmal gefundenen Tatsachen ein abschließender Charakter zugeschrieben werde. Daher hätten sie auf juristischer Ebene den gleichen Wert wie Tatsachen, die von einem (Schieds-)Richter festgestellt worden seien. Außerdem werde moralischer Druck auf die streitenden Parteien aufgebaut, den Konflikt zwischen ihnen zu beenden, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen einmal bekannt seien. 277 Nicholas Politis, Revue Général de Droit International Public 19 (1912), S. 149 (162 f.). 278 Siehe hierzu die Ausführungen zu dieser Frage bei André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 351 (405 ff.). 279 Vgl. hierzu auch André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (185 ff.). 280 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 82; André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (184).
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Wahrnehmung,281 da die neutralen Mitglieder sowohl den Zwecken der Gerechtigkeit als auch der Glaubhaftigkeit der Kommission mehr Gewicht verliehen haben.282 Wie auch in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit üblich, waren sowohl der Interimsvorsitzende als auch der eigentliche Vorsitzende der Kommission jeweils neutrale Mitglieder (aus Frankreich beziehungsweise ÖsterreichUngarn stammend). Durch deren Unparteilichkeit wurde die Glaubhaftigkeit der Kommission und ihrer Tätigkeit ebenfalls unterstrichen. 5. Die internationale Untersuchungskommission wurde bei der Erledigung ihrer Aufgaben von einem Sekretariat unterstützt. Gemäß Teil A der Verfahrensordnung der Kommission wurde ein Hauptsekretär für die Kommission bestellt, der dem Kommissionsvorsitzenden bei der Erledigung der Arbeit zur Seite stand. Hinzu kamen weitere Sekretariatsmitglieder. In der Verfahrensordnung wurde an verschiedenen Stellen eine Reihe von besonderen Aufgaben festgelegt, welche das Sekretariat zu leisten hatte. So wurden die Kommissionsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben entlastet.283 6. Ein Problem bei der Kommissionstätigkeit stellte das Fehlen von festen Verfahrensregeln für die Untersuchungskommission im Untersuchungsabkommen dar. Hier sollten jedoch, wie noch gezeigt wird, von den Verfahrensregeln, welche sich die internationale Untersuchungskommission im Dogger-Bank-Fall gegeben hatte, bedeutende Entwicklungen ausgehen. Jedenfalls waren die Regelungen im dritten Teil des I. Haager Abkommens von 1899 nicht ausreichend, um als prozessuales Gerüst für die Untersuchung zu dienen. Daher waren die Kommissionsmitglieder gezwungen, eine ausführliche Verfahrensordnung auszuarbeiten und zu verabschieden. Zwar ist dies in Artikel 10 des I. Haager Abkommens vorgesehen, jedoch liegt die Annahme nahe, dass die umfangreichen Beratungen, welche zur Erarbeitung der Verfahrensordnung erforderlich waren, die eigentliche Arbeit der Kommission, also die Feststellung des Sachverhalts und die Festlegung von Verantwortlichkeiten, gehindert haben.284 281
Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 81 Fn. 72. 282 André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 161 (184). 283 Siehe auch André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 351 (327 f.). 284 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 83. Dieser merkt hierzu an, dass Untersuchungen so schnell wie möglich durchgeführt werden sollten, nachdem die Tatsachen, welche von einer Kommission zu untersuchen sind, sich zugetragen haben und folglich die Erinnerungen von Zeugen an die jeweiligen Ereignisse noch frisch und die materiellen Beweise noch verfügbar sind. Weil diesem Befund grundsätzlich nicht zu widersprechen ist, muss im Rahmen des Dogger-Bank-Falles doch bedacht werden, dass es sich um die allererste internationale Untersuchungskommission nach dem Haager System handelte. Daher fehlten noch Erfahrungswerte. Zudem können auch die Vorteile eines wohlgeordneten Verfahrens nicht von der Hand gewiesen werden, sodass man den von Bar-Yaacov erwähnten Aspekt in Bezug auf die Arbeit der internationalen Untersuchungskommission im Dogger-Bank-Fall nicht überbetonen sollte.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
7. Die Kommission konnte aus einer Vielzahl von Beweismitteln schöpfen. Neben den Einlassungen der Parteien (vgl. Teil D der Verfahrensordnung der Kommission), wurde eine Reihe von Zeugen gehört (vgl. hierzu Teil E der Verfahrensordnung). Damit standen der internationalen Untersuchungskommission sämtliche Beweismittel zur Verfügung, die sie zur Aufklärung des Dogger-BankZwischenfalles benötigte.285 Die Befragung der Zeugen wurde nicht nur durch die Kommission durchgeführt, sondern, wie dies in Teil E Regel 6 der Verfahrensordnung festgelegt war, auch von den Agenten der Parteien. Diese übernahmen tatsächlich den allergrößten Teil der Befragungen.286 Durch diese Praxis der internationalen Untersuchungskommission wurde unterstrichen, dass diese nicht allein und ausschließlich für die Gewinnung der Beweise in dem Verfahren zuständig war, sondern den Parteien in dem Verfahren eine bedeutende Rolle zukam. Daher liegt es nahe, Verfahrensregel und Verfahrenspraxis an diesem Punkt als Respekt vor der Bedeutung der involvierten Parteien und damit letztlich als Schutz ihrer staatlichen Souveränität zu begreifen. Dass die internationale Untersuchungskommission, so wie sie im I. Haager Abkommen von 1899 niedergelegt ist, trotz der in sie gesetzten Erwartungen nur einen einzigen Anwendungsfall erfuhr, ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass ihre Regeln nur kurze Zeit später, nämlich auf der zweiten Haager Friedenskonferenz im Jahr 1907 überarbeitet und in verfahrensrechtlicher Hinsicht sehr stark erweitert wurden. Trotzdem bleibt abschließend darauf hinzuweisen, dass die einschlägigen Regelungen des I. Haager Abkommens von 1899, jedenfalls hypothetisch, auch heute noch Anwendung finden könnten, da das Abkommen einerseits noch in Kraft ist und andererseits viele Staaten zwar das I. Haager Abkommen von 1899, nicht jedoch das reformierte Abkommen über die zwischenstaatliche friedliche Streitbeilegung von 1907 unterzeichnet beziehungsweise/und ratifiziert haben.
B. Die Regeln des I. Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 Das Zustandekommen der zweiten Friedenskonferenz in Den Haag im Jahr 1907 war das Ergebnis einer politischen Initiative des US-amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt. Sein Antrieb hierfür waren vor allem die Eindrücke des Krieges zwischen dem russischen und dem japanischen Kaiserreich in den Jahren 1904 und 1905, der nach einer erfolgreichen diplomatischen Ver-
285
Siehe hierzu auch André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 351 (363 ff.). 286 Vgl. André Mandelstam, Revue Général de Droit International Public 12 (1905), S. 351 (366).
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mittlung von Roosevelt durch den Frieden von Portsmouth vom 5. September 1905287 beendet worden war.288 Der Bedarf einer grundlegenden Reform der auf der Konferenz von 1899 festgelegten völkerrechtlichen Regelungen und die Wünsche nach Neuerungen war beziehungsweise waren vielfältig.289 So wurden etwa die Regelungen des Landkriegsrechts als verbesserungsbedürftig angesehen und es bedurfte weiterer Regelungen über die Seekriegsführung und verbindlicher Normen über den Beginn von Kriegen beziehungsweise über die Kriegserklärung.290 Im Bereich der hier interessierenden internationalen Streitbeilegung hatten die ersten Anwendungsfälle des I. Haager Abkommens von 1899 offenbart, dass die Regeln hinsichtlich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und auch der internationalen Untersuchungskommission einer inhaltlichen Verbesserung beziehungsweise einer Ausweitung der anwendbaren Regelungen bedurften.291 Dass aus damaliger Sicht noch weitere Arbeiten an völkervertraglichen Regelungen über Fragen von Krieg und Frieden notwendig waren, war im Übrigen schon auf der Konferenz von 1899 gesehen worden. Die in der Schlussakte der Konferenz abgegebenen sechs Empfehlungen zu verschiedenen Fragen, über die während der Beratungen keine Einigung erzielt werden konnte, belegen dies.292 In einigen dieser Empfehlungen wurde die Abhaltung einer weiteren Konferenz in naher Zukunft zur Regelung der ausstehenden Fragen gefordert. Auch die öffentliche Meinung, vor 287
Der Friedensvertrag zwischen Japan und Russland, abgeschlossen zu Portsmouth am 27. August/5. September 1905, ist wiedergegeben bei: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, S. 139 ff. 288 Vgl. Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 185; ders., in: ders. (Hrsg.), FATA IURIS GENTIUM, S. 341 (359); Peter Schneider, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Erster Band: Aachener Kongress bis Hussar Fall, S. 739 (742); Betsy Baker, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 20. Die diplomatische Korrespondenz betreffend der Abhaltung einer zweiten Friedenskonferenz ist wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 180 ff.; siehe eingehend auch Joseph H. Choate, The Two Hague Conferences, S. 47 ff. 289 Zu den Motiven und zur Einberufung der Konferenz eingehend James Brown Scott, The Hague Peace Conferences 1899 and 1907, S. 88 ff.; aus der zeitgenössischen Literatur beschreibt auch Otfried Nippold, Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, S. 480 ff. eingehend die Aufgaben von, aus damaliger Sicht, künftigen Völkerrechtskonferenzen. 290 Peter Schneider, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Erster Band: Aachener Kongress bis Hussar Fall, S. 739 (742). 291 Peter Schneider, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Erster Band: Aachener Kongress bis Hussar Fall, S. 739 (742); siehe zu den Fragen hinsichtlich der internationalen friedlichen Streitbeilegung auf der zweiten Haager Konferenz insgesamt den instruktiven Beitrag von Christian Tams, Die Friedens-Warte 82 (2007), S. 119 ff. 292 Die Schlussakte ist wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of The Hague Peace Conferences – The Conference of 1899, S. 228 ff.; die Empfehlungen sind auf S. 233 f. zu finden.
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allem in Europa und Nordamerika, in welcher sich weiterhin der Wunsch nach dem Weltfrieden offenbarte, gab der Idee zu einer zweiten Friedenskonferenz zusätzlichen Aufwind.293 An der Konferenz, die erneut vom russischen Zaren Nikolaus II. einberufen wurde,294 nahmen nunmehr insgesamt 44 Staaten teil.295 Dies beruhte darauf, dass nunmehr auch fast alle Staaten Lateinamerikas der Veranstaltung beiwohnten. Damit waren in Den Haag nunmehr, im Duktus und Verständnis der damaligen Zeit, „nahezu alle zivilisierten Nationen“ der Erde vertreten.296 Die Konferenz tagte vom 15. Juni bis zum 18. Oktober 1907. Als Ergebnis wurden eine Schlussakte,297 dreizehn Abkommen298 und vier voeux299 unterzeichnet; zudem wurde eine Erklärung300 abgegeben, welche allerdings ohne Unterzeichnung blieb. 293 Siehe Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 185; ders., in: ders. (Hrsg.), FATA IURIS GENTIUM, S. 341 (359). 294 Vgl. Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 185; ders., in: ders. (Hrsg.), FATA IURIS GENTIUM, S. 341 (359). 295 Folgende Staaten entsandten Delegationen zu der Konferenz: Argentinien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Dänemark, Deutschland, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, Italien, Japan, Kolumbien, Kuba, Luxemburg, Mexiko, Montenegro, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Osmanisches Reich, Österreich-Ungarn, Panama, Paraguay, Persien, Peru, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Siam, Spanien, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Staaten von Amerika und Vereinigtes Königreich, 296 Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 185; ders., in: ders. (Hrsg.), FATA IURIS GENTIUM, S. 341 (359). Vgl. auch A. J. R. Groom, in: Andrew F. Cooper/Jorge Heine/ Ramesh Thakur (Hrsg.), The Oxford Handbook of Modern Diplomacy, S. 263 (265), der in der Konferenz erstmals eine Ähnlichkeit mit einem internationalen Gesetzgeber erblickt. Nicht beteiligt waren etwa Costa Rica, Honduras, Liberia und europäische Kleinstaaten wie Liechtenstein oder San Marino; die beiden lateinamerikanischen Staaten hatten zwar jeweils eine Einladung zu dem Staatentreffen erhalten, erschienen jedoch nicht zur Konferenz; siehe Betsy Baker, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 22. Siehe zum Problem der „zivilisierten Staaten“ in der Staatengemeinschaft etwa nur Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 172 ff.; Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 520 ff.; James Solan, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1 ff. 297 Wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), Texts of the Peace Conferences at The Hague, 1899 and 1907, S. 205 ff. 298 Es sind dies: das Abkommen über die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle, (jeweils in der englischen Übersetzung) wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 599 ff.; das Abkommen über die Begrenzung der Anwendung von Gewalt bei der Eintreibung von Vertragsschulden, wiedergegeben ebenda, S. 616 f.; das Abkommen hinsichtlich der Eröffnung von Feindseligkeiten, wiedergegeben ebenda, S. 618 f.; Abkommen über die Respektierung der Gesetze und Gebräche des Landkrieges, wiedergegeben ebenda, S. 620 ff.; Abkommen über die Respektierung der Rechte und Pflichten von neutralen Mächten und Personen im Falle des Landkrieges, wiedergegeben ebenda, S. 632 ff.; das Abkommen bezüglich des Status von feindlichen Handelsschiffen beim Ausbruch von Feindseligkeiten, wiedergegeben ebenda, S. 637 ff.; das Abkommen bezüglich Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe, wiedergegeben ebenda, S. 640 ff.; das Abkommen bezüglich der
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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I. Entstehung und Inhalt der Regeln 1. Entstehung Da die zweite Haager Friedenskonferenz nur kurze Zeit nach dem Dogger-BankZwischenfall stattfand und das Institut einer internationalen Untersuchungskommission eine wichtige, aber, wie aufgezeigt, auch sehr umstrittene Neuerung war, konnte es kaum verwundern, dass die entsprechenden Regelungen bei dem Staatentreffen in Den Haag im Jahr 1907 auf den Prüfstein gestellt wurden. Insbesondere die Frage des umstrittenen Artikels 9 des I. Haager Abkommens von 1899 sowie das Fehlen von detaillierten Verfahrensregeln in diesem Abkommen sorgten – wie der Dogger-Bank-Zwischenfall gezeigt hatte – für Nachbesserungsbedarf.301 Bezüglich letzterem erschien es daher zeitgenössischen Beobachtern in höchstem Maße empfehlenswert, dass bei der zweiten Friedenskonferenz zukünftige Untersuchungskommissionen von der Bürde der Erstellung einer Verfahrensordnung und der damit einhergehenden Verzögerung in der eigentlichen Kommissionsarbeit entlastet und, basierend auf den Erfahrungen der Dogger-Bank-Kommission, vertraglich festgelegte Verfahrensregeln etabliert werden sollten.302 In dem Schreiben des Botschafters Russlands in den Vereinigten Staaten von Amerika an den US-ameriVerlegung von automatischen unterseeischen Kontaktminen, wiedergegeben ebenda, S. 643 ff.; das Abkommen betreffend des Bombardements durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten, wiedergeben ebenda, S. 646 ff.; das Abkommen über die Anwendung der Grundsätze der Genfer Konvention auf den Seekrieg, wiedergeben ebenda, S. 650 ff.; das Abkommen bezüglich bestimmter Restriktionen hinsichtlich der Ausübung des Beuterechts im Seekrieg, wiedergegeben ebenda, S. 656 ff.; das Abkommen bezüglich der Errichtung eines Internationalen Prisengerichtshofs, wiedergegeben ebenda, S. 660 ff.; das Abkommen betreffend der Rechte und Pflichten von neutralen Mächten im Seekrieg, wiedergegeben ebenda, S. 672 ff. 299 Diese betreffen: 1. die Empfehlung an die Signatarmächte einen echten Schiedsgerichtshof zu schaffen; 2. dafür Sorge zu tragen, dass im Falle eines Krieges, die verantwortlichen Behörden, seien es zivile oder militärische, es zu ihrer besonderen Aufgaben machen, dass die friedlichen Beziehungen, insbesondere in den Bereichen Handel und Industrie, zwischen den Einwohnern der kämpfenden Staaten und neutralen Staaten, aufrechterhalten bleiben und geschützt werden; 3. den Hinweise an die Mächte, durch spezielle Verträge, die militärische Anklagen hinsichtlich von Fremden, die auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet wohnen, zu regeln und 4. den Hinweis darauf, dass die Vorbereitung von Regeln über die Gesetze und Gebräuche des Seekrieges Teil des Programms einer weiteren (Friedens-)Konferenz werden könnte, sowie darauf, dass, soweit es möglich ist, das Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges auch im Seekrieg anzuwenden. Die vier voeux sind in englischer Übersetzung wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 689. 300 Es ist dies: die Erklärung über das Verbot des Werfens von Projektilen und Explosivmitteln aus Ballonen, in englischer Fassung wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 678. 301 Siehe auch Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht, S. 23. 302 James Brown Scott, The Hague Peace Conferences 1899 and 1907, S. 268 f.; Milosch Boghitchévitch, in: Festgabe für Bernhard Hübler, S. 227 (248).
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kanischen Außenminister vom 3. April 1906, in welchem der russische Diplomat das von seiner Regierung vorgeschlagene Programm für die ins Auge gefasste zweite Friedenskonferenz mitteilte,303 fand sich an erster Stelle dann auch der folgende Text: „1. Improvements to be made in the provisions of the Convention for the pacific settlement of international disputes as regards the Court of Arbitration and the international commission of inquiry.“304
Der Reform der internationalen Untersuchungskommission wurde damit eine hohe Priorität bei den zu führenden Verhandlungen eingeräumt. Tatsächlich wurde auf der Konferenz eine Reihe von Vorschlägen zur Ersetzung der Regeln von 1899 gemacht. Dabei kamen die bedeutenden Anregungen von den Staaten, die bis zu diesem Zeitpunkt die einzigen Erfahrungen mit der internationalen Untersuchungskommission gemacht hatten. So legten die Delegationen von Russland, Frankreich und des Vereinigten Königreichs umfangreiche Entwürfe für eine Neuregelung der internationalen Untersuchungskommission vor, wobei die Entwürfe der beiden westeuropäischen Staaten während der Konferenz zu einem einheitlichen Entwurf verschmolzen wurden.305 Hinzu kamen Einzelvorschläge zu den Entwürfen oder solche, die nur auf die Änderung einzelner Artikel aus dem Abkommen von 1899 abzielten, von Italien,306 von Österreich-Ungarn,307 von den Niederlanden308 und von Haiti.309 Die Beratungen über die internationale Untersuchungskommission fanden auf der Konferenz in deren Erstem Ausschuss statt, welchem die Aufgabe übertragen wurde, Verbesserungen hinsichtlich der Regelungen des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle zu erzielen. Ein besonderer Fokus lag darauf, die sich auf internationale Untersuchungskommissionen beziehenden Fragen sowie Fragen hinsichtlich des maritimen Prisenrechts zu diskutieren.310 Im ersten Konfe303 Wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), Reports of the Hague Conferences of 1899 & 1907, S. 186 f. 304 Hervorhebung durch den Verfasser. 305 Die Entwürfe sind wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission; der französische Entwurf auf S. 851 ff., der russische Entwurf auf S. 854 ff., der britische Entwurf auf S. 857 ff. und der britisch-französische Entwurf auf S. 861 ff. 306 Wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 856. 307 Wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 387. 308 Wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 856 f. 309 Wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 860 f. (insbesondere 861). 310 Vgl. zur Aufteilung der Konferenzausschüsse den Vorschlag des Vorsitzenden der Konferenz und die Annahme des Vorschlages; dokumentiert bei: James Brown Scott (Hrsg.),
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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renzausschuss war wiederum der Erste Unterausschuss mit den Fragen der internationalen Streitbeilegung befasst.311 Der Erste Unterausschuss bildete seinerseits das Examinationskomitee A, welches mit den Beratungen über die internationale Untersuchungskommission betraut wurde.312 Es konnte hierbei von vornherein erwartet werden, dass die Konferenzorgane, die mit der Untersuchungskommission betraut waren, sehr produktiv sein würden, denn in ihren Reihen befanden sich mehrere Personen, die in der Kommission zur Untersuchung des Dogger-BankZwischenfalles eine wichtige Rolle gespielt hatten und damit über ein einmaliges Praktikerwissen verfügten. Der Nestor der internationalen Untersuchungskommission im I. Haager Abkommen von 1899, Martens, hatte bei der Formulierung des Untersuchungsabkommens zwischen Russland und dem Vereinigten Königreich bedeutende Arbeit geleistet; Sir Edward Fry war als Assessor von der britischen Regierung in dem Untersuchungsverfahren benannt worden und der Franzose Fromageot hatte als Stellvertreter des russischen Agenten das Verfahren begleitet.313 Zwischen dem russischen und dem anglo-französischen Entwurf (beziehungsweise den beiden vorherigen Einzelentwürfen) bestanden gravierende Unterschiede. Während nach letzterem das Grundkonzept der internationalen Untersuchungskommission, insbesondere die Modalitäten und Einschränkungen, die bei deren Anrufung zu beachten waren, beibehalten und durch eine Reihe von Verfahrensregelungen ergänzt werden sollte,314 waren im russischen Vorschlag zahlreiche wesentliche Neuerungen enthalten.315 Zwar war auch in diesem Vorschlag eine Reihe von Verfahrensregeln enthalten, auch wenn diese in ihrer Ausdifferenziertheit nicht dem anglo-französischen Entwurf vergleichbar waren;316 jedoch lag die eigentliche Innovation in der Neufassung des Artikels 9 des I. Haager Abkommens von 1899. So sollte die Einschränkung der Anrufungsmöglichkeit einer internationalen UntersuThe Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 54 f. 311 Vgl. James Brown Scott (Hrsg.), Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 8; die Liste mit den Mitgliedern des Unterausschusses findet sich bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 18 ff. 312 Vgl. James Brown Scott (Hrsg.), Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 224, 373. 313 Auf diese personelle Kompetenzbündelung weist Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 89 hin. 314 Siehe hierzu auch die Erklärung des französischen Delegierten Fromageot in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 215 ff. 315 Siehe hierzu auch die Erklärungen des russischen Delegierten Martens in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 218 f. 316 Der russische Vorschlag sah insbesondere in Artikel 14 neun verfahrensrechtliche Regelungen vor, während der anglo-französische Vorschlag etwa 20 Verfahrensregelungen enthielt.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
chungskommission bei vitalen Interessen des Staates entfallen und durch Streitigkeiten über die Unabhängigkeit eines Staates ersetzt werden. Hinzu kam eine Erweiterung der Kompetenz der Untersuchungskommission zur Feststellung nicht nur von Tatsachen, sondern auch, falls dies nötig erscheinen sollte, von Verantwortlichkeiten, womit eine originär (völker-)rechtliche Würdigungsaufgabe in die Zuständigkeit einer zu etablierenden Kommission hätte einfließen können. Nach intensiven Beratungen wurde am 18. Oktober 1907 schließlich das revidierte I. Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 mit den anderen Abkommen auf der zweiten Haager Friedenskonferenz angenommen.317 Das nunmehr reformierte Recht der internationalen Untersuchungskommission beruht vor allem auf dem anglo-französischen Vorschlag; dessen – im Gegensatz zu den Bestimmungen des I. Haager Abkommens von 1899 – ausgefeiltes Prozessrecht, das, nach einer Erklärung des französischen Delegierten Fromageot, dazu dienen sollte, die Anhörungen beider Seiten, die Fairness, die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Untersuchung zu sichern und dies alles gleichzeitig mit der Flexibilität und Umsicht zu kombinieren, welche die Unabhängigkeit und die politische Souveränität der Parteien verlangen würden.318 Die Vorschläge Russlands, dessen Delegation auf der ersten Haager Friedenskonferenz noch den Anstoß zur völkerrechtlichen Kodifizierung einer solchen Kommission gegeben hatte, vermochten sich nicht durchzusetzen. Die Änderungen hinsichtlich des Rechts der internationalen Untersuchungskommissionen zählten zu den bedeutendsten im Rahmen der Revision des I. Haager Abkommens von 1899.319 Es gelang, wie sogleich zu zeigen sein wird, bei der Schaffung der „Untersuchungsprozeßordnung“320 ein grundsätzlich geschicktes Regelungswerk zu etablieren, welches auf die damaligen Souveränitätsvorstellungen der Staaten Rücksicht nahm.321
317 Der vom ersten Konferenzausschuss verabschiedete Text für eine Revision des I. Haager Abkommens von 1899 findet sich bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 991 ff.; die Vorschriften über die internationale Untersuchungskommission dort auf S. 992 ff.; der Text des Entwurfs, welcher der Plenarkonferenz schließlich zur Abstimmung vorlag, ist wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 557 ff.; die Vorschriften über die internationale Untersuchungskommission dort auf S. 558 ff. 318 Diese Aussage findet sich bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 217. 319 Vgl. David D. Caron, American Journal of International Law 94 (2000), S. 4 (19 f.). 320 Begriff nach: Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz, I. Teil, Das Prozeßrecht, S. 35. 321 Vgl. auch die zeitgenössische Darstellung von Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz, I. Teil, Das Prozeßrecht, S. 35: „Auch darf man sagen, daß es der Konferenz im ganzen gelungen ist, bei der Regelung der Materie das durch die Natur des Völkerrechts ganz besonders gebotene ,juste milieu‘ einzuhalten und prozessuale Härten zu vermeiden.“
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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2. Der Ständige Schiedshof als institutioneller Anker für internationale Untersuchungskommissionen In den, im Folgenden zu untersuchenden, Regelungen des I. Haager Abkommens von 1907 wird an einigen Stellen Bezug auf den Ständigen Schiedshof genommen.322 Dessen Errichtung wurde ebenfalls auf der ersten Haager Friedenskonferenz im Jahr 1899 beschlossen, und in den Artikeln 20 ff. des I. Haager Abkommens von 1899 wurden die entsprechenden Regelungen niedergelegt, welche nach der zweiten Haager Friedenskonferenz, fast identisch, in die Artikel 41 ff. des I. Haager Abkommens von 1907 wanderten. Der Hauptzweck des Ständigen Schiedshofes, der seinen Sitz in Den Haag hat,323 besteht darin, die unmittelbare Anrufung eines Schiedsgerichts in Fällen internationaler Streitfragen zu erleichtern, die nicht auf diplomatischem Wege gelöst werden können.324 Der Schiedshof verfügt an seinem Sitz zudem über ein Internationales Büro, welches dessen Verwaltungsgeschäfte führt. Zudem verwaltet das Büro die Archive des Ständigen Schiedshofes.325 3. Die Regeln im Einzelnen Das Recht der internationalen Untersuchungskommission nach dem I. Haager Abkommen von 1907, welches bis heute von 98 Staaten unterzeichnet wurde,326 ist in dessen Artikeln 9 bis 36 geregelt. 322
Vgl. für eine detaillierte Darstellung des Ständigen Schiedshofes nur Nisuke Ando, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1 ff. 323 Artikel 22 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1899 und Artikel 43 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907. 324 Artikel 20 des I. Haager Abkommens von 1899 und Artikel 41 des I. Haager Abkommens von 1907. 325 Artikel 22 des I. Haager Abkommens von 1899 und Artikel 43 des I. Haager Abkommens von 1907. 326 Ägypten (4. November 1968), Albanien (27. Dezember 2011), Australien (21. Februar 1997), Bahrain (29. August 2008), Bangladesch (26. Februar 2012), Belarus (4. Juni 1962), Belgien (7. Oktober 1910), Belize (21. Januar 2003), Benin (16. September 2005), Bolivien (26. Januar 1910), Brasilien (6. März 1914), Bulgarien (10. Juni 2000), Burkina Faso (30. August 1961), Chile (18. Januar 1998), China (26. Januar 1910), Costa Rica (20. Juli 1999), Dänemark (26. Januar 1910), Deutschland (26. Januar 1910), Dominikanische Republik (7. September 1958), El Salvador (26. Januar 1910), Eritrea (4. Oktober 1997), Estland (1. September 2003), Eswatini (25. Dezember 1970), Finnland (9. Juni 1922), Frankreich (6. Dezember 1910), Georgien (22. März 2015), Guatemala (14. Mai 1911), Guyana (25. Januar 1998), Haiti (3. April 1910), Honduras (30. Januar 1962), Irak (30. Oktober 1970), Irland (6. Juli 2002), Island (8. Dezember 1955), Israel (17. Juni 1962), Japan (11. Februar 1912), Jordanien (27. Januar 1992), Kenia (11. Juni 2006), Kambodscha (7. Januar 1956), Kamerun (1. August 1961), Kanada (9. Juli 1994), Katar (2. Dezember 2005), Kirgisistan (4. Juni 1992), Kolumbien (17. März 1997), Demokratische Republik Kongo (25. März 1961), Kuba (22. April 1912), Kuwait (14. September 2003), Laos (18. Juli 1955), Lettland (12. August 2001), Libanon (14. April 1968), Libyen (2. September 1996), Liechtenstein (23. September 1994),
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
a) Zuständigkeitsbereich (Artikel 9) aa) Inhalt des Artikels Wie schon im Rahmen des I. Haager Abkommens von 1899, wird in Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1907 der Zuständigkeitsbereich für die Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen festgelegt. Nach dieser Regelung erachten es die Vertragsmächte für nützlich und wünschenswert, dass streitende Parteien – die sich nicht auf diplomatischem Wege haben einigen können – bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre eines Staates noch dessen wesentliche Interessen berühren und die einer unterschiedlichen Würdigung von Tatsachen entspringen, soweit es die Umstände zulassen, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen sollen. Dieser Kommission soll nach der Vorschrift der Auftrag erteilt werden, die Lösung der nämlichen Streitigkeit zu erleichtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung die Tatfragen aufklärt. bb) Genese Die Diskussion um eine Reform des Artikels 9 des I. Haager Abkommens von 1899 wurde auf der zweiten Haager Friedenskonferenz sehr intensiv geführt. Dies konnte angesichts des heftigen, bereits aufgezeigten Streits um die Ausgestaltung dieser Vorschrift auf der ersten Konferenz im Jahr 1899 kaum verwundern. Die Fragen, welche sich rund um den Artikel stellten, waren dabei Gegenstand tiefgehender Erörterungen und erfassten die Regelung in ihrer Gesamtheit.327 Nachdem der haitianische Vorschlag zurückgewiesen wurde, befasste sich das Examinationskommitee nur noch mit den von der russischen Delegation vorgeschlagenen ÄnLitauen (9. Januar 2005), Luxemburg (4. November 1912), Madagaskar (6. Dezember 2009), Malaysia (6. Mai 2002), Malta (7. September 1968), Marokko (4. Juni 2001), Mexiko (26. Januar 1910), Neuseeland (12. Juni 2010), Nicaragua (14. Februar 1910), Niederlande (26. Januar 1910), Nigeria (16. Februar 1987), Nordmazedonien (17. Februar 2001), Norwegen (18. November 1910), Österreich (12. November 1918), Panama (10. November 1911), Paraguay (24. Juni 1933), Philippinen (12. September 2010), Polen (26. Mai 1922), Portugal (12. Juni 1911), Ruanda (28. Juni 2011), Rumänien (30. April 1912), Russische Föderation (26. Januar 1910), Sambia (31. Januar 1999), São Tomé und Príncipe (4. November 2014), Saudi-Arabien (20. Januar 2002), Schweden (26. Januar 1910), Schweiz (11. Juli 1910), Senegal (30. September 1977), Singapur (11. September 1993), Slowakei (26. April 1993), Slowenien (29. März 2004), Spanien (17. Mai 1993), Südafrika (21. Dezember 1998), Sudan (2. Dezember 1966), Südkorea (21. Februar 2000), Surinam (27. Dezember 1992), Thailand (11. Mai 1910), Togo (17. Februar 2004), Tschechische Republik (11. Oktober 1993), Uganda (30. April 1966), Ukraine (4. April 1962), Ungarn (16. November 1918), Vereinigte Arabische Emirate (5. Januar 2009), Vereinigtes Königreich (12. Oktober 1970), Vereinigte Staaten von Amerika (26. Januar 1910), Vietnam (27. Februar 2012) und Zypern (12. November 1993). 327 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (398).
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derungen, die sich letztendlich aber, wie oben bereits angedeutet, nicht durchzusetzen vermochten.328 cc) Würdigung Eine internationale Untersuchungskommission kann grundsätzlich auf Grundlage jedes internationalen, d. h. zwischen Staaten bestehenden, Disputes errichtet werden; eine Verpflichtung hierzu besteht auch nach dem I. Haager Abkommen von 1907 nicht. Einer besonderen Schwere des Zerwürfnisses bedarf es hierfür nicht.329 Darüber hinaus hat eine Streitigkeit, damit eine internationale Untersuchungskommission nach den Regeln des Abkommens eingerichtet werden kann, zwei Voraussetzungen: Die Streitigkeit muss einer unterschiedlichen Würdigung von Tatsachen durch die streitenden Parteien entspringen und die Streitigkeit darf weder die Ehre noch die wesentlichen Interessen einer der streitenden Staaten berühren. Die erste Voraussetzung ist somit dann gegeben, wenn die Staaten divergierenden Auffassungen über in der Vergangenheit liegende Sachverhalte oder Vorfälle vertreten. Ob die zweite genannte Voraussetzung erfüllt ist, die auch schon auf der Konferenz von 1899 stark diskutiert wurde, obliegt der Einschätzung der Staaten. Dieser Vorbehalt, der nicht zuletzt das Misstrauen von kleineren Staaten gegen das Institut der internationalen Untersuchungskommission zerstreuen sollte,330 schwächt die Zugangshürden für das Institut der internationalen Untersuchungskommission, welches ohnehin eine freiwillige Unterwerfung der Staaten vorsieht, weiter ab. Allerdings gibt es auch kein Verbot dahingehend, eine internationale Untersuchungskommission nach den Haager Regeln von 1907 zu errichten, wenn doch die Staatenehre oder die vitalen Interessen einer Streitpartei durch den Tatsachenstreit berührt ist beziehungsweise sind. Weitere Voraussetzung für die Errichtung einer Untersuchungskommission im Sinne des Artikels 9 des I. Haager Abkommens von 1907 ist zudem die vorherige Erschöpfung des diplomatischen Weges. Man wird hierbei sicherlich nicht annehmen können, dass sämtliche diplomatische Bemühungen, eine Streitigkeit zu be328 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (398); hierzu auch Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht., S. 24 ff. 329 In diese Richtung argumentiert auch Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 21. Das Vorliegen einer „ernsten Streitigkeit“ ist allerdings im I. Haager Abkommen von 1907 im Bereich der Guten Dienste und der Vermittlung und im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit Tatbestandsmerkmal einiger Regelungen; vgl. Artikel 2, 8 und 48 des I. Haager Abkommens von 1907; siehe auch Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 149. 330 Vgl. die Äußerung des portugiesischen Delegierten im Examinationskommittee, d’Oliveira, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 383.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
enden, in Gänze versagt haben müssen. Vielmehr wird man es ausreichen lassen müssen, dass die sich im Konflikt befindlichen Parteien eine Zeit lang in Verhandlungen befunden haben, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Des Weiteren muss bei der Ergebnisbildung eine Tatsachenfrage von Bedeutung sein. Zweck einer Untersuchungskommission ist es lediglich, die Erledigung einer Streitigkeit zu erleichtern. Damit wird klar zum Ausdruck gebracht, dass die Konzeption der Untersuchung nach dem I. Haager Abkommen von 1907 kein Mittel der Beendigung von zwischenstaatlichen Streitigkeiten ist, sondern diese vielmehr lediglich, durch die Etablierung von zuvor umstrittenen Tatschen, zu einer Lösung der Streitigkeit beitragen soll.331 Soweit allein durch die Feststellung der Tatsachen der Streit zwischen den Parteien bereits ein Ende findet, so ist dies selbstverständlich unschädlich, da das Ziel jeder internationalen friedlichen Streitbeilegung in diesem Fall erreicht wird. Weiterhin wird durch Artikel 9 auch ein Anforderungsprofil an die Arbeitsweise der Untersuchungskommission und an die Kommissionsmitglieder formuliert. Durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung des zu Grunde liegenden Sachverhalts wird zum einen eine Bevorzugung einer der Streitparteien vermieden, zum anderen ein Sorgfaltsmaßstab formuliert, der bei der Untersuchung einzuhalten ist. b) Untersuchungsabkommen (Artikel 10) aa) Inhalt des Artikels Artikel 10 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass die internationale Untersuchungskommission durch ein besonderes Abkommen gebildet wird. In den übrigen Absätzen wird der (Mindest-)Inhalt des Untersuchungsabkommens bestimmt. Dieses gibt nach Abs. 2 die zu untersuchenden Tatsachen an, bestimmt die Art und die Frist, in der die Kommission gebildet wird, sowie den Umfang und die Befugnisse der Kommissionsmitglieder. Nach Artikel 10 Abs. 3 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt das Untersuchungsabkommen gegebenenfalls ferner den Sitz der Kommission und die Befugnis, diesen zu verlegen, die Sprache, derer sich die Kommission bedienen wird, und die Sprachen, deren Gebrauch vor ihr gestattet sein soll, den Tag, bis zu dem jede Partei ihre Darstellung des Tatbestandes einzureichen hat, sowie weitere Punkte, über die sich die Parteien im Hinblick auf die Untersuchungskommission geeinigt haben. Abs. 4 sieht schließlich vor, dass, falls die Parteien die Ernennung von Beisitzern für notwendig erachten, das Untersuchungsabkommen die Art ihrer Bestellung und den Umfang ihrer Befugnisse bestimmt.
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Vgl. auch Christian Meurer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 149.
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bb) Genese Artikel 10 des I. Haager Abkommens von 1907 formt die schon an entsprechender Stelle im I. Haager Abkommen von 1899 vorhandene Regel weiter aus. Die nunmehrige Fassung des Artikels 10 des I. Haager Abkommens von 1907 beruht auf Artikel 2 des anglo-französischen Vorschlags. Im Gegensatz zu dem Entwurf wurde lediglich der Passus betreffend die Beisitzer in einen eigenen Absatz verschoben. Inhaltliche Modifikationen gab es hingegen nicht.332 Im Examinationskomitee waren sich dessen Mitglieder dabei einig, dass die entsprechenden Prinzipien des I. Haager Abkommens von 1899 beibehalten werden sollten.333 Die Frage der Stellung und des Wertes von Beisitzern nahm den Großteil der Diskussion hinsichtlich der Entwurfsregel ein. Letztlich konnte man sich jedoch darauf einigen, die Präsenz von Beisitzern im Untersuchungsverfahren nur für hypothetische Fälle Eingang in die abschließende Formulierung der Regelung finden zu lassen.334 cc) Würdigung Die Bestimmung des Artikels 10 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 verpflichtet diejenigen Staaten, die eine internationale Untersuchungskommission errichten wollen, dies in einem besonderen Abkommen zu tun.335 Das Untersuchungsabkommen wird damit zur Grundlage der Tätigkeit der internationalen Untersuchungskommission.336 Das Abkommen ist schriftlich abzufassen und zu unterzeichnen.337 In Abs. 2 werden die pflichtigen Inhalte des Untersuchungsabkommens aufgeführt. Dabei ist es unmittelbar einsichtig, dass die zu untersuchenden Tatsachen, die Art der und die Frist zur Kommissionsbildung und der Umfang der Zuständigkeiten der Kommissionsmitglieder vor Beginn des Untersuchungsverfahrens festgelegt werden müssen. Nur auf diese Weise kann das Verfahren geordnet durchgeführt 332
Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (400). 333 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (400). 334 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (400). 335 Die Einsetzung etwa durch eine bloße Verbalnote ist damit unzulässig, vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 24. 336 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 94. 337 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 94.
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werden. Sollte einer dieser Pflichtinhalte bei der Abfassung des Untersuchungsabkommens übersehen worden sein, können diese Inhalte noch in einer Zusatzvereinbarung von den Parteien ergänzt werden.338 Die aufgezählten Inhalte in Artikel 10 Abs. 3 des I. Haager Abkommens von 1907 erklärt der Vertragstext lediglich zu wünschenswerten Bestimmungen im Untersuchungsabkommen, jedoch nicht für zwingend.339 Der Bestimmung liegt damit also der Gedanke zugrunde, dass die Aufnahme entsprechender Regelungen für den Erfolg der Durchführung des Untersuchungsverfahrens zwar nicht erforderlich, jedoch zumindest förderlich ist.340 Ebenfalls in das Belieben der Parteien wird es nach Abs. 4 gestellt, einer von ihnen eingesetzten internationalen Untersuchungskommission Beisitzer an die Seite zu stellen, welche eine beratende Funktion haben. Die Beisitzer sind nach der Konzeption des Vertragstextes dann jedoch keine vollwertigen, man könnte auch formulieren keine „echten“, Kommissionsmitglieder. Wählen die Parteien diese Option, so muss das Untersuchungsabkommen allerdings Regelungen dazu enthalten, wie diese Beisitzer bestellt werden und welche Befugnisse ihnen im Laufe des Untersuchungsverfahrens zugestanden werden sollen.341 Eine Begrenzung des übertragbaren Kompetenzumfanges ist dabei nicht vorgesehen. Es können etwa Stimmrechte, Beratungskompetenzen oder das Recht zur Teilnahme an den Kommissionsberatungen gewährt werden.342 Die Kompetenzen können damit so weit gehen wie die der „echten“ Kommissionsmitglieder, theoretisch sogar darüber hinaus.343 In welchen Fällen Beisitzer hinzugezogen werden sollten, muss sich aus den Eigenheiten des von einer Kommission zu untersuchenden Sachverhaltes ergeben. 338
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 96. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 25. 340 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (400). 341 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 25 sieht in diesem Passus des Artikels lediglich eine „Sollvorschrift“. In Ansehung dessen französischen Originalwortlautes: „(…) détermine [Hervorhebung durch den Verfasser] le mode de leur désignation et l’étendu de leurs pouvoirs.“ wird man dem jedoch nicht folgen können. 342 Vgl. die Äußerung des französischen Delegierten Fromageot in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 386. 343 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 25 weist darauf hin, dass es in den Fällen, in denen Beisitzer Stimmrechte und auch sonstige Befugnisse haben, nicht einzusehen sei, warum diese dann nicht als „echte“ Kommissionsmitglieder gelten würden. In diese Richtung auf der Konferenz auch schon der Delegierte von Österreich-Ungarn, Lammasch, siehe dessen Redebeitrag, wiedergegeben bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 386. 339
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Denkbar ist etwa eine Konstellation dahingehend, dass die Kommissionsmitglieder Experten für Fragen des zu untersuchenden Sachverhaltes sind und die Beisitzer Juristen, die ihren Sachverstand etwa für Fragen der Beweiswürdigung einbringen sollen, oder die gerade umgekehrte Konstellation.344 c) Zweifelsregeln, Sitz und Sprachen (Artikel 11) aa) Inhalt des Artikels Nach Artikel 11 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 hat die internationale Untersuchungskommission ihren Sitz im niederländischen Den Haag, soweit nicht das Untersuchungsabkommen den Sitz der Kommission bezeichnet. In Abs. 2 ist festgelegt, dass der einmal bestimmte Sitz der Kommission nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden kann. Abs. 3 legt schließlich fest, dass für den Fall, dass die während der Kommissionstätigkeit zu gebrauchenden Sprachen nicht im Untersuchungsabkommen festgelegt werden, hierüber die Kommission entscheidet. bb) Genese Die in Artikel 11 des I. Haager Abkommens von 1907 enthaltenen Regelungen beruhen auf den Artikeln 6 und 7 des gemeinsamen Vorschlages Frankreichs sowie des Vereinigten Königreichs. cc) Würdigung Artikel 11 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht Den Haag als Sitz der Kommission vor, soweit das Untersuchungsabkommen nicht einen anderen Ort bestimmt. Hiermit wird der Ort der Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 zum regelmäßigen Standort internationaler Untersuchungskommissionen erhoben. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit Artikel 15 des I. Haager Abkommens von 1907 zu sehen, welcher die Fähigkeiten des Ständigen Schiedshofes in den Dienst einer internationalen Untersuchungskommission stellt. Damit findet Abs. 2 nur dann Anwendung, wenn in dem Untersuchungsabkommen entweder zu dieser Frage keine Regelung getroffen wurde oder aber das Ab-
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Vgl. auch den Beitrag des österreichisch-ungarischen Delegierten Lammasch bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 386. Siehe auch Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 25 f. Beide weisen zudem darauf hin, dass in einem Fall, in dem Juristen die Beisitzer bildeten, die Gefahr bestünde, dass diese einen zu großen Einfluss auf den Kommissionsbericht, also das Ergebnis des Untersuchungsverfahrens, nehmen könnten, ohne dabei aber ein Stimmrecht zu haben, welches ihre (Mit-)Verantwortlichkeit für das in dem Bericht Enthaltene auslösen würde.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
kommen der Kommission das Recht zur Sitzverlegung ausdrücklich vorbehält.345 Zu einem Verlegungswunsch seitens der Untersuchungskommission kann es etwa dann kommen, wenn sie an einen Ort umziehen möchte, der näher an demjenigen Ort gelegen ist, an dem der zu untersuchende Sachverhalt stattgefunden hat beziehungsweise dort, wo sich bessere, d. h. insbesondere einfachere Möglichkeiten zur Beweisaufnahme ergeben. Ein solcher Wunsch ist den Parteien, welche die Untersuchungskommission eingesetzt haben, durch die Kommission zu unterbreiten. Deren Zustimmung zur Sitzverlegung muss dabei kumulativ und ausdrücklich vorliegen. Mit der Sprachenregelung in Abs. 3 wird dem Umstand der Internationalität der Kommissionsbesetzung Rechnung getragen. Während grundsätzlich die Sprache oder die Sprachen, welche bei dem Untersuchungsverfahren zur Anwendung gelangen, im Untersuchungsabkommen bestimmt werden sollen,346 räumt die Regelung der Kommission eine sekundäre Zuständigkeit für diese Frage ein. In den Beratungen war sogar gefordert worden, dass man, um eine schnelle Einigung auf ein Untersuchungsabkommen zu gewährleisten, die Sprachenfrage gänzlich in die Zuständigkeit der Kommission legen solle, da in der Bestimmung der Arbeitssprache der Kommission durch die Parteien ein potenziell großer Streitpunkt gesehen wurde, welcher dem Abschluss des Untersuchungsabkommens entgegenwirken könnte.347 Wurden allerdings im Untersuchungsabkommen die Arbeitssprachen für die Kommissionsarbeit bestimmt, so kann die Kommission keine zusätzlichen Arbeitssprachen mehr in das Verfahren einführen. Umgekehrt ist es in dem Falle, in dem ihr das Sprachenbestimmungsrecht zufällt; die Kommission ist dann nicht daran gehindert, noch während des Verfahrens Änderungen vorzunehmen. Da eine internationale Untersuchungskommission regelmäßig aus Staatsangehörigen mehrerer Staaten zusammengesetzt ist, wird die Kommission eine internationale Verkehrs- beziehungsweise Diplomatiesprache, etwa Englisch oder Französisch, zu wählen haben, um den Sprachkenntnissen, die typischerweise im internationalen Verkehr erwartet werden können, gerecht zu werden. d) Zweifelsregel für die Bildung der Kommission (Artikel 12) aa) Inhalt des Artikels Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass sofern nichts anderes zwischen den Parteien vereinbart wurde, die Untersuchungskommission in der in den Artikeln 45, 57 des I. Haager Abkommens von 1907, also in den Rege345
Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 26. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 26. 347 Vgl. die Äußerung und den Vorschlag des Vorsitzenden des Examinationskomitees, des französischen Delegierten Bourgeois, wiedergegeben bei: James Brown Sott (Hrsg.), Proceedings of the Hague Peace Conferecne – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 388. 346
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lungen über die Bestellung von Schiedsrichtern und des Vorsitzenden eines internationalen Schiedsgerichts, bezeichneten Weise zu bilden ist. bb) Genese Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907 ist im Wortlaut nahezu identisch mit Artikel 11 des I. Haager Abkommens von 1899 und beruht auf Artikel 4 des vom Vereinigten Königreich und von Frankreich unterbreiteten Vorschlags. Allerdings wurde die Bezugnahme auf die Regelungen zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gänzlich ausgewechselt. Artikel 11 des I. Haager Abkommens von 1899 nahm noch Bezug auf den Artikel 32, der den Modus zur Bestellung von Schiedsrichtern beinhaltet und dessen reformierte Fassung sich im I. Haager Abkommen von 1907 in Artikel 55 wiederfindet. Teile von Artikel 32 des I. Haager Abkommens von 1907, und zwar diejenigen über die Bestellung von Schiedsrichtern bei Fehlen einer entsprechenden Regelung für Fälle, in denen sich die Parteien hierauf nicht einigen konnten, finden sich in reformierter Form in Artikel 45 des I. Haager Abkommens von 1907. Es war also konsequent, auf diesen Bezug zu nehmen. Weil ein entsprechender Verweis in Artikel 11 des I. Haager Abkommens von 1899 noch fehlte, wurde es zudem bei den Beratungen als nützlich angesehen, im Falle der Nichtregelung dieser Fragen in dem Untersuchungsabkommen, auch die Regelung über die Bestellung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts für die internationale Untersuchungskommission fruchtbar zu machen.348 cc) Würdigung Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907 betrifft den Fall, dass das Untersuchungsabkommen keine besonderen Bestimmungen darüber enthält, wie die Kommission gebildet werden soll und wie ihr Vorsitzender ins Amt kommt.349 In diesem Falle kommen die entsprechenden Regelungen des I. Haager Abkommens von 1907 über die Bildung eines Schiedsgerichts zur Anwendung. Hinsichtlich der Bestellung der einzelnen Kommissionsmitglieder gilt Artikel 45 des I. Haager Abkommens von 1907 in entsprechender Anwendung. Artikel 45 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt zunächst, dass in Fällen, in denen sich die Vertragsmächte zur Erledigung einer unter ihnen entstehenden Streitfrage an den Ständigen Schiedshof wenden wollen, die Auswahl der Schiedsrichter, welche berufen werden sollen, das für die Entscheidung der Streitfrage zuständige Schiedsgericht zu bilden, aus der Gesamtliste der Mitglieder des Schiedshofes zu erfolgen hat. Damit nimmt Artikel 45 Abs. 1 des I. Haager Ab348 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (401). 349 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 27.
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kommens von 1907 Bezug auf Artikel 44 des I. Haager Abkommens von 1907. Nach Abs. 1 der letztgenannten Regelung benennt jede Vertragsmacht höchstens vier Personen von anerkannter Sachkunde in Fragen des Völkerrechts, die sich der höchsten sittlichen Achtung erfreuen und bereit sind, ein Schiedsrichteramt zu übernehmen. Nach Abs. 2 werden die gemäß Abs. 1 benannten Personen als Mitglieder des Schiedshofes in einer Liste eingetragen; diese soll allen Vertragsmächten durch das Büro des Ständigen Schiedshofes mitgeteilt werden.350 Übertragen auf die Besetzung einer internationalen Untersuchungskommission bedeutet dies, dass in dem Fall, dass das Untersuchungsabkommen keine besondere Regelung in dieser Frage trifft, die Kommissionsmitglieder aus der Liste des Haager Schiedshofes gewählt werden müssen.351 Angesichts der von diesen gemäß Artikel 44 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 vorzuhaltenden Qualifikation, verengt diese Vorgabe die Besetzung im Wesentlichen auf in Wissenschaft und/oder Praxis tätige Völkerrechtler. Können sich die Parteien einer Streitigkeit nicht auf die Benennung der Mitglieder einer internationalen Untersuchungskommission einigen, so vollzieht sich die Benennung in entsprechender Anwendung von Artikel 45 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 in entsprechender Anwendung der Abs. 3 bis 6. In entsprechender Anwendung von Artikel 45 Abs. 3 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 ernennt jede Partei zwei Kommissionsmitglieder, von denen nur eines ihr Staatsangehöriger sein oder unter den von ihr benannten Mitgliedern des Ständigen Schiedshofes ausgewählt werden darf. Diese Kommissionsmitglieder wählen in entsprechender Anwendung von Abs. 3 S. 2 einen Obmann. Für die Wahl des Obmannes ist es dabei nicht erforderlich, dass die Kommissionsmitglieder zusammenkommen, eine schriftliche Verständigung ist hierfür ausreichend.352 Liegt Stimmengleichheit bei der Wahl des Obmannes vor, so wird in entsprechender Anwendung von Artikel 45 Abs. 4 des I. Haager Abkommens von 1907 die Auswahl des Obmannes einer dritten Macht anvertraut, über die sich die Parteien einigen. Gelingt es den Parteien nicht, eine solche Einigung herbeizuführen, so bezeichnet jede Partei in entsprechender Anwendung des Artikels 45 Abs. 5 des I. Haager Abkommens von 1907 eine andere Macht. Die beiden angerufenen Mächte wählen dann in Übereinstimmung den Obmann der Untersuchungskommission aus. Können sich die beiden nach Abs. 5 angerufenen Mächte nicht binnen zwei Monaten auf einen Obmann einigen, gelangt Artikel 45 Abs. 6 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 zur entsprechenden Anwendung. In dem bezeichneten Fall schlägt jede der Mächte zwei Personen vor, die der Liste der Mitglieder des Ständigen Schiedshofes, mit Ausnahme der von den Parteien benannten Mitglieder, entnommen werden und nicht Staatsangehörige einer der beiden Mächte sein dürfen. Nach 350 Eine Liste der Mitglieder des Ständigen Schiedshofes im Jahr 2017 findet sich in: Permanent Court of Arbitration, Annual Report 2017, S. 93 ff. 351 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 27. 352 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 78.
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Abs. 6. S. 2 bestimmt der Losentscheid darüber, wer unter den so vorgeschlagenen Personen der Kommissionsobmann sein soll. Der Obmann ist in entsprechender Anwendung des Artikels 57 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 zugleich Vorsitzender der internationalen Untersuchungskommission. Damit steht in dem Moment, in dem der Obmann seine Wahl annimmt, der Vorsitzende der Untersuchungskommission fest; diese kann anschließend keines ihrer anderen Mitglieder mehr zum Vorsitzenden bestimmen.353 Anders ist dies nur dann, wenn die Parteien in dem Untersuchungsabkommen der Kommission das Recht eingeräumt haben, ihren Vorsitzenden selbstständig zu wählen.354 Gehört der Untersuchungskommission kein Obmann an, so ernennt sie nach Abs. 2 selbst ihren Vorsitzenden. Ein bestimmter Wahlmodus ist nicht vorgesehen. Die Entscheidung ist nach Artikel 30 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 eine Mehrheitsentscheidung. Kann keine Mehrheitsentscheidung getroffen werden, etwa, weil die Kommission eine gerade Anzahl von Mitgliedern hat, so kommt ein Losentscheid über die Person des Kommissionsvorsitzenden in Betracht.355 Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass das I. Haager Abkommen von 1907 keine Vorschrift enthält, welche den Mitgliedern einer internationalen Untersuchungskommission internationale Vorrechte und Immunitäten gewährt; die Vereinbarung von entsprechenden Regelungen wurde auch während der zweiten Haager Friedenskonferenz versäumt.356 Dies ist als misslich zu bewerten, da völkerrechtliche Vorrechte und Immunitäten im internationalen Verkehr unter anderem dazu dienen, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Personen, welche die entsprechenden Vorrechte und Immunitäten genießen, zu sichern.357 Da, wie oben gezeigt, Ziel eines Untersuchungsverfahrens nach dem Haager Regelwerk eine unabhängige und unparteiische Tatsachenaufklärung ist, verdienen und benötigen auch die Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen, die nach diesem Regelwerk errichtet wurden, derartige Vorrechte und Immunitäten. Um diesen Missstand auszugleichen, schlägt Wehberg vor, den Kommissionsmitgliedern diejenigen Vorrechte und Immunitäten zuzugestehen, welche den Mitgliedern internationaler Schiedsgerichte in Gemäßheit von Artikel 46 Abs. 4 des I. Haager Abkommens von 1907 zukommen.358 Nach dieser Regelung genießen die Mitglieder des Schiedsgerichts während der Ausübung ihres Amtes und außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und Immunitäten. Einer analogen Anwendung von Artikel 46 Abs. 4 des I. Haager Abkommens von 1907 könnte jedoch die grundsätzliche Analogiefeindlichkeit des Völkerrechts entgegenstehen, die ihren Ursprung im 353 354 355 356 357 358
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 107. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 107. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 108. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 28. Hierzu eingehend Martina Koster, Immunität internationaler Richter, S. 120 ff. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 28.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Völkerrecht als Konsensrecht hat.359 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass eine Analogie im Völkervertragsrecht dann zulässig sein kann, wenn diese auf das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien und auf den Vertragsgegenstand beschränkt ist.360 Dies ist, wie oben gezeigt, der Fall. Allerdings gab es in der Praxis der Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen im Haager System soweit ersichtlich noch keinen Fall, in dem eine Berufung der Kommissionsmitglieder auf Immunitäten oder andere Vorrechte erforderlich war. Daher fehlen entsprechende Einlassungen der Vertragsstaaten zu dieser Frage. Wollen Staaten, die sich auf die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission einigen, jedoch deren Mitgliedern solche Vorrechte und Immunitäten gewähren, so steht es ihnen frei, diese im Verhältnis untereinander in dem Untersuchungsabkommen zu vereinbaren.361 Zudem können die Parteien mit dem Staat ein entsprechendes Übereinkommen schließen, in welchem die Kommission nach dem Untersuchungsabkommens ihren Sitz hat. Ein solches Übereinkommen ist zudem mit einem dritten Staat möglich, etwa, wenn auf dem Staatsgebiet dieses Staates von der Kommission Beweise erhoben werden sollen. e) Verfahren beim Ausscheiden eines Kommissionsmitgliedes (Artikel 13) aa) Inhalt des Artikels Für den Fall des Todes, des Rücktritts oder der Verhinderung aus sonstigen Gründen eines Kommissionsmitgliedes oder eines potenziellen Beisitzers sieht Artikel 13 des I. Haager Abkommens von 1907 vor, dass sein Ersatz in der für die Ernennung von Kommissionsmitgliedern oder Beisitzers vorgesehenen Weise bestellt wird. bb) Genese Artikel 13 nimmt wörtlich, selbstverständlich mit Ausnahme der Angabe der betroffenen Personen, den Text von Artikel 35 des I. Haager Abkommens von 1899 auf, welcher eine entsprechende Regelung für den Ausfall von Mitgliedern eines in Übereinstimmung mit den Artikeln 30 ff. des I. Haager Abkommens von 1899 eingesetzten internationalen Schiedsgerichts vorsieht. Eine solche Bestimmung wurde auch für die Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen für erforderlich gehalten.362 359
Vgl. hierzu Wolff Heintschel von Heinegg, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 20 Rn. 6; offener für die Möglichkeit einer Analogiebildung im Völkerrecht Albert Bleckmann, Völkerrecht, S. 92 ff. 360 Wolff Heintschel von Heinegg, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 20 Rn. 6. 361 Auch aus Völkergewohnheitsrecht lassen sich solche Vorrechte und Immunitäten nicht begründen. Weder ist eine entsprechende Staatenpraxis noch eine dahingehende Rechtsüberzeugung ersichtlich. 362 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague
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cc) Würdigung Artikel 13 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht das Verfahren für die Neubesetzung von vakant gewordenen Positionen in einer etablierten Untersuchungskommission vor. Eine Vakanz kann insbesondere durch Rücktritt, auf Grund von Tod oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes entstehen; als sonstige Verhinderung sind auch solche Fälle anzusehen, in denen ein designiertes Kommissionsmitglied das Amt ablehnt.363 Da das Verfahren für die Neubesetzung mit demjenigen der Bestellung von Kommissionsmitgliedern und gegebenenfalls Beisitzern übereinstimmt, können Unstimmigkeiten zwischen den streitenden Parteien über die weitere Zusammensetzung der Kommission im Fall des Ausfalls einer solchen Person vermieden werden. f) Agenten und Verfahrensbevollmächtigte (Artikel 14) aa) Inhalt des Artikels Gemäß Artikel 14 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 kommt den Parteien das Recht zu, bei der Untersuchungskommission besondere Agenten zu bestellen. Diesen Agenten kommt die Aufgabe zu, ihre jeweilige Partei zu vertreten und zwischen ihnen und der Kommission als Mittelspersonen zu dienen. Nach Abs. 2 sind die Parteien zudem berechtigt, Rechtsbeistände oder Anwälte zu ernennen und diese mit der Darlegung und Wahrnehmung ihrer Interessen vor der Kommission zu beauftragen. bb) Genese Artikel 14 des I. Haager Abkommens von 1907 basiert auf Artikel 9 des vom Vereinigten Königreich und von Frankreich vorgelegten Entwurfs. Aus dem Entwurf wurde im ersten Absatz zum einen die Möglichkeit gestrichen, statt besonderen Agenten auch Delegierte zu benennen; zum anderen wurde im zweiten Absatz ein Bezug darauf gestrichen, dass die Rechtsbeistände und Anwälte auch die Rechte der Parteien wahrnehmen könnten, sowie der eigentlich vorgesehene dritte Absatz, welcher beinhaltete, dass sowohl der Untersuchungskommission als auch der gegnerischen Partei von jeder Partei die Namen der jeweiligen Agenten und Anwälte notifiziert werden sollten. Der Entwurf zu diesem Artikel war durch Artikel 37 des I. Haager Abkommens von 1899 inspiriert,364 in welchem eine fast identische Regelung für die internaPeace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (401). 363 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 108. 364 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague
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tionale Schiedsgerichtsbarkeit getroffen wurde. Dieser beinhaltet jedoch auch einen Verweis auf die Möglichkeit, Delegierte zu benennen und einen Passus zur Vertretung der Rechte der Parteien durch die Rechtsbeistände und Anwälte. Diese wurde für das Recht der internationalen Untersuchungskommission gestrichen, um in diesem Punkt die Unterscheidung zu einem Schiedsgericht aufrechtzuerhalten.365 cc) Würdigung Sowohl die Ernennung der besonderen Agenten nach Artikel 14 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 als auch nach Abs. 2 die Bestellung von Rechtsbeiständen und Anwälten für ein Untersuchungsverfahren und deren jeweilige Anzahl sind in das Belieben der beteiligten Parteien gestellt.366 Agenten und Rechtsbeiständen beziehungsweise Anwälten kommen im Untersuchungsverfahren verschiedene Aufgaben zu. Der Agent nach Artikel 14 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 wird mit der Vertretung seiner Partei betraut. Dies bedeutet, dass er Prozesshandlungen für seine Partei vor der internationalen Untersuchungskommission vornehmen kann,367 wie insbesondere der später zu behandelnde Artikel 29 des I. Haager Abkommens von 1907 zeigt. Zudem ist der Agent Mittelsperson sowohl zwischen den im Streit liegenden Parteien als auch zwischen den Parteien und der Untersuchungskommission.368 Den Rechtsbeiständen beziehungsweise den Anwälten kommt anders als den Agenten eine originär juristische Aufgabe zu. Die Rechtsbeistände beziehungsweise Anwälte können, soweit das übrige Untersuchungsverfahrensrecht dies zulässt, Darlegungen und Interessenwahrnehmungen zugunsten der von ihnen vertretenen Parteien gegenüber der Kommission vornehmen. Auch wenn der Vertragstext keine formale juristische Qualifikation für die Rechtsbeistände beziehungsweise die Anwälte vorschreibt, so wird es in der Praxis vorteilhaft sein, Personen mit einer juristischen Ausbildung mit der Übernahme dieser Ämter zu betrauen. Sie können in diesem Fall ihre Erfahrungen zugunsten ihrer Partei in das Untersuchungsverfahren einbringen.
Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (401). 365 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (401). 366 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (401); Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 29. 367 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 117. 368 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 177.
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g) Rolle des Internationalen Büros des Ständigen Schiedshofes (Artikel 15) aa) Inhalt des Artikels Artikel 15 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes Untersuchungskommissionen, die ihren Sitz in Den Haag haben, als Bürogeschäft dient und seine Räume und Bediensteten den Vertragsmächten für die Tätigkeit der Untersuchungskommission zur Verfügung stellt. bb) Genese Artikel 15 des I. Haager Abkommens von 1907 beruht auf dem wortgleichen Artikel 10 des anglo-französischen Reformentwurfs. cc) Würdigung Artikel 15 des I. Haager Abkommens von 1907 stellt eine Verfahrenserleichterung für die streitenden Parteien und die Untersuchungskommission selbst dar. Durch die Regelungen wird ihnen die Aufgabe abgenommen, einen organisatorischen Rahmen für die Tätigkeit der Kommission zu schaffen. Es wird stattdessen für diese Aufgaben auf die bestehende Infrastruktur des Ständigen Schiedshofes zurückgegriffen. h) Kommissionssitz außerhalb von Den Haag (Artikel 16) aa) Inhalt des Artikels Hat die Untersuchungskommission ihren Sitz an einem anderen Ort als in Den Haag, so sieht Artikel 16 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 vor, dass die Kommission selbst einen Generalsekretär bestimmt, der für die Kommission als Registrar dient. Nach Abs. 2 obliegt es dem Registrar, unter Leitung des Kommissionsvorsitzenden, die äußeren Vorkehrungen für die Sitzungen zu treffen, die Protokolle abzufassen und während der Dauer der Untersuchung das Archiv der Kommission aufzubewahren. Letzteres ist später, nach Abschluss der Untersuchung, an das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes zu übergeben. bb) Genese Der Artikel beruht auf Artikel 11 des anglo-französischen Entwurfs. Der Entwurf sah allerdings zunächst noch zusätzlich vor, dass der Registrar, im Falle einer entsprechenden Notwendigkeit, Stenographen und Übersetzer für die Kommissionstätigkeit zur Verfügung stellen sollte. Zwar wurde bei den Beratungen durchaus der Vorteil erkannt, dass die Übertragung der Auswahl solcher Personen auf den Re-
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gistrar eine gewisse Gewähr für deren Unparteilichkeit böte, allerdings ließ man diesen Vorschlag trotzdem fallen. Es setzte sich die Auffassung durch, dass es die Billigkeit verlange, dass man die Auswahl solcher Personen den Parteien selbst überlassen solle.369 cc) Würdigung In den Fällen, in denen eine internationale Untersuchungskommission ihre Tätigkeit nicht in Den Haag ausübt und daher auch nicht von Vorzügen der Infrastruktur des Ständigen Schiedshofes Gebrauch machen kann, wie es in Artikel 15 des I. Haager Abkommens von 1899 angelegt ist, muss auf andere Weise dafür Sorge getragen werden, dass die administrativen Abläufe der Kommissionsarbeit gewährleistet werden. Daher bedarf es einer Möglichkeit der Auswahl einer geeigneten Person zur Wahrnehmung der Aufgaben.370 Diesem Bedürfnis wird durch Artikel 16 des I. Haager Abkommens von 1907 nachgekommen, welcher die Auswahlentscheidung der Kommission selbst und nicht den Parteien überantwortet. Da es sich bei der Position des Generalsekretärs beziehungsweise Registrars um eine Vertrauensposition handelt, bringt die Regelung in Artikel 16 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907, gegenüber einer Bestimmung dieser Person durch die Parteien, den Vorteil mit sich, dass diejenigen, nämlich die Kommissionsmitglieder, eine Person ihres gemeinsamen Vertrauens auswählen können. Schließlich sind sie es, die mit dem Generalsekretär während der regelmäßigen Kommissionsarbeit zusammenwirken müssen. Dem weitergehenden Bedürfnis nach der Auswahl einer unparteiischen und unabhängigen Person als Generalsekretär der Untersuchungskommission wird schon dadurch Rechnung getragen, dass die Kommission ihrerseits international besetzt ist und die Kommissionsmitglieder daher bei der Auswahlentscheidung bereits ihre jeweiligen Positionen zu geeigneten Kandidaten in den Findungsprozess einfließen lassen können. In Abs. 2 des Artikels 16 des I. Haager Abkommens von 1907 werden die Aufgaben des Registrars näher beschrieben, bei deren Ausübung er allerdings der Leitung des Kommissionsvorsitzenden untersteht. Dies bedeutet, dass er Weisungen des Vorsitzenden zu folgen hat. Dieser Auslegungsbefund wird auch durch den französischen Originalwortlaut des Artikels bestätigt: „La geffe est chargé, sous l’autorité du Président, (…)“371. – Die erste in Artikel 16 Abs. 2 des I. Haager Ab369 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (403). 370 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (403). 371 Hervorhebung durch den Verfasser.
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kommens von 1907 genannte Aufgabe ist es in diesem Rahmen, die äußeren Vorkehrungen für die Sitzungen der Untersuchungskommission zu treffen. Hierzu gehören etwa die Bewerkstelligung des Schriftverkehrs hinsichtlich des genauen Ortes, des genauen Datums und der genauen Uhrzeit der Sitzungen, die Erstellung und Versendung des Arbeitsprogramms für die einzelnen Sitzungen, die Vorbereitung des Sitzungsraumes, einschließlich der Zurverfügungstellung von Schreibutensilien und Ähnliches. Weiterhin hat der Registrar die Abfassung der Protokolle der Sitzungen der Untersuchungskommission vorzunehmen, also die schriftliche Fixierung des Sitzungsgangs und der getätigten Aussagen sowie die Aufbewahrung des Archivs der Kommission, also des Konvoluts der Gesamtheit der die Arbeit der Kommission betreffenden Schriftstücke und gegebenenfalls weiterer Gegenstände. Die Übergabe des Archivs nach Beendigung der Kommissionstätigkeit an das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes ist schon deshalb angezeigt, weil eine ad hoc eingesetzte Kommission regelmäßig keinen geeigneten Platz zur Verwahrung besitzen wird und im Friedenspalast entsprechende Raumkapazitäten zur Verfügung stehen.372 i) Anwendungsempfehlung (Artikel 17) aa) Inhalt des Artikels Artikel 17 des I. Haager Abkommens von 1907 besagt, dass, um die Einsetzung und die Tätigkeit einer Untersuchungskommission zu erleichtern, die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln, die auf das Untersuchungsverfahren Anwendung finden, empfehlen, soweit die Parteien nicht andere Regeln angenommen haben. bb) Genese Der Artikel beruht auf Artikel 3 des anglo-französischen Entwurfs. Eine Abweichung des finalen Artikeltextes von dem vorgeschlagenen Text ergab sich allerdings insoweit, als dass ursprünglich eine Formulierung dahingehend vorgesehen war, dass die weiteren Verfahrensregeln über die internationalen Untersuchungskommissionen im I. Haager Abkommen von 1907 Anwendung finden müssten. Dies wurde dann allerdings lediglich in eine Empfehlung abgewandelt.373
372 Vgl. auch den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (403). 373 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (404).
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cc) Würdigung Artikel 17 des I. Haager Abkommens von 1907 bringt den ausschließlich fakultativen Charakter der in Artikel 18 ff. des I. Haager Abkommens von 1907 niedergelegten Verfahrensregeln für die internationale Untersuchungskommission zum Ausdruck.374 Es ist den streitenden Parteien also freigestellt, auch gänzlich andere Verfahrensregelungen für eine von ihnen zu errichtende Untersuchungskommission zu bestimmen. Es handelt sich damit um ein Zugeständnis an die Staaten, ihrer Souveränität auch in Verfahrensfragen Ausdruck zu verleihen. Allerdings darf dieser Vorteil nicht überbewertet werden. Es ist nämlich zutreffend darauf hingewiesen worden, als dass der Abschluss einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission durchaus dadurch erschwert werden könnte, dass sich die im Konflikt befindlichen Staaten auch noch über die Regeln für das angestrebte Verfahren einigen müssten.375 j) Verfahrensordnungsrecht der Kommission (Artikel 18) aa) Inhalt des Artikels Artikel 18 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass die Kommission die Einzelheiten des Verfahrens bestimmen soll, die weder in dem Untersuchungsabkommen noch in dem dritten Teil des I. Haager Abkommen von 1907 geregelt sind; zudem soll die Kommission zu allen Förmlichkeiten schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt. bb) Genese Der Inhalt des Artikels 18 wurde wortwörtlich vom Examinationskomitee aus dem anglo-französischen Entwurf entnommen. Die Fassung der Regelung gab dabei weder Anlass zu Anmerkungen noch zu Diskussionen.376 cc) Würdigung Mit der Regelung des Artikels 18 des I. Haager Abkommens von 1907 wird der Untersuchungskommission zunächst das Recht zugestanden, die Verfahrensvorschriften selbst zu erlassen, welche dem Untersuchungsabkommen nach ihrer eigenen Auffassung fehlen, und die sie selbst für eine erfolgreiche Untersuchung als 374
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 31. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 31. 376 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (406). 375
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notwendig erachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diesem Akt der verfahrensrechtlichen Ergänzung logischerweise ein Prüfungs- und Bewertungsrecht der Kommission hinsichtlich des Untersuchungsabkommens korrespondieren muss, welches ihr ermöglicht, diese kritisch auf Fehlstellen zu durchleuchten. Allerdings muss die Kommission bei dem Erlass ergänzender Verfahrensregelungen den Willen der streitenden Parteien beachten, und darf keine dem Untersuchungsabkommen zuwiderlaufenden Regelungen festlegen. Der zweite Teil der Regelung stellt die Konzipierung des Beweisaufnahmeverfahrens allein in die Verantwortung der Untersuchungskommission, jedenfalls insoweit, als sich aus dem Untersuchungsabkommen oder aus dem I. Haager Abkommen von 1907, insbesondere aus den Artikeln 25 ff., nichts anderes ergibt. Diese knappe Regelung kann dann zu Problemen führen, wenn die Mitglieder der Untersuchungskommission aus Staaten mit unterschiedlichen Konzeptionen im jeweiligen nationalen Beweisrecht stammen. In einem solchen Fall wird sich die Kommission intensiv abzustimmen und sich auf Standards für die Beweisaufnahme zu verständigen haben, wobei eine Orientierung an internationalen Gerichten und Schiedsgerichten möglich ist. k) Kontradiktorisches Verfahren (Artikel 19) aa) Inhalt des Artikels Artikel 19 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt, dass die Untersuchung kontradiktorisch erfolgt. Nach Abs. 2 übermittelt jede Partei zu den vorgegebenen Zeiten der Untersuchungskommission und der Gegenpartei gegebenenfalls Darlegungen über den Tatbestand und in jedem Falle die Akten, Schriftstücke und Urkunden, die die Partei zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich erachtet, sowie eine Liste der Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung die Partei wünscht. bb) Genese Artikel 19 des I. Haager Abkommens von 1907 basiert auf dem nahezu wortgleichen Artikel 13 des anglo-französischen Entwurfs. Bei den Beratungen ergab sich in Bezug auf den Vorschlag kein Beratungsbedarf.377
377 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (405).
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cc) Würdigung Da die Untersuchung nach der Maßgabe des I. Haager Abkommens von 1907 nach Abs. 1 des Artikels 19 als kontradiktorisches Verfahren durchgeführt wird, haben die streitenden Staaten grundsätzlich ihre Interessen zu artikulieren und müssen im Verfahrensgang vertreten sein.378 Gemäß Artikel 19 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 sind Darlegungen über den Tatbestand für die Parteien in dem Untersuchungsverfahren nicht obligatorisch.379 Verzichten die Parteien allerdings darauf, der internationalen Untersuchungskommission entsprechende Schriftsätze vorzulegen, verpassen sie diese Möglichkeit, das Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. – Verpflichtet ist jede Partei hingegen zur Vorlage derjenigen Dokumente, die sie als nützlich zur Ermittlung der Wahrheit erachtet. Trotz der, mit Blick auf den französischen Originaltext des Artikels: „(…) chaque Partie commique à la Commission […] dans tous les cas, les actes (…)“, zunächst bedeutend wirkende Pflicht, erweist sich diese bei näherem Hinsehen doch als eher schwach. Es ist nämlich in das, von der Untersuchungskommission nicht überprüf- oder korrigierbare, Ermessen der jeweiligen Partei gestellt, welche Dokumente sie für die Wahrheitsfindung als nützlich erachtet. Daher kann der betreffende Staat nur diejenigen Dokumente auswählen, die ihm nützlich erscheinen, da deren Vorlage seinen Interessen dient, und im Gegenzug Dokumente mit potenziell nachteiliger Wirkung zurückhalten. Schriftsätze sind allerdings dann einzureichen, wenn das Untersuchungsabkommen dies vorsieht.380 Jedenfalls sind alle Schriftsätze von den Parteien an die internationale Untersuchungskommission als Kollegialorgan zu übermitteln und nicht nur an deren Vorsitzender oder einzelne Kommissionsmitglieder.381 l) Recht zur Vor-Ort-Untersuchung (Artikel 20) aa) Inhalt des Artikels Nach Artikel 20 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 ist die Untersuchungskommission befugt, sich, mit Zustimmung der Parteien, zeitweilig an andere Orte zu begeben, wenn dies die Kommission als Aufklärungsmittel für nützlich erachtet. Die Kommission ist zudem befugt, ein Mitglied oder mehrere ihrer Mitglieder an einen solchen anderen Ort abzuordnen, um dort Sachaufklärung zu betreiben. Die Erlaubnis des Staates, auf dessen Gebiet diese Aufklärung durchgeführt werden soll, ist nach dem zweiten Satz des Artikels einzuholen.
378
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 32. Vgl. die Ausführungen von Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 33. 380 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 33. 381 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 33. 379
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bb) Genese Die Regelung des Artikels 20 des I. Haager Abkommens von 1907 findet keine Entsprechung in den verschiedenen Reformvorschlägen zum Recht der internationalen Untersuchungskommission, sondern wurde vielmehr originär während der Beratungen im Examinationskomitee geschaffen. cc) Würdigung Artikel 20 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 hält eine Regelung für die Fälle bereit, in denen es die internationale Untersuchungskommission für notwendig erachtet, Beweise durch Vor-Ort-Termine, d. h. außerhalb ihres Sitzes, zu erheben.382 In solchen Fällen bedarf es kumulativ der Zustimmung beider Streitparteien. In welcher Form diese Zustimmung zu erteilen ist, sieht der Vertragstext nicht vor. Man wird aber jedenfalls einen ausdrücklichen affirmativen Akt verlangen können. Die Bedeutung und der Grund für die Aufnahme der Vorschrift in den Vertragstext, welche das Zustimmungserfordernis auch selbst für Fälle aufrechterhält, in denen es eine Kommission für dringend oder gar unerlässlich hält, einen bestimmten Ort aufzusuchen,383 sind im Lichte des Kontextes der Diskussionen um das Institut der internationalen Untersuchungskommission zu sehen. Grund für die Aufnahme dieses doppelten Zustimmungserfordernisses war es, dass es bei den Beratungen über den Artikel als in einigen Fällen zu gefährlich angesehen wurde, wenn die internationale Untersuchungskommission an dem Ort, an dem sich der Grund für die Streitigkeit zwischen den beiden Parteien ereignet hatte, nur kurze Zeit nach dem betreffenden Vorfall Ermittlungen aufnehmen würde.384 Der Berichterstatter des ersten Konferenzausschusses erläuterte hierzu in seinem Bericht gegenüber der Plenarkonferenz, dass für einige Wochen nach dem Ereignis, welches die Kommission zu untersuchen haben, noch „intensive Gefühle“ in der Bevölkerung bestehen könnten, und dass das Auftauchen von Kommissionsmitgliedern am Ort des Geschehens, deren Verwechselung in der öffentlichen Meinung mit Richtern möglich sei, daher zu einer Überreaktion führen könne.385 Deshalb wurde eine strenge und vorsichtige386 Re-
382
Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 34. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 34. 384 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (405). 385 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (405). 386 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 34. 383
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gelung als erforderlich erachtet. Einschätzungen hinsichtlich der Verhältnisse vor Ort wurden somit den Regierungen der streitenden Staaten übertragen.387 Nach Artikel 20 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 kann sich die internationale Untersuchungskommission als Ganzes zu einem auswärtigen Termin begeben, oder nur einzelne Mitglieder ebendieser. Die Entscheidung über diese Frage liegt allein bei der Kommission. Sie wird von Umständen wie der Sachkunde der Kommissionsmitglieder abhängen, dem erwarteten Umfang der Vor-Ort-Untersuchung und dem Umstand, dass im Falle der Entsendung lediglich einzelner Kommissionsmitglieder das sonstige Untersuchungsverfahren grundsätzlich fortgesetzt werden kann. Die Einholung der Erlaubnis gemäß Artikel 20 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 des Staates, auf dessen Staatsgebiet die Vor-Ort-Untersuchung durchgeführt werden soll, kann von der Untersuchungskommission selbst, das heißt ohne die Einschaltung der streitenden Parteien, durchgeführt werden.388 Erst nach der Erteilung dieser Erlaubnis kann der auswärtige Termin durch die internationale Untersuchungskommission wahrgenommen werden. m) Anwesenheitsrecht (Artikel 21) aa) Inhalt des Artikels Artikel 21 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass alle tatsächlichen Feststellungen und Inaugenscheinnahmen in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten oder Rechtsbeistände der Parteien erfolgen. bb) Genese Der in Artikel 21 des I. Haager Abkommens von 1907 niedergelegte Regelungsinhalt basiert auf dem wortgleichen Artikel 14 des von Frankreich und dem Vereinigten Königreich gemeinsam vorgelegten Entwurfs. In den Beratungen im Examinationskomitee gab der Vorschlag keinerlei Anlass zu Beanstandungen.389
387 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (405); Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 34. 388 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 34. 389 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (405).
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cc) Würdigung Die Vorschrift des Artikels 21 des I. Haager Abkommens von 1907 sichert in der ersten Alternative die Anwesenheit der Parteivertreter während der Untersuchung. Damit wird vermieden, dass den Streitparteien etwas Wichtiges entgeht. Sind keine Vertreter der Parteien bei Inaugenscheinnahmen oder den durch die Kommission getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugegen, dürfen diese Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Nicht geregelt ist der Fall, dass dieses trotzdem geschieht. Es bleiben zwei Möglichkeiten zum Umgang mit einem solchen Problem. Entweder müssen die Ergebnisse der fraglichen Handlung bei der weiteren Arbeit der Untersuchungskommission und deren Ergebnisfindung außer Betracht bleiben oder aber die Handlung wird in Anwesenheit beider Streitparteien nachgeholt. Artikel 21 des I. Haager Abkommens von 1907 verhindert in der zweiten Alternative, dass eine der streitenden Parteien die Beweisaufnahmen durch Abwesenheit verhindert. Was eine gehörige Ladung ist, definiert der Vertragstext nicht. Damit eine Ladung gehörig ist, wird sie jedoch eine knappe Umschreibung des Inaugenscheinzunehmenden beziehungsweise des Festzustellenden zu enthalten haben sowie Zeit und Ort der vorzunehmenden Handlung. Zudem wird eine ausreichend lange Ladungsfrist zur Vorbereitung der Parteien zu fordern sein. n) Ersuchungsrecht (Artikel 22) aa) Inhalt des Artikels Artikel 22 des I. Haager Abkommens von 1907 gibt der Untersuchungskommission das Recht, von den Parteien alle Auskünfte oder Aufklärungen zu verlangen, die sie für nützlich erachtet. bb) Genese Der Artikel beruht auf dem ersten Absatz von Artikel 15 des vom Vereinigten Königreich und von Frankreich vorgelegten Entwurfs, lediglich mit leichten sprachlichen Änderungen. Der zweite Absatz der Entwurfsfassung sah ursprünglich vor, dass, im Falle der Weigerung einer Partei, von der Kommission verlangte Auskünfte zu erteilen oder zur Aufklärung beizutragen, die Kommission dies zur Kenntnis nimmt. Grund für die Streichung des zusätzlichen Absatzes war es zum einen, dass man diesen als überflüssig erachtete, zum anderen wollte man auch Widersprüche mit der folgenden Regelung, also Artikel 23 des I. Haager Abkommens von 1907, vermeiden.390 390 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (406).
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cc) Würdigung Das in der Regel niedergelegte Recht der Kommission, welches sie nur als Kollegialorgan ausüben kann,391 dient dazu, Klarstellungen hinsichtlich einzelner Punkte, die für das Untersuchungsverfahren von Bedeutung sind, von den Parteien zu erhalten. Eine Pflicht zur Erteilung der gewünschten Auskunft oder Aufklärung ist hingegen nicht kodifiziert. Vielmehr kann sich eine Partei weigern, dem Verlangen der Kommission Folge zu leisten.392 Ebenfalls nicht kodifiziert, aber, um einen zügigen Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten, anzuerkennen, ist das Recht der Untersuchungskommission, einer Partei, die sich grundsätzlich zur Abgabe von Auskünften oder Aufklärungen bereits erklärt hat, eine Frist hierzu zu setzen.393 o) Kooperationspflicht (Artikel 23) aa) Inhalt des Artikels Gemäß Artikel 23 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 verpflichten sich die Parteien, der Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den die Parteien für möglich halten, alle zur vollständigen Kenntnis und genauen Würdigung der in Frage kommenden Tatsachen notwendigen Mittel und Erleichterungen zu gewähren. Nach Abs. 2 verpflichten sich die Parteien zudem, diejenigen Mittel, über welche sie nach ihrer nationalen Gesetzgebung verfügen, anzuwenden, um das Erscheinen der vor die Kommission geladenen Zeugen und Sachverständigen, die sich auf dem Staatsgebiet der Parteien befinden, herbeizuführen. Abs. 3 sieht vor, dass die Parteien in Fällen, in denen solche Zeugen beziehungsweise Sachverständige nicht vor der Kommission erscheinen können, deren Vernehmung durch zuständige nationale Behörden veranlassen. bb) Genese Grundlage für die in Artikel 23 des I. Haager Abkommens von 1907 getroffenen Regelungen war Artikel 16 des anglo-französischen Entwurfs. Da der Entwurf der Vorschrift nach Auffassung der Examinationskomitees einige delikate Fragen aufwarf, wurde er dort länger diskutiert.394
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A. A. hingegen Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 35, der entgegen dem Wortlaut des Artikels 22 des I. Haager Abkommens von 1907 auch einzelne Kommissionsmitglieder als verlangensberechtigt ansieht. 392 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 35. 393 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 35. 394 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (406).
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Der erste Entwurfsabsatz, welcher mit kleineren Textänderungen beibehalten wurde, geht auf Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907 zurück, dessen grundsätzliche Aussage beibehalten werden sollte. Insbesondere sollten die Staaten nur Beweise vorbringen, soweit es ihnen möglich war; auf eine absolute Beweisbeibringungspflicht wurde bewusst verzichtet.395 Hinsichtlich der Beibringung von Zeugen und Sachverständigen sah der Entwurfsartikel in Abs. 2 ursprünglich vor, dass in einem Fall, in welchem es diesen unmöglich sei, vor der Untersuchungskommission zu erscheinen, jede der Vertragsparteien, auf ein Ersuchen der Kommission hin, Hilfe leisten und dafür Sorge tragen würde, dass die Beweise, welche durch den betreffenden Zeugen oder Sachverständigen zu erbringen seien, durch einen qualifizierten Beamten aus dem eigenen Staat aufgenommen würden. Diese Regelung wurde allerdings aufgespalten und durch die nunmehrigen Absätze 2 und 3 des Artikels 23 des I. Haager Abkommens von 1907 ersetzt sowie hinsichtlich der Beteiligung von Drittstaaten an der Beweisbeibringung partiell in Artikel 24 des I. Haager Abkommens von 1907 verlagert, da man eine eigene Regelung für diese Fallgestaltungen als sinnvoller erachtete.396,397 cc) Würdigung In Artikel 23 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 ist nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Verpflichtung für die streitenden Parteien niedergelegt („Les Parties s’engagent à fournir à la Commission d’enquête, …“)398, der Kommission diejenigen Mittel und Erleichterungen zu gewähren, die diese zur genauen Beurteilung von ihr zu findender Tatsachen benötigt. Allerdings wird diese Verpflichtung dadurch konterkariert, dass die Parteien der Untersuchungskommission solche Hilfen nur in dem Umfang gewähren müssen, wie sie es für möglich halten.399 Damit dürfen letztendlich die Parteien bestimmen, welche Unterstützung sie der Kom395 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (406). 396 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (407 f.). 397 Mit der Ausarbeitung der Vorschriften waren eigens der französische Delegierte Fromageot, der belgische Delegierte Baron Guillaume und der deutsche Delegierte Kriege beauftragt worden; siehe James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 398 f., dort auch die entsprechenden Entwürfe. 398 Hervorhebung durch den Verfasser. 399 Vgl. auch Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht, S. 30.
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mission gewähren. Daher wird durch die Formulierung der Regelung bewusst in Kauf genommen, dass die Parteien auch Dinge zurückhalten können, wenn sie sich von dem betreffenden Mittel oder der betreffenden Erleichterung keinen Vorteil versprechen. Auch der zweite Absatz des Artikels 23 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht eine Verpflichtung für die Parteien vor. Im Rahmen ihres nationalen Rechts müssen diese das Erscheinen von Zeugen und Sachverständigen bewirken, welche die Untersuchungskommission zuvor geladen hat. Der Kommission selbst stehen keinerlei Mittel zur Verfügung, um Zeugen oder Sachverständige zum Erscheinen vor ihr zu veranlassen; die Kommission ist daher auf die Zusammenarbeit mit den Parteien angewiesen.400 Wie die betreffende Partei auf ihrem Territorium befindliche Zeugen oder Sachverständige dazu veranlassen kann, vor der Untersuchungskommission zu erscheinen, ist in der Regelung nicht niedergelegt. Es kann sich hierbei um rechtsförmige Mittel, wie etwa Verwaltungszwang handeln, aber auch etwa um die Gewährung von Reisekosten für die jeweilige Person.401 Für den Anwendungsbereich des Artikels 23 des I. Haager Abkommens von 1907 ist es im Übrigen ohne Belang, ob der betreffende Zeuge oder Sachverständige Staatsangehöriger der betreffenden Partei, Ausländer oder gar Staatenloser ist.402 Stehen einem Staat keine Mittel nach seiner nationalen Rechtslage zur Verfügung, um das Erscheinen vor der Untersuchungskommission zu bewirken, so hat dies keine weiteren, mit Ausnahme der in Abs. 3 niedergelegten, Konsequenzen.403 Artikel 23 Abs. 3 des I. Haager Abkommens von 1907 verpflichtet die Streitparteien schlussendlich noch dahingehend, dass, falls die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen oder mehrerer Zeugen oder Sachverständiger nach Abs. 2 nicht ermöglicht werden kann, die zuständigen staatlichen Behörden die Vernehmung beziehungsweise die Vernehmungen durchführen müssen.404 Die nationalen Behörden treten also in diesem Falle an die Stelle der Untersuchungskommission. Daher werden sie auch bei der Vernehmung das sonstige Prozessrecht für die Kommission aus dem I. Haager Abkommen von 1907 sowie die Bestimmungen des Untersuchungsabkommens und der Verfahrensordnung der Kommission zu beachten haben, ebenso wie gegebenenfalls staatliche Verfahrensregelungen. Abs. 3 regelt 400
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 36. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 36. 402 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 36. 403 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 36. Eine Verpflichtung für den betreffenden Staat, seine Rechtslage dahingehend abzuändern, dass das Erscheinen eines Zeugen oder eines Sachverständigen ermöglicht wird, besteht nicht; vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (407). 404 Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht, S. 30, sieht hierin sogar eine sehr bemerkenswerte „besondere rechtliche Verpflichtung“, da einer internationalen Untersuchungskommission keinerlei Zwangsmittel zur Verfügung stehen. 401
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nicht explizit, was mit den Ergebnissen der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch nationale Behörden zu geschehen hat. Man wird hier jedoch annehmen können, dass eine Pflicht besteht, die Ergebnisse in ihrer Gesamtheit an die internationale Untersuchungskommission zu übermitteln. Bestünde für den Staat ein Recht dahingehend, entscheiden zu können, wie er mit den Vernehmungsergebnissen umgeht, liefe Artikel 23 Abs. 3 des I. Haager Abkommens von 1907 weitestgehend leer. p) Zustimmungserfordernis für Handlungen auf dem Territorium von Drittstaaten (Artikel 24) aa) Inhalt des Artikels Artikel 24 Abs. 1 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass die Untersuchungskommission sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die sie im Gebiet einer dritten Vertragsmacht herbeizuführen hat, unmittelbar an die Regierung des betreffenden Staates zu wenden hat. Das gleiche gilt nach Abs. 1 S. 2, wenn es sich um die Herbeiführung von Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt. Artikel 24 Abs. 2 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass die zum Zwecke des Abs. 1 erlassenen Ersuchen nach Maßgabe derjenigen Mittel zu erledigen sind, über welche der ersuchte Staat nach seiner nationalen Gesetzgebung verfügt. Nach Abs. 2 S. 2 können solche Ersuchen nur in den Fällen abgelehnt werden, in denen die ersuchte Vertragsmacht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden. Schließlich sieht Abs. 3 noch vor, dass es der Untersuchungskommission freisteht, zu den oben genannten Zwecken die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, auf deren Staatsgebiet die Kommission ihren Sitz hat. bb) Genese Für diese Vorschrift diente, ebenso wie für Artikel 23 des I. Haager Abkommens von 1907, Artikel 16 des von Frankreich und vom Vereinigten Königreich gemeinsam vorgelegten Entwurfs als Vorlage. Allerdings ist die nunmehr bestehende Regelung eine originäre Schaffung aus dem Inbegriff der Verhandlungen im Examinationskomitee heraus.405 cc) Würdigung Artikel 24 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 nimmt insoweit auf die Souveränität von dritten, an dem Untersuchungsverfahren nicht beteiligten, Vertragsstaaten Rücksicht, als Ersuchen zur Erhebung von Untersuchungen und Zu405 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 399.
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stellungen unmittelbar an die Regierung des betreffenden Staaten zu richten sind.406 Solche Ersuchen können von der Untersuchungskommission direkt an den dritten Vertragsstaat gerichtet werden; eine Vermittlung etwa durch die Streitparteien oder durch die Agenten muss also nicht erfolgen.407 Einer bestimmten Form bedarf ein solches Ersuchen nicht. Nach Artikel 24 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 wird die Durchführung des Ersuchens allein in die Hände der dritten Vertragspartei gelegt. Grundsätzlich sind die Staaten zwar nach dem Wortlaut der Norm verpflichtet, den Ersuchen nachzukommen („Les requêtes adressées à cet effet seront exécutées …“)408 ; allerdings wird diese Pflicht durch verschiedene Bestimmungen in S. 1 und S. 2 wieder relativiert. Zum einen steht die Ersuchenserledigung unter dem Vorbehalt der nationalen Gesetzgebung des betreffenden Staates. Bestehen in einem Staat nach dortigem Prozessrecht also einschlägige Beweiserhebungsverbote oder andere rechtliche Hindernisse, so muss sich der Staat nicht gegen sein eigenes Recht stellen, um der Verpflichtung aus Artikel 24 Abs. 2 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 nachzukommen.409 Zum anderen ist es dem dritten Vertragsstaat gestattet, die Durchführung des Ersuchens abzulehnen. Zwar sind im Vertragstext abschließend Gründe für eine solche Verweigerung aufgeführt, allerdings sind diese mit der Gefahr für die Hoheitsrechte und die Sicherheit des betreffenden Staates sehr weit gefasst. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, können die betroffenen Drittstaaten selbst, also nach eigener Einschätzung entscheiden.410 Man wird allerdings jedenfalls eine entsprechende Anzeige an die Kommission hinsichtlich des Grundes für die Verweigerung des Ersuchens fordern können. Denn nur wenn es eine solche Begründungspflicht gibt, läuft die grundsätzlich bestehende Kooperationspflicht nicht Gefahr, ignoriert zu werden. Der dritte Absatz des Artikels 24 des I. Haager Abkommens von 1907 betrifft Fälle, in denen die Untersuchungskommission ihren Sitz nicht auf dem Staatsgebiet einer der beiden Streitparteien hat. Da Abs. 3 keine Verpflichtung vorsieht, kann die Kommission in diesem Fall zwei Wege wählen, um das Ersuchen an den dritten Staat zu übermitteln. Entweder wendet sich die Untersuchungskommission direkt mit ihrem Ersuchen an die Regierung des Drittstaates, oder sie nimmt für das Ersuchen die Vermittlungen des Sitzstaates in Anspruch.411 Letzteres ist nur dann sinnvoll, 406
S. 31. 407
Siehe Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht,
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 37. Hervorhebung durch den Verfasser. 409 Vgl. auch Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 38, der darauf hinweist, dass für den Staat auf der Grundlage von Artikel 24 des I. Haager Abkommens von 1907 auch keine Pflicht besteht, sein nationales Recht anzupassen, sodass dem Ersuchen der Kommission nachgekommen werden kann. 410 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 38. 411 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 38. 408
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wenn es sich bei dem ersuchten Staat nicht um den Sitzstaat handelt; in diesem Fall bleibt der Kommission nur der erste beschriebene Weg.412 Nicht durch den Vertragstext geregelt ist der Fall, dass die Kommission ein Ersuchen nach Maßgabe des Artikels 24 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 an einen dritten Staat richtet, welcher nicht Vertragspartei ist. Da für einen solchen Staat keinerlei Bindungen aus dem I. Haager Abkommen von 1907 folgen, kann dieser kraft seiner Souveränität jedwedes Ersuchen der Untersuchungskommission verweigern und muss hierfür auch keine Begründung angeben. Andererseits kann der Staat mit der Kommission auch im vollen Umfang kooperieren. q) Ladung von Zeugen und Sachverständigen sowie Zeugenvernehmung (Artikel 25) aa) Inhalt des Artikels Nach Artikel 25 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 werden die Zeugen oder Sachverständigen durch die Untersuchungskommission auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen geladen, und zwar in allen Fällen durch Vermittlung des Staates, in dem sie sich befinden. Nach Abs. 2 werden Zeugen nacheinander und jeder für sich in Gegenwart der Agenten und in der, von der Kommission bestimmten, Reihenfolge vernommen. bb) Genese Der Inhalt der Regelung geht auf Artikel 18 des anglo-französischen Entwurfs zurück. cc) Würdigung Der Inhalt des Artikels 25 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 ist stark dem Souveränitätsdenken zur Zeit der Entstehung der Regelung verhaftet. Die Souveränität der Staaten soll dadurch geschützt werden, dass die Untersuchungskommission Zeugen und Sachverständige nicht direkt zum Untersuchungsverfahren laden kann, sondern nur durch die Vermittlung der jeweiligen Regierung.413 Zudem ist, wie oben gezeigt, eine Regelung notwendig, da Drittstaaten gemäß Artikel 24 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 ein Ersuchen der Kommission im Einzelfall gegebenenfalls ablehnen können.414 Die Vernehmung der einzelnen Zeugen geschieht nach Artikel 25 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 stets in Abwesenheit der übrigen, von der Kom412 413 414
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 38. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 39. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 39.
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mission geladenen und bei dem Untersuchungsverfahren anwesenden Zeugen.415 Durch die Einzelvernehmung von Zeugen wird es vermieden, dass ein Zeuge durch die vorherige Aussage eines anderen Zeugen oder Sachverständigen in seiner Aussage beeinflusst wird. Allerdings geschieht die Befragung von Zeugen stets in Anwesenheit der Agenten und Rechtsbeistände. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil diesen gemäß Artikel 26 Abs. 3 des I. Haager Abkommens von 1907 das Recht zukommt, dem jeweiligen Zeugen Fragen durch den Kommissionsvorsitzenden vorlegen zu lassen. Nicht geregelt ist in Artikel 25 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 die Frage des Anwesenheitsrechts beziehungsweise der Anwesenheitspflicht der Sachverständigen während der Zeugenvernehmung. Hierüber wird die Untersuchungskommission daher in jedem Einzelfalle selbst einen Beschluss zu fassen haben.416 r) Detailregelungen zur Vernehmung von Zeugen (Artikel 26) aa) Inhalt des Artikels Artikel 26 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt, dass die Vernehmung der Zeugen durch den Vorsitzenden erfolgt. Nach Abs. 2 dürfen jedoch die Mitglieder der Untersuchungskommission an jeden Zeugen Fragen richten, die sie zur Erläuterung oder Ergänzung seiner Aussagen oder zu ihrer Aufklärung über alle den Zeugen betreffenden Umstände für zweckdienlich erachten, soweit dies zur Ermittlung der Wahrheit notwendig ist. Abs. 3 bestimmt, dass die Agenten und Rechtsbeistände der Partei den Zeugen in seiner Aussage weder unterbrechen noch irgendeine unmittelbare Anfrage an ihn richten dürfen. Sie können jedoch den Kommissionsvorsitzenden darum ersuchen, dem Zeugen ergänzende Fragen, die sie für nützlich halten, vorzulegen. bb) Genese Artikel 26 des I. Haager Abkommens von 1907 beruht auf dem wortgleichen Artikel 19 des anglo-französischen Entwurfs. Der Artikel wurde vom Examinationskomitee ohne Modifikationen angenommen.417 In der entsprechenden Diskussion brachte der britische Delegierte Fry, unterstützt durch den Delegierten der Vereinigten Staaten von Amerika, Scott, allerdings eine gewisse Präferenz für die im englischen Rechtssystem angelegte direkte Befragung von Zeugen durch die Par-
415
Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 39. Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 39. 417 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (409). 416
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teivertreter vor.418 Er verzichtete jedoch auf eine entsprechende Änderung des Entwurfstextes, nachdem ihm entgegengehalten wurde, dass Zeugen aus vielen Ländern nicht auf diese Vernehmungsart vorbereitet seien.419 cc) Würdigung Die Hauptlast der Zeugenvernehmung wird nach Artikel 26 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 dem Vorsitzenden aufgebürdet. Eine Vereidigung des Zeugen ist dabei allerdings nicht vorgesehen.420 Der Kommissionsvorsitzende gibt also bei der Vernehmung jedes einzelnen Zeugen die Richtung der Beweisführung vor; damit wird der Vorsitzende zur Zentralfigur nicht nur der Organisation der Untersuchungskommission, sondern auch der Beweisaufnahme erhoben. Diesem Anspruch muss er durch eine geschickte und zielführende Befragung des Zeugen gerecht werden. Nach Abs. 2 wird den übrigen Mitgliedern der Kommission ein bloßes Fragerecht zugestanden. Da dieses Recht auf Fragen beschränkt ist, deren Antwort der Kommission zur Erläuterung oder Ergänzung des Ausgesagten dienen sowie zur Aufklärung von den Zeugen betreffenden Umständen, ist jeweils zunächst die Befragung des jeweiligen Zeugen durch den Vorsitzenden der Untersuchungskommission abzuwarten. Dieser hat im Gegenzug Fragen von Kommissionsmitgliedern in jedem Fall zuzulassen. Den Parteivertretern kommt wegen Abs. 3 bei der Befragung von Zeugen kein Recht zu, diese zu vernehmen oder mündliche Nachfragen an sie zu richten. Die Parteivertreter bleiben darauf beschränkt, den Vorsitzenden zu bitten, dem Zeugen ergänzende Nachfragen ihrerseits vorzulegen. Daher haben die Parteivertreter in diesem Verfahrensstadium nur ein äußerst schwaches Ersuchensrecht. Diese Position wird noch weiter dadurch geschwächt, dass es im Vertragstext keinen Hinweis darauf gibt, dass der Kommissionsvorsitzende dem Ersuchen nachkommen muss. Es bleibt ihm daher überlassen, ein Ersuchen eines Parteivertreters gegebenenfalls abzulehnen, wenn der Kommissionsvorsitzende es nicht als der Wahrheitsfindung dienlich erachtet.
418
James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 401. 419 James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume II Meetings of the First Commission, S. 401. 420 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 39.
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s) Verleseverbot und Vernehmungserleichterungen für Zeugen (Artikel 27) aa) Inhalt des Artikels Dem Zeugen ist es nach Artikel 27 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bei seiner Aussage nicht gestattet, einen geschriebenen Entwurf der Aussage zu verlesen. Nach S. 2 kann es ihm jedoch vom Kommissionsvorsitzenden gestattet werden, Aufzeichnungen und Urkunden zu benutzen, wenn die Natur der zu bekundenden Tatsache eine solche Benutzung erforderlich macht. bb) Genese Die Regelung beruht auf dem wortgleichen Artikel 20 des anglo-französischen Vorschlages. Im Examinationskomitee wurden keine Einwände gegen die Fassung des Artikels erhoben.421 cc) Würdigung Die Regelung des Artikels 27 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 statuiert zunächst ein Verleseverbot für vorgefertigte Aussageentwürfe eines Zeugen. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Wertigkeit der betreffenden Aussagen dadurch zu steigern, dass diese frei, d. h. nur aus dem Gedächtnis des Zeugen stammend, wiedergegeben werden.422 Gleichzeitig wird mit dieser Regel verhindert, dass der Zeuge einen von dritter Seite gefertigten und ihm zur Verlesung vorgelegten Text wiedergibt, der nicht seiner persönlichen Wahrnehmung des Ereignisses, über das er berichten soll, entspricht. Artikel 27 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 enthält demgegenüber eine Aussageerleichterung für den Zeugen. Ihm kann gestattet werden, Aufzeichnungen und Urkunden bei seiner Aussage benutzen, wenn diese für die Tatsache, über die er berichten soll, erforderlich sind. Diese Erleichterung ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es für die Untersuchung gerade auf den Inhalt einer Aufzeichnung oder einer Urkunde oder auf deren Entstehung ankommt. Was unter Aufzeichnungen und Urkunden im Sinne der Regelung zu verstehen ist, wird nicht weiter definiert. Man dürfte darunter jedoch alles auf Papier Niedergelegte, gleich welcher Länge, Form, welchen Inhalts und unabhängig davon, von wem es konkret herrührt, zu verstehen haben; also etwa Briefe, Tagebucheinträge, Manuskripte, Land- und Seekarten, amtliche Dokumente usw. Nur eine weite Auslegung der Begriffe 421 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (410). 422 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 40.
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„Aufzeichnungen“ und „Urkunden“ ist dem Verfahren vor einer Untersuchungskommission zuträglich, denn so kann dem Aussagenden jedwede Quelle für seinen Bericht beigegeben werden. Vom Wortlaut gedeckt ist es, im Sinne einer auch auf aktuelle Gegebenheiten bezogenen und dem technischen Fortschritt Rechnung tragenden Interpretation von Artikel 27 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 unter den Begriff „Dokument“ auch Film- und Tondokumente und elektronisch gespeicherte Texte und Abbildungen zu fassen. Die Bedeutung, die solchen Medien in der heutigen Zeit zukommt, konnte bei der Schaffung der Regel im Jahr 1907 selbstverständlich noch nicht vorausgesehen werden, da die technische Entwicklung dies noch nicht zuließ. Betrachtet man Film- und Tondokumente und elektronisch gespeicherte Texte und Abbildungen aber als dokumentarisches Material, dürfte auch der französische Originalwortlaut „documents“ einer modernen Auslegung des Artikels nicht entgegenstehen. t) Aussageprotokoll (Artikel 28) aa) Inhalt des Artikels Artikel 28 Abs. 1 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 sieht vor, dass während der Kommissionssitzungen ein Protokoll über die Aussagen des Zeugen aufzunehmen ist, und dem Zeugen vorgelesen wird. Nach Abs. 1 S. 2 ist es dem Zeugen gestattet, die ihm als geeignet erscheinenden Änderungen oder Zusätze anzubringen, welche dann am Schluss seiner Aussage vermerkt werden. Abs. 2 bestimmt, dass der Zeuge, nachdem ihm seine gesamte Aussage vorgelesen wurde, zur Unterzeichnung des Protokolls aufgefordert wird. bb) Genese Artikel 28 des I. Haager Abkommens von 1907 wurde auf der Grundlage des wortidentischen Artikels 28 des anglo-französischen Entwurfs verabschiedet. Auch bei diesem Artikel sah sich das Examinationskomitee zu keiner Diskussion hinsichtlich des Inhalts veranlasst.423 cc) Würdigung Artikel 28 des I. Haager Abkommens von 1907 soll eine ordnungsgemäße Vernehmung des Zeugen regeln.424 Die in Abs. 1 S. 1 bestimmte Pflicht der Kommission zur Anfertigung eines Protokolls über jede Zeugenaussage dient vor allem der 423 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (410). 424 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 40 f.
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Dokumentation und damit letztendlich dem Beweis dafür, dass eine bestimmte Aussage von einer bestimmten Person in dem Untersuchungsverfahren getroffen wurde. Außerdem kann das Protokoll den Kommissionsmitgliedern bei ihren Beratungen über die Ergebnisse der Kommissionstätigkeit als Gedankenstütze dienen. Die in der Vorschrift zudem niedergelegte Pflicht, dem Zeugen das Protokoll über seine Aussage zu verlesen, ermöglicht im Anschluss an die jeweilige Vernehmung eine Richtigkeitskontrolle durch den jeweils Aussagenden. Diese Kontrollmöglichkeit wird durch das dem Zeugen in Abs. 1 S. 2 zugestandene Recht flankiert, Änderungen und Zusätze anzubringen, die dann am Ende des Protokolls zu vermerken sind. Es können also Ergänzungen und Veränderungen des ursprünglich Bekundeten vorgenommen werden. Dass Änderungen und Zusätze erst nach dem Text der eigentlichen Aussage im Protokoll auszubringen sind, führt dazu, dass die Zusätze und Änderungen als solche erkennbar sind und damit nicht die ursprüngliche Aussage im Protokoll verfälschen. Die Aufforderung an den Zeugen, das Protokoll gemäß Abs. 2 zu unterzeichnen, verlangt von dem Zeugen ein Bekenntnis zu seiner Aussage und soll damit eine zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit des Bekundeten bieten. Dabei ist die Aufforderung zur Unterzeichnung nach dem Wortlaut der Regelung des Abs. 2 erst dann auszusprechen, wenn dem Zeugen das gesamte Protokoll seiner Aussage, einschließlich etwaiger Änderungen und Zusätze, verlesen ist. Damit wird ein Bekenntnis zur Gesamtaussage eingefordert. Eine Pflicht des Zeugen zur Unterzeichnung des Aussageprotokolls geht aus dem Artikel allerdings nicht hervor. Die Nichtunterzeichnung der Aussage kann allerdings, je nach den Umständen, dahingehend gewertet werden, dass der betreffende Zeuge von seiner ursprünglich getroffenen Aussage Abstand genommen hat. u) Verfahrensposition der Agenten (Artikel 29) aa) Inhalt des Artikels Die Agenten sind gemäß Artikel 29 des I. Haager Abkommens von 1907 befugt, im Laufe oder am Schluss der Untersuchung der Kommission und der Gegenpartei solche Ausführungen, Anträge oder Sachdarstellungen schriftlich vorzulegen, die die Agenten der betreffenden Partei zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich erachten. bb) Genese Der Artikel beruht auf Artikel 17 des anglo-französischen Entwurfs. Im Verlauf der Beratungen über diesen Artikel wurde lediglich ein Wort geändert. Im Entwurf wurden neben Ausführungen und Anträgen noch Schlussfolgerungen genannt. Letzterer Begriff wurde allerdings in „Sachdarstellungen“ abgeändert. Diese Än-
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derung fand ihren Grund darin, dass der Eindruck vermieden werden sollte, dass sich das Untersuchungsverfahren einem Schiedsverfahren annähere.425 cc) Würdigung Die Agenten der Parteien werden durch diese Regel darauf beschränkt, ihr Vorbringen in schriftlicher Form darzutun. Dies findet seinen Grund darin, dass mündliche Plädoyers und Anträge im Untersuchungsverfahren vermieden werden sollen. Im Fokus der Verhandlungen vor der internationalen Untersuchungskommission sollen vielmehr schriftliche Ausführungen sowie die eigentliche Beweisaufnahme stehen.426 Artikel 29 des I. Haager Abkommens von 1907 lässt Anträge, Ausführungen und Sachdarstellungen in jeder Phase des Untersuchungsverfahrens zu. In diesem Rahmen ist es der Einschätzung der Parteien überlassen, was genau sie als der Ermittlung der Wahrheit nützlich erachten. Ein Zurückweisungsrecht der Untersuchungskommission hinsichtlich einer schriftlichen Äußerung, die nicht der Ermittlung der Wahrheit dient, ist dabei im Vertragstext nicht vorgesehen. Man wird ein solches Recht der Kommission jedoch in Fällen evidenten Missbrauchs der Rechte der Agenten zuzugestehen haben. v) Beratungsmodalitäten (Artikel 30) aa) Inhalt des Artikels Artikel 30 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt, dass die Beratung der Kommission nicht öffentlich erfolgt und geheim bleibt. Abs. 2 sieht vor, dass jede Entscheidung mit der Mehrheit der Mitglieder der Kommission zu treffen ist. Nach Abs. 3 muss die Weigerung eines Mitglieds, an einer Abstimmung teilzunehmen, im Protokoll vermerkt werden. bb) Genese Die Textfassung der Regelung beruht auf Artikel 23 des anglo-französischen Entwurfs und wurde ohne Diskussionen angenommen. Lediglich die Geheimhaltungsbestimmung wurde während der Beratungen ergänzt.427 425 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (410). 426 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 41. 427 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague
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cc) Würdigung Artikel 30 des I. Haager Abkommens von 1907 fasst in einer Regelung die Beratungsmodalitäten der Untersuchungskommission zusammen. Dabei schützt Abs. 1 das Beratungsgeheimnis.428 Dieses soll der unbeeinflussten Entscheidungsfindung durch die Kommission dienen; eine Sanktion für die Verletzung dieses Geheimhaltungssatzes sieht das I. Haager Abkommen von 1907 allerdings nicht vor. Da die Beratungen geheim bleiben müssen, dürfen durch die Kommissionsmitglieder weder öffentliche Bekundungen über den Inhalt der Beratungen nach außen getragen, noch dürfen Beratungsmaterialien oder -mitschriften an Personen, die nicht der Untersuchungskommission angehören, weitergereicht werden. In Abs. 2 ist für Entscheidungen der Untersuchungskommission das Mehrheitsprinzip vorgesehen. Da dem I. Haager Abkommen nichts anderes zu entnehmen ist, hat jedes Kommissionsmitglied dabei eine Stimme. Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip sind in den Artikeln 9 bis 36 des I. Haager Abkommens von 1907 nicht vorgesehen, sodass dieses bei jedweder Entscheidung zur Anwendung gelangt. Durch die Protokollierungspflicht in Abs. 3 für die Verweigerung eines Kommissionsmitgliedes, an einer Abstimmung teilzunehmen, wird Sorge dafür getragen, dass die Weigerung dokumentiert wird. Durch die Dokumentation der Weigerung kann dabei etwa das Missfallen des entsprechenden Kommissionsmitgliedes über die betreffende Entscheidung festgehalten werden. w) Öffentlichkeit der Sitzungen (Artikel 31) aa) Inhalt des Artikels Die Sitzungen der Untersuchungskommission sind nach Artikel 31 des I. Haager Abkommens von 1907 nur öffentlich, wenn ein entsprechender Kommissionsbeschluss mit Zustimmung der Parteien gefasst wurde. Das gleiche gilt nach dieser Vorschrift für die Veröffentlichung von Protokollen und Urkunden der Untersuchung.
Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411). 428 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411).
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bb) Genese Die Formulierung von Artikel 31 des I. Haager Abkommens von 1907 geht auf den wortgleichen Artikel 12 des gemeinsamen Reformvorschlages des Vereinigten Königreichs und Frankreichs zurück. cc) Würdigung Nach dieser Regelung liegt die Entscheidung über die Öffentlichkeit der Sitzungen der Kommission in deren Händen; allerdings müssen, wenn die Sitzungen öffentlich sein sollen, die Parteien zustimmen. Wird keine Entscheidung getroffen, so bleiben Sitzungen und Dokumente geheim; dies ist also der Normalfall, von dem im Vertragstext ausgegangen wird. Zu den von der Kommission bei einer entsprechenden Entscheidung einzustellenden Belangen wird man etwa Geheimhaltungsinteressen der streitenden Parteien und auch deren Wünsche hinsichtlich der Verfahrensöffentlichkeit zu rechnen haben. Eine öffentliche Sitzung beziehungsweise die Veröffentlichung der Materialien der Untersuchungskommission haben den Vorteil der Transparenz des Verfahrens, die durch eine entsprechende Information insbesondere der Presse und weiterer Medien in Bezug auf die Untersuchungstätigkeit hergestellt werden kann. Legt man den ursprünglichen Zweck der völkerrechtlichen Kodifizierung der internationalen Untersuchungskommission zugrunde, lässt sich durchaus argumentieren, dass die Möglichkeit der Öffentlichkeit, an einem solchen Verfahren teilzunehmen oder über dieses aus der Presse, weiteren Medien oder anderen öffentlichen Informationsquellen zu erfahren, durchaus geeignet ist, beruhigend auf die öffentliche Meinung einzuwirken.429 x) Schluss der Untersuchung (Artikel 32) aa) Inhalt des Artikels Nachdem die Parteien sämtliche Aufklärungen und Beweise vorgetragen haben und nachdem alle Zeugen vernommen worden sind, spricht der Vorsitzende der Kommission gemäß Artikel 32 des I. Haager Abkommens von 1907 den Schluss der Untersuchung aus. Im Anschluss hieran vertagt sich die Kommission, um ihren Bericht zu beraten und abzufassen.
429 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411).
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bb) Genese Die Vorschrift beruht auf Artikel 22 des Vorschlages von Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Lediglich der Passus bezüglich der Beendigung der Zeugenvernehmungen wurde noch hinzugefügt. Zu einer größeren Diskussion hinsichtlich von Artikel 32 des I. Haager Abkommens von 1907 gab es bei den Beratungen keinen Anlass.430 cc) Würdigung Der Ausspruch des Vorsitzenden über das Ende der Untersuchung stellt deren formellen Schlusspunkt dar,431 der so von allen am Untersuchungsverfahren Beteiligten zur Kenntnis genommen werden kann. Die Wiedereröffnung des Verfahrens, insbesondere zur Vernehmung neu eingeführter Zeugen oder zur Inaugenscheinnahme, ist nicht vorgesehen.432 Die Passage hinsichtlich der Zeugen wurde in den Text aufgenommen, um klarzustellen, dass nach dem Schluss der Untersuchung keine Aussagen mehr zugelassen werden sollen.433 Die Vertagung der Untersuchungskommission erfolgt sine die. Die Länge der Beratungen, welche zur Abfassung des Untersuchungsberichts erforderlich sind, hängt vom Umfang und von der Komplexität des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes ab. y) Unterzeichnung des Kommissionsberichts (Artikel 33) aa) Inhalt des Artikels Gemäß Artikel 33 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 ist der Bericht der Untersuchungskommission von allen Kommissionsmitgliedern zu unterzeichnen. Abs. 2 sieht vor, dass in dem Fall, dass ein Mitglied seine Unterschrift unter den Bericht verweigert, dies vermerkt wird und der Bericht gleichwohl gültig bleibt.
430 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411). 431 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 42. 432 So auch Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 43. 433 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411).
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bb) Genese Der Artikel geht auf Artikel 24 des anglo-französischen Entwurfs zurück. Während der Beratungen kam es im Hinblick auf den Vorschlag zu keinen Diskussionen.434 cc) Würdigung Die Unterschrift aller Mitglieder der Untersuchungskommission bezeugt, dass diese dem Ergebnis der Untersuchung, so wie es in dem Bericht niedergelegt ist, zustimmen. Der Unterschrift kommt dabei auch die Funktion zu, Gewähr dafür zu bieten, dass die in Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1907 niedergelegten Anforderungen an die Kommissionstätigkeit, namentlich die gewissenhafte und unparteiische Durchführung der Untersuchung, eingehalten wurden. Ist ein Kommissionsmitglied nicht mit den Formulierungen beziehungsweise Inhalten des Abschlussberichts einverstanden, so erlaubt ihm die Regelung des Artikels 33 des I. Haager Abkommens von 1907, seine Unterschrift unter den Bericht zu verweigern, ohne dass dieser seine Gültigkeit verliert. Eine Unterschriftsverweigerung kann sich zudem durchaus positiv auf den weiteren Fortgang der internationalen Streitigkeit, in deren Rahmen die Untersuchungskommission eingesetzt wurde, auswirken. Namentlich Wehberg hebt eine solche Nützlichkeit hervor, indem er darauf hinweist, dass die Partei, zu deren Gunsten der Abschlussbericht ausgefallen sei, so erkennen könne, dass der Sachverhalt „doch nicht ganz so zweifellos ist“435, wie dies durch die Ausführungen im Bericht vermittelt werden könnte.436 Diese Partei wird nach Einschätzung von Wehberg in solchen Fällen geneigt sein, den zwischenstaatlichen Disput in einer Weise zu erledigen, der auch die Gegenpartei zustimmen können wird.437 z) Verlesung des Kommissionsberichts (Artikel 34) aa) Inhalt des Artikels Nach Artikel 34 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 wird der Kommissionsbericht in öffentlicher Sitzung in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien verlesen. Eine Ausfertigung des Berichts wird nach Abs. 2 jeder Partei zugestellt. 434 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411). 435 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 43. 436 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 43. 437 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 43.
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bb) Genese Artikel 34 des I. Haager Abkommens von 1907 beruht auf Artikel 25 des von dem Vereinigten Königreich und Frankreich gemeinsam vorgelegten Reformentwurfs. Bezüglich dieses Vorschlages bestand keinerlei Diskussionsbedarf.438 cc) Würdigung Die Verlesung des Kommissionsberichts bildet das Ende Kommissionstätigkeit und damit der Untersuchung insgesamt. Bei der Verlesung werden die Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens bekannt gemacht. Artikel 34 des I. Haager Abkommens von 1907 enthält dabei keine Beschränkungen, sodass der Kommissionsbericht stets in seiner Gesamtheit zu verlesen, mithin durch Lautäußerungen kundzutun, ist. Die Parteien beziehungsweise ihre Vertreter müssen bei dieser Verlesung grundsätzlich anwesend sein, sodass sie die gleichberechtigte Möglichkeit zu einem ersten Vernehmen der Verfahrensergebnisse haben. Zudem unterstreicht deren Anwesenheit auch das formelle Verfahrensende. Die Möglichkeit der Berichtsverlesung auch ohne Anwesenheit der Parteien, nachdem eine gehörige Ladung der Vertreter der Parteien erfolgt ist, verhindert zudem, dass der Bericht allein aufgrund der fehlenden Anwesenheit einer der Parteien nicht verlesen werden und das Verfahren deshalb nicht ordnungsgemäß abgeschlossen werden kann, weil eine Partei durch Abwesenheit dies zu verhindern sucht. Dies wäre insbesondere in Fällen denkbar, in denen von einer der Parteien angenommen wird, dass das Untersuchungsergebnis für sie ungünstig ausfallen werde. Die Regelung verhindert insoweit eine Obstruktion des Abschlusses der Kommissionstätigkeit durch Abwesenheit einer der Parteien. Die Verlesung des Untersuchungsberichts der Kommission in öffentlicher Sitzung ermöglicht es wiederum interessierten Kreisen, etwa Vertretern der internationalen Staatengemeinschaft oder auch der internationalen Presse, einen ersten Zugriff auf die Resultate des Untersuchungsverfahrens zu erhalten und die Resultate für sich fruchtbar machen. Dies kann sich etwa durch interessierte Staaten oder heute auch Internationale Organisationen in Maßnahmen zu einer weiteren Entschärfung des der Untersuchung zugrundeliegenden Konflikts äußern oder im Falle der internationalen Presse, wie bereits angeführt, durch eine entsprechende Berichterstattung, welche durch die Präsentation der von einer neutralen Instanz gefundenen Ergebnisse zu einer Beruhigung der öffentlichen Meinung hinsichtlich der der Untersuchung zugrundeliegenden Situation beitragen kann. Bei Beachtung des Artikels ist eine Geheimhaltung des Untersuchungsergebnisses also nicht möglich. Dies jedenfalls dann nicht, wenn die Öffentlichkeit bei dem Untersuchungsverfahren zugelassen wurde. 438 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (411).
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Artikel 34 Abs. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 verpflichtet die Untersuchungskommission dazu, jeder der beiden streitenden Parteien eine Ausfertigung des Kommissionsberichts zukommen zu lassen. Durch diese Zustellungspflicht wird dem Interesse der streitenden Staaten genügt, das Resultat des Untersuchungsverfahrens zu ihrer eigenen Verwendung zu erhalten. Eine Frist zur Zustellung sieht der Vertragstext nicht vor. Hier sollte von der Kommission jedoch jeweils umsichtig gehandelt werden, und eine zügige Zustellung nach der Verlesung des Berichts bewirkt werden, etwa durch die Übergabe einer Ausfertigung des Berichts an die anwesenden Parteivertreter direkt nach der Berichtsverlesung. So können der Untersuchungsbericht und seine Inhalte zügig zur weiteren Beilegung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeit genutzt werden.
a) Inhalt des Kommissionsberichts (Artikel 35) aa) Inhalt des Artikels Artikel 35 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 bestimmt, dass der Bericht der Kommission sich auf die Feststellung von Tatsachen zu beschränken und in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruchs hat. Nach S. 2 lässt der Kommissionsbericht den Parteien die volle Freiheit in Ansehung der Folgen, die – angesichts der Feststellungen in dem Bericht – zu ziehen sind. bb) Genese Artikel 35 des I. Haager Abkommens von 1907 entspricht Artikel 14 des I. Haager Abkommens von 1899 und war so auch in Artikel 26 des anglo-französischen Entwurfs enthalten. Bei den Beratungen wurde letztendlich kein Anlass zur Modifizierung der Regelung gesehen439 und nur ihre Position in dem erweiterten Regelkorpus zur internationalen Untersuchungskommission im I. Haager Abkommen von 1907 verschoben. Allerdings wurde auch der von der russischen Delegation gemachte Vorschlag diskutiert, welcher eine gänzlich neue Fassung der Regelung bedeutet hätte. Es wäre in diesem Fall den am Verfahren beteiligten Mächten freigestellt worden, nachdem sie von der Feststellung der Tatsachen und den verkündeten Verantwortlichkeiten durch die internationale Untersuchungskommission Kenntnis genommen hätten, entweder in freundschaftlicher Weise eine Beilegung der Streitigkeit herbeizuführen oder sich an den Ständigen Schiedshof in Den Haag zu wenden. Im Angesicht der auf der Haager Konferenz von 1899 merklich werdenden Sorge einiger Delegationen vor obligatorischen Elementen im Recht der internationalen Untersuchungskommission 439 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (412).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
kann es nicht verwundern, dass sich der russische Vorschlag nicht durchzusetzen vermochte. Zwar erkannte das Examinationskomitee die Zielsetzung des Entwurfs dahingehend an, dass auf diese Weise die Möglichkeit beendet werden sollte, nach erfolgter Untersuchung noch die Feindseligkeiten zu eröffnen und vielmehr dem Gedanken Rechnung zu tragen, dass bei Staaten, wenn sie schon bereit seien, sich hinsichtlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission zu einigen, auch der Wille zu einer weiteren friedlichen Einigung und damit Streitbeilegung bestehen würde.440 Allerdings befürchtete man, dass eine solche Einbringung eines obligatorischen Elements die Anzahl der Inanspruchnahmen des Instituts der internationalen Untersuchungskommission reduzieren würde, da die Staaten vor Anrufung einer solchen Kommission zurückschrecken könnten, wenn ein Zwang zur Schiedsgerichtsbarkeit bestünde, noch bevor die Tatsachen der nämlichen Streitigkeit hinreichend präzise festgestellt worden seien.441 cc) Würdigung Durch die Formulierung von Artikel 35 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 wird klargestellt, dass der Bericht keinesfalls den Streit zwischen den Parteien beendet, wie es Aufgabe eines Schiedsspruches oder in der heutigen Zeit auch des Urteils eines internationalen Gerichts wäre. Ziel der Kommissionstätigkeit ist es lediglich, die Tatsachen betreffend einen Sachverhalt aufzuzeigen, der einer Streitigkeit zwischen Staaten zugrunde liegt.442 Welche Form der Reaktion die Parteien auf den Abschlussbericht zeigen und ob sie hierauf überhaupt reagieren, bleibt allein ihnen überlassen, wie S. 2 zeigt. Sie sind
440 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (412). Kritisch allerdings Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht., S. 34, welcher bemerkt, dass „[E]ine wesentliche Verstärkung der Friedensgarantie (…) aus dem russischen Vorschlage wohl kaum“ resultieren würde. Kritik auch bei Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 44 f. 441 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (412 f.). Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 45 f. weist zudem darauf hin, dass es den Parteien ohnehin freistünde, sich bereits im Untersuchungsabkommen darauf zu einigen, dass nach der Erstattung des Abschlussberichts der Untersuchungskommission hinsichtlich der zwischen ihnen bestehenden Streitigkeit nur noch der Weg zur einer diplomatischen oder schiedsgerichtlichen Lösung offenstehen solle. Außerdem befürworte er die Möglichkeit der Parteien, den Charakter der Untersuchungskommission im Untersuchungsabkommen abzuändern und der Kommission auch schiedsrichterliche Aufgaben zuzuweisen. 442 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 44.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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weiterhin vollkommen frei in ihren Handlungsweisen443 und unterliegen keinen rechtlichen Bindungen.444 Sie können den Weg zu einem internationalen Gericht oder Tribunal wählen oder, etwa durch Verhandlungen, selbst eine Lösung des bestehenden Disputes herbeiführen.445 Auch die Weiterführung beziehungsweise Aufrechterhaltung des Streits ist möglich.446 Fraglich ist zudem, welcher Effekt den in dem Abschlussbericht festgestellten Tatsachen inter partes zuzuerkennen ist. Man könnte wegen der Formalisierung des Verfahrens der internationalen Untersuchung aufgrund der vorstehenden Regelungen möglicherweise annehmen, dass den von der Untersuchungskommission festgestellten Tatsachen auch eine völkerrechtliche Bindungswirkung zukomme. Eine solche Bindung könnte dann die Berufung auf eine andere Tatsachenlage durch die streitenden Staaten etwa vor internationalen Gerichten oder Schiedsgerichten sowie im Rahmen der Tätigkeit von Internationalen Organisationen verhindern. Eine derartige Sichtweise wäre jedoch verfehlt. Hält man sich die gesamten Debatten im Rahmen der ersten und zweiten Haager Friedenskonferenz im Hinblick auf Verpflichtungen im Bereich der internationalen Untersuchungskommission vor Augen, so wäre eine Regelung, durch die eine solche Bindung hervorgerufen würde, im Vertragstext niedergelegt worden. Zudem ist die in Artikel 35 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 statuierte Freiheit zum Umgang mit den im Abschlussbericht getroffenen Feststellungen umfassend und erstreckt sich damit auch auf den Umgang mit den Tatsachen als solchen.447
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Christian Meuer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 158; Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 44. 444 Christian Meuer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 158. 445 Christian Meuer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 158; Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 44. 446 Christian Meuer, Das Friedensrecht der Haager Konferenz, S. 158. Wiederum vor dem Hintergrund, dass die internationale Untersuchungskommission auf der ersten Haager Friedenskonferenz in völkerrechtliche Form gegossen wurde, um Kriege zu verhindern, deren Mitauslöser eine unterschiedliche Interpretation von Tatsachen sein kann, sind die Anmerkungen von Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 44 hierzu aufschlussreich. Wehberg bemerkt, dass die Parteien des Untersuchungsverfahrens während dessen Durchführung weiterhin Kriegsvorbereitungen treffen könnten. Nach der Abgabe des Untersuchungsberichts könnten sie den Kampf aufnehmen. Allerdings ist es nach Wehbergs Einschätzung „kaum denkbar“, dass zwei Parteien nach dem Empfang des Abschlussberichts keine Möglichkeit der friedlichen Beilegung der Streitigkeit fänden, „nachdem sie sich in der Zwischenzeit beruhigt haben“. Die Austragung des zugrundeliegenden Konflikts mit militärischen Mitteln ist nach heutigem Völkerrecht allerdings wegen des in Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen völkerrechtlich reglementierten Verbots der Androhung und Anwendung von militärischer Gewalt in den internationalen Beziehungen regelmäßig untersagt. 447 So auch Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 45.
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b) Verfahrenskosten (Artikel 36) aa) Inhalt des Artikels Gemäß Artikel 36 des I. Haager Abkommens von 1907 trägt die Partei ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten der Kommission zu gleichen Teilen. bb) Genese Auf der Haager Konferenz wurde dieser Artikel ohne Diskussionen angenommen.448 Artikel 36 des I. Haager Abkommens von 1907 beruht auf dem wortgleichen Artikel 27 des anglo-französischen Entwurfs. cc) Würdigung Durch die einfache Kostentragungsregel wird vermieden, dass das Untersuchungsverfahren dadurch verzögert wird oder nicht zustande kommt, weil bereits die Aushandlung des entsprechenden Abkommens mit möglicherweise komplizierten Finanzfragen belastet ist. Zu den Kosten der Parteien im Verfahren vor einer internationalen Untersuchungskommission gehören insbesondere die Kosten für Rechtsbeistände und für die Anfertigung von Schriftsätzen.449 Zu den Kosten der Untersuchungskommission gehören die Honorare der Mitglieder und sonstige Unkosten für die Kommissionstätigkeit, etwa für Reisen, Ausstattung, Beweiserhebung, Sachverständigengutachten usw.450 Die Regelung des Artikels 36 der I. Haager Abkommens von 1907 weist jedoch ein erhebliches Manko auf. In der zeitgenössischen Literatur ist von Wehberg zu Recht darauf hingewiesen und bedauert worden, dass es bei den Arbeiten auf der Konferenz versäumt wurde, die Regelung der Frage des Kostenvorschusses in dem Untersuchungsabkommen ausdrücklich zu empfehlen.451 Wehberg führt hierzu aus, dass einer internationalen Untersuchungskommission bereits bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen müssten, um die anfallenden Kosten zu begleichen. Dies sei immer dann nicht der Fall, wenn die Kommission nicht in Den Haag zusammentreten würde und ihr daher die Dienste des Internationalen Büros des Ständigen Schiedshofes nicht zur Verfügung stünden. Als praktische Beispiele für mögliche Kosten, die von der Kommission in der Regel
448 Vgl. den Bericht des Berichterstatters des ersten Konferenzausschusses auf der Plenarkonferenz, wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Proceedings of the Hague Peace Conferences – Conference of 1907 Volume I Plenary Meetings of the Conference, S. 395 (413). 449 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 155. 450 Vgl. Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 156. 451 Hans Wehberg, Archiv des Öffentlichen Rechts – I. Beilageheft 1911, S. 45 f.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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zügig beglichen werden müssten, führt Wehberg Kosten für Büromaterialien sowie die Reisekosten von geladenen Zeugen an.
II. Anwendungsfälle Die Vorschriften über die internationale Untersuchungskommission im I. Haager Abkommen von 1907 fanden in mehreren Fällen Anwendung Die überwiegende Zahl von Untersuchungen bezog sich hierbei auf Zwischenfälle im Ersten Weltkrieg oder unmittelbar davor. Nach dem Ersten Weltkrieg dauerte es bis in die 1960er Jahre, ehe die entsprechenden Haager Regelungen nochmals zur Anwendung gelangten, bisher zum letzten Mal. 1. „Tavignano“-, „Camouna“- und „Gaulois“-Zwischenfälle a) Historischer Hintergrund Am 29. September 1911 begann – nach einem Ultimatum – mit der Kriegserklärung durch das Königreich Italien an das Osmanische Reich der ItalienischTürkische Krieg.452 Italien notifizierte an diesem Tag den anderen europäischen Mächten zudem die Blockade der Küsten von Tripolis und der Cyrenaika:453 „Le ministre des affaires étrangères d’Italie a l’honneur de signifier à … la déclaration suivante: Le gouvernement de Sa Majesté le Roi d’Italie, vu l’état de guerre existant entre l’Italie et la Turquie, agissant en conformité des principes du droit des gens et particulièrement des règles formulées par la déclaration de Paris du 16 avril 1856454 et par la déclaration de Londres du 26 février 1909455 ; 452 Hierzu und zum Folgenden Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 142 ff.; J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 46 f.; André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 99 ff. Der Text des italienischen Ultimatums an das Osmanische Reich vom 26./27. September 1911 ist wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts I. Ergänzungsheft, S. 71 ff.; der Text der Kriegserklärung ist wiedergegeben ebenda, S. 73 ff. Siehe zu dem Krieg auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz auch die verschiedenen Beiträge, in: Luca Michelatta/Andrea Ungari (Hrsg.), The Libyan War 1911 – 1912. 453 Der Text der italienischen Notifikation betreffend die Blockade der Küste von Tripolis und der Cyrenaika ist wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts I. Ergänzungsheft, S. 71 ff.; eine Ergänzung zu dieser Erklärung vom 1. November 1911 findet sich ebenda, S. 87. 454 Gemeint ist die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. April 1856, wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band I., S. 403 f. Signatarmächte waren Österreich, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Preußen, Russland, Sardinien und das Osmanische Reich. In dem Dokument erklärten die Signatarmächte unter anderem, dass: (1) …; (2) die neutrale Flagge die feindliche Ladung mit Außnahme der Kriegskonter-
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Déclarer qu’à partir du 29 septembre courant le littoral de la Tripolitaine et de la Cyrénaïque, s’étendant de la frontière tunisienne jusqu’à la frontière de l’Egypte, avec ses ports, havres, rades criques, etc., compris entre les degrés 11.32 et 27.54 de longitude orientale de Greenwich, sera tenu en état de blocus effectif par les forces navales du royaume. Les bâtiments amis ou neutres auront un délai qui sera fixé par l’amiral commandant en chef les forces navales de Sa Majesté le Roi d’Italie, à partir de la date du commencement du blocus pour sortir librement des endroits bloqués. Il sera procédé contre tout bâtiment qui tenterait de violer le dit blocus, conformément aux règles du droit international et aux traités en vigueur aves les puissances neutres. Le ministre des affaires étrangères d’Italie saura gré à … de vouloir bien porter aussitôt que possible le déclaration susdite à la connaissance de son gouvernement.“
Während der Krieg zu Lande vor allem in Nordafrika ausgetragen wurde, fand die Seekriegsführung auf dem Mittelmeer statt. Frankreich sowie das Vereinigte Königreich, die beide ebenfalls Interessen in der Region verfolgten, erklärten ihre Neutralität in dem Konflikt.456 Die Rechte Frankreichs als neutrale Macht in dem Krieg sollten zu einem Streitpunkt werden. bande schützt; (3) die neutrale Ladung, mit Ausnahme der Kriegskonterbande, nicht als Prise erklärt werden kann; und (4), dass Blockaden, um verbindlich zu sein, wirklich bestehen müssen, also durch genügende Kräfte ausgeführt werden müssen, um das Betreten der feindlichen Küsten wirksam zu verhindern. 455 Gemeint ist die Londoner Seerechtsdeklaration vom 26. Februar 1909, wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II., S. 493 ff. Italien hatte allerdings, zum Zeitpunkt der hier dargestellten Ereignisse, die Erklärung noch nicht ratifiziert (siehe Karl Strupp [Hrsg.], Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, I. Ergänzungsheft, S. 75 [Fn. 2]). Die Deklaration enthielt eine Reihe von Regeln über die Blockade in Kriegszeiten (Erstes Kapitel), Kriegskonterbande (Zweites Kapitel), Neutralitätswidrige Unterstützung (Drittes Kapitel), Zerstörung neutraler Prisen (Viertes Kapitel), Flaggenwechsel (Fünftes Kapitel), Feindliche Eigenschaft (Sechstes Kapitel), Geleit (Siebtes Kapitel), Widerstand gegen Durchsuchung (Achtes Kapitel) und Schadensersatz (Neuntes Kapitel). 456 Die französische Neutralitätserklärung vom 1. Oktober 1911 ist wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, I. Ergänzungsheft, S. 76; die britische Neutralitätserklärung vom 3. Oktober 1911 ist wiedergegeben ebenda, S. 77 ff. Die französische Neutralitätserklärung hatte dabei folgenden Inhalt: „Le Gouvernement de la République déclarer et notifier à qui de droit qu’il a résolu d’observer une stricte neutralité dans la guerre que vient d’éclater entre l’Italie et la Turquie. Il croit devoir rappeler aux Français résidant en France, dans les colonies et les pays de protectorat ou à l’étranger qu’ils doivent s’abstenir de tout fait, qui, commis en violation des lois françaises ou des convention internationales signées par la France, pourrait être considéré comme hostile à l’une des parties ou contraire à la neutralité. Il leur est interdit notamment de prendre volontairement du service dans les rangs de la force armée de l’une des parties ou de coopérer à l’équipement ou à l’armement d’un navire de guerre. Le Gouvernement déclarer en outre qu’il ne sera permis à aucun navire de guerre l’un ou de l’autre des belligérants d’entrer et de séjourner aves des prises dans les ports et rades de la France, de ses colonies et des pays protégé pendant plus vingt-quatre heures, hors le cas de relâche force ou de nécessité justifiée. Aucune vente d’objets provenant des prises ne pourra avoir lieu dans lesdits ports ou rades. Les personnes qui contreviendraient aux défenses susmentionnées ne pourront prétendre à aucune protection du Gouvernement ou de ses agents contre les actes ou mesures que, con-
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Zu Beginn der Jahres 1912 kam es im Zuge der Feindseligkeiten zu einigen Zwischenfällen im Seegebiet vor der Küste Tunesiens, welches zu dieser Zeit unter französischem Protektorat stand: Am 25. Januar 1912 lief der französische Postdampfer „Tavignano“ aus dem Hafen von Zarzis mit dem Ziel Bibans aus. Noch an diesem Tag wurde das Schiff von dem italienischen Torpedoboot „Fulmine“ aufgebracht und nach Tripolis verbracht; die Stadt war bereits zu Beginn des Monats Oktober des Vorjahres von italienischen Truppen erobert worden. Im Hafen der wichtigsten Stadt Tripolitaniens angekommen, wurde die „Tavignano“ darauf untersucht, ob sie Konterbande – also Waren für den Schleichhandel oder Schmuggel – an Bord habe. Da die Durchsuchung des Schiffes ergebnislos verlief, wurde es wieder freigegeben. – Das italienische Torpedoboot „Canopo“ ging ebenfalls am 25. Januar 1912 in denselben tunesischen Gewässern gewaltsam gegen die beiden tunesischen Mahonen457 „Camouna“ und „Gaulois“ vor, die verdächtigt wurden, mit der „Tavignano“ bei dem Schmuggel von Konterbande zusammengearbeitet zu haben. Durch die Kanonenschüsse des italienischen Kriegsschiffes wurde allerdings keine der beiden Mahonen beschädigt. Obwohl Frankreich in dem Konflikt zwischen dem Osmanischen Reich und Italien eine neutrale Macht war, war es schon zuvor zu Zwischenfällen gekommen, bei denen die italienische Marine im Rahmen des Krieges gegen französische Schiffe vorgegangen war. Anlässlich der Zwischenfälle um die „Manouba“ und die „Carthage“ hatten sich beide Staaten auf die Beilegung ihrer daraus entstehenden Streitigkeit im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit, auf Grundlage des Schiedsabkommens zwischen beiden Staaten vom 25. Dezember 1903,458 welches am 24. Dezember 1908 erneuert worden war,459 geeinigt.460
formément au droit des gens, les belligérants pourraient exercer ou décréter et seront poursuivis, s’il y a lieu conformément aux lois de la République.“ 457 Es handelt sich um einen Segelschiffstyp mit flachem Rumpf, der in der damaligen Zeit in Nordafrika in Gebrauch war; vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 142. 458 Der Schiedsvertrag ist wiedergegeben in: Revue Général de Droit International Public 11 (1904), S. 94 f. 459 „Echange de notes concernant le renouvellement de la Convention d’abitrage du 25 décembre 1903“, wiedergegeben in: Heinrich Triepl (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapport de Droit international, Serie III, Band 2, S. 769 f. 460 Der französische Text der Schiedsvereinbarung hinsichtlich des Falles der „Carthage“ ist wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 561 f. (englische Fassung S. 330 ff.), der Schiedsspruch ebenda, S. 556 ff. (englische Fassung S. 330 ff.); die Schiedsvereinbarung bezüglich des Falles der „Manouba“ ist wiedergegeben ebenda, S. 571 ff. (englische Fassung S. 351 ff.); der Schiedsspruch ebenda, S. 565 ff. (englische Fassung S. 342 ff.). Siehe zu diesen Fällen auch die Beiträge von Eckhart Thomas, in: Karl Strupp/HansJürgen Schlochauer (Begr./Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Erster Band: Aachener Kongress bis Hussar-Fall, S. 267 ff. sowie von Hans Wehberg, Die Friedens-Warte 15 (1913), S. 214 f.
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b) Einsetzung der Kommission In einem Brief vom 27. Januar 1912 des Marinekommandanten von Tripolitanien an den Marineminister des Königreichs Italien wurde die Position dieses Staates zu dem Zwischenfall zum Ausdruck gebracht.461 Hiernach sei der Kapitän der „Tavignano“ für den Zwischenfall verantwortlich, da er sich nicht an das internationale Seerecht gehalten habe.462 Ebenfalls am 27. Januar 1912 erklärte die italienische Regierung gegenüber dem französischen Botschafter in Rom, dass die „Tavignano“ schon seit längerem verdächtigt worden sei, Konterbande zu schmuggeln, dass das Schiff auf der Hohen See angehalten worden sei, dass es sich einer Durchsuchung widersetzt habe, und dass es nach Tunis gebracht worden sei.463 Im Gegenzug wurde der französische Botschafter durch das französische Außenministerium angewiesen, gegenüber Italien starke Vorbehalte hinsichtlich des behaupteten Ortes der Beschlagnahme des Postdampfers und des Konterbandeverdachts anzubringen. Zudem sollte der Botschafter darauf hinweisen, dass Tripolis nicht „reconnu par l’Europe comme port italien“ sei, sowie darauf, dass die Stadt kein Prisengericht habe.464 Am 30. Januar 1912 wurde der Botschafter von der italienischen Regierung eingeladen, seine Vorbehalte vorzutragen; der Bericht des Kapitäns der „Tavignano“ über die fraglichen Ereignisse enthielt die Behauptung, dass die Beschlagnahme seines Schiffes in tunesischen Gewässern durchgeführt worden sei.465 Am 1. Februar 1912 telegraphierte das französische Außenministerium an seinen Botschafter in Rom zudem, dass er die Möglichkeit der Errichtung eines Schiedsgerichts in der Sache erwägen solle.466 Die französischen Behörden legten in der Folge eine Akte in der Sache an. Es wurden Aussagen der Passagiere der „Tavignano“ auf der Hauptstrecke des Schiffs in den letzten drei Monaten vor den Ereignissen am 25. Januar 1912 gesammelt. Ebenso 461 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 185. 462 Hierzu heißt es in dem angeführten Brief: „(…) Da parte mia aggiungo soltano che ho trattenuto il piroscafo più di due ore impiegate nella visita e nell’ informare con lettra il capitano che egil era libero di partire, gli ho rilevato la sua responsabilità intera dell’ incidente per il suo procedere contrario al Diritto internazionale maritimo. (…)“. Vgl. auch André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 99 f. 463 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100. 464 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100. 465 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100. 466 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100.
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wurden das Logbuch des Postdampfers, das Maschinenheft, die Erklärungen des Kapitäns zu dem Zwischenfall sowie Listen über die Ladung des Schiffes, dessen Passagiere und die Ausrüstung zusammengetragen. Auch wurden Daten zur Fahrtroute und zur Geschwindigkeit des Schiffes gesammelt, um den Ort bestimmen zu können, an dem die „Tavignano“ durch das italienische Kriegsschiff aufgebracht worden war.467 Am 3. Februar 1912 wurde der französischen Botschaft in Rom vom Quai d’Orsay schließlich eine für das weitere Verfahren entscheidende Nachricht telegraphiert:468 „… proposez l’adoption de la formule suivante: ,Les gouvernements français et italien décident de soumettre à une commission internationale d’enquête les questions de fait soulevées 1. au sujet de la saisie du vapeur français Tavignano par le torpilleur italien Fulmine, le 25 janvier 1912 dans les parages des Raz-Zira. 2. au sujet des coups de canon tires, par le même torpilleur, le même jour et dans les mêmes parages, sur deux mahonnes tunisiennes. S’il est reconnu que ses faits se sont produits dans les eaux territoriales de la Tunisie, le gouvernement italien s’engage à exprimer ses regrets au gouvernement français.‘“
Am 4. Februar 1912 berichtete der französische Botschafter an sein Ministerium, dass die Regierung Italiens gewillt sei, einer Beilegung der „Tavignano“-Angelegenheit im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit zuzustimmen. Jedoch würde man es begrüßen, wenn die Frage der Tatsachen weiteren Verhandlungen überantwortet werden würde. Der Botschafter übermittelte hierzu einen Bericht des italienischen Marineministers einschließlich einer Seekarte nach Paris.469 Der Rechtsberater des französischen Außenministeriums reagierte enttäuscht auf die Haltung Italiens. Er hielt in einer Note vom 5. Februar 1912 insoweit hierzu fest: „L’espèce aurait pu être citée comme application type de la procedure d’une commission d’enquête internationale. Il s’agit d’un point de fait à préciser, ce qui sera fait beaucoup mieux sur place par des marins que par des arbitres après la production des mémoires. J’ajoute que la procedure pourrait être très rapide et que l’on serait d’autant mieux éclairé que la scène de la visite serait plus promptement reconstituée, les souvenirs des témoins étant plus frais. La vue des lieux serait plus instructive que la lecture des cartes, si bien faites qu’on les suppose.“470 467 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100. 468 Zitiert nach: André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/ Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 100. 469 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101. 470 Zitiert nach: André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/ Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101.
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Da der italienische Vorschlag dahin tendierte, den Punkt der Aufbringung der „Tavignano“ genau zu bestimmen, akzeptierte ihn die französische Regierung am 5. Februar 1912 und kommunizierte ein Dokument nach Rom, auf welches sie ihre Auffassung stützte. Zudem verlieh die französische Regierung ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es zu einer Lösung der Angelegenheit nicht mehr weit sei. Zudem schlug die französische Regierung vor, dass man in dem Falle, dass keine Einigung erreicht werde, die Frage von Reparationen dem Schiedsgericht übertragen solle, welches bezüglich der „Carthage“- und „Manouba“-Zwischenfälle Schiedssprüche fällen solle.471 Jedoch hatte bereits am Vorabend, am 4. Februar 1912, der italienische Minister für Auswärtige Angelegenheiten einen Brief an die französische Botschaft in Rom geschickt, in dem es um den Zwischenfall ging. Dem Brief waren zwei Berichte der Kommandanten der italienischen Torpedoboote beigegeben, die an dem Zwischenfall beteiligt waren. Aus den Dokumenten ging hervor, dass die italienische Seite den Punkt der Aufbringung der „Tavignano“ als außerhalb der tunesischen Territorialgewässer liegend ansah.472 Am 14. Februar 1912 telegraphierte das französische Außenministerium einen Widerspruch bezüglich der italienischen Note und forderte erneut die Bildung einer Untersuchungskommission, welche sich aus drei Marineoffizieren zusammensetzen sollte.473 Am 25. Februar 1912 schlug die italienische Regierung vor, dass die Ergebnisse einer solchen Untersuchung an das „Carthage“- und „Manouba“-Schiedsgericht weitergeleitet werden sollten, damit dieses über Rechtsfragen, Verantwortlichkeiten sowie über die Bezifferung materieller und immaterieller Schäden entscheiden könne. Ein solches Vorgehen, so trug es die italienische Seite weiter vor, sei bequem und wirtschaftlich.474 Das französische Außenministerium akzeptierte diesen Vorschlag am 27. Februar 1912. Das Schiedsgericht solle hiernach über mögliche Ersatzansprüche und Rechtsfragen urteilen, wie etwa den Ort des Beginns der DreiMeilen-Zone und damit der tunesischen Territorialgewässer und der Abgrenzung von Buchten an den Orten des Geschehens.475 Am 6. März 1912 unterzeichneten Vertreter des italienischen und des französischen Außenministeriums die beiden compromis für die Schiedsverfahren hinsichtlich der „Carthage“- und „Manouba“-Zwischenfälle. Zudem wurde eine er471
André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101. 472 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101. 473 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101. 474 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 101. 475 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 102.
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gänzende Note aufgesetzt, in der festgehalten wurde, dass das gleiche Tribunal in der gleichen Sitzung über den „Tavignano“-Zwischenfall urteilen solle.476 In einer in der italienischen Hauptstadt Rom unterzeichneten Vereinbarung vom 15. April 1912 einigten sich die Regierungen von Italien und Frankreich schließlich darauf, eine internationale Untersuchungskommission einzusetzen.477 Diese sollte die Tatsachen im Hinblick auf die Beschlagnahme des französischen Dampfers „Tavignano“ durch das italienische Torpedoboot „Fulmine“ am 25. Januar 1912 in den Gewässern von Ras-Zira sowie hinsichtlich der Kanonenschüsse, die von dem Torpedoboot „Canopo“ am selben Tage und in den gleichen Gewässern auf die beiden tunesischen Mahonen „Camouna“ und „Gaulois“ abgefeuert wurden, klären. Weiterhin wurde in der Vereinbarung bestimmt, dass nach der Beendigung der Untersuchung deren Ergebnisse, falls dies als notwendig erachtet werden sollte, an das Schiedsgericht weitergeleitet werden sollten, welches mit der Beilegung der „Carthage“- und „Manouba“-Zwischenfälle befasst war, damit dieses Rechtsfragen klären, Verantwortlichkeiten festlegen und immaterielle wie materielle Reparationen festlegen könne. Am 20. Mai 1912 unterzeichneten Italien und Frankreich ebenfalls in Rom sodann folgendes Untersuchungsabkommen:478 „Le Gouvernement de la République française et le Gouvernement Royal italien, également désireux de pourvoir au règlement des difficultés auxquelles ont donné lieu la capture et la saisie momentané du vapeur postal français Tavignano, le 25 janvier 1912, par le bâtiment de la Marine royale italienne Fulmine, ainsi que le tir effectué sur les mahonnes Camouna et Gaulois, le 25 janvier 1912, par le torpilleur italien Canopo, Ont résolu, conformément au titre III de la Convention de la Haye, du 18 octobre 1907, pour le règlement pacifique des conflits internationaux, de confier à une Commission internationale d’enquête le soin d’élucider les circonstances de fait dans lesquelles lesdites capture et saisie et ledit tir ont été effectués. Et sont, à cet effet, convenus des dispositions suivantes: ARTICLE 1 Une Commission internationale d’enquête composée, comme il est dit ci-après, est chargée de:
476 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 102. 477 Der Text der Vereinbarung ist in französischer Sprache wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 621; in englischer Übersetzung dort auf S. 419. 478 Dieses ist in französischer und italienischer Sprache wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 617 ff.; in englischer Übersetzung dort auf S. 417 ff.; sowie in französischer und italienischer Sprache in: Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 7 ff.
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I. Rechercher, relever et préciser le point géographique où ont été effectués: 1o. l’arrestation du vapeur postal français Tavignano par le bâtiment de la Marine royale italienne Fulmine, le 25 janvier 1912; 2o. la poursuite des mahonnes Camouna et Gaulois, par le même bâtiment, puis par le bâtiment de la Marine royale italienne Canopo et le tir effectué par ce dernier sur lesdites mahonnes. II. Préciser l’hydrographie, la configuration et la nature de la côte des bancs avoisinants, la distance entre eux des différents points que l’un ou l’autre des Commissaires jugeront utiles de relever, et la distance de ces points à ceux où se sont passés les faits susvisés. III. Consigner dans un rapport écrit le résultat de ses investigations. ARTICLE 2 La Commission internationale d’enquête sera composée de trois Commissaires, dont deux seront des officiers des Marines nationales française et italienne, d’un grade au moins égal à celui de Capitaine de frégate. Le Gouvernement de Sa Majesté britannique sera prié de choisir le troisième Commissaire parmi ses officiers de marine d’un grade supérieur ou plus anciens en grade. Celui-ci remplira les fonctions de président. Deux secrétaires seront chargés de remplir les fonctions de greffiers de la Commission et d’assister celle-ci dans ses opérations, l’un étant désigné par le Gouvernement de la République française, et l’autre par le Gouvernement royal italien. ARTICLE 3 La Commission internationale d’enquête aura qualité pour s’entourer des tous renseignements, interroger et entendre tous témoins, examiner tous papiers de bord de l’un ou de l’autre desdits navires, bâtiments et mahonnes, procéder, s’il y a lieu, aux sondages nécessaires, et en général recourir à tous moyens d’information propres à assurer la manifestation de la vérité. Les deux Gouvernements s’engagent à cet égard à fournier à la Commission, dans la plus large mesure qu’ils jugeront possible, tous le moyens et facilités et notamment les moyens de transport lui permettant d’accomplir sa tâche. ARTICLE 4 La Commission internationale d’enquête se réunira à Malte aussitôt que faire se pourra et aura la faculté de se déplacer conformément à l’article 20 de la Convention de La Haye, du 18 octobre 1907, pour le règlement pacifique des conflits internationaux. ARTICLE 5 La langue française est la langue de la Commission internationale d’enquête; toutefois, dans leurs délibérations, les Commissaires pourront faire usage de leur propre langue. ARTICLE 6 Dans un délai qui n’excédera pas quinze jours à dater de sa première réunion, la Commission internationale d’enquête arrêtera les conclusions de son rapport et les communiquera à chacun des deux Gouvernements. ARTICLE 7 Chaque Partie supportera ses propres frais et une parte égale des frais de la Commission. ARTICLE 8 Pour tout ce qui n’est pas prévu par la présente convention d’enquête, et notamment pour la procédure d’enquête, les dispositions de la Convention de La Haye, du 18 octobre 1907, pour
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le règlement pacifique des conflits internationaux, seront applicables à la présente Commission internationale d’enquête.“479 479
Die italienische Fassung des Untersuchungsabkommens hatte folgenden Wortlaut: „Il R. Governo italiano e il Governo della Repubblica Francese, mossi da egual desiderio di procedere al regolamento della difficoltà cui hanno dato luogo la cattura ed il sequestro temporaneo del piroscafo postale francese Tavignano, il 25 gennaio 1912, da parte della nave della R. Marina italiana Fulmine, ed il trio gito contro le maone Camouna e Gaulois, il 25 gennaio 1912, da parte della torpediniera italiana Canopo, Hanno stabilito, in conformità del titolo III della Convenzione dell’Aja dell’ 18 ottobre 1907 per il regolamento pacifico dei conflitti internazionali, di affidare ad una Commissione internazionale d’inchiesta il compito di chiarire le circostanze di fatto nelle quali la cattura, il sequestro ed il trio predetti furono eseguiti; E sono, a questo fine, convenuti delle disposizioni seguenti: ARTICOLO I Una commissione internazionale d’inchiesta composta commo sarà detto in seguito, è incaricata di: 1) Cercare, rilevare e precisare il punto geografico in cui furono eseguiti: a) il fermo del piroscafo postale francese Tavignano da parte della nave della R. Marina italiana Fulmine, il 25 gennaio 1912; b) l’inseguimento delle maone Camouna e Gaulois da parte della medesima nave e poi della nave della R. Marina italiana Canopo, ed il trio eseguito da quest’ultima contro le maone suddette; 2) Precisare l’idrografia, la configurazione e la natura della costa e dei banchi adiacente, la distanza tra loro dei diversi punti che l’uno o l’altro dei commissari stimerà utile di rilevare, e la distanza tra questi punti e quelli in cui sono accaduti i fatti sopra enunciati; 3) Conseguare in un rapporto scritto il resultato delle sue indagini. ARTICOLO II La commissione internazionale d’inchiesta sarà composta di tre commissari, due dei quali saranno ufficiali delle marine nazionali italiana e francese, di grado eguale almeno a quello di capitano di fregata. Il Governo di Sua Maestà Britannica sarà pregato di scegliere il terzo commissario tra i suoi ufficiali di Marina di grado superiore più anziani in grado. Quest’ultimo adempirà le funzioni di presidente. Due segretari, designati uno dal R. Governo Italiano, l’altro dal Governo della Repubblica francese, saranno incaricati di adempiere le funzioni di cancellieri della Commissione e di assisterla nei suoi atti. ARTICOLO III La Commissione internazionale d’inchiesta avrà veste per raccogliere qualsiasi informazione, interrogare ed ascoltare qualsiasi testimone, esaminare qualsiasi carta di bordo dell’una o dell’altra delle dette navi e maone, procedere occorrendo agli scandagli necessari, e, in generale, ricorrere a qualsiasi mezzo di indagine atto ad assicurare la manifestazione della verità. I due Governi s’impegnano a questo riguardo di fornire alla Commissione, nella più larga misura che stimeranno possibile, tutti i mezzi e le facilitazioni, e particolarmente i mezzi di trasporto, che le permettano di adempiere il compito suo. ARTICOLO IV La Commissione internazionale d’inchiestassi riunirà a Malta appena sarà possibile e avrà facoltà di spostarsi, conformemente all’articolo 20 della convenzione dell’Aja del 18 ottobre 1907 per il regolamento pacifico dei conflitti internazionali. ARTICOLO V La lingua francese è la lingua della Commissione internazionale d’inchiesta; i commissari potranno tuttavia servizi della porpora nelle loro deliberazioni. ARTICOLO VI Entro un termine non maggiore di 15 giorni, a datare dalla sua prima riunione, la Commissione
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Gemäß Artikel 2 des Untersuchungsabkommens wurde eine dreiköpfige Kommission gebildet. Es wurden folgende drei Marineoffiziere von ihren jeweiligen Staaten benannt: Kapitän Th. Somborn für Frankreich, Kapitän G. Genoese Zerbi für Italien und als Kommissionsvorsitzender fungierte Kapitän J. R. Segrave von der britischen Royal Navy.480 Die britische Regierung brachte zudem anlässlich ihrer Zustimmung zu der Übertragung der Aufgabe den Kommissionsvorsitzenden zu benennen noch einen Vorbehalt aus. Dies wurde von britischer Seite in Anbetracht der übrigen Zwischenfälle zur See zwischen Italien und Frankreich als erforderlich angesehen.481 In der britischen Erklärung hieß es, „si d’autres cas se présentaient dans l’avenir où appel devrait être fait à un organe juridictionnel ou semi-juridictionnel, le gouvernement de Sa Majesté pensait que le gouvernement français partagerait son opinion bien arrêtée que le recours à un tribunal de prises en première instance constitue la solution normale et la plus convenable.“482 Die Kommission verfügte über zwei Sekretäre. Es handelte sich dabei jeweils um einen französischen und einen italienischen Marineoffizier.483 Während ihrer Tätigkeit ernannte die Kommission noch einen Briten, um die offiziellen Akten der Untersuchung zu führen. Außerdem wurde durch das französische Kommissionsmitglied noch ein italienischer Staatsangehöriger benannt, der mit der Übersetzung der maschinengeschriebenen Unterlagen der Kommission beauftragt wurde.484 Am 14. Juni 1912, noch vor der Arbeitsaufnahme durch die Untersuchungskommission, zeigte die italienische Regierung an, dass sie wünsche, dass der Kapitän der „Tavignano“, der Erste Offizier des Schiffes sowie einer der Steuermänner, internazionale inchiesta determinerà le conclusioni del suo rapporto e le comunicherà a ciascuno dei due governi. ARTICOLO VII Ciascuna parte sosterrà le proprie spese e una quota eguale di quelle della commissione. ARTICOLO VIII Per tutto ciò che non è preveduto dalla presente convenzione, saranno applicabili alla Commissione le disposizioni della Convezione dell’Aja del 18 ottobre 1907 per il regolamento pacifico dei conflitti internazionali.“ 480 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 15. 481 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 103. 482 Zitiert nach: André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/ Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 102 f. 483 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Diputes by Means of Inquiry, S. 148; André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 103. 484 Siehe Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Diputes by Means of Inquiry, S. 148 Fn. 14.
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welcher italienischer Staatsangehöriger war, durch die Kommission befragt würden.485 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission nahm ihre Tätigkeit am 1. Juli 1912 in La Valletta, dem Hauptort der britischen Kolonie Malta, auf.486 Auf der ersten Kommissionssitzung an diesem Tag wurden von dem französischen und dem italienischen Kommissionsmitglied Listen mit den Zeugen vorgelegt, von denen sie jeweils wünschten, dass die Untersuchungskommission diese Zeugen vernehmen solle.487 Die französische Liste beinhaltete vor allem die Besatzungsmitglieder der „Tavignano“, etwa den Kapitän, den Ersten Offizier, den ersten und zweiten Maschinisten, den Zeugmeister und den Rudergänger des Schiffes sowie die Eigner der Mahonen „Camouna“ und „Gaulois“.488 Von italienischer Seite sollten vor allem die Besatzungsmitglieder der Kriegsschiffe „Fulmine“ und „Canopo“ im Rahmen der Untersuchung vernommen werden,489 unter ihnen die jeweiligen Kommandanten. Es wurde von der Kommission beschlossen, dass die von Italien benannten Zeugen auf Malta vernommen werden sollten; die von französischer Seite benannten Zeugen sollten teils auf Malta und teils in dem tunesischen Küstenort Zarzis vernommen werden (in den dortigen Gewässern hatten sich die Ereignisse, die zu der Einsetzung der internationalen Untersuchungskommission führten, zugetragen). Als Daten für die Anhörungen der Zeugen wurden der 5., der 8. sowie der 12. Juli 1912 vorgesehen. Dem italienischen und dem französischen Kommissionsmitglied wurde jeweils die Aufgabe übertragen, dafür zu sorgen, dass die Zeugen ihrer jeweiligen Seite vor der 485
André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 103. 486 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 15 f. 487 Vgl. Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 15. 488 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 13. 489 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 11.
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Kommission erscheinen. Zudem hielt es die Untersuchungskommission für nötig, dass im Rahmen der Untersuchung die Gewässer vor Zarzis in Augenschein genommen werden sollten. Man entschied, zu diesem Zwecke eine Yacht zu mieten.490 Die zweite Sitzung der internationalen Untersuchungskommission fand bereits am 2. Juli 1912 statt. Auf der Sitzung überreichte das französische Kommissionsmitglied verschiedene Dokumente, welche die französische Seite in dem Verfahren als Beweisstücke vorbringen wollte, an den italienischen Sekretär; das italienische Kommissionsmitglied übergab die Dokumente, die Italien in Augenschein genommen haben wollte, an den französischen Kommissionssekretär. Die Untersuchungskommission begutachtete die Dokumente (teilweise) direkt während der Sitzung.491 Zu den Dokumenten, welche die französische Seite vorlegte, gehörten unter anderem ein Originalauszug aus dem Logbuch der „Tavignano“ für den Zeitraum vom 31. Dezember 1911 bis zum 30. Januar 1912, das Original-Maschinenheft der „Tavignano“ für den Zeitraum vom 2. Dezember 1911 bis zum 3. Februar 1912, verschiedene Berichte und Briefe, welche den Zwischenfall betrafen, eine Seekarte und die Kopien verschiedener italienischer Dokumente.492 Der von italienischer Seite vorgelegte Dokumentensatz beinhaltete unter anderem einen Bericht des Chefs der Marine in Tripolitanien, einen Bericht des Kapitäns der „Fulmine“, einen Bericht des Kommandanten der „Canopo“, das Bordtagebuch der „Fulmine“ für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Januar 1912, das Bordtagebuch der „Canopo“ für diesen Zeitraum, das Maschinenbuch der beiden Kriegsschiffe für den Zeitraum vom 22. bis zum 28. Januar 1912 sowie verschiedene Briefe und Telegramme in der streitigen Angelegenheit.493 Die dritte Kommissionssitzung fand am 4. Juli 1912 statt. Auf dieser Sitzung wurde vom italienischen Kommissionsmitglied der Bericht von der „Gaulois“ über 490 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et lItalie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 15 f. 491 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 44. 492 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 17 ff. 493 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et lItalie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 24 ff.
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die Ereignisse angefordert. Zudem sollte der Eigner dieses Schiffes auf die italienische Liste von Zeugen gesetzt werden. Da das französische Kommissionsmitglied hiergegen keine Einwände vorbrachte, wurde das von dem italienischen Kommissionsmitglied Vorgebrachte vereinbart.494 Ebenfalls auf der dritten Kommissionssitzung legte das französische Kommissionsmitglied einen Untersuchungsbericht der tunesischen Behörden vor. Dieser sollte dazu beitragen, die Anschuldigungen des Kommandanten der „Fulmine“ zu untersuchen, der in seinem Bericht über die Vorkommnisse den Vorwurf erhoben hatte, dass die „Tavignano“, wenn nicht Kriegskonterbande, so doch gewöhnliche Konterbande an Bord gehabt hätte. Das italienische Kommissionsmitglied bemerkte zu dem französischen Vorbringen, dass der Bericht keine direkten Bezüge zu dem Gegenstand der Untersuchung habe. Daher solle das Schriftstück aus der Untersuchung zurückgezogen werden. Das französische Kommissionsmitglied willigte hierin ein.495 Von der vierten bis zur 19. Kommissionssitzung stand die Befragung der verschiedenen Zeugen im Mittelpunkt der Untersuchung.496 Bei ihrem Vor-Ort-Termin in den Gewässern vor Zarzis besichtigte die Kommission den Schauplatz der Geschehnisse, wobei besonders auf Sandbänke, die Wassertiefe und die Sichtbarkeit des Leuchtfeuers von Ras-Zira geachtet wurde; letzteres war in der gesamten Untersuchung ein wichtiger geographischer Bezugspunkt.497 Der Kommissionsvorsitzende fragte die beiden anderen Kommissionsmitglieder auf der 20. Sitzung der Untersuchungskommission am 18. Juli 1912, ob sie noch weitere Beweisstücke 494 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 59. 495 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 59 f. 496 Die vierte Kommissionssitzung fand am 5. Juli 1912 statt, siehe Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 66 ff.; die fünfte Sitzung ebenfalls am 5. Juli 1912, ebenda, S. 70 ff.; die sechste Sitzung am 6. Juli 1912, ebenda, S. 75 ff.; die siebte Sitzung ebenfalls am 6. Juli 1912, ebenda, S. 81 ff.; die achte Sitzung am 8. Juli 1912, ebenda., S. 88 ff.; die neunte Sitzung ebenfalls am 8. Juli 1912, ebenda, S. 97 ff.; die zehnte Sitzung am 9. Juli 1912, ebenda, S. 105 ff.; die elfte Sitzung am 10. Juli 1912, ebenda, S. 113 ff.; die zwölfte Sitzung ebenfalls am 10. Juli 1912, ebenda, S. 120 ff.; die 13. Sitzung am 11. Juli 1912, ebenda, S. 127 ff.; die 14. Sitzung ebenfalls am 11. Juli 1912, ebenda, S. 134 ff.; die 15. Sitzung am 12. Juli 1912, ebenda, S. 139 ff.; die 16. Sitzung am 13. Juli 1912, ebenda, S. 141 ff.; die 17. Sitzung am 13. Juli 1912, ebenda, S. 157 f.; die 18. Sitzung am 15. Juli 1912, ebenda, S. 159 ff. und die 19. Sitzung ebenfalls am 15. Juli 1912, ebenda, S. 166. 497 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of Disputes by Means of Inquiry, S. 148.
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einbringen wollten, noch Zeugen gehört oder neue Zeugen benannt werden sollten. All diese Fragen wurden von dem italienischen und dem französischen Kommissionsmitglied mit „Nein“ beantwortet. Daraufhin schloss der Kommissionsvorsitzende die Untersuchung und die Kommission zog sich zu Beratungen und zur Anfertigung des Abschlussberichts zurück.498 Während der Untersuchung kristallisierten sich mehrere Schwerpunkte und Fragenkomplexe heraus.499 Ein erster Problemkomplex betraf die Frage der Sicherung der Position der „Tavignano“. Der Kommandant des italienischen Kriegsschiffes „Fulmine“ und der ihm in der Befehlskette nachfolgende Offizier wurden von der Kommission gefragt, warum sie nicht gemeinsam mit dem Kapitän der „Tavignano“ den genauen Ort des Zusammentreffens der Schiffe bestimmt hätten. Zudem wurde der Offizier der „Fulmine“ vom Vorsitzenden der Untersuchungskommission gefragt, ob er selbst die Position der „Tavignano“ hätte bestimmen können, als er an Bord des Schiffes war. Der Offizier antwortete hierauf, dass er, da er das Schiff einvernehmlich betreten habe, geglaubt habe, dass ein solches Vorgehen nicht nötig gewesen wäre. Der Vorsitzende der Kommission fragte den Offizier weiter, ob er den Offizieren auf der „Tavignano“ vorgeschlagen habe, die Position des Schiffes genauer zu bestimmen. Der italienische Marineoffizier antwortete hierauf mit „Nein“. Das französische Kommissionsmitglied fragte den Offizier, warum er die „Tavignano“ nicht ersucht habe zu ankern, um die Position des Schiffes bestimmen zu können, nachdem die „Fulmine“ sich entfernt habe, um Mahonen zu verfolgen. Der Offizier antwortete hierauf, dass dies nicht möglich gewesen sei, da ihm sein Kommandant signalisiert habe, ihm zu folgen.500 Das Problem wurde auch Gegenstand der Befragung des Kommandanten der „Fulmine“. Das französische Kommissionsmitglied fragte diesen, ob er gewusst habe, dass der Kommandant der „Tavignano“ behauptet habe, dass sich sein Schiff in tunesischen Territorialgewässern befunden habe, als die Durchsuchung stattfand. Dies wurde von dem italienischen Kommandanten bejaht. Daraufhin wurde dieser von dem französischen Kommissionsmitglied weiter gefragt, warum er nicht selbst, in Anwesenheit des Kommandanten der „Tavignano“, die Position dieses Schiffes dort festgestellt habe. Der Italiener antwortete hierauf, dass ihm die Schwierigkeiten mit der „Tavignano“
498 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 167. 499 Zu diesen schon Nissim Bar-Yaccov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 149 ff. 500 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 162 ff.
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nicht bekannt gewesen seien, bis er von der Verfolgung der Mahonen zurückgekehrt sei.501 Ein weiterer wichtiger Themenkomplex der Untersuchung war die Frage der Wassertiefe an dem Ort, an dem die „Tavignano“ von dem italienischen Kriegsschiff durchsucht wurde.502 Der Kapitän der „Tavignano“ sagte, zum Beweis dafür, dass er sich während der fraglichen Ereignisse in tunesischen Territorialgewässern befunden habe, aus, dass eine Lotung im Beisein eines italienischen Offiziers stattgefunden habe, bei der eine Wassertiefe von 5,50 Metern festgestellt worden sei. Da der Bericht des Kommandanten der „Fulmine“ zu dem behaupteten Ereignis keine Feststellungen enthielt, fragte der Kommissionsvorsitzende den Ersten Offizier der „Fulmine“, ob die Frage der Lotung an Bord der „Tavignano“ gestellt worden sei. Der Zeuge antwortete, dass diese Frage aufkam, nachdem die „Tavigano“ der „Fulmine“ nachgefahren sei. Der Kommandant der „Tavignano“ hätte dann eine Lotung erbeten. Das Ergebnis der Lotung sei zur Brücke gebracht worden. Der italienische Offizier erinnerte sich, dass jemand „quinze mètres“ gesagt habe, und dass der Erste Offizier der „Tavignano“ „quindici metri“ gesagt habe, wie er denke.503 Im weiteren Verlauf der Untersuchung wurde der Kommandant der „Tavignano“ vom französischen Kommissionsmitglied gefragt, ob er dem italienischen Offizier das Lotungsinstrument gezeigt habe. Der Kommandant erwiderte, dass er an den Bootsmann das Kommando „Sondez“ gegeben habe. Der Bootsmann rief daraufhin sehr laut „cinq mètres, cinq mètres cinquante“. Der Erste Offizier der „Tavignano“ sei auf der Brücke gewesen; der Kapitän habe ihm gesagt, er solle gehen und das Lotungsinstrument überprüfen. Er habe die gleiche Tiefe festgestellt.504 Das italienische Kommissionsmitglied fragte nach, ob die Lotung in Gegenwart des italienischen Offiziers durchgeführt worden sei. Der Kapitän der „Tavignano“ antwortete hierauf, dass der italienische Offizier neben ihm auf der Brücke gewesen sei, welche sehr tief gelegen sei und von der aus man alles sehen könne, was an Deck vorgehe. Zudem zitierte der Kommandant der „Tavignano“ den italienischen Offizier, der gesagt 501 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 67 f. 502 Siehe auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 150. 503 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 77 f. (insbesondere 78). 504 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 112.
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habe: „Je vais rendre compte au Commandant et je pense qu’il vous laissera continuer votre route.“505 Weitere Fragen, welche von der Untersuchungskommission an verschiedene Zeugen gestellt wurden, betrafen Geschwindigkeiten, Sicht, Entfernungen, Fahrtrichtungen, die Windstärke, die Farbe des Wassers, die Beschaffenheit des Meeresbodens und allgemein die Beschaffenheit der See in dem fraglichen Gebiet.506 Zum Teil wurden von der Kommission auch einige Auslassungen und Inkonsistenzen in den Berichten über die fraglichen Ereignisse aufgedeckt.507 So wurde etwa der Hauptsignalgast der „Fulmine“ von dem französischen Kommissionsmitglied gefragt, ob es nicht die Pflicht und auch die Gewohnheit eines Hauptsignalgastes sei, den Zeitpunkt zu notieren, an dem er zwei Schiffe, zwei Mahonen und ein Leuchtfeuer auf einmal sehe. Das französische Kommissionsmitglied erhielt hierauf die Antwort, dass er, der Hauptsignalgast, keine Zeit gehabt habe, solche Aufzeichnungen vorzunehmen, da der Kommandant zu warnen gewesen sei, die Besatzungsmitglieder auf ihre Posten zu rufen gewesen seien und er mit den Beobachtungen beschäftigt gewesen sei, insbesondere da der Kommandant sofort erschienen wäre.508 Andererseits bemerkte das italienische Kommissionsmitglied gegenüber dem Kommandanten der „Tavignano“, dass laut dem Maschinenbericht des Schiffes dessen Geschwindigkeit mit 100 Umdrehungen angegeben sei. Das italienische Kommissionsmitglied fragte den Offizier der „Tavignano“ daraufhin, warum im Logbuch des Schiffes hingegen eine Geschwindigkeit von acht Knoten verzeichnet sei. Der Kommandant der „Tavignano“ antwortet, dass es sich um einen Fehler handele und dass die Geschwindigkeit tatsächlich neun Knoten betragen hatte.509 Der Kommission nahm ihren Abschlussbericht auf der 21. Sitzung am 23. Juli 1912 an. Der Bericht wurde dabei einstimmig beschlossen und sowohl von dem 505 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 116. 506 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 150. 507 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 150 f. 508 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 94. 509 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 109.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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Kommissionsvorsitzenden als auch von den übrigen Kommissionsmitgliedern unterzeichnet.510 Die beiden Sekretäre der Kommission waren bei den abschließenden Beratungen nicht anwesend und nahmen auch nicht an der Erstellung des Abschlussberichtes teil.511 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission legte einen sehr knappen Abschlussbericht vor.512 Nach Auffassung der Kommission reichten die Beweise und vorhandenen Dokumente nicht aus, um die exakten geographischen Punkte zu ermitteln, an denen sich die verschiedenen Vorfälle, die zu untersuchen waren, zugetragen hatten. Daher gab die Kommission für die verschiedenen Schiffe einzelne, durch Längen- und Breitengrade markierte Zonen an, in denen sich ihrer Auffassung nach die Geschehnisse ereignet hatten. Eine Seekarte, auf der die Zonen und Koordinaten eingezeichnet gewesen wären, war dem Abschlussbericht jedoch nicht beigegeben.513 bb) Nachdem der Abschlussbericht verabschiedet worden war, stellte die Regierung Frankreichs an die Regierung Italiens zwei Forderungen:514 Erstens müsse letztere ihr Bedauern hinsichtlich der „Tavignano“ ausdrücken, und zweitens müsse eine kleine Reparation hinsichtlich der beiden Mahonen gezahlt werden. Diese seien zwar nicht beschädigt worden, jedoch habe der Beschuss große Spannungen ausgelöst. Sollte Italien den französischen Forderungen nicht nachkommen, müsse sich Frankreich in der Angelegenheit an das Schiedsgericht wenden, welches zur Entscheidung über die „Carthage“- und „Manouba“-Fälle eingesetzt worden war.515 Italien weigerte sich, den französischen Forderungen nachzukommen.516 Am 510 Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torpilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 181. 511 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 148. 512 Der Abschlussbericht findet sich in: Commission internationale d’enquête constituée a Malte es vertu de la convention d’enquête signée à Rome entre la France et l’Italie la 20 Mai 1912, Incidents du vapeur français „Tavignano“ et des mahones „Camouna“ et „Gaulois“ – Arrètes et visités par les contre-torprilleurs „Fulmine“ et „Canopo“ de la Marine Royale Italienne: Documents et Procès-Verbaux, S. 177 ff.; die französische Version des Berichts ist zudem wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 616 f.; in diesem Abdruck nimmt der Abschlussbericht nur etwas über 1,5 Seiten ein. Die englische Übersetzung findet sich ebenda auf S. 413 ff. 513 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 151. 514 Hierzu und zum Folgenden auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 151 f. 515 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 104. 516 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 152.
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8. November 1912 trafen beide Regierungen eine Schiedsvereinbarung.517 Gemäß Artikel 1 dieser Vereinbarung sollte sich das Schiedsgericht auf der Grundlage des Untersuchungsabkommens vom 15. April 1912 zu den Zwischenfällen bezüglich der Aufbringung des französischen Dampfers „Tavignano“ und der Kanonenschüsse, die auf die beiden tunesischen Mahonen gerichtet waren, verhalten, und Entscheidungen hinsichtlich der Rechtsfragen und der Feststellung von Verantwortlichkeiten treffen, sowie eine gerechte Reparation für die immateriellen und materiellen Schäden festlegen. In allen Fragen, welche Tatsachen betrafen, war das Schiedsgericht gemäß Artikel 2 der Vereinbarung gehalten, sowohl den Abschlussbericht der Untersuchungskommission als auch deren procès-verbaux zu nutzen. Nach Artikel 3 der Schiedsvereinbarung mussten die Parteien ihre Schriftsätze und Dokumente bis zum 25. Januar 1913 beim Büro des Ständigen Schiedshofes in Den Haag einreichen. Am 1. März 1913 mussten sodann die Erwiderungsschriftsätze mit den zugehörigen Papieren und die abschließenden Schlussfolgerungen bei der internationalen Streitbeilegungsinstitution eingereicht werden. Nachdem das Schiedsgericht die Verfahren zu den Fällen der „Carthage“ und der „Manouba“ beendet hatte, wollte es sich der Angelegenheit bezüglich der „Tavignano“ und der beiden Mahonen zuwenden.518 Doch bevor dies geschehen konnte, unterzeichneten die französische und die italienischen Regierung am 2. Mai 1913 eine weitere Vereinbarung.519 In dieser wurde erklärt, dass, da die beiden Angelegenheiten der „Carthage“ und der „Manouba“ durch Schiedsspruch geklärt würden, eine direkte Regelung der Angelegenheiten bezüglich der „Tavignano“ und der beiden Mahonen besonders erstrebenswert sei. Daher sei es gerecht, die Personen, welche durch die Zwischenfälle Verluste erlitten hätten, zu entschädigen. Die Regierung Italiens erklärte sich bereit, eine Summe von 5.000 Franc zu diesem Zweck zu zahlen. Die Regierung Frankreichs erklärte im Gegenzug, dass sie diese Summe annehmen würde und die Angelegenheit als abschließend geregelt ansehe. Die Vereinbarung enthielt allerdings keine Entschuldigung von Seiten Italiens für die Vorfälle, so wie sie die französische Seite zuvor noch gefordert hatte.520
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Der Text der Schiedsvereinabrung ist in französicher Sprache wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 621 f. (englische Fassung S. 419 f.). 518 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 152. 519 Der Text der Vereinbarung ist in französischer Sprache wiedergegeben in: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports, S. 623 f. (englische Fassung S. 421). 520 André Gros, in: Vladimir Ibler (Hrsg.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, S. 104 f. vermutet insoweit, dass Frankreich auf eine Entschuldigung Italiens verzichtet habe, um die Beziehungen zwischen beiden Staaten nicht zu gefährden.
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2. Der „Tiger“-Zwischenfall521 a) Historischer Hintergrund Am 7. Mai 1917, also während des Ersten Weltkriegs, wurde das norwegische Schiff „Tiger“ vor der Nordküste Spaniens zwischen dem Kap Villano und dem Kap Machichaco durch das deutsche Unterseeboot „U.B. 69“ beschlagnahmt, von der deutschen Besatzung durchsucht und anschließend versenkt. Die Versenkung des neutralen Schiffs wurde von deutscher Seite damit gerechtfertigt, dass es Konterbande an Bord gehabt hätte. Zwischen dem ebenfalls neutralen Spanien und Deutschland entbrannte daraufhin eine Streitigkeit darüber, wo sich der Zwischenfall ereignet habe. Während die spanische Regierung der Auffassung war, dass der Zwischenfall in spanischen Hoheitsgewässern stattgefunden hätte, vertrat die deutsche Regierung den Standpunkt, der Vorfall habe sich auf der Hohen See ereignet.522 b) Einsetzung der Kommission Unmittelbar nach dem Zwischenfall wurden von den spanischen Behörden Beweise in dem Fall aufgenommen, welche als Grundlagen für diplomatische Verhandlungen mit der Regierung des Deutschen Reiches dienen sollten. Spanien verfolgte dabei das Ziel, von Deutschland eine angemessene Entschädigung für die Verletzung der spanischen Neutralität zu erhalten.523 Am 15. Mai 1917 informierte Polo de Bernabé, Botschafter Spaniens in Berlin, den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Arthur Zimmermann, über den Angriff des deutschen Kriegsschiffes auf das norwegische Schiff „Tiger“.524 In der Folge kam es zu einem langwierigen diplomatischen Austausch zwischen beiden Staaten über das weitere Vorgehen in der Angelegenheit.525 Der spanische Diplomat teilte mit, dass sich die Ereignisse kurz vor Mittag des 7. Mais 1917 zugetragen hätten. Zu dem Angriff sei es in einer Meile Entfernung von der spanischen Küste gekommen; gegenüber der Reede von Baquio und etwa drei Meilen entfernt vom Kap Machichaco. Das deutsche Unterseeboot habe bei der Aktion sechs Kanonenschüsse sowie Gewehrschüsse auf das norwe521 Die Originaldokumente der internationalen Untersuchungskommission bezüglich des „Tiger“-Zwischenfalles befinden sich in der Bibliothek des Ständigen Schiedshofes in Den Haag. Auf eine Anfrage des Verfassers hin wurde diesem mitgeteilt, dass diese nicht öffentlich zugänglich seien. Daher beruhen die folgenden Ausführungen (fast) ausschließlich auf den Schilderungen von Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 156 bis 167, dem die Dokumente offensichtlich zu Beginn der 1970er Jahre zugänglich gemacht wurden. 522 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 47; Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 156. 523 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 156. 524 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 156. 525 Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 47.
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gische Schiff abgegeben, von denen vier Schüsse dieses getroffen hätten. Die Besatzung der „Tiger“ sei in ein Rettungsboot geflüchtet. Fünf Besatzungsmitglieder des deutschen Unterseebootes hätten daraufhin die „Tiger“ geentert, dort Sprengsätze platziert, den Antrieb in Gang gesetzt, und, nachdem das norwegische Schiff die Drei-Meilen-Zone verlassen habe, sei es versenkt worden.526 Der spanische Botschafter merkte an, dass diese Ereignisse nicht nur von dem Kapitän und dem Ersten Offizier der „Tiger“ bezeugt werden könnten, sondern auch von vielen spanischen Fischern. Die Aktion gegen das norwegische Schiff wurde als sehr gravierende Verletzung der spanischen Hoheitsgewässer bezeichnet. Zudem protestierte der spanischen Botschafter energisch und forderte eine harte Bestrafung des Kommandanten und der Besatzung des deutschen Unterseebootes, die sich einer Aggression schuldig gemacht hätten, deren Opfer ein neutrales Schiff gewesen sei, welches unter spanischem Schutz gefahren wäre. Zudem wurde von spanischer Seite eine Forderung nach Reparationen für die entstandenen Schäden erhoben. Diese wurden auf Artikel 3 des XIII. Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 betreffend die Rechte und Pflichte von Neutralen im Falle eines Seekrieges gestützt, welcher vorsieht, dass in dem Fall, dass ein Schiff innerhalb der Küstengewässer einer neutralen Macht weggenommen wurde, diese Macht, sofern sich die Prise noch in ihrem Hoheitsbereich befindet, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel anzuwenden hat, um die Befreiung der Prise mit ihren Offizieren und Mannschaften herbeizuführen und die von dem Wegnehmenden auf die Prise gelegte Besatzung bei sich festzuhalten. Befindet sich die Prise hingegen außerhalb des Hoheitsbereiches der neutralen Macht, so hat auf Verlangen dieser Macht die nehmende Regierung die Prise mit ihren Offizieren und Mannschaften herauszugeben. Weiterhin wurde von Deutschland eine Entschuldigung für den Missbrauch der spanischen Souveränität verlangt sowie ein höchst formales Versprechen, dass Handlungen, die gegen Artikel 1 und 2 des XIII. Haager Abkommens verstoßen, sich in der Zukunft nicht wiederholen. Die erste der genannten Vorschriften sieht dabei vor, dass die Kriegsführenden verpflichtet sind, die Hoheitsrechte der neutralen Mächte zu achten und sich in neutralem Gebiet und in neutralen Gewässern jeder Handlung zu enthalten, welche auf Seiten der Mächte, die sie dulden, eine Verletzung ihrer Neutralität darstellen würde. Die zweite Vorschrift besagt, dass alle von Kriegsschiffen der Kriegsführenden innerhalb der Küstengewässer einer neutralen Macht begangenen Feindseligkeiten, mit Einschluss der Wegnahme und der Ausübung des Durchsuchungsrechts, Neutralitätsverletzungen darstellen und unbedingt untersagt sind. Letztlich sprach der spanische Botschafter noch die Warnung aus, dass seine Regierung bereit sei, die mächtigsten Mittel einzusetzen, um die Respektierung der spanischen Neutralität und Souveränität durchzusetzen.527 Am 26. Mai 1917 teilte Zimmermann dem spanischen Botschafter mit, dass nach Angaben des Berichts der Kommandanten des Unterseebootes, die „Tiger“ außer526 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 156 f. 527 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 157.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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halb der spanischen Hoheitsgewässer angehalten und schließlich versenkt worden sei. Als das Unterseebot auf die „Tiger“ getroffen sei und sie um ein Anhalten ersucht habe, habe der norwegische Kapitän versucht, die spanischen Hoheitsgewässer zu erreichen, wurde hieran aber durch die Abgabe mehrerer Schüsse gehindert. Der deutsche Kommandant habe dann eine Peilung zur Bestimmung der Position des norwegischen Schiffes vorgenommen. Diese habe es ihm erlaubt, mit höchster Genauigkeit zu bestimmen, dass sich das Schiff mehr als drei Seemeilen vom Ufer entfernt befand. Der Kommandant habe keinen Grund gehabt, die Genauigkeit der Messung anzuzweifeln, insbesondere, da das klare Wetter die Beobachtung erleichtert habe. Schließlich gab der deutsche Staatssekretär noch bekannt, dass die deutsche Regierung bereit sei, die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Beweislage durch eine unparteiische internationale Untersuchung klären zu lassen.528 Am 7. Juni 1917 übermittelte Staatssekretär Zimmermann dem spanischen Botschafter die Ergebnisse der Untersuchung der Angelegenheit, welche durch die deutschen Marinebehörden angeordnet worden war. Die Untersuchung habe ergeben, dass die „Tiger“ in einer Distanz von 3,8 Seemeilen vom Festland aus beschlagnahmt worden sei. Um zu verhindern, dass das Schiff durch die Strömung näher an das Land herangetragen würde, habe der deutsche Kommandant der Prisenmannschaft befohlen, das Schiff weiter auf See hinaus zu bringen. Die „Tiger“ sei dann bei 43833” nördlicher Breite und 2854” westlicher Länge versenkt worden.529 Unter diesen Umständen glaube die deutsche Regierung, dass die spanische Regierung ihren Protest nicht aufrechterhalten würde. Falls die spanische Regierung jedoch ihre eigenen Informationen, die ihr selbst zur Verfügung stünden, als richtig ansehen würde, erkläre sich die deutsche Regierung bereit, die Angelegenheit zu einer unparteiischen Untersuchung an eine internationale Kommission zu überweisen, die feststellen solle, ob die „Tiger“ innerhalb oder außerhalb einer Zone von drei Seemeilen von der spanischen Küste aus verfolgt, beschlagnahmt und versenkt worden sei. Die deutsche Regierung erkläre sich im Voraus bereit, die Entscheidung einer solchen Kommission als absolut und bindend anzuerkennen. Die spanische Regierung ließ am 29. April 1918 das Auswärtige Amt durch ihren Botschafter in Berlin wissen, dass man nun bereit sei, die Angelegenheit einer Lösung zuzuführen. Hierzu solle die Methode angewendet werden, welche vom Deutschen Reich in den beiden Noten aus dem Frühjahr des Vorjahres angedacht worden war. Eine internationale Kommission solle feststellen, ob die Aktion hinsichtlich der „Tiger“ in spanischen Hoheitsgewässern stattgefunden habe. Die Zusammensetzung und die Funktionsweise der Kommission würden Gegenstand der weiteren Verhandlungen zwischen den beiden Staaten sein.530
528 529 530
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 157. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 158. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 159.
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Am 20. Mai 1918 reagierte das Auswärtige Amt auf dieses Ansinnen dahingehend, dass man der spanischen Botschaft in einer Note mitteilte, dass die deutsche Regierung immer noch dazu bereit sei, die Angelegenheit durch eine internationale Kommission in unabhängiger Weise untersuchen zu lassen. Die Untersuchung solle dabei auf Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 basieren. Weiterhin wurde vorgeschlagen, dass eine Kommission aus drei Personen gebildet werden solle: Jeweils aus einem deutschen, einem spanischen und einem neutralen Marineoffizier, wobei dieser Offizier durch den König von Dänemark nominiert werden solle. Der Sitz der Kommission solle in Berlin sein, da der Kommandant des U-Bootes nicht die Reise nach Spanien antreten könne. Der Praxis in ähnlichen Fällen folgend, solle jede der beiden Seiten einen besonderen Agenten benennen, der den Anweisungen seiner jeweiligen Regierung folge und dazu bestimmt sei, im Rahmen der Untersuchung deren Sichtweisen vorzutragen und notwendige Anträge zu stellen. In allen anderen Angelegenheiten sollten die Verhandlungen vor der Kommission in größtmöglicher Freiheit ablaufen und nicht durch Formalitäten behindert werden. Zudem benannte man von deutscher Seite bereits einen Kapitän, Vanselow, als Kommissionsmitglied und forderte Spanien auf, eine solche Benennung ebenfalls vorzunehmen. Um die Bestimmung des Vorsitzenden der Kommission sollten sich der deutsche und der spanische Gesandte in Dänemark bemühen.531 In der spanischen Antwort vom 23. Juli 1918 unterrichtete die spanische Botschaft in Berlin das Auswärtige Amt davon, dass das Verständnis der spanischen Regierung in der Angelegenheit dahin gehe, dass beide Regierungen im Voraus die Entscheidung der Untersuchungskommission als bindend anerkannt hätten, sodass für die Anwendung des Artikels 14 des I. Haager Abkommens von 1899 kein Platz mehr sei, da die Parteien bereits die Freiheiten, die diese Vorschrift lasse, aufgehoben hätten. Weiterhin wurde von spanischer Seite angemerkt, dass es natürlicher sei, wenn die Untersuchungskommission ihren Sitz in Kopenhagen habe, da es sich bei deren Vorsitzenden höchstwahrscheinlich um einen dänischen Offizier handeln würde.532 Am 9. August 1918 unterrichtete das Auswärtige Amt die spanische Seite darüber, dass die deutsche Regierung der Sichtweise, die in der Mitteilung vom 23. Juli geäußert worden war, voll und ganz zustimme. Konsequenterweise müsse die spanische Regierung ihren Protest zurückziehen, wenn sich herausstellen sollte, dass sich die Versenkung der „Tiger“ außerhalb der spanischen Hoheitsgewässer ereignet hätte. Im Falle der Versenkung des Schiffes innerhalb der spanischen Hoheitsgewässer hingegen, müsse die deutsche Regierung der spanischen Regierung diejenige Genugtuung verschaffen, die ihr nach dem Völkerrecht zustünde und auch die Konsequenzen akzeptieren, die sich im Hinblick auf interessierte dritte Parteien ergeben würden. Außerdem schlug die deutsche Regierung vor, dass für die Untersuchung nicht, wie ursprünglich angedacht, die Regeln über internationale Un531 532
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 159. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 160.
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tersuchungen nach dem I. Haager Abkommen von 1899 zur Anwendung gelangen sollten, sondern diejenigen des I. Haager Abkommens von 1907. Auch stimmte man zu, dass die Kommission ihren Sitz in der dänischen Hauptstadt haben solle.533 Nachdem die Details der anstehenden Untersuchung geklärt waren, benannte Spanien Fregattenkapitän Joaquin Montague y Miro als Kommissionsmitglied sowie den Sonderauditor der spanischen Marine José Tapia zu ihrem Agenten. Der Jurist Dr. Scheurer wurde mit der Vertretung der deutschen Interessen beauftragt und man benannte Kapitän Horn zum Mitglied der Kommission, welcher den ursprünglich vorgeschlagenen Kapitän Vanselow ersetzte. Der dänische König Christian X. benannte schließlich Konteradmiral Thomas Vilhelm Garde zum Vorsitzenden der Untersuchungskommission.534 Damit bestand eine internationale Untersuchungskommission erneut ausschließlich aus Marineoffizieren.535 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission hielt zur Aufklärung des zwischen Deutschland und Spanien umstrittenen Sachverhalts insgesamt sechs Sitzungen im Zeitraum vom 1. bis zum 8. November 1918 ab. Auf ihrer ersten Sitzung einigten sich die Kommissionsmitglieder darauf, zwei Sekretäre und zwei Stenographen zu bestellen. Bei den Sekretären handelte es sich um einen Abteilungsleiter aus dem dänischen Außenministerium sowie um einen Archivar des dänischen Parlaments.536 Im seinem weiteren Verlauf war der erste Sitzungstag von der Regelung prozessualer Fragen geprägt. Der Kommissionsvorsitzende wies zunächst darauf hin, dass die spanische und die deutsche Regierung sich darauf geeinigt hätten, dass es Aufgabe der Kommission sei, die Frage zu untersuchen, ob das norwegische Schiff „Tiger“ von einem deutschen Unterseeboot, innerhalb oder außerhalb der spanischen DreiMeilen-Zone, verfolgt, aufgebracht und versenkt worden sei und die diesbezügliche Wahrheit festzustellen. Weiterhin stellte der Vorsitzende fest, dass die Untersuchung auf Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1907 fußen würde. Außerdem brachte er die Ansicht vor, dass die Kommission die Regeln des dritten Teils des I. Haager Abkommens von 1907 anwenden solle, mit der Ausnahme von Artikel 34, da die Parteien vereinbart hätten, dass der Abschlussbericht der Kommission nicht in öffentlicher Sitzung verlesen werden solle.537 Weiterhin stellte der Vorsitzende fest, dass in Übereinstimmung mit einer Mitteilung, welche er an die beiden Parteien gerichtet habe, Französisch die Arbeitssprache der Kommission sein würde. Zudem schlug er vor, dass die Zusammenkünfte der Kommission nur in zusammenfassenden 533
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 160. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 160. 535 Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 48. 536 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 160 f. 537 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 161. 534
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Aufzeichnungen festgehalten werden sollten und kein Wortlautprotokoll geführt werden solle. Lediglich das jeweilige Vorbringen der Parteien sowie besondere Erklärungen und die Aussagen der Zeugen sollten im Wortlaut aufgezeichnet werden. Der Vorschlag des Vorsitzenden wurde von der Kommission angenommen.538 Zuletzt schlug der Kommissionsvorsitzende vor, dass eine Kopie des Kommissionsprotokolls an den König von Dänemark übergeben und eine weitere Kopie, in Übereinstimmung mit Artikel 16 des I. Haager Abkommens von 1907, an das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes übersandt werden solle. Auch dieser Vorschlag wurde angenommen.539 Neben den Vorschlägen des Kommissionsvorsitzenden wurden noch Vorschläge von weiteren am Verfahren beteiligten Personen geäußert. Das von Deutschland benannte Kommissionsmitglied, Kapitän Horn, schlug vor, dass die wesentlichen Inhalte der mündlichen Beratungen im Anschluss in die deutsche Sprache übersetzt werden sollten. Zudem schlug Dr. Scheurer vor, dass die Exposés der Vertreter der beiden Parteien, soweit möglich, auf schriftlichen Entwürfen basieren sollten. Nachdem die Exposés verlesen worden seien, müssten diese der Kommission und den Vertretern der Gegenseite zugänglich gemacht werden. Durch diese Herangehensweise würden Missverständnisse vermieden. Beide Vorschläge wurden angenommen.540 Die Prozessvertreter Deutschlands und Spaniens verlasen noch im ersten Sitzungstermin die Exposés in der Angelegenheit. Zudem reichten sie bei der Untersuchungskommission die weiteren Dokumente sowie Seekarten ein.541 Der spanische Vertreter fasste die Ergebnisse der Untersuchungen in dem Fall zusammen, die durch die spanischen Behörden durchgeführt worden waren und legte das Original des entsprechenden Untersuchungsberichts zusammen mit einer Übersetzung in die französische Sprache vor. Außerdem ging er auf den Protest ein, den die spanische Regierung in der Sache gegenüber der deutschen Seite ausgebracht hatte und präsentierte die entsprechenden Vermerke.542 Der deutsche Vertreter trug vor allem den schriftlichen Bericht des Kommandanten des Unterseebootes vor, den dieser Ende Oktober 1918 zum Zwecke der Verwendung im Rahmen der Untersuchung gefertigt hatte, wobei dieser Report im Wesentlichen den gleichen Inhalt hatte wie derjenige, der von der deutschen Regierung an die spanische Regierung am 7. Juni 1917 übermittelt worden war. Allerdings enthielt der Bericht die wichtige Änderung, dass die „Tiger“ zum Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme 3,2 Seemeilen von der spanischen Küste entfernt gewesen sei und nicht 3,8 Seemeilen, wie dies in dem deutschen Regierungsbericht angegeben war. Zudem wurde in dem Bericht verzeichnet, dass das Logbuch des Unterseebootes sowie die nautischen Karten der „Tiger“ verloren 538 539 540 541 542
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 161. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 161. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 161. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 161. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162.
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gegangen seien, als das Unterseeboot „U.B. 69“ zerstört worden sei.543 Zudem wies der deutsche Vertreter darauf hin, dass der Stabschef der deutschen Marine in einem Telegramm an die Admiralität erklärt habe, dass die „Tiger“ außerhalb der spanischen Hoheitsgewässer versenkt worden sei. Er wies ferner darauf hin, dass er keine Probleme sehe, den Fall vor ein Schiedsgericht zu bringen, sollte dies nötig werden.544 Im weiteren Verlauf der ersten Sitzung verzichtete die Untersuchungskommission darauf, Zeugen beider Seiten in dem Verfahren persönlich zu vernehmen. Zuvor hatte die deutsche Seite darauf hingewiesen, dass dem Kommandanten von „U.B. 69“ zwar befohlen worden sei, vor der Kommission zu erscheinen, allerdings hätten Dienstpflichten ein solches Erscheinen verhindert. Der spanische Vertreter wies daraufhin, dass die spanischen Zeugen jederzeit vor die Kommission geladen werden könnten, wenn diese es so wünsche.545 Die zweite Sitzung der Untersuchungskommission war zunächst von einer Diskussion zwischen dem spanischen und dem deutschen Vertreter darüber bestimmt, wie es hatte geschehen können, dass das Logbuch des Unterseebootes an Bord hätte bleiben können, obwohl es für die Beilegung der Streitigkeit zwischen den beiden Regierungen von Bedeutung war. Auf diesen Vorwurf der spanischen Seite hin ließ sich der deutsche Vertreter dahingehend ein, dass es zwar ein Fehler der deutschen Admiralität gewesen sei, das Logbuch nicht zu sichern, jedoch sei es für den weiteren Einsatz der Bootes in den Gewässern, in denen es auch zuvor operiert hatte, von Bedeutung gewesen. Im Übrigen habe der Stabschef der deutschen Marine das Logbuch untersucht.546 Im weiteren Verlauf der zweiten Kommissionssitzung wurde zunächst der spanische Vertreter vom Kommissionsvorsitzenden gefragt, ob er bereit sei, auf das Exposé der deutschen Seite aus der vorherigen Sitzung zu antworten. Dies wurde von dem Spanier verneint. Das spanische Kommissionsmitglied wies darauf hin, dass dem spanischen Vertreter nicht bewusst gewesen sei, dass er eine schriftliche Antwort hätte präsentieren müssen. Hieraufhin wies der Kommissionsvorsitzende auf das in Artikel 19 des I. Haager Abkommens von 1907 verankerte Recht beider Parteien hin, gehört zu werden, und machte darauf aufmerksam, dass bereits zu Beginn des Verfahrens entschieden worden sei, dass die Exposés der Vertreter, wann immer möglich, auf schriftlichen Texten basieren sollten.547 In der Folge wurde dann dem deutschen Vertreter die Möglichkeit zur Vorstellung eines zweiten Exposés eingeräumt. Dieser nutzte die Gelegenheit zu einer Analyse der dokumentierten Aussagen der Mannschaft der „Tiger“ sowie der spanischen Fischer. Hierbei bemühte sich der deutsche Vertreter, Widersprüche in den Aussagen hervorzuheben und wies daraufhin, dass die Messungen im fraglichen Seegebiet ohne hinreichend taugliche Instrumente durchgeführt worden seien. Allerdings betonte er auch, dass 543
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162. 545 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162. 546 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162 f. 547 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 163. 544
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die Fischer die entscheidende Distanz von der Küste mit zwei bis drei Seemeilen angegeben hätten, was sehr nahe an der von deutscher Seite behaupteten 3,2-Seemeilen-Distanz sei.548 Während der Verlesung des Exposés bemerkte der Kommissionsvorsitzende, dass er von dem Direktor des Königlichen Hydrographischen Instituts von Spanien darauf hingewiesen worden sei, dass auf der von dem deutschen Vertreter vorgelegten Fotografie der Seekarte das Kap Machichaco 0,2 Seemeilen weiter in das Meer projiziert worden sei, als dies tatsächlich der Fall wäre. Dies sei darauf zurückzuführen, dass durch den fotografischen Prozess, das auf der Karte eingezeichnete Licht des Leuchtturms so projiziert worden sei, als handele es sich um einen Teil der Landmasse.549 Zudem wurde in der zweiten Sitzung von dem Kommissionsvorsitzenden noch das Problem aufgeworfen, dass in einer Note der deutschen Regierung vom 16. September 1918 erklärt worden sei, dass die gesamte Mannschaft von „U.B. 69“ als potenzielle Zeugen zur Verfügung stünde. Er hielt dem deutschen Vertreter insoweit vor, dass dieser lediglich erklärt habe, dass nur der Kommandant des Unterseebootes gehindert sei, vor der Kommission zu erscheinen. Der deutsche Vertreter erklärte daraufhin seinerseits, dass, mit der Ausnahme des Kommandanten, die gesamte Mannschaft des Unterseebootes umgekommen wäre, als das Kriegsschiff verlorengegangen sei.550 Dem deutschen Außenministerium habe zum Zeitpunkt der Absendung der Note diese Information nicht zur Verfügung gestanden, da Kommunikation solcher Art nicht veröffentlicht würde.551 Die dritte Kommissionssitzung wurde vom Kommissionsvorsitzenden mit der Erklärung eröffnet, dass er untersucht habe, ob das Logbuch der „Tiger“ der Kommission vorgelegt werden könne und ob der Kapitän nach Kopenhagen kommen könne, um dort eine Aussage zu machen. Er sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass sich der Kapitän der „Tiger“ in New York aufhalte; an die Eigner der „Tiger“ sei wegen des Logbuches herangetreten worden.552 In der Folge trug der spanische Vertreter sein Exposé vor. Hierbei führte er zunächst die Sichtweise aus, dass der untersuchungsgegenständliche Zwischenfall am Beginn eines auf das Schärfste geführten Unterseebootkrieges gestanden hätte. In einer solchen Situation könne jede Verletzung der Rechte neutraler Mächte zu schwerwiegenden Komplikationen für Deutschland führen. In Anbetracht solch außergewöhnlicher Umstände wäre es verständlich, dass der Kommandant von „U.B. 69“ die Wahrheit über den Vorfall verzerren würde. Um die Glaubwürdigkeit des deutschen Kommandanten vor der Untersuchungskommission in Zweifel zu ziehen, zitierte der spanische Vertreter aus dem Bericht des deutschen Offiziers. Dabei betonte der spanische Vertreter, dass in dem Bericht erwähnt worden sei, dass das deutsche Unterseeboot seinen Kurs bei 548
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 163. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 163. 550 In der dritten Sitzung erklärte der deutsche Vertreter schließlich, dass das Unterseeboot „U.B. 69“ seit dem 7. Dezember 1917 als vermisst gelte. 551 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 162 Fn. 46. 552 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 163. 549
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Höchstgeschwindigkeit in Richtung Küste geändert habe, um die „Tiger“ anzulaufen. Wohl eher rhetorisch fragte der spanische Vertreter daraufhin, wer denn ernsthaft annehmen könne, dass in einer solchen Situation das Unterseeboot gerade an der Grenze der spanischen Territorialgewässer gestoppt habe. Darüber hinaus brachte der spanische Vertreter vor, dass der deutsche Kommandant die Position der „Tiger“ im Beisein des Kapitäns des norwegischen Schiffes hätte überprüfen sollen; eine entsprechende Messung hätte nur einige wenige Minuten in Anspruch genommen. Da der Kommandant des deutschen Kriegsschiffes es allerdings für nötig befunden habe, das Schiff weiter auf See hinauszubringen, wäre darauf verzichtet worden, da er gewusst habe, dass sich die „Tiger“ in der Drei-Meilen-Zone befunde hätte.553 In den weiteren Ausführungen brachte der spanische Vertreter nun vor, dass die spanischen Seegrenzen auf der Seekarte, die von deutscher Seite vorgelegt worden sei, nicht präzise verzeichnet wären. Auf der „Originalkarte“ sei es möglich, sogar auf der Grundlage der von dem deutschen Kommandanten vorgelegten Daten, zu beweisen, dass sich die „Tiger“ in spanischen Hoheitsgewässern befunden habe. Der spanische Vertreter brachte weiter vor, dass Peilungen immer in Bezugnahme auf gut zu berechnende Punkte vorgenommen würden. Daher habe der deutsche Kommandant die Peilung nicht, wie in seinem Bericht behauptet, von dem Strand von Kap Machichaco und der Klippe von Villano, sondern von dem Leuchtturm auf Kap Machichaco und dem Gipfel von Kap Villano vorgenommen haben müssen. Anders sei dies nicht möglich gewesen, da durch den begrenzten Blick von dem Unterseeboot aus ein Blick auf tiefer gelegenes Land nicht möglich sei. Hieraus würde folgen, dass, würde man auf der Karte, die von dem deutschen Kommandanten behaupteten Peilungen einzeichnen und dabei vom Leuchtturm von Machichaco und dem Gipfel von Kap Villano beginnen, man an einem Punkt innerhalb der spanischen Hoheitsgewässer ankommen würde.554 Im Anschluss an die Ausführungen des spanischen Vertreters bemerkte der deutsche Vertreter seinerseits, dass es nicht angebracht sei, den Wahrheitsgehalt der einschlägigen Erklärungen des Kommandanten des Unterseebootes in Zweifel zu ziehen, da dieser die Erklärungen unter einem dienstlichen Eid abgegeben habe. Weiterhin erklärte der deutsche Vertreter, dass er, für den Fall, dass die Kommission von der Glaubhaftigkeit der Erklärungen des Kommandanten nicht überzeugt sei, eine Verschiebung des weiteren Verfahrens beantragen würde, um zu ermöglichen, dass der Marineoffizier als Zeuge entweder vor der Kommission selbst oder vor einem zuständigen deutschen Gericht gehört werden könne. Der spanische Vertreter erwiderte hierauf, dass es in jedem Gerichtsverfahren üblich sei, dass einem Zeugen mehr oder weniger geglaubt würde, je nachdem, wie groß dessen Eigeninteresse in dem zu entscheidenden Fall sei; in diesem Zusammenhang dürfe nicht vergessen werden, dass auch der Krieg den Gesetzmäßigkeiten der Politik unterworfen sei. Wenn man der Einlassung des deutschen Unterseebootkommandanten ohne Ein553 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 163 f. 554 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 164.
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schränkungen glauben würde, wäre die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission für diesen Fall überflüssig.555 Neben diesem Schlagabtausch kam der Vorsitzende der Untersuchungskommission noch auf die Abgrenzung der Hoheitsgewässer auf der Seekarte zu sprechen, welche von dem deutschen Vertreter vorgelegt worden war. Der Vorsitzende war der Auffassung, dass die Karte die Seegrenzen in dem fraglichen Gebiet nicht richtig wiedergebe, da die zwei kleinen Eilande Aqueche und Gastelugache keine Berücksichtigung gefunden hätten. Über die Frage der Bestimmung der Seegrenze unter Einbeziehung der beiden Inseln kam es im Anschluss daran zu einer Diskussion. Die Mitglieder der internationalen Untersuchungskommission tauschten ihre Auffassungen zu dieser Frage zunächst vertraulich untereinander aus. Im Anschluss daran konfrontierte der Kommissionsvorsitzende den deutschen Vertreter mit der von der spanischen Seite vertretenen Auffassung, dass die Peilungen von deutscher Seite von dem Leuchtturm aus vorgenommen worden seien und nicht von der Küste selbst aus. Zudem würde die Position des fraglichen Leuchtturms auch nicht mit der Position übereinstimmen, die auf der offiziellen Liste von Leuchttürmen verzeichnet sei. Der deutsche Vertreter gab hierzu an, dass die vom ihm eingereichte Seekarte lediglich eine Skizze beziehungsweise Entwurfszeichnung gewesen sei.556 In der vierten Kommissionssitzung wurde von dem deutschen Vertreter eine Erklärung verlesen, in welcher zu einigen der Fragen, die in den vorherigen Sitzungen aufgekommen waren, Stellung genommen wurde. Zunächst wurde dabei die Auffassung vertreten, dass aus dem Bericht des deutschen Unterseebootkommandanten klar hervorginge, dass die Peilungen von zwei Kaps vorgenommen wurden und nicht von dem fraglichen Leuchtturm. Wäre letzteres der Fall gewesen, wäre es ausdrücklich aufgezeichnet worden. Die Eilande hingegen würden den Punkt der Beschlagnahme der „Tiger“ näher an die spanischen Hoheitsgewässer führen. Eine exakte Bestimmung der Grenzen der Hoheitsgewässer durch die Kommission wäre also unbedingt notwendig.557 Weiterhin führte der deutsche Vertreter aus, dass für den Fall einer, für seine Regierung unvorteilhaften, Kommissionsentscheidung, die Regierung stets mit dem Vorwurf einer schweren Verletzung der Neutralität konfrontiert sei und sich zudem verpflichtet sehe, Kompensationszahlungen zu leisten. Daher ersuchte der deutsche Vertreter die Kommission namens seiner Regierung darum, dass, falls die Untersuchungskommission zu der Auffassung gelange, dass die Beschlagnahme des Schiffes auf oder innerhalb der spanischen Seegrenze geschehen sei, noch kein endgültiges Urteil gefällt werden solle, bis die genaue kartographische Positionierung der Inseln stattgefunden habe. Auf der Grundlage einer solchen Messung könne die Kommission sodann den genauen Ort der Beschlagnahme der „Tiger“ festlegen. Zudem führte der deutsche Vertreter aus, dass auch zu bedenken 555
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 164. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 164 f. 557 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 165. 556
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sei, dass kleine Inseln auf Landkarten oft größer erscheinen könnten, also nicht maßstabsgetreu und auch oft nicht positionsgerecht eingezeichnet seien. Letztlich wies der deutsche Vertreter noch darauf hin, dass die relevanten Peilungen auf der eingereichten Seekarte auf die Position des deutschen Unterseebootes und nicht auf die Position der „Tiger“ bezogen waren; das norwegische Schiff habe sich zu dem Zeitpunkt, als es aufgebracht worden sei, weiter draußen auf See befunden.558 Der spanische Vertreter entgegnete darauf, dass diejenigen Karten des in Rede stehenden Seegebiets, die er selbst eingereicht habe, die einzigen Dokumente seien, die für eine Entscheidung herangezogen werden könnten.559 Zum Ende der vierten Kommissionssitzung forderte der Kommissionsvorsitzende die beiden Vertreter der Regierungen auf, sich zurückzuziehen. Die Untersuchungskommission setzte dann ihre Beratungen in geschlossener Sitzung fort. Nachdem die beiden Vertreter wieder in die Kommissionssitzung zurückgerufen worden waren, verkündete der Kommissionsvorsitzende die vorläufige Beendigung der Untersuchung.560 Die fünfte Sitzung der Untersuchungskommission fand am 8. November 1918 in einer geschlossenen Sitzung statt.561 Am gleichen Tag wurde auch die sechste Kommissionssitzung abgehalten. Diese war wiederum öffentlich. In ihr wurde der Abschlussbericht der Kommission ebenso verlesen wie das Sondervotum des deutschen Kommissionsmitgliedes zu dem Bericht.562 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der abschließende Bericht der Kommission wurde von dieser in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt wurde eine Einführung in die Zusammensetzung und in die Kompetenzen der Kommission gegeben. Der zweite Abschnitt war dem Vorbringen der Parteien sowie den Überlegungen der Kommission hierzu gewidmet. Im dritten Abschnitt schließlich fand sich das „Urteil“563 der Kommission.564 bb) Die Kommission stellte heraus, dass in der Karte, welche ihr von der deutschen Seite hinsichtlich der Angelegenheit zur Verfügung gestellt worden sei, die beiden Inseln Aqueche und Gastlugache nicht verzeichnet seien. Daraus folge, dass die Grenzen der spanischen Hoheitsgewässer 0,2 Seemeilen näher an Land eingezeichnet seien, als dies der Fall sein sollte. Weiterhin erklärte die Kommission, dass, wenn die Peilungen durch den deutschen Kommandanten von dem Leuchtturm auf 558
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 165. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 165. 560 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 165 f. 561 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 166. 562 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 166. 563 Im französischen Originaltext wird diese Passage als „sentence de la commission“ bezeichnet. 564 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 166. 559
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Kap Machichaco vorgenommen worden sei, was die Kommission für die wahrscheinlichste Option hielt, der Ort der Beschlagnahme der „Tiger“ genau auf oder sogar innerhalb der Begrenzung der spanischen Hoheitsgewässer liegen würde. Wenn die Peilung hingegen von dem am weitesten im Meer liegenden Punkt des Kaps vorgenommen worden sei, würde der Ort der Beschlagnahme etwas außerhalb der Begrenzung liegen. Der Kommission sei es auf der Grundlage der ihr präsentierten Daten nicht möglich, zu bestimmen, ob die Peilung von dem Leuchtturm oder von dem Punkt aus vorgenommen sei, der als am weitesten im Meer liegend von dem Unterseebot aus sichtbar gewesen sei. Von der Annahme ausgehend, dass die Peilung von dem am weitesten außenliegenden Punkt von Kap Machichaco vorgenommen worden sei, hielt die Kommission dies nicht für die geeignete Art vorzugehen, wenn die Umstände größte Genauigkeit erforderten. Die Peilung von dem am weitesten außenliegenden Punkt des Kaps sei eine unsichere Methode, besonders da das deutsche Handbuch für die Küsten von Nord- und Westspanien verzeichne, dass das Kap Machichaco von dem geographischen Punkt aus, an dem sich „U.B. 69“ befunden habe, schwer auszumachen sei. Zudem sei an dem Tag des Vorfalles die Dünung so stark gewesen, dass der deutsche Kommandant besorgt gewesen sei, dass, mit Hilfe der Strömung, die „Tiger“ weiter zum Land hingetragen werde.565 Nach Auffassung der Untersuchungskommission würden, auch bei kleinsten Zugeständnissen, die man an die Entfernungsschätzungen der norwegischen Seeleute und spanischen Fischer machen könne, diese zu dem Ergebnis führen, dass sich der Ort der Beschlagnahme der „Tiger“ innerhalb der spanischen Hoheitsgewässer befunden habe. Dies würde sich ebenfalls dann ergeben, wenn man den Ort der Beschlagnahme zugrunde legen würde, welcher auf den Seekarten verzeichnet sei, die von dem deutschen Vertreter vorgelegt worden seien und man auf diesen Karten die Grenzen der spanischen Hoheitsgewässer unter Einbeziehung der Insel Aqueche korrigieren würde. Dass der Ort der Versenkung der „Tiger“ außerhalb der spanischen Hoheitsgewässer gelegen habe, sei unbestritten.566 Die Kommission befand es unter den gegebenen Umständen nicht für nötig, weitere Sitzungen abzuhalten, um zusätzliche Informationen zu den von dem deutschen Vertreter erhobenen Punkten zu Tage zu fördern.567 cc) In ihrer abschließenden Beurteilung des Zwischenfalls gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Verfolgung und die Beschlagnahme der „Tiger“ innerhalb der spanischen Hoheitsgewässer stattgefunden hätten. Allerdings sei das Schiff außerhalb der Drei-Meilen-Zone versenkt worden. Der Bericht wurde von allen drei Kommissionsmitgliedern unterzeichnet. Das deutsche Mitglied der Kommission gab eine eigene Stellungnahme ab.568 In dieser warf er der Kommissionsmehrheit vor, dass, wenn die Kommission der Auffassung sei, dass das Un565
Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 166. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 166 f. 567 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 167. 568 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 167. 566
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terseeboot nicht in der Lage sei, seine Position mit einer Genauigkeit von einer Zehntel-Meile zu messen, die Kommission Messungenauigkeiten in beiden Richtungen, also zu den Territorialgewässern hin und von diesen weg, in Betracht ziehen müsse. Daraus folge, dass die Position des Unterseebootes im Verhältnis zu den spanischen Territorialgewässern zweifelhaft sei und daher der Beweis für eine Verletzung der Neutralität nicht erbracht worden wäre. Es sei an der spanischen Regierung und nicht an der deutschen Regierung, diesen Beweis zu erbringen, da die spanische Regierung die Verletzung ihrer Neutralität behauptet habe. Daher müsse das Unterseeboot von dem Vorwurf befreit werden, die spanische Neutralität verletzt zu haben.569 3. Der „Tubantia“-Zwischenfall a) Historischer Hintergrund Etwa 70 Kilometer westlich der Halbinsel Walcheren versank in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1916, also während des Ersten Weltkriegs, das Passagierschiff des Koniklijk Hollandsche Lloyd „Tubantia“, welches auf dem Weg nach Südamerika war, in der Nordsee.570 Zuvor war es zu einer Explosion am Bug des Schiffes gekommen.571 Die Mitglieder der Besatzung und die Passagiere des größten und auch modernsten Passagierliners der Niederlande konnten sich rechtzeitig in die Rettungsboote begeben.572 Vor der Explosion war beobachtet worden, wie sich eine Wellenbahn mit hoher Geschwindigkeit auf den Dampfer zubewegte.573 Damit lag die Vermutung nahe, dass das Schiff durch ein Unterseeboot torpediert worden war. Die niederländische Presse und Öffentlichkeit wiesen Deutschland die Schuld für die Versenkung der „Tubantia“ zu.574 Von deutscher Seite wurde die Verantwortlichkeit für den Vorfall zunächst dementiert; vielmehr wurde vom Auswärtigen Amt und von der Marineleitung die Behauptung aufgestellt, dass sich zum fraglichen Zeitpunkt kein deutsches Unterseeboot in der Umgebung befunden habe und die Vermutung geäußert, dass es sich um einen britischen Torpedo gehandelt haben könne.575
569 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 167 Fn. 50. 570 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76; W. J. M. van Eysinga, Grotius Annuaire International 1916, S. 87 (105). 571 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76. 572 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76. 573 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76. 574 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76. 575 Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76.
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Diese deutsche Argumentation wurde jedoch als zweifelhaft eingestuft.576 Gegen sie sprach zum einen, dass kurz nach dem Untergang der „Tubantia“ ein weiteres niederländisches Schiff versenkt wurde und zum anderen, dass nach der Rettung der Schiffbrüchigen in den Rettungsbooten zwei Kupferstücke mit der eingeprägten Nummer 2033 gefunden wurden, welche von der deutschen Admiralität später als zu dem Torpedo C 45/91 Nr. 2033 gehörig identifiziert wurden, welcher zu der Bewaffnung des deutschen Unterseebootes „U.B. 13“ gehörte, das zum Zeitpunkt der Versenkung der „Tubanita“ tatsächlich in den Gewässern vor der niederländischen Küste operiert hatte. b) Einsetzung der Kommission Obwohl der „Tubantia“-Zwischenfall die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden in eine veritable Krise verfallen ließ,577 gelang es beiden Mächten, eine Lösung für die aufgetretenen Unstimmigkeiten zu finden. Die niederländische Regierung entsandte bereits wenige Wochen nach dem Vorfall einen Admiral ihrer Marine nach Berlin, um eine Klärung herbeizuführen. Die deutsche Regierung sagte hierbei ihre Hilfe zu.578 Ende September 1916 akzeptierte die deutsche Regierung schließlich den Vorschlag der Niederlande, den Vorfall durch eine internationale Untersuchungskommission nach den Regeln des I. Haager Abkommens von 1907 untersuchen zu lassen.579 Diese sollte allerdings erst nach dem Friedensschluss eingesetzt werden.580 Es dauerte sodann auch bis zum Beginn der 1920er Jahre, ehe die internationale Untersuchungskommission ihre Arbeit aufnehmen konnte. Die Niederlande und Deutschland unterzeichneten am 30. März 1921 in der deutschen Hauptstadt Berlin nach Verhandlungen ein Abkommen über die Durchführung der Untersuchung.581 Dabei einigten sich die beiden Staaten auf folgenden Text:
576
Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76. Zu dieser Krise eingehend Marc Frey, Der Erste Weltkrieg und die Niederlande, S. 76 ff. m. w. N. 578 Siehe New York Times vom 25. April 1916, S. 2. 579 W. J. M. van Eysinga, Grotius Annuaire International 1916, S. 87 (106). 580 W. J. M. van Eysinga, Grotius Annuaire International 1916, S. 87 (106). Dort findet sich auch ein Hinweis darauf, dass die deutsche Regierung in den ähnlich gelagerten Fällen der Versenkungen der niederländischen Schiffe „Eemdijk“ und „Palembang“ die Zusammenarbeit hinsichtlich der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission verweigerte. 581 Abgedruckt sind die originalen Fassungen des Untersuchungsabkommens in deutscher und in niederländischer Sprache bei: James Brown Scott (Hrsg.), The Hague Court Reports – Second Series, S. 217 ff.; eine englische Übersetzung findet sich ebenda, S. 143 ff. 577
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„Untersuchungsabkommen zwischen den Niederlanden und Deutschland, betreffend den Untergang des Niederländischen Dampfers ,Tubantia‘. Nachdem die Königlich Niederländische Regierung und die Deutsche Regierung übereingekommen sind, die Streitfrage, was die Ursache des am 16. März 1916 erfolgten Untergangs des niederländischen Dampfers ,Tubantia‘ gewesen ist, einer internationalen Untersuchungskommission zu unterbreiten, haben die zu diesem Zwecke gehörig ermächtigten Unterzeichneten, nämlich: für die Niederländische Regierung: Herr W. A. F. Gevers, ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Ihrer Majestät der Königin der Niederlande in Berlin. für die Deutsche Regierung: Herr Dr. Ernst von Simon, Wirklicher Geheimer Legationsrat und Direktor im Auswärtigen Amt, nachstehendes Untersuchungsabkommen vereinbart: Artikel I Die Aufgabe der internationalen Untersuchungskommission wird sein, festzustellen, was die Ursache des am 16. März 1916 erfolgten Untergangs des niederländischen Dampfers ,Tubantia‘ gewesen ist. Artikel II Die Untersuchungskommission besteht aus fünf Mitgliedern. Jede Patei wählt ein Mitglied. Die Dänische und die Schwedische Regierung sollen gebeten werden, als weiteres Mitglied je einen Marineoffizier zu benennen. Schliesslich wird die Schweizerische Regierung gebeten, als Vorsitzenden der Kommission einen Juristen zu bezeichnen. Artikel III Jede Partei wird bei der Kommission durch einen besonderen Agenten vertreten, der die Aufgabe hat, zwischen ihr und der Kommission als Mittelsperson zu dienen. Die Agenten geben die Aufklärungen, die die Kommission von den Parteien fordert; sie sind befugt, im Laufe oder am Schluss der Untersuchung der Kommission und der Gegenpartei Ausführungen, Beweisanträge oder Sachdarstellungen schriftlich vorzulegen, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nötig halten. Ausserdem sind die Parteien berechtigt, technische Beistände oder Rechtsanwälte zu ernennen und sie mit der Darlegung und Wahrnehmung ihrer Interessen vor der Kommission zu beauftragen. Artikel IV Die Kommission hat ihren Sitz am Haage. Artikel V Die Schriftsätze können in französischer, deutscher oder niederländischer Sprache eingereicht werden. Erfolgt die Einreichung in deutscher oder niederländischer Sprache, so ist eine französische Uebersetzung beizufügen. Im übrigen bestimmt die Kommission über die Sprache, deren sie sich selbst bedienen will und in der verhandelt warden darf. Der Austausch der Ersten Schriftsätze erfolgt binnen vier Monaten nach Unterzeichnung dieses Protokolls, der Austausch der Gegenschriftsätze binnen weiteren zwei Monaten; der
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Vorsitzende der Kommission kann diese Frist verlängern oder weiteren Schriftwechsel anordnen. Die Einreichung der Schriftsätze erfolgt in vierzehn Exemplaren bei dem internationalen Büro des ständigen Schiedshofs im Haag. Dieses Büro wird unverzüglich für die Weitergabe der Schriftsätze an die Gegenpartei und an die Kommissare sorgen, und zwar soll die Gegenpartei drei Exemplare und jeder Kommissar zwei Exemplare erhalten. Ein Exemplar beleibt im Archiv des Büros. Artikel VI Der Termin für die mündliche Verhandlung wird von dem Vorsitzenden bestimmt. Artikel VII Die Sitzungen der Kommission sind nicht öffentlich. Auch sollen Protokolle und Urkunden der Kommission nicht veröffentlicht werden. Dagegen wird der abschließende Bericht der Kommission in öffentlicher Sitzung verlesen und veröffentlicht werden. Auf das Verfahren der Kommission, insbesondere auf die Beweisaufnahme, sowie auf die Form und die Wirkung des von der Kommission abzufassenden Berichtes finden die Bestimmungen des dritten Titels des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 in soweit Anwendung, als sie nicht mit den Bestimmungen des vorliegenden Abkommen im Widerspruch stehen.“582
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Die niederländische Fassung des Untersuchungsabkommens hatte folgende Fassung: „ENQUÊTE-REGELING tusschen Nederland en Duitschland, betreffende den ondergang von het Nederlandsche stoomschip ,Tubantia‘. Naardien de Koninklijke Nederlandsche en de Duitsche Regeering tot overeenstemming zijn gekommen, om de vraag, wat de oorzaak is geweest van het vergaan op 16 Maart 1916 van het Nederlandsche sttomship ,Tubantia‘ aan eene internationale commissie van enquête te onderweren, hebben de ondergeteekenden, voor dit doel behoorlijk gevolmachtigd, namelijk: Voor de Nederlandsche Regeering: De Heer W. A. F. Baron Gevers, Buitengewoon Gezant en Gevolmachtigd Minister van Hare Majesteit de Konigin der Nederlanden te Berlijn, Voor de Duitsche Regeering: De Heer Dr. Ernst von Simson, Werkelijk Geheim Gezantschapsraad en Directeur in het Ministerie van Buitenlandsche Zaken, onderstaande enquête-regeling vastgesteld: Artikel I De taak von de Internationale Commissie van Enquête zal zijn, vast te stellen, wat de oorzaak is geweest van het vergaan op 16 Maart 1916 von het Nederlandsche stoomschip „Tubantia“. Artikel II Die Commissie van Enquête bestaat uit 5 leden. Iedere partij wist een lid aan. De Deensche en de Zweedsche Regeering zullen worden uitgenoodigd ieder een marine-officier als lid te benoemen. Ten slotte zal de Zwitsersche Regeering worden uitgenoodigd een jurist als voorzitter der Commissie aan te wijzen. Artikel III Iedere partij wordt bij de Commissie vertegenwoordigd door een bijzonderen agent, die tot taak heeft tusschen haar en de Commissie als tusscehnpersoon te dienen. De agenten geven de inlichtingen, die de Commissie van de partijen verlangt; zij zijn bevoegd in den loop of aan het einde van de enquête aan de Commissie en aan de tegenpartij schriftelijk aan te bieden de vertoogen, bewijsmiddelen en uiteenzettingen der feiten, die zij noodig oordeelen tot ontdekking van de waarheid.
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Als besonders wichtig erwies sich Artikel II des deutsch-niederländischen Abkommens. Da sich Deutschland mit vielen europäischen Staaten zum Zeitpunkt des Zwischenfalls im Krieg befand, blieben Auswahlmöglichkeiten bezüglich der Herkunft der übrigen drei Kommissionsmitglieder begrenzt. Man einigte sich daher darauf, dass die weiteren Kommissionsmitglieder aus Dänemark, Schweden sowie aus der Schweiz stammen sollten. Alle drei Staaten waren im Ersten Weltkrieg neutral geblieben. Vier der Mitglieder sollten – wie auch in den bisherigen Untersuchungskommissionsfällen – Marineoffiziere sein. Allerdings brach das Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden mit der Tradition, die Kommission ausschließlich mit Marineoffizieren zu besetzen. Das schweizerische Mitglied der Kommission, welches nach Artikel II des Abkommens gleichzeitig den Vorsitz innehatte, sollte zwingend ein Jurist sein. Angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten und der Komplexität der Beweisaufnahme sowie der schwerwiegenden Bedeutung des zugrundeliegenden Sachverhaltes,583 wurde die Hinzuziehung eines
Bovendien zijn de partijen gerechtigd technische raadslieden of advocaten te benoemen en hen te belasten met de uiteenzetting en verdediging van hare belangen voor de Commissie. Artikel IV De Commissie heeft haren zetel te’s-Gravenhage. Artikel V De Memorie’s kunnen in de Fransche, de Duitsche of de Nederlandsche taal worden aangeboden. Worden memorie’s in de Duitsche of de Nederlandsche taal aangeboden, dan moet eene Fransche vertaling daarbij worden gevoegd. Overigens beslist de Commissie zelve over de taal, die zij zal gebruiken en waarin de beraadslagingnen mogen plaats hebben. De uitwisseling van de eerste memories geschiedt binnen vier maanden na de onderteekening von dit protocol, de uitwisseling van de replieken binnen de twee daarop volgende maanden. De voorzitter der Commissie kan dezen termijn verlengen of bepalen, dat een verdere uitwisseling van memorie’s zal plaats hebben. De aanbieding van de memories geschiedt in 14 exemplaren bij het Internationale Bureau van het Permanente Hof van Arbitrage te’s-Gravenhage. Dit Bureau zal terstond zorgen voor de doorzending van de memories aan de tegenpartij en aan de leden der Commissie, de tegenpartij zal 3 exemplaren ontvagen en ieder lied 2 Exemplaren. Een exemplar blijft in het archief van het Bureau. Artikel VI Der vozitter stelt het tjidstip vast voor de mondelingen beraadslaging. Artikel VII De zittigen van de Commissie zijn niet openbaar. Ook zullen de processen-verbaal en de bescheiden van de Commissie niet worde openbaar gemaakt. Daarentegen zal het eindversalg an de Commissie in openbare zitting worden voorgelezen en openbaar gemaakt. Artikel VIII Op den procesgang voor de Commissie en wel in het bijzonder op de bewijsvoering, alsmede op den vorm en de gevolven van het door de Commissie vast te stellen verslag zijn de bepalingen van den derden titel van het verdrag van’s-Gravenhage voor de vreedzame beslechting van internationale geschillen van 18 October 1907 toepasselijk, voor zoover zij met de bepalingen van dit protocol niet in strijd zijn.“ 583 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 49 sieht die Untersuchung des „Tubantia“-Zwischenfalles daher als ein quasi-strafrechtliches Anklageverfahren an.
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juristisch qualifizierten Kommissionsvorsitzenden als bedeutendes Element der Komposition der Besetzung angesehen.584 Gemäß Artikel II des Abkommens benannte die Schweiz den Juristen und das ehemalige Mitglied des schweizerischen Bundesrates Hoffmann als Kommissionsvorsitzenden. Die Niederlande wurde von dem Konteradmiral der Reserve Suire repräsentiert, Deutschland von dem Korvettenkapitän Gayer. Weitere Kommissionsmitglieder waren der Direktor des hydrographischen Dienstes der dänischen Marine Ravn sowie Fregattenkapitän Unger von der schwedischen Marine.585 Für die deutsche Regierung trat der Kapitän der Reserve Karl von Mueller als Vertreter in dem Untersuchungsverfahren auf. Die niederländische Regierung benannte Professor A. A. H. Struycken, Mitglied des Ständigen Schiedshofes als Vertreter sowie Kapitän Canters, Direktor einer Torpedofabrik, als Berater.586 c) Durchführung der Untersuchung Das Untersuchungsverfahren im „Tubantia“-Fall begann damit, dass die Niederlande und Deutschland ihre Schriftsätze am 27. beziehungsweise am 29. Juli 1921 beim Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes in Den Haag hinterlegten. Die erwidernden Schriftsätze folgten am 23. September und am 14. Oktober 1921.587 Die Kommission traf sich anschließend vom 18. Januar bis zum 27. Februar 1922 in den Räumlichkeiten des Ständigen Schiedshofes.588 Zu den von der Kommission verhörten Zeugen gehörten Mitglieder der Mannschaft der „Tubantia“, welche Augenzeugenberichte liefern konnten. Hierbei handelte es sich sowohl um Offiziere als auch um einfache Seeleute.589 Ebenso wurden Mitglieder der Besatzung von „U.B. 13“ vernommen; unter ihnen der Kommandant des Bootes.590 Bei den Befragungen wurde die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannte Methode des Kreuzverhörs angewendet.591 Neben den Zeugen hatten sowohl Deutschland als auch die Niederlande Sachverständige zu unterschiedlichen Fragestellungen benannt. Auf niederländischer Seite trat Dr. van der Stok, Direktor des Königlichen Niederländischen Instituts für Meteorologie, auf und gab Erklärungen zu Wasserbewegungen vor der niederlän-
584 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of Disputes by Means of Inquiry, S. 178; J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 49. 585 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (485). 586 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (485). 587 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (485). 588 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (485). 589 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (486 Rn. 2). 590 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (488 f. Rn. 7; 489 Rn. 8). 591 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (486 Rn. 2).
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dischen Küste ab.592 Die deutsche Regierung hatte Prof. Dr. Mecking benannt, welcher ebenfalls Aussagen zu den Wasserbewegungen machte,593 sowie den Ingenieur Techel, der in seiner Aussage vor der Untersuchungskommission über die Erfahrungen der deutschen Marine mit der Explosion von Torpedos berichtete.594 Weitere Beweismittel, welche von der Untersuchungskommission herangezogen wurden, waren unter anderem Torpedoteile, die in den Rettungsbooten der „Tubantia“ gefunden worden waren,595 darüber hinaus auch eine Kopie des Logbuchs von „U.B. 13“596 sowie der Bericht eines Tauchers, der das Wrack der „Tubantia“ besichtigt und dort die Schäden durch den Torpedotreffer begutachtet hatte.597 Nachdem Deutschland und die Niederlande sämtliche Erklärungen abgegeben und Beweise vorgelegt hatten und nachdem alle Zeugen und Sachverständigen angehört worden waren, erklärte der Kommissionsvorsitzende die Untersuchung für abgeschlossen.598 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der von allen Kommissionsmitgliedern unterzeichnete Abschlussbericht der Untersuchungskommission datiert vom 27. Januar 1922.599 Der Bericht war 12 Randnummern stark und in eine Einleitung sowie sechs Abschnitte eingeteilt. Die Einleitung war dabei der Besetzung der internationalen Untersuchungskommission sowie dem Verfahrensgang gewidmet. Im ersten Berichtsabschnitt600 wurden die Umstände der Versenkung der „Tubantia“ aus der Sicht der Besatzungsmitglieder beschrieben. Der zweite Abschnitt601 war dem Torpedo gewidmet, durch welchen die Versenkung hervorgerufen wurde. Im dritten Berichtsabschnitt602 setzte sich die Untersuchungskommission mit einem Logbucheintrag von „U.B. 13“ auseinander, in welchem über die Versenkung eines Dampfers berichtet wurde, der, gemäß dem Eintrag – im Gegensatz zur „Tubantia“ –, nicht beleuchtet war. Die Untersuchungskommission befasste sich im vierten Berichtsabschnitt603 mit dem von 592
American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (489 Rn. 8). American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (490 Rn. 8). 594 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (490 Rn. 9). 595 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (487 f. Rn. 5 f.). 596 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (488 Rn. 6 f.). 597 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (490 Rn. 9). 598 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (485). 599 Report concerning the Loss of the Dutch Steamer „Tubantia“ by the International Commission of Inquiry at the Hague, wiedergegeben in: American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 ff. 600 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (486 f. Rn. 1 ff.). 601 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (487 f. Rn. 5 f.). 602 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (488 f. Rn. 7). 603 American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (489 ff. Rn. 8 ff.). 593
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Deutschland vorgetragenen Argument, dass der Torpedo mit der Nummer C 45/91 Nr. 2033 bereits einige Zeit vor der Versenkung der „Tubantia“ von „U.B. 13“ gegen einen britischen Zerstörer abgefeuert worden sei, der Torpedo dabei allerdings sein Ziel verfehlt habe. Im fünften Abschnitt604 behandelte die Kommission die Frage, ob es möglich gewesen sei, dass die „Tubantia“ von einem Schiff eines deutschen Kriegsgegners versenkt worden sei und der sechste Abschnitt605 war den Ergebnissen der Untersuchung gewidmet. bb) Nach der Gewichtung aller Beweismittel kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass die „Tubantia“ durch die Explosion eines Torpedos versenkt worden sei, welcher von einem deutschen Unterseeboot abgefeuert worden sei. Allerdings musste die Kommission die Frage offenlassen, ob die Torpedierung des Dampfers wissentlich oder als Resultat eines Fehlers des Kommandanten des Unterseebootes geschah. Zudem konnte nicht festgestellt werden, dass der Verlust der „Tubantia“ durch einen treibenden Torpedo hervorgerufen worden sei.606 cc) Die deutsche Regierung akzeptierte die Schlussfolgerungen der internationalen Untersuchungskommission. Deutschland leistete an die niederländische Regierung eine Zahlung in Höhe von 6.500.000 Gulden.607 4. Der „Red Crusader“-Zwischenfall a) Historischer Hintergrund Ihre bisher letzte und einzige Anwendung nach dem Zweiten Weltkrieg hat eine internationale Untersuchungskommission, welche nach den Regelungen des I. Haager Abkommens von 1907 errichtete wurde, anlässlich des sog. „Red Crusader“-Zwischenfalles im Jahr 1961 erfahren.608 Dieser Zwischenfall hatte seine Grundlage in einer langanhaltenden Auseinandersetzung zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland einerseits und Dänemark andererseits um Fischereirechte im Nordatlantik, namentlich in den Gewässern rund um die autonomen Färöer-Inseln. Dort wurde von britischen Fischern traditionell gefischt. Da in den 1950er Jahren noch international gültige Regelungen über Fischereirechte
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American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (491 Rn. 11). American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (492 Rn. 12). 606 Siehe American Journal of International Law 16 (1922), S. 485 (492). 607 Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 49. 608 Die folgende Sachverhaltsschilderung beruht auf den Ausführungen bei Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824 ff. sowie bei Nissim Bar-Yaacov, The Handling auf International Disputes by Means of Inquiry, S. 179 ff.; J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 48 ff.; Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1 ff. 605
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fehlten beziehungsweise diese nur sehr schwach ausgeprägt waren,609 trafen die beiden Staaten am 22. April 1955 in einem Notenwechsel eine Vereinbarung, nach der nur dänische und färingische Fischer in einer Drei-Meilen-Zone um die FäröerInseln fischen durften. Außerhalb dieser Zone war der Fischfang Schiffen jedes Staates gestattet.610 Im Jahr 1958 beschloss das Parlament der Färöer-Inseln einseitig, die exklusiven Rechte aus der Drei-Meilen-Zone auf zwölf nautische Meilen auszudehnen. Das Vereinigte Königreich zeigte sich hiermit nicht einverstanden.611 Daraufhin trat es mit Dänemark in Verhandlungen ein. Diese führten am 27. April 1959 zu einem erneuten Notenwechsel, in welchem eine Abmachung getroffen wurde, welche diejenige von 1955 ersetzte und eine Lösung vorsah.612 Danach war eine innere Zone von sechs Meilen für die färingische und dänische Fischerei reserviert. In einem Bereich von sechs bis zu zwölf nautischen Meilen durften die britischen Trawler ihre Netze auswerfen. Zudem wurde in der Abmachung anerkannt, dass die britischen Fischer in dem Seegebiet der Färöer-Inseln traditionelle Fischereirechte ausübten. Der Abmachung war eine Seekarte beigelegt, auf welcher die Grenze der sechs Meilen als „Blaue Linie“ eingezeichnet war.613 Zu dem Zwischenfall kam es am 29. Mai 1961. Das Fischereischutzschiff der dänischen Marine „Niels Ebbesen“ patrouillierte in den Gewässern der Färöer-Inseln im Nordatlantik und erhielt von der färingischen Seeüberwachung die Meldung, dass die Küstenwache die Anwesenheit von vier Trawlern innerhalb der „Blauen Linie“ festgestellt habe. In den färingischen Gewässern traf die „Niels Ebbesen“ auf das britische Fischereischiff „Red Crusader“, welches seine Netze ins Wasser gelassen 609 Auf den beiden Seerechtskonferenzen der Vereinten Nationen von 1958 und 1960 konnte etwa keine Einigung in den Fragen der Begrenzung von Fischereirechten in den Hoheitsgewässern anderer Staaten erzielt werden. Siehe Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 4 sowie Rüdiger Wolfrum, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, S. 287 (325); C. John Colombos, Internationales Seerecht, S. 322 ff. (speziell zur Situation im Atlantik S. 330 f.). 610 Der Notenwechsel modifizierte hierbei eine ältere Vereinbarung zwischen beiden Staaten zu der nämlichen Frage vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Exchange of Notes constituting an Agreement modifying the Convention of 24 June 1901 between Denmark and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland for regulating the fisheries of their respective subjects outside territorial waters in the ocean surrounding the Faroe Islands. London 22 April 1955, United Nations Treaty Series Vol. 213, S. 318 ff. 611 Siehe hierzu auch die Korrespondenz zwischen dem dänischen und dem britischen Außenministerium in dieser Angelegenheit, wiedergegeben bei Elihu Lauterpacht, International and Comparative Law Quarterly 8 (1959), S. 146 (171 ff.). 612 Exchange of Notes constituting an Agreement modifying the Convention of 24 June 1901 between Denmark and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland for regulating the fisheries of their respective subjects outside territorial waters in the ocean surrounding the Faroe Islands. London 22 April 1955 – Exchange of Notes (with annexed map) constituting an agreement replacing the above-mentioned agreement of 22 April 1955. Copenhagen, 27 April 1959, United Nations Treaty Series Vol. 337, S. 416 ff. 613 Siehe auch Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 3.
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hatte. Die „Niels Ebbesen“ gab der „Red Crusader“ Horn- und Lichtzeichen, durch die das Fischereischiff zum Anhalten aufgefordert wurde. Die Signale wurden allerdings von der „Red Crusader“ ignoriert, bis die „Niels Ebbesen“ ihr mit einem Geschütz vor den Bug feuerte. Danach wurden einige Besatzungsmitglieder des dänischen Schiffs auf die „Red Crusader“ geschickt, um mitzuteilen, dass der Trawler unter Arrest stünde und der „Niels Ebbesen“ auf die Färöer-Inseln folgen müsse, wo die Angelegenheit von einem färingischen Gericht untersucht und ein Urteil gesprochen würde. Die Besatzung der „Red Crusader“ überwältigte allerdings die beiden Dänen und setzte Kurs auf den schottischen Hafen Aberdeen, um der „Niels Ebbesen“ zu entkommen. Das dänische Schiff nahm umgehend die Verfolgung auf, und gab erneut Warnschüsse in Richtung der „Red Crusader“ ab. Als diese nicht reagierte, eröffnete die „Niels Ebbesen“ das Feuer auf das britische Schiff, wobei dessen Vordersteven einen Treffer erhielt und diverse Schäden hervorgerufen wurden. Nachdem das dänische Schiff mit der Admiralität Kontakt aufgenommen hatte, wurde diesem befohlen, das Feuer einzustellen, aber die Verfolgung fortzusetzen. Erst nachdem der Beschuss geendet hatte, erreichte die „Red Crusader“ die Hohe See und nahm weiterhin Kurs auf britische Hoheitsgewässer, wobei sie immer noch von der „Niels Ebbensen“ verfolgt wurde. Von britischer Seite wurden die Fregatte „HMS Troubridge“ der Royal Navy und der Fischereischutzkreuzer „Wootton“ in die Gegend der Verfolgung befohlen; dort sollten beide Seiten des Falles erforscht werden. Noch auf Hoher See erreichten beide Schiffe den Ort des Geschehens. Das Kriegsschiff nahm eine Position zwischen den beiden anderen Schiffen ein. Fünf Offiziere der „Wootton“ setzten auf die „Niels Ebbesen“ über. Auf dem dänischen Schiff fand eine Lagebesprechung zwischen den Offizieren statt. Dabei kamen beide Seiten zu der Vereinbarung, dass die „Red Crusader“ nicht gezwungen werden sollte, auf die Färöer-Inseln zurückzukehren. Nachdem auch die dänischen Besatzungsmitglieder wieder auf ihr Schiff zurückgekehrt waren, kehrte die „Red Crusader“ nach Aberdeen zurück. Als das Ergebnis der Verhandlungen an Bord der „Niels Ebbesen“ in Dänemark bekannt wurde, entschlossen sich die Regierung und die Marineführung dazu, dass das Fischereischutzschiff die Verfolgung fortsetzen und vor der schottischen beziehungsweise britischen Drei-Meilen-Zone stoppen sollte. Dort sollte das Schiff zudem verweilen, um in symbolischer Weise die Beschlagnahme der „Red Crusader“ aufrechtzuerhalten. b) Einsetzung der Kommission Die Regierung Dänemarks brachte am 30. Mai 1961 durch ihren Botschafter in London gegen das Verhalten der „Red Crusader“ und der „HMS Troubridge“ einen Protest gegenüber dem Vereinigten Königreich aus. Dänemark argumentierte, dass der Trawler das Übereinkommen aus dem Jahr 1959 verletzt habe und das britische Kriegsschiff der „Red Crusader“ die Möglichkeit habe verschaffen wollen, der
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„Niels Ebbesen“ zu entkommen. Damit sei in eine rechtmäßige Operation eingegriffen worden. Die „Red Crusader“ solle zur färingische Hauptstadt Tórshavn zurückkehren, um sich dort für die Verletzung der Sechs-Meilen-Zone und den Widerstand gegen die dänische Prisenmannschaft zu verantworten. Zudem wurde nach London die Nachricht übermittelt, dass der Befehl der dänischen Admiralität an die „Niels Ebbesen“, das Feuer auf die „Red Crusader“ einzustellen, nicht bedeute, dass Dänemark auf seine Forderung verzichte, den Skipper, Wood, des Schiffes vor einem dänischen Gericht anzuklagen.614 Am 7. Juni 1961 sandte das britische Außenministerium ein aide-mémoire an die diplomatische Vertretung Dänemarks in London. Die britische Regierung bedauerte und missbilligte in ihrer Antwort an Dänemark zwar den Zwischenfall, brachte jedoch vor, dass sie sich zu keinerlei Entscheidungen in der Sache in der Lage sehe, da die genauen Fakten noch ungeklärt seien. Es wurde jedoch betont, dass weder die britische Regierung noch ihre Repräsentanten Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der dänischen oder färingischen Gerichte hätten.615 In einer Rede vor dem Folketing am 8. Juni 1961 erklärte der dänische Außenminister, Jens Otto Karg, dass die britische Antwort unbefriedigend sei. Eine ausführliche Untersuchung der dänischen Regierung habe ergeben, dass die „Red Crusader“ ohne Zweifel in einer für das Schiff verbotenen Zone gefischt hätte. Daher würde Dänemark seine entsprechenden Beweise gerne einem unparteiischen Organ vorlegen. Der dänische Botschafter in London würde aus diesem Grund beauftragt werden, der britischen Regierung vorzuschlagen, dass eine besondere Untersuchungskommission auf der Grundlage einer gemeinsamen Vereinbarung errichtet werden solle.616 Der Vorschlag der Regierung in Kopenhagen wurde am 10. Juni 1961 dem britischen Außenministerium vom dänischen Botschafter überbracht. Hierin wurde eine vertrauliche Untersuchung durch eine Kommission gefordert, welcher drei Experten angehören sollten, sowie zwei Beobachter. Die britische Regierung bat sich etwas Zeit aus, bevor sie auf den Vorschlag eingehen würde, da in die Entscheidung hierüber verschiedene Stellen einbezogen werden müssten, insbesondere das Landwirtschafts- und Fischereiministerium, die Admiralität sowie die Fischereiüberwachungsbehörde.617 614
(826).
Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824
615 Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824 (826); vgl. auch Gérard Timsit, Annuaire Française de Droit International 9 (1963), S. 460 (460 ff.); Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 8. 616 Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824 (826 f.). 617 Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824 (827).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Am 23. Juni 1961 akzeptierte das britische Außenministerium grundsätzlich den dänischen Vorschlag. Dies wurde von Dänemark am 3. Juli 1961 bestätigt. In der Folge begannen Verhandlungen zwischen beiden Staaten über die Modalitäten des Untersuchungsabkommens und man einigte sich auf die Kompetenzen für die einzusetzende internationale Untersuchungskommission.618 Schließlich sandte der Botschafter des Königreichs Dänemark im Vereinigten Königreich am 15. November 1961 an den britischen Außenminister die folgende Note mit der Nummer 641/61:619 „My Lord, I have the honour to refer to the recent communications between representatives of the Government of the Kingdom of Denmark and the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland about certain incidents affecting the British trawler Red Crusader which occurred in the period of the 29th to the 31st of May 1961. I now have to propose on behalf of the Danish Government that a Commission of Enquiry shall be established to investigate those incidents and that an Agreement for this purpose shall be concluded in the following terms: (a)-(i) The Commission of Enquiry (hereinafter called ,the Commission‘) shall be composed of the following members: 1. Professor Charles de Visscher. 2. Professor André Gros. 3. Captain C. Moolenburgh. (ii) The President of the Commission shall be Professor Charles de Visscher. (iii) Should any member of the Commission die or become unable to act, the vacancy shall be filled by a new member appointed by agreement between the two Governments. (b) The Commission is requested to investigate and report to the two Governments: (i) the facts up to the arrest of the British trawler Red Crusader on the night of the 29th of May 1961, including the question wether the Red Crusader was fishing, or with her fishing gear not stowed, inside the blue line of the map annexed to the Agreement between the two Governments concerning the regulation of fishing around the Faroe Islands constituted by the Exchange of Notes of the 27th April, 1959; (ii) the circumstances of the arrest, and (iii) the facts and incidents that occurred thereafter before the Red Crusader reached Aberdeen. (c)-(i) The Commission shall, subject to the provisions of the Agreement determine its own procedure and all questions affecting conduct of the investigation. (ii) In the absence of unanimity, the decisions of the Commission on all questions, whether of substance or procedure, shall be given by a majority vote of its members, including all questions relating to the competence of the Commission, the interpretation of the Agreement and the determination of the matters specified in sub-paragraph (b) above. 618
(827). 619
Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 65 (1961), S. 824 United Nations Treaty Series Vol. 420, S. 67 ff.
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(d)-(i) Each Government shall, within fourteen day of to-day’s date, appoint an Agent for the purpose of the investigation and shall communicate the name and address of its Agent to the other Governments and to the President of the Commission. (ii) Each Government shall have the right to be represented before the Commission by the Agent and such counsel and advisers as it may appoint. (e)-(i) The proceedings shall be written and oral. (ii) Written Memorials shall be submitted to the Commission on behalf of each Government within such time limits as the Commission shall determine. (iii) The oral proceedings shall follow the written proceedings and shall, subject to the provisions of sub-paragraph (f) (i) below, be held in private where and when the Commission, after consultation with the two Agents, shall determine. (iv) Each Government shall have the right to present oral evidence to the Commission and to question any witness called by the other Government to give evidence before the Commission. (f)-(i) The Commission shall select its own seat and inform the two Governments of the address to which written communications to the Commission may be sent. In addition to the place selected as its seat it may carry out its functions in Denmark, including the area of the Faroe Islands, and in the United Kingdom. (ii) Each Government shall co-operate in making available the facilities necessary for the conduct of the investigation. (g)-(i) The Commission shall terminate its investigation as rapidly as possible, shall deliver its report in writing and shall transmit one signed copy to each Agent. (ii) Any question to subsequent publication of the proceedings shall be decided by agreement between the two Governments. (h) The two Governments shall accept as final the findings of the Commission. (i)-(i) The remuneration of members of the Commission shall be borne equally by the two Governments. (ii) The general expenses of the investigation shall be borne equally by the two Governments, but each Government shall bear its own expenses incurred in, or for, the preparation and presentation of its case. 2. If the foregoing proposals are acceptable to the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, I have the honour to suggest that this Note and Your Lordship’s reply in that sense shall constitute an Agreement between the two Governments in this matter, which shall enter into force on this day’s date.“
Der Außenminister des Vereinigten Königreichs antwortete seinerseits noch am gleichen Tag mit einer Note. In dieser teilte er dem dänischen Botschafter in London mit, dass der Vorschlag für die britische Regierung annehmbar sei, und die dänische Note sowie die eigene, britische Note eine Vereinbarung bilden würden, die noch am gleichen Tage, also am 15. November 1961, in Kraft treten solle.620 Auffällig an der Besetzung der Kommission war, dass ihr keine staatsangehörigen Repräsentanten von Dänemark und dem Vereinigten Königreich angehörten. Den 620
United Nations Treaty Series Vol. 420, S. 72.
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Vorsitz der Untersuchungskommission übernahm der belgische Völkerrechtsprofessor und ehemalige Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshof sowie am Internationalen Gerichtshof Charles de Visscher. Weitere Mitglieder waren der französische Völkerrechtler und Diplomat André Gros sowie Kapitän C. Moolenburgh aus den Niederlanden. Letzterer bekleidete in seinem Heimatland keine Position als Jurist, sondern war dort der Generalinspekteur für das Schiffereiwesen der Königlichen Niederländischen Marine. Beide Seiten wurden im Rahmen des Untersuchungsverfahrens von Rechtsberatern und Agenten vertreten. Auf britischer Seite waren diese der Generalanwalt ihrer Majestät für England und Wales sowie zwei Beamte aus dem britischen Außenministerium. Dänemark wurde durch Beamte des Außenministeriums sowie des Verteidigungsministeriums und den dänischen Völkerrechtler Max Sørensen vertreten.621 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission wurde am 21. November 1961 in Den Haag konstituiert.622 Als Tagungsort dienten der Kommission die Räumlichkeiten des dort ansässigen Ständigen Schiedshofes.623 Die Untersuchungskommission nahm ihre Tätigkeit am 3. März 1962 auf. An diesem Tag wurden von den Kommissionsmitgliedern gemeinsam mit den Bevollmächtigten der Parteien Fragen des internen Verfahrens der Kommissionstätigkeit diskutiert und einige Arrangements getroffen. Dies geschah in nichtöffentlicher Sitzung, alle Verfahrensfragen konnten geklärt und Probleme so beseitigt werden.624 Das Verfahren der Untersuchung sollte sich in zwei Abschnitte gliedern, einen schriftlichen und einen mündlichen Teil.625 Zudem wurde beschlossen, dass der Kommissionsvorsitzende den Generalsekretär des Ständigen Schiedshofes darum ersuchen sollte, einen Registrar für die Kommission zu benennen, der auch für die allgemeinen Verwaltungstätigkeiten in Bezug auf die Kommissionssitzungen zuständig sein sollte. Der Generalsekretär kam diesem Ersuchen nach.626 Das schriftliche Verfahren lief entsprechend der Regelung in Punkt (e) des Untersuchungsabkommens ab. Am 5. Dezember 1961 wurden Schriftsätze zwischen den beiden Staaten in London ausgetauscht und in Den Haag hinterlegt. Mit den erwidernden Schriftsätzen wurden in gleicher Weise am 16. Januar 1962 verfahren. Das Verfahren wurde dabei in englischer Sprache durchgeführt. Zusätzliche Do621 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (525); siehe auch Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 66 (1962), S. 597 (597). 622 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524). 623 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (525). 624 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (525). 625 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524); vgl. auch Nissim BarYaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 193. 626 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524).
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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kumente konnten später nur noch mittels einer mit Begründung versehenen Mitteilung nachgereicht werden.627 Die Kommission begann mit den Anhörungen der von den beiden Staaten benannten Zeugen und Sachverständigen am 5. März 1962. Von diesem Tage an bis zum 9. März 1962 wurden zunächst die von Dänemark benannten Personen befragt; ab dem 10. März dann diejenigen Personen, die vom Vereinigten Königreich benannt worden waren. Bei den Zeugen handelte es sich um Mannschaftsmitglieder der an den Ereignissen beteiligten Schiffe. Als Sachverständige hatte Dänemark ein Mitglied des Arbeitsbereichs Telekommunikation sowie einen Hauptingenieur aus der Abteilung für Elektronik der Königlichen Dänischen Marine benannt; Sachverständiger des Vereinigten Königreichs war ein Technischer Manager eines Unternehmens für Marinekommunikation. Für die Befragung hatte man sich darauf verständigt, zunächst eine erste Befragung durchzuführen, anschließend die aus dem anglo-amerikanischen Prozessrecht bekannte Technik des Kreuzverhörs anzuwenden und schließlich, falls erforderlich, eine erneute Befragung durchzuführen.628 Die Aussagen wurden auf der Basis des „engagement of honour“ gemacht; eine Eidesleistung wurden nicht verlangt.629 Die Befragungen wurden dabei entgegen Artikel 26 Abs. 1 des I. Haager Abkommens von 1907 nicht durch den Vorsitzenden der Kommission durchführt, sondern hauptsächlich den Repräsentanten der beiden Parteien überlassen. Die Mitglieder der Kommission begnügten sich damit, nur bestimmte Zeugen zu ausgewählten Punkten zu befragen.630 Die dänischen Zeugen und Sachverständigen konnten ihre Aussagen in dänischer Sprache abgeben. Die Aussagen wurden sodann simultan ins Englische übersetzt und, soweit dies erforderlich war, wurde von einem Konsekutivdolmetschen Gebrauch gemacht.631 Die mündlichen Einlassungen der Parteien und Antworten hierauf fanden schließlich vom 14. bis zum 16. März 1962 statt.632 Neben den Aussagen der Zeugen und Sachverständigen wurden von der Untersuchungskommission auch noch weitere Beweisquellen im Rahmen des Verfahrens herangezogen. Hierzu gehörten etwa Seekarten,633 Berichte über Radarmessungen,634 Fotografien von dem Ort des Geschehens, auf denen Felsen, Klippen und 627
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524). Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524 ff.); siehe auch Gerard Timisit, Annuaire Française de Droit International 9 (1963), S. 460 (468); Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 194. 629 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524). 630 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (525 f.); so auch Gerard Timisit, Annuaire Française de Droit International 9 (1963), S. 460 (468); Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 193 f. 631 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524). 632 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (526). 633 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (526 f.). 634 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (528). 628
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Landzungen abgebildet waren,635 Literatur über die Färöer-Inseln,636 Logbücher der beteiligten Schiffe637 und Funktionsberichte über Radaranlagen.638 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der von allen Kommissionsmitgliedern unterzeichnete Abschlussbericht des Untersuchungsverfahrens, welcher nach Auffassung des britischen Völkerrechtlers Ian Brownlie von einem starken rechtlichen Element und nicht ausschließlich von der Auffindung von Fakten geprägt war,639 wurde von der internationalen Untersuchungskommission für den „Red Crusader“-Zwischenfall am 23. März 1962 vorgelegt640 und am 30. März 1962 gleichzeitig in London und Kopenhagen veröffentlicht.641 Da den im Abschlussbericht durch die Untersuchungskommission getroffenen Feststellungen nach Regel (h) der anglo-dänischen Vereinbarung vom 15. November 1961 ein abschließender Charakter zukam, wurde insoweit nicht von der Regelung in Artikel 35 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907 Gebrauch gemacht, nach der die Parteien die volle Freiheit im Umgang mit den im Abschlussbericht festgehaltenen Tatsachen haben.642 bb) Nach einer Einleitung643, in welcher die Details der Einsetzung der Kommission sowie des Verfahrens niedergelegt waren, wurden die Fakten des Zwischenfalles, entsprechend einem Beschluss der Kommission,644 in drei Abschnitten niedergelegt: im ersten Abschnitt645 wurden die von der Untersuchungskommission gefundenen Tatsachen dargestellt, die zur Beschlagnahme der „Red Crusader“ geführt hatten, sowie die Umstände der Beschlagnahme als solche. Die Kommission kam hierbei zu folgenden Ergebnissen:646 635
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (527). Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (527). 637 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (537). 638 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (528 f.). 639 Ian Brownlie, Chinese Journal of International Law 8 (2009), S. 267 (272); so auch Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 17. 640 Report of 23 March 1962 of the Commission of Enquiry established by the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Kingdom of Denmark on 15 November 1961, wiedergegeben in: Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 ff.; der Bericht ist auch wiedergegeben in: International Law Reports 35 (1967), S. 485 ff. 641 Siehe Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 191. 642 So auch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 194. 643 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (524 ff.). 644 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (526). 645 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (526 ff.). 646 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (534). 636
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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„(1) that no proof of fishing inside the blue line has been established, in spite of the fact that the trawl was in the water inside the blue line from about 21.00 hours until 21.14 hours on May 29, 1961; (2) that the ,Red Crusader‘ was with her gear not stowed inside the blue line from about 21.00 hours until 21.14 hours on May 29, 1961; (3) that the first signal to stop was given by ,Niels Ebbesen‘ at 21.39 hours and that this signal and the later stop-signals were all given outside of the blue line.“
Im zweiten Abschnitt647 wurden die Ereignisse zwischen der Beschlagnahme der „Red Crusader“ und dem Zusammentreffen mit den entsandten britischen Schiffen beschrieben. Die Kommission kam hierbei zu folgenden Ergebnissen:648 „(1) that the ,Red Crusader‘ was arrested. This conclusion is established by Captain Sølling’s declarations as well as by the evidence given by Skipper Wood. Even if the Skipper formally denied his guilt, his answers clearly implied that he considered at the time that he had been duly arrested for illegal fishing. Notes made in the Skipper’s red pocket-book (Annex 12 to the British Counter-Memorial) and the ,Red Crusader’s‘ log-book also leave no doubt on that point. (2) that Skipper Wood, after having obeyed for a certain time the order given him by Captain Sølling, changed his mind during the trip to Thorshavn and put into effect a plan concerted with his crew, whereby he attempted to escape and to evade the jurisdiction of an authority which he had at first rightly, accepted. (3) that, during his attempt to escape, the Skipper of the ,Red Crusader‘ took steps to seclude Lieutenant Bech and Corporal Kropp during a certain period and had the intention to take them to Aberdeen. (4) that, in opening fire at 03.22 hours up to 03.53 hours, the Commanding Officer of the ,Niels Ebbesen‘ exceeded legitimate use of armed force on two counts: (a) firing without warning of solid gun-shot; (b) creating danger to human life on board the ,Red Crusader‘ without proved necessity, by the effective firing at the ,Red Crusader‘ after 03.40 hours. The escape of the ,Red Crusader‘ in flagrant violation of the order received and obeyed, the seclusion on board the trawler of an officer and rating of the crew of ,Niels Ebbesen‘, and Skipper Wood’s refusal to stop may explain some resentment on the part of Captain Sølling. Those circumstances, however, cannot justify such a violent action. The commission is of the opinion that other means should have been attempted, which, if duly persisted in, might have finally persuaded Skipper Wood go stop and revert to the normal procedure which he himself previously followed. (5) that the cost of the repair of the damage caused by the firing at and hitting of the ,Red Crusader‘ submitted by the British Government has been considered reasonable by the Danish Agent.“
Im finalen dritten Abschnitt649 wurden die Ereignisse nach diesem Zusammentreffen beschrieben. Die Untersuchungskommission kam im Hinblick auf die Be647 648 649
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (534 ff.). Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (537 f.). Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (538 f.).
202
2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
gebenheiten, welche die Schiffe der britischen Marine betrafen, zu dem Ergebnis:650 „that Commander Griffiths and the other Officers of the Royal Navy made every effort to avoid any recourse to violence between ,Niels Ebbesen‘ and ,Red Crusader‘. Such an attitude and conduct were impeccable.“ cc) Am 4. April 1962 erklärte der Lordsiegelbewahrer im britischen Unterhaus, dass die Regierung Ihrer Majestät, in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsabkommens, die Feststellungen der Kommission als abschließend betrachte.651Auch die Regierung Dänemarks akzeptierte dies.652 Dass der Bericht schnell und gleichzeitig von beiden Seiten veröffentlicht wurde, sprach zudem dafür, dass beide Regierungen mit den Feststellungen der internationalen Untersuchungskommission zufrieden waren.653 Es gelang den beiden Regierungen etwa ein Jahr später, eine Übereinkunft über eine abschließende Regelung des „Red Crusader“-Zwischenfalles zu finden. Dies geschah durch eine gegenseitige, nachträgliche Aufhebung aller Forderungen, die mit dem Zwischenfall verbunden waren.654 Eine entsprechende anglo-dänische Vereinbarung wurde zu Beginn des Jahres 1963 getroffen. Der Unterstaatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten umriss diese Vereinbarung am 23. Januar 1963 im britischen Unterhaus wie folgt:655 „Her Majesty’s Government and the Danish Government have now completed their consultation about the Report of the Commission of Enquiry into the incidents affecting the Scottish trawler ,Red Crusader‘ at the end of May 1961. In their desire to remove a source of disagreement between them, the two Governments have decided that the incident should be settled by a mutual waiver of all claims and charges arising out of the incident. These waivers enter into effect forthwith. The owners of the trawler have concurred in this settlement. As a result, Skipper Wood and the ,Red Crusader‘ are free to enter Danish waters without fear of arrest in relation to the events of May 1961, and the owners’ claim for compensation has been dropped. The two Governments consider that the incident can now be considered closed, though without prejudice to the view on points of law maintained by each Government.“
Allerdings gab es noch weitere Nachwirkungen der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts. Bereits am 28. April 1962 teilte die Regierung von Dänemark der Regierung des Vereinigten Königreichs mit, dass sie die Vereinbarung von 1959 650
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXIX, S. 521 (539). International Law Reports 35 (1967), S. 485 (500). 652 Vgl. Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 16. 653 Siehe Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 66 (1962), S. 597 (598); Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 191. 654 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 191; Ximena Hinrichs Oyarce, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 16. 655 International Law Reports 35 (1967), S. 485 (500). 651
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
203
kündige.656 Von Seiten der Regierung der Färöer-Inseln wurde darauf bestanden, dass die britischen Fischer bereits ab dem 28. April 1963 aus der Zwölf-Meilen-Zone der Inselgruppe ausgeschlossen werden sollten. Die dänische Regierung strebte hingegen an, dass der Ausschluss erst ab dem 12. März 1964 greifen solle. Verhandlungen zwischen Dänemark und dem Vereinigten Königreich im Februar 1963 in der Angelegenheit blieben erfolglos. Die dänische Regierung verkündete der britischen Regierung schließlich unilateral am 5. April 1963, dass sie ab dem 12. März 1964 eine Zwölf-Meilen-Zone um die Färöer-Inseln etabliere. Dies geschah dann auch an dem genannten Datum.657
III. Einordnung und Bewertung Das große Verdienst der zweiten Haager Friedenskonferenz in Bezug auf die internationale Untersuchungskommission war es, für diese ein eigenes, detailliertes Prozessrecht zu etablieren und damit ein Grundgerüst für das eigentliche Untersuchungsverfahren zu schaffen, welches die Staaten bei der Inanspruchnahme einer solchen Kommission nutzen können, ohne dabei allerdings die Herrschaft über die Verfahrensausgestaltung zu verlieren. Die neuen Regelungen konnten insbesondere deshalb verabschiedet werden, weil die Delegierten auf der Haager Konferenz noch unter dem Eindruck der Untersuchung im Dogger-Bank-Fall standen. Dieser hatte den Wert der internationalen Untersuchungskommission und ihre Daseinsberechtigung unter Beweis gestellt.658 Der Völkerrechtler Otfried Nippold begrüßte die Ergebnisse der Konferenz in Bezug auf die Untersuchungskommission „ohne Vorbehalte“ und schrieb, dass „die Schaffung einer neuen Untersuchungsprozeßordnung eine Aufgabe war, die schon für sich allein die Einberufung einer internationalen Konferenz gelohnt haben würde“.659 Allerdings wurde dieser Befund in der Literatur nicht durchgehend geteilt. Insbesondere Politis blickte in einem zeitgenössischen Aufsatz, der nur einige Jahre nach dem Abschluss der Konferenz in Den Haag veröffentlicht wurde, in die Zukunft. Er sah für internationale Untersuchungen als eigenständiges Mittel der Streitbeilegung weder im Völkerrecht noch im internationalen Verkehr eine bleibende Stellung. Politis nahm vielmehr an, dass die Methode entweder mit der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit verschmelzen oder ein rein diplomatisches Instrument werden würde.660
656 Vgl. Charles Rousseau, Revue Général de Droit International Public 66 (1962), S. 597 (600 f.). 657 Siehe Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 191 f. Fn. 86. 658 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of Internationale Disputes by Means of Inquiry, S. 107. 659 Otfried Nippold, Die zweite Haager Friedenskonferenz. I. Teil. Das Prozeßrecht, S. 35. 660 Nicolas Politis, Revue Général de Droit International Public 19 (1912), S. 149 (185 ff.).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Hinsichtlich der wenigen praktischen Anwendungsfälle, welche die Artikel 9 ff. des I. Haager Abkommens von 1907 erlebten, ist sicherlich der Befund bemerkenswert, dass trotz der Hoffnungen, die ursprünglich mit der internationalen Untersuchungskommission verbunden waren, namentlich zur Kriegsverhinderung beizutragen, die Praxis dahinging, das Institut nur bei maritimen Zwischenfällen einzusetzen, bei denen wohl nie die Gefahr bestand, dass sich die Lage ohne Anrufung der jeweiligen Kommissionen zu einem bewaffneten Konflikt ausgeweitet hätte:661 (1) Die Zwischenfälle hinsichtlich der „Tavignano“, der „Gaulois“ und der „Camouna“662 waren kaum geeigent, auch nicht in der Zusammenschau mit den Zwischenfällen betreffend der „Carthage“ und der „Manouba“, einen Krieg zwischen Frankreich und Italien auszulösen.663 Die internationale Politik in Europa im Jahr 1912 wurde durch zwei Allianzen bestimmt, in welchen jeweils drei Großmächte verbündet waren. Deutschland und Österreich-Ungarn standen seit dem 7. Oktober 1879 im Bündnis.664 Dem sog. Zweibund trat Italien im Jahr 1882 bei, der so zum „Dreibund“ erweitert wurde,665 und der 1891 eine Erneuerung erfuhr.666 Frankreich hingegen war mit Russland und dem Vereinigten Königreich in der sog. Tripel-Allianz (Triple Alliance, Triple Entente) verbunden, welche von dem britischen König Edward VII. geschmiedet worden war.667 Wie bereits in den Ausführungen zur Einsetzung der internationalen Untersuchungskommission zum DoggerBank-Zwischenfall beschrieben, war Frankreich sowohl mit dem Vereinigten Königreich als auch mit Russland bis zum Jahr 1904 enge politische Verflechtungen eingegangen.668 Die anglo-französischen Beziehungen wurden in der Folge noch durch Vereinbarungen über militärische Fragen669 und durch den Vertrag hinsichtlich eines Koimperiums über die Neuen Hebriden im Südpazifik gestärkt.670 Russland ergänzte dieses Bündnissystem schließlich, nachdem es mit dem Vereinigten Königreich, seinem traditionellen weltpolitischen Rivalen, am 31. August 1907 ein Abkommen hinsichtlich der jeweiligen Interessen in Persien, Afghanistan und Tibet
661
Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (425). 2. Teil § 2 B. II. 1. a). 663 Zur Frage des französisch-italienischen Verhältnisses zum Zeitpunkt der Geschehnisse im Frühjahr 1912 auch bereits Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 142 ff. 664 Der Bündnisvertrag ist wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, S. 160 f. 665 Der österreichisch-italienisch-deutsche Bündnisvertrag vom 20. Mai 1882 ist wiedergegeben in: Wilhelm G. Grewe (Hrsg.), Fontes Historiae Iuris Gentium Band 3/1 (1815 – 1945), S. 423 f. Vgl. auch Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 512. 666 Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 514. 667 Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 515. 668 2. Teil § 2 A. II. 2. 669 Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 514. 670 Dieser Vertrag ist wiedergegeben in: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, S. 171 ff. 662
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
205
geschlossen hatte,671 sodass die Interessengegensätze der beiden Großmächte in dieser Weltregion ausgeräumt waren. In dieser Konstellation galt Italien seinen anderen beiden Bündnismächten jedoch als unzuverlässiger Partner. Dies war unter anderem das Resultat der italienischen Bündnisdiplomatie gegenüber den beiden westlichen Mitgliedern der Tripel-Allianz.672 Bereits 1882 hatte Italien erklärt, dass sich der Dreibund in keinem Fall gegen das Vereinigte Königreich richte. Im Jahr 1902 verkündete Italien zudem, dass das Bündnis auch nicht gegen Frankreich gerichtet sei. Zudem wurde im November desselben Jahres zwischen Italien und Frankreich eine geheime Neutralitätsvereinbarung geschlossen, nach welcher sich Italien verpflichtete, im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und einem anderen Staat neutral zu bleiben. Daher war Italien in Bezug auf Frankreich nicht mehr Teil des Dreibunds. Die Beziehungen zwischen Italien und Frankreich wurden bereits unmittelbar nach dem Abschluss der Neutralitätsvereinbarung zusehends freundschaftlicher. Dies wurde vor allem im Rahmen der Ersten Marokkokrise (1904 – 1906) deutlich, bei der das Deutsche Reich und Frankreich um Einfluss in dem nordafrikanischen Land stritten. Auf der internationalen Konferenz in dem spanischen Ort Algeciras, die vom 16. Januar bis zum 7. April 1906 tagte und bei der über eine Lösung der Marokkokrise beraten wurde, unterstützte Italien Frankreich und nicht seinen eigentlichen Verbündeten, das Deutsche Reich.673 In den folgenden Jahren spielte Italien vor allem eine Rolle im Hintergrund des europäischen Bündnissystems und war bei Krisen zwischen den beiden Bündnissen um eine vermittelnde Rolle bemüht. (2) Der „Tiger“-674 und der „Tubantia“-Fall675 betrafen ausschließlich Akte zu Lasten neutraler Staaten im Ersten Weltkrieg. Es ist (wohl) eher unwahrscheinlich, dass sich Spanien oder die Niederlande ohne die Untersuchung der jeweiligen Kommission in den Krieg hätten hineinziehen lassen, nur auf der Grundlage der jeweiligen Verletzung ihrer Neutralität durch Deutschland. Beide Staaten vermieden es schließlich bis zum Ende des Krieges, in diesen aktiv hineingezogen zu werden. (3) Der „Red Crusader“-Zwischenfall scheidet als casus belli zwischen dem Vereinigten Königreich und Dänemark ebenfalls aus.676 Zu bedenken ist hier, dass es zwar um wirtschaftlich wichtige Fischereirechte ging; allerdings darf nicht verkannt werden, dass sich der Fall zur Zeit des Kalten Krieges zutrug und beide Staaten zu diesem Zeitpunkt Mitglieder der Organisation des Nordatlantikvertrags 671
Der britisch-russische Vertrag über die asiatischen Angelegenheiten ist wiedergegeben bei: Karl Strupp (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, S. 191 ff. 672 Hierzu und zum Folgenden Arthur J. Grant/Harold William Vazeille Temperley, Europe in the nineteenth and twentieth century (1789 – 1950), S. 335 ff.; Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 143 f. 673 Zu dieser Konferenz Horst Blomeyer, in: Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer (Begr./ Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts – Erster Band: Aachener Kongress bis Hussar Fall, S. 26 ff. 674 2. Teil § 2 B. II. 2. a). 675 2. Teil § 2 B. II. 3. a). 676 2. Teil § 2 B. II. 4. a).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
(NATO677) waren. Aus völkerrechtlicher Sicht ist zudem hervorzuheben, dass der „Red Crusader“-Fall der einzige Zwischenfall war, der eine Untersuchung durch eine internationale Kommission nach den Regeln des I. Haager Abkommens von 1907 nach der Gründung der Vereinten Nationen und damit nach dem Inkrafttreten des Gewaltverbots in Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen darstellte, sodass sich die Rahmenbedingungen für die Anwendung zwischenstaatlicher Gewaltanwendung wesentlich gewandelt hatten. Auch dies machte es äußerst unwahrscheinlich, dass es zwischen zwei westeuropäischen Staaten zu militärischen Auseinandersetzungen gekommen wäre. (4) Jedenfalls ist in allen Fällen die Beobachtung berechtigt, dass sich das Haager System der internationalen Untersuchung als Methode bewährt hat, ein beruhigendes Element in zwischenstaatliche Beziehungen einzubringen, die aufgrund eines bestimmten Vorfalles angespannt waren, auch wenn jeweils keine konkrete Kriegsgefahr bestand.678 Im Falle des „Red Crusader“Zwischenfalles wird dies sehr deutlich. Zwei Staaten in unmittelbarer Nachbarschaft, die zudem Mitglieder desselben Militärbündnisses waren, suchten für die Erledigung einer zwischen ihnen bestehenden Streitigkeit einen Weg zu deren zügiger Erledigung. Aus ihrer Sicht war die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission der passendste Weg, um ihren Anforderungen in der konkreten Situation gerecht zu werden. Die Untersuchungskommission erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen, da sie beiden Parteien durch ihren Abschlussbericht eine Grundlage für die Beilegung des Streites bereitstellte.679 In verfahrensrechtlicher Hinsicht können wiederum verschiedene Schlussfolgerungen aus der Praxis der vier internationalen Untersuchungskommissionen gezogen werden, die unter den Artikeln 9 ff. des I. Haager Abkommens von 1907 eingesetzt wurden: (1) Bei der Besetzung der jeweiligen Kommissionen wurden verschiedene Modalitäten gewählt. Hinsichtlich der Größe der Untersuchungskommission setzten sich überwiegend drei Mitglieder als Besetzung durch, so im „Tavignano“-,680 im „Tiger“-681 und im „Red Crusader“-Fall682. Lediglich die Kommission im „Tubantia“-Fall683 bestand, wie die Dogger-Bank-Kommission, aus fünf Mitgliedern. Dabei ist der Schluss nicht zwingend, dass einem Fall, in welchem eine Drei-Personen-Kommision gebildet wird, eine geringere Schwierigkeit zugemessen wird, als denjenigen Fällen, in denen fünf Personen in die Kommission
677
North Atlantic Treaty Organization. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 195. 679 So Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 195; auch J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 53. 680 2. Teil § 2 B. II. 1. b). 681 2. Teil § 2 B. II. 2. b). 682 2. Teil § 2 B. II. 4. b). 683 2. Teil § 2 B. II. 3. b). 678
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
207
berufen werden.684 Auch andere Überlegungen, wie etwa die Möglichkeit einer schnelleren Entscheidungsbildung bei wenigen Kommissionsmitgliedern oder die geringen Kosten, welche für die Entlohnung von nur drei, statt fünf Mitgliedern entstehen, können kumulativ oder alternativ für die Bildung einer kleineren Kommission sprechen. Außer im „Red Crusader“-Fall wurden stets eigene Staatsangehörige von den Parteien der Streitigkeit als Kommissionsmitglieder benannt, sodass die Parteien ihr Eigeninteresse an einer Vertretung im Untersuchungsprozess sichern konnten. Der Verzicht der beiden Staaten im „Red Crusader“-Fall auf jeweils ein Kommissionsmitglied mit eigener Staatsangehörigkeit, wie es in den sonstigen Fällen üblich gewesen war, zeigte zweierlei: Zum einen ein starkes Vertrauen in die Qualifikation und Integrität der nominierten Personen. Zum anderen, dass die Sicherung der nationalen Interessen und der Unparteilichkeit einer solchen Kommission in einem solchen Verfahren nicht zwangsläufig der Anwesenheit eigener Staatsangehöriger bedarf.685 Weiterhin wurde in allen Fällen, in Anwendung von Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907, als Kommissionsvorsitz ein Staatangehöriger einer neutralen Partei bestimmt. So wurde die Unparteilichkeit der Zentralperson der Kommission gesichert. Hinsichtlich der fachlichen Qualifikation der Kommissionsmitglieder gab es im Laufe der Zeit einen Umschwung. Juristische Expertise rückte zu Lasten der militärischen Kenntnisse in den Vordergrund. Im „Tavignano“- und im „Tiger“-Fall bestanden die Kommissionen noch gänzlich aus Marineoffizieren. Allerdings war bereits im „Tubantia“-Fall der Kommissionsvorsitzende, und damit die Zentralfigur der Kommission, ein Jurist, während die übrigen Kommissionsmitglieder Marineoffiziere waren. Im „Red Crusader“-Fall wurde zum ersten Mal mit der bis dahin bestehenden Praxis gebrochen, in die Kommission ausschließlich beziehungsweise weit überwiegend Personen zu berufen, welche über einen seemännischen Hintergrund verfügten und in diesem Bereich eine verantwortungsvolle Tätigkeit ausübten. Vielmehr wurde ein Weg beschritten, der sich schon vierzig Jahre zuvor, im „Tubantia“-Fall angedeutet hatte: Man übertrug die Untersuchung hauptsächlich international erfahrenen Juristen, welche also über Reputation auf dem Gebiet des Völkerrechts verfügten und auch auf der Grundlage ihrer juristischen Erfahrungen in Beweiserhebung sowie in Beweiswürdigung kompetent waren. Neben den beiden prominenten Völkerrechtlern verblieb nunmehr nur noch eine Position für einen Experten für Seefahrt als Teil der Kommission übrig. Die
684 In diese Richtung jedoch Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 155. 685 So auch Gerard Timisit, Annuaire Française de Droit International 9 (1963), S. 460 (464 f.), der den Verzicht auf eigene staatsangehörige Kommissionsmitglieder darauf zurückführt, dass hinsichtlich der vorherigen internationalen Untersuchungskommissionen oftmals Kritik daran geübt wurde, dass die von streitenden Staaten benannten Mitglieder internationaler Gremien oftmals für die eigene Seite Partei ergriffen und in deren Sinne abgestimmt hätten.
208
2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Bedeutung fachlicher Fähigkeiten hatte sich somit eindeutig zugunsten juristischer Expertise verlagert.686 (2) Regelmäßig wurde ein Kommissionssekretariat eingerichtet. Dieses hatte die Aufgabe, die internationale Untersuchungskommission bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Zwar waren die Sekretariate zumeist sehr klein, etwa bestehend aus lediglich zwei Personen im „Tavignano“-Fall,687 jedoch wurde deutlich, dass die Mitglieder der eigentlichen Kommission von administrativen Tätigkeiten freigehalten werden sollten, und dass es daher Personal zu ihrer Entlastung bedurfte. (3) Die Parteien der verschiedenen Untersuchungsverfahren machten hinsichtlich des Sitzes der jeweiligen Untersuchungskommission sowohl von Artikel 15 als auch von Artikel 16 des I. Haager Abkommens von 1907 Gebrauch. Während die beiden letzten Kommissionen ihre Untersuchungen in den Räumlichkeiten des Ständigen Schiedshofes in Den Haag abhielten, wurde für die „Tavignano“Kommission ein Sitz in der Nähe des Schauplatzes des Zwischenfalles, nämlich auf Malta gewählt.688 Die „Tiger“-Kommission residierte in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.689 Wie weiter unten noch gezeigt wird, war also offenbar die Nähe zum Ort des zu untersuchenden Sachverhalts nur ausnahmsweise ein Kriterium für den Sitz der jeweiligen internationalen Untersuchungskommission. Vielmehr scheint es so, als ob für den Sitz der Kommission die Neutralität des Sitzstaates ein entscheidendes Kriterium für dessen Auswahl war. Eine Ausnahme bildete insofern die Kommission zur Untersuchung des „Tubantia“-Zwischenfalles, bei der sich Deutschland und die Niederlande für Den Haag entschieden, und damit für den Regierungssitz einer den beiden im Streit liegenden Parteien.690 (4) Soweit dies aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen ersichtlich ist, machten die internationalen Untersuchungskommissionen, welche nach dem I. Haager Abkommen von 1907 errichtet wurden, von der in Artikel 18 des Abkommens vorgesehen Möglichkeit keinen Gebrauch, sich eine eigene Verfahrensordnung zu geben. Vielmehr wurden, wie die Verfahren im „Tiger“-691 und im „Red Crusader“-Fall692 zeigen, Abreden hinsichtlich der Untersuchung eher ad hoc mündlich getroffen. Worauf diese Zurückhaltung zurückzuführen ist, wird aus den Unterlagen nicht deutlich. Dieses Vorgehen lässt sich jedoch aus verschiedenen Gründen erklären. Zum einen kann man annehmen, dass sich die jeweiligen Untersuchungskommissionen bei ihrer Arbeit von den ohnehin schon 686 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 193; Gerard Timisit, Annuaire Française de Droit International 9 (1963), S. 460 (464). 687 2. Teil § 2 B. II. 1. b). 688 2. Teil § 2 B. II. 1. b). 689 2. Teil § 2 B. II. 4. b). 690 2. Teil § 2 B. II. 3. b). 691 2. Teil § 2 B. II. 2. b), c). 692 2. Teil § 2 B. II. 4. b), c).
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
209
detaillierten Regelungen des I. Haager Abkommens von 1907 leiten ließen und daher keinen Bedarf für eine zusätzliche Verfahrensordnung sahen. Dies wird besonders in Artikel VIII des Untersuchungsabkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden im „Tubantia“-Fall deutlich, der die Regeln des I. Haager Abkommens von 1907 ausdrücklich für anwendbar erklärte.693 Diese Praxis mag zum einen damit zusammenhängen, dass die zu untersuchenden Sachverhalte zeitlich wie inhaltlich sehr begrenzt waren und daher keine besonders komplizierten Verfahrensschritte erforderlich machten. Zum anderen wurden auch in den jeweiligen Untersuchungsabkommen regelmäßig zahlreiche, zusätzliche oder die Regelungen des I. Haager Abkommens von 1907 modifizierende Verfahrensregelungen getroffen, wobei gerade die Vereinbarung zwischen Dänemark und dem Vereinigten Königreich hinsichtlich des „Red Crusader“Zwischenfalles besonders detailliert war.694 (5) Das Verfahren vor den Kommissionen war regelmäßig in ein schriftliches Verfahren, in dessen Rahmen die Parteien ihre Argumente vorbringen konnten, und in einen mündlichen Teil mit Argumentation und eigener Sachverhaltsschilderung durch Bevollmächtigte der Parteien vor der Kommission gegliedert. Im mündlichen Teil wurden dabei fast immer die Zeugen und Sachverständigen vernommen. Eine Ausnahme bildete insoweit nur die internationale Untersuchungskommission, die zur Aufklärung des „Tiger“-Zwischenfalles eingesetzt wurde.695 Hier wurden weder Zeugen noch Sachverständige gehört. (6) Die Kommissionen vernahmen, wie dargelegt, regelmäßig Zeugen und nahmen auch andere Beweismittel in Augenschein. Hierbei spielten aufgrund der Natur der untersuchten Sachverhalte vor allem Seekarten und Logbücher eine Rolle. Die von den Parteien aufgerufenen Zeugen waren regelmäßig an den Ereignissen, die es zu untersuchen galt, beteiligt beziehungsweise bei diesen Ereignissen zugegen gewesen. Daneben waren auch immer wieder Sachverständige gefragt, um einzelne Detailfragen zu beleuchten. Auch hier spiegelt sich die begrenzte Natur der Sachverhalte, die es zu untersuchen galt, wider; bei den Sachverständigen handelte es sich in der Regel um Experten für nautische, meteorologische oder militärische beziehungsweise militärtechnische Fragen. Hierbei waren oft Abweichungen von der Regelung in Artikel 26 des I. Haager Abkommens von 1907 zu verzeichnen, die vorsieht, dass Befragungen durch den Kommissionsvorsitzenden durchgeführt werden. Die Befragung der Zeugen im „Tavignano“-Fall etwa wurde durch alle Kommissionsmitglieder durchgeführt;696 im „Red Crusader“-Fall hingegen wurden die Befragungen der Zeugen hauptsächlich den Vertretern der Parteien überlassen.697 Eine untergeordnete 693 694 695 696 697
2. Teil § 2 B. II. 3. b). 2. Teil § 2 B. II. 4. b). 2. Teil § 2 B. II. 2. c). 2. Teil § 2 B. II. 1. c). 2. Teil § 2 B. II. 4. c).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Rolle spielte die Möglichkeit, den Ort des Zwischenfalls zu besuchen, um sich einen Eindruck von den örtlichen und geographischen Gegebenheiten, die bei dem jeweiligen Zwischenfall eine Rolle gespielt hatten, zu machen (vgl. Artikel 20 des I. Haager Abkommens von 1907). Lediglich die Kommission im „Tavignano“-Fall machte von der Möglichkeit einer Vor-Ort-Untersuchung Gebrauch. Dies mag wiederum mit der Natur der zu untersuchenden Zwischenfälle zusammenhängen. Man kann insofern sagen, dass das Meer oftmals wenig Ersichtliches bietet. Allerdings sah Punkt (f)-(i) des Untersuchungsabkommens für die „Red Crusader“-Kommission vor, dass sich die Kommission zur Durchführung ihrer Untersuchung sowohl nach Dänemark in das Gebiet der Färöer-Inseln als auch in das Vereinigte Königreich begeben hätte können.698 Hierin zeigt sich, dass sich die beteiligten Staaten durchaus darüber bewusst waren, dass eine Vor-Ort-Untersuchung für eine umfassende Aufklärung der Tatsachen von der Kommission für nötig befunden hätte werden können. (7) Hinsichtlich der Kompetenzen und der Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen wird man hinsichtlich der vier Kommissionen, die nach den Regeln des I. Haager Abkommens von 1907 eingesetzt wurden, eine Trennung in zwei Kategorien vornehmen können:699 In die erste Kategorie fallen Kommissionen, deren Kompetenz im Untersuchungsabkommen jeweils auf die Darlegung von Tatsachen begrenzt war und die Berichte über Tatsachen ablieferten, bei denen die rechtlichen Implikationen des Geschehens offen zu Tage lagen. In die zweite Kategorie fällt eine Kommission, die nach ihrem Mandat zwar ebenfalls eine Kompetenz zur Darlegung von Tatsachen hatte, bei der sich allerdings der Abschlussbericht aus Tatsachen zusammensetzte, die mit rechtlichen Würdigungen kombiniert waren. In die erste Kategorie fallen der „Tavignano“-,700 der „Tiger“-701 und der „Tubantia“-Fall702. In den beiden ersten Fällen ging es um Positionsbestimmungen von Schiffen, im letzten Fall Fragen bezüglich der Versenkung eines Schiffes. In ihren Abschlussberichten vermieden es die Kommissionen in allen drei Fällen, Verantwortlichkeiten zuzuweisen. In die zweite Kategorie fällt nur der „Red Crusader“-Fall. Die betreffende Kommission war in dem anglo-dänischen Untersuchungsabkommen ausdrücklich nur mit der Untersuchung und der Berichterstattung über verschiedene Vorkommnisse rund um den Vorfall beauftragt worden. Der Abschlussbericht enthält jedoch neben einer Reihe von Tatsachenfeststellungen auch einige juristische Wertungen. Dies wird in dem Bericht etwa an der Stelle deutlich, an der die Kommission befand, dass der dänische Kommandeur die zulässigen Grenzen der Gewalt698
2. Teil § 2 B. II. 4. b). Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 196 f. 700 2. Teil § 2 B. II. 1. b). 701 2. Teil § 2 B. II. 2. b). 702 2. Teil § 2 B. II. 3. b). 699
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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anwendung überschritten habe.703 Die Kommissionen, die nur wenige Jahre nach der Verabschiedung des I. Haager Abkommens von 1907 eingesetzt wurden, haben damit den ursprünglichen Charakter der internationalen Untersuchung als reines Mittel der Tatsachenfeststellung (vgl. Artikel 35 des I. Haager Abkommens von 1907) beherzigt und ihr Mandat entsprechend eng ausgelegt. Hierzu dürfte auch beigetragen haben, dass sich die Kommissionen (fast) ausschließlich aus Marineexperten zusammensetzten. Anders war dies hingegen im „Red Crusader“-Fall704. Die überwiegend aus erfahrenen Völkerrechtsexperten zusammengesetzte Untersuchungskommission ging durch ihre rechtlichen Würdigungen über das ihr erteilte Mandat hinaus. Dazu, dass sich die Kommission zu diesem Schritt bewogen gesehen hat, dürfte beigetragen haben, dass man auf internationaler Ebene, im Lichte des völkerrechtlichen Gewaltverbots, nach 1945 wesentlich sensibler hinsichtlich von Fragen der Rechtmäßigkeit von Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen war.
C. Weitere Untersuchungskommissionen in Anlehnung an die Haager Regeln Außer den soeben beschriebenen Fällen, in denen die internationalen Untersuchungskommissionen nach den Regeln des Haager Abkommens von 1907 durchgeführt wurden, gab es noch zwei weitere Fälle, in denen zwischenstaatliche internationale Untersuchungskommissionen errichtet wurden. Auch diese Fälle hatten wiederum Zwischenfälle zur See zum Gegenstand, die sich in der Zeit des Ersten Weltkriegs zugetragen hatten. Inwieweit diese Fälle nach den Regeln des I. Haager Abkommens durchgeführt wurden, ist aus den zur Verfügung stehenden Quellen nicht ersichtlich. Beide Fälle werden jedenfalls nicht in den Berichten des Ständigen Schiedshofes in Den Haag in den Abschnitten über Untersuchungen aufgeführt.
I. Die Zwischenfälle hinsichtlich der deutschen Unterseeboote „U.B. 6“ und „U.B. 30“ Der erste Fall, der sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs ereignete, betraf eine Streitigkeit zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden.705 Es ging um die Frage, ob die Festsetzung der beiden deutschen Unterseeboote „U.B. 6“ und „U.B. 30“, welche zu verschiedenen Zeitpunkten in niederländische Gewässer eingedrungen waren, durch die niederländischen Behörden rechtmäßig erfolgt war. Es 703
Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 52. 2. Teil § 2 B. II. 4. b) bis d). 705 Hierzu Green H. Hackworth, Digest of International Law Band VII, S. 462; Tabirzi Bensalah, L’Enquête Internationale dans le Rêglement des Conflicts, S. 37 f. 704
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
wurde eine Untersuchungskommission aus dänischen, schwedischen, argentinischen, deutschen und niederländischen Marineoffizieren gebildet. Die Kommission entschied am 20. Juli 1917, dass eines der Unterseeboote durch einen Unfall in die niederländischen Hoheitsgewässer eingedrungen war und daher freigelassen werden müsse, während im anderen Fall die Ursache in einer Nachlässigkeit des deutschen Kapitäns bestanden hätte und daher die Festsetzung rechtmäßig erfolgt sei.
II. Der „Igotz Mendi“-Zwischenfall Im zweiten Fall, der sich während des Ersten Weltkriegs zutrug, ging es um einen Zwischenfall zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark.706 Ein deutsches Prisenkommando hatte das spanische Schiff „Igotz Mendi“ beschlagnahmt, strandete aber anschließend am 24. Februar 1918 in dänischen Gewässern. Dort wurden Schiff und Prisenkommando von den dänischen Behörden aufgegriffen. Am 19. August 1918 gab eine durch Deutschland und Dänemark gebildete internationale Untersuchungskommission eine Bewertung ab, nach der ein Unterschied zwischen dem „Igotz Mendi“-Fall und einem vorherigen Fall der Freilassung von britischen Offizieren durch Dänemark bestanden habe; daher stelle der Fall keine Verletzung des Neutralitätsrechts dar. In dem vorherigen Fall waren zwei neutrale Schiffe involviert, die von einem britischen Kriegsschiff gestoppt worden waren und denen der Befehl erteilt wurde, britische Häfen anzulaufen. Britische Offiziere wurden auf diese beiden Schiffe geschickt, die allerdings unter eigener Flagge und dem Kommando eigener Offiziere weiterfuhren und nicht als Prise behandelt wurden. Schlechtes Wetter verhinderte das Anlaufen der britischen Häfen, in denen eine Inspektion durchgeführt werden sollte. Daher willigten die britischen Offiziere ein, dass die Schiffe den Kurs zu ihren Bestimmungszielen wiederaufnehmen sollten. Die britischen Offiziere wurden, in der Annahme ihres Status als reguläre Passagiere, bei der Ankunft in Dänemark freigelassen, da keine direkte Beziehung zu feindseligen Handlungen bestanden habe. Dies wäre, so die Untersuchungskommission, im Falle des deutschen Prisenkommandos anders gewesen, deren Inhaftierung daher fortzusetzen sei.
D. Die Optional Rules für internationale Untersuchungskommissionen des Ständigen Schiedshofes von 1997 I. Hintergrund und Entstehung der Regeln Obwohl nach der Untersuchung im „Red Crusader“-Fall kein weiteres Untersuchungsverfahren nach den Haager Regeln am Ständigen Schiedshof mehr registriert wurde, erarbeitet das Internationale Büro des Schiedshofes in den 1990er 706 Hierzu Green H. Hackworth, Digest of International Law Band VII, S. 583; Tabirzi Bensalah, L’Enquête Internationale dans le Rêglement des Conflicts, S. 38.
§ 2 Das Haager System der Internationalen Untersuchungskommissionen
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Jahren die „Optional Rules for Fact-Finding Commissions of Inquiry“ (in der Folge: Optional Rules).707 Die Anregung zu diesen Regelungen ging von dem Hauptausschuss des Ständigen Schiedshofes aus, der im Jahre 1994 eingerichtet wurde, um den einhundertsten Geburtstag der Streitbeilegungsinstitution vorzubereiten und bei der Verbesserung von Streitbeilegungsverfahren beratend tätig zu werden. Sinn und Zweck der Optional Rules ist es, einen eigenständigen Rahmen für zwischenstaatliche Untersuchungskommissionen zu schaffen, den Staaten in einem entsprechenden Verfahren wählen können. Daher sollen diese Regeln über eine bloße Ergänzung der Vorschriften im I. Haager Abkommen von 1907 hinausgehen.708
II. Inhalt der Regeln Die Optional Rules, die seit dem 15. Dezember 1997 zur Anwendung bereitstehen, enthalten Verfahrensregeln in insgesamt siebzehn Artikeln: 1. Anwendungsbereich der Optional Rules (Artikel 1) Nach Artikel 1 Abs. 1 der Optional Rules finden diese Regeln immer dann Anwendung, wenn sich die Parteien auf die Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Zwecke des Fact-Finding geeinigt haben, die nach den Optional Rules arbeiten und dem Zweck dienen soll, durch eine unparteiische und unabhängige Untersuchung Fakten zu ergründen, hinsichtlich welcher die Parteien verschiedene Auffassungen vertreten. Nach Abs. 2 bleibt es den Parteien unbenommen, jeder Zeit zu vereinbaren, jede der Regeln in dem Untersuchungsverfahren auszuschließen oder abzuändern. 2. Einleitung eines Fact-Finding-Verfahrens (Artikel 2) Artikel 2 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass die Partei, welche ein FactFinding-Verfahren einleiten möchte, der anderen Partei eine schriftliche Einladung hierzu zukommen lassen muss, in welcher niedergelegt ist, dass das Verfahren nach den Optional Rules betrieben werden soll. In diesem Schreiben müssen knapp diejenigen Fakten identifiziert werden, die durch die Kommission ergründet werden sollen. Eine Kopie des Einladungsschreibens muss nach Abs. 1 S. 2 an das Inter707 Die Optional Rules können abgerufen werden unter: https://pca-cpa.org/wp-content/ uploads/sites/175/2016/01/Permanent-Court-of-Arbitration-Optional-Rules-for-Fact-findingCommissions-of-Inquiry.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 708 So der Einführungstext zu den Optional Rules. Siehe auch Jacomijn J. van Haersoltevan Hof, Netherlands International Law Review 54 (2007), S. 395 (401). Zu den entsprechenden Initiativen des Ständigen Schiedshofes allgemein Bette E. Shifman, International Journal of Legal Information 23 (1995), S. 284 (285 ff.); J. L. Bleich, Leiden Journal of International Law 6 (1993), S. 215 ff.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
nationale Büro des Ständigen Schiedshofes gesandt werden. Abs. 2 stellt klar, dass im Falle der Zurückweisung der Einladung durch die andere Partei kein Fact-Finding-Verfahren nach den Optional Rules stattfindet. Abs. 3 S. 1 besagt, dass, wenn eine Partei, die das Fact-Finding initiiert hat, nicht innerhalb eines Zeitraums von sechzig Tagen nach dem Datum, an welchem sie die andere Partei eingeladen hat, oder innerhalb desjenigen Zeitraums, der in der Einladung angegeben war, keine Antwort durch die andere Partei erhält, die initiierende Partei dies als Zurückweisung der Einladung ansehen kann. Nach Abs. 3 S. 2 hat die initiierende Partei die andere Partei hierüber zu informieren. Die Parteien können gemäß Abs. 4 S. 1 auch gemeinsam den Generalsekretär des Ständigen Schiedshofes schriftlich darum ersuchen, dass eine Kommission gebildet wird. Dieses Ersuchen muss nach Abs. 4 S. 2 in größtmöglichem Maße diejenigen Fakten spezifizieren, die durch die Kommission ergründet werden sollen, ohne dabei relevante neue Fakten auszuschließen, die im Zuge der Untersuchungen auftauchen könnten. 3. Anzahl der Kommissionsmitglieder (Artikel 3) Artikel 3 der Optional Rules sieht vor, dass die Untersuchungskommission aus einem Mitglied oder aus drei oder fünf Mitgliedern bestehen kann. Wenn die Parteien sich auf keine andere Anzahl einigen können, besteht die Untersuchungskommission nach der Vorschrift aus einem einzigen Kommissionsmitglied. 4. Benennung der Kommissionsmitglieder (Artikel 4) Hinsichtlich der Benennung der Kommissionsmitglieder sieht Artikel 4 der Optional Rules in Abs. 1 zunächst vor, dass gemäß lit. a) die Parteien im Falle eines Fact-Finding-Verfahrens mit nur einem einzigen Kommissionsmitglied den Versuch unternehmen müssen, eine Einigung über den Namen dieses einzigen Kommissionsmitgliedes zu finden, und dass nach lit. b) jede Partei in dem Fact-FindingVerfahren mit drei oder fünf Kommissionsmitgliedern, je nach der einschlägigen Zahl, ein oder zwei Kommissionsmitglieder benennen muss. Ist dies geschehen, müssen innerhalb von zwei Monaten nach der letzten Benennung die von den Parteien benannten Kommissionsmitglieder ein drittes beziehungsweise fünftes Kommissionsmitglied benennen, welches dann zugleich den Vorsitz der Kommission übernimmt. Nach Abs. 2 S. 1 können die Parteien auch eine geeignete Institution oder eine geeignete Person damit beauftragen, sie in Angelegenheiten der Benennung von Kommissionsmitgliedern zu unterstützen. Insbesondere bedeutet dies nach Abs. 2 S. 2 lit. a), dass eine Partei eine Institution oder eine Person ersuchen kann, Namen von Einzelpersonen zu benennen, die als Kommissionsmitglieder geeignet sind, oder nach lit. b), dass die Parteien sich darauf einigen, dass die Benennung von einem Kommissionsmitglied oder mehreren Kommissionsmitgliedern direkt durch eine solche Institution oder Person durchgeführt wird.
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Nach Abs. 3 S. 1 können die Parteien in dieser Frage auch die Hilfe des Generalsekretärs des Ständigen Schiedshofes in Anspruch nehmen, dem nach Abs. 3 S. 2 lit. a), b) die zuvor beschriebenen Aufgaben ebenfalls anvertraut werden können. Zudem stellt Abs. 3 S. 2 lit. c) klar, dass auch der Generalsekretär des Ständigen Schiedshofes selbst die Person sein kann, welche die Funktionen im Sinne des Abs. 2 S. 2 lit. a), b) ausübt. Abs. 4 sieht zudem vor, dass die Institution oder die Person, welche ein Kommissionsmitglied benennt oder vorschlägt, Gesichtspunkte zu beachten hat, welche die Benennung eines unabhängigen und unparteiischen Kommissionsmitgliedes absichern, und, angesichts dessen, dass ein einzelnes Kommissionsmitglied oder drei oder fünf Kommissionsmitglieder vorhanden sind, in Betracht zieht, ein Kommissionsmitglied zu benennen, welches eine Staatsangehörigkeit besitzt, die von den Parteien des Untersuchungsverfahrens abweicht. Abs. 5 legt schließlich fest, dass jeder Ersatz einer Vakanz in der Kommission in der Weise zu füllen ist, in der auch das zu ersetzende Kommissionsmitglied ursprünglich benannt wurde. 5. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder (Artikel 5) Artikel 5 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass die Kommissionsmitglieder in strikter Konformität mit ihrem Mandat handeln und die ihnen anvertraute Aufgabe in unparteiischer Art und Weise ausüben müssen. Nach S. 2 muss jedes Kommissionsmitglied nach seiner Berufung in die Kommission eine Erklärung hinsichtlich seiner Unabhängigkeit von den Parteien abgeben. 6. Ort des Zusammentritts der Kommission (Artikel 6) Artikel 6 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass für den Fall, dass die Parteien nichts anderes vereinbart haben, Den Haag Ort des Zusammentritts der Kommission ist. Das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes dient der Kommission in diesem Falle nach Abs. 1 S. 2 als Registrar, bewahrt die Archive der Kommission auf und stellt seine Beamten und Verwaltungsangestellten der Kommission zur Verfügung. Wird das Fact-Finding-Verfahren an einem anderen Ort als in Den Haag durchgeführt, so kann die Kommission in Konsultationen mit dem Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes nach Abs. 2 einen Sekretär ernennen. Nach Abs. 3 S. 1 kann die Kommission den Ort des Fact-Finding-Verfahrens in dem Land bestimmen, auf das sich die Parteien geeinigt haben. Die Kommission kann Treffen, die der Besprechung unter ihren Mitgliedern dienen, nach Abs. 3 S. 2 an jedem Ort abhalten, der, unter Berücksichtigung der Umstände der Untersuchung, von ihr als geeignet befunden wird. Gemäß Abs. 4 S. 1 kann sich die Kommission an jedem Ort treffen, den sie geeignet hält, um Gegenstände, Dokumente und Schauplätze zu besichtigen, sowie um Zeugen zu befragen. Abs. 4 S. 2 sieht darüber hinaus
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vor, dass den Parteien über solche Vor-Ort-Besuche zu informieren sind, um den Parteien die Gelegenheit zu geben, während der Untersuchung an dem betreffenden Ort vertreten zu sein. Nach Abs. 5 ersucht die Kommission oder das Internationale Büro des Ständigen Schiedshofes für die oben beschriebenen Aktivitäten um die Erlaubnis und die Unterstützung desjenigen Staates nach, auf dessen Territorium diese Aktivitäten unternommen werden sollen. 7. Repräsentation und Unterstützung (Artikel 7) Artikel 7 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass die Parteien von Personen ihrer Wahl repräsentiert und unterstützt werden können. Nach S. 2 müssen die Namen dieser Personen der anderen Partei und der Kommission mitgeteilt werden; in dieser Mitteilung muss zudem spezifiziert werden, ob eine betreffende Person für Repräsentations- oder Unterstützungszwecke benannt worden ist. 8. Verfahrenssprache (Artikel 8) Nach Artikel 8 S. 1 der Optional Rules können entweder die Parteien durch Vereinbarung oder, falls eine solche nicht zustande gekommen sein sollte, kann die Kommission selbst, die Sprache beziehungsweise die Sprachen bestimmen, in denen das Untersuchungsverfahren durchgeführt wird. Gemäß S. 2 kann die Kommission darum ersuchen, dass Dokumenten, die im Lauf des Verfahrens eingereicht werden, eine Übersetzung in die Sprache beziehungsweise in die Sprachen beigegeben wird, auf die sich die Parteien geeinigt haben oder die von der Kommission als Verfahrenssprache beziehungsweise -sprachen bestimmt worden ist beziehungsweise sind. 9. Kooperation der Parteien mit der Kommission (Artikel 9) Nach Artikel 9 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules müssen die Parteien mit der Kommission nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zusammenarbeiten sowie insbesondere Ersuchen der Kommission nachkommen, schriftliche Materialien bei ihr einzureichen, Beweise bereitzustellen und Sitzungen der Kommission beizuwohnen. Nach Abs. 1 S. 2 müssen sämtliche der Kommission vorgelegten Dokumente gleichzeitig der anderen Partei und dem Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes vorgelegt werden. Nach Abs. 2 S. 1 unternehmen es die Parteien, alle Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, zu nutzen, um das Auftreten von Zeugen und Sachverständigen vor der Kommission sicherzustellen. Ergänzend sieht Abs. 2 S. 2 weiterhin vor, dass für den Fall, dass es Zeugen und/oder Sachverständigen nicht möglich sein sollte, vor der Kommission zur erscheinen, die Parteien dafür Sorge tragen müssen, dass die Beweise dieser Zeugen von einem qualifizierten Beamten dort aufgenommen werden, wo sich die betreffenden Zeugen oder Sachverständigen aufhalten; die so erhaltenen Beweise sind der Kommission danach zügig zu über-
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mitteln. Weiterhin ist in Abs. 3 vorgesehen, dass ein Staat, der in die Durchführung eines Fact-Finding-Verfahrens nach den Optional Rules eingewilligt hat, so zu behandeln ist, als ob er die Erlaubnis zur Durchführung jeder der in Artikel 6 Abs. 2 bis 4 der Optional Rules genannten Aktivitäten auf seinem Staatsgebiet erteilt hätte. Darüber hinaus unternimmt nach der Regelung dieser Staat es, jedes Mittel, das ihm zur Verfügung steht, zu nutzen, um die Kommission mit jeder Unterstützung auszustatten, die sie im Verlauf des Fact-Finding-Verfahrens benötigt, wozu insbesondere auch die Sicherstellung des Erscheinens von Zeugen und Sachverständigen zählt. Gemäß Abs. 4 S. 1 müssen zudem in einem Fall, in dem die Kommission die Erlaubnis oder die Kooperation eines dritten Staates benötigt, die Parteien alle vernünftigen Mittel, die zu ihrer Verfügung stehen, nutzen, um die benötigte Erlaubnis einzuholen beziehungsweise die benötigte Kooperation sicherzustellen. Abs. 4 S. 2 besagt noch, dass ein Staat, der Partei des Fact-Finding-Verfahrens ist, es unternimmt, an den betreffenden Staat das einschlägige Ersuchen zu richten. 10. Vertraulichkeit (Artikel 10) Artikel 10 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass, außer in Fällen, in denen die Parteien etwas anderes vereinbart haben oder eine Offenlegung durch das anwendbare Recht einer Partei erforderlich ist, die Kommissionsmitglieder sowie die Parteien in allen Angelegenheiten des Fact-Finding-Verfahrens Vertraulichkeit wahren, was die Untersuchungen, die Anhörungen, die Beratungen sowie die Ergebnisse der Kommission einschließt. S. 2 sieht weiterhin vor, dass die Untersuchungskommission in camera zusammenkommt, außer wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben. 11. Einreichung von Stellungnahmen bei der Kommission (Artikel 11) Gemäß Artikel 11 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules muss die Kommission, direkt nach ihrer Einsetzung, jede der Parteien darum ersuchen, eine kurze, geschriebene Stellungnahme hinsichtlich der grundsätzlichen Natur der zu ermittelnden Tatsachen und zu den strittigen Punkten einzureichen. Nach Abs. 1 S. 2 steht es dabei im Ermessen der Kommission, zu entscheiden, ob die Stellungnahmen gleichzeitig und in responsiver Weise bei ihr einzureichen sind. Nach Abs. 2 kann die Kommission die Parteien darum ersuchen, weitere schriftliche Stellungnahmen hinsichtlich ihrer jeweiligen Standpunkte und der Tatsachen und der jeweils unterstützenden Gründe hierfür, einzureichen. Nach der Vorschrift können die schriftlichen Stellungnahmen von jedem Dokument sowie durch andere Beweise ergänzt werden, welche eine Partei hierfür als geeignet ansieht. Weiterhin kann nach Abs. 3 die Kommission in jeder Phase des Verfahrens eine Partei um die Einreichung zusätzlicher Informationen ersuchen, und zwar in dem Maße, wie es die Kommission für erforderlich hält. Abs. 4 sieht vor, dass alle Dokumente, Stellungnahmen, Informationen oder Be-
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weise, die von einer Partei bereitgestellt werden, gleichzeitig auch der anderen Partei zur Verfügung gestellt werden müssen. Daneben muss jeweils eine Kopie beim Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes eingereicht werden. 12. Durchführung des Untersuchungsverfahrens (Artikel 12) Artikel 12 Abs. 1 der Optional Rules sieht vor, dass die Kommission, in Übereinstimmung mit diesen Regeln und der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung, das Fact-Finding-Verfahren in der Weise durchführen kann, die der Kommission geeignet erscheint. Dabei sind die Parteien gleich zu behandeln und jeder Partei muss in jeder Phase des Verfahrens umfassend Gelegenheit dazu gegeben werden, den Fall aus ihrer Sicht zu präsentieren. Nach Abs. 2 S. 1 gibt die Kommission den Parteien jede Gelegenheit, bei den Anhörungen und Untersuchungen anwesend zu sein und Dokumente einzureichen, Beweise zu präsentieren und Zeugen sowie Sachverständige aufzurufen. Nach Abs. 2 S. 2 kann die Kommission die Initiative ergreifen, in dem sie nach Dokumenten fragt und Zeugen und Sachverständige aufruft. Die Methode, welche angewendet wird, um an mündliche Aussagen von Zeugen und Sachverständigen zu gelangen, wird nach Abs. 2 S. 3 von der Kommission festgelegt. Zuletzt sieht Abs. 3 noch vor, dass, außer wenn die Parteien etwas anderes entschieden haben, und unter Berücksichtigung der Umstände des Falles, die Kommission den Umfang und die Art von Aufzeichnungen zu bestimmen hat, die von den Anhörungen und den weiteren Sitzungen der Kommission angefertigt werden. 13. Entscheidungsfindung (Artikel 13) In den Fällen, in denen die Kommission aus drei oder aus fünf Mitgliedern besteht, werden nach Artikel 13 der Optional Rules alle Entscheidungen der Kommission durch die Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen. 14. Beendigung des Untersuchungsverfahrens (Artikel 14, 15) Artikel 14 Abs. 1 der Optional Rules sieht vor, dass das Fact-Finding-Verfahren mit der Erteilung des Abschlussberichts durch die Kommission beendet ist. Nach Abs. 2 ist der Abschlussbericht der Kommission für keine der Parteien bindend, außer in dem Falle, dass genau dies zwischen den Parteien vereinbart wurde. Artikel 15 S. 1 der Optional Rules sieht zudem vor, dass im Falle einer einköpfigen Untersuchungskommission, das einzige Kommissionsmitglied den Abschlussbericht zu unterzeichnen hat; im Falle einer mehrköpfigen Kommission fällt diese Aufgabe dem Kommissionsvorsitzenden zu. Der Bericht ist jeweils zur Bestätigung durch den Generalsekretär des Ständigen Schiedshofes zu unterzeichnen. Nach S. 2 können dem Abschlussbericht individuelle Voten beigegeben werden. Gemäß S. 3 muss der
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Abschlussbericht diejenigen Tatsachen im Detail enthalten, die von der Kommission ergründet wurden, sowie die Gründe dafür, warum bestimmte Tatsachen nicht ergründet wurden. S. 4 sieht zudem vor, dass der Abschlussbericht über die Kommissionsarbeit nur dann öffentlich gemacht werden soll, wenn die Parteien sich hierauf geeinigt haben. Ansonsten soll der Bericht vertraulich bleiben. 15. Kosten (Artikel 16) Gemäß Artikel 16 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules berechnet die Kommission nach Abschluss des Fact-Finding-Verfahrens in Rücksprache mit dem Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes die Kosten für die Untersuchung und erteilt den Parteien hierüber eine schriftliche Mitteilung. Nach Abs. 1 S. 2 fallen unter diese Kosten die Gebühren für die Kommission in angemessener Höhe, die Reisekosten sowie weitere Ausgaben der Kommissionsmitglieder, die Reisekosten und weiteren Ausgaben von Zeugen, die von der Kommission geladen wurden, die Kosten für jeden Sachverständigenrat, der von der Kommission angefordert wurde, sowie die Kosten für jede Dienstleistung, die vom Generalsekretär und dem Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes erbracht wurde, inklusive solcher Kosten, die durch die Abhaltung des Verfahrens außerhalb von Den Haag entstanden sind. Nach Abs. 2 S. 1 sind die beschriebenen Kosten von den Parteien zu gleichen Teilen zu tragen, außer die Kommission sieht eine andere Kostenverteilung vor. Nach Abs. 2 S. 2 müssen alle anderen Ausgaben, die den Parteien entstanden sind, einschließlich von Kosten in Bezug auf schriftliche oder mündliche Beweise von einem Zeugen oder Sachverständigen, die von der Partei präsentiert wurden, auch von der jeweiligen Partei getragen werden. 16. Vorschuss (Artikel 17) Artikel 17 Abs. 1 S. 1 der Optional Rules sieht vor, dass die Kommission bei ihrer Errichtung die Parteien dazu auffordern kann, einen Vorschuss im Hinblick auf die Kosten im Sinne des Artikels 16 zu leisten. Nach Artikel 17 Abs. 1 S. 2 müssen alle Anzahlungen beim Internationalen Büro des Ständigen Schiedshofes geleistet werden; das Büro ist nach der Regelung auch für deren Auszahlung zuständig. In Abs. 2 ist vorgesehen, dass die Kommission während des Fact-Finding-Verfahrens ergänzende Anzahlungen von den Parteien verlangen kann. Die Kommission kann nach Abs. 3 das Verfahren suspendieren, wenn die Vorauszahlungen durch die Parteien nicht in voller Höhe innerhalb von sechzig Tagen nach dem entsprechenden Ersuchen geleistet wurden; eine weitere Möglichkeit besteht in solchen Fällen darin, dass die Kommission eine geschriebene Erklärung über die Beendigung des Verfahrens abgibt, die dreißig Tage nach der Abgabe der Erklärung wirksam wird. Letztlich sieht Abs. 4 noch vor, dass nach Beendigung des Fact-Finding-Verfahrens durch die Kommission eine Abrechnung zu erstellen ist, die alle geleisteten An-
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zahlungen sowie die Ausgaben enthält. Überschüssige Beträge sind den Parteien zurückzuerstatten.
III. Einordnung und Bewertung Die Optional Rules modernisieren die Haager Regelungen über die internationale Untersuchungskommission von 1907 erheblich und straffen diese zum Teil. In vielen Fällen werden detaillierte Verfahrensschritte vorgesehen, die sich so im I. Haager Abkommen von 1907 nicht finden. Ein bedeutender Unterschied zu den völkervertraglichen Regelungen liegt insbesondere darin, dass in Artikel 1 der Regeln keine Begrenzung mehr dahingehend besteht, dass eine Kommission dann nicht eingesetzt werden kann, wenn vitale Staatsinteressen oder die nationale Ehre einer der Streitparteien betroffen sind beziehungsweise ist. Auch ist nun in Artikel 4 ein eigenes, detailliertes Verfahren zur Bestellung von Kommissionsmitgliedern vorgesehen, sodass ein Rekurs auf die Regeln für Schiedsverfahren, wie er noch in Artikel 12 des I. Haager Abkommens von 1907 vorgesehen war, entfällt. Sehr detailliert sind auch die Regelungen über die Finanzierung der Kommission gehalten, wobei nunmehr mit Artikel 17 die Frage des Vorschusses geregelt ist. Das Fehlen einer solchen Regelung im I. Haager Abkommen von 1907 hatte noch zu Kritik geführt.709 Auch die ausdrückliche Regelung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Kommission in Artikel 5 und die Vertraulichkeitsregeln in Artikel 10 sind wichtige Neuerungen. Ihre Praxistauglichkeit haben die Optional Rules mangels Inanspruchnahme allerdings noch nicht beweisen können. Angesichts der Tatsache, dass die Regeln von 1907 letztmals in den 1960er Jahren angewendet wurden, bleibt abzuwarten, ob die Praxistauglichkeit der Optional Rules sich überhaupt in absehbarer Zukunft erweisen können wird.
§ 3 Die Taft/Knox-Schiedsverträge von 1911 Bereits einige Jahre nach der zweiten Haager Friedenskonferenz erfuhr das Konzept einer internationalen Untersuchungskommission eine Verknüpfung mit dem Konzept der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in den sog. Taft/KnoxSchiedsverträgen. Es handelte sich hierbei um, inhaltlich fast identische, völkerrechtliche Verträge zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und Frankreich beziehungsweise dem Vereinigten Königreich andererseits. Beide Verträge wurden am 3. August 1911 unterzeichnet.710 Die Bezeichnung als Taft709
Siehe hierzu oben 2. Teil § 2 B. I. 3. t) cc). General Arbitration Treaty between the United States of America and the French Republic vom 3. August 1911, wiedergegeben in: American Journal of International Law Supplement 5 (1911), S. 249 ff. und General Arbitration Treaty between Great Britain and the 710
§ 3 Die Taft/Knox-Schiedsverträge von 1911
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Schiedsverträge geht dabei auf den, von 1909 bis 1913 amtierenden, US-amerikanischen Präsidenten William Howard Taft zurück, der den Anstoß zu diesen Verträgen gegeben hatte.711 Teilweise werden die beiden Verträge auch als Knox-Verträge bezeichnet, in Anlehnung an den damaligen Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, Philander C. Knox, der die Verträge mit den beiden europäischen Staaten aushandelte.712 Die beiden Verträge waren dazu bestimmt, ältere Schiedsverträge zwischen den beteiligten Staaten aus dem Jahr 1908 abzulösen.713 Taft war bereits zu Beginn seiner Präsidentschaft ein entschiedener Befürworter der Idee der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel zur friedlichen Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten und damit auch als Mittel der Kriegsvermeidung. Großen Einfluss übten hierbei seine Erfahrungen als Bundesrichter und Kriegsminister aus.714 Die Idee für die Verträge mit dem Vereinigten Königreich und mit Frankreich und seine Verhandlungsbereitschaft hierüber artikulierte Taft anlässlich eines Banketts der American Society for the Judicial Settlement of International Disputes am 17. Dezember 1910.715 Besonders stach dabei seine Absicht hervor, in diesem Rahmen, anders als dies noch bei den Verhandlungen während der beiden Friedenskonferenzen in Den Haag zu beobachten war, Fragen der nationalen Ehre und vitaler Interessen der Staaten nicht auszuklammern. Präsident Taft kritisierte solche Beschränkungen der Zuständigkeit in Bezug auf die beiden Verträge von 1908, die diese Formen der Zuständigkeitsbeschränkung – ebenso wie Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 beziehungsweise 1907 – vorsahen.716 Nach Artikel I der beiden Verträge vereinbarten die Vertragsparteien, sämtliche Differenzen zwischen ihnen, die nicht auf diplomatischem Wege beigelegt werden könnten, dem Ständigen Schiedshof in Den Haag oder einem anderen Tribunal unter drei Voraussetzungen zu unterbreiten: Erstens mussten internationale Angelegenheiten berührt sein, zweitens musste es sich um widerstreitende rechtliche FordeUnited States vom 3. August 1911, wiedergegeben in: American Journal of International Law Supplement 5 (1911), S. 253. 711 Vgl. John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1. 712 Vgl. John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1. 713 Vgl. jeweils Artikel VI der Taft-/Knox-Schiedsverträge. Bei den abzulösenden Verträgen handelte es sich um das Schiedsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich vom 10. Februar 1908, wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapports de Droit international, Serie III, Band 1, S. 925 f. und das Schiedsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich vom 4. April 1908, wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapports de Droit international, Serie III, Band 2, S. 313 ff. 714 N. N., American Journal of International Law 5 (1911), S. 718 (718 f.). 715 N. N., American Journal of International Law 5 (1911), S. 718 (720 f.). 716 Vgl. John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 3.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
rungen handeln und drittens mussten die Differenzen justiziabel sein „by reason of being susceptible of decision by the application of the principles of law and equity“. Artikel II der Verträge sah im Folgenden vor, dass auf das Ersuchen einer Partei hin, Streitigkeiten im Sinne des Artikels I zunächst einer Joint High Commission of Inquiry, also einer Gemeinsamen Hohen Untersuchungskommission, zu unterbreiten seien sowie alle anderen Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten. Hierin inbegriffen waren auch solche Streitigkeiten, bei denen bereits die Eignung für ein schiedsgerichtliches Verfahren zwischen den Vertragsparteien umstritten ist. Falls zwischen den Parteien nicht anderes vereinbart werden sollte, sollte die Gemeinsame Hohe Untersuchungskommission dergestalt zusammengesetzt werden, dass jede Partei drei ihrer eigenen Staatsangehörigen als Mitglieder der Kommission benennt. Die Organisation und das Verfahren der Gemeinsamen Hohen Untersuchungskommission sollten sich nach den Artikeln 9 bis 36 des I. Haager Abkommens von 1907 richten, soweit diese Regelungen anwendbar waren und nicht im Widerspruch zu den Vorschriften des Vertrages standen oder nicht durch die, zwischen den Parteien vereinbarte, Arbeitsanweisung an die Untersuchungskommission modifiziert wurden. In Artikel III der Verträge waren die Befugnisse der Gemeinsamen Hohen Untersuchungskommission niedergelegt. Die Kommission war nach dieser Regelung berechtigt, die ihr vorgelegten Fragen oder Angelegenheiten zu untersuchen und hierüber Bericht zu erstatten, zu dem Zweck, durch die Erhellung der Fakten die Lösung einer Streitigkeit zu erleichtern und die Schwierigkeiten zu benennen, die durch solche Fragen hervorgerufen werden konnten sowie in ihren Abschlussbericht solche Empfehlungen und Schlussfolgerungen niederzulegen, die der Kommission geeignet erscheinen. Dabei waren die Berichte der Kommission nicht als Entscheidungen anzusehen, weder hinsichtlich der Fakten noch hinsichtlich des Rechts; zudem hatte nach der besagten Regelung der Abschlussbericht keinesfalls den Charakter eines Schiedsspruchs. Eine Ausnahme hiervon bestand allerdings in den Fällen, in denen die Parteien uneins darüber waren, ob eine Streitigkeit schiedsfähig sei oder nicht. Hatten sämtliche oder sämtliche bis auf eines der Kommissionsmitglieder für die Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit gestimmt, entfaltete der Abschlussbericht Bindungswirkung. Die beiden Verträge traten niemals in Kraft, da sie von Seiten der Vereinigten Staaten von Amerika nicht ratifiziert wurden. Dies war der Politik im US-Senat geschuldet, welcher sich in Ausübung seiner Kompetenzen für die auswärtigen Beziehungen beziehungsweise den Abschluss von Verträgen mit anderen Staaten nach Artikel I Sektion 8 in Verbindung mit Sektion 1, 2 der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika im Ratifikationsverfahren zunächst kritisch mit den beiden Verträgen auseinandersetzte. Der Senat verlangte vor der Ratifikation der beiden Verträge einige einschneidende Änderungen und Ergänzungen im Hinblick auf den Wortlaut der Verträge.717 Zum einen wurde verlangt, dass der Gemeinsamen 717 Hierzu näher William Cullen Dennis, American Journal of International Law 6 (1912), S. 614 ff. sowie John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 7.
§ 3 Die Taft/Knox-Schiedsverträge von 1911
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Hohen Untersuchungskommission keine Kompetenz dahingehend zukommen sollte, entscheiden zu können, ob eine Streitigkeit schiedsfähig sei. Der entsprechende Passus sollte daher gestrichen werden. Zum anderen sollten bestimmte Fragen explizit von der Schiedsgerichtsbarkeit ausgenommen werden. Hierzu gehörten die Aufnahme von Ausländern in die Vereinigten Staaten von Amerika, die Zulassung von Ausländern in das US-amerikanische Bildungssystem, die territoriale Integrität der Vereinigten Staaten von Amerika, Schulden von Bundesstaaten, die MonroeDoktrin sowie andere „reine“ Regierungspolitiken. Wegen seiner weiten Formulierung entwertete gerade der letzte verlangte Zusatz die Verträge enorm. Präsident Taft war daraufhin auch nicht mehr bereit, die Politik des Senats mitzutragen und verweigerte sich daher dem weiteren Ratifikationsprozess.718 Trotz der Tatsache, dass die Verträge nie in Kraft traten, gingen von ihnen Impulse für die weitere Entwicklung des Systems der internationalen Streitbeilegung aus, worin die eigentliche Bedeutung der Verträge liegt. Diese Wirkungen wurden bereits von einigen zeitgenössischen Autoren vorausgesehen.719 Neben dem oben bereits erwähnten Verzicht auf eine Zuständigkeitsbeschränkung, lagen weitere bedeutende Neuerungen zum einen darin begründet, dass eine Untersuchungskommission nunmehr eine bindende Entscheidung treffen sollte, namentlich über die Schiedsfähigkeit einer internationalen Streitigkeit, womit diese Kommissionen in Widerspruch zu der im Untersuchungsverfahren des Haager Systems angelegten völligen Freiheit der Parteien zum Umgang mit dem Abschlussbericht (vgl. Artikel 14 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1899/Artikel 35 S. 2 des I. Haager Abkommens von 1907) stand.720 Zum anderen wurde ebenfalls dadurch von dem Haager Modell abgewichen, dass nach den Taft-/Knox-Schiedsverträgen der Gemeinsamen Hohen Untersuchungskommission nunmehr ausdrücklich eine Kompetenz dafür zuerkannt wurde, Empfehlungen abzugeben.721 Damit wurde dem Kommissionsbericht eine politische Komponente gegeben, die über die Feststellung von Tatsachen (vgl. Artikel 14 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1899/Artikel 35 S. 1 des I. Haager Abkommens von 1907) hinausging. Letztlich bildeten die beiden Schiedsverträge das Fundament für die sog. Bryan-Verträge, welche nur kurze Zeit später, nämlich ab dem Jahr 1913, abgeschlossen werden sollten.722 718 John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 7. 719 Vgl. William Cullen Dennis, American Journal of International Law 6 (1912), S. 614 (628); Alpheus Henry Snow, University of Pennsylvania Law Review 60 (1911 – 1912), S. 153 (179); vorsichtiger auch Vlietinck, Revue de Droit International et de Legislation Comparée 15 (1913), S. 417 (444). 720 So auch schon Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 114. 721 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 114, der auch darauf hinweist, dass die Abgabe von Empfehlungen ansonsten eher mit dem Streitbeilegungsmittel der Vermittlung in Verbindung gebracht wird. 722 Vgl. John E. Noyes, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 9.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
§ 4 Die Bryan-Verträge A. Entstehung und Inhalt der Verträge Das Konzept der internationalen Untersuchungskommission wurde kurz nach dem Scheitern der Taft/Knox-Schiedsverträge für die internationalen Beziehungen der Vereinigten Staaten von Amerika erneut aufgegriffen. In den sog. Bryan-Verträgen geschah dies allerdings mit Erfolg. Anlass für diese Verträge waren die Ideen des namensgebenden US-amerikanischen Politikers und Friedensaktivisten William Jennings Bryan (1860 – 1925), welche schon in die Taft/Knox-Schiedsverträge eingeflossen waren.723 Bryan griff dazu frühere Erfahrungen bei der Beilegung von Arbeitnehmerstreiks auf und versuchte diese Erfahrungen für die internationalen Beziehungen fruchtbar zu machen.724
I. Der Friedensplan des William Jennings Bryan Einer breiteren Öffentlichkeit machte Bryan seine Überlegungen erstmals im Februar 1905 in zwei Artikeln in dem wöchentlich erscheinenden Journal „The Commoner“ bekannt.725 Im Juli 1906 konnte Bryan seinen Vorschlag im Rahmen der 14. Sitzung der Inter-Parlamentarischen Union in London vorstellen. Dort wurde unter anderem über den Entwurf eines Vertrages diskutiert, welcher als Modell für Verträge über obligatorische zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit dienen sollte.726 Bryan schlug eine Ergänzung des ursprünglich vorgeschlagenen Vertrages dahingehend vor, dass in den Fällen, in denen der Modellvertrag vorsehe, dass nicht zwingend ein Schiedsgericht anzurufen sei, eine Verpflichtung für die streitenden Staaten eingeführt werden solle, welche diese zur Anrufung einer Institution zur Untersuchung und Berichterstattung verpflichte, bevor die beteiligten Staaten zur Kriegserklärung oder einer anderen Form der Feindseligkeiten schreiten dürften. Erst nach der Untersuchung sollten die im Streit liegenden Staaten frei agieren können.727 Im Jahr 1913 bekam Bryan die Möglichkeit, seine Vorschläge in die Tat umzusetzen, da er von dem neu gewählten Präsidenten Woodrow Wilson zum Außenmi723
Bryan hatte seine Ideen Präsident Taft, Außenminister Knox und dem britischen Botschafter in Washington, D.C. kurz nach Tafts Amtsübernahme unterbreitet, siehe Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (197). 724 Vgl. James Brown Scott, in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. xxvii ff. 725 Vgl. auch Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (194); die beiden Artikel sind abgedruckt bei: James Brown Scott, in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. xxviii f. 726 Siehe Inter-Parliamentary Union (Hrsg.), Official Report of the Fourteenth Conference held in the Royal Gallery of the House of Lords – London July 23rd to 25th 1906, S. 116 ff. 727 Siehe Inter-Parliamentary Union (Hrsg.), Official Report of the Fourteenth Conference held in the Royal Gallery of the House of Lords – London July 23rd to 25th 1906, S. 119 f.
§ 4 Die Bryan-Verträge
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nister ernannt wurde. Dabei ging die Überzeugung Bryans davon, dass internationale Untersuchungen für friedliche und gedeihliche internationale Beziehungen entscheidend waren, soweit, dass er die Annahme des Amts des Außenministers davon abhängig machte, dass sein Konzept zum Teil der Außenpolitik der Wilson-Administration gemacht würde.728 Bryan legte seinen Friedensplan nach Einbeziehung einiger von Wilson gemachter Vorschläge am 23. April 1913 dem Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des US-Senats in einem Memorandum vor: „The parties hereto agree that all questions of whatever character and nature whatever in dispute between them, shall, when diplomatic efforts fail, be submitted for investigation and report to an international commission (the composition to be agreed upon); and the contracting parties agree not to declare war or begin hostilities until such investigation is made and report submitted. The investigation shall be conducted as a matter of course, without the formality of a request of either party; the report shall be submitted within (time to be agreed upon) from the date of the submission of the dispute, and neither party shall utilize the period of investigation to change its military or naval program, but the parties hereto reserve the right to act independently on the subject matter in dispute after the report is submitted.“729
In einem ergänzenden Memorandum hielt Bryan zudem seine Ideen hinsichtlich von Größe und Besetzung der vorgeschlagenen internationalen Kommissionen fest, sowie Details für deren verfahrensrechtliche Ausgestaltung.730
II. Die Verträge 1. Die Vertragsparteien Von 1913 bis 1940 handelte zunächst Bryan selbst, und sodann einige seiner Nachfolger im Amt des US-amerikanischen Außenministers eine Reihe von Verträgen über die zwischenstaatliche Streitbeilegung für die Vereinigten Staaten von Amerika mit Staaten auf jedem Kontinent aus. Stets beruhten diese Verträge auf dem Konzept von Bryan.731 Der erste dieser Verträge wurde mit der mittelamerikanischen
728
Vgl. Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (425); William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 19; Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (198); Charles Cheney Hyde, British Yearbook of International Law 10 (1929), S. 96 (97). 729 Zitiert nach: James Brown Scott, American Journal of International Law 7 (1913), S. 566 (567). 730 Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (198). 731 Siehe Charles Cheney Hyde, British Yearbook of International Law 10 (1929), S. 96 (97 f.). Zu den weiteren Prozessen hinsichtlich der Bryan-Verträge in der US-amerikanischen Politik sowie zur Aushandlung der ersten dieser Verträge eingehend Paolo E. Coletta, Nebraska History 58 (1977), S. 193 (198 ff.).
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Republik El Salvador am 7. August 1913732 abgeschlossen. Dieser Übereinkunft kam damit eine Vorbildwirkung für die folgenden Verträge zu.733 Weitere Verträge wurden in der Folge noch im Jahr 1913 mit Guatemala734, Honduras735, den Niederlanden736, Nicaragua737 und Panama738 ; im Jahr 1914 mit Argentinien739, Bolivien740, Brasilien741, Chile742, China743, Costa Rica744, Dänemark745, der Dominikanischen Republik746, mit Ecuador747, Frankreich748, dem Vereinigten Königreich749, mit Griechenland750, Italien751, Norwegen752, Paraguay753, 732 Wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 131 ff. 733 Vgl. Hans-Jürgen Schlochauer, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 3. 734 Vertrag vom 20. September 1913; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 45 ff. 735 Vertrag vom 3. November 1913; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 50 ff. 736 Vertrag vom 18. Dezember 1913; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 117 ff. 737 Vertrag vom 17. Dezember 1913; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 121 ff. 738 Vertrag vom 20. September 1913; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 125 ff. 739 Vertrag vom 24. Juli 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 105 ff. 740 Vertrag vom 22. Januar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 1 ff. 741 Vertrag vom 24. Juli 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 5 ff. 742 Vertrag vom 24. Juli 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 10 ff. 743 Vertrag vom 15. September 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 15 ff. 744 Vertrag vom 13. Februar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 20 ff. 745 Vertrag vom 17. April 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 24 ff. 746 Vertrag vom 17. Februar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 110 ff. 747 Vertrag vom 13. Oktober 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 28 ff. 748 Vertrag vom 15. September 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 34 ff. 749 Vertrag vom 15. September 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 41 ff. 750 Vertrag vom 13. Oktober 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 115 ff.
§ 4 Die Bryan-Verträge
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Persien754, Peru755, Portugal756, Russland757, Spanien758, Schweden759, der Schweiz760, mit Uruguay761 und Venezuela762; im Jahr 1928763 mit Albanien764, Österreich765, der Tschechoslowakei766, mit Finnland767, Deutschland768, Litauen769 und Polen770 ; im Jahr 1929 mit Belgien771, Bulgarien772, Ägypten773, Estland774, Abessinien775, Ungarn776, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen777, mit Luxemburg778 und 751 Vertrag vom 5. Mai 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 54 ff. 752 Vertrag vom 24. Juni 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 60 ff. 753 Vertrag vom 29. August 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 66 ff. 754 Vertrag vom 4. Februar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 129 ff. 755 Vertrag vom 14. Juli 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 71 ff. 756 Vertrag vom 4. Februar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 75 ff. 757 Vertrag vom 1. Oktober 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 80 ff. 758 Vertrag vom 15. September 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 85 ff. 759 Vertrag vom 13. Oktober 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 92 ff. 760 Vertrag vom 13. Februar 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 136 ff. 761 Vertrag vom 20. Juli 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 98 ff. 762 Vertrag vom 21. März 1914; wiedergegeben in: Carnegie Endowment for International Peace (Hrsg.), Treaties for the Advancement of Peace, S. 140 ff. 763 Von diesem Jahr an wurden die Verträge jeweils als „Treaty of Conciliation“ bezeichnet. 764 Vertrag vom 22. Oktober 1928, League of Nations Treaty Series Vol. XCII (1929), Nr. 2090. 765 Vertrag vom 16. August 1928, League of Nations Treaty Series Vol. LXXXVIII, Nr. 1989. 766 Vertrag vom 16. August 1928, League of Nations Treaty Series Vol. LXXXIX, Nr. 2017. 767 Vertrag vom 7. Juni 1928, League of Nations Treaty Series Vol. LXXXVII, Nr. 1959. 768 Vertrag vom 5. Mai 1928, League of Nations Treaty Series Vol. XC, Nr. 2034. 769 Vertrag vom 14. November 1928, League of Nations Treaty Series Vol. C, Nr. 2298. 770 Vertrag vom 16. August 1928, League of Nations Treaty Series Vol. XCIX, Nr. 2285. 771 Vertrag vom 20. März 1929, League of Nations Treaty Series Vol. CIX, Nr. 2542. 772 Vertrag vom 21. Januar 1929, League of Nations Treaty Series Vol. XCIII, Nr. 2121. 773 Vertrag vom 27. August 1929, League of Nations Treaty Series Vol. CXLII, Nr. 16 B. 774 Vertrag vom 27. August 1929, League of Nations Treaty Series Vol. CII, Nr. 2367. 775 Vertrag vom 26. Januar 1929, League of Nations Treaty Series Vol. CI, Nr. 8(b). 776 Vertrag vom 26. Januar 1929, League of Nations Treaty Series Vol. XCVI, Nr. 2201.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Rumänien779 ; im Jahr 1931 mit Lettland780; im Jahr 1939 mit Liberia781 und im Jahr 1940 mit Australien782, Kanada783, Neuseeland784 und Südafrika785 abgeschlossen. Mit Griechenland und der Schweiz wurden zudem neue Verträge in den Jahren 1930786 beziehungsweise 1931787 abgeschlossen. Einige dieser Verträge sind heute noch in Kraft.788 2. Die Struktur der Verträge In ihrer Struktur sind sich sämtliche Bryan-Verträge sehr ähnlich:789 In ihrer jeweiligen Präambel wird die Zielrichtung des Vertrages niedergelegt: „(…) to advance the cause of general peace.“ Hierzu soll zwischen den Vertragsparteien eine internationale Kommission gebildet werden, an welche alle Streitigkeiten zwischen den beiden Staaten, welche nicht durch ein Schiedsgericht oder durch diplomatische Mittel beigelegt werden konnten, überwiesen werden. Die Kommission soll den Streitfall dann untersuchen. Die Vertragsparteien sind dabei verpflichtet, während der Durchführung der Untersuchung, und bevor der Abschlussbericht der Kommission nicht den Parteien unterbreitet wurde, den Streit ruhen zu lassen. Erst nach diesem Zeitpunkt erhalten sie ihre volle Handlungsfreiheit zurück und können einander gegebenenfalls den Krieg erklären beziehungsweise die Feindseligkeiten eröffnen. Die internationalen Kommissionen, welche durch die Vertragsparteien zu errichten sind, werden in den Bryan-Verträgen grundsätzlich als permanente Gremien konstruiert. Jede der Vertragsparteien benennt hierzu einen eigenen Staatsangehö-
777
Vertrag vom 21. Januar 1929, League of Nations Treaty Series Vol. XCIII, Nr. 2117. Vertrag vom 6. April 1929, League of Nations Treaty SeriesVol. CVI, Nr. 2463. 779 Vertrag vom 21. März 1929, League of Nations Treaty Series Vol. CV, Nr. 2403. 780 Vertrag vom 14. Januar 1931, League of Nations Treaty Series Vol. CV, Nr. 2423. 781 Vertrag vom 21. August 1939, League of Nations Treaty Series Vol. CCIV, Nr. 4795. 782 Vertrag vom 6. September 1940, League of Nations Treaty Series Vol. CCIV, Nr. 4803. 783 Vertrag vom 6. September 1940, League of Nations Treaty Series Vol. CCIV, Nr. 4804. 784 Vertrag vom 6. September 1940, League of Nations Treaty Series Vol. CCIV, Nr. 4805. 785 Vertrag vom 2. April 1940, League of Nations Treaty Series Vol. CCIV, Nr. 4786. 786 Vertrag vom 19. Januar 1930, League of Nations Treaty Series Vol. CXXXVI, Nr. 3138. 787 Vertrag vom 16. Februar 1931, League of Nations Treaty Series Vol. CXXIX, Nr. 2978. 788 Siehe United States Department of State, Treaties in Force – A List of Treaties and Other International Agreements of the United States in Force on January 1, 2013 sowie United States Department of State, Treaties in Force 2014/2015 – Supplement. 789 Siehe auch Hans-Jürgen Schlochauer, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 4: „The contents of the various Bryan Treaties are uniform in all major respects.“; sowie William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 20 ff.; Norman L. Hill, International Conciliation 15 (1932 – 1933), S. 89 (95 f.). 778
§ 4 Die Bryan-Verträge
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rigen sowie einen Angehörigen eines weiteren Staates als Kommissionsmitglied. Das fünfte Mitglied wird durch eine Vereinbarung der beiden Vertragsstaaten bestimmt. Das Verfahrensrecht der Kommissionen ist in den einzelnen Verträgen nicht so ausdifferenziert geregelt wie im I. Haager Abkommen von 1907, lehnt sich aber an dieses an.790 Eine internationale Kommission beginnt ihre Tätigkeit, wenn sie von einer der Parteien angerufen wird. In einigen Verträgen ist zudem vorgesehen, dass die Kommission proprio motu ihre Dienste anbieten kann. Für die Durchführung der Untersuchung wird der Kommission in den verschiedenen Verträgen regelmäßig ein Jahr Zeit eingeräumt. Zwar liegt die Grundfunktion der Kommissionen darin, einen ihnen unterbreiteten Streitfall zu untersuchen und im Anschluss über die gefundenen Ergebnisse Bericht zu erstatten. Allerdings ist es allgemein anerkannt, dass eine Kommission den streitenden Parteien auch eigene Empfehlungen zur friedlichen Beilegung des bestehenden Disputs geben darf. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass einige der Verträge eine Befugnis der jeweiligen Kommission zum Erlass von einstweiligen Maßnahmen in dem zugrundeliegenden Streitfall vorsehen.791
B. Der einzige Anwendungsfall: Der Letelier und Moffitt-Zwischenfall von 1976 Einzig der sog. Bryan-Suárez Mujica-Vertrag vom 24. Juli 1914 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Chile, welcher am 19. Januar 1916 in Kraft trat, fand bisher Anwendung. Dieser Vertrag hat dabei folgenden Wortlaut: „TREATY BETWEEN CHILE AND THE UNITED STATES FOR THE ADVANCEMENT OF PEACE The President of the United States of America and the President of the Republic of Chile being desirous to secure in the most effective way the amicable settlement of any future difficulties between both countries and the subsequent maintenance of peace and good amity between them, have resolved to enter into a special treaty for that purpose, and to that end have appointed their plenipotentiaries as follows: The President of the United States of America, His Excellency William Jennings Bryan, Secretary of States of the United States; and The President of the Republic of Chile, His Excellency Eduardo Suárez Mujica, Envoy Extraordinary and Minister Plenipotentiary of Chile to the United States of America; Who, after having communicated to each other their respective full powers, found to be in proper and due form, have agreed upon and concluded the following articles:
790
Hans-Jürgen Schlochauer, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 5. 791 Hans-Jürgen Schlochauer, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 6.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen ARTICLE I
The high contracting parties agree that all disputes that may arise in the future between them, shall, when diplomatic methods of adjustment have failed, be submitted for investigation and report to an international commission to be continued in the manner prescribed in the next succeeding article; and they agree not to declare war or begin hostilities during such investigation nor before all resources stipulated in this treaty have proved unsuccessful. ARTICLE II The international commission shall be composed of five members, to be appointed as follows: each government shall designate two members only one to whom shall be of its own nationality. The fifth member shall be chosen by common agreement between the two governments, it being understood that he shall not belong to any of the nationalities already represented on the commission. The fifth members shall perform the duties of president. Each of the high contracting parties shall have the right to remove, at any time before investigation begins, any commissioner selected by it and, conjointly, the nomination of the successor, or successors, must be enacted. Likewise, either government shall also have the right to withdraw its approval of the fifth member; in which case the new fifth member will be appointed within thirty days following the notification of the withdrawal, by common agreement lacking, the appointment will be made by the President of the Swiss Confederation. The vacancies that occur through other causes then those already named, will be filled as mentioned in this article. The international commission shall be constituted within the four months following the exchange of the ratification of this treaty, and shall notify both governments of the date of its organization. The commission will establish its own regulations. The resolutions of the commission, as well as its final report, will be adopted by the majority of its members. The expenses of the commission shall be paid by the two contracting governments in equal proportion. The commission shall determine the country wherein it will sit, taking into consideration the greater facilities of the investigation. ARTICLE III In case that, as established in Article I, the high contracting parties shall have failed to adjust the difficulty by diplomatic methods, said difficulty will be immediately submitted to the international commission for its investigation and report. The convocation of said commission may be made by either contracting government. The high contracting parties agree to furnish the permanent international commission with all the means and facilities required for its investigation and report. The report of the international commission shall be completed within one year after the date on which it shall declare its investigation to have begun, unless the high contacting parties shall extend the time by mutual agreement. The report shall be prepared in triplicate: one copy shall be presented to each government and the third retained by the commission for its files. ARTICLE IV Once the report is in possession of both governments, six month’ time will be available for renewed negotiation in order to bring about the settlement of the difficulty in view of the
§ 4 Die Bryan-Verträge
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findings of said report; and if even during this new term both governments should be unable to reach a friendly arrangement, the dispute will then be submitted to the Permanent Court of Arbitration established at The Hague. Notwithstanding, any question that may affect the independence, the honor or the vital interests of either or both of the countries, or the provisions of their respective constitutions, or the interests of a third nation, will not be submitted to such or any other arbitration. A special and previously agreed convention will detail, if arbitration is resorted to, the matter of the controversy, the extent to the arbiters’ powers, and the length of time to which the court of arbitration must subject its organization and procedure, including the presentation of memorials, proofs, and pleas. ARTICLE V The present treaty will be ratified by both governments after obtaining its approval by the Constitutional powers of both countries, and the ratifications shall be exchanged in Washington as soon as possible. The special convention prescribed by the final paragraph of Article IV remains also subject to the constitutional requisites of both countries. The present treaty shall take effect immediately after the exchange of the ratifications; and shall continue in force for a period of five years, and it shall thereafter remain in force, during successive periods of fives years, until one of the high contracting parties have given notice to the other of an intention to terminate it. In witness thereof the respective plenipotentiaries have signed the present treaty, and have affixed thereunto their seals.“
I. Historischer Hintergrund Am 21. September 1976 wurde der Chilene Orlando Letelier del Solar in einem Autobombenattentat in Washington, D.C. getötet. Letelier bekleidete unter dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende mehrere wichtige öffentliche Positionen, unter anderem Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika, und hatte verschiedene Ministerämter inne. Er wurde nach dem Militärputsch unter Augusto Pinochet am 11. September 1973 in dem südamerikanischen Staat zunächst für ein Jahr in ein Lager gesperrt, bevor er nach seiner Entlassung hieraus im Jahr 1975 in die Vereinigten Staaten von Amerika ging. Dort hatte er leitende Funktionen bei einem Think Tank inne. In dieser Zeit wurde Letelier zu einem führenden Gegner der Militärdiktatur in Chile und nutzte seinen Einfluss, um gegen das chilenische Regime zu opponieren. Dies führte zur Aberkennung seiner chilenischen Staatsangehörigkeit. Zum Zeitpunkt der Explosion der Autobombe begleitet ihn seine Assistentin Ronni Moffitt sowie deren Ehemann Michael Moffitt; beiden waren in dem Wagen. Ronni Moffitt verstarb, wie Letelier, an den Folgen der Explosion, während Michael Moffitt überlebte. In der Folge gab es Hinweise darauf, dass das Attentat gegen Letelier ein Anschlag aus einer Reihe ähnlich gelagerter Anschläge gegen Exilpolitiker war, welche vom chilenischen Staat, namentlich durch den chilenischen
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Geheimdienst DINA (Dirección Nacional de Intelligenica), in Auftrag gegeben oder durchgeführt wurden.792 In der Folge erhoben Michael Moffitt sowie Angehörige und Hinterbliebene von Orlando Letelier vor US-amerikanischen Gerichten Klage gegen Chile, da sie die chilenische Junta als für das Attentat verantwortlich ansahen. In dem Gerichtsverfahren, in welchem sich der südamerikanische Staat erfolglos auf die Staatenimmunität berief, wurde dieser vom Distriktgericht für den District of Columbia zur Zahlung von 5 Mio. US-$ an die Kläger verurteilt.793 Chile verweigerte die Zahlung; Vollstreckungsmaßnahmen der Kläger gegen die staatliche chilenische Fluglinie LAN wurde vom U.S. Court of Appeals for the Second Circuit aus Gründen der Staatenimmunität sodann jedoch verweigert.794
II. Einsetzung der Kommission In der Folge traten die Vereinigten Staaten von Amerika und Chile in Verhandlungen ein, um doch noch zu einer Entschädigung für die Hinterbliebenen von Letelier und Moffitt zu gelangen. Im Januar 1989 brachten die Vereinigten Staaten von Amerika den Vorschlag ein, eine Lösung der Streitigkeit auf der Grundlage des Vertrages zwischen beiden Staaten vom 24. Juli 1914 zu suchen. Die nach der Überwindung der Diktatur erst kurz zuvor neugebildete chilenische Zivilregierung ging auf den US-amerikanischen Vorschlag ein.795 Am 11. Juni 1990 trafen beide Staaten schließlich folgende Abmachung:796 „1. The Governments of the United States of America and the Republic of Chile agree that a dispute exists between their States concerning the responsibility for the death of Orlando Letelier and Ronni Moffitt in Washington, D.C. on September 21, 1976. 2. On January 12, 1989 the United States invoked the Treaty for the Settlement of Disputes that May Occur Between the United States and Chile, which entered into force on January 19, 1916, to investigate and report upon the facts surrounding the deaths of Orlando Letelier and Ronni Moffitt in Washington, D.C. on September 21. 3. The United States has sought compensation from Chile on behalf of the families of Letelier and Moffitt, on the Ground that the United States considers the State of Chile is legally responsible under international law for the deaths of Orlando Letelier and Ronni Moffitt and the personal injuries to Michael Moffitt. Without admitting liability, the 792 Siehe zum Sachverhalt auch die Darstellungen bei Haley D. Collums, Virginia Journal of International Law 21 (1981/82), S. 251 (251 ff.); Eric H. Singer, Vanderbilt Journal of Transnational Law 19 (1986), S. 57 (57 ff.); Peter A. Barcroft, American Journal of International Law 90 (1996), S. 290 (290 f.). 793 Letelier v. Chile 488 F.Supp. 665, 673 (D.D.C. 1980). 794 Letelier v. Chile, 748 F.2d 795 (2d Cir. 1984); zur Prozessgeschichte auch Peter A. Barcroft, American Journal of International Law 90 (1996), S. 290 (290 f.). 795 Vgl. Peter A. Barcroft, American Journal of International Law 90 (1996), S. 290 (291). 796 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (4 f.), Rn. 1.
§ 4 Die Bryan-Verträge
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Government of Chile, in order to facilitate the normalization of relations is willing to make an ex gratia payment, subject to the provision of Paragraph 5, to the Government of the United States of America, to be received on behalf of the families of the victims. 4. The Government of the United States and Chile agree that the amount of the ex gratia payment should be equal to that which would be due if liability were established, and should be determined by the Commission established by the 1914 Treaty in accordance with the Compromis which constitutes the annex to this Agreement. The Governments agree that, notwithstanding the invocation of the 1914 Treaty by the United States on January 12, 1989, in light of the understanding set forth herein, the amount of the compensation to be paid shall be the sole question to be determined by the Commission. 5. The Government of Chile agrees to pay to the Government of the United States, as its ex gratia payment in this matter, the amount of compensation as determined by the Commission. The Government of Chile undertakes to make the aforesaid payment as soon as possible and after the necessary legal requirements have been fulfilled following the determination by the Commission. 6. Upon receipt of the ex gratia payment referred to in Paragraph 5 above, the Government of the United States will regard as satisfied the claim espoused in its Diplomatic Note to the Government of Chile of April 18, 1988, and any other possible civil claim of the United States Government in regard to this matter. 7. This Agreement shall enter into force upon notification of the Government of the United States by the Government of Chile that it has completed the proceedings necessary under Chilean law to bring this Agreement into force.“
Zu dieser US-amerikanisch-chilenischen Abmachung wurde ein Untersuchungsabkommen mit folgendem Wortlaut abgeschlossen:797 „1. The United States and Chile agree to convene the Commission established by the 1914 Treaty for the Settlement of Disputes that May Occur Between the United States and Chile, which entered force January 19, 1916. 2. The Commission shall be composed as follows: Hon. William Mulligan Sir John Freeland Sr. Francisco Orrego Vicuña Sr. Julio María Sanginetti Coirolo Sr. Andrés Aguilar Mawdsley, as President Any vacancies on the Commission shall be filled in accordance with Article II of the Treaty. 3. The Commission is requested to determine the amount of compensation to be paid, ex gratia, by the Government of Chile to the Government of the United States, on behalf of the members of the families who were victims of the assassination and death of Orlando Letelier and Ronni Moffitt in Washington, D.C. on September 21, 1976, and for personal injuries sustained by Michael Moffitt.
797
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (5 f.), Rn. 2.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
4. The Commission shall determine the amount of the payment to be made by the Government of Chile in accordance with applicable principles of international law, as though liability were established. 5. The Commission shall determine its own procedures, except to the extent determined by the Parties of this Compromis. 6. Presentations by the Parties to the Commission, including all claims and supporting evidence, shall be in writing only, and shall remain confidential. Personal appearances are deemed unnecessary. 7. Following the Commission’s organization, the Parties shall proceed as follows: a. Within thirty days of the entry into force of the Agreement in accordance with Paragraph 7 thereof, the United States shall file its presentation with the Commission. b. Within thirty days thereafter, the Government of Chile shall file with the Commission its observations on the presentation made by the United States, if any. c. Within ten days thereafter, the United States shall have the opportunity to comment on the observations offered by the Government of Chile. d. Within ten days thereafter, the Government of Chile shall have the opportunity to respond to the comments of the United States, if any. e. Within thirty days of the last filing of either Party with the Commission, the Commission shall convey to the Parties its determination on the amounts due from Chile in the ex gratia payment it has agreed to make. 8. The Commission shall present its decision to the Parties at a meeting to be convened by the Commission in Washington, D.C. or Santiago. 9. The Parties shall seek the good offices of the Inter-American Commission of Human Rights to provide the facilities for the work of the Commission.“
Obwohl durch Artikel II des Bryan-Suárez Mujica-Vertrages keine besondere fachliche Qualifikation für die Kommissionsmitglieder gefordert wurde, benannten beziehungsweise einigten sich beide Staaten im Untersuchungsabkommen (compromis) auf fünf international angesehene Juristen.798 Die Vereinigten Staaten von Amerika benannten den Rechtsanwalt und ehemaligen Bundesrichter William Hughes Mulligan sowie den britischen Juristen Sir John Freeland, der als Völkerrechtsberater der britischen Regierung tätig gewesen war. Chile benannte mit Franciso Orrego Vicuña einen Völkerrechtsprofessor und ehemaligen Rechtsberater bei der Organisation Amerikanischer Staaten sowie mit Julio María Sanguetti Coirolo einen ehemaligen Präsidenten Uruguays, der vor seiner Präsidentschaft an wichtigen Verfassungsreformvorhaben in seinem Heimatstaat beteiligt gewesen war und sich während der Inhaberschaft des Amtes stark für die Menschenrechte eingesetzt hatte. Als Vorsitzender der Kommission wurde der venezolanische Diplomat und Völkerrechtler Andrés Aguilar Mawsley eingesetzt, welcher Venezuela zuvor unter anderem bei den Vereinten Nationen vertreten hatte. Da Mulligan allerdings nach der Etablierung der Kommission erkrankte, wurde er durch den ehemaligen 798 Siehe zu den Mitgliedern der Kommission Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 61.
§ 4 Die Bryan-Verträge
235
Botschafter, Völkerrechtsberater und Bundesrichter Malcolm Wikley aus den Vereinigten Staaten von Amerika ersetzt.799 Dies geschah nach Regel 2 des Untersuchungsabkommens, welcher vorsah, dass Vakanzen in Übereinstimmung mit Artikel II des Bryan-Suárez Mujica-Vertrages neu zu besetzen seien.
III. Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission versammelte sich am 4. Oktober 1991 zu einer Zeremonie im Hauptquartier der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington, D.C.800 Auf ein Ersuchen der Kommission entsprechend der Regel 9 des compromis hin, wurden ihr die Räumlichkeiten der Interamerikanischen Menschenrechtskommission für die Untersuchungstätigkeit zur Verfügung gestellt.801 Edith Márquez Rodríguez aus Venezuela, Angehörige des Sekretariats der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, wurde zudem als Kommissionssekretärin berufen. Die beiden an dem Untersuchungsverfahren beteiligten Saaten brachten fristgerecht ihre Schriftsätze und damit die verschiedenen notwendigen Dokumente bei.802 Diese wurden vom Sekretariat der Kommission an die Kommissionsmitglieder verteilt.803 Die Vereinigten Staaten von Amerika und Chile legten insgesamt 433 Seiten an Beweisdokumenten vor, wozu noch jeweils eine Anzahl von Annexen kam.804 Die Untersuchungskommission hörte in ihrer ersten Sitzung die Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika und Chiles an.805 Danach wurde bis zum 11. Januar 1992 eine Anzahl weiterer Sitzungen abgehalten. Da sich die Kommission wegen der Komplexität der sich in dem Fall stellenden Rechtsfragen, der großen Zahl von Beweismaterialien sowie der Weihnachts- sowie Neujahrsfeierlichkeiten, die in den Untersuchungszeitraum fielen, nicht in der Lage sah, ihre Arbeit, wie in Regel 7 lit. e) des compromis vorgesehen, innerhalb von 30 Tagen zu beenden,806 wurde eine Mandatsverlängerung beantragt.807 Diese wurde der Kommission auch von beiden Parteien gewährt.808 799
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (5 f.), Rn. 3. Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (6), Rn. 4. 801 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (6), Rn. 5. 802 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (6 f.), Rn. 7 ff. 803 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 11. 804 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 13. 805 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (6), Rn. 6. 806 Dispute concerning responsibility for the deaths of Letelier and Moffitt, Entscheidung vom 11. Januar 1992, wiedergegeben in: Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 13. 807 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 14. 800
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
IV. Ergebnisse der Untersuchung Die Untersuchungskommission kam nach der Durchführung der Untersuchung zu einem einstimmigen Ergebnis.809 Nachdem die Kommission für die einzelnen Hinterbliebenen der bei dem Anschlag von 1976 getöteten Personen ermittelt hatte, wieviel jedem Hinterbliebenen durch den Verlust seiner Angehörigen an prognostizierten und tatsächlichen finanziellen Einbußen entstanden waren, sowie wie viel Schmerzensgeld ihnen zustehe,810 legte die Kommission den finalen Betrag fest, welchen Chile an die Vereinigten Staaten von Amerika als Kompensationsleistung zu zahlen hatte. Dieser belief sich auf insgesamt 2.611.892 US-$.811 Als Grundlage der Bewertung der sich in dem Fall stellenden Rechtsfragen legte die Untersuchungskommission den Maßstab zugrunde, welcher vom Ständigen Internationalen Gerichtshof im Chorzów-Fabrik-Fall entwickelt wurde und heute zum Fundament des Rechts der Staatenverantwortlichkeit zählt:812 „(…) reparation must, as far as possible, wipe out all consequences of the illegal act and reestablish the situation which would, in all probability, have existed if that act has not been committed.“813 Auf diesen Maßstab hatten die Parteien auch in ihren jeweiligen Schriftsätzen Bezug genommen.814 Zur konkreten Berechnung von Schmerzensgeldbeträgen legte die Untersuchungskommission zudem im Abschlussbericht nicht näher bezeichnete Beträge zugrunde, welche zuvor von Gerichten und Schiedsgerichten des inter-amerikanischen Staatensystems verwendet worden waren.815 Nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens zahlte die chilenische Regierung die von der Kommission bestimmte Summe aus.816
C. Einordnung und Bewertung Die Idee von Bryan wird von Shore – in Anbetracht des Entwicklungsstandes des Völkerrechts zu der damaligen Zeit – als radikal bewertet.817 Es verwundert daher nicht, dass die praktische Bedeutung der Verträge gering blieb. Zwar wurden zehn der Ständigen Kommissionen gebildet, allerdings in der Folge nicht weitergeführt, 808
Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 15 f. Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (7), Rn. 18. 810 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (8), Rn. 23. 811 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (11), Rn. 43. 812 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (8), Rn. 21. 813 PCIJ, Case concerning the Factory at Chorzów (Claim for Indemnity – Merits), Urteil vom 13. September 1928, PCIJ Series A No. 17, S. 47. 814 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (8), Rn. 21. 815 Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (9), Rn. 31. 816 Vgl. Peter A. Barcroft, American Journal of International Law 90 (1996), S. 290 (291). 817 Vgl. William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 20. 809
§ 4 Die Bryan-Verträge
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insbesondere wurden Vakanzen in den Kommissionen nicht mehr neu besetzt,818 sodass heute keine der Kommissionen besteht.819 Die Relevanz der Bryan-Verträge wird, auch angesichts der schmalen Bilanz ihrer Inanspruchnahme,820 vor allem in ihren Wirkungen für die Entwicklung späterer Streitbeilegungsmechanismen gesehen. Das in den Verträgen etablierte System für internationale Untersuchungskommissionen wurde in weiteren zwischenstaatlichen Verträgen zur friedlichen Streitbeilegung, vor allem auf dem amerikanischen Doppelkontinent, auf die sogleich eingegangen wird, übernommen. Zudem haben die Bryan-Verträge Einfluss auf die spätere Verwendung internationaler Untersuchungskommissionen im Rahmen des Völkerbundes und der Vereinten Nationen ausgeübt.821 Der bisher einzige Anwendungsfall der Bryan-Verträge hatte mit deren ursprünglicher Konzeption nicht mehr viel gemein. Insbesondere bedurfte es keiner „Abkühlungsphase“ für die beiden Parteien im Angesicht angespannter Beziehungen (vgl. Artikel I des Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Chile); Anzeichen für eine Kriegsgefahr zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Chile bestanden zu keinem Zeitpunkt. Offenbar wurde der Vertrag zwischen beiden Staaten aus dem Jahr 1914 lediglich als nützliches Vehikel zur Lösung der zwischen ihnen bestehenden Problemlage angesehen.822 Chile und die Vereinigten Staaten von Amerika nutzten die etablierte Untersuchungskommission als quasi-schiedsgerichtliches Gremium.823 Der Grund hierfür wird bei näherer Betrachtung der Vereinbarung vom 11. Juni 1990 deutlich. Die Anrufung eines echten internationalen Schiedsgerichtes hätte, bei entsprechendem Ausgang des Verfahrens, einen Schiedsspruch gegen Chile bedeutet. In dem gewählten Verfahren bestand demgegenüber die Möglichkeit, die Zahlung der von der Kommission gefundenen Summe ex gratia zu vereinbaren (vgl. Punkt 3 ff. der Abmachung) und ihr damit den Charakter einer Rechtspflicht zu nehmen. Die quasi-schiedsgerichtliche Natur der Untersuchung lässt sich zudem an einer Reihe von weiteren Merkmalen des Verfahrens festmachen. Nicht nur waren alle Kommissionsmitglieder Juristen, 818
Vgl. Norman L. Hill, International Conciliation 15 (1932 – 1933), S. 89 (96). William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 19 f.; siehe auch Norman L. Hill, International Conciliation 15 (1932 – 1933), S. 89 (96), der in seinem Aufsatz aus den frühen 1930er Jahren darauf hinweist, dass schon im Jahr 1928 nur noch zwei der Ständigen Kommissionen intakt und somit arbeitsfähig waren. 820 Vgl. William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 20. 821 Hans-Jürgen Schlochauer, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 7; William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 20, 22. 822 Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 55: „The Letelier and Moffitt case thus confirms a general point made earlier that commissions of inquiry can sometimes be used in unexpected ways, (…)“. 823 In diese Richtung auch J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 55; Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (517); Partick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (16 f.). 819
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
sondern die Kommission bediente sich zur Ermittlung der in Rede stehenden Kompensationssummen auch an Maßstäben, welche zuvor von anderen internationalen Gerichten beziehungsweise Tribunalen entwickelt worden waren sowie letztlich auch beim Recht der Staatenverantwortlichkeit.824 Ob die noch in Kraft befindlichen Bryan-Verträge nochmals durch die Vereinigten Staaten von Amerika und einen oder mehrere der Vertragspartner in einer solch innovativen Weise wie im Lettelier und Moffitt-Fall eingesetzt werden, bleibt abzuwarten. Dies ist aber auf Grundlage der bisherigen Praxis eher unwahrscheinlich.
§ 5 Verträge bezüglich von Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent Die frühen Bryan-Verträge dienten als Vorbild für eine Reihe von Verträgen über die Streitbeilegung zwischen Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent beziehungsweise in zwei Fällen für Verträge zwischen dem Vereinigten Königreich und südamerikanischen Staaten. Den Beginn markierte insoweit der am 25. Mai 1915 zwischen Argentinien, Brasilien und Chile abgeschlossene, nach den Anfangsbuchstaben der Vertragsparteien auch ABC-Vertrag genannten Traité entre la République Argentine, les États-Unis du Brésil et le Chili ayant pour object de faciliter la solution pacifique des conflits internationaux exclus des conventions d’arbitrage actuellement en vigeur.825 Der Vertrag sah vor, dass Streitigkeiten zwischen den drei Vertragsparteien oder zwischen zweien von ihnen, die nicht diplomatisch oder im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit behoben werden konnten, einer ständigen Kommission zur Untersuchung und Berichterstattung vorgelegt werden sollten.826 Die streitenden Parteien durften grundsätzlich bis zur Vorlage des Berichts der Kommission nicht die Feindseligkeiten eröffnen.827 Jede Vertragspartei durfte einen Vertreter für die Kommission benennen.828 Als Sitz der Kommission wurde bereits im Vertrag ein neutraler Ort, nämlich die Hauptstadt von Uruguay, Montevideo, gewählt.829 Der Vertrag ließ den Parteien – nach Vorlage des Berichts – alle Freiheiten, nach ihrem Belieben in dem Streit zu verfahren.830 824 Dies kommt auch in dem Sondervotum des chilenischen Kommissionsmitgliedes Orrego Vicuña zum Ausdruck, der insoweit treffend formuliert: „This Commissioner can bear witness to the professional skill with which both parties have argued their case and to the fact that every relevant point of law and fact has been controverted by the parties with precision during the proceedings before this Commission, including the amount of compensation and the criteria as to its determination.“; Reports of International Arbitral Awards Vol. XXV, S. 1 (21). 825 Die französische Fassung des ABC-Vertrags ist abgedruckt in: Revue Général de Droit International Public 22 (1915), S. 475 ff. 826 Artikel 1 des ABC-Vertrages. 827 Artikel 1 des ABC-Vertrages. 828 Artikel 3 des ABC-Vertrages. 829 Artikel 5 des ABC-Vertrages.
§ 5 Verträge bzgl. von Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent
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Im Frühjahr des Jahres 1919 schloss das Vereinigte Königreich zudem Verträge, die ähnliche Modelle für internationale Kommissionen beinhalteten, mit Brasilien831 und Chile832 ab. In diesen Verträgen war ebenfalls die Schaffung einer ständigen Untersuchungskommission vorgesehen, welche im Titel der Verträge jeweils als „Friedenskommission“ bezeichnet wurde und die zunächst eine Streitigkeit zu untersuchen und darüber zu berichten hatte, bevor der Krieg zwischen den Parteien erklärt werden konnte.833 Beide Kommissionen sollten aus jeweils fünf Mitgliedern bestehen,834 von denen jede Partei einen eigenen und einen fremden Staatsangehörigen als Mitglied benennen durfte, das fünfte Mitglied sollte durch eine Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen bestimmt werden.835 Die Friedenskommission sollte jeweils sechs Monate errichtet werden, nachdem der Vertrag von beiden Seiten ratifiziert worden war.836 Während der Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und Chile vorsah, dass die Vertragsparteien sich das Recht vorbehielten, unabhängig vom Inhalt der Berichts der Kommission, nach Belieben in ihren gegenseitigen Beziehungen zu verfahren,837 sah der Vertrag zwischen Brasilien und dem Vereinigten Königreich eine andere Modalität vor. Gemäß Artikel 4 dieses Vertrages hatten die Vertragsparteien nach Vorlage des Kommissionsberichts sechs Monate Zeit, um eine Vereinbarung zwischen ihnen zu verhandeln, welche in Übereinstimmung mit dem Bericht stand. Kamen die beiden Parteien zu keinem Ergebnis, so mussten sie ihren Streit vor ein Schiedsgericht bringen, welches nach den Regeln des Schiedsvertrages zwischen beiden Staaten vom 18. Juni 1909838 gebildet worden war. 830
Artikel 6 des ABC-Vertrages. Treaty between the United Kingdom of Great Britain and Ireland and the United States of Brazil, for the establishment of a Peace Commission vom 4. April 1919. Der Vertragstext ist wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapports de Droit international, Serie III, Band 14, S. 438 ff. 832 Treaty between the United Kingdom and Chile for the Establishment of a Peace Commission vom 28. März 1919. Der Vertragstext ist wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapports de Droit international, Serie III, Band 14, S. 648 ff. 833 Siehe jeweils Artikel 1 der beiden Verträge. 834 Siehe jeweils Artikel 2 Abs. 1 der beiden Verträge. 835 Siehe Artikel 2 Abs. 1 des britisch-brasilianischen Vertrages (hierbei durfte das fünfte Kommissionsmitglied nicht die Staatsangehörigkeit einer der Parteien besitzen, die bereits in der Kommission repräsentiert war) und Artikel 2 Abs. 2 des britisch-chilenischen Vertrages (hierbei durfte das fünfte Kommissionsmitglied lediglich nicht die Staatsangehörigkeit einer der beiden Parteien besitzen). Nach Artikel 2 Abs. 2 des britisch-brasilianischen Vertrages kam dem fünften Mitglied auch die Rolle des Kommissionsvorsitzenden zu; eine entsprechende Bestimmung fehlt im Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und Chile. 836 Artikel 2 Abs. 5 des britisch-brasilianischen Vertrages und Artikel 2 Abs. 4 des britischchilenischen Vertrages. 837 Artikel 3 Abs. 5 des britisch-chilenischen Vertrages. 838 Arbitration Convention between the United Kingdom of Great Britain and Ireland and the United States of Brazil, wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau 831
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Schließlich wurde am 3. Mai 1923 auf der 5. Internationalen Konferenz Amerikanischer Staaten in der chilenischen Hauptstadt Santiago von 16 Staaten der auch als Gondra-Vertrag bekannte Tratado para evitar o prevenir conflictos entre los estados americanos unterzeichnet.839 Dieser Vertrag sah die Errichtung einer mit fünf Mitgliedern besetzten Untersuchungskommission vor,840 die Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien untersuchen sollte.841 Ein auf die Einberufung der Kommission gerichtetes Ersuchen musste von der Partei entweder an die andere Partei oder an eine von zwei besonderen, weil ständigen Kommissionen in Washington, D.C. beziehungsweise in Montevideo übermittelt werden.842 Diese Kommissionen setzten sich jeweils aus den drei am längsten in der betreffenden Hauptstadt akkreditierten diplomatischen Vertretern amerikanischer Staaten zusammen.843 Einige Merkmale hinsichtlich des Rechts der Untersuchungskommissionen waren aus den Bryan-Verträgen entliehen:844 Hierzu gehörten wiederum die Möglichkeit, jedweden Disput zwischen streitenden Parteien zu untersuchen,845 die einzuhaltende Wartezeit vor Beginn eines Krieges846 sowie die Handlungsfreiheit der Parteien nach dem Erhalt des Abschlussberichts der Kommission847. Allerdings kennt der Gondra-Vertrag auch einige bedeutende Unterschiede, die dieses Vertragswerk von der Konstruktion Bryans abheben beziehungsweise deren Konzeption weiterentwickeln:848 Zum einen konnte die Kommission in Notfällen auch ohne eine vorherige Verhandlung angerufen werden;849 zum anderen wurde die Warteklausel für den Beginn eines Krieges sehr breit gefasst, sodass Mobilisierungen, Truppenkonzentrationen, feindselige Akte und Vorbereitung von Feindseligkeiten erfasst wurden.850 Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapports de Droit international, Serie III, Band 5, S. 16 ff. 839 Organization of American States Treaty Series No. 16. Der Vertrag wurde von Argentinien, Brasilien, Chile, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Guatemala, Haiti, Honduras, Kolumbien, Kuba, Nicaragua, Panama, Paraguay, Uruguay, Venezuela und den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet. Die Bezeichnung „Gondra-Vertrag“ geht auf den paraguayischen Konferenzdelegierten Manuel Gondra zurück, welcher anlässlich der Konferenz den Plan zu diesem Vertrag unterbreitete. Siehe zu dem Vertragswerk eingehend V. B. Galeano, Transactions of the Grotius Society 15 (1929), S. 1 ff. 840 Artikel IV des Gondra-Vertrages. 841 Artikel I Abs. 1 S. 1 des Gondra-Vertrages. 842 Artikel III Abs. 1 S. 1 des Gondra-Vertrages. 843 Artikel III Abs. 1 S. 2 des Gondra-Vertrages. 844 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 117. 845 Artikel I Abs. 1 S. 1 des Gondra-Vertrages. 846 Artikel I Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit Artikel VII des Gondra-Vertrages. 847 Artikel VI des Gondra-Vertrages. 848 Vgl. Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 117. 849 Aritkel II S. 1 2. Hs. des Gondra-Vertrages. 850 Artikel I Abs. 1 S. 2 des Gondra-Vertrages.
§ 5 Verträge bzgl. von Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent
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Obwohl unter Anwendung dieser Verträge, anders als es hinsichtlich des HaagerSystems der Fall war, keine Untersuchungen durchgeführt wurden, gingen von der entsprechenden Praxis zusammen mit den Bryan-Verträgen wichtige Impulse aus. Diese bestanden namentlich darin, dass Kommissionen grundsätzlich auch auf einer permanenten Basis errichtet werden konnten, sowie darin, dass auf eine Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes, so wie sie noch in Artikel 9 des I. Haager Abkommens von 1899 beziehungsweise 1907 vorgesehen war, verzichtet wurde.851 Bereits am 7. Februar 1923 unterzeichneten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und die Vereinigten Staaten von Amerika zudem die Convention for the Establishment of International Commission of Inquiry852. Hierbei war es das Ziel der sechs Unterzeichnerstaaten, die zwischen ihnen bestehenden BryanVerträge aus den Jahren 1913 und 1914 zu vereinigen und umzugestalten.853 Hierzu sah das Abkommen in Artikel 1 vor, dass, wenn es zwei oder mehreren Vertragsparteien nicht gelingt, einen Streit oder eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich von Tatsachen oder hinsichtlich der Verletzung eines Vertrages durch diplomatische Kanäle zu beheben, und wenn dieser Streit weder die Souveränität und die Unabhängigkeit einer der Parteien, noch ihre Ehre oder ihre wesentlichen Interessen berührt, die Parteien verpflichtet sind, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die dem Zweck dienen soll, eine Beilegung des Streits „by means of impartial inquiry into the facts“ zu erreichen. Diese Verpflichtung endet beziehungsweise entsteht nicht, wenn beziehungsweise sobald sich die Parteien darauf einigen, die streitgegenständliche Frage einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Eine Untersuchungskommission wird dann nicht eingesetzt, außer auf Ersuchen einer der Parteien „directly interested in the investigation of the facts which it sought to elucidade“. Artikel 3 des Abkommens sieht zudem vor, dass innerhalb von 30 Tagen nach der Ratifikation des Abkommens, jede Partei fünf ihrer Staatsangehörigen benennen muss, um eine ständige Liste von Kommissionsmitgliedern zu bilden. Jede der Parteien, die direkt an einer Streitigkeit interessiert ist, wird in der Kommission von einem ihrer Staatsangehörigen repräsentiert, welcher von der ständigen Liste auszuwählen ist. Die Kommissionsmitglieder wählen übereinstimmend einen Vorsitzenden der Kommission von der Liste, der von der Regierung einer Partei benannt wurde, die keine Interessen an dem Streit hegt. Gemäß Artikel 5 des Abkommens ist die so errichtete Untersuchungskommission berechtigt, alle Tatsachen, Vorgänge und Umstände zu untersuchen, die sich auf die Frage beziehungsweise die Fragen beziehen, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet beziehungsweise bilden. Wenn die Kommission ihren Bericht erstellt, muss sie hierin die Tatsachen, Vorgänge und Umstände des Streits aufzeigen. Außerdem hat die Kommission das Recht, jedwede Lösung oder Regulierung für die Streitigkeit vorzuschlagen, welche nach Auffassung der Kommission geeignet, gerecht und empfehlenswert ist. Dabei kommt 851
J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 50. Wiedergegeben in: Senate. Treaties, conventions, international acts, protocols and agreements between the United States of America and other powers Vol. IV (1923 – 37), 4677. 853 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 124. 852
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
den Berichten der Untersuchungskommission gemäß Artikel 6 des Abkommens nicht die Wirkung eines gerichtlichen Urteils oder eines Schiedsspruchs zu. Allerdings sieht Artikel 7 des Abkommens Besonderheiten für den Fall eines Schiedsverfahrens oder einer Beschwerde vor dem Tribunal vor, welches aufgrund eines Abkommens – das von den Vertretern der fünf zentralamerikanischen Staaten am gleichen Tage wie das Abkommen über die Untersuchungskommission unterzeichnet wurde – errichtet werden sollte. In einem solchen Fall konnten die Berichte der Untersuchungskommission vor dem Schiedsgericht oder dem Tribunal von jeder prozessführenden Partei als Beweis eingebracht werden. Durch die in Artikel 5 niedergelegte Kompetenz der Kommission, eine Lösung des Konflikts vorzuschlagen, rückt die Kommission sehr stark in die Nähe eines Vermittlungsgremiums.854 Allerdings ist zu bedenken, dass das Untersuchungselement in dem Abkommen sehr stark betont wird. Dies legt es nahe, hierin die Hauptfunktion der Untersuchungskommission zu sehen und sie daher in die Tradition der Regeln über die internationale Untersuchungskommission nach den Haager Abkommen von 1899 und 1907 sowie der Bryan-Verträge zu stellen.855 Dies belegt nicht nur der Wille der Vertragsparteien bei der Schaffung des Abkommens, sondern auch unmittelbar dessen Artikel 1, der sich in seiner Formulierung an die Haager Tradition anlehnt.
§ 6 Erwähnung der Untersuchung als Mittel der zwischenstaatlichen Streitbeilegung im Rahmen von multilateralen Verträgen und Dokumenten Mit dem verstärkten Aufkommen großer Internationaler Organisationen auf globaler und regionaler Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Untersuchung als Mittel der zwischenstaatlichen Streitbeilegung in einer Reihe von Gründungsdokumenten solcher Organisationen und ähnlicher Institutionen Erwähnung gefunden. Die Untersuchung steht daher gleichberechtigt im Kanon der anerkannten internationalen Mittel zur Erledigung von Streitigkeiten zwischen Staaten neben Verhandlung, Vermittlung, Vergleich, internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, internationaler Gerichtsbarkeit und der Streitbeilegung durch andere internationale Einrichtungen.
854 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 125; Norman L. Hill, International Conciliation 15 (1932 – 1933), S. 89 (99). 855 Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 125.
§ 6 Streitbeilegung i.R.v. multilateralen Verträgen und Dokumenten
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A. Vereinte Nationen Im Rahmen der Vereinten Nationen ist die Untersuchung im Zusammenhang mit Artikel 2 Nr. 3 der Charta der Weltorganisation zu sehen, nach welchem alle Mitgliedstaaten „shall settle their international disputes by peaceful means in such a manner that international peace and security, and justice, are not endangered“. Die in Artikel 2 Nr. 3 der Charta der Vereinten Nationen enthaltene Verpflichtung richtet – aufgrund ihrer völkervertraglichen Natur – sich zunächst an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen.856 Allerdings ist die Verpflichtung zur friedlichen Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten auf alle Staaten anwendbar, da sie zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist.857 Zudem findet die Verpflichtung auch auf die Vereinten Nationen selbst Anwendung.858 Welche Mittel bei der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten in den internationalen Beziehungen der Staaten zur Anwendung gelangen können, sieht Artikel 33 der Charta der Vereinten Nationen in nicht abschließender Weise vor:859 „1. The parties to any dispute, the continuance of which is likely to endanger the maintenance of international peace and security, shall, first of all, seek a solution by negotiation, enquiry860, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement, resort to regional agencies or arrangements, or other peaceful means of their own choice. 2. The Security Council shall, when it deems necessary, call upon the parties to settle their disputes by such means.“
Mit der Aufnahme des Streitbeilegungsmittels „enquiry“ wird in der Charta der Vereinten Nationen die Rolle anerkannt, die die Untersuchung durch internationale Kommissionen vor dem Zweiten Weltkrieg in zwischenstaatlichen Angelegenheiten gespielt hat.861
B. Beispiele aus sonstigen Verträgen und internationalen Dokumenten Auch in den Fundamentaltexten anderer großer regionaler Organisationen und Institutionen findet die Untersuchung in solchen Regelungen Erwähnung, in denen auch die weiteren Mittel der friedlichen Streitbeilegung aufgezählt werden, auf die 856
Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 5. ICJ, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. Unites States of America), Urteil vom 27. Juni 1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (145); Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 5. 858 Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 5. 859 Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 7. 860 Hervorhebung durch den Verfasser. 861 Vgl. Leland M. Goodrich/Edvard Hambro/Anne Patricia Simons, Charter of the United Nations, S. 261 f. 857
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
sich die Mitglied- oder Teilnehmerstaaten der Organisation beziehungsweise Institution untereinander zur Beseitigung ihrer Streitigkeiten verpflichtet haben. Die Formulierung aus Artikel 33 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen hat dabei jeweils Pate gestanden. In der Charta der Organisation Amerikanischer Staaten862 bekennen sich die Mitgliedstaaten in Artikel 24 Abs. 1 zur friedlichen Streitbeilegung. Artikel 25 enthält eine Aufzählung dieser Mittel für eine solche Streitbeilegung: „The following are peaceful procedures: direct negotiation, good offices, mediation, investigation863 and conciliation, judicial settlement, arbitration, and those which the parties to the dispute may especially agree upon at any time.“
Im Prinzip V der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. August 1975864 vereinbarten die Teilnehmerstaaten, dass sie Streitfälle zwischen ihnen mit friedlichen Mitteln in der Weise regeln würden, dass weder der internationale Frieden noch die internationale Sicherheit oder die Gerechtigkeit gefährdet würden. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Teilnehmerstaaten bestrebt sein sollen, nach Treu und Glauben und im Geiste der Zusammenarbeit eine schnelle und gerechte Lösung auf Grundlage des Völkerrechts zu erreichen. Hinsichtlich der Art und Weise, wie die Streitbeilegung erreicht werden soll, heißt es in Prinzip V Abs. 3 der Schlussakte: „Zu diesem Zweck werden sie Mittel wie Verhandlung, Untersuchung865, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Regelung oder andere friedliche Mittel eigener Wahl verwenden, einschließlich jedes Streitregelungsverfahrens, auf das sich die beteiligten Parteien vor Entstehung des Streitfalles geeinigt haben.“
Auch wenn die Charta des Verbandes Südostasiatischer Nationen vom 20. November 2007866 die Untersuchung nicht namentlich nennt, so wird sie doch auch hier als Mittel der friedlichen Streitbeilegung anerkannt. Artikel 28 der Charta sieht nämlich vor:
862 Die Charta der Organisation Amerikanischer Staaten (auch bekannt als Bogotá-Pakt) wurde mehrfach geändert. Hier wird auf die aktuelle Fassung des Vertrages Bezug genommen. Die ursprüngliche Fassung vom 30. April 1948 ist wiedergegeben in: United Nations Treaty Series Vol. 119, S. 48 ff.; geändert durch die Protokoll von Buenos Aires vom 27. Februar 1967, wiedergegeben in: United Nations Treaty Series Vol. 721, S. 324 ff.; geändert durch das Protokoll von Cartagena de India vom 5. Dezember 1985, wiedergegeben in: International Legal Materials 1986, S. 529 ff.; geändert durch das Protokoll von Washington vom 14. Dezember 1992, wiedergegeben in: International Legal Materials 1994, S. 1005 ff.; geändert durch das Protokoll von Managua vom 10. Juni 1993, wiedergegeben in: International Legal Materials 1994, S. 1009 ff. 863 Hervorhebung durch den Verfasser. 864 Die Schlussakte ist wiedergegeben im Bulletin der Bundesregierung von 1975, S. 968 ff. 865 Hervorhebung durch den Verfasser. 866 United Nations Treaty Series Vol. 2624, S. 223 ff.
§ 7 Schlussbetrachtung
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„Unless otherwise provided for in this Charter, Member States have the right to recourse to the modes of peaceful settlement contained in Article 33 (1) of Charter of the United Nations or any other international legal instruments to which the disputing Member States are parties.“
§ 7 Schlussbetrachtung Auf der zwischenstaatlichen Ebene wurden internationale Kommissionen auf der Grundlage von allgemeinen Verträgen zur friedlichen Streitbeilegung nur selten in internationalen Disputen als Teil der Lösung einer Streitigkeit eingesetzt. Betrachtet man die völkerrechtshistorische Entwicklung, die einschlägigen Rechtsgrundlagen und die jeweiligen Anwendungsfälle genau, fällt auf, dass es sich bei der Untersuchung und der zu ihrem Zwecke eingesetzten Kommissionen nicht um ein Mittel der friedlichen internationalen Streitbeilegung im engeren Sinne handelt, also nicht um ein Mittel, durch welches ein Streit final beigelegt wird, sondern um ein Mittel, welches der Vorbereitung der Streitbeilegung dient.867 Bis in die 1920er Jahre hinein konnten so jedenfalls für maritime Zwischenfälle Fakten etabliert werden, welche dann in der Folge zu einer Lösung der jeweils bestehenden Streitigkeiten zwischen den beteiligten Staaten führten. Die beiden Untersuchungsverfahren, welche nach dem Zweiten Weltkrieg zum einen auf der Grundlage des I. Haager Abkommens von 1907 und zum anderen auf der Grundlage einer der Bryan-Verträge durchgeführt wurden, wichen schon ganz erheblich von der ursprünglichen völkerrechtlichen Konzeption der Untersuchungskommission aus dem Jahr 1899 ab. Die jeweilige Kommission diente den beteiligten Staaten eher als eine Art von Schiedsgericht.868 Obwohl insbesondere mit den Regeln des I. Haager Abkommens von 1907 und seit einiger Zeit mit den Optional Rules des Ständigen Schiedshofes veritable verfahrensrechtliche Regelwerke für die Einsetzung und Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen in zwischenstaatlichen Streitigkeiten zur Verfügung stehen, scheint kein Bedürfnis in den internationalen Beziehungen der Staaten mehr für die Anwendung eines solchen Mechanismus zu bestehen.869 Dies wird im völkerrechtlichen Schrifttum überzeugend auf mehrere Gründe zurückgeführt. Merrills bemerkt hierzu, dass es Fälle geben kann, in denen sich die Durchführung einer Untersuchung als unnötig erweist, weil eine Situation, in welcher die Tatsachen einer unterschiedlichen Interpretation durch die Parteien zugänglich seien, Raum für
867 In diesem Sinne auch Leland M. Goodrich/Edvard Hambro/Anne Patricia Simons, Charter of the United Nations, S. 261 f. 868 So jetzt auch Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (14 ff.). 869 Nii Lante Wallace-Bruce, The Settlement of International Disputes – The Contribution of Australia and New Zealand, S. 43 meint daher, die internationale Untersuchungskommission im zwischenstaatlichen Bereich „has become a dinosaur in contemporary international law“.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
Verhandlungen böte.870 Gerade diese Verschiedenheit der Sichtweisen kann nämlich, soweit grundsätzliche Gesprächsbereitschaft zwischen den Parteien besteht, Grundlage für die Eröffnung eines Dialoges sein, an dessen Ende eine Lösung zur Beilegung des ursprünglichen Disputes steht. Ein weiterer Gesichtspunkt, der hinzukommt, ist, dass es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, Untersuchungen durchzuführen beziehungsweise durchführen zu lassen, ohne dass hierfür etwa das Haager System für internationale Untersuchungskommissionen in Anspruch genommen werden müsste.871 Wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird, wurden nämlich Untersuchungen in zwischenstaatlichen Angelegenheiten seit den 1920er Jahren vor allem zunächst durch den Völkerbund und später dann durch die Vereinten Nationen durchgeführt. Zudem haben auch Regionalorganisationen die Möglichkeit, Untersuchungen im Falle internationaler Streitigkeiten durchzuführen. Hiervon machen sie von Zeit zu Zeit auch Gebrauch.872 Außerdem kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass sämtliche Formen einer, eine dritte Partei involvierenden, zwischenstaatlichen Streitbeilegung in der internationalen Praxis weniger erfolgreich waren, als dies bei der Schaffung der jeweiligen Mechanismen vorausgesehen wurde.873 Eine Verpflichtung der Staaten, ihre Streitigkeiten nach allgemeinem Völkerrecht einer Drittpartei zu unterbreiten, gibt es nicht.874 Aus diesem Grund bemerkt wiederum Merrills, dass es für die Staaten keine überzeugenden Gründe gebe, eine Untersuchung durch eine internationale Kommission als einen attraktiveren Mechanismus anzusehen, als etwa die Anrufung eines internationalen Gerichts oder Schiedsgerichts, wenn die Staaten ohnehin nur gewillt seien, diese Institutionen lediglich ausnahmsweise in besonderen Umständen in Anspruch zu nehmen.875 Wie vielmehr Louis Sohn anführt, sei es ein Axiom der internationalen Diplomatie, dass direkte Verhandlungen zwischen zwei Regierungen die effizienteste und oft auch erfolgreichste Methode zur Lösung einer internationalen Streitigkeit sind.876 Letztendlich wird wohl auch in Zukunft der Befund Geltung beanspruchen, dass Staaten oftmals weniger an der Lösung eines Disputs interessiert sind, als daran, dass ihre Sichtweise der Dinge die Oberhand gewinnt.877 Die Tatsache, dass vor allem die Haager Regeln nur sehr selten in Anspruch genommen wurden und dass die letzte dieser Inanspruchnahmen bereits geraume 870
J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 56. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 57; Nissim Bar-Yaacov, The Handling of International Disputes by Means of Inquiry, S. 245 f. 872 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 58. 873 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 59. 874 Richard B. Bilder, Denver Journal of International Law & Policy 17 (1988 – 1989), S. 471 (476); Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 24. 875 J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 59. 876 Louis Sohn, in: Roland St. John MacDonald/Dougal Miller Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law: Essays in Legal Philosophy, Doctrines and Theory, S. 1121 (1122). 877 So J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 59. 871
§ 7 Schlussbetrachtung
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Zeit zurückliegt, bedeutet allerdings keinesfalls, dass diese Regeln allein völkerrechtshistorischen Wert hätten. Den Staaten ist – schon wegen der Erwähnung der Untersuchung in Artikel 33 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen – bewusst, dass sie jederzeit eine internationale Untersuchungskommission einsetzen können; zudem sind auch in Zukunft durchaus Fälle vorstellbar, bei denen es lediglich eines geordneten Untersuchungsverfahrens bedarf, um eine zwischenstaatliche Streitigkeit zu entschärfen.878 Auch in der völkerrechtlichen Literatur wird einer Wiederentdeckung der Inanspruchnahme von internationalen Untersuchungskommissionen vom Typ des Haager Systems in letzter Zeit das Wort geredet. Namentlich RamosMrosovsky sieht in der Einsetzung einer solchen Kommission in dem Territorialkonflikt um die von Japan als Senkaku-Inseln und von der Volksrepublik China als Diaoyu-Inseln bezeichneten Inselgruppe im Ostchinesischen Meer eine Möglichkeit, die in dem Gebiet herrschenden, nicht nur politischen, sondern auch militärischen, Spannungen zwischen den beiden Staaten zu lösen. Dies vor allem, da eine gerichtliche oder schiedsgerichtliche Lösung zwischen Japan und China als äußerst unwahrscheinlich zu erachten ist.879 Weiterhin schlägt Lemnitzer vor, dass eine internationale Untersuchungskommission des Haager Typs hinsichtlich der Ereignisse um den Flug MH17 errichtet werden könnte.880 Das Flugzeug, das mit 238 Passagieren von Amsterdam nach Kuala Lumpur unterwegs war und überwiegend Fluggäste aus den Niederlanden, aus Belgien, Malaysia und Australien beförderte, wurde am 17. Juli 2014 über der Ost-Ukraine abgeschossen; die Trümmer schlugen in einem Gebiet auf, welches von pro-russischen Aufständischen kontrolliert wurde, welche sich zu diesem Zeitpunkt in einem bewaffneten Konflikt mit der Regierung der Ukraine befanden. Über die Ursache des Abschusses wurde in der Folge von verschiedenen Seiten spekuliert. Während vor allem die Ukraine und westliche Staaten die Verantwortung für den Abschuss den Aufständischen und auch der Russischen Föderation, insbesondere durch die Lieferung von Flugabwehrsystemen an die Aufständischen, zuschrieben, warfen die Aufständischen ihrerseits der ukrainischen Regierung vor, für das Desaster verantwortlich zu sein. Vier Tage nach dem Abschuss von Flug MH17 nahm der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig die Resolution 2166 (2014) an.881 In dieser Resolution verlangte der Sicherheitsrat, dass „those responsible for this incident be held to account and that all
878
Vgl. J. G. Merrills, International Dispute Settlement, S. 59. Carlos Ramos-Mrosovsky, in: Tim F. Liao/Kimie Hara/Krista Wiegand (Hrsg.), The China-Japan Border Dispute, S. 115 ff. (insbesondere 121 ff.); in diese Richtung auch für den Konflikt zwischen der Volksrepublik China, den Philippinen, Vietnam und weiteren Staaten der Region bezüglich der Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer Ryan Mitchell, Vanderbilt Journal of Transnational Law 49 (2016), S. 749 ff. Vgl. auch Gérardine Meishan Goh, Dispute Settlement in International Space Law, S. 101, die den potenziellen Wert von Untersuchungskommissionen für die Streitbeilegung in Weltraumfragen hervorhebt. 880 Jan Martin Lemnitzer, European Journal of International Law 27 (2016), S. 923 ff. 881 UN Doc. S/RES/2166 (2014) vom 21. Juli 2014. 879
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
States cooperate fully with efforts to establish accountability“882. Im Jahr 2015 brachten die Ukraine, Malaysia, Australien, Belgien und die Niederlande einen weiteren Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat ein, in dem die Errichtung eines Sonderstraftribunals vorgeschlagen wurde, welches mit der Aufklärung und Verfolgung der Ereignisse hinsichtlich des Abschusses von Flug MH17 befasst werden sollte.883 Allerdings scheiterte eine entsprechende Resolution schließlich – nach Artikel 27 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 23 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen – an der Gegenstimme des ständigen Mitglieds der Sicherheitsrates Russische Föderation, das die Aufständischen in der Ost-Ukraine in dieser Zeit zumindest politisch, möglicherweise auch militärisch, unterstützte.884 Der Repräsentant der Russischen Föderation im Sicherheitsrat gab zwar an, dass sein Land einer originären internationalen und unabhängigen Untersuchung der Ereignisse offen gegenüberstehe, allerdings würde das in dem Resolutionsentwurf vorgeschlagene Verfahren die Konzeption der Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda übernehmen, was übertrieben zeitintensiv und insgesamt zu aufwendig sei, um einen einzelnen Zwischenfall zu untersuchen. Darüber hinaus sei nicht gesichert, dass Russland vollständigen Zugriff auf alle relevanten Beweismittel erhalten würde; zudem sei es unnötig, den MH17-Zwischenfall als eine Bedrohung für die internationale Sicherheit im Sinne des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen einzustufen, so wie es der Resolutionsentwurf vorsah.885 Die Staaten, die den Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat einbrachten, wollten allerdings weiterhin „other options for trying the perpetrators, at both international and national level“ in Augenschein nehmen.886 Vor diesem Hintergrund plädiert Lemnitzer dafür, 882 UN Doc. S/RES/2166 (2014) vom 21. Juli 2014, Rn. 11 des operativen Teils der Resolution. 883 UN Doc. S/2015/562 vom 29. Juli 2015. 884 Vgl. UN Doc. S/PV.7498 vom 29. Juli 2015, S. 3; für die Resolution stimmten: Chile, Frankreich, Jordanien, Litauen, Neuseeland, Malaysia, Nigeria, Spanien, Tschad, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, gegen die Resolution stimmte: Russische Föderation, Angola, China und Venezuela enthielten sich der Stimme. 885 Vgl. UN Doc. S/PV.7498 vom 29. Juli 2015, S. 4 886 So der niederländische Premierminister Mark Rutte in seiner Antwort auf das Abstimmungsverhalten der Russischen Föderation bezüglich der Resolution, zitiert nach: Jan Martin Lemnitzer, European Journal of International Law 27 (2016), S. 923 (927). Allerdings wurde zwischenzeitlich auch ein internationales Kriminalermittlungsteam (Joint Investigation Team – JIT) mit Unterstützung der Justizbehörde EUROJUST der Europäischen Union und unter Beteiligung von Australien, Belgien, den Niederlanden, von Malaysia und der Ukraine mit strafverfolgungsrechtlichen Untersuchungen betraut. Das JIT legte seinen Bericht am 28. September 2016 vor. Es kam zu dem Ergebnis, dass das Flugzeug von einem Flugabwehrsystem vom Typ BUK abgeschossen worden sei. Als Beweismittel dienten dabei vor allem Zeugenaussagen, Radaraufzeichnungen und mitgeschnittene Kommunikation. Das für den Abschuss verwendete Waffensystem sei im Juli 2014 von der Russischen Föderation aus in die Ostukraine gebracht worden. Die Rakete sei von einem Feld nahe dem Dorf Perwomaiskij gestartet worden, welches südlich von Snischne und östlich von Donezk liegt. Zum fraglichen Zeitpunkt wurde dieses Gebiet von den ostukrainischen separatistischen Aufständischen kontrolliert. Unmittelbar nach dem Abschuss sei das Fahrzeug, auf dem das BUK-Waffen-
§ 7 Schlussbetrachtung
249
dass eine internationale Untersuchungskommission des Haager Typs zu diesem Zweck eingesetzt werden könnte. Er baut seine Argumentation dabei auf die Erfahrungen auf, die mit der Kommission bei der Aufklärung des Dogger-BankZwischenfalles gemacht wurden. Dieser Kommission wurde, wie oben gezeigt, neben der reinen Tatsachenfeststellung auch die Aufgabe übertragen, Verantwortlichkeiten bezüglich des Beschusses der britischen Fischereiflotte durch russische Kriegsschiffe zu klären.887 Lemnitzer umschreibt dabei die Vorteile der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission hinsichtlich des MH17-Zwischenfalles wie folgt: „The states could use the UN or set it up through a special treaty, establishing rules of procedure and a judges’ bench that are agreeable to all parties. The states involved would each send their own judge, in addition to neutral ones, and every state’s representatives and agents could freely cross-examine all witnesses and question all evidence presented. They could determine whether evidence would be heard in private or in public. The commission would also be free to hear as many technical experts as necessary to resolve the case. It might even allow for the rebels to address the commission and make their case, without implying diplomatic recognition. Crucially, an adversarial commission of inquiry would address every issue that Russia raised in July 2015 when it vetoed the draft UNSC resolution. It would not be a large-scale war crime tribunal like the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (ICTY), it would give every party involved access to all of the evidence presented and it would not invoke Chapter VII of the UN Charter“.888 Die aufgezeigten Forderungen im völkerrechtlichen Schrifttum zeigen deutlich, dass die internationale Untersuchungskommission des Haager Typs keinesfalls in Vergessenheit geraten ist. Zudem ist zu bemerken, dass mit der Einsetzung einer solchen Kommission in Bezug auf den MH17-Zwischenfall diese Art der Kommission gewissermaßen zu ihren Wurzeln in der praktischen Anwendung zurückkehren würde, da sie die Untersuchung eines einzelnen, isolierten Zwischenfalles zum Gegenstand hätte. Der Wert eines Mittels, welches zur Lösung oder zumindest zur Ermöglichung der Lösung eines Disputes bereitgestellt wird, bemisst sich keinesfalls allein an der Häufigkeit seiner Inanspruchnahme. Dies vor allem dann nicht, wenn, wie allein ein Blick auf Artikel 33 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen zeigt, mehrere gleichrangige Verfahren zur Auswahl stehen.889 Vielmehr ist der Fokus auch darauf system installiert gewesen sei, aus eigener Kraft von dem Abschussort weggefahren. Kurze Zeit später sei es auf einen LKW des schwedischen Herstellers Volvo verladen und während der Nacht wieder über die Grenze auf das Staatsgebiet der Russischen Föderation gebracht worden. Der Bericht ist abrufbar auf der Homepage der niederländischen Staatsanwaltschaft unter: https://www.om.nl/onderwerpen/mh17-crash/@96068/jit-flight-mh17-shot/ (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 887 2. Teil § 2 A. II. 2. 888 Jan Martin Lemnitzer, European Journal of International Law 27 (2016), S. 923 (944). 889 Vgl. Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 24.
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2. Teil: Internationale Untersuchungskommissionen
zu richten, in welcher Weise sich das einzelne Verfahren im Falle seiner Inanspruchnahme bewährt hat. Hier fällt der Befund für die internationalen Untersuchungskommissionen, die auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge eingesetzt wurden, durchaus positiv aus, da von den Ergebnissen der Untersuchungen der oben genannten Fälle der Inanspruchnahme der Haager Regeln beziehungsweise des Bryan-Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Chile stets entscheidende und vorbereitende Wirkungen für die spätere Lösung der jeweils bestehenden zwischenstaatlichen Streitigkeiten ausgingen. Genau diese Wirkungen hatten sich die Staaten bei der Einsetzung der Kommissionen versprochen.890 Ein Beispiel aus der internationalen Praxis, welches eindrücklich belegt, dass bereits fast in Vergessenheit geratene Möglichkeiten der Streitbeilegung durchaus eine beeindruckende Renaissance erfahren können, bildet die Geschichte der Inanspruchnahmen des Ständigen Schiedshofes als Institution der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Nach einer Phase relativer Inaktivität seit den 1930er Jahren, ist in jüngerer Zeit, spätestens seit dem Ende der 1990er Jahre, wieder eine erhöhte Inanspruchnahme des Schiedshofes zu verzeichnen.891
890 Dieser Befund trifft wohl auch für die beiden Untersuchungskommissionen zu, die in Anlehnung an das Haager System im Zusammenhang mit den Zwischenfällen zur See im Ersten Weltkrieg etabliert worden waren. 891 Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der Schiedshof inzwischen auch für Streitbeilegung mittels anderer Formen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit offensteht, als für das klassische Schiedsgericht in zwischenstaatlichen Streitigkeiten. Allerdings hat auch die Anzahl der beim Schiedshof registrierten zwischenstaatlichen Schiedsverfahren in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Vgl. zu den diesbezüglichen neueren Entwicklungen Nisuke Ando, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 29 ff.
3. Teil
Internationale Untersuchungskommissionen im Rahmen Internationaler Organisationen Anders als auf der zwischenstaatlichen Ebene, ist die Einsetzung von Untersuchungskommissionen durch Internationale Organisationen beziehungsweise deren Organe, in Bezug auf die Häufigkeit der Einsetzung solcher Kommissionen, eine Erfolgsgeschichte. Insbesondere die großen Weltorganisationen, also zunächst der Völkerbund und nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Vereinten Nationen, haben sich oftmals solcher Kommissionen bedient, um Erkenntnisse über verschiedene international relevante Situationen und Problemlagen zu gewinnen.
§ 1 Der Völkerbund Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden große Hoffnungen in den am 10. Januar 1920 gegründeten Völkerbund mit Sitz im schweizerischen Genf1 gesetzt.2 Ausweislich der Präambel der Völkerbundsatzung wurde diese Internationale Organisation von ihren Gründungsmitgliedern in der Erwägung errichtet, „to promote international co-operation and to achieve international peace and security, by the acceptance of obligations not to resort to war, by the prescription of open, just and honourable relations between nations, by the firm establishment of the understandings of international law as the actual rule of conduct among Governments, and by the maintenance of justice and a scrupulous respect for all treaty obligations in the dealings of organized peoples with one another“.
Obwohl der Völkerbund die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte, da in seinem Rahmen weder die gewaltsamen, expansionistischen Bestrebungen Deutschlands, Italiens und Japans in den 1930er Jahren noch damit letztlich der Zweite Weltkrieg verhindert werden konnten beziehungsweise konnte,3 kam dem Bund bei lokalen Konflikten, welche oftmals zwischen kleinen und mittelgroßen 1 Vgl. Artikel 7 Abs. 1 S. 1 der Völkerbundsatzung. Die Satzung des Völkerbundes ist wiedergegeben in: Consolidated Treaty Series Vol. 225, Nr. 195. 2 Siehe zum Aufstieg des Völkerbundes eingehend nur George Scott, The Rise and Fall of the League of Nations, S. 11 ff. 3 Siehe zum Scheitern des Völkerbundes eingehend nur George Scott, The Rise and Fall of the League of Nations, S. 207 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Staaten entstanden waren, eine wichtige Rolle in der friedlichen Streitbeilegung zu.4 In einigen dieser Fälle bediente sich der Völkerbund bei seiner Tätigkeit auch internationaler Untersuchungskommissionen.
A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen Die Einsetzung internationaler Kommissionen zur Untersuchung von zwischenstaatlichen Streitigkeiten im Rahmen des Völkerbundes war eingebettet in das Friedenssicherungssystem der Organisation. Die Wahrnehmung der Aufgaben des Völkerbundes erfolgte durch seine in Artikel 2 der Völkerbundsatzung bestimmten Organe, also durch die Bundesversammlung und durch den Rat des Völkerbundes. Dabei waren der Bundesversammlung und dem Rat grundsätzlich parallele Zuständigkeiten in Bezug auf die Friedenswahrung zuerkannt worden. Nach Artikel 3 Abs. 3 beziehungsweise Artikel 4 Abs. 4 der Völkerbundsatzung konnten die beiden Organe auf ihren Sitzungen über „any matter within the sphere of action of the League or affecting the peace of the world“ befinden. Allerdings wurde in der Praxis des Völkerbundes der Rat angerufen, wenn Fragen von Krieg und Frieden beziehungsweise der internationalen Sicherheit im Raum standen.5 Bei Errichtung des Völkerbundes herrschte noch die Auffassung vor, dass zwei Regelungen der Satzung, nämlich Artikel 10, der die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit der Bundesmitglieder vor äußeren Angriffen schützte, und Artikel 16, der unter anderem die Mitglieder verpflichtete, Sanktionen gegen einen Staat, im Falle einer Kriegshandlung namentlich gegen den Aggressor zu verhängen, im Rahmen zukünftiger Konflikte bei der Erhaltung des Friedens zur Anwendung gelangen würden.6 Jedoch zeigte sich schon bald, dass in vielen Konfliktfällen von Seiten der Konfliktparteien ein Einschreiten des Völkerbundes selbst gewünscht wurde. Dabei griff der Bund in denjenigen Fällen, in denen zwar Spannungen herrschten, jedoch Feindseligkeiten zwischen den Parteien noch nicht offen ausgebrochen waren, auf die Einsetzung von Untersuchungskommissionen zurück. Diese Kommissionen sollten Vor-Ort-Untersuchungen anstellen und dem Rat anschließend Bericht erstatten, damit dieser den Konfliktparteien bei der Beilegung ihrer Streitigkeit behilflich sein, und so zu einer friedlichen Auflösung der bestehenden Spannungen beitragen konnte.7 Als Grundlage für eine entsprechende Befassung und ein anschließendes Handeln des Rates kamen zwei Rechtsgrundlagen aus der Völkerbundsatzung in Betracht. 4 Siehe hierzu mit vielen Beispielsfällen David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 7 ff. 5 David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 8. 6 David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 7 f. 7 David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 9.
§ 1 Der Völkerbund
253
Zum einen war dies Artikel 11: „Any war or threat of war, whether immediately affecting any of the Members of the League or not, is hereby declared a matter of concern to the whole League, and the League shall take any action that may be deemed wise and effectual to safeguard the peace of nations. In case any such emergency should arise the Secretary General shall on the request of any Member of the League forthwith summon a meeting of the Council. It is also declared to be the friendly right of each Member of the League to bring to the attention of the Assembly or of the Council any circumstance whatever affecting international relations which threatens to disturb international peace or the good understanding between nations upon which peace depends.“
Zum anderen Artikel 15, der ein komplexes Verfahren vorsah: „If there should arise between Members of the League any dispute likely to lead to a rupture, which is not submitted to arbitration or judicial settlement in accordance with Article 13, the Members of the League agree that they will submit the matter to the Council. Any party to the dispute may effect such submission by giving notice of the existence of the dispute to the Secretary General, who will make all necessary arrangements for a full investigation and consideration thereof. For this purpose the parties to the dispute will communicate to the Secretary General, as promptly as possible, statements of their case with all the relevant facts and papers, and the Council may forthwith direct the publication thereof. The Council shall endeavour to effect a settlement of the dispute, and if such efforts are successful, a statement shall be made public giving such facts and explanations regarding the dispute and the terms of settlement thereof as the Council may deem appropriate. If the dispute is not thus settled, the Council either unanimously or by a majority vote shall make and publish a report containing a statement of the facts of the dispute and the recommendations which are deemed just and proper in regard thereto. Any Member of the League represented on the Council may make public a statement of the facts of the dispute and of its conclusions regarding the same. If a report by the Council is unanimously agreed to by the members thereof other than the Representatives of one or more of the parties to the dispute, the Members of the League agree that they will not go to war with any party to the dispute which complies with the recommendations of the report. If the Council fails to reach a report which is unanimously agreed to by the members thereof, other than the Representatives of one or more of the parties to the dispute, the Members of the League reserve to themselves the right to take such action as they shall consider necessary for the maintenance of right and justice. If the dispute between the parties is claimed by one of them, and is found by the Council, to arise out of a matter which by international law is solely within the domestic jurisdiction of that party, the Council shall so report, and shall make no recommendation as to its settlement. The Council may in any case under this Article refer the dispute to the Assembly. The dispute shall be so referred at the request of either party to the dispute, provided that such request be made within fourteen days after the submission of the dispute to the Council.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
In any case referred to the Assembly, all the provisions of this Article and of Article 12 relating to the action and powers of the Council shall apply to the action and powers of the Assembly, provided that a report made by the Assembly, if concurred in by the Representatives of those Members of the League represented on the Council and of a majority of the other Members of the League, exclusive in each case of the Representatives of the parties to the dispute, shall have the same force as a report by the Council concurred in by all the members thereof other than the Representatives of one or more of the parties to the dispute.“
Artikel 11 der Völkerbundsatzung dominierte die Praxis bei der Einsetzung von internationalen Kommissionen zur Untersuchung internationaler Spannungsfälle, da auf der Grundlage dieser Vorschrift sofortige Schritte eingeleitet werden konnten, ohne dass ein kompliziertes Verfahren durchlaufen werden musste.8
B. Die Untersuchungspraxis des Völkerbundes I. Politisches Schicksal der Åland-Inseln 1. Historischer Hintergrund Die Åland-Inseln sind eine Inselgruppe in der Ostsee.9 Die Inseln sind von Schweden nur durch die Ålandsee getrennt. Eine Verbindung zum Gebiet von Finnland ergibt sich durch eine Reihe von Eilanden und Felsen. Die Bevölkerung war stets überwiegend schwedischer Herkunft. Die strategische Bedeutung der ÅlandInseln ergab sich aus ihrer Lage am Ausgang des Bottnischen Meerbusens, sodass sie vor allem von den Mächten der Region, namentlich von Russland und Schweden, begehrt wurden. Bereits im 13. Jahrhundert wurden die Inseln, ebenso wie Finnland, in das schwedische Reich eingegliedert. Am Ende des Russisch-Schwedischen Krieges (1808 bis 1809) musste Schweden im Vertrag von Frederikshamm vom 17. Dezember 1809 vor allem Finnland und die Åland-Inseln an Russland abtreten.10 Nach dem Krimkrieg wurde die strategische Situation der Inseln Gegenstand der Friedensverhandlungen in Paris. Im Zuge des Abschlusses des Pariser Friedens vom 30. März 185611 wurde durch das britisch-französisch-russische Abkommen be-
8
David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 9. Hierzu und zum Folgenden ausführlich James Barros, The Aaland Island Question: Its Settlement by the League of Nations sowie David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 11 ff.; Hitoshi Nasu, International Law on Peacekeeping: A Study on Article 40 of the UN Charter, S. 44 f.; F. P. Walters, A History of the League of Nations, S. 103 ff.; Norman J. Padelford/K. Gosta A. Andersson, American Journal of International Law 33 (1939), S. 465 ff.; Sten Harck, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1 ff. sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Finland“. 10 Wiedergegeben in: Consolidated Treaty Series Vol. 60, No. 457. 11 Der Friedensvertrag ist wiedergeben in: British State Papers Vol. 46, S. 8 ff. 9
§ 1 Der Völkerbund
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treffend die Åland-Inseln deren Befestigung verboten.12 Auch der Bau oder die Unterhaltung von Marine- oder Armeebasen wurde durch das Abkommen untersagt. In der Folge der russischen Revolution erlangte Finnland am 6. Dezember 1917 seine Unabhängigkeit von Russland. Im Januar 1918 brach der finnische Bürgerkrieg zwischen den kommunistischen „Roten“ und den bürgerlichen „Weißen“ aus. Im Zuge des Konflikts besetzte kurzzeitig ein konservativ-gegenrevolutionäres „Weißes Schutzkorps“ der bürgerlichen Seite in dem innerfinnischen Konflikt die Inseln. Schweden entsandte Kriegsschiffe zum Schutz der Bevölkerung, woraufhin die Angehörigen des Schutzkorps und die verbliebenen russischen Truppen die ÅlandInseln verließen. Die bürgerliche Regierung Finnlands hatte sich im Frühjahr 1918 an das Deutsche Reich mit der Bitte um eine Intervention in dem Bürgerkrieg gewandt. Im Zuge dieser Finnland-Intervention wurden die Åland-Inseln von deutschen Truppen Anfang März 1918 schnell besetzt. Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk vom 3. März 191813 zwischen den Mittelmächten des Ersten Weltkriegs und Russland wurde die staatliche Unabhängigkeit Finnlands bestätigt. Außerdem sah Artikel VI des Friedensvertrages vor, dass sowohl die russischen Truppen als auch die Roten Garden Finnland und die Åland-Inseln räumen mussten. Nachdem im November 1918 eine Fortsetzung des Krieges für das Deutsche Reich aussichtlos geworden war, zogen sich die deutschen Truppen ebenfalls von den Inseln zurück. Der junge finnische Staat erklärte, dass er in der Nachfolge Russlands Souveränität über die Åland-Inseln ausüben werde. Zudem wurde ein Gesetz erlassen, welches den Inseln Autonomie gewährte. Hierdurch wurden jedoch unter der Inselbevölkerung Spannungen hervorgerufen. Ein Großteil der Bevölkerung sprach sich für die Vereinigung der Åland-Inseln mit dem Königreich Schweden aus. Das finnische Gesetz wurde nicht anerkannt. Zudem entsandte die Bevölkerung eine Delegation zur Regierung Schwedens mit der Bitte um Hilfe und dem Verlangen nach einer Vereinigung. In der Folge wurden einige Anführer der pro-schwedischen Bewegung auf den Åland-Inseln von den finnischen Behörden festgenommen, und es wurde der Vorwurf des Hochverrats erhoben. Diese Vorgänge führten zu starken politischen Verwerfungen zwischen Schweden und Finnland. Eine Volksbefragung vom Juni 1919 ergab eine 95 %-ige Zustimmung zu einem Zusammenschluss der Åland-Inseln mit Schweden. Schweden unterstützte die Bemühungen der Inselbevölkerung um eine Loslösung von Finnland unter Bezugnahme auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
12
Das Abkommen ist wiedergegeben in: British State Papers Vol. 46, S. 23 ff. Wiedergegeben in: Heinrich Triepel (Hrsg.), Martens Nouveau recueil général de traités, conventions et autres transactions remarquables, servant à la connaissance des relations étrangères des puissances et états dans leurs rapports mutuels, Serie III, Band 10, S. 773 ff. 13
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
2. Einsetzung der Kommission Die Situation hinsichtlich der Åland-Insel wurde durch das Vereinigte Königreich, welches wirtschaftliche Interessen in Finnland und auf den Inseln verfolgte,14 in einer Note vom 19. Juni 1920 vor den Rat des Völkerbundes gebracht.15 Hierbei wurde ausdrücklich von dem in Artikel 11 Abs. 2 der Satzung des Völkerbundes gewährten Vortragsrecht Gebrauch gemacht. Am 11. Juli 1920 hielt der Rat zu dieser Frage eine entscheidende Sitzung ab.16 Die Repräsentanten von Finnland und Schweden stellten hierzu die Positionen ihrer jeweiligen Regierungen dem Rat vor.17 Beide Seiten waren dabei sehr daran interessiert, dass die Åland-Frage nicht zu weiteren Spannungen zwischen beiden Seiten führen sollte.18 Auf ein Ersuchen des schwedischen Delegierten, welchem Finnland zustimmte, wurden zudem vom Rat zwei Repräsentanten der Åland-Inseln gehört.19 Die schwedische Hauptforderung bestand darin, dass der Bevölkerung der ÅlandInseln umgehend die Möglichkeit zur Abhaltung eines Plebiszits gegeben werden sollte, in dem darüber abgestimmt werden sollte, ob der Archipel weiter der Souveränität Finnlands unterstehen oder in das Königreich Schweden inkorporiert werden solle.20 Der schwedische Repräsentant versicherte dem Rat zudem, dass sein Land keine Intention dahingehend habe, die Inseln zu annektieren und einzig das Verlangen der dortigen Bevölkerung unterstütze.21 Als Hauptargument der finnischen Seite wurde vorgetragen, dass die Republik Finnland ein unabhängiger und souveräner Staat sei; dessen Unabhängigkeit sei ohne Vorbehalte von verschiedenen Mächten einschließlich Schwedens anerkannt worden, die Åland-Inseln würden einen Teil der Republik formen.22 Zudem sei den Åland-Inseln durch den finnischen Gesetzgeber lokale Autonomie zugestanden worden.23 Der schwedische Repräsentant erklärte hierzu, dass die Anerkennung der finnischen Unabhängigkeit durch Schweden am 4. Januar 1918 nicht die Anerkennung von Grenzen enthalten habe und es bei der Anerkennung um die Unterstützung der
14 Vgl. Hitoshi Nasu, International Law on Peacekeeping: A Study on Article 40 of the UN Charter, S. 44 f. 15 Die Note in wiedergegeben in: League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 250. 16 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 246. 17 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 247. 18 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 247. 19 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248. 20 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248. 21 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248. 22 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248. 23 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248.
§ 1 Der Völkerbund
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finnischen Unabhängigkeit gegangen sei. De-iure-Konsequenzen sollten sich aus dem Akt nicht ergeben.24 Beide Parteien kamen allerdings darin überein, dass alle internationalen Verpflichtungen in Militär-, Marine- und Luftangelegenheiten in Bezug auf die ÅlandInseln bestehen bleiben sollten, wobei der schwedische Repräsentant hinzufügte, dass eine weitere Neutralisierung der Inseln erfolgen könne.25 Bevor der Rat allerdings in die Erörterung der Frage eintrat, wie eine Beilegung der Streitigkeit zwischen den beiden nordeuropäischen Staaten erreicht werden könnte, war zunächst eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Åland-Problematik überhaupt von dem Rat behandelt werden könne, da von finnischer Seite vorgetragen worden war, dass die Angelegenheit nach völkerrechtlichen Maßstäben der inneren Zuständigkeit Finnlands unterliege.26 Eigentlich hätte der Rat zur Klärung dieser Frage, welche die Anwendbarkeit des Artikels 15 Abs. 8 der Satzung des Völkerbundes berührte, den Ständigen Internationalen Gerichtshof mit dem Ersuchen um die Erstattung eines Gutachtens anrufen müssen. Da dieser allerdings noch nicht errichtet worden war und der Rat eine schnelle Lösung der Åland-Problematik anstrebte, sollte die Frage an eine Kommission aus drei internationalen Juristen übergeben werden, welche die Sache begutachten sollte. Gleichzeitig entschied der Rat, diese Kommission um die Abgabe einer Meinung hinsichtlich des gegenwärtigen Standes des internationalen Militärabkommens bezüglich der Åland-Inseln zu ersuchen.27 Einstimmig verabschiedete der Rat daraufhin eine Resolution mit folgendem Text:28 „That a Commission of three International Jurists shall be appointed to give to the Council on the following questions an advisory opinion with the least possible delay. (1) Does the Swedish case, as presented by the Council, on the question of the Aaland Islands, arise out of a matter which by International Law is solely within the jurisdiction of Finland, within the meaning of paragraph 8 of Article 15 of the Covenant? (2) What is the present state of the International obligations regarding the demilitarization of the Aaland Islands?“
Der Rat beauftragte seinen amtierenden Präsidenten damit, die Mitglieder der Kommission zu benennen. Der Generalsekretär des Völkerbundes wurde zudem beauftragt, der Kommission jede mögliche Hilfestellung und alle möglichen Informationen zu gewähren und ihr alle erforderlichen Dokumente zu ihrer Verfügung 24
League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 248. League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 249. 26 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 249. 27 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 249. 28 League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 249. Für die Resolution stimmten damit Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan und Spanien. 25
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
zu überlassen. Zudem wurden Schweden und Finnland eingeladen, Erklärungen gegenüber der Kommission abzugeben, in der die beiden Staaten ihre jeweilige Sicht der Dinge dartun konnten.29 Der Präsident des Rates benanntes als Kommissionsmitglieder Prof. M. Larnaude, den Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Paris, Prof. Dr. Struycken, Staatsrat in den Niederlanden sowie Prof. Dr. Max Huber, Rechtsberater der Regierung der Schweiz.30 Der Vorsitz wurde dabei dem französischen Kommissionsmitglied übertragen. Zudem wurde der Kommission ein Sekretär zur Seite gestellt; diese Aufgabe wurde einem Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Sekretariats des Völkerbundes übertragen.31 Schweden und Finnland reichten ihre Stellungnahmen ein, die unter den Kommissionsmitgliedern verteilt wurden.32 Die Kommission begann ihre Tätigkeit am 3. August 1920 in den Räumlichkeiten der Juristischen Fakultät der Universität von Paris und beendete ihren Bericht am 5. September 1920; alle Kommissionsmitglieder und der Sekretär unterzeichneten diesen.33 Während ihrer Arbeit sichtete die Kommission verschiedene Rechtstexte und schriftliche Dokumente, die ihr von schwedischer und finnischer Seite unterbreitet worden waren. Zudem befragte die Kommission den finnischen und den schwedischen Gesandten in Paris sowie den finnischen Gesandten in Kopenhagen. Weiterhin wurde auch zwei Repräsentanten der Åland-Inseln eine Anhörung gewährt.34 In ihrem Bericht befasste sich die Kommission intensiv mit Artikel 15 Abs. 8 der Völkerbundsatzung, mit der politischen und der historischen Dimension des Konflikts sowie mit der Rechtslage hinsichtlich der Demilitarisierung der Inseln. Die Kommission kam hinsichtlich der ersten an sie gerichteten Frage zu folgenden Schlussfolgerungen: „(1) The Situation between Sweden and Finland does not refer to a definitive established political situation, depending exclusively upon the territorial integrity of a State. (2) On the contrary, the situation arose from a de facto situation caused by the political transformation of the Aaland Islands, which transformation was caused by and originated in the separatist movement among the inhabitants, who quoted the principal of national self-determination, and certain military events which accompanied and followed the separation of Finland from the Russian Empire at the time when had not yet acquired the character of a definitively constituted State. (3) It follows from the above that the dispute does not refer to a question which is left by International Law to the domestic jurisdiction of Finland. (4) The Council of
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League of Nations-Official Journal July – August 1920, S. 250. League of Nations-Official Journal September 1920, S. 345; siehe auch Charles Noble Gregory, American Journal of International Law 17 (1923), S. 63 (64). 31 League of Nations-Official Journal Special Supplement October 1920, S. 3. 32 League of Nations-Official Journal September 1920, S. 345 33 Report of the International Committee of Jurists entrusted by the Council of the League of Nations with the task of giving an advisory opinion upon the legal aspects of the Aaland Island question, League of Nations-Official Journal Special Supplement October 1920, S. 3 ff. 34 League of Nations-Official Journal Special Supplement October 1920, S. 3 f. 30
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the League of Nations, therefore, is competent, under paragraph 4 of Article 15, to make recommendations which it deems just and proper in the case“.35
In Bezug auf die Demilitarisierung der Åland-Inseln kam die Kommission zu zwei weiteren Schlussfolgerungen: „(1) The provisions of the Convention and Treaty of Peace of 30th March, 1856, concerning the demilitarisation of the Aaland Islands are still in force. (2) These provisions were laid down in European interests. They constituted a special international status relating to military considerations, for the Aaland Islands. It follows that until these provisions are duly replaced by others, every State interested has the right to insist upon compliance with them. It also follows that any State in possession of the Islands must conform to the obligations, binding upon it, arising out of the system of demilitarisation established by these provisions“.36
Auf der Sitzung des Rates des Völkerbundes vom 20. September 1920, bei der auch wiederum die Repräsentanten von Finnland und Schweden anwesend waren, wurden dann die Grundlagen für die Einsetzung einer Untersuchungskommission gelegt. Der Repräsentant des Britischen Empire, der als Berichterstatter in der Angelegenheit der Åland-Inseln fungierte, legte einen weiteren, eigenen Bericht in der Sache vor, verlas diesen und erklärte zudem, dass der Rat des Völkerbundes die Befugnis habe, sich mit der Angelegenheit zu befassen.37 In dem Bericht nahm der britische Repräsentant Bezug auf den Bericht der international besetzten Juristenkommission, der bereits zuvor den Mitgliedern der Rates zugänglich gemacht worden war. Weiterhin wurden in dem Bericht nochmals einige Kernprobleme des Åland-Problems umrissen und der Entwurf einer weiteren Resolution vorgestellt:38 „The Council of the League of Nations having been invited by Great Britain to examine the question of the Aaland Islands, Having considered the advisory report furnished, at its request by a Commission of International Jurists, Recognising the duties imposed upon it by Article 11 and 4 of the Covenant in the supreme interest of peace between nations: (a) Declares itself, in accordance with the conclusions of the report, competent to make any recommendations which it deems just and proper in the case.‘ (b) And appoints Messrs. to furnish the Council, in the shortest time required for the necessary consultations, and having regard to the legitimate interests of all parties concerned, with a report which will enable it to frame a final or provisional settlement of the question and to establish conditions favourable to the maintenance of peace in that part of the world.“
35
League of Nations-Official Journal Special Supplement October 1920, S. 14. League of Nations-Official Journal Special Supplement October 1920, S. 19. 37 League of Nations-Official Journal October 1920, S. 392; der Bericht ist wiedergegeben in: League of Nations-Official Journal, S. 394 ff. 38 League of Nations-Official Journal October 1920, S. 396. 36
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Während dieser Sitzung wurde die Resolution, bei getrennter Abstimmung ihrer beiden Teile, einstimmig angenommen.39 Mit dem Teil (b) der Resolution erklärten sich Schweden und Finnland einverstanden.40 Als Mitglieder der Kommission, die mit einem Sekretariat ausgestattet war, wurden drei Personen benannt: Baron Beyens, ehemaliger Minister für Auswärtige Angelegenheiten von Belgien, Felix Calonder, ehemaliges Mitglied des Bundesrates der Schweiz, sowie Abraham Elkus, ehemaliger Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Konstantinopel; wobei letzterer aus gesundheitlichen Gründen von dem Botschaftssekretär O. L. Milmore vertreten werden musste.41 3. Durchführung der Untersuchung Die Kommissionsarbeit wurde in der zweiten Oktoberhälfte 1920 aufgenommen. Die Kommissionsmitglieder Baron Beyens und Calonder begannen in Paris damit, alle notwendigen Dokument zusammenzutragen und auch bereits von verschiedener Seite erste Stellungnahmen zu hören. In der Folge reisten die beiden Kommissionsmitglieder nach Stockholm, wo das US-amerikanische Kommissionsmitglied dazustieß. Die Kommissionsmitglieder verblieben dort bis zum 25. November 1920. Danach setzte die Kommission ihre Arbeit in Helsinki bis zum 8. Dezember 1920 fort. Als letzte Station besuchten die Kommissionsmitglieder dann die Åland-Inseln vom 8. bis zum 12. Dezember 1920 und kehrten anschließend nach Paris zurück.42 Die Kommission führte intensive Anhörungen von Repräsentanten Schwedens und Finnlands durch. Auch Bewohner der Åland-Inseln wurden befragt. Dabei stellte die Kommission umfangreiche Ermittlungen zu historischen, politischen, rechtlichen, ethnologischen, wirtschaftlichen, geographischen, psychologischen, strategischen und anderen Fragen an, die für den schwedisch-finnischen Disput als bedeutungsvoll angesehen wurden.43 Als Dokumente lagen der Kommission etwa ein Memorandum über den Schiffshandel durch die Bewohner der Åland-Inseln und zu 39
League of Nations-Official Journal October 1920, S. 392. Für die Resolution stimmten damit Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan und Spanien. 40 League of Nations-Official Journal October 1920, S. 392. 41 Siehe Charles Noble Gregory, American Journal of International Law 17 (1923), S. 63 (64); vgl. auch League of Nations-Official Journal November – December 1920, S. 29 f.: Zwar sollte von Beginn an ein US-amerikanischer Staatsbürger Mitglied der Kommission werden, allerding ließen sich die Vereinigten Staaten von Amerika mit der Benennung einer Person Zeit. Bis zum Eintreffen von Elkus wurde Maggiorino Ferraris als Teil der Kommission benannt, der in Italien das Amt eines Senators bekleidete und bei verschiedenen Gelegenheiten das Königreich Italien im Rat des Völkerbundes vertreten hatte, vgl. League of Nations-Official Journal November – December 1920, S. 86. 42 League of Nations-Official Journal March – April 1921, S. 151. 43 Siehe Charles Noble Gregory, American Journal of International Law 17 (1923), S. 63 (65).
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Fragen der Navigation zwischen den Inseln und dem finnischen Festland, eine Statistik zum Außenhandel der Åland-Inseln mit Schweden und ein Dokument des Parlaments der Åland-Inseln hinsichtlich der damals bestehenden Autonomieregelungen vor.44 4. Ergebnisse der Untersuchung a) Die Kommission teilte ihren 37-seitigen Abschlussbericht zu der ÅlandFrage45, der von allen Kommissionsmitgliedern und den beiden Kommissionssekretären unterzeichnet wurde,46 in zwei Teile auf. Der erste Teil des Berichts47 enthielt sehr detailreiche Beschreibungen über verschiedene Fragen hinsichtlich der Inselgruppe. Er begann im ersten Abschnitt48 mit einer allgemeinen Darstellung der Inselgruppe, wobei ihre Geografie, die Bevölkerung, die dortige Landwirtschaft und Industrie beschrieben wurden. Zudem wurden Fragen der dortigen Schifffahrt, der Emigration von den Inseln und schließlich auch Probleme des Handels und Schmuggels behandelt. Der zweite Abschnitt des ersten Berichtsteils49 beinhaltete eine Darstellung der politischen Geschichte der Åland-Inseln, beginnend mit einer Beschreibung von Schweden, Finnland und der Inselgruppe während des europäischen Mittelalters, gefolgt von einer Analyse der schwedischen Verfassung von 1634 und deren Bedeutung für die Inseln. Es folgten Beschreibungen des Krieges zwischen Russland und Schweden in den Jahren 1808 und 1809, des Friedens von Frederikshamm, von Finnland und Russland im Zeitraum von 1809 bis 1914, der Revolution in Russland und der Unabhängigkeit Finnlands, der Åland-Inseln während des finnischen Bürgerkrieges und schließlich der Åland-Frage in den Jahren 1919 und 1920. Der dritte Abschnitt des ersten Teils50 war juristischen Fragen gewidmet, wobei zunächst nochmals die Frage der Kompetenz des Rates des Völkerbundes zur Befassung mit der Åland-Frage aufgegriffen wurde. Weitere Themen, die in diesem Abschnitt behandelt wurden, waren die souveräne Staatlichkeit Finnlands nach der finnischen Unabhängigkeitserklärung, die Frage danach, ob sich die Souveränität Finnlands auf die Åland-Inseln erstrecke, die Motive der Bevöl44 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 39 ff. 45 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“. 46 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 37. 47 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 2 ff. 48 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 2 ff. 49 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 7 ff. 50 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 21 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
kerung der Åland-Inseln für den Wunsch einer Wiedervereinigung mit Schweden und die Anwendbarkeit des Rechts auf freie Selbstbestimmung sowie dessen Anwendbarkeit auf die Bevölkerung der Åland-Inseln. Danach gab die Kommission die verschiedenen Argumente für ihre Schlussfolgerungen wieder und befasste sich mit den internationalen Garantien zum Schutz der Eigenarten der Åland-Inseln. Im zweiten Berichtsteil51 wurden Fragen der militärischen Situation der Inseln besprochen. Der erste Abschnitt52 war dabei der Waffen- und Befestigungsfreiheit der Åland-Inseln und der zweite Abschnitt53 dem neutralen Status der Inseln gewidmet. b) Die Kommission ging die Frage der finnischen Souveränität über die ÅlandInseln aus einem historisch-geographischen Blickwinkel an,54 und kam zu der Schlussfolgerung, dass die Inseln seit 1634, also noch zu Zeiten der schwedischen Herrschaft über Finnland, von der damaligen finnischen Hauptstadt Åbo/Turku aus verwaltet worden seien.55 Bis zu seiner Unabhängigkeit von Russland habe Finnland selbst den Status eines autonomen Landes mit eigener Verfassung innerhalb des russischen Zarenreiches innegehabt.56 Mit Blick hierauf könne die Souveränität Finnlands über die Åland-Inseln nicht angezweifelt werden.57 Allerdings bemerkte die Untersuchungskommission auch, dass die Åland-Frage keine innerfinnische Angelegenheit sei, da die Bevölkerung den Wunsch nach einer Vereinigung mit Schweden geäußert habe und auch schwedischer Herkunft sei. Der Wunsch nach einer Zusammenführung der Inseln mit Schweden liege jedoch vor allem darin begründet, dass die Bevölkerung ihre kulturellen Eigenarten bewahren wolle und nicht darin, ein Teil Schwedens werden zu wollen. Daher würde es sich bei der Åland-Frage nicht um eine Frage des Selbstbestimmungsrechts handeln, sondern um eine Frage der Minderheitenrechte.58 Die kulturelle Identität der Åländer müsse im Rahmen von Autonomieregeln geschützt werden.59
51 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 34 ff. 52 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 34 ff. 53 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 36 f. 54 Vgl. auch Sten Harck, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 6. 55 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 9. 56 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 13 ff. 57 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 25. 58 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 27 ff. 59 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 31 ff.
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In Bezug auf die militärische Situation der Åland-Inseln kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein strengeres Rechtsregime für die Demilitarisierung der Inseln benötigt werde, als es durch den Vertrag von 1856 gegeben sei.60 Als Beispiel für die Schwäche des existierenden Regimes führte die Untersuchungskommission das Verhalten Russlands im Ersten Weltkrieg an. Da Russland befürchtet habe, dass bei Ausbrechen der Feindseligkeiten deutsche Truppen die Inseln besetzen könnten, seien dort starke Befestigungen und eine Marinebasis mit einer großen Garnison errichtet worden.61 Hinsichtlich des neutralen Status der Åland-Inseln befürwortete die Kommission ein neues internationales Rechtsregime, das den Vertrag von 1856 ablösen solle.62 Die Fragen der militärischen Situation der Inseln und der souveränen Herrschaft über diese könnten getrennt behandelt werden.63 Insofern müsse ein Abkommen abgeschlossen werden, welches ausschließlich Regeln über die Demilitarisierung und die Neutralisierung der Åland-Inseln beinhalte und das die Grenzen der Inseln festlege.64
II. Grenzfragen hinsichtlich von Albanien 1. Historischer Hintergrund Albanien war bis zum Ende des Ersten Balkankriegs ein Teil des Osmanischen Reiches.65 Nach dem Sieg der Allianz aus Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien wurde das Königreich Albanien am 28. November 1912 unabhängig. Insbesondere Italien und Österreich-Ungarn befürworteten die Entstehung des neuen Staates. Jedoch hatte Albanien von Beginn seiner Existenz an Probleme hinsichtlich seiner Staatsgrenzen. Eine ungefähre Grenzziehung konnte in dem zwischen den Konfliktparteien des Balkankrieges geschlossenen Friedensvertrag von London vom 30. Mai 191366 erreicht werden. Während des Ersten Weltkriegs wurden Teile des albanischen Territoriums jedoch von Italien, von Griechenland sowie von Serbien 60 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 36. 61 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 35. 62 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 36. 63 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 36. 64 League of Nations Doc. Council Document B 7 – The Aaland Question: „Report presented to the Council of the League by the Commission of Rapporteurs“, S. 37. 65 Hierzu und zum Folgenden Owen Pearson, Albania and King Zog: Independence, Republic and Monarchy, 1908 – 1939, S. 1 ff.; Fances Kellor, Security against War, S. 181 ff.; David W. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 29 ff.; Hitoshi Nasu, International Law on Peacekeeping: A Study on Article 40 of the UN Charter, S. 48 f.; Laura Garcés, World Affairs 158 (Summer 1995), S. 3 ff. (insbesondere 7). 66 Der Vertragstext ist wiedergegeben in: Consolidated Treaty Series Vol. 218, S. 159.
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beansprucht und besetzt. Nach dem Krieg wurde die Klärung der Delimitationsfrage jedoch vom Alliierten Obersten Kriegsrat der Pariser Botschafterkonferenz übergeben, welcher der britische, der italienische und der japanische Botschafter in Frankreich sowie der französische Außenminister angehörten. Die Albaner selbst wurden in dieser Frage nicht angehört. Serben hatten seit Ende 1918 immer wieder Vorstöße auf albanisches Staatsgebiet unternommen und dabei Teile Nordalbaniens besetzt. Auch an der albanisch-griechischen Grenze kam es zu Spannungen. Im Inneren war der junge Staat Albanien zudem von einer besonders schlechten Wirtschaftslage, schlechter Regierungsführung, gewalttätigen Ausschreitungen sowie Konflikten zwischen den Angehörigen der unterschiedlichen Glaubens- und Religionsgemeinschaften geprägt. 2. Einsetzung der Kommission Um sich der serbischen Grenzverletzungen zu erwehren, wandte sich die Regierung Albaniens an den Völkerbund, in welchen der Staat im Dezember 1920 aufgenommen worden war. Unter dem Datum des 29. Aprils 1921 trug die albanische Regierung ihr Ersuchen an den Rat des Völkerbundes heran.67 Hierin klagte die Regierung über die partielle Besatzung albanischen Territoriums durch Serben68, die damit einhergehenden Tötungen, Verletzungen, Zerstörungen und Plünderungen sowie die Flucht von 40.000 Albanern. Trotz des Ersuchens an die serbische Regierung, albanisches Territorium zu verlassen, sei es bisher zu keinen entsprechenden Maßnahmen gekommen. Zudem hätten Griechen einen Bezirk mit zwanzig albanischen Dörfern besetzt. Die albanische Regierung ersuchte den Rat des Völkerbundes Schritte zu ergreifen, um die Serben und Griechen zum Verlassen albanischen Territoriums zu veranlassen und so für Albanien wieder Frieden und Harmonie herzustellen. Der albanische Premierminister versuchte in einem Telegramm, welches am 15. Juni 1921 beim Völkerbund in Genf eingegangen war, erneut auf die Situation zwischen Albanien einerseits sowie Griechenland und dem Staat der Serben, Kroaten und Slowenen andererseits aufmerksam zu machen.69 Der Premierminister legte seinem Appell ausdrücklich Artikel 11 Abs. 1 der Satzung des Völkerbundes zugrunde und erklärte, dass die Situation eine schwerwiegende Bedrohung für den Frieden zwischen den drei Staaten sei.
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League of Nations-Official Journal July – August 1921, S. 474. Die Bezeichnungen für die den Staat, der später Jugoslawien werden sollte, wurden während der Befassung des Völkerbundes mit der Thematik, vor allem von albanischer Seite, unterschiedlich gehandhabt. Ebenso verhielt es sich, wenn Personen oder Personengruppen gemeint waren. Teilweise wurde der Begriff „Serben“ benutzt, teilweise wurde „Jugoslawen“ verwendet. Jedenfalls war der offizielle Name des betreffenden Staates zu dem Zeitpunkt der hier dargestellten Ereignisse „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“. 69 League of Nations-Official Journal July – August 1921, S. 477. 68
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Am 25. Juni 1921 hielt der Rat des Völkerbundes eine nichtöffentliche Sitzung ab, in der er auf das albanische Ersuchen bezüglich der Streitigkeit mit Griechenland und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen hin und mit Blick auf die Botschafterkonferenz, die sich zwischenzeitlich in den Streit eingeschaltet hatte, die folgende Resolution verabschiedete:70 „The Council of the League of Nations is informed that the Conference of Ambassadors has taken up the Albanian question, and that it is discussing it at the present moment. In these circumstances, the Council of the League of Nations considers it inadvisable to take up the question simultaneously. Pending the solution which will be communicated to it, the Council recommends the three Parties, in conformity with the Covenant, strictly to abstain from any act calculated to interfere with the procedure in course. The question will be most carefully watched by the Council of the League of Nations, which will give to the defence of the people and the nation of Albania every possible attention. The Council recommends that, in the interests of the general pacification and normal development of Albania, the Conference of Ambassadors should take a decision with the least possible delay.“
Trotz der Befassung des Völkerbundes und der Pariser Botschafterkonferenz mit der albanischen Angelegenheit verschlechterte sich die Lage in den albanischen Grenzgebieten weiterhin. Am 7. Juli 1921 teilte die albanische Delegation dem Völkerbund mit, dass jugoslawischen Truppen ohne Grund die Bezirke Gashi und Kraniki in den Jakova-Bergen besetzt hätten.71 Eine weitere Zuspitzung erlebte der Konflikt Anfang August 1921. Am 6. des Monats wurde gegenüber dem Völkerbund von der Regierung Albaniens ein Protest gegen Aktionen der serbisch-kroatisch-slowenischen Regierung in Nordalbanien ausgebracht.72 In der Note beklagte die albanische Regierung, dass von Seiten der jugoslawischen Regierung verschiedene Aktionen gegen Albanien durchgeführt worden seien. Zum einen hätte eine bekannte Person, nachdem sie Jugoslawien besucht habe, mit einigen Komplizen versucht, im Distrikt Mirditie eine Rebellion gegen die albanische Regierung zu initiieren. Dies sei allerdings gescheitert. In einem zweiten Versuch hätte besagte Person mit ihren Komplizen mit der Hilfe von jugoslawischen Truppen versucht, die Bevölkerung in Gebieten, die im Jahre 1913 Albanien zugeschrieben worden, aber immer noch durch jugoslawische Truppen besetzt seien, aufzuhetzen. Ziel sei eine Invasion des Distrikts Mirditie gewesen. Zu diesem Zweck seien 800 Mann durch die jugoslawischen Truppen bewaffnet und unter Drohungen gezwungen worden, sich der besagten Person anzuschließen. Der Versuch der Invasion Mirdities sei aber erneut an dem Widerstand der dortigen Bevölkerung gescheitert. Am 4. August hätten zudem zwei Majore der Reserve der jugoslawischen Armee mit 1.200 serbischen Freischärlern die albanischen Truppen 70 71 72
League of Nations-Official Journal July – August 1921, S. 481. League of Nations-Official Journal July – August 1921, S. 483. League of Nations-Official Journal October 1921, S. 488.
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in Mirditie angegriffen, um eine Invasion des Gebiets zu beginnen. Dieser Angriff sei aber durch die albanischen Truppen, mit Hilfe der lokalen Bevölkerung, zurückgeschlagen worden. Die albanische Regierung erklärte zu den beschriebenen Handlungen, dass sie Beweis dafür erbringen würden, dass die jugoslawische Regierung aktiv an Angriffen gegen das Territorium Albaniens beteiligt sei. Diese Handlungen würden klar gegen die Empfehlungen in der Resolution des Rates des Völkerbundes vom 25. Juni 1921 verstoßen. Ab Mitte September 1921 eskalierte die Lage zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen erneut. Vom 18. September bis zum 25. September 1921 wurden von dem albanischen Außenminister eine Reihe von Telegrammen an den Völkerbund gesandt,73 in denen zunächst von einem Ultimatum durch einen serbischen Kommandeur zum Verlassen der Orte Muher, Arras, Sinaj, Gryka, Dardha und Malilures und anschließend von einer Invasion des Gebiets durch serbische Truppen sowie von albanischen Gegenangriffen berichtet wurde. Von Seiten der Delegation des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen beim Völkerbund wurde hierauf am 25. September 1921 reagiert.74 Gegenüber dem Generalsekretär des Völkerbundes teilte die Delegation mit, dass alle Berichte über ein Ultimatum an Albanien und albanische Grenztruppen ohne jede Grundlage seien. Diese Anschuldigungen seien lediglich verbreitet worden, um die legitimen Interessen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen zu unterminieren. Ebenfalls noch am 25. September 1921 übersandte die Delegation des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen ein weiteres Telegramm an den Völkerbund.75 Hierin wurde behauptet, dass die Grenzlinie zwischen dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen im Sektor von Arras bei Cafa-Nour beginne, der Berglinie von Svelitia folge, durch Mal Kalcerit verlaufe und schließlich beim Fluss Mala Luressi das Dorf Drin erreiche. Die im albanischen Telegramm genannten Dörfer würden daher auf der Seite des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen liegen. Anders als von albanischer Seite behauptet, hätten die albanischen Truppen den in dem Gebiet stationierten serbischen Truppen ein Ultimatum gestellt und dann versucht, dieses Gebiet mit Waffengewalt einzunehmen. Es sei daher offensichtlich, dass die albanischen Truppen die Grenze überschritten hätten. Die nächste Eskalationsstufe erreichte der Konflikt im Spätherbst 1921. Am 21. November 1921 wandte sich die albanische Delegation erneut an den Völkerbund.76 Von der Delegation wurde mitgeteilt, dass trotz der wiederholten Appelle und trotz der Empfehlungen des Völkerbundes, die Regierung in Belgrad nun Albanien offen den Krieg erklärt habe und albanisches Gebiet mit regulären Truppen und modernstem Kriegsgerät angreife. Mit Blick auf die Geschwindigkeit, mit der die serbischen Truppen vorrücken würden, müsste jede effektive Maßnahme getroffen 73 74 75 76
League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1237 f. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1239. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1240 f. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1245.
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werden, um die Invasion Nordalbaniens durch serbische Truppen zu stoppen, bevor diese einen fait accompli schaffen würden und dadurch schwerwiegende Konsequenzen entstünden, die den Frieden auf dem Balkan bedrohten. Die Streitigkeit zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen war vom 17. bis zum 19. November 1921 Gegenstand der Beratungen des Rates des Völkerbundes.77 Bei den Sitzungen waren Repräsentanten der Regierung in Tirana und der Regierung in Belgrad anwesend.78 Bereits zuvor, am 6. Oktober 1921, war beschlossen worden, eine Kommission nach Albanien zur Untersuchung der dortigen Situation zu entsenden.79 Außerdem hatte die Pariser Botschafterkonferenz einen Beschluss zu den Grenzen Albaniens gefasst; diese sollten etwa den Grenzen von 1913 entsprechen, wobei die präzise Ziehung der Grenzlinien einer besonderen Delimitationskommission überantwortet wurde.80 Allerdings war die Lage zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zu diesem Zeitpunkt bereits so problembehaftet, dass der britische Premierminister Lloyd George Maßnahmen nach Artikel 16 der Satzung des Völkerbundes gegen die serbischkroatisch-slowenische Seite forderte.81 Noch während der Sitzungen des Rates des Völkerbundes fasste die Botschafterkonferenz am 18. November 1921 einen weiteren Beschluss.82 Der Beschluss sah vor, dass an der Grenze zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen eine neutrale Zone eingerichtet werden solle. Diese Zone müsse bis zur finalen Grenzziehung frei von allen albanischen und serbisch-kroatisch-slowenischen Truppen bleiben. Auf der Sitzung vom 19. November 1921 legte der Ratspräsident einen Resolutionsentwurf vor, in dem ein Arbeitsauftrag an die zuvor eingesetzte Untersuchungskommission niedergelegt war:83 „The Council of the League of Nations, Having heard the statements concerning the information which led the British Government to request, in its telegram of November 7th, the immediate convocation of the Council, to study the situation created by the advance of the Serb-Croat-Slovene troops into Albania and to agree upon measures to be taken, Having heard the explanations given by the Serb-Croat-Slovene and Albanian Governments, Considering that the Assembly of the League of Nations and recognised on October 3rd that the Principal Allied and Associated Powers were responsible for fixing the definite frontiers of Albania. 77 78 79 80 81 82 83
League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1182 ff., 1189 ff., 1192 ff. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1182. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1193. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1194 f. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1182. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1210 ff. League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1192 f.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Considering that the Conference of Ambassadors decided on November 9th, 1921, that it was necessary to confirm with certain specified alterations the line of the frontiers of Albania established in 1913 by the Conference of Ambassadors in London and considering that the frontiers of Albania are consequently now fixed and must be respected in accordance with the guarantees assured to the Members of the League of Nations by the Covenant. The Council noted the declaration of the Prime Minister of the Serb-Croat-Slovene State, in which he affirms that the Serb-Croat-Slovene State is taking, in accordance with the above decision, all steps to assure the immediate evacuation of its troops from all territory belonging to the Albanian State. The Council notes also the assurance given by the representatives of the two States that they intend to live as neighbours maintaining good relations with each other, which implies that neither shall take, either directly or indirectly any action to provoke or encourage any movement which might disturb the internal peace of its neighbour. The Council is glad to note the conciliatory attitude adopted in its presence by the Albanian and the Serb-Croat-Slovene Government, which augurs well for the future. The Council decides to give the Commission of Enquiry sent to Albania in accordance with its resolution of October 6th, the following instructions 1. The Commission shall keep the Council informed of the retirement of both the SerbCroat-Slovene and Albanian troops from the provisional zone of demarcation provided in the decision of the Conference of Ambassadors of November 18th, 1921, it shall keep in touch with the Delimitation Commission whenever necessary and shall place itself at the disposal of the local authorities to assist in carrying out the evacuation so as to avoid incidents. 2. The Commission shall satisfy itself that no outside assistance is given in support of a local movement which might disturb internal peace in Albania. The Commission shall examine and submit to the Council measures to end the present disturbance and to prevent their recurrence.“
Die Resolution wurde von den Mitgliedern des Völkerbundrates einstimmig angenommen und von dem Repräsentanten Albaniens akzeptiert.84 Der Repräsentant von Jugoslawien akzeptierte die Resolution ebenfalls. Er merkte jedoch an, dass der Ausdruck „live as neighbours maintaining good relations with each other“ ausreichend sei, und dass es kein Bedürfnis gebe, die Rechte und Pflichten präzise zu benennen. Außerdem wurde von serbisch-kroatisch-slowenischer Seite noch angemerkt, dass die Untersuchungskommission klare Anweisungen hätte und dass es klar sei, dass die Aktivitäten der Kommission auf Albanien begrenzt seien.85 Die Kommission bestand ursprünglich aus drei Mitgliedern: Major Jens Meinich aus Norwegen, Oberst Charles Schaeffer aus Luxemburg und Rolf Thesleff aus Finnland. Ein Sekretär begleitete die Kommission.86 84
League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1193. Für die Resolution stimmten somit Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan und Spanien. 85 League of Nations-Official Journal December 1921, S. 1193. 86 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 572.
§ 1 Der Völkerbund
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3. Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission nahm ihre Tätigkeit bereits zu Beginn des Monats November 1921 auf.87 Allerdings musste sich das finnische Kommissionsmitglied Thesleff aus gesundheitlichen Gründen bereits früh aus der Kommissionsarbeit zurückziehen und wurde am 1. Dezember 1921 von dem ebenfalls aus Finnland stammenden Professor J. J. Sederholm ersetzt. Die Kommission verließ Genf am 13. November 1921. Sie kam am 19. November 1921 in Durazzo an und begab sich von dort aus in die albanische Hauptstadt Tirana. Dort wurde die Kommission herzlich willkommen geheißen.88 Nach einem kurzen Aufenthalt in Scutari setzte die Kommission, mit Ausnahme des durch Krankheit geschwächten Oberst Schaeffer, ihre Untersuchung in der Region Mirdite fort. Am 9. Dezember 1921 erreichte die Kommission Oroshi, den Hauptort des Distrikts. Nach einer gründlichen Untersuchung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Aufruhr, der sich hier zuvor ereignet hatte, nunmehr in Gänze beendet sei. Es sei nicht zu erwarten, dass sich aufrührerische Handlungen in der nahen Zukunft wiederholen würden.89 Im Anschluss besuchte die Kommission zudem die Grenze zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nahe Dibra. Dort überzeugten sich die Kommissionsmitglieder, dass die Evakuierung der neutralen Zone ohne größere Zwischenfälle vonstattengegangen sei. Am 10. Dezember 1921, somit an dem von der Botschafterkonferenz festgelegten Datum für die Evakuierung der Demarkationszone, sei diese gänzlich frei von Truppen der beiden Staaten gewesen.90 Am 18. Dezember 1921 kehrte die Kommission nach Tirana zurück. Dort wurde sie Zeugin einer schweren Verwerfung, die durch den ehemaligen albanischen Ministerpräsidenten Hassan Bey Pristina ausgelöst und in die die verschiedenen politischen Parteien hineingezogen wurden. Die Anwesenheit der Untersuchungskommission trug dazu bei, ein Blutvergießen zu verhindern.91 Während dieser Zeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Oberst Schaeffer zusehends. Zu Beginn des Monates Januar 1922 entschied sich das luxemburgische Kommissionsmitglied, nach Genf zurückzukehren. Dort verstarb Schaeffer am 16. Januar 1922.92 Die anderen Mitglieder der Untersuchungskommission verließen Tirana am 28. Dezember 1921 in Richtung Südalbanien. Die Kommissionsmitglieder besuchten Valona und Premeti. Einen längeren Aufenthalt hatten sie in Koritza. Die 87 88 89 90 91 92
League of Nations-Official Journal June 1922, S. 572. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 572. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Kommission nahm vor Ort die Situation an der griechisch-albanischen Grenze in Augenschein. Nach Auffassung der Kommission bestanden dort einige Unsicherheiten über die genaue Definition des (ehemaligen) osmanischen Kasa von Koritza, dessen Grenzen, nach der Entscheidung der Botschafterkonferenz, die Grenzlinie zwischen Albanien und Griechenland bilden sollte. Als Ergebnis dieser Beobachtungen schlug die Untersuchungskommission die Schaffung einer neutralen Zone an der griechisch-albanischen Grenze vor, so wie sie bereits an der Grenze zwischen Albanien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bestand. Diesem Vorschlag wurde von der Botschafterkonferenz zugestimmt.93 In Koritza untersuchte die Kommission Fragen hinsichtlich der griechischsprachigen Minderheit in dieser Stadt. Die Kommission bemerkte dabei, dass dort keine griechischen Staatsangehörigen lebten. Allerdings würden weniger als ein Drittel der Bevölkerung von Koritza mit den gegenwärtigen Bedingungen unzufrieden sein. Diese griechischsprachige Minderheit, die stark der griechischen Kultur anhing, hätte Angst vor der Gründung einer albanischen autokephalen Kirche, wie sie von den albanischen Nationalisten angestrebt werde. Dies könne nach Auffassung der Minderheit zu einem offenen Bruch mit dem Patriarchat von Konstantinopel führen.94 In diesem Zusammenhang ging die Kommission auch den Ereignissen nach, die zur Ausweisung des griechischen Metropoliten Jakopos aus Koritza geführt hatten.95 Der Kommission erschien es so, als habe dieser seinen Einfluss auf die Griechenland zugeneigte Minderheit in Koritza ausgeübt und eine regelrechte politische Kampagne für Griechenland begonnen.96 Auf ein Ersuchen der Mehrheit der Bevölkerung hin, habe die Regierung in Tirana den griechischen Metropoliten befohlen, die Stadt zu verlassen.97 Ein ausländischer Zeuge, der zum Zeitpunkt der Abreise des Metropoliten zugegen war, sagte aus, dass es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Demonstrationen, weder für, noch gegen Jakopos gegeben habe.98 Als nächstes besuchte die Untersuchungskommission das Kloster von San Naoum am Ochridasee. Das Kloster war zu diesem Zeitpunkt von serbisch-kroatisch-slowenischen Truppen besetzt. Nach der Sichtweise der albanischen Regierung sollte das betreffende Gebiet allerdings albanischem Territorium zugehörig sein.99 Die Kommission schlug vor, das Kloster in die neutrale Zone einzubeziehen. Dieser Vorschlag wurde akzeptiert und die Untersuchungskommission schickte die betreffenden Dokumente in Bezug auf diese Frage an die Grenzziehungskommission,
93 94 95 96 97 98 99
League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573.
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271
die von der Pariser Botschafterkonferenz eingesetzt worden war und der die finale Entscheidung in dieser Frage oblag.100 Währenddessen erhielt die Untersuchungskommission eine Reihe von Beschwerden sowohl von der serbisch-kroatisch-slowenischen als auch von der albanischen Regierung. Gegenstand dieser Beschwerden waren jeweils behauptete Zwischenfälle in der neutralen Zone. Daraufhin sandte die Kommission am 18. Januar 1922 ein Telegramm an den Generalsekretär des Völkerbundes mit folgendem Inhalt:101 „In order to achieve positive results and to attain our main object, namely, the establishment of permanent good relations between the parties, the Commission considers it advisable to form an Albano-Serb Mixed Military Commission on the spot, for the purpose of enquiring into and dealing with any incidents. This Commission could also decide on the formation of a local administration to supervise the neutral zone, etc.“
Die Empfehlung wurde von dem Generalsekretär an die betroffenen Regierungen und an die Pariser Botschafterkonferenz weitergeleitet. Zwar akzeptierten sowohl die albanische als auch die serbisch-kroatisch-slowenische Regierung den Vorschlag. Allerdings befand die Botschafterkonferenz es nicht für ratsam, diesem Vorschlag zu folgen.102 Am 12. Januar 1922 entschied der Rat des Völkerbundes daraufhin:103 „(1) That according to the desire expressed by the Conference of Ambassadors, the Commission, should proceed again to the neutral zone to convince itself by investigation on the spot that the evacuation of the zone in question by the troops of both countries had been effectively and completely carried out. (2) That, after an inspection of the neutral zone, the Commission should meet at Scutarie the Delimitation Commission set up by the Conference of Ambassadors.“
Um dem erteilten Auftrag nachzukommen, trennte sich die Untersuchungskommission in zwei Teile. Das finnische Kommissionsmitglied untersuchte die nördliche Grenzregion, während das norwegische Kommissionsmitglied seine Untersuchungen in der Region Dirba vornahm.104 Als Ergebnis dieser Untersuchungen gelangte die Kommission zu der Überzeugung, dass auf beiden Seiten der wirkliche Wunsch nach einer Respektierung der neutralen Zone bestehe. Falls es doch, aufgrund von Fehlern oder Unachtsamkeit, zu bestimmten, unbedeutenden Verletzungen der Zone gekommen sei, seien diese auf Bitten der Kommission sofort behoben worden.105 100 101 102 103 104 105
League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 573 f. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Zum Abschluss ihrer Untersuchungen traf sich die Untersuchungskommission in Scutrai mit der Delimitationskommission.106 Die Delimitationskommission bekräftigte in gemeinsamen Gesprächen, dass sie gewillt sei, sich mit jeder Frage zu beschäftigen, die sich in der Zukunft mit Blick auf die neutrale Zone ergeben könne. Sie, die Delimitationskommission, sei für die Aufgabe gut gerüstet, da sie jeweils einen albanischen und einen serbischen Delegierten an die Seite gestellt bekommen habe. Daher entschied die Untersuchungskommission des Völkerbundes, dass es kein Bedürfnis mehr nach einer gemischten albanisch-serbischen Kommission gebe.107 4. Ergebnisse der Untersuchung a) Die Untersuchungskommission legte dem Rat des Völkerbundes ihren achtseitigen Abschlussbericht am 12. Mai 1922 vor.108 Der Bericht war von den beiden verbliebenen Kommissionsmitgliedern und dem Kommissionssekretär unterzeichnet worden.109 Die Kommission gliederte den Bericht in zwei große Teile. Der erste Teil110 war der Zusammensetzung der Kommission, den Anweisungen, die sie während ihrer Tätigkeit erhielt, sowie ihrer Untersuchungstätigkeit gewidmet. Im zweiten Berichtsteil111 ging die Kommission näher auf die sog. Albanische Frage, die wirtschaftlichen Ressourcen Albaniens, die soziale und politische Organisation des Landes, die albanischen Beziehungen mit den Nachbarstaaten (dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie Griechenland und Italien) sowie auf die Verfassungsprobleme und die sozio-ökonomischen Probleme Albaniens ein. Es folgten ein kurzer Abschnitt zu den Ergebnissen der Kommissionsarbeit112 und ein Abschnitt mit den Empfehlungen der Kommission.113 b) Die Untersuchungskommission gelangte zu der Überzeugung, dass ein freies und unabhängiges Albanien eine essenzielle Voraussetzung für Ruhe und Frieden auf dem Balkan sei. Albanien besitze alle immateriellen und materiellen Voraussetzungen, die nötig seien, um einen unabhängigen Staat zu bilden.114 Allerdings habe Albanien noch nicht den Grad von politischer Stabilität und wirtschaftlicher Entwicklung erreicht, der notwendig sei, um allen Risiken internen Aufruhrs und ausländischer Verpflichtungen entgegenzutreten. Hierzu benötige Albanien Rat und 106
League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574. 108 General Report of the Commission of Enquiry presented to the Council on May 12th, 1922, League of Nations-Official Journal June 1922, S. 572 ff. 109 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 580. 110 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 572 ff. 111 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 574 ff. 112 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 579. 113 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 579 f. 114 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 579. 107
§ 1 Der Völkerbund
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wirtschaftliche Unterstützung. Der Völkerbund, welcher in Albanien unbestreitbares Ansehen genieße, erscheine als die Institution, die für diese Aufgabe am besten gerüstet sei.115 c) Die Kommission sprach daraufhin zwei Empfehlungen aus:116 „(1) That a favourable answer should be given to the Albanian Government’s request that the League should extend its support to economic matters and should put the Albanian Government in a position to study, with the aid of experts, the reforms required for the better administration and economic development to the country. (2) That, pending a decision as regards the appointment of these experts, one member of the Commission of Enquiry should return to Albania to follow events in that country and to examine these questions in consultation with the Albanian Government.“
Die Untersuchungskommission war davon überzeugt, dass diese Empfehlungen mit dem letzten Absatz der Anweisungen des Rates des Völkerbundes korrespondierten, wonach die Kommission ersucht wurde, jede Maßnahme zu erwägen, die geeignet sei, die Rückkehr der inneren Unruhen in Albanien zu vermeiden.117 Die Kommission schloss ihren Bericht mit der Feststellung, dass Albanien, wenn ihm die nachgefragte Unterstützung zuteilwürde, größere Stabilität erreichen könne. So könne der Staat zudem zu einem permanenten Faktor des Friedens auf dem Balkan werden.118
III. Zugehörigkeit des Mossul-Territoriums 1. Historischer Hintergrund Eines der zentralen Probleme der internationalen Politik nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war die sog. Orientfrage oder auch Orientalische Frage.119 Gegenstand dieser Frage war der Umgang mit den territorialen Hinterlassenschaften des im Weltkrieg unterlegenen Osmanischen Reichs, welches mit dem Deutschen Reich, dem Kaiserreich Österreich-Ungarn sowie Bulgarien die sog. Mittelmächte bildete, die gemeinsam gegen die Alliierten und die mit ihnen assoziierten Mächten kämpften. Bereits in dem Vertrag von Sèvres zwischen den Alliierten und dem 115
League of Nations-Official Journal June 1922, S. 579. League of Nations-Official Journal June 1922, S. 579 f. 117 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 580. 118 League of Nations-Official Journal June 1922, S. 580. 119 Siehe hierzu und zum Folgenden Qunicy Wright, American Journal of International Law 20 (1926), S. 453 ff.; Aryo Makko, Diplomacy & Statecraft 21 (2010), S. 631 ff. sowie insbesondere zu der – im Verlauf des Disputes einschlägigen – Regelung im Vertrag von Lausanne, Roland Banken, Die Verträge von Sèvres 1920 und Lausanne 1923: eine völkerrechtliche Untersuchung zur Beendigung des Ersten Weltkrieges und zur Auflösung der sogenannten „Orientalischen Frage“ durch die Friedensverträge zwischen den alliierten Mächten und der Türkei, S. 435 ff. 116
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Osmanischen Reich vom 10. August 1920120, einem der sog. Pariser Vorortverträge, durch welchen der Kriegszustand beendet werden sollte, war festgeschrieben worden, dass ein Großteil des osmanischen Territoriums, namentlich Armenien, Hedschas und Mesopotamien, in die Unabhängigkeit entlassen werden sollte. Mitte der 1920er Jahre kam es zu einem Territorialstreit zwischen der Republik Türkei, welche 1923, nach dem Sturz von Sultan Mehmed IV. Vahideddin, als verbleibender Rumpfstaat aus dem Osmanischen Reich hervorgegangen war, und dem Vereinigten Königreich. Die Briten hatten im Jahr 1920 die mesopotamischen Vilâyets121 von Bagdad, Basra und Mossul aus dem Osmanischen Reich herausgelöst und daraus das Königreich Irak geformt. Der Völkerbund legte anschließend die Verwaltung des Irak als Mandatsgebiet in britische Hände. Gegenstand des Streites war die Zugehörigkeit des Vilâyets von Mossul, dessen völkerrechtliche Zugehörigkeit ungeklärt blieb und in welchem zu dieser Zeit etwa 800.000 Menschen lebten. Die Bevölkerung des Gebietes war von dem Zusammenleben verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen geprägt. Die britisch-irakische Seite berief sich auf Artikel 3 Abs. 2 des Friedensvertrages von Lausanne, der am 24. Juli 1923 zwischen der Türkei einerseits und den alliierten Mächten Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie dem Vereinigten Königreich andererseits abgeschlossen worden war.122 Besagte Regelung, die sich im Abschnitt über Territorialklauseln, darin in dem Artikel über die Grenze der Türkei vom Mittelmeer bis zur Grenze Persiens befand, war dem türkisch-irakischen Grenzverlauf gewidmet. Sie lautete: „The frontier between Turkey and Iraq shall be laid down in friendly arrangement to be concluded between Turkey and Great Britain within nine months. In the event of no agreement being reached between the two Governments within the time mentioned, the dispute shall be referred to the Council of the League of Nations. The Turkish and British Governments reciprocally undertake that, pending the decision to be reached on the subject of the frontier, no military or other movement shall take place which might modify in any way the present state of the territories of which the final fate will depend upon that decision.“
Auf der Goldenen-Horn-Konferenz im Mai 1924 in Konstantinopel war die Angelegenheit des Gebietes von Mossul dann Gegenstand von anglo-türkischen Verhandlungen gewesen. Es stellte sich allerdings heraus, dass beide Staaten keine Lösung für die Territorialproblematik finden konnten.
120 121 122
League of Nations Treaty Series Vol. 8, S. 1133 ff. Vilâyets waren eine Form von Verwaltungsbezirken im Osmanischen Reich. League of Nations Treaty Series Vol. 28, S. 12 ff.
§ 1 Der Völkerbund
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2. Einsetzung der Kommission Die Frage der Zugehörigkeit des Mossul-Territoriums wurde am 17. Juni 1924 erstmals im Rat des Völkerbundes angesprochen. In der Sitzung an diesem Tag berichtete der britische Vertreter Lord Parmoor von den Entwicklungen in dem Mandatsgebiet Irak. Hierbei machte er auch darauf aufmerksam, dass die Frage der Souveränität über das Gebiet von Mossul Gegenstand der Goldenen-Horn-Konferenz gewesen sei. Er werde dem Völkerbund in Kürze über die Angelegenheit berichten.123 Dies war somit als die Ankündigung zu verstehen, den in Artikel 3 Abs. 2 S. 2 des Vertrages von Lausanne niedergelegten Konfliktlösungsmechanismus durch den Rat des Völkerbundes in Anspruch zu nehmen. Am 20. September 1924 stand die Angelegenheit der Grenzziehung zwischen dem Irak und der Türkei auf der Tagesordnung des Rates des Völkerbundes. Zu den Beratungen wurde auch ein Repräsentant der Türkei eingeladen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied des Völkerbundes war.124 Auf der Sitzung wurde deutlich, dass zwischen der britischen und der türkischen Seite Differenzen herrschten, wegen derer Artikel 3 Abs. 2 des Lausanner Vertrages anzuwenden sei. Lord Parmoor trug hierzu die britische Position vor, dass es nach gescheiterten Verhandlungen zwischen der Türkei und dem Vereinigten Königreich nunmehr die Aufgabe des Rates des Völkerbundes sei, die Grenzlinie zwischen dem Irak und der Türkei zu ziehen.125 Der Repräsentant der Türkei, Fethi Bey, hingegen sah eine Streitbeilegung bereits durch die Feststellung möglich, ob der Vilâyet von Mossul nördlich oder südlich der Grenzlinie zwischen der Türkei und dem Irak belegen sein solle. Fethi Bey wies auch darauf hin, dass die Türkei ihren Anspruch auf Mossul nie aufgegeben habe. Um über die Zukunft des Gebiets zu entscheiden, wurde von türkischer Seite ein Gebietsreferendum als das richtige Mittel angesehen. Zudem würde die britische Position keinerlei Rückhalt mit Blick auf die Verhandlungen in Lausanne finden.126 Jede Seite brachte im weiteren Verlauf der Beratung der Angelegenheit verschiedene rechtliche, politische, historische, ethnische, militärische und wirtschaftliche Argumente für die jeweils präferierte Grenzlinie vor.127 Auf der Sitzung des Völkerbundrates am 30. September 1924 verlas der zuständige Berichterstatter einen kurzen Bericht zu der Entwicklung der Frage der Grenzlinie.128 Hierin trug der Berichterstatter vor, dass Zweifel hinsichtlich der Definition des Problems und hinsichtlich der Rolle des Rates bei der Problemlösung 123
League of Nations-Official Journal July 1924, S. 923. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1318. Die Türkei trat dem Völkerbund erst am 18. Juli 1932 bei. 125 League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1318 f. 126 League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1320 ff. 127 Vgl. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1318 f., S. 1320 ff., S. 1358 ff., S. 1437 ff. 128 League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1358 f. 124
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
bestünden.129 Daher schlug der Berichterstatter die Einsetzung einer Untersuchungskommission im weiteren Verfahren vor. Er führte hierzu aus, dass eine Untersuchung der Angelegenheit essenziell erscheine. Die Untersuchung solle von einer Kommission durchgeführt werden. Diese Kommission solle aus kompetenten und unparteiischen Personen bestehen, die alle nötigen Informationen bezüglich der Tatsachen sammeln und Überlegungen dergestalt anstellen sollten, dass die Kommission den Rat bei der Lösung der ihm durch Artikel 3 Abs. 3 des Lausanner Vertrages gestellten Aufgabe unterstützen könne.130 Die Kommission würde dem Rat alle wichtigen Informationen und Vorschläge unterbreiten, die der Rat zur Entscheidung benötige. Die Kommission würde darüber hinaus alle existierenden Dokumente und Auffassungen der betroffenen Parteien mit Blick auf das Verfahren und den Inhalt der streitigen Frage in Betracht zu ziehen haben.131 Wenn der Rat sich entscheiden würde, eine solche Untersuchungskommission einzusetzen, müsse er sich mit der Frage nach Besetzung und Mandat der Kommission auseinandersetzen.132 Der türkische Repräsentant merkte an, dass es die Pflicht der Kommission sei, das beste Verfahren zur Festlegung der Grenzlinie zu erörtern. Es müsse herausgefunden werden, welches der, von der britischen und der türkischen Regierung vorgeschlagenen, Verfahren am besten die wahren politischen Tendenzen der Bevölkerung des Vilâyets von Mossul wiedergebe.133 Auf der gleichen Sitzung legte der Berichterstatter noch den Entwurf einer Resolution vor, welcher die Einsetzung der zuvor vorgeschlagenen Untersuchungskommission zum Gegenstand hatte:134 „The Council, having had the question of the delimitation of the frontier between Turkey and Iraq referred to it under Article 3, paragraph 2, of the Treaty of Lausanne Having heard the statements of the representatives of the British and Turkish Governments, who undertook on behalf of their respective Governments to accept in advance the decision of the Council on the question referred to it With a view to collecting the facts and data which it requires to fulfil the mission entrusted to it under Article 3, paragraph 2, of the Treaty of Lausanne Decides to set up a special Committee of three members. This Committee shall lay before the Council all information and all suggestions which may be of a nature to assist it in reaching a decision. It shall give due consideration to the existing documents and to the views expressed by the interested parties both as regards the procedure and as regards the substance of the question. It shall receive all communications which the parties may wish to transmit to it. It may proceed to investigations on the spot and in that case may avail itself to the services of advisers appointed respectively by each of the two Governments concerned. 129 130 131 132 133 134
League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1359. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1359. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1359. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1359. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1360. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1360.
§ 1 Der Völkerbund
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The Committee shall fix its own procedure. The Secretary-General shall furnish it with the necessary staff and shall advance it the funds which it may require, such advances to be refunded by the League in equal proportions by the Governments concerned. The Council instructs its President and its Rapporteur on this question to appoint the members of the said Committee by common agreement. The Council notes the declarations of the British and Turkish Governments to the effect that, pending the decision to be reached on the subject of the frontier, no military or other movement shall take place which might modify in any way the present state of the territories whose final fate will depend upon that decision.“
Sowohl der britische als auch der türkische Repräsentant akzeptierten diesen Resolutionstext.135 Die Resolution wurde schließlich einstimmig angenommen.136 Ebenfalls noch auf der Sitzung des Rates am 27. Oktober 1924 gab dessen Präsident die Besetzung der Untersuchungskommission bekannt. Ihr würden Graf Paul Teleki, ein ehemaliger ungarischer Premierminister, af Wirsén, der schwedische Gesandte in Budapest, sowie Oberst Paulis, ein ehemaliger Offizier der belgischen Armee, angehören. Die Kommission würde bald ihre Untersuchungen vor Ort aufnehmen und die Aufgaben wahrnehmen, die ihr vom Rat des Völkerbundes übertragen worden seien.137 Die Kommission wurde von Sekretären begleitet. 3. Durchführung der Untersuchung Die designierten Mitglieder kamen zu ihrem ersten Treffen am 13. November 1924 in Genf zusammen, um die Kommission zu konstituieren.138 Die Kommission begann umgehend mit der Sichtung der Dokumente bezüglich der Grenzlinie zwischen der Türkei und dem Irak, welche das Sekretariat des Völkerbundes vorbereitet hatte139, und ferner mit der Sichtung der Protokolle der Konferenz von Lausanne, der einschlägigen Sitzungen des Rates des Völkerbundes sowie der Memoranden der britischen und der türkischen Regierung. Sodann wurde ein Arbeitsplan ausgearbeitet. Die Kommission kam dabei zu dem Ergebnis, dass es nötig sei, eine Vor-OrtUntersuchung durchzuführen und die benötigten Daten dort zu sammeln. Weiterhin kam die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass sie gründlich auf einige besondere Fragen eingehen und sich daher entsprechende Dokumente von beiden beteiligten Regierungen besorgen müsse. Daher wurde beschlossen, dass man zunächst mit den Regierungen in London und Angora (heute: Ankara) persönlich ins Gespräch kommen müsse. Zu diesem Zweck wurde von Genf aus zunächst ein 135
League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1360. League of Nations-Official Journal October 1924, S. 1360. Für die Resolution stimmten damit Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Italien, Japan, Schweden, Spanien, Tschechoslowakei und Uruguay. 137 League of Nations-Official Journal November 1924, S. 1670. 138 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII vom 16. Juli 1925, S. 5. 139 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. 136
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Fragebogen an die beiden Regierungen geschickt, damit die Kommission, bei Ankunft in London beziehungsweise Angora, ohne Zeitverlust in der Lage sein sollte, zusätzliche Informationen zu erhalten, bevor die Kommission ihre Vor-Ort-Untersuchung beginne.140 Bevor die Kommission Genf verließ, wurde beschlossen, das schwedische Kommissionsmitglied af Wirsén zum Vorsitzenden der Kommission zu wählen.141 Zunächst besuchte die Kommission London. Dort wurde sie vom britischen Außenminister und vom Kolonialminister empfangen. Es fanden verschiedene Treffen und Befragungen statt, bei denen die jeweiligen Experten für die MossulFrage aus den beiden Ministerien anwesend waren.142 Während des Aufenthalts in London wurde der Untersuchungskommission von der britischen Regierung zudem mitgeteilt, dass man die Entsendung einer Kommission für einen effektiveren Weg zur Konfliktlösung halte, als die Durchführung eines Plebiszits.143 In ihrer Antwort hierauf hielt es die Untersuchungskommission für angebracht, darauf hinzuweisen, dass ihre Befugnisse nicht begrenzt seien und sie daher frei sei, dem Rat des Völkerbundes einen Plebiszit oder jede andere Verfahrensweise zu empfehlen, welche die Kommission für wünschenswert erachte.144 Hierauf wurde von Seiten der britischen Regierung vorgebracht, dass man gedenke, ein Memorandum zu erstellen, in welchem die Schwierigkeiten eines Plebiszits dargelegt würden.145 Ansonsten wurden auf den Treffen der Untersuchungskommission mit den Repräsentanten der britischen Regierung die verschiedenen Punkte besprochen, die die Kommission in ihrem Fragebogen an die Regierung aufgeführt hatte.146 Weiterhin lud die Kommission die britische Regierung ein, gemäß einer Entscheidung, die die Kommission bereits in Genf getroffen hatte, einen Assessor zu benennen, der die Kommission begleiten und sie bei der Vor-Ort-Untersuchung unterstützen sollte.147 Ende des Jahres 1924 reiste die Untersuchungskommission dann in die Türkei. Erstes Ziel war dabei Konstantinopel. Von dort aus reiste die Kommission am 3. Januar 1925 weiter nach Angora.148 Während des Meinungsaustausches, der zwischen der Untersuchungskommission und den Repräsentanten der Türkischen Republik stattfand, ereignete sich ein, im Abschlussbericht der Kommission nicht näher spezifizierter, Zwischenfall, der es für die Kommission notwendig machte, die Befugnisse der Kommission klarzustellen. Die Kommission stellte daher auch gegenüber der türkischen Regierung klar, dass sie, die Kommission, freie Hand habe, 140 141 142 143 144 145 146 147 148
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5.
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aus den von britischer und von türkischer Seite vorgeschlagenen Verfahrensweisen eine auszuwählen und ferner jede Grenzlinie vorzuschlagen, welche der Kommission geeignet erscheinen würde, vorausgesetzt, dass diese Grenzlinie zwischen den äußersten Grenzlinien liege, die jeweils von den beiden Regierungen beansprucht würden.149 In ihrem Abschlussbericht wies die Kommission in diesem Zusammenhang auf den Brief hin, der von der türkischen Regierung an die Kommission als Antwort auf deren Fragebogen gerichtet worden war. In diesem Brief stellte die türkische Regierung folgende Überlegungen an:150 „Mon Gouvernement est convaincu (…..) que l’expression de la volonté populaire doit être considérée comme le facteur essentiel dont dépend la solution du problème, et il espère que la Commission tiendra compte de ce vœu fondamental du Gouvernement et du people turcs que la solution doit être trouvée dans la volonté librement exprimée de la population du Vilâyet de Mossoul. Pour la première fois depuis sa fondation, un différend de quelque importance, survenue entre une grande Puissance occidentale et un Etat du Proche-Orient au sujet de la détermination du sort d’une population orientale, est porté devant le Conseil de la Société des Nations. De la solution que votre Commission préconisera, après avoir mûrement étudié la question, dépendront en grande partie la sincérité et la confiance dans les futures relations entre l’Orient et l’Occident et la foi des peuples orientaux dans l’ère nouvelle symbolisée par la Société des Nations. Le Gouvernement de la République est convaincu que votre Commission aura à cœur de contribuer à l’heureux événement que serait l’établissement d’une atmosphère de confidence mutuelle entre ces deux parties du monde et voudra assurer le triomphe du droit en recommandant au Conseil de laisser la population du Vilâyet de Mossoul déterminer librement son propre sort.“
Nach langen Diskussionen gelang es der Untersuchungskommission jedoch, die türkische Regierung von der Position der Kommission zu überzeugen.151 Die Kommission lud auch die Regierung in Angora dazu sein, einen Assessor zu benennen, der die Kommissionsarbeit und die Untersuchungen unterstützen solle. Kurz vor ihrem Aufbruch aus Angora erhielt die Kommission davon Kenntnis, dass es sich bei dem von der Regierung benannten Assessor um General Jevad Pasha handelte, den Generalinspekteur der Truppen in der Region von Diyarbakır. Dieser würde von Sachverständigen begleitet, die ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen sollten.152 In der Folge reiste die Untersuchungskommission nach Konya weiter. Dort hatte sie Gelegenheit, den Präsidenten der Türkischen Republik, Mustapha Kemal Pasha Ghazi, zu treffen. Den Kommissionsmitgliedern wurde eine Audienz bei dem
149 150 151 152
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5 f. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6.
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Staatsoberhaupt gewährt.153 Im Anschluss reiste die Kommission über Damaskus und durch die syrische Wüste weiter nach Bagdad. Dort traf sie am 16. Januar 1925 ein.154 Die Kommission nahm die von irakischer Seite ausgesprochene Einladung an, einige Tage in Bagdad zu verweilen. So hatte die Kommission Gelegenheit, Informationen zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den früheren Vilâyets von Bagdad und Mossul zu erheben sowie sich über die Verwaltungsverfahren und über die politische Lage des neuen Staates Irak zu informieren. Während des Aufenthalts der Kommission in Bagdad war diese in der Residenz des britischen Hohen Kommissars für den Irak untergebracht. Der Hohe Kommissar lud auch den türkischen Assessor ein, in der Residenz zu wohnen; die den Assessor begleitenden Sachverständigen waren allerdings in einem anderen Teil Bagdads untergebracht.155 Der Hohe Kommissar stellte der Kommission auch Herrn Jardine vor, der von britischer Seite als Assessor für die Kommission benannt worden war. Der ehemalige Minister für Öffentliche Arbeit, Sabi Bey, wurde als Repräsentant der irakischen Regierung vorgestellt.156 Am Tag nach der Ankunft der Kommission in Bagdad wurden die Kommissionsmitglieder von dem britischen Hohen Kommissar, dem Monarchen des Irak, König Faisal (I.) bin Hussein bin Ali al-Hashemi, vorgestellt. Der König hieß die Kommission willkommen und erklärte ihr seine Position und die Position seiner Regierung hinsichtlich der Frage des Grenzverlaufs seines Landes.157 Der König übermittelte der Kommission zudem einen offiziellen Text seiner Begrüßungsrede sowie ein geschriebenes Memorandum.158 In diesem Dokument bezog sich der König – nach einer Beschreibung der Gerechtigkeit und der Legitimität der irakischen Ansprüche – auf die antike Zivilisation der Araber und den früheren Glanz der Stadt des Kalifen, die einst das Zentrum einer berühmten Zivilisation gewesen sei. Weiterhin gab König Faisal in dem Dokument einen historischen Überblick über die nationalistische Bewegung in Arabien und zeigte auf, dass die Araber die Gelegenheit des Weltkrieges genutzt hätten, um sich auf die Seite der Alliierten zu schlagen und die Usurpatoren aus dem Land zu jagen. Weiterhin wurde in dem Dokument aufgezeigt, dass sich die türkischen Truppen zum Zeitpunkt des Waffenstillstandes (1921) auf Positionen nördlich der irakischen Grenze zurückgezogen hätten und dass im Anschluss die britische militärische Besatzung in den drei Vilâyets von Basra, Bagdad und Mossul begonnen worden sei. Kurz danach habe die britische Regierung dem Parlament mitgeteilt, dass man gedenke, die dem arabischen Volk gegebenen Versprechen zu erfüllen und eine nationale Regierung im Irak 153 154 155 156 157 158
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 6.
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zu errichten. Diese Regierung sei nun (1925) seit vier Jahren im Amt, und die erzielten Fortschritte hätten die britische Regierung dazu bewogen, das Mandat in einen Allianzvertrag umzuwandeln. Außerdem wies der König darauf hin, dass der britische Repräsentant im Rat des Völkerbundes erklärt habe, dass der Irak bald in der Position sein werde, ein selbstregierter Staat zu werden, der die Mitgliedschaft im Völkerbund beantragen könne.159 Der König zeigte sich dahingehend sicher, als dass die Untersuchungskommission erkennen könne, welche Zustände nun im Irak herrschten und welche Zustände es unter türkischer Herrschaft gegeben habe. Sein Königreich sei auf Gerechtigkeit sowie auf der bürgerlichen und religiösen Gleichheit aller Untertanen gegründet. Das Volk wolle den Frieden genießen und sobald die Grenzen zugestanden würden, würde das Volk seine jugendliche Energie in die Entwicklung der natürlichen Ressourcen des Irak einfließen lassen. In diesem Zusammenhang wurden in dem königlichen Dokument die Bewässerungssysteme für die Ebenen des Diyala und des Euphrat erwähnt; diese Systeme würden über drei Millionen Acre Land wieder für die Landwirtschaft nutzbar machen. Die Zuglinie von Bagdad nach Mossul, über Kifri und Kirkuk, würde sich ihrer Fertigstellung nähern. Außerdem sei die irakische Regierung kurz davor, einen Vertrag über die Ausbeutung der Ölquellen im Irak zu unterzeichnen.160 Hinsichtlich der zukünftigen Beziehungen zwischen dem Irak und der Türkei gab der König in seinem Schreiben der Untersuchungskommission zu verstehen, dass sein Volk freundschaftliche Gefühle für die Nachbarn hege und die türkische Nation respektiere. Man wünsche ihr Wohlstand. Das irakische Volk wünsche sich Frieden und Sicherheit, damit man in der Lage sei, zu arbeiten und die eigenen Ressourcen zu entwickeln und so der Menschheit zu dienen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der Irak ganz und intakt gelassen werden. Hierzu müsse man eine Grenze haben, welche das Land vor Aggression schütze; dies sei eine Frage von Leben und Tod.161 Der König zeigte sich sicher, dass, sobald die Untersuchungskommission die ihrer Tätigkeit zugrundeliegende Frage in allen Aspekten – ethnisch, geographisch, wirtschaftlich und strategisch – begutachtet habe, sie, die Kommission, zu dem Ergebnis kommen würde, dass die Entziehung seiner natürlichen Schätze für den Irak einen tödlichen Stoß hinsichtlich seiner Zukunft bedeuten würde.162 Die Ausführungen in dem königlichen Dokument schlossen wie folgt:163 „La consolidation et l’existence même d’un gouvernement stable en Irak dépendent de la préservation du status quo. J’ai la convention, tant pour des raisons économiques que stratégiques, qu’aucun gouvernement ne pourrait se maintenir à Bagdad, si Mossoul devait en être détachée et passer entre les mains d’un gouvernement étranger. En outre, l’existence même du peuple de l’Irak serait impossible sans Mossoul. Je suis également convaincu, connaissant la mentalité du people turc et son désir d’expansion et de conquête, que la paix 159 160 161 162 163
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ne pourra être maintenue que par la création d’une armée considérable dont le recrutement serait rendu impossible si le territoire de Mossoul devait être séparé de l’Irak. Comment les capitaux étrangers pourront-ils être attirés alors que les pays sera exposé à des risques continuels d’anarchie et d’invasion? Ainsi j’affirme que Mossoul est à l’Irak ce que la tête est au corps, et quoique, en apparence, il ne s’agisse que la frontière entre l’Irak et la Turquie, c’est l’avenir de mon pays tout entier qui est en jeu. La prospérité et le bonheur de quatre millions d’âmes sont donc entre vos mains. Si la Commission devait, pour que raison quelconque, proposer à la Société des Nations une modification des frontières actuelles de l’Irak, j’estime qu’elle devrait, en même temps, recommander à la Société le choix d’un nouveau statut politique pour tout le territoire de l’Irak et lui confier la responsabilité de l’avenir de ce peuple.“
Noch am Tag der Unterredung mit König Faisal hielt die Untersuchungskommission ein Treffen mit dem britischen Hohen Kommissar in dessen Residenz ab. Bei diesem Treffen ereignete sich ein Zwischenfall, der die Arbeit der Kommission um zwei Wochen verzögern sollte. Der Hohe Kommissar berichtete, dass unter den türkischen Sachverständigen zwei Personen seien, Nazim Bey und Fattah Bey, die, obwohl sie Staatsangehörige des Irak seien, in Angelegenheiten verwickelt gewesen wären, die sich gegen die gegenwärtige irakische Regierung gerichtet hätten. Diese beiden Personen, von denen gegen eine ein Haftbefehl erlassen worden sei, wären gezwungen gewesen, das Land zu verlassen und hätten sich nun in den Dienst der Untersuchungskommission gestellt, um in den Irak zurückzukehren und möglicherweise, unter dem Deckmantel der diplomatischen Immunität, Aktivitäten zu entfalten, die Frieden und Ordnung im Irak bedrohen würden. Diese Gefahr sei in der momentanen, aufgeheizten Stimmung besonders groß und hätte auch schon zu Drohungen geführt. Die beiden Sachverständigen sollten, so legte es der Hohe Kommissar der Untersuchungskommission nahe, abgezogen werden.164 Die Mitglieder der Untersuchungskommission konnten die Einschätzung des britischen Hohen Kommissars in dieser Frage nicht teilen. Zwar zeigten sie Verständnis dafür, dass es von Seiten der türkischen Regierung ein schlechter Zug gewesen sei, Personen als Sachverständige zu benennen, die aus Sicht der irakischen Regierung kompromittiert seien und daher die Aufgabe der Kommission schwieriger machten. Allerdings wies die Kommission auch darauf hin, dass die beiden nämlichen Sachverständigen Einwohner des Vilâyets von Mossul seien und als Angehörige des Irak angesehen werden könnten, bis die Grenzfrage zwischen der Türkei und dem Irak abschließend geklärt sei.165 In der Folge berichtete die Kommission die Vorkommnisse an den türkischen Assessor. Dabei verbargen die Kommissionsmitglieder ihre Überraschung über die Auswahl der beiden Sachverständigen durch die türkische Regierung nicht. Allerdings wurde entschieden, dass auf General Jevad Pasha keinerlei Druck mit Blick auf einen Abzug der Sachverständigen ausgeübt werden sollte.166 Gleichzeitig teilte der 164 165 166
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türkische Assessor der Untersuchungskommission mit, dass seine Sachverständigen und sein persönlicher Assistent in einem „entrenched camp“ untergebracht worden seien und dort unter Beobachtung stünden. Die Untersuchungskommission unterrichtete den Hohen Kommissar umgehend von diesen Geschehnissen und wies darauf hin, dass dieses Verfahren nicht gerechtfertigt sei.167 Die Kommission fühlte sich verpflichtet, der Sache vor Ort nachzugehen. Ihr fiel dabei auf, dass die türkische Abordnung einige Kilometer von der Stadt entfernt in militärischen Kasernen untergebracht war, die mit Stacheldrahtzaun umzäunt waren. Als Ergebnis von energischen Stellungnahmen durch die Kommission gegenüber dem Hohen Kommissar wurden die türkischen Sachverständigen schließlich in Räume nahe der Residenz des Hohen Kommissars gebracht. Die Kommission versicherte dem Hohen Kommissar im Gegenzug, dass sich die türkischen Sachverständigen nicht in die Stadt begeben würden. Die Kommission sah dieses Arrangement als zweckmäßig im Hinblick auf die angespannte Lage in Bagdad an. Allerdings wies die Kommission darauf hin, dass, sobald sie in dem umstrittenen Gebiet angekommen sei, sie auf der vollen Bewegungsfreiheit für die türkische Abordnung bestehen werde.168 Die erste Phase des Zwischenfalles endete in Bagdad mit der Übermittlung einer Note von der Untersuchungskommission an den britischen Hohen Kommissar sowie an den türkischen Assessor:169 „… La réponse de Son Excellence le Haute Commissaire, ainsi que les démarches de Son Excellence le général Djevad pacha, ont suggéré à la Commission les considérations suivantes: 18 La Commission renouvelle l’expression de ses regrets que le Gouvernements de la République Turque ait jugé opportun de faire accompagner son assesseur auprès de la Commission de la Société des Nations par des personnes qui, du fait de leur activité politique récent, étaient tout au moins peu indiquées pour remplir des fonctions aussi délicates. Le fait que ces deux Messieurs sont nominativement mentionnés dans les procès-verbaux de la Conférence de Constantinople pouvait faire prévoir des difficultés et des complications de nature à entraver les travaux de la Commission. 28 La Commission estime que, tant qu’elle se trouvera en dehors de la zone contestée, elle ne peut s’opposer à certaines mesures que lui ont dit avoir dû prendre les autorités responsables de l’ordre public en vue de la sécurité personnelle de l’assesseur turc et de ses assistants. 38 La Commission considère toutefois que, lorsqu’elle se trouvera à Mossoul, ou dans toute autre localité du territoire contesté, il sera indispensable que l’assesseur jouisse d’une liberté complète afin de faire valoir, comme il lui semblera bon, la thèse de son Gouvernement devant la Commission. En conséquence, il devra pouvoir disposer librement et à n’importe quel moment de l’appui de ses experts et des personnes dont il jugera opportune de se servir. Il est évident que, pour que ces conditions soient remplies, il est nécessaire que les experts jouissent d’une pleine liberté de mouvement. Après avoir consulté le général Djevad pacha, la Commission se réserve la faculté de se mettre d’accord avec les autorités locales au sujet 167 168 169
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des mesures à prendre pour assurer la sécurité personnelle des personnes qui l’accompagnent. La Commission est convaincue que les deux Haute Parties en cause se rendront compte de ce que toute difficulté d’ordre intérieur et secondaire apportée dans l’accomplissement de sa tâche ne saurait que nuire à la bonne marche de l’enquête qui lui a été confiée; elle espère que les deux Gouvernements feront tout ce qui est en leur pouvoir afin de lui épargner la nécessité de prendre des décisions qui ne pourraient que retarder le solution rapide du conflit.“
Im weiteren Verlauf des Aufenthalts der Untersuchungskommission in Bagdad besuchte diese, auf Einladung der irakischen Regierung hin, einige Ministerien, die Militärschule, Bildungseinrichtungen und Landwirtschaftsschulen und empfing verschiedene Delegationen. Weiterhin besuchte die Kommission Märkte, Getreidespeicher sowie Holzlager in den wirtschaftlichen Zentren der Stadt, um sich so einen Eindruck vom Handel zwischen Bagdad einerseits und seinen Nachbarorten und den nördlichen Regionen andererseits zu verschaffen. Ziel der Kommission war es dabei, Beweise für wirtschaftliche Abhängigkeiten der früheren Vilâyets Mossul und Bagdad zu erhalten. In diesem Zusammenhang studierte die Untersuchungskommission auch die Zollstatistiken, nahm Vorkriegsberichte von Konsuln in Augenschein und konnte sich so einen Eindruck von der wirtschaftlichen Lage des Landes machen.170 In der Folge verließ die Untersuchungskommission die irakische Hauptstadt und machte sich in Richtung Mossul auf. Hierzu nutzte sie die Sharqat-Eisenbahn, welche in einiger Distanz am Gebirgskamm Jebel Hamrin entlanglief, welcher die von der türkischen Regierung vorgeschlagene Grenze war.171 Die Kommission erreichte Mossul am 27. Januar 1925 und bezog dort Quartier in einem großen Haus, welches sonst König Faisal als Residenz diente, wenn er sich in dem betreffenden Distrikt aufhielt.172 Gleich nach der Ankunft der Kommission ereignete sich ein weiterer Zwischenfall, welchen die Kommission als bedauerlich erachtete. Der Vorfall wurde in einem Memorandum des Kommissionsmitglieds Teleki festgehalten:173 „Le 27 janvier, jour de l’arrivée de la Commission à Mossoul, j’entrepris une promenade en ville, accompagné de MM. Roddolo et Charrère. Comme je quittais notre demeure, le général Djevad pacha, en uniforme, s’offrit à m’accompagner. J’acceptai d’autant plus volontiers que j’étais curieux de me rendre compte de l’impression que pourrait faire cet uniforme sur la population. A peine étions-nous dans la rue, la police ne nous ayant pas encore suivis, qu’une trentaine de personnes que je jugeais être des Arabes entourèrent le pacha, lui baisèrent les mains, tandis que s’élevaient des cris de: ,Vive la Turquie!‘ La foule grossit derrière nous; elle pouvait être de deux cents personnes environ et les clameurs
170 171 172 173
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 8. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 8. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 8. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 8.
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allaient en augmentant. Comme nous venions de dépasser les casernes, quelques policiers intervinrent et s’efforcèrent de disperser le public. Arrivés devant le Bazar, nous fûmes rejoints par trois officiers de police, dont un Anglais. La foule qui nous entourait fut grossie par l’afflux de personnes se trouvant dans le Bazar. Le pacha fut l’objet de nouvelles acclamations et de nouvelles démonstrations de sympathie. Cette foule paraissait composée d’éléments assez divers, certains de fort bonne apparence, d’autres, au contraire, paraissaient être des mendiants auxquels s’étaient joints de très nombreux enfants. Les policiers renouvelèrent leurs efforts pour disperser le public qui parut obéir à leurs injonctions; c’est alors que nous remarquâmes que, derrière nous, deux policiers étaient intervenus à coups de canne et l’un d’eux, se précipitant sur un homme d’âge moyen, qui s’était réfugié dans une boutique du Bazar, le battit violemment sous nos yeux. Je jugeai devoir intervenir. Je fis appeler un officier et lui dis: ,Je vous défends de frapper les gens en présence d’un membre de la Commission de la Société des Nations.‘ Poursuivant notre promenade dans la direction de la municipalité, nous fûmes suivis d’une foule sans cesse accrue les policiers s’efforçaient de contenir. Arrivant devant le Club nationaliste de l’Irak, situé en face de la municipalité, nous fûmes témoins d’une contremanifestation, des étudiants arborant des cocardes aux couleurs de l’Irak acclamaient le roi Fayçal. Toujours suivis par la foule et encadrés de policiers nous regagnâmes notre habitation.“
Am Morgen, der auf den gerade beschriebenen Zwischenfall folgte, erhielt die Kommission Besuch vom Mutasserif von Mossul, der von dem britischen Verwaltungsinspektor für die Stadt begleitet wurde. Letzterer erklärte gegenüber der Untersuchungskommission, dass man sich gezwungen sehe, ein Überwachungssystem zu etablieren, um die persönliche Sicherheit der türkischen Abordnung zu sichern. Dies sei aufgrund der immer weiter aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung erforderlich.174 Zu diesem Zweck wurden der Kommission drei Maßnahmen vorgeschlagen:175 „18 L’assesseur turc et ses adjoints préviendront, une heure à l’avance, les autorités de la ville de leur désir de sortir; ils indiqueront l’endroit où ils veulent se rendre et ils seront accompagnés par la police. 28 Djevad pacha sera prié de ne pas sortir en uniforme militaire. 38 Des mesures devront être prises par les autorités afin qu’aucune manœuvre politique, de nature à troubler l’ordre public, ne puisse être tentée par les délégués turcs.“
Die Untersuchungskommission, der daran gelegen war, die Handlungsfreiheit der türkischen Sachverständigen aufrecht zu erhalten, bemerkte gegenüber den Behörden von Mossul, dass deren vorgeschlagene Bedingungen nicht annehmbar seien. Die Kommission brachte in einer Note gegenüber dem Mutasserif und dem britischen Verwaltungsinspektor einen eigenen Vorschlag vor:176
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„18 Nous exigeons pleine liberté de circulation pour les délégués turcs, sans escorte apparente de police; l’assesseur turc devra pouvoir présenter à la Commission ses témoins, même si ceux-ci désirent être entendus secrètement; 28 Il est du devoir de la municipalité d’assurer la sécurité de la délégation turque; nous ne pouvons admettre de protection discrète pour eux par des mesures non apparentes à la population; 38 La Commission refusera de commencer son enquête tant que satisfaction sur ces points ne lui aura pas été donnée.“
Als der Mutasserif und der britische Verwaltungsinspektor die Note der Kommission zur Kenntnis genommen hatten, wurde der Kommission mitgeteilt, dass ohne vorherige Rücksprache mit den Zentralbehörden nicht auf die Note geantwortet werden könne. Der britische Hohe Kommissar für den Irak antwortete in einem Telegramm, dass er die Rechtmäßigkeit der Forderungen der Kommission zwar anerkenne, er aber weder für die britische noch für die irakische Regierung irgendeine Form von Verantwortlichkeit übernehmen könne, falls irgendwelche feindseligen Akte gegen die türkische Delegation verübt werden sollten.177 Zur gleichen Zeit erreichte die Kommission ein Telegramm aus Angora, in welchem die türkische Regierung einen scharfen Protest gegen die Einstellung der irakischen Behörden ausbrachte. Die türkische Regierung erklärte zudem mit Nachdruck, dass die Besatzungsbehörden für die Sicherheit der türkischen Delegierten verantwortlich gemacht werden müssten. Ein ähnlicher Protest der türkischen Regierung wurde der Untersuchungskommission durch das Sekretariat des Völkerbundes übermittelt. Daraufhin übermittelte die Kommission ein längeres Telegramm nach Genf, in welchem die Ursachen der Situation erklärt wurden, namentlich die unglückliche Auswahl der türkischen Sachverständigen. In der Antwort nach Angora wies die Kommission darauf hin, dass die türkische Regierung schwerlich die irakischen Behörden verantwortlich machen könne, wenn sie, die türkische Regierung, selbst die von der irakischen Regierung vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen ablehne.178 Die Situation der Untersuchungskommission in Mossul wurde in der Folge immer schwieriger. So erfuhr die Kommission, dass Personen, die für die Türkei demonstriert hatten, inhaftiert worden seien. Die Kommission selbst stand unter ständiger Beobachtung. Zwei Polizeipatrouillen waren am Eingang des Quartiers der Kommission stationiert. Die Polizisten hatten dabei den Befehl, jedes Kommen und Gehen von Kommissionsmitgliedern oder des Kommissionssekretariats zu notieren und dies der zentralen Polizeistation sofort per Telefon zu melden. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass eine unparteiische Untersuchung unter solchen Umständen nicht möglich sei. Hierüber wurden die beiden Assessoren informiert. Die Kommission erklärte dabei, dass sie mit der Untersuchung erst beginnen würde, wenn der Zustand beendet worden sei.179 177 178 179
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9.
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Mit der Regierung in Angora wurden verschiedene Telegramme ausgetauscht. Man erlangte allerdings von der Regierung der Türkischen Republik keine definitive Antwort auf die Vorschläge der Untersuchungskommission des Völkerbundes. Bis zu einer endgültigen Antwort wurde zwischen der Türkei und der Kommission vereinbart, dass General Jevad Pasha die Verantwortung für die Sicherheit der türkischen Delegation übernehmen solle, und dass der General einige unauffällige Vorsichtsmaßnahmen akzeptieren solle, sofern die Maßnahmen nicht das Ansehen der türkischen Delegation beschädigen oder in deren Handlungsfreiheit eingreifen würden.180 Zwei Tage später erhielt die Untersuchungskommission ein weiteres Telegramm aus Angora. Aber auch dieses, so schien es der Kommission, trug nicht zur Klärung der Verantwortlichkeiten bei. Daraufhin sandte der Vorsitzende der Kommission ein Telegramm an die türkische Regierung, welches die Korrespondenz endgültig beendete:181 „Ministère Affaires étrangères, Angora. – T. 3. Reçu votre télégramme six février nous annonçant que point de vue Djevad pacha est aussi celui Gouvernement turc. Concluons que Gouvernement turc accepte définitivement déclaration écrite suivante que nous avons demandée à Djevad pacha et qu’il nous a donné les cinq févriers, en mon nom et en nom de mon Gouvernement et en attendant réponse définitive question posée par vous Gouvernement Angora je déclare assumer responsabilité de sécurité personnelle membres délégation turque contre attentats. Déclare accepter moyens protection discrète proposés par Haut Commissaire que si appliqués avec justice ne nuiront pas prestige ni amour propre délégation turque et lui permettront remplir tâche auprès vous. – (Signé) Djevad pacha. Commission remercie Gouvernement turc pour son attitude conciliante permettant continuer enquête avec assesseurs. – De Wirsén.“
Aufgrund der vorbeschriebenen Ereignisse war es der Untersuchungskommission bis zum 5. Februar 1925 nicht möglich, mit ihrer eigentlichen Arbeit zu beginnen oder wenigstens über ein Arbeitsprogramm zu entscheiden. Zuvor hatte die Kommission den Assessoren mitgeteilt, dass keine Delegationen empfangen und keine Zeugenbefragungen durchgeführt werden könnten, bis der Zwischenfall beendet worden sei. Solange sei die Untersuchungskommission verpflichtet, keine offiziellen Handlungen durchzuführen.182 In der Zwischenzeit hatte sich die Kommission in privaten Beratungen allerdings eine Meinung über die Sichtweisen in der Bevölkerung machen können. Auch hatten sich die Kommissionsmitglieder auf die Details ihrer Tour durch das Vilâyet und über die Methoden der Untersuchung geeinigt. Zu diesen Methoden gehörte die Beschaffung genereller Informationen durch Besuche der Basare, der verschiedenen Stadtviertel von Mossul sowie des Gefängnisses. Ohne Begleitung besuchte die Kommission zudem bestimmte Personen in Mossul, deren Erfahrungen und Wissen über das Land sehr bekannt waren. So konnte die Kom180 181 182
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 9.
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mission einen generellen Überblick über die Situation gewinnen; gleichzeitig konnte die Kommission die Möglichkeit von Druck oder Beeinflussung durch die verschiedenen Parteien vermeiden.183 Als die offizielle Untersuchung begann, wurde diese gemeinsam von den drei Kommissionsmitgliedern durchgeführt. Dabei beschränkte sich die Kommission nicht auf die Befragung der lokalen Regierung, politischer Komitees und berufsständischer Vereinigungen (wie von Ärzten, Anwälten, Händlern usw.), sondern erweiterte die Befragung auf alle Schichten der Bevölkerung. Die beiden Assessoren wurden von der Kommission eingeladen, jeweils eine Liste von Zeugen einzureichen, von denen die Assessoren wünschten, dass diese Personen von der Kommission vernommen werden sollten.184 Die Kommission konnte daher die Untersuchung in einer Weise durchführen, dass allen Klassen der Bevölkerung und allen wichtigen Persönlichkeiten die Möglichkeit eingeräumt wurde, ihre Meinung zu bekunden.185 Die Methode, welcher die Untersuchungskommission folgte, wird gut durch eine Rede des Kommissionsvorsitzenden illustriert, welche er in Mossul vor Repräsentanten verschiedener Vereinigungen und Unternehmen hielt:186 „Nous vous remercions sincèrement de votre visite. La Commission est venue pour faire une enquête absolument impartiale sur la question de frontière; elle ne se laisse guider que par le désir de satisfaire au vrai bonheur du peuple. La Commission attend, de son côté, que vous lui facilitiez sa tâche. Elle veut que les désirs des différentes parties lui soient transmises en pleine liberté; elle attire votre attention sur les graves conséquences qu’aurait pour le pays la persécution éventuelle des personnes qui auraient fait un témoignage contraire aux vœux des autorités futures, quelles qu’elles soient. Nous espérons que vous ferez tout pour que le calme règne dans le peuple et que la jeunesse, qui n’a rien à faire avec la politique, s’abstienne de manifestations inutiles qui ne sont pas de nature à favoriser la tranquillité.“
Die wichtigsten Persönlichkeiten wurden in einer Sitzung der gesamten Kommission befragt. Andere Personen wurden gesondert durch einzelne Kommissionsmitglieder befragt. Durch diese Befragungen konnte die Untersuchungskommission wertvolle Beweismittel sammeln und sich so einen nahezu vollständigen Blick über die Stimmung in der Bevölkerung verschaffen.187 Ein solches Vorgehen erachtete die Untersuchungskommission schon deshalb als nötig, weil die türkische Regierung ihre Auffassung zu dem Grenzstreit vor allem auf die Notwendigkeit einer Konsultation der betroffenen Bevölkerung gegründet und auch die britische Regierung dies betont hatte. Daher sah sich die Kommission als verpflichtet an, ein
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möglichst breites und tiefgehendes Wissen über die Wünsche der Bevölkerung zu erwerben.188 Bei ihrer Arbeit bemerkte die Kommission, dass die Beantwortung der Frage, der sie nachgehen sollte, namentlich ob das Gebiet von Mossul dem Irak oder der Türkei zufallen solle, eine Reihe schwieriger Probleme aufwarf. Dieser Eindruck wurde noch durch die Gesprächspartner der Kommission verstärkt, als Fragen der Mandatsverwaltung oder hinsichtlich eines Vertrages zwischen Großbritannien und dem Irak, in dem die verschiedenen Punkte in dem Verhältnis beider Staaten geregelt worden waren, diskutiert wurden.189 Zu einer weiteren Verstärkung des gewonnenen Eindrucks der Kommission kam es, als sie ein Telegramm von dem Premierminister des Irak erhielt, in dem dieser gegen die Form einiger von der Kommission gestellter Fragen protestierte. In der Antwort der Untersuchungskommission stellte diese klar, dass sie das Recht habe, solche Fragen zu stellen und bestätigte ihre Pflicht, eine umfassende Untersuchung ohne Hindernisse durchzuführen, und zwar hinsichtlich aller Fragen, welche die Zukunft des Landes betreffen könnten.190 Die Kommissionsarbeit und ihre Untersuchungsmethoden führten unter der Bevölkerung von Mossul zu einer gewissen emotionalen Aufregung. Die Kommission führte dies vor allem darauf zurück, dass der Stand der politischen Bildung der Bevölkerung sehr niedrig sei und sie intensiver Propaganda ausgesetzt gewesen sei.191 Um die Kommissionsarbeit zu beschleunigen, die durch die verschiedenen Zwischenfälle ohnehin bereits in Verzug war, wurde zwischen den Mitgliedern der Kommission vereinbart, dass in entfernteren Teilen der umstrittenen Gebiete die Untersuchung gleichzeitig durch Unterausschüsse durchgeführt werden sollte. Dies wies für die Kommission keine weiteren Probleme auf, da sich bereits bei den vorbereitenden Arbeiten in Mossul gezeigt hatte, dass alle drei Kommissionsmitglieder in ihren Befragungsmethoden übereinstimmten. Zudem hatten die Mitglieder beobachtet, dass Zeugen sich bei einer Befragung durch die ganze Kommission unwohl fühlten und mehr Vertrauen gewannen, wenn die Befragung in der Atmosphäre eines privaten Gesprächs stattfand.192 Wenn die Kommission sich weiterhin jeweils in Gänze von Ort zu Ort bewegt hätte, wären ihre Mitglieder länger im Land geblieben, nicht zuletzt auch wegen der Schwierigkeiten hinsichtlich der schlechten Kommunikationsmittel und des Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten. Nach Einschätzung der Kommission hätte die Untersuchung in einem solchen Fall wesentlich länger gedauert. Außerdem wäre es der Kommission so wahrscheinlich nicht möglich gewesen, bestimmte Gebiete zu besuchen.193
188 189 190 191 192 193
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Hinsichtlich der Anwesenheit des britischen und des türkischen Assessors bei den Unterausschüssen stellte die Kommission fest, dass ihr die absolute Kompetenz über die Entscheidung zustehe, ob deren Anwesenheit benötigt würde oder nicht. Für die Praxis der weiteren Kommissionsarbeit sah die Kommission keine Probleme, da alles so eingerichtet wurde, dass die vier türkischen Sachverständigen nach ihrem Wissen über die unterschiedlichen Distrikte des umstrittenen Gebiets auf die Unterausschüsse aufgeteilt werden sollten. Die britische und die irakische Regierung hatten jeweils ohnehin Inspektoren und Beamte vor Ort.194 Als die entsprechende Entscheidung der Kommission an die Assessoren übermittelt wurde, erhielt die Kommission von dem britischen Assessor eine Note mit folgendem Inhalt überreicht:195 „Il résulte d’une conversation entre le président et l’assesseur britannique qu’une fraction de la Commission désire entreprendre, à partir de Dimanche prochain, un voyage dans le pays, étant accompagnée de représentantes des délégations britannique et turque. L’assesseur britannique croit comprendre que la destination de cette mission sera tenue secrète. L’assesseur britannique estime qu’un déplacement de la Commission (dont la présence occasionne nécessairement une vive effervescence politique) effectué avec la collaboration des représentant des deux parties, mais sans qu’un itinéraire et une méthode de procédure aient été préalablement fixés, pourrait avoir une répercussion grave sur l’ordre dans le pays. Les Gouvernements britannique et de l’Irak étant responsables de l’ordre dans le pays, l’assesseur britannique déclare que la question excède sa compétence et qu’il se voit, dès lors, dans l’obligation d’en référer au Haut Commissaire de l’Irak et d’attendre ses instructions.“
In einem persönlichen Gespräch zeigte der britische Assessor auf, dass er es für notwendig erachte, dass jeder Unterausschuss zum Zwecke der Sicherheit von einer Polizeistreife begleitet werde und daher das Ziel jedes Unterausschusses im Voraus bekannt sein müsse.196 Die Kommission widersprach diesem Ansinnen, da es jede Möglichkeit einer unparteiischen Untersuchung zunichtemache. Der britische Assessor sagte darauf, dass er es persönlich nicht verantworten könne, wenn die Unterausschüsse sich ohne ausreichenden Schutz zu ihren Zielen begeben würden. Er ersuchte die Kommission darum, keine Entscheidung zu treffen, ohne vorher den britischen Hohen Kommissar konsultiert zu haben, dessen Eintreffen für den nächsten Tag erwartet wurde.197 Am 8. Februar 1925 traf der Hohe Kommissar dann in Mossul ein. Es fand ein Treffen zwischen ihm und den Mitgliedern der Untersuchungskommission sowie ihren Sekretären statt. Auf ein Ersuchen des Hohen Kommissars hin nahmen auch der britische und der türkische Assessor an dem Treffen teil.198 Der Hohe Kommissar erklärte zunächst, dass er gekommen sei, um die Schwierigkeiten, welche sich durch 194 195 196 197 198
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die Untersuchungsmethoden der Kommission ergeben hätten, zu mildern. Er hoffe, dass die Pflichten der Assessoren und Sachverständigen klar definiert seien. Außerdem fragte er, ob die Sachverständigen der Kommission nur als Übersetzer dienen würden.199 Der Kommissionsvorsitzende antwortete hierauf, dass es die Pflicht der Assessoren sei, der Kommission zur Verfügung zu stehen und der Kommission alle Informationen zu geben, die sie benötige. Die Sachverständigen würden die Assessoren unterstützen. Die Kommission sei jedoch befugt, die Sachverständigen direkt einzusetzen, denn sie habe die Kompetenz, jedes Mittel zur Informationsbeschaffung zu benutzen. Es gebe keinen Grund, warum die Untersuchungskommission die Sachverständigen nicht als Übersetzer einsetzen sollte; aber dies wäre keinesfalls die primäre Pflicht der Sachverständigen.200 Als nächstes wandte sich der Hohe Kommissar der Frage des Schutzes des türkischen Assessors und seines Gefolges zu. Der Hohe Kommissar erklärte hierzu, dass nach den Informationen, die er erhalten habe, die pro-türkische Partei für General Jevad Pasha eine bewaffnete Eskorte bereitstellen wolle, die den Assessor überall hinbegleiten solle. Es sei dann natürlich die Aufgabe der Polizei, diese Eskorte zu verhaften. Dies könne zu Aufruhr und Unordnung führen.201 Der Vorsitzende der Kommission sowie die Kommissionsmitglieder wiesen darauf hin, dass die Polizei bisher keine Demonstrationen für den Irak aufgelöst habe und sie ihre Befugnisse daher nicht unparteiisch ausgeübt hätte. Vielmehr habe die Polizei den Eindruck erweckt, dass bestimmte Demonstrationen, die die Kommission beobachten konnte, toleriert und möglichweise sogar von der Polizei befördert worden seien. Das Kommissionsmitglied Teleki führte noch an, dass er nicht mehr getan habe, als gegen die Brutalitäten, die er beobachtet habe, zu protestieren, und dass daraus nicht geschlossen werden dürfe, dass er die Methoden der Polizei gutheißen würde.202 Weiterhin ging der Hohe Kommissar auf die Aufregung der Bevölkerung in Mossul ein und gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Kommission nicht von weiteren Demonstrationen belästigt würde. Der Kommissionsvorsitzende entgegnete, dass diese Demonstrationen bedauerlich seien, nicht weil sie die Kommission belästigten, sondern weil sie der Aufregung Vorschub leisten würden.203 Der Hohe Kommissar kam als nächstes darauf zu sprechen, dass die Kommission sicherlich realisiert habe, dass die Form, in welcher sie ihre Untersuchungen in Mossul durchgeführt habe, die Autorität der britischen und der irakischen Regierung in dem gesamten umstrittenen Gebiet sehr gefährde. In Bagdad eingegangene Berichte deuteten darauf hin, dass die Fragen, die die Kommission den meisten Zeugen gestellt hat, suggerieren würden, dass die Untersuchungskommission Beweise gegen diese beiden Regierungen suchen würde.204 Er gestand zu, dass das Land von einer der beiden Konfliktparteien besetzt war und dies der nämlichen 199 200 201 202 203 204
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Partei eine stärkere Position gebe als der anderen Partei. Konsequenterweise müsste die Kommission alle möglichen Mittel einsetzen, um den wahren Willen des Volkes zu erforschen.205 Der Hohe Kommissar schlug hierzu vor, dass die Kommission enger mit den Assessoren zusammenarbeiten müsse und dass die öffentliche Meinung über die örtlichen Behörden erkundet werden könne.206 Der Kommissionsvorsitzende entgegnete, dass die Kommission bereit sei, die Vorschläge von beiden Parteien zu erwägen, aber die Untersuchung von der Kommission in gänzlicher Freiheit durchgeführt würde, so wie es ihre Pflicht sei. In jedem Fall würde das Verfahren, nach dem die Kommission gearbeitet habe, in ihrem Bericht an den Rat des Völkerbundes beschrieben. Der Vorsitzende fügte hinzu, dass die Arbeit der Kommission zu einem gewissen Grade von nicht gerechtfertigten Aktionen der Polizei aufgehalten worden sei; diese Aktionen hätten sich dabei nicht nur gegen Zeugen gerichtet, sondern auch gegen die Kommission selbst.207 Der Hohe Kommissar wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es schwierig sei, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, und stellte fest, dass es die Pflicht der Regierung sei, die bestehenden Gesetze in den Gebieten, die unter der Verwaltung der betreffenden Regierung stünden, durchzusetzen.208 Das Kommissionsmitglied Teleki erklärte hierzu, dass die irakischen Gesetze in einem umstrittenen Gebiet nur insoweit durchgesetzt werden könnten, wie diese Gesetze die Verwaltung des Gebietes und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betreffen würden. Soweit die Souveränität über das Gebiet betroffen sei, wären die Gesetze nicht anwendbar.209 Der Hohe Kommissar bedauerte jede überzogene Gewaltanwendung durch die irakische Polizei. Diese befinde sich noch im Aufbauprozess.210 Als nächstes wollte der Hohe Kommissar noch eine weitere Frage diskutieren, die nach seiner Ansicht von solcher Wichtigkeit, aber auch so delikat sei, dass er zögere, sie anzusprechen. Allerdings denke er, dass es sehr wohl möglich sei, dass das durch die Frage aufgeworfene Problem zu einem Protest seiner Regierung führen könne, sobald der Abschlussbericht der Untersuchungskommission im Rat des Völkerbundes diskutiert werde. Er könne sich vorstellen, dass die britische Regierung die Entscheidung der Kommission, unterschiedliche Untersuchungen in verschiedenen Teilen des Vilâyets Mossul durchzuführen, nicht gutheiße.211 Die Staatsangehörigkeiten der Mitglieder der Untersuchungskommission würden es nahelegen, dass der Rat des Völkerbundes bei der Auswahl der Mitglieder ein Gleichgewicht habe schaffen wollen.212 Der Hohe Kommissar fürchtete insoweit, dass bei seiner Regierung und der Bevölkerung in England der Eindruck entstehen könnte, dass die Nationalitäten der Kommissions205 206 207 208 209 210 211 212
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mitglieder und die Befindlichkeiten, die diesen Nationalitäten entgegengebracht werden könnten, nicht ohne Einfluss auf die jeweiligen Schlussfolgerungen sein würden.213 Der Vorsitzende der Kommission, der für sich selbst und die anderen Mitglieder sprach, brachte die Unangemessenheit dieser Anmerkung des Hohen Kommissars zum Ausdruck. Es handele sich um eine Angelegenheit des Vertrauens. Die Mitglieder der Untersuchungskommission seien einstimmig vom Rat des Völkerbundes bestimmt worden und man habe der Kommission gänzliche Freiheit bei der Wahl der von ihr angewendeten Verfahren gelassen. Auch wenn es Kritik durch die betroffenen Staaten im Rat des Völkerbundes zur Zeit der Entscheidung über die Einsetzung der Kommission gegeben haben könne, so sei das Vorbringen derartiger Kritik zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens deplatziert. Wenn man sich wieder an diese Frage begeben würde, könnte dies schwerwiegende Folgen haben.214 Die Sitzung endete mit einer detaillierten Erklärung der Kommissionsmitglieder über die jeweiligen Programme ihrer Untersuchungen. Der Hohe Kommissar nahm diese Erklärung zur Kenntnis. Zudem versprach er, die Kommissionsmitglieder mit allen Mitteln zu unterstützen, die ihm zur Verfügung stünden.215 In der Folge wurde die Arbeit der Untersuchungskommission in Mossul vorübergehend ausgesetzt. Die Mitglieder der Kommission trennten sich, um in den vorbestimmten Gebieten in den zuvor gebildeten Unterausschüssen weitere Untersuchungen vorzunehmen. Es wurde vereinbart, dass sich die Kommission am 25. Februar 1925 in der Stadt Kirkuk wiedertreffen solle.216 Der Kommissionsvorsitzende verblieb mit dem türkischen und dem britischen Assessor in Mossul. Dieser Unterausschuss hatte die Aufgabe, die Untersuchungen in der näheren Umgebung der Stadt zu führen. Der Unterausschuss besuchte die Dörfer bis hin nach Sinjar, Tel Afar, Karaquosh und Aqra. Dort traf der Unterausschuss mit Persönlichkeiten aus der Region zusammen.217 Zudem befragte der Unterausschuss die Anführer der arabischen Stämme, die westlich des Flusses Tigris siedelten. Hierbei war der Anführer des Stammes der Sharmar besonders bedeutend.218 Der Unterausschuss von Graf Teleki wurde neben diesem noch von Nasim Bey, dem britischen politischen Beamten Lyons und dem Übersetzer der Kommission Kramers gebildet. Dieser Unterausschuss führte die Ermittlungen im Distrikt von Erbil durch, bis hin nach Sheiklawa und Makhmur. Es wurden die kurdischen Stämme der Dizdai, der Kushnawa, der Kora, der Girdi und der Sheik Bisani sowie der arabische Stamm der Thai und die Sarli-Dörfer besucht.219 213 214 215 216 217 218 219
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Der Unterausschuss um Oberst Paulis wurde von Sabi Bey, einem der irakischen Regierungssachverständigen und von Kiamil Bey, einem der türkischen Regierungssachverständigen, begleitet. Dieser Ausschuss führte die Untersuchungen im Distrikt von Kirkuk bis hin nach Shemshemal durch. Dabei kam der Ausschuss mit Vertretern verschiedener Stämme zusammen, darunter Vertreter der Obeid, der Jibur, der Talabani, der Dauda, der Kakai, der Amawand, der Bashawand, der Seferawand, der Sirkhasaa und der Shuah.220 Eine Sektion löste sich aus dem Unterausschuss und reiste durch den Jebel Hamrin. Diese Sektion besuchte kurdische Stämme, namentlich die Jaf, die Zengana, die Delo, die Talabani sowie den arabischen Stamm der Kerawi sowie die Bayat.221 Auch die Untersuchungskommission als Ganzes befragte Repräsentanten verschiedener Stämme. Befragungen wurden mit Vertretern der Miryusifi, der Abass, der Surkhis, der Herki, der Khelani, der Aku und der Destidian durchgeführt.222 Für die Kommission stellten sich die Untersuchungen in den Dörfern und ländlichen Gebieten sowie die Untersuchungen der nomadisch lebenden Stämme als noch problematischer heraus als die Untersuchungen in den Städten. Dies rührte daher, dass die entsprechende Bevölkerung nach Auffassung der Kommission weniger politische Erfahrungen hatte; außerdem wurde das zivilisatorische Niveau als niedrig beschrieben. Der Kommission fiel zudem auf, dass die Dorf- und Landbewohner nur geringes oder gar kein Wissen über die Frage besaßen, welche die Kommission zu untersuchen hatte.223 Die Methode der Untersuchung, die die Kommission anwandte, gestaltete sich wie folgt: Zunächst wurde den Personen, die gekommen waren, um mit der Kommission zusammenzutreffen, die Aufgabe der Kommission in sehr einfacher Sprache erklärt. Nachdem sich die begleitenden Assessoren zurückgezogen hatten, wurden sodann Fragen gestellt.224 Die Erklärung der Situation, der der Untersuchung zugrunde lag, war nicht bei allen Personen gleich, sondern wurde mit Blick auf den Status, die Fähigkeiten und die Bildung der befragten Person angepasst. Die Kommission gelangte zu der Auffassung, dass das Vertrauen in die beschriebene Untersuchungsmethode mit fortschreitender Dauer der Untersuchung wuchs.225 Die Mitglieder der Untersuchungskommission sowie die Assessoren trafen, wie zuvor vereinbart, wieder in Kirkuk zusammen und begaben sich dann nach Sulaimanya, um die Untersuchung dort fortzusetzen.226 Auf dem Weg von Sulaimanya zurück nach Mossul kehrte die Kommission nochmals nach Kirkuk, nach Keupri und 220 221 222 223 224 225 226
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12.
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nach Erbil zurück, um dort die Untersuchungen zu beenden, die von einigen Kommissionsmitgliedern bei früheren Besuchen dort begonnen worden waren.227 Am 8. März 1925 kehrte die Kommission dann nach Mossul zurück. Hier begann der zweite Teil der Untersuchung. Die Mitglieder der Kommission nahmen hier mit Zufriedenstellung zur Kenntnis, dass sämtliche Hinweise auf eine Überwachung durch die Polizei verschwunden waren. Die türkische Delegation konnte sich frei durch die Stadt bewegen und Besuche abstatten sowie Besucher empfangen. Und auch wenn hiervon nicht zwingend Gebrauch gemacht wurde, so musste doch konzediert werden, dass die lokalen Behörden kein Hindernis für die Durchführung des zweiten Teils der Untersuchung darstellten.228 Die Kommission hielt in ihrem Abschlussbericht fest, dass die von den britischen Behörden zur Verfügung gestellten Listen von Personen alle wichtigen Persönlichkeiten an den verschiedenen Orten verzeichneten, unabhängig von deren politischen Einstellungen. Die Untersuchungskommission hob dabei hervor, dass dies auch für diejenigen Personen galt, die klar pro-türkisch positioniert waren. Während des zweiten Teils der Untersuchung befragte die Kommission unter anderem Religionsgelehrte in Moscheen, unterschiedslos sowohl in armen wie in reichen Stadtteilen von Mossul, Hauseigentümer, Eigentümer von Ländereien, Wähler des zweiten Grades, die in alten türkischen Listen verzeichnet waren, sowie alle Personen, die während der letzten zwanzig Jahre Mitglied des Stadtrates von Mossul gewesen waren.229 Nachdem die Kommission zu dem Schluss gelangt war, dass die Untersuchung in Mossul beendet werden könne, verließ sie die Stadt in Richtung Zakho. Dabei kam sie auch durch die von Christen bevölkerten Dörfer im Al-Qosch-Distrikt und die jesidischen Dörfer in der Region von Ba-Edra.230 Nachdem die Kommission in Zakho angekommen war, traf sie dort mit Anführern und Persönlichkeiten aus den Distrikten, die nördlich und südlich der (vom Rat des Völkerbundes auf einer Sitzung im Oktober 1924 in Brüssel bestimmten) provisorischen Grenzlinie (sog. Brüssel-Linie) zwischen dem Irak und der Türkei gelegen waren, zusammen.231 Zu diesen gehörten insbesondere auch die Christen in den Dörfern in den Gebieten der kurdischen Stämme der Goyan und der Jindi.232
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League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. 229 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. 230 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. 231 Diese Linie wurde von einem Ausschuss des Völkerbundrates ausgearbeitet, welchem Schweden als Berichterstatter sowie Spanien und Uruguay angehörten. Die Linie verlief leicht südlich der nördlichen Grenze des Vilâyets von Mossul und definierte den bestehenden militärischen status quo; vgl. Quincy Wright, American Journal of International Law 20 (1926), S. 453 (453). 232 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. 228
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Im weiteren Verlauf der Untersuchung begab sich die Kommission von Zakho nach Dohuk. Als die Kommission dort angekommen war, fand sie die lokale Bevölkerung in heller Aufregung vor. Die Zeugen versammelten sich in den Räumlichkeiten, die die Kommission in Zakho bezogen hatte und die sich außerhalb der Stadt befanden. Vor den Räumlichkeiten versammelte sich eine große Menschenmenge. Anlass war ein Gerücht, wonach die Befugnisse der Regierung auf die Untersuchungskommission übertragen worden seien. Die Lage konnte jedoch durch entschlossenes Vorgehen und Erklärungen von lokalen Regierungsangehörigen beruhigt werden. Auch in Dohuk und Zakho ging die Kommission so vor, dass sie Personen aus der Stadt und den umliegenden Gebieten befragte.233 Zudem befragte die Kommission in Dohuk noch Persönlichkeiten und Delegierte aus Amadia und den nördlichen Teilen des umstrittenen Gebiets, die in der Stadt versammelt worden waren, um Zeit zu sparen.234 Hinsichtlich ihrer Untersuchungsmethoden hob die Kommission in ihrem Abschlussbericht noch hervor, dass die von ihr gestellten Fragen nicht auf die Ansichten und Sichtweisen der Bevölkerung zur politischen Souveränität über das MossulTerritorium beschränkt waren. Die Untersuchung stelle zugleich eine psychologische Studie über die Bevölkerung in dem Gebiet dar.235 Die Kommission fragte auch nach Problemen im Bereich der Wirtschaft und des Handels. Hierzu habe die Kommission Besuche in Warenhäusern, auf Basaren und Märkten in verschiedenen Orten, vor allem in Mossul, unternommen. Im Rahmen der Reise der Kommission wurden zudem ethnologische, geographische und geologische Beobachtungen gemacht. Außerdem wurden Daten zu Kommunikationsmitteln sowie zur Landwirtschaft erhoben.236 Während der Untersuchung unternahm die Kommission mehrere Flüge, um sich einen Überblick über die lokalen Wüstengebiete und deren Bewohnbarkeit zu verschaffen. Bei dem ersten Flug wurde das gesamte Sindshargebierge überfolgen. Die anderen drei Flüge erfassten das Gebiet von Zakho nach Rowanduz in der nördlichen Grenzregion. Zweimal überflog die Kommission zudem den Jebel Hamrin.237 Die Kommission kehrte am 18. März 1925 nach Mossul zurück und nahm sich einige Tage Zeit, um die gesammelten Informationen zu ordnen. Als die Untersuchung für abgeschlossen angesehen wurde, verließ die Kommission Mossul über die Handelsroute durch Deir-es-Zor und Damaskus.238 Am 20. April 1925 versammelten sich die Kommissionsmitglieder in Genf, um den Bericht für den Rat des Völkerbundes zu erstellen.239 Während der Untersuchung hatte die Kommission auch Ex233 234 235 236 237 238 239
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 12 f. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 13. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 13. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 13. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 13.
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pertisen bei verschiedenen Professoren und Dozenten sowie Museumsmitarbeitern aus Deutschland, Frankreich, Ungarn, Österreich, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie bei Sheik Mohamed Abdel Rassul in Kairo eingeholt.240 4. Ergebnisse der Untersuchung a) Die Untersuchungskommission legte am 16. Juli 1925 einen umfangreichen Bericht241 mit ihren Ergebnissen vor.242 Dieser umfasste 90 Seiten und war in drei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil243 berichtete die Kommission über die Durchführung der Untersuchung. Der zweite Berichtsteil war einer Erörterung der verschiedenen Verfahrensweisen zur Lösung des Mossul-Konflikts, die von türkischer beziehungsweise britischer Seite vorgeschlagen worden waren, gewidmet.244 Der eigentliche Hauptteil des Berichts war dessen dritter Teil245. Hierin erörterte die Kommission die verschiedenen Problemlagen in Bezug auf das umstrittene Gebiet. Diese umfassten geographische, ethnische, historische, wirtschaftliche, strategische und politische Aspekte. Am Ende dieses Teils stellte die Kommission ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen vor. b) Die Schlussfolgerungen der Kommission waren in verschiedene Sachkategorien eingeteilt. Die erste dieser Kategorien behandelte geographische Aspekte. Hierbei ging die Kommission auf die von der britischen und der türkischen Seite jeweils beanspruchten Grenzlinien ein. Die von der britischen Seite beanspruchte Grenzlinie sei eine sehr gute Linie.246 Nach Süden hin würden die aufeinanderfolgenden Bergketten als Grenzlinie genutzt werden können. Die sog. Brüssel-Linie sei hierfür genauso geeignet wie der Grenzvorschlag der britischen Regierung. Der Höhenzug nach Süden von Zakho, Amadia und Neri aus habe Vorzüge. Alle folgenden Bergkämme könnten als Grenze genutzt werden. Der letzte der Höhenzüge, der als Grenze genutzt werden könne, sei die Hügelkette, die sich von Westen nach Osten ziehe, mit Dohuk im Norden sowie Al Qosh und Aqra im Süden. Allerdings habe diese Linie den Nachteil, dass sie zwischen vielen Straßen verlaufe und das von Hügeln geprägte Gebiet von der Ebene scheide.247 Die Grenze, die von der türkischen Regierung vorgeschlagen wurde, wurde von der Untersuchungskommission dagegen 240
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 13. Question of the frontier between Turkey and Iraq: Report submitted to the Council by the Commission instituted by the Council Resolution of September 30th, 1924, League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925. 242 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. 243 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 5 ff. 244 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 14 ff. 245 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 20 ff. 246 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. 247 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. 241
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nur in ihrem westlichen Teil als gut bewertet, soweit sie durch die Wüste verlaufe. Allerdings sei die Grenzlinie im östlichen Teil nicht so gut. Die Linie könne in der Wüste überall bis zu 50 Kilometer südlich von Mossul gezogen werden, wo das kultivierte Land beginne, das die Stadt umgebe.248 Innerhalb des Gebietes könnten die dortigen drei Flüsse (der Tigris, der Große Zab und der Untere Zab) als geographische Linien für die Delimitation genutzt werden.249 Hinsichtlich der regionalen Geografie sei es ein Gebiet im Übergang. Das Gebiet würde zum einen zwischen den kurdischen Bergen und der arabischen Ebene sowie zwischen der westlichen Zone (Syrien und Armenien) und der östlichen Zone (Irak und Luristan) liegen. Der nördliche Teil des Gebiets, von dem Mossul das Zentrum sei, habe Verbindungen in die Regionen von Nisibin, Mardin, Diyarbakır und Urfa. Der südliche Teil zum anderen sei mehr mit dem Irak und Luristan in Persien verbunden. Die Trennlinie zwischen den beiden Gebieten würde zwischen Kirkuk und Erbil verlaufen. Die beste Linie in dem Zusammenhang sei wahrscheinlich die Linie des Unteren Zab.250 Der nächste Aspekt, den die Kommission in ihren Schlussfolgerungen beleuchtete, betraf die Ethnien, die das umstrittene Gebiet bewohnten. Das Gebiet sei von Kurden, Arabern, Christen, Türken, Jesiden und Juden bevölkert.251 Die Statistiken und die Landkarten, die zu dieser Thematik von den beiden Hohen Parteien vorgelegt wurden, seien nicht sehr genau gewesen. Die aktuellste Statistik, die von den Behörden des Irak erhoben worden sei, sei zweifellos die beste. Allerdings müsse auch diese Statistik mit dem gebotenen Abstand betrachtet werden.252 Die Kurden würden den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Sie seien weder Türken noch Araber und würden eine arische (im modernen sprachwissenschaftlichen Gebrauch: indoiranische) Sprache sprechen. Die Türken in dem Gebiet würden offensichtlich dem Volk zugehörig sein, welches die Hauptethnie auf dem Gebiet der Republik Türkei ausmache. Die Jesiden seien keine Muslime. Es würde sich offensichtlich um Kurden handeln, aber durch ihre Religion und ihre Isolation würden sie ein eigenes Volk darstellen. Die Christen seien in ihrer Mehrzahl Nestorianer und Chaldäer.253 Lediglich die Kurden und die Araber bewohnten größere und zusammenhängende Siedlungsgebiete. Daher könne auch nur zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen eine ethnische Trennlinie gezogen werden. Diese Linie folge dem Tigris bis in sein fruchtbares und dicht bevölkertes Hinterland. Weiterhin würde die Linie südlich des Unteren Zab entlang der Hauptstraße von Kirkuk nach Kifri verlaufen. Allerdings kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass diese Linie aus ökonomi-
248 249 250 251 252 253
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86.
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schen und sozialen Gesichtspunkten nicht als Grenze zu empfehlen sei.254 Die Kommission bemerkte, dass weder die politischen Grenzen des umstrittenen Gebiets mit Syrien und Persien noch die existierenden Grenzen noch die Grenzen, die jeweils von der Türkei und dem Irak beansprucht würden, ethnische Grenzen seien.255 Die von Türken bewohnten Städte würden im Süden des umstrittenen Gebiets liegen, also in Richtung des Irak. Mossul hingegen, das von der Kommission als arabische Stadt gekennzeichnet wurde, sei im Zentrum des nördlichen Teils des Gebiets belegen.256 Die einzige Kommunikationsader zwischen der Stadt Mossul und den von Arabern bewohnten Gebieten würde durch eine Gegend verlaufen, die von der kurdischen Mehrheit bevölkert sei.257 Die Christen seien über das Gebiet verstreut, aber deren große Mehrheit lebe nördlich von Mossul.258 Von den insgesamt geschätzten 3.000.000 Kurden würden etwa 1.500.000 in der Türkei leben, 700.000 in Persien und 500.000 in dem umstrittenen Gebiet. Es gebe noch einige Kurden in Syrien, aber die Zahl der Kurden im Irak sei unbedeutend. Die Kurden in dem umstrittenen Gebiet, die am Nordufer des Große Zab lebten, seien durch den von ihnen gesprochenen Dialekt, durch ethnische Verbundenheit sowie durch persönliche und wirtschaftliche Beziehungen mit den Kurden in den Vilâyets von Hakkâri und Mardin in der Türkei verbunden. Diejenigen Kurden, die südlich des Unteren Zab lebten, seien stärker mit den Kurden in Persien verbunden.259 Insgesamt seien die ethnischen Verhältnisse in dem umstrittenen Gebiet jedenfalls zu ungeordnet, als dass ausschließlich ethnische Überlegungen für die Bestimmung der Grenzlinie herangezogen werden könnten.260 Hinsichtlich der historischen Aspekte des Grenzstreits führte die Untersuchungskommission zunächst aus, dass es fraglos so sei, dass das umstrittene Gebiet für Jahrhunderte der türkischen Kontrolle unterstanden habe. Die Regierung über das Gebiet sei durch die Pashas von Bagdad ausgeübt worden.261 Da das umstrittene Gebiet für Jahrhunderte derselben Herrschaft unterstanden und fast die gleiche Geschichte wie Bagdad habe, würde das historische Argument es nahelegen, dass eine historische Einheit auseinandergerissen würde. Allerdings wies die Kommission auch darauf hin, dass Mardin, Jezireh und Diyarbakır, obwohl sie ebenfalls die Geschichte von Bagdad teilen würden, jetzt auf türkischem Territorium liegen würden.262 Die Kommission schloss diese Schlussfolgerungen mit der Bemerkung, dass jede Grenze, gleich ob sie von der türkischen oder der britischen Regierung 254 255 256 257 258 259 260 261 262
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 86 f. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87.
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vorgeschlagen würde, geeignet sei, historisch gewachsene Verbindungen zu zerschlagen.263 Bei ihren wirtschaftlichen Überlegungen gelangte die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass ökonomische Argumente für eine Union des umstrittenen Gebietes mit dem Irak streiten würden. Der gebirgige Distrikt nördlich der BrüsselLinie könne in diesem Sinne ohne Probleme abgetrennt werden.264 Die Kommission machte dann drei Vorschläge beziehungsweise Bemerkungen hinsichtlich möglicher Grenzziehungen, die wirtschaftlich – aus Kommissionssicht – wenigstens einen gewissen Sinn ergeben würden: (1) Wenn es aus anderen als wirtschaftlichen Gründen wünschenswert sei, das umstrittene Gebiets zu teilen, sei keine dieser Möglichkeiten aus ökonomischer Sicht so erstrebenswert, dass sie es rechtfertige, die Einheit des Gebiets nicht zu erhalten.265 Die Qazas von Zakho, Amadia und möglicherweise auch Dohuk könnten von Mossul abgetrennt werden. Diese Gebiete seien dann in einer ähnlichen Situation wie Jezireh, welches früher auch zum Hinterland von Mossul gehört habe.266 (2) Man könne zudem eine Grenze erwägen, die nördlich des Unteren Zab verlaufe, dann die Nahias von Koi, Taq-Taq und Rania im Irak belasse, weiter westlich an einer Linie verlaufe, die 50 Kilometer von Mossul liege und dann nach Süden abknicke, an den Dörfern und kultivierten Ländereien von Sindschar vorbei. Tatsächlich sei Mossul als große Stadt und allgemeines Handelszentrum für die Produkte aus der nördlichen Region viel unabhängiger von Bagdad als die südlichen Gebietsteile, für die Bagdad das allgemeine Handelszentrum sei.267 (3) Sollte das Gebiet an einer noch südlicheren Linie geteilt werden, wäre es nichtsdestotrotz erstrebenswert, wenn der Mittellauf des Diyala im Irak bleiben könne, da dieser Wasserlauf für eine Lösung der Bewässerungsfrage dieses Staates unverzichtbar sei. Am Jebel Hamrin beginnend, könne die Grenze am Fluss Aqsù entlang bis zu dessen Kreuzung mit dem 35. Breitengrad gezogen werden, in der Folge müsse dann die Grenze auf dem kürzesten Weg zur Grenze von Persien verlaufen.268 Als nächstes wandte sich die Kommission strategischen Überlegungen zu. Die von der britischen Regierung vorgeschlagene Grenze sei aus strategischer Sicht herausragend.269 Die Brüssel-Linie habe die gleichen Vorzüge.270 Auch alle anderen vorgeschlagenen Grenzlinien, die parallel zu den Bergrücken in dem Gebiet verlaufen würden, könnten als strategische Grenzen gesehen werden. Deren strategischer Wert würde aber abnehmen, wenn die Grenzlinien weiter nach Süden verlie263 264 265 266 267 268 269 270
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87.
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fen.271 Die von der türkischen Regierung vorgeschlagene Grenze sei gut, soweit es den westlichen Teil betreffe, aber schlecht hinsichtlich des östlichen Teils.272 Die Flüsse in dem Gebiet würden keine ernstzunehmenden Hindernisse darstellen. Daher würde eine Grenze, die entlang dieser Flüsse gezogen würde, als strategische Grenze ungeeignet sein.273 Unter den politischen Schlussfolgerungen der Kommission fanden sich verschiedene Überlegungen zu dem umstrittenen Territorium. Die Untersuchungskommission stellte aus völkerrechtlicher Sicht fest, dass das Gebiet einen integralen Teil der Türkei darstelle, bis dieser Staat seine Rechte an dem Gebiet aufgebe.274 Der Irak hingegen könne weder das Recht der Eroberung noch eine andere rechtliche Grundlage für einen juristischen Anspruch auf das Gebiet anführen. Dieser Staat könne nur das moralische Argument anbringen, dass die Grenzen des neugegründeten Staats Irak so beschaffen sein müssten, dass sie eine normale Entwicklung dieses Staates erlauben würden.275 Die Kommission fühlte sich nicht befähigt, zu entscheiden, wie diese rechtlichen Erwägungen gewichtet werden sollten; dies müsse dem Rat des Völkerbundes überlassen bleiben. Daher bezog die Kommission für ihre abschließenden Schlussfolgerungen die völkerrechtliche Situation des umstrittenen Gebiets bewusst nicht ein.276 Ein weiterer Punkt der politischen Schlussfolgerungen bezog sich auf die innere politische Situation des Königreichs Irak. Im Vergleich mit der Vorkriegssituation habe die irakische Regierung mit britischer Unterstützung erhebliche Fortschritte verzeichnen können. Dies betreffe vor allem die Gebiete der inneren Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit und das Bildungssystem. Dies könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die internen Bedingungen im Irak noch sehr instabil seien. Trotz der guten Intentionen der irakischen Politiker, deren politische Erfahrungen notwendigerweise begrenzt seien, müsse befürchtet werden, dass Schwierigkeiten entstehen würden, die ihre Grundlage in verschiedenen politischen Überzeugungen hätten. Diese würden sich zwischen den Schiiten im Süden des Landes und den Sunniten im Norden Bahn brechen. Auch bestünden ethnisch begründete Probleme zwischen den Kurden und den Arabern, und die Notwendigkeit, die unruhigen Stämme unter Kontrolle zu halten, würde Schwierigkeiten mit sich bringen. All diese Probleme könnten sich tödlich auf die Existenz des Staates auswirken, wenn dieser ohne Unterstützung und Führung gelassen würde. Zum Besten der Entwicklung und des Wohlstandes des Irak solle dieser für etwa weitere 25 Jahre ein Mandatsgebiet des Völkerbundes bleiben.277 Hinsichtlich der Wünsche der Bevölkerung stellte die Kommission fest, dass diese mehr 271 272 273 274 275 276 277
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 87. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88.
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in Richtung des Irak als in Richtung der Türkei tendierten. Dabei müsse aber bedacht werden, dass diese Einstellung eher dem Wunsch nach effektiver Unterstützung unter dem Mandat des Völkerbundes sowie wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet sei als der Solidarität mit dem arabischen Königreich. Wenn diese beiden Gesichtspunkte keine Rolle spielen würden, so würde die Mehrheit vermutlich mehr der Türkei als dem Irak zuneigen.278 Eine weitere Schlussfolgerung betraf die sog. Assyrische Frage. Bei den Assyrern handelte es sich um Mitglieder der christlichen Assyrischen Kirche des Ostens, die in dem Vilâyet Hakkâri in Südostanatolien im Osmanischen Reich lebten. Nachdem ihr religiöser Anführer, Katholikos-Patriarch Shimun XXI., während des Ersten Weltkriegs ein Bündnis mit dem osmanischen Kriegsgegner Russland eingegangen war, nahm die bereits vorher bestehende Verfolgung und Repression gegen die Assyrer zu. Viele Assyrer fielen in dieser Zeit Massakern durch osmanische Truppen und verschiedene Milizen zum Opfer. Viele Assyrer mussten aus dem Gebiet von Hakkâri fliehen und gingen schließlich auf das Territorium des Irak. Dort wurden sie bei Neuansiedlungsbemühungen von der britischen Mandatsmacht unterstützt. Die Untersuchungskommission stellte insoweit fest, dass die Frage nach der Heimat der Assyrer von der britischen Regierung erst auf der Konferenz von Konstantinopel im Mai 1924 in den Gebietsstreit eingebracht worden sei. In früheren Verhandlungen oder im Vertrag von Lausanne sei die Assyrische Frage nicht erwähnt worden. Gleichwohl sei sie das Hauptargument der britischen Regierung für eine Grenze, die Teile des Vilâyets Hakkâri der Türkei zuschlage. Aufgrund des späten Vorbringens des britischen Arguments hielt die Untersuchungskommission dieses jedoch für nicht gerechtfertigt.279 In der letzten politischen Schlussfolgerung befasste sich die Untersuchungskommission noch mit den Beziehungen zwischen dem Irak und der Türkei. Hierzu erklärte die Kommission, dass, wie auch immer die Lösung des Konflikts aussehe, die schließlich beschlossen würde, diese Lösung für einen anhaltenden Frieden in dem betreffenden Teil Asiens sorgen müsse. Die Kommission sah sich aber nicht als berufen an, den Wert dieses Arguments zu bestimmen und auch nicht das Gewicht, dass diesem Argument im Vergleich mit den anderen aufgeführten Faktoren zukomme. Daher war die Untersuchungskommission der Auffassung, dass diese Bestimmungen dem Rat des Völkerbundes überlassen bleiben müssten.280 Falls der Rat diese politischen Überlegungen einbeziehe und entscheide, das umstrittene Gebiet zwischen der Türkei und dem Irak aufzuteilen, würden hieraus keine politischen Schwierigkeiten entstehen.281 In ihren abschließenden Schlussfolgerungen bemerkte die Untersuchungskommission zunächst, dass, wenn man die Frage nur vom Standpunkt der Interessen der betroffenen Bevölkerung aus betrachte, es von einigem Vorteil sei, wenn das um278 279 280 281
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88.
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strittene Gebiet nicht aufgeteilt würde.282 Auf der Grundlage dieser Überlegung sei die Kommission, die jeder der von ihr gefundenen Tatsachen einen relativen Wert zugemessen habe, der Auffassung, dass wichtige Argumente, besonders solche wirtschaftlicher und geographischer Natur, und die Befindlichkeiten der Mehrheit der Gebietsbevölkerung als Ganzes gesehen, für eine Union des Gebiets südlich der Brüssel-Linie mit dem Irak sprechen würden. Dies sei allerdings von zwei Bedingungen abhängig zu machen:283 (1) Das Gebiet müsse für etwa 25 Jahre unter dem effektiven Mandat des Völkerbundes verbleiben. (2) Es müssten die Wünsche der kurdischen Bevölkerung beachtet werden. Hierzu gehöre die Forderung, dass kurdischstämmige Beamte für die Verwaltung ihres Gebiets sowie in der Gerichtsbarkeit und im Schulunterricht eingesetzt würden. Außerdem solle die kurdische Sprache die offizielle Sprache in all diesen Bereichen sein.284 Weiterhin war die Untersuchungskommission der Überzeugung, dass, falls die Kontrolle durch den Völkerbund nach dem Auslaufen der vierjährigen Laufzeit des britisch-irakischen Vertrages ende und nicht verschiedene Garantien hinsichtlich der lokalen Verwaltung an die Kurden gegeben würden, die Mehrheit der Bevölkerung die türkische der arabischen Herrschaft vorziehen würde.285 Die Kommission gab zudem ihrer Überzeugung Ausdruck, dass in diesem Fall die Vorteile einer Union des umstrittenen Territoriums mit dem Irak gegen sehr viel schwerwiegendere politische Probleme eingetauscht würden. Daher sei es in einem solchen Fall besser, wenn das umstrittene Gebiet weiterhin der Souveränität der Türkei unterstehen würde, deren innen- und außenpolitische Lage weitaus stabiler sei als die Lage des Irak. Zudem bemerkte die Untersuchungskommission, dass, wie auch immer eine Lösung aussehen würde, die Region von Diala beim Irak verbleiben müsse, da diese Region entscheidend für die Lösung der irakischen Bewässerungsprobleme sei.286 Die Kommission fühle sich verpflichtet, die Würdigung der juristischen und anderen politischen Argumente, die die Kommission in ihrem Bericht aufgeführt habe, dem Rat des Völkerbundes zu überlassen. Dieser solle diesen Argumenten relatives Gewicht im Vergleich zu den anderen Argumenten einräumen. Sollte der Rat des Völkerbundes zu dem Ergebnis gelangen, dass das umstrittene Territorium geteilt werden solle, würde die Kommission vorschlagen, dass die beste Grenzlinie etwa dem Unteren Zab folgen müsse.287 c) Zum Abschluss ihres Berichts sprach die Kommission noch einige Sonderempfehlungen aus.288 Die Kommission bemerkte hierzu, dass sie ihren Bericht nicht beenden könne, ohne dass sie die Aufmerksamkeit des Rates des Völkerbundes noch 282 283 284 285 286 287 288
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 88 f. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89.
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auf drei Fragen lenke. Zwar sei dies möglicherweise nicht Teil des erteilten Untersuchungsauftrages, jedoch seien diese Fragen von höchster Wichtigkeit für die Befriedung des Landes und für das Wohlergehen seiner Bevölkerung.289 Die drei Fragen betrafen Maßnahmen zur Sicherung des inneren Friedens, den Schutz von Minderheiten, insbesondere nicht-muslimischen Minderheiten, sowie Maßnahmen im Bereich des Handels.290 Hinsichtlich der Maßnahmen zur inneren Friedenssicherung bemerkte die Kommission zunächst, dass seit dem Vertrag von Lausanne die Bevölkerung in dem umstrittenen Gebiet, die sehr leicht reizbar sei, sich im Zweifel über ihren zukünftigen Status befände. Die Leidenschaftlichkeit der Öffentlichkeit hätte daher zu einigen Gewalttätigkeiten geführt. Die Untersuchungen durch die Kommission hätten zudem dazu beigetragen, die Gemüter der Bevölkerung weiter zu erhitzen. Hierzu hätte zuvor schon die Propaganda beider Seiten ihren Beitrag geleistet.291 Daher hätten sich rivalisierende Fraktionen in dem ganzen umstrittenen Gebiet gebildet. Viele dieser Personen seien in den Augen des Staates, unter dessen Autorität sie künftig fallen würden, kompromittiert oder würden dies zumindest annehmen.292 Die Kommission glaube in diesem Zusammenhang aber, dass die Bevölkerung realisiert habe, dass die Kommission eine unparteiische Untersuchung unternommen und dass diese dabei nichts als das zukünftige Wohlergehen der Bevölkerung im Blick gehabt habe. Die Kommission ging daher davon aus, dass die Bevölkerung zu einem großen Teil eine wie auch immer geartete Entscheidung über das umstrittene Gebiet akzeptieren werde.293 Die Kommission gab auch zu bedenken, dass die Macht, welche zukünftig die Souveränität über das umstrittene Gebiet ausübe, darauf Acht geben müsse, durch ihre Beamten eine tolerante Einstellung zu zeigen. Außerdem seien die weitestmöglichen Amnestien für früher begangene Handlungen zu gewähren.294 Weiterhin sei es vorteilhaft, für diejenigen Personen, die kompromittiert seien oder sich so fühlten, einen Repräsentanten des Völkerbundes einzusetzen, der für einige Jahre in dem Land residieren solle. Aufgabe dieses Repräsentanten solle es sein, als Anlaufstelle für Personen mit Beschwerden und für Verfolgte zu dienen. Außerdem könne es einem solchen Repräsentanten möglicherweise gelingen, in vielen Streitigkeiten beschwichtigend zu agieren.295 Die Kommission brachte zudem zum Ausdruck, dass sie denke, dass Personen mit unversöhnlichen Standpunkten die Möglichkeit haben sollten, dass Territorium zu verlassen; hierzu solle diesen Personen jegliche Möglichkeit gewährt werden.296 Um Verwirrungen und vorschnelles 289 290 291 292 293 294 295 296
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89.
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Handeln zu vermeiden, welches später bedauert werden würde, sollte es vermieden werden, dass innerhalb der ersten sechs Monate nach einer Entscheidung über die Souveränität eine Erklärung abgegeben werden müsse, welchem Staat man sich zukünftig zugehörig fühle und in welchem man damit zukünftig leben wolle. Danach solle für einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit zur Entscheidung über die eigene Staatsangehörigkeit geschaffen werden, gefolgt von einem weiteren Jahr zur Regelung von Eigentumsangelegenheiten. Keine Person, die sich für die Staatsangehörigkeit eines Nachbarstaates entscheide, solle vor Ablauf dieser fünf Jahre ausgewiesen werden.297 Die Kommission erachtete es zudem für nötig, darauf hinzuweisen, dass eine derart lange Zeit notwendig sei, um die Interessen derjenigen Personen zu schützen, die eine Emigration wünschten. Diese Personen sollten nicht gezwungen werden, ihr Grundeigentum unter Zeitdruck zu verkaufen, wodurch sie notwendigerweise nur einen geringen Preis für dieses Eigentum erzielen könnten. Ein zu kurz bemessener Zeitraum würde die Tore zu Missbrauch jeder Art öffnen. Dies sei nicht zuletzt deshalb der Fall, weil missgünstige Nachbarn versucht sein könnten, das Eigentum zu unangemessenen Konditionen zu erhalten.298 Der Völkerbund könne in diesem Zusammenhang darauf Acht geben, dass Personen, die zu emigrieren wünschten, angemessen behandelt werden. Zudem könne der Völkerbund in Fällen von Streitigkeiten als Schiedsrichter auftreten.299 Hinsichtlich der Schutzmaßnahmen für Minderheiten kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass, da das umstrittene Territorium in jedem Fall einem muslimischen Staat zugeschlagen würde, es essentiell sei, dass Schutzmaßnahmen für Minderheiten, besonders für Christen, aber auch für Juden und Jesiden, ergriffen würden.300 Es liege nicht innerhalb der Kompetenz der Kommission, alle Maßnahmen zu erarbeiten, die einem souveränen Staat auferlegt werden müssten, um diese Minderheiten zu schützen. Allerdings fühle sich die Kommission dazu berufen, hervorzuheben, dass den Assyrern wieder die überkommenen Vorrechte eingeräumt werden sollten, die ihnen vor dem Krieg zugestanden hätten. Wer auch immer der zuständige souveräne Staat sei, müsse den Assyrern eine gewisse lokale Autonomie einräumen, ihr Recht anerkennen, ihre eigenen Beamten zu benennen und sich damit mit ihrem Tribut begnügen, der durch den assyrischen Patriarchen erteilt würde.301 Außerdem müsse den Christen und den Jesiden Religionsfreiheit und das Recht zum Betrieb eigener Schulen zugesichert werden.302 Der Status der Minderheiten müsse Gegenstand besonderer Bedingungen sein. Allerdings könnten Vorkehrungen zum Vorteil von Minderheiten eine Leerstelle eröffnen, wenn keine
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League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 89 f. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90.
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effektive Aufsicht im lokalen Bereich sichergestellt sei.303 Dem vorgeschlagenen Repräsentanten des Völkerbundes vor Ort könne diese Aufsicht übertragen werden.304 In Bezug auf die zu treffenden wirtschaftlichen Maßnahmen stellte die Untersuchungskommission des Völkerbundes fest, dass sich das umstrittene Gebiet zwischen der Türkei und Syrien einerseits und dem Irak und Persien andererseits befinde. Welche Macht auch immer die Souveränität über dieses Gebiet bekomme, müsse dafür Sorge tragen, dass der Absatz von Waren gesichert werde. Wenn das umstrittene Gebiet an die Türkei fallen solle, so sei es offensichtlich, dass der Irak, um von den Nahrungsmitteln in dem Gebiet zu profitieren, stärkstes Interesse an dem Abschluss eines Wirtschaftsabkommens mit der Türkei habe. Die Türkei würde einem solchen Abkommen natürlich zustimmen, da Bagdad der einzige Absatzmarkt für überschüssige Ernten aus dem Gebiet sei. Letztlich würde ein solches Abkommen im Interesse der Bevölkerung liegen.305 Wenn das umstrittene Gebiet hingegen dem Irak zugeschlagen werden sollte, sollte den Einwohnern des Gebiets volle Freiheit des Handels mit der Türkei und Syrien zugestanden werden. Überdies sollten in den türkischen Grenzstädten Einrichtungen geschaffen werden, um Mossul als Route für den Export der Erzeugnisse aus diesen Städten und den Import von Gütern zu nutzen.306 Ähnliche Übereinkünfte sollten getroffen werden, wenn das umstrittene Gebiet zwischen dem Irak und der Türkei aufgeteilt werden sollte.307
IV. Demir-Kapu-Zwischenfall 1. Historischer Hintergrund Am frühen Nachmittag des 19. Oktobers 1925 ereignete sich ein Zwischenfall an der Grenze zwischen Griechenland und Bulgarien am Demir-Kapu-Pass nahe der Stadt Petritsch.308 Über die Grenze hinweg kam es zu einem Schusswechsel, bei dem zunächst eine griechische Grenzwache getötet wurde. Dieses Schicksal ereilte später noch einen griechischen Offizier, der am Ort des Geschehens eingetroffen war, wahrscheinlich um einen Waffenstillstand auszuhandeln. In der Folge kam es zu 303
League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. 305 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. 306 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. 307 League of Nations Doc. C. 400. M 147. 1925 VII. vom 16. Juli 1925, S. 90. 308 Hierzu und zum Folgenden David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 48 f.; F. P. Walters, A History of the League of Nations, S. 311 ff.; N. N., Journal of the Royal United Service Institution 71 (1926), S. 592 ff.; James Barros, Proceedings of the American Philosophical Society 108 (1964), S. 354 (354 ff.); P. J. Beck, British Journal of International Studies 6 (1980), S. 52 ff. sowie League of Nations Doc. C.727.1925.VII. vom 28. November 1925. 304
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weiteren Schusswechseln zwischen griechischen und bulgarischen Truppen. Die griechischen Verbände mussten sich von ihren vorgeschobenen Grenzposten zurückziehen. Die Umstände, die zu den Auseinandersetzungen geführt hatten, wurden von beiden Seiten unterschiedlich dargestellt. Von bulgarischer Seite wurde behauptet, dass die griechische Grenzwache auf bulgarischem Staatsgebiet getötet worden sei, während Griechenland vorgab, dass die Leiche des Soldaten von den Bulgaren auf deren Territorium geschleppt worden sei. Zu den Umständen, die zum Tode des griechischen Offiziers führten, machten beide Seiten ebenfalls verschiedene Angaben. Griechenland behauptet, dass dieser bei seiner Ankunft den Befehl zu einer Feuereinstellung erteilt habe und sich dann mit einer weißen Fahne in Richtung der Bulgaren bewegt habe, wobei er erschossen worden sei. Die Bulgaren hingegen behaupteten, weder eine weiße Fahne noch einen Offizier gesehen zu haben, vielmehr hätten die Griechen das Waffenfeuer aufrechterhalten; der Offizier sei dabei auch nicht durch einen gezielten Schuss getötet worden. In der Folge entwickelte sich an der griechisch-bulgarischen Grenze eine gefährliche Situation. Die bulgarische Regierung erklärte, dass dem Zwischenfall ein Missverständnis zugrunde gelegen habe und schlug die Einsetzung einer gemischten Kommission vor, die den Zwischenfall untersuchen sollte. Die Regierung Griechenlands unter dem diktatorischen General Theodoros Pangalos lehnte dieses Ansinnen jedoch solange ab, wie sich bulgarische Truppen auf griechischem Gebiet befänden. Die Regierung in Athen setzte der Regierung in Sofia ein 48-stündiges Ultimatum, in dem sie die Bestrafung der Schuldigen, eine offizielle Entschuldigung und eine finanzielle Entschädigung forderte. Um die Forderungen durchzusetzen, entsandte Griechenland Truppen, um Petritsch zu besetzen. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalles waren die greco-bulgarischen Beziehungen extrem angespannt und im gemeinsamen Grenzgebiet ereigneten sich viele Zwischenfälle. Griechenland und Bulgarien hatten sich sowohl im Zweiten Balkankrieg als auch an der Salonikifront während des Ersten Weltkriegs als Feinde gegenübergestanden. In der Folge dieser Konflikte kam es zu verschiedenen Bevölkerungsaustauschen zwischen beiden Staaten, die sich für die jeweilige Bevölkerung teils traumatisch auswirkten und bei denen Enteignungen entschädigungslos blieben. Zudem trieben bulgarische Banden in dem Gebiet ihr Unwesen. Hinzu kamen politische Gruppierungen, die Territorialansprüche auf dem fremden Staatsgebiet artikulierten. Außerdem trug auch der schlechte disziplinarische und ausbildungstechnische Zustand der Grenztruppen auf beiden Seiten nicht zur Verbesserung der Sicherheitssituation bei.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
2. Einsetzung der Kommission Der bulgarisch-griechische Zwischenfall war Gegenstand der Sitzung des Rates des Völkerbundes vom 26. Oktober 1925.309 In dieser Sitzung wurde der Inhalt mehrerer Telegramme in der Angelegenheit diskutiert. Das erste dieser Telegramme, welches vom 22. Oktober 1925 datiert,310 stammte vom bulgarischen Außenminister und war an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtet. Hierin wurde unter anderem vorgebracht, dass die bulgarische Regierung unmittelbar nach dem Vorfall Griechenland mehrfach das Angebot unterbreitet habe, eine gemischte Kommission zu errichten, welche die Verantwortlichkeit für den Grenzzwischenfall aufklären solle. Bevor Bulgarien allerdings eine Antwort erhalten hätte, wäre das griechische Militär in bulgarisches Staatsgebiet eingedrungen und es sei zu Kampfhandlungen gekommen. Bulgarien ersuchte daher in Ansehung von Artikel 10 und 11 der Satzung des Völkerbundes den Rat darum, die nötigen Maßnahmen zu treffen, damit die Invasion bulgarischen Territoriums zurückgewiesen werden könne. In seiner Reaktion hierauf stellte der griechische Außenminister in einem Telegramm an den Generalsekretär vom 24. Oktober 1925 dar, dass die Aktionen der griechischen Truppen ein Akt der Selbstverteidigung gewesen seien.311 Im Angesicht der umstrittenen Faktenlage stellte der Präsident des Rates bereits in dieser Sitzung klar, dass zwei Fragen von besonderer Bedeutung seien. Neben der Frage nach der Einstellung der Feindseligkeiten zwischen Griechenland und Bulgarien sowie nach dem Rückzug der jeweiligen Truppen, sei dies auch diejenige nach der Feststellung der Tatsachen, der Verantwortlichkeiten sowie gegebenenfalls nach der Zahlung einer angemessenen Entschädigung.312 Der Repräsentant des Britischen Empire, Austen Chamberlain, wurde zum Berichterstatter in der Angelegenheit bestellt.313 Dieser legte einen Berichtsvorschlag in der Angelegenheit vor.314 Hierin war unter anderem vorgesehen, dass die Vertreter Griechenlands und Bulgariens ihren Regierungen übermitteln sollten, dass beide Regierungen jeweils innerhalb von 24 Stunden den bedingungslosen Befehl erteilen sollten, sich hinter die jeweiligen Staatsgrenzen zurückzuziehen. Innerhalb von 60 Stunden sollte der Truppenrückzug dann stattgefunden haben und alle Feindseligkeiten sollten eingestellt worden sein. Alle Truppen müssten zudem von ihren Regierungen gewarnt werden, dass die Aufrechterhaltung des Feuers mit schweren Strafen belegt werde.315 Zudem sah der Vorschlag vor, dass im Hinblick auf eine Untersuchung der Lage der Rat die Regierungen von Frankreich, des Vereinigten 309 310 311 312 313 314 315
League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1696. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1696. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1979. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1698. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1699. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1699 f. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1699 f.
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Königreichs und von Italien ersuchen solle, Offiziere ihrer jeweiligen Streitkräfte in die Konfliktregion zu entsenden, um die Lage an der Frontlinie zu überwachen und direkt an den Rat Bericht zu erstatten, sobald sich die Truppen beider Seiten hinter ihre jeweiligen Grenzen zurückgezogen hätten und sobald die Feindseligkeit eingestellt worden seien. Jedenfalls solle eine Berichterstattung erfolgen, wenn die genannten Fristen abgelaufen seien.316 Weder der bulgarische noch der griechische Vertreter erhoben Einwände gegen diesen Vorschlag. Der Bericht des Berichterstatters wurde dann im Anschluss auch beschlossen.317 In der Sitzung des Völkerbundrates am 27. Oktober 1925 berichtete der griechische Vertreter, dass zwischen Griechenland und Bulgarien bereits, als Resultat einer Intervention Rumäniens, eine Vereinbarung zum Truppenrückzug getroffen worden sei.318 Der Präsident des Rates brachte hiernach zum Ausdruck, dass er und der Rat diese Lösung sehr begrüßen würden, und dass eine zwischenstaatliche, friedliche Lösung eines Konflikts, auch durch Vermittlung, stets ein Ziel des Rates des Völkerbundes gewesen sei. Allerdings habe er, der Präsident, Informationen erhalten, dass trotz der Vereinbarung weiterhin Gewehrfeuer aus der betroffenen Grenzregion gemeldet würde.319 In der Folge gaben der bulgarisch und der griechische Vertreter noch Erklärungen zur Lage an der gemeinsamen Grenze zwischen denen von ihnen vertretenen Staaten ab.320 Anlässlich der Sitzung des Rates am 28. Oktober 1925 verlasen der griechische und der bulgarische Vertreter weitere Telegramme, die sie von ihren jeweiligen Regierungen erhalten hatte. Hierbei ging es unter anderem um den beginnenden Truppenrückzug und um die Befehle, welche zur Feuereinstellung erteilt worden waren.321 Aus den Telegrammen ging, wie der Präsident des Rates bemerkte, zudem hervor, dass es gewünscht sei, dass die Untersuchung des Rates auch auf die tieferen Ursachen der Streitigkeit zwischen Bulgarien und Griechenland eingehen solle und insbesondere auch auf die Frage der bulgarischen Banden.322 Im weiteren Verlauf der Sitzung äußerten sich die verschiedenen Mitglieder des Rates zu den vorher besprochenen Fragen.323 Gegenstand der Sitzung des Rates des Völkerbundes am 29. Oktober 1925 war zunächst ein Telegramm der Militärattachés von Frankreich vom Vortag an das
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League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1700. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1700; für die Resolution stimmten Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Italien, Japan, Spanien, Schweden, Tschechoslowakei und Uruguay. 318 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1700 f. 319 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1701. 320 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1701 ff. 321 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1707 ff. 322 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1709. 323 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1709 ff. 317
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Vereinigte Königreich und an Italien über die Situation vor Ort.324 Sie berichteten über Kontakte mit den Kommandeuren der griechischen und bulgarischen Truppen und über die Bewegungen der Einheiten im Rahmen des Truppenrückzugs. In Anschluss an die Verlesung des Telegramms legte Berichterstatter Chamberlain dem Rat des Völkerbundes einen weiteren Bericht zu der griechisch-bulgarischen Konfrontation vor.325 Im Hinblick auf eine mögliche Untersuchung der Situation hob er hierin hervor, dass es die Erklärungen der beiden Vertreter nahelegen würden, dass eine Untersuchung der Ursachen des Konflikts an der gemeinsamen Grenze zwischen den beiden Balkanstaaten durch den Rat gewünscht sei, ebenso eine Klärung der Fragen der Verantwortung für den Zwischenfall und der Gebotenheit von Entschädigungszahlungen. In dem Bericht ließ der Berichterstatter keinen Zweifel daran, dass der Rat des Völkerbundes willens sei, eine solche Untersuchung durchführen zu lassen. Dies sei auch deshalb geboten, da zukünftige Konflikte zwischen Griechenland und Bulgarien vermieden werden müssten. Chamberlain unterbreitete dem Rat im Hinblick auf eine Untersuchung verschiedene Vorschläge. Es solle eine fünfköpfige Kommission eingesetzt werden. Als Kommissionsvorsitzender sollte Sir Horace Rumbold, britischer Botschafter in Spanien, fungieren. Als weitere Mitglieder, die allerdings noch nicht benannt waren, sollten jeweils ein Militäroffizier aus Frankreich und aus Italien sowie jeweils ein Zivilist schwedischer und niederländischer Staatsangehörigkeit fungieren. Die Kommission solle sich am Freitag, dem 6. November 1925 in Genf treffen, und zwar beim dortigen Sekretariat des Völkerbundes. Die Kommission solle dann selbstständig über ihre Verfahrensordnung entscheiden und zügig zum Ort des Zwischenfalls reisen. Der Generalsekretär des Völkerbundes werde die Kommission mit dem notwendigen Stab und allen erforderlichen Dokumenten ausstatten. Weiterhin schlug der Berichterstatter vor, dass die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Italiens ersucht werden sollten, ihre Militärattachés am Königshof in Belgrad, die sich (zum Zeitpunkt der Berichterstattung) am Ort des Zwischenfalles aufhalten würden, zu instruieren, weiter mit der Situation befasst zu bleiben und der Untersuchungskommission bei deren Ankunft alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie gesammelt hätten. Der Bericht enthielt einen Resolutionsentwurf, um die vorgeschlagene Untersuchungskommission zu mandatieren: „The Council decides. (1) To approve the report of the British representative; (2) To appoint a Commission to carry out a full enquiry into the recent incident on the frontier between Bulgaria and Greece to the north-east of Salonica, and to ascertain as exactly as possible the origin of these incidents, and all the facts in relation thereto which have given rise to the intervention of the Council.
324 Das Telegramm der Militärattachés ist wiedergegeben in: League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1711. 325 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1711 ff.
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The Commission shall in particular establish the facts enabling the responsibility to be fixed, and supply the necessary material for the determination of any indemnities or reparation which may be considered appropriate. The Commission shall submit a report before the end of November, in order that the Council may examine it as its December session. Further, in order that the Council may be in a position to make suitable recommendations to the Governments concerned, the Commission is requested to submit to the Council, either in the report referred to above or subsequently any suggestions as to measures which in its opinion would eliminate or minimize the general causes of such incidents and prevent their recurrence. As regards the immediate steps to be taken for the repatriation of prisoners and the restoration of movable property the Commission shall exercise the powers mentioned in the report of the British representative. The Commission shall be entitled to conduct its investigations both on the spot and at the seats of the two Governments concerned, which have undertaken to give it every assistance, and will accordingly supply all facilities and take the necessary measures to enable it accomplish its task.“
Sowohl der bulgarische als auch der griechische Repräsentant erklärten namens ihrer Regierungen, dass sie keine Einwände gegen die Inhalte der Resolution hätten.326 Im Anschluss wurde die Resolution zur Abstimmung gestellt und angenommen.327 In der Sitzung des Rates am 30. Oktober 1925 hob dessen Präsident die Bedeutung der Kommission für die Lösung der griechisch-bulgarischen Konfrontation hervor und betonte, dass die Kommission ihre Aufgabe in völliger Unabhängigkeit und im Namen der Gerechtigkeit ausüben werde.328 An diesem und am folgenden Tag erhielt der Ratspräsident erneut zwei Telegramme von den drei Militärattachés.329 In diesem erstatteten die Offiziere Bericht über die Lage an der Grenze zwischen Bulgarien und Griechenland und über den Truppenrückzug. Hinsichtlich der Untersuchungskommission schlugen die Militärattachés vor, dass eine bestimmte Zahl von militärischen und sonstigen Tatsachen aufgeklärt werden sollte, bevor diejenigen, die an dem Zwischenfall teilgenommen hätten, die Region verlassen würden und das schlechte Wetter es zu schwierig machen würde, die Orte, an denen sich diese Tatsachen ereignet hätten, zu erreichen. Neben Rumbold, dem der Kommissionsvorsitz übertragen worden war, wurden als weitere Kommissionsmitglieder die Generäle Serrigny und Ferrario aus Frankreich und Italien, der schwedische Gesandte in Den Haag de Adlercreutz sowie 326
League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1713. League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1713; für die Resolution stimmten Belgien, Brasilien, Britisches Empire, Frankreich, Italien, Japan, Spanien, Schweden, Tschechoslowakei und Uruguay. 328 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1714 f. 329 League of Nations-Official Journal November 1925, S. 1717. 327
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Droogleever Fortuyn, Mitglied des niederländischen Parlamentes, benannt.330 Der Generalsekretär des Völkerbundes benannte zudem für die Untersuchungskommission einen Sekretär sowie drei Assistenzsekretäre, zwei davon mit militärischen Rängen. Alle Mitglieder des Kommissionssekretariats waren dabei Mitglieder des Sekretariats des Völkerbundes.331 3. Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission begann ihre Arbeit auf Anordnung des Völkerbundes hin mit einem Treffen der Kommissionsmitglieder am 6. November 1925 in Genf, wie dies im Bericht des Berichterstatters Chamberlain vorgesehen war.332 Bei diesem ersten Treffen entschied die Kommission, sich am folgenden Tag nach Belgrad zu begeben. Sie ersuchte zudem die Militärattachés von Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich, welche am Hof des jugoslawischen Königs in Belgrad akkreditiert waren, um ein Treffen am 9. November. Auf Bitten des Rates des Völkerbundes waren diese Offiziere in dem Gebiet verblieben, in dem sich die Zwischenfälle ereignet hatten, um den Rückzug der bulgarischen und der griechischen Truppen auf ihr jeweiliges Staatsgebiet zu beobachten. Zudem hatten die Attachés bereits eine Voruntersuchung der fraglichen Ereignisse unternommen. Weiterhin entschied die Kommission, nicht in Belgrad zu verharren, sondern in das Gebiet von Demir Hisar zu reisen, wo sich die zu untersuchenden Ereignisse zugetragen hatten. Die griechische und die bulgarische Regierung wurden von diesem Schritt in Kenntnis gesetzt.333 Die Kommission traf sich mit den Militärattachés am 9. November 1925 in Belgrad. Diese waren am gleichen Tag aus Demir Hisar kommend in der jugoslawischen Hauptstadt eingetroffen und hatten noch keinen Bericht über ihre Beobachtungen angefertigt. Daher wurde von der Kommission entschieden, dass dieser Bericht erst am 11. November auf der Bahnreise in die Konfliktregion studiert werden sollte. Die Militärattachés wurden eingeladen, die Kommission bei dieser Reise zu begleiten.334 In Belgrad wurde die Kommission von dem jugoslawischen Minister für Auswärtige Angelegenheiten empfangen. Im Anschluss verließ die Kommission Belgrad am 11. November 1925 und erreichte Demir Hisar am 12. November. Am 13. November betraten die Mitglieder der Untersuchungskommission dann bulgarisches Staatsgebiet. Hierzu teilte sich die Kommission in drei Unterkommissionen auf. Die Unterkommissionen besuchten, teilweise mehrfach, in Begleitung von bulgarischen Beamten insgesamt zehn Dörfer sowie die Kleinstadt Petritsch in der Konfliktregion. 330 331 332 333 334
League of Nations-Official Journal February 1926, S. 196. League of Nations-Official Journal February 1926, S. 196. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2.
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In Demir Hisar kam es zudem zu einem Treffen mit einem Repräsentanten der griechischen Regierung. Zudem nahmen die militärischen Mitglieder der Untersuchungskommission, mit Unterstützung der Militärattachés, eine besonders genaue Untersuchung der Grenzzwischenfälle und des Vorrückens der griechischen Truppen in Demir Hisar und auf bulgarischem Territorium vor. Hierzu wurde eine Anzahl von Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten vernommen.335 Die Mitglieder der Untersuchungskommission verließen Demir Hisar am 15. November 1925 und begaben sich anschließend in die griechische Hauptstadt Athen. Dort sprachen sie zunächst mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten. Bei diesem Gespräch waren auch der Chef des griechischen Generalstabes sowie ein kommandierender General der griechischen Armee zugegen. Am 16. November wurde die Kommission zudem vom Premierminister Griechenlands empfangen. Während des Aufenthalts in Athen konnten zudem noch verschiedene andere Personen zu dem zu untersuchenden Sachverhalt befragt werden.336 Die Untersuchungskommission verließ die griechische Hauptstadt am 20. November 1925 und reiste nach Sofia, der Hauptstadt Bulgariens, weiter. Auch dort trafen die Kommissionsmitglieder zunächst mit dem Außenminister zusammen. Die militärischen Mitglieder der Kommission wurden zudem vom bulgarischen Kriegsminister und vom bulgarischen Generalstabschef zu Unterredungen empfangen; am 23. November empfing der Premierminister die Kommission, am 24. November 1925 der bulgarische König. Auch in Sofia konnten Gespräche mit einer Reihe weiterer Personen geführt werden.337 Am 26. November 1925 kehrte die Untersuchungskommission nach Belgrad zurück und setzte die Arbeiten an dem Abschlussbericht fort. Am 28. November verließ die Kommission schließlich den Balkan und kehrte nach Genf zurück.338 4. Ergebnisse der Untersuchung a) Der von der Untersuchungskommission vorgelegte Abschlussbericht339 umfasste fünf große Abschnitte. Im ersten Abschnitt340, der Einleitung, wurden die Bedingungen der Einsetzung der Kommission und die Durchführung ihres Untersuchungsauftrages geschildert. Im zweiten Abschnitt341 beschrieb die Kommission detailreich den Hergang der Grenzzwischenfälle zwischen Bulgarien und Grie335
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. 337 League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. 338 League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2. 339 Report of the Commission of Enquiry into the incidents on the Frontier between Bulgaria and Greece, League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925. 340 League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 1 f. 341 League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 2 ff. 336
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
chenland. Im dritten Abschnitt342 stellte die Kommission die Verantwortlichkeiten fest und nannte eine Entschädigungssumme, welche Griechenland an Bulgarien zahlen sollte. Im vierten Abschnitt sprach die Kommission noch eine Reihe von Empfehlungen hinsichtlich der untersuchten Situation aus.343 Am Ende schloss die Kommission noch mit einigen Schlussfolgerungen.344 b) Hinsichtlich der Verantwortlichkeiten und den daraus entstehenden Forderungen in Bezug auf den Zwischenfall führte die Kommission zunächst an, dass die bulgarische Regierung in Übereinstimmung mit der Satzung des Völkerbundes gehandelt habe, und dass der Umstand, dass die bulgarischen Soldaten bei Demir Kapu einmal etwas auf das griechische Territorium vorgedrungen seien, nicht als eine Verletzung der territorialen Integrität Griechenlands gewertet werden könne.345 Im Hinblick auf Griechenland nahm die Kommission die Erklärung des griechischen Premierministers zur Kenntnis, dass vor dem Zwischenfall die Beziehungen seines Landes zu Bulgarien gut gewesen seien und dass er persönlich niemals der bulgarischen Regierung die Absicht unterstellt habe, Griechenland anzugreifen. Er betrachte den Zwischenfall als eine Aktion der Comitadjis, die sich die Unterstützung lokaler Angehöriger der bulgarischen Streitkräfte gesichert hätten, ohne dass hierzu von der bulgarischen Regierung eine Ermächtigung bestanden hätte. Zudem habe der griechische Premierminister bestätigt, dass die Aufklärung durch die griechische Luftwaffe auf bulgarischem Staatsgebiet keine Truppenbewegungen der bulgarischen Streitkräfte gezeigt hätte.346 Die genannten Fakten und ebenso die Tatsachen, dass zum Zeitpunkt des Zwischenfalls das griechische Außenministerium ohne Führung gewesen sei, sowie dass der Tod von Kapitän Vassiliadis, während er eine weiße Flagge trug, zu emotionalen Bekundungen in Griechenland geführt hätten, konnten nach Auffassung der Untersuchungskommission nichts daran ändern, dass Griechenland durch die Besetzung eines Teils des bulgarischen Territoriums mit seinen Streitkräften die Satzung des Völkerbundes verletzt habe.347 In Anbetracht aller Umstände kam die Kommission zu der Überzeugung, dass: (1.) Die von Griechenland zuvor erhobenen Indemnitätsforderungen in Höhe von 50 Millionen Drachmen (142.000 Britische-£) als Kompensation für die Familien der getöteten und verwundeten Offiziere und Soldaten sowie für die Kosten des Transports, Unterbringung und Verpflegung der Truppen zurückgewiesen werden müssten; eine Ausnahme sei nur hinsichtlich der Forderung in Bezug auf Kapitän Vassiliadis zu machen. (2.) Dass andererseits die griechische Regierung durch die Invasion griechischer Truppen verantwortlich für die Kosten, Verluste und das Leiden der bulgarischen Bevölkerung und Regierung 342 343 344 345 346 347
League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8 ff. League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 10 ff. League of Nations-Dok. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8.
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sei, und daher an Bulgarien Entschädigungen zu zahlen hätte. Die bulgarische Regierung habe insoweit Forderungen in Höhe von 52.500.000 Lewa (etwa 78.828 Britische-£) geltend gemacht.348 In der Folge gab die Untersuchungskommission Empfehlungen hinsichtlich von Reparationen in Bezug auf den Verlust von Leben, Gesundheit sowie materielle und immaterielle Schäden ab. Um die Reparationen zu kalkulieren, die der bulgarischen Regierung – zusätzlich zu der Indemnität, die von der Kommission in Wahrnehmung der ihr übertragenen Kompetenzen endgültig festgesetzt wurde – zustünden, nahm die Kommission zunächst die Kosten für die militärischen Maßnahmen in den Blick, die Bulgarien gezwungen worden sei zu ergreifen. Soweit die bulgarischen Behörden angezeigt hätten, dass ihnen Kosten für die Unterhaltung einer bestimmten Anzahl von Milizangehörigen entstanden seien, zeigte die Untersuchungskommission jedoch auf, dass die Einberufung von Einwohnern der Grenzgebiete zu Milizdiensten gegen den Vertrag von Neuilly-sur-Seine vom 27. November 1919, dem Friedensvertrag zwischen Bulgarien und den Alliierten des Ersten Weltkriegs, verstoße.349 Daher könnten diese Kosten nicht in die Kalkulation mit einfließen.350 Die Kommission hielt es hingegen für erforderlich, die Fälle von Tod und Verwundung in die Kalkulation mit einzubeziehen. Ein Leutnant, vier Soldaten und sieben Zivilisten, einschließlich zweier Kinder, seien getötet worden. Acht Soldaten und elf Zivilisten seien verwundet worden, acht von ihnen hätten schwere Verwundungen davongetragen. Getötete oder verwunderte Milizangehörigen könnten aus den genannten Gründen nicht in die Kalkulation einbezogen werden.351 Schließlich bezog die Kommission noch ein, dass die Bevölkerung des von der griechischen Invasion betroffenen Gebiets, deren Zahl etwa 3.500 Personen betrug, ihre Heime verlassen, einen Verlust von Arbeitstagen hinnehmen und fraglos immaterielle Leiden hätten erdulden müssen. Drei Fälle von Vergewaltigungen seien der Kommission berichtet worden sowie eine Anzahl von Misshandlungen durch griechische Truppen, die mit dem Ziel durchgeführt worden seien, Geld zu erpressen.352 Allerdings sei der Betrag mit Blick auf den Tod des griechischen Kapitäns Vassiliadis zu kürzen. Der Tod des Offiziers, der eine weiße Flagge getragen habe, sei eine der Erklärungen für das Verhalten der griechischen Regierung gewesen. Daher sei dies in die Berechnungen einzustellen.353 Aus diesen Gründen sei die Kommission der Auffassung, dass der bulgarischen Regierung von der griechischen Regierung Reparationen in Höhe von 10.000.000 Lewa zu zahlen seien.354
348 349 350 351 352 353 354
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. Der Vertrag ist wiedergegeben in: United Kingdom Treaty Series 5 (Cmd 522). League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 8. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 9. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 9.
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Mandatsgemäß ging die Untersuchungskommission auch den materiellen Einbußen auf bulgarischer Seite nach. Hierzu betrachtete die Kommission das Gebiet, welches von den griechischen Einheiten besetzt gewesen sei. Ebenso wurde die Stadt und der Bahnhof von Petritsch sowie das Dorf Maricostonovo, welches zwar nicht besetzt gewesen sei, jedoch unter dem Feuer der griechischen Truppen gelegen habe, in die Betrachtung einbezogen.355 Die griechische Besatzung habe sich auf die Dörfer Kula, Topolnitza, Liahovo, Kartachno, Dolno-Spantchavo, Novo-Hadjovo, Marinopolié, Chuchuligovo und Pipernitza bezogen.356 Die Bevölkerung dieser Gebiete setze sich vor allem aus Flüchtlingen aus Thrakien und Griechisch-Mazedonien zusammen, die in dem Gebiet in der Folge des Zweiten Balkankrieges von 1913 bis zum heutigen Tage siedeln würden. Die Bevölkerung arbeite fast ausschließlich in der Landwirtschaft, in der Imkerei und in der Rinderzucht. Die hauptsächlichen landwirtschaftlichen Produkte seien Tabak, Baumwolle, Mais, Reis und Getreide. Einige Einwohner arbeiteten im Bereich des Handels.357 Der Boden, auf dem die Dörfer errichtet worden seien, sei hügelig. Die Häuser, die meisten davon Hütten, seien ungleichmäßig auf den oder an den Seiten der Hügel errichtet worden und bestünden meist aus einem einzigen Stockwerk mit zwei Räumen, einem Stall und einem Plumpsklo.358 Als die Flüchtlinge in dem Gebiet angesiedelt worden seien, habe die bulgarische Regierung jeder Familie ein Stück Land zugewiesen, dessen Größe sich nach der Größe der Familie und der Fruchtbarkeit des zugewiesenen Teilstücks gerichtet habe. In wenigen Dörfern habe es nach der Ankunft weiterer Flüchtlinge eine Umverteilung des Landes gegeben. Aus diesen Gründen gebe es große Unterschiede beim Wert und bei der Größe des Landeigentums. Generell liege die durchschnittliche Größe der Ländereien zwischen fünf und fünfzehn Hektar in den von der Kommission besuchten Dörfern.359 Nach dem Rückzug der griechischen Truppen habe die bulgarische Regierung eine zentrale Kommission mit mehreren Unterkommissionen für die verschiedenen Dörfer benannt, um eine vorläufige Schadensuntersuchung durchzuführen. Die zentrale Kommission habe einen Fragebogen zu verschiedenen Themen erstellt, den die Einwohner unter der Kontrolle der Kommission zu beantworten hatten.360 Nachdem die griechischen Truppen das Gebiet verlassen hätten und die Einwohner zurückgekehrt seien, wären diese durch die bulgarische Regierung mit Hilfe des bulgarischen Roten Kreuzes und verschiedener Hilfsorganisationen mit Nahrung versorgt worden. Mobile Küchen seien zum Zeitpunkt des Besuchs durch die Untersuchungskommission des Völkerbundes noch in einigen Dörfern tätig gewesen.361 – Die Regierung Bulgariens habe der Untersuchungskommission des Völkerbundes die ausgefüllten Fragebögen der 355 356 357 358 359 360 361
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Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Mit diesen Dokumenten ausgestattet, habe die Kommission die verschiedenen Dörfer besucht. Dort habe die Kommission keine Verheerungen im strikten Wortsinne vorgefunden, allerdings seien einige Häuser beschädigt und einige Hütten niedergebrannt gewesen. Verluste der Zivilbevölkerung seien vor allem beim Vieh, bei landwirtschaftlichen Produkten, Kleidung, Schmuck, Wertpapieren und Bargeld zu verzeichnen gewesen.362 Auf ein Ersuchen der Untersuchungskommission des Völkerbundes hin habe die bulgarische Regierung die Kommission mit einem Verzeichnis von Preisen und Statistiken über die Anbauflächen auf kultiviertem Land in den fraglichen Dörfern versorgt sowie mit Informationen über das Verhältnis der verschiedenen, angebauten Feldfrüchte, den durchschnittlichen Wert der Ernten der letzten drei Jahre und über die Größe des lebenden Inventars. Mit Hilfe dieser Zahlen und durch die Untersuchung des Inventars, welches im Besitz der Einwohner war, konnte die Untersuchungskommission des Völkerbundes zum Teil die Berechtigung der Ansprüche überprüfen.363 Die Kommission stellte weiterhin fest, dass der von der griechischen Invasion betroffene Distrikt nicht systematischen Plünderungen zum Opfer gefallen sei; allerdings seien große materielle Verluste zu verzeichnen gewesen, die Beschädigung an Gebäuden demgegenüber gering. Die Dörfer, die am nächsten an der Grenze gelegen hätten, hätten naturgemäß am meisten gelitten. Die Einwohner, die von der Invasion überrascht worden seien, wären in Eile geflohen und hätten alles zurückgelassen. Ihre Besitztümer seien für eine Woche ungeschützt gewesen. Die Kommission fand lange Spuren von Tabak, Baumwolle und Getreide auf und an den Straßen, die nach Griechenland führten. Somit seien Beweise für den Transport von Besitzgütern entstanden. In anderen Dörfern hätten die Einwohner Zeit gehabt, Teile ihrer Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Einige Dörfer in der Nähe der bulgarischen Streitkräfte seien von längerfristiger Besatzung verschont geblieben und hätten daher weniger gelitten. Von weiteren Verlusten an beweglichem Eigentum sei aus dem Pass- und Zollbüro bei Kula-Chiflik und in den Posten und Kasernen des sechsten Grenzuntersektors berichtet worden.364 Insgesamt, so beobachtete es die Untersuchungskommission des Völkerbundes, hätten sich die Verluste auf Kleidung, Bettzeug, Vieh und Geflügel, Bienenkörbe, Getreide, Baumwolle, Nahrungsmittel, Wagen, landwirtschaftliche Geräte und verschiedene Werkzeuge, Bargeld, militärisches Gerät sowie auf Waffen und Munition bezogen. Nach den Informationen, die die Untersuchungskommission erhalten habe, wären im Nachgang zu der oben zitierten Resolution des Rats des Völkerbundes, keine Eigentumsgegenstände zurückgebracht worden, mit der Ausnahme von drei Zugtieren und einigen persönlichen Besitztümern. Hinsichtlich der Gebäude sei wenig Schaden entstanden. Von bulgarischer Seite seien diesbezüglich auch keine Forderungen gestellt worden.
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Insgesamt beliefen sich die bulgarischen Ansprüche auf eine Höhe von 31.750.000 Lewa.365 Die Untersuchungskommission des Völkerbundes betonte, dass die offizielle bulgarische Kommission mit ihren Unterkommissionen ernsthafte Anstrengungen unternommen habe, um die Gesamtsumme so präzise wie möglich festzustellen. Es müsse hierbei beachtet werden, dass die bulgarische Kommission dabei nur die Aufgabe hatte, die Ansprüche der Einwohner des von der griechischen Invasion betroffenen Gebiets zu sammeln und selbst nicht in der Lage gewesen sei, Feststellungen über die Richtigkeit dieser Angaben zu machen. Die Untersuchungskommission des Völkerbundes sei aus diesen Gründen ebenfalls nicht in der Lage gewesen, solche Informationen zu erheben, zum Beispiel die Größe der Vorräte an bestimmten Getreidearten, den echten Wert der Kleidung und der Einrichtungsgegenstände in den verschiedenen Dörfern zum Zeitpunkt der Invasion und die Summe der Münzen und Banknoten, hinsichtlich derer Ansprüche von verschiedenen Einwohnern erhoben worden seien.366 Daher zog die Kommission das von dieser als wohlbekannt bezeichnete Faktum in Betracht, dass Privatpersonen bei der Schätzung von Schadensersatzforderungen übertreiben würden, um eine höhere Summe zu erhalten, da diese Personen wüssten, dass sich ihre Angaben nur schwerlich überprüfen ließen.367 Unter den genannten Umständen hielt es die Untersuchungskommission des Völkerbundes für eine faire Entscheidung, dass die griechische Regierung der Regierung von Bulgarien eine Indemnität von 20.000.000 Lewa zahlen müsse; hierin einbezogen sei bereits die Kompensation für die verhältnismäßig geringen Schäden an Gebäuden.368 Gemäß den Kompetenzen, die der Untersuchungskommission durch den Rat des Völkerbundes übertragen worden seien, notifizierte die Kommission der griechischen Regierung die Summe, die sie an die Regierung Bulgariens zu zahlen habe.369 c) Hinsichtlich ihrer Empfehlungen erörterte die Untersuchungskommission des Völkerbundes drei Themenkomplexe: Die allgemeine politisch-historische Situation zwischen Griechenland und Bulgarien, politische Empfehlungen sowie militärische Empfehlungen: Zur politisch-historischen Situation im Grenzgebiet zwischen Griechenland und Bulgarien führte die Untersuchungskommission zunächst aus, dass die Distrikte, in denen sich die fraglichen Ereignisse zugetragen hätten, seit Jahrhunderten eine ereignisreiche Geschichte durchleben würden. Dort sei es zu vielen Kriegen und langer fremder Besatzung gekommen. Auch wäre die Bevölkerung dieser Gebiete religiöser und nationalistischer Propaganda ausgesetzt gewesen.370 Insbesondere während der 365 366 367 368 369 370
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letzten 50 Jahre hätten Grenzverschiebungen zu regelmäßigen Wechseln der nationalen Zugehörigkeit des betroffenen Gebiets geführt. Im Zuge der Ereignisse sei es oft zu plötzlichen Massenemigrationen gekommen.371 Die nach der wertenden Feststellung der Kommission verhältnismäßig „rückständige“ Bevölkerung sei mit widersprüchlicher Propaganda bearbeitet worden, was dazu geführt habe, dass man einander nicht vertraute und versuchte, sich gegenseitig Verletzungen zuzufügen.372 Als Ergebnis der letzten Balkankriege, des Ersten Weltkriegs (der im Bericht nach damaligem Verständnis noch als Großer Krieg bezeichnet wurde) und den Ereignissen in Kleinasien (gemeint ist damit die Zwangsumsiedlung griechischer Bewohner der Westtürkei nach Griechenland und muslimischer Griechen in die Türkei) seien die Bevölkerung Griechenlands und Bulgariens nun verhältnismäßig homogen, auch wenn hierdurch fraglos Leid entstanden sei. Diese Leiden hätten Hass hervorgerufen, von dem man nicht erwarten könne, dass er schnell verschwinde. Dies auch deshalb nicht, weil die Mittel, die den Anführern der beiden Staaten zur Verfügung stünden, zu gering sein, um Hilfestellungen in der Weise zu geben, wie sie benötigt würden.373 Nichtsdestoweniger gebe es bestimmte Maßnahmen auf einem vergleichsweise bescheidenen Niveau, von denen die Kommission hoffe, dass sie in der Macht der Regierungen liegen würden und, tatsächlichen, guten Willen vorausgesetzt, die den Zeitraum der Friktionen verkürzen und den Samen für bessere Zeiten säen könnten.374 Zur weiteren Spezifizierung ihrer Empfehlungen nahm sich die Untersuchungskommission den verschiedenen Akteuren an, die bei der Lösung der griechisch-bulgarischen Problematik eine Rolle spielten. Dies waren zunächst die Flüchtlinge in Bulgarien und in Griechenland. Hinsichtlich der Flüchtlinge in Bulgarien stellte die Kommission zunächst fest, dass einige Zehntausend von ihnen nahe der Grenze zu Griechenland lebten. Die Menschen seien ursprünglich aus Provinzen gekommen, die nunmehr innerhalb der Grenzen der Griechischen Republik liegen würden. Neben diesen Flüchtlingen gebe es auch einige zehntausend Flüchtlinge, die über Bulgarien verteilt lebten.375 Alle diese Menschen gehörten zu einer abgehärteten, kriegerischen und stolzen „Rasse“. Sie seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten seit den Balkankriegen (1912) bis zum jetzigen (damaligen) Zeitpunkt nach Bulgarien gekommen. Viele dieser Menschen hätten ihr Land, ihre Häuser, ihr Vieh, ihre persönlichen Besitztümer usw. zurücklassen müssen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, diese Sachen verkaufen zu können; nur wenige hätten eine gleichwertige Kompensation für ihre Verluste erhalten. Gleichzeitig würden viele der Flüchtlinge die Hoffnung erhalten, dass sie eines Tages in ihre Dörfer zurückkehren und ihren früheren Wohlstand zurückbekommen könnten. Starke Propaganda würde diesen 371 372 373 374 375
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Glauben befördern und die Erinnerung an erlittene Verletzungen aufrechterhalten sowie Hass und Rachsucht nähren.376 Trotzdem hätten schon einige dieser Flüchtlinge in Bulgarien Wurzeln geschlagen. Auch wenn die Mitglieder dieser Gruppe die Vergangenheit nicht vergessen könnten, so sei es unwahrscheinlich, dass sie jede Gelegenheit nutzen würden, um nach Griechenland zurückzukehren. – Hinsichtlich der Flüchtlinge in Griechenland stellte die Kommission zunächst fest, dass Griechenland in den letzten Jahren vor dem Berichtszeitpunkt zwischen einer und eineinhalb Millionen Flüchtlinge griechischer Abstammung aus der Türkei aufgenommen habe. In Anbetracht dieses plötzlichen und gewaltigen Bevölkerungszustroms habe die griechische Regierung Unterkünfte für hunderttausende Menschen finden müssen.377 Zu diesem Zweck sei die Ausreise von Bulgaren aus Makedonien und Thrakien beschleunigt worden. Einige hätten Griechenland freiwillig verlassen, andere seien wohl wegen der Anwendung schärferer Methoden gegangen, was immer noch der Grund für einen tiefsitzenden Groll sei. Allerdings habe sich die griechische Regierung einem Problem ohnegleichen gegenübergesehen. Die Regierung habe unerwartet einem Bevölkerungszuwachs von zirka 25 % gegenübergestanden. Der Großteil dieser neuen Bevölkerung sei in Griechenland verzweifelt und in einem unsagbar schlechten Zustand angekommen; unter den Einreisenden seien viele Frauen, Kinder und ältere Menschen gewesen. Dank fremder Kredite, die unter der Aufsicht des Völkerbundes ausgegeben worden seien, hätte ein Großteil der Flüchtlinge in den Orten untergebracht werden können, die von der Bevölkerung verlassen worden seien, sowie in neuen Zentren, die für die Flüchtlinge errichtet wurden.378 Viele der Siedlungen seien unmittelbar an der griechisch-bulgarischen Grenze gelegen. Es habe ein hohes Maß an Überzeugungsarbeit gekostet, die Flüchtlinge dazu zu bewegen, sich dort anzusiedeln. Diese hätten Repressalien von Seiten derjenigen Menschen gefürchtet, die vorher dort gelebt hätten; dies insbesondere deshalb, weil letztere in der Regel keine Kompensation für den Verlust erhalten hätten. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, dass die Flüchtlinge in dem Gebiet verbleiben sollten, in dem man sie angesiedelt hätte. Zum einen seien auf die Ansiedlung große Summen Geld verwendet worden, zum anderen sei es unmöglich, für die Flüchtlinge Platz in den anderen Distrikten Griechenlands zu finden.379 Als weiteren Akteur identifizierte die Untersuchungskommission des Völkerbundes das Mazedonische Komitee. Dieses würde von Unterkomitees in ganz Bulgarien unterstützt. Das Mazedonische Komitee sei in Bulgarien gegründet worden, um sich mit den Flüchtlingen dort zu befassen, insbesondere mit den Flüchtlingen aus Mazedonien. Die Untersuchungskommission des Völkerbundes sei darüber informiert worden, dass die Ziele des Komitees hauptsächlich wohltätiger
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Natur seien.380 – Nach den Informationen, welche die Untersuchungskommission erhalten habe, sei es das ursprüngliche Ziel eines weiteren Akteures, des Mazedonischen Revolutionskomitees, gewesen, ein unabhängiges Mazedonien zu errichten; dieses Ziel habe sich allerdings in Richtung eines (lediglich) autonomen Mazedoniens verschoben. In jeden Fall würde das von dem Komitee erstrebte Mazedonien Gebiete in drei souveränen Staaten umfassen, die alle Mitglieder des Völkerbundes seien.381 Das Revolutionskomitee, welches seine frühere Auffassung nie widerrufen habe, verlangte zudem den Schutz der Mazedonier, der durch Verträge zum Minderheitenschutz gewährt würde. Die Untersuchungskommission des Völkerbundes merkte an, dass, soweit es Griechenland betreffe, es keine Frage von nicht-griechischen Mazedoniern in der Nähe der bulgarischen Grenze geben könne, da diese Distrikte inzwischen fast ausschließlich von Griechen bevölkert seien.382 Die sog. Comitadjis wurden ebenfalls von der Untersuchungskommission des Völkerbundes als wichtiger Akteur ausgemacht. Die Kommission stellte hierzu zunächst fest, dass es verschiedene Definitionen für den Begriff „Comitadjis“ gebe.383 So hätten sich etwa aus einem Bericht einer gemischten griechisch-bulgarischen Migrationskommission folgende Begriffsbestimmungen ergeben: „A Greek officer describes as a Comitadji any person affiliated to the Macedonian autonomist organisation, independently of whether such a person has or has not committed acts of violence. A Greek priest stated that to him a ,brigand‘ or ,comitadji‘ were one and the same thing, and that he called a theft unaccompanied by murder brigandage, and a theft with murder an act of comitadjis. According to other Greek witnesses, the expression ,act of comitadjis‘ was generally applied to any act at variance with the law, the perpetrator of which was unknown.“ Die Mitglieder der genannten Kommission hätten dabei den Begriff „Comitadjis“ im Hinblick auf eine „Person of Bulgarian race affiliated to a political organisation who commits or attempts to commit an act of violence with the idea of serving the Bulgarian cause or the cause of Macedonian autonomy“ verwendet. Weiterhin berichtete die Untersuchungskommission des Völkerbundes, dass ein bulgarischer Behördenmitarbeiter einen „Comitadjis“ als einen Mann bezeichnet habe, der zu einer politischen Partei gehöre, die zu den Waffen greife, um politische Ziele zu erreichen. Dieser Behördenmitarbeiter nahm von seiner Definition all diejenigen Personen aus, die zum Zwecke von Raub, Diebstahl, etc. zu den Waffen greifen würden.384 Die Untersuchungskommission des Völkerbundes befand, vor allem im Angesicht ihres nur kurzen BalkanAufenthalts, dass sie bei einem derartig umstrittenen Begriff nicht in der Lage sei, eine einheitliche Definition anzugeben. Gleichzeitig sei sie davon beeindruckt ge-
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wesen, wie oft der Begriff während der Untersuchung erwähnt worden sei.385 Jedoch habe die Kommission die Besorgnis bei der griechischen Regierung und der Bevölkerung, vor allem im griechisch-bulgarischen Grenzgebiet, über die möglichen Aktivitäten von Comitadjis bemerkt.386 Nichtsdestoweniger hätten die widersprüchlichen Informationen, die die Untersuchungskommission in dieser Angelegenheit erhalten habe, für Verwirrung bei den Mitgliedern gesorgt. Die Kommission habe Abordnungen der Bewohner der Dörfer nahe der bulgarischen Grenze empfangen, die mit erstaunlicher Einstimmigkeit den Terror beschrieben hätten, denen die Menschen wegen der Bedrohung durch die Comitadjis ausgesetzt gewesen seien. Allerdings wurde von nur zwei Zwischenfällen berichtet. In dem einen Fall sei ein Mann im Jahr 1922 verwundet, in dem anderen Fall sei ein anderer Mann im Jahr 1925 getötet worden.387 Die Liste von Grenzzwischenfällen, die der Untersuchungskommission zugänglich gemacht wurde, habe jedenfalls gezeigt, dass bewaffnete Zivilisten der einen oder anderen Seite die Gewohnheit hätten, die Grenze zu überqueren, um räuberische Akte zu begehen, und auch, um mit den Truppen an den Kämpfen teilzunehmen, die sich von Zeit zu Zeit ereignen würden.388 Die Tatsache, dass Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze bewaffnet seien, würde die Grundlage der Spannungen erhöhen.389 Auf der anderen Seite hätten die griechischen Behörden die Untersuchungskommission darüber informiert, dass die Aktivitäten der Comitadjis rückläufig seien. Die Besiedlung der Grenzzone mit Griechen statt mit Bulgaren würde bedeuten, dass die Banden der Comitadjis nicht länger die Unterstützung im Land vorfinden würden und daher auch nicht mehr weit nach Griechisch-Mazedonien vordringen könnten. Der griechische Premierminister habe gegenüber der Untersuchungskommission erklärt, dass es seit 1923, also seit (zum Untersuchungszeitpunkt) etwa 18 Monaten, keine schwerwiegenden Zwischenfällen mehr an der griechisch-bulgarischen Grenze gegeben habe. Er schrieb diese Entwicklung unter anderem der Besiedlung des Grenzlandes durch griechische Flüchtlinge aus der Schwarzmeerregion und aus dem Kaukasus zu, bei denen es sich um Menschen mit ausgeprägten militärischen Fähigkeiten handele.390 Letztlich wurde die Kommission beim Verlassen von Athen noch darüber informiert, dass seit dem Demir-Kapu-Zwischenfall die Einwohner von einigen Dörfern in der Grenzregion von Panik befallen worden seien und sich wünschten, weiter in das Landesinnere zu ziehen.391 Von bulgarischer Seite sei die Kommission darüber informiert worden, dass sich die Comitadji-Banden ohne Wissen der Regierung gebildet hätten und ihre Anhänger im ganzen Land rekrutieren würden, aber insbesondere unter den Flüchtlingen, die über die materiellen Verluste, die sie zu erleiden gehabt hätten, 385 386 387 388 389 390 391
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enttäuscht seien. Zwar seien die Flüchtlinge über ganz Bulgarien verteilt, jedoch lebe der größte Teil von ihnen in der Grenzregion. Die bulgarische Regierung teilte der Kommission auch die Befehle mit, die sie an die Grenzwachen ausgegeben habe, um die Bildung und den Grenzübertritt der Banden zu verhindern.392 Die Kommission wurde von bulgarischer Seite zudem darüber informiert, dass einige tausend Flüchtlingsfamilien in Bulgarien immer noch ohne Behausung und Land seien; einige dieser Familien würden von der bulgarischen Regierung unterstützt. Unbesiedeltes Land würde es noch geben, doch müssten dort vor einer Besiedlung zunächst Wassersysteme installiert und Kommunikationswege entwickelt werden. Diese Arbeiten würden Geld kosten und der Staat könne die erforderlichen Ressourcen nicht aufbringen.393 Militärische Empfehlungen teilte die Kommission in drei Teilbereiche auf: Maßnahmen zur Verhinderung von Grenzzwischenfällen, Maßnahmen, um die Auswirkungen von Zwischenfällen gering zu halten, und Maßnahmen, welche den Völkerbund in die Lage versetzen sollten, schnell zu handeln, falls es zu Fällen schwerer Konflikte kommen sollte. – Hinsichtlich des ersten Bereichs erschien es der Kommission möglich, eine gewisse Anzahl an Maßnahmen zu empfehlen, mittels derer weitere Zwischenfälle an der griechisch-bulgarischen Grenze in der Zukunft verhindert werden könnten.394 Hierzu bemerkte die Kommission, dass sich die schnell entwickelnde und schwerwiegende Natur der verschiedenen Ereignisse während des Demir-Kapu-Zwischenfalls vor allem aus dem täglichen Kontakt von jungen Soldaten ergeben hätte, die ohnehin nicht hinreichend befehligt worden seien.395 Zuvörderst müsse der Grenzdienst daher an ausgesuchte Mannschaften übergeben werden, die eigens zu diesem Zweck ausgebildet seien. Die Soldaten müssten älter und gut bezahlt sein; die Offiziere müssten mit Bedacht ausgewählt werden.396 Die notwendige Effektivität und die Kosten einer solchen Organisation schienen der Kommission nicht die Ressourcen Griechenlands zu überfordern; es seien höchstens drei Bataillone an der griechisch-bulgarischen Grenze stationiert. Im Falle Bulgariens schien es der Untersuchungskommission so, als ob der Vertrag von Neuilly-sur-Seine die notwendigen Arrangements erlaube, sodass es nur notwendig sei, deren Ausführung zu überwachen.397 Weiterhin wäre es zu begrüßen, wenn die Organisationsmaßnahmen durch Mittel der Verwaltung unterstützt werden könnten. Dies würde es erfordern, die besonderen (Grenz-)Truppen nicht länger dem direkten Befehl der Divisions- oder Korpskommandeure zu unterstellen, sondern die Truppen dem Befehl der zivilen Stellen zu überantworten, wie dies in den meisten Ländern in Bezug auf die Gendarmerie oder zivile Gardeverbände der Fall sei. Die Grenztruppen 392 393 394 395 396 397
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könnten weiterhin an das Kriegsministerium durch einen technischen Generalinspekteur angeschlossen bleiben, dem Fragen der Ausbildung, der Ausrüstung und der Mobilmachung übertragen würden.398 Die gegenwärtige Organisation würde zudem noch weiterer Verbesserungen in verschiedenen Bereichen bedürfen. So seien die Sektoren, die eine Einheit zu überwachen habe, viel zu groß bemessen und die Hauptquartiere der verschiedenen Kommandeure lägen zu weit hinter der Grenze und befänden sich zu weit voneinander entfernt.399 Das System der Nachrichtenübermittlung sei nicht ausreichend. Alle Posten müssten nach hinten und, wenn möglich, auch miteinander mit einem Telefon verbunden sein. Dies würde es bewaffneten Banden erschweren, durch die jeweiligen Sektoren zu gelangen; dies vor allem vor dem Hintergrund, dass durch Emigration und Austausch die Bevölkerung im Grenzgebiet jetzt homogener sei und die Banden dort keine Komplizen mehr finden würden, wie es ihnen zuvor auf griechischem Boden möglich war.400 Zu den Grenzposten führte die Untersuchungskommission des Völkerbundes weiter aus, dass diese von einem Unteroffizier geführt werden und mindestens 500 Meter von der Grenze entfernt seien müssten. Sollte es Umstände geben, die eine Entfernung eines Postens von weniger als 500 Metern zur Grenze erforderlich machten, so müsse der benachbarte Posten um eine entsprechende Entfernung nach hinten verlegt werden, um einen Abstand von mindestens einem Kilometer zwischen den Posten zu gewährleisten.401 Aktivitäten in der betreffenden Zone zwischen den Postenlinien müssten strikten Regularien unterworfen werden. Schließlich müssten Befehle an die Posten und im Falle Bulgariens an die Grenzwachen ausgegeben werden, durch die Gründe von Konflikten minimiert werden könnten.402 Die Untersuchungskommission erachtete es außerdem für notwendig, dass die griechische und die bulgarische Regierung jeweils um die Dienste eines qualifizierten, neutralen Offiziers nachsuchen sollten. Die beiden Offiziere müssten dabei gleicher Nationalität sein, um die notwendigen Reformen parallel begleiten zu können. Die beiden Offiziere würden unparteiisch und in der Lage sein, Konflikte vorherzusehen und zu vermeiden, sodass langsam ein friedlicherer Geist einkehren könne.403 Die Offiziere würden von der jeweiligen Regierung bezahlt und an die Hauptquartiere der Grenzwachen kommandiert werden. Die Einsatzdauer solle zwei Jahre betragen, wobei diese verlängert werden könne.404 – Hinsichtlich der Maßnahmen, die die Effekte von Zwischenfällen begrenzen sollten, führte die Untersuchungskommission zunächst aus, dass die Erfahrung gezeigt habe, dass Versuche, Grenzzwischenfälle durch direkte Vermittlung vor Ort beizulegen, regelmäßig fehlschlagen würden, da eine natürliche 398 399 400 401 402 403 404
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Aufregung in diesem Moment vorherrschen würde.405 Die vorgeschlagene Präsenz von neutralen Offizieren der gleichen Nationalität würde wahrscheinlich in hohem Maße zum Erfolg entsprechender Verhandlungen beitragen. Es sei sogar anzunehmen, dass solche Zwischenfälle durch diese Offiziere ohne Probleme beigelegt werden könnten. Trotzdem bestünde auch die Möglichkeit, dass keine Vereinbarung erzielt werden könne. Um auf solche Notsituationen vorbereitet zu sein, schlug die Untersuchungskommission vor, dass eine Vermittlungskommission errichtet werden solle, die schnellstmöglich ihre Arbeit aufnehmen solle und der Repräsentanten beider Seiten angehören sollten, also jeweils ein Offizier der Grenzwachen von beiden Seiten und die neutralen Offiziere, mit einer weiteren Person als Vorsitzenden. Der Vorsitzende könnte entweder von den neutralen Offizieren oder im Vorhinein auf ständiger Grundlage bestimmt werden. In jedem Fall sei es nötig, dass der Vorsitzende aus Personen ausgewählt würde, die Organisationen angehören würden, die auf dem Balkan arbeiteten und die dem Völkerbund zugehörig oder mit ihm verbunden seien, um ein Treffen der Vermittlungskommission ohne Verzögerungen zu gewährleisten.406 – In Bezug auf Maßnahmen, die getroffen werden könnten, um den Völkerbund in die Lage zu versetzen, schnell auf Fälle schwerer Konflikte zu reagieren, erachtete es die Untersuchungskommission als wichtig, dass der Rat des Völkerbundes seine Aufmerksamkeit auf die Situation am 24. Oktober um 6:00 Uhr am Morgen richten solle; also auf den Moment, in dem aus Athen die Befehle an die griechischen Truppen eintrafen, ihre Offensivoperationen zu beenden. Es seien Vorbereitungen für einen griechischen Angriff auf Petritsch getroffen worden, wozu 1.000 Mann und drei Geschützbatterien bereitgestanden hätten. Die Bulgaren hätten eine Verteidigungsstellung mit etwa einem Bataillon und zwölf Geschützen bezogen, nicht eingeschlossen bewaffnete Einwohner, die zu diesem Zeitpunkt eine Stärke von etwa 160 Mann gehabt hätten. Es sei bekannt, dass an diesem Tag der bulgarische Kommandeur Befehle gehabt hätte, nach denen er einige Verteidigungsmaßnahmen hätte durchführen sollen, um die Bewohner zu schützen, und dass der Befehl zum Aufgeben des Widerstandes erst im Verlauf des 24. Oktobers eintraf. Daher hätte es eine echte Verteidigung von Petritsch gegeben; eine griechische Aktion wäre also auf heftigen Widerstand gestoßen und es wäre zu schweren Verlusten gekommen. Es sei unmöglich vorauszusehen, welche Konsequenzen dies gehabt hätte. Das Telegramm des amtierenden Präsidenten des Völkerbundes, welches die beiden Hauptstädte wohl am 23. Oktober erreicht habe, sei gerade im richtigen Moment eingetroffen.407 Dieses Datum sei ein kritischer Moment hinsichtlich der militärischen Operationen gewesen. Danach seien die Feindseligkeiten zum Erliegen gekommen, obwohl noch Zwischenfälle gemeldet worden seien. Die Situation hätte in einen offenen Krieg münden können, da die Parteien weiter auf Tuchfühlung gewesen und Schießereien fortgesetzt worden seien. Diese Gefahr sei erst am 28. Oktober mit der Ankunft der 405 406 407
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 12. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Militärattachés an dem Ort des Geschehens behoben worden.408 Die Untersuchung der durchgeführten Operationen und insbesondere der Situation am Morgen des 24. Oktobers zeigte nach Auffassung der Kommission, dass eine schnellstmögliche Reaktion des Rates des Völkerbundes notwendig war. Bereits einige Minuten könnten insofern eine Katastrophe verhindern. Unter den gegenwärtigen Umständen, die dadurch außerordentlich vorteilhaft gewesen seien, dass der Präsident des Rates eine telefonische Nachricht eine Stunde nach Erhalt des Ersuchens Bulgariens um Unterstützung durch den Generalsekretär des Völkerbundes erhalten habe, sei eine Militäroperation, die allergefährlichste Konsequenzen hätten haben können, gerade noch verhindert worden.409 Um in Fällen eines drohenden Krieges eine schnelle Intervention durch den Völkerbund zu ermöglichen, sollte es nach Auffassung der Untersuchungskommission in Betracht gezogen werden, den Regierungen und dem Sekretariat des Völkerbundes besondere Vorrichtungen für Kommunikation und Transit zur Verfügung zu stellen. Insbesondere müsse die Nutzung von drahtlosen Telegrafen und Prioritätsnachrichten erwogen werden.410 In Bezug auf ihre politischen Empfehlungen zeigte die Untersuchungskommission zunächst auf, dass zwischen Griechenland und Bulgarien am 27. November 1919 in Neuilly-sur-Seine ein Abkommen im Hinblick auf Emigrationsfragen abgeschlossen worden sei.411 Nach diesem Abkommen erkannten die beiden Regierungen das Recht ihrer Staatsangehörigen, die einer rassischen (ethnischen), religiösen oder sprachlichen Minderheit angehörten, an, frei in ihre jeweiligen Territorien zu emigrieren. Emigranten verlören die Staatsangehörigkeit des Staates, den sie verließen, und würden die Staatsangehörigkeit des Staates erwerben, der ihr Ziel sei. Das Grundeigentum würde in dem Staat, den die Emigranten verließen, liquidiert werden. Die Frist, um eine Erklärung zur freiwilligen Emigration abzugeben, habe am 31. Dezember 1924 geendet.412 Der Wert des Grundeigentums, dass den Emigranten gehöre, müsse durch eine gemischte Kommission bestimmt werden, der zwei Vertreter beider Regierungen und zwei neutrale Vertreter, die durch den Völkerbund bestimmt worden seien, ermittelt werden.413 Die Untersuchungskommission habe in Erfahrung gebracht, dass die Liquidationsarbeiten nur langsam vorangingen, dass nur ein kleiner Teil der Emigranten Entschädigungen erhalten habe, die ihnen zustünden, und dass dadurch erklärlicher Unmut entstanden sei. Die Kommission erachtete es deshalb im Interesse beider Länder, dass die Verfahren schnell zu einem Ende gebracht würden, und dass alle verzögernden Maßnahmen beendet werden müssten. Die Kommission habe beiden Regierungen schon ihre Meinung unterbreitet, dass es nötig sei, die finanziellen Klauseln des griechisch-bulgarischen 408 409 410 411 412 413
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13.
§ 1 Der Völkerbund
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Abkommens in gutem Willen und ohne Verzögerung zu erfüllen.414 Zudem gebe es eine beträchtliche Anzahl von Flüchtlingen bulgarischer Ethnie in Bulgarien, die nicht willens gewesen wären, sich auf die Regelungen des Emigrationsabkommens zu berufen, obwohl sie hierzu berechtigt gewesen seien. Allerdings würden sich diese Flüchtlinge auf die Rechte aus dem Vertrag zwischen den alliierten Hauptmächten und Griechenland über die Behandlungen von Minderheiten berufen. Artikel 3 und 4 dieses Vertrages lauteten: „Article 3. – Greece admits and declares to be Greek nationals ipso facto and without the requirement of any formality Bulgarian and Turkish (or Albanian) nationals habitually resident at the date of the coming into force of the present Treaty in territories transferred to Greece by the Treaties subsequent to January 1st, 1913. Nevertheless, the persons referred to above who are over 18 years of age will be entitled under the conditions contained in the said Treaties, to opt for any other nationality which may be open to them. Option by a husband will cover his wife and option by parents will cover their children under 18 years of age. Persons who have exercised the above right to opt must, except where it is otherwise provided in the said Treaties, transfer within the succeeding twelve months to their place of residence in the State for which they have opted. They will be entitled to retain their immovable property in the Greek territory. They may carry with them their movable property to every description. No export duties may be imposed upon them in connection with the removal of such property. Article 4. – Greece admits and declares to the Greek Nationals ipso facto and without the requirement of any formality of Bulgarian and Turkish nationality who were born in the territories referred to in Article 3 of parents habitually resident there, even if at the date of the coming into force of the present Treaty they are not themselves habitually there. Nevertheless, within two years from the going into force of the present Treaty, these persons may make a declaration before the competent Greek authorities in the country in which they are resident stating that they abandon Greek nationality, and they will then cease to be considered Greek nationals. In this connection, a declaration by a husband will cover his wife, and a declaration by parents will cover their children under 18 years of age.“
Diese Klauseln, so führte die Untersuchungskommission des Völkerbundes weiter aus, würden die ursprünglichen Einwohner von Gebieten, die jetzt zu Griechenland gehören würden, berechtigen, in diese Gebiete zurückzukehren, auch wenn die Gebiete vor vielen Jahren von den Personen verlassen worden seien; zudem würde in jedem Falle die Berechtigung bestehen, das Grundeigentum zu behalten, welches sich in diesen Gebieten befinden würde.415 Nach den Informationen der Untersuchungskommission sei die Anzahl der Personen, die sich auf diese Klauseln berufen würden und in Bulgarien lebten, beträchtlich. Viele von diesen Personen hätten Grundeigentum in Griechenland zurückgelassen und hierfür keinerlei Entschädigung erhalten. Unter dem Druck der Umstände hätte die griechische Regierung auf dem betreffenden Land Flüchtlinge aus der Türkei angesiedelt. Diese 414 415
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 13 f.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Flüchtlinge nun zu vertreiben, um die Rückkehr der ursprünglichen Bewohner zu ermöglichen, wäre nicht möglich. Auch sei ein solches Vorgehen nicht wünschenswert, da hierdurch in Griechenland wieder Minderheiten kreiert würden, welche durch die Ereignisse verschwunden seien.416 Falls die betreffenden Bulgaren aber darum gefragt würden, ihre Rechte aufzugeben, sei es nur gerecht, wenn sie für das aufgegebene Eigentum eine Entschädigung erhalten würden.417 In Ansehung des Zeitraums, der seit dem Verlassen des Grundeigentums durch die meisten Eigentümer vergangen sei, sei es sehr schwierig, den Wert des Eigentums zu schätzen. Im Interesse der Aussöhnung zwischen Griechenland und Bulgarien solle die griechische Regierung hier aber großzügig verfahren.418 Die Untersuchungskommission des Völkerbundes sah diese Probleme dadurch als lösbar an, dass die Fristen zur Abgabe der Erklärungen über Emigration in dem Abkommen durch die Unterzeichnung eines ergänzenden Protokolls durch die griechische und die bulgarische Regierung verlängert würden.419 So könnten Bulgaren, die von ihren Rechten keinen Gebrauch gemacht hätten und die jetzt verloren gegangen seien, dazu gebracht werden, ihre griechische Staatsangehörigkeit aufzugeben; gleichzeitig könnten diese Personen eine Entschädigung für ihre Rechte nach dem Minderheitenvertrag erhalten, wobei die Entschädigung für den Wert ihres Eigentums auf einer großzügigen Grundlage berechnet würde.420 d) In ihren finalen Schlussfolgerungen am Ende des Berichts ging die Untersuchungskommission davon aus, dass die in dem Bericht empfohlenen Maßnahmen dazu geeignet seien, die Spannungen zwischen der Bevölkerung von Bulgarien und Griechenland, insbesondere in der Grenzregion, erheblich zu vermindern.421 Zunächst würde der Einfluss des Mazedonischen Revolutionskomitees mehr und mehr verringert, wenn es weniger Missstände und Leiden unter den Flüchtlingen in Bulgarien gebe, die ausgebeutet werden könnten. Weiterhin würde die griechische Bevölkerung in der Nähe der Grenze weniger von den Comitadjis und von dem Groll der vertriebenen bulgarischen Bevölkerung betroffen sein. Wenn die Gründe für die Missverständnisse und die Missstände ausgeräumt seien, würde das griechischbulgarische Verhältnis sowie die Verhältnisse auf dem Balkan insgesamt weniger angespannt sein.422 Die Untersuchungskommission regte noch an, dass der Rat des Völkerbundes die bulgarische und die griechische Regierung ersuchen solle, in ausreichend häufigen Abständen Berichte über die Fortschritte der empfohlenen Maßnahmen zu erstatten.423 Zudem zeigte sich die Untersuchungskommission davon 416 417 418 419 420 421 422 423
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14.
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überzeugt, dass sich die beiden Regierungen stets an den Rat wenden könnten, wenn Unterstützung bei der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Kommissionsbericht notwendig sei.424
V. Mukden-Zwischenfall 1. Historischer Hintergrund In der Folge des Krieges zwischen Russland und Japan von 1904/05 musste sich Russland aus der rohstoffreichen Mandschurei zurückziehen, welche es bis zum Jahr 1900 in mehreren Schritten unter seine Kontrolle gebracht hatte.425 Die Mandschurei fiel dabei allerdings zunächst nicht an das siegreiche Japan, welches in dem Gebiet vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgte, sondern an China. Das Kaiserreich Japan konnte sich jedoch Einfluss auf die Mandschurei sichern. Besonders wichtig war hierbei der Betrieb der Südmandschurischen Eisenbahn, wozu eine ältere russische Strecke umgebaut wurde. Auf dieser Eisenbahnlinie wurden Rohstoffe über das von Japan besetzte Korea ins Mutterland verbracht. Die Sicherung der Eisenbahnlinie wurde von japanischen Streitkräften, namentlich der Kwantung-Armee, übernommen. In der Folge kam es wegen der versuchten Erweiterung des japanischen Einflusses in der Mandschurei zu Spannungen mit China. In der Nacht vom 18. auf den 19. September 1931 wurde durch zwei Offiziere der japanischen Streitkräfte nördlich der in der Mandschurei gelegenen Stadt Mukden426 ein Sprengstoffanschlag auf die dort verlaufende Südmandschurische Eisenbahn verübt. In der Folge kam es zu einem Schusswechsel zwischen japanischen und chinesischen Truppen. Von japanischer Seite wurde versucht, die chinesische Seite als verantwortlich für den Zwischenfall darzustellen. Damit wurde gleichzeitig auch ein Grund für Japan zu einer weiteren Intervention in der Mandschurei geschaffen. Während japanische Verbände zunächst nur die chinesische Garnison von Mukden angriffen und die Stadt eroberten, wurde in der Folge die gesamte Mandschurei von Japan besetzt. 2. Einsetzung der Kommission Der Rat des Völkerbundes erhielt bereits am 19. September 1931 Kenntnis von dem Zwischenfall nahe Mukden durch den japanischen Repräsentanten, der erste 424
League of Nations Doc. C.727.1925.VII vom 28. November 1925, S. 14. Hierzu und zum Folgenden Yoshihisa Tak Matsusaka, The Making Japanese Manchuria, 1904 – 1932, S. 1 ff.; Arthur K. Kuhn, American Journal of International Law 27 (1933), S. 96 ff.; Robert H. Ferrell, The Journal of Modern History 27 (1955), S. 66 ff.; David Wen-wei Cheng, American Journal of Chinese Studies 19 (2003), S. 43 ff. 426 Die Stadt ist auch unter dem Namen „Shenyang“ bekannt. 425
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Informationen hierüber bekannt gab.427 Auf der Sitzung des Rates am 22. September 1931 verlas der Repräsentant der Republik China dann zwei Telegramme seiner Regierung, in denen die Ereignisse in der Mandschurei dargelegt wurden.428 Der chinesische Repräsentant führte an, dass es die Situation erfordere, dass Artikel 11 der Satzung des Völkerbundes zur Anwendung gebracht werde.429 In den folgenden Wochen und Monaten wurde die Situation in der Mandschurei ausgiebig im Rat des Völkerbundes diskutiert und es wurde nach einer Lösung für die eskalierende Lage gesucht, ohne dass dabei allerdings entscheidende Fortschritte gemacht wurden.430 Ein Problem war hierbei auch die unklare und widersprüchliche Faktenlage. In der Zwischenzeit kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen japanischen und chinesischen Truppen. Ein wesentlicher Schritt bei dem Versuch der Beilegung des Konflikts zwischen Japan und China war die Verabschiedung einer Resolution am 30. September 1931:431 „The Council, 1. Notes the replies of the Chinese and the Japanese Governments to the urgent appeal addressed to them by its President and the steps that have already been taken in response to that appeal, 2. Recognises the importance of the Japanese Government’s statement that it has no territorial designs in Manchuria, 3. Notes the Japanese representative’s statement that his Government will continue, as rapidly as possible, the withdrawal of its troops, which has already been begun, into the railway zone in proportion as the safety of lives and property of Japanese nationals is effectively assured and that it hopes to carry out this intention as fully as may be, 4. Notes the Chinese representative’s statement that his Government will assume responsibility for the safety of the lives and property of Japanese nationals outside that zone as the withdrawal of the Japanese troops continues and the Chinese local authorities and police forces are re-established, 5. Being convinced that both Governments are anxious to avoid taking action which might disturb the peace and good understanding between the two nations, notes that the Chinese and Japanese representatives have given assurances that their respective Governments will take all necessary steps to prevent any extension of the scope of the incident or any aggravation of the situation, 6. Request both parties to do all in their power to hasten the restoration of normal relations between them and for that purpose to continue and speedily complete the execution of the above-mentioned undertaking,
427 428 429 430 431
League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2248. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2265 f. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2266. Siehe League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2279 ff. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2307.
§ 1 Der Völkerbund
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7. Requests both parties to furnish the Council at frequent intervals with full information as to the development of the situation, 8. Decides, in the absence of any unforeseen occurrence which might render an immediate meeting essential to meet again at Geneva on Wednesday October 14th, 1931, to consider the situation as it then stands, 9. Authorises its President to cancel the meeting of the Council fixed for October 14th should he decide, after consulting his colleagues, and more particularly the representatives of the two parties, that, in view of such information as he may have received from the parties or from other members of the Council as to the development of the situation, the meeting is no longer necessary.“
Ein weiterer, beachtlicher Punkt bei den Beratungen des Völkerbundes war die Einbeziehung der Vereinigten Staaten von Amerika in den Versuch der Lösung des Konflikts zwischen Japan und China.432 Die Vereinigten Staaten von Amerika waren zwar nicht Mitglied des Völkerbundes, jedoch verfolgten sie die Streitigkeit in Ostasien mit erhöhtem Interesse. Auf der Sitzung des Rates des Völkerbundes am 21. November 1931 brachte der Repräsentant Japans vor, dass die Gewinnung von unparteilichen Informationen mit Blick auf die Anstrengungen zur Behebung des sino-japanischen Konflikts gemäß Artikel 11 der Völkerbundsatzung wünschenswert sei. Die japanische Regierung erachte echte Informationen hinsichtlich der Lage in der Mandschurei und in China selbst als grundlegend für die Lösung des Konflikts. Daher wurde von Japan die Entsendung einer Kommission zur Durchführung von Vor-Ort-Untersuchungen vorgeschlagen.433 Der Repräsentant von China betrachtete den Vorschlag Japans naturgemäß kritisch und behielt sich eine Prüfung der Angelegenheit und den Vorschlag von Ergänzungen vor.434 Der britische Repräsentant im Rat des Völkerbundes merkte an, dass Hauptaufgabe des Rates die Sicherung des Friedens sei. Es wäre offensichtlich ein komplettes Versagen bei der Erfüllung der Pflichten des Rates, wenn während des Fortschritts der Arbeit der vorgeschlagenen Kommission die Feindseligkeiten fortgesetzt würden. Er bemerkte zudem, dass die Möglichkeit bestünde, Informationen von britischen Repräsentanten vor Ort zu erhalten.435 Der Ratspräsident, in seiner Funktion als Repräsentant Frankreichs, gab eine ähnliche Erklärung hinsichtlich französischer Beamter in China ab.436 Die übrigen Repräsentanten der im Rat des Völkerbundes vertretenen Staaten nahmen den japanischen Vorschlag positiv auf.437 Abschließend brachte der Präsident des Rates seine Zu432
Vgl. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2322 ff. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2365. 434 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2366. 435 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2367. 436 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2367. 437 Vgl. die Äußerungen des Repräsentanten von Deutschland: „(…) The Japanese representative’s suggestion which, if I am not mistaken, China does not entirely reject – that is to say that a Commission, instructed both to furnish impartial information and to co-operate in the pacification of the country be sent to places in which disturbance have occurred – accordingly 433
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
appears to me to be calculated, in China and in Japan, the forces making for conciliation and peace (…)“, League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2367; des Repräsentanten von Spanien: „(…) What are the facts? An incident occurred in a region with a very special regime, where two nations are living side by side under conditions known to you all. We have no direct information from neutral and impartial sources with regard to the initial incident. I venture to stress this important fact. Three months after the incident, the Council of the League of Nations, the highest and most powerful international authority has been unable to procure the most elementary information as to the exact origin of the most serious dispute with which it has ever had to deal. In these circumstances, we must congratulate ourselves on the Japanese proposal. (…)“, S. 2386; des Repräsentanten von Italien: „(…) I do not desire to prolong the discussion since we are, I think, all agreed, when there is agreement, we should act upon it and not lose time in talking. Now therefore, we have only to act. I accordingly desire to make the following declaration on behalf on the Italian Government. My Government will place at the disposal of the Commission of Enquiry all the facilities it possesses on the spot. We have a good many people there. We have Government officials and persons holding prominent social positions. All the Italians on the spot will contribute towards the enquiry. We cannot do much more than that, but what we do we shall do thoroughly. The enquiry will be conducted by persons appointed by us, but it will be made above all by witnesses of what has occurred and what may still occur. These persons will also be able to explain to us the significance of the events, for occurrences very often acquire an importance which was not at first suspected. In order to understand certain acts, one must know the spirit in which they were performed. An effort must always be made to ascertain that spirit, and it is for the purpose of assisting in this way that Italy will place at the disposal of the Commission of Enquiry all the means she possesses.“, S. 2368; des Repräsentanten von Polen: „(…) The extreme complexity of the dispute and the special position of the territory which has become the scene of the events we are now considering have given to the matter submitted to the Council a wholly exceptional character, and have necessitated the employment by the Council of methods which are also exceptional. The Council did not possess, and it does not possess even now all the information required for the purpose of recommending measures which would bring the dispute in the Far East to a speedy end. The Polish Government is prepared to support the proposal to send a commission of experts to study the position on the spot, because it hopes that that proposal will be accepted by the parties concerned, and that it will be a first step towards the pacification of public opinion in China and in Japan and the restoration normal conditions in Manchuria.“, S. 2368 f.; des Repräsentanten von Jugoslawien: „If the Council could unanimously accept the proposal to send a Commission of Enquiry I also should be ready to support it. I should welcome it because I see in it a solution likely to restore peace and tranquility in the area with which we are concerned. The Council has made every endeavor to discharge its duty under Article 11 of the Covenant. If these efforts have not produced all the results which might legitimately have been expected, the reason is that the dispute with which we are faced is of a wholly exceptional character, exceptional by reasons of the remoteness of the scene of action – which has made it difficult for the Council to obtain correct information – but exceptional also by reason of the intricacy and nature of the contractual relations existing between the two parties. For these reasons, the Council has been obliged to resort to a procedure which the President, at the meeting on October 24th, described as exceptional and one which could not be taken as precedent. I therefore accept the proposal to send a Commission of Enquiry in the hope that this will enable the Council to successfully discharge its duties under Article 11 of the Covenant of the League of Nations.“, S. 2369; des Repräsentanten von Norwegen: „I shall not make a long speech. If I did so, I could only repeat more or less word for word what previous speakers have already said. I will therefore simply say that I accept the proposal to set up a Commission of Enquiry under the conditions specified by the previous speakers.“, S. 2369; des Repräsentanten von Guatemala: „I also do not wish to prolong the discussion, but desire to state that I agree to the appointment of the Commission of Enquiry which has just been suggested.“, S. 2369; des Repräsentanten von Peru: „I agree with
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friedenheit im Hinblick auf den im Grundsatz klaren Vorschlag des japanischen Repräsentanten zum Ausdruck. Dieser beinhalte die Benennung einer Kommission, die vom japanischen Repräsentanten als Untersuchungskommission bezeichnet werde, und die sich in die fernen Länder begeben werde, mit denen der Rat des Völkerbundes befasst sei, um die Schwierigkeiten der dortigen Situation und die Ursprünge des Konflikts aufzuklären. Außerdem solle diese Kommission Mittel zur Befriedung des Konflikts ausfindig machen und so den Rat des Völkerbundes in die Lage versetzen, eine dauerhafte Lösung zu erreichen. Die Kommission müsse aus kompetenten Personen bestehen, die zu Ländern gehören würden, die einer Streitbeilegung positiv gegenüber eingestellt wären. Hierzu bemerkte der Präsident noch, dass der sino-japanische Konflikt in eine neue Phase eingetreten sei und sich seinem Ende zuneige. Die Arbeit der Kommission solle nicht durch Zwischenfälle beziehungsweise Akte der Feindseligkeit gestört werden. Daher müsse nach Wegen gesucht werden, damit die Kommission ihre Tätigkeit unbehelligt von Zwischenfällen beginnen könne. Als Probleme, über die der Rat des Völkerbundes zu befinden habe, nannte der Präsident den Charakter der Kommission, ihre Bedeutung, ihre Zusammensetzung, die Frage der Arbeitsweise sowie die Frage der Kommunikation der ersten Ergebnisse der Tätigkeit der Kommission an den Rat.438 In der Folge wiederholte der Repräsentant Chinas nochmals, dass seine Regierung im Moment einer Untersuchungskommission nicht zustimmen könne.439 Auf der Sitzung des Völkerbundrates am 9. Dezember 1931 verlas dessen Präsident den Entwurf einer Resolution hinsichtlich der Situation in der Mandschurei, wobei der Entwurf auch auf die Einsetzung einer Untersuchungskommission abzielte. Der Resolutionsentwurf hatte folgenden Text:440 „The Council, (1) Reaffirms the resolution passed unanimously by it on September 30th, 1931, by which the two parties declare that they are solemnly bound, it therefore calls upon the Chinese and the Japanese Governments to take all steps necessary to assure its execution, so that the withdrawal of the Japanese troops within the railway zone may be effected as speedily as possible under the conditions set forth in the said resolution, (2) Considering that events have assumed an even more serious aspect since the Council meeting of October 24th Notes that the two parties undertake to adopt all measures necessary to avoid any further aggravation of the situation and to refrain from any initiative which may lead to further fighting and loss of life, (3) Invites the two parties to continue to keep the Council informed as to the development of the situation, what has been said regarding the adoption of any measures likely to lead to practical and decisive results.“, S. 2369. 438 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2369 f. 439 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2370. 440 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2374 f.
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(4) Invites the other Members of the Council to furnish the Council with any information received from their representatives on the spot, (5) Without prejudice to the carrying out of the above-mentioned measures. Desiring, in view of the special circumstances of the case, to contribute towards a final and fundamental solution by the two Governments of the questions at issue between them. Decides to appoint a Commission of five members to study on the spot and to report to the Council on any circumstances which, affecting international relations, threatens to disturb peace between China and Japan, or the good understanding between them, upon which peace depends. The Governments of China and of Japan will each have the right to nominate one assessor to assist the Commission. The two Governments will afford the Commission all facilities to obtain on the spot whatever information it may require; It is understood that, should the two parties initiate any negotiations, these would not fall within the scope of the Commission to interfere with the military arrangements of either party; The appointment and deliberations of the Commission shall not prejudice in any way the undertaking given by the Japanese Government in the resolution of September 30th as regards the withdrawal of the Japanese troops within the railway zone. (6) Between now and its next ordinary session, which will be held on January 25th, 1932, the Council, which remains seized of the matter, invites its President to follow the question and to summit it afresh if necessary.“
Zu dem Resolutionsentwurf gab der Präsident des Rates des Völkerbundes eine Erklärung ab. Zur Einsetzung der Untersuchungskommission bemerkte der Präsident hierin, dass der Rat glücklich sei, dass eine Untersuchung der Umstände, die zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen China and Japan geführt hätten, nicht nur erstrebenswert sei, sondern auch von beiden Parteien akzeptiert würde. Daher heiße der Rat den Vorschlag zur Errichtung einer entsprechenden Kommission, der ihn am 21. November 1931 unterbreitet worden sei, willkommen. Der letzte Absatz der vorgeschlagenen Resolution enthalte daher Regeln zur Besetzung und Funktion einer solchen Kommission. Dieser Absatz sehe die Einsetzung einer Untersuchungskommission vor. Da die Kommission nur einen beratenden Charakter habe, sei ihr Mandat weit gefasst. Grundsätzlich sei keine Frage, welche die Kommission studieren wolle, durch das Mandat ausgenommen, solange die Frage sich auf Umstände beziehe, die die internationalen Beziehungen beträfen, welche eine Bedrohung für den Frieden zwischen China and Japan darstellen würden oder welche die gute Verständigung zwischen den beiden Staaten beträfe, auf denen sich Frieden gründe. Jede der beiden Regierungen habe das Recht, die Kommission um die Untersuchung jeder Frage zu ersuchen. Die Kommission habe freies Ermessen darin, die Fragen zu bestimmen, auf die sie ihren Bericht an den Rat des Völkerbundes gründe; außerdem könne die Kommission Zwischenberichte erstellen, wenn die Kommission dies für wünschenswert erachte. Weiterhin bemerkte der Präsident des Rates, dass in dem Fall, dass die beiden Parteien ihren Verpflichtungen, die sie auf der
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Grundlage der Resolution des Rates des Völkerbundes vom 30. September 1931 treffen würden, bei Ankunft der Kommission noch nicht nachgekommen seien, die Untersuchungskommission so schnell wie möglich den Rat des Völkerbundes hierüber informieren solle. Weiterhin erklärte der Präsident noch, dass sich in dem Resolutionsentwurf die Regelung fände, dass „should the two parties initiate any negotiations, these would not fall within the scope of the Commission to interfere with the military arrangements of either party“. Diese Regelung würde die Durchführung der Untersuchung aber in keiner Weise begrenzen. Auch sei klar, dass die Untersuchungskommission die volle Bewegungsfreiheit genießen würde, um an diejenigen Informationen zu gelangen, die sie für ihre Berichte benötige.441 Da der japanische Repräsentant in der Angelegenheit noch auf Anweisungen seiner Regierung wartete, ersuchte er um eine Verlegung der weiteren Besprechungen auf den nächsten Tag.442 Diesem Ersuchen wurde nachgekommen.443 Auf der Sitzung am nächsten Tag, dem 10. Dezember 1931, wurde die Diskussion um den Resolutionsentwurf fortgesetzt.444 Hinsichtlich der hierin vorgesehenen Untersuchungskommission wertete der Repräsentant Chinas diese als eine von mehreren möglichen, nützlichen Maßnahmen, um auf die Situation im Fernen Osten einzuwirken. Er erklärte, dass China es erwarte, dass die vorgeschlagene Untersuchungskommission es zu ihrer ersten Aufgabe mache, den Rückzug japanischer Truppen aus dem umstrittenen Gebiet zu untersuchen, über ihn zu berichten und hierzu Empfehlungen abzugeben, falls der Rückzug in dem Zeitpunkt, in dem die Kommission vor Ort ankomme, noch nicht abgeschlossen sei.445 – Nachdem der Präsident des Völkerbundrates den Resolutionsentwurf akzeptiert hatte, wurde der Entwurf auch durch den Rat einstimmig angenommen.446 Der Präsident bezeichnete die Verabschiedung der Resolution als einen wichtigen Schritt, von dem er hoffe, dass dieser Schritt entscheidend bei der Beilegung der Streitigkeit zwischen China und Japan sei. Die Entsendung der Untersuchungskommission würde es dem Rat ermöglichen, seine Bemühungen um ein vollständigeres Bild der Tatsachen fortzusetzen und die gebotene Kenntnis von allen Faktoren der Probleme zu erlangen, um eine Lösung für den chinesisch-japanischen Konflikt zu erarbeiten. Dies habe sich zuvor als schwierig erwiesen, da die zur Verfügung stehenden Informationen nicht adäquat gewesen seien.447 Auch in den weiteren Äußerungen der Mitglieder des
441
League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2375. League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2375 f. 443 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2376. 444 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2376 ff. 445 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2378. 446 Für die Resolution stimmten damit: Britisches Empire, China, Deutschland, Frankreich, Guatemala, Irischer Freistaat, Italien, Japan, Jugoslawien, Norwegen, Panama, Peru, Polen und Spanien. 447 League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2378. 442
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Rates kam nochmals große Zustimmung zu der Einsetzung der Untersuchungskommission zum Ausdruck.448 In einem Telegramm des Generalsekretärs des Völkerbundes an die Mitglieder des Rates vom 11. Januar 1932 wurde mitgeteilt, dass die Untersuchungskommission, mit Einverständnis der chinesischen und der japanischen Regierung, aus folgenden fünf Mitgliedern bestehen sollte: Graf Aldrovandi (Italien), General Henri Claudel (Frankreich), Lord Victor Alexander George Robert Bulwer-Lytton (Britisches Empire), General Frank Ross MacCoy (Vereinigte Staaten von Amerika) und Dr. Heinrich Schnee (Deutschland). Die Kommission sollte am 14. Januar 1932 offiziell konstituiert werden, soweit von Seiten der Ratsmitglieder keine Einwände bestünden.449 Da keine Einwände erhoben wurden, wurde die Untersuchungskommission schließlich an dem genannten Datum eingesetzt.450 448 Vgl. die Äußerungen des Repräsentanten des Britischen Empire: „(…) I adhere most heartily to what our President has said as to the necessity for submitting all international disputes to pacific settlement. In no case nowadays must a nation take the law into its own hands. The substitution of reason for violence in the settlement of international disputes, the strict observance of international obligations, the promotion of friendship and co-operation between nations – these are the chief objects for which the League of Nations was brought into existence. It is therefore a matter for the heartiest congratulation that these parties have agreed to the appointment of this Commission, which will be charged with investigating, not only the actual question that have here arisen, but the whole of the international relations between the parties. It is a heavy task, but the commissioners, whoever they may be, will be assured of the sympathy and support of all men of goodwill throughout the world, including I doubt not, those who are nationals of the two parties to this difference.“, League of Nations-Official Journal December 1931, S. 2379 f. und des Repräsentanten von Spanien: „(…) We are far from having finished our work. This is only a first stage, but it is a very important one, since it has been marked, as the British representative emphasised, by the setting up of a Commission. The appointment of a Commission, especially by the League of Nations, is still perhaps the surest guarantee we have to-day that difficulties will be settled in the fairest manner and in the interests of peace. A Commission provides guarantees of knowledge and impartiality. I am sure that all the Members of the Council have every confidence that the President and the Secretary-General will see to it that this Commission faithfully reflects that spirit of impartiality and knowledge which must be the best guarantee of the League’s work. (…)“, S. 2380. 449 League of Nations-Official Journal February 1932, S. 283. 450 League of Nations-Official Journal February 1932, S. 284. Die Regierung von Polen zeigte sich allerdings mit der Besetzung der Untersuchungskommission nicht einverstanden. Sie kritisierte, dass in die Kommission, neben dem Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika, nur Mitglieder aus den ständigen Mitgliedern des Rates des Völkerbundes berufen worden seien (dies waren zu diesem Zeitpunkt Japan, Frankreich, das Britische Empire, Deutschland und Italien). Polen bedauere, dass nicht ein oder mehrere von der Völkerbundsversammlung gewähltes Mitglied beziehungsweise gewählte Mitglieder des Rates Gelegenheit gehabt hätten, Repräsentanten in die Untersuchungskommission zu entsenden. Hierdurch wäre der internationalen Zusammenarbeit insgesamt und insbesondere auch der Zusammenarbeit zwischen den ständigen Mitgliedern des Völkerbundrates und den gewählten Mitgliedern dieses Organs gedient worden. Letztlich gab die polnische Regierung noch zu verstehen, dass sie nicht hoffe, dass die Besetzung dieser Untersuchungskommission einen Präzedenzfall für die Zukunft schaffe. Vgl. das Telegramm der polnischen Regierung an den Generalsekretär des Völkerbundes vom 12. Januar 1932, League of Nations-Official Journal February 1932, S. 283.
§ 1 Der Völkerbund
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3. Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission nahm ihre Tätigkeit am 21. Januar 1932 mit der Durchführung von zwei Sitzungen in Genf auf, bei der das britische Mitglied Lord Lytton zum Vorsitzenden der Kommission gewählt und das vorläufige Arbeitsprogramm beschlossen wurde.451 Bei dieser Sitzung waren allerdings nur die europäischen Kommissionsmitglieder anwesend. Die europäischen Kommissionsmitglieder schifften sich am 3. Februar 1932 in Le Havre und in Plymouth gen Ostasien ein; am 9. Februar stieß das US-amerikanische Kommissionsmitglied in New York zu ihnen.452 Vor Beginn ihrer Tätigkeit in Ostasien legte die Kommission gemäß den Vorgaben der Völkerbundratsresolution ihr endgültiges Arbeitsprogramm fest.453 Daneben wurde zunächst Kontakt mit den Regierungen von China und Japan aufgenommen, um mehr über die verschiedenen Ansichten hinsichtlich der Mandschurei-Frage zu erfahren sowie, um die Natur der Interessen der beiden Staaten zu ermitteln.454 Am 29. Februar 1932 erreichte die Kommission zunächst die japanische Hauptstadt Tokio. Dort wurden die Kommissionsmitglieder zunächst von Tenno¯ Hiroito empfangen. In den folgenden acht Tagen konferierte die Kommission täglich mit Mitgliedern der japanischen Regierung und weiteren Personen, so unter anderem mit dem Premierminister, dem Außenminister, dem Kriegsminister und dem Marineminister. Daneben fanden vor allem Gespräche mit Persönlichkeiten aus dem japanischen Wirtschaftsleben statt, unter anderem mit führenden Bankiers und Geschäftsleuten sowie daneben noch mit den Repräsentanten von diversen Organisationen und weiteren Personen. Aus diesen Gesprächen erfuhr die Kommission insbesondere Wichtiges hinsichtlich der japanischen Interessen und Rechte in der Mandschurei sowie über die historische Verbundenheit Japans mit dieser Region. Daneben wurde auch die Situation in Shanghai bei diesen Gesprächen diskutiert, wo es zu chinesisch-japanischen Gefechten gekommen war. Neben der japanischen Hauptstadt besuchte die Kommission auch noch Osaka, wo sie vor allem mit Personen aus dem Geschäftsleben zusammentraf. Während ihres Japanaufenthaltes erfuhr die Kommission von der Gründung von Mandschuko, des japanischen Marionettenstaates auf dem Gebiet der Mandschurei. Die Untersuchungskommission wurde während ihres Japanaufenthaltes von dem japanischen Assessor begleitet.455 Die Untersuchungskommission erreichte China am 14. März 1932 und traf zunächst in der Hafenstadt Shanghai ein. Dort stieß der von China benannte Assessor zu 451
League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 9. Daher wird diese Untersuchungskommission auch als „Lytton Commission“ bezeichnet. 452 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 10. 453 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 10. Der sehr detaillierte Arbeitsplan der Kommission findet sich in dem Dokument als Appendix, S. 140 ff. 454 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 10. 455 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 10.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
den Kommissionsmitgliedern hinzu. Während des zirka zweiwöchigen Aufenthalts dort informierte sich die Kommission – neben ihrer sonstigen Untersuchungstätigkeit – insbesondere über die jüngsten Kämpfe und über die Möglichkeit eines Waffenstillstandes, die zuvor mit dem japanischen Kriegsminister in Tokio besprochen worden war. Die Kommissionsmitglieder besuchten zudem verwüstete Gegenden, und hörten Stellungnahmen von japanischen Marine-Militärstellen hinsichtlich deren jüngster Operationen. Daneben wurden zudem Mitglieder der chinesischen Regierung sowie führende Persönlichkeiten aus den Bereichen Geschäftsleben, Bildung und aus anderen Kreisen befragt, die zum Teil auch aus der Stadt Kanton stammten.456 Vom 26. März bis zum 1. April besuchte die Kommission Nanking. Während ihres Aufenthaltes dort traf die Kommission mit dem Präsidenten der chinesischen Nationalregierung sowie mit weiteren Mitgliedern der Regierung, etwa mit dem Präsidenten des Regierungsgremiums, dem Vorsitzenden des Militärrates, dem Finanzminister, dem Bildungsminister, dem Außenminister und dem Kommunikationsminister, zusammen.457 Um sich über die Stimmungen, Meinungen und die Bedingungen in den verschiedenen Teilen Chinas einen Eindruck zu verschaffen, besuchte die Kommission vom 1. bis zum 7. April 1932 geschlossen oder in Teilen verschiedene Orte und Städte, vor allem im Tal des Flusses Yangtse.458 Vom 9. bis zum 19. April besuchte die Kommission Peking. Dort traf sie zu Gesprächen mit Mitgliedern der ehemaligen Verwaltung der Mandschurei zusammen sowie mit chinesischen Generälen, welche die Truppen in den Kasernen von Mukden in der Nacht des 18. Septembers 1931 kommandierten.459 In der Zeit vom 20. April bis zum 4. Juni 1932 besuchte die Kommission schließlich die Mandschurei. Hierbei stieß die Kommission auf Probleme, da die Einreise des chinesischen Assessors auf mandschurisches Territorium zunächst verweigert wurde. Während des Aufenthaltes besuchten die Kommissionsmitglieder die Orte Mukden, Changchun, Kirin, Harbin, Darien, Port Arthur, Anshan, Fushun und Chinchow. Der Großteil der Wegstrecken wurde dabei mit der Eisenbahn zurückgelegt. Die Kommission wollte ursprünglich auch den Tsitsihar besuchen; da allerdings anhaltende Kämpfe den Landweg dorthin versperrten, wurde der Ort per Flugzeug von einigen Mitgliedern des Unterstützungspersonals der Kommission besucht. Während des Aufenthaltes in der Mandschurei fertigte die Kommission einen vorläufigen Bericht an, der am 29. April 1932 nach Genf zum Völkerbund gesandt wurde. Die Untersuchungskommission führte auch in der Mandschurei zahlreiche Gespräche, unter anderem mit verschiedenen hochrangigen Offizieren des 456 457 458 459
League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 10 f. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 11. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 11. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 11.
§ 1 Der Völkerbund
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japanischen Militärs sowie mit japanischen Konsularbeamten. Ein weiterer Gesprächspartner war der Oberste Beamte von Mandschuko, der ehemalige und letzte chinesische Kaiser Hsuan Tung, der allerdings dort unter dem bürgerlichen Namen Henry Pu-Yi auftrat. Daneben sprach die Kommission noch mit verschiedenen Mitgliedern der Regierung von Mandschuko, darunter auch mit deren japanischen Beratern sowie mit Provinzgouverneuren. Weiterhin wurden Delegationen der lokalen Bevölkerung empfangen, von denen allerdings der Großteil der Kommission durch die Behörden Japans oder Mandschukos präsentiert wurde. Es gelang der Kommission allerdings auch, eine Vielzahl von Gesprächen mit Einzelpersonen abzuhalten, wobei es sich bei den Gesprächspartnern sowohl um Chinesen als auch um Ausländer handelte.460 Nach ihrem Aufenthalt in der Mandschurei reiste die Kommission erneut nach Peking, wo sie sich vom 5. bis zum 28. Juni 1932 aufhielt. In diesem Zeitraum begann die Kommission, das gesammelte Dokumentationsmaterial zu analysieren. Außerdem hielt die Kommission zwei Konferenzen ab, wobei Gesprächspartner erneut der Präsident des chinesischen Regierungsgremiums sowie der chinesische Außen- und der chinesische Finanzminister waren.461 Vom 4. bis zum 15. Juli 1932 besuchte die Kommission erneut Tokio. Dort traf sie mit den Mitgliedern der japanischen Regierung zusammen, die zwischenzeitlich gewechselt hatte. Treffen wurden mit dem Premierminister, mit dem Außenminister sowie mit dem Kriegsminister abgehalten. Hierbei konnte die Kommission vieles über die Sichtweise und die Politik der gegenwärtigen japanischen Regierung in Bezug auf die Entwicklung der Situation in der Mandschurei sowie in Bezug auf die chinesisch-japanischen Beziehungen in Erfahrung bringen.462 In der Folge kehrte die Kommission nochmals nach Peking zurück. Dort arbeitete die Kommission an dem Entwurf des Abschlussberichts.463 Neben den verschiedenen Befragungen sammelte die Kommission noch eine Vielzahl von schriftlichen Beweisen, darunter Flugblätter, Petitionen, Bittgesuche sowie Briefe. Allein während des Aufenthaltes in der Mandschurei gingen der Kommission etwa 1.550 Briefe in chinesischer und 400 Briefe in russischer Sprache zu, daneben noch eine größere Anzahl von Briefen, die in englischer, französischer und japanischer Sprache verfasst waren. Der japanische und der chinesische Assessor brachten außerdem während der gesamten Untersuchungszeit eine große Anzahl dokumentarischen Beweismaterials bei.464
460 461 462 463 464
League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 11. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 12. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 12. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 12. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 12.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
4. Ergebnisse der Untersuchung a) Die Untersuchungskommission legte schließlich einen 139 Seiten starken Abschlussbericht vor,465 der von den Kommissionsmitgliedern am 4. September 1932 unterschrieben wurde.466 Dem Bericht wurden insgesamt vierzehn Landkarten sowie eine Reihe von Sonderstudien zu Einzelfragen beigegeben. Nach der Einleitung467 gliederte sich der Abschlussbericht der Untersuchungskommission in zehn Kapitel: Im ersten Kapitel468 wurde die geschichtliche Entwicklung Chinas wiedergegeben, wobei der Schwerpunkt auf den – zum Untersuchungszeitpunkt gegenwärtigen – politischen Verhältnissen in China lag. Im zweiten Kapitel469 wurde die Mandschurei sowie deren Beziehungen mit dem übrigen China und mit Russland beschrieben. Das dritte Kapitel470 war den Beziehungen zwischen Japan und China im Hinblick auf die Mandschurei vor dem 18. September 1931 gewidmet. Im vierten Kapitel471 werden die Ereignisse am 18. September 1931 geschildert sowie diejenigen Ereignisse in der unmittelbaren Folge des Zwischenfalls. Inhalt des fünften Kapitels472 war die Situation hinsichtlich Shanghai. Das sechste Kapitel473 war der Entstehung der (damals) gegenwärtigen politischen Situation von Mandschuko gewidmet. Im siebten Kapitel474 wurde japanische und chinesische Wirtschaftspolitik beschrieben. Im achten Kapitel475 wurde speziell den ökonomischen Interessen in der Mandschurei nachgegangen. Im neunten Kapitel476 stellte die Kommission Grundsätze und Bedingungen für eine Beilegung des Konfliktes vor. Das zehnte Kapitel477 enthielt die Überlegungen und Vorschläge der Kommission im Hinblick auf die untersuchte Situation an den Rat des Völkerbundes. b) Das neunte Kapitel war durchzogen von einer Beschreibung der Verfahrenheit der Situation hinsichtlich der Mandschurei. Die dort aufeinanderprallenden Interessen der verschiedenen Akteure sowie die historischen und politischen Entwicklungen ließen es für die Kommission schwer erscheinen, zu Lösungen für den Konflikt zu kommen. Eine Rückkehr zum Status vor dem September 1931 schloss die 465
Appeal by the Chinese Government – Report of the Commission of Inquiry, League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932. 466 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 139. 467 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 5 ff. 468 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 13 ff. 469 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 24 ff. 470 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 37 ff. 471 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 66 ff. 472 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 84 ff. 473 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 88 ff. 474 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 112 ff. 475 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 121 ff. 476 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 126 ff. 477 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 132 ff.
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Kommission aus.478 Insgesamt konnte die Kommission letztendlich jedoch zehn Bedingungen benennen, unter denen eine befriedigende Lösung möglich sei:479 Erstens müsse beiden Staaten die gleiche Aufmerksamkeit durch den Völkerbund zuteilwerden. Eine Lösung, von der nicht beide Seiten profitierten, würde nicht zum Frieden beitragen. Zweitens müssten auch die Interessen der Sowjetunion bei einem Friedensschluss zwischen China und Japan berücksichtigt werden. Drittens sollte eine Lösung bestehende multilaterale Verträge berücksichtigen. Viertens seien die Rechte und Interessen Japans in der Mandschurei anzuerkennen. Diese dürften nicht ignoriert werden. Fünftens müssten neue Vertragswerke zwischen China und Japan begründet werden, welche die Rechte, Interessen und Verantwortlichkeiten der beiden Staaten in Bezug auf die Mandschurei festlegten und so helfen würden, zukünftige Friktionen zu vermeiden sowie gegenseitiges Vertrauen und Kooperation wiederherzustellen. Sechstens sollten Vorschriften für die zügige Erledigung von kleineren Streitigkeiten zwischen den beiden Staaten geschaffen werden. Siebtens sollte die Regierung der Mandschurei dergestalt umgeformt werden, dass das Gebiet zwar in China integriert bliebe, jedoch ein hoher Grad an Autonomie zu gewähren sei. Achtens wurde vorgeschlagen, die interne Ordnung in der Mandschurei durch eine effektive und lokale Gendarmerie abzusichern und die externe Sicherheit des Gebietes durch den Abzug aller bewaffneten Kräfte – außer der Gendarmerie – sowie durch den Abschluss eines Nicht-Aggressions-Vertrages zwischen an einem solchen Vertrag interessierten Staaten zu gewährleisten. Neuntes wurde eine wirtschaftliche Annäherung zwischen China und Japan befürwortet, die vom Abschluss neuer Handelsverträge befördert werden sollte. Zehntens sollte vorübergehende internationale Kooperation bei dem internen Wiederaufbau Chinas geleistet werden. c) Im zehnten Kapitel bot die Kommission verschiedene Vorschläge an, die sich positiv auf die Situation hinsichtlich der Mandschurei auswirken sollten.480 Zunächst stellte die Kommission allerdings fest, dass es nicht zu ihrer Funktion gehöre, solche Vorschläge für diesen Streit den Regierungen von China und Japan direkt zu unterbreiten.481 Daher würden die Vorschläge dem Völkerbundrat vorgelegt, um dem geeigneten Organ, namentlich dem Rat, zu helfen, definitive Vorschläge zu machen, die den Parteien des Streits vorgelegt werden könnten. Konkret schlug die Kommission vor, dass der Rat zunächst die Regierungen von Japan und China zu einer Diskussion ihrer Probleme einladen solle.482 In einem nächsten Schritt sollte so schnell als möglich eine Konferenz veranstaltet werden, auf der ein Sonderregime für die Mandschurei diskutiert werden solle und entsprechende Vorschläge abgeben werden sollten. Bei einer solchen Konferenz sollten, neben Delegationen der beiden streitenden Staaten, auch Repräsentanten der lokalen Bevölkerung zugegen sein, 478
League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 127, 130. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 130 f. 480 Vgl. auch Chi-Hua Tang, in: Bardo Fassbender/Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, S. 701 (709). 481 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 132. 482 League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 132. 479
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sowie, wenn sich die Parteien hierauf einigen könnten, neutrale Beobachter. Falls auf der Konferenz hinsichtlich einzelner Punkte kein Ergebnis erzielt werden könne, solle der Rat des Völkerbundes versuchen, eine Lösung der Frage zu erreichen.483 Zusätzlich zu der beratenden Konferenz, sollte die Mandschurei-Frage weiterhin zwischen Japan und China bezüglich ihrer jeweiligen Rechte und Interessen in diesem Gebiet separat verhandelt werden.484
C. Schlussbetrachtung Internationale Untersuchungskommissionen wurden vom Völkerbund vielfach mit großem Erfolg eingesetzt, um zum einen unparteiische und vertrauenswürdige Informationen über einen Konflikt zur erhalten und zum anderen, um eine Beruhigung der betreffenden Konflikte zu erzielen.485 (1) Die Untersuchungskommission zum Status der Åland-Inseln486 legte insoweit den Grundstein für die Regelung des finnisch-schwedischen Konflikts um die Inselgruppe. Dem Untersuchungsbericht der Kommission folgend, entschied der Völkerbund am 24. Juni 1921, dass die Souveränität Finnlands über die Åland-Inseln anzuerkennen sei. Finnland müsse jedoch Maßnahmen zum Schutz der Inselbevölkerung treffen, namentlich zum Erhalt der schwedischen Sprache und zum Schutz von Grundeigentum sowie zum Erwerb von selbigem. Außerdem solle ein internationales Abkommen das britisch-französisch-russische Abkommen von 1856 über die Demilitarisierung, die Nichtbefestigung sowie den neutralen Status der Inseln ersetzen.487 Bereits am 27. Juni 1921 wurde das sog. Åland-Abkommen verabschiedet, in dem Finnland das Recht auf schwedisch-sprachigen Unterricht in den Schulen garantierte und verschiedene Regelungen zum Grundeigentum getroffen wurden.488 Zudem wurde am 21. Oktober 1921 zwischen Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Polen, Schweden und dem Vereinigten Königreich das Abkommen betreffend die Nichtbefestigung und Neutralisierung der Åland-Inseln abgeschlossen.489 Hiernach ist Finnland nicht berechtigt, den Archipel zu befestigen oder auf ihm Armee- oder Marinebasen zu errichten oder zu unterhalten, außer wenn solche Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung beziehungsweise der Sicherheit in dem Gebiet erforderlich sind. Zudem wurde in dem Abkommen auch das Recht zur friedlichen Passage von Kriegsschiffen sowie von Flugzeugen des Militärs und der Marine festgehalten. In Kriegszeiten ist Finnland außerdem nach dem Abkommen berechtigt, die Gewässer um die Åland-Inseln zu verminen, um so die 483 484 485 486 487 488 489
League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 132. League of Nations Doc. C.663.M.320.1932.VII vom 1. Oktober 1932, S. 132 f. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10. 3. Teil § 1 B. I. League of Nations-Official Journal September 1921, S. 699. League of Nations-Official Journal September 1921, S. 701. Leage of Nations Treaty Series Vol. IX, Nr. 213.
§ 1 Der Völkerbund
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Neutralität des Territoriums sicherzustellen. Weitere internationale und innerfinnische Rechtsakte folgten. Der besondere Status der Inselgruppe wird bis heute garantiert und respektiert.490 (2) Die Untersuchungskommission im Fall der Probleme an den Grenzen von Albanien491 trug wesentlich zum Abbau der dort bestehenden Spannungen und, durch ihre Kontrollen der bestehenden demilitarisierten Zone, zur Truppenentflechtung zwischen Albanien und den Kräften des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen bei, auch wenn letztere sich nur unter Protest zurückzogen.492 (3) Der Bericht der Untersuchungskommission für die Frage der Zugehörigkeit des Mossul-Territoriums493 bildete mit seinem Festlegungen und Empfehlungen den ersten Schritt zu einer Beilegung der Territorialstreits. Der Rat des Völkerbundes studierte den Bericht der Wirsen-Kommission im September 1925.494 Im Anschluss ersuchte der Rat den Ständigen Internationalen Gerichtshof um ein Gutachten hinsichtlich der Kompetenzen und der Verfahren nach Artikel 3 Abs. 2 des Vertrages von Lausanne. Nachdem der Gerichtshof sein Gutachten erstattet hatte,495 indem die Zuständigkeit des Rates zur Lösung der Territorialfrage bejaht wurde, kam der Rat des Völkerbundes zu dem Ergebnis, dass er eine Entscheidung zu fällen hätte, die im Wesentlichen mit dem Wirsen-Bericht in Übereinstimmung stehen sollte.496 Am 16. Dezember 1925 entschied der Rat des Völkerbundes schließlich, dass das Gebiet von Mossul an den Irak fallen solle, unter der Bedingung, dass das britische Mandat, wie im Wirsen-Bericht gefordert, für 25 Jahre fortbestehen bleibe, es sei denn, dass der Irak zu einem früheren Datum Mitglied des Völkerbundes würde.497 Ein entsprechender anglo-irakischer Vertrag wurde dann auch am 13. Januar 1926 unterzeichnet.498 Am 11. März 1926 wurde das umstrittene Gebiet dann vom Rat des Völkerbundes endgültig dem Irak zugesprochen.499 (4) Die Untersuchungskommission des Völkerbundes, die zur Untersuchung des DemirKapu-Zwischenfalles eingesetzt worden war,500 war Teil der erfolgreichen Konfliktlösung zwischen Griechenland und Bulgarien, da die Kommission auf neutraler Grundlage zu zahlende Entschädigungen berechnete und zudem Licht in die tieferen Hintergründe dieses Konflikts brachte. (5) Die einzige der dargestellten Kommis490
Vgl. hierzu Sten Harck, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 9 ff. 491 3. Teil § 1 B. II. 492 Vgl. F. S. Northedge, The League of Nations: Its Life and Times: 1920 – 1946, S. 103 ff. 493 3. Teil § 1 B. III. 494 Vgl. Quincy Wright, American Journal of International Law 20 (1926), S. 453 (453 f.). 495 PICJ, Article 3, Paragraph 2, of the Treaty of Lausanne, Gutachten vom 21. November 1925, PCIJ Series B. – No. 12. 496 League of Nations-Monthly Summary December 1925 Vol. 5, S. 325. 497 League of Nations-Monthly Summary December 1925 Vol. 5, S. 325 f. 498 League of Nations Treaty Series Vol. XLVII, S. 419 f. 499 Vgl. Quincy Wright, American Journal of International Law 20 (1926), S. 453 (453 Fn. 2). 500 3. Teil § 1 B. IV.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
sion, die keinen Beitrag zu einer erfolgreichen Konfliktlösung durch den Völkerbund leisten konnte, war die Lytton-Kommission.501 Noch bevor der Bericht der Kommission, deren Errichtung Japan selbst vorgeschlagen hatte, öffentlich wurde, intensivierte die japanische Regierung ihre Beziehungen zu dem in der Mandschurei errichteten Marionettenstaat Mandschuko. Als in der Versammlung des Völkerbundes der Bericht der Lytton-Kommission beraten wurde und sich abzeichnete, dass die Versammlung die japanische Aggression gegen China verurteilen könnte, verließ die japanische Delegation den Saal. Schließlich erklärte Japan am 27. März 1933 seinen Rückzug aus dem Völkerbund.502 Nach dem Ausscheiden aus dem Völkerbund setzte das Kaiserreich Japan seine Aggressionspolitik gegen China fort. Diese Politik, die später noch auf weitere Teile Ost- und Südostasiens und die Inseln im Pazifik erstreckt wurde, mündete schließlich in den Zweiten Weltkrieg auf dem asiatisch-pazifischen Kriegsschauplatz. Im Hinblick auf die Errichtung, Arbeitsweise, Verfahren und Akzeptanz der Tätigkeit von Untersuchungskommissionen des Völkerbundes können auf der Grundlage der dargestellten Fälle folgende Beobachtungen getroffen werden: I. Als institutioneller Hauptakteur des Völkerbundes legte dessen Rat die Mandate der Untersuchungskommissionen fest.503 Hierbei waren die Mandate in ihrem Wortlaut stets auf die konkret zu untersuchende Situation zugeschnitten; eine Standardformel, die vom Rat des Völkerbundes genutzt wurde, gab es insoweit nicht. Neben dem eigentlichen Untersuchungsauftrag bezüglich eines bestimmten Sachverhalts, der allen Kommissionen gemein war, waren einige Kommissionen auch mit weitergehenden, durch das Mandat vermittelten Tätigkeiten befasst. So hatte etwa die Kommission zur Untersuchung des Demir-Kapu-Zwischenfalles mandatsgemäß Entschädigungssummen festzusetzen.504 Die Kommissionen waren zudem regelmäßig nicht nur mit einem Mandat zur reinen Sachverhaltsfeststellung ausgestattet, sondern sollten Empfehlungen abgeben, die zur Lösung der jeweiligen Konfliktlage beitragen sollten.505 Zwar wurde nicht immer expressis verbis um die Abgabe von Empfehlungen durch die jeweilige Kommission gebeten, jedoch ergab sich aus dem Wortlaut der Mandate, dass solche Empfehlungen gewünscht waren. So sollte etwa die Åland-Kommission506 den Rat des Völkerbundes mit solchen Informationen versorgen, die den Rat in die Lage versetzen würden, für eine Lösung des Konflikts und die Erhaltung eines friedlichen Klimas in dem betroffenen Teil der Welt zu 501
3. Teil § 1 B. V. Vgl. näher F. S. Northedge, The League of Nations: Its Life and Times: 1920 – 1946, S. 156 ff.; Frederick V. Field, Pacific Affairs 10 (1937), S. 377 ff. 503 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 504 3. Teil § 1 B. IV. 2. 505 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 506 3. Teil § 1 B. I. 2. 502
§ 1 Der Völkerbund
345
sorgen. Ausdrücklich wurden die Mossul-Kommission507 und die Demir-KapuKommission508 mit der Abgabe von Empfehlungen gegenüber dem Rat des Völkerbundes beauftragt. II. Die dargestellten Untersuchungskommissionen des Völkerbundes waren stets mit einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern besetzt.509 Die Kommissionen zum Status der Åland-Inseln,510 zur Untersuchung der albanischen Grenzprobleme511 sowie zu dem turko-irakischen Streit über das Mossul-Territorium512 hatten jeweils drei Mitglieder; die Kommission zur Untersuchung des Demir-Kapu-513 beziehungsweise des Mukden-Zwischenfalles514 jeweils fünf. So konnte bei Abstimmungen innerhalb der Kommission jeweils keine Stimmgleichheit entstehen. Die Kommissionen waren dabei stets international mit Mitgliedern aus verschiedenen Staaten besetzt. In den dargestellten Kommissionen waren je zweimal Mitglieder aus Belgien, Frankreich, Schweden, Italien, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich vertreten; je einmal stammten Kommissionsmitglieder aus Finnland, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und Ungarn. Die Kommissionen wurden somit aus Einzelpersonen gebildet und nicht etwa den Staaten, die im Rat des Völkerbundes zu dem jeweiligen Zeitpunkt einen Sitz hatten, und die dann ihrerseits Personen in die Kommissionen entsandten.515 Weiterhin sind noch zwei Beobachtungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeiten der Kommissionsmitglieder aufschlussreich. Erstens stammten sie alle aus europäischen Staaten beziehungsweise in zwei Fällen aus einem Staat in Nordamerika. Mitglieder aus anderen Kontinenten waren nicht vertreten. Dieser Befund könnte deshalb verwundern, weil auch Staaten aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien dem Völkerbund angehörten.516 So waren bereits die lateinamerikanischen Staaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Kolumbien, Kuba, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela und der afrikanische Staat Liberia sowie die asiatischen Staaten China, 507
3. Teil § 1 B. V. 2 3. Teil § 1 B. IV. 2. 509 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 510 3. Teil § 1 B. I. 2. 511 3. Teil § 1 B. II. 2. 512 3. Teil § 1 B. III. 2. 513 3. Teil § 1 B. IV. 2. 514 3. Teil § 1 B. V. 2. 515 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 516 Zur Mitgliedschaft im Völkerbund etwa Christian J. Tams, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 7 ff.; eine Mitgliederliste aus der Spätzeit des Völkerbundes findet sich etwa in: League of Nations Statistical Yearbook 1942 – 1944, S. 291. 508
346
3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Japan, Persien und Siam im Jahr 1920 Gründungsmitglieder des Völkerbundes. Hinzu kamen die separaten Mitgliedschaften für Australien, Neuseeland, Kanada, Indien und Südafrika als Mitglieder des Britischen Empire. Dass aus den genannten Staaten keine Mitglieder in die Untersuchungskommissionen berufen wurden, wird man zum einen dem damals vorherrschenden politischen Eurozentrismus zuzuschreiben haben, bei dem Europa mit seinen zahlreichen Kolonialmächten als das Zentrum der Welt gesehen wurde und die europäischen Mächte das größte weltpolitische Gewicht besaßen. Zum anderen kann aber noch ein anderer, eher praktischer Grund anzuführen sein. Mit Ausnahme des Mukden-Zwischenfalles fanden alle Streitigkeiten, die den Einsetzungen der hier dargestellten Untersuchungskommissionen zugrunde lagen, in Europa beziehungsweise in einem Fall im Vorderen Orient statt. Legt man nun zugrunde, dass Fernreisen in den 1920er und frühen 1930er Jahren in der Regel noch per Schiff unternommen werden mussten, wird deutlich, dass allein die Anreise etwa eines Universitätsprofessors aus Peru oder eines Militärexperten aus Persien jeweils eine lange Zeit in Anspruch genommen hätte. Dies hätte den Beginn einer Vor-Ort-Untersuchung entsprechend verzögert. So ist es auch erklärbar, weshalb etwa das US-amerikanische Mitglied der ÅlandKommission ein Diplomat war, der seine Regierung in Konstantinopel vertrat. Zweitens ist es bemerkenswert, dass auch Kommissionsmitglieder aus Staaten ernannt wurden, die niemals Mitglieder des Völkerbundes waren. Dies gilt für die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Berufung der Mitglieder in diese Kommissionen hatte zwei Vorteile, zum einen wurde so ein noch neutraleres Element in die Untersuchung eingebracht, zum anderen konnten so im Einzelfall die Interessen der betroffenen Staaten an der einschlägigen Untersuchung Berücksichtigung finden. Dies war etwa bei der Untersuchungskommission zum MukdenZwischenfall und in Bezug auf die Vereinigten Staaten von Amerika der Fall. Hinsichtlich der Qualifikationen der Mitglieder der Kommissionen wurde bei deren Auswahl großer Wert auf Erfahrungen in den Bereichen Politik, Diplomatie und, in den einschlägigen Fällen, auch auf militärische Expertise gelegt.517 Somit wurde stets angestrebt, die Kommissionen so zusammenzusetzten, dass eine der jeweiligen Situation angemessene Durchmischung der Qualifikationen der Kommissionsmitglieder erreicht wurde. Besonders stark war das Element der militärischen Expertise bei der Kommission zur Untersuchung des albanisch-serbischkroatisch-slowenischen Grenzkonflikts518 ausgeprägt, da in der Kommission zwei von drei Mitgliedern militärische Offiziersränge bekleideten. Dies war angesichts der militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Streitparteien vor der Ankunft der Kommission im Konfliktgebiet eine nachvollziehbare Kommissionsbesetzung. Ebenfalls sehr stark stach das militärische Element bei der Demir-KapuKommission519 hervor, in der zwei von fünf Mitgliedern Offiziere waren. Auch hier 517 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 518 3. Teil § 1 B. II. 2. 519 3. Teil § 1 B. IV. 2.
§ 1 Der Völkerbund
347
war eine solche Besetzung nachvollziehbar, da es bei dieser Untersuchung, in Ansehung der Kampfhandlungen zwischen Bulgarien und Griechenland, auch stark um militärische Aspekte ging. Die Besetzung der Kommissionen mit ehemaligen Spitzenpolitikern, in den Fällen der Åland-520 und der Mossul-Kommission521 sogar mit ehemaligen Regierungschefs, hatte zwei Vorteile. Auf der einen Seite brachten sie der Kommission ein gewisses Prestige, auf der anderen Seite konnte von diesen Personen erwartet werden, dass sie über große Erfahrungen bei der Lösung politischer Konflikte verfügten. Die Berufung von Personen aus dem Bereich der Diplomatie in die Kommissionen, zum Beispiel in die Åland-, die Demir-Kapu- und die Mossul-Kommission, vermag wenig zu überraschen. Aufgrund ihres beruflichen Hintergrundes und der damit verbundenen Kenntnisse in den Bereichen der internationalen Beziehungen und des internationalen Rechts konnte sie wertvolles Wissen und wertvolle Erfahrungen in die jeweilige Kommissionsarbeit einbringen, deren Gegenstand in jedem Fall eine zwischenstaatliche Konfrontation war. III. Zu den die Kommissionstätigkeit unterstützenden Sekretariaten lässt sich aus den Abschlussberichten nur wenig ablesen.522 So wurde der Untersuchungskommission für die albanischen Grenzprobleme ein Sekretär zugeteilt.523 In der mandatierenden Resolution des Völkerbundrates zur Untersuchung hinsichtlich der Zugehörigkeit des Mossul-Territoriums524 war ausdrücklich der Generalsekretär des Völkerbundes beauftragt worden, die Kommission mit dem notwendigen Personal für die Untersuchung auszustatten. Der Untersuchungskommission bezüglich des Demir-Kapu-Zwischenfalles waren ein Sekretär und drei Assistenzsekretäre aus dem Sekretariat des Völkerbundes zugeordnet.525 Unter den Assistenzsekretären waren dabei zwei Sekretariatsmitglieder, die militärische Ränge bekleideten. Dies zeigt, dass diese Kommission nicht nur mit den von einem Kommissionssekretariat üblicherweise durchgeführten administrativen Fähigkeiten ausgestattet war, sondern auch in diesem Falle zusätzliches militärisches Fachwissen für den Erfolg der Kommissionsarbeit als wesentlich eingeschätzt wurde. Die Zurverfügungstellung derartiger zusätzlicher Sachkenntnis war im Angesicht der dem Fall zugrundeliegenden und zu untersuchenden militärischen Konfrontation zwischen Griechenland und Bulgarien nur konsequent. IV. In einigen Fällen, namentlich bei der Untersuchung des Territorialstreits um das Mossul-Gebiet526 und bei der Untersuchung des Mukden-Zwischenfalls,527 520
3. Teil § 1 B. I. 2. 3. Teil § 1 B. III. 2. 522 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 523 3. Teil § 1 B. II. 2. 524 3. Teil § 1 B. III. 2. 525 3. Teil § 1 B. IV. 2. 526 3. Teil § 1 B. III. 2., 3. 527 3. Teil § 1 B. V. 2., 3. 521
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
wurden den Kommissionen des Völkerbundes jeweils Assessoren beziehungsweise Sachverständige der beiden im Streit liegenden Staaten an die Seite gestellt. Nach den jeweils einschlägigen Resolutionen des Rates des Völkerbundes hatten die jeweiligen Regierungen ein Benennungsrecht für diese Assessoren beziehungsweise Sachverständigen. Dies zeigt, dass die Assessoren beziehungsweise Sachverständigen kein Teil der Untersuchungskommission waren, sondern vielmehr originäre Vertreter und damit Repräsentanten ihrer jeweiligen Staaten. Weiterhin kam den Assessoren beziehungsweise Sachverständigen gemäß den Kommissionsmandaten die Aufgabe zu, die Untersuchungskommissionen bei ihren Ermittlungen vor Ort zu unterstützen und zu beraten. Diese Unterstützungsaufgabe wird bei Betrachtung des entsprechenden Passus im Mandat der Wirsen-Kommission deutlich, wonach die Untersuchungskommission „may avail itself to the services of advisers appointed respectively by each of the two Governments concerned“. Durch die Bereitstellung der Assessoren beziehungsweise Sachverständigen wurde den beiden Untersuchungskommissionen so noch eine besondere Informationsquelle erschlossen, da die Assessoren beziehungsweise Sachverständigen regelmäßig mit den Eigenheiten der zu untersuchenden Situation sowie mit der Position ihrer Regierungen engstens vertraut gewesen sein dürften. V. Hinsichtlich der Beweismittel nutzten die Kommissionen sämtliche der ihnen zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten aus. So lagen der MukdenKommission528 etwa annährend 2.000 Briefe sowie Bittgesuche und Petitionen als schriftliche Beweismittel vor. Die Mossul-Kommission529 sichtete unter anderem Landkarten, Unterlagen einer internationalen Konferenz sowie Bevölkerungsstatistiken, während die Kommission zu dem Åland-Disput530 Informationen aus allen Wissensbereichen sammelte, die für ihre Untersuchung von Bedeutung waren. Alle dargestellten Kommissionen reisten auch in das jeweilige Gebiet, hinsichtlich dessen sie Untersuchungen anstellen sollten. In den Resolutionen, mit denen die Albanien-,531 die Demir-Kapu-532 und die Mukden-Kommission533 eingesetzt wurden, finden sich ausdrücklich Hinweise dazu, dass Vor-Ort-Untersuchungen („on the spot“) vorgenommen werden sollten. Es zeigte sich also bereits in den 1920er Jahren, wie wichtig es ist/war, Informationen nicht nur aus Dokumenten und Aussagen von Diplomaten zu gewinnen, sondern sich an dem Ort, betreffend dessen eine Untersuchung stattfindet, ein Bild von der Lage zu machen. Dabei beschränkten nicht alle Kommissionen ihre Reiseaktivitäten auf das Staatsgebiet des Staates und auf das Gebiet, der beziehungsweise das Gegenstand der Streitigkeit war,
528 529 530 531 532 533
3. Teil § 1 B. V. 3. 3. Teil § 1 B. III. 3. 3. Teil § 1 B. I. 3. 3. Teil § 1 B. II. 3. 3. Teil § 1 B. IV. 3. 3. Teil § 1 B. V. 3.
§ 1 Der Völkerbund
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die zu der Untersuchung führte. So besuchte etwa die Åland-Kommission534 die Hauptstädte der beiden streitenden Staaten, also Stockholm und Helsinki, und die Mukden-Kommission535 reiste nach Tokio und Shanghai. Diese Termine dienten vor allem dem Zusammentreffen mit Regierungsvertretern der streitenden Mächte. In der Arbeit aller Kommissionen gehörten Befragungen und Gespräche mit Repräsentanten der lokalen Bevölkerung, von lokalen Regierungsbeamten oder Militäroffizieren zum Standard der Untersuchung. Besonders intensiv wurde das Gespräch als Informationsquelle von der Wirsen-Kommission536 genutzt, da es zu ihrem Auftrag gehörte, in Erfahrung zu bringen, ob die lokale Bevölkerung des MossulTerritoriums einer Zugehörigkeit des Gebiets zum Irak oder zur Türkei zuneigte. Neben den Gesprächen, zum Beispiel mit Stammesältesten, nutzte diese Kommission den Vor-Ort-Besuch in besagtem Gebiet auch, um, durch Besuche an Orten von wirtschaftlicher Bedeutung, Informationen über volkswirtschaftliche Fragestellungen zu gewinnen. Die Wirsen-Kommission war wohl auch die erste internationale Untersuchungskommission, die ein Flugzeug bestieg, um sich aus der Luft einen Eindruck von den geographischen Gegebenheiten einer zu untersuchenden Region zu machen. Hier zeigte sich bereits zu Zeiten des Völkerbundes, dass Untersuchungskommissionen immer bemüht waren, neue technische Errungenschaften einzusetzen, um das ihnen übertragene Mandat zu implementieren. Aus den Berichten der Untersuchungskommissionen geht regelmäßig nicht hervor, dass sie bei ihrer Arbeit vor Ort behindert wurden.537 Vielmehr wurde in einigen Fällen sogar davon berichtet, dass man der jeweiligen Kommission außergewöhnlich hochachtungsvoll oder sogar begeistert gegenüberstand. So wurde die Albanien-Kommission in Tirana herzlich willkommen geheißen und die WirsenKommission wurde an einem Ort sogar derartig erwartet, dass man der Kommission fälschlicherweise die Übernahme von Regierungsverantwortung zuschrieb. Der Respekt vor der Tätigkeit der Kommissionen lässt sich vor allem aus ihrer oftmals hochrangigen Besetzung sowie aus dem Respekt für die Institution des Völkerbundes erklären, in den anfangs, nachdem in Europa und Teilen des Nahen Ostens der Große Krieg verheerend gewütet hatte, große Hoffnungen auf eine friedliche und prosperierende Zukunft gesetzt wurden. Die Wirsen-Kommission bildet gleichzeitig auch eine Ausnahme von der Regel der behinderungsfreien Kommissionstätigkeit. Dieser Kommission wurden durch die Polizei im Gebiet zu Beginn der Untersuchung noch einige Schwierigkeiten bereitet, welche aber im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht mehr vorhanden waren. VI. Die Berichterstattung aller Kommissionen zeichnete sich stets durch die Darstellung eines umfassenden Bildes der jeweiligen Situation aus. Außer in dem 534
3. Teil § 1 B. I. 3. 3. Teil § 1 B. V. 3. 536 3. Teil § 1 B. III. 3. 537 Vgl. David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 10 f., S. 79 ff. 535
350
3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Bericht der Åland-Kommission538 fand sich in jedem Untersuchungsbericht im ersten Abschnitt eine Wiedergabe des Mandats und eine detailreiche Beschreibung der Durchführung der jeweiligen Untersuchung. Er folgten hierauf jeweils ein Berichtsteil oder mehrere Berichtsteile, in dem beziehungsweise denen die Kommissionen ausführlich die festgestellten Informationen wiedergaben. Die Berichte endeten mit abschließenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Die Empfehlungen waren hierbei jedoch von unterschiedlichem Ausmaß. Während die Albanien-Kommission539 nach ihrer Untersuchung im Wesentlichen nur eine Unterstützung des Balkanstaates durch den Völkerbund empfahl, warteten die Mossul-,540 die Demir-Kapu-541 und die Mukden-Kommission542 mit einer Reihe von komplexen und jeweils ausführlich begründeten Vorschlägen auf, bei denen teilweise sogar das Für und Wider einzelner Detailempfehlungen ausführlich dargelegt wurde.
D. Annex: Das Allgemeine Abkommen zur Verbesserung der Kriegsverhütung Im Rahmen des Völkerbundes wurde ab dem Ende der 1920er Jahre der Versuch unternommen, die bei der Konfliktbewältigung gemachten Erfahrungen, auch im Bereich der Untersuchungen, zu kodifizieren. Am 2. September 1931 wurde das Allgemeine Abkommen zur Verbesserung der Kriegsverhütung in Genf verabschiedet.543 Der Vorschlag zu einem solchen Abkommen war ursprünglich von der deutschen Delegation im Jahr 1928 eingebracht worden, und wurde dann im Ausschuss für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit der Preparatory Commission on Disarmament der Genfer Abrüstungskonferenz vorbereitet.544 Das Abkommen sollte Schwächen des Artikels 11 der Satzung des Völkerbundes ausgleichen, in dem die Vermittlungsrolle des Völkerbundrates bei internationalen Konflikten gestärkt und seinen Entscheidungen zwischen den Vertragsparteien des Abkommens Bindungswirkung zugesprochen wurde.545 Von besonderer Bedeutung waren dabei folgende Regelungen des Abkommens:
538
3. Teil § 1 B. I. 4. 3. Teil § 1 B. II. 4. 540 3. Teil § 1 B. III. 4. 541 3. Teil § 1 B. IV. 4. 542 3. Teil § 1 B. V. 4. 543 Wiedergegeben in: Wilhelm G. Grewe (Hrsg.), Fontes Historiae Iuris Gentium Bd. 3/2 (1815 – 1945), S. 954 ff. 544 David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 83. Siehe zur Einsetzung und Tätigkeit der Vorbereitungskommission auch F. P. Walters, A History of the League of Nations, S. 363 ff. 545 David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 83. 539
§ 1 Der Völkerbund
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„Article 1 Les Hautes Parties contractantes s’engagent, pour le cas où il s’élèverait entre elles un différend dont le Conseil de la Société des Nations serait saisi, à accepter et à mettre à exécution les mesures conservatoires d’ordre non militaire ayant trait à l’objet même du différend que le Conseil, agissant suivant les pouvoirs qu’il tient du Pacte de Société des Nations, pourrait recommander en vue d’empêcher l’aggravation de ce différend. Le Conseil fixera la durée de ces mesures conservatoires. Il pourra la prolonger si les circonstances le rendent nécessaire. Article 2 Si, dans des circonstances qui, de l’avis du Conseil, ne créent pas l’état de guerre entre les Puissances en cause, parties à la présente Convention, les forces d’une de ces Puissances ont pénétré sur le territoire ou dans les eaux territoriales de l’autre, ou dans une zone démilitarisée en vertu d’accords internationaux, on les survole, le Conseil peut prescrire des mesures pour en assurer l’évacuation par lesdites forces. Les Hautes Parties contractantes s’engagent à se conformer sans retard aux mesures qui seront ainsi prescrites sans préjudice des autres pouvoirs que le Conseil tient de l’article 11 du Pacte. Article 3 Si les circonstances visées à l’article 2 se sont produites ou si, en cas de menace de guerre, les conditions particulières, et, notamment, les possibilités de contact entre les forces des parties en cause le rendent nécessaires, le Conseil pourra fixer les lignes qui ne devront pas être dépassées par les forces terrestres, navales ou aériennes, ainsi que, en tant que besoin, pour éviter les incidents, par les aéronefs civils. Les Hautes Parties contractantes s’engagent à se conformer aux recommandations du Conseil à ce sujet. Les lignes visées à l’alinéa précédent seront fixées, si possible, d’un commun accord avec les parties en cause. A défaut de pareil accord, le Conseil fixera ces lignes avec l’assentiment de la partie dont les forces sont visées, étant entendu qu’il n’en résultera pas le retrait des forces en arrière des limites extérieures des organisations défensives existant aux frontières des Hautes Parties contractantes intéressées, au moment où le Conseil de la Société des Nations prend sa décision, et que ces lignes ne comporteront l’abandon d’aucun autre ouvrage position ou ligne de communication essentiels pour la sécurité ou le ravitaillement de la partie intéressée. Il appartiendra, en tout cas, au Conseil de déterminer le délai dans lequel lesdites lignes seront fixées dans le conditions ci-dessus indiquées. Les Hautes Parties contractantes conviennent, enfin, de donner aux commandants des leurs forces, si le Conseil le leur recommande, l’ordre catégorique de prendre toutes les précautions nécessaires pour éviter des incidents.“
Zur Überprüfung der einstweiligen Maßnahmen des Völkerbundrates wurde in Artikel 4 des Abkommens die Möglichkeit der Entsendung von Kommissaren zur Inspektion der Maßnahmen vorgesehen: „Le Conseil désignera, s’il le juge utile, ou si une des parties en cause le demande avant que le Conseil ait pris une des décisions visées aux article 2 et 3, des commissaires chargés exclusivement de constater sur les lieux l’exécution des mesures conservatoires d’ordre militaire recommandées par le Conseil dans les conditions indiquées dans les articles 2 et 3.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
En réglant l’exécution des mesures qu’il aura prescrites, il appartiendra au Conseil, sur la demande motivée d’une Haute Partie contractante partie aus différend, de faire coïncider cette exécution, autant qu’il le jugera nécessaire, avec l’arrivée des commissaires sur les lieux. Les Hautes Parties contractante s’engagent à accorder à ces commissaires toutes facilitées pour l’accomplissement de leur mission. Ces commissaires ne pourront procéder à une inspection plus étendue qu’il n’est nécessaire pour accomplir la mission définie dans le paragraphe premier. Ils ne pourront procéder non plus à aucune inspection d’une base navale or aérienne ni à une inspection d’ouvrages ou d’établissements militaires dans un but autre que la constatation de retrait des forces. Les règles à suivre pour la constitution et pour le fonctionnement des commissions de surveillance feront l’objet d’un règlement d’application qui sera préparé par les organismes compétents de la Sociétés des Nations, de manière à pouvoir entrer en vigueur en même temps que la présente Convention.“
Die zu Artikel 4 verabschiedeten Ausführungsbestimmungen546 wurden nicht abstrakt verfasst, sondern basierten auf den Erfahrungen, welche der Völkerbund seit der Åland-Untersuchung gemacht hatte.547 In den Bestimmungen sind Regeln über die Bildung und die Arbeit von Inspektionskommissionen enthalten. Diese beinhalten insgesamt fünf Kapitel mit 19 Artikeln. Das erste Kapitel beinhaltet Regelungen über die Errichtung und Besetzung der Inspektionskommission, die Regeln des zweiten Kapitels sind der Kommissionsarbeit gewidmet, im dritten Kapitel sind Vorschriften über die Erleichterungen niedergelegt, welche der Kommission von den streitenden Parteien zu gewähren sind, das vierte Kapitel beinhaltet zwei Artikel über den Abschlussbericht der Kommission und die Regeln des fünften Kapitels sind dem Kommissionssekretariat und Finanzfragen gewidmet. Von den in dem Abkommen niedergelegten Mechanismen zur Kriegsverhütung wurde niemals Gebrauch gemacht. Zwar wurde von einigen Seiten die Hoffnung geäußert, dass diese im Konflikt zwischen Japan und China um die Mandschurei eingesetzt werden könnten, um dort positiv auf die Lage einzuwirken,548 jedoch wurden die zehn zum Inkrafttreten des Abkommens notwendigen Ratifikationen niemals erreicht.549
§ 2 Die Vereinten Nationen Die Vereinten Nationen verfügen heute über eine reichhaltige Erfahrung im Bereich der Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen und der 546 Die Ausführungsbestimmungen sind niedergelegt in: League of Nations Doc. Conf. D.119 vom 30. Mai 1932. 547 David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 83. 548 David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 85. 549 David D. Wainhouse, International Peace Observation – A History and Forecast, S. 83.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Begleitung der entsprechenden Untersuchungsverfahren. Die Vielgestaltigkeit der Praxis der Vereinten Nationen beim Umgang mit solchen Kommissionen ist zum einen dem langen Bestehen der Weltorganisation geschuldet, zum anderen deren in Artikel 1 ihrer Charta genannten Zwecken und Zielen in den internationalen Beziehungen.550 Wie in der Folge zu zeigen sein wird, setzten die Organe der Vereinten Nationen und ihre Nebenorgane Kommissionen zur Tatsachenermittlung in verschiedenen Situationen ein. Es handelte sich in der Vergangenheit um Untersuchungen zu politischen Fragen, wie etwa zu Grenzverletzungen zwischen zwei Staaten, zu Söldneraktivitäten oder im Kontext der Tötung von bedeutenden Personen, zu Dekolonialisierungsfragen sowie zu Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts.
A. Kompetenzgrundlagen für die Einsetzung internationaler Untersuchungskommissionen Die Vereinten Nationen verfügen, wie zahlreiche andere internationale Organisationen, über eine Reihe von Organen zur Erfüllung ihrer Aufgaben.551 Nach Artikel 7 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen sind dies die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Treuhandrat, der Internationale Gerichtshof sowie das Sekretariat. Dabei legt die Charta der Vereinten Nationen einen Rahmen für die Aufgaben und Kompetenzen der Organe fest, an den diese gebunden sind.552 Artikel 7 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen sieht zudem vor, dass Nebenorgane in Übereinstimmung mit der Charta geschaffen werden können. 550
Artikel 1 des Charta der Vereinten Nationen lautet: „The Purposes of the United Nations are: 1. To maintain international peace and security, and to that end: to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, and to bring about by peaceful means, and in conformity with the principles of justice and international law, adjustment or settlement of international disputes or situations which might lead to a breach of the peace; 2. To develop friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and selfdetermination of peoples, and to take other appropriate measures to strengthen universal peace; 3. To achieve international co-operation in solving international problems of an economic, social, cultural, or humanitarian character, and in promoting and encouraging respect for human rights and for fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion; and 4. To be a centre for harmonizing the actions of nations in the attainment of these common ends.“ 551 Jan Klabbers, An Introduction to International Organizations Law, S. 207; Matthias Ruffert/Christian Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, Rn. 287; Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 296 Rn. 119; Andreas von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 121; Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rn. 47, 132. 552 So ausdrücklich Jörg Fröh, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nach dem 11. September 2001, S. 136.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Im Rahmen des Kompetenzgefüges der Vereinten Nationen ist die Kompetenz zur Durchführung von Untersuchungen beziehungsweise zur Einsetzung einer Untersuchung zum Teil expressis verbis in der Charta der Weltorganisation beziehungsweise dem Statut des Internationalen Gerichtshofs niedergelegt. Soweit dies nicht der Fall ist, wird regelmäßig zur Begründung einer entsprechenden Kompetenz auf die sog. Implied-Powers-Lehre zurückgegriffen. Hiernach sind einer Internationalen Organisation beziehungsweise ihren Organen auch solche Kompetenzen zuzugestehen, die die Organisation beziehungsweise ein Organ zur Wahrnehmung ihrer beziheungsweise seiner Aufgaben benötigt, die ihr beziehungsweise ihm in dem Gründungsdokument der Organisation aber nicht ausdrücklich zugestanden wurden.553 Bereits in seinem Gutachten zur Frage „Reparation for injuries suffered in service of the United Nations“ vom 11. April 1949 führte der Internationale Gerichtshof hierzu – in Bezug auf die Vereinten Nationen – die bekannte Formel aus: „[U]nder international law, the Organization must be deemed to have those powers which, though not expressly provided in the Charter, are conferred upon it by necessary implication as being essential to the performance of its duties“.554
I. Generalversammlung Keine ausdrücklichen Befugnisse zu Untersuchungen erkennt die Charta der Vereinten Nationen der Generalversammlung zu.555 Jedoch besitzt diese eine implizite Befugnis,556 welche aus den Artikeln 10, 11 und 14 der Charta der Vereinten Nationen hergeleitet werden kann.557 Insoweit ist zu beachten, dass die Generalversammlung nach Artikel 10 der Charta der Vereinten Nationen jede Frage oder jede Angelegenheit diskutieren kann, die sich im Anwendungsbereich der Charta befindet oder welche die Kompetenzen und Funktionen eines jeden Organs betrifft, das durch die Charta verfasst ist. Hierzu können hinsichtlich der betreffenden Angelegenheit oder Frage Vorschläge an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen oder an den Sicherheitsrat gerichtet werden. Spezifischer sieht Artikel 11 Abs. 2 S. 1 der Charta vor, dass die Generalversammlung grundsätzlich jede auf die Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens gerichtete Frage, die ihr von einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, vom Sicherheitsrat oder, nach 553 Theodor Schweisfurth, Völkerrecht, S. 403; Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 266 Rn. 39; Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rn. 66; Stefan Kadelbach, in: Bruno Simma/DanielErasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Interpretation Rn. 33. 554 ICJ, Reparation for injuries suffered in service of the United Nations, Gutachten vom 11. April 1949, ICJ Reports 1949, S. 174 (182). 555 Vgl. auch Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 85. 556 Vgl. Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (437); Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (525). 557 William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 93.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Maßgabe des Artikels 35 Abs. 2 der Charta, einem Nichtmitgliedstaat der Vereinten Nationen vorgelegt wurde, diskutieren kann.558 Schließlich sieht Artikel 14 der Charta der Vereinten Nationen noch vor, dass die Generalversammlung Maßnahmen zur friedlichen Beilegung jeder Situation empfehlen kann, gleichviel wie sie entstanden ist, wenn diese Situation nach Auffassung der Versammlung geeignet ist, das allgemeine Wohl oder die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Nationen zu beeinträchtigen, wobei dies auch für solche Situationen gilt, die aus einer Verletzung der Bestimmungen der Charta über die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen entstehen. Auch hier kann die Generalversammlung Empfehlungen im Hinblick auf die diskutierte Frage an den von dieser Frage betroffenen Staat beziehungsweise an die von ihr betroffenen Staaten sowie an den Sicherheitsrat abgeben.559 Die Abgabe solcher Empfehlungen und die Durchführung vorausgehender Diskussionen, jeweils im Sinne der drei aufgezeigten Regelungen der Charta, setzt dabei eine ausreichende Information der Generalversammlung voraus.560 Daher muss es der Generalversammlung möglich sein, Untersuchungen in Auftrag zu geben. Für die Realisierung von Untersuchungen zur Informationsbeschaffung stehen der Generalversammlung mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:561 Sie kann zum ersten den Generalsekretär mit der Benennung eines Fact-Finding-Gremiums beauftragen, sie kann zum zweiten dem Sicherheitsrat vorschlagen, Untersuchungen durchzuführen, und sie kann zum dritten nach Maßgabe des Artikels 22 in Verbindung mit Artikel 7 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen selbst ein Nebenorgan einsetzen, um Untersuchungen durchzuführen.
II. Sicherheitsrat Dem Sicherheitsrat stehen „deux systèmes parallèles d’enquête“562 zur Verfügung, um Untersuchungen durch internationale Kommissionen durchführen zu lassen. Die Kompetenzen hierzu ergeben sich zum einen aus Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen, und zum anderen aus einer impliziten Befugnis des Sicherheitsrates.
558 Eine Ausnahme besteht nach Artikel 11 Abs. 2 S. 1 der Charta der Vereinten Nationen nur dann, wenn der Sicherheitsrat nach Maßgabe seiner ihm in der Charta der Vereinten Nationen übertragenen Funktionen mit einer Streitigkeit oder Situation befasst ist. In dieser Situation darf die Generalsammlung gemäß Artikel 12 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen keine Empfehlungen abgeben, es sei denn, sie wird vom Sicherheitsrat darum ersucht. 559 Allerdings steht die Empfehlungskompetenz auch hier unter dem Vorbehalt des Artikels 12 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen. 560 So auch Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (437). 561 Vgl. Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (438). 562 Sofiène Bouiffror, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), Le Charte des Nations Unies, Art. 34 S. 1061 (1062).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
1. Untersuchungen auf der Grundlage von Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen Eine Untersuchungskompetenz wird expressis verbis in der Charta der Vereinten Nationen nur einem einzigen Organ zuerkannt, nämlich dem Sicherheitsrat gemäß Artikel 34563 : „The Security Council may investigate any dispute, or any situation which might lead to international friction or give rise to a dispute, in order to determine whether the continuance of the dispute or situation is likely to endanger the maintenance of international peace and security.“
Der Begriff „investigate“ ist hierbei weit auszulegen. Er umfasst mehr als die bloße Erörterung und Diskussion eines Themas durch den Sicherheitsrat auf einer seiner Sitzungen; auch ist damit nicht gemeint, dass einzelne Mitglieder des Sicherheitsrates Informationen zu einer bestimmten Frage durch ihre diplomatischen oder durch andere Kanäle sammeln.564 Eine Untersuchung im Sinne des Artikels 34 ist vielmehr ein Verfahren, das auf der Grundlage eines besonderen Beschlusses des Sicherheitsrates ins Leben gerufen und anschließend durchgeführt wird.565 Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen ist dabei keine allgemeine Kompetenz des Sicherheitsrates, um Untersuchungen durchzuführen.566 Vielmehr erschöpft sich der Anwendungsbereich der Kompetenz gemäß des Wortlauts der Regelung darin, jede Streitigkeit sowie jede Situation zu untersuchen, die zu internationalen Reibungen führen oder eine Streitigkeit hervorrufen könnnte, damit der Sicherheitsrat feststellen kann, ob die Fortdauer der Streitigkeit oder der Situation die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gefährden könnte. Daher kann Artikel 34 vom Sicherheitsrat nur dann in Anspruch genommen werden, 563 Vgl. Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 4; Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (523). Hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte ist zu bemerken, dass diese Vorschrift nach dem Vorschlag von Dumbarton Oaks zum Verfassungsdokument der Vereinten Nationen eigentlich an der Spitze des heutigen sechsten Kapitels der Charta der Vereinten Nationen stehen sollte, also des Kapitels, in welchem die Regeln über die friedliche Beilegung von internationalen Streitfällen niedergelegt sind. Schließlich wurde auf der Konferenz von San Fransisco jedoch dem heutigen Artikel 33 die erste Position in dem nämlichen Kapitel eingeräumt. Mit dieser Änderung sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die friedliche Beilegung eines Disputes in den internationalen Beziehungen zwischen den Staaten primär deren eigene Verantwortung ist. Siehe zur Entstehungsgeschichte des Artikels 34 der Charta der Vereinten Nationen Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 1 ff. m. w. N. 564 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 19. 565 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 19. 566 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 27.
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wenn Unsicherheiten oder Zweifel darüber bestehen, dass die Fortdauer einer Situation oder Streitigkeit den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit bedroht.567 Bestehen solche Zweifel nicht, oder wird die Untersuchung zu einem anderen Zweck durchgeführt, kann sie nur auf eine implizite Untersuchungskompetenz des Sicherheitsrates gestützt werden.568 Für welche Zwecke die Kompetenz aus Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen innerhalb ihres Anwendungsbereichs genutzt werden kann, ist umstritten. Eine ältere Auffassung569 möchte die Vorschrift eng auslegen, und sieht in ihr lediglich ein Mittel, um Informationen zu beschaffen, die der Sicherheitsrat benötigt, um seine eigene Kompetenz zu bestimmen. Für diese Auffassung wird vor allem der Wortlaut der Vorschrift angeführt. Eine neuere Auffassung fasst die in Artikel 34 niedergelegte Kompetenz weiter und sieht in ihr ein Mittel der Konfliktverhütung und -vorsorge.570 Die letztgenannte Auffassung findet zu Recht Rückhalt in der seit dem Ende des Kalten Kriegs schrittweise vollzogenen Wandlung der Tätigkeit und der Philosophie der Vereinten Nationen von einer „culture of reaction to a culture of prevention“.571 Generalsekretär Kofi Annan, der diese Wandlung maßgeblich prägte,572 nutzte die Gelegenheit, anlässlich der Erörterung des Themas der Konfliktverhütung im Sicherheitsrat am 29. November 1999, um auf die Möglichkeit der Untersuchung aufmerksam zu machen: „Among the steps which the Council could take are the following: greater use of fact-finding missions, either by the SecretaryGeneral or by the Council itself, at much earlier stages of a dispute – in accordance with the Council’s Charter responsibility to ,investigate any dispute, or any situation which might lead to international friction or give rise to a dispute‘ and ,endanger the maintenance of international peace and security‘ (…)“.573 In der Praxis des Sicherheitsrates ist der Streit allerdings bedeutungslos geworden, da eine Bezugnahme auf Artikel 34 der Charta der Vereinten Nation nur in der Frühzeit der Vereinten Nationen zu verzeichnen war. In der heutigen Praxis ruft der Sicherheitsrat oftmals auf der Grundlage einer Resolution nach Kapitel VI oder VII den Generalsekretär der
567 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 27; Ernest L. Kerley, American Journal of International Law 55 (1961), S. 892 (898). 568 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 27. 569 Vgl. Ernest L. Kerley, American Journal of International Law 55 (1961), S. 892 (898). 570 Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (523 f.). 571 Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 7. 572 Siehe nur den Report of the Secretary-General on Prevention of Armed Conflict, UN Doc. A/55/985 – S/2001/574 vom 7. Juni 2001. 573 UN Doc. S/PV.4072 vom 29. November 1999, S. 3.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Vereinten Nationen an, und ersucht ihn um die Einsetzung einer Untersuchungskommission.574 2. Untersuchungen auf der Grundlage einer impliziten Kompetenz Neben der Kompetenz aus Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen besitzt der Sicherheitsrat aber auch die implizite Untersuchungskompetenz.575 Diese lässt sich dogmatisch vor allem über die Bestimmung des Artikels 24 der Charta herleiten,576 welche dem Sicherheitsrat im System der Vereinten Nationen die primäre Aufgabe der Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zuweist. Diese Aufgabe kann nur dann effektiv wahrgenommen werden, wenn sich der Sicherheitsrat die dazu notwendigen Informationen auch selbst beschaffen kann, und nicht auf ein Zutragen solcher Informationen durch andere Quellen angewiesen ist. 3. Mittel zur Durchführung der Untersuchung Unabhängig davon, ob der Sicherheitsrat eine Untersuchung auf Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen oder seine implizite Kompetenz stützt, steht es ihm frei, in welcher Weise er die Untersuchung durchführen lassen will.577 Er kann etwa einige oder soger sämtliche seiner Mitglieder mit der Durchführung der Untersuchung beauftragen und diesen dann die Besetzung der Kommission überlassen, oder er kann sich unabhängiger Experten bedienen. Eine Untersuchungskommission kann dabei vom Sicherheitsrat auch auf der Grundlage von Artikel 29 in Verbindung mit Artikel 7 Abs. 2 der Charta der Vereinen Nationen als Nebenorgan etabliert werden.578 Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch noch Regel 28 der Provisional Rules of Procedure des Sicherheitsrates579 in den Blick zu nehmen: „The Security Council may appoint a commission or committee […] for a specified question“. Der 574
Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (524). Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 4; Sofiène Bouiffror, in: JeanPierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau (Hrsg.), Le Charte des Nations Unies, Art. 34 S. 1061 (1062); Michelle Farrell/Ben Murphy, in: Christian Henderson (Hrsg.) Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 35 (42). 576 William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 84. Siehe auch Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (524), die die implied powers des Sicherheitsrates im Bereich der Durchführung von Untersuchungen (wohl) aus einer Zusammenschau der Artikel 29 mit 24, 36 und/oder 39 der Charta der Vereinten Nationen herleiten möchte. 577 Vgl. auch Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 79. 578 Vgl. Theodor Schweisfurth, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 34 Rn. 21. 579 Provisional Rules of Procedure of the Security Council (in der siebten, überarbeiteten Fassung), UN Doc. S/96/Rev.7 von 1983. 575
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Sicherheitsrat sieht also in seinem Innenrecht selbst die Möglichkeit vor, für jeden Fall, in dem es ihm nötig erscheint, eine Kommission oder einen Ausschuss für spezifische Fragen zu benennen. Dies können, aufgrund des offenen Wortlautes der Regel, damit auch Gremien zum Zwecke der Durchführung von Untersuchungen sein.
III. Generalsekretär Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat, wie in den Ausführungen zur Untersuchungspraxis im Rahmen der Vereinten Nationen noch gezeigt wird, ebenfalls bereits Untersuchungskommissionen eingesetzt, um bestimmte Vorfälle aufklären zu lassen.580 Im Bereich internationaler Tatsachenfeststellungen wird ihm heute eine herausragende Rolle im System der Vereinten Nationen zugeschrieben.581 Eine ausdrückliche Kompetenz dazu, neben der Auswertung von anderen Quellen, auch Untersuchungskommissionen zu bilden, sieht die Charta der Vereinten Nationen nicht vor. Allerdings kann der Generalsekretär gemäß Artikel 99 der Charta die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrates auf jede Angelegenheit lenken, die nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden. Außerdem muss der Generalsekretär nach Artikel 98 S. 1 2. Hs. der Charta Aufgaben wahrnehmen, die ihm von den Organen der Vereinten Nationen übertragen wurden. Die beschriebenen chartamäßigen Rechte und Aufgaben können jedoch nur dann wirkungsvoll ausgeübt werden, wenn der Generalsekretär im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit auch in der Lage ist, das notwendige Wissen zu erlangen.582 Daher haben sich die verschiedenen Generalsekretäre im Laufe der Zeit immer wieder implizit auf Artikel 98 f. der Charta der Vereinten Nationen gestützt, um Untersuchungsmissionen an potenzielle Konfliktherde und an Orte von Zwischenfällen zu entsenden, was auch als rechtmäßig anerkannt wurde.583 Dies schließt ein Tätigwerden proprio motu des Generalsekretärs 580
Vgl. auch M.-Christiane Bourloyannis, New York University Journal of International Law and Politics 22 (1990), S. 641 (646). 581 Vgl. M.-Christiane Bourloyannis, New York University Journal of International Law and Politics 22 (1990), S. 641 (642); Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 90 f. 582 Simon Chesterman drückt es pointiert aus: „It would seem self-evident that the SG’s opinion as invoked by Art. 99 should be an informed one.“; siehe ebendieser in: Bruno Simma/ Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 99 Rn. 9. Vgl. auch Jan Conrady, Wandel der Funktionen des UN-Generalsekretärs, S. 274; Hubertus von Morr, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, Stichwort 29 Rn. 15 ff.; Edward A. Plunkett, Virginia Journal of International Law 9 (1969), S. 154 (181). 583 Vgl. Simon Chesterman, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 99 Rn. 11 und m. w. N. zur Praxis der einzelnen Generalsekretäre seit Trygve Lie in Rn. 26 ff.; siehe auch Hubertus von Morr, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, Stichwort 29 Rn. 10; Larissa J. van
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
ein.584 Die Generalsekretäre haben in ihrer Praxis eine weite Interpretation der einschlägigen Regelungen bevorzugt.585 Bereits der Norweger Trygve Lie, erster Generalsekretär der Vereinten Nationen, hatte im Jahr 1948 Artikel 99 der Charta gegenüber dem Sicherheitsrat weit interpretiert, und so eine Grundlage für weitreichende Untersuchungsaktivitäten auf Initiative des Generalsekretärs gelegt:586 „In hope that the Council will understand that the Secretary-General must reserve the right to make such enquiries or investigations as he may think necessary, in order to determine whether or not he should consider bringing any aspect of this matter to the attention of the Council, under the provision of the Charter.“587
Eine derart weite Interpretation von Artikel 99 der Charta wurde auch vom fünften Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Peruaner Javier Pérez de Cuéllar, vertreten, der in seinem Bericht über die Arbeit der Vereinten Nationen an die Generalversammlung im Jahr 1982 festhielt: „In order to avoid the Security Council becoming involved too late in critical situations, it may well be that the Secretary-General should play a more foresight role in bringing potentially dangerous situations to the attention of the Council within the general framework of Article 99 of the Charter. (…) In order to carry out effectively the preventive role foreseen for the Secretary-General under Article 99, I intend to develop a wider and more systematic capacity for fact-finding in potential conflict areas.“588
IV. Internationaler Gerichtshof Der Internationale Gerichtshof ist gemäß Artikel 92 S. 1 der Charta der Vereinten Nationen das Hauptrechtsprechungsorgan der Weltorganisation. Wie bei jedem Gericht ist auch für den Internationalen Gerichtshof die Erhebung und Würdigung von Beweisen ein zentrales Element seiner Tätigkeit. Anders als die Gerichte in den meisten staatlichen Rechtsordnungen ist der Internationale Gerichtshof bei der Einführung von Beweisen in einem vor ihm stattfindenden Verfahren flexibel.589 Diese Flexibilität kommt auch in Artikel 50 des Statuts des Internationalen Geden Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (526). B. G. Ramcharan, American Journal of International Law 76 (1982), S. 130 (136) sieht eine Kompetenz des Generalsekretärs zur Ausübung Guter Dienste und dem damit verbundenen Fact-Finding als völkergewohnheitsrechtlich begründet an. 584 Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (526). 585 M.-Christiane Bourloyannis, New York University Journal of International Law and Politics 22 (1990), S. 641 (645). 586 Vgl. Michelle Farrell/Ben Murphy, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 35 (45). 587 UN Doc. Security Council Official Records, 1st session, 70th meeting vom 20. September 1948, S. 404. 588 UN Doc. A/37/1 von 1982, S. 3. 589 Malcolm N. Shaw, International Law, S. 827.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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richtshofs, welches nach Artikel 92 S. 2 a. E. der Charta der Vereinten Nationen ein integraler Teil der Charta ist, zum Ausdruck: „The Court may, at any time, entrust any individual, body, bureau, commission, or other organization that it may select, with the task of carrying out an enquiry or giving an expert opinion.“590
Mit Artikel 50591 seines Status wird der Internationale Gerichtshof also expressis verbis dazu ermächtigt, im Rahmen seiner Tätigkeit, zur Klärung beliebiger Fragen unter anderem eine Untersuchungskommission beziehungsweise eine Kommission einzusetzen, um eine Expertenmeinung einzuholen.592 Auch wenn im Wortlaut des Artikels Untersuchung und Expertenmeinung unterschieden werden, so wird man doch keine trennscharfe Linie zwischen beiden Modi ziehen können.593 Denn in der Regel wird nur eine Person beziehungsweise, im Falle einer Kommission, eine Gruppe von Personen mit der Durchführung einer Untersuchung betraut, der beziehungsweise die über eine gewisse Expertise hinsichtlich des zu Untersuchenden verfügen.594 Da beide Alternativen im Wortlaut des Statuts gleichrangig genannt sind, ist eine theoretisch möglicherweise denkbare Trennung595 nicht notwendig. Bei der Anwendung von Artikel 50 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs genießt das Haager Gericht einen weiten Ermessensspielraum.596 Es kann über Zusammensetzung, Größe und Auftrag einer Untersuchungs- beziehungsweise Expertenkommission frei entscheiden;597 Einschränkungen sind dem Wortlaut der Regelung nicht zu entnehmen. Dies wird auch in Artikel 67 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Internationalen Gerichtshofs vom 14. April 1978 widergespiegelt, der bei der Einsetzung einer Untersuchungskommission zu beachten ist:
590
Hervorhebung durch den Verfasser. Siehe zu den rechtlichen Wurzeln der Regelung Daniel Peat, British Yearbook of International Law 84 (2014), S. 271 (274 f.). 592 Siehe auch Gillian M. White, The Use of Experts by International Tribunals, S. 43 ff. 593 So auch Christian J. Tams, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin Oellers-Frahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court Of Justice – A Commentary, Art. 50 Rn. 4; Markus Benzing, ebenda, Evidentary Issues Rn. 88. 594 Christian J. Tams, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin OellersFrahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court Of Justice – A Commentary, Art. 50 Rn. 4. 595 Vgl. Christian J. Tams, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin OellersFrahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court Of Justice – A Commentary, Art. 50 Rn. 4. 596 Christian J. Tams, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin OellersFrahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court Of Justice – A Commentary, Art. 50 Rn. 12; Caroline E. Foster, Journal of International Dispute Settlement 5 (2014), S. 139 (143). 597 Vgl. Christian J. Tams, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin OellersFrahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court Of Justice – A Commentary, Art. 50 Rn. 14, 15. 591
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
„If the Court considers it necessary to arrange for an enquiry or an expert opinion, it shall, after hearing the parties, issue an order to this effect, defining the subject of the enquiry or expert opinion, stating the number and mode of appointment of the persons to hold the enquiry or of the experts, and laying down the procedure to be followed. Where appropriate, the Court shall require persons appointed to carry out an enquiry, or to give an expert opinion, to make a solemn declaration.“
V. Menschenrechtskommission/Menschenrechtsrat Im Bereich von Untersuchungen zur Ermittlung von Verstößen gegen die Menschenrechte und/oder das humanitäre Völkerrecht war in jüngerer Zeit insbesondere der Menschenrechtsrat und zuvor die ehemals bestehende Menschenrechtskommission aktiv. Nach Artikel 62 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen gehört es zu den Zuständigkeiten des Wirtschafts- und Sozialrates, dass dieser Empfehlungen an die Generalversammlung, die Mitglieder der Vereinten Nationen sowie an jede in Betracht kommende Sonderorganisation abgeben kann, um die Achtung und die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern. Im engen Zusammenhang hiermit ist Artikel 68 der Charta der Vereinten Nationen zu sehen. Diese Vorschrift gibt es dem Wirtschafts- und Sozialrat unter anderem auf, eine Kommission für die Förderung der Menschenrechte einzusetzen. Auf dieser Grundlage wurde im Juni 1946 durch die Resolution 9 (II)598 des Rates die Menschenrechtskommission geschaffen. Eine Grundlage für die Entsendung von Kommissionen zur Durchführung von Untersuchungen bei berichteten oder vermuteten Verletzungen von Menschenrechten fand sich in dieser Resolution jedoch nicht und es entwickelte sich zunächst auch keine entsprechende Praxis. Vielmehr nahm die Menschenrechtskommission in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens die Position ein, dass sie nicht zu Maßnahmen befugt sei, um auf Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen zu reagieren (sog. no-power doctrine); vielmehr widmete sich die Kommission der Normsetzung im Bereich der Menschenrechte.599 Vor dem Hintergrund der Anhebung der Mitgliederzahl der Menschenrechtskommission zum 1. Januar 1967 von 21 auf 32 Staaten600 und den damit einhergehenden neuen Mehrheitsverhältnissen, änderte sich allerdings die Perspektive auf die Aufgaben der Kommission.601 Bereits am 6. März 1967 setzte die Menschenrechtskommission mit ihrer Resolution 2 (XXIII) die Ad Hoc Working Group of Experts on South Africa ein, welche sich mit den verschiedenen Menschenrechts598
UN Doc. E/RES/9 (II) vom 21. Juni 1946. Vgl. zu der Entwicklung und Tätigkeit der Menschenrechtskommission im Zeitraum von 1946 bis 1966 den Überblick bei Maximilian Spohr, Der neue Menschenrechtsrat und das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen, S. 42 f. 600 Vgl. UN Doc. E/RES/1147 (XLI) vom 4. August 1966, Abs. 2 des operativen Teils der Resolution. 601 Maximilian Spohr, Der neue Menschenrechtsrat und das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen, S. 43. 599
§ 2 Die Vereinten Nationen
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problemen im Rahmen der Apartheid befassen sollte.602 Ein eindeutiges Bekenntnis zur Kompetenz der Menschenrechtskommission, internationale Untersuchungen durchzuführen, findet sich allerdings in der erst drei Monate später verabschiedeten Resolution 1235 (XLII) vom 6. Juni 1967603 : „3. Decides that the Commission on Human Rights may, in appropriate cases, and after careful consideration of the information thus made available to it, (…), make a thorough study of situations604 which reveal a consistent pattern of violations of human rights, (…), and report, with the recommendations thereon, to the Economic and Social Council;“605
Auf der Grundlage dieser Resolution begann die Menschenrechtskommission zwar noch nicht damit, internationale Untersuchungskommissionen zu entsenden. Allerdings wurden ad-hoc-Arbeitsgruppen, welche sich aus Menschenrechtsexperten zusammensetzten, eingesetzt, um etwa behauptete Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten oder Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende zu untersuchen.606 Kennzeichnend für die Arbeitsgruppen war es allerdings, dass sie keine Vor-Ort-Untersuchungen durchführten. Dies änderte sich allerdings im Jahre 1984, als auf der Grundlage von Resolution 1235 (XLII) ein Experte nach Äquatorialguinea entsandt wurde, um über die dortige Menschenrechtslage zu berichten.607 Heute werden auf der Grundlage der Resolution die sog. Sonderverfahren (sog. Special Procedures) zusammengefasst, in deren Rahmen Arbeitsgruppen, Unabhängige Experten und Sonderberichterstatter zu menschenrechtsrelevanten Themenbereichen oder zur Beobachtung der Lage der Menschenrechte in einem bestimmten Staat eingesetzt werden.608
602
UN Doc. E/CN.4/950 (1967) von 1967. Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. E/4393 (1967) von 1967, S. 17 f. 604 Hervorhebung durch den Verfasser. 605 Da die Resolution im Kontext der Befassung der Menschenrechtskommission mit Fragen der Apartheid und anderen Menschenrechtsverletzungen durch Südafrika erging, war umstritten, ob die Kompetenz für die Kommission nur für diesen Staat Geltung beanspruchte, oder auch ein allgemeines Mandat für Menschenrechtsverletzungen beinhaltete, unabhängig von dem Ort, an dem sie verübt wurden, vgl. Theo C. van Boven, in: Bulletin of Peace Proposals 8 (1977), S. 198 (200 m. w. N.). Da die Resolution allerdings mit der Überschrift „Question of the violation of human rights and fundamental freedoms, including policies of racial discrimination and segregation and of apartheid, in all countries (Hervorhebung durch den Verfasser), with particular reference to colonial and other dependent countries and territories“ versehen wurde, kann es keinen Zweifel geben, dass jedwede Menschenrechtsverletzung weltweit auf dieser Grundlage untersucht werden konnte. 606 Siehe Maximilian Spohr, Der neue Menschenrechtsrat und das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen, S. 45. 607 Siehe Yearbook of the United Nations 39 (1985), S. 894. 608 Vgl. Maximilian Spohr, Der neue Menschenrechtsrat und das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen, S. 24, 45. 603
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
In der Resolution 1990/48 vom 25. Mai 1990609 wurde die Menschenrechtskommission vom Wirtschafts- und Sozialrat dazu ermächtigt, „to meet exceptionally between its regular sessions, provided that a majority of States members of the Commission so agree;“610. Mit diesem Passus wurde also anerkannt, dass es in Menschenrechtsangelegenheiten zu Situation kommen kann, die einer sofortigen Erörterung bedürfen.611 Auf der Grundlage dieser Resolution wurden von 1992 bis in das Jahr 2000 hinein insgesamt fünf Sondersitzungen einberufen und als Ergebnis dieser Sitzungen Untersuchungen auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens, hinsichtlich von Ruanda, Osttimor und von Menschenrechtsfragen in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern durchgeführt. In den letzten beiden Fällen wurden hierzu erstmals durch die Menschenrechtskommission internationale Untersuchungskommissionen eingesetzt.612 Am 15. März 2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen schließlich die Resolution 60/251,613 durch die der Menschenrechtsrat ins Leben gerufen wurde, welcher die Menschenrechtskommission ersetzte.614 Dem neu geschaffenen Gremium wurden dabei alle Mandate, Mechanismen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Menschenrechtskommission übertragen.615 Neben anderen Verfahrensfragen für den neuen Menschenrechtsrat wurde auch entschieden, dass dieser „shall be able to hold special sessions, when needed, at the request of a member of the Council with the support of one third of the membership of the Council.“616 Neben der nun klaren Festlegung der entsprechenden Antragsbefugnis und der Absenkung des nötigen Quorums, liegt in dieser Entscheidung ein Bekenntnis zu der unter Resolution 1990/48 etablierten Möglichkeit der Abhaltung von Sondersitzungen und der zugehörigen Praxis.617 Durch die Absenkung des Quorums ist der Menschenrechtsrat damit in der Lage, auf Problemlagen mit Sondersitzungen prinzipiell schneller zu reagieren, als dies noch im Rahmen der Menschenrechtskommission der Fall war.618 Insgesamt wird man dem Menschenrechtsrat, auch in Ansehung der Praxis der ihm und seiner Vorgängerin, der Menschenrechtskommission, übertragenen Befugnisse, die Kompetenz zuzugestehen haben, internationale Untersuchungs-
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Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. E/1990/90 vom 1990, S. 37 f. Abs. 3 des operativen Teils der Resolution. 611 Siehe Marc Bossuyt, Netherlands Quarterly of Human Rights 24 (2005), S. 551 (551). 612 In den anderen Fällen wurden vorwiegend Sonderberichterstatter eingesetzt. 613 UN Doc. A/RES/60/251 vom 3. April 2006. 614 UN Doc. A/RES/60/251 vom 3. April 2006, Abs. 1 des operativen Teils der Resolution. 615 UN Doc. A/RES/60/251 vom 3. April 2006, Abs. 6 des operativen Teils der Resolution. 616 UN Doc. A/RES/60/251 vom 3. April 2006, Abs. 10 des operativen Teils der Resolution. 617 Vgl. Marc Bossuyt, Netherlands Quarterly of Human Rights 24 (2005), S. 551 (551); Nico Schrijver, Leiden Journal of International Law 20 (2007), S. 809 (816). 618 Nico Schrijver, Leiden Journal of International Law 20 (2007), S. 809 (816). 610
§ 2 Die Vereinten Nationen
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kommissionen zu entsenden.619 Dieser Kompetenz unterliegt dabei konkret der Gedanke, dass die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch eine internationale Untersuchung zu einer verbesserten Einhaltung der Menschenrechte führen kann.620
VI. Mögliche Grenzen der Befugnis zur Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen Da allen untersuchten Organen und dem Nebenorgan im Rahmen der Vereinten Nationen das Recht zur Durchführung von Untersuchungen und damit auch zur Einsetzung von Untersuchungskommissionen zusteht, fragt es sich, welchen Begrenzungen dieses Recht unterliegt. Derartige Begrenzungen könnten sich zum einen aus der Anwendung der Implied-Powers-Doktrin selbst und zum anderen aus dem Interventionsverbot des Artikels 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen ergeben. 1. Implied-Powers-Doktrin Die Doktrin von den implied powers bildet nicht nur eine mögliche Grundlage, sondern auch eine Grenze für die Interpretation eines Gründungsvertrages einer Internationalen Organisation. Denn ihrem Grundgedanken nach gründet diese Doktrin darauf, dass die Staaten, die Mitglieder einer Internationalen Organisation geworden sind, und sich damit den Zwecken und den Aufgaben der Organisation unterworfen haben, gleichzeitig die Mittel akzeptiert haben, welche die Organisation zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Erreichung ihrer Zwecke benötigt.621 Allerdings geht der Wille der Staaten regelmäßig auch nicht darüber hinaus, sodass sich die Reichweite der Implied-Powers-Doktrin in Ziel und Zweck der Internationalen Organisation erschöpft und damit eine Grenze für die Ausweitung ihrer Kompetenzen bildet.622 Für die Einsetzung von Untersuchungskommissionen ergibt sich hieraus, dass sich diese im Rahmen des Mandates und der Funktion desjenigen Organes halten muss, welches die Kommission einsetzt.623 Dies bedeutet in Fällen von Untersu619 Siehe auch Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (527). 620 Hierzu auch Christine Chinkin, in: Mahnoush H. Arsanjani/Jacob Katz Cogan/Robert D. Sloane/Siegfried Wiessner (Hrsg.), Looking to the Future: Essays on International Law in Honor of W. Michael Reisman, S. 475 ff.; Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (527) bemerkt hierzu noch richtig: „In this sense, human rights inquiries are used as advocacy tools with the main agenda being to induce compliance or alternatively to provoke external action that will halt on-going human rights violations.“ 621 So Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rn. 67. 622 Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rn. 67. 623 Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (527).
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chungskommissionen der Organe und Nebenorgane der Vereinten Nationen regelmäßig, dass die Errichtung und Tätigkeit einer Kommission für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit notwendig sein muss, Kommissionen der Menschenrechtsrates müssen menschenrechtsrelevante Untersuchungen durchführen und Kommissionen des Internationalen Gerichtshofes müssen der Beschaffung von Fakten für Verfahren vor diesem dienen.624 2. Interventionsverbot In Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen ist das Interventionsverbot für die Weltorganisation gegenüber ihren Mitgliedstaaten niedergelegt. Nach dieser Regelung kann aus der Charta keine Befugnis der Vereinten Nation abgeleitet werden, um in die Angelegenheiten, welche ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, einzugreifen. Diese Regelung betrifft alle Organe der Vereinten Nationen und sämtliche ihrer Aktivitäten;625 eine Ausnahme hiervon sieht die Regelung nur für Maßnahmen des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen vor. Zweck der Regelung ist es grundsätzlich, die inneren Angelegenheiten eines Staates vor dem Zugriff durch die Vereinten Nationen zu schützen;626 das Interventionsverbot konkretisiert dabei den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten,627 wie er auch in Artikel 2 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist. Die Einsetzung einer internationalen Kommission durch ein Organ oder ein Nebenorgan der Vereinten Nationen sowie die Durchführung der Untersuchung würde also dann im Widerspruch zu Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen stehen, wenn dies zu Lasten des betroffenen Staates einen Eingriff in dessen innere Angelegenheiten bedeuten würde. Die Frage, wann ein „Eingriff“ im Sinne des Artikels 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen vorliegt, hat vor allem in der Frühzeit der Vereinten Nationen noch zu intensiven Diskussionen geführt.628 Bei der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco wurde von den anwesenden Delegationen ein Verständnis vertreten, wonach jede Handlung eines jeden Organs der Vereinten Nationen, die eine innere Angelegenheit eines der Mitgliedstaaten betreffen würde, 624
(527).
So auch Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507
625 Georg Nolte, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 8; Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 293. 626 Georg Nolte, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 73. 627 Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 290 f.; Torsten Stein/Christian von Buttlar/Markus Kotzur, Völkerrecht, Rn. 635. 628 Siehe zu diesen Diskussionen Kawser Ahmed, Singapore Year Book of International Law 10 (2006), S. 175 ff.; Georg Nolte, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/ Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 11 ff. m. w. N.
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ein Eingriff im Sinne der Regelung sei.629 Diesem weiten Verständnis eines Eingriffs lag bei der Schaffung der Charta die Überzeugung zugrunde, dass eine Formulierung geschaffen werden müsse, die es sicherstellen könne, dass die Vereinten Nationen nicht über akzeptable Grenzen hinausgehen und ihren Funktionsbereich erweitern könnten; insbesondere nicht in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur.630 Verschiedene Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben allerdings für das zwischenstaatliche Interventionsverbot dieses weite Eingriffsverständnis bestätigt. So ist in der Resolution 2131 (XX) vom 21. Dezember 1965631, der „Declaration on the Inadmissibility of Intervention in the Domestic Affairs of States and the Protection of Their Independence and Sovereignty“, festgehalten, dass sowohl „armed intervention and all other forms of interference“632 verurteilt würden. Die „Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-Operation among States in Accordance with the Charter of the United Nations“, die in Resolution 2625 (XV) vom 24. Oktober 1970633 enthalten ist, beinhaltet zum Interventionsverbot folgenden Passus: „No state or group of states has the right to intervene, directly or indirectly, for any reason whatever, in the internal or external affairs of any state. Consequently, armed intervention and all other forms of interference or attempted threats against the personality of the state or against its political, economic or cultural elements are in violation of international law.“
Durch die Verwendung der Begriffe „all other forms of interference“ zeigt die Generalversammlung, dass sie grundsätzlich jede Form von Einmischung als Eingriff im Sinne des Interventionsverbots versteht. Im Rahmen der Organe der Vereinten Nationen bedeutet dies, dass jede Diskussion, Empfehlung, Untersuchung oder Studie der inneren Angelegenheiten eines Staates das in Artikel 2 Nr. 7 der Charta niedergelegte Verbot berührt.634 Solche Aktivitäten üben regelmäßig einen, oftmals wohl nicht unerheblichen, politischen Druck auf den betreffenden Staat aus.635 Dieser wird sich, etwa wenn es ein entsprechendes Mandat der Untersuchungskommission betrifft, genötigt sehen, sich zu seiner Menschenrechtspolitik oder sich zu seinem gewaltsamen Vorgehen gegen einen anderen Staat einzulassen oder sich jedenfalls nach Abschluss der Untersuchung und der Veröffentlichung des Kommissionsberichts vor der internationalen Gemeinschaft eines gewissen Rechtfertigungsdruckes für das eigene Verhalten ausgesetzt sehen. Für einen Eingriff spricht zudem, dass internationale Untersuchungskommissionen häufig auch staa629
Kawser Ahmed, Singapore Year Book of International Law 10 (2006), S. 175 (183). Kawser Ahmed, Singapore Year Book of International Law 10 (2006), S. 175 (183). 631 UN Doc. A/RES/2131 (XX) vom 21. Dezember 1965. 632 UN Doc. A/RES/2131 (XX) vom 21. Dezember 1965, Abs. 1 des operativen Teils. 633 UN Doc. A/RES/2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970. 634 Kawser Ahmed, Singapore Year Book of International Law 10 (2006), S. 175 (183). 635 Vgl. Bendetto Conforti/Carlo Focarelli, The Law and Practice of the United Nations, S. 171; Georg Nolte, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 15. 630
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tenspezifische Empfehlungen abgeben,636 in deren Rahmen regelmäßig der von der Untersuchung betroffene Staat sowie weitere internationale Akteure zu Handlungen aufgefordert werden, um positive Effekte, etwa eine Verbesserung der Menschenrechtslage, zu erzielen.637 Die Abgabe solcher Empfehlungen enthält, wenigstens implizit, regelmäßig eine Kritik an dem Staat bezüglich dessen die Untersuchung durchgeführt wurde. Durch die Empfehlungen kann dann, soweit diese von dem Staat Handlungen oder Unterlassungen verlangen, gegenüber der internationalen Öffentlichkeit ein Erwartungsdruck generiert werden, das in den Empfehlungen Verlangte durchzuführen. Der Druck kann noch erhöht werden, wenn anderen Akteuren Maßnahmen empfohlen werden, die zu Lasten des untersuchten Staates gehen, etwa an den Sicherheitsrat zur Verhängung von Sanktionen oder an den Menschenrechtsrat, dass dieser ein intensiveres Monitoring der Menschenrechtssituation durchführen solle. Der durch die Mandatierung einer internationalen Kommission und die Durchführung einer Untersuchung erfolgte Eingriff in die Sphäre des Staates durch die Vereinten Nationen stellt allerdings nur dann einen Verstoß gegen das in Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegte Interventionsverbot dar, wenn der Eingriff in die „inneren Angelegenheiten“ des von der Untersuchung betroffenen Staates erfolgt. Die Organe der Vereinten Nationen haben bei der Bestimmung, was sie unter den inneren Angelegenheiten verstehen, weder einen besonders einheitlichen, noch einen besonders klaren Ansatz verfolgt.638 Welche Bereiche der Staatlichkeit zu den inneren Angelegenheiten, dem domaine réservé, eines Staates zählen, ist dabei jedenfalls aus der Sicht des Völkerrechts zu beurteilen.639 Nach der klassischen Formel des Ständigen Internationalen Gerichtshofes in seinem Gutachten zu der Frage „Nationality Decrees issued in Tunis and Morocco“ gehören zu den inneren Angelegenheiten „matters, which are not in principle regulated by international law (and)640 with respect to which states, therefore remained sole judge (…) the question whether a certain matter is or is not solely within the jurisdiction of a State is an essentially relative question; it depends on the development of international relations.“641 Mit dem sich ständig weiterentwickelnden Völkerrecht verkleinert sich der Bereich des domaine réservé zusehends.642 Dabei ist der völkerrechtliche Begriff der 636
Hierzu unten auch 3. Teil. § 2 C. VII. 2. b). Vgl. auch Georg Nolte, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 16 f. 638 Kawser Ahmed, Singapore Year Book of International Law 10 (2006), S. 175 (184). 639 Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 329 Rn. 195 f. 640 Einfügung durch den Verfasser. 641 PCIJ, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, Gutachten vom 7. Februar 1923, PCIJ Series B, No. 4 (1923), S. 23 f. 642 Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 329 Rn. 195 f. Treffend insoweit auch Georg Nolte, in: Bruno Simma/DanielErasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 637
§ 2 Die Vereinten Nationen
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inneren Angelegenheiten aus zwei Richtungen einer Reduzierung seines Gehalts unterworfen. Einerseits geschieht dies durch die rege Vertragsschlusspraxis der Staaten; denn Materien, die in völkerrechtlichen Verträgen geregelt wurden, sind den Staaten zur Eigenbestimmung im Verhältnis zu den Vertragspartnern grundsätzlich entzogen.643 Andererseits ist neben der zwischenstaatlichen Vertragspraxis auch das allgemeine Völkerrecht in den Blick zu nehmen. Insbesondere ist für die Staaten eine Berufungsmöglichkeit auf das Interventionsverbot gegenüber den Vereinten Nationen im Bereich des zwingenden Völkerrechts und des internationalen ordre public in erheblichem Maße eingeschränkt.644 Für die Felder, die im Rahmen dieser Untersuchung von Belang sind, hat das Interventionsverbot für die Vereinten Nationen, aufgrund der beschriebenen Entwicklungen, massiv an Bedeutung verloren. Trotz des Bestehens von Kontroversen im Detail, wurden im Laufe der Zeit Fragen des Selbstbestimmungsrechts der Völker,645 die Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, einschließlich der Behandlung größerer, interner bewaffneter Konflikte,646 sowie Fragen des Schutzes der Menschenrechte647 immer mehr aus der rein staatlichen Sphäre gelöst und auf die internationale Ebene verlagert. Heute wird man daher mit Blick auf den Stand des Völkerrechts uneingeschränkt den Befund teilen können, dass „schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen (gerade auch gegenüber eigenen Staatsangehörigen), Genozid, Rassendiskriminierung, Missachtung des Selbstbestimmungsrechts und intensive Umweltschädigungen zu den Handlungen, die die Völkerrechtsgemeinschaft insgesamt betreffen [gehören]648, auf die daher von außen reagiert werden kann, ohne dass dem der Einwand der Intervention in den domaine réservé entgegengehalten werden kann“.649 Aufgrund des so im Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und ihren (7) Rn. 73: „In practice, however, Art. 2 (7) has been increasingly eroded and emptied of substance“. 643 Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 329 Rn. 195 f.; Torsten Stein/Christian von Buttlar/Markus Kotzur, Völkerrecht, Rn. 660. 644 Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 329 Rn. 195 f. 645 Details der betreffenden Entwicklungen bei Georg Nolte, in: Bruno Simma/DanielErasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 46 ff. 646 Details der betreffenden Entwicklungen bei Georg Nolte, in: Bruno Simma/DanielErasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 50 ff. 647 Details der betreffenden Entwicklungen bei Georg Nolte, in: Bruno Simma/DanielErasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 2 (7) Rn. 38 ff. 648 Einschub durch den Verfasser. 649 Eckart Klein/Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 329 Rn. 195 f.; ähnlich auch Torsten Stein/Christian von Buttlar/Markus Kotzur, Völkerrecht, Rn. 661.
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Mitgliedstaaten nur noch sehr eingeschränkten domaine réservé steht in den entsprechenden Bereichen ein staatlicher Wille der Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen durch die Organe und Nebenorgane der Vereinten Nationen – und damit grundsätzlich auch der Durchführung der Untersuchung – nicht entgegen. Wie allerdings im Rahmen der Darstellung der Untersuchungspraxis gezeigt wird, wurde entsprechenden Aktivitäten der Vereinten Nationen allerdings, vor allem in ihrer Frühzeit, noch in einigen Fällen der Einwand der Einmischung in innere Angelegenheiten entgegengehalten. Ungeachtet des gerade Beschriebenen liegt jedenfalls immer dann kein Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines Staates vor, wenn die Untersuchung mit der Einwilligung des betroffenen Staates und, erst recht, wenn sie auf sein ausdrückliches Ersuchen hin erfolgt. Aus der Souveränität der Staaten folgt, dass sich ein Mitgliedstaat aus eigenem Willen dem Schutz von Regelungen begeben kann, die gerade zum Schutz der Staaten im konstitutiven Akt einer Internationalen Organisation vorhanden sind.
B. Die Untersuchungspraxis der Vereinten Nationen I. Untersuchungskommissionen für politische Konflikte Bereits kurz nach der Gründung der Vereinten Nationen begannen deren Organe mit der Einsetzung von Untersuchungskommissionen zur Aufklärung von Problemlagen in zwischenstaatlichen und sonstigen politischen Streitigkeiten. Häufiger Gegenstand der Untersuchungen waren dabei Verstöße gegen das in Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegte zwischenstaatliche Gewaltverbot und das zwischenstaatliche, im Völkergewohnheitsrecht wurzelnde, Interventionsverbot650 sowie Grenzzwischenfälle. Hinzu kamen insbesondere Untersuchungen von Söldneraktivitäten in Afrika und in der Frühzeit der Weltorganisation auch einmal ein Gremium, welches dem Sicherheitsrat Fragen zum Anwendungsbereich von Regelungen aus der Charta erhellen sollte. 1. Grenzzwischenfälle in Griechenland a) Historischer Hintergrund Nach dem Ende der Besatzung Griechenlands durch die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg im Jahr 1944 entspann sich dort ein interner Konflikt.651 Dieser 650
Siehe Wolff Heintschel von Heinegg, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 51 Rn. 42. Siehe hierzu und zum Folgenden eingehend Amikam Nachmani, International Intervention in the Greek Civil War, S. 1 ff. sowie die Beiträge in: John O. Iatrides (Hrsg.), Greece in the 1940 s: A Nation in Crisis; Amikam Nachmani, Journal of Contemporary History 25 (1990), S. 489 ff.; John Quigley, Florida Journal of International Law 7 (1992), S. 191 (193 ff.); Amikam 651
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hatte seinen Grund in Verwerfungen zwischen den verschiedenen Fraktionen des Widerstandes gegen die Besatzung des Landes. Der Widerstand wurde vor allem von der Nationalen Befreiungsfront E.A.M. getragen, welche aus zentralistisch- und linksorientierten Kräften bestand. Daneben spielte auch die Kommunistische Partei Griechenlands eine wichtige Rolle in der Widerstandsbewegung. Zudem gab es auch eine kleine rechts-monarchistische Gruppe, welche loyal zu König Georg von Griechenland stand und die Besatzungstruppen bekämpfte. Während des Krieges wurden die Widerstandsgruppen durch das Vereinigte Königreich unterstützt, wobei allerdings die monarchistisch gesonnen Kräfte präferiert wurden. Nachdem sich die deutschen Truppen 1944 aus Griechenland zurückgezogen hatten, kontrollierten die E.A.M. den Großteil des Territoriums. Mit dem Einverständnis der E.A.M. wurde Griechenland von britischen Truppen besetzt. Das Vereinigte Königreich verhalf in der Folge rechtsgerichteten Politikern zur Macht, welche während der Besatzungszeit in Kairo als griechische Exilregierung fungiert hatten. Diese Regierung wurde vom Vereinigten Königreich sowohl militärisch als auch wirtschaftlich unterstützt. Ziel der britischen Regierung war es dabei, Griechenland nicht unter kommunistischen Einfluss fallen zu lassen, welcher durch das Vordringen sowjetischer Truppen nach Westen im Zweiten Weltkrieg in den meisten Staaten Ost- und Südosteuropas bereits sehr stark war. Trotz dieser antikommunistischen Haltung willigte die Kommunistische Partei Griechenlands ein, die rechtsgerichtete Regierung zu unterstützen. Auf diese Regierung wurde von britischer Seite Druck ausgeübt, einem möglichen politischen Kompromiss mit den linksgerichteten Kräften nicht zuzustimmen und es wurde die Auflösung der E.A.M. angeordnet. Eine Protestdemonstration gegen diese Maßnahme wurde seitens der Kommunistischen Partei in Athen abgehalten; jedoch, trotz vorhergehender Genehmigung durch den Premierminister, wurde von Regierungstruppen auf die Demonstranten das Feuer eröffnet, wobei es zu Toten und Verletzten kam. Als der griechische Premierminister die Regierungsgewalt an den Anführer einer anderen Partei abgeben wollte, wurde vom Vereinigten Königreich erneut Druck ausgeübt, sodass es nicht zu einem Machtwechsel kam. Es kam in der Folge zu Kämpfen zwischen der E.A.M. und den monarchistischen Kräften. Letztere wurden dabei von den britischen Streitkräften unterstützt. Die Vereinigten Staaten von Amerika übernahmen dabei den Transport der britischen Truppen, die in der Folge die Kontrolle in Athen übernahmen. Die Kräfte der E.A.M. stimmten zunächst zu, sich entwaffnen zu lassen. Unter britischem und zunehmend auch US-amerikanischem Einfluss unterdrückte die griechische Regierung die politisch links und zentral gerichteten Kräfte. Dies führte schließlich dazu, dass von den linken politischen Kräften Ende des Jahres 1946 ein Bürgerkrieg in Griechenland entfacht wurde. Dabei gelang es diesen Kräften, große Teile Griechenlands unter ihre Kontrolle zu bringen.
Nachmani, Journal of Modern Hellenism 9 (1992), S. 63 ff.; Theodora Dragostinova, Contemporary European History 27 (2018), S. 387 ff.
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Insgesamt gestaltete sich die Lage an der Nordgrenze Griechenlands sehr dramatisch und unübersichtlich. Die griechische Regierung warf den drei Staaten Jugoslawien, Albanien und Bulgarien, die zu diesem Zeitpunkt bereits stark unter sowjetischem Einfluss standen, vor, den aufständischen linken Kräften militärische Ausbildung angedeihen zu lassen, sowie diese Kräfte mit Ausrüstung, Waffen und Munition zu unterstützen. Weitere Vorwürfe von griechischer Seite betrafen die Einmischung durch die Nachbarstaaten Jugoslawien und Bulgarien in interne Angelegenheiten Griechenlands. Diese sollte darauf gerichtet gewesen sein, das Ägäische Makedonien und Westthrakien von Griechenland abzuspalten. Allen drei Staaten wurde zudem die Provokation von Grenzzwischenfällen vorgehalten. Die drei Staaten warfen Griechenland im Gegenzug vor, dass das griechische Regime für den Bürgerkriegszustand im Land verantwortlich sei. Zudem wurde der Regierung Griechenlands vorgehalten, eine provokative und expansionistische Außenpolitik zu betreiben, die von Albanien, Bulgarien und Jugoslawien als Provokation aufgefasst wurde. b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat war mit der Griechenland-Frage seit Anfang des Jahres 1946 befasst.652 Aus Anlass der dritten Befassung mit der Frage am 3. Dezember 1946 legte der Delegierte von Griechenland, unter Hinweis auf Artikel 34 und 35 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen, ein Ersuchen vor, nach dem der Sicherheitsrat sich rechtzeitig mit der Situation befassen solle, die zu Friktionen im Verhältnis von Griechenland zu seinen Nachbarstaaten Albanien, Bulgarien und Jugoslawien führen würde.653 Der Resolutionsentwurf wurde mit einigen Ergänzungen und Änderungen
652 Der Sicherheitsrat befasste sich bis zur Einsetzung einer Untersuchungskommission mehrmals mit der Situation an den griechischen Staatsgrenzen. Erstmals geriet die Frage durch ein Schreiben des Repräsentanten der Sowjetunion vom 21. Januar 1946 auf die Agenda des Rates. Der Repräsentant erhob, gestützt auf Artikel 35 der Charta der Vereinten Nationen, den Vorwurf, dass die Präsenz von britischen Streitkräften in Griechenland eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstelle. Der Sicherheitsrat erörterte die Problemlage in der Folge auf vier Sitzungen Anfang Februar 1946; siehe Journal of the Security Council No. 2 (24 January 1946), S. 14; No. 7 (2 February 1946), S. 87 ff.; No. 8 (9 February 1946), S. 101 ff. und S. 137 f. sowie No. 10 (13 February 1946), S. 172 ff. Der nächsten Befassung lag eine Nachricht des Außenministers der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik an den Sicherheitsrat zugrunde. Der Minister, der sich auf Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen berief, brachte vor, dass die Politik der griechischen Regierung eine Situation hätte entstehen lassen, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährden würde. Die Befassung mit diesem Ersuchen nahm den Sicherheitsrat von Ende August bis weit in den September des Jahres 1946 hinein in Anspruch; siehe United Nations Security Council, Official Records, First Year, Second Series, No. 4, S. 33 ff.; No. 5, S. 145 ff.; No. 5 Supplement, S. 150 f.; No. 6, S. 153 ff. und 157 ff.; No. 7, S. 173 ff.; No. 8, S. 200 ff.; No. 9, S. 214 ff.; No. 10, S. 260 ff.; No. 11, S. 284 ff.; No. 12, S. 300 ff.; No. 13, S. 324 ff.; No. 14, S. 344; No. 15, S. 365 ff. und No. 16, S. 393 ff. 653 UN Doc. S/203 vom 4. Dezember 1946.
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schließlich als fünfzehnte Resolution des Sicherheitsrates in dessen 87. Sitzung am 19. Dezember 1946 einstimmig mit folgendem Wortlaut beschlossen:654 „WHEREAS, there have been represented to the Security Council oral and written statements by the Greek, Yugoslav, Albanian and Bulgarian Governments relating to the disturbed conditions in northern Greece along the frontier between Greece on the one hand and Albania, Bulgaria and Yugoslavia on the other, which conditions, in the opinion of the Council, should be investigated before the Council attempts to reach any conclusions regarding the issues involved. RESOLVES, that the Security Council under Article 34 of the Charter establish a Commission of Investigation to ascertain the facts relating to the alleged border violations along the frontier between Greece on the one hand and Albania, Bulgaria and Yugoslavia on the other. That the Commission be composed of a representative of each of the members of the Security Council as it will be constituted in 1947. That the Commission shall proceed to the area no later than 15 January 1947 and shall submit to the Security Council at the earliest possible date a report of the facts disclosed by its investigation. The Commission shall, if it deems it advisable or if requested by the Security Council, make preliminary reports to the Security Council. That the Commission shall have authority to conduct its investigation in northern Greece and in such places in other parts of Greece, in Albania, Bulgaria and Yugoslavia as the Commission considers should be included in its investigation in order to elucidate the causes and nature of the above-mentioned border violations and disturbances. That the Commission shall have the authority to call upon the Governments, officials and nationals of those countries, as well as other sources as the commission deems necessary, for the information relevant to its investigation. That the Security Council request the Secretary-General to communicate with the appropriate authorities of the countries named above in order to facilitate the Commission’s investigation in those countries. That each representative on the commission be entitled to select the personnel necessary to assist him and that, in addition, the Security Council request the Secretary-General to provide such stuff and assistance to the Commission as it deems necessary for the prompt and effective fulfilment of its task. That a representative of each of the Governments of Greece, Albania, Bulgaria and Yugoslavia be invited to assist in the work of the Commission in a liaison capacity. That the Commission be invited to make any proposals that it may deem wise for averting a repetition of border violations and disturbances.“
Auf der Grundlage des sehr detaillierten Mandats benannten die Mitglieder des Sicherheitsrates im Jahr 1947 ihre Delegierten für die Kommission.655 Australien benannte einen Bediensteten des Außenministeriums, Belgien einen Generalleut654
UN Doc. S/RES/15 (1946) vom 19. Dezember 1946; für die Resolution stimmten Ägypten, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Mexiko, Niederlande, Polen, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika. 655 UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 4 f.
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nant, der zuvor auch als Militärattaché fungiert hatte, Brasilien den Ersten Sekretär der Botschaft in Madrid, China seinen Botschafter in Belgien, Kolumbien seinen Gesandten in Belgien, Frankreich einen Geschichtsprofessor, Polen seinen Gesandten in der Schweiz, Syrien seinen Gesandten in der Türkei, das Vereinigte Königreich ein führendes Mitglied der Labour Party, die Sowjetunion einen Beamten aus dem Außenministerium und die Vereinigten Staaten von Amerika einen Verleger. Alle Staaten entsandten zudem mehrköpfige Delegationen in die Kommission. Alle vier Balkanstaaten entsandten auch Liaison-Repräsentanten; Bulgarien einen ehemaligen Außenminister, Griechenland und Jugoslawien jeweils Angehörige der Außenministerien und Albanien einen hohen Offizier.656 Der Kommission wurde ein aus 27 Mitgliedern bestehendes Sekretariat zur Unterstützung der Implementierung ihres Mandates beigegeben. Es wurde von einem Hauptsekretär geleitet, dem ein stellvertretender Hauptsekretär sowie drei Assistenzsekretäre zur Seite standen. Zudem gab es ein Mitglied für Pressearbeit, einen offiziellen Fotografen, einen Kinematografen, Verwaltungsmitarbeiter, Übersetzer, Sekretärinnen und Stenografen.657 c) Durchführung der Untersuchung Die erste Kommissionssitzung am 30. Januar 1947 wurde noch von dem Hauptsekretär geleitet, da sich die Kommissionsmitglieder noch nicht auf einen Modus für den Vorsitz geeinigt hatten. Anlässlich dieser Sitzung wurde beschlossen, dass der Vorsitz nach dem Rotationsprinzip, in der Reihenfolge des englischen Alphabets, wöchentlich wechseln sollte. In Fällen, in denen die Kommission an einen anderen Ort reisen würde, sollte der Vorsitzende sein Amt erst übertragen, wenn die Kommission an diesem Ort ihre erste Sitzung abhalten würde. Außerdem wurde beschlossen, dass der Vorsitzende für die Zeit der Innehabung dieses Amtes ein anderes Mitglied der Delegation seines Heimatstaates zum nationalen Repräsentanten bestimmten könnte.658 Außerdem wurde auf der ersten Sitzung beschlossen, dass die Arbeitssprachen der Kommission Englisch und Französisch sein sollten; allerdings sollte jeder Delegierte die Möglichkeit haben, sich in einer der offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen zu äußern.659 Die Kommission entschied weiterhin, dass sie zur Durchführung ihres Mandates keiner geschriebenen Verfahrensordnung bedürfe. Allerdings holte der jeweilige Vorsitzende immer wieder die Meinungen der Kommissionsmitglieder zu verschiedenen umstrittenen prozessualen Fragen ein, um ein Gesamtbild der ver656 657 658 659
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 5. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 5 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 6. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 6 f.
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schiedenen Positionen innerhalb der Kommission zu erhalten. Im Übrigen wurde Prozessuales in Anlehnung an die Verfahren des Sicherheitsrates bewältigt.660 Die Kommission entschied, dass Anhörungen grundsätzlich öffentlich durchgeführt werden sollten, außer in denjenigen Fällen, in denen die Kommission etwas anderes entscheiden würde. Geschlossene Sitzungen wurden in der Regel zu Verfahrensfragen abgehalten.661 Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den vier Liaison-Repräsentanten entschied die Kommission, dass diese an allen öffentlichen Sitzungen teilnehmen und zum Mitwirken in der Kommissionsarbeit eingeladen werden sollten. In der Praxis wurde den Liaison-Repräsentanten die Teilnahme an den öffentlichen Sitzungen gestattet. Zudem hatten die Repräsentanten Gelegenheit, Zeugen zu vernehmen, Erklärungen abzugeben und zu verschiedenen Fragen Stellung zu nehmen, bevor die Kommission eine Entscheidung traf. Auch konnten die Liaison-Repräsentanten nichtöffentlichen Kommissionssitzungen beiwohnen, was allerdings selten vorkam. Insgesamt wurde die Zusammenarbeit von der Kommission als positiv bewertet, da die Liaison-Repräsentanten viele wichtige Dokumente vorlegten und hilfreiche Anregungen für die Kommissionsarbeit lieferten.662 Um die Arbeit effektiver zu gestalten, setzte die Kommission während ihrer Tätigkeit eine Anzahl von Untergremien ein: das „Committee of Experts“, Untersuchungsteams, „Drafting Committees“ sowie die „Subsidiary Group of Commission“.663 Der Expertenausschuss wurde in der Folge von Diskussionen auf der vierten und fünften Kommissionssitzung am 1. und 3. Februar 1947 ins Leben gerufen, da die Mitglieder der Kommission schon zu einem frühen Zeitpunkt bemerkten, dass ein kleineres Gremium benötigt würde, welches Vorschläge hinsichtlich der Arbeitsplanung, der Prüfung von Eingaben sowie der Auswahl von Zeugen und der Planung ihrer Anhörung unterbreiten sollte. Dabei sollte das Gremium nicht von sich aus tätig werden können, sondern sich nur mit den Fragen befassen, die ihm übertragen würden. In der ersten Arbeitsphase war der Ausschuss nicht mit den Hauptdelegierten besetzt, sondern mit Delegationsmitgliedern aus Kolumbien, Polen, dem Vereinigten Königreich, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika. Während dieser Phase fungierte der Hauptsekretär der Kommission als Vorsitzender des Ausschusses und als Berichterstatter an die Kommission. Von Zeit zu Zeit besuchte der Kommissionsvorsitzende die Treffen des Ausschusses und nahm dort auch den Vorsitz wahr. Insgesamt hielt der Expertenausschuss im Zeitraum vom 3. bis zum 5. Februar 1947 sechs Sitzungen ab. All diese Treffen waren informell gehalten und die abgegebenen Empfehlungen wurden der Kommission zur Entscheidung zugeleitet. In der späteren Arbeitsphase der Kommission wurde der Expertenausschuss 660 661 662 663
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 7. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 7 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 8 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 9.
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reorganisiert, um die Arbeit der Kommission zu beschleunigen. Daher wurde vereinbart, dass der Expertenausschuss von nun an aus den Oberhäuptern der Delegationen bestehen sollte, die bis dahin im Ausschuss vertreten waren, zusammen mit dem gegenwärtigen Vorsitzenden der Kommission. Mit diesem Arrangement konnte der Expertenausschuss detaillierte Vereinbarungen und Arbeitspläne erstellen sowie Empfehlungen an die Kommission abgeben. Am 4. März 1947 wurde zudem entschieden, dass der Delegierte von Frankreich in den Expertenausschuss als Mitglied aufgenommen werden sollte. Durch die Neugliederung des Ausschusses gestaltete sich dessen Tätigkeit effektiver. Es wurden zahlreiche Sitzungen abgehalten, in denen die Arbeit der Kommission geplant wurde. Die Details wurden von einem Unterausschuss erarbeitet, der aus den Delegierten des Vereinigten Königreichs, der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreichs bestand, sowie einem Stellvertreter des gegenwärtigen Vorsitzenden der Kommission, der als Vorsitzender des Unterausschusses fungierte. Der Unterausschuss plante sowohl die Anhörungen der Zeugen als auch die Durchführung von Vor-Ort-Untersuchungen. Bei der Auswahl der Zeugen und der Planung der Vor-Ort-Besuche arbeitete der Unterausschuss eng mit den vier Liaison-Repräsentanten zusammen und gab erst nach deren Anhörung seine Empfehlungen ab. Nach Absegnung durch den Expertenausschuss wurden diese Empfehlungen der Kommission zur Entscheidung vorgelegt. In einem Fall wurde der Unterausschuss von dem Expertenausschuss zudem mit der Durchführung von Zeugenbefragungen beauftragt. Auf Vorschlag des Delegierten von Australien wurde in der 74. Sitzung der Kommission am 12. April 1947 in Genf vereinbart, dass der Expertenausschuss aufgelöst werden sollte, da er seine Tätigkeit beendet hatte.664 Als weitere Untergremien der Kommission wurden Untersuchungsteams gebildet. Deren Bildung wurde von der Kommission für notwendig erachtet, um Außentermine wahrzunehmen, während die Hauptkommission in einem ihrer Hauptquartiere tagte. Die insgesamt sieben Teams, deren Mitgliedschaft in Zusammensetzung und Anzahl schwankte, bestanden aus den Mitgliedern der Delegationen, Liaison-Repräsentanten und Mitgliedern des Sekretariats. Die Kommission bestimmte jeweils die Reisepläne und die Zeugenkategorien hinsichtlich der Personen, die von den Teams angehört werden sollten.665 Zudem wurden durch die Kommission in ihrer 58. Sitzung am 21. März 1947 noch zwei „Drafting Committees“ eingesetzt, welche die Aufgabe hatten, jeweils verschiedene Teile des Abschlussberichts vorzubereiten. Dem ersten dieser Ausschüsse saß der chinesische Delegierte vor, dem zweiten Ausschuss der Delegierte aus Kolumbien. Es wurde vereinbart, dass die Treffen der beiden Ausschüsse in geschlossener Sitzung abgehalten werden sollten, mit Ausnahme derjenigen Fälle, in denen eine Anwesenheit der Liaison-Repräsentanten erforderlich sei. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Liaison-Repräsentanten ihre Eingaben an den Ausschuss 664 665
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 9 ff. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 9 ff.
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entweder schriftlich machen müssten oder gegenüber der Kommission in deren öffentlichen Sitzungen. Danach würde die Kommission in geschlossener Sitzung die Anmerkungen der Liaison-Repräsentanten im Hinblick auf den Abschlussbericht erörtern. Die Delegierten von Australien, Belgien und des Vereinigten Königreichs ließen zu Protokoll nehmen, dass sie gegen die Veröffentlichung der Folgerungen der Diskussionen mit den Liaison-Repräsentanten vor der Einreichung des Abschlussberichts durch die Kommission beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seien.666 Die Kommission nahm ihre Tätigkeit am 29. Januar 1947 in Athen auf, wo sie im Zeitraum vom 30. Januar bis zum 18. Februar 1947 insgesamt 32 Sitzungen abhielt. Weitere 28 Treffen fanden im Zeitraum vom 25. Februar bis zum 22. März 1947 in Thessaloniki statt. Während der Zeit dort unternahm die Kommission mehrere Exkursionen in die Grenzregionen und überschritt dabei auch die Staatsgrenzen zu Bulgarien und zu Jugoslawien. Während dieser Vor-Ort-Besuche konnten Zeugen vernommen und die Schauplätze einiger der Grenzzwischenfälle in Augenschein genommen werden. Im Anschluss hieran hielt die Kommission noch zwischen dem 26. und dem 28. März 1947 sechs Treffen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ab sowie weitere sieben Treffen in der Zeit vom 30. März bis zum 2. April 1947 in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad. Die Kommission beendete ihre Tätigkeit schließlich in Genf mit der Anfertigung des Abschlussberichts.667 Die Untersuchungskommission erhielt im Verlauf ihrer Tätigkeit eine Reihe verschiedener Beweismittel. Zu diesen zählten etwa direkte Berichte von Augenzeugen sowie schriftliche und mündliche Erklärungen der Liaison-Repräsentanten der Regierungen von Albanien, Bulgarien, Griechenland und Jugoslawien sowie von Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen, die von der Kommission eingeladen worden waren, vor ihr zu erscheinen.668 Die Kommission und ihre Untergremien konnten nicht alle Zeugen hören, welche wünschten, vor der Kommission zu erscheinen. Ebenso konnte die Kommission nicht alle Personen hören, die von den Liaison-Repräsentanten als Zeugen vorgeschlagen wurden. Daher war es nötig, eine Zeugenauswahl zu treffen. Zu diesem Zweck wurde zunächst vom Sekretariat eine Vielzahl von Einzelpersonen befragt und eingegangene Korrespondenz mit Blick auf bevorstehende Anhörungen durchgesehen. Das „Committee of Experts“ nahm sich ebenfalls der Angelegenheit an, und machte der Kommission Vorschläge hinsichtlich von Einzelpersonen und Organisationen, die vor ihr zu erscheinen wünschten.669 Weiterhin kam die Kommission dahingehend überein, dass sie die Aussagewilligen dazu anhalten würde, nur solche Erklärungen abzugeben, welche Punkte beträfen, die der Kommission bei der Erfüllung ihrer Aufgabe von Nutzen sein könnten. Im Falle von bekannten und wichtigen Organisationen wurde allerdings eine Ausnahme gemacht; vor deren Anhörungen wurde 666 667 668 669
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 12. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 15 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 16. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 18.
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keine Erklärung für nötig befunden.670 Eine weitere Einschränkung, die allerdings aufgrund des Gewichts der internationalen Verwerfungen zwischen Griechenland und seinen Nachbarstaaten verwundern muss, ist der Umgang mit dem der Kommission in der Sicherheitsratsresolution zugestandenen Recht, Regierungsbedienstete sowie Minister mit Kabinettsrang zu ersuchen, vor ihr zu erscheinen. Die Kommission verzichtete in Bezug auf die Minister regelmäßig auf ein entsprechendes Ersuchen.671 Eine äußerst delikate Angelegenheit betraf die Beziehungen zwischen der Kommission und der Regierung von Griechenland. Bereits anlässlich ihrer frühen Treffen diskutierte die Kommission die Frage, ob ihr die Kompetenz zustünde, die griechische Regierung informell und ohne Bekanntgabe an die Öffentlichkeit um die Aussetzung der Todesstrafe für einige Gefangene zu bitten, welche die Kommission vernehmen wollte. Die Kommission entschied allerdings, die Frage dem Sicherheitsrat zur Entscheidung vorzulegen. Im Sicherheitsrat wurde die Frage daraufhin diskutiert und in der Resolution 17 (1947) vom 10. Februar 1947672 entschieden, dass die Kommission nicht befugt sei, die zuständigen Stellen in Albanien, Bulgarien, Griechenland und Jugoslawien um die Aussetzung einer Exekution zu ersuchen, es sei denn, dass die Kommission der Ansicht wäre, dass die betreffende Person als Zeuge der Arbeit der Kommission zugutekommen würde und ein entsprechendes Ersuchen aus diesem Grunde gestellt würde. Auf der Grundlage der Resolution vernahm ein Team der Kommission vierzehn verurteilte Personen in Bezug darauf, ob ihre Aussage von Wert für die Kommission sei. Einige dieser Personen wurden in der Folge dann von der Kommission angehört, andere durch kleinere Teams.673 Als weitere wichtige Informationsquelle nutzte die Kommission die Vielzahl von schriftlichen Eingaben, die sie von den verschiedenen nationalen Delegationen, den Liaison-Repräsentanten, privaten Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen erhielt.674 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Kommission legte einen sehr umfangreichen Abschlussbericht in zwei Bänden vor, welcher mehr als 800 Druckseiten umfasste.675 Im ersten Band fand sich die Dokumentation der Arbeit und der Ergebnisse der Kommissionstätigkeit, der zweite Band war den dort abgedruckten Beweismitteln vorbehalten. Der Bericht
670
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 18 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 19. 672 UN Doc. S/RES/17 (1947) vom 10. Februar 1947. 673 UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 20. 674 UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 21. 675 Report by the Commission of Investigation concerning Greek Frontier Incidents to the Security Council, UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947. 671
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wurde von allen Delegationsleitern handschriftlich unterzeichnet.676 Über die einzelnen Teile des Berichts wurde in der Kommission abgestimmt. Der erste Band beinhaltet zunächst im ersten Teil677 eine Beschreibung der Tätigkeit der Kommission und der von ihr angewendeten Methoden zur Sachverhaltsermittlung. Dieser Berichtsteil wurde von allen Delegationen einstimmig angenommen.678 Im zweiten Teil des Berichts679 zeigte die Kommission hinsichtlich der einzelnen griechischen Vorwürfe gegenüber Albanien, Bulgarien und Jugoslawien die einzelnen präsentierten Beweismittel auf. Zwar wurde auch dieser Berichtsteil einstimmig angenommen; allerdings brachten die Sowjetunion und das Vereinigte Königreich einige Vorbehalte an.680 Der dritte Berichtsteil war in drei Kapitel aufgeteilt.681 Im ersten dieser Kapitel wurden die Schlussfolgerungen der Delegationen von Australien, Belgien, Brasilien, China, Kolumbien, Syrien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika vor allem zu Einzelaussagen von Befragten und den verschiedenen Problemlagen, die die Kommission zu untersuchen hatte, präsentiert. Die Delegationen der Sowjetunion und von Polen stimmten diesen Schlussfolgerungen nicht zu; außerdem gaben die Delegationen von Belgien und Kolumbien weitere Erklärungen hierzu ab.682 Auch die französische Delegation gab eine Erklärung ab, enthielt sich jedoch ihrer Stimme.683 Das zweite Kapitel enthielt die Schlussfolgerungen der sowjetischen Delegation. Diese wurden von der polnischen Delegation unterstützt und von polnischer Seite wurde zudem eine Erklärung abgegeben.684 Die Delegationen von Australien, Belgien, Brasilien, Kolumbien, China, Frankreich, Syrien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika betrachteten diese Schlussfolgerungen sehr kritisch.685 Dem dritten Kapitel des dritten Berichtsteils, das eine Gesamtzusammenfassung der Schlussfolgerungen der Kommission und ihre Empfehlungen enthielt, wurde von den Delegationen von Australien, Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Syrien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika zugestimmt.686 Die Sowjetunion und Polen stimmten dem Kapitel nicht zu und gaben hierzu Erklärungen ab.687
676 677 678 679 680 681 682 683 684 685 686 687
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. II. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 1 ff. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. I. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 22 ff. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. I. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 167 ff. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. I. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. I. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. I. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. II. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. II. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. II.
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bb) Die Kommission betonte in ihren Schlussfolgerungen zur Gesamtsituation an der griechischen Nordgrenze, dass es Vorwürfe von der Regierung Griechenlands gegenüber seinen drei nördlichen Nachbarstaaten dahingehend gebe, dass diese den Guerillakrieg in Griechenland unterstützen würden. Es gebe in Griechenland eine beunruhigende Situation, die das Erbe der Vergangenheit sei und deren Gründe in der tragischen Erfahrung liegen würde, die Griechenland während des Zweiten Weltkriegs zu erdulden hatte; namentlich in der Besatzung durch Italiener, Deutsche und Bulgaren, in dem Guerillakrieg, der sich während der Besatzung zugetragen habe, sowie in der politischen Verbitterung und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die mit dem Krieg einhergingen.688 Eine weitere Problemlage bestünde darin, dass die meisten der an der zu untersuchenden Problemlage beteiligten Staaten ihre Territorialgrenzen nicht so akzeptieren würden, wie sie im Zeitpunkt der Untersuchung definiert seien. Einige der Territorialforderungen seien in einer gänzlich legitimen Art und Weise vor den Vereinten Nationen oder anderen zuständigen internationalen Institutionen vorgebracht worden. Allerdings habe die Wiederholung dieser Forderungen unzweifelhaft zur Verschlimmerung einer ohnehin gefährlichen Situation beigetragen.689 Insbesondere im Falle der Problemlage bezüglich der Region Makedonien seien die Forderungen nicht vor den Vereinten Nationen vorgebracht worden, sondern in Reden von einzelnen Repräsentanten von einzelnen Regierungen oder in regierungskontrollierten Presseorganen. Die Ausnutzung der Makedonien-Frage in dieser Art und Weise sei nach Auffassung der Untersuchungskommission eine Bedrohung für die Ruhe auf dem Balkan. Dieses Verhalten würde zudem nur die dort herrschenden Spannungen und Verdächtigungen weiter anreizen und nationalistischen Gelüsten Auftrieb geben, die als Ergebnis des Krieges mit politischen Ideen besetzt seien.690 Eine weitere Problemlage, auf die die Kommission in ihren Schlussfolgerungen hinwies, war die Präsenz von politischen Flüchtlingen in allen vier an dem Disput beteiligten Staaten, die aufgrund der jeweiligen politischen Verhältnisse von einem dieser Staaten auf das Gebiet eines der anderen Staaten geflohen seien. Viele dieser Flüchtlinge hätten an den politischen Machtkämpfen teilgenommen, die sich während des Krieges und auch danach in ihren jeweiligen Heimatstaaten zugetragen hätten. Einige dieser Flüchtlinge seien in der Nähe der Grenzen zu denjenigen Staaten untergebracht, aus denen sie geflohen seien. Einige dieser politischen Flüchtlinge seien während ihres Exils in politische und militärische Aktivitäten involviert gewesen. Zu viele dieser Personen würden in der Hoffnung leben, dass ein gewalttätiger Umschwung in ihren Heimatländern stattfinde, der es den Personen ermöglichen würde, zu den Bedingungen ihrer Wahl zurückzukehren. Andere Flüchtlinge hingegen seien Opfer einer panischen Flucht geworden und wären 688 689 690
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 246. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 246. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 246 f.
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glücklich, nach Hause zurückzukehren, wenn sie die freie Wahl hätten. Das diese Personen immer noch in Grenznähe unter schlechten Bedingungen leben würden, war für die Kommission ein klarer Faktor, der erheblich zu der von ihr zu untersuchenden Situation beitragen würde.691 Als letzte Schlussfolgerung bemerkte die Kommission noch, dass die Gewalttätigkeit und das Ausmaß der Propaganda, das von einigen der Protagonisten in der zu untersuchenden Situation in ihren gegenseitigen Beziehungen zueinander verwendet würde, der Kommission bei ihren Aufenthalten in den vier Staaten nicht habe entgehen können. Diese Art von Propaganda würde stets dazu beitragen, aufgeheizten Gemütern Auftrieb zu verleihen, die bereits zur Genüge angestachelt seien.692 cc) Die Kommission leitete ihre Empfehlungen, die von der Delegation der Sowjetunion allesamt als unzweckmäßig oder nicht auf Tatsachen beruhend kritisiert wurden,693 sehr prosaisch mit der Bemerkung ein, dass in den Umständen, die sie vorgefunden habe, es „idle to believe“ sei, „that the situation in northern Greece could be cured by a stroke of the pen“.694 Allerdings war die Kommission realistisch und brachte zum Ausdruck, dass ihre Empfehlungen im Geiste des Kapitels VI der Charta der Vereinten Nationen formuliert seien. Ziel sei es, jede Verschlimmerung der Lage in Nordgriechenland zu verhindern, diese zu lindern und möglicherweise sogar eine Wiederherstellung normaler Zustände zu bewirken.695 Zudem betonte die Kommission, dass sie keine Empfehlungen zu Fragen treffen würde, die in die inneren Angelegenheiten eines Staates fielen, da solche Empfehlungen von einigen der beteiligten Staaten als Verstoß gegen Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen gewertet werden könnten. Allerdings schlug die Kommission dann doch vor, dass in dem Fall, dass sich die griechische Regierung dazu entscheiden solle, Amnestien für politische Gefangene oder Aufständische zu gewähren, der Sicherheitsrat der Regierung von Griechenland seine Bereitschaft anzeigen solle, seine Guten Dienste anzubieten, um alle Mittel zu Realisierung dieser Maßnahmen auszuschöpfen.696 Die Kommission schlug dem Sicherheitsrat zunächst vor, dass dieser den Regierungen von Griechenland einerseits und von Albanien, Bulgarien und Jugoslawien andererseits empfehlen solle, ihr Möglichstes zu tun, um normale gute nachbarschaftliche Beziehungen zu unterhalten, sich aller direkten oder indirekten Handlungen zu enthalten, die zur Verschlimmerung oder Aufrechterhaltung der Spannungen und der Unruhen in der Grenzregion führen könnten sowie davon Abstand zu nehmen, Elemente, die in Nachbarstaaten offen oder verdeckt agieren würden, zu unterstützen, wenn diese Elemente das Ziele hätten, die rechtmäßigen 691 692 693 694 695 696
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 247. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 247. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 252 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 247. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 248. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 248.
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Regierungen dieser Staaten zu stürzen. Zudem sollte den Regierungen durch den Sicherheitsrat empfohlen werden, dass Beschwerden über das Verhalten der anderen Regierungen nicht zum Objekt der Propaganda gemacht werden sollten; sondern diese müssten durch geeignete diplomatische Kanäle beziehungsweise die zuständigen Organe der Vereinten Nationen an die betroffene Regierung gerichtet werden. Zudem wies die Kommission noch darauf hin, dass im Lichte der von ihr zu untersuchenden Situation, weitere Fälle der Unterstützung für bewaffnete Banden, die auf dem Gebiet eines Staates gebildet und die Grenzen zum Gebiet eines anderen Staates überqueren würden, vom Sicherheitsrat als Bedrohung des Friedens im Sinne der Bedeutung dieses Begriffs in der Charta der Vereinten Nationen eingeordnet werden könnten. Diese gelte auch für zukünftige Fälle, in denen es eine Regierung verweigere, alle ihr möglichen Maßnahmen auf ihrem Staatsgebiet zu unternehmen, um solchen Banden die Unterstützung oder den Schutz zu entziehen.697 Weiterhin schlug die Kommission dem Sicherheitsrat noch vor, dass er den Regierungen der beteiligten Staaten empfehlen solle, zur Regulierung und Kontrolle ihrer gemeinsamen Staatsgrenzen, einen völkerrechtlichen Vertrag abschließen, der die Bedürfnisse berücksichtigen solle, die durch die (zum Untersuchungszeitpunkt) gegenwärtige Situation entstanden seien.698 Die Hauptempfehlung der Kommission betraf die Errichtung eines Gremiums, durch welches das Ziel verfolgt werden solle, wieder normale Bedingungen an den Grenzen von Griechenland einerseits und von Albanien, Bulgarien und Jugoslawien andererseits herzustellen. Dieses Gremium sollte durch den Sicherheitsrat, in Form einer kleinen Kommission oder eines einzelnen Kommissars, errichtet werden. Im Fall der Errichtung einer kleinen Kommission solle sich diese aus Repräsentanten von Regierungen zusammensetzen. In dem Fall, dass das Gremium nur aus einem einzelnen Kommissar bestehen würde, sollten dieser und sein Stab Staatsangehörige von Staaten sein, die weder ständige Mitglieder des Sicherheitsrates seien noch von Staaten, die eine direkte Verbindung mit oder ein Interesse an den Angelegenheiten in den vier beteiligten Staaten hätten. Der Kommission oder dem einzelnen Kommissar müsse zudem ein Stab beigegeben werden. Das Personal des Stabes müsse dabei auch als Grenzbeobachter tätig sein können. Der Kommission beziehungsweise dem einzelnen Kommissar müsse zudem das Recht zustehen, den ihr beziehungsweise ihm übertragenen Aufgaben auf beiden Seiten der jeweiligen Grenze nachzukommen. Zudem müsse die Kommission beziehungsweise der Kommissar direkten Zugang zu den Regierungen von Albanien, Bulgarien, Jugoslawien und Griechenland haben. Aufgaben des vorgeschlagenen Gremiums sollten die Durchführung von Ermittlungen bei Grenzverletzungen, die Zurverfügungstellung von Guten Diensten im Falle einer Streitigkeit über Grenzfragen zwischen den vier Staaten, die Beratung der vier Regierungen beim Abschluss von bilateralen Abkommen und Verträgen zur friedlichen Beilegung von Grenzproblemen sowie Be697 698
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 248. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 248 f.
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richterstattung an den Sicherheitsrat in Abständen von drei Monaten oder dann, wenn das Gremium den Zeitpunkt zur Berichterstattung für geeignet halte, sein. Die Griechenlandkommission empfahl zudem, dass das Gremium für mindestens zwei Jahre errichtet werden solle. Danach solle der Sicherheitsrat prüfen, ob eine Fortsetzung der Tätigkeit des Gremiums notwendig sei.699 In einer weiteren Empfehlung ging die Kommission nochmals die Flüchtlingsfrage an. Die Kommission erkannte an, dass die Probleme, die derzeit in der Region herrschten, sowie die Natur der Grenze es physisch unmöglich machen würden, die Grenzüberquerung durch Flüchtlinge zu kontrollieren. Da die Anwesenheit dieser Flüchtlinge in Grenznähe eine große Rolle bei den Spannungen in der Region spielen würde, sollte jede der vier Regierungen Überlegungen dahingehend anstellen, die Flüchtlinge soweit wie möglich von der Grenze fortzuschaffen. Die Flüchtlinge sollten in Flüchtlingslagern oder in anderer Weise untergebracht werden. Die betroffenen Regierungen sollten zudem dafür Sorge tragen, dass es diesen Flüchtlingen nicht gestattet seien solle, sich politisch oder militärisch zu engagieren. Flüchtlingslager sollten, soweit dies möglich und praktikabel sei, der Aufsicht einer internationalen Behörde unterstellt sein, die von den Vereinten Nationen zu diesem Zwecke beauftragt sei. Um sicherzustellen, dass nur echte Flüchtlinge zurückkehren würden, solle eine Rückkehr erst nach der Implementierung einer Regelung mit dem Heimatland des Flüchtlings und einer Mitteilung hierüber an das Gremium oder die internationale Behörde, sollte diese errichtet werden, stattfinden.700 Das von der Kommission vorgeschlagene Gremium solle die vier Regierungen bei der Implementierung solcher Maßnahmen unterstützen. Hierzu solle das Gremium Berichte von den vier Regierungen darüber erhalten, welche Personen von einem Land in das andere Land geflohen seien. Diese Informationen sollten zur vertraulichen Nutzung des Gremiums zur Verfügung stehen, welches sich gleichzeitig bemühen solle, die Repatriierung von Personen zu unterstützen, die eine Rückkehr nach Hause wünschten. Hierzu sollte sich das Gremium mit den geeigneten Stellen bei den Vereinten Nationen in Verbindung setzten.701 Zuletzt legte die Kommission dem Sicherheitsrat noch nahe, dass dieser den betroffenen Regierungen empfehlen solle, die praktische Möglichkeit des Abschlusses von Vereinbarungen über einen freiwilligen Bevölkerungsaustausch zu bedenken. In der Zwischenzeit solle Minderheiten in jedem der betroffenen Staaten von Seiten der Regierung die Möglichkeit zur Emigration gegeben werden, wenn es diese Minderheiten wünschten. Die Vorkehrungen zu einem Bevölkerungsaustausch könnten von dem vorgeschlagenen Gremium überwacht werden, welches als Registrierungsstelle für jede Person dienen könne, die zu emigrieren wünsche.702
699 700 701 702
UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 249 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 250 f. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 250. UN Doc. S/360 vom 27. Mai 1947, S. 250.
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2. Franco-Diktatur in Spanien a) Historischer Hintergrund Durch den Sieg der nationalistischen Kräfte im von 1936 bis 1939 andauernden Spanischen Bürgerkrieg gelangte General Francisco Franco in dem iberischen Staat an die Macht und errichtete dort eine Diktatur. Während des Zweiten Weltkriegs stand Spanien unter dem Franco-Regime den Achsenmächten, dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien, welche die Nationalisten im Spanischen Bürgerkrieg unterstützt hatten, nahe.703 Zwar stufte sich Spanien selbst während der Kampfhandlungen als nicht-kriegsführende Macht ein und verweigerte sich auch Forderungen von Hitler, deutschen Truppen das spanische Staatsgebiet zu öffnen, jedoch leistete Spanien den Achsenmächten diverse Hilfen. Hauptbeitrag zu deren Kriegsanstrengungen war die Entsendung der „División Azul“ an die Ostfront, welche aus zirka 47.000 Freiwilligen bestand. Die „Blaue Division“ wurde allerdings nach der Niederlage der deutschen Truppen und ihrer Verbündeten in der Schlacht von Stalingrad im Jahr 1943 wieder abgezogen. Weitere Unterstützung ließ Spanien Deutschland in Form der Überlassung von Stützpunkten für Unterseeboote der Kriegsmarine und von Geheimdienstmaterialen zuteilwerden. Im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg galt Spanien daher als Verbündeter der Achsenmächte. Dies führte zu einer weitgehenden Isolation des Staates in den internationalen Beziehungen. Die spanische Innenpolitik war vom sog. Franquismus geprägt, einer stark auf die Person des despotischen Herrschers ausgerichteten Form der Machtausübung und -erhaltung.704 Die Opposition in Spanien wurde stark unterdrückt. Repressionen waren allgegenwärtig. Eine geschriebene Verfassung gab es für Spanien nicht, lediglich eine Reihe von Grundgesetzen mit Verfassungsrang. b) Einsetzung der Kommission Die Befassung des Sicherheitsrates mit der sog. Spanischen Frage nahm ihren Ausgangspunkt in der Verabschiedung der Resolution 32 (I) der Generalversammlung vom 9. Februar 1946.705 In dieser Resolution ging es um die Frage der Beziehungen von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu Spanien. In dem Dokument wurde zum einen darauf hingewiesen, dass auf der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Fransisco eine Resolution angenommen worden sei, in der niedergelegt wurde, dass Artikel 4 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen, in welchem das Prozedere für die Aufnahmen neuer Mitgliedstaaten in die Organisation festgelegt ist, solange nicht auf solche Staaten, deren Regime mit der Hilfe von 703 704
1975. 705
Hierzu und zum Folgenden Wayne H. Bowen, Spain during World War II, S. 40 ff. Hierzu und zum Folgenden umfassend Stanley G. Payne, The Franco Regime, 1936 – UN Doc. A/RES/32 (I) vom 9. Februar 1946.
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Staaten installiert worden seien, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Alliierten gekämpft hätten, Anwendung finde, wie diese Regime an der Macht seien. Zum anderen wurde in der Resolution an eine Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion und des Vereinigten Königreichs auf der Potsdamer Konferenz erinnert. In dieser war erklärt worden, dass die drei Staaten einen Antrag auf Mitgliedschaft Spaniens bei den Vereinten Nationen durch dessen damalige Regierung nicht unterstützen würden, da diese Regierung die Achsenmächte und damit die Aggressorstaaten im Krieg unterstützt habe. Die Generalversammlung begrüßte die Erklärungen und empfahl den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, ihr Verhalten an der zweiten Erklärung auszurichten und die Erklärungen bei ihren zukünftigen Beziehungen mit Spanien zu bedenken. Am 4. März 1946 gaben zudem Frankreich, das Vereinigte Königreich sowie die Vereinigten Staaten von Amerika eine gemeinsame Erklärung dahingehend ab,706 dass, solange General Franco Spanien unter seiner Kontrolle habe, das spanische Volk nicht eine gänzliche und freundschaftliche Verbindung mit denjenigen Staaten eingehen könne, welche den deutschen Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus in gemeinsamer Anstrengung besiegt hätten. Die drei Staaten verliehen in der Erklärung zudem der Hoffnung Ausdruck, dass sich Franco friedlich zurückziehen werde, die Falange – also die faschistische Bewegung in Spanien – abgeschafft würde, und dass das spanische Volk die Möglichkeit erhalten solle, frei über die Art seiner Regierung und ebenfalls frei über seine Anführer zu bestimmen. In einem Brief vom 9. April 1946 wandte sich der Repräsentant Polens beim Generalsekretär an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.707 In diesem, auf die Resolution der Generalversammlung und aktuelle Ereignisse bezugnehmend, wies er darauf hin, dass die Situation in Spanien nicht als eine innere Angelegenheit verstanden werden könne, sondern bei den gesamten Vereinten Nationen auf Besorgnis stoßen müsse. Artikel 2 Nr. 6 der Charta der Vereinten Nationen bestimme, dass die Organisation sicherstellen müsse, dass sich auch Nichtmitgliedstaaten konform mit den Prinzipien der Vereinten Nation verhielten, da dies für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich sei. Artikel 2 Nr. 6 sei also auf die Situation in Spanien anwendbar. Die polnische Delegation ersuchte daher den Sicherheitsrat nach den Artikeln 34 und 35 der Charta der Vereinten Nationen, die Situation bezüglich Spaniens auf die Agenda zu setzen, hierüber zu beraten und gegebenenfalls Maßnahmen in Übereinstimmung mit der Charta zu beschließen. Der Sicherheitsrat setzte die Spanische Frage dann auch auf seiner 32. Sitzung am 15. April 1946 auf seine Agenda.708 Auf der 34. Sitzung des Sicherheitsrates am 17. April 1946 stellte der Repräsentant Polens dann auch einen Resolutionsentwurf hinsichtlich dieser Frage vor.709 706 707 708 709
Wiedergegeben in: UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 9 f. UN Doc. S/34 vom 10. April 1946. UN Doc. S/PV.32 vom 15. April 1946, S. 122 (122). UN Doc. S/PV.34 vom 17. April 1946, S. 154 (167).
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Hierin wurde vorgeschlagen, dass der Sicherheitsrat alle Mitglieder der Vereinten Nationen, die diplomatische Beziehungen zur Franco-Regierung pflegten, auffordern solle, diese Beziehungen sofort zu beenden. Auf der 35. Sitzung am 18. April 1946 schlug der Repräsentant Australiens eine Ergänzung des polnischen Vorschlages dahingehend vor, dass der Sicherheitsrat einen Unterausschuss mit fünf Mitgliedern bilden sollte, welcher in Übereinstimmung mit Artikel 34 der Charta Untersuchungen in der Frage anstellen sollte.710 Auf der 37. Sicherheitsratssitzung am 25. April 1946 wurde die australische Ergänzung durch einen neuen Resolutionsentwurf ersetzt, der vom Repräsentanten von Australien vorgestellt wurde.711 In einer revidierten Fassung wurde der Entwurf schließlich von den Repräsentanten Australiens, Polens und Frankreichs erneut in den Sicherheitsrat, auf dessen 38. Sitzung am 28. April 1946, eingebracht.712 Der australisch-französisch-polnische Entwurf wurde schließlich auf der 39. Sitzung des Sicherheitsrates am 29. April 1946 beraten. Die Schaffung und die Ergebnisse eines Unterausschusses sollten dabei auch unschlüssige Mitglieder des Sicherheitsrates davon überzeugen, dass die Situation in Spanien eine Gefahr für die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen würde.713 Der Entwurf wurde als vierte Resolution des Sicherheitsrates mit zehn Ja-Stimmen und einer Enthaltung mit folgendem Text angenommen:714 „The attention of the Security Council has been drawn to the situation in Spain by a Member of the United Nations acting in accordance with Article 35 of the Charter, and the Security Council has been asked to declare that this situation has led to international friction and endangers international peace and security; Therefore the Security-Council, Keeping in mind the unanimous moral condemnation of the Franco régime in the Security Council, and the resolution concerning Spain which were adopted at the United Nations Conference on International Organization at San Francisco and the first Session of the General Assembly of the United Nations, and the views expressed by the Security Council regarding the Franco régime, 710
UN Doc. S/PV.35 vom 18. April 1946, S. 180 (197 f.). UN Doc. S/PV.37 vom 25. April 1946, S. 214 (216 f.). 712 UN Doc. S/PV.38 vom 26. April 1946, S. 238 (283 ff.). 713 Vgl. den Redebeitrag des Repräsentaten von Mexiko: „(…) My Government has considered it vital to avoid any division on this issue, as we believe that lack of unanimity will only give aid and comfort to the Falangist regime. In the hope of reaching a unanimous decision, we have been willing to accept the proposal concerning the creation of a sub-committee, trusting that its findings may persuade members of the Council who are still in doubt that the conditions in Franco Spain constitute a situation likely to endanger the maintenance of international peace and security. (…)“, UN Doc. S/PV.39 vom 29. April 1946, S. 240 (243). 714 UN Doc. S/RES/4 (1946) vom 29. April 1946. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Mexiko, Niederlande, Polen, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, die Sowjetunion enthielt sich ihrer Stimme, UN Doc. S/ PV.39 vom 29. April 1946, S. 240 (245). 711
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Hereby resolves to make further studies in order to determine whether the situation in Spain has led to international friction and this endanger international peace and security, and if it so finds, then to determine what practical measures the United Nations may take; To this end, the Security-Council appoints a sub-committee of five of its members and instructs this sub-committee to examine the statements made before the Security Council concerning Spain, to receive further statements and documents, and to conduct such inquiries as it may deem necessary, and to report to the Security Council before the end of May.“
Zu Mitgliedern des Unterausschusses wurden auf Vorschlag des Präsidenten des Sicherheitsrates Australien, Brasilien, China, Frankreich und Polen ohne Gegenstimmen bestimmt.715 c) Durchführung der Untersuchung Der Unterausschuss untersuchte den Fall gemäß dem ihm erteilten Mandat. Hierbei stützte er sich hauptsächlich auf die Dokumente, welche er von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf ein entsprechendes Ersuchen hin erhalten hatte. Hierzu hatte der Ausschuss zuvor einen öffentlichen Aufruf ausgegeben, wonach der Ausschuss Informationen aus jeder Quelle willkommen heißen würde. Insbesondere die republikanische Exilregierung Spaniens machte daraufhin eine umfängliche Eingabe.716 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der vom Unterausschuss vorgelegte Abschlussbericht717 umfasste siebzehn Seiten und war in sechs Abschnitte aufgegliedert. Nach der Einführung718 enthielt der zweite Abschnitt719 die relevanten Tatsachen. Der dritte Abschnitt720 war dem Verhältnis des „Franco-Spaniens“ zu den Vereinten Nationen gewidmet. Im vierten Abschnitt721 wurde die Zuständigkeit des Sicherheitsrates für die Situation hinsichtlich Spaniens sowie dessen Befugnisse, im Rahmen des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen aktiv zu werden, erörtert. Der fünfte Abschnitt722 enthielt Überlegungen hinsichtlich sonstiger, den Vereinten Nationen zur Verfügung stehender, Maßnahmen. Im sechsten Abschnitt723 schließlich waren die Schlussfolge715
UN Doc. S/PV.39 vom 29. April 1946, S. 240 (245). UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 2. 717 The Report of the Sub-Committe on the Spanish Question appointed by the Security Council on 29 April 1946, UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946. 718 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 2 ff. 719 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 4 ff. 720 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 9 f. 721 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 11 f. 722 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 12 ff. 723 UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 14 f. 716
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rungen und Empfehlungen des Ausschusses an den Sicherheitsrat niedergelegt. Brasilien und Polen gaben zudem Vorbehaltserklärungen zu dem Abschlussbericht ab.724 bb) Der Unterausschuss kam zu dem Ergebnis, dass obwohl die Aktivitäten des Franco-Regimes zum damals gegenwärtigen Zeitpunkt keine existente Bedrohung für den Frieden im Sinne von Artikel 39 der Charta der Vereinten Nationen darstellten und der Sicherheitsrat daher keine Befugnis habe, Maßnahmen gegen Spanien nach Maßgabe der Artikel 40 oder 42 der Charta zu beschließen, die Situation doch eine potenzielle Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellen würde. Daher liege eine Situation „likely to endanger the maintenance of international peace and security“ im Sinne von Artikel 34 der Charta vor.725 Der Sicherheitsrat sei aufgrund dessen wegen Artikel 36 Abs. 1 der Charta befugt, geeignete Verfahren oder Methoden zur Bereinigung der Situation zu empfehlen.726 cc) Der Unterausschuss gab dem Sicherheitsrat gegenüber mehrere Empfehlungen ab,727 die dem Ausschuss geeignet und effektiv hinsichtlich der untersuchten Situation erschienen und darüber hinaus die Kompetenzen der Generalversammlung nach Artikel 10 der Charta der Vereinten Nationen in den Blick nahmen. Erstens wurde dem Sicherheitsrat die Befürwortung der Erklärung der Regierungen von Frankreich, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. März 1946 empfohlen. Zweitens wurde empfohlen, dass der Sicherheitsrat der Generalversammlung die Beweise und Berichte des Unterausschusses zukommen lassen solle. Dabei solle der Sicherheitsrat seinerseits an die Generalversammlung die Empfehlung aussprechen, dass von der Versammlung ihrerseits eine Resolution verabschiedet werden sollte, welche es jedem Mitglied der Vereinten Nationen empfehlen solle, die diplomatischen Beziehungen zum Franco-Regime zu unterbrechen. Die Beziehungen zu Spanien sollten erst dann wieder aufgenommen werden, wenn das Franco-Regime abgesetzt worden sei und die weiteren Bedingungen für politische Freiheit nach Auffassung der Generalversammlung vollständig vorliegen würden. Drittens wurde noch empfohlen, dass der Generalsekretär diese Empfehlungen an alle Mitglieder der Vereinten Nationen und alle anderen Betroffenen weiterleiten sollte. Für den Fall, dass die Generalversammlung alle Bedingungen, welche in der Erklärung vom 4. März 1946 niedergelegt waren, als erfüllt ansehen sollte, regte der Unterausschuss noch an, dass der Antrag einer frei gewählten spanischen Regierung auf Mitgliedschaft ihres Staates in den Vereinten Nationen von der Organisation wohlwollend geprüft werden solle.
724 725 726 727
UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 16 ff. UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 14. UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 14. UN Doc. S/75 vom 1. Juni 1946, S. 15.
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3. Korfu-Kanal-Zwischenfall a) Historischer Hintergrund Im Jahr 1946 kam es zu einer ernstlichen diplomatischen Krise zwischen dem Vereinigten Königreich und Albanien, in welchem zu dieser Zeit der kommunistische Diktator Enver Hoxha herrschte, durch Ereignisse, die als Korfu-Kanal-Zwischenfall bekannt wurden.728 Dies waren Vorfälle, die sich im Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte November 1946 in der Straße von Korfu, der Meerenge zwischen dem Norden der zu Griechenland gehörigen ionischen Insel Korfu und dem gegenüberliegenden albanischen Festland, ereigneten. Im Zweiten Weltkrieg waren diese Gewässer von den Achsenmächten stark vermint worden. Seit Ende des Jahres 1944 hatte die britische Royal Navy damit begonnen, Minenräumoperationen durchzuführen. Das erste der genannten Ereignisse fand am 15. Mai 1946 statt. Die beiden britischen leichten Kreuzer „HMS Orion“ und „HMS Superb“ fuhren an diesem Tag durch die Straße von Korfu und wurden dabei von der albanischen Seite durch die Artillerie der Küstenbefestigungen beschossen. Allerdings entstanden hierbei weder Schäden noch hatten die Briten Verletzte oder Tote zu beklagen. Von Seiten des Vereinigten Königreichs wurde eine Entschuldigung für den Akt gefordert, welche jedoch ausblieb. Albanien brachte vor, dass die Schiffe in albanische Hoheitsgewässer eingedrungen seien und zudem nicht als britisch zu erkennen gewesen wären, da die Schiffe zum Zeitpunkt des Beschusses keine Flaggen gehisst hätten. Der zweite Vorfall ereignete sich am 22. Oktober 1946. Die Kreuzer „HMS Leander“ und „HMS Mauritius“ sowie die Zerstörer „HMS Saumarez“ und „HMS Volage“ wurden von der Royal Navy in die Straße von Korfu befohlen, um dort die Reaktion Albaniens auf das seevölkerrechtlich garantierte Recht auf friedliche Durchfahrt von Kriegsschiffen durch die Meerenge zu prüfen. Die Flottille hatte den Befehl, albanisches Feuer zu erwidern. Die „HMS Saumarez“ lief dabei in der Nähe der Bucht von Sandara an der albanischen Küste auf eine Seemine auf. Bei der folgenden Explosion wurde dieses Schiff schwer beschädigt. Die „HMS Volage“, welche die „HMS Saumarez“ ins Schlepp nehmen sollte, um sie in den Hafen der Stadt Korfu zu bringen, verlor durch die Explosion einer weiteren Mine den Bug. Trotzdem gelang es ihr, den anderen Zerstörer abzuschleppen. Insgesamt hatte die Royal Navy 44 Tote und 42 Verletzte auf beiden Schiffen zu beklagen. Den dritten Vorfall stellte die Operation „Retail“ am 12. und 13. November 1946 dar, in deren Rahmen Minen in albanischen Hoheitsgewässern geräumt wurden. Eine 728 Siehe zum Folgenden eingehend Leslie Gardiner, The Eagle Spreads His Claws, S. 1 ff.; Philip E. Wynn, in: Bernard A. Cook (Hrsg.), Europe Since 1945: An Encyclopedia Vol. I, S. 224; John Quigley, Florida Journal of International Law 7 (1992), S. 191 (198 ff.); Laurence W. Maher, Australian Journal of Legal History 9 (2005), S. 47 ff. sowie ICJ, Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), Urteil vom 9. April 1949, ICJ Reports 1949, S. 4 ff.
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Zustimmung von albanischer Seite gab es hierfür nicht. Von britischer Seite erhoffte man sich, so den Beweis dafür führen zu können, dass man mit dem Recht auf Selbstverteidigung handelte, wenn Bedrohungen für die Schifffahrt ausgeräumt würden. Insgesamt wurden 22 Seeminen entfernt. Aus der Lage des Minenfeldes wurde geschlossen, dass dieses bewusst angelegt worden war. Die Untersuchung von zwei der Minen auf Malta ergab, dass es sich bei den Minen zwar um solche aus deutscher Produktion handelte, deren Zustand jedoch auf eine erst vor kurzem durchgeführte Überholung schließen ließ. Daher kam man von britischer Seite zu dem Befund, dass das Minenfeld erst kurz vor dem Zwischenfall vom 22. Oktober 1946 gelegt worden war. Dieser Verdacht wurde zudem dadurch erhärtet, dass Überreste der Minen, die auf der „HMS Volage“ gefunden worden waren, Ähnlichkeiten mit den untersuchten vollständigen Minen aufwiesen. Die Regierung von Albanien beschwerte sich im Anschluss an die Operation „Retail“ bei den Vereinten Nationen über das britische Vorgehen, da ihre Küstengewässer verletzt worden seien.729 b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war mit den Vorkommnissen in der Straße von Korfu anlässlich seiner 107. Sitzung am 18. Februar 1947 befasst.730 Der britische Repräsentant bei den Vereinten Nationen hatte zuvor den Generalsekretär über die Angelegenheit informiert.731 In der genannten Sicherheitsratssitzung erläuterte der britische Vertreter zunächst den Sachverhalt aus britischer Sicht und wies dabei sowohl auf die Regelungen des VIII. Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 betreffend der Legung von unterseeischen selbstständigen Kontaktminen als auch auf die Bedeutung der Schifffahrt in der östlichen Adria hin.732 Zum Ende seiner langen Ausführungen unterbreitete der britische Vertreter dem Sicherheitsrat mehrere Schlussfolgerungen, welche das Organ annehmen möge: „(1) That an unnotified mine field was laid in the Corfu Straits by the Albanian Government or with its connivance, resulting in serious injury to His Majesty’s ships and loss of life and injury to their crews. (2) That the United Kingdom and Albanian Governments should settle the dispute between them on the basis of the Council’s finding in (1) above, and that, in the event of a failure to settle, either party may apply to the Council for further consideration of the matter. (3) That the Security Council will retain this dispute on its agenda until both parties certify that it has been settled to their satisfaction. (4) That, since the laying of mines in peacetime without notification is unjustified and an offence against humanity and since it is the duty of Governments to remove promptly mines laid in time of war, the Security Council remind all States whether Members of the United Nations or not, that it is incumbent on them to sweep 729 730 731 732
UN Doc. S/250 vom 14. Januar 1947. UN Doc. S/PV.107 vom 18. Februar 1947. UN Doc. S/247 vom 10. Januar 1947. UN Doc. S/PV.107 vom 18. Februar 1947, S. 294 ff.
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or permit to be swept all parts of their territorial waters where there is reason to suspect the presence of mines“.733 In der 109. Sitzung des Sicherheitsrates am 19. Februar 1947 wurde einem Vertreter Albaniens das Wort erteilt. Dieser trug die albanische Position in der Angelegenheit vor. Nach dieser habe das Vereinigte Königreich durch die Minenrämung die Rechte des Küstenstaates Albanien verletzt. Die Schaffung eines fait accompli durch die Räumung sei nicht zu rechtfertigen.734 Schließlich ergriff Australien in der 111. Sicherheitsratssitzung am 24. Februar 1947 die Initiative735 und brachte einen Resolutionsentwurf ein, der vorsah, dass der Sicherheitsrat einen Unterausschuss zur Würdigung aller dem Rat vorliegenden Beweise in der Sache errichten sollte.736 Der australische Repräsentant brachte für die Einsetzung eines solchen Unterausschusses vor allem das Argument vor, dass es der einfachste Weg zur Etablierung der Tatsachen des Falles sei, wenn ein solcher Ausschuss die dem Rat bereits in der Sache vorliegenden Materialien sichten, prüfen und dem Rat hierüber kurzfristig Bericht erstatten würde.737 Der Vorschlag wurde von einer Reihe weiterer Mitglieder begrüßt, die sich hiervon Lösungen für das Problem versprachen, welches dem Sicherheitsrat vorlag.738
733
UN Doc. S/PV.107 vom 18. Februar 1947, S. 294 (306 f.). Der umfangreiche Vortrag des Vertreters von Albanien ist wiedergegeben in: UN Doc. S/ PV.109 vom 19. Februar 1947, S. 325 ff. 735 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 ff. 736 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (364). 737 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (363). 738 Vgl. die Äußerung des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) it seems to me that it would be useful to have a small committee which could examine all the evidence, question the interested parties and formulate a succinct report on the facts as they appear to it. (…)“, UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (372 f.); des Repräsentanten von China: „(…) and I think the proposal by the Australian representative – to appoint a sub-committee of three to examine the evidence so far made available to the Council by the parties concerned, and then to report to the Council for further examination and discussion – is a very good and sound step. It is intended to facilitate the Council’s work on this problem, of which it is seized. I would therefore support the Australian draft resolution which is before the Council. (…)“, UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (418); des Repräsentanten von Brasilien: „(…) The Brazilian delegation will vote in favor of the proposal of the Australian delegation to refer this matter to a sub-committee […] We are […] in favor […] of expediting the solution of the problem submitted to the consideration of this Council. (…)“, S. 423; des Repräsentanten von Kolumbien: „(…) My delegation supports the proposal made by the representative of Australia for the appointment of a sub-committee to undertake an investigation. Like my colleagues of Australia and Brazil, I think this sub-committee will accomplish very useful work. Its work and the report which it will submit to the Security Council will facilitate the Council’s task. If we decide to establish this sub-committee and if it works in the manner proposed in the resolution, the Security Council will certainly be able to save time. I think that there are two further factors in favor of the Australian proposal. In the first place, the task devolving upon the sub-committee and this proposal cannot be performed directly by the Security Council itself, in plenary session. The investigation which the sub-committee will 734
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Syrien, die Sowjetunion und Polen standen dem australischen Vorbringen allerdings sehr kritisch gegenüber. So äußerte der Repräsentant der Sowjetunion, dass der Vorschlag Australiens nicht mit der Notwendigkeit konform gehe, die Angelegenheit zwischen dem Vereinigten Königreich und Albanien auf der hohen Ebene des Sicherheitsrates zu halten.739 Der syrische Repräsentant kritisierte, dass der australische Repräsentant weder die Fragen noch die Punkte benannt habe, die der vorgeschlagene Unterausschuss zum Gegenstand seiner Untersuchungen machen sollte.740 Von polnischer Seite wurde die Möglichkeit, dass die beiden streitenden Staaten die Option hätten, den Internationalen Gerichtshof in der Angelegenheit anzurufen, betont. Zudem sei die Einsetzung eines Unterausschusses nicht angebracht, da dieser bei den Vereinten Nationen in New York nicht in der Lage sei, überzeugende Beweise in der Angelegenheit hervorzubringen, da ihm lediglich die verfügbaren Dokumente vorliegen würden.741 Der Sicherheitsrat befasste sich erneut auf seiner 114. Sitzung am 27. Februar 1947 mit dem Korfu-Kanal-Zwischenfall. Vor allem der sowjetische Repräsentant brachte noch einige Einwendungen gegen die Errichtung eines Unterausschusses vor, wie er in dem australischen Vorschlag gefordert worden war; es handelte sich jedoch nunmehr nur noch um Fragen verfahrensrechtlicher Natur innerhalb des Sicherheitsrates.742 Letztlich verabschiedete der Sicherheitsrat auf dieser Sitzung die Resolution 19 (1947) mit acht Ja-Stimmen und den Enthaltungen der Sowjetunion, Polens und Syriens:743 „As a preliminary step in the consideration of the incidents in the Corfu Channel which are the subject to a dispute between the United Kingdom and Albania, The Security Council Resolves to appoint a sub-committee of three members to examine all the available evidence concerning the above-mentioned incidents and to make a report to the Security Council, not later than 10 March 1947, on the facts of the case as disclosed by such evidence. The sub-committee is empowered to request further information as it deems necessary form the parties to the dispute, and the representatives of the United Kingdom and Albania are requested to give every assistance to the sub-committee in its work.“
undertake is not of a kind which the Council needs to carry out in public plenary session. (…)“, S. 424. 739 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (377). 740 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (379 f.). 741 UN Doc. S/PV.111 vom 24. Februar 1947, S. 361 (376 f.). 742 Siehe vor allem UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (S. 427 f.). 743 UN Doc. A/RES/19 (1947) vom 27. Februar 1947. Für die Resolution stimmten: Australien, Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Polen, Syrien und Sowjetunion, vgl. UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (432).
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Ebenfalls auf der 114. Sicherheitsratssitzung wurde der Vorschlag des syrischen Repräsentanten744 angenommen, wonach die Mitglieder des Unterausschusses Australien, Kolumbien und Polen seien sollten.745 Allerdings verlief die Nominierung der Mitglieder nicht gänzlich ohne Diskussion. Ursprünglich schlug der amtierende Präsident des Sicherheitsrates Brasilien vor, den Vorsitz des Unterausschusses zu übernehmen und zwei weitere Mitglieder für diesen zu benennen. Der Präsident begründete diesen Vorschlag damit, dass der brasilianische Repräsentant zwei Tage nach der 114. Sicherheitsratssitzung ohnehin die Präsidentschaft des Organs übernehmen würde.746 Der brasilianische Repräsentant seinerseits fühlte sich hiermit jedoch überfordert, da er das jüngste Mitglied im Sicherheitsrat sei und er als Präsident noch viele weitere Aufgaben habe. Er bat daher darum, diese Aufgabe anderweitig zu vergeben.747 Weiterhin wies der Repräsentant der Sowjetunion darauf hin, dass der Sicherheitsrat zum damaligen Zeitpunkt keine Praxis dahingehend entwickelt habe, dass eine einzelne Person mit der Zusammenstellung eines vom Sicherheitsrat errichteten Gremiums betraut werden würde.748 In der Folge benannte zunächst Australien als mögliche Mitglieder des Unterausschusses China, Kolumbien und Syrien.749 Der Repräsentant der Sowjetunion benannte hingegen Brasilien, Polen und Syrien.750 Der syrische Repräsentant schlug Australien, Kolumbien und Polen als Mitglieder des Gremiums vor.751 Nachdem keine Einigung unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates gefunden werden konnte, schlug der australische Repräsentant schließlich vor, dass die Aufgabe der Benennung der Unterausschussmitglieder dem amtierenden Präsidenten des Sicherheitsrates übertragen werden sollte.752 Dieser schlug dann schließlich Australien, Kolumbien und Polen vor.753 c) Durchführung der Untersuchung Der Unterausschuss hielt insgesamt zehn Sitzungen ab.754 Dabei sah sich der Ausschuss allerdings selbst nicht als Untersuchungskommission oder als Fact-Finding-Unterausschuss in einem strikten Sinne an. Vielmehr sah er seine Hauptaufgabe 744
UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (436). Hierfür stimmten: Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Syrien, Sowjetunion und Vereinigte Staaten von Amerika, es enthielten sich ihrer Stimme: Australien, Kolumbien und Polen, das Vereinigte Königreich nahm an der Abstimmung nicht teil, vgl. UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (438). 746 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (432). 747 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (433). 748 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (433). 749 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (433). 750 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (433 f.). 751 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (436). 752 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (436 f.). 753 UN Doc. S/PV.114 vom 27. Februar 1947, S. 417 (437). 754 UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, S. 7. 745
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darin, die Stellungnahmen und die Beweise, welche dem Sicherheitsrat bereits vorgelegt worden war, zu untersuchen sowie darin, zu prüfen, ob zusätzliche Beweismaterialien existierten.755 Der Unterausschuss befragte bei einigen seiner Sitzungen die Repräsentanten von Albanien und des Vereinigten Königreichs zu den fraglichen Vorgängen. Daneben wurde auch der Ständige Vertreter Griechenlands bei den Vereinten Nationen befragt.756 Zu den Befragungen des britischen und des albanischen Repräsentanten wurde der syrische Repräsentant im Sicherheitsrat zugelassen, der den beiden Personen eigene Fragen stellen wollte. Im Übrigen wurden, dem Selbstverständnis des Unterausschusses folgend, die präsentierten Beweismittel untersucht.757 d) Ergebnisse der Untersuchung Der Unterausschuss kam in seinem Abschlussbericht758 zu dem Ergebnis, dass sich der Sicherheitsrat zwei Fragen zuwenden solle. Zum einen, ob am Ort der Zwischenfälle ein Seeminenfeld existiert habe, und zum anderen, ob dieses durch Albanien oder mit dem Einverständnis der albanischen Regierung gelegt worden sei.759 Der polnische Vertreter in dem Ausschuss legte allerdings einen gesonderten Bericht vor.760 4. Volksaufstand in Ungarn a) Historischer Hintergrund Der mitteleuropäische Staat Ungarn war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Machtbereich der Sowjetunion geraten.761 Nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin kam es Mitte der 1950er Jahre zu politischen Veränderungen in der regierenden kommunistischen Einheitspartei Magyar Dolgozók Pártja. Seit 1949 vereinigte der stalinistische Parteichef Mátyás Rákosi die gesamte Macht im Staat 755 Report of the Subcommittee of the Security Council on Incidents in the Corfu Channel, UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, S. 1. 756 Siehe auch UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, Appendix II, S. 15 ff. 757 UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, S. 8. 758 UN Doc. S/300 vom 12. März 1947. 759 UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, S. 9. 760 UN Doc. S/300 vom 12. März 1947, Appendix I, S. 10 ff. 761 Hierzu und zum Folgenden Paul Lendvai, One Day That Shook the Communist World: The 1956 Hungarian Uprising and Its Legacy, S. 1 ff.; Victor Sebestyen, Twelve Days: The Story of the 1956 Hungarian Uprising, S. 1 ff.; vgl. auch die Darstellungen in den verschiedenen Beiträgen in dem Band Rüdiger Kipke (Hrsg.), Ungarn 1956: Zur Geschichte einer gescheiterten Volkserhebung und John Quigley, Florida Journal of International Law 7 (1992), S. 191 (210 f.) sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Hungarian Revolution“, „Imre Nagy“.
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und in der Partei auf sich. Seine Person wurde in der ungarischen Bevölkerung jedoch immer unbeliebter. Hierzu trugen insbesondere der Personenkult bei, den Rákosi um sich herum errichtete, der von ihm veranlasste Terror durch die staatlichen Sicherheitsbehörden gegen Oppositionelle und Andersdenkende, eine Wirtschaftspolitik, durch welche der Lebensstandard in Ungarn deutlich fiel, sowie eine Außenpolitik, die vollständig unter sowjetischer Kontrolle stand, wobei die Sowjetunion große Truppenkontingente in Ungarn stationiert hatte. Mit dem Machtantritt von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow als Parteichef der Kommunisitischen Partei der Sowjetunion begann ein Prozess der Abwendung von dem Erbe Stalins, der auch die anderen Staaten des Ostblocks erfasste. Im Rahmen dieser Entwicklungen musste Rákosi einen Teil seiner Macht abgeben. Der reformorientierte ehemalige Minister für Landwirtschaftsfragen Imre Nagy übernahm das Amt des Ministerpräsidenten Anfang Juli 1953 und führte eine Reihe von erfolgreichen wirtschaftspolitischen Reformen durch. Allerdings blieben Nagys Reformen in der Einheitspartei nicht unumstritten. Seinen Gegnern gelang es, ihn im April 1955 aus dem Amt des Ministerpräsidenten zu vertreiben. Wenig später wurde Nagy auch aus der Partei ausgeschlossen. Dort ging man jedoch weiterhin gegen die Stalinisten vor, was schließlich zur endgültigen Absetzung Rákosis führte. Neuer Parteivorsitzender wurde Erno˝ Gero˝ . Aber auch dieser Schritt wurde in Teilen der Bevölkerung, insbesondere in intellektuellen Kreisen, nicht positiv aufgenommen. Die Stimmung gegen die kommunistische Herrschaft nahm vor allem im Herbst 1956 immer weiter zu. Die Spannungen entluden sich am 23. Oktober 1956, als Studenten in Budapest demokratische Reformen forderten. Auf der Demonstration, zu der am Abend dieses Tages bereits 200.000 Menschen gekommen waren, wurden freie Wahlen, die Beachtung der Presse- und Meinungsfreiheit, eine Verringerung des Einflusses der Sowjetunion und die Ernennung von Imre Nagy zum Chef der Regierung gefordert. Gero˝ ließ auf die Menge feuern. In den folgenden Tagen brach in Ungarn ein Aufstand aus, bei dem sich Kräfte aus der gesamten ungarischen Gesellschaft gegen die Regierung und die Dominanz der Sowjetunion wandten. Es kam zur Bildung von National-, Arbeiter- sowie Revolutionsräten und es wurde ein Generalstreik ausgerufen. Erno˝ Gero˝ wurde als erster Parteisekretär durch János Kádár ersetzt. Am 27. Oktober gab Nagy bekannt, dass er eine neue Regierung berufen habe; zudem verkündete er die Auflösung des in der Bevölkerung gefürchteten Sicherheitsdienstes ÁHV. Drei Tage später wurde schließlich auch die Einparteienherrschaft in Ungarn für beendet erklärt. Nagy bildete eine aus Vertretern von mehreren Parteien bestehende Regierung. Die Sowjetunion signalisierte zunächst Bereitschaft zu Gesprächen, die den Abzug ihrer Truppen aus Ungarn zum Gegenstand haben sollten; tatsächlich wurde jedoch eine bewaffnete Intervention vorbereitet. Am 1. November 1956 erklärte Ungarn seinen Austritt aus dem Warschauer Pakt und sich fortan für neutral. Daraufhin begannen sowjetische Truppen mit der Niederschlagung der ungarischen Revolution. Bewaffnete Gruppen bekämpften aktiv
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die Streitkräfte der Roten Armee. Am 4. November 1956 wurde Nagy gestürzt und eine neue Regierung unter János Kádár von der Kommunistischen Partei Ungarns gebildet. Bis zum 15. November 1956 wurde im ganzen Land gekämpft. Dabei verloren auf ungarischer Seite zirka 2.500 Menschen ihr Leben; die Truppen der Sowjetunion hatten mehr als 700 Tote zu beklagen. Nagy selbst flüchtete zunächst in die Botschaft Jugoslawiens, die in der Folge von sowjetischen Truppen umstellt wurde. Nachdem Kádár ihm jedoch Straffreiheit zugesichert hatte, verließ Nagy die diplomatischen Liegenschaften. Er wurde daraufhin jedoch vom sowjetischen Geheimdienst KGB festgenommen und nach Rumänien deportiert. b) Einsetzung der Kommission Als Reaktion auf die Ereignisse in Ungarn verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen mehrere Resolutionen.762 In diesen wurde die Verletzung der politischen Unabhängigkeit durch die Präsenz fremder Truppen auf ungarischem Staatsgebiet gerügt und deren Abzug gefordert.763 Außerdem war auch die Frage der Durchführung von Untersuchungen in der Angelegenheit Gegenstand der Resolutionen; insbesondere wurde der Generalsekretär aufgefordert, der Generalversammlung Bericht zu erstatten.764 Zu seinen diesbezüglichen Aktivitäten legte der Generalsekretär am 30. November 1956 einen Interims-Bericht vor.765 Insbesondere wies er hierin auf die Schritte hin, welche er zur Untersuchung und Beobachtung der Entwicklungen in Ungarn unternommen hatte. Bereits am 16. November 1956 hatte der Generalsekretär eine dreiköpfige Kommission, bestehend aus je einem hochrangigen Diplomaten aus Norwegen, aus Indien sowie aus Kolumbien, zusammengestellt.766 Diese Kommission sollte ihn bei seinem Auftrag unterstützen. Die dreiköpfige Kommission nahm die ihr in New York bei den Vereinten Nationen zur Verfügung stehenden Materialien zur Lage in Ungarn in Augenschein. Die Kommissionsmitglieder kamen dabei zu dem Ergebnis, dass all diese Materialien frei zugänglich wären beziehungsweise deren Inhalt bei den 762
Dies waren die Generalversammlungsresolutionen 1127 (XI) vom 21. November 1956 (UN Doc. A/RES/1127 [XI] vom 21. November 1956), 1128 (XI) vom 21. November 1956 (UN Doc. A/RES/1128 [XI] vom 21. November 1956), 1129 (XI) vom 21. November 1956 (UN Doc. A/RES/1129 [XI] vom 21. November 1956), 1130 (XI) vom 4. Dezember 1956 (UN Doc. A/RES/1130 [XI] vom 4. Dezember 1956) und 1131 (XI) vom 12. Dezember 1956 (UN Doc. A/ RES/1131 [XI] vom 12. Dezember 1956). Zudem war der Sicherheitsrat in der Sache aktiv, mandatierte jedoch keine unabhängige Untersuchungsmission, obwohl sowohl der belgische als auch der australische Repräsentant Forderungen in diese Richtung vorgebracht hatten, siehe hierzu näher John Quigley, Florida Journal of International Law 7 (1992), S. 191 (210 f.). 763 Siehe insbesondere UN Doc. A/RES/1131 (XI) vom 12. Dezember 1956, Abs. 1 bis 4 des operativen Teils der Resolution. 764 UN Doc. A/RES/1128 (XI) vom 21. November 1956, Abs. 2 des operativen Teils der Resolution. 765 UN Doc. A/3403 vom 30. November 1956. 766 UN Doc. A/3359 vom 4. November 1956.
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Vereinten Nationen bekannt wäre. Die Kommission erachtete es daher für entscheidend, Ermittlungen in Ungarn selbst durchzuführen, was ihr jedoch nicht gestattet worden sei. Da auch eine Zusammenarbeit mit den von der Krise in Ungarn berührten Staaten aufgrund von deren ablehnender Haltung größtenteils unmöglich war, sah sich die Kommission nicht in der Lage, weiterführende Ergebnisse zu präsentieren.767 Der Generalsekretär schlug der Generalversammlung daher vor, die Untersuchung auf einen ad-hoc-Ausschuss zu übertragen.768 In der Folge brachte Irland auf der 633. Plenarsitzung am 9. Januar 1957 einen von 24 Staaten getragenen Resolutionsentwurf in die Generalversammlung ein, in welchem die Bildung eines Sonderausschusses, bestehend aus fünf Mitgliedstaaten, zur Untersuchung der Situation in Ungarn vorgesehen war.769 In Anbetracht der Tragweite der Ereignisse in Ungarn war es kaum verwunderlich, dass die Einsetzung eines Gremiums zur Untersuchung der Geschehnisse in der Generalversammlung heftig umstritten war. Diejenigen Staaten, welche die Resolution einbrachten, sowie eine Anzahl weiterer Staaten, sahen in der Einsetzung eines solchen Ausschusses nicht nur die Umsetzung des Vorschlags des Generalsekretärs, sondern auch ein wichtiges Mittel zur Aufklärung der Lage in Ungarn, welche nicht nur das Informationsbedürfnis der Vereinten Nationen, namentlich der Generalversammlung, stillen würde, sondern auch ein entsprechendes Bedürfnis der Weltöffentlichkeit.770 767
UN Doc. A/3485 vom 5. Januar 1957, Rn. 3. UN Doc. A/3485 vom 5. Januar 1957, Rn. 8 f. 769 UN Doc. A/3487 vom 9. Januar 1957; UN Doc. A/PV.633 vom 9. Januar 1957, Rn. 1. 770 Vgl. hierzu die Äußerungen des Repräsentanten von Irland: „(…) The draft resolution proposes to give effect to the suggestion contains in the Secretary-Generals’s report of 5 January 1957 for the establishment of a special committee which would in his words, ,take over the activities of the group of investigators established by the Secretary-General, and follow them up under somewhat broader terms of reference.‘ [A/3485 para. 8] My delegation has made itself one of the sponsors of this draft resolution because we believe it to be of vital importance that the truth should be established as fully as possible regarding this grave and tragic chapter in human history. Truth is the foundation of freedom. Truth is the eternal enemy of those mythologies of tyranny which, like that of Communism, seek to confuse the mind of man in order to imprison it. It is therefore right and appropriate that this Organization in its work for peace and freedom should seek to establish, and then solemnly to proclaim to the world, the whole truth about the events in Hungary. (…)“, UN Doc. A/PV.633 von 9. Januar 1957, Rn. 2 f.; des Repräsentanten von Thailand: „(…) The draft resolution which my delegation has the honour to co-sponsor will, in effect, establish a special committee with wide power to investigate and to report to the General Assembly at its present session and thereafter, from time to time, to prepare additional reports for the information of Members of the United Nations and of the General Assembly if it is in session. The General Assembly and the Members will, so far as possible, be kept informed of the situation through a committee of five Member States. My delegation therefore hopes that the draft resolution will have a wide measure of support. (…)“, Rn. 15; des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) We believe that this objective can best be accomplished by the creation of a committee to be charged with investigating and with reporting on these matters to the eleventh session of the General Assembly and thereafter as appropriate. Since we are convinced of the great importance of direct observation in Hungary, we think that this committee should be authorized to establish such observation in Hungary and elsewhere, as well 768
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as to collect evidence, testimony and information which will enable it to report fully. (…)“, Rn. 20; des Repräsentanten von Ceylon: „(…) Surely it is right and proper that a situation of so grave a nature should demand the investigation of this body. It is not enough to say that the conditions have become normal today in Hungary. We are grateful to the Soviet Republic and the Hungarian Government because they have responded to the call of this Assembly to the extent that the continuation of the acts in which they earlier persisted has ceased as a result of the appeal made by this Assembly. But that does not satisfy world public opinion. The people of the world demand to know the origin of the situation, who are responsible for it, what actually has happened, and how future acts of this type can be stopped. It is not enough to say that normal conditions exist in Hungary and that therefore we should refrain from any type of investigation. We might as well adopt the same line of argument as saying, ,A man has been killed. He is dead. Why carry on an investigation? Let us forget all about it.‘ That is not the way in which we in normal life deal with affairs with regard to ourselves. The same common sense and the same kind of justice that we apply in our normal relations in normal life should apply also in our relations in international life. Therefore the plea that an investigation should not now be made is one that I am sorry I cannot accept with any degree of reason. (…)“, Rn. 106; des Repräsentanten von Belgien: „(…) The task of the special committee which we should like to see established will be to collect all the available information on this subject. Dispassionately, with all due impartiality and objectivity, it must throw all the light it can on events in Hungary. It is an important task because it is calculated to establish the true status of the country. (…)“, Rn. 119; des Repräsentanten von Australien: „(…) The draft resolution before us seeks to establish a special committee at a high level to investigate and take evidence of Soviet intervention in Hungary and report its findings in the first place to the eleventh session of the General Assembly and to later sessions as progress in its further inquiries has been made. I do not think there can be any doubt that this work has to be undertaken. In the atmosphere of charge and counter-charge which has been introduced into this matter by the representatives of the Soviet Union and others, it is of prime importance that there should be in this Assembly an objective report setting out the facts so that this Assembly may have an authoritative finding upon which it may base its future actions. All of us here know that Soviet intervention occurred in Hungary in a number of ways into which I do not propose to enter today, but although we know these things they must be recorded to the United Nations in an objective and comprehensive way. For this reason the draft resolution proposes that the special committee should take evidence where it may and report its findings and for this purpose should see the co-operation of Governments including those of the Soviet Union and of Hungary in carrying out its mandate. (…)“, UN Doc. A/PV.634 vom 9. Januar 1957, Rn. 2 f.; des Repräsentanten von Nepal: „(…) In this connexion we also have before us a draft resolution [A/3487] sponsored by twenty-four Powers for the consideration of the Assembly. It is difficult to say to what extend the Hungarian authorities and the Soviet Union will co-operate with the proposed committee. We think that the draft resolution takes into account the proposals of the Secretary-General, and we shall therefore be able to support it. (…)“, Rn. 67; des Repräsentanten von Kolumbien: „(…) The special committee composed of representatives of Member States which it is proposed to create to ,investigate and to establish and maintain direct observation in Hungary and elsewhere, taking testimony, collecting evidence and receiving information, as appropriate, in order to report its findings to the General Assembly‘ [A/3487, para. 1]; implies a satisfactory and perfectly acceptable prescription for enabling the United Nations and world opinion to discover the exact facts about the situation in which the Hungarian people finds itself. (…)“, Rn. 76; des Repräsentanten von Japan: „(…) In view of the fact that the Secretary-General has already being burdened with many other important duties, the suggestion contained in the recent report of the Secretary-General [A/3485], seems to my delegation to be the best available approach for the United Nations in coping with the difficult problem with which it is faced. This suggestion is that a committee should be formed to make direct observations in Hungary and to collect evidence and information in and out of Hungary, with the co-operation of the Governments directly concerned, for the purpose of
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opening up further sources of reliable and impartial information, on the basis of which we could more accurately assess the developments in Hungary. With this belief, my delegation agreed to co-sponsor the draft resolution [A/3487]. (…)“, Rn. 116; des Repräsentanten von Griechenland: „(…) The General-Assembly – in our view, at least – has done all that it can legitimately do. What further action is open to us? The answer to that question lies in the twenty-four Power draft resolution [A/3487]. Partially the outcome of the Secretary-General’s most recent report [A/ 3485], the draft resolution proposed that a committee of representatives of five countries should be set up to observe developments in Hungary and collect evidence on the situation and other appropriate information, and to report to the Assembly. (…)“, Rn. 122; des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) In offering this fruitful suggestion the Secretary-General has certainly interpreted correctly the general disposition of the Assembly, and Her Majesty’s Government welcomes it. We believe that it will open the way to constructive action by the Assembly. My delegation is one of the co-sponsors of the draft resolution [A/3487] now before us which proposes the establishment of a small committee of representatives of Member States charged with the task of collecting information by investigation and observation, both direct in Hungary and elsewhere, and of receiving relevant information from Member States, in order to place the General Assembly, if it is in session, and all Member States in full possession of the facts and of current developments in Hungary. (…)“, UN Doc. A/PV.635 vom 10. Januar 1957, Rn. 28; des Repräsentanten von China: „(…) My delegation welcomes the Secretary-General’s report [A/3485]. My delegation likewise welcomes the new draft resolution [A/3487] sponsored jointly by twenty-four Powers, and will vote in favor of it. Among the strange practices of the Soviet Union, non is so strange and so systematic as the writing and rewriting of histories and encyclopedias to suit the zig-zags of Soviet policy. The aim, of course, is to exploit the minds and hearts of men for the purpose of furthering Soviet aims in the world. (…)“, Rn. 33; des Repräsentanten von Spanien: „(…) The Spanish delegation, too, is one of the sponsors of the draft resolution [A/3487] which we are studying; it did not hesitate to become a sponsor. (…)“, Rn. 39; des Repräsentanten der Niederlande: „(…) The strongest method we have available to that end is the mobilization of the public opinion of the world in order that it may bring its pressure to bear on the Government of the Soviet Union. To achieve this end it is necessary that public opinion be fully and reliable informed on the things that have happened. The present draft resolution which my delegation has co-sponsored will enable the true facts to be disclosed to the world and will also provide the means of keeping attention of the world focused on the Hungarian tragedy. […] The Netherlands delegation, therefore, recommends this draft resolution, not as an ideal measure but as the best means at present available to those Members of the Assembly who really uphold the principles of the Charter and who wish, within the realm of the possible, to give effect to it. (…)“, Rn. 88; des Repräsentanten von Neuseeland: „(…) My delegation, of course, whole-heartedly supports the suggestion of the Secretary-General for the establishment of a small investigation committee composed of representatives of Governments. As I said in this Assembly on the 11 December [616th meeting], it is regrettable that the Secretary-General’s advisory committee was unable to perform the necessary task of investigation. We hope that this task will now rapidly be pushed to completion. It is for this reason that we joined in co-sponsoring the twenty-four-Power draft resolution [A/3487/Rev.1]. (…)“, UN Doc. A/PV.636 vom 10. Januar 1957, Rn. 5; des Repräsentanten des Irak: „(…) We very much regret that the Soviet Union and the Hungarian authorities have not seen fit to co-operate with this Organization in promoting the cause of freedom in Hungary. The Secretary-General, a man of great integrity and objectivity, was denied the right to visit Hungary. The group of investigators appointed by him was denied the right to visit Hungary. If our facts are challenged by the Soviet Union and by the Hungarian authorities why do they not admit neutral observers to furnish us the truth? It is truth that we seek. My delegation will support the twenty-four-Power draft resolution [A/3487/Rev.1] because it serves to provide us with the truth. (…)“, Rn. 41; des Repräsentanten der Dominikanischen Republik: „(…) The Dominican Republic co-sponsored the twenty-fourPower draft resolution [A/3487/Rev.1] because its position on the question of Hungary is un-
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Hiergegen brachten die sozialistischen Staaten vor allem vor, dass es sich bei dem Vorschlag in dem Resolutionsentwurf hinsichtlich einer Untersuchung um eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Ungarn handeln würde. Zudem wurde behauptet, es handele sich um eine propagandistische Aktion.771 alterable, as has been shown by its close association in the preparation and voting of all the earlier resolutions. Like other delegations which have expressed their views, my delegation considers that interest in this question must be kept alive or else it will be shelved indefinitely precise because of the negative attitude of the Soviet Union and the Budapest authorities. (…)“, Rn. 60; des Repräsentanten von Panama: „(…) The twenty-four-Power draft resolution submitted for our approval is undoubtedly of great moral significance because it reaffirms the opinion of the world on the question of Hungary, and makes it clear that the death of thousands of Hungarian patriots who wanted a better future for their country has not been in vain. Reason must be our guide and we must explore every method of peaceful resolution to bring about a solution of the Hungarian problem. (…)“, Rn. 88; des Repräsentanten von Kanada: „(…) The Secretary-General suggests in his report that the Assembly consider the possibility of establishing a special committee which would be given the task of conducting an investigation. My delegation has supported the draft resolution now before the Assembly [A/3487/Rev.1], which may give effect of the suggestion contained in the Secretary-General’s report. We hope that this draft resolution will receive wide support because we know that, once established, the special committee will be able to perform its task with vigour. (…)“, Rn. 94. 771 Vgl. die Äußerung des Repräsentanten von Rumänien: „(…) The proposal to establish a committee to investigate the events in Hungary constitutes an admission of the fact that the resolution of condemnation was not an impartial act but one of passion, that it was an episode in the cold war. Either the authors of the resolution were well informed on the events which they claimed the right to judge, in which case they do not need to conduct an inquiry after having expressed their verdict, or else they were not well informed about the facts, in which case they hardly had the right to express a judgement adverse to the Hungarian Government. In any event, they are caught in their own defective reasoning which strikingly reveals the emotional origin of the discussion of the bogus problem of the so-called ,Hungarian question‘. In short, they first condemned without knowing the true situation and then demand without knowing the true situation and then demand an inquiry after having expressed a judgement. The truth is that the resolutions already adopted and the draft resolution now before us were drawn up in ignorance of the facts. In this case, as before the authors of these texts were concerned neither with the truth nor with respect for the fundamental principles of the peaceful coexistence of States. They simply continued to build up a propaganda machine designed to maintain and prolong foreign intervention in the internal affairs of Hungary, despite their own expressed view and without attempting to preserve a semblance of logic. The propagandistic and diversionary nature of this action is also clear from the procedure to be followed. Who will procure the information for the proposed committee? From the statements made here, it appears that the propaganda machine will be fed mainly by refugees from Hungary. These will obviously include, primally, intelligence agents. On 30 December 1956 The New York Times announced that one of the principal witnesses would be Bela Kirlay, stated by that newspaper to be a Horthiyist officer who was convicted of espionage five years ago and who, after being released from prison by the rebels on 28 December 1956, escaped abroad with the assistance of United States agents. (…)“, UN Doc. S/PV.634 vom 9. Januar 1957, Rn. 25 ff.; des Repräsentanten der Tschechoslowakei: „(…) The righteousness of this position is also confirmed by the negative conclusion drawn by the group of investigators. According to the report of the Secretary-General [A/3485], the group was convinced that there would be no purpose in their attempting an assessment of the present situation or the recent events and that therefore it would be the best for the process of investigation to be discontinued. Besides direct interference into the affairs of Hungary, the authors of the idea of
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sending observers also pursue the purpose of obtaining tendentious material which could eventually be misused against the Hungarian People’s Republic. These schemes, however, have become a failure. (…)“, Rn. 101; des Repräsentanten der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik: „(…) In 1951, the United States Congress enacted a law [Mutual Security Acts] unprecedented in the history of international relations providing for subversive activities against the Governments of countries with which the United States has normal diplomatic relations. Subversive activity against the socialist States and intervention in their domestic affairs have since become basic principles of the United States Government’s foreign policy. It is now proposed that these reprehensible features of United States foreign policy should be extended to the United Nations. This is the purpose behind the proposal in the draft resolution to establish a special committee which the delegations of the United States, the United Kingdom, France and others envisage as a special United Nations body to engage in intervention in the domestic affairs of the Hungarian People’s Republic, its mandate is, moreover, to run for an indefinite period. This is the only interpretation we can place on the fact that the delegations of the Western Powers wish to make it obligatory for this committee to report to the General Assembly at its present session and thereafter ,from time to time‘. The delegation of the Ukrainian SSR draws the attention of other delegations to the fact that the United Nations Charter does not permit the General Assembly to assign to such a body the functions which the sponsors of the draft resolution propose to vest in it. It is clear from Article 2, paragraph 7, of the Charter that neither the General Assembly nor any other United Nations organ is entitled ,to intervene in matters which are essentially within the domestic jurisdiction of any State. (…)‘“, UN Doc. S/PV.635 vom 10. Januar 1957, Rn. 69 ff.; des Repräsentanten von Bulgarien: „(…) Instead of calling the General Assembly together to discuss draft resolutions which are nothing but propaganda manoeuvres on the part of certain reactionary groups in the United States and some Western countries, it would have been much more useful to take steps to put an end to the violent means and the restrictions which the authorities of certain countries employ for the purpose of preventing the return of refugees to their homeland, and to take measures to repatriate infant refugees to Hungary. (…)“, Rn. 104; des Repräsentanten der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik: „(…) The draft resolution [A/3487/Rev.1] submitted for our consideration by the delegations of the United States and other countries is a further attempt at open interference in the domestic affairs of Hungary, one more step in the campaign of slander which has long been directed against Hungary and a flagrant violation of the Charter of the United Nations, which forbids interference in the domestic affairs of States. In the draft resolution it is proposed to establish a special committee composed of representatives of five States to investigate the situation in Hungary, to establish and maintain direct observation in the country and elsewhere, and to collect evidence and receive information from Hungarian refugees in order to submit suitable reports to the General Assembly. The delegation of the Byelorussian SSR considers that this proposal is illegal and is submitted in order to interfere in the domestic affairs of a sovereign State – the Hungarian People’s Republic – and to aggravate further the international situation and intensify the ,cold war‘. For the above reasons the delegation of the Byelorussian SSR will vote against this draft resolution. (…)“, UN Doc. S/PV.636 vom 10. Januar 1957, Rn. 29 f.; des Repräsentanten von Albanien: „(…) The purpose of the draft resolution submitted to the Assembly on the initiative of the United States is to continue the campaign of slander launched against the Hungarian People’s Republic and all the countries of the socialist bloc. This draft resolution is designed to serve as a basis for further intervention in Hungary and to keep the question permanently on the agenda of the United Nations, at this session and future sessions as well. This draft resolution is contrary to the Charter because it permits continuous intervention in the internal affairs of a sovereign nation, a Member of the United Nations, and it serves only the objectives of aggressive circles in the West that wish to create a hotbed of dangerous provocation in the middle of Europe. The adoption of such a draft resolution could only jeopardize the authority of the United Nations. My delegation vigorously opposes it and asks the General Assembly not only to reject it, but also to eliminate from the agenda the so-called
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Die Generalversammlung kam jedoch schließlich dem Vorschlag mit der Annahme des Entwurfs durch die Resolution 1132 (XI) auf ihrer 636. Plenarsitzung am 10. Januar 1957 nach. Die Resolution wurde mit 59 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen angenommen:772 „The General Assembly, Recalling its previous resolutions on the Hungarian problem, Reaffirming the objectives contained therein and the continuing concern of the United Nations in this matter, Having received the report of the Secretary-General of 5 January 1957, Desiring to ensure that the General Assembly and all Member States shall be in possession of the fullest and best available information regarding the situation created by the intervention of the Union of Soviet Socialist Republics, through its use of armed force and other means, in the internal affairs of Hungary, as well as regarding developments relating to the recommendations of the General Assembly on this subject; 1. Establishes, for the above-mentioned purpose, a Special Committee, composed of representatives of Australia, Ceylon, Denmark, Tunisia and Uruguay, to investigate, and to establish and maintain direct observation in Hungary and elsewhere, taking testimony, collecting evidence and receiving information, as appropriate, in order to report its findings to the General Assembly at its eleventh session, and thereafter from time to time prepare additional reports for the information of Member States and of the General Assembly if it is in session; 2. Calls upon the Union of Soviet Socialist Republics and Hungary to co-operate in every way with the Committee and; in particular, to permit the Committee and its staff to enter the territory of Hungary and to travel freely therein; 3. Requests all Member States to assist the Committee in any way appropriate in its task, making available to it relevant information, including testimony and evidence, which Members may possess, and assisting it in securing such information; 4. Invites the Secretary-General to render the Committee all appropriate assistance and facilities;
Hungarian question, which is contrary to the principles of international law and the Charter, and which is detrimental to the cause of peace. (…)“, Rn. 81 f. 772 UN Doc. A/RES/1132 (XI) vom 10. Januar 1957. Für die Resolution stimmten: Argentinien, Äthiopien, Australien, Belgien, Birma, Bolivien, Brasilien, Ceylon, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, Honduras, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kambodscha, Kanada, Kolumbien, Laos, Libanon, Liberia, Libyen, Luxemburg, Marokko, Mexiko, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Österreich, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Portugal, Spanien, Schweden, Thailand, Tunesien, Türkei, Uruguay, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, gegen die Resolution stimmten: Albanien, Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Bulgarien, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, ihrer Stimme enthielten sich: Afghanistan, Ägypten, Finnland, Indien, Jordanien, Jugoslawien, Kuba, Saudi-Arabien, Sudan und Syrien, vgl. UN Doc. A/PV.636 vom 10. Januar 1957, Rn. 112.
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5. Calls upon all Member States promptly to give effect to the present and previous resolutions of the General Assembly on the Hungarian problem; 6. Reaffirms its request that the Secretary-General continue to take any initiative that he deems helpful in relation to the Hungarian problem, in conformity with the principles of the Charter of the United Nations and the resolutions of the General Assembly.“
Australien, Ceylon, Tunesien und Uruguay benannten als Vertreter in dem Sonderausschuss jeweils Diplomaten im Range eines Botschafters, Dänemark ein Parlamentsmitglied. Zur Unterstützung der Ausschussarbeit wurde durch den Generalsekretär zudem ein Ausschusssekretär und ein Stellvertreter für diesen bestellt.773 c) Durchführung der Untersuchung Der Sonderausschuss für die Untersuchung der Situation in Ungarn kam zu seiner ersten Sitzung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York am 17. Januar 1957 zusammen. Hierbei wurden das dänische Ausschussmitglied zum Vorsitzenden des Sonderausschusses und das australische Mitglied zum Berichterstatter ernannt.774 Bereits in New York begann der Ausschuss damit, Zeugen zu vernehmen.775 Vom 11. März bis zum 16. April 1957 hielt der Sonderausschuss Anhörungen in Europa ab. Diese begannen bei den Vereinten Nationen in Genf. Im Anschluss wurden Anhörungen in Rom, Wien, London und nochmals in Genf durchgeführt.776 Insgesamt hörte der Sonderausschuss die Aussagen von 111 Zeugen an, davon 36 in New York, 21 in Genf, 16 in Rom, 30 in Wien sowie neun in London.777 Drei der gehörten Zeugen waren hierbei besonders prominent und wurden durch den Sonderausschuss in seinem Abschlussbericht auch besonders hervorgehoben. Es waren dies: Anna Kéthly, Staatsministerin im Kabinett von Imre Nagy, General-Major Béla Király, militärischer Kommandeur von Budapest und Befehlshaber der Nationalgarde während des Aufstandes in Ungarn, und schließlich Jósef Kövágó, Bürgermeister von Budapest in den Jahren von 1945 bis 1947 sowie nochmals vom 31. Oktober bis zum 4. November 1956.778 Diese drei Zeugen, die zuerst gehört wurden, sowie andere prominente Ungarn, ersuchten den Ausschuss, bestimmte andere Personen anzuhören. Zudem wurden die Regierungen von Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Italien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika darum ersucht, Personen zur Anhörung vorzuschlagen. Die Regierungen übermittelten daraufhin dem Ausschuss Daten von Ungarn, die sich auf ihrem jeweiligen Territorium befanden und deren Aussagen nach Auffassung dieser Regierungen besonders bedeutsam waren. Weiterhin wurden während der Anhö773 774 775 776 777 778
UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 1. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 1. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 5. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 5. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 6. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 7.
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rungen von einigen Zeugen Personen benannt, die ihre jeweilige Auffassung mit eigenen Aussagen bestätigen oder unterstützen könnten. Daneben sandten 200 Ungarn aus eigenem Antrieb Schreiben an den Ausschuss mit der Bitte, von diesem angehört zu werden. Eine Entscheidung darüber, ob diese Personen angehört werden sollten, wurde erst getroffen, nachdem von diesen Personen weitere Informationen zu den jeweiligen persönlichen Daten und zu der von ihnen jeweils beabsichtigten Aussage eingeholt worden waren.779 Generell wurde die Auswahl der Zeugen unter der Ägide des Ausschussvorsitzenden und des Berichterstatters vorgenommen. Als primäres Auswahlkriterium wurde hierbei die Möglichkeit einer Person angesehen, eine aus eigenem und direktem Wissen gespeiste Aussage über die Vorgänge in Ungarn abzugeben. Auch war es für den Sonderausschuss von Bedeutung, dass die Zeugen aus allen Teilen der ungarischen Gesellschaft und aus den verschiedenen Landesteilen kommen sollten. Um dieses Ziel zu wahren, musste der Ausschuss gegen Ende der Anhörungen eine zunehmend diskriminierende Auswahlpraxis an den Tag legen, um sich wiederholende Aussagen zu verhindern.780 Tatsächlich boten die Zeugen einen Querschnitt der ungarischen Gesellschaft in Bezug auf Alter, Geschlecht, vertretene Berufe, politische Einstellungen und andere Merkmale.781 Die Anhörungen, die der Sonderausschuss durchführte, waren grundsätzlich nicht öffentlich zugänglich. Der Ausschuss ergriff diese Maßnahme, da die meisten der ungarischen Flüchtlinge, die vernommen werden sollten, für den Fall, dass ihre Aussage bekannt würde, Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Familien und Freunde in Ungarn fürchteten. Zudem war der Ausschuss der Auffassung, dass seine Befragungen in nichtöffentlicher Sitzung eindringlicher durchgeführt werden könnten. 81 der insgesamt 111 Zeugen erbaten zudem vom Ausschuss eine anonyme Befragung. Bei dieser wurde der Name der jeweiligen Person nur dem Ausschussvorsitzenden und dem Berichterstatter bekannt gemacht, den anderen Ausschussmitgliedern nur dann, wenn diese ausdrücklich darum ersuchten. Eine offene Anhörung fand nur bei den oben genannten prominenten Ausschusszeugen statt.782 Zu Beginn einer Aussage vor dem Sonderausschuss gaben die Zeugen gewöhnlich ihre persönlichen Daten und ihren Hintergrund an. Danach gaben die Zeugen in der Regel eine Einführung hinsichtlich derjenigen Begebenheiten, über welche sie besonderes Wissen besaßen. Die Zeugen wurden anschließend vom Ausschuss darauf hingewiesen, dass sich ihre Aussage auf ihre persönlichen Erfahrungen zu stützen habe. Die Einführungen, welche die Zeugen gaben, dauerten dabei zwischen einigen Minuten und einigen Stunden. Im Anschluss hieran wurden die Zeugen einem intensiven Kreuzverhör durch die Ausschussmitglieder unterzogen. Neben ihrer eigentlichen Aussage legten einige Zeugen dem Sonderausschuss zudem wichtige Dokumente sowie persönliche Aufzeichnungen vor, die ihre mündlich gemachten 779 780 781 782
UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 8. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 9. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 10 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 24.
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Angaben stützen sollten.783 Während seiner gesamten Arbeit achtete der Sonderausschuss gewissenhaft darauf, eine Einschätzung des Wertes der von den Zeugen gemachten Aussagen beziehungsweise der von ihnen vorgelegten Materialien zu treffen. Daher wurde auf eine eingehende Zeugenbefragung Wert gelegt, um die Zuverlässigkeit der gemachten Aussage bewerten zu können. Vielfach sah sich der Ausschuss zudem in der Lage, eine Aussage mit einer anderen Aussage und/oder mit dokumentarischen Materialien zum gleichen Sachverhalt zu vergleichen und daraus Rückschlüsse ziehen zu können.784 Zudem erhielt der Ausschuss diverse dokumentarische Materialien zur Sichtung. So hatte er etwa durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen deren Mitgliedstaaten ersucht, relevante Informationen, die sich in ihrem Besitz befanden, zur Verfügung zu stellen. Staaten, welche über eine diplomatische Vertretung in Budapest verfügten, erhielten vom Sonderausschuss nochmals eine besondere Anfrage in dieser Hinsicht.785 Der Ausschuss erhielt eine Vielzahl von Antworten. Insbesondere die Regierungen von Belgien, Frankreich, der Niederlande, von Italien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika überließen dem Ausschuss detailreiche und ausführliche Berichte zu der Situation in Ungarn. Die Regierung von Österreich überließ dem Ausschuss zudem ein Memorandum, welches auf den Aussagen von 38 ungarischen Flüchtlingen basierte, welche sich in Österreich aufhielten.786 Zudem wurde dem Sonderausschuss auch noch eine größere Anzahl von Dokumenten und Berichten durch Nichtregierungsorganisationen überlassen. Dabei wurde im Abschlussbericht des Ausschusses der Bericht der Internationalen Juristenkommission als besonders detailreich hervorgehoben.787 Vor allem in der Anfangsphase seiner Tätigkeit bezog der Ausschuss seine Informationen primär aus den Beobachtungen verschiedener ungarischer Quellen. Hierunter befanden sich die Übertragungen offizieller und nichtoffizieller ungarischer Rundfunksender, Zeitungen sowie Flugblätter. Auch offizielle Dokumente der ungarischen Regierung wurden gewürdigt.788 Zudem hatte der Sonderausschuss Gelegenheit, verschiedene Filme anzusehen, die während des Aufstandes gedreht worden waren.789 Wenig erfolgreich verliefen die Versuche des Sonderausschusses, die ungarische Regierung dazu zu bewegen, dem Ausschuss die Einreise in den mitteleuropäischen Staat zu gewähren, um dort Ermittlungen anstellen zu können. Bereits in einem frühen Arbeitsstadium hatte der Ausschuss, vermittels des Generalsekretärs der 783
UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 25. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 26. 785 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 27. 786 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 28. 787 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 29. 788 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 30; eine Liste der vom Ausschuss verwendeten dokumentarischen Beweise findet sich als Annex zu dem Dokument ab S. 140 ff. 789 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 31. 784
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Vereinten Nationen, die Regierung Ungarns hierum und generell um Zusammenarbeit gebeten. In einem Antwortschreiben vom 5. Februar 1957 teilte der Ständige Vertreter Ungarns bei den Vereinten Nationen dem Generalsekretär allerdings mit, dass der Sonderausschuss nach Auffassung seiner Regierung durch seine Funktion die Charta der Vereinten Nationen verletze und man sich daher nicht in der Lage sehe, die Mitglieder des Sonderausschusses und dessen Personal nach Ungarn einreisen zu lassen.790 Während seines Europabesuchs ersuchte der Ausschuss die ungarische Regierung nochmals um die Erlaubnis zur Einreise. In einer Note vom 25. März 1957 wurde dem Ausschuss allerdings mitgeteilt, dass die Regierung an ihrer Auffassung festhalte.791 – Weiterhin ersuchte der Sonderausschuss am 14. März 1957 den Generalsekretär der Vereinten Nationen darum, der rumänischen Regierung mitzuteilen, dass der Ausschuss ein Treffen mit Imre Nagy wünsche, um das ihr von der Generalversammlung übertragene Mandat effektiv und zur Gänze ausführen zu können. Der Ständige Vertreter Rumäniens bei den Vereinten Nationen antwortete hierauf am 30. März 1957, dass seine Regierung den Sonderausschuss sowohl als konträr zum Geist und zu den Vorschriften der Charta der Vereinten Nationen als auch im Widerspruch zum Interesse internationaler Kooperation stehend sehe.792 Nach Abschluss der Anhörungen kehrten die Mitglieder des Sonderausschusses nach New York zurück. Dort bereiteten sie den Abschlussbericht vor. Dieser wurde auf der letzten Ausschusssitzung am 7. Juni 1957 einstimmig beschlossen.793 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht des Sonderausschusses794 umfasste insgesamt 785 Randnummern. Nach drei einleitenden Kapiteln war der Bericht in drei Hauptteile mit jeweils mehreren Unterkapiteln unterteilt. In einem einführenden Teil795 beschrieb der Ausschuss seine Einsetzung und seine Tätigkeit und gab eine kurze Einführung in den ungarischen Volksaufstand796 sowie die Sichtweise der Sowjetunion und der Regierung von János Kádár auf die Geschehnisse.797 In dem folgenden Hauptteil A des Berichts798 wurden zunächst die militärische Intervention der Sowjetunion und deren politischer Hintergrund dargestellt; der Hauptteil B799 war den Auswirkungen der Androhung von Gewalt von Seiten der Sowjetunion auf die po790 791 792 793 794 795 796 797 798 799
UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 32. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 33. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 34. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 6. Report of the Special Committee on the Problem of Hungary, UN Doc. A/3592 von 1957. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 1 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 47 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 90 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 151 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 370 ff.
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litische Unabhängigkeit Ungarns gewidmet und im Hauptteil C800 wurden schließlich spezifische Aspekte von Verletzungen der Rechte des ungarischen Volkes erörtert. In dem abschließenden 17. Kapitel801 fasste der Sonderausschuss seine Beobachtungen in finalen Schlussfolgerungen zusammen. bb) Der Abschlussbericht beinhaltete eine überaus genaue Nachzeichnung der Ereignisse in Ungarn und die Feststellungen des Ausschusses beziehen sich auf verschiedenste Fragen in diesem Zusammenhang.802 Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die Ereignisse im Oktober und November 1956 in Ungarn ein spontaner, nationaler Aufstand gewesen seien. Dieser Aufstand sei durch langanhaltende Missstände hervorgerufen worden. Diese Missstände seien sowohl auf den unterlegenen Status Ungarns gegenüber der Sowjetunion zurückzuführen als auch auf das ungarische Regierungssystem, welches teilweise durch „the weapon of terror“ aufrechterhalten worden sei. Hierbei habe die Bespitzelung durch die Politische Polizei eine wichtige Rolle gespielt. Der Aufstand gegen diese Zustände sei nicht zuvor geplant gewesen, sondern vielmehr spontan entstanden. Hinsichtlich der massiven bewaffneten Intervention der Sowjetunion in Ungarn kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Angelegenheit von internationaler Tragweite handele.803 5. Nordvietnamesische Grenzverletzungen gegenüber Laos a) Historischer Hintergrund Nach dem Zweiten Weltkrieg sah sich die Kolonialmacht Frankreich in ihren Besitzungen in Südostasien mit zunehmend starken nationalen Unabhängigkeitsbewegungen konfrontiert, die oftmals politisch links standen. Ab 1946 brach in Französisch-Indochina jedoch ein offener Konflikt aus, bei dem die lokalen Machthaber in Vietnam, Kambodscha und Laos an der Seite Frankreichs gegen die Bewegungen der Vietminh, der Khmer Issarak und der Lao Issara kämpften. Gegen Ende dieses sog. Ersten Indochinakrieges wurde Laos im Jahr 1953 endgültig in die Unabhängigkeit von Frankreich entlassen. Aus dem radikalen, prokommunistischen Zweig der Lao Issara war zwischenzeitlich die Bewegung der Pathet Lao hervorgegangen.804 Diese stand der neuen konstitutionell-monarchischen Regierung unter König Sisavang Vong und dem Premierminister Prinz Souvanna Phouma feindlich gegenüber und bekämpften diese weiterhin. Der Konflikt wurde zunächst auf der
800
UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 713 ff. UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 784 f. 802 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 785. 803 UN Doc. A/3592 von 1957, Rn. 785. 804 Hierzu und zum Folgenden Martin Stuart-Fox, A History of Laos, S. 59 ff.; Arthur J. Dommen, in: Andrea Matles Savada (Hrsg.), Laos: a country study, S. 42 ff. 801
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Genfer Indochinakonferenz im Jahr 1954 beigelegt.805 In der Abschlusserklärung der Konferenz vom 21. Juli 1954806 wurde unter anderem die Unabhängigkeit der ehemaligen Teile Französisch-Indochinas durch die anderen Konferenzmächte bestätigt und die Internationale Überwachungskommission ins Leben gerufen, welche die Implementierung der Vereinbarungen von Genf überwachen sollte. Zu deren Mitgliedern wurden Polen, Kanada und Indien berufen. In Laos wurden den Pathet Lao zwei der nördlichen Provinzen als Einflussgebiete zugesprochen. Diese sollten dann wieder in den Gesamtstaat reintegriert werden, wenn die Pathet Lao beziehungsweise ihr politischer Flügel, die Laotische Patriotische Front, an einer Regierung des südostasiatischen Staates beteiligt würden beziehungsweise würde. Nachdem im Jahr 1958 in Laos Wahlen stattfanden, wurde eine Regierung unter der Führung von Prinz Souvanna Phouma gebildet, welche auch Vertreter der Pathet Lao einschloss. Die Regierung zerbrach allerdings bereits im August 1958 wieder, nachdem Souvanna Phouma, auch unter dem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika, gestürzt wurde. In der Folge brachen erneut Kämpfe zwischen den Pathet Lao und der Regierung aus, welche im Juli 1959 eskalierten. Dabei wurde von der Regierung auch immer wieder über Grenzverletzungen durch Truppen Nordvietnams berichtet, die in dem Verdacht standen, den Kampf der Pathet Lao zu unterstützen. b) Einsetzung der Kommission Durch eine Note vom 4. September 1959 übermittelte die Ständige Mission des Königreichs Laos bei den Vereinten Nationen deren Generalsekretär einen Brief des laotischen Außenministers.807 Hierin machte Laos auf die zunehmend starken militärischen Grenzverletzungen aufmerksam, wofür es Nordvietnam die Verantwortung zuwies. Der südostasiatische Staat bat um die Entsendung einer Notfalleinsatztruppe, um den Verletzungshandlungen Einhalt zu gebieten. Zudem wurde der Generalsekretär ersucht, geeignete Verfahrensschritte einzuleiten, um dem laotischen Begehren zu entsprechen. Am 5. September 1959 ersuchte der Generalsekretär den Präsidenten des Sicherheitsrates um eine dringende Erörterung des Punktes „Report by the SecretaryGeneral on the letter received from the Minister for Foreign Affairs of the Royal Government of Laos, transmitted by a note from the Permanent Mission of Laos to 805 An dieser Konferenz nahmen Vertreter vom Kambodscha, der Demokratischen Republik von Vietnam, von Frankreich, Laos, der Volksrepublik China, des Staates Vietnam, der Sowjetunion, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika teil. Zu dieser Konferenz Kenneth T. Young, The 1954 Geneva Conference: Indo-China and Korea, S. 1 ff.; John S. Hannon Jr., Virginia Journal of International Law 8 (1967), S. 4 ff. 806 Die Abschlusserklärung ist in einer englischen Fassung abrufbar unter: http://avalon.law. yale.edu/20th_century/inch005.asp (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 807 UN Doc. S/4212 vom 5. September 1959.
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the United Nations, 4 September 1959“ durch das Organ.808 In seiner 847. Sitzung am 7. September 1959 befasste sich dann der Sicherheitsrat mit der Laos-Frage, als der Generalsekretär dem Rat über die Thematik Bericht erstattete.809 Auf dieser Sitzung legten die Repräsentanten von Frankreich, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika den Entwurf einer Resolution vor, der die Etablierung eines Unterausschusses vorsah, welcher Untersuchungen in der nämlichen Frage vornehmen sollte.810 Der Resolutionsentwurf der drei westlichen Mächte wurde schließlich in der 848. Sicherheitsratssitzung, die ebenfalls am 7. September 1959 stattfand, als 132. Resolution mit zehn Stimmen angenommen, wobei die Sowjetunion gegen die Resolution stimmte:811 „The Security Council Decides to appoint a sub-committee consisting of Argentina, Italy, Japan and Tunisia, and instructs the sub-committee to examine the statements made before the Security Council concerning Laos, to receive further statements and documents and to conduct such inquiries as it may determine necessary, and to report to the Council as soon as possible.“
Die Einsetzung des Unterausschusses war im Sicherheitsrat indes sehr umstritten. Die drei Sicherheitsratsmächte, die den Resolutionsentwurf eingebracht hatten, sahen in der Einsetzung eines Unterausschusses zur Untersuchung der Ereignisse in Laos eine Möglichkeit zu einer schnellen Reaktion auf diese Geschehnisse. So werde ein erster Schritt zu einem weiteren Handeln des Sicherheitsrates in der Angelegenheit getan und der laotischen Regierung das Signal übermittelt, dass man sich mit ihrer Situation befasse. Auch versprachen sich die drei Mächte einen gewissen beruhigenden Effekt durch die Etablierung eines Unterausschusses auf die Situation in Laos.812 Die Entsendung einer Notfalleinsatztruppe, wie sie Laos erbeten hatte, sollte nicht ohne vorheriges Wissen über die vollständigen Fakten beschlossen werden.813 808
UN Doc. S/4213 vom 6. September 1959. UN Doc. S/PV.847 vom 7. September 1959, Rn. 11 ff., Rn. 24 ff. 810 UN Doc. S/4214 vom 7. September 1959. 811 UN Doc. A/RES/132 (1959) vom 7. Dezember 1959. Für die Resolution stimmten: Argentinien, China, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Panama, Tunesien, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, gegen die Resolution stimmte: Sowjetunion, UN Doc. S/PV.848 vom 7. September 1959, Rn. 131. Vgl. zu der Problematik, dass die Resolution trotz Gegenstimme einer sog. Vetomacht gemäß Artikel 27 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 23 S. 1 der Charta der Vereinten Nationen angenommen werden konnte Leo Gross, American Journal of International Law 54 (1960), S. 118 ff. sowie Marion K. Kellogg, Virginia Law Review 45 (1959), S. 1352 ff. 812 Vgl. die Stellungnahmen des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika im Sicherheitsrat auf dessen 847. Sitzung: „(…) The draft resolution has the great advantage that it enables the Security Council to react without undue delay to this appeal from a small country. This draft resolution should, in a short time, result in finding facts which will be of value to the whole Council. This draft resolution does not close any doors and does not put anybody up against a stone wall. This draft resolution is a constructive way of dealing with a menacing situation and of dampening down flames which are spurting up dangerously. (…)“, UN Doc. S/ 809
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Der Standpunkt der drei westlichen Mächte wurde von den meisten anderen Mitgliedern des Sicherheitsrates geteilt. Bei diesen dominierte die Auffassung, dass die Einsetzung eines Unterausschusses die Möglichkeit bieten würde, unparteiisch die Fakten der Situation in Laos zu ermitteln und so dem Sicherheitsrat anschließend ein informiertes weiteres Handeln zu ermöglichen.814 PV.847 vom 7. September 1959, Rn. 61; des Repräsentanten von Frankreich: „(…) But this is the first time that the United Nations has been called upon to deal with this problem and it is perfectly normal that the Council wish to seek further information before recommending a practical course of action. It is the most realistic and practical way of providing Laos with immediate and tangible proof of the attention we are giving to its appeal. This is, of course, only an initial step, and to some it may appear incommensurate with the degree of danger involved, but we must not act with undue precipitation. (…)“, Rn. 69; des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) Nevertheless, it is clearly the responsibility of the Security Council to respond positively and immediately to the appeal which the Laotian Government has made to the United Nations. In the view of Her Majesty’s Government, the most appropriate step the Council can take is to make speedy arrangements to go thoroughly into the situation in Laos in order to determine the facts. It will then be in a position to decide what is the appropriate remedy. This task could obviously be more effectively and more conveniently undertaken by a small subcommittee than by the Council as a whole. There is provision in the Charter, as the representative of the United States has pointed out, for the appointment by the Council of a subcommittee of its members in cases of this kind. The members of such a sub-committee could, as it were, make themselves specialists for this problem. They could hear evidence submitted from all sides and report the facts to the Council, thus providing a sound basis for any action which might subsequently be necessary. The United Kingdom accordingly supports the proposal made by the representatives of the United States, and we have joined with the United States and France in sponsoring the draft resolution which is before the Council. I take this opportunity to express my confidence in the ability of the Governments of Argentina, Italy, Japan and Tunisia to act in this way on behalf of the Security Council, and my confidence in the sincere desire with which they will certainly be animated to make in this way a contribution to the fulfillment of the purposes of the Charter and the responsibilities of the Security Council. We believe that, by setting up a sub-committee promptly, this Council will demonstrate its interest and concern and will thus already exercise a tranquilizing influence on the local scene. (…)“, Rn. 78 ff. 813 Vgl. die Stellungnahme des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs auf der 847. Sitzung des Sicherheitsrates: „(…) In any event, the dispatch of a United Nations force to a troubled area is a grave step und not one upon which the United Nations can or should embark without very serious consideration and full knowledge of the facts. (…)“, UN Doc. S/PV.847 vom 7. September 1959, Rn. 77. 814 Vgl. die Stellungnahmen des Repräsentanten von Japan: „(…) In the present circumstance, where may factors need to be explored and defined, my delegation feels that the draft resolution as presented by France, the United Kingdom and the United States recommends an appropriate measure in the light of what we know. My delegation wishes to make it clear, first, that we are especially interested in having full information collected on the development in the areas concerned; second, that in our opinion, therefore, it is at this premature to discuss the substance of the matter; and, third, that we hope that the United Nations presence in the area in the form of such a subcommittee will contribute to easing the tension which seems to exist. (…)“, UN Doc. S/PV.847 vom 7. September 1959, Rn. 88 f.; des Repräsentanten von Kanada: „(…) As things stand at the moment, there are a number of facts regarding the situation in the area which are unclear. Some prompt and impartial report on the facts of the situation would therefore, appear to be necessary before the Council could usefully deal with the substance of the communication to the Secretary-General. The most urgent task facing the Council at this time, in our opinion, is to agree on a procedure for obtaining these facts. We do not believe,
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however, that the Security Council would be justified in attempting to impose the International Commission on the Royal Laotian Government for this purpose, we doubt its effectiveness for the task in hand. We are, therefore, in favor of the procedure set out in the draft resolution before us as a means of dealing with this task. I should like, however, to emphasize that we do not intend in any way to anticipate or prejudge what machinery may be used or action taken with regard to this problem. It is hoped that the procedures envisaged in this draft resolution will command the unanimous support of members of the Security Council and that the work of the proposed subcommittee will proceed quickly and effectively, with the full co-operation of all concerned. (…)“, Rn. 94 ff.; des Repräsentanten von Argentinien: „(…) Viewed in this light, the draft resolution before us represents the least we can do to demonstrate our will to co-operate and to provide assistance. It contains no controversial statements; it indicts or passes judgement on no one. It does not even contain an expression of view on accusation made here by the Government of Laos. It merely appoints a sub-committee for the purpose of collecting information so that the Council may have a first-hand account from qualified persons and may thus be in a position to reach a final conclusion. […] For these reasons my delegation cherishes the hope that this draft resolution, which gives offence to no one and ensures that we can continue to act effectively, will be approved unanimously. Although we are persuaded that such unanimity is not, legally speaking, essential, we are convinced that it would exert a decisive moral influence towards the restoration of calm in the Indo-Chinese peninsula and the creation of an atmosphere of mutual understanding amongst those primarily responsible for the maintenance of peace. We trust that, once this draft resolution has been voted, everyone, without exception, will give it the firmest support and that all will co-operate, to the best of their ability, in enabling the sub-committee to perform its work rapidly and efficiently. (…)“, Rn. 100, 106; des Repräsentanten von China, dem der Entwurf allerdings nicht weit genug ging: „(…) I would like to say a few words in regard to the draft resolution presented to us by France, the United Kingdom and the United States. It is a thoughtful draft resolution. It may be helpful to Laos. It is good as far as it goes. I would be less than frank if I did not express on this occasion my feeling that the draft resolution is grossly inadequate. We have before us a request from the Royal Government of Laos that the United Nations send to that country an emergency force. Now we are asked to appoint a subcommittee to gather information. This disparity between the request and the response is glaring. The disparity between the gravity of the problem and the means proposed here is almost tragic. Although I will vote for this draft resolution, I have taken the liberty of putting on record my feelings, my sense of the inadequacy of the measures proposed, because I feel I owe this expression to the people of Laos and to freedom-loving peoples all over the world. (…)“, Rn. 114 f.; des Repräsentanten von Tunesien: „(…) Laos, a Member of the United Nations, achieved its full sovereignty only a few years ago. It needs peace and security in order to build up its position. The Tunisian delegation feels that Laos would not have found it necessary to request United Nations assistance and the quick dispatch of an emergency force if it had not felt a serious threat to its own security and, hence, to international security in this sensitive region of the world. The Council should therefore, in our opinion, devote very serious attention to the situation, and should make a very thorough and detailed study of it before deciding on the specific request made by the Royal Government of Laos in its letter of 4 September. Such an objective study of the situation seems eminently desirable, and in my delegation’s opinion, indispensable. It would not in any way prejudice the Council’s eventual conclusions, and would certainly enable it to see the situation more clearly. Thus, the appointment of a sub-committee, as suggested in the draft resolution, seems to us a very useful step, which would greatly facilitate the Council’s work. On being requested to serve on that sub-committee, we did not hesitate to accept, for we are aware of our international responsibilities, and in view to the friendly feeling we entertain for all the peoples of that part of the world, we are anxious to help the Council to make a thorough and objective study of the situation. Such a study might to large extent assist the Council to find a solution likely to consolidate peace and security and maintain a healthy, fruitful and peaceful coexistence. (…)“, Rn. 122 f.; des Repräsentanten von Panama: „(…) In
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Die Sowjetunion begründete ihre sehr ablehnende Haltung gegenüber der Einsetzung des Unterausschusses, die der sowjetische Repräsentant auf verfahrensrechtlicher Ebene zu verhindern suchte,815 vor allem damit, dass der existierende Überwachungsmechanismus durch die Internationale Kommission, welche auf der Grundlage der Genfer Indochina-Abkommen ebenfalls überwachende Aufgaben in der Region wahrnehmen würde, ansonsten umgangen und die Abkommen insgesamt geschwächt würden.816 c) Durchführung der Untersuchung Der Unterausschuss hielt seine erste Sitzung bereits am 8. September 1959 in New York ab.817 Während dieser Sitzung informierte der Präsident des Sicherheitsrates, those circumstances, it would seem advisable to set up a sub-committee, as proposed by the delegation of France, the United Kingdom and the United States, in order to obtain a clearer picture of the problem, which would enable the Council to perform its functions fully and find satisfactory solutions. Cleary, a sub-committee of this type would serve a constructive purpose. Not only would it prevent recourse to unilateral measures outside the framework of the Charter, but it would imply the moderating influence of the United Nations in the search of a peaceful solution, likely to be of benefit of the region concerned. […] The setting-up of this subcommittee does not, in our delegation’s opinion, imply any judgement whatever of the situation described by the Minister of Foreign Affairs of Laos in his letter of 4 September, (…)“, UN Doc. S/PV.848 vom 7. September 1959, Rn. 35 f., 38; des Repräsentanten von Italien: „(…) May I add that the adoption of the draft resolution, whose purpose is the collecting of Information on the situation in Laos, is the least that one could do to meet the expectation and the request of the Government of Laos and to clarify the issues at stake for further consideration by the Council. I believe, in fact, that this respect the sponsors of the draft resolution have shown a commendable degree of restraint. This responds to the hopes, which all peace-loving countries still maintain, that the situation in Laos may soon improve and be brought back to normality. (…)“, Rn. 48. 815 Zu der verfahrensrechtlichen Problematik eingehend Leo Gross, American Journal of International Law 54 (1960), S. 118 ff.; Marion K. Kellogg, Virgina Law Review 45 (1959), S. 1352 ff. 816 Vgl. die Stellungnahme des Repräsentanten der Sowjetunion: „(…) The draft resolution before us [S/4214] provides clear evidence that the Security Council is being asked to take a step which subvert the Geneva agreements. The Soviet delegation considers that if the sponsors of the proposal to set up a sub-committee of inquiry were genuinely seeking to ease tension in that area, the International Commission which already exists under the terms of the Geneva agreements should have been used for that purpose. There is no reason to question the objectivity of the Commission, composed of the representatives of Canada, India and Poland, which has done much constructive work with a view to implement the Geneva agreements. Instead, the sponsors of the proposal to appoint a sub-committee are trying to bypass the existing international agreements. This can only be regarded as a measure to subvert those agreements as a measure calculated to increase tension in the Laos area. The Soviet delegation certainly cannot agree to such an approach. We cannot be a party to the sub-version of the Geneva agreements, which are the cornerstone of the maintenance of peace in the Indochina area, by any action of the Security Council. The Security Council, which bears primary responsibility for the maintenance of peace, cannot be party to measures which would undermine the validity of existing agreements and the Soviet delegation will vote against the proposal to appoint a sub-committee. (…)“, UN Doc. S/PV.848 vom 7. September 1959, Rn. 28 ff. 817 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 5.
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der zu diesem Zeitpunkt dem Ausschuss noch interimsmäßig vorsaß, diesen darüber, dass er eine offizielle Einladung der Regierung von Laos für den Unterausschuss zum Besuch des Landes erhalten habe.818 Daneben wurden in dieser Sitzung noch die Repräsentanten der im Ausschuss vertretenen Staaten benannt.819 Bei allen Vertretern handelte es sich um hochrangige Diplomaten sowie im Falle Argentiniens zusätzlich auch um einen Militärangehörigen. In der dritten Sitzung des Ausschusses am 10. September 1959 wurde der Vertreter Tunesiens zum Vorsitzenden gewählt,820 die Vertreter Italiens und Argentiniens wurden als Ko-Berichterstatter benannt.821 In der Zeit vom 8. bis zum 12. September 1959 hielt der Unterausschuss insgesamt fünf Sitzungen ab, in denen er die Natur und die Reichweite seiner Pflichten und die der relevanten Dokumente erörterte. Daneben traf sich der Ausschuss in diesem Zeitraum auch mit dem Präsidenten des Sicherheitsrates und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, um sich über die Situation in Laos zu unterrichten.822 Angesichts der oben beschriebenen Meinungsverschiedenheiten im Sicherheitsrat diskutierte der Unterausschuss für Laos sein Mandat besonders genau. Die entsprechenden Diskussionen hielten sogar noch während der Reise nach Laos an.823 Am 12. September 1959 verließen die Mitglieder des Unterausschusses New York in Richtung Laos, in dessen Hauptstadt Vientiane sie am 15. September eintrafen und dort sogleich mit laotischen Regierungsmitgliedern zusammenkamen. Am 16. September trafen die Mitglieder des Unterausschusses mit dem Prinzregenten von Laos sowie informell mit den Mitgliedern eines Liaisonkomitees zusammen, welches von der Regierung von Laos gebildet worden war, um mit dem Unterausschuss zusammenzuarbeiten. In dem laotischen Liaisonkomitee waren vor allem Minister, Diplomaten und andere hochrangige Beamte vertreten.824 In den folgenden zwei Wochen hielt der Unterausschuss mehrere Konsultationen mit dem Liaisonkomitee ab. Während dieser Zeit erhielt der Ausschuss zahlreiche Dokumente ausgehändigt und erlangte durch Nachfragen zahlreiche Klarstellungen hinsichtlich einzelner Untersuchungsaspekte.825 Zudem führten die Mitglieder des Untersausschusses auch einige Feldmissionen durch. Hierbei besuchten einige Ausschussmitglieder die Orte Sam Neua, Sam Teu sowei Luang Parabang.826
818 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 6; das Einladungsschreiben ist in dem Dokument als Annex 1 wiedergegeben. 819 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 7. 820 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 7. 821 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 7. 822 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 8. 823 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 13. 824 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 9. 825 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 9; die laotischen Dokumente sind dem Abschlussbericht des Unterausschusses im Volltext als Annexe beigegeben. 826 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 10.
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Der Ausschuss hörte während seiner Tätigkeit eine Reihe von Zeugenaussagen. Die Zeugen wurden dem Ausschuss von Beamten der laotischen Regierung vorgeführt. In allen Fällen wurden die Befragungen in einem geschlossenen Raum, ohne die Anwesenheit der laotischen Beamten, durchgeführt. Lediglich im Falle der Anhörungen von Gefangenen war eine bewaffnete Wache der laotischen Streitkräfte anwesend. In diesen Fällen wurde jedoch Wert darauf gelegt, dass der Abstand zu dieser Wache weit genug war, damit sie nichts von dem zwischen den Ausschussmitgliedern und dem jeweiligen Gefangenen Gesagten hören konnte.827 Unter den Zeugen, die von dem Ausschuss vernommen wurden, befanden sich acht Vorsteher und Angestellte von Distrikten und Dörfern in Laos,828 sechs Militärangehörige,829 16 Zivilisten,830 zwölf inhaftierte Pathet Lao831 sowie mehrere Verwundete in verschiedenen Krankenhäusern.832 Neben den Befragungen konnten durch den Ausschuss auch noch mehrere Gegenstände in Augenschein genommen werden. Hierzu zählten etwa aus den Körpern von Verwundeten entfernte Granatsplitter und Geschosse833 sowie verschiedene Waffen und Ausrüstungsgegenstände der Pathet Lao, die von den laotischen Truppen gefunden oder erbeutet worden waren.834 In Sam Teu wurden dem Ausschuss zudem die Einschläge des Mörserbeschusses gezeigt, der gegen den dortigen Außenposten der laotischen Streitkräfte gerichtet war.835 Am 10. Oktober 1959 entschied der Unterausschuss, dass er die grundlegenden Informationen gesammelt habe und beschloss, nach New York zurückzukehren, um dort den Abschlussbericht für den Sicherheitsrat vorzubereiten. Zudem wurde beschlossen, zwei stellvertretende Ausschussmitglieder in Vientiane zu belassen, um gegebenenfalls vor Ort Fragen beantworten und weitere Informationen liefern zu können, falls dies bei der Erstellung des Abschlussberichtes vonnöten sein sollte.836 Am 13. Oktober 1959 verließen der Vorsitzende, die Repräsentanten von Argentinien, Italien und Tunesien sowie der Hauptsekretär des Ausschusses Laos. Am 21. Oktober wurden die Ausschusstreffen in New York fortgesetzt und es wurde mit der Fertigstellung des Abschlussberichts begonnen. Dieser wurde schließlich am 3. November 1959 verabschiedet.837 827 828 829 830 831 832 833 834 835 836 837
UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 61. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 62 ff. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 66. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 74. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 78. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 79 f. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 79. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 82 ff. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 89. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 11. UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 12.
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d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchung umfasste insgesamt 99 Randnummern und wurde dem Präsidenten des Sicherheitsrates am 4. November 1959 übermittelt.838 Der Bericht war in zwei Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel839 wurde die Errichtung und die Tätigkeit des Unterausschusses beschrieben, während im zweiten Kapitel840 die zu untersuchenden militärischen Aktionen dargestellt wurden. bb) Der Unterausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die gegen Laos gerichteten Angriffe den Charakter von Guerillaaktionen hätten.841 40 von 41 Zeugen hätten zudem bestätigt, dass die gewalttätigen Gruppierungen Unterstützung, vor allem in Form von Ausrüstung, Waffen, Munition, Nachschub und politischen Kadern aus Nordvietnam erhalten hätten. Dies ging auch aus den offiziellen laotischen Dokumenten hervor.842 6. Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha a) Historischer Hintergrund Nach der Unabhängigkeit von Kambodscha im Jahre 1953 und der Errichtung der Republik Vietnam (Südvietnam) Mitte der 1950er Jahre hatte es zwischen den beiden südostasiatischen Staaten immer wieder Spannungen hinsichtlich von Grenzfragen gegeben.843 Im Jahr 1963 brach Kambodscha dann seine diplomatischen Beziehungen zu Südvietnam ab, was damit begründet wurde, dass der südvietnamesische Staat die dortige Khmer-Minderheit unterdrücken würde. Während des Vietnamkriegs Mitte der 1960er Jahre kam es zu Grenzübertritten von südvietnamesischen und US-amerikanischen Truppen, die dort vor allem gegen den sog. Ho-Chi-MinhPfad, ein Versorgungsroute der auch als Viet-Cong bekannten Nationalen Befreiungsfront vorgingen, der zum großen Teil über kambodschanisches Staatsgebiet verlief. Hierbei wurden auch verschiedene Orte und an der südvietnamesischen Grenze lebende Personen in Mitleidenschaft gezogen.
838 Report of the Security Council Sub-Committee under Resolution of 7 September 1959, UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, S. 2. 839 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 1 ff. 840 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 26 ff. 841 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 95. 842 UN Doc. S/4236 vom 5. November 1959, Rn. 97. 843 Hierzu und zum Folgenden Rames Amer, IBRU Boundary and Security Bulletin Summer 1997, S. 80 ff. sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Vietnam War“ und UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat befasste sich mit der Lage in Südostasien auf seiner 1125. und seiner 1126. Sitzung am 3. und am 4. Juni 1964. Der Befassung des Rates ging eine Beschwerde des Königreichs Kambodscha über „repeated acts of aggression by United States-South Vietnamese forces against the territory and the civilian population of Cambodia“ voraus.844 Im Zusammenhang mit der Beschwerde von Kambodscha brachte der marokkanische Vertreter im Sicherheitsrat den Entwurf einer Resolution seines Heimatlandes und der Côte d’Ivoire zu den Zwischenfällen zwischen Südvietnam und Kambodscha ein.845 In diesem wurden die Verantwortlichen für die Ereignisse eingeladen, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die nötig seien, um weitere Verletzungen der Staatsgrenze von Kambodscha zu verhindern. Zudem waren in der Resolution eine Aufforderung zur Respektierung der Neutralität und territorialen Integrität Kambodschas sowie die Einsetzung einer Untersuchungsmission zur Aufklärung der Tatsachen enthalten. Der Entwurf wurde schließlich vom Sicherheitsrat auf der 1126. Sitzung einstimmig als Resolution 189 (1964) angenommen.846 Allerdings war zuvor, auf Antrag der Sowjetunion,847 hinsichtlich der Durchführung einer Untersuchung eine separate Abstimmung abgehalten worden, wobei sich die beiden Ostblockstaaten Tschechoslowakei und Sowjetunion ihrer Stimme enthielten, alle übrigen Sicherheitsratsmitglieder jedoch dafür stimmten.848 Die Sicherheitsratsresolution 189 (1964) enthielt hinsichtlich der Untersuchung folgende Entscheidung: „5. Decides to send three of its members to the two countries and to the places where the most recent incidents occurred, in order to consider measures as may prevent any recurrences of such incidents; they will report to the Security Council within forty-five days.“
Wie bereits der Antrag auf eine getrennte Abstimmung über den Punkt 5 des Resolutionsentwurfes zeigt, war die Frage der Entsendung einer Mission in die Konfliktregion im Sicherheitsrat umstritten. Während die Idee Marokkos, dem Sicherheitsrat hierdurch bei der Lösung des Grenzkonflikts durch die Gewinnung von Informationen zu helfen,849 von der Mehrheit der Sicherheitsratsmitglieder sowie den 844
UN Doc. S/5709 vom 18. Mai 1964. UN Doc. S/5735 vom 2. Juni 1964. 846 UN Doc. S/RES/189 (1964) vom 4. Juni 1964. Für die Resolution stimmten damit: Bolivien, Brasilien, China, Côte d’Ivoire, Frankreich, Marokko, Norwegen, Tschechoslowakei, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.1126 vom 4. Juni 1964, Rn. 49. 847 UN Doc. S/PV.1126 vom 4. Juni 1964, Rn. 33. 848 UN Doc. S/PV.1126 vom 4. Juni 1964, Rn. 48. 849 Vgl. die Äußerung des Repräsentanten von Marokko: „(…) Regarding the last paragraph, we thought that, even if the Council took no decision on the Geneva Conference itself, it was morally unthinkable for it not to show, by a positive attitude, that it was prepared to help both Cambodia and those who are responsible for the incidents, but who are determined to 845
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zu den Sitzungen zugelassenen, im Konflikt stehenden Staaten für gut und hilfreich bei dem Auffinden einer Lösung befunden wurde,850 wandten sich die beiden soprevent any recurrence of them, in finding a formula which, by appealing to the United Nations, would effectively associate the Council with the search for a solution. We thought that, without committing the Secretariat, without engaging the personal responsibility of the SecretaryGeneral, we in the Council should be able to find a solution, provisional in duration and limited in objective, to some specific aspects of the problem. The Security Council would therefore designate three of its members who, after getting in touch with the Governments of two countries directly concerned and after visiting the scenes of the incidents, would report to the Council on the outcome of the Investigations they had carried out, in order to supplement the information available to the Council on the facts, the causes and the course of events. I think there will be probably be some delegations in the Council whose convictions and outlook on international political matters are not fully reflected in a draft proposal of this kind. The sponsors of the proposal have borne in mind the desirability of general agreement, and have given it precedence over their own views and ideas on certain aspects of the problem. (…)“, UN Doc. S/PV.1125 vom 3. Juni 1964, Rn. 22 ff. 850 Vgl. die Äußerung des Repräsentanten von China: „(…) The draft resolution is, on the whole, a forward-looking document. […] Operative paragraph 5 is a positive and a constructive contribution to the solution of the problem. It opens a way by which the United Nations may render effective help in the stabilization of the frontier between Viet-Nam and Cambodia. If the draft resolution is adopted, it is hoped that the three members of the Council chosen for the mission will make a thorough on-the-spot study of the situation and come back with fruitful and practical recommendations. While they are in the field, as they may gather information on the subject, of as wide a scope as possible. They may also give consideration, in the light of the situation obtaining there, to the proposals put forward by the representative of the Republic of Viet-Nam during the debate for the establishment of a United Nations police force along the frontier between Viet-Nam and Cambodia. (…)“, UN Doc. S/PV.1126 vom 4. Juni 1964, Rn. 36; des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) I turn now to the second task which has assumed increasing importance since the debate began. I must say that the action the Security Council has taken today hardly corresponds, in our judgement, to the gravity of the situation as set forth by the representatives of Cambodia here in the Council. In our view, the Council might as well have taken more far-reaching steps in response to a complaint of this nature, steps in which the United Nations has gained great experience in recent years. But be that as it may, the Council now has before it the opportunity to set in motion a procedure by which it can consider further measures to prevent any recurrence of incidents on the Cambodian-VietNamese border, whatever and whoever may be the cause. This is a beginning. I am speaking, of course, of operative paragraph 5 which, in our view, is the most significant and important part of this resolution. Under this paragraph three members of the Security-Council will visit both VietNam and Cambodia, including those areas along the border which have been the scene of recent incidents, in order to examine and to study those measures which hopefully can avoid a recurrence of incidents in the future. I am confident that in undertaking this assignment and indrawing up their report, the three members of the Council will choose to scrutinize with the greatest care various needs which have become apparent during the Council’s discussion of the Cambodian complaint. I have in mind in this connexion the need for Viet-Namese armed forces to redouble their efforts to avoid inadvertent crossing of their border, even in the heat of the battle, the need for clearly marking those areas of the frontier which are poorly defined or are undefined by nature; and finally, the need for steps to ensure that Viet-Cong rebels, in their efforts to subvert the Government of the Republic of Viet-Nam, are not able to take advantage of an ill-marked and inadequately protected border to seek their save haven or supplies on Cambodian territory. (…)“, Rn. 54 f.; des Repräsentanten von Südvietnam: „(…) Finally, the Republic of Viet-Nam is happy to promise its full co-operation with the mission which is to be sent by the Security Council and to which it wishes to most signal success in the accom-
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zialistischen Ratsmitglieder, Tschechoslowakei und Sowjetunion, gegen den Vorschlag. Die beiden Staaten waren vielmehr der Auffassung, dass die Internationale Überwachungskommission, die bereits auf der Genfer Konferenz von 1954 etabliert worden war, für die Überwachung der Grenzprobleme von Südvietnam und Kambodscha das geeignete Format sei.851 plishment of its noble task. (…)“, Rn. 80; des Repräsentanten von Kambodscha: „(…) However, Cambodia, which has nothing to hide from anyone, cannot take exception to the Security Council’s Decision to send three of its members to Cambodia. On behalf of the Royal Government, I here and now bid the distinguished members of the Security Council welcome. My Government will make all necessary arrangements to enable the appointed members of the Council to discharge their mission. (…)“, Rn. 92. 851 Vgl. die Äußerungen des Repräsentanten der Tschechoslowakei: „(…) Lastly, we do not consider that the action proposed in operative paragraph 5 is appropriate or that it would contribute effectively to keep the peace on the border between Cambodia and South Viet-Nam. The Royal Government of Cambodia has repeatedly proposed effective and realistic measures. During the present debate it has been reiterated its proposal for reconvening the Geneva Conference. In his letter of 1 June 1964 [S/5782] the Minister of Foreign Affairs of Cambodia demonstrated, as he had already done in his statements earlier, that the machinery established by the Geneva Agreements affords the necessary basis for observing and verifying the situation in the frontier and for meeting the legitimate interests of his country. That furthermore, its the basis of a Khmer proposal mentioned in the same letter. We consider it necessary that the Council should give its moral and political support to this justified request and that, in any case, it should do nothing that might impair the working of the machinery of the Geneva Agreements or hold up the Cambodia request for the reconvening of the Geneva Conference. We see no reason to seek the establishment of another body, as proposed in operative paragraph 5 of the draft resolution. We do not think that a commission of three members of the Security Council could obtain results which would provide the Security Council with more information, more of a foundation, than it has already obtained from existing sources. I venture, furthermore, to draw my colleagues’ attention to the fact that the draft resolution fails to settle one aspect of the question which is quite important, particularly in view of the experience we have had in the course of the Council’s deliberations: namely, the matter of the expenses which the activity of such a group would entail. (…)“, UN Doc. S/PV.1125 vom 3. Juli 1964, Rn. 37 ff.; sowie insbesondere folgende Äußerung des Repräsentanten der Sowjetunion: „(…) Further on, operative paragraph 5 claims our attention. In the Soviet delegation’s opinion this paragraph is out of keeping with the rest of the draft resolution, it stands out and is superfluous. It would not only be better, but a matter of right and justice, to delete it altogether. After all, we know full well that in the part of the world we are discussing there is an International Commission for Supervision and Control which was set up under the Geneva Agreements. That international body is operating wholly in accordance with its terms of reference as laid down by the Geneva Conference in 1954. There is no reason to cast doubt on that body’s work. Its work is effective and is fully serving its intended purpose. Operative paragraph 5 purposes that three members of the Security Council should be sent to the places where most recent incidents have occurred, in order to consider measures and so forth. This is not in keeping with the real state of affairs. To put it another way, the purpose of this paragraph is to send something to a place where – physically, politically and however else you like – there is something already. That is to say, an attempt is being made to put a second thing in the same place at the same time as the first. This is absurd. Allow me to remind you that the Soviet Union is a member of the Geneva Conference and that it bears specific responsibilities under the Geneva Agreements. What is more, the Soviet Union is a Co-Chairman of the Geneva Conference. For us, therefore, the position is quite clear, and we consider that the work of the International Control Commission in that part of the world is fully proving its value and that there is no need for the United Nations to send any additional missions. In this regard the Soviet
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Bereits am Tag nach der Verabschiedung der Resolution 189 (1964), also am 5. Juni 1964, benannte der Präsident des Sicherheitsrates nach Konsultationen mit den Ratsmitgliedern als diejenigen Staaten, die die Untersuchung vornehmen sollten, Brasilien, Marokko und die Côte d’Ivoire.852 Marokko und die Côte d’Ivoire benannten als Teilnehmer der Mission Diplomaten aus ihren jeweiligen Ständigen Missionen bei den Vereinten Nationen, Brasilien seinen damaligen Botschafter in Mexiko.853 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen stellte der Mission ein kleines Sekretariat zur Seite. Er benannte hierfür ein Mitglied seines Büros als Hauptsekretär und ein Mitglied der Abteilung für Politik und Sicherheitsratsangelegenheiten als Sekretariatsmitglied für politische Fragen und Informationsfragen.854 c) Durchführung der Untersuchung Die dreiköpfige Sicherheitsratsmission hielt ihre erste Arbeitssitzung am 17. Juni 1964 ab.855 Bei dieser Gelegenheit wurde das marokkanische Missionsmitglied zum Vorsitzenden bestimmt.856 Bevor die Mission in das Konfliktgebiet nach Südostasien aufbrach, erhielt sie eine Einladung des Staatschefs von Kambodscha, Prinz Norodom Sihanouk, zu einem Arbeitsessen. Dieses fand am 22. Juni 1964 in Nizza statt. Hierbei wurden der Arbeitsauftrag der Mission sowie Einzelheiten ihres Besuchs in Kambodscha besprochen.857 Die Mitglieder der Mission reisten zunächst nach Kambodscha. Sie erreichten die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh am 26. Juni 1964. Dort trafen sie sogleich mit dem Außenminister, mit dem Innenminister, mit dem Minister für Nationale Sicherheit und Landesverteidigung sowie mit mehreren Repräsentanten des Verteidigungsministeriums zusammen.858 Im Zeitraum vom 26. Juni bis zum 5. Juli 1964 hielten die Missionsmitglieder mehrere Gespräche mit dem Vorsitzenden des Ministerrates sowie mehrere Arbeitssitzungen mit dem Außenminister ab.859 Neben den verschiedenen Gesprächen besuchte die Mission auf Einladung der kambodschanischen Regierung während ihres Aufenthalts auch diejenigen Orte, an denen es zu den wichtigsten Grenzzwischenfällen gekommen war; diese Orte hatten durch delegation fully agrees with the critical analysis and appraisal just made by the representative of the Czechoslovak Socialist Republic and endorses the view that the draft resolution need further study and consultation. (…)“, Rn. 53 ff. 852 UN Doc. S/5749 vom 5. Juni 1964. 853 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 6. 854 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 8. 855 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 7. 856 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 7; UN Doc. SC/2604 vom 17. Juni 1964. 857 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 9. 858 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 11. 859 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 12.
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die Angriffe Opfer und Zerstörungen zu beklagen.860 Die Mission wurde dabei durch den kambodschanischen Außenminister begleitet. Es wurden die Dörfer Mong in der Kompong Cham-Provinz, Chantrea in der Svay Rieng-Provinz sowie Kauk Têk, Bath und Mèsarthngâk im Gebiet Tanoy besucht, und auch die Weiler Taey Thlork, Tralok Bêk und Koh Sok. Während dieser Besuche nahm die Mission unter anderem die Überreste verschiedener zerstörter Gebäude und Fahrzeuge sowie nicht explodierte Handgranaten in Augenschein. Erklärungen zu den Vorfällen erhielt die Mission durch den Kommandeur des Ersten Militärbezirks von Kambodscha.861 Am 1. Juli 1964 konnte die Mission schließlich – während eines Helikopterfluges – ein acht Kilometer langes Teilstück der kambodschanisch-südvietnamesischen Grenze entlang des Vinh-Té-Kanals aus der Luft betrachten.862 Während der Vor-Ort-Besuche erhielt die Mission sowohl von zivilen als auch von militärischen Stellen jeweils detaillierte Erklärungen, neben solchen zu den eigentlichen Vorfällen auch zur Natur des Terrains und der Topografie der Grenzregion.863 Am 5. Juli 1964 erreichte die Mission die südvietnamesische Hauptstadt Saigon. Dort trafen die Missionsmitglieder zunächst mit dem Außenminister Südvietnams sowie mit Repräsentanten des Verteidigungs- und des Innenministeriums zusammen.864 Am 6. Juli 1964 wurden die Missionsmitglieder zunächst vom südvietnamesischen Staatschef General Duong Van Minh empfangen; im Anschluss führten sie Gespräche mit dem Premierminister und Vorsitzenden des Militärkomitees.865 Während des Aufenthaltes in Saigon kam die Mission zu mehreren Arbeitstreffen mit dem Außenminister Südvietnams und dessen Stab zusammen. Bei diesen Gesprächen ging es um die Sichtweise der südvietnamesischen Regierung auf die von der Mission zu untersuchende Situation. Vom Generalstab der Streitkräfte Südvietnams wurde eine Reihe weiterer Informationen zur Verfügung gestellt.866 Auch in Südvietnam führte die Mission Vor-Ort-Besuche durch. Die Mission besuchte die Regionen Dalat, Chau-Doc und Pleiku. Während des Aufenthaltes in Dalat wurde der Mission im dortigen Nationalen Geographischen Institut durch die Militärbehörden eine Präsentation über die Charakteristika und die Eigentümlichkeiten der kambodschanisch-südvietnamesischen Grenze geboten.867 Die Missionsmitglieder verließen Saigon am 14. Juli 1964 und kehrten am 17. Juli nach New York zurück.868 Im dortigen Hauptquartier der Vereinten Nationen 860 861 862 863 864 865 866 867 868
UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 22. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 13. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 14. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 23. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 15. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 16. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 17. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 18. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 20.
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beendete die Mission ihre Tätigkeit mit der Fertigstellung des Abschlussberichts am 27. Juli 1964.869 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Mission870 umfasste insgesamt 66 Randnummern und wurde in sechs Abschnitte unterteilt. Zu Beginn wurden in einer Einführung871 die Einsetzung, die Arbeitsanweisung und die Zusammensetzung der Mission dargestellt. Der zweite Abschnitt872 enthielt eine Beschreibung der Reise der Mission nach Südostasien. Der dritte Abschnitt873 enthielt einige Ausführungen der Mission zur Mandatserfüllung, insbesondere wurden die mit den Regierungen von Südvietnam und Kambodscha erörterten Fragen sowie die jeweiligen Sichtweisen der beiden Regierungen hierzu vorgestellt. Der fünfte Abschnitt874 war den Schlussfolgerungen der Mission gewidmet und der sechste Abschnitt875 ihren Empfehlungen. bb) Die Mission kam zu dem Ergebnis, dass es einige Faktoren gebe, welche zu einer Lösung der Probleme zwischen den Regierungen von Kambodscha und von Südvietnam führen könnten, da beide auch während der Untersuchung den Willen gezeigt hätten, eine Lösung zu finden.876 Beide Regierungen wären sich zudem bewusst gewesen, dass es eine Notwendigkeit zur Reduzierung der Spannungen zwischen beiden Staaten gebe.877 Die Mission identifizierte zwei Hauptprobleme, die es in dem Konflikt zu lösen gebe. Zum einen sei dies die Wiederaufnahme von politischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten, und zum anderen bedürfe es der Entsendung von internationalen Beobachtern.878 Hinsichtlich des ersten Problems stellte die Mission fest, dass die Hindernisse zu normalisierten Beziehungen zwischen Südvietnam und Kambodscha aus Stolz und gegenseitigem Misstrauen hervorgingen, welche das Resultat einer langen Rivalität seien. Sie seien zudem das Ergebnis der unterschiedlichen Wege, auf denen die beiden Staaten in die Unabhängigkeit gefunden hätten, und der verschiedenen Herangehensweise an Fragen der internationalen Politik.879 Allerdings seien sich beiden Staaten auch bewusst, dass die geographi869
UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, S. 15. Report of the Security Council Mission to the Kingdom of Cambodia and the Republic of Viet-Nam, UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964. 871 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 1 ff. 872 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 9 ff. 873 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 21 ff. 874 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 52 ff. 875 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 66. 876 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 52. 877 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 53. 878 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 55. 879 UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 56. 870
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schen Realitäten es für sie erforderlich machten, in guter Nachbarschaft zu existieren.880 Beide Staaten hätten erklärt, keine Gebietsansprüche hinsichtlich des Territoriums des jeweils anderen Staates zu unterhalten. Auch werde die territoriale Integrität des anderen Staates grundsätzlich respektiert.881 Hinsichtlich des zweiten Problems, der internationalen Überwachung der Grenzregion, musste die Mission feststellen, dass beide Seiten einen klaren Standpunkt bezogen hätten.882 Beide Staaten hätten in dieser Frage entsprechende Vorschläge gemacht, wobei die Mission den Vorschlag von Kambodscha als aussichtsreichere Grundlage für eine Problemlösung ansah, da der Vorschlag Südvietnams für Kambodscha nicht annehmbar sei.883 cc) Die Untersuchungsmission schlug mandatsgemäß insgesamt fünf Maßnahmen vor, welche dazu beitragen sollten, erneute Zwischenfälle im Grenzgebiet von Südvietnam und Kambodscha zu verhindern.884 Zunächst wurde vorgeschlagen, dass der Sicherheitsrat eine Beobachtergruppe der Vereinten Nationen etablieren und nach Kambodscha entsenden sollte. Dem Generalsekretär sollte dabei die Verantwortung für die Implementierung der Sicherheitsratsentscheidung übertragen werden. Die zweite Empfehlung ging dahin, dass der Sicherheitsrat den Regierungen von Kambodscha und Südvietnam empfehlen solle, alle notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der politischen Beziehungen zu treffen. Als dritte Empfehlung wurde dem Sicherheitsrat nahegelegt, eine Person von hohem internationalem Ansehen zu benennen, der beide Staaten zustimmen müssten, welche ein vorbereitendes Treffen zwischen den beiden Regierungen arrangieren solle. Ziel dieses Treffens müsse die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen beiden Staaten und die Fortsetzung der Gespräche über umstrittene Angelegenheiten zwischen ihnen, insbesondere über Grenzfragen, seien. Viertens sollte der Sicherheitsrat die Versicherung Südvietnams zur Kenntnis nehmen, dass die südvietnamesischen Streitkräfte verbindliche Instruktionen erhalten hätten, dass jede Vorsichtsmaßnahme getroffen werden solle, um zukünftige Grenzverletzungen zu verhindern. Als fünfte Maßnahme wurde dem Sicherheitsrat von der Mission schließlich empfohlen, die Erklärung Südvietnams zur Kenntnis zu nehmen, dass es die Neutralität und die territoriale Integrität des Königreichs Kambodscha respektiere und anerkenne.
880 881 882 883 884
UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 57. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 58. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 62. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 63 ff. UN Doc. S/5832 vom 27. Juli 1964, Rn. 66.
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7. Portugiesisch-senegalesische Grenzzwischenfälle a) Historischer Hintergrund Seit dem Beginn des Unabhängigkeitskrieges in der Kolonie PortugiesischGuinea,885 die auch unter dem heutigen Staatsnamen Guinea-Bissau bekannt war, im Jahr 1963, in dem die Bewegung Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde, kurz PAIGC, gegen die Kolonialmacht Portugal kämpfte, kam es im Grenzgebiet zum Senegal immer wieder zu einem Übergreifen dieses Konflikts auf das Nachbarland.886 So drangen etwa Flugzeuge der portugiesischen Luftwaffe in den senegalesischen Luftraum ein, und es kam zu Grenzverletzungen durch die Streitkräfte Portugals. Auch verlegten portugiesische Truppen Minen auf dem Staatsgebiet des Senegal. Durch die Aktionen des portugiesischen Militärs kam es zu Todesopfern, Verletzten und Sachschäden auf Seiten des Senegal. b) Einsetzung der Kommission In einem Brief vom 6. Juli 1971 wandte sich der Ständige Vertreter des Senegal wegen der anhaltenden Grenzverletzungen, die sein Land als schwere Beeinträchtigung seiner Souveränität und territorialen Integrität betrachtete, an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.887 Hierin ersuchte der afrikanische Staat den Sicherheitsrat um eine dringliche Sitzung in der Sache. Diesem Ersuchen schlossen sich am 12. Juli 1971 insgesamt 37 afrikanische Staaten an.888 Portugal hatte zuvor bereits in einem Brief an den Sicherheitsratspräsidenten darauf hingewiesen, dass die Verantwortung für die Grenzschwierigkeiten allein bei der PAIGC liegen würde.889 In der 1572. Sitzung des Sicherheitsrates legten Burundi, Japan, Sierra Leone, Somalia und Syrien den Entwurf einer Resolution zur Lage zwischen Senegal und Portugiesisch-Guinea vor.890 In diesem Entwurf wurde von Portugal unter anderem verlangt, seine militärischen Aktivitäten auf dem Gebiet des Senegal einzustellen; zudem wurden die gewalttätigen Aktionen Portugals seit 1963 gegenüber dem Senegal verurteilt. Im Übrigen wurde auch die Einsetzung einer Untersuchungsmission
885 Hierzu und zum Folgenden Mustafa Dhada, Journal of Military History 62 (1998), S. 571 ff. und UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971. 886 Siehe zur damaligen Situation von Guinea-Bissau John Biggs-Davison, African Affairs 70 (1971), S. 385 ff. 887 UN Doc. S/10251 vom 6. Juli 1971. 888 UN Doc. S/10259 vom 12. Juli 1971 and Add. 1 and 2. 889 UN Doc. S/10255 vom 10. Juni 1971. 890 UN Doc. S/10266 vom 15. Juli 1971.
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vorgeschlagen. Von den Staaten, die die Resolution eingebracht hatten, wurde eine schnelle Vor-Ort-Untersuchung in der Sache als absolut dringlich erachtet.891 Der Entwurf der fünf Staaten wurde als Resolution 294 (1971) mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen.892 Hinsichtlich der Entsendung einer Untersuchungsmission hieß es hierin:
891 Vgl. die Äußerungen etwa des Repräsentanten von Japan: „(…) My Delegation is of the view that a similar fact-finding mission should be established immediately in the present case for the purpose of an on-the-spot investigation of the charges made by Senegal against Portugal. The mission should be given a broad mandate and should be able to conduct its business freely and independently, with the full co-operation of the authorities concerned. My delegation, in principle, would favor a proposal along these lines. (…)“, UN Doc. S/PV.1572 and Corr. 1 vom 15. Juli 1971, Rn. 9; des Repräsentanten von Somalia: „(…) The Security Council is now faced with the responsibility, which it cannot shirk, of dealing with acts of aggression which are violations of the Charter. Articles 33 and 34 in Chapter VI of the Charter offer clear guidelines for dealing with disputes that threaten peace. Article 33 emphasizes that solutions to disputes should be sought by negotiation and other peaceful means, as Senegal has done. […] Article 34 of the Charter indicates the importance of fact-finding machinery. My delegation believes that the Security Council should use to the full its investigating powers so that any action it may deem necessary may be undertaken on a sound and informed basis. While my delegation is convinced from the evidence of past years of the veracity of Senegal’s complaint, we believe that an on-the-spot investigation by the Council is necessary in order that the facts can be clearly established for the benefit of those who entertain any doubts about whether there is a proper basis for the charges against Portugal. A good precedent of this kind was established last December when the Council decided to sent a fact-finding mission to Guinea, which was then the subject of another kind of Portuguese aggression form forces based in Guinea (Bissau).“, Rn. 31 f.; Zustimmung äußerte auch der Repräsentant von China: „(…) As a matter of fact, the Council has remained seized of the Senegalese complaint for a number of years. It is deplorable that acts of violence involving loss of life and property have not ceased to occur at intervals since the adoption of Security Council resolution 273 (1969). The first task for the Council now, I think, is to seek the relaxation of existing tension and to encourage the possibility of restoring peace and stability on the border between Senegal and Guinea (Bissau). Portugal has, in a letter addressed to the President of the Council under the date of 10 July [S/10255], denied participation in and responsibility for the recent incidents involving the laying of mines within Senegalese territory. While there is no reason to question the good faith with which the Foreign Minister of Senegal has so eloquently presented his case, in the view of my delegation it would be judicious and useful to have a special mission investigate the conditions on the spot, as urged by the representative of Sierra Leone yesterday and as echoed by several other representatives today. My delegation will support any proposal calculated to accomplish those purposes. (…)“, Rn. 42; des Repräsentanten von Frankreich: „(…) In keeping with that view we believe there is a need to send to the area – quite naturally, with the approval of the States concerned – a mission consisting of Council members, assisted by their military experts, to carry out an inquiry, study the situation and formulate recommendations in order to protect the security of the region. (…)“, Rn. 57. 892 UN Doc. S/RES/294 (1971) vom 15. Juli 1971. Für die Resolution stimmten: Argentinien, Belgien, Burundi, China, Frankreich, Italien, Japan, Nicaragua, Polen, Sierra Leone, Somalia, Syrien und Sowjetunion. Ihrer Stimme enthielten sich: Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika. Vgl. UN Doc. S/PV.1572 and Corr. 1 vom 15. Juli 1971, Rn. 84 f.
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„4. Requests the President of the Security Council and the Secretary-General to send to the spot, as a matter of urgency, a special mission of members of the Council assisted by their military experts to carry out an inquiry into the facts of which the Council has been informed, to examine the situation along the border between Guinea (Bissau) and Senegal and to report to the Council, making any recommendations aimed at guaranteeing peace and security in this region.“
Am 21. Juli 1971 teilten der Präsident des Sicherheitsrates und der Generalsekretär mit, dass die Mission aus sechs Personen bestehen würde, von denen drei im Range eines Botschafters waren.893 Den Vorsitz führte das Mitglied aus Nicaragua. Die weiteren Missionsmitglieder stammten aus Belgien, Burundi, Japan, Polen und Syrien. Um die militärische Expertise in der Mission zu sichern, wurde diese noch von fünf Offizieren, von denen die meisten im Rang eines Obersten waren, begleitet.894 Daneben wurde der Untersuchungsmission zur Unterstützung Personal des Sekretariats der Vereinten Nationen zugewiesen.895 c) Durchführung der Untersuchung Bevor die Untersuchungsmission mit ihrer eigentlichen Tätigkeit begann, legte sie eine Verfahrensweise hierfür fest.896 Die Mission beschloss, zunächst in Konsultationen mit den betroffenen Regierungen einzutreten. Danach sollten, soweit möglich, mündliche und schriftliche Stellungnahmen oder Zeugenaussagen von Behörden, Organisationen und Privatpersonen in Anhörungen oder individuellen Befragungen aufgenommen werden.897 Darüber hinaus entschied die Untersuchungsmission, die Grenzregion zwischen dem Senegal und Portugiesisch-Guinea bereisen zu wollen, um die Situation vor Ort zu examinieren, dort Stellungnahmen anzuhören, Zeugen zu befragen und so viele Informationen als möglich einzuholen.898 Während der Untersuchung und der Anhörungen von Zeugen wurden den, der Untersuchungsmission zugewiesenen, militärischen Experten dieselben Befugnisse eingeräumt, wie den eigentlichen Missionsmitgliedern bei der Informationsbeschaffung.899 Letztlich hielt es die Untersuchungsmission für vorzugswürdig, Anhörungen, Befragungen sowie alle Arbeitssitzungen in camera durchzuführen.900 Bevor die Untersuchungsmission New York in Richtung Westafrika verließ, trafen
893
UN Doc. S/10274 vom 21. Juli 1971, Rn. 2. UN Doc. S/10274 vom 21. Juli 1971, Rn. 3; UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 8 f. 895 UN Doc. S/10274 vom 21. Juli 1971, Rn. 3; UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 10. 896 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 12. 897 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 12. 898 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 13. 899 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 15. 900 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 16. 894
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ihre Mitglieder mit dem Präsidenten des Sicherheitsrates zusammen, um mit diesem ihre Pflichten hinsichtlich der der Mission anvertrauten Aufgabe zu beraten.901 Vor Aufnahme der eigentlichen Untersuchung versuchte der Vorsitzende der Untersuchungsmission sowohl Portugal als auch den Senegal zur Kooperation mit der Mission zu bewegen. Hierzu verfasste der Vorsitzende zwei identische Briefe, welche er am 21. Juli 1971 an die Ständigen Vertreter des Senegal beziehungsweise Portugals bei den Vereinten Nationen sandte. In diesen Briefen wurden die jeweiligen Regierungen ersucht, der Untersuchungsmission alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Mission zur Durchführung ihrer Arbeit benötigen würde.902 Während die Regierung des Senegal ihre Unterstützung zusagte,903 lehnte Portugal eine Kooperation mit der Untersuchungsmission ab. In einem Brief vom 24. Juli 1971904 ließ man aus der Ständigen Mission Portugals bei den Vereinten Nationen den Missionsvorsitzenden hierzu wissen, dass die portugiesische Regierung sich nicht in der Lage sehe, eine Sicherheitsratsresolution anzuerkennen, die eine Verurteilung beinhalte, ohne Beweise vorzubringen. Auch könne Portugal nicht mit einer Untersuchungsmission kooperieren, die auf portugiesischem Gebiet Ermittlungen vornehmen wolle, bei denen es aber um Ereignisse auf senegalesischem Staatsgebiet gehen würde, mit denen Portugal nichts zu tun habe. Eine Kooperation mit der Mission würde einer Akzeptanz der ungerechtfertigten Vorwürfe, die gegen Portugal erhoben worden seien, gleichkommen. Stattdessen wurde von portugiesischer Seite vorgeschlagen, eine Mission zur Kontrolle der Grenze zwischen PortugiesischGuinea und dem Senegal einzurichten, welche sich aus den Vertretern beider Staaten zusammensetzen und über einen unparteiischen Vorsitzenden verfügen solle. Die Untersuchungsmission verließ New York am 24. Juli 1971 und erreichte einen Tag später die Hauptstadt des Senegal, Dakar. Dort wurden die Missionsmitglieder durch den senegalesischen Außenminister und weitere Beamte aus dem Umkreis der senegalesischen Regierung begrüßt. In einer kurzen Stellungnahme betonte der Vorsitzende der Untersuchungsmission deren Bedeutung und bemerkte, dass die Mission entschlossen sei, ihre Aufgabe gänzlich objektiv und gründlich durchzuführen.905 Am 26. Juli 1971 trafen sich die Mitglieder der Untersuchungsmission, um über ihr Arbeitsprogramm für ihren Aufenthalt im Senegal zu entscheiden. An diesem Tag hatten sie zudem eine Audienz beim Präsidenten der Republik Senegal.906 Unmittelbar im Anschluss hieran wurde die Untersuchungsmission darüber informiert, dass sich am Vortag ein weiterer Zwischenfall auf senegalesischem Staatsgebiet an der Grenze zu Portugiesisch-Guinea zugetragen hatte. Den Missionsmitgliedern war es 901 902 903 904 905 906
UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 17. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 32. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 33. UN Doc. S/10284 vom 6. August 1971. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 18. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 19, 44 ff.
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allerdings nicht möglich, Dakar für eine Vor-Ort-Untersuchung zu verlassen, da am nächsten Tag wichtige Konsultationen stattfinden sollten. Daher wurde entschieden, dass die die Missionsmitglieder begleitenden Militärexperten zum Ort des Zwischenfalls entsandt werden sollten, um dort alle verfügbaren Informationen zu sammeln und der Mission hierüber Bericht zu erstatten. Am 27. Juli 1971 verließen die Militärexperten Dakar und begaben sich in die Casamance-Region, wo sich der Zwischenfall ereignet haben sollte. Dort trafen sie mit regionalen Militärvertretern zusammen. Die Militärexperten untersuchten den Schauplatz des Zwischenfalles und übermittelten der Untersuchungsmission zunächst, noch am gleichen Abend, einen vorläufigen Bericht und am 30. Juli 1971 folgte ein Abschlussbericht über die Vor-Ort-Mission.907 Ebenfalls am 27. Juli 1971 trafen die Missionsmitglieder mit dem Premierminister des Senegal, weiteren Regierungsmitgliedern und dem Chef des senegalesischen Generalstabes zu Gesprächen zusammen.908 Am 28. Juli 1971 flogen die Mitglieder der Untersuchungsmission gemeinsam mit den Militärexperten nach Ziguinchor, der Hauptstadt der Casamance-Region, wo sie mit dem Gouverneur sowie mit weiteren Beamten und Militärs zusammentrafen. Kurz nach ihrer Ankunft begab sich die gesamte Untersuchungsmission in die Nähe der Grenze, wo einige Orte inspiziert wurden, an denen Fahrzeuge des öffentlichen Transportwesens durch Landminen zerstört worden waren, sowie zu Orten, an denen zuvor weitere Minen entdeckt worden waren. Im weiteren Verlauf dieses Besuchs sprachen die Missionsmitglieder mit dem Gouverneur und einem hochrangigen Offizier der senegalesischen Streitkräfte über die Probleme, die durch die verlegten Minen in der Region entstanden seien. Zudem wurden auch noch Zeugenaussagen von Bewohnern der Region aufgenommen.909 Am gleichen Abend hatten die Missionsmitglieder zudem die Gelegenheit, einen portugiesischen Gefangenen zu befragen.910 Am 29. Juli 1971 flogen die Mitglieder der Untersuchungsmission und die Militärexperten in das von Ziguinchor etwa 200 Kilometer entfernte Kolda, von wo aus sie sich in die Umgebung des Grenzdorfes Saré N’Diaye begaben. Dort waren zwei Fahrzeuge durch Minen in die Luft gesprengt worden. Im Anschluss hieran wurde eine Brücke in Augenschein genommen, die sich 200 Meter von der Grenze entfernt befand. Von dieser Brücke war berichtet worden, dass unter ihr im Mai 1971 Sprengsätze entdeckt worden waren.911 Während der Rückreise nach Kolda hörte die Mission einen Zeugen an, der durch eine Minenexplosion verletzt worden war.912 Am 30. Juli 1971 entsandte die Untersuchungsmission ihre Militärexperten gemeinsam mit einigen Mitgliedern des Missionssekretariats in den Distrikt Tanaff in 907 908 909 910 911 912
UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 20, Annex I. A., S. 29 ff. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 21, 57 ff. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 22, 78 ff. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 23. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 24, 88. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 25.
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dem Gebiet Sedhiou, um dort Vor-Ort-Untersuchungen verschiedener Zwischenfälle vorzunehmen. Während dieser Untersuchung wurden die Militärexperten darüber informiert, dass sich ein weiterer Zwischenfall ereignet habe. Diesen schlossen sie in ihre Untersuchungen ein und berichteten der Untersuchungsmission im Anschluss über ihre Ergebnisse.913 Am Abend des 30. Juli kam es zu einem Treffen in Ziguinchor zwischen den Mitgliedern der Untersuchungsmission sowie ihren Militärexperten einerseits und dem Gouverneur von Casamance, dem Kommandeur der Streitkräfte im südlichen Senegal, dem Präfekten von Ziguinchor und weiteren staatlichen Repräsentanten andererseits. Letztere berichteten Details über den letzten Zwischenfall und einen weiteren Zwischenfall von diesem Tage, der sich in dem von Ziguinchor etwa 15 Kilometer entfernten Dorf Bagame zugetragen hatte.914 Am 31. Juli 1971 kehrten die Mitglieder der Untersuchungsmission und ihre Militärexperten nach Dakar zurück. Dort trafen die Missionsmitglieder erneut mit dem Premierminister, dem Außenminister und dem Generalstabschef des Senegal zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurden der Untersuchungsmission mehrere Dokumente übergeben.915 Es handelte sich dabei um eine Liste der Grenzzwischenfälle von 1961 bis 1971,916 eine Liste von aufgefundenen Landminen917 sowie um Landkarten, auf denen die Orte der Grenzzwischenfälle markiert waren.918 Am Abend dieses Tages trafen die Missionsmitglieder auch noch mit dem Generalsekretär der PAIGC zusammen.919 Am 1. August 1971 beendete die Untersuchungsmission ihr Arbeitsprogramm und traf sich am 5. August 1971 im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York. Dort wurde der Abschlussbericht vorbereitet.920 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungsmission beendete die Arbeiten an ihrem Abschlussbericht am 9. Dezember 1971.921 Das 128 Randnummern starke Papier wurde durch die Mission in vier Kapitel untergliedert. Nach der Einleitung922 folgte im zweiten Kapitel923 eine detailreiche Beschreibung der verschiedenen Untersuchungsabschnitte im Senegal, insbesondere der einzelnen Vor-Ort-Besuche. Im dritten Ka913
UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 26, Annex I. B., S. 34 ff. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 27, 101 ff. 915 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 28. 916 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Annex II. A., S. 44 ff. 917 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Annex II. B., S. 69. 918 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Annex II. C., S. 70 ff. 919 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 29, 115 ff. 920 Report of the Special Mission of the Security Council established under Resolution 294 (1971), UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 30. 921 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 31. 922 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 1 ff. 923 UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 37 ff. 914
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pitel924 legte die Untersuchungsmission ihre Schlussfolgerungen dar und im vierten Kapitel925 wurden Empfehlungen zu Lösung der Situation in Westafrika ausgesprochen. bb) Die Untersuchungsmission gelangte zu dem Ergebnis, dass es zu den strikten Prinzipien der senegalesischen Außenpolitik gehöre, außer im Falle notwendiger Verteidigung des Staatsgebietes, jedes Zusammentreffen mit portugiesischen Kräften zu vermeiden. Zudem hätten die wiederkehrenden bewaffneten Angriffe gegen den Senegal zu beträchtlichen Verlusten an menschlichem Leben und zu materiellen Schäden geführt. Hierdurch sei ein Klima der Unsicherheit und Instabilität geschaffen worden, welches zu einer Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Region führe.926 Die Gewaltakte auf dem und gegen das Territorium des Senegal seien auf die besondere Situation in Portugiesisch-Guinea zurückzuführen. Die dortige Situation sei zudem als Verstoß gegen die Erklärung der Generalversammlung hinsichtlich der Gewährung der Unabhängigkeit für kolonialisierte Länder und Völker in der Resolution 1514 (XV) zu werten.927 cc) Die Untersuchungsmission gab zur Lösung der Situation nur wenige Empfehlungen ab.928 Um die Voraussetzungen für die Beseitigung des Grundes für die Spannungen in der Region sicherzustellen und eine Atmosphäre des Vertrauens, der Sicherheit und des Friedens zu schaffen, wurde dem Sicherheitsrat empfohlen, hinsichtlich des Senegal den Respekt für dessen Souveränität und die territoriale Integrität zu sichern sowie auf eine sofortige Beendigung der Gewaltakte gegen das Territorium und die Bevölkerung hinzuwirken. Hinsichtlich Portugiesisch-Guineas empfahl die Untersuchungsmission dem Sicherheitsrat sicherzustellen, dass das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Unabhängigkeit, wie es in der Generalversammlungsresolution 1514 (XV) niedergelegt sei, respektiert werden müsse und dass die Wahrnehmung des Rechts, welches aus dem Prinzip fließe, ohne weitere Verzögerung ausgeübt werden könne. Hinsichtlich Portugals wurde dem Sicherheitsrat empfohlen, dass er die angemessenen Schritte unternehmen und Initiativen beginnen solle, damit Portugal die getroffenen Empfehlungen respektiere und vollständig umsetze. 8. Potenzielle portugiesische Aggression gegen Guinea a) Historischer Hintergrund Am 2. August 1971 fing der Geheimdienst von Guinea eine Kommunikation zwischen Einheiten der portugiesischen Seestreitkräfte und zwei Hauptquartieren 924 925 926 927 928
UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 122 ff. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 128. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 123. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 127. UN Doc. S/10308 vom 16. September 1971, Rn. 128.
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der portugiesischen Kolonialstreitkräfte in Westafrika ab.929 In den Gesprächen wurde ein baldiges militärisches Vorgehen gegen Guinea besprochen. Guinea war bereits zuvor im Rahmen der portugiesischen Kolonialkriege durch militärische Aktionen Portugals in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Regierung von Guinea unterstützte die Unabhängigkeitsbewegung in Portugiesisch-Guinea (Guinea-Bissau). Die portugiesischen Streitkräfte planten Angriffe auf verschiedene Punkte im Grenzgebiet zwischen Guinea und Guinea-Bissau und gegen die guineische Hauptstadt Conakry. Ein weiteres Ziel der Portugiesen war es vermutlich zudem, mehrere Söldner und andere Personen, die sich in guineischer Gefangenschaft befanden, zu befreien, welche in die Geschehnisse um die amphibische Kommandooperation „Mar Verde“ am 22. November 1970 verwickelt waren. Bei dieser Operation hatten portugiesische Truppen und guineische Aufständische unter anderem versucht, die guineische Regierung zu stürzen und den Anführer der Unabhängigkeitsbewegung in Guinea-Bissau und auf den Kap Verden gefangen zu setzen oder zu töten.930 b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat hatte sich auf seiner 1573. Sitzung am 3. August 1971 mit der Situation zwischen Guinea und Portugal zu befassen. Der Sitzung war ein Brief des Ständigen Vertreters von Guinea bei den Vereinten Nationen vom gleichen Tage vorausgegangen, in dem, wegen einer unmittelbaren Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit, um eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates nachgesucht wurde.931 Auf der Sitzung wurde von Burundi, Sierra Leone, Somalia und Syrien der Entwurf einer Resolution präsentiert.932 In diesem Entwurf wurde vorgeschlagen, einen Sondergesandten des Rates nach Guinea zu entsenden, um mit den dortigen staatlichen Stellen in Kontakt zu treten und dem Sicherheitsrat über die Situation Bericht zu erstatten. Nach einigen Konsultationen einigte man sich allerdings darauf, nicht nur einen Sondergesandten zu entsenden, sondern eine mehrköpfige Spezialmission. Diese sollte aus drei Mitgliedern des Sicherheitsrates bestehen.933 Die konkreten Personen, welche die Spezialmission bilden würden, sollten nach den Ausführungen des Repräsentanten von Somalia im Range eines Botschafters ste-
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Hierzu und zum Folgenden UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972. Siehe zu diesen Ereignissen John P. Cann, Small Wars & Insurgencies 8/3 (1997), S. 64 ff. 931 UN Doc. S/10280 vom 3. August 1971; vgl. auch die Ausführungen des Ständigen Vertreters Guineas zu der Situation in der Sicherheitsratssitzung in: UN Doc. S/PV.1573 vom 3. August 1971, Rn. 8 ff. 932 UN Doc. S/10281 vom 3. August 1971. 933 UN Doc. S/PV.1573 vom 3. August 1971, Rn. 68. 930
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hen.934 Der Resolutionsentwurf wurde als Resolution 295 (1971) auf der Sitzung vom Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet:935 „The Security Council, Taking note of the letter addressed to the President of the Security Council by the Permanent Representative of Guinea (S/10280), Having heard the statement made by the Permanent Representative of Guinea at the 1573rd meeting of the Council, Bearing in mind that all States Members of the United Nations must refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or in any other manner inconsistent with the purpose of the United Nations (Article 2, paragraph 4, of the Charter), 1. Affirms that the territorial integrity and political independence of the Republic of Guinea must be respected; 2. Decides to send a special mission of three members of the Security Council to the Republic of Guinea to consult the authorities and to report on the situation immediately; 3. Decides that this special mission be appointed after consultations between the President of the Security Council and the Secretary-General; 4. Decides to maintain the matter on its agenda.“
Etwas schwieriger gestaltete sich die Auswahl derjenigen Sicherheitsratsmitglieder, welche in Übereinstimmung mit Abs. 3 des operativen Teils der Resolution 295 (1971) die Spezialmission bilden sollten. Die vorgesehenen Konsultationen zwischen dem Präsidenten des Sicherheitsrates und dem Generalsekretär begannen umgehend nach der Verabschiedung der Resolution. Allerdings wurden diese Konsultationen zunächst unterbrochen, nachdem der Ständige Vertreter Guineas mit Brief vom 4. August 1971936 zunächst um eine Aussetzung der Entsendung gebeten hatte.937 Am 12. August übersandte der Ständige Vertreter dem Präsidenten des Sicherheitsrates einen neuen Brief938, in dem darüber informiert wurde, dass die Regierung Guineas über die Resolution 295 (1971) beraten habe und damit einverstanden sei, die Spezialmission so schnell wie möglich zu empfangen. Im Anschluss hieran nahmen der Generalsekretär und der Präsident des Sicherheitsrates ihre Konsultationen hinsichtlich der Besetzung der Spezialmission wieder auf.939 Nachdem in der Frage mit allen Mitgliedern des Sicherheitsrates gesprochen worden
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UN Doc. S/PV.1573 vom 3. August 1971, Rn. 71. UN Doc. S/RES/295 (1971) vom 3. August 1971. Für die Resolution stimmten: Argentinien, Belgien, Burundi, China, Frankreich, Italien, Japan, Nicaragua, Polen, Sierra Leone, Somalia, Syrien, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.1573 vom 3. August 1971, Rn. 80. 936 UN Doc. S/10283 vom 4. August 1971. 937 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 5. 938 UN Doc. S/10287 vom 12. August 1971. 939 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 6. 935
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war,940 verkündete der Präsident des Sicherheitsrates in der 1576. Sitzung am 26. August 1971, dass die Kommission nur noch aus zwei, statt aus drei, Mitgliedern bestehen sollte.941 Dies wurde vom Sicherheitsrat ohne Widersprüche angenommen.942 Noch am selben Tag veröffentlichten der Präsident des Sicherheitsrates und der Generalsekretär eine Note, in der Syrien und Argentinien als Mitglieder der Spezialmission benannt wurden und bekannt gegeben wurde, dass die Mission von Bediensteten des Sekretariats der Vereinten Nationen unterstützt werden sollte.943 c) Durchführung der Untersuchung Die Spezialmission besuchte die westafrikanische Republik Guinea vom 30. August bis zum 2. September 1971. Während dieses Zeitraums hielt die Mission zwei Treffen mit einer Delegation unter Leitung des guineischen Präsidenten Ahmed Sékou Touré sowie eine Arbeitssitzung mit Ministern der guineischen Regierung und anderen hochrangigen Vertretern des guineischen Staates ab. Die Mitglieder der Spezialmission sprachen sowohl mit dem Präsidenten als auch mit dem Wirtschaftsminister, dem Finanzminister, dem Minister für die Koordination öffentlicher und demokratischer Bewegungen, dem Präsidenten der Nationalversammlung, dem Innenminister, dem Verteidigungsminister, dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten, mit dem Minister für ideologisches Training und Information, dem Generalstabschef der guineischen Streitkräften, dem Ständigen Vertreter Guineas bei den Vereinten Nationen sowie mit dem Staatssekretär beim Präsidenten.944 Am 1. September 1971 besuchte die Spezialmission zudem, auf eine Einladung der guineischen Regierung hin, die Stadt Kindia.945 Neben den verschiedenen Gesprächen konnten die Mitglieder der Spezialmission zudem eine Reihe von Dokumenten und Gegenständen in Augenschein nehmen, die ihr von guineischer Seite zugänglich gemacht wurden. Hierzu gehörte eine Landkarte, auf welcher der geplante Angriff auf Guinea verzeichnet war.946 Hinzu kam eine Erklärung zu der Landkarte.947 In einem weiteren Dokument waren Aussagen von Gefangenen enthalten, die beschuldigt wurden, mit Unterstützung fremder Kräfte in Guinea einen Staatsstreich geplant zu haben.948 Außerdem wurde der 940
UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 6. UN Doc. S/PV.1576 vom 26. August 1971, Rn. 1 ff. 942 UN Doc. S/PV.1576 vom 26. August 1971, Rn. 4 ff. 943 UN Doc. S/10299 vom 26. August 1971, Rn. 3; UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 8 f. 944 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 12 sowie S. 7 ff. für den Inhalt der geführten Gespräche. 945 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 13. 946 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 21; die Landkarte ist wiedergegeben als Annex I, S. 43. 947 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Annex II, S. 44. 948 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 22. 941
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Mission der Text eines Telegramms verlesen, welches von einem Dissidenten an einen anderen Dissidenten gesandt und das durch die guineischen Behörden abgefangen worden war.949 Schließlich wurden den Mitgliedern der Spezialmission noch einige Militäruniformen gezeigt, welche identisch mit denen der Armee von Guinea, jedoch in Portugiesisch-Guinea hergestellt worden waren. Auf diesen Uniformen waren Abzeichen der Befreiungsbewegung für Guinea-Bissau und die Kap Verden angebracht. d) Ergebnisse der Untersuchung Die Spezialmission legte zum Abschluss ihrer Untersuchungen einen 45-seitigen Abschlussbericht vor.950 Dieser war ausschließlich deskriptiv gehalten und beinhaltete keine Schlussfolgerungen oder Empfehlungen. In der Einleitung951 des Berichts wurden die Errichtung der Spezialmission sowie deren Arbeitsauftrag beschrieben. Im zweiten Berichtsteil952 wurde der Besuch der Mission in Guinea dargestellt. Der dritte Abschnitt953 enthielt Details über die Konsultationen mit der Regierung der Republik Guinea und der vierte Abschnitt954 enthielt eine Beschreibung des dokumentarischen Materials, das der Mission vorgelegt wurde. Der letzte Abschnitt955 des Abschlussberichts besteht aus Wortlautprotokollen der Gespräche, die die Spezialmission mit den verschiedenen Repräsentanten des guineischen Staates während der Untersuchung in dem westafrikanischen Staat geführt hatte. 9. Versuchter Regierungsumsturz in Benin a) Historischer Hintergrund Am 16. Januar 1977 kam es in Cotonou, dem Regierungssitz des westafrikanischen Staates Benin, zu einer militärischen Aktion.956 Auf dem dortigen internationalen Flughafen landete unbefugt ein Flugzeug, welches eine Gruppe von etwa einhundert uniformierten, in der Mehrheit weißen, und auch einigen schwarzen 949
UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 23. Report of the Security Council Special Mission of the Security Council to the Republic of Guinea established under Resolution 295 (1971), UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972. 951 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 1 ff. 952 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 12 ff. 953 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 15 ff. 954 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, Rn. 21 ff. 955 UN Doc. S/10309/Rev. 1 von 1972, S. 7 ff. 956 Hierzu und zum Folgenden Chaim Herzog, Foreign Policy 29 (1977 – 1978), S. 140 ff. Herzog wirft dabei auch einen Gesamtblick auf die Behandlung der im Folgenden dargestellten Ereignisse durch die Vereinten Nationen; sowie Olutayo Adesina, in: Kevin Shillington (Hrsg.), Encyclopedia of African History Volume 1 A-G, S. 242 (243) und UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977. 950
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Söldnern beförderte. Diese Einheit besetzte zunächst das Flughafengebäude. Von dort aus setzte sich die Gruppe in Richtung der Stadt Cotonou in Bewegung. Dort angekommen, griff das Söldnerkommando den Präsidentenpalast an. Die beninischen Sicherheitskräfte konnten den Angriff allerdings zurückschlagen. Die Söldner flohen daraufhin in Richtung des Flughafens. Die Beniner konnten nicht verhindern, dass die Einheit mit dem Flugzeug, mit dem sie gekommen war, floh. Die Ereignisse dauerten insgesamt etwa drei Stunden. Mindestens zwei der Angreifer wurden getötet; ein Angreifer konnte gefangen genommen werden. Auf beninischer Seite starben sechs Personen und 51 wurden verwundet; ebenfalls verwundet wurde eine Reihe von Ausländern, die in Benin lebten. b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen behandelte die Ereignisse in Benin vom 16. Januar 1977 auf seiner 1986. und seiner 1987. Sitzung am 7. und 8. Februar des Jahres. Zu den beiden Sitzungen wurde eine Reihe von Nichtsicherheitsratsmitgliedern als Gäste im Sicherheitsrat zugelassen, die sich zu dem Angriff des Söldnerkommandos auf Cotonou zu äußern wünschten.957 Der Sitzung war ein Ersuchen an den Sicherheitsrat um eine Erörterung der Ereignisse durch die Ständige Mission von Benin bei den Vereinten Nationen vorausgegangen.958 Das Ersuchen wurde dabei von Guinea unterstützt.959 Während der Sitzung am 7. Februar äußerte der Repräsentant von Benin das Verlangen nach der Einsetzung einer Spezialmission durch den Sicherheitsrat zur Aufklärung des Vorfalls, um die Verantwortlichkeiten für den Angriff zu klären.960 Der Repräsentant von Mauritius unterstütze dieses Verlangen und gab bekannt, dass Benin, Libyen und Mauritius an einer Resolution zur Einsetzung einer solchen Spezialmission gearbeitet hätten,961 die er auf der Sitzung vorstellte.962 957 UN Doc. S/PV.1986 vom 7. Februar 1977, Rn. 2; UN Doc. S/PV.1987 vom 8. Februar 1977, Rn. 1. 958 UN Doc. S/12278 vom 26. Januar 1977. 959 UN Doc. S/12281 vom 7. Februar 1977. 960 „(…) The people of Benin demands that light be shed on the aggression of which it was the victim on Sunday, 16 January 1977. The people of Benin wishes the Security Council to dispatch a special mission to Cotonou in order to ascertain the facts in a clear and more objective manner, to determine who was responsible for and who carried out the armed aggression and to help the People’s Republic of Benin assess the damage caused. During a second stage, appropriate action should be taken so as to repair material damage and to prevent a recurrence of such barbaric acts of aggression by mercenaries in the pay of foreign domination. (…)“, UN Doc. S/PV.1986 vom 7. Februar 1977, Rn. 40. 961 „(…) I believe that the Council must act and act quickly and with foresight. It will perhaps be argued by some that the Council cannot act unless the enemy or enemies of Benin in the present circumstances is or are not identified. In this connexion, I should like to point out, that the President of Benin has already informed the international community including – through the representative of Benin – the Security Council, that the enemies were international
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Auf der Sitzung am 8. Februar 1977 wurde dann durch Benin, Libyen und Mauritius der revidierte Entwurf einer Resolution eingebracht, welche die Entsendung einer Spezialmission nach Westafrika vorsah, um die Ereignisse zu untersuchen.963 Der Entwurf wurde als Resolution 404 (1977) mit folgendem Text im Konsens ohne Abstimmung angenommen:964 „The Security Council, Taking note of the letter dated 26 January 1977 from the Chargé d’Affaires, a.i., of the Permanent Mission of the People’s Republic of Benin to the United Nations addressed to the President of the Security Council, Having heard the statement of the Permanent Representative of the People’s Republic of Benin, Bearing in mind that all Member States must refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or in other manner inconsistent with the purposes of the United Nations, 1. Affirms that the territorial integrity and political independence of the People’s Republic of Benin must be respected; 2. Decides to send a Special Mission composed of three members of the Security Council to the People’s Republic of Benin in order to investigate the events of 16 January 1977 at Cotonou and report not later than the end of February 1977; mercenaries. I do admit, however, that no proper identification has so far taken place. In fact, we cannot expect Benin to point with precision at those who committed aggression against it. It is for this reason, if for no other, that I believe that the Council should act immediately and come to the help of Benin by assisting it to pin-point responsibility for this barbarous and illegal act committed by the dark faces of evil in such a way as to unmask them. I suggest that one way that the Council can help to maintain peace and security in Africa and, indeed, international peace and security, is to dispatch a special fact-finding mission to Benin. After that mission has reported to the Council, we shall be in a better position to give fuller consideration to the complaint, to assign responsibility, to condemn the aggressors who will, I hope, have been identified by the mission, and to take any other necessary action. I believe that we all agree that a de facto aggression has taken place at Cotonou. It is now up to do our best to identify the aggressors. The aeroplane that landed in Cotonou did not come from or return to outer space. It is for this reason that the African members of the Security Council, namely, Benin, the Libyan Arab Republic and Mauritius, have decided to contribute to the work of the Council by submitting a draft resolution, which I now have the pleasure of introducing orally so as to allow members of the Council plenty of time in which to consider it: (…) This is a most uncontroversial draft, and I believe it represents the least the Security Council can do at this stage. I hope it will be adopted unanimously. It is based on the previous draft prepared on a similar occasion, namely, when the Republic of Guinea was attacked. (…)“, UN Doc. S/PV.1986 vom 7. Februar 1977, Rn. 47 ff. 962 UN Doc. S/12282 vom 7. Februar 1977. 963 UN Doc. S/12282/Rev. 1 vom 8. Februar 1977. 964 UN Doc. S/RES/404 (1977) vom 8. Februar 1977. Der Konsens bildete sich zwischen den Sicherheitsratsmitgliedern Benin, China, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Indien, Kanada, Libyen, Mauritius, Pakistan, Panama, Rumänien, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Venezuela, vgl. S/PV.1987 vom 8. Februar 1977, Rn. 123.
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3. Decides that the members of the Special Mission will be appointed after consultations between the President and the members of the Security Council, 4. Requests the Secretary-General to provide the Special Mission with the necessary assistance; 5. Decides to remain seized of the question.“
Wie bereits die Tatsache belegt, dass über die Annahme der Resolution 404 (1977) keine formelle Abstimmung durchgeführt werden musste, erhielt die Einsetzung einer Spezialmission breite Zustimmung unter den Sicherheitsratsmitgliedern und den zu beiden Sitzungen zugelassenen Repräsentanten von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, die gerade zu diesem Zeitpunkt nicht als Mitglieder im Sicherheitsrat vertreten waren.965 965
Vgl. die Äußerungen des Repräsentanten von Guinea: „(…) At the first stage of the debate, in the solidarity which binds us to our brothers of the Popular Republic of Benin, my delegation would like to bow respectfully to those that fell on the battlefield, and we propose, with your permission, Mr. President, that the Council support the request of the Government of Benin, that we firmly condemn the use of mercenaries to sow death and destruction in our countries and that, following consultations between the President of the Security Council and others who are involved, a special fact finding mission be set up and given the responsibility of preparing a report that would allow the Council to reach a final stand and take appropriate action that would be to the credit of the United Nations and to mankind as a whole. (…)“, UN Doc. S/ PV.1986 vom 7. Februar 1977, Rn. 106; des Repräsentanten von Algerien: „(…) In publicity denouncing the aggression against Benin and by publishing the details and describing the weapons seized, the Cotonou Government has shown its legitimate desire to uncover the real culprits and to determine the actual scope of this action. We would emphasize particularly, as a sign of restraint, moderation and responsibility, that the Benin Government has not levelled any precise accusations or sought to draw hasty conclusions from an inquiry which, we are convinced, was not purely superficial one. The Government of Benin has not yielded to the understandable emotion which such an aggression might naturally arouse in order to assign responsibility or apportion blame. On the contrary, it addressed itself to the Security Council, requesting that it denounce this serious act which violated the integrity, sovereignty, and security of its country, and also that it dispatch a mission of inquiry in order to determine, on the spot, the evidence of aggression and to uncover its origin or origins. (…)“, Rn. 117; des Repräsentanten der Sowjetunion: „(…) In view of its consistent position of principle on African questions, the Soviet Union will support the draft resolution sponsored by Benin, the Libyan Arab Republic and Mauritius [S/12282/Rev.1]. We think that it is both timely and appropriate to reaffirm that the territorial integrity and political independence of Benin must be respected. We also believe that the Security Council should support Benin’s request that a special mission of the Security Council be sent to the spot in order that it may elucidate the facts connected with this criminal act and present a report as soon as possible. We believe that such a decision would be correct and fair to the people of Benin, would represent a further contribution in the struggle for the complete and final implementation of the historic Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples and contribute to the consolidation of peace and security on the African continent and throughout the world. (…)“, UN Doc. S/PV.1987 vom 8. Februar 1977, Rn. 10; der Repräsentanten von Libyen: „(…) We have heard the statement of the representative of Benin [1986th meeting] in which he faithfully reported to us the clear facts of the shameful aggression perpetrated by a gang of mercenaries. He also informed us of the losses and the damage that were the result of that act of aggression. At this stage we hope that the Council will decide to send a special mission to Benin in order to investigate the events of 16 January of Cotonou and report back to the Council. My delegation will express its views at a
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later stage after receiving a detailed account to the facts and the conclusions of the proposed fact-finding mission. (…)“, Rn. 21; des Repräsentanten von Frankreich: „(…) Reference was made to some munitions of French origin. So that no link may be established, even by implication, between that reference and responsibility for the intervention in question, I should like to be perfectly clear here and now: as I said at the beginning of this statement, the principle of noninterference in internal affairs is for us an absolute principle, regardless of the ideological or political choices of States Members of the Organization. For that reason, France will support the dispatch by the Council of a fact-finding mission to investigate the events which brought about this meeting. (…)“, Rn. 31; des Repräsentanten von Rumänien: „(…) In view of what I have said, the Romanian delegation will support the draft resolution that is being sponsored by three African countries [S/112282/Rev.1] and in which the Council states that the territorial integrity and political independence of Benin must be respected. Likewise, we believe that it is the duty of the Council to respond positively to Benin’s request, reflected in the draft resolution, for a special mission to be sent to Benin in order to investigate and report to the Security Council as soon as to enable that body to carry out a thorough examination of the matter and take appropriate action. (…)“, Rn. 40; des Repräsentanten von Pakistan: „(…) The representative of Benin, in his statement, demanded that light be shed on the aggression of which his country was the victim and asked the Security Council to dispatch a special mission to Cotonou in order to ascertain the facts in a clear and objective manner, to determine responsibility and to assess the damage caused. We consider the request of Benin a reasonable one, and one which is fully in accord with the provisions of the Charter and with a number of past precedents. The delegation of Pakistan will, accordingly, support the draft resolution submitted by Benin, the Libyan Arab Republic and Mauritius [S/12282/Rev.1], by which the Council would affirm the territorial integrity and political independence of the People’s Republic of Benin and decide to send a special mission of the Council to Benin in order to investigate and report back later this month. (…)“, Rn. 51; des Repräsentanten von China: „(…) The Chinese Delegation supports the draft resolution sponsored by Benin, the Libyan Arab Republic and Mauritius [S/12282/Rev.1] concerning the dispatch by the Security Council of a special mission to Benin to investigate the facts about the incident, and will vote in favour of the draft. (…)“, Rn. 55; des Repräsentanten von Togo: „(…) In other words, the reality of the cowardly aggression perpetrated against the fraternal people of Benin is for us not a matter of doubt, and we are relying on the impartiality of the fact-finding mission, which it has been requested should be sent to Benin, to determine, in all objectivity and with complete accuracy, what occurred, and at the same time to ascertain who was responsible. (…)“, Rn. 69; des Repräsentanten von Somalia: „(…) At this stage, the least that the Government of the People’s Republic of Benin can ask for, and the Council support, is the dispatch of a fact-finding mission to ascertain the origin of that brutal aggression. Such a mission would bear in mind the importance of exposing the evil of mercenary activities and the necessity of eliminating that scourge form the face of the earth if we are to ensure that the aims and objectives enshrined in the Charter of the United Nations are to be preserved. (…)“, Rn. 97; des Repräsentanten von Mali: „(…) That is why my delegation urges the Council to respond to the request of the Revolutionary Military Government of Benin and send a special mission to Cotonou to establish the facts on the spot and inquire into all aspects of the aggression, in order to guide the important decision which the Council will be taking at a subsequent meeting on the substance of the question – namely, on the phenomenon of those gangsters employed against the third world. I am referring, of course, to the use of mercenaries. There is nothing new in dispatch such a mission; it is common practice in the Council. It guarantees its impartiality and objectivity in studying the serious questions which are of concern to us today. (…)“, Rn. 112; des Repräsentanten von Panama: „(…) All members of the Council are aware that an operation of the magnitude of that which took place in Benin requires either the active or passive complicity of the intelligence, police, customs or immigration services, or the armies of constituted States. This matter should be investigated thoroughly so that those who continue to believe that through
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In einer Note des Präsidenten des Sicherheitsrates vom 10. Februar 1977 gab dieser bekannt, dass, nach vorangegangenen Konsultationen zwischen dem Organ und seinem Präsidenten, der Spezialmission Indien, Libyen und Panama als Mitglieder angehören würden. Von den Vertretern dieser drei Staaten im Sicherheitsrat wurde der Repräsentant von Panama zum Missionsvorsitzenden ernannt.966 Als die Spezialmission bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, erhielt der Präsident des Sicherheitsrates am 22. Februar 1977 ein Telegramm des Vorsitzenden der Spezialmission, in welchem dieser – wegen der hohen Arbeitsbelastung – um eine Verlängerung der in Abs. 2 des operativen Teils der Resolution 404 (1977) vorgesehenen Frist zur Einreichung des Abschlussberichts bat. Der Sicherheitsratspräsident hielt daraufhin Konsultationen mit den Mitgliedern des Rates ab. Daraufhin wurde die Abgabefrist bis zum 8. März 1977 verlängert.967 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen stattete die Spezialmission zu ihrer Unterstützung mit einem Sekretariat aus.968 c) Durchführung der Untersuchung Die Spezialmission hielt am 11. Februar 1977 eine erste Sitzung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ab, um die Fragen, die sich aus dem Mandat der Sicherheitsratsresolution 404 (1977) ergaben, zu klären und die nötigen Vorbereitungen für die Reise nach Benin zu treffen.969 Vor der Abreise der Spezialmission erörterten ihre Mitglieder die an sie erteilte Arbeitsanweisung sowie Fragen des Verfahrens.970 Die Mitglieder der Mission einigten sich darauf, dass sie bei der Durchführung ihrer Tätigkeit von Militärexperten aus ihren jeweiligen Heimatländern unterstützt werden konnten. Dies trug nach Auffassung der Missionsmitglieder gleichzeitig zu einer effektiveren Umsetzung des in Resolution 404 (1977) erteilten Mandates bei.971 Weiterhin wurde hinsichtlich des Arbeitsprogrammes entschieden, dass die Spezialmission Konsultationen mit der Regierung von Benin und jeder anderen öffentlichen Stelle durchführen würde, die der Mission bei der Durchführung ihrer Aufgabe behilflich sein könnte. Auch sollten die Orte besucht werden, an denen sich die Ereignisse des 16. Januars 1977 zugetragen hatten, präsentierte Beweismaterialien sollten in Augenschein genommen und Zeugen sowie Opfer und andere Personen, welche sich im Besitz relevanter Informationen befänden, sollten verthe use of mercenaries they can do away with self-determination of peoples, will understand they have no future. (…)“, Rn. 121. 966 UN Doc. S/12286 vom 10. Februar 1977. 967 UN Doc. S/12289 vom 23. Februar 1977; vgl. auch UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 19 ff. 968 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 17. 969 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 22. 970 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 12. 971 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 14.
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nommen werden.972 Letztlich entschied die Mission noch, dass Englisch die Arbeitssprache der Mission sein und daher auch das gesamte Verfahren in englischer Sprache durchgeführt werden sollte. Daneben sahen es die Missionsmitglieder als erforderlich an, dass, um das erteilte Mandat effektiv zu implementieren, das Verfahren täglich in wortgetreuen Sitzungsberichten niedergeschrieben und die Niederschriften den Missionsmitgliedern am Tag nach jeder Missionssitzung zugänglich gemacht werden müssten.973 Im Anschluss an den entsprechenden Beschluss stellte Panama einen Offizier seiner Streitkräfte und Libyen einen Diplomaten mit militärischer Erfahrung der Spezialmission zur Unterstützung zur Seite.974 Die Mitglieder der Spezialmission verließen New York am 15. Februar 1977 und erreichten Cotonou am darauffolgenden Tag. Dort wurden sie von dem Minister für Inneres, Sicherheit und Nationale Orientierung, dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Minister für Ausrüstung willkommen geheißen.975 Am 17. Februar wurden die Missionsmitglieder zunächst vom Präsidenten von Benin, Mathieu Kérékou, empfangen.976 Im Anschluss hieran traf die Mission mit dem eigens durch die Regierung Benins eingerichteten Ausschuss für die Spezialmission zusammen, um mit diesem das Arbeitsprogramm und den Zeitplan der Tätigkeit der Mission zu besprechen.977 Daneben besuchte sie noch den Doyen des Diplomatischen Corps in Benin, den dortigen Botschafter Frankreichs, um durch diesen die Anhörung von Stellungnahmen der Missionschefs der verschiedenen diplomatischen Missionen in Cotonou zu arrangieren.978 Die Einladung wurde von verschiedenen Missionen angenommen.979 Den 18. Februar verbrachte die Mission ausschließlich mit der Anhörung von Zeugen.980 Die zehn Personen, die an diesem Tag angehört wurden, waren allesamt Einwohner von Cotonou, hierunter sechs Beniner, zwei Franzosen, ein Kanadier sowie ein Spanier.981 Am 19. Februar 1977 wurde der Mission ein Söldner vorgeführt, der von den beninischen Sicherheitskräften gefangen genommen worden war. Diese Person wurde verhört.982 Daneben konnte die Mission noch Waffen, Munition und Vorräte in Augenschein nehmen, die der Mission als von den angreifenden Kräften zurückgelassen präsentiert wurden.983 Hierunter befanden sich Mörser, 972 973 974 975 976 977 978 979 980 981 982 983
UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 15. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 16. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 18. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 23. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 24, 35 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 25. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 25. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 39. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 26. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 50 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 61 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 27.
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panzerbrechende Waffen, schwere und leichte Maschinengewehre, automatische Gewehre, Maschinenpistolen, Granaten, Pistolen, Funkgeräte und weitere militärische und nichtmilitärische Ausrüstungsgegenstände.984 Am 20. Februar widmete sich die Spezialmission dem Besuch von Orten, an denen am 16. Februar 1977 militärische Aktionen stattgefunden hatten, dem Anhören von Erklärungen der beninischen Behörden hierzu sowie Gesprächen mit Zeugen und Personen, die durch die Angreifer verwundet wurden.985 Zu den besichtigten Orten gehörte ein Apartmentblock in der Nähe des Präsidentenpalastes, die Umgebung des Flughafens von Cotonou, die nigerianische Botschaft und schließlich der Präsidentenpalast selbst.986 Zudem besuchten die Missionsmitglieder eine Leichenhalle, in der zwei Körper von getöteten Mitgliedern des Angriffskommandos aufgebahrt wurden. Hier nahmen die Missionsmitglieder die Leichen und die für die Toten ausgestellten Todesurkunden in Augenschein.987 Ebenfalls an diesem Tag examinierten die beiden die Mission unterstützenden Militärexperten aus Libyen und Panama die von den Angreifern zurückgelassenen Waffen sowie dazugehörige Munition und Vorräte erneut und erstellten ein Verzeichnis hierüber.988 Am 21. Februar 1977 hörten die Missionsmitglieder zunächst die Stellungnahme des diplomatischen Missionschefs der Sowjetunion in Cotonou.989 Später an diesem Tag setzten die drei Diplomaten ihre Besichtigung der umkämpften Orte fort. Außerdem hielten die Missionsmitglieder eine Arbeitssitzung mit dem beninischen Ausschuss für die Spezialmission ab und begannen Dokumente durchzusehen, welche ihnen von den beninischen Behörden als solche vorgelegt wurden, die von den Angreifern zurückgelassen worden waren.990 Diese Aufgabe beschäftigte die Mission auch am folgenden Tag.991 Unter den Dokumenten befanden sich handgeschriebene Notizen, Memoranden, Diagramme, Tabellen, Zeichnungen, Pässe und Personalausweise, Passierscheine, Fotografien, Gesundheitszertifikate, Flugtickets, Führerscheine, Gehaltsmitteilungen sowie private Briefe. Die meisten Dokumente waren in französischer, einige Dokumente in arabischer Sprache abgefasst.992 Am 23. Februar 1977 hörte die Mission die Stellungnahmen der Chefs der diplomatischen Missionen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, von Ghana, von Zaire, von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, von Ägypten, der Vereinigten Staaten von Amerika und von Nordkorea an.993 Außerdem besichtigten 984 985 986 987 988 989 990 991 992 993
UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 116 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 50, 84 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 84 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 112 ff. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 28. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 41. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 29. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 30. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 120 ff., insbesondere Rn. 124. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 41 ff.
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die Missionsmitglieder den Schaden, den Waffenfeuer an der Residenz des Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika in Cotonou angerichtet hatte.994 Die Mitglieder der Spezialmission hielten am 24. Februar 1977 eine weitere Arbeitssitzung mit dem beninischen Ausschuss für die Spezialmission ab. Erneut untersuchten sie die verschiedenen zurückgelassenen Ausrüstungsgegenstände und befragten nochmals den Gefangenen, den sie bereits am 19. Februar befragt hatten. Außerdem hielt die Mission noch eine finale Arbeitssitzung mit dem Ausschuss ab.995Am 25. Februar 1977 beendete die Mission ihre Reise nach Benin und kehrte nach New York zurück.996 Der Abschlussbericht der Mission wurde schließlich am 7. März 1977 beschlossen.997 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Spezialmission umfasste 145 Randnummern.998 Er war in drei Abschnitte unterteilt: Einer Einführung999, welche Informationen zur Einsetzung der Mission, zur Arbeitsweise und zum Arbeitsprogramm der Mission enthielt, folgte im zweiten Berichtsteil1000 eine detaillierte Darstellung des Besuchs der Mission in Benin. Im dritten Teil1001 wurden die Schlussfolgerungen der Untersuchung präsentiert. bb) Die Spezialmission kam bei ihrer Darstellung der Ereignisse in Cotonou vom 16. Januar 19771002 zu dem Ergebnis, dass die damals angreifenden Truppen Söldner waren, die von außerhalb Benins kamen1003. Diese Söldner hätten das Ziel verfolgt, die damalige Regierung von Benin zu beseitigen.1004 Der Anführer sei dabei von einer Organisation namens Front de Libération et de Réhablitiation du Dahomey angeheuert worden.1005
994
UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 31. UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 32. 996 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 33. 997 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 34. 998 Report of the Security Council Special Mission to the People’s Republic of Benin established under Resolution 404 (1977), UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977. 999 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 1 ff. 1000 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 35 ff. 1001 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 134 ff. 1002 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 134 ff. 1003 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 143. 1004 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 142. 1005 UN Doc. S/12294 vom 8. März 1977, Rn. 145. 995
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10. Entwicklungsprobleme von Botswana a) Historischer Hintergrund Der im südlichen Afrika gelegenen britischen Kolonie Rhodesien wurde, anders als den anderen Staaten Afrikas, in den 1960er Jahren die Unabhängigkeit vom Mutterland verwehrt.1006 Dies hatte seinen Grund darin, dass die weiße Minderheitsbevölkerung von Rhodesien, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung weniger als 6 % ausmachte, unter dem Premierminister Ian Douglas Smith, eine Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit an der Regierung nicht zulassen wollte. Am 11. November 1965 erklärte Rhodesien unilateral seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Das rhodesische Regime wurde international geächtet und es wurden Sanktionen verhängt. Bereits seit 1964 herrschte ein Bürgerkrieg in Rhodesien, welcher auch als Rhodesischer Buschkrieg oder Simbabwischer Unabhängigkeitskrieg bekannt wurde. In diesem Konflikt kämpften die Truppen des weißen Minderheitsregimes gegen die Zimbabwe African National Liberation Army, den militanten Arm der Zimbabwe African National Union unter Führung von Robert Mugabe, und die Zimbabwe People’s Revolutionary Army, den militanten Arm der Zimbabwe African People’s Union unter Führung von Joshua Nkomo. Der Aufstand gegen das weiße Minderheitsregime genoss vor allem in den übrigen afrikanischen Staaten, mit Ausnahme von Südafrika, welches das rhodesische Regime unterstützte, großen Zuspruch. In den 1970er Jahren griff der Konflikt auch auf Nachbarstaaten von Rhodesien über, als Aufständische die Grenzen überschritten und von Truppen des Regimes verfolgt wurden. 1976 kam es zu solchen Grenzverletzungen gegenüber dem südwestlich von Rhodesien gelegenen Staat Botswana, der erst zehn Jahre zuvor seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich erlangt hatte. b) Einsetzung der Kommission Botswana ersuchte den Präsidenten des Sicherheitsrates durch Briefe vom 22. Dezember 1976 und vom 12. Januar 1977 im Angesicht der Handlungen von Rhodesien um eine Dringlichkeitssitzung des Rates.1007 Das illegale weiße Minderheitsregime in Rhodesien habe in den vorangegangenen Wochen und Monaten Akte der Subversion, des Mordes und der Brandstiftung gegenüber Botswana verübt und zwar unter dem Vorwand, dass Botswana die Freiheitskämpfer unterstützen und ihnen Zuflucht gewähren würde. Das Regime von Ian Smith führe eine bewaffnete Aggression durch, um die Regierung und das Volk von Botswana zu drangsalieren 1006 Siehe hierzu und zum Folgenden Myres S. McDougal/W. Michael Reisman, American Journal of International Law 62 (1968), S. 1 ff.; Barry M. Schutz, Canadian Journal of African Studies 7 (1973), S. 3 ff.; Kenneth Good, African Affairs 73 (1974), S. 10 ff. sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Rhodesia“, „Zimbabwe“. 1007 UN Doc. S/12262 vom 22. Dezember 1976; UN Doc. S/12275 vom 12. Januar 1977.
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und zu erpressen, damit diese ihre Unterstützung des rechtmäßigen Befreiungskampfes des Volkes von Simbabwe einstellten. Die rhodesischen Akte stellten schwere Verletzungen der Souveränität und der territorialen Integrität von Botswana dar. Zur Untermauerung der Position Botswanas wurden dem Sicherheitsrat einige Daten übermittelt. Hierzu gehörte auch eine Liste von Maßnahmen, die Botswana ergreifen wollte, um seine Sicherheitslage gegenüber Rhodesien zu verbessern. Die Liste sah vor, die mobilen Polizeieinheiten erheblich zu vergrößern, an strategischen Punkten Basen für diese Einheiten zu errichten, sowie die Einheiten mit zusätzlichen Waffen und Verteidigungsausrüstungen auszustatten. Auch sollte ein Sicherheitszaun die 400 Kilometer lange Grenze zwischen Rhodesien und Botswana absichern. Als letzter Punkt war noch die Errichtung von Wasserstationen für die Versorgung von Menschen und von Vieh vorgesehen, deren Versorgung ansonsten aus verschiedenen Flüssen bewerkstelligt würde, welche die Grenze zwischen Botswana und Rhodesien bildeten. Die Kosten für diese Sicherheitsmaßnahmen bezifferte Botswana mit etwa 29.000.000 US-$. Daher müsse dann allerdings von geplanten Entwicklungsprojekten wie dem Bau von Straßen, Schulen und Kliniken Abstand genommen werden. Daher suche Botswana um Hilfe bei den Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft im Ganzen nach, damit abgesichert werde, dass das Entwicklungsprogramm nicht durch die Verteilung der finanziellen Ressourcen behindert würde. Der Sicherheitsrat befasste sich auf seiner 1983., 1984. und 1985. Sitzung vom 12. bis zum 14. Januar 1977 mit der Situation. Auf der Sitzung am 14. Januar stellte der Repräsentant von Mauritius einen gemeinsamen Resolutionsentwurf von Benin, Indien, Libyen, Mauritius, Pakistan, Panama, Rumänien und Venezuela vor,1008 in dem die rhodesischen Akte verurteilt wurden. Zudem sollten die wirtschaftlichen Erschwernisse für Botswana, die sich aus den Auswirkungen auf Entwicklungsprojekte durch die An- und Übergriffe von Rhodesien ergaben, durch den Sicherheitsrat zur Kenntnis genommen werden. Der Entwurf wurde mit 13 Stimmen im Sicherheitsrat und zwei Enthaltungen als Resolution 403 (1977) angenommen.1009 Hinsichtlich der Durchführung einer Untersuchung hieß es in der Resolution: „6. Accepts the invitation of the Government of Botswana to dispatch a mission to assess the needs of Botswana in carrying out its development projects under the present circumstances and, accordingly, requests the Secretary-General, in collaboration with appropriate organizations of the United Nations System, to organize with immediate effect financial and other forms of assistance to Botswana and to report to the Security Council not later than 31 March 1977; 1008
1977. 1009
UN Doc. S/12276 vom 14. Januar 1977; UN Doc. S/PV.1985, Rn. 24 vom 14. Januar
UN Doc. S/RES/403 (1977) vom 14. Januar 1977. Für die Resolution stimmten: Benin, China, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Indien, Kanada, Libyen, Mauritius, Pakistan, Panama, Rumänien, Sowjetunion und Venezuela, ihrer Stimme enthielten sich: Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.1985 vom 14. Januar 1977, Rn. 202.
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(…) 8. Appeals to all States to respond positively in providing assistance to Botswana, in the light of the report of the Mission of the Secretary-General, in order to enable Botswana to carry out its planned development projects; (…).“
Zu einer Diskussion im Sicherheitsrat hinsichtlich dieses Teils der Resolution kam es nicht. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen übertrug das Mandat einer Mission, welche ursprünglich zur Implementierung der Sicherheitsratsresolution 402 (1976)1010 nach Lesotho aufbrechen sollte, um dort Fragen eines Unterstützungsprogramms hinsichtlich finanzieller, technischer und materieller Aspekte für diesen Staat zu klären. Hierdurch versprach sich der Generalsekretär vor allem die Einhaltung der in Abs. 6 des operativen Teils der Resolution 403 (1977) gesetzten Frist zur Einreichung des Abschlussberichts.1011 Zum Chef der Mission ernannte der Generalsekretär, nach Konsultationen mit dem Außenminister von Botswana, den Assistenzgeneralsekretär der Vereinten Nationen für besondere politische Fragen Abdulrahim Abby Farah. Die vier weiteren Mitglieder der Mission waren Gordon K. Goundrey vom Sekretariat des Commonwealth of Nations in London, James Riby-Willimas von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika, Robert V. Harris von der Abteilung der Vereinten Nationen für Wirtschafts- und Sozialangelegenheiten sowie Kelvin T. Sanderson, der für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen als Berater für die Regierung von Tansania tätig war.1012 Das Sekretariat der Mission bestand nur aus einer Person.1013 Das Missionsmandat wurde dahingehend präzisiert, dass es Aufgabe der Mission sei, den Generalsekretär der Vereinten Nationen innerhalb des Rahmens der Sicherheitsratsresolution 403 (1977) zu beraten. Hierbei sollten die besonderen ökonomischen Nöte, mit denen Botswana konfrontiert sei und die durch die zwingenden Erfordernisse nach den rhodesischen Übergriffen entstanden seien, untersuchet werden. Außerdem sollten Wege ergründet werden, die vorhandenen Mittel zwischen laufenden und geplanten Entwicklungsprojekten einerseits und ungeplanten und nicht in den Haushalt eingestellten Sicherheitserfordernisse andererseits aufzuteilen. Daher musste die Mission die finanziellen und anderen Formen von Unterstützung beurteilen, die Botswana benötigte, um nach den damaligen Bedingungen seine Entwicklungsprojekte fortsetzen zu können.1014
1010 1011 1012 1013 1014
UN Doc. S/RES/402 (1976) vom 22. Dezember 1976. UN Doc. S/PV.1985 vom 14. Januar 1977, Rn. 206. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 8. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 8. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 9.
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c) Durchführung der Untersuchung Die Mission erreichte die botswanische Hauptstadt Gaborone am 15. Februar 1977 und verbrachte insgesamt vierzehn Tage in dem Staat im südlichen Afrika.1015 Das Arbeitsprogramm der Mission begann mit einer ausführlichen Unterrichtung über die zu untersuchende Situation durch den Präsidenten Botswanas. Zudem wurden tägliche Treffen mit verschiedenen Ministern und Beamten abgehalten, die von der Arbeit der Mission betroffen waren.1016 Während des Aufenthalts konnte die Mission die an der Grenze zu Rhodesien gelegene Stadt Francistown besuchen. Dort suchten die Missionsmitglieder ein Empfangszentrum für Flüchtlinge auf und kamen zu Gesprächen mit dortigen Regierungsbeamten zusammen. Daneben befuhr die Mission etwa 50 Kilometer der botswanisch-rhodesischen Grenze, an denen sich Vorfälle ereignet hatten und daher Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden mussten.1017 Daneben konnte die Mission noch eine große Anzahl von Dokumenten und anderer Materialen sichten, welche ihr von der Regierung von Botswana zur Verfügung gestellt wurden.1018 Vor der Abreise aus Gaborone traf der Chef der Mission noch mit den Missionschefs verschiedener diplomatischer Vertretungen in Botswana zusammen, um an diese Informationen über die Mission und ihre Arbeit weiterzugeben.1019 Auf seiner Rückreise nach New York traf der Chef der Mission zudem noch mit dem Kommissar für Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, mit einer Ministerin für Überseeische Entwicklung und mit dem Generalsekretär des Commonwealth of Nations zusammen. Mit diesen beriet er über verschiedene Hilfsprogramme für Botswana.1020 Während der Durchführung der Untersuchung, insbesondere bei der Erstellung des Abschlussberichts, wurde die Mission von Entwicklungsprogrammen der Vereinten Nationen, vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge sowie vom Welternährungsprogramm unterstützt.1021 d) Ergebnisse der Untersuchung Der Generalsekretär übermittelte dem Sicherheitsrat mit einer Note vom 28. März 1977 den 129 Randnummern starken Abschlussbericht der Mission.1022 Dieser umfasste im Anschluss an eine Einleitung1023 insgesamt vier Abschnitte1024. Im ersten 1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023
UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 10. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 11. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 12. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 13. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 14. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 15. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 17. The Report on Assistance to Botswana, UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 1 ff.
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Abschnitt1025 wurde die verschlechterte Sicherheitslage Botswanas beschrieben. Der zweite Abschnitt1026 war der dortigen Flüchtlingssituation gewidmet. Im dritten Abschnitt1027 beschrieb die Mission die Ressourcen, die nach ihrer Auffassung für eine normale Entwicklung Botswanas benötigt würden. Im letzten Abschnitt1028 legte die Mission schließlich ihre gezogenen Schlussfolgerungen und empfohlenen Projekte dar. Der Abschlussbericht endete mit einigen abschließenden Bemerkungen.1029 11. Rhodesische Aggression gegen Sambia a) Historischer Hintergrund Ebenso wie Botswana war ein weiterer Nachbarstaat Rhodesiens, nämlich Sambia, von den gewaltsamen Auseinandersetzungen betroffen. Auch auf sambischem Territorium kam es gegen Ende der 1970er Jahre zu Gewalttätigkeiten durch Bewaffnete rhodesischer Herkunft, wobei sowohl Menschen zu Schaden kamen als auch Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen wurde. Hierdurch wurde Sambia beträchtlicher ökonomischer Schaden zugefügt.1030 b) Einsetzung der Kommission Die Situation zwischen Rhodesien und Sambia war Gegenstand der 2171. Sitzung des Sicherheitsrates am 23. November 1979. Anlass hierfür war ein Schreiben des Ständigen Vertreters Sambias bei den Vereinten Nationen an den Präsidenten des Sicherheitsrates. Hierin wurde der Rat durch den Staat im südlichen Afrika ersucht, eine dringende Sitzung einzuberufen, da sich die rhodesischen Aggressionen gegen Sambia intensivieren würden und die Lage insgesamt zu eskalieren drohe.1031 Auf der Sitzung wurde von Bangladesch, Gabun, Jamaika, Kuwait, Nigeria und Sambia ein gemeinsamer Resolutionsentwurf vorgelegt,1032 in dem das Regime in Rhodesien und dessen Aggression gegen Sambia nachdrücklich verurteilt wurden. Der Entwurf wurde als Sicherheitsratsresolution 455 (1979) ohne Abstimmung im Konsens angenommen.1033 Durch die Resolution wurde auch ein Unterausschuss 1024
UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 18 ff. UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 19 ff. 1026 UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 29 ff. 1027 UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 40 ff. 1028 UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 62 ff. 1029 UN Doc. S/12307 vom 28. März 1977, Rn. 129. 1030 Siehe schon die Ausführungen zu: 3. Teil § 2 B. I. 10. 1031 UN Doc. S/13636 vom 22. November 1979. 1032 UN Doc. S/13645 vom 23. November 1979. 1033 UN Doc. S/RES/455 (1979) vom 23. November 1979. Der Konsens bildete sich zwischen den Sicherheitsratsmitgliedern: Bangladesch, Bolivien, China, Frankreich, Gabun, Ja1025
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errichtet, der den Sicherheitsrat bei der Implementierung von Teilen der Resolution unterstützen sollte: „5. Calls for the payment of full and adequate compensation to the Republic of Zambia by the responsible authorities for the damage of life and property resulting from the acts of aggression; 6. Further calls upon all Member States and international organizations urgently to extend material and other forms of assistance to the Republic of Zambia in order to facilitate the immediate reconstruction of its economic infrastructure. 7. Decides to establish an ad hoc committee composed of four members of the Security Council, to be appointed by the President after consultation with members, in order to assist the Council in the implementation of the present resolution, in particular paragraphs 5 and 6 thereof, and report to the Council by 15 December 1979;“
Der ad-hoc-Ausschuss wurde zwar nicht explizit in der Resolution als Untersuchungsgremium bezeichnet, jedoch deutete in Abs. 7 des operativen Teils der Resolution bereits die Verwendung des Begriffs „report“ auf einen Untersuchungsauftrag hin. Dass Untersuchungen durch den Ausschuss durchgeführt werden sollten, entsprach auch dem Willen der Staaten, welche den Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat eingebracht hatten.1034 In einer Note vom 30. November 1979 wurde vom Präsidenten des Sicherheitsrates bekannt gegeben, dass, nach entsprechenden Konsultationen mit den Ratsmitgliedern, der ad-hoc-Ausschuss von Jamaika, Kuwait, Nigeria sowie von Norwegen gebildet werden würde.1035 c) Durchführung der Untersuchung Der Ausschuss begann seine Tätigkeit mit einem ersten Treffen am 3. Dezember 1979 in New York. Hierbei wurde Norwegen in einer Wahl der Vorsitz in dem Gremium übertragen.1036 Vom 3. bis zum 6. Dezember hielt der Ausschuss dann noch drei weitere Sitzungen ab, in denen sein Arbeitsauftrag untersucht, ein Verfahren für seine Tätigkeit festgelegt und Termine für die verschiedenen Aktivitäten bestimmt wurden.1037 Hierbei wurde von dem Ausschuss unter anderem beschlossen, nach Sambia zu reisen, um sich dort selbst mit der Situation vertraut zu machen. Zudem maika, Kuwait, Nigeria, Norwegen, Portugal, Sambia, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.2171 vom 23. November 1979, Rn. 94. 1034 Vgl. die Äußerung des Repräsentanten von Sambia im Sicherheitsrat: „(…) It would be appreciated if the Security Council were to establish an ad hoc committee from its members, to be appointed by the Council after consultation with the members, in order to assist the Council in the implementation of any resolution which it might wish to adopt. Thereafter, that ad hoc committee could report its findings to the Council for any further action. (…)“, UN Doc. S/ PV.2171 vom 23. November 1979, Rn. 30. 1035 UN Doc. S/13669 vom 30. November 1979, Rn. 3; UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 4 f. 1036 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 4. 1037 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 6.
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wurde der Zeitraum zwischen dem 11. und dem 15. Dezember 1979 für die Reise eingeplant.1038 Die Reise nach Sambia fand dann tatsächlich vom 11. bis zum 14. Dezember statt.1039 Dorthin waren die Mitglieder des Ausschusses am 9. Dezember 1979 aufgebrochen.1040 Noch am 11. Dezember konnte der Ausschuss einen ersten Situationsbericht durch den sambischen Außenminister hören, in welchem dieser die Situation, die durch die Zerstörung von Brücken hervorgerufen wurde, beschrieb. Bei diesem Treffen waren zudem noch der sambische Minister für Arbeit und Versorgung, der Staatsminister für Finanzen, der Sekretär des sambischen Kabinetts sowie dessen Stellvertreter und Repräsentanten aus anderen Ministerien zugegen. Der Vorsitzende des ad-hoc-Ausschusses gab bei dieser Gelegenheit auch eine Erklärung ab und stellte Erwägungen hinsichtlich des Programms für den Besuch des Ausschusses in Sambia an.1041 Im Zeitraum zwischen dem 11. und dem 14. Dezember 1979 hielten die Ausschussmitglieder verschiedene Treffen mit hochrangigen Regierungsmitgliedern und Beamten ab. Hierzu zählten wiederum der Minister für Arbeit und Versorgung, der Kabinettssekretär und dessen Vertreter, ein Staatssekretär aus dem Außenministerium, ein Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium, ein Staatssekretär aus dem Energieministerium, ein Staatssekretär aus dem Ministerium für Energie, Transport und Kommunikation, ein Staatssekretär aus dem Ministerium für Arbeit und Versorgung, der Protokollchef der sambischen Regierung, die Unterstaatssekretäre für Internationale Kooperation und für politische Angelegenheiten aus dem Außenministerium, ebenso aus diesem Ministerium der dortige Abteilungsleiter für Internationale Organisationen, der stellvertretende Ständige Vertreter Sambias bei den Vereinten Nationen sowie weitere Personen. Bei diesen Treffen wurde dem Ausschuss im Detail die Zerstörung von Brücken und die wirtschaftlichen Verluste die Sambia zu tragen hatte beschrieben; zudem wurden Schätzungen über die Kosten der Wiederherstellung der zerstörten Brücken vorgelegt.1042 Vom 12. bis zum 14. Dezember 1979 hatte der ad-hoc-Ausschuss Gelegenheit, die beschädigten Eisenbahn- und Straßenbrücken über die Flüsse Chambeshi und Lunsenfwa, sowie zwei weitere Straßenbrücken zu besichtigen und sie näher in Augenschein zu nehmen. Hierbei wurde der Ausschuss von dem Minister für Arbeit und Versorgung sowie weiteren Beamten begleitet.1043 Am 13. Dezember 1979 traf sich der Ausschuss mit Repräsentanten verschiedener Stellen der Vereinten Nationen und hatte zudem die Gelegenheit, sich informell mit 1038 1039 1040 1041 1042 1043
UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 9. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 12. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 17. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 18. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 19. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 20.
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den Repräsentanten einiger Staaten zu treffen, die entweder bereits Hilfen für Sambia zugesagt hatten, oder die als mögliche Hilfeleister angesehen wurden. Den Repräsentanten dieser Staaten wurde von dem Ausschuss sein Mandat erklärt. Dieser ließ sich zudem davon in Kenntnis setzen, was die betreffenden Staaten bereits getan hatten, oder planten zu tun.1044 Die verschiedenen vertretenden Stellen der Vereinten Nationen waren die Wirtschaftskommission für Afrika, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation, die Industriebank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Internationale Arbeitsorganisation, der Kommissar der Vereinten Nationen für Namibia, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung, das Welternährungsprogramm und die Weltgesundheitsorganisation.1045 Ebenfalls am 13. Dezember wurden die Mitglieder des Ausschusses noch vom Präsidenten Sambias empfangen. Dieser gab dabei eine Erklärung zur Situation im südlichen Afrika ab.1046 Nachdem der Ausschuss noch eine Pressekonferenz abgehalten hatte, verließen dessen Mitglieder Sambia am 14. Dezember 1979.1047 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Ausschuss dem Sicherheitsrat bereits zwei Zwischenberichte zukommen lassen.1048 Die Zeit nach der Rückkehr des Ausschusses aus dem südlichen Afrika wurde von diesem nicht mehr zur Aufklärung von Tatsachen genutzt. Vielmehr standen nun Kontakte mit verschiedenen Mitgliedstaaten und Internationalen Organisationen im Vordergrund der Ausschusstätigkeit. Durch diese Kontakte sollte internationale Hilfe für Sambia gesammelt werden.1049 Der Abschlussbericht des Ausschusses wurde von dessen Mitgliedern in der sechsten Ausschusssitzung am 31. Januar 1980 angenommen.1050 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der 57 Randnummern starke Abschlussbericht des ad-hoc-Ausschusses1051 wurde – unmittelbar nach der Fertigstellung – noch am 31. Januar 1980 durch den
1044
UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 21, 41 f. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 40. 1046 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 22. 1047 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 24. 1048 UN Doc. S/13681 vom 6. Dezember 1979; UN Doc. S/13694 vom 17. Dezember 1979. 1049 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 46 ff. 1050 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 16. 1051 Report of the Security Council ad hoc Committee established under Resolution 455 (1979), concerning the Complaint of Zambia, to assist the Security Council in the Implementation of the Resolution, UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980. 1045
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Ausschussvorsitzenden dem Sicherheitsrat zugeleitet.1052 Der Bericht beinhaltete eine Einführung,1053 in der über die Einsetzung und die Arbeitsweise des Ausschusses berichtet wurde. Hieran anschließend war der Bericht in drei Teile gegliedert: Den ersten Teil1054 bildete eine Schilderung des Besuches des Ausschusses in Sambia, im zweiten Teil1055 werden die Ausschussaktivitäten nach dem Besuch beschrieben und im dritten Teil fanden sich die Schlussfolgerungen, die der Ausschuss aus seinen Aktivitäten gezogen hatte.1056 bb) Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass Sambia, durch das aggressive Verhalten Rhodesiens, beträchtliche wirtschaftliche Schäden erlitten habe.1057 Obwohl bereits Wiederaufbaumaßnahmen durch die sambische Bevölkerung eingeleitet worden seien,1058 und es auch internationale Hilfe gebe,1059 betonte der Ausschuss doch, dass weitere Hilfsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und Internationale Organisationen nötig seien, um eine Rekonstruktion der wirtschaftlichen Infrastruktur in Sambia zu ermöglichen.1060 12. Söldneraggression gegen die Seychellen a) Historischer Hintergrund Anhänger des ehemaligen und ersten Präsidenten der Seychellen, James Mancham, der im Juni 1977 während der Teilnahme an einer Konferenz des Commonwealth of Nations durch den Premierminister France-Albert René abgesetzt worden war, diskutierten im Jahr 1978 mit Vertretern der Regierung Südafrikas über die Durchführung eines coup d’état in dem Inselstaat im Indischen Ozean.1061 Bei dieser Operation sollte René gestürzt werden. Manchams Getreue wandten sich sodann an den irischen Söldnerführer Oberst Thomas Michael Hoare, welcher auch als „Mad Mike“ bekannt, und etwa bereits im Kongo aktiv gewesen war. Hoare sollte mit einer Gruppe von weiteren Söldnern, zu denen auch ehemalige Soldaten aus Rhodesien sowie aus südafrikanischen Spe1052
UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, S. 2. UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 1 ff. 1054 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 17 ff. 1055 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 46 ff. 1056 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 52 ff. 1057 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 52. 1058 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 53. 1059 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 55. 1060 UN Doc. S/13774 vom 31. Januar 1980, Rn. 56. 1061 Hierzu und zum Folgenden Aubrey Brooks, Death Row in Paradise: The Untold Story of the Mercenary Invasion of the Seychelles 1981 – 1983, S. 1 ff.; Anthony Mockler, The New Mercenaries, S. 339 ff.; P. K. S. Namboodiri, Strategic Analysis 5 (1982), S. 557 ff.; auch UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982. 1053
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zialverbänden zählten, den Staatsstreich durchführen. Hoare sammelte Geld für die Operation bei Exil-Seychellern; finanzielle Unterstützung von Südafrika und den Vereinigten Staaten von Amerika erhielt er allerdings nicht. Zur Maskierung des Unternehmens benannte er die Söldnertruppe nach einem englischen Gesellschaftsklub aus den 1930er Jahren und gab diese als Rugbyverein aus. Auf dem Boden ihres Reisegepäcks versteckten die Söldner ihrer Sturmgewehre. Die Söldner begaben sich nach Swasiland und flogen von dort an Bord einer Maschine von Swasi Airlines auf die Seychellen. Bei der Einreise am 25. November 1981 entdeckten Zollbeamte auf dem Flughafen der Hauptinsel der Seychellen, Mahé, allerdings die Waffen. Es folgte eine Schießerei zwischen den Söldnern und seychellischen Sicherheitskräften. Etwa 44 der Söldner, unter ihnen Oberst Hoare, kaperten daraufhin eine Maschine der Air India und entkamen mit dem Flugzeug ins südafrikanische Durban. 39 der Söldner wurden von den südafrikanischen Behörden freigelassen, fünf weitere, einschließlich Hoare, wurden zunächst von den Südafrikanern festgesetzt, allerdings später gegen Kaution entlassen. Die übrigen Söldner wurden auf den Seychellen zurückgelassen, gefangen genommen, inhaftiert und später zu Todes- beziehungsweise langen Gefängnisstrafen verurteilt. Während der Operation wurden einer der Söldner sowie ein Angehöriger der seychellischen Sicherheitskräfte getötet, ein Polizist wurde verwundet. b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befasste sich mit der Söldneroperation gegen die Republik der Seychellen anlässlich seiner 2314. Sitzung am 15. Dezember 1981. Der Rat war über die Geschehnisse zuvor durch einen Brief des Chargé d’affaires der Ständigen Mission der Seychellen bei den Vereinten Nationen unterrichtet worden.1062 Der Sicherheitsrat wurde in dem Schreiben um eine zügige Befassung mit der Thematik und die Verabschiedung geeigneter Maßnahmen hierzu ersucht. Der Sicherheitsrat verabschiedete einstimmig den Entwurf einer Resolution1063, in welchem die Entsendung einer Untersuchungskommission vorgeschlagen wurde, als Resolution 496 (1981):1064 „The Security Council, Taking note of the letter dated 8 December 1981 from the Chargé d’affaires of the Permanent Mission of the Republic of Seychelles to the United Nations addressed to the President of the Security Council, 1062
UN Doc. S/14783 vom 8. Dezember 1981. UN Doc. S/14793 vom 14. Dezember 1981. 1064 UN Doc. S/RES/496 (1981) vom 15. Dezember 1981. Für die Resolution stimmten: China, Deutsche Demokratische Republik, Frankreich, Irland, Japan, Mexiko, Niger, Panama, Philippinen, Spanien, Tunesien, Uganda, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, vgl. UN Doc. S/PV.2314 vom 15. Dezember 1981, Rn. 33. 1063
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Having heard the statement of the representative of the Republic of Seychelles, Bearing in mind that all Member States must refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or in any other manner inconsistent with the purposes of the United Nations, 1. Affirms that the territorial integrity and political independence of the Republic of Seychelles must be respected; 2. Condemns the recent mercenary aggression against the Republic of Seychelles and the subsequent hijacking; 3. Decides to send a commission of inquiry composed of three members of the Security Council in order to investigate the origin, background and financing of the mercenary aggression of 25 November 1981 against the Republic of Seychelles, as well as assess and evaluate economic damages, and to report to the Council with recommendations no later than 31 January 1982; 4. Decides that the members of the commission of inquiry will be appointed after consultations between the President and members of the Security Council and the Republic of Seychelles; 5. Requests the Secretary-General to provide the commission of inquiry with the necessary assistance; 6. Decides to remain seized of the question.“
Die Entsendung einer Untersuchungskommission war von der Regierung der Seychellen selbst angestoßen worden. Sie versprach sich hiervon, dass die Kommission unanfechtbare Beweise liefern und all diejenigen benennen könne, die in die Aggression verwickelt waren.1065 Diese Sichtweise wurde von vielen Mitgliedern des Sicherheitsrates und von zu dessen Sitzung eingeladenen, weiteren Mitgliedern der Vereinten Nationen geteilt. Diese Mitglieder versprachen sich viele wichtige Informationen für ein weiteres Vorgehen des Rates in der Söldnerangelegenheit.1066 1065
UN Doc. S/PV.2314 vom 15. Dezember 1981, Rn. 15. Vgl. die Äußerung des Repräsentanten von Botswana: „(…) We are, in other words, imploring this Council to set up a commission of inquiry to visit the Republic of Seychelles and wherever the information may be found as soon as possible to find out what happened on 25 November. The commission should, inter alia, assess the economic damages brought by the invasion and make the necessary recommendations for their alleviation. There should be no cover-up. Seychelles victory in repulsing this criminal mercenary invasion is an encouragement for all of Africa and all others that are threatened by scourge of mercenaries. (…)“, UN Doc. S/ PV.2314 vom 15. Dezember 1981, Rn. 3; des Repräsentanten von Japan: „(…) It appears, however, that there are a number of factual uncertainties surrounding the incident, and before the Council can determine which measure would be most appropriate it is essential that all relevant facts be presented to its members. Thus my delegation whole-heartedly supports the idea of setting up a commission of inquiry to investigate the facts and has just voted in favour of the draft resolution to that effect. (…)“, Rn. 41; des Repräsentanten der Sowjetunion: „(…) The Soviet Union supports the decision to send a commission of inquiry of the Council having the task of determining the origin, background and financing of the act of aggression committed by the mercenaries on 25 November and of assessing and evaluating the economic damage caused. (…)“, Rn. 48; des Repräsentanten von Frankreich: „(…) My delegation is wholly in favor of sending to Seychelles a commission of inquiry composed of members of the Security Council to 1066
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An Heiligabend 1981 gab der Präsident des Sicherheitsrates bekannt, dass dieser sich nach entsprechenden Konsultationen mit den Mitgliedern des Sicherheitsrates und der Republik der Seychellen auf die Mitglieder des Sicherheitsrates geeinigt habe, welche Teil der Untersuchungskommission sein sollten. Als Mitglieder, die Kommissionsmitglieder entsenden sollten, wurden Irland, Japan sowie Panama bestimmt.1067 Zwischen den Kommissionsmitgliedern wurde in der Folge das Mitglied aus Panama als Vorsitzender der Kommission benannt.1068 c) Durchführung der Untersuchung Zwischen dem 11. und dem 21. Januar 1982 hielt die Untersuchungskommission insgesamt vier Treffen im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ab. Auf diesen Sitzungen prüfte die Kommission den ihr erteilten Untersuchungsauftrag, bestimmte das Verfahren, welchem sie bei der Untersuchung folgen wollte, und legte einen Zeitplan für die Durchführung ihrer Aktivitäten fest.1069 Die Kommission stellte zunächst fest, dass es für die Erfüllung ihres Mandates von Nöten sei, dass ihre Mitglieder die Gegend der Vorfälle besuchen müssten, um sich so Informationen aus erster Hand verschaffen zu können. Mit Briefen vom 12. Januar 1982 informierte die Untersuchungskommission daher den Chargé prepare a report on the events and make recommendations to the Council. That is why we voted in favor of the draft resolution just adopted by the Council. (…)“, Rn. 70; des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) Our thoughts have been with the Government and people of Seychelles at this difficult time, and we hope that the action the Council is taken today and the early dispatch of the commission of inquiry will help them fully to clear up this atrocious episode. (…)“, Rn. 91; des Repräsentanten von Niger: „(…) For all those reasons, Niger denounces them and strongly condemns that act. We consider it appropriate therefore that a commission of inquiry be sent to Seychelles to investigate the events there in order to determine rapidly what subsequent action the Council should envisage in this serious matter. It is good that the Council came to a unanimous decision along those lines in the resolution it has just adopted. (…)“, Rn. 95; des Repräsentanten von Irland: „(…) We have heard the request of the Government of Seychelles and we commend the approach that the Government has taken in having recourse to the Council. It first had recourse to the Council and it then requested, in a moderate manner, that the Council establish a commission to ascertain the facts. We therefore have voted in favour of the resolution which the Council has just adopted, and we believe that the commission, the composition of which is to be decided by the President after consultation should get to work quickly and should report back to the Council carrying out the mandate accorded to it in paragraph 3 of the resolution. (…)“, Rn. 100; des Repräsentanten von Tunesien: „(…) The Council has decided to establish a commission of inquiry in order to establish the facts and to find out who was behind them. […] It will of course be up to the commission of inquiry officially to establish the facts and to inform the international community of those responsible for this breach of peace and security in that particularly sensitive region of the world. After the Council has studied the report of the commission, it will have to take the measures required by the gravity of such acts, as provided for in the Charter. (…)“, Rn. 114, 116. 1067 UN Doc. S/14816 vom 24. Dezember 1981, Rn. 3; UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 6. 1068 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 7. 1069 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 8.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
d’Affaires der Ständigen Mission der Seychellen bei den Vereinten Nationen sowie die Ständigen Vertreter von Südafrika und Swasiland bei den Vereinten Nationen über die Absicht der Kommission, die jeweiligen Länder zu besuchen; daher wurde um Hilfe der jeweiligen Regierung gebeten.1070 In einem Antwortschreiben vom 14. Januar 1982 erklärte die Regierung der Seychellen ihre Bereitschaft, die Untersuchungskommission zu empfangen sowie mit der Kommission vollständig zu kooperieren. Am 15. Januar erhielt die Kommission auch eine positive Antwort auf ihr Ersuchen von der Regierung von Swasiland. Zum Zeitpunkt des Aufbruchs der Mitglieder der Untersuchungskommission ins südliche Afrika hatte die südafrikanische Regierung allerdings noch nicht geantwortet.1071 Daher plante die Kommission zunächst vom 23. bis zum 30. Januar 1982 einen Besuch auf den Seychellen, sowie anschließend einen Besuch in Swasiland vom 31. Januar bis zum 2. Februar 1982.1072 Allerdings erreichte die Untersuchungskommission am 22. Januar 1982 ein Brief des Ständigen Vertreters Südafrikas bei den Vereinten Nationen.1073 In diesem erklärte sich Südafrika grundsätzlich bereit, die Kommission in das Land einreisen zu lassen. Nach einem längeren Briefwechsel, in dem von südafrikanischer Seite mehrere Bedingungen und Begrenzungen hinsichtlich des Besuchs der Kommission formuliert wurden, konnte diese dann letztendlich doch nach Südafrika reisen, wobei als Besuchszeitraum die Zeit vom 3. bis zum 6. Februar 1982 vereinbart wurde.1074 Bevor die Untersuchungskommission von New York aus aufbrach, wurden noch einige Fragen diskutiert, welche sich aus dem der Kommission durch den Sicherheitsrat erteilten Mandat ergaben.1075 Auf der zweiten Kommissionssitzung am 12. Januar 1982 stellte die Kommission fest, dass, obwohl ihr Mandat aus Abs. 3 des operativen Teils von Resolution 496 (1981) keine Befassung mit der Entführung der Air-India-Maschine am 25. November 1981 durch die Söldner verlangte, es sich gleichwohl bei diesem Zwischenfall, nach Auffassung der Untersuchungskommission, um einen Teil der Aggression gegen die Republik der Seychellen handele. Daher befand die Kommission, dass sie mit den Personen, die in die Flugzeugentführung in irgendeiner Form direkt verwickelt waren, sprechen müsse. Hieraus könnten sich Schlussfolgerungen ergeben, welche helfen könnten, das erteilte Mandat zu erfüllen. Daher ersuchte der Kommissionsvorsitzende den Ständigen Vertreter Indiens bei den Vereinten Nationen darum, Gesprächstermine für die Kommission mit der Crew der entführten Air-India-Maschine zu arrangieren. Die Regierung Indiens versicherte auf das Ersuchen hin ihre volle Kooperationsbereitschaft.1076 1070 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 9; der entsprechende Schriftverkehr ist wiedergegeben in: UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Annex I, S. 1 ff. 1071 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 10. 1072 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 11. 1073 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 12; Annex I, S. 2. 1074 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 12. 1075 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 13. 1076 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 14.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Ebenfalls noch vor dem Abflug der Untersuchungskommission nach Afrika wurde deren Mitgliedern bewusst, dass sie nicht in der Lage seien würden, den Untersuchungsauftrag, wie er eigentlich in Abs. 3 des operativen Teils der Sicherheitsratsresolution 496 (1981) vorgesehen war, rechtzeitig zu erfüllen. Daher wandte sich der Kommissionsvorsitzende an den Präsidenten des Sicherheitsrates und ersuchte diesen, die Kommission ihren Abschlussbericht anfertigen zu lassen und drückte seine Hoffnung aus, dass die Kommission bis zum frühen März 1982 in der Lage sei, den Report einzureichen.1077 Der Präsident des Sicherheitsrates führte daraufhin mit den Mitgliedern des Rates informelle Konsultationen durch. Im Anschluss hieran informierte er den Kommissionsvorsitzenden darüber, dass keines der Ratsmitglieder Einwendungen gegen die Verlängerung der Berichtsabgabefrist erhoben habe.1078 Die Untersuchungskommission verließ New York am 21. Januar 1982 und erreichte am 24. Januar Mahé. An diesem Tag kam die Kommission bereits zu einer einführenden Sitzung mit einem Koordinationsausschuss der Regierung der Seychellen zusammen, in der das Arbeitsprogramm und der Zeitplan für die Kommissionstätigkeit auf dem Territorium der Inselrepublik im Indischen Ozean abgestimmt wurden.1079 Am 25. Januar 1982 traf die Kommission zunächst mit dem Präsidenten der Seychellen zusammen.1080 Im weiteren Verlauf dieses Tages traf sie auch den Polizeichef, welcher der Kommission detailliert über die Ereignisse am 25. November 1981 berichtete. Zudem wurde der Flughafen von Mahé aufgesucht. Auf dem Gelände des Flughafens wurden die Anlagen besichtigt, welche während der militärischen Aktionen der Söldner beschädigt worden waren. Hierzu wurde auch der zuständige Direktor für Zivilluftfahrt befragt.1081 Am 26. Januar 1982 trafen sich die Mitglieder der Untersuchungskommission mit dem Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Planung und mit dem Minister für Jugend und Verteidigung. Danach hatte die Kommission, unterstützt von einem militärischen Experten, die Möglichkeit, verschiedene Waffen zu inspizieren, die von den Söldnern zurückgelassen oder sonst von der Polizei der Seychellen aufgespürt worden waren.1082 Den 27. Januar verbrachte die Kommission in Gänze damit, die Aussagen von sieben gefangenen Söldnern zu hören.1083 Am 28. Januar hörten die Kommissionsmitglieder die Zeugenaussagen des Kapitäns und der Crew der entführten Air-India-Maschine.1084 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084
UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 15. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 16. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 17. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 18. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 19. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 20. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 21. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 22.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Am letzten Tag ihres Aufenthaltes auf den Seychellen traf die Kommission noch mit dem Außenminister der Republik sowie mit anderen Amtsträgern zusammen. Zudem hörte die Kommission noch die Aussage von einigen Personen, die auf dem Flughafen von Mahé während der Nacht vom 25. auf den 26. November 1981 als Geiseln festgehalten worden waren. Abschließend konnten die Mitglieder der Kommission im Informationsministerium der Seychellen noch einige Gegenstände in Ausgenschein nehmen, welche man Söldnern abgenommen hatte.1085 Als die Kommission am 30. Januar 1982 Swasiland erreichte, hielt sie umgehend nach ihrer Ankunft eine erste Sitzung mit einer swasiländischen Delegation ab. Die Delegation wurde vom Ständigen Sekretär des Außenministeriums geleitet; ihr gehörten noch weitere Beamte aus diesem Ministerium, ein Staatssekretär aus dem Ministerium für Arbeit, Energie und Kommunikation, der Generalstaatsanwalt, der stellvertretende Polizeichef, der Direktor für Zivilluftfahrt sowie Vertreter der staatlichen Königlich-Swasiländischen Luftfahrtgesellschaft an.1086 Am 31. Januar 1982 führte die Untersuchungskommission eine Befragung des stellvertretenden Polizeichefs durch. Im Anschluss hieran wurden noch mehrere Zeugen befragt. Hierunter waren Zoll- und Einreisebeamte sowie Crewmitglieder und Bodenpersonal der Königlich-Swasiländischen Luftfahrtgesellschaft.1087 Am 1. Februar 1982 kam die Kommission zu Treffen mit dem Premierminister von Swasiland, mit dem Justizminister, mit dem Minister für Arbeit, Energie und Kommunikation sowie nochmals mit dem Direktor für Zivilluftfahrt zusammen.1088 Zudem fand an diesem Tag ein Treffen mit dem Vorsitzenden der staatlichen Königlich-Swasiländischen Luftfahrtgesellschaft statt.1089 Am 2. Februar 1982 befragte die Kommission den für Südafrika zuständigen Verkaufsrepräsentanten der Königlich-Swasiländischen Luftfahrtgesellschaft.1090 Kurz bevor die Untersuchungskommission Swasiland am 3. Februar verließ, nahmen deren Mitglieder, begleitet vom stellvertretenden Polizeichef, die Sicherheitskontrollen am Flughafen von Matspaha, des einzigen internationalen Flughafens des südafrikanischen Staates, in Augenschein.1091 Am 3. Februar 1982 reiste die Untersuchungskommission nach Südafrika weiter und flog zunächst nach Kapstadt.1092 In Kapstadt trafen die Kommissionsmitglieder am 4. Februar mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten Südafrikas zu-
1085 1086 1087 1088 1089 1090 1091 1092
UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 23. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 24. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 25. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 26. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 27. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 28. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 29. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 30.
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sammen.1093 Später an diesem Tag kam es noch zu Treffen mit dem Justizminister, dem Polizeiminister sowie mit dem Chef des Geheimdienstes.1094 Danach reiste die Kommission nach Johannesburg. Dort kam die Kommission zu Besprechungen mit dem Generalstaatsanwalt der Provinz Natal sowie mit dem Chef der militärischen Aufklärung zusammen.1095 Zum Abschluss des Besuchs in Südafrika befragte die Untersuchungskommission noch den Direktor der Reiseagentur „Budget Tours“. Bei dieser hatten die Söldner ihre Pläne für den Flug auf die Seychellen gemacht.1096 Nachdem die Kommission ihre Vor-Ort-Ermittlungen in den drei Staaten des südlichen Afrikas abgeschlossen hatte, kehrte sie zum Hauptquartier der Vereinten Nationen nach New York zurück.1097 Nach der Reise herrschte in der Kommission die Meinung vor, dass noch weitere Informationen zu den Vorkommnissen vom November 1981 beschafft werden müssten.1098 Daher wurden der ehemalige Präsident der Seychellen, Mancham, sowie eine weitere Person nach New York eingeladen, um dort Aussagen zu tätigen.1099 Die entsprechenden Befragungen fanden am 4. und 5. März 1982 statt.1100 Eine weitere Informationsquelle für die Kommission waren schließlich noch Kontakte mit den Regierungen von Kenia1101 und der Vereinigten Staaten von Amerika.1102 In New York hielt die Untersuchungskommission zwei weitere Sitzungen sowie eine Reihe informeller Treffen ab. Hierbei wurde der Abschlussbericht angefertigt.1103 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht1104 der Untersuchungskommission wurde dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 15. März 1982 vorgelegt.1105 Dabei legte die Kommission großen Wert darauf, zu erwähnen, dass sich die Informationen in dem Bericht insbesondere aus ihren Besuchen auf den Seychellen, in Swasiland sowie in
1093
UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 31. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 32. 1095 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 33. 1096 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 34. 1097 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 35. 1098 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 239. 1099 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 240. 1100 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 241, 242 ff. 1101 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 230 ff. 1102 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 237 f. 1103 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 36. 1104 Report of the Security Council Commission of Inquiry established under Resolution 496 (1981), UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982. 1105 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 36. 1094
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Südafrika speisten.1106 Der Bericht setzte sich aus insgesamt sieben Teilen zusammen. Nach der Einführung1107, welche Informationen über die Errichtung und die Tätigkeit der Kommission enthielt, wurden im zweiten Teil1108 des Berichts die Besuche der Kommission in den drei Staaten dargestellt, insbesondere der Inhalt der diversen, dort geführten Gespräche. Im dritten Teil1109 wurden die Kontakte beschrieben, welche die Kommission mit weiteren Regierungen in der zu untersuchenden Angelegenheit hatte. Der vierte Teil1110 des Abschlussberichts war sonstigen Fragen der Untersuchung gewidmet, hierbei insbesondere der Darstellung des Inhalts von Gesprächen, die mit verschiedenen Personen im Hauptquartier der Vereinten Nationen geführt wurden. Der fünfte Berichtsteil1111 war einer Zusammenfassung der Söldneraggression gegen die Seychellen am 25. November 1981 gewidmet. Im sechsten Teil1112 des Abschlussberichts fanden sich die Schlussfolgerungen der Kommission und im abschließenden siebten Berichtsteil1113 deren Empfehlungen. bb) Die Untersuchungskommission kam zu der Schlussfolgerung, dass, obwohl man die Operation der Söldner für eher klein halten könne, wegen der geringen Größe der Seychellen und deren begrenzte Ressourcen, die Operation eine gravierende Bedrohung der Souveränität und der Unabhängigkeit der Inselrepublik bedeutet habe.1114 Der Zweck der Söldneroperation sei es gewesen, die Regierung der Seychellen abzusetzen und James Mancham als neuen Regierungschef des Inselstaates zu installieren.1115 Dabei hätten einige der Angreifer zuvor bereits Erfahrungen als Söldner gehabt; die meisten hätten jedoch militärische Erfahrungen bei den Streitkräften von Südafrika und den ehemaligen rhodesischen Streitkräften gesammelt. Hinsichtlich der Verwicklung von Südafrika in die Affäre konnte die Kommission nur ihrem Unglauben darüber Ausdruck verleihen, dass trotz der engmaschigen und effektiven Kontrolle, welche durch die dortigen Sicherheitskräfte ausgeübt werde und auch der Art der Vorbereitungen der Söldneroperation, die südafrikanischen Behörden nicht wenigstens über die Vorbereitungen informiert gewesen seien. Eine definitive Schlussfolgerung in dieser Frage war der Kommission indes nicht möglich.1116 Swasiland sei hingegen von den Söldnern nur als Transferpunkt auf dem Weg zu den Seychellen benutzt worden; die Regierung dieses Landes hätte von den 1106 1107 1108 1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116
UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 37. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 1 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 45 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 230 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 239 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 255 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 271 ff. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 293. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 271. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 276. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 282.
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Aktivitäten nichts gewusst.1117 Ebenso glaubte die Kommission, dass die Besatzung der gehijackten Air-India-Maschine nur Opfer der Söldneroperation gewesen sei.1118 Zudem bemerkte die Untersuchungskommission, dass sie zum Zeitpunkt der Erstattung des Abschlussberichts noch keine abschließende Bewertung darüber abgeben könne, welchen Einfluss die Aktion der Söldner auf die Wirtschaft der Seychellen gehabt habe. Allerdings sei klar, dass die Auswirkungen negativ seien.1119 Besondere Problemlagen sah die Kommission dabei im Bereich des Tourismus1120 sowie bei den Wiederaufbaukosten, die den Seychellen in Folge der Kampfhandlungen entstanden seien.1121 cc) Die Untersuchungskommission konnte sich auf sechs abschließende Empfehlungen einigen:1122 Die erste Empfehlung bezog sich auf den Wiederaufbau des Flughafens von Mahé. Dessen Wiederherstellung sei eine schwere Belastung für die Wirtschaft der Seychellen. Daher wurden die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie Internationale Organisationen aufgerufen, die Seychellen in dieser Hinsicht finanziell, materiell sowie technisch zu unterstützen. Als zweite Empfehlung gab die Kommission den Ratschlag aus, dass die sich zu dieser Zeit noch in den Verhandlungen befindliche Konvention gegen die Rekrutierung, die Nutzung, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern schnell fertiggestellt werden solle, damit sie zur Unterzeichnung ausgelegt werden könne.1123 Die Kommission sah insbesondere die Möglichkeit einer Aggression durch Söldner als eine Bedrohung für die Souveränität und Unabhängigkeit von Staaten an. Diese Bedrohungslage bestehe insbesondere für kleine Entwicklungsländer. Drittens wurde den Staaten und der internationalen Gemeinschaft als Ganzes empfohlen, Anstrengungen gegen Söldneroperationen zu unternehmen. Viertens sollten Staaten, welche Informationen bezüglich Söldneraktivitäten hätten, diese Informationen unverzüglich direkt oder durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen an die betroffenen Regierungen weiterleiten. Die fünfte Empfehlung richtete sich an die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation. Da die Operation der Söldner gezeigt habe, mit welcher Leichtigkeit Waffen in gechecktem Gepäck auf einem kommerziellen Flug mitgeführt werden könnten, sollten von der Organisation weitere Überlegungen im Hinblick auf vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung der Waffenmitnahme getroffen werden. Als sechste Empfehlung bot die Kommission an, sollte der Sicherheitsrat weitere Untersuchungen wünschen, einen ergänzenden Bericht vorzulegen.
1117
UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 284. UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 285. 1119 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 291. 1120 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 289 ff. 1121 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 287 f. 1122 UN Doc. S/14905 vom 15. März 1982, Rn. 293. 1123 Diese Konvention wurde schließlich 1989 verabschiedet, UN Doc. A/RES/44/34 vom 4. Dezember 1989. 1118
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
13. Südafrikanische Gewaltakte gegen Angola a) Historischer Hintergrund In Angola begann im Jahr 1975, kurz vor der Unabhängigkeit des Gebiets von der Kolonialmacht Portugal, ein Bürgerkrieg zwischen dem Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA), der União Nacional para a Independência Total de Angola (UNITA) und der Frente Nacional de Libertação de Angola (FNLA).1124 Der Konflikt wurde teilweise als Stellvertreterkrieg zwischen dem Ostblock und den westlichen Staaten geführt. Hierbei unterstützte vor allem Kuba die linksgerichtete MLPA mit Truppen. Der MLPA gelang es dabei, die Macht zu übernehmen und die angolanische Regierung zu bilden. Schon ab 1975 griff auch die Südafrikanische Union in die Kämpfe von dem Territorium ihres ehemaligen Mandatsgebiets Südwestafrika/Namibia aus ein, welches gleichwohl nicht in die Unabhängigkeit entlassen worden war, sondern weiterhin unter Besatzung gehalten wurde. Dabei wurde vor allem die UNITA unterstützt, damit diese sowohl gegen die MPLA-Regierung als auch gegen die namibische Unabhängigkeitsbewegung SWAPO (South-West Africa People’s Organisation) vorgehen konnte. Mitte der 1980er Jahre führten südafrikanische Militäreinheiten in den angolanischen Provinzen Moxico, Cunene, Huila, Cuando Cubango und Benguela Angriffe durch. Dabei kam es zu vielen Opfern unter der Bevölkerung als auch zu schweren Schäden an der lokalen Infrastruktur. b) Einsetzung der Kommission Gegen das zuvor beschriebene Vorgehen Südafrikas in Angola versuchte der südwestafrikanische Staat vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorzugehen. Zu diesem Zwecke sandte der Ständige Vertreter Angolas bei den Vereinten Nationen am 13. Juni 1985 einen Brief an den Präsidenten des Sicherheitsrates. In dem Brief wurde um eine dringende Sitzung des Rates in der Angelegenheit nachgesucht.1125 Der Sicherheitsrat befasste sich danach seit seiner 2596. Sitzung am 20. Juni 1985 mit dem Anliegen Angolas. In der Resolution 567 (1985) verurteilte das Organ das Verhalten Südafrikas scharf als Akt der Aggression und forderte den Rückzug der südafrikanischen Truppen vom Territorium Angolas.1126 In einem Brief vom 18. September 1985 teilte der Ständige Vertreter Angolas dem Präsidenten des Sicherheitsrates mit, dass Truppen Südafrikas am 16. September in Angola eingefallen seien und dort Zerstörungen anrichten und Brutalität walten lassen würden.1127 Am folgenden Tag ersuchte der Ständige Vertreter den Sicher1124
Hierzu und zum Folgenden eingehend W. Martin James III., A Political History of the Civil War in Angola 1974 – 1990, S. 1 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Angola“; UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985. 1125 UN Doc. S/17267 vom 13. Juni 1985. 1126 UN Doc. S/RES/567 vom 20. Juni 1985, Rn. 1, 3. 1127 UN Doc. S/17472 vom 18. September 1985.
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heitsrat um eine Sitzung, um Maßnahmen hinsichtlich der entstandenen Situation zu ergreifen.1128 Der Rat befasste sich mit dem angolanischen Ersuchen auf seiner 2606. und seiner 2607. Sitzung; beide Treffen fanden am 20. September 1985 statt. Auf der zweiten der beiden Sitzungen brachten Ägypten, Burkina Faso, Indien, Madagaskar, Peru sowie Trinidad und Tobago einen Entwurf zu dem südafrikanischen Übergriff auf Angola ein.1129 In diesem wurde unter anderem die Invasion der südafrikanischen Truppen scharf verurteilt und zur Hilfe für Angola aufgerufen. Der Entwurf wurde auf der gleichen Sitzung mit geringen Änderungen als Sicherheitsratsresolution 571 (1985) einstimmig angenommen.1130 Hinsichtlich der Entsendung einer Untersuchungskommission waren folgende Passagen der Resolution von Bedeutung: „6. Calls for payment of full and adequate compensation to the People’s Republic of Angola for the damage to life and property resulting from these acts of aggression; 7. Decides to appoint and send immediately to Angola a Commission of Investigation, comprising three members of the Security Council, in order to evaluate the damage resulting from the invasion by South African forces and to report to the Council not later than 15 November 1985; 8. Urges Member States, pending the report of the Commission of Investigation, to take prompt, appropriate and effective action to bring pressure to bear upon the Government of South Africa to comply with the provisions of present resolution and of the United Nations Charter, to respect the sovereignty and territorial integrity of Angola, and to desist from all forms of aggression against neighbouring States;“
In einer Note vom 30. September 1985 teilte der Präsident des Sicherheitsrates nach Konsultationen mit den Mitgliedern des Sicherheitsrates mit, dass die Kommission aus Ägypten, Australien sowie Peru bestehen sollte.1131 Zur Unterstützung wurden der Kommission Mitglieder des Sekretariats der Vereinten Nationen beigegeben.1132 Mit der Resolution 574 (1985) vom 7. Oktober 1985 ersuchte der Sicherheitsrat die Kommission, dringlich an ihn zu berichten und zusätzlich noch
1128
UN Doc. S/17474 vom 19. September 1985. UN Doc. S/17481 vom 20. September 1985; siehe auch UN Doc. S/PV.2607 vom 20. September 1985, Rn. 3. 1130 UN Doc. S/RES/571 (1985) vom 20. September 1985. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Australien, Burkina Faso, China, Dänemark, Frankreich, Indien, Madagaskar, Peru, Sowjetunion, Thailand, Trinidad und Tobago, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.2607 vom 20. September 1985, Rn. 158. 1131 UN Doc. S/17506 vom 30. September 1985; UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 14. 1132 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 24. 1129
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Bombardierungen, welche sich kurz zuvor ereignet hatten, mit in die Untersuchung einzubeziehen.1133 Hinsichtlich des Termins für die Abgabe des Kommissionsberichts aus Abs. 7 des operativen Teils der Resolution 571 (1985) erbat die Kommission nach ihrer Rückkehr aus Angola vom Sicherheitsrat eine Verlängerung bis zum 22. November 1985, damit die der Kommission gestellten Aufgaben beendet werden könnten.1134 Kein Sicherheitsratsmitglied erhob gegen diesen Wunsch Einwände, sodass die Frist verlängert wurde.1135 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission traf sich Anfang Oktober 1985 dreimal in New York.1136 Bei diesen Sitzungen wurde die Arbeitsanweisung an die Kommission, die durch den Sicherheitsrat erteilt worden war, in den Blick genommen. Außerdem wurde ein vorläufiger Arbeitsplan erstellt und das ägyptische Kommissionsmitglied zum Vorsitzenden gewählt.1137 Nach Konsultationen mit dem Ständigen Vertreter Angolas bei den Vereinten Nationen entschied die Kommission, ihren Besuch in dem südwestafrikanischen Staat am 13. Oktober 1985 zu beginnen und dort zwischen sieben und vierzehn Tagen für die Untersuchungen zu verweilen. Der genaue Zeitraum sollte nach den ersten Unterredungen mit der angolanischen Regierung festgelegt werden.1138 Der Besuch der Kommission in Angola begann denn tatsächlich am 13. Oktober 1985 und dauerte bis zum 23. Oktober desselben Jahres.1139 Während ihres Aufenthaltes in Angola traf die Kommission mit mehreren Regierungsmitgliedern und anderen hochrangigen Staatsbediensteten zusammen. Zu denjenigen Personen, mit denen Treffen abgehalten wurden, zählten der Außenminister,1140 der Verteidigungsminister, der stellvertretende Außenminister, der stellvertretende Verteidi1133
UN Doc. S/RES/574 (1985) vom 7. Oktober 1985. „(…) 7. Requests the Security Council Commission of Investigation established in pursuance of resolution 571 (1985), consisting of Australia, Egypt and Peru, to report urgently on its evaluation of the damage resulting from South African aggression, including the latest bombing. (…)“. Die Resolution wurde einstimmig verabschiedet; für sie stimmten mithin: Ägypten, Australien, Burkina Faso, China, Dänemark, Frankreich, Indien, Madagaskar, Peru, Sowjetunion, Thailand, Trinidad and Tobago, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.2617 vom 7. Oktober 1985, Rn. 118. 1134 UN Doc. S/17635 vom 15. November 1985. 1135 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 22. 1136 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 15. 1137 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 13. 1138 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 17. 1139 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 19. 1140 Die Inhalte des Treffens mit dem angolanischen Außenminister sind protokolliert in: UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 29 ff.
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gungsminister, welcher zugleich den Posten des Oberbefehlshabers der angolanischen Streitkräfte bekleidete,1141 sowie der Ölminister, der Kommandeur der Luftwaffe Angolas und ein Vertreter des Zentralkomitees der MPLA. Neben diesen hochrangigen Personen sprach die Kommission auch mit weiteren Angehörigen des Außenministeriums, des Verteidigungsministeriums, des Planungsministeriums, des Energieministeriums, des Bauministeriums und mit dem Staatssekretär für soziale Angelegenheiten sowie mit einer Reihe von Provinzvorstehern und Angehörigen ihrer Stäbe.1142 Nach vorangegangenen Konsultationen mit den angolanischen Behörden wurde ein Besuchsprogramm vereinbart.1143 Dieses führte die Kommission in die Provinzen Moxico, Cunene, Huila, Cuando Cubango, Benguela sowie nach Luanda. Die Besuche der einzelnen Provinzen fanden in der Zeit vom 15. bis zum 22. Oktober 1985 statt. Dabei wollte die Kommission unter anderem auch den Ort Mavinga in der Provinz Cuando Cubango besuchen, wurde hiervon allerdings durch die anhaltenden Kampfhandlungen abgehalten.1144 Am 15. Oktober 1985 flogen die Mitglieder der Untersuchungskommission zunächst nach Luena, der Hauptstadt der Provinz Moxico. Dort trafen sie mit dem dort zuständigen Provinzkommissar zusammen und folgen dann nach Cazombo weiter. Während des Aufenthalts in Moxico wurde die Kommission über die dortigen Gegebenheiten durch den Provinzkommissar und weitere Beamte unterrichtet.1145 In Cazombo hatte die Kommission zudem Gelegenheit, die Stadt zu untersuchen und Gespräche mit einer Reihe von Personen aus der lokalen Bevölkerung zu führen.1146 Viele dieser Personen waren vor den Kämpfen geflohen und dann zurückgekehrt.1147 Zudem konnten sich die Kommissionsmitglieder während eines Rundfluges einen Eindruck von einer zerstörten Brücke über den Fluss Sambesi am Stadtrand von Cazombo machen.1148 Während des dortigen Aufenthaltes nahm die Kommission massive Beschädigungen an Häusern, Fabriken und Gegenständen in Augenschein und erhielt Informationen über die Kooperation zwischen Südafrika und der UNITA.1149 Auch konnte die Kommission eine Kollektion von Waffen und Munition in Augenschein nehmen; diese waren von den angolanischen Kräften zuvor erbeutet
1141 Die Inhalte der Unterredung mit dem angolanischen Verteidigungsminister und mit dem Kommandeur der angolanischen Luftwaffe sind gemeinsam protokolliert in: UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 41 ff. 1142 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 25. 1143 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 26. 1144 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 27. 1145 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 44, 51. 1146 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 44. 1147 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 49. 1148 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 44. 1149 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 46.
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worden.1150 Auf dem Rückweg von Cazombo nach Luena besuchten die Kommissionsmitglieder noch ein Militärkrankenhaus, in dem sie mehrere Kriegsgefangene befragen konnten, die während der Offensive auf Cozambo gefangen genommen worden waren.1151 Am 16. Oktober 1985 besuchte die Kommission Menongue, die Hauptstadt der Provinz Cuando Cubango. Auch dort führte sie Gespräche mit dem zuständigen Provinzkommissar. Die Kommissionsmitglieder besuchten in Anschluss eine Siedlung für Vertriebene am Stadtrand von Menongue und sprachen mit der dortigen Bevölkerung.1152 Bei dem Besuch eines Militärkrankenhauses hatte die Kommission zudem Gelegenheit, mit einigen verwundeten Regierungssoldaten sowie mit drei gefangenen UNITA-Kämpfern zu sprechen.1153 Nächste Station der Vor-Ort-Besuche der Untersuchungskommission waren die Provinzen Hulia und Cunene. In Lubango, der Hauptstadt von Hulia, wurde die Kommission über die Situation in dieser Provinz sowie in Cunene unterrichtet.1154 Am 17. Oktober 1985 besuchte die Kommission dann Ondjiva, die Hauptstadt der Provinz Cunene. Die Stadt war von August 1981 bis April 1985 durch südafrikanische Streitkräfte besetzt gewesen. In Ondjiva konnte die Kommission schwere Schäden an Gebäuden feststellen, welche durch Kämpfe sowie durch systematische Zerstörungen hervorgerufen worden waren; dies traf insbesondere auf Regierungsgebäude und Gebäude der MPLA zu. Zusätzlich konnte die Kommission noch mit einigen Personen aus umliegenden Gegenden sprechen, die in Ondjiva Zuflucht gesucht hatten.1155 Ebenfalls am 17. Oktober 1985 stattete die Untersuchungskommission der Stadt Benguela, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, einen Besuch ab. Dort hielt sie Unterredungen mit Regierungsbeamten sowie mit Vertretern der durch die Kämpfe in Mitleidenschaft gezogenen Benguela-Eisenbahn ab. Daneben sprach die Kommission mit Repräsentanten der SONANGOL-Ölraffinerie, auf die es einen nächtlichen Angriff im Jahr 1980 gegeben hatte.1156 Der letzte Vor-Ort-Besuch führte die Untersuchungskommission in die PETRANGOL-Ölraffinerie am Stadtrand von Luanda. Diese war ebenfalls durch einen Angriff im Jahr 1981 beschädigt worden.1157 Die Kommission beendete ihren Besuch Angolas am 23. Oktober 1985. Vor der Abreise der Kommission wurden dieser noch von dem stellvertretenden Außenmi1150 1151 1152 1153 1154 1155 1156 1157
UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 47. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 50. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 52. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 53. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 54. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 55. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 56 f. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 58.
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nister drei, von der angolanischen Regierung vorbereitete, Fotoalben sowie eine Videokassette übergeben. Auf diesen Dokumentationsmaterialien waren verschiedene Zerstörungen zu sehen, welche von den südafrikanischen Truppen herbeigeführt worden waren.1158 Daneben wurde noch eine Anzahl von Fotografien durch die Kommission selbst aufgenommen.1159 Während ihrer Tätigkeit in Angola arbeitete die Untersuchungskommission mit verschiedenen Gremien und Personen aus dem System der Vereinten Nationen zusammen beziehungsweise erhielt von der Weltorganisation Unterstützung. Dies waren der Repräsentant des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und dessen Stab sowie Vertreter des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, des Kinderfonds der Vereinten Nationen, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, des Welternährungsprogramms sowie Vertreter aus dem Büro des Kommissars der Vereinten Nationen für Namibia.1160 Vor ihrer Abreise hielt die Kommission noch eine Pressekonferenz ab. Außerdem veröffentlichte sie eine Pressemeldung, welche über die Aktivitäten der Kommission in Angola informierte.1161 Nach ihrer Rückkehr nach New York hielt die Untersuchungskommission neun weitere Sitzungen ab, um den Abschlussbericht vorzubereiten.1162 Dieser wurde schließlich auf der 12. Kommissionssitzung am 22. November 1985 angenommen.1163 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission,1164 der dem Präsidenten des Sicherheitsrates mit Brief vom 22. November 1985 übermittelt wurde, enthielt 103 Randnummern und wurde von der Kommission in eine Einleitung und vier Abschnitte aufgeteilt. In der Einleitung1165 wurde die Einsetzung der Kommission durch den Sicherheitsrat beschrieben. Im ersten Abschnitt1166 dokumentierte die Kommission ihren Besuch in Angola. Der zweite Abschnitt1167 enthielt eine Schil1158
UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 59. Die Dokumentationsmaterialien sind nicht unmittelbarer Teil des Abschlussberichts, sondern wurden der Vorgangsakte des Sekretariats der Vereinten Nationen beigegeben. 1159 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Annex III. 1160 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 24. 1161 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 61. 1162 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 20. 1163 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 23. 1164 Report of the Security Council Commission of Investigation established under Resolution 571 (1985), UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985. 1165 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 1 ff. 1166 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 25 ff. 1167 UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 62 ff.
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derung über das militärische Vorgehen Südafrikas in Angola im September und Oktober 1985 und der dritte Abschnitt1168 eine Evaluation der angerichteten Schäden hierdurch. Der vierte Abschnitt1169 enthielt schließlich die Schlussfolgerungen der Untersuchungskommission. bb) In ihren Schlussfolgerungen kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass sich die Schäden an der Infrastruktur in Cazombo auf etwa 604.000 US-$ belaufen würden. Hierin schloss die Kommission die Kosten für die materiellen Schäden und Reparaturkosten ein.1170 Da die Kommission wegen der dort zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in Angola noch anhaltenden Kämpfe keinen Besuch durchführen konnte, nahm sie an, dass die von der angolanischen Regierung angegebene Schadenshöhe von 36.084.508 US-$ für Mavinga korrekt sei.1171 Allerdings wies die Untersuchungskommission auch darauf hin, dass die für Cazombo und Mavinga ermittelten Beträge nicht das volle Ausmaß der Schäden wiedergeben würden, die von Angola erlitten worden seien, da für die getöteten und verwundeten Zivilisten keine Daten vorgelegen hätten.1172 Auch sah sich die Kommission nicht in der Lage, die Auswirkungen der zum Untersuchungszeitpunkt allerjüngsten Kämpfe auf die Lebensumstände der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten und auf die wirtschaftliche Situation Angolas zu beziffern. Dies wurde mit den noch anhaltenden militärischen Operationen, sowie damit begründet, dass sich viele dieser Effekte erst im Laufe der Zeit zeigen würden. Ebenfalls wurden die Kosten für die Unterhaltung von Vertriebenen und die Nothilfe für Vertriebene nicht in die Berechnung eingestellt. Die Untersuchungskommission kam insgesamt auf einen Schaden für Angola in Höhe von 36.688.508 US-$.1173 cc) Obwohl die Kommission keine echten Empfehlungen aussprach, verlieh sie in dem Abschlussbericht doch ihrer Überzeugung Ausdruck, dass es internationaler Unterstützung bedürfe, um das Leiden der Vertriebenen und derjenigen Menschen zu mildern, die von den Handlungen Südafrikas betroffen seien.1174 14. Einsatz chemischer Waffen im Konflikt zwischen dem Iran und dem Irak a) Historischer Hintergrund Am frühen Nachmittag des 22. Septembers 1980 begann der sog. Erste Golfkrieg mit Luftangriffen der Streitkräfte des Irak gegen das Nachbarland Iran und dem 1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174
UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 79 ff. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 97 ff. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 97. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 98. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 99. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 100. UN Doc. S/17648 vom 22. November 1985, Rn. 102.
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Einmarsch von 100.000 irakischen Soldaten in die iranische Provinz Chuzestan.1175 Der folgende Krieg zwischen den beiden Staaten am Persischen Golf sollte fast acht Jahre, nämlich bis zum 20. August 1988, dauern. Eines der Kennzeichen des Konfliktes war der starke Einsatz chemischer Waffen von irakischer Seite sowohl gegen die iranischen Streitkräfte als auch gegen die iranische Zivilbevölkerung und gegen irakische Kurden.1176 Obwohl schon im Herbst 1980 ein erster Einsatz von Chemiewaffen von iranischen Stellen gemeldet wurde, setzte der Irak solche Kampfstoffe vor allem ab dem Jahr 1982 ein. In diesem Jahr hatte sich der Konflikt zu einem Abnutzungskrieg zwischen beiden Seiten entwickelt, in dem keine größeren Offensivoperationen mehr durchgeführt wurden. Vor dem Hintergrund dieser militärischen Lage nutzte der Irak seit dem Jahr 1983 in größerer Regelmäßigkeit chemische Waffen. Anfang des Jahres 1984 brachte der Irak dann erstmals Nervengas auf dem Schlachtfeld zur Anwendung. b) Einsetzung der Kommission Während der Kampfhandlungen zwischen dem Iran und dem Irak entsandte der Generalsekretär der Vereinten Nationen mehrfach Missionen aus einer Person oder mehreren Personen in das Krisengebiet, um dort den Berichten und Vorwürfen über den Einsatz von chemischen Waffen nachzugehen. Die erste der Missionen wurde im Frühjahr des Jahres 1984 durch den Generalsekretär eingesetzt, nachdem ihn der Iran hierum ersucht hatte.1177 Am 29. Juni diesen Jahres wandte sich der Generalsekretär an den Irak und an den Iran mit der Forderung, die Regelungen des Genfer Protokolls über das Verbot des Einsatzes von erstickenden, giftigen und anderen Gasen in Kriegen und über bakteriologische Methoden der Kriegsführung vom 17. Juni 1925 zu befolgen, und erhielt hierüber eine positive Antwort lediglich von iranischer Seite.1178 Im April 1985 ersuchte der Generalsekretär, auf eine Bitte des Iran hin, den medizinischen Spezialisten der im Jahr zuvor entsandten Mission darum, iranische Patienten zu untersuchen, welche in Europa behandelt wurden.1179 Der Spezialist kam dem Ersuchen nach und legte noch im April einen Bericht vor, der dem Sicherheitsrat zugeleitet wurde.1180 Im März 1985 präsentierte der Generalsekretär den Regierungen des Iran und des Irak einen Plan zur Erreichung einer umfassenden Beilegung des zwischen den 1175 Siehe zu diesem Konflikt näher Pierre Razoux, The Iran-Iraq War, S. 1 ff.; David Segal, Foreign Affairs 66 (1988), S. 946 ff.; Gary Sick, Middle East Journal 43 (1989), S. 230 ff. 1176 Hierzu und zum Folgenden Thomas L. McNaugher, International Security 15/2 (1990), S. 5 ff.; Javed Ali, The Nonproliferation Review 8/1 (2001), S. 43 ff. 1177 Der Abschlussbericht dieser Mission ist enthalten in: UN Doc. S/16433 vom 26. März 1984. 1178 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 1. 1179 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 1. 1180 UN Doc. S/17127 vom 24. April 1985 und UN Doc. S/17127/Add. 1 vom 30. April 1985.
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beiden Staaten bestehenden Konflikts.1181 Seine Vorschläge präsentierte er anlässlich von Reisen nach Teheran und nach Bagdad. Dabei wurde vom Generalsekretär unter anderem die Frage nach der Beendigung der Nutzung chemischer Kampfstoffe angesprochen,1182 wobei allerdings in der Folge, trotz verschiedentlicher Bemühungen, keine Fortschritte erzielt wurden.1183 Im Nachgang zu den geschilderten Ereignissen wurde der Generalsekretär durch den Präsidenten des Sicherheitsrates am 26. April 1985 ersucht, die Machbarkeit von Vorkehrungen zu ergründen, welche eine zügige Untersuchung von zukünftigen Behauptungen des Einsatzes von Chemiewaffen in dem Konflikt zwischen dem Irak und dem Iran zuließen. Der Generalsekretär teilte dem Sicherheitsratspräsidenten daraufhin mit, dass er beabsichtige, für entsprechende Einsätze in der Zukunft diejenigen Experten einzusetzen, welche bereits die erste Untersuchung im Jahr zuvor durchgeführt hatten.1184 Der Iran erhob in der folgenden Zeit zwar Vorwürfe gegenüber dem Irak, Chemiewaffen eingesetzt zu haben,1185 welche vom Irak zurückgewiesen wurden.1186 Allerdings kam es zu diesem Zeitpunkt noch zu keiner neuerlichen Untersuchung, da eine solche nicht als gerechtfertigt angesehen wurde.1187 Am 9. Februar 1986 begann der Iran mit einer militärischen Offensive auf irakischem Staatsgebiet. Im Verlauf der folgenden Kämpfe erhob der Iran erneut Vorwürfe gegen den Irak, Chemiewaffen einzusetzen.1188 Der Irak wies diese Vorwürfe erneut zurück1189 und warf dem Iran nun seinerseits den Einsatz solcher Waffen vor.1190 Der Iran wiederholte daraufhin seine Vorwürfe und verlangte in einem Ersuchen die Entsendung einer Untersuchungsmission in das Kampfgebiet.1191 Im weiteren Verlauf der Geschehnisse wurde die Lage im Kampfgebiet sehr ernst. Der Iran warnte davor, als Vergeltung gegen den Irak ebenfalls chemische Waffen ein-
1181
UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 1. UN Doc. S/17097 vom 12. April 1985. 1183 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 2. 1184 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 3. 1185 Siehe UN Doc. S/17127 vom 24. April 1985 und UN Doc. S/17127/Add. 1 vom 30. April 1985; UN Doc. S/17143 vom 2. Mai 1985; UN Doc. S/17181 vom 13. Mai 1985; UN Doc. A/40/487 – S/17342 vom 16. Juli 1985; UN Doc. A/40/849 – S/17606 vom 4. November 1985 und UN Doc. S/17782 vom 31. Januar 1986. 1186 UN Doc. S/17611 vom 6. November 1985. 1187 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 3. 1188 Siehe UN Doc. S/17790 vom 4. Februar 1986; UN Doc. S/17858 vom 21. Februar 1986. 1189 Siehe UN Doc. S/17783 vom 2. Februar 1986. 1190 Siehe UN Doc. S/17824 vom 13. Februar 1986; UN Doc. S/17826 vom 13. Februar 1986. 1191 Siehe UN Doc. S/17822 vom 12. Februar 1986; UN Doc. S/17829 vom 14. Februar 1986; UN Doc. S/17833 vom 14. Februar 1986; UN Doc. S/17835 vom 17. Februar 1986; UN Doc. S/17836 vom 17. Februar 1986 und UN Doc. S/17843 vom 18. Februar 1986. 1182
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zusetzen, soweit die Vereinten Nationen keine effektiven Maßnahmen zur Beendigung des Einsatzes solcher Waffen ergreifen könnten.1192 Am 14. Februar 1986 traf sich sodann der Sicherheitsrat auf eine Bitte des Generalsekretärs hin, der auf dieser Sitzung über die Entwicklungen im Konfliktgebiet berichtete und zu einer Beendigung der Feindseligkeit und zu einer friedlichen Lösung aufrief. In der Erklärung des Generalsekretärs wies dieser zudem darauf hin, dass es eine Einstellung der Feindseligkeiten ermöglichen würde, eine Untersuchung der Kampfzone auf den Einsatz chemischer Waffen hin durchzuführen. Die Mitglieder des Sicherheitsrates gaben bei der Sitzung ihrer Zustimmung für den Ansatz des Generalsekretärs Ausdruck und einige drängten auf die Entsendung einer Untersuchungsmission zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Da der Sicherheitsrat die Situation zwischen dem Iran und dem Irak auch formell aufnehmen wollte, hielt es der Generalsekretär für vorzugswürdig, die Mission erst nach Beendigung der Beratungen des Rates in das Kampfgebiet zu entsenden, und informierte die Regierungen der beiden Staaten entsprechend.1193 Am 24. Februar 1986 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 582 (1986).1194 In dieser wurde die Eskalation des irakisch-iranischen Konflikts und insbesondere, neben anderem, der entgegen den Verpflichtungen aus dem Genfer Protokoll von 1925 vorgenommene Einsatz von chemischen Waffen bedauert. Der Generalsekretär wurde in der Resolution zudem darum ersucht, seine Anstrengungen fortzusetzen, beide Parteien dabei zu unterstützen, die Resolution umzusetzen und den Sicherheitsrat informiert zu halten. Am folgenden Tag gab die iranische Regierung eine Erklärung zu der Resolution 582 (1986) ab, in welcher sie unter anderem äußerte, dass der Sicherheitsrat in der Pflicht gestanden hätte, den Irak wegen seiner wiederholten und großflächigen Nutzung von Chemiewaffen scharf zu verurteilen.1195 Nach der Verabschiedung der Resolution 582 (1986) durch den Sicherheitsrat rief der Generalsekretär am 24. Februar 1986 vier Experten zusammen, die sich in Wien versammeln und im Anschluss unverzüglich in den Iran weiterreisen sollten. Eine Initiative des Generalsekretärs, den Irak dazu zu bewegen, die Mission auch auf sein Gebiet reisen zu lassen, um dort Untersuchungen vorzunehmen, blieb erfolglos.1196 Der Generalsekretär griff, wie gegenüber dem Präsidenten des Sicherheitsrates angekündigt, für die Mission auf die vier Personen zurück, die bereits im Jahr 1984 für ihn in der Sache tätig gewesen waren. Dies waren Gustav Andersson, Leiter der Abteilung für analytische Chemie im Nationalen Verteidigungsforschungsinstitut von Schweden, Manuel Domínguez, Oberst im Medizinischen Korps der spanischen 1192 1193 1194 1195 1196
Siehe UN Doc. S/17829 vom 14. Februar 1986. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 5. UN Doc. S/RES/582 (1986) vom 24. Februar 1986. UN Doc. S/17864 vom 25. Februar 1986. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 9.
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Armee, Professor an der Universität Complutense in Madrid und Experte für atomare, biologische und chemische Waffen, Peter Dunn aus Australien, Experte für Materialforschung, sowie Ulrich Imobersteg, ehemaliger Leiter der Abteilung für Verteidigung gegen Nuklearwaffen sowie biologische und chemische Waffen im Verteidigungsministerium der Schweiz.1197 Der ihr erteilte Arbeitsauftrag wurde von der Mission wie folgt umschrieben:1198 „The Mission was requested by the Secretary-General to determine, to the extent possible, whether chemical weapons had been used in the conflict between Iran and Iraq and, if so, the type, extent and circumstances of their use. It was also indicated that the mission’s investigations were in continuation of those first conducted by it in March 1984.“
Die Arbeit der Mission wurde von einem Direktor aus dem Büro des Untergeneralsekretärs der Vereinten Nationen für besondere politische Angelegenheiten und einem weiteren Beamten aus diesem Büro unterstützt, die verschiedene Koordinationstätigkeiten für die Mission übernahmen.1199 c) Durchführung der Untersuchung Die Mission nahm ihre Tätigkeit am 25. Februar 1986 mit einer Zusammenkunft in Wien auf. Am folgenden Tag reiste die Mission in die iranische Hauptstadt Teheran.1200 Am 27. Februar kamen die Missionsmitglieder mit verschiedenen Staatsbediensteten zu einem Treffen im Außenministerium zusammen, um Informationen über die behauptete Nutzung von chemischen Waffen durch den Irak zu erhalten. Am gleichen Tag besuchten die Missionsmitglieder noch ein Krankenhaus in Teheran, in welchem Opfer der Angriffe behandelt wurden. Diese Patienten wurden von den Missionsmitgliedern medizinisch untersucht und befragt.1201 Am 28. Februar 1986 reiste die Mission in die Grenzstadt Ahvaz und damit in die Zone der Kampfhandlungen. Von dort aus begaben sich die Missionsmitglieder in das Gebiet von Abadan. Dort wurden drei Plätze besichtigt, an denen Überreste von Waffen und Explosionskrater betrachtet sowie eine Auswahl von Bodenproben genommen wurden. Weiterhin wurden im Kampfgebiet noch ein Feldhospital besucht und dortige Patienten befragt und untersucht. Dies taten die Missionsmitglieder nach ihrer Rückkehr auch in einem Krankenhaus in Ahvaz. Am nächsten Tag besuchten die Missionsmitglieder dort noch ein weiteres Krankenhaus.1202 Die gesammelten Proben wurden nach dem Besuch im Kampfgebiet an spezialisierte
1197 1198 1199 1200 1201 1202
UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 10. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 1. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Rn. 11. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Appendix I, S. 20. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 4; Appendix I, S. 20. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 5; Appendix I, S. 20.
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Laboratorien in Schweden und in der Schweiz zur weiteren Untersuchung gesandt.1203 Am 1. März 1986 kehrte die Mission nach Teheran zurück. Dort besuchten die Missionsmitglieder an diesem und am folgenden Tag Krankenhäuser und Krankenstationen und führten wiederum medizinische Untersuchungen und Patientengespräche durch. Ebenfalls weitere Untersuchungen betrafen Leichen und verschiedenen Materialien, welche der Mission von iranischer Seite zur Verfügung gestellt wurden.1204 Während des Aufenthaltes im Iran konnte die Mission zudem einen von den iranischen Sicherheitskräften gefangen genommenen Piloten der irakischen Luftwaffe über dessen Erfahrungen mit dem Einsatz chemischer Waffen befragen.1205 Am 3. März 1986 verließ die Mission Teheran und war an verschiedenen Orten in der Schweiz bis zum 7. März mit der Vorbereitung und Erstellung des Abschlussberichts befasst.1206 Weitere Beweismittel, welche die Mission ihrer Analyse zugrunde legte, waren verschiedene Berichte und Dokumente der Vereinten Nationen in Bezug auf den Chemiewaffeneinsatz in dem Konflikt zwischen dem Iran und dem Irak1207 sowie das Genfer Protokoll von 1925.1208 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Mission1209 war 58 Randnummern stark und in acht Abschnitte aufgeteilt. Im ersten Abschnitt1210 wurde von der Mission ihr Arbeitsauftrag beschrieben. Im zweiten Abschnitt1211 stellte die Mission die Dokumente vor, welcher sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgabe bedient hatte. Der dritte Abschnitt1212 war der Darlegung der durch die Mission angewandten Methoden gewidmet. Die Abschnitte vier bis sechs1213 waren jeweils den medizinischen, chemischen und munitionstechnischen Aspekten der Untersuchung vorbehalten. Im siebten Ab-
1203
UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 4. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Appendix I, S. 20 f. 1205 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 4. 1206 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Appendix I, S. 21. 1207 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 2. 1208 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 3. 1209 Report of the mission dispatched by the Secretary-General to investigate allegations of the use of chemical weapons in the conflict between the Islamic Republic of Iran and Iraq, UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex. 1210 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 1. 1211 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 2 f. 1212 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 4 ff. 1213 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Abschnitt IV, Rn. 8 ff.; Abschnitt V, Rn. 30 ff.; Abschnitt IV, Rn. 41 ff. 1204
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
schnitt1214 wurden Teile der Aussage des befragten irakischen Luftwaffenpiloten wiedergegeben und der achte Abschnitt1215 enthielt eine Zusammenfassung der Untersuchung sowie Schlussfolgerungen. bb) Die Mission kam zu dem Ergebnis, dass von irakischer Seite in der Gegend von Abadan und Al-Faw chemische Waffen, namentlich Senfgas, gegen iranische Positionen eingesetzt worden seien.1216 In einigen, länger zurückliegenden Fällen sei auch Nervengas eingesetzt worden.1217 Die chemischen Waffen seien zudem durch Bomben, die von Flugzeugen abgeworfen wurden, zu ihren Zielen gelangt.1218 Letztlich konnte die Mission noch, unter Rückgriff auf die Ergebnisse früherer Untersuchungen, schätzen, dass im Jahr 1986 von irakischer Seite mehr chemische Waffen eingesetzt wurden, als dies noch im Jahr 1984 der Fall war.1219,1220 15. Festlegung der Staatsgrenze zwischen dem Irak und Kuwait a) Historischer Hintergrund Die Frage der Grenze zwischen dem Irak und Kuwait war bis in die frühen 1990er Jahre hinein von Unsicherheiten und Spannungen geprägt.1221 Die unklare Demarkation der gegenseitigen Staatsgrenze wurde teilweise als einer der Gründe für die irakische Invasion des benachbarten Emirats am Persischen Golf im August 1990 identifiziert. Am 4. Oktober 1963 unterzeichneten Vertreter des Irak und Kuwaits in Bagdad eine Vereinbarung hinsichtlich der Wiederaufnahme freundschaftlicher Beziehungen, der gegenseitigen Anerkennung und verwandter Fragen.1222 Bezüglich der Grenzziehung zwischen den beiden Staaten heißt es in der Vereinbarung:
1214
UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 51 ff. UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 55 ff. 1216 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 57. 1217 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 58. 1218 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 57. 1219 UN Doc. S/17911 vom 12. März 1986, Annex, Rn. 57. 1220 Der eigentliche Abschlussbericht wurde noch durch ein kurzes Supplementum (UN Doc. S/17911/Add. 1 vom 16. April 1986) ergänzt, in welchem die Ergebnisse zusätzlicher Untersuchungen von Laboren in der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, in Belgien und Österreich dargelegt wurden. 1221 Hierzu und zum Folgenden Maha Kenaee, The Boundary Dispute between Iraq and Kuwait – Has it subsided?, S. 1 ff.; auch A. H. H. Abidi, International Studies 28 (1991), S. 129 ff.; Jim Horner, Journal of Borderlands Studies 7 (1992), S. 1 ff.; Richard Schofield, IBRU Boundary and Security Bulletin July 1993, S. 70 ff.; Jan Klabbers, International and Comparative Law Quarterly 43 (1994), S. 904 ff. 1222 Agreed minutes between the State of Kuwait und the Republic of Iraq regarding the restoration of friendly relations, recognition and related matters. Signed at Baghdad, on 4 October, 1963, wiedergegeben in: United Nations Treaty Series Vol. 1964, No. 7063. 1215
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„The two delegations have agreed to the following: 1. The Republic of Iraq recognized the independence and complete sovereignty of the State of Kuwait with its boundaries as specified in the letter of the Prime Minister of Iraq dated 21. 7. 1932 and which was accepted by the ruler of Kuwait in his letter dated 10. 8. 1932;“
Der Briefwechsel aus dem Jahr 1932, auf den in diesen „Agreed Minutes“ Bezug genommen wurde, fand aus Anlass der Aufnahme des Irak in den Völkerbund statt, und nahm seinerseits Bezug auf eine Grenzregelung aus dem Jahr 1923. In den Jahren nach 1923 wurden verschiedene Versuche zu einer präzisen Demarkation der kuwaitisch-irakischen Staatsgrenze unternommen. Hierbei machte es der Irak zur Bedingung für die Grenzziehung, dass Zugeständnisse hinsichtlich der beiden strategisch und wirtschaftlich wichtigen Inseln Warbah und Bubiyan gemacht würden. Demgegenüber brachte Kuwait vor, dass eine mögliche Verpachtung der beiden Inseln an den Nachbarstaat erst nach einer erfolgreichen Grenzziehung erfolgen könne. Dazu bestritt der Irak regelmäßig die Gültigkeit der früheren Grenzvereinbarungen. Hinsichtlich der „Agreed Minutes“ wurde auf die fehlende Ratifikation abgestellt. Die beiden Vereinbarungen aus den Jahren 1923 und 1932 wurde als völkerrechtswidrig bezeichnet, da sie noch von der britischen Mandatsmacht und/oder unter Zwang abgeschlossen worden seien. b) Einsetzung der Kommission Die Situation zwischen dem Irak und Kuwait beschäftigte den Sicherheitsrat bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Golfkrieges unter anderem in seiner 2981. Sitzung am 3. April 1991. Zu dieser Sitzung legten Frankreich, Rumänien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika gemeinsam den sehr umfangreichen Entwurf einer Resolution über die Wiederherstellung der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität Kuwaits sowie über die Rückkehr der legitimen Regierung des Emirats vor;1223 Belgien und Zaire schlossen sich an.1224 Gleich im ersten Abschnitt des operativen Teils des Entwurfs fanden sich verschiedene Punkte zur Regelung der kuwaitisch-irakischen Staatsgrenze im Sinne der Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten vom 4. Oktober 1963. Für die spätere Einsetzung einer Kommission sollte sich dabei Abs. 3 des operativen Teils als wichtig erweisen. Der Entwurf wurde mit zwölf Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen als Resolution 687 (1991) vom Sicherheitsrat auf der genannten Sitzung angenommen.1225 Für das weitere Verfahren hinsichtlich der Grenzfrage waren folgende Teile der Resolution bedeutend: 1223
UN Doc. S/22430 vom 2. April 1991. UN Doc. S/PV.2981 vom 3. April 1991, S. 3 bis 5, 7. 1225 UN Doc. S/RES/687 (1991) vom 3. April 1991. Für die Resolution stimmten: Belgien, China, Côte d’Ivoire, Frankreich, Indien, Österreich, Rumänien, Simbabwe, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Zaire, gegen die Resolution 1224
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„2. Demands that Iraq and Kuwait respect the inviolability of the international boundary and the allocation of islands set out in the ,Agreed Minutes Between the State of Kuwait and the Republic of Iraq Regarding the Restoration of Friendly Relations, Recognition and Related Matters‘, signed by them in the exercise of the sovereignty at Baghdad on 4 October 1963 and registered with the United Nations in document 7063, United Nations treaty series, 1964; 3. Calls upon the Secretary-General to lend his assistance to make arrangements with Iraq and Kuwait to demarcate the boundary between Iraq and Kuwait, drawing on appropriate material including the maps transmitted with the letter dated 28 March 1991 addressed to him by the Permanent Representative of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland to the United Nations1226, and to report back to the Council within one month; 4. Decides to guarantee the inviolability of the above-mentioned international boundary and to take as appropriate all necessary measures to that end in accordance with the Charter;“
Dieser Teil der Resolution wurde von den Staaten, die gegen die Resolution stimmten oder sich enthielten, äußert kritisch gesehen. Insbesondere brachte der Repräsentant des Jemen vor, dass das Aufzwingen einer Grenze zwischen den beiden Staaten die Sicherheitsratsresolution 660 (1990) konterkarieren würde, in welcher der Irak und Kuwait noch aufgefordert worden seien, umgehend mit intensiven Verhandlungen über die Lösung ihrer Probleme zu beginnen.1227 Der Repräsentant wies zudem darauf hin, dass der Sicherheitsrat noch nie zuvor eine Staatsgrenze festgelegt habe und dass eine solche Aufgabe zuvor stets Verhandlungen überlassen oder mit Zustimmung der betroffenen Staaten vor den Internationalen Gerichtshof gebracht worden sei. Auch habe es zuvor niemals einen Fall gegeben, in dem der Sicherheitsrat die Grenzen eines Staates garantiert habe.1228 stimmte: Kuba, Ecuador und Jemen enthielten sich ihrer Stimme; UN Doc. S/PV.2981 vom 3. April 1991, S. 82. 1226 Vgl. UN Doc. S/22412 vom 28. März 1991. 1227 UN Doc. S/RES/660 (1990) vom 2. August 1990: „(…) 3. Calls upon Iraq and Kuwait to begin immediately intensive negotiations for the resolution of their differences and supports all efforts in this regard, and especially those of the League of Arab States; (…).“ Es handelte sich bei dieser Resolution um die erste Reaktion des Sicherheitsrates bezüglich der Invasion Kuwaits durch den Irak. Interessanterweise hatte ausgerechnet der Jemen damals nicht an der Abstimmung im Sicherheitsrat teilgenommen, vgl. S/PV.2932 vom 2. August 1990, S. 26 f. 1228 UN Doc. S/PV.2981 vom 3. April 1991, S. 41. Ähnlich kritisch äußerte sich der Repräsentant Kubas im Sicherheitsrat: „(…) In the future it will no doubt be recalled that the Council is curiously selective. For more than one of us will remember that the conflict we have been discussing for so many months has taken place in a part of the world, where there has been and continues to be more than one conflict very closely related to the fact that for some the boundaries do not exist, or are moveable, or are adjustable. And old maps are not always recalled, maps that clearly showed the extant of this entity – which some do not wish to remember – called Palestine. We are not always willing to recall that the Security Council has also shouldered concrete responsibilities with respect to those internationals boundaries that delimit the area of the State of Israel and of the Republic of Lebanon. I have mentioned only two examples (as we all know, there are others) of situations in which the Security Council, for the sake of the decorum, if nothing else – while affirming, as it does in operative paragraph 4 of the draft resolution which the Council is surely going to adopt, its decision to ,guarantee the in-
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Die übrigen Sicherheitsratsmitglieder sahen den zitierten Teil der Resolution allerdings als konfliktbereinigende Maßnahme zwischen den beiden Staaten. Die Regelung der territorialen Fragen zwischen dem Irak und Kuwait durch den Sicherheitsrat wurde von diesen Staaten eher als Ausnahme verstanden und als logische Folge der Vereinbarung von 1963.1229 violability‘ of the boundary mentioned in the text (and this draft resolution, after all, was born on the 1st of April) – at least showed the willingness or a determination to ensure respect for the other international boundaries that also appear in the maps of the region. (…)“, S. 61 f. Auch der Repräsentant von Ecuador zeigte sich gegenüber dem die Grenzregelungen betreffenden Teil distanziert; dies vor allem aus völkerrechtlichen Gründen: „(…) It is obvious that Kuwait has the right to live peacefully within its legitimately established borders, in accordance with law. In taking a position on the territorial boundary between Iraq and Kuwait and in requesting the Secretary-General to make arrangements with both countries to demarcate the boundary, acting within the scope of Chapter VII of the Charter, the Council has made the interpretation that this case is one of the exceptions envisaged in Article 36, which says: ,… should also take into consideration that legal disputes should as a general rule be referred by the parties to the International Court of Justice in accordance with the provisions of the Statute of the Court‘. Ecuador does not share this interpretation of the Charter. While Chapter VII of the Charter authorizes the use of all necessary means to implement the resolutions of the Council, it cannot confer on the Council more powers than those set forth in the Charter itself. A position of the Council in this matter, which is an extremely sensitive one, must fall unequivocally within the bounds of international law and of the United Nations Charter if it is not to become a fresh source of conflict. For those reasons, if it had been possible to vote separately on the individual paragraphs of the draft resolution before us, Ecuador would have indicated its disagreement with those points which deal with the boundary between Iraq and Kuwait. (…)“, S. 107 f. 1229 Vgl. die Einlassungen des Repräsentanten von Zaire: „(…) With regard to boundaries, Zaire acknowledges that the crisis which broke out in the night of 2 August 1990 between Iraq and Kuwait was primarily caused by border disputes between the two fraternal countries. As a full-fledged member of the Organization of African Unity (OAU), which enshrined the principle of inviolability of borders in its Charter, Zaire believes that strict compliance with this principle would spare us potential conflicts and would ensure stability among neighbouring States. One can easily understand why we value this so highly. Zaire, which shares its borders with nine other countries, could not tolerate a situation whereby this taboo in Africa would be violated elsewhere. The draft resolution, which acknowledges the importance of negotiations to be undertaken between Iraq and Kuwait regarding the demarcation of the boundary, adds a key element designed to preserve the future: the Council is asked to safeguard the inviolability of that border. And we unreservedly support those provisions. (…)“, UN Doc. S/PV.2981 vom 3. April 1991, S. 52; des Repräsentanten von Indien: „(…) Regarding the provisions in the draft resolution relating to the international boundary, my delegation has studied them with the utmost care and scrutiny. It goes without saying that my delegation will never support any decision whereby the Council would impose arbitrarily a boundary line between two counties. Boundaries are an extremely sensitive issue and must be settled by the countries freely in the exercise of their sovereignty. Any other course would only lay the groundwork for potential trouble in future. In this particular case we find that the boundary between Iraq and Kuwait was agreed upon the highest authorities of the respective countries as two fully independent and sovereign States. Furthermore, they both took the precaution to register their agreement with the United Nations. Thus, the Council is not engaging itself in establishing any new boundary between Iraq and Kuwait. What it is doing is to recognize that such a boundary, agreed to by the two countries in the exercise of their full sovereignty, exists and to call upon them to respect its inviolability. As regards operative paragraph 4 of the draft resolution, it is India’s understanding that it does not confer authority on any country to take a unilateral action under any of the
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In Übereinstimmung mit Abs. 3 des operativen Teils der Resolution 687 (1991) ersuchte der Sicherheitsrat den Generalsekretär dann tatsächlich um seine Unterstützung bei der Herbeiführung eines Grenzarrangements zwischen dem Irak und
previous resolutions of the Security Council. Rather the sponsors have explained to us that in case of any threat or actual violation of the boundary in the future the Security Council will meet to take, as appropriate, all necessary measures in accordance with the Charter. (…)“, S. 78; des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) Foremost among these is respect for the border. The Council noted that Iraq and Kuwait signed Agreed Minutes in 1963 regarding their mutual border. Kuwait registered this agreement with the United Nations in accordance with Article 102 of the Charter and it was published in the United Nations Treaty Series. Iraq never protested the Agreement or its registration with the United Nations. But in August 1990 Iraq invaded, occupied and attempted to annex Kuwait. Through the Council, the international community has rejected Iraq’s actions. And through the Council, the international community has ejected Iraq from Kuwait. Our task now consistent with our responsibilities under Chapter VII, is to establish peace in such a way that Iraq never again threatens Kuwait’s sovereignty and integrity. For that reason, the resolution demands that Iraq and Kuwait respect their international boundary as it was agreed upon in 1963, asks the Secretary-General to lend his assistance to make arrangements with Kuwait and Iraq to demarcate the boundary and decides to guarantee the inviolability of the boundary. The circumstances that are before us are unique in the history of the United Nations, and this resolution is tailored exclusively to these circumstances. By this action, the Security Council has only acted to restore international peace in a case where one State violated anothers boundary and attempted to destroy that State’s very existence by force. Certainly, the United States does not seek, nor will it support, a new role for the Security Council as the body that determines international boundaries. Border disputes are issues to be negotiated directly between States or resolved through other pacific means of settlement available, as set out in Chapter VI of the Charter. (…)“, S. 84 bis 85, 86; des Repräsentanten von China: „(…) Second, on the boundary question, China has always held that the countries concerned should reach agreement and settle the question through negotiations and consultations in accordance with international law. Hence, we respect the agreement on the boundary question reached by Kuwait and Iraq in 1963 through negotiations. In our view, the Agreed Minutes, long ago registered with the United Nations, constitute an effective and legal document. (…)“, S. 96; des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) First, there is the question of the boundary between Iraq and Kuwait and of the future security of that small country, living always next door, as it is bound to do, to its larger and more powerful neighbour. The resolution is not attempting to settle the boundary between these two countries; that was done by the 1963 Agreement between them, which was registered with the United Nations. But the failure to demarcate that boundary and the determination of Iraq to raise territorial claims that are incompatible with the 1963 Agreement are at the roots of the dispute, and that must be addressed. Rapid demarcation of the boundary, […] and a guarantee by the Security Council to step in if ever it is violated again are a carefully integrated package designed to ensure that there is no repetition of the events of last August. My Government is well aware of the great sensitivity to many Members of the Organization of the question of defining boundaries. We have no desire and no intention of overturning the principle that it is the parties in question to negotiate and reach agreement, as was done in this case in 1932 and 1963. But, naturally, the Security Council has a duty to respond when disputes over boundaries arise and come to threaten international peace and security. (…)“, S. 112 f.; des Repräsentanten von Belgien: „(…) The Security Council’s guarantee of the inviolability of the international border already recognized by the two countries is an exceptional step. My delegation regards it as a reaffirmation, in a particular context, of a fundamental norm of international law whose flagrant violation obliged the international community to take unprecedented collective action. (…)“, S. 128, 129 bis 130.
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Kuwait.1230 Sowohl Kuwait als auch der Irak sagten in Briefen ihrer jeweiligen Außenminister an den Generalsekretär und im Falle des Irak zusätzlich auch an den Sicherheitsrat ihre Zustimmung zur Umsetzung der genannten Resolution zu.1231 Der Generalsekretär entschloss sich, die Unterstützung bei der Frage der Grenzziehung zwischen den beiden arabischen Staaten mit Hilfe einer Untersuchungskommission zu leisten. Über seine Bemühungen berichtete der Generalsekretär in Übereinstimmung mit der in Abs. 3 des operativen Teils der Resolution 687 (1991) gesetzten Frist dem Sicherheitsrat am 2. Mai 1991.1232 Nach Konsultationen mit den Regierungen der beiden Staaten rief der Generalsekretär die Iraq-Kuwait Boundary Demarcation Commission ins Leben. Der Generalsekretär kündigte zudem an, dass die Kommission aus je einem kuwaitischen und einem irakischen Repräsentanten bestehen würde, sowie aus drei unabhängigen Experten, welche von ihm benannt würden und von denen einer den Vorsitz ausüben würde. Als Arbeitsanweisung wurde der Kommission aufgetragen, die internationale Grenze zwischen dem Irak und Kuwait nach der Vereinbarung von Bagdad aus dem Jahr 1963 in geographischen Koordinaten nach Längen- und Breitengrad zu demarkieren. Um die Stabilität, den Frieden und die Sicherheit an der Grenze zwischen den beiden Staaten zu gewährleisten, sollte die Kommission eine physische Darstellung der Grenze leisten. Die von der Kommission festgelegten Koordinaten sollten die finale Demarkation der irakisch-kuwaitischen Grenze darstellen. Mit Briefen vom 19. beziehungsweise 23. April 1991 stimmten sowohl Kuwait als auch der Irak zu, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und entsprechende Repräsentanten zu bestellen.1233 Die Demarkationskommission setzte sich aus insgesamt fünf Personen zusammen. Der Generalsekretär benannte für die Kommission die drei unabhängigen Experten. Der Vorsitz wurde zunächst dem ehemaligen Minister für Auswärtige Angelegenheiten von Indonesien Mochtar Kusuma-Atmadja übertragen;1234 dieser zog sich allerdings aus persönlichen Gründen mit Wirkung vom 20. November 1992 aus der Kommissionsarbeit zurück.1235 Der Generalsekretär ernannte stattdessen den Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ehemaligen Assistenz-Generalsekretär des Ständigen Büros der Internationalen Arbeitsorganisation Nicolas Valticos aus Griechenland zum neuen Kommissionsvorsitzenden.1236 Die weiteren Kommissionsmitglieder waren Ian Brook, damals Technischer Direktor der staatlichen Katasterbehörde von Schweden, sowie William Robertson, Generaldi1230
UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 3. Für Kuwait UN Doc. S/22457 vom 8. April 1991; für den Irak UN Doc. S/22456 vom 6. April 1991, S. 7. 1232 UN Doc. S/22558 vom 2. Mai 1991. 1233 UN Doc. S/22558 vom 2. Mai 1991, Rn. 3; die zustimmenden Schreiben sind diesem Dokument für Kuwait als Annex I, S. 3 und für den Irak als Annex II, S. 4 ff. beigegeben. 1234 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 14. 1235 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 15. 1236 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 15. 1231
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rektor der neuseeländischen Behörde für Katasterwesen und Landinformation. Kuwait und der Irak wurden zudem von den beiden Diplomaten im Botschafterrang Tarek A. Razzouki und Riyadh Al-Qasi vertreten.1237 Der Kommission wurde zur Unterstützung ihrer Tätigkeit ein Sekretariat beigegeben.1238 Der Chefkartograph des Sekretariates der Vereinten Nationen wurde zum Sekretär der Kommission bestimmt.1239 Nachdem die Kommission ihre Tätigkeit bereits aufgenommen hatte und ihrer Arbeit eine Zeit lang nachgegangen war, verabschiedete der Sicherheitsrat auf seiner 3108. Sitzung am 26. August 1992 die Resolution 773 (1992),1240 in der der Rat die Tätigkeit der Kommission würdigte: „(…) 2. Expresses its appreciation to the Commission for its work on the demarcation of the land boundary, and welcomes its demarcation decision; (…)“. c) Durchführung der Untersuchung Die Demarkationskommission begann ihrer Tätigkeit mit einer ersten Sitzung in New York am 23. und 24. Mai 1991. Auf dieser Sitzung wurde die Arbeitsorganisation der Kommission von deren Mitgliedern diskutiert. Zudem wurde das Kommissionssekretariat ersucht, eine Verfahrensordnung zu entwerfen, welche von der Kommission dann auf ihrer zweiten Sitzung angenommen wurde.1241 Zudem tauschten die Kommissionsmitglieder Ansichten hinsichtlich des Zeitplans für die durchzuführende Untersuchung, der Natur der durch das Mandat übertragenen Aufgabe, der zu Rate zu ziehenden Materialien, der Vor-Ort-Besuche und der 1237 1238
Rn. 22. 1239
UN Doc. S/22620 vom 20. Mai 1991; UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 14. UN Doc. S/22558 vom 2. Mai 1991, Rn. 6; UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993,
UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 14. UN Doc. S/RES/773 (1992) vom 26. August 1992. Für die Resolution stimmten: Belgien, China, Frankreich, Kap Verde, Indien, Japan, Marokko, Österreich, Russische Föderation, Simbabwe, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Venezuela, Ecuador enthielt sich erneut seiner Stimme, UN Doc. S/PV.3108 vom 26. August 1992, S. 6 f. 1241 Die wichtigsten Regeln der Verfahrensordnung waren folgende: Regel 1 der Verfahrensordnung der Kommission war deren Zusammensetzung gewidmet. In Regel 2 wurde festgehalten, dass die relevanten Aussagen aus dem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 2. Mai 1991 die Arbeitsanweisung für die Kommission darstellen sollten. Es wurde betont, dass hiernach die Entscheidungen der Kommission hinsichtlich der Grenze abschließend seien sollten. In Regel 3 wurde festgelegt, dass ein Quorum dann gegeben sein sollte, wenn wenigstens drei Mitglieder der Kommission bei Entscheidungen anwesend seien; ein Mitglied musste hiervon zwingend der Kommissionsvorsitzende sein; außerdem bedurfte es zwingend der Anwesenheit von einem der beiden Repräsentanten des Irak beziehungsweise von Kuwait. Nach Regel 4 hielt die Kommission ihre Arbeitssitzungen in geschlossenen Sitzungen ab. Entscheidungen wurden nach Regel 5 mit Mehrheit getroffen. Gemäß der Regel 8 wurde das Sekretariat der Kommission damit betraut, alle für die Arbeit der Kommission notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Siehe UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 16. 1240
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Möglichkeit der Teilnahme von kuwaitischen und irakischen Experten bei der Kommissionsarbeit aus.1242 Bereits auf der ersten Kommissionssitzung kamen ihre Mitglieder zu dem Schluss, dass die Kommissionstätigkeit rein technischer und nicht politischer Natur sei. Ihre Aufgabe würde sich im Demarkationsprozess der irakischkuwaitischen Staatsgrenze erschöpfen.1243 Die unabhängigen Experten der Kommission wurden ersucht, einen Aktionsplan für die Demarkation zu erstellen. Das schwedische und das neuseeländische Kommissionsmitglied legten hierauf ein Diskussionspapier vor, welches zwei Teile enthielt. Im ersten Teil wurden Fragen der Grenzdefinition behandelt, im zweiten Teil technische Fragen der Vermessung, Kartographierung und der physischen Darstellung der Grenze.1244 Nach der Diskussion der Fragen beschloss die Kommission, die Grenze zwischen dem Irak und Kuwait in drei Teilen zu untersuchen: Zunächst sollte die westliche Grenze, dann die nördliche Grenze und schließlich die Grenze hinsichtlich mehrerer kleiner Inseln im Persischen Golf bearbeitet werden.1245 Die Kommission hielt insgesamt elf Sitzungen mit 82 Einzeltreffen ab. Diese Treffen fanden entweder im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York oder im Büro der Vereinten Nationen in Genf statt. Nach den einzelnen Sitzungen wurden jeweils Presseerklärungen herausgegeben, um über die Kommissionstätigkeit zu informieren.1246 Vom 15. bis zum 19. Juni 1991 unternahm die Kommission eine erste Inspektionstour in die Grenzregion zwischen dem Irak und Kuwait. Die beiden unabhängigen Experten und der Kommissionssekretär besuchten bei dieser Gelegenheit die nationalen Katasterbehörden der beiden arabischen Staaten. Diesem Besuch in der Region folgte eine Entscheidung der Kommission, eine neue Vermessung und Kartierung der Grenzregion vorzunehmen. Hierzu wurden Vermessungsteams aus Angehörigen der nationalen Katasterbehörden von Schweden und Neuseeland gebildet; die Teams unternahmen hierzu insgesamt vier Feldmissionen im Herbst 1991, im Frühjahr und im Herbst 1992 sowie im Frühjahr 1993. Diese Missionen beinhalteten auch die finale Setzung von Grenzmarkierungen. Am Ende jeder Feldmission wurde die Arbeit des Vermessungsteams von den beiden unabhängigen Experten und dem Sekretär verifiziert. Letzterer unternahm selbst acht Besuche der Grenzgegend, um an der Untersuchung teilzunehmen. Nach dem Ende jeder
1242
UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 22. UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 23. Der Sicherheitsrat bestätigte später in der Resolution 773 (1992) vom 26. August 1992 diese Auffassung von der Aufgabe der Demarkationskommission. Dort heißt es im Einführungsteil: „(…) through the demarcation process the Commission is not reallocating territory between Kuwait and Iraq, but it is simply carrying out the technical task necessary to demarcate for the first time the precise coordinates of the boundary set out in the [1963] Agreed Minutes (…)“. 1244 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 24. 1245 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 25. 1246 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 18. 1243
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Hauptphase ihrer Tätigkeit sandte die Kommission einen Bericht an den Generalsekretär der Vereinten Nationen.1247 Bereits seit dem Beginn ihrer Tätigkeit ersuchte die Kommission den Irak und Kuwait, ihr alle für die Untersuchung relevanten Dokumente und sonstigen Materialien zur Verfügung zu stellen. Beiden Staaten wurde dabei stets die Gelegenheit gegeben, der Kommission alle Materialien zu unterbreiten und ihre jeweiligen Positionen und Ansichten zur Kommissionstätigkeit kundzutun.1248 Auf den ersten fünf Sitzungen der Kommission, die zwischen dem 23. Mai 1991 und dem 16. April 1992 abgehalten wurden, waren sämtliche Kommissionsmitglieder anwesend. An den nachfolgenden Sitzungen der Kommission vom 15. Juli 1992 bis zum 20. Mai 1993 nahm das irakische Kommissionsmitglied allerdings nicht mehr teil und war damit nur aktiv an dem Abstimmungsprozess bezüglich der Verfahrensordnung der Kommission sowie an Entscheidungen hinsichtlich der Landgrenze zwischen dem Irak und Kuwait beteiligt. Allerdings wurden Al-Qasi stets in der Zeit seiner Abwesenheit Kopien aller von der Kommission benutzten Dokumente sowie die Protokolle der Kommissionssitzungen übersandt.1249 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Demarkationskommission wurde dem Präsidenten des Sicherheitsrates vom Generalsekretär mit Brief vom 21. Mai 1993 zugeleitet.1250 Der Bericht war 123 Randnummern stark. In ihm wurden detailliert die Bemühungen der Kommission um die Grenzziehung zwischen dem Irak und Kuwait beschrieben. Es fanden sich in dem Bericht Angaben über die genauen Kartierungspunkte und Positionen sowie eine angehängte Landkarte mit dem von der Kommission vermessenen Grenzverlauf.1251 Der Abschlussbericht war in 13 Teile aufgeteilt. Nach einer Einführung1252 wurden im zweiten Berichtsteil1253 das Mandat und die Arbeitsanweisung der Kommission dargestellt. Der dritte Teil1254 war der Zusammensetzung und der
1247
UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 19. UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 20. 1249 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 21. 1250 Final Report on the Demarcation of the international Boundary between the Republic of Iraq and the State of Kuwait by the United Nations Iraq-Kuwait Boundary Demarcation Commission, UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993. 1251 Siehe hierzu Jan Klabbers, International and Comparative Law Quarterly 43 (1994), S. 904 ff., der die Feststellungen der Kommission einer völkerrechtlichen Würdigung unterzieht. 1252 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 1 ff. 1253 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 8 ff. 1254 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 14 ff. 1248
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Verfahrensordnung der Kommission gewidmet. Im vierten Teil1255 wurde ein Überblick über die Sitzungen und die Feldmissionen gegeben. Der fünfte Berichtsteil1256 beinhaltete Angaben über die Beteiligung des Irak und Kuwaits an der Kommissionstätigkeit. Im sechsten Teil1257 wurde über die Organisation der Kommissionstätigkeit berichtet. Im siebten Teil des Abschlussberichts1258 wurden einige Präliminarien, insbesondere zum historischen Hintergrund der Untersuchung und zur Grenzdefinition, dargestellt. Im achten Teil1259 wurde der Vermessungsvorgang beschrieben, im neunten Teil1260 die Entscheidungen über die Demarkierung und im zehnten Teil1261 die physische Darstellung der Grenze, insbesondere durch Grenzpfähle. Im elften Teil des Abschlussberichts1262 beschrieb die Kommission die Dokumentation der Demarkierung; der zwölfte Teil1263 beinhaltete einige allgemeine Schlussfolgerungen aus der Kommissionstätigkeit. Der abschließende dreizehnte Teil des Abschlussberichts beinhaltete eine Liste der Koordinaten, welche nach Auffassung der Kommission die Grenze zwischen dem Irak und Kuwait darstellten. bb) Im Addendum zum Abschlussbericht fand sich schließlich eine Landkarte im Maßstab 1:250.000, die den von der Kommission gefundenen Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten wiedergab.1264
II. Untersuchungskommissionen für Dekolonialisierungsfragen Von den Organen der Vereinten Nationen wurden internationale Untersuchungskommissionen auch in Fragen der Dekolonialisierung eingesetzt.1265 Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die europäischen Kolonialmächte ihre überseeischen Besitzungen nach und nach in die Unabhängigkeit zu entlassen und so dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Vereinten Nationen spielten, gestützt auf das Kapitel XI der Charta der Weltorganisation, welches die Erklärung über Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung enthält, sowie gestützt auf das Kapitel X, welches Regelungen über internationale Treuhandgebiete beinhaltet, eine wichtige Rolle. Kerndokument der Dekolonialisierung wurde dabei 1255
UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 18 f. UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 20 f. 1257 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 22 ff. 1258 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 27 ff. 1259 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 44 ff. 1260 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 58 ff. 1261 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 98 ff. 1262 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 106 ff. 1263 UN Doc. S/25811 vom 21. Mai 1993, Rn. 111 ff. 1264 UN Doc. S/25811/Add. 1 vom 24. Mai 1993. 1265 Siehe zur Dekolonialisierung aus der reichhaltigen Literatur nur Rahmatullah Khan, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law – Online Edition, Rn. 1 ff. m. w. N. 1256
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die am 14. Dezember 1960 von der Generalversammlung verabschiedete Resolution 1514 (XV), welche die Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an kolonialisierte Länder und Völker beinhaltet.1266 1. Politisches Schicksal Eritreas a) Historischer Hintergrund Das Territorium des heutigen Staates Eritrea und die dortigen diversen Bevölkerungsgruppen gehörten seit etwa dem 10. Jahrhundert nach Christus zum Teil zum Kaiserreich Äthiopien, zum Teil zu Ägypten und zum Teil zu dem ostafrikanischen Sultanat Adal. Später konnten Osmanen und dann nochmals die Ägypter ihre Herrschaft auf die Küste Eritreas ausdehnen.1267 Das Gebiet Eritreas wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schrittweise von Italien erworben und bildete ab dem 1. Januar 1890 eine zusammenhängende italienische Kolonie. In den Jahren von 1936 bis 1941 war Eritrea mit Italienisch-Somaliland und dem zuvor besetzten Äthiopien in dem Kolonialgebiet Africa Orientale Italiana1268 zusammengeschlossen. Im Zuge des Ostafrika-Feldzuges eroberten britische Streitkräfte zu Beginn des Monats April 1941 Eritrea und übten dort bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Besatzungsgewalt aus. Am 3. September 1943 schloss das Königreich Italien mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich den Waffenstillstand von Cassibile.1269 Artikel 10 des Waffenstillstandsabkommens lautete: „The Commander in Chief of the Allied Forces reserves to himself the right to take any measure which in his opinion may be necessary for the protection of the interests of the Allied Forces for the prosecution of the war, and the Italian Government binds itself to take such administrative or other action as the Commander in Chief may require, and in particular the Commander in Chief will establish Allied Military Government over such parts of Italian territory as he may deem necessary in the military interests of the Allied Nations.“1270
Nach den Statuten des Rates der Außenminister, der bei der Potsdamer Konferenz zwischen der Sowjetunion, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Sommer 1945 errichtet wurde, wurde auf der Außenministerkonferenz in Moskau im Dezember 1945 vereinbart, dass die Bedingungen eines Friedensvertrages mit Italien von den Außenministern der drei erwähnten Mächte 1266
UN Doc. A/RES/1514 (XV) vom 14. Dezember 1960. Hierzu und zum Folgenden Stephen H. Longrigg, A Short History of Eritrea, S. 1 ff.; G. K. N. Trevaskis, Eritrea: A Colony in Transition 1941 – 52, S. 1 ff.; Stephen H. Longrigg, African Affairs 45 (1946), S. 120 ff.; F. E. Stafford, International Affairs 25 (1949), S. 47 ff.; Semere Haile, Journal of Opinion 15 (1987), S. 9 ff. 1268 In der deutschen Sprache wird das Gebiet als „Italienisch-Ostafrika“ bezeichnet. 1269 Der Text des Waffenstillstandsabkommens ist abrufbar unter: http://avalon.law.yale. edu/wwii/italy01.asp (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 1270 Hervorhebung durch den Verfasser. 1267
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und von Frankreich entworfen werden sollten.1271 Am 3. Juli 1946 verabschiedete der Rat der Außenminister der Alliierten dann bei einem Treffen in Paris den Entwurf eines Artikels und einer gemeinsamen Erklärung zur Frage der italienischen Kolonien. Sowohl der Entwurf der Regelung als auch der Entwurf der Erklärung wurden als Artikel 23 beziehungsweise Annex XI Gegenstand des Friedensvertrages zwischen den Alliierten und Italien, der am 10. Februar 1947 in Paris unterzeichnet wurde.1272 Artikel 23 lautete: „1. Italy renounces all right and title to the Italian territorial possessions in Africa, i. e., Libya, Eritrea and Italian Somaliland. 2. Pending their final disposal, the said possessions shall continue under their present administration. 3. The final disposal of these possessions shall be determined jointly by the Governments of the Soviet Union, of the United Kingdom, of the United States of America, and of France within one year from the coming into force of the present Treaty, in the manner laid down in the joint declaration of 10 February 1947, issued by the said Governments, which is reproduced in annex XI.“
In der Erklärung bekannten sich die vier Regierungen dazu, die finalen Regelungen hinsichtlich der italienischen Besitzungen in Afrika und die entsprechenden Grenzziehungen im Lichte der Wünsche und des Wohlergehens der dort ansässigen Bevölkerung sowie im Interesse des Friedens und der Sicherheit durchzuführen, und dabei die Sichtweisen von weiteren interessierten Regierungen mit einzubeziehen.1273 Falls die vier Mächte innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Friedensvertrages nicht in der Lage sein sollten, eine Einigung zu erreichen, musste die Angelegenheit an die Generalversammlung der Vereinten Nationen überwiesen werden, welche Empfehlungen in der Sache unterbreiten sollte. Dabei vereinbarten die vier Mächte, dass sie die Empfehlungen der Generalversammlung akzeptieren, und die geeigneten Maßnahmen zu deren Umsetzung ergreifen würden.1274 Zudem sollten die Stellvertreter der Außenminister weiterhin Überlegungen zum Umgang mit den ehemaligen italienischen Kolonien mit dem Ziel anstellen, dem Rat der Außenminister Empfehlungen in der Sache zu unterbreiten. Hierzu wurde den stellvertretenden Außenministern aufgegeben, Untersuchungskommissionen in jede der ehemaligen Kolonien zu entsenden, um die nötigen Daten zu erheben und die Sichtweisen der lokalen Bevölkerungen in Erfahrung zu bringen.1275 Die in der 1271
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 2. United Nations Treaty Series Vol. 49, S. 3 ff. Der Friedensvertrag wurde von Italien einerseits und von Albanien, Äthiopien, Australien, der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik, von Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Griechenland, Indien, Jugoslawien, Kanada, den Niederlanden, von Neuseeland, Polen, der Sowjetunion, von Südafrika, der Tschechoslowakei, der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, von dem Vereinigten Königreich und von den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits unterzeichnet. 1273 Annex XI Nr. 2. 1274 Annex XI Nr. 3. 1275 Annex XI Nr. 4. 1272
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Erklärung erwähnte Jahresfrist begann in Übereinstimmung mit Artikel 90 des Friedensvertrages am 15. September 1947.1276 Am 3. Oktober 1947 nahmen sich die stellvertretenden Außenminister Frankreichs, der Sowjetunion, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika der Angelegenheit an. Es wurde entschieden, dass, in Übereinstimmung mit der Erklärung vom 10. Februar 1947, Vor-Ort-Untersuchungen in den drei ehemaligen italienischen Kolonien in Nord- und Ostafrika durchgeführt werden sollten. Die Kommission der vier Mächte bereiste die ehemaligen italienischen Kolonien vom 12. November 1947 bis zum 3. Januar 1948. Weiterhin wurde vereinbart, dass als interessierte Regierungen im Sinne der Erklärung vom 10. Februar 1947 diejenigen der Staaten gelten sollten, die den Friedensvertrag vom 10. Februar 1947 unterzeichnet hatten, einschließlich der Regierungen von Indien und Pakistan, sowie die Regierungen von Italien und Ägypten. Außerdem wurde entschieden, dass die nunmehr insgesamt 19 interessierten Regierungen der Kommission ihre Sichtweisen hinsichtlich des Umgangs mit den ehemaligen italienischen Kolonien darlegen sollten.1277 Am 1. September 1948 legten die stellvertretenden Außenminister der vier Mächte ihren Bericht vor.1278 Dieser enthielt unter anderem die britischen, französischen, sowjetischen und US-amerikanischen Auffassungen zum Umgang mit Eritrea zu diesem Zeitpunkt. Frankreich schlug hierin vor, mit Ausnahme der Territorien zwischen dem Golf von Zula und Französisch-Somaliland, ganz Eritrea unter italienische Treuhand zu stellen und die bezeichneten Gebiete der Souveränität Äthiopiens zu überlassen. Die Sowjetunion schlug vor, ganz Eritrea als Treuhandgebiet Italien zu unterstellen, allerdings nur für einen abschließend bestimmten und akzeptablen Zeitraum. Das Vereinigte Königreich unterbreitete den sehr komplexen Vorschlag, Äthiopien für zehn Jahre als Verwaltungsmacht für Eritrea zu bestellen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes solle dann die Generalversammlung der Vereinten Nationen darüber entscheiden, ob die äthiopische Verwaltung für einen unbegrenzten Zeitraum fortgesetzt werden solle; würde dies Zustimmung finden, sollte die Generalversammlung zudem die Bedingungen hierfür bestimmen. Weiterhin sollte ein Beratungsgremium geschaffen werden, welchem das Recht zukommen sollte, jeden Rechtsakt der äthiopischen Verwaltung in bestimmten, zuvor festgelegten Bereichen, zu suspendieren. Daneben sollte noch bei den Vereinten Nationen eine Sonderkommission für Eritrea geschaffen werden, an welche sowohl das erwähnte Beratungsgremium als auch die äthiopische Verwaltung von Zeit zu Zeit Berichte erstatten sollten. Schließlich schlugen die Vereinigten Staaten von Amerika noch vor, dass der südliche Teil Eritreas an Äthiopien fallen und dass der Rat der Außenminister hinsichtlich des übrigen Territoriums der Generalversammlung empfehlen 1276
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 4. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 5. 1278 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 5; der Bericht ist enthalten in dem Dokument C.F.M./D/ L/48/IC/202 vom 1. September 1948 des Rates der Außenminister der vier Mächte. 1277
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solle, die Entscheidung über die Zugehörigkeit dieses Gebietes um ein Jahr zu verschieben. Auch gab es zwischen der Sowjetunion und den drei westlichen Mächten Unstimmigkeiten über Grenzverläufe hinsichtlich der ehemaligen italienischen Kolonien.1279 Im Weiteren schlug die Sowjetunion noch vor, dass im Falle aller drei ehemaligen italienischen Kolonien in Afrika, diese die Grenzen, die am 1. Januar 1934 bestanden hätten, behalten sollten. Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika empfahlen hingegen, dass die Grenze zwischen den Äthiopien zugeschriebenen Gebieten und Französisch-Somaliland dem Verlauf des Wadi Weima folgen solle.1280 Die divergierenden Meinungen der vier Mächte über die Zukunft Eritreas konnten auch in der Folge nicht beigelegt werden, sodass der in der Erklärung vom 10. Februar 1947 festgelegte Einjahreszeitraum ergebnislos verstrich.1281 In Eritrea selbst gab es eine politische Strömung, die einen unabhängigen Staat befürwortete. Dieses Ansinnen wurde vor allem von arabischen Staaten unterstützt, die in Eritrea, aufgrund der großen muslimischen Bevölkerung, einen Teil der arabischen Welt sahen. Eine andere Strömung strebe einen Zusammenschluss des Territoriums mit Äthiopien an, mit dem teils auch enge wirtschaftliche Beziehungen bestanden. 1946 und zu Beginn des Jahres 1950 kam es zu gewalttätigen Konflikten zwischen der muslimischen und der christlichen Bevölkerung. b) Einsetzung der Kommission Da keine Lösung für die früheren italienischen Kolonien herbeigeführt werden konnte, übersandten die Regierungen Frankreichs, der Sowjetunion, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika dem Generalsekretär der Vereinten Nationen am 15. September 1948 ein Schreiben mit folgendem Inhalt:1282 „On the instructions of the Governments of the United States of America, France, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of the Union of Soviet Socialist Republics we have the honour to inform you that in application of article 23 and paragraph 3 of annex XI of the Treaty of Peace with Italy, the question of the disposal of the former Italian colonies is referred to the General Assembly in order that, in conformity with its rules of procedure, the General Assembly may examine this question during the session which is open on 21 September.“
Dem Antrag der vier Regierungen folgend, befasste sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Eritrea-Frage. Sie wurde im zweiten Teil der dritten regulären Sitzung des Ersten Ausschusses der Generalversammlung erörtert. Am 13. Mai 1949 wurde von dem Ersten Ausschuss der Generalversammlung die An-
1279 1280 1281 1282
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 6. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 7. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 8. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 9.
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nahme einer Resolution empfohlen,1283 die unter anderem beinhalten sollte, dass Eritrea, mit Ausnahme der westlichen Provinz der ehemaligen italienischen Kolonie, in Äthiopien inkorporiert werden sollte.1284 Allerdings wurde der Resolutionsentwurf von der Generalversammlung zurückgewiesen.1285 Es wurde zudem entschieden, die weitere Erörterung der Eritrea-Frage auf die vierte reguläre Sitzung der Generalversammlung zu vertagen.1286 Auf der vierten regulären Sitzung der Generalversammlung wurde von deren erstem Ausschuss der Unterausschuss 17 für den Zweck eingesetzt, alle Entwürfe und Vorschläge zu begutachten, und eine Entwurfsresolution zu erstellen, um die Fragen der ehemaligen italienischen Kolonien beizulegen.1287 Da die vorhandenen Informationen über Eritrea als unzureichend angesehen wurden, schlug der Unterausschuss 17 die Errichtung einer Untersuchungskommission für das Gebiet vor.1288 Auf den Bericht des Unterausschusses hin schlug der erste Ausschuss der Generalversammlung die Annahme von drei Resolutionen hinsichtlich der ehemaligen italienischen Kolonien vor.1289 Der Abschnitt C der Resolution A war dabei Eritrea und der Errichtung einer Untersuchungskommission für diese Gebiete gewidmet. In der Generalversammlung wurde über die einzelnen Teile der Resolution abgestimmt. Für den Abschnitt C der Resolution 289 (VI) A1290 stimmten am 21. November 1949 47 Mitglieder der Generalversammlung, fünf Mitglieder stimmten gegen die Resolution und sechs Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme.1291 Der Abschnitt der Resolution hatte folgenden Wortlaut: 1283 UN Doc. Official Records of the third session of the General Assembly, Part II, First Committee, summary records of meetings von 1949, S. 394. 1284 Vgl. UN Doc. Official Records of the third session of the General Assembly, Part II, First Committee, summary of records of meetings von 1949, S. 393 f. 1285 UN Doc. Official Records of the third session of the General Assembly, Part II, Plenary Meetings, summary records of meetings von 1949, S. 593 ff. 1286 UN Doc. Official Records of the third session of the General Assembly, Part II, Plenary Meetings, summary records of meetings von 1949, S. 608. 1287 UN Doc. Official Records of the fourth session of the General Assembly, First Committee, Annexes to the summary of records of meetings von 1950, S. 24. 1288 UN Doc. Official Records of the fourth session of the General Assembly, First Committee, Annexes to the summary records of meetings von 1950, S. 25. 1289 UN Doc. A/1089 and Corr. 1 von 1949. 1290 UN Doc. A/RES/289 (IV) vom 21. November 1949. 1291 UN Doc. A/PV.250 vom 21. November 1949, S. 302. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Afghanistan, Argentinien, Australien, Belgien, Birma, Bolivien, Brasilien, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Guatemala, Haiti, Honduras, Indien, Irak, Iran, Island, Israel, Jemen, Kanada, Kolumbien, Kuba, Libanon, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Pakistan, Panama, Peru, Saudi-Arabien, Südafrikanische Union, Syrien, Thailand, Uruguay, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, gegen die Resolution stimmten: Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Polen, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, ihrer Stimme enthielten sich: Äthiopien, Griechenland, Jugoslawien, Liberia, Philippinen und Schweden.
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„1. That a Commission consisting of representatives of not more than five Member States, as follows: Burma, Guatemala, Norway, Pakistan and the Union of South Africa, shall be established to ascertain more fully the wishes and the best means of promoting the welfare of the inhabitants of Eritrea, to examine the question of the disposal of Eritrea and to prepare a report for the General Assembly, together which such proposal or proposals as it may deem appropriate for the solution of the problem of Eritrea; 2. That in carrying out its responsibilities the Commission shall ascertain all the relevant facts, including written or oral information from the present administering Power, from representatives of the population of the territory, including minorities, from Governments and from such organizations and individuals as it may deem necessary. In particular, the Commission shall take into account: (a) The wishes and welfare of the inhabitants of Eritrea, including the views of the various racial, religious and political groups of the provinces of the territory and the capacity of the people for self-government; (b) The interests of peace and security in East Africa; (c) The rights and claims of Ethiopia based on geographical, historical, ethnic or economic reasons, including in particular Ethiopia’s legitimate need for adequate access to the sea; 3. That in considering its proposals the Commission shall take into account the various suggestions for the disposal of Eritrea submitted during the fourth regular session of the General Assembly; 4. That the Commission shall assemble at the Headquarters of the United Nations as soon as possible. It shall travel to Eritrea and may visit such other places as in its judgment may be necessary in carrying out its responsibilities. The Commission shall adopt its own rules of procedure. Its report and proposal or proposals shall be communicated to the SecretaryGeneral not later than 15. June 1950 for distribution to Member States as soon as to enable final considerations during the fifth regular session of the General Assembly. The Interim Committee of the General Assembly shall consider the report and proposal or proposals of the Commission and report, with conclusions, to the fifth regular session of the General Assembly.“
In Abs. 1 von Sektion D der Resolution ist zudem niedergelegt, dass die Generalversammlung: „1. Invites the Secretary-General to request the necessary facilities from the competent authorities of each of the States in whose territory it may be necessary for the Commission for Eritrea to meet or travel.“
Birma, Norwegen, Guatemala, Pakistan und die Südafrikanische Union benannten als Vertreter in der Untersuchungskommission jeweils einen Repräsentanten und einen Stellvertreter.1292 Bei den Benannten handelte es sich hauptsächlich um Diplomaten. Birma benannte allerdings einen Staatssekretär des Finanzministeriums als stellvertretendes Kommissionsmitglied, Norwegen als Hauptrepräsentanten einen Richter und die Südafrikanische Union den Vorsitzenden des Nationalen Marketingrates zum Stellvertreter. 1292
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 14; Annex 1, S. 39.
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Zur Unterstützung der Untersuchungstätigkeit wurde der Kommission ein 20köpfiges Sekretariat beigegeben.1293 Dieses bestand aus einem Hauptsekretär, einem stellvertretenden Sekretär, zwei Assistenzsekretären, einem für Informationen zuständigen Mitglied, einem Mitglied mit einer Zuständigkeit für Verwaltungsaufgaben, zwei Übersetzern für Gesprochenes, einem Übersetzer für Geschriebenes, einer Précis-Schreibkraft, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, fünf Stenografistinnen, einer Maschinenschreibkraft sowie einem Schriftführer.1294 c) Durchführung der Untersuchung Von der Kommission wurden in der Zeit zwischen dem 10. Januar und dem 8. Juni 1950 insgesamt 70 Sitzungen abgehalten.1295 Dabei wurde auf der dritten Sitzung der Kommission eine ausgesprochen umfangreiche Verfahrensordnung beschlossen.1296 1293
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 15. UN Doc. A/1285 von 1950, Annex 1, S. 39. 1295 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 23. 1296 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 16; Annex 14, S. 91 ff. Die Verfahrensordnung der Untersuchungskommission lautete wie folgt: „I. MEETINGS Rule 1: Meetings of the United Nations Commission for Eritrea (herein called: ,the Commission‘) shall be held as occasion may require by decision of the Commission, or its Chairman, or at the request of the General Assembly, or of any of the representatives on the Commission. Rule 2: The date and place of meeting, if not decided at the previous meeting of the Commission, shall be notified by the Secretariat to the representatives of the Commission whenever possible not less then twenty-four hours in advance. II. AGENDA Rule 3: The provisional agenda for each meeting of the Commission shall be drawn up by the Secretariat in consultation with the Chairman and shall be communicated to the representatives on the Commission. Rule 4: The provisional agenda shall include: 1. Items proposed by the Commission at a previous meeting; 2. Items proposed by any member of the Commission; 3. Items proposed by the General Assembly; 4. Items proposed by a sub-commission of the Commission; 5. All items, communications or reports which the Chairman or the Secretariat deem necessary to put before the Commission. Rule 5: The first item on them provisional agenda of any meeting of the Commission shall be the adoption of the agenda. III. DELEGATIONS AND CREDENTIALS Rule 6: Each representative on the Commission may be accompanied by an alternate representative whom he may designate to act as representative. Rule 7: The credentials of representatives and the names of alternate representatives, advisers and secretaries shall be transmitted to the Secretariat of the United Nations as early as possible. The credentials shall be issued either by the Head of the State or Government, by the Minister of Foreign Affairs, or by the Chief Representative to the United Nations. The credentials shall be examined by the Commission, after having received a report thereon from the Secretariat. 1294
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IV. OFFICERS Rule 8 (a): The office of Chairman shall be assumed by representatives in rotation in the English alphabetical order of the names of the members for a period of seven days. Rule 8 (b): The Commission shall elect its Rapporteur. The election shall take place by secret ballot. If the Rapporteur is unable to perform his functions, a new Rapporteur shall be elected. Rule 9: The Chairman shall declare the opening and closing of each meeting of the Commission, shall direct its discussions, ensure observance of these rules, accord the right to speak, put questions and announce decisions. He shall rule on points of order and, subject to these rules, shall have complete control of the proceedings of the Commission and over the maintenance of order at its meetings. The Chairman may, in the course of the discussion of an item, propose to the Commission the limitation of the time to be allowed to speakers, the limitation of the number of times each representative may speak on any question, the closure of the debate. He may also propose the suspension or the adjournment of the meeting or the adjournment of the debate on the item under discussion. Rule 10: The Chairman, in the exercise of his functions, remains under the authority of the Commission. Rule 11: If the Chairman finds it necessary to be absent during one or several meetings or a part of a meeting, an acting chairman shall take his place; acting chairmanship shall be assumed by representatives in rotation in the English alphabetic order of the names of the members, for a period not exceeding fifteen days. An acting chairman shall have the same powers and duties as the Chairman. V. SECRETARIAT Rule 12: The Secretary-General shall act in that capacity in all meetings of the Commission and such subsidiary bodies as it may establish. He may designate a member of the staff to act in his place in these meetings. Rule 13: The Secretary-General shall provide and direct the staff required by the Commission and such subsidiary bodies as it may establish. Rule 14: The Secretariat shall receive, translate and distribute the documents of the Commission and its subsidiary bodies; prepare working papers; interpret speeches made at the meetings; have the custody and proper preservation of the documents, publish the reports of the meetings and generally shall be responsible for all the necessary arrangements for meetings and other activities of the Commission and its subsidiary bodies. Rule 15: No decision involving expenditures shall be made by the Commission until the Secretariat has made an opportunity of stating the effect of the proposal upon the budget of the United Nations. VI: LANGUAGE, RECORDS Rule 16: English, French and Spanish shall be the working languages of the Commission. Rule 17: Members of the Commission and other persons who may address the Commission in a language other than any of the working languages shall, as a rule, provide their own interpreters. If a person who appears at the instance of the Commission is unable to employ any of the working languages and provide his own interpreter, the Secretariat shall provide for the interpretation. Rule 18: Summary records of public and private meetings shall be drawn up. The records shall be made available as soon as possible to the representatives. The representatives shall inform the Secretariat, not later then twenty-four hours after receipt of the records, of any correction they wish to have made. Rule 19: The summary records in which no corrections have been requested or which have been corrected in accordance with rule 18 shall be considered as the official records of the Commission. VII. PUBLIC AND PRIVATE MEETINGS Rule 20: Meetings of the Commission and its subsidiary bodies shall be held in public, unless the Commission or the subsidiary body decides otherwise.
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Rule 21: At the close of each private meeting of the Commission the Chairman, in consultation with the Commission, issues a communique through the Secretariat. Other Press releases and verbal briefing many be issued by the Secretariat. VIII. CONDUCT OF BUSINESS Rule 22: A majority of the members of the Commission shall constitute a quorum. Rule 23: No representative may address the Commission without having previously the permission of the Chairman. The Chairman shall call upon speakers in the order in which they signify their desire to speak. The Chairman may call a speaker to order if his remarks are not relevant to the subject under discussion. Rule 24: The Chairman or Rapporteur of a subsidiary body may be accorded precedence for the purpose of explaining the conclusion arrived at by the subsidiary body. Rule 25: The Secretary-General or a member or the Secretariat designated by him as his representative may, at any time, make oral or written statements to the Commission or any subsidiary body. Rule 26: During the discussion of any matter, a representative may rise to a point of order, and the point of order shall be immediately decided by the Chairman in accordance with the rules of procedure. A representative may appeal against the ruling of the Chairman. The appeal shall be immediately put to vote and the Chairman’s ruling shall stand unless overruled by a majority of the members present and voting. A representative rising to a point of order may not speak on the substance of the matter under discussion. Rule 27: The Commission may limit the time to be allowed to each speaker and the number of times each representative may speak on any question. When debate is limited and a representative has spoken his allowed time, the Chairman shall call him to order without delay. Rule 28: During the course of a debate the Chairman may announce the list of speakers, and, with the consent of the Commission, declare the list closed. He may, however, accord the right of reply to any member if a speech delivered after he had declared the list closed makes this desirable. Rule 29: During the discussion of any matter, a representative may move the adjournment of the debate on the item under discussion. Rule 30: A representative may at any time move the closure of the debate on the item under discussion, whether or not any other representative has signified his wish to speak. If the Commission is in favour of the closure the Chairman shall declare the closure of the debate. Rule 31: During the discussion of any matter, a representative may move the suspension or the adjournment of the meeting. Such motions shall be debated, but shall be immediately put to the vote. The Chairman may limit the time to be allowed to the speaker moving the suspension or adjournment of the meeting. Rule 32: Subject to rule 26, the following motions shall have precedence is the following order over all other proposals or motions before the meeting: (a) To suspend the meeting; (b) To adjourn the meeting; (c) To adjourn the debate on the item under discussion; (d) For the closure of the debate on the item under discussion. Rule 33: Proposals and amendments should normally be introduced in writing and handed to the Secretariat, which shall circulate copies to the delegations. As a general rule, no proposal shall be discussed or put to the vote at any meeting of the Commission unless copies of it have been circulated to all delegations not later than the day preceding the meeting. The Chairman may, however, permit the discussion and consideration of amendments, or of motions as to procedure, even though these amendments and motions have been circulated or have only been circulated the same day. Rule 34: Subject to rule 32 any motion calling for a decision on the competence of the Commission to adopt a proposal submitted to it shall be put to the vote before a vote is taken on the proposal in question.
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Rule 35: A motion may be withdrawn by its proposer at any time before voting on is has commenced, provided that the motion has not been amended. A motion which has thus been withdrawn may be reintroduced by any member. Rule 36: When a proposal has been adopted or rejected it may not be reconsidered unless the Commission, by a majority of the members present and voting, so decides. IX. VOTING Rule 37: Each member of the Commission shall have one vote. Rule 38: Decisions in the Commission shall be taken by a majority of members present and voting. Rule 39: For the purpose of these rules, the phrase ,members present and voting‘ means the members casting an affirmative or negative vote. Members who abstain from voting are considered as not voting. Rule 40: The Commission shall normally vote by show of hands but any representative may request a roll-call. The roll-calls shall be taken in the English alphabetical order of the names of the members, beginning with the member whose name is drawn by lot by the Chairman. The name of each member shall be called in any roll-call and he shall reply ,Yes‘, ,No‘, or ,Abstention‘. The result of the voting shall be inserted in the record in the English alphabetical order of the names of the members. Rule 41: After the Chairman has announced the beginning of the voting, no representative shall interrupt the voting except on a point of order in connexion with the actual conduct of the voting. The Chairman may permit members to explain their votes, either before or after their voting, except when to vote is taken by secret ballot. The Chairman may limit the time to be allowed for such explanations. Rule 42: A representative may move that parts of a proposal or of an amendment shall be voted on separately. If objection is made to the request for division, the motion shall be voted upon. If the motion for division is carried, those parts of the proposal or of the amendment which are subsequently approved shall be put to the vote as a whole. If all operative parts of the proposal or of the amendment have been rejected, the proposal or the amendment shall be considered to have been rejected as a whole. Rule 43: When an amendment is moved to proposal, the amendment shall be voted on first. When two or more amendments are moved to a proposal, the Commission shall first vote in the amendment furthest removed in substance from the original proposal and then on the amendment next furthest removed therefrom, and so on, until all the amendments have been put to the vote. Where, however, the adoption of one amendment necessarily implies the rejection of another amendment, the latter amendment shall not be put to the vote. If one or more amendments are adopted, the amended proposal shall the be voted upon. A motion is considered an amendment to a proposal if it merely adds to, deletes from or revises part of that proposal. Rule 44: If two or more proposals relate to the same question, the Commission shall, unless it decides otherwise, vote on the proposals in the order in which they have been submitted. The Commission may, after each vote on a proposal, decide whether to vote on the next proposal. Rule 45: When only one person or member is to be elected and no candidate obtains in the first ballot the majority required, a second ballot shall be taken, which shall be restricted to the two candidates obtaining the largest number of votes. If in the second ballot, the votes are equally decided, and a majority is required, the Chairman shall decide between the candidates by drawing lots. Rule 46: If a vote is equally divided on matters other than elections the proposal shall be regarded rejected. X. SUBSIDIARY BODIES Rule 47: The Commission may set up such sub-commissions and other subsidiary bodies as it deems necessary and define their composition and their functions. Rule 48: Unless otherwise decided by the Commission, each sub-commission and other subsidiary body shall elect its own officers.
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Ebenfalls auf der dritten Sitzung der Kommission wurde das norwegische Kommissionsmitglied zum Vorsitzenden gewählt und das pakistanische Mitglied zum Berichterstatter.1297 Allerdings änderte die Kommission später, nämlich auf der 36. Sitzung am 31. März 1950, ihre Verfahrensordnung dahingehend, dass das Amt der Vorsitzenden im weiteren Fortgang der Untersuchung von jedem Kommissionsmitglied wahrgenommen werden konnte, wobei eine Rotation der Verweildauer im Amt von jeweils sieben Tagen eingeführt wurde. Die Reihenfolge der Vorsitzenden wurde dabei nach der Reihung des englischen Alphabets bestimmt.1298 Im Februar 1950 reisten die Mitglieder der Untersuchungskommission in die eritreische Hauptstadt Asmara. Dort wurde am 15. Februar vor dem Hauptquartier der Kommission durch deren Hauptsekretär die Flagge der Vereinten Nationen gehisst.1299 Während ihrer Tätigkeit setzte die Untersuchungskommission zur Erleichterung ihrer Tätigkeit drei Arbeitsgruppen zu verschiedenen Fragen und Problemen ein. Zudem, wenn es dessen bedurfte, teilte sich die Kommission in zwei Gruppen auf, welche die Arbeit im Feld verrichteten.1300 Rule 49: The rules of procedure of the Commission shall apply to the proceedings of the subcommissions and other subsidiary bodies in so far as they are applicable. XI. ORAL AND WRITTEN STATEMENTS Rule 50: The Commission may at its discretion invite or admit representatives of governments or organizations or private individuals to submit oral or written statements. Requests for oral hearings shall contain an indication of the subject or subjects on which the applicant desires to express his views. Rule 51: The Commission may refer to a sub-commission for examination and recommendation such requests to present oral statements as it deems advisable. Rule 52: Members of the Commission who desire may put questions, through the Chairman, to representatives of the governments or organizations or private individuals referred to in rule 50. Rule 53: The Commission, in consultation with the Secretariat, whenever necessary, shall in each case decide the time and place of hearing of any person form whom it may decide to receive an oral statement. The Commission may advise any person to submit his statement in writing. Rule 54: The Commission may limit either the number of persons desiring to present an oral statement or the time to be allowed to any such person. Rule 55: The Commission may refer to a sub-commission for study and report such written statements as it may deem advisable. Rule 56: A sub-commission or a subsidiary body set up by the Commission enjoys such rights as are accorded to the Commission under rules 50 – 55, unless the Commission decides otherwise. XII. AMENDMENTS AND SUSPENSIONS Rule 57: These rules of procedure may be amended or suspended by decision of the Commission taken by a majority of the members present and voting.“ 1297 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 18. Auf dem ersten Treffen der Untersuchungskommission am 10. Januar 1950 in Lake Success, als noch keine Verfahrensordnung beschlossen worden war, wurde entschieden, dass ein vorübergehender Vorsitzender gewählt werden sollte. Die Wahl fiel dabei einstimmig auf das birmanische Kommissionsmitglied, siehe Rn. 17. 1298 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 19. 1299 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 24. 1300 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 22.
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Zunächst wurde durch die Kommission eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche ein Besuchs- und Arbeitsprogramm für die Kommissionstätigkeit vorbereiten sollte. Dieses wurde auch angenommen, über den Zeitraum der Untersuchung hinweg jedoch mehrfach an die sich ändernden Gegebenheiten angepasst.1301 Auf ihrer fünften Sitzung am 14. Februar 1950 verabschiedete die Untersuchungskommission ein Communiqué, welches sich an die Bevölkerung Eritreas richtete. Hierin wurde diese von der Kommission einzeln oder in Gruppen dazu eingeladen, an die Kommission geschriebene Erklärungen zu richten, in welchen sie ihre Sichtweise über die Zukunft Eritreas darlegen sollte. Hierbei wurden ausdrücklich auch Minderheiten angesprochen. Die Kommission wies in dem Communiqué zudem darauf hin, dass sie die Ansichten der verschiedenen ethnischen, religiösen und politischen Gruppen berücksichtigen werde.1302 Die Kommission trat auch an die britische Verwaltung Eritreas heran, um Informationen über die Lage in dem Gebiet zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden an die Verwaltung vier Fragebögen zu politischen, wirtschaftlichen und ethnographischen Aspekten übermittelt.1303 Nach einer Benachrichtigung durch die britischen Stellen beschloss die Kommission auf ihrer 12. Sitzung am 24. Februar 1950 eine Erklärung hierzu. Hierin brachte die Kommission ihren Willen zum Ausdruck, dass sie nicht die Absicht habe, Informationen zu veröffentlichen, welche sie von britischer Seite erhalte. Dies solle erst bei der Erstellung des Abschlussberichtes geschehen, soweit hierfür ein Anlass bestünde. Im Anschluss an die Erklärung übermittelte die britische Verwaltung eine Reihe von Mitteilungen an die Kommission.1304 In der Folge kam es zu einem weiteren Austausch zwischen der Kommission und der britischen Verwaltung, wenn Klarstellungen und Erklärungen für die Arbeit der Kommission benötigt wurden und die Kommission der Auffassung war, dass die britischen Stellen die entsprechenden Informationen bereitstellen können würden.1305 Auf der 12. und 13. Sitzung ersuchten Repräsentanten einer politischen Gruppe aus Eritrea die Kommission darum, dass es allen Personen gestattet werden sollte, frei vor der Kommission zu erscheinen. Auch wurde von den Repräsentanten der Gruppe eine Anschuldigung gegen die britische Verwaltung erhoben. Diese habe verhindert, dass ein politischer Anführer der Gruppe vor die Kommission treten könne. Daraufhin fasste die Kommission auf ihrer 15. Sitzung am 25. Februar 1950 einen Beschluss in der Sache. Mit diesem wurde die britische Verwaltung aufgefordert, eine Erklärung in der Bevölkerung Eritreas zu verbreiten, dass alle Personen frei wären, vor der Kommission ihren Auffassungen über die Zukunft Eritreas Ausdruck zu verleihen, und dass jede solcher Äußerungen die betreffenden Personen 1301 1302 1303 1304 1305
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 25. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 29. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 26. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 27. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 28.
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nicht zum Gegenstand einer missbilligenden Maßnahmen machen dürften; zudem müsse die britische Verwaltung erklären, dass die betreffenden Personen jeden erdenklichen Schutz erhalten würden.1306 In einem Brief vom 28. Februar 1950 brachte daraufhin der oberste britische Verwaltungsbeamte sein grundsätzliches Einverständnis mit den Forderungen der Kommission zum Ausdruck. Er wies allerdings auch darauf hin, dass er es bedauere, dass viele der Äußerungen, welche bis zu diesem Zeitpunkt bereits vor der Kommission getätigt worden waren, unwahr seien und daher für die Kommission nicht von Wert seien könnten. Die Kommission nahm diese Erklärung auf ihrer 18. Sitzung am 3. März 1950 zur Kenntnis.1307 Am 19. März 1950 veröffentlichte die britische Verwaltung die geforderte Mitteilung schließlich in der Presse von Eritrea.1308 Die Untersuchungskommission führte in Asmara und einer Reihe weiterer Städte und Orte in Eritrea Anhörungen und Gespräche mit Personen aus verschiedenen Gruppen der eritreischen Gesellschaft durch.1309 Die Gesprächspartner stammten dabei aus verschiedenen Stämmen und waren Angehörige der diversen politischen Gruppen Eritreas sowie Vertreter aus der Wirtschaft und anderen Organisationen und der koptischen wie der muslimischen Religionsgemeinschaft. Die Anhörungen wurden dabei von der Kommission als Ganzes oder aufgeteilt in zwei Gruppen durchgeführt. Insgesamt konnten so 64 Anhörungen mit den lokalen Repräsentanten an 37 Orten durchgeführt werden. Wenn möglich, besuchte die Kommission Fabriken und andere Geschäfte.1310 Neben der Tätigkeit in Eritrea selbst entfaltete die Untersuchungskommission zudem eine rege Reisetätigkeit in die verschiedenen Staaten, die an dem politischen Status von Eritrea interessiert waren. Die Kommission entschied insoweit zuvor die Regierungen von Ägypten, Äthiopien, Frankreich, Italien und des Vereinigten Königreichs einzuladen, ihre Sichtweisen hinsichtlich der Zukunft von Eritrea darzulegen und der Kommission wichtige Informationen zu unterbreiten. Dies wurde den betroffenen Regierungen mit Briefen vom 3. März 1950 mitgeteilt.1311 Tatsächlich kam es nach den Einladungen zu Treffen mit den Repräsentanten der verschiedenen Staaten. Hinsichtlich des Vereinigten Königreichs wurde der Kommission durch den Sonderliaisonbeamten der britischen Verwaltung von Eritrea zunächst eine Erklärung seiner Regierung zur Lage von Eritrea vorgelegt.1312 Der Sonderliaisonbeamte wurde dann auch auf dem 50. Treffen der Untersuchungskommission am 28. April 1306
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 30. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 31. 1308 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 32. 1309 Eine Liste der Besuche und Anhörungen findet sich in: UN Doc. A/1285 von 1950, Annex 17, S. 119 ff. 1310 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 33. 1311 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 35. 1312 UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 38. 1307
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1950 in Genf angehört.1313 Auf ihrer 24. Sitzung entschied die Kommission am 13. März 1950, Äthiopien zu besuchen.1314 Die Fragen des Besuchs in Äthiopien befassten die Kommission auf ihrer 29., 30., 31., 34., 36., 37. und 42. Sitzung; hierbei wurde eine Reihe von Entscheidungen in der Sache getroffen. Während dieser Zeit erhielt die Kommission zudem eine Reihe von Mitteilungen der äthiopischen Regierung und traf auf ihrer 31. Sitzung am 25. März 1950 mit dem äthiopischen Minister für Handel und Industrie zusammen.1315 Vom 9. bis zum 12. April 1950 reiste die Kommission schließlich, auf Einladung der Regierung, nach Äthiopien. Hierbei besuchte die Kommission die nahe der eritreischen Grenze gelegene Stadt Gondar, verschiedene Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie weitere Einrichtungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und die Ausbildungseinrichtung der äthiopischen Luftwaffe in Bishoftu.1316 Auf der 43. Sitzung der Kommission am 10. April 1950 gab der Außenminister Äthiopiens außerdem eine Erklärung ab, in welcher er die Haltung seiner Regierung darlegte. Weitere Gespräche hierüber fanden auch auf der 44. Sitzung am nächsten Tag statt. Zudem erreichte die Kommission am 28. April 1950 ein Brief des Außenministers mit Ergänzungen zur Position der äthiopischen Regierung.1317 – Vom 12. bis zum 17. April 1950 besuchte die Kommission Ägypten. Auf ihrer 46. Sitzung am 15. April 1950 legte der ägyptische Außenminister die Position seiner Regierung dar.1318 – Zwischen dem 17. und dem 20. April 1950 besuchte die Kommission Italien. Dort erreichten den Vorsitzenden Briefe der Regierungen von Italien und von Frankreich, in denen deren Positionen zur Eritrea-Frage dargelegt wurden.1319 Bereits auf ihrer siebten Sitzung am 18. Februar 1950 setzte die Untersuchungskommission noch eine Unterkommission ein. Diese sollte alle wirtschaftlichen Aspekte der Eritrea-Frage ergründen.1320 Die Unterkommission setzte sich aus Repräsentanten aller in der Untersuchungskommission vertretenen Staaten zusammen;1321 das südafrikanische Mitglied wurde dabei zum Vorsitzenden und das birmanische Mitglied zum Berichterstatter ernannt.1322 Die Unterkommission hielt insgesamt 22 Sitzungen ab und legte der Hauptkommission ihren Bericht am 8. Mai 1950 vor.1323
1313 1314 1315 1316 1317 1318 1319 1320 1321 1322 1323
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 39. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 40. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 41. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 42. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 43. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 44. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 45 f. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 20. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 20. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 21. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 21.
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Die Formulierung des Abschlussberichts der Untersuchungskommission gestaltete sich ausgesprochen langwierig. Eine allgemeine Debatte zwischen den Kommissionsmitgliedern über das weitere Schicksal von Eritrea fand auf der 51., 52., 58., 59., 63. und 64. Sitzung der Kommission zwischen dem 3. und dem 17. Mai 1950 in Genf statt.1324 Nachdem die beiden ersten Kapitel des Abschlussberichts in einer ersten Lesung erörtert worden waren, diskutierte die Kommission das weitere Verfahren hinsichtlich der Gestaltung der übrigen Kapitel. Hierzu fasste sie auf der 65. Sitzung am 19. Mai 1950 einen Beschluss, nachdem die beiden ersten Kapitel des Abschlussberichts der Generalversammlung in der Form vorgelegt werden sollten, die sie nach der zweiten Lesung erhalten hatten. Außerdem sollte den Kapiteln jedes Memorandum angehängt werden, welches einzeln oder gemeinsam von den verschiedenen Delegationen verfasst würde und deren Blick auf die relevanten Tatsachen oder die Lösungen, welche für angemessen gehalten würden, wiedergeben sollte. Zusätzlich sollte dem Abschlussbericht noch ein Band mit Annexen angehängt werden.1325 Im Anschluss hieran wurden die ersten beiden Kapitel des Abschlussberichts in eine zweite Lesung auf der 66. Kommissionssitzung am 20. Mai 1950 gegeben. Die Memoranda, die von verschiedenen Delegationen am 2. Juni 1950 eingereicht wurden, wurden dem Bericht ohne weitere Diskussion beigegeben.1326 Die Untersuchungskommission beendete ihre Tätigkeit mit der Abfassung des Abschlussberichts, der in ihrer 67. Sitzung am 6. Juni 1950 vorgestellt und in der 69. Sitzung am 8. Juni 1950 von der Kommission angenommen wurde.1327 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht1328 wurde mit einem Schreiben vom 8. Juni 1950 von der Kommission an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt. In dem Schreiben wurde der Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass der Bericht spätestens bis zum 15. Juni 1950 an alle Mitglieder der Vereinten Nationen übermittelt werden solle.1329 Der Abschlussbericht enthielt 266 Randnummern und war in vier große Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt umschrieb die Kommission den historischen Hintergrund ihrer Untersuchung sowie die Errichtung und Organisation der Kommission.1330 Das zweite Kapitel war den Hauptaktivitäten der Kommission gewidmet.1331 Der dritte große Abschnitt beinhaltete eine detaillierte Darstellung der faktischen Situation der Lage in Eritrea; nach einführenden Ausführungen beschrieb die Kommission zunächst Eritrea, die Bevölkerung des Landes und die Wirtschaft; es 1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 47. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 48. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 49. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 50. Report of the United Nations Commission for Eritrea, UN Doc. A/1285 von 1950. UN Doc. A/1285 von 1950, S. iii. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 1 ff. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 23 ff.
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folgte eine Darstellung der politischen Wünsche der Bevölkerung, im Anschluss hieran wurden die Auffassungen der an der Eritrea-Frage interessierten Regierungen kundgetan (Äthiopien, Ägypten, Frankreich, Italien sowie Vereinigtes Königreich), den Abschluss dieses Abschnitts bildeten Ausführungen zur Sicherheitslage in Ostafrika.1332 Im letzten Teil des Berichts wurden Vorschläge hinsichtlich der Lage von Eritrea unterbreitet, wobei die Delegationen von Birma und Südafrika sowie die Delegation von Norwegen eigenständige Vorschläge vorlegten.1333 Zudem wurde ein gemeinsames Memorandum von den Delegationen von Guatemala und Pakistan vorgelegt.1334 bb) Die Kommission, getragen von den Stimmen der Delegationen von Birma, Norwegen und Südafrika, kam zu einer Anzahl von Schlussfolgerungen zur Situation Eritreas und gab auch einige Empfehlungen ab; allerdings wurde beides im Abschlussbericht nicht strikt getrennt, vielmehr gingen Schlussfolgerungen und Empfehlungen ineinander über. Die Kommission betonte, dass eine faire und dauerhafte Lösung für das Eritrea-Problem realistisch seien müsse und für eine solche Lösung alle wichtigen Fakten einbezogen werden müssten.1335 Zunächst wies die Kommission darauf hin, dass Eritrea ein armes Land sei, welches keine Aussicht habe, sich als eigenständige wirtschaftliche Einheit zu entwickeln. Nach Ansicht der Delegationen von Birma, Norwegen und Südafrika würden diese Tatsachen gegen eine Lösung sprechen, nach der ein eigenständiger eritreischer Staat geschaffen werden könne, gleichviel ob dies in (damalig) naher Zukunft oder nach einer Periode, in welcher das Gebiet internationaler Treuhand unterstellt würde, geschehen solle.1336 Außerdem müssten auch die politischen Wünsche, welche von der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht worden seien, Berücksichtigung bei einer Lösung der Eritrea-Frage finden. Die Kommission stellte hierzu fest, dass zum damaligen Zeitpunkt die Befürworter eines eigenständigen eritreischen Staates in der Minderheit seien. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit der eritreischen Bevölkerung eine Vereinigung mit Äthiopien wünsche. Diese Sichtweise sei vor allem in der überwiegenden Masse der koptischen Christen sowie bei einer bedeutenden Anzahl von Muslimen, welche in deren Nachbarschaft im eritreischen Hochland sowie am Roten Meer lebten, verbreitet.1337 Weiterhin müssten auch die legitimen Erwartungen von Äthiopien in den Blick genommen werden, die den Zugang zum Meer, sowohl aus wirtschaftlichen wie auch aus sicherheitsrelevanten Gründen, beinhalteten sowie die Erwartung nach einer Wiedereingliederung der eritreischen Bevölkerung, von der ein Großteil starke Bande zu der Bevölkerung des
1332 1333 1334 1335 1336 1337
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 53 ff. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 155 ff. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 184 ff. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 155. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 156. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 157.
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nördlichen Äthiopiens habe.1338 Die engen Verbindungen zwischen großen Teilen der eritreischen und der äthiopischen Bevölkerung, der starke Wunsch nach einer Vereinigung von einem Großteil der eritreischen Bevölkerung, die gemeinsamen strategischen Interessen der beiden Länder und die Tatsache, dass Eritrea keine Ressourcen habe, um sich selbst zu verteidigen, überzeugten die Delegationen von Birma, Norwegen und von Südafrika, dass im Interesse des Friedens und der Sicherheit in Ostafrika sowie zum Wohlergehen der eritreischen Bevölkerung, die beste Lösung für Eritrea diejenige sein müsse, welche eine enge politische Verbindung mit Äthiopien beinhalte. Eine wirtschaftliche und finanzielle Verbindung sei auch eine conditio sine qua non mit Blick auf die Abhängigkeit Eritreas von dem reichen äthiopischen Hinterland sowie im Hinblick auf die Abhängigkeit Äthiopiens von den Transportwegen durch sowie die Hafenanlagen in Eritrea. Eritrea benötige wegen seiner spärlichen Ressourcen, seiner schwachen Finanzen und seines Unvermögens, sich selbst ohne fremde Hilfe zu erhalten, einen starken Partner.1339 Voraussichtlich würde eine Lösung, welche auf dem Prinzip einer wirtschaftlichen und politischen Bindung an Äthiopien basiere, nicht umgehend auf breite Zustimmung in Eritrea treffen, da die dortige Stimmung durch politische Propaganda und durch Gewalt von unverantwortlichen Elementen aufgeheizt worden sei. Diese Aktivitäten würden jedoch nicht die wahren Gefühle in der Bevölkerung widerspiegeln. Auch wenn Eritreas Grenzen das Produkt kolonialer Ausdehnung in den 1880er Jahren seien, sodass das Land weder eine geographische noch eine wirtschaftliche Einheit bilde, würden eine gemeinsame Vergangenheit und siebzig Jahre unter einer einheitlichen Herrschaft einen großen vereinigenden Effekt bedeuten; und dies nicht nur zwischen den verschiedenen eritreischen Völkern in ihren Beziehungen mit den italienischen Siedlern. Eine solche Freundschaft könne nicht so schnell zerstört werden und es gebe keinen Zweifel daran, dass eine Anwendung von Gewalt ein widerwärtiger Akt gegen das tiefverwurzelte Bedürfnis in allen Teilen der Bevölkerung von Eritrea wäre, in Frieden Seite an Seite zu leben. Die Delegationen von Norwegen, Birma und Südafrika verurteilten daher Morde und Gewalt durch unverantwortliche Elemente und führten diese Verhaltensweisen zu einem großen Teil darauf zurück, dass sich eine Lösung hinsichtlich des Schicksals von Eritrea verzögert habe. Dies könne bedeuten, dass sich Lage weiter stark verschlechtere, wenn nicht bald eine Einigung über die Zukunft von Eritrea erreicht werde.1340 Um zu einer schnellen, abschließenden Lösung zu gelangen, wurde von den Delegationen von Birma und Südafrika eine Formel vorgeschlagen, nach welcher Eritrea in einer föderalen Lösung mit Äthiopien zusammengeführt werden solle.1341 Auch die Delegation von Norwegen befürwortete eine Lösung, nach welcher Äthiopien und Eritrea sich politisch und ökonomisch assoziieren sollten.1342 Die Minderheit in der 1338 1339 1340 1341 1342
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 158. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 159. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 160. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 160, 163 ff. UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 161, 162 ff.
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Kommission, also die guatemaltekische und die pakistanische Delegation, sprach sich hingegen für eine Unabhängigkeit Eritreas aus.1343 2. Portugiesische Kolonialherrschaft über Angola a) Historischer Hintergrund In dem in Südwestafrika gelegenen Gebiet des heutigen Staates Angola war Portugal bereits seit dem Jahr 1483 präsent.1344 In diesem Jahr betrat der portugiesische Seefahrer Diogo Cão als erster Europäer dieses Territorium. Zunächst gründeten die Portugiesen in Angola lediglich an der Küste Handelsstationen und 1576 Luanda als befestigte Siedlung. Im 17. Jahrhundert wurde dann Benguela als Handelssiedlung etabliert. Im 19. Jahrhundert versuchten portugiesische Siedler, von der Küste ins Inland Angolas vorzudringen. Der Prozess der Kolonisation des gesamten Territoriums war in den 1920er Jahren abgeschlossen. Mit dem portugiesischen Kolonialgesetz vom 13. Juni 1933 wurde die Vormachtstellung der ethnischen Portugiesen über die einheimische Bevölkerung anerkannt. Zudem bestanden in Angola tiefe kulturelle und soziale Gräben zwischen den Siedlern und der einheimischen Bevölkerung. In den frühen 1950er Jahren beeinflusste eine Reihe von Ereignissen die Stimmung in der angolanischen Bevölkerung nachhaltig. Zum einen wurde Angola der rechtliche Status einer Überseeprovinz zuerkannt. Zum anderen erreichte eine neue Welle von weißen Siedlern aus Portugal Angola. Wie in vielen anderen Gebieten Afrikas entwickelte sich eine Unabhängigkeitsbewegung, welche für eine Loslösung Angolas von Portugal eintrat. Verschiedene Gruppen agierten hierbei. Im Jahr 1953 wurde die Partido da Luta Unida dos Africanos de Angola gegründet. Im Oktober 1955 wurde zudem die Partido Comunista Angolano ins Leben gerufen. Bereits im Dezember 1956 verschmolzen die beiden Gruppen zum Movimento Popular de Libertação de Angola. Zudem wurde durch Nationalisten der ethnischen Gruppe der Bakongo im Jahr 1954 die União das Populações de Angola gegründet, welche es sich zum Ziel gesetzt hatte, das frühere Königreich Kongo wieder in seinen früheren Grenzen entstehen zu lassen, welches Gebiete vor allem in Belgisch-Kongo sowie in Angola umfasste. Gegen Ende der 1950er Jahre gab es zunächst eine lokale und eher spontane Erhebung gegen die portugiesische Kolonialherrschaft. Zu größeren Unruhen und Gewalttätigkeiten kam es dann nur wenig später. Am 3. Januar 1961 begannen Bauern in der Region von Baixa de Cassanje Baumwollfelder zu boykottieren, um 1343
UN Doc. A/1285 von 1950, Rn. 184 ff., insbesondere 265 ff. Hierzu und zum Folgenden eingehend Willem S. Van der Waals, Portugal’s War in Angola 1961 – 1974, S.1 ff.; Gerald Bender, Angola Under the Portugese: The Myth and the Reality, S. 1 ff. sowie Lawrence W. Hernderson, Angola: Five centuries of Conflict, S. 1 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Angola“. 1344
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höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten. In diesem Zusammenhang verbrannten die Bauern ihre Identifikationskarten und griffen portugiesische Händler an. Um auf diese Provokation zu reagieren, griffen die portugiesischen Streitkräfte am folgenden Tag ein und bombardierten einige Dörfer in der Gegend, in denen die Proteste stattfanden. Bei diesen Angriffen sollen durch Napalm zwischen 400 und 7.000 Menschen getötet worden sein. In der Folge kam es zu weiteren Angriffen gegen die Kolonialmacht. So griffen mehrere Dutzend militante Unabhängigkeitsaktivisten am 4. Februar 1961 ein Polizeigebäude in Luanda sowie ein Gefängnis an. Als am folgenden Tag eine Trauerfeier für bei den Angriffen vom Vortag getötete Polizisten abgehalten wurde, verübten Portugiesen einige willkürliche Gewaltakte gegen die Bewohner der Elendsviertel von Luanda. Sechs Tage später kam es erneut zu einem Angriff auf ein Gefängnis. Am 15. März 1961 überschritten schließlich mehrere tausend Kämpfer der União das Populações de Angola die angolanisch-kongolesische Grenze und griffen Regierungsgebäude, Farmen und andere Installationen an. Die Kämpfer richteten einige Massaker unter der Zivilbevölkerung von Nordangola an, bei denen etwa 1.000 Menschen europäischer und 6.000 Menschen afrikanischer Herkunft ihr Leben verloren. b) Einsetzung der Kommission Die Generalversammlung befasste sich mit der Situation von Angola am 20. April 1961. Auf der 990. Plenarsitzung der Versammlung hatten 36 afrikanische und asiatische Staaten einen Resolutionsentwurf zu dieser Situation eingebracht.1345 In dem Entwurf wurde Portugal unter anderem dazu aufgefordert, dringend Reformen in seinem Überseegebiet durchzuführen. Im zweiten operativen Absatz des Resolutionsentwurfs wurde zudem die Einsetzung eines Unterausschusses gefordert, welcher Untersuchungen zur Angola-Frage anstellen sollte. Dabei war in dem Entwurf allerdings noch keine Zahl von Mitgliedern angegeben, die dem Unterausschuss angehören sollte. Der Repräsentant von Liberia, welches zu den Staaten gehörte, die den Entwurf eingebracht hatten, schlug vor, dass drei, fünf oder sieben Mitglieder benannt werden könnten und dass die Aufgabe der Benennung, wie in solchen Fällen üblich, dem Präsidenten der Generalversammlung zufallen sollte.1346 Auf der 992. Sitzung der Generalversammlung schlug der Delegierte des Sudan hierzu vor, dass das vorgeschlagene Gremium mit fünf Mitgliedern besetzt sein solle.1347 Für die Einsetzung eines Untersuchungsgremiums wurde etwa vom Repräsentant Ghanas vorgebracht, dass es selbsterklärend sei, dass ein solcher Akt wünschenswert wäre. Diesem Gremium würde die Aufgabe zukommen, die verschiedenen Erklärungen, die vor der Generalversammlung in Bezug auf Angola gemacht würden, zu 1345 1346 1347
UN Doc. A/L.345 and Add. 1 – 5 vom 20. April 1961. UN Doc. A/PV.990 vom 20. April 1961, Rn. 106. UN Doc. A/PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 250.
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untersuchen, ebenso die verschiedenen Dokumente in dieser Angelegenheit. Außerdem müsste das Gremium noch weitere Untersuchungen in Bezug auf die Situation in Angola durchführen.1348 Der Repräsentant von Jugoslawien brachte zudem vor, dass die Einsetzung eines solchen Gremiums das weitere Interesse der Vereinten Nationen an der Lage in Angola zum Ausdruck bringen würde und dass damit positiv auf die weitere Entwicklung des Gebiets eingewirkt werden könne.1349 Der Repräsentant von Italien erklärte hingegen besorgt, dass Portugal die Errichtung eines Untersuchungsgremiums als unzulässige Einmischung in seine Souveränität ansehen könne.1350 Der Repräsentant von Brasilien wies darauf hin, dass frühere Gremien in ähnlich gelagerten Fällen es versäumt hätten, Resultate zu produzieren.1351 Der Entwurf wurde als Generalversammlungsresolution 1603 (XV) am 20. April 1961 mit 73 Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und neun Enthaltungen angenommen:1352 „2. Decides to appoint a sub-committee consisting of five members to be appointed by the President of the General Assembly and instructs this sub-committee examine the statements made before the Assembly concerning Angola, to receive further statements and documents, to conduct such inquires as it may deem necessary and to report to the Assembly as soon as possible.“
In Übereinstimmung mit Abs. 2 des operativen Teils von Resolution 1603 (XV) ernannte der Präsident der Generalversammlung folgende Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu Mitgliedern des Unterausschusses: Bolivien, Dahomey, die Föderation von Malaya, Finnland sowie den Sudan.1353 Der Generalsekretär bestimmte zudem einen Sekretär für den Unterausschuss.1354 1348
UN Doc. A/PV.991 vom 20. April 1961, Rn. 104. UN Doc. A/PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 74. 1350 UN Doc. A/PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 172. 1351 UN Doc. A/PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 264 f. 1352 Vgl. UN Doc. A/PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 277. Für die Resolution stimmten: Afghanistan, Albanien, Argentinien, Äthiopien, Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Birma, Bulgarien, Ceylon, Chile, China, Côte d’Ivoire, Dahomey, Dänemark, Ecuador, Finnland, Gabun, Ghana, Griechenland, Guinea, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kongo (Brazzaville), Kuba, Laos, Libanon, Liberia, Libyen, Madagaskar, Föderation von Malaya, Mali, Marokko, Mexiko, Nepal, Neuseeland, Niger, Nigeria, Norwegen, Obervolta, Österreich, Pakistan, Paraguay, Philippinen, Polen, Rumänien, Saudi-Arabien, Schweden, Senegal, Somalia, Sowjetunion, Sudan, Tschad, Tschechoslowakei, Tunesien, Türkei, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Ungarn, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Republik, Vereinigte Staaten von Amerika, Zentralafrikanische Republik und Zypern, gegen die Resolution stimmten: Spanien und Südafrika, ihrer Stimme enthielten sich: Australien, Belgien, Brasilien, Dominikanische Republik, El Salvador, Frankreich, Niederlande, Thailand und Vereinigtes Königreich. Über den Vorschlag des Sudan, den Unterausschuss mit fünf Mitgliedern zu besetzen, wurde zuvor auf Vorschlag des Präsidenten der Generalversammlung separat abgestimmt, siehe UN Doc. A/ PV.992 vom 20. April 1961, Rn. 271 ff. 1353 UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 1, 3. 1354 UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 3. 1349
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c) Durchführung der Untersuchung Der Unterausschuss begann seine Tätigkeit am 26. Mai 1961 und wählte dessen bolivianisches Mitglied zum Ausschussvorsitzenden, das finnische Mitglied zu dessen Vizevorsitzenden und das Mitglied aus der Föderation von Malaya zum Berichterstatter.1355 Den ihm von der Generalversammlung in Resolution 1603 (XV) gegebenen Untersuchungsauftrag legte der Unterausschuss dahingehend aus, dass eine möglichst weitreichende Untersuchung der Situation in Angola durchzuführen sei.1356 Um dem erteilten Mandat gerecht zu werden, arbeitete der Unterausschuss drei Bereiche heraus, die er in seiner Arbeit einer näheren Betrachtung unterziehen wollte: die Unruhen und Konflikte, die in Angola seit Februar 1961 stattfanden, den Hintergrund dieser Situation in der portugiesischen Kolonie sowie die Auswirkungen der Situation auf den Weltfrieden und die internationale Sicherheit.1357 Für diese Aufgabe zog der Ausschuss die vorher zur Angola-Frage und zu Fragen der Dekolonialisierung ergangenen Resolutionen des Sicherheitsrates, der Generalversammlung sowie die Charta der Vereinten Nationen, namentlich deren Kapitel XI, in welchem sich die Vorschriften über Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung finden, heran.1358 Von Beginn der Tätigkeit an war dem Unterausschuss für die Situation in Angola bewusst, dass eine effektive Erreichung der Implementierung der Ziele der Generalversammlungsresolution Resolution 1603 (XV) nur in Kooperation mit der Regierung Portugals erreicht werden könne. Insbesondere war es nach Auffassung des Unterausschusses für seine Tätigkeit von herausragender Bedeutung, Informationen aus erster Hand durch einen Besuch Angolas gewinnen zu können.1359 Der Ausschuss versuchte daher schon in der Frühphase seiner Tätigkeit, durch verschiedene Kanäle, sowohl formell wie auch informell, mit seinem Begehren an die portugiesische Regierung heranzutreten.1360 In seiner ersten Sitzung beschloss der Ausschuss ein Kooperationsbegehren durch den Ständigen Vertreter Portugals bei den Vereinten Nationen zu übermitteln.1361 Ein entsprechender Brief wurde dem Ständigen Vertreter am 5. Juni 1961 durch den Ausschussvorsitzenden zugeleitet.1362 Nach der Verabschiedung von Sicherheitsratsresolutionen 163 (1961) vom 9. Juni 19611363, in deren operativem Teil Portugal etwa dazu aufgefordert wurde, in Übereinstimmung
1355 1356 1357 1358 1359 1360 1361 1362 1363
UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 4. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 41. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 42. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 43 ff. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 46. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 47. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 58. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 58. UN Doc. S/RES/163 (1961) vom 9. Juni 1961 = S/4835 vom 9. Juni 1961.
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mit der Resolution zu handeln1364 und dem Unterausschuss jede Unterstützung zur Durchführung seiner Tätigkeit zu ermöglichen,1365 sandte der Vorsitzende am 12. Juni 1961 einen weiteren Brief an den Ständigen Vertreter, in dem auf den Text dieser Resolution Bezug genommen wurde.1366 Am 20. Juni 1961 erhielt der Vorsitzende des Unterausschusses ein Antwortschreiben des Ständigen Vertreters von Portugal. Hierin kam zum Ausdruck, dass Portugal in dem Verhalten der Vereinten Nationen in Bezug auf Angola eine völkerrechtswidrige Einmischung in seine Angelegenheiten sah. Nichtsdestotrotz wurde der Vorsitzende des Ausschusses in die portugiesische Hauptstadt Lissabon zu einem, allerdings privaten, Besuch eingeladen. Als Begründung wurde hierfür zum einen vorgebracht, dass Portugal mit Bolivien seit Langem freundschaftliche Beziehungen pflege, zum anderen wollte man dem Vorsitzenden Informationen über die Lage in Angola zukommen lassen.1367 Die Antwort Portugals wurde im Unterausschuss diskutiert. Man einigte sich auf eine Formel für die Rückantwort dahingehend, dass man den Wunsch des Ausschusses, Angola zu besuchen, weiterhin deutlich zum Ausdruck bringen würde, jedoch die Einladung für den Vorsitzenden nach Lissabon annahm. Dies wurde dem Ständigen Vertreter Portugals bei den Vereinten Nationen durch den Vorsitzenden mittels eines Briefs vom 26. Juni 1961 mitgeteilt.1368 Hauptzweck des Besuchs in Lissabon war es für die Kommission, dort die Einwilligung zu einer Reise nach Angola zu erhalten. Weiterhin sollte der Vorsitzende die Regierung Portugals darauf hinweisen, dass der Ausschuss keine Verzögerung bei der Ausführung seines Mandates wünsche, weder durch unangemessene Wartezeiten auf eine Antwort der Regierung noch durch Vorkehrungen, die für einen Besuch des Ausschusses in Angola zu treffen seien.1369 Außerdem sollte der Vorsitzende die portugiesische Regierung um alle relevanten Informationen ersuchen, insbesondere um solche hinsichtlich von Maßnahmen und Reformen, welche zur Implementierung des Selbstbestimmungsrechts Angolas getroffen wurden.1370 Der Vorsitzende des Unterausschusses besuchte Lissabon vom 16. bis zum 22. Juli 1961. Dort wurde er, entgegen der ursprünglichen Einladung Portugals, nicht als Privatreisender betrachtet, sondern in seiner offiziellen Funktion anerkannt. Der Vorsitzende traf während des Besuchs mit dem Premierminister von Portugal, mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten sowie mit dem Minister für die 1364
lution. 1365
lution. 1366 1367 1368 1369 1370
UN Doc. S/RES/163 (1961) vom 9. Juni 1961, Abs. 1 des operativen Teils der ResoUN Doc. S/RES/163 (1961) vom 9. Juni 1961, Abs. 3 des operativen Teils der ResoUN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 59. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 60. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 61. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 62. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 63.
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portugiesischen Überseegebiete zusammen. Während der Besprechungen brachte der Vorsitzende des Unterausschusses dessen Begehren zum Ausdruck, dass man die vollständige Unterstützung Portugals suche, wie dies auch der Sicherheitsrat gefordert habe.1371 Von portugiesischer Seite wurde an der Auffassung festgehalten, dass es sich bei der Situation in Angola um eine innere Angelegenheit Portugals handele. Dem Vorsitzenden wurde ferner allerdings mitgeteilt, dass Portugal entschlossen sei, den Frieden in Angola um jeden Preis wiederherzustellen und dass es bereits einige Pläne zur Durchführung von Reformen in dem Überseegebiet gebe.1372 Einen Besuch des Unterausschusses in Angola lehnte die portugiesische Regierung allerdings ab.1373 Im Nachgang zu den Unterredungen in Lissabon wurden dem Vorsitzenden von Seiten Portugals mehrere Dokumente zugesandt. Der Außenminister übersandte mit Brief vom 21. Juli 1961 eine Vielzahl von Informationen zu den Themen Bildung, öffentliche Gesundheit, Problemlagen bei der Behausung, wirtschaftlicher Fortschritt, Verkehrsmittel und Elektrizitätsversorgung, Sozialpolitik, Verwaltung und speziell zur Situation in Nordangola. Den Dokumenten waren zum Teil Fotoalben beigelegt.1374 In einem weiteren Brief, der dem Vorsitzenden des Unterausschusses durch den Ständigen Vertreter Portugals bei den Vereinten Nationen übersandt wurde, waren die Texte von mehreren Dekreten enthalten, durch welche Reformen in den afrikanischen Überseegebieten Portugals befördert werden sollten.1375 Nach der Rückkehr des Ausschussvorsitzenden musste der Unterausschuss seine Arbeitsweise überdenken. Nach einigen Diskussionen kamen die Mitglieder des Unterausschusses zu dem Ergebnis, die Untersuchung der Situation in Angola fortzusetzen und hierzu die besten dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Quellen zu nutzen. Weiterhin beschloss der Unterausschuss den Kongo, einen Nachbarstaat Angolas, zu besuchen und dort, sollte dies möglich sein, Informationen aus erster Hand von angolanischen Gruppen und von Flüchtlingen zu sammeln. Daher wurde an die kongolesische Regierung ein dringendes Ersuchen um Kooperation in der Angelegenheit gerichtet.1376 Am 31. Juli 1961 erhielt der Unterausschuss auf sein Ersuchen eine Antwort der Regierung des Kongo. Diese stimmte einem Besuch sowie der Zusammenarbeit mit dem Ausschuss zu. Der Ausschuss entschied, um zu einem zügigen Abschluss der Untersuchung zu gelangen, nur drei seiner Mitglieder in den Kongo zu entsenden. Der Vorsitzende und der Berichterstatter sollten derweil den Entwurf eines Berichtes des Unterausschusses anfertigen.1377 1371 1372 1373 1374 1375 1376 1377
UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 64. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 65. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 67. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 68. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 69 ff. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 50. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 52.
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Unter der Leitung des Vizevorsitzenden besuchten die Ausschussmitglieder den Kongo vom 9. bis zum 18. August 1961. Hierbei wurden sie von dem Sekretär des Unterausschusses begleitet.1378 Während dieses Aufenthaltes hörten die Ausschussmitglieder Aussagen von Vertretern von sieben angolanischen Gruppen, die den Unterausschuss um eine Anhörung ersucht hatten. Neben den mündlichen Stellungnahmen erhielt der Ausschuss von diesen Gruppen auch schriftliche Materialien. Weiterhin befragten die Ausschussmitglieder noch eine Reihe von angolanischen Flüchtlingen in der kongolesischen Hauptstadt Léopoldville sowie an anderen Orten im Kongo. Insgesamt wurden 21 Anhörungen durchgeführt.1379 Bei ihrer Tätigkeit wurden die Ausschussmitglieder von der kongolesischen Regierung sowie vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und dem kongolesischen Roten Kreuz unterstützt.1380 Neben den Informationen, welche durch die verschiedenen Unterausschussmitglieder in Lissabon und im Kongo über die Situation in Angola gesammelt wurden, erhielt der Ausschuss noch Informationen aus einer Reihe anderer Quellen. Hierzu zählten Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und verschiedene Nichtregierungsorganisationen. Einige Informationen kamen auch von Einzelpersonen. Besonders aktiv waren hierbei protestantische Geistliche und protestantische Organisationen, welche in Angola tätig waren.1381 Der Abschlussbericht des Unterausschusses wurde auf dessen 55. Sitzung am 13. November 1961 einstimmig beschlossen.1382 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht des Unterausschusses wurde am 20. November 1961 durch den Ausschussvorsitzenden an den Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen übermittelt.1383 Der Bericht, der mit 480 Randnummern ausgestattet war, wurde in insgesamt vier Teile aufgegliedert, wobei allerdings keine wirklichen Empfehlungen durch den Ausschuss ausgesprochen wurden. Im ersten Teil des Berichts1384 wurde der Kontext der Entstehung des Mandats des Ausschusses sowie die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Im zweiten Teil1385 wurde die Situation in Angola seit den Zwischenfällen vom Februar 1961 näher betrachtet und die repressiven Maßnahmen Portugals sowie die Gründe, die zu den Unruhen 1378 1379 1380 1381 1382 1383
S. V. 1384 1385
UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 53. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 54. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 55. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 56. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 5. Report of the Sub-Committee on the Situation in Angola, UN Doc. A/4978 von 1962, UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 11 ff. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 72 ff.
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und dem Konflikt in dem südwestafrikanischen Territorium geführt hatten, beleuchtet. Der dritte Teil des Abschlussberichts1386 wurde von dem Ausschuss dem Hintergrund und dem Kontext der Situation in Angola gewidmet. Hierin wurden der verfassungsrechtliche und der einfachrechtliche Status von Angola, der Status der einheimischen Bevölkerung, die Politik hinsichtlich des Gebietes, die Arbeitssituation, Bildung, Gesundheit, Landverteilungsprobleme und wirtschaftliche Rahmenbedingungen dargestellt. Darüber hinaus wurden von dem Ausschuss in diesem Teil des Berichts die damals stark zunehmenden, verschiedenen politischen Forderungen und Bestrebungen in Angola hinsichtlich einer Unabhängigkeit von Portugal einer Betrachtung zugeführt. Im vierten und letzten Teil des Berichts1387 untersuchte der Unterausschuss die internationalen Aspekte der Situation in Angola. Er behandelte dazu die Fragen nach den Effekten der Situation auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten danach, ob sich eine Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit hieraus ergebe, sowie Fragen hinsichtlich einer friedlichen Lösung des Konflikts. bb) Die Generalversammlung nahm die Arbeit des Unterausschusses für die Situation in Angola zur Kenntnis und verlängerte mit der Resolution 1742 (XVI) vom 30. Januar 1962 das Mandat des Ausschusses.1388 Dieser legte einen weiteren Bericht für den Zeitraum vom 13. November 1961 bis zum 8. November 1962 vor, im dem er den weiteren Fortgang der Ereignisse in dem portugiesischen Überseegebiet beschrieb.1389
III. Untersuchungskommissionen in Fällen des Todes bedeutender Persönlichkeiten Die Vereinten Nationen haben einige Untersuchungskommissionen im Zusammenhang mit dem nicht natürlichen Tod bedeutender Persönlichkeiten eingesetzt. Diese Untersuchungen betrafen in einem Falle einen amtierenden Generalsekretär der Weltorganisation; in den übrigen Fällen ging es um Politiker, die in ihren jeweiligen Heimatländern bedeutende Positionen einnahmen. Die Befassung der Vereinten Nationen mit diesen Fällen ist vor dem Hintergrund der Stellung der jeweiligen Personen zu sehen. Dass die Organisation am nicht natürlichen Tod ihres Generalsekretärs interessiert ist, ist aus sich heraus verständlich. In den Fällen der verschiedenen Politiker erklärt sich das Interesse an den Umständen ihres Todes aus der Bedeutung, welche diese Politiker für das politische Geschehen in dem jeweiligen Staat besaßen. Dabei ist eine Befassung einer Internationalen Organisation mit diesen Fragen keinesfalls selbstverständlich. Die Ermittlungen der Umstände des 1386 1387 1388 1389
UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 154 ff. UN Doc. A/4978 von 1962, Rn. 411 ff. UN Doc. A/RES/1742 (XVI) vom 30. Januar 1962. UN Doc. A/5286 vom 8. November 1962.
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Todes einer Einzelperson sind grundsätzlich staatlichen Ermittlungsbehörden, also den Polizeibehörden und den Staatsanwaltschaften in den einzelnen Staaten, überlassen. Es handelte sich aber in allen Fällen, in denen die Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission einsetzte, um politisch instabile Staaten einerseits und andererseits um Personen, die durch ihr politisches Handeln vor ihrem Tod unmittelbar Einfluss auf die Stabilität beziehungsweise Instabilität des betreffenden Staates hatten, und deren Tod sich negativ auf diesen Staat und zum Teil auch auf dessen Beziehungen zu anderen Staaten auswirken konnte. In der Folge hätten sich also durchaus auch Gefährdungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ergeben können. 1. Der Tod von Patrice Émergy Lumumba a) Historischer Hintergrund Patrice Émergy Lumumba war eine bekannte Persönlichkeit der Unabhängigkeitsbewegung in der Kolonie Belgisch-Kongo in den 1950er Jahren.1390 Nach der Unabhängigkeit des Kongo von der belgischen Kolonialherrschaft am 30. Juni 1960 wurde Lumumba zum ersten Premierminister des neuen Staates ernannt, nachdem seine politische Gruppierung Mouvement National Congolais siegreich aus der ersten Parlamentswahl im Mai 1960 hervorgegangen war. Präsident des Kongo wurde Joseph Kasa-Vubu. Westliche Staaten, insbesondere die ehemalige Kolonialmacht Belgien, aber auch die Vereinigten Staaten von Amerika, beäugten die Politik des Sozialisten Lumumba kritisch. Dies vor allem deshalb, weil der Politiker als Gefahr gesehen wurde, die drohte, die im Kongo tätigen Bergbauunternehmen und die großen Plantagen zu verstaatlichen. Am 14. September 1960 kam es im Kongo zu einem coup d’état, bei dem die Streitkräfte, mit Billigung der Vereinigten Staaten von Amerika, unter Oberst Joseph Mobuto die Macht übernahmen. Während Kasa-Vubu weiterhin als Staatsspitze des Kongo fungierte, wurde Lumumba in Léopoldville unter Hausarrest gestellt. Lumumba konnte sich dem Hausarrest allerdings am 27. September 1960 durch eine Flucht entziehen, wurde allerdings kurz darauf entdeckt und gefangen genommen. Die genauen Details der weiteren Geschehnisse sind bis heute umstritten. In groben Umrissen ergab sich wohl das folgende Bild: Nach der Festnahme wurden Lumumba und seine beiden, ebenfalls gefangen genommenen Gefolgsleute, der vormalige Vizepräsident des Senats Joseph Oktio und der ehemalige Jugendminister Maurice Mpolo, Anfang Dezember 1960 in die Kaserne von Thysville im Westen des Kongo gebracht. Als es allerdings bei den dort stationierten Truppen zu Regelver1390 Hierzu und zum Folgenden Ludo De Witte, The Assassination of Lumumba, S. 1 ff.; Emmanuel Gerard/Bruce Kuklick, Death in the Congo: Murdering Patrice Lumumba, S. 1 ff.; Christian M. Sternat, Case Western Reserve Journal of International Law 10 (1978), S. 197 (198 ff.); Edouard Bustin, Review of African Political Economy 29 (2002), S. 537 ff.
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stößen und Disziplinlosigkeit kam, sah man die Sicherheit der Gefangenen bedroht. Es wurde entschieden, sie in das Gebiet Katanga zu bringen, welches sich am 11. Juli 1960 unter Moïse Kapenda Tschombé einseitig für unabhängig vom Kongo erklärt hatte. Am 17. Januar 1961 wurden Lumumba und die anderen Personen dann in die katangische Hauptstadt Élisabethville gebracht. Nach weiterer Gefangenschaft und Folter durch katangische und belgische Offiziere wurden die Gefangenen noch am 17. Januar an einen abgelegenen Platz gebracht und erschossen. Tschombé und einige belgische Offiziere sollen bei der Exekution zugegen gewesen sein. b) Einsetzung der Kommission Der Tod von Patrice Lumumba und seiner Gefolgsleute sowie die problematische Situation im Kongo insgesamt beschäftigten zunächst den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in dessen 942. Sitzung am 20. und 21. Februar 1961. In einer von Ceylon, Liberia und der Vereinigten Arabischen Republik eingebrachten Resolution,1391 die mit neun Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen wurde, entschied der Sicherheitsrat:1392 „A 4. Decides that an immediate and impartial investigation be held in order to ascertain the circumstances of the death of Mr. Lumumba and his colleagues and that the perpetrators of these crimes be punished;“
Allerdings wurde die Frage der Untersuchung des Todes von Partice Lumumba anschließend nicht weiter im Sicherheitsrat behandelt. Vielmehr wurde hierüber in dem damals bestehenden Beratungsausschuss für den Kongo weiterdiskutiert, an den der Generalsekretär die Frage überwiesen hatte. Hierbei wurde vor allem gerügt, dass der Begriff „immediate“ in der Resolution des Sicherheitsrates unpräzise sei und zudem eine schnelle Implementierung dieses Teil der Resolution nur sehr schwer zu erreichen sei. Daher wurde als erster Schritt empfohlen, ein Gremium aus drei unabhängigen Richtern zu benennen, das eine unparteiliche Untersuchung des Todes von Lumumba und seiner Gefährten durchführen sollte. Ein Mitglied dieses Gremiums sollte dabei aus Lateinamerika, ein Mitglied aus Asien und ein Mitglied aus Afrika stammen, wobei letzteres auch den Gremiumsvorsitz innehaben sollte.1393 Nach weiteren Diskussionen empfahl der Beratungsausschuss die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die eine unparteiliche Untersuchung des Todes von Lumumba und seiner Gefährten durchführen sollte; dabei sollte die Kommission sich an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wenden und an die Behörden des Kongo, um jede Information oder jedes Dokument zu erhalten, die beziehungsweise 1391
Resolutionsentwurf in: UN Doc. S/4722 vom 17. Februar 1961. UN Doc. S/4741 vom 21. Februar 1961. Für die Resolution stimmten: Ceylon, Chile, China, Ecuador, Liberia, Türkei, Vereinigte Arabische Republik, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreich und Sowjetunion enthielten sich ihrer Stimme, UN Doc. S/PV.942 vom 20./21. Februar 1961, Rn. 95. 1393 Siehe UN Doc. S/4752 vom 27. Februar 1961, Rn. 9. 1392
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das nach Einschätzung der Kommission der Durchführung ihres Auftrages dienlich sei, sowie jede mündliche oder schriftliche Aussage von Zeugen innerhalb oder außerhalb des Kongo erbitten und auch erhalten. Weiterhin sollte der Kommission das Recht zustehen, von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen volle Kooperation und Unterstützung zu erhalten und die Behörden des Kongo und die dortige Operation der Vereinten Nationen um Unterstützung zu bitten und diese anschließend auch zu erhalten. Letztlich wurde – abweichend vom ursprünglichen Vorschlag – die Anzahl der Kommissionsmitglieder von drei auf vier erhöht. Dabei wurde die Bedeutung der afrikanischen Mitglieder gestärkt, da nun die Regierungen von Birma und Mexiko sowie von Äthiopien und Togo, also von zwei afrikanischen Staaten, die Mitglieder der Untersuchungskommission benennen sollten.1394 Während der Beratungen über verschiedene Fragen und Resolutionen hinsichtlich der Krisensituation im Kongo brachten Indien, Ceylon, Ghana und Marokko auf der 983. Plenarsitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14. April 1961 eine gemeinsame Resolution zur Umsetzung der Entscheidung des Sicherheitsrates vom 21. April 1961 und der anschließenden Empfehlungen des Beratungsausschusses für den Kongo ein.1395 Hiermit sollte der Mangel der Sicherheitsratsresolution überwunden werden, in der kein Hinweis darauf zu finden war, durch wen die Untersuchungskommission hinsichtlich des Todes von Lumumba eingesetzt werden sollte.1396 Der Repräsentant des Kongo wiedersprach dem Ansinnen der vier Staaten, welche die Resolution einbrachten, umgehend.1397 Hierzu führte er an, dass hinsichtlich des Todes von Lumumba eine gewisse Voreingenommenheit herrsche. Außerdem könne sich eine solche Untersuchung nur nach dem Strafgesetzbuch des Kongo richten, der allein zu Untersuchungen in der Angelegenheit befugt sei. Schließlich verabschiedete die Generalversammlung in ihrer 985. Plenarsitzung allerdings doch die Resolution 1601 (XV) mit folgendem Wortlaut:1398 „The General Assembly, Recalling part A, paragraph 4, of the Security Council resolution of 21 February 1961, Taking note of documents S/4771 and Add. 1, 1. Decides to establish a Commission of Investigation consisting of the following members: Justice U Aung Khine (Burma), Mr. Teschome Hailermariam (Ethiopia), Mr. Salvador Martínez de Alva (Mexico), Mr. Ayité d’Almeida (Togo); 1394
UN Doc. S/4771 vom 20. März 1961. UN Doc. A/PV.983 vom 14. April 1961, Rn. 72 f. 1396 UN Doc. A/PV.983 vom 14. April 1961, Rn. 71. 1397 UN Doc. A/PV.983 vom 14. April 1961, Rn. 76 ff. und UN Doc. A/PV.985 vom 15. April 1961, Rn. 163. 1398 UN Doc. A/RES/1601 (XV) vom 15. April 1961. 1395
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2. Requests the Commission to proceed as early as possible to carry out the task entrusted to it.“
Hierbei stimmten 45 Staaten für die Resolution, drei Staaten dagegen und 49 Staaten enthielten sich ihrer Stimme.1399 Der Kommission wurde ein Sekretär zur Seite gestellt.1400 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission traf sich zum ersten Mal in New York am 11. Mai 1961. Dort hielt sie zunächst 16 Treffen ab. Am 17. Juni 1961 reiste die Kommission nach Europa. Zuerst hielt sie eine Sitzung in London ab. Danach reisten die Mitglieder zunächst nach Genf, sodann nach Brüssel und dann wieder nach Genf. Insgesamt traf sich die Untersuchungskommission zu 66 Sitzungen. Von diesen waren 16 Sitzungen der Vernehmung von Zeugen gewidmet. Davon hielt die Kommission vier Sitzungen in New York, zwei Sitzungen in Brüssel und zehn Sitzungen in Genf ab.1401 Die Untersuchungskommission selbst sah ihre Funktion in der Ermittlung von Tatsachen, welche zur Aufklärung der Umstände, die zum Tode von Partice Lumumba und seiner Begleiter geführt hatten, sowie der Ereignisse, die dem unmittelbar vorausgingen sowie nachfolgten, dienten. Da sich diese Funktion nach Auffassung der Untersuchungskommission unmittelbar von einer gerichtlichen Funktion unterscheide, seien keine strengen Regeln hinsichtlich der Beweiserhebung und des Verfahrens vonnöten. Die vordringlichste Aufgabe der Kommission bestehe in der Sammlung der einschlägigen Beweise von allen erreichbaren Quellen. Fragen hinsichtlich der Bestrafung der Täter wurden durch die Untersuchungskommission hingegen als außerhalb ihrer Zuständigkeit liegend angesehen.1402 1399 UN Doc. A/PV.985 vom 15. April 1961, Rn. 217. Für die Resolution stimmten: Afghanistan, Äthiopien, Bolivien, Brasilien, Birma, Ceylon, Chile, Dänemark, Ecuador, Finnland, Ghana, Guinea, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Jemen, Jordanien, Jugoslawien, Kambodscha, Kanada, Kolumbien, Libanon, Liberia, Libyen, Föderation von Malaya, Mali, Marokko, Mexiko, Nepal, Neuseeland, Nigeria, Norwegen, Österreich, Panama, Saudi-Arabien, Schweden, Senegal, Sudan, Togo, Tunesien, Venezuela und Vereinigte Arabische Republik, Kongo, Portugal und Spanien stimmten dagegen, ihrer Stimme enthielten sich: Albanien, Argentinien, Australien, Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Belgien, Bulgarien, China, Costa Rica, Côte d’Ivoire, Dahomey, Dominikanische Republik, El Salvador, Frankreich, Gabun, Griechenland, Guatemala, Haiti, Honduras, Israel, Italien, Kamerun, Kongo (Brazzaville), Kuba, Japan, Laos, Luxemburg, Madagaskar, Nicaragua, Niederlande, Niger, Obervolta, Pakistan, Paraguay, Polen, Rumänien, Somalia, Sowjetunion, Südafrika, Thailand, Tschad, Tschechoslowakei, Türkei, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Ungarn, Uruguay, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Zentralafrikanische Republik und Zypern. 1400 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 4. 1401 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 5. 1402 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 7.
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Bei der Beweiserhebung schöpfte die Untersuchungskommission aus einer Vielzahl verschiedener Quellen. Zunächst wurde von der Kommission dokumentarisches Material ausgewertet, welches vom Generalsekretär zur Verfügung gestellt worden war. Dabei handelte es sich um Dokumente der Generalversammlung und des Sicherheitsrates, welche vor und nach dem Tode Lumumbas herausgegeben worden waren, sowie um Telegramme, die der Generalsekretär durch seinen Sondergesandten im Kongo erhalten hatte, und um Ausschnitte aus verschiedenen Zeitungen, welche über die relevanten Ereignisse berichtet hatten.1403 Die Untersuchungskommission gelangte darüber hinaus zu dem Schluss, dass in Ansehung von Kommentaren, die von einigen Repräsentanten auf den einschlägigen Sicherheitsratssitzungen abgegeben worden seien, einige Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen im Besitz von nützlichen Informationen hinsichtlich des zu untersuchenden Sachverhaltes seien. Daher wurde der Generalsekretär der Vereinten Nationen von der Kommission ersucht, bei allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Herausgabe solcher Informationen nachzufragen.1404 Ein entsprechendes Ersuchen wurde allen Ständigen Missionen bei den Vereinten Nationen am 29. Mai 1961 übermittelt. Brasilien, Norwegen, die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, das Vereinigte Königreich, Australien, Italien, Irland, Frankreich, Österreich, Zypern, Äthiopien, Madagaskar, Neuseeland, Nepal, Liberia, Pakistan, Dänemark, die Niederlande, Thailand, Südafrika, Japan, Gabun und die Philippinen antworteten dem Ersuchen, wobei sie angaben, über keine Informationen zu verfügen, welche für die Arbeit der Untersuchungskommission relevant seien. Die Sowjetunion, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, die Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Bulgarien und die Tschechoslowakei verwiesen in ihren Antworten darauf, dass die Kommission die zuvor abgegebenen Erklärungen in der Sache zu Rate ziehen solle. Jugoslawien gab ebenfalls einige Kommentare ab.1405 Die Untersuchungskommission vernahm eine Vielzahl von Zeugen. Die Zeugen wurden durch den Generalsekretär, die belgische Regierung und in drei Fällen direkt durch die Untersuchungskommission zur Abgabe einer Aussage eingeladen. Bei den Zeugen, die durch den Generalsekretär eingeladen wurden, handelte es sich um Angehörige der Friedensmission der Vereinten Nationen im Kongo (ONUC1406), deren Angehörige sich zum Zeitpunkt der zu untersuchenden Ereignisse in verschiedenen Teilen des Kongo aufgehalten hatten.1407 Einige der Zeugen, welche die Kommission gern vernommen hätte, befanden sich in Belgien. Daher wurden durch die Untersuchungskommission verschiedene Ersuchen an die belgische Regierung 1403
UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 8. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 9. 1405 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 10. Die Antwortschreiben der sozialistischen Staaten sind dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission als Annex III beigegeben, UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961. 1406 Opération des Nations Unies au Congo. 1407 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 11. 1404
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gerichtet, bei der Vernehmung von 15 Personen behilflich zu sein. Von diesen Personen konnten jedoch letztlich nur drei Personen vernommen werden, da die belgische Regierung angab, dass sie die anderen potenziellen Zeugen nicht erreicht habe. Unter denjenigen Personen, die kontaktiert wurden, waren einige, die es ablehnten, vor der Untersuchungskommission zu erscheinen; andere gaben auf die entsprechende Anfrage hin keinerlei Antwort.1408 Obwohl die Untersuchungskommission ihrer Arbeit kein zuvor vorgeschriebenes Verfahren zugrunde legte, folgten die Anhörungen einem bestimmten Muster: Sämtliche Anhörungen wurden nichtöffentlich durchgeführt; in allen Fällen wurde dem jeweiligen Zeugen eine Einführung durch den Kommissionsvorsitzenden gegeben, bei welcher dieser den Zeugen dazu einlud, eine Aussage zu Tatsachen zu treffen, hinsichtlich derer der Zeuge Wissen hatte. Im Anschluss daran machte der Zeuge seine Aussage, anschließend wurde der Zeuge noch von den Kommissionsmitgliedern einer Befragung unterzogen.1409 Zu den Zeugen, die durch die Untersuchungskommission vernommen wurden, gehörten etwa ein indischer General der Truppen der Vereinten Nationen im Kongo1410 sowie der Repräsentant der ONUC-Mission in Elisabethville.1411 Die Kommission versuchte zudem, eines Berichts habhaft zu werden, der aus Katanga zu Beginn des Februars 1961 nach Brüssel gesandt worden war, und der Hinweise zum Tod von Patrice Lumumba enthalten sollte. Ein dringendes Ersuchen um die Übersendung einer beglaubigten Kopie dieses Berichts wurde durch die Kommission an die Regierung Belgiens gerichtet. Die Regierung behauptete allerdings, keine Kenntnis von dem Bericht zu haben.1412 Besondere Schwierigkeiten bereiteten der Untersuchungskommission die Zusammenarbeit mit der kongolesischen Regierung und die damit im Zusammenhang stehenden Versuche der Untersuchungskommission, den Kongo zu besuchen: Von Beginn ihrer Tätigkeit an, wollte die Untersuchungskommission den Kongo besuchen. Grund für diesen Wunsch war die Überzeugung der Kommissionsmitglieder, dass eine effektive und angemessene Durchführung ihres Auftrages nur durch einen Besuch des zentralafrikanischen Staates möglich sei. Für die Kommission war es evident, dass jegliche Materialien und Beweise, die sie erhielt, im Kongo, mithin vor Ort, verifiziert werden müssten. Daher bestand die Hoffnung, dass die kongolesische Regierung mit der Untersuchungskommission zusammenarbeiten und diese unterstützen würde.1413 Trotz verschiedener Versuche und intensiver Anstrengungen, die kongolesische Regierung zu einer Kooperation mit der Untersuchungskommission zu bewegen, blieben die Bemühungen letztlich erfolglos. Nach einem informellen Gespräch mit dem stellvertretenden Ständigen Vertreter des Kongo bei den Vereinten 1408 1409 1410 1411 1412 1413
UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 12. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 14. Siehe etwa UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 56. Siehe etwa UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 60 ff. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 13. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 15.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Nationen entschied die Kommission am 12. Mai 1961, eine Nachricht an den Präsidenten des Kongo zu senden.1414 In dem Schreiben des Kommissionsvorsitzenden1415 vom gleichen Tag wurde um die Erlaubnis nachgesucht, den Kongo betreten zu dürfen. Als es keine sofortige Antwort auf diese Bitte gab, wurde am 24. Mai 1961 der Generalsekretär durch die Kommission ersucht, an den Präsidenten des Kongo in der Weise heranzutreten, die er für die geeignetste hielt, um eine Antwort auf das Schreiben vom 12. Mai zu erhalten.1416 Der Generalsekretär kam dem Ersuchen nach und sandte an den Präsidenten einen Brief, in welchem um eine für die Kommission günstige Entscheidung und Antwort in der Sache gebeten wurde.1417 Nach Erhalt des Briefes des Generalsekretärs wurde der zuständige Offizier der ONUC durch den Außenminister des Kongo darüber informiert, dass dieser die Nachricht vom 12. Mai niemals erhalten habe. Daraufhin wurde sofort eine Kopie der Nachricht nach Léopoldville geschickt, allerdings erhielt die Kommission keine Antwort hierauf, bevor sie New York in Richtung Europa verließ.1418 Am 23. Juni 1961 übermittelte dann der Generalsekretär der Kommission einen Brief des kongolesischen Ministers für Auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel, welcher vom 12. Juni 1961 datierte.1419 Hierin äußerte der Minister die Auffassung, dass es sich bei der Frage des Todes von Lumumba um eine rein interne Angelegenheit des Kongo handele. Die kongolesischen Behörden hätten bereits mit der Untersuchung des Falles begonnen. Einer internationalen Kommission bedürfe es nicht, die parallele Ermittlungen anstelle und die kongolesischen Behörden beaufsichtige. Eine solche Kommission könne allenfalls eine moralische Verantwortlichkeit für die fraglichen Ereignisse etablieren, was als anmaßend und gefährlich zu bewerten sei, bevor die Justiz die strafrechtlichen Untersuchungen abgeschlossen hätte. Auch legte der Minister die Auffassung der Regierung des Kongo dar, dass die Kommissionsarbeit nur dann glaubhaft sei, wenn auch andere Morde in der Region von der Kommission untersucht würden. Die Untersuchungskommission selbst konnte die in dem Schreiben dargelegte Position nicht akzeptieren und bat den Generalsekretär, dem kongolesischen Minister die Kommissionssicht auf die Fragen zu übermitteln,1420 was der Generalsekretär dann auch tat.1421 Als die Kommission die Entscheidung traf, New York gen Europa zu verlassen, war ursprünglich intendiert gewesen, nach einigen Tagen in London, Brüssel und Genf in den Kongo weiterreisen zu können. Die Kommissionsmitglieder hofften darauf, noch eine entsprechende Einladung durch den kongolesischen Präsidenten zu 1414 1415 1416 1417 1418 1419 1420 1421
UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 16. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Annex IV, S. 123 f. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 17. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Annex V, S. 124. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 18. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 19; Annex VI, S. 124 f. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 19. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Annex VII A, S. 125 f.
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erhalten. Falls eine solche Einladung ausbleiben sollte, wollte die Kommission wenigstens in den Kongo einreisen, um dort Mitglieder des ONUC-Personals und andere Ausländer zu befragen. Dies sollte gegen Ende des Monats Juni geschehen. Die entsprechende Absicht wurde sowohl der ONUC als auch dem stellvertretenden Ständigen Vertreter des Kongo bei den Vereinten Nationen in New York mitgeteilt.1422 Am 15. Juni 1961 traf sich die Kommission vor ihrer Abreise noch mit dem Generalsekretär. Bei diesem Treffen teilte der Generalsekretär den Kommissionsmitgliedern die Bedenken mit, mit denen sich der verantwortliche Offizier der ONUC wegen der intendierten Vorgehensweise trug. Aus Sicht der ONUC würden die geplanten Handlungen zum einen als unilaterales Vorgehen gewertet werden können, und zum anderen könne dies dann stattfindende Verhandlungen hinsichtlich der Bildung einer neuen kongolesischen Regierung belasten. Auf der Grundlage dieser Informationen entschied die Kommission, ihre Pläne zu einem späteren Zeitpunkt zu überdenken.1423 Als die Kommission schließlich am 21. Juni 1961 Genf erreichte, erhielt sie eine Nachricht von drei Mitgliedern der ONUC, die mit den Aufgaben der Versöhnung und der Einberufung des Parlaments befasst waren.1424 In der Nachricht, die offenbar in der Erwartung einer baldigen Ankunft der Kommission in Léopoldville verfasst worden war, wurde der Standpunkt vertreten, dass das Eintreffen der Kommission zu Gefühlen des Hasses und der Vergeltung führen könnte, von denen man in Afrika auf der politischen Ebene leicht Gebrauch machen könne. Außerdem würde die Kommission auf ernsthafte technische Probleme im Kongo stoßen, da viele der Personen, welche sie vielleicht zu sprechen wünsche, zum Zeitpunkt des Kommissionsbesuchs mit parlamentarischen Angelegenheiten befasst seien, während welcher ein jeder Kontakt mit der Außenwelt verboten sei. Die Kommission diskutierte die Aussagen und entschied, zwei Wochen zu warten, bevor man den zuständigen ONUC-Offizier darum ersuchen würde, bei der kongolesischen Regierung darum nachzusuchen, eine Einladung an die Kommission auszusprechen. Diesen Schritt wollte die Kommission so verstanden wissen, dass er nur wegen der unklaren Lage im Kongo gegangen würde.1425 Am 6. Juli 1961 stellte sich die Frage eines Besuchs im Kongo für die Kommission erneut. Dabei entschied sie am 13. Juli in den Kongo zu reisen und wies die ONUC entsprechend an. Die ONUC-Mitarbeiter mit der Zuständigkeit für Parlamentsangelegenheiten rieten der Kommission allerdings erneut dazu, ihre Reise in das zentralafrikanische Land zu verschieben, bis zur Eröffnung des Parlaments, der Aufnahme des parlamentarischen Betriebes und der Bildung einer neuen Regierung.1426 Auf diesen Rat hin entschied die Kommission erneut, ihre Abreise in den 1422 1423 1424 1425 1426
UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 20. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 21. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 22; Annex VII B, S. 126 f. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 23. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 24.
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Kongo zu vertagen und ersuchte gleichzeitig den Generalsekretär darum, die Kommission über die aktuelle Situation im Land in Kenntnis zu setzten. Dies tat der Generalsekretär durch Entsendung eines ONUC-Mitarbeiters, der der Kommission am 21. Juli 1961 Bericht über die politischen Verhandlungen erstattete.1427 In dem Bericht des ONUC-Mitarbeiters kam zum Ausdruck, dass das kongolesische Parlament in Kürze zusammentreten werde und dass eine neue Regierung geformt werden würde und in der Folge die Bedingungen für eine effektive Wahrnehmung des Kommissionsmandats im Kongo geschaffen werden könnten. Die Kommissionsmitglieder kamen daher überein, die Situation Woche für Woche, auf der Basis von periodischen Berichten durch die ONUC, zu evaluieren.1428 Nachdem die neue kongolesische Regierung am 2. August 1961 ins Amt gekommen war, ersuchte die Kommission auf ein Anraten von ONUC hin, den neuen Premierminister am 22. August, unter Betonung der Wichtigkeit der Kommissionsarbeit, um die Festlegung eines Datums für den Besuch der Kommission.1429 Hieraufhin erhielt die Kommission einen Tag später eine Eingangsbestätigung.1430 Während die Kommission auf eine Antwort auf ihr Ersuchen an die kongolesische Regierung wartete, beschloss sie, dass ihr Vorsitzender und der Berichterstatter am 22. September 1961 nach Léopoldville reisen sollten, um mit den dortigen Behörden die Arbeit der Kommission zu besprechen. Diese Pläne wurden allerdings in Folge von verschlechterten Sicherheitsbedingungen und politischen Wirren, welche kurz nach der Entscheidung eintraten, wieder fallen gelassen.1431 Am 19. September 1961 erhielt die Kommission eine Antwort der kongolesischen Regierung auf das Ersuchen vom 22. August. In dem Schreiben1432 brachte die Regierung zum Ausdruck, dass sie die Lumumba-Frage als primäres Anliegen des kongolesischen Volkes betrachten würde und sich das Recht vorbehalte, die nötigen Untersuchungen selbst durchzuführen. Daher werde ein Besuch der Kommission als nicht opportun und nutzlos angesehen. Während die Kommission mit den Beratungen über ihren Abschlussbericht befasst war, wurde sie der Anwesenheit von Moïse Tschombé in Genf gewahr. Diesem wurde daraufhin eine Einladung der Kommission überbracht, in welcher er aufgefordert wurde, vor der Kommission zu erscheinen. Da die Kommission keine Antwort auf ihr Schreiben erhielt, ging sie davon aus, dass von Tschombés Seite kein Interesse an einer Befragung seiner Person bestand.1433 1427
UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 25. UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 26. 1429 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 27; Annex VIII, S. 127. 1430 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 27. 1431 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 28. 1432 Das Schreiben ist im Volltext wiedergegeben in: UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 28. 1433 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn 30. 1428
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d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Nach Abschluss der Untersuchungen legte die Kommission dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung einen 124 Randnummern umfassenden Abschlussbericht vor.1434 Dieser Bericht war in drei Kapitel unterteilt. Im ersten dieser Kapitel1435 berichtete die Untersuchungskommission von ihrer Tätigkeit. Im zweiten Kapitel1436 wurden die Umstände beschrieben, die zum Tode von Patrice Lumumba und seiner Begleiter geführt hatten, einschließlich einer Betrachtung der verschiedenen Versionen über den Tod der Personen. Im letzten Kapitel1437 legte die Untersuchungskommission ihre Schlussfolgerung zu den Geschehnissen dar. bb) Die Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass die Gefangenen nach ihrer Ankunft in Élisabethville am 17. Januar 1961 getötet worden seien, und zwar höchstwahrscheinlich in Anwesenheit von hohen Beamten der Regierung von Katanga. Die eigentlichen Tötungen seien von belgischen Söldnern durchgeführt worden. Die Kommission wies darauf hin, dass der kongolesische Präsident KasaVubu und dessen Gehilfen sowie die Regierung von Katanga nicht der Verantwortung für den Tod von Lumumba und dessen Begleitern entgehen sollten.1438 2. Der Tod von Dag Hammarskjöld a) Historischer Hintergrund Der schwedische Politiker Dag Hammarskjöld war im Jahre 1961 Generalsekretär der Vereinten Nationen, und damit die zweite Person, die dieses Amt bekleidete.1439 In die Zeit von Hammarskjölds zweiter Amtszeit fielen auch die blutigen Kämpfe auf dem Gebiet der ehemaligen Kolonie Belgisch-Kongo. Im Jahre 1960, als die Dekolonialisierung des Territoriums stattfand, wurde in dessen südöstlicher Provinz Katanga durch den Politiker Moïse Tschombé die Unabhängigkeit dieses Gebietes von dem jungen Staat Kongo ausgerufen. Die Vereinten Nationen versuchten in dem Konflikt zwischen Katanga und dem Kongo zu vermitteln. Nachdem die Lage in Katanga im September 1961 eskaliert war, entschloss sich Hammarskjöld, persönlich nach Afrika zu reisen, um dort zu vermitteln. 1434 Report of the Commission of Investigation established under the terms of General Assembly resolution 1601 (XV) of 15 April 1961, veröffentlicht als Dokument des Sicherheitsrates: UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961 und als Dokument der Generalversammlung: UN Doc. A/4964 vom 11. November 1961. 1435 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 1 ff. 1436 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 32 ff. 1437 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 124. 1438 UN Doc. S/4976 vom 11. November 1961, Rn. 124. 1439 Hierzu und zum Folgenden Susan Williams, Who Killed Hammarskjöld?, S. 1 ff.; Oscar Schachter, American Journal of International Law 56 (1962), S. 1 ff.; Bengt Rösiö, The Journal of Modern African Studies 31 (1993), S. 661 ff.; auch Henning Melber, Review of African Political Economy 41 (2014), S. 458 ff.
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Am 18. September 1961, nach Mitternacht, verunglückte das gecharterte Flugzeug von Hammarskjöld, der auf dem Weg nach Katanga zu einem Treffen mit Tschombé war, nahe der Grenzstadt Ndola in Nordrhodesien. Bei dem Absturz kamen die 16 Insassen der Maschine ums Leben. Die Ursachen des Absturzes blieben unklar. Vermutungen gingen in verschiedene Richtungen. So wurden Navigationsfehler und technische Defekte ebenso vermutet wie ein Abschuss oder Sabotage durch eine der an dem Kongokonflikt beteiligten Parteien. Rhodesien setzte kurz darauf einen Untersuchungsausschuss sowie eine Untersuchungskommission hinsichtlich des Vorfalles ein. Diese Gremien nahmen sodann zügig Ermittlungen auf. b) Einsetzung der Kommission Die Generalversammlung befasste sich mit der Frage einer internationalen Untersuchung hinsichtlich des Todes von Dag Hammarskjöld auf ihrer 1042. Plenarsitzung am 26. Oktober 1961.1440 Zuvor hatten verschiedene Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Generalversammlung darum ersucht, auf ihre Agenda einen Tagesordnungspunkt hinsichtlich einer internationalen Untersuchung der Umstände des Todes des Generalsekretärs und der diesen begleitenden Personen aufzunehmen. Diesen Ersuchen wurde stattgegeben.1441 In der Sitzung der Generalversammlung am 26. Oktober 1961 wurde die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission mit breiter Zustimmung diskutiert. So brachte etwa der Repräsentant Indiens vor, dass die Natur des Ereignisses die öffentliche Meinung in der Welt und in der internationalen Gemeinschaft in tiefgreifender Weise berühren würde. Wegen der Tiefe der damit einhergehenden Besorgnis müsse eine internationale Untersuchung stattfinden. Daher seien die Vereinten Nationen berufen, eine solche Untersuchung durchzuführen.1442 Der Repräsentant Venezuelas wies darauf hin, dass man das Andenken des verstorbenen Generalsekretärs und dasjenige seiner Begleiter zu schützen habe.1443 Der Repräsentant Ghanas betonte die Notwendigkeit einer unabhängigen Untersuchung.1444 Die Repräsentanten von Zypern und Honduras machten schließlich deutlich, dass die Spekulationen und Gerüchte um den Absturz dringend aufgeklärt werden müssten.1445 Schließlich verabschiedete die Generalversammlung mit 97 Stimmen, und damit ohne Gegenstimme, die Resolution 1628 (XVI)1446.1447 In dieser hieß es im Hinblick auf eine Untersuchung des Todes von Hammarskjöld: 1440 1441 1442 1443 1444 1445 1446
UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961. UN Doc. A/4896/Add. 4 vom 11. Oktober 1961. UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961, Rn. 24. UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961, Rn. 46. UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961, Rn. 59. UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961, Rn. 70, 80. UN Doc. A/RES/1628 (XVI) vom 26. Oktober 1961.
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„3. Decides that an investigation of an international character, under the auspices of the United Nations, should be held immediately into all the conditions and circumstances surrounding this tragedy, and more particularly as to: (a) Why the flight had to be undertaken at night without escort; (b) Why its arrival at Ndola was unduly delayed as reported; (c) Whether the aircraft, after having established contact with the tower at Ndola lost that contact, and the fact of its having crashed did not become known until several hours afterwards, and if so, why; (d) Whether the aircraft, after the damage it was reported to have suffered earlier from firing by aircraft hostile to the United Nations, was in a proper condition for use; 4. Further decides to appoint a Commission of five eminent persons to carry out such an investigation, and requests the Commission to report its findings to the President of the General Assembly within three months of its appointment; 5. Requests all Governments and parties concerned and the appropriate specialized agencies of the United Nations to extend their full co-operation and assistance to the said Commission in making this investigation;“
Die Kommissionsmitglieder stammten nach einem weiteren Beschluss aus Sierra Leone, Argentinien, Schweden, Nepal und Jugoslawien.1448 Die Kommission wählte das nepalesische Mitglied zum Vorsitzenden der Kommission und das argentinische Mitglied zum Berichterstatter.1449 Der Untersuchungskommission wurde ein Sekretariat zur Seite gestellt. Zwei Beamte der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation wurden der Kommission als Berater zugewiesen, und zwar für die Bereiche Luftrecht sowie Aeronautik.1450 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission kam zu ihrem ersten Treffen in New York am 15. Dezember 1961 zusammen; die Sitzungen dauerten bis zum 22. Dezember 1961. Dort wurden zunächst die Wahlen des Kommissionsvorsitzenden und des Berichterstatters durchgeführt. Danach erörterte die Kommission ihr Arbeitsprogramm sowie ihre Arbeitsorganisation und klärte ihr Verhältnis zu den Untersuchungen, die in der Sache bereits von rhodesischer Seite durchgeführt wurden. Bereits auf der ersten Sitzung begann die Untersuchungskommission damit, Zeugen zu hören. Hierunter war ein Mitarbeiter der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation, der als Beobachter der Vereinten Nationen dem rhodesischen Untersuchungsausschuss zugewiesen worden war. Daneben hörte die Kommission noch drei weitere Zeugen, darunter einen hohen Beamten der Vereinten Nationen zu den allgemeinen Sicher-
1447 1448 1449 1450
UN Doc. A/PV.1042 vom 26. Oktober 1961, Rn. 81. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 14. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 31. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 14.
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heitsverfahren, die zum Schutze des Generalsekretärs der Weltorganisation einzuhalten waren.1451 In der Folge reiste die Untersuchungskommission nach Zentralafrika. Sie hielt ihre zweite Sitzung vom 24. bis zum 30. Januar 1962 in der kongolesischen Hauptstadt Léopoldville ab. Auf dieser Sitzung hörte die Kommission einen Bericht des zweiten Beobachters der Vereinten Nationen bei dem rhodesischen Untersuchungsausschuss. Weiterhin unterzog die Untersuchungskommission sämtliche Zeugen einer Anhörung, die zu diesem Zeitpunkt im Kongo zugegen waren, ob sie Auskunft über die Planung, Organisation, die Sicherheitsvorkehrungen und die Kommunikation hinsichtlich des Fluges von Hammarskjöld oder hinsichtlich der Besatzung des Flugzeuges geben konnten. Unter diesen Zeugen befanden sich unter anderem der Kommandeur der Truppen der Vereinten Nationen im Kongo sowie der britische Botschafter. Daneben hörte die Untersuchungskommission noch weitere Zeugen an, die sich in Léopoldsville aufhielten, oder die extra zu dem Zwecke dorthin gekommen waren, vor der Untersuchungskommission eine Aussage zu machen. Unter diesen Zeugen waren auch Vertreter der schwedischen Fluglinie, von der das Flugzeug gechartert worden war. Insgesamt hörte die Kommission 23 Zeugen. Acht weitere Zeugen wurden nur von dem Kommissionsvorsitzenden oder dem Hauptsekretär der Kommission vernommen, welche gegenüber der Untersuchungskommission anschließend über die Befragungen Bericht erstatteten.1452 Im weiteren Fortgang der Untersuchungen reiste die Untersuchungskommission nach Nordrhodesien. Dort wurden Räumlichkeiten für die Abhaltung der Sitzungen der Kommission durch die rhodesische Regierung zur Verfügung gestellt, unter anderem das Gebäude des Obersten Bundesgerichts.1453 Im Übrigen wurden mit Rhodesien zahlreiche Maßnahmen vereinbart, welche allerdings nicht immer problemfrei abliefen. So wurde nach einem Austausch zwischen dem Vorsitzenden der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen und dem Vorsitzenden der von rhodesischer Seite eingerichteten Untersuchung vereinbart, dass eine Koordinierung des jeweiligen Arbeitsprogramms der beiden Kommissionen nützlich sei und durchgeführt werden solle.1454 Weiterhin wurde vereinbart, dass von rhodesischer Seite Aufzeichnungen über die eigenen Verfahren der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt würden und dass die rhodesischen Behörden der Untersuchungskommission so weit als möglich rhodesische Zeugen zur Verfügung stellen würden. Die Kommission der Vereinten Nationen sollte dafür den rhodesischen Ermittlungsstellen alle relevanten Beweise zur Verfügung stellen, welche erstere im Kongo gesammelt hatte. Zudem wurde vereinbart, dass diese Kommission ihre Guten Dienste zur Verfügung stellen solle, um das Erscheinen von Zeugen vor der rhodesischen Untersuchungskommission zum Zwecke von Aussagen 1451 1452 1453 1454
UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 31. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 32. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 57. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 48.
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zu sichern.1455 Ein weiterer problematischer Punkt der Zusammenarbeit zwischen der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen und der rhodesischen Untersuchungskommission betraf die Frage der gegenseitigen Repräsentation. Nach rhodesischem Recht war vorgesehen, dass als Parteivertreter vor einem öffentlichen Untersuchungsgremium nur ein Jurist auftreten konnte, der in Rhodesien zur Anwaltschaft zugelassen war. Um es Mitgliedern der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen trotzdem zu ermöglichen, offiziell und rechtmäßig vor der rhodesischen Untersuchungskommission aufzutreten, wurden diese von der rhodesischen Regierung ermächtigt, den Vertreter der Vereinten Nationen zu akkreditieren und ihm die Rechte und Privilegien eines Parteivertreters zu gewähren, namentlich das Recht Zeugen zu befragen, das Recht sich an die Kommission zu wenden und das Recht Beweise zu präsentieren. Die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen stimmte ihrerseits zu, dass ein Repräsentant der rhodesischen Regierung sowie Repräsentanten anderer interessierter Regierungen bei allen öffentlichen Sitzungen der Untersuchungskommission zugegen sein dürften.1456 Eine weitere klärungsbedürftige Frage zwischen Rhodesien und der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ergab sich im Hinblick auf die Anhörung von Zeugen. Die rhodesischen Behörden vertraten die Auffassung, dass die Rechtsregeln Rhodesiens hinsichtlich des Umgangs mit Zeugen ohne besondere Gesetzgebung nicht für die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen anwendbar gemacht werden könnten und eine Rechtsänderung auch nicht mehr rechtzeitig herbeigeführt werden könne. Daher sei es für die Untersuchungskommission nicht möglich, Zeugen vorzuladen, Zeugen zu vereidigen oder gegen Zeugen Ordnungsmaßnahmen zu verhängen. Weiterhin könne Aussagen von Zeugen vor der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen auch kein privilegierter Status zugesprochen werden.1457 Die rhodesischen Behörden sicherten der Untersuchungskommission jedoch zu, dass alle Staatsbediensteten von rhodesischer Seite, welche die Kommission zu hören wünsche, auch vor dieser, auf ein Ersuchen hin, erscheinen würden. Außerdem würde Hilfestellung hinsichtlich von Zeugen geleistet, welche freiwillig vor der Kommission aussagen wollten. In der Praxis stellte sich das Erscheinen von Zeugen vor der Kommission später allerdings in keinem Falle als Problem heraus.1458 Allerdings sah es die Kommission als problematisch an, dass die Zeugen, die vor der Kommission aussagen wollten, nach rhodesischer Auffassung keinen besonderen Schutz genießen sollten. Nach Auffassung der Untersuchungskommission genossen solche Zeugen, schon in Folge ihres Auftritts, für ihre Aussagen einen privilegierten Status.1459 Die rhodesischen Behörden gaben die Zusage, dass von staatlicher Seite aus 1455
UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 49. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 50. Zu den rhodesischen Vertretern vgl. Rn. 43 f. 1457 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 54. 1458 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 55. 1459 Die Untersuchungskommission sah dies als ein allgemeines Rechtsprinzip an und verwies zur Begründung zudem auf Artikel 105 der Charta der Vereinten Nationen. 1456
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keinerlei Aktionen gegen Personen unternommen würden, die vor der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen erscheinen und/oder dort aussagen würden.1460 Bevor die Anhörungen in Rhodesien begannen, gab die Untersuchungskommission eine Mitteilung heraus, in der sie Personen, welche über Informationen hinsichtlich der Ereignisse um den Flugzeugabsturz verfügten, aufforderte, vor der Kommission als Zeugen auszusagen.1461 Diese Mitteilung wurde in der afrikanischen und englischen Presse verbreitet und im Radio gesendet. Daneben wurden auch Plakate in diversen afrikanischen Sprachen sowie in englischer Sprache in und in der Nähe von Ndola aufgehängt und unter den Afrikanern, die in der Nähe des Absturzortes lebten, verteilt. Diese Aktion führte dazu, dass fünf Personen, die nicht bereits zuvor in anderen Verfahren gehört worden waren, vor der Kommission erschienen, um dort auszusagen.1462 Die erste Sitzung der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen auf dem Gebiet von Rhodesien fand vom 31. Januar bis zum 7. Februar 1962 statt. Auf dem Flug von Léopoldville nach Salisbury überflog die Untersuchungskommission die Unglücksstelle, um sich hierüber einen Eindruck aus der Luft verschaffen zu können.1463 Die öffentlichen Anhörungen in Salisbury dauerten vom 2. bis zum 7. Februar 1962. In dieser Zeit hörte die Untersuchungskommission insgesamt 15 Zeugen, darunter zwei Mitglieder des schwedischen Untersuchungsteams, welche an der Arbeit des rhodesischen Untersuchungsausschusses beteiligt waren, das britische Mitglied des rhodesischen Untersuchungsausschusses, den obersten Ermittler in medizinischen Angelegenheiten sowie Personal der Luftraumkontrolle in Salisbury und des dortigen Fluginformationszentrums. Die Untersuchungskommission besuchte zudem das Fluginformationszentrum am Flughafen von Salisbury und den dortigen Kontrollturm.1464 Vom 8. bis zum 14. Februar 1962 hielt die Untersuchungskommission öffentliche Anhörungen in Ndola ab. Hier hörte die Kommission 28 Zeugen. Darunter waren viele Personen, welche das Flugzeug kurz vor dem Unglück gesehen hatten, die Polizeibeamten, die die Unglücksstelle als erste erreichten, Personal des Flughafens und der Luftraumüberwachung in Ndola sowie Ärzte und Krankenhauspersonal. Daneben besuchte die Kommission die Absturzstelle und nahm die Wrackteile in Augenschein, die am Flughafen von Ndola in einem Hangar aufbewahrt wurden. Weiterhin wurden der Tower des Flughafens und Orte, von denen aus Zeugen den Absturz beobachtet hatten, besucht.1465 1460 1461 1462 1463 1464 1465
UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 56. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 45. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 46. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 33. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 34. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 35.
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Eine weitere Sitzung in Salisbury wurde durch die Untersuchungskommission vom 15. bis zum 16. Februar 1962 abgehalten. In dieser Zeit hörte die Kommission die Mitglieder des rhodesischen Untersuchungsausschusses an, sowie eine Krankenschwester, die ein Opfer des Absturzes in einem Krankenhaus betreut hatte.1466 Vom 21. Februar bis zum 8. März 1962 hielt die Untersuchungskommission ihre finale Sitzung ab. Dort hörte sie den britischen Unterstaatssekretär im Außenministerium und den schwedischen Repräsentanten in dem rhodesischen Untersuchungsausschuss an. Daneben fanden noch Anhörungen des Direktors des Europäischen Büros der Vereinten Nationen und des Neffen von Hammarskjöld statt, der unmittelbar nach dem Absturz nach Ndola gereist war. Letztlich hörte die Untersuchungskommission noch abschließende Stellungnahmen von Vertretern Schwedens, des Vereinigten Königreichs sowie von Rhodesien. Im Anschluss erstellte die Kommission den Abschlussbericht; die Arbeiten hieran dauerten bis zum 8. März 1962.1467 Insgesamt hörte die Kommission im Laufe der Untersuchungen 90 Zeugen.1468 Bei den Befragungen ging die Untersuchungskommission dergestalt vor, dass sie die aussagewilligen Personen nicht verhörte, sondern über die Geschehnisse aus ihrer Sicht berichten ließ. Die Kommissionsmitglieder und die Vertreter interessierter Regierungen hatten dabei das Recht, die Zeugen zu befragen.1469 Neben den während der verschiedenen Sitzungen gesammelten Zeugenaussagen stützte sich die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen insbesondere auch auf die Unterlagen des rhodesischen Untersuchungsausschusses und der rhodesischen Untersuchungskommission in der Sache. Das von diesen Gremien angesammelte Material umfasste unter anderem einen detaillierten technischen Bericht über das Flugzeugwrack, einen detaillierten medizinischen Bericht über die Untersuchung der Opfer des Absturzes und die Aussagen aller Zeugen, die vor den beiden rhodesischen Gremien ausgesagt hatten.1470 Weiterhin ließ die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen noch besondere materialwissenschaftliche Untersuchungen an dem Wrack der Unglücksmaschine vornehmen. Zweck dieser Untersuchungen war es, herauszufinden, ob fremde Materialien in das Wrack gelangt waren, insbesondere Explosivstoffe, Kugeln oder Fragmente von Granaten oder Raketen. Hierfür wurde durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen ein besonderer Experte benannt, der mit den
1466 1467 1468 1469 1470
UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 36. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 37 f. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 41. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 42. UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 39.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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rhodesischen Behörden bei dieser Frage zusammenarbeitete. Fremde Materialien wurden in dem Wrack letztendlich nicht aufgefunden.1471 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission legte einen 68 Seiten starken Abschlussbericht über ihre Tätigkeit vor, der am 24. April 1962 durch den Generalsekretär an den Präsidenten der Generalversammlung übermittelt wurde.1472 Der Bericht gliederte sich in fünf Teile: Nach der Einleitung1473 wurde im zweiten Kapitel1474 der Abflug des Flugzeugs von Léopoldville beschrieben. Im dritten Kapitel1475 beleuchtete die Kommission den Absturz des Flugzeugs. Das vierte Kapitel war der Such- und Rettungsaktion nach dem Absturz gewidmet.1476 Im fünften Kapitel1477 fasste die Untersuchungskommission ihre Sichtweise der Geschehnisse zusammen. bb) Die Kommission konnte abschließend keine hinreichenden Beweise auffinden, durch welche die Ursachen für den Absturz des Flugzeuges und damit für den Tod Hammarskjölds und der übrigen Personen hinreichend erklärt worden wären. Unter anderem wurde auch ein Pilotenfehler als mögliche Ursache gesehen.1478 1471 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 47. Es handelte sich bei diesem Experten um den Leiter der wissenschaftlichen Abteilung bei der Polizei von Zürich. 1472 Report of the Commission of Investigation into the Conditions and Circumstances resulting in the tragic Death of Mr. Dag Hammarskjöld and of Members of the Party accompanying him, UN Doc. A/5069 von 24. April 1962. 1473 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 1 ff. 1474 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 59 ff. 1475 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 84 ff. 1476 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 158 ff. 1477 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 202 ff. 1478 UN Doc. A/5069 von 24. April 1962, Rn. 206. Bis in die späten 2010er Jahre blieb die Ursache für den Flugzeugabsturz ungeklärt. Am 29. Dezember 2016 verabschiedete jedoch die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Konsens die Resolution 71/260 (UN Doc. A/ RES/71/260 vom 31. Januar 2017). Diese Resolution war von Hammarskjölds Heimatland Schweden sowie einer Vielzahl weiterer Staaten (Ägypten, Algerien, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Ecuador, El Salvador, Estland, Finnland, Frankreich, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Irland, Island, Italien, Kanada, Kroatien, Lettland, Libanon, Liberia, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Marokko, Moldau, Mongolei, Montenegro, Myanmar, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Sambia, Schweiz, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tansania, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn und Zypern) eingebracht worden (UN Doc. A/71/L.25 vom 23. November 2016); das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika blieben hingegen fern. Die Resolution griff vom Generalsekretär am 2. Juli 2015 empfohlene Maßnahmen (UN Doc. A/70/L.9 vom 13. November 2015 und UN Doc. A/70/132 vom 2. Juli 2015, S. 1 ff.) auf, und verlangte von den Staaten, dass diese Einsicht in die in ihrem Besitz befindlichen Dokumente gewähren sollten, die weitere Hinweise auf die Ursachen für den Absturz von Hammarskjölds Flugzeug beinhalten könnten. Weiterhin wurde der Generalsekretär in der Resolution mandatiert, eine namhafte Persönlichkeit mit weiteren Untersuchungen in der Angelegenheit zu betrauen. Der
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neue Generalsekretär António Guterres ernannte am 8. Februar 2017 den ehemaligen Generalstaatsanwalt von Tansania Mohamed Chande Othman. Dieser hatte zuvor bereits das Unabhängige Expertenpanel geleitet, welches durch die Generalversammlungsresolution 69/249 vom 29. Dezember 2014 (UN Doc. A/RES/69/249 vom 11. Februar 2015) eingesetzt worden war, und dessen Bericht (UN Doc. A/70/132 vom 2. Juli 2015, S. 7 ff.) zur erneuten Befassung mit der Hammarskjöld-Frage führte. Am 24. Juli 2017 legte Othman seinen Bericht vor, der am 5. September 2017 durch den Generalsekretär an die Mitglieder der Generalversammlung weitergeleitet wurde (UN Doc. A/71/1042 vom 5. September 2017). Auf der Grundlage von bisher weithin unterschlagenen Berichten von Augenzeugen, die von dem Ermittler als glaubwürdig erachtet wurden, würde sich der Verdacht erhärten, dass sich zur Zeit des Landeanflugs von Hammarskjölds Flugzeug auf das sambische Ndola noch mindestens eine weitere Maschine in der Luft befunden haben müsse, und zwar in unmittelbarer Nähe zu dem Flugzeug, das den Generalsekretär der Vereinten Nationen transportierte. Wahrscheinlich habe Hammarskjölds Maschine bereits vor dem Aufschlag auf dem Boden Feuer gefangen, und sei vor dem Absturz beschossen oder durch anderweitige Flugmanöver beeinflusst worden. Othman zeigt sich in dem Bericht „fast sicher“, dass es in den Archiven von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen noch immer relevante Informationen zum Hergang des Absturzes gebe. Der tansanische Jurist schlussfolgerte, dass nunmehr die Beweislast auf die Mitgliedstaaten übertragen werden müsse. Diese hätten den Nachweis zu erbringen, dass eine umfassende Überprüfung aller, auch der geheimen Dokumente in ihren Archiven stattgefunden habe. Othman empfahl weiterhin, dass der Generalsekretär oder eine vom ihm beauftrage Person die Angelegenheit weiterverfolgen solle; auch sollten die relevanten Mitgliedstaaten dieser Person Zugang zu ihren Archiven ermöglichen und die Vereinten Nationen sollten eigene Dokumente zum Tod von Dag Hammarskjöld, die bislang als geheim eingestuft waren, auf eine mögliche Deklassifizierung hin prüfen. Am 28. November 2017 wurde der Generalversammlung ein erneut von Schweden initiierter und wiederum von einer Vielzahl weiterer Mitgliedstaaten (Ägypten, Albanien, Algerien, Andorra, Angola, Armenien, Aserbaidschan, Äthiopien, Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Burundi, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Ecuador, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Ghana, Guatemala, Irland, Island, Jordanien, Kap Verde, Kenia, Kroatien, Lettland, Libanon, Liberia, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Marschall-Inseln, Mazedonien, Mikronesien, Moldau, Monaco, Montenegro, Myanmar, Namibia, Neuseeland, Niederlande, Niger, Norwegen, Österreich, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Samoa, San Marino, Schweiz, Serbien, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Sudan, Südkorea, Tschechische Republik, Ungarn, Zentralafrikanische Republik und Zypern) eingebrachter Resolutionsentwurf (UN Doc. A/72/ L.19 vom 28. November 2017) vorgelegt. Erneut blieben das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika dem Entwurf fern. Der Entwurf nahm die Empfehlungen von Ermittler Othman auf. Hierin war unter anderem vorgesehen, dass alle Mitgliedstaaten zur Freigabe aller einschlägigen Dokumente gedrängt werden. Weiterhin wurde der Generalsekretär ersucht, sich zu vergewissern, dass alle diesbezüglichen Dokumente der Weltorganisation zur Einsicht freigegeben werden und in den relevanten Mitgliedstaaten ohne Aufschub eine unabhängige, hochrangige Person mit der Durchführung einer ernsthaften Untersuchung aller Aktenbestände beauftragt wird. Der Entwurf wurde am 24. Dezember 2017 von der Generalversammlung als Resolution 72/252 unverändert angenommen (UN Doc. A/RES/72/252 vom 23. Januar 2018). Allerdings wurde das Budget von 357.000 US-$ für die weitere Untersuchung um zehn Prozent gekürzt. Dies und die fortbestehende Kooperationsverweigerung des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika in der Angelegenheit lassen die Chancen sinken, verbindliche Ergebnisse zu der Ursache des Todes von Dag Hammarskjöld zu erreichen. Allerdings zeigt die Vielzahl der Mitgliedstaaten, die an der Untersuchung interessiert sind, wie hoch, auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach dessen Tod, noch immer das Interesse an einer Aufklärung des Schicksals dieses Generalsekretärs der Vereinten Nationen ist. Vgl. Henning Melber, Vereinte Nationen 66 (2018), S. 31.
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3. Der Tod von Benazir Bhutto a) Historischer Hintergrund Mohtarma Benazir Bhutto war eine pakistanische Politikerin und zeitweise Anführerin der Pakistanischen Volkspartei (Pakistan Peoples Party – PPP). Sie übte zweimal, nämlich in den Jahren 1988 bis 1990 sowie 1993 bis 1996, das Amt der Premierministerin in ihrem Land aus.1479 Zu Beginn ihrer ersten Amtszeit war sie die erste Regierungschefin in einem Staat der islamischen Welt. Radikale Islamisten riefen nach ihrer Wahl zu einem „Heiligen Krieg“ gegen Bhutto auf. Gewaltakte, die in der Folge das öffentliche Leben in Pakistan überschatteten, führten zu mehreren hundert Todesopfern. Ihre beiden Amtszeiten endeten jeweils, aufgrund von Korruptionsvorwürfen, vorzeitig. Seit 1999 lebte Bhutto gemeinsam mit ihrer Familie im Exil in den Vereinigten Arabischen Emiraten, da ihr in Pakistan mit Angriffen auf ihr Leben gedroht wurde. Im Jahr 2007 entschloss sich Bhutto zu einer Rückkehr in die pakistanische Politik.1480 Sie kehrte im Oktober des Jahres in ihre Heimatstadt Karachi zurück. Im Vorfeld hierzu wurden Bhutto gegenüber erneut Attentatsdrohungen ausgesprochen, welche von dem radikalen Terrornetzwerk Al-Qaeda ausgingen. Daneben traf die Rückkehr der Politikerin auch auf den Widerstand des amtierenden Präsidenten Pervez Musharraf. Dieser war kurz vor der Rückkehr von Bhutto am 6. Oktober 2007 erneut zum Präsidenten gewählt worden. Allerdings war diese Wiederwahl verfassungsrechtlich hoch umstritten, da die Zulässigkeit einer erneuten Amtszeit fragwürdig war. In der pakistanischen Bevölkerung wurde die Rückkehr von Bhutto in den südasiatischen Staat teilweise begrüßt und gefeiert. Allerdings kam es bereits kurz nach ihrer Rückkehr zu einem ersten Anschlag auf Bhuttos Leben. Auf dem Weg vom Flughafen Karachis zu einer Gedenkstätte in der Stadt detonierten zwei Sprengsätze. Durch die Explosionen wurden 139 Personen getötet. Die Politikerin selbst überlebte das Attentat ohne Verletzungen. Bhutto vermutete Gefolgsleute des ehemaligen Militärmachthabers Mohammed Zia ul-Haq hinter der Aktion. Um die politische Situation in Pakistan zu beruhigen, schlossen Musharraf und Bhutto einen Kompromiss über die Machtfrage. Musharraf sollte im Amt bleiben und dafür den Posten des Chefs der Streitkräfte aufgeben sowie eine Verfassungsänderung aus dem Jahr 2002 zurücknehmen, die es einem Premierminister gestattete, nur zwei Amtszeiten tätig zu sein. Bhutto sollte erneut das Amt der Premierministerin bekleiden, und es sollten Korruptionsvorwürfe gegen sie fallen gelassen werden. 1479 Hierzu und zum Folgenden Yasir Hussain, The Assassination of Benazir Bhutto, S. 1 ff.; Heraldo Muñoz, Getting Away With Murder, S. 23 ff.; Lawrence Siring, Asian Survey 31 (1991), S. 113 ff.; Saeed Shafqat, Asian Survey 36 (1996), S. 655 ff. 1480 Hierzu und zum Folgenden Alec E. Metz, The Culture & Conflict Review 2/1 (2008), S. 1 ff.
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Am 3. November 2007 verhängte Musharraf den Ausnahmezustand. Dies wurde von Bhutto scharf kritisiert. Nachdem sie in Rawalpindi zu Protesten aufgerufen hatte, wurde Bhutto unter einen befristeten Hausarrest gestellt. Am 8. Januar 2008 sollte ein neues Parlament gewählt werden. Bei einer Wahlkampfveranstaltung für die Parlamentswahlen in Rawalpindi kam es am 27. Dezember 2007 zu einem Attentat. Als Bhutto gerade zu ihren Anhängern auf der Kundgebung sprach, erschütterte eine Explosion die Szene. In der Folge wurde zusätzlich noch auf das Fahrzeug der Politikerin geschossen. Bei diesem Angriff wurden Benazir Bhutto sowie 24 weitere Personen getötet, 91 Menschen wurden verletzt. b) Einsetzung der Kommission Die Kommission zur Untersuchung des Attentats auf Benazir Bhutto ging nicht initiativ von den Vereinten Nationen aus. Vielmehr wandte sich die pakistanische Regierung im Mai 2008 mit der ausdrücklichen Bitte, eine internationale Untersuchungskommission einzusetzen, an den Generalsekretär der Vereinten Nationen.1481 Dem Schreiben war der Entwurf einer Aufgabenbeschreibung für die einzusetzende Kommission beigegeben.1482 Der Generalsekretär teilte sein Ansinnen, dem Wunsch Pakistans zu entsprechen, dem Präsidenten des Sicherheitsrates durch einen Brief vom 2. Februar 2009 mit.1483 Der Präsident des Sicherheitsrates teilte dem Generalsekretär durch einem Brief vom Folgetag mit, dass er die Mitglieder des Sicherheitsrates unterrichtet habe und diese ihre Zustimmung zu der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission geäußert hätten.1484 Der Untersuchungsauftrag für die Kommission wurde durch den Generalsekretär wie folgt gefasst: „1. At the request of the Government of Pakistan that the Secretary-General establish an international commission for the purpose of investigating the assassination, on 27 December 2007, of the former Prime Minister of Pakistan, Mohtarma Benazir Bhutto, and after extensive consultation with Pakistani officials as well as with members of the Security Council, I have decided to appoint a three member Commission of Inquiry to determine the facts and circumstances of the assassination of the former Prime Minister. 2. In the conduct of its inquiry, the Commission shall enjoy full cooperation of the Government of Pakistan. The Government shall comply with the requests of the Commission for assistance in collecting the required information and testimony, and shall provide it with the necessary facilities to enable it to discharge its mandate. It shall, in particular, guarantee to the Commission: (a) Freedom of movement throughout the territory of Pakistan, including facilities of transport; 1481 1482 1483 1484
Vgl. UN Doc. S/2009/67 vom 3. Februar 2009, S. 1. UN Doc. S/2009/67 vom 3. Februar 2009, Annex. UN Doc. S/2009/67 vom 3. Februar 2009, S. 1. UN Doc. S/2009/68 vom 3. Februar 2009, S. 1.
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(b) Free access to all places and establishments relevant to the work of the Commission; (c) Freedom of access to all information, including documentary material and physical evidence, freedom to interview representatives of governmental, as well as other institutions and, in principle, any individual whose testimony is considered necessary for the fulfilment of its mandate; (d) Appropriate security arrangements for the personnel, documents, premises and other property of the Commission; (e) Protection for all who appear before or provide information to the Commission in connection with the inquiry, no such person shall, as a result of such appearance or information, suffer harassment, threats of intimidation, ill-treatment, reprisals, or any other prejudicial treatment; (f) Privileges, immunities and facilities necessary for the independent conduct of inquiry. In particular, members of the Commission shall enjoy the privileges and immunities accorded to experts on mission under article VI of the 1946 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, and to officials under articles V and VII of the Convention. 3. The Commission may approach third States with a request for cooperation in the collection of material or information relevant to the case and provision of expert personnel. In so doing, it may seek the assistance of the Government of Pakistan. 4. The Commission shall be composed of a panel of three eminent personalities having the appropriate experience and a reputation for probity and impartiality. The panel shall be assisted by the necessary staff as well as by administrative, security and technical staff. 5. The location of the Commission of Inquiry shall be determined by the Secretary-General. 6. The Commission shall submit its report to the Secretary-General within six month from the start of its activities. The Secretary-General will share the report with the Government of Pakistan and submit it to the Security Council for information. 7. The Commission shall by funded by voluntary contributions from Members States. A United Nations trust fund will be utilized to receive such contributions. 8. The Commission shall commence its activities on a date to be determined by the Secretary-General, which will be officially communicated to the Government of Pakistan.“
Es stand von Beginn an fest, dass der Kommission keine, wie auch immer geartete Kompetenz zustand, eine strafrechtliche Bewertung der Ereignisse um den Tod von Bhutto vorzunehmen. In den Konsultationen mit dem Generalsekretär hatte Pakistan von Beginn an klargestellt, dass die Tätigkeit der Kommission auf reine Tatsachenfeststellungen begrenzt sein und die Aufgabe, strafrechtliche Verantwortlichkeiten festzustellen, bei den pakistanischen Behörden verbleiben sollte.1485 Die Untersuchungskommission bestand aus drei Mitgliedern. Diese wurde vom Generalsekretär wegen ihrer Erfahrungen und ihrer bekannten Redlichkeit und Unabhängigkeit ausgewählt. Zum Vorsitzenden der Untersuchungskommission wurden der Ständige Vertreter Chiles bei den Vereinten Nationen, Heraldo Muñoz, ernannt; weitere Mitglieder waren Marzuaki Darusman, ein ehemaliger Generalstaatsanwalt aus Indonesien, sowie Peter FitzGerald, ein ehemaliger stellvertre1485
UN Doc. S/2009/67 vom 3. Februar 2009.
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tender Polizeipräsident aus Irland.1486 Aus der Auswahl der beiden letztgenannten Kommissionsmitglieder ist ersichtlich, wie sehr es bei dem zu ermittelnden Sachverhalt auf Expertise im Bereich polizeilicher Ermittlungen ankam. Die Kommissionsmitglieder wurden bei ihrer Tätigkeit von einer kleinen Gruppe von Experten aus den Bereichen Recht, kriminalistische Untersuchungen sowie politische Angelegenheiten unterstützt.1487 Ursprünglich war vorgesehen, dass die Kommission dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sechs Monate nach dem Beginn ihrer Tätigkeit Bericht erstatten sollte. Da die Kommission ihre Arbeit am 1. Juli 2009 aufnahm, hätte der Bericht dem Generalsekretär eigentlich zum Ende des Monats Dezember 2009 vorgelegt werden sollen. Um allerdings der Kommission tiefergehende Nachforschungen in einzelnen Bereichen zu ermöglichen, wurde das Kommissionsmandat durch den Generalsekretär bis zum 31. März 2010 verlängert.1488 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission nahm ihre Arbeit offiziell am 1. Juli 2009 auf, nachdem durch das Sekretariat der Vereinten Nationen Mittel zur Unterstützung der Kommission eingeworben worden waren, die Verwaltungsstrukturen für die Kommission errichtet worden waren sowie das Personal bereitstand.1489 Die Kommissionsmitglieder reisten im Juli und im September 2009 und nochmals im Februar 2010 nach Pakistan. Dort trafen sie zu Befragungen mit Bürgern und Staatsvertretern zusammen. Es wurden mehr als 250 Personen befragt, wobei die Befragungen zum Teil in Pakistan, zum Teil außerhalb Pakistans durchgeführt wurden.1490 Viele der Personen, mit denen die Kommission sprach, verlangten Anonymität. Diese wurde durch die Kommission hergestellt, indem auf eine Liste der Befragten als Annex zum Abschlussbericht und in der Regel auf die Nennung von Namen in diesem Bericht verzichtet wurde.1491 Daneben kontaktierte die Kommission noch eine Reihe von Vertretern fremder Regierungen sowie in einigen Fällen auch deren Geheimdienste.1492 Neben den durchgeführten Befragungen nahm die Kommission zudem hunderte von Dokumenten, Videos, Fotografien und anderes Dokumentationsmaterial in Augenschein, die beziehungsweise das ihr durch die Behörden in Pakistan sowie von 1486 Report of the United Nations Commission of Inquiry into the facts and circumstances of the assassination of former Pakistani Prime Minister Mohtarma Benazir Bhutto (der Bericht ist ohne offizielle UN-Dokumentennummer online veröffentlich worden, daher wird er in der Folge nur als Bhutto-Bericht betitelt) vom 15. April 2010, Rn. 3. 1487 Bhutto-Bericht, Rn. 3. 1488 Bhutto-Bericht, Rn. 4, 6. 1489 Bhutto-Bericht, Rn. 4. 1490 Bhutto-Bericht, Rn. 5. 1491 So finden sich in dem Bericht etwa Informationen wie „Sources informed the Commission…“, Bhutto-Bericht, Rn. 133. 1492 Bhutto-Bericht, Rn. 6.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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anderer Seite zur Verfügung gestellt wurden beziehungsweise wurde.1493 Zu diesen Quellen zählte etwa ein von Bhutto verfasstes Buch mit dem Titel „Reconciliation“, in welchem sie über Manipulationen bei vergangenen Wahlen in Pakistan schrieb.1494 Auch Medienberichte wurden durch die Kommission herangezogen.1495 Die Kommission erhielt bei ihrer Arbeit signifikante Unterstützung durch die Regierung Pakistans. Allerdings mahnte die Kommission in ihrem Abschlussbericht ihr Unverständnis darüber an, dass sie von einigen hochrangigen Repräsentanten der pakistanischen Regierung daran gehindert worden sei, Zugang zu Quellen des Militärs und der Geheimdienste zu erhalten.1496 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der 266 Randnummern starke Abschlussbericht der Untersuchungskommission, den diese am 15. April 2010 in New York abschloss, war in fünf Abschnitte unterteilt. Nach der Einführung1497 folgte im zweiten Abschnitt1498 eine Beschreibung der Fakten und Umstände des untersuchten Falles. Im dritten Abschnitt1499 setzte sich die Kommission zunächst mit den Bedrohungen auseinander, welchen sich Bhutto ausgesetzt sah. Weiterhin fanden sich in diesem Abschnitt Ausführungen zu Verantwortlichkeiten für das Attentat sowie möglichem strafwürdigen Verhalten. Im vierten Abschnitt1500 legte die Untersuchungskommission ihre wichtigsten Erkenntnisse nieder und im fünften Abschnitt1501 fanden sich einige abschließende Bemerkungen. bb) In ihren abschließenden Bemerkungen, welche eine Mischung aus Schlussfolgerungen und Empfehlungen darstellten, zog die Untersuchungskommission vor allem eine sehr negative Bilanz hinsichtlich der Rolle des pakistanischen Staates bei dem Attentat auf Benazir Bhutto. Zunächst stellte die Kommission fest, dass die Täter, die für die Tötung verantwortlich seien, der Justiz übergeben werden müssten. Daher sollten die Behörden Pakistans sicherstellen, dass die weitere Untersuchung in dem Fall mit allen nötigen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet sei und dass die Durchführung prompt und umfassend auf allen Ebenen sowie ohne Behinderungen geschehe.1502 Bis zu dem damaligen Zeitpunkt seien die Leistungen der Polizei bei der Aufklärung des Attentats unzureichend gewesen; hierbei habe zur 1493 1494 1495 1496 1497 1498 1499 1500 1501 1502
Bhutto-Bericht, Rn. 5. Bhutto-Bericht, Rn. 32. Bhutto-Bericht, Rn. 135. Bhutto-Bericht, Rn. 6. Bhutto-Bericht, Rn. 1 ff. Bhutto-Bericht, Rn. 8 ff. Bhutto-Bericht, Rn. 199 ff. Bhutto-Bericht, Rn. 259. Bhutto-Bericht, Rn. 260 ff. Bhutto-Bericht, Rn. 260.
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Aufklärung der Wahrheit sowohl die nötige Unabhängigkeit als auch der politische Wille gefehlt. Daher wurde den pakistanischen Behörden geraten, eine unabhängige Überprüfung in dieser Sache durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.1503 Auch seien die Sicherheitsvorkehrungen für Bhutto verheerend unzureichend und ineffektiv gewesen. Hierzu schlug die Untersuchungskommission ebenfalls die Durchführung einer unabhängigen Überprüfung und die Zurrechenschaftziehung der Verantwortlichen vor. Zudem wurde der pakistanischen Regierung nahegelegt, ihre Sicherheitsarrangements für Personen, welche höchster Sicherheit bedürften, zu überprüfen.1504 Insgesamt wurde Pakistan eine Reform der Polizei angeraten, bei welcher demokratische Prinzipien und die Menschenrechte eine gewichtige Rolle spielen sollten.1505 Auch wurde die Rolle der Geheimdienste in Pakistan bemängelt. Diese würden dort den demokratischen Prozess unterminieren und sollten ebenfalls einer Überprüfung unterzogen werden.1506 Letztlich wies die Untersuchungskommission noch darauf hin, dass der Mord an Bhutto Teil einer Geschichte von politisch motivierter Gewalt in Pakistan sei, die mit Straflosigkeit in Verbindung stehe. Daher sollte in Pakistan eine gänzlich unabhängige Wahrheitsund Versöhnungskommission eingerichtet werden, welche politische Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen und den Terrorismus der letzten Jahre untersuchen solle.1507
IV. Untersuchungskommissionen in Fällen von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts Die Entsendung von internationalen Kommissionen zur Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und auch des humanitären Völkerrechts bildet in der gegenwärtigen Praxis der Vereinten Nationen einen Schwerpunkt. Die Förderung der Grundfreiheiten und Menschenrechte war dabei als Zweck der Vereinten Nationen bereits von Beginn an in ihrer Charta in Artikel 1 Abs. 3 und Artikel 55 lit. (c) verankert. Nach Artikel 56 der Charta der Vereinten Nationen verpflichten sich alle Mitgliedstaaten zudem gemeinsam und jeder für sich, mit der Weltorganisation zur Erreichung dieses Ziels zusammenzuarbeiten. Zudem befassen sich die Vereinten Nationen auch mit Problemlagen des humanitären Völkerrechts.1508 Dies liegt nicht
1503
Bhutto-Bericht, Rn. 261. Bhutto-Bericht, Rn. 262. 1505 Bhutto-Bericht, Rn. 263. 1506 Bhutto-Bericht, Rn. 264. 1507 Bhutto-Bericht, Rn. 265. 1508 Siehe etwa die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen UN Doc. A/RES/2675 (XXV) vom 9. Dezember 1970, in der klargestellt wird, dass die grundlegenden Menschenrechtsgewährleistungen auch in Zeiten bewaffneter Konflikte fortgelten. 1504
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zuletzt in der Komplementarität und der Wechselbezüglichkeit des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts begründet.1509 1. Buddhisten-Krise in Südvietnam a) Historischer Hintergrund Im Jahr 1963 überschattete die sog. Buddhistenkrise das politische Leben in Südvietnam.1510 Die große Mehrheit der Bevölkerung war zu Beginn der 1960er Jahre buddhistischen Glaubens. Der Premierminister Südvietnams Ngo Dinh Diem war hingegen Katholik, ebenso der Rest der Staatsführung. Von der Regierung Diem gingen eine Vielzahl von staatlichen Maßnahmen aus, von welchen sich die Mitglieder der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit diskriminiert sahen. Auslöser der eigentlichen Krise war ein am 7. Mai 1963 erlassenes staatliches Verbot des Hissens der Fahne der Buddhisten an deren höchstem Feiertag, dem Tag von Vesakh. Als der Tag von Vesakh am 8. Mai begangen wurde, wurde das Verbot durch Buddhisten, durch das Hissen der buddhistischen Fahne, gebrochen. In der Stadt Hué kam es zu einer größeren Demonstration, welche vom Militär aufgelöst wurde. Hierbei kam es auch zu mehreren Todesopfern. In der Folge ereigneten sich weitere Proteste, insbesondere von Mönchen, die gewalttätig von den südvietnamesischen Sicherheitskräften aufgelöst wurden. Daneben waren Buddhisten auch einer Reihe weiterer Repressionen in dem südostasiatischen Staat ausgesetzt. Ikonographisch für die Situation steht die Selbstverbrennung des Mönchs Thich Quang Duc auf dem Platz der Nationalversammlung in Saigon am 11. Juni 1963, welche, auf einer Fotografie festgehalten, weltweit bekannt wurde. Die Buddhistenkrise endete zu Beginn des Monats November, nachdem die Armee Südvietnams gegen die Regierung von Diem putschte, diesen gefangen nahm und schließlich erschoss. 1509
Vgl. zu dieser Problematik statt vieler Daniel Thürer, International Humanitarian Law: Theory, Practice, Context, S. 125 ff. und die Regelung in I. A. 2. der Resolution 5/1 des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom 18. Juni 2007, in welcher zu den zu berücksichtigenden Rechtsgrundlagen des Mechanismus der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des Menschenrechtsrates formuliert ist: „In addition to the above and given the complementary and mutually interrelated nature of international human rights law and international humanitarian law, the review shall take into account applicable international humanitarian law.“ Die parallele Anwendbarkeit von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten in bewaffneten Konflikten hat der Internationale Gerichtshof bestätigt, vgl. ICJ, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Gutachten vom 8. Juli 1996, ICJ Reports 1996, S. 226 (240); ICJ, Legal Consequences of the Construction of a Wall in Occupied Palestinian Territory, Gutachten vom 9. Juli 2004, ICJ Reports 2004, S. 136 (178). Zum Zusammenspiel von humanitärem Völkerrecht mit den Regeln des Menschenrechtsschutzes in der Praxis von Untersuchungskommissionen Marco Odello, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 199 ff. 1510 Hierzu und zum Folgenden Seth Jacobs, Cold War Mandarin: Ngo Dinh Diem and the origins of America’s War in Vietnam, 1950 – 1963, S. 1 ff.; Charles A. Joiner, Asian Survey 4 (1964), S. 915 ff.; Adam Roberts, The World Today 21 (1965), S. 240 ff.; Edward Miller, Modern Asian Studies 49 (2015), S. 1903 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
b) Einsetzung der Kommission Die Einsetzung der Untersuchungskommission für Südvietnam ging auf einen Brief der Repräsentanten bei den Vereinten Nationen von Afghanistan, Algerien, Kambodscha, Ceylon, Guinea, Indien, Indonesien, der Mongolei, von Nigeria, Pakistan, Ruanda, Sierra Leone, Somalia sowie Trinidad und Tobago an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zurück, welchem sich später noch Mali sowie Nepal anschlossen.1511 Dieser Brief, welcher die Überschrift „The violation of human rights in South Viet-Nam“ trug, beinhaltete die Forderung, die Menschenrechtssituation in der Republik Vietnam hinsichtlich der dortigen Buddhisten auf die Tagesordnung der 18. Sitzungsperiode der Generalversammlung zu setzen. Auf seiner 153. Sitzung am 18. September 1963 entschied der Generalausschuss der Generalversammlung, der Generalversammlung zu empfehlen, als Sache 77 „The violation of human rights in South Vietnam“ auf die Agenda der 18. Sitzungsperiode zu nehmen.1512 Diesem Ersuchen kam die Generalversammlung am 20. September 1963 auf ihrem 1210. Plenartreffen nach.1513 Die Generalversammlung nahm dann die Angelegenheit auf ihrem 1232. Treffen am 7. Oktober 1963 auf. Nachdem der Repräsentant von Ceylon in die Problematik eingeführt hatte,1514 verkündete der Generalsekretär, dass er zwei Briefe vom Leiter der Ständigen Mission der Republik Viet-Nam erhalten habe. Dieser erkläre darin, dass die Regierung Südvietnams ihn ersucht habe, durch den Präsidenten der Generalversammlung und den Generalsekretär eine Einladung auszusprechen, nach der die Repräsentanten einiger Mitgliedstaaten Südvietnam in Kürze besuchen sollten, um die wahre Situation des Verhältnisses zwischen der dortigen Regierung und der vietnamesischen buddhistischen Gemeinschaft zu ergründen.1515 Der Repräsentant von Costa Rica machte daraufhin den Vorschlag, dass die Generalversammlungen diese Einladung annehmen solle, um eine „very serious and careful examination of all the available facts“ durchzuführen.1516 Der Präsident der Generalversammlung wandte sich sodann formell an die Versammlung und fragte diese, ob es Widerspruch dahingehend gebe, den Vorschlag der Regierung von Südvietnam anzunehmen und vor der Weiterführung der Debatte über die Menschenrechtssituation dort, eine Mission aus Repräsentanten von Mitgliedstaaten zusammenzustellen, die so schnell als möglich in das südostasiatische Land aufbrechen solle, um die Fakten zu untersuchen und der Generalversammlung Bericht zu erstatten, damit diese ihre Be-
1511 UN Doc. A/5489 vom 4. September 1963. Siehe dazu auch das erklärende Memorandum in: UN Doc. A/5489/Add. 1 vom 13. September 1963. 1512 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 2. 1513 UN Doc. A/PV.1210 vom 20. September 1963, Rn. 75. 1514 UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 1 ff. 1515 UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 93. 1516 UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 95.
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ratungen im Lichte des Berichts fortsetzen könne.1517 Der Repräsentant der Sowjetunion opponierte gegen diesen Plan und schlug seinerseits, wie dies die Sowjetunion bereits in früheren Sachverhalten mit Bezug zu Indochina getan hatte, vor, den Ko-Vorsitzenden der Genfer Konferenz von 1954 darum zu ersuchen, die Internationale Kommission für Beaufsichtigung und Kontrolle1518 mit der Untersuchung in der Sache zu beauftragen. Diese sollte dann wiederum dem Ko-Vorsitzenden Bericht erstatten, der seinerseits vor dem Ende der 18. Sitzungsperiode der Generalversammlung Bericht erstatten solle.1519 Der Repräsentant des Vereinigten Königreichs hatte hingegen Zweifel daran, dass der Ko-Vorsitzende der Genfer Konferenz kompetent sei, mit der Angelegenheit umzugehen oder sie an die Internationale Kommission für Beaufsichtigung und Kontrolle zu übertragen.1520 Nach diesen beiden Äußerungen erklärte der Repräsentant von Costa Rica, dass er einen Resolutionsentwurf hinsichtlich der Frage einreichen werde, und regte eine Vertagung der weiteren Diskussion an,1521 welche von der Versammlung auch beschlossen wurde.1522 In der Folge legten die Delegationen von Chile und Costa Rica einen Resolutionsentwurf vor,1523 nach dem der Präsident der Generalversammlung instruiert werden sollte, eine Kommission aus Repräsentanten von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu errichten, um Informationen in Südvietnam zu sammeln. Auf der 1234. Plenarsitzung nahm die Generalversammlung die Diskussionen über die Menschenrechtslage in Südvietnam wieder auf. Hierbei unterrichtete ihr Präsident sie allerdings davon, dass der von Costa Rica und Chile vorgelegte Resolutionsentwurf zurückgezogen worden sei. Daraufhin verkündete der Generalversammlungspräsident, dass er, im Angesicht der Einladung aus Südvietnam, davon ausgehe, dass gewünscht werde, dass er weitere Maßnahmen in der Angelegenheit ergreifen solle. Da es keinen Widerspruch hierzu gab, wurde die Beratung von Sache 77 vertragt.1524 Anlässlich des 1239. Plenartreffens der Generalversammlung am 11. Oktober 1963 gab der Präsident schließlich eine Erklärung ab, nach der er, auf der Basis des Briefes des Leiters der Ständigen Mission von Südvietnam bei den Vereinten Nationen, eine Mission benannt habe. Den Zweck der Mission und damit deren Mandat umschrieb der Präsident der Generalversammlung wie folgt:1525
1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525
UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 98. Siehe hierzu schon 3. Teil § 2 B. I. 5. a). UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 99 ff. UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 106 ff. UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 111 f. UN Doc. A/PV.1232 vom 7. Oktober 1963, Rn. 114. UN Doc. A/L.425 and Add. 1 vom 7. Oktober 1963/10. Oktober 1963. UN Doc. A/PV.1234 vom 8. Oktober 1963, Rn. 82 ff. UN Doc. A/PV.1239 vom 11. Oktober 1963, Rn. 171, 173.
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„The purpose of this mission, as indicated in the letter of 4 October 1963, is to visit the Republic of Viet-Nam so as to ascertain the facts of the situation in that country as regards relations between the Government of the Republic of Viet-Nam and the Viet-Namese Buddhist community.“
Er benannte Mitglieder aus Afghanistan, Brasilien, Ceylon, Costa Rica, Dahomey, Marokko sowie aus Nepal.1526 Der Repräsentant Afghanistans wurde zum Vorsitzenden der Mission bestimmt.1527 Des Weiteren wurde durch den Präsidenten der Generalversammlung für die Durchführung des Mandats Eile angemahnt, damit es noch zu einer Berichterstattung während der laufenden Sitzungsperiode der Generalversammlung kommen könne.1528 Nach ihrer Errichtung wurden der Mission durch den Generalsekretär, zur Unterstützung ihrer Tätigkeit, vier Mitglieder des Sekretariats der Vereinten Nationen zur Seite gestellt. Einer dieser Personen wurde die Rolle des Hauptsekretärs der Mission zugewiesen, der zwei Assistenten erhielt. Das vierte Sekretariatsmitglied fungierte als Pressereferent der Mission. Das Sekretariat der Wirtschaftskommission für Asien und den Fernen Osten stellte zudem zwei Übersetzer für die Missionsarbeit bereit.1529 c) Durchführung der Untersuchung Die Mitglieder der Mission fanden sich zunächst zu vier Arbeitssitzungen in New York zwischen dem 14. und dem 21. Oktober 1963 zusammen.1530 Dort verabschiedete die Mission ihre Verfahrensordnung und ihren Arbeitsplan1531. Außerdem 1526
UN Doc. A/PV.1239 vom 11. Oktober 1963, Rn. 171. UN Doc. A/PV.1239 vom 11. Oktober 1963, Rn. 172. 1528 UN Doc. A/PV.1239 vom 11. Oktober 1963, Rn. 174. 1529 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 6. 1530 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 7. 1531 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex II, S. 77 f. Die Verfahrensordnung der Mission wurden von dieser wie folgt gefasst: „Officers 1. The Chairman of the Mission having been appointed by the President of the General Assembly, the Mission shall elect at its first meeting a Rapporteur from among its members. 2. If the Chairman is absent from a meeting, the Rapporteur shall preside. 3. The Secretary-General of the United Nations shall designate a Principal Secretary and shall provide the staff required by the Mission. 4. The Principal Secretary shall keep the members of the Mission informed of any questions which should be brought before it for consideration. 5. The Principal Secretary or his representative may make oral as well as written statements of the Mission. 6. The Principal Secretary or shall be responsible for all the necessary arrangements for meetings of the Mission. Quorum, power of the Chairman, voting 7. A majority of the members of the Mission shall constitute a quorum. 1527
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wurde das Mitglied aus Marokko zum Berichterstatter der Mission gewählt.1532 Hinsichtlich der Verfahrensordnung und des Arbeitsplans wurde, mit Zustimmung des Präsidenten der Generalversammlung, bestimmt, dass diese Dokumente nicht öffentlich gemacht werden sollten. Eine generelle Beschreibung ihres Inhalts wurde allerdings der Sondermission von Südvietnam bei den Vereinten Nationen durch den Präsidenten der Generalversammlung mitgeteilt, um die Information der südvietnamesischen Regierung hierüber sicherzustellen.1533
8. The Chairman shall declare the opening and closing of each meeting of the Mission, shall direct the discussion, ensure observance of these rules, accord the right to speak, put questions to the vote and announce decisions. The Chairman, subject to these rules, shall control the proceedings of the Mission and the maintenance of order at its meetings. 9. Each member of the Mission shall have one vote. 10. Decisions of the Mission shall be taken by a majority of the members present and voting. For the purpose of these rules, the phrase ,members present and voting‘ means members casting an affirmative or negative vote. Members who abstain from voting are considered as not voting. 11. Members of the Mission shall have the right to register an explanation of their votes in the final report of the Mission. Terms of reference of the Mission 12. The Mission is an ad hoc fact-finding body and has been established to ascertain the facts of the situation as regards the alleged violations of human rights by the Government of the Republic of Viet-Nam in its relations with the Buddhist community of that country. 13. The Mission shall seek factual evidence. The Mission shall collect information, conduct on-the-spot investigations, receive petitions and hear witnesses. The impartiality of the Mission shall be demonstrated at all times. Collection of information 14. The Mission in collecting information shall keep itself informed on: (a) The provisions of the law and regulations in force in the Republic of Viet-Nam; (b) Writings and articles in the Press; (c) Activities of organizations interested in the observance of human rights. On-the-spot investigations 15. The Mission shall carry out on-the-spot verifications or investigations. 16. The itinerary for the visits shall be drawn up on the basis of a detailed study of the regions and the incidents in respect of which complaints are presented to the Mission. Petitions 17. The Mission shall receive petitions from individuals, groups or associations. 18. The Mission shall proceed in private session to examine petitions and subject their acceptance to a preliminary examination. The petitions should indicate the dates, the place and the facts to which the precise allegations relate. Hearing of witnesses 19. The Mission shall decide on the witnesses from whom it shall hear evidence. Such witnesses may include persons under restriction and the Mission shall make arrangements to hear such persons under conditions as it may deem necessary. 20. Each witness before testifying shall take an oath. Public statements 21. Statements or comments to the Press shall be strictly avoided, except those agreed to unanimously by the members of the Mission. Statements shall be issued on behalf of the Mission by the Chairman or by the spokesman appointed by him.“ 1532 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 7. 1533 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 8.
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Bevor die Mission zu Vor-Ort-Untersuchungen nach Südvietnam aufbrach, gab ihr Vorsitzender eine Pressemeldung heraus. Hierin erinnerte er daran, dass es sich bei der Mission um ein ad-hoc-Fact-Finding-Gremium handele, und er betonte die Unparteilichkeit der Mission. Vor dem Hintergrund verschiedener Presseberichte aus Saigon, die nahe legten, dass es bei der Ankunft der Mission in der südvietnamesischen Hauptstadt zu gewalttätigen Ausschreitungen und Demonstrationen kommen könne, rief der Missionsvorsitzende in der Pressemeldung alle hieran beteiligten Parteien auf, während der Zeit des Missionsbesuches in Südvietnam von Demonstrationen Abstand zu nehmen. Da man offensichtlich Zweifel daran hatte, dass die Pressemeldung auch in den südvietnamesischen Medien verbreitet wurde, beinhaltete die Pressemeldung einen entsprechenden Appell.1534 Die Mission konnte sich in der Folge allerdings davon überzeugen, dass die Pressemeldung in den vietnamesischen Zeitungen in englischer, französischer und vietnamesischer Sprache erschien.1535 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ersuchte zudem die Regierung der Schweiz, durch den schweizerischen Beobachter bei den Vereinten Nationen, der Mission die Guten Dienste des Generalkonsulats der Schweiz in Saigon angedeihen zu lassen. Das Generalkonsulat möge der Mission ihre Einrichtungen zur Verfügung stellen, um ihre Dokumente sicher verwahren zu können und für die Übermittlung von kodierten Nachrichten vom und zum Hauptsitz der Vereinten Nationen zu sorgen. Die Regierung der Schweiz willigte ein, dem Ersuchen des Generalsekretärs nachzukommen, allerdings unter der Bedingung, dass die Regierung Südvietnams ihr Einverständnis gebe. Das Einverständnis wurde am 25. Oktober 1963 erteilt.1536 Die Missionsmitglieder erreichten Saigon am 24. Oktober 1963 und wurden dort zunächst vom Generalsekretär des südvietnamesischen Außenministeriums und anderen Beamte dieses Ministeriums begrüßt. In Anwesenheit von Medienvertretern wurden die Inhalte der früheren Presseerklärung nochmals wiederholt.1537 Im weiteren Verlauf dieses Tages besprach die Mission in einigen Sitzungen zunächst das Besuchsprogramm, zu welchem sie von der südvietnamesischen Regierung eingeladen worden war.1538 Hinsichtlich dieses Programms, welches zahlreiche Teilnahmen an offiziellen Empfängen und auch touristische Teile enthielt, entschied die Mission der südvietnamesischen Regierung mitzuteilen, dass sie sich hauptsächlich auf die Ermittlungen konzentrieren wolle und daher erstrebe, das angedachte Besuchsprogramm zu reduzieren. Im Übrigen wurden noch Fragen des Auftretens der Mission nach außen während des Besuchs in Südvietnam besprochen, und Fragen
1534
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 9; Annex III, S. 78. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 10. 1536 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 36. 1537 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 12. 1538 Die Einladung mit dem Besuchsprogramm ist wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex V, S. 78 f. 1535
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hinsichtlich der Auswahl von Zeugen diskutiert.1539 Die Mission beschloss zudem, dass gegenüber der südvietnamesischen Regierung klargestellt werden sollte, dass die Mission vorhabe, die Untersuchungen nach eigenem Ermessen durchzuführen und ihr Programm in Vietnam selbst zu bestimmen.1540 Bevor die Mission vom Hauptquartier der Vereinten Nationen aus aufgebrochen war, hatte sie bereits eine Liste von Vorwürfen zusammengestellt, welche gegenüber der südvietnamesischen Regierung erhoben worden waren. Es wurde entschieden, dass diese Liste erweitert werden solle, wenn neue Vorwürfe erhoben würden, solange sich die Mission in Südvietnam aufhalten würde. Der Missionsvorsitzende bat die anderen Mitglieder der Mission zudem, Namen von Zeugen und anderen Personen, von religiösen Institutionen und von Führungspersönlichkeiten verschiedener Organisationen zu benennen, welche die Mission zu sehen wünsche. Auf der Grundlage dieser Informationen sollte dann eine entsprechende Liste zusammengestellt werden. Letztlich wurden von der Mission die Fragen besprochen, welche man den Zeugen bei den baldigen Befragungen stellen könne.1541 Am 24. Oktober 1963 traf die Mission zu einem ersten Gespräch mit dem südvietnamesischen Außenminister zusammen. Dieser sicherte der Mission zu, dass diese frei darin wäre, überall dort hinzugehen, wo sie es wünsche, und versprach alles zu tun, um der Mission ihre Aufgabe der objektiven und unparteiischen Tatsachenermittlung zu erleichtern. Eine ähnliche Zusammenarbeitszusage erhielt die Mission durch den südvietnamesischen Innenminister am gleichen Tag.1542 Nach einer Audienz beim Präsidenten von Südvietnam wurden die geplanten Aktivitäten der Mission auch mit dem politischen Berater des Präsidenten anlässlich eines Zusammentreffens am 25. Oktober 1963 erörtert. Der Berater versprach der Mission, dieser Zugang zu allen Dokumenten zu gewähren, welche die Beziehungen der Regierung zu der Buddhisten-Frage beträfen. Auch wurde der Mission versprochen, dass sie Zugang zu den Gefängnissen erhalten würde, in denen Mönche als Resultat der vorangegangenen Ereignisse inhaftiert seien sowie zu Jugendlagern, in denen sich einige junge Menschen zu „Diskussionen mit den Behörden“ befänden.1543 Im weiteren Verlauf des 25. Oktobers sollten von der Mission drei Pagoden besichtigt werden. Während zwei Besuche stattfanden, wurde der dritte Besuch von offizieller Seite in letzter Minute abgesagt. Man erklärte der Mission, dass die Mönche in der Pagode, insbesondere die beiden Mönche, welche die Mission zu sehen wünschte, am späten Nachmittag müde seien. Allerdings war dieser Besuch, der erst für den frühen Nachmittag geplant war, von der Regierung zuvor, ohne Konsultation mit der Mission, verlegt worden. Später wurde die Mission zudem 1539 1540 1541 1542 1543
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 13 ff. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 16. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 17. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 18. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 19.
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gewahr, dass die beiden Mönche, welche die Mission als Gesprächspartner ausgewählt hatte, tatsächlich in der Pagode gewartet hatten, um die Missionsmitglieder dort zu empfangen. Der Mission wurde im Anschluss hieran versichert, dass sie die Pagode jederzeit besuchen könne, wobei der Vormittag die beste Zeit sei, und dass die beiden Mönche dort warten würden.1544 Basierend auf dem allgemeinen Angebot zur Zusammenarbeit, welches auf dem ersten Treffen der Mission mit dem Außenminister und dem politischen Berater des Präsidenten von Südvietnam ausgesprochen wurde, legte die Mission dem Generalsekretär des Außenministeriums am 26. Oktober ein aide-mémoire vor, welches das Arbeitsprogramm der Mission enthielt. In diesem Dokument wurde unter anderem angezeigt, dass die Mission wünsche, dass das von der Regierung vorgeschlagene Programm für den Zeitraum vom 27. bis zum 29. Oktober gestrichen würde und dass die Missionsmitglieder stattdessen lieber Jugendlager, Mönche, die in verschiedenen Gefängnissen einsäßen, sowie die An-Quang-Pagode besuchen würden. Weiterhin, so führte die Mission aus, würde sie gern, wie in dem Programm der Regierung vorgeschlagen, am 30. Oktober Hué besuchen und mit dem dortigen Regierungsvertreter sprechen. Gleichzeitig solle dort eine Besprechung über die Situation in Hué stattfinden. Die Mission wolle auch die Tu-Dan-Pagode und noch weitere Pagoden besuchen, sowie eine Reihe von Personen befragen, deren Namen man der Regierung später bekanntgeben würde. Die Mission gab zudem an, dass sie entschieden hätte, sämtliche sozialen und touristischen Aktivitäten in Hué zu streichen. Der Rest der Woche würde Anhörungen von Zeugen in Saigon gewidmet sein. Die Mission gab in dem aide-mémoire letztlich noch ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sie Vietnam spätestens am Montag, dem 4. November 1963, wieder verlassen könne.1545 Das in dem aide-mémoire niedergelegte Programm wurde daraufhin mit der südvietnamesischen Regierung vereinbart. Diese schlug jedoch vor, dass die Mission auch die Region VinhBinh besuchen solle, in welcher Buddhisten, die ethnisch den Khmer zugehörig seien, lebten, da die Regierung sich um Vorwürfe des Völkermords gegen diese Gruppe in den Vereinten Nationen und anderswo sorgen würde. Hinsichtlich dieses Vorschlages vertagte die Mission zunächst eine Entscheidung.1546 Am Nachmittag des 26. Oktobers gab die Mission eine Mitteilung heraus, nach der alle interessierten Personen vor ihr erscheinen könnten, um dort eine mündliche Aussage zu machen oder eine schriftliche Aussage einzureichen. Die Mission vereinbarte dabei, dass der Text der Mitteilung gleichzeitig in der lokalen und der ausländischen Presse veröffentlicht werden solle. Zudem sollte eine Mitteilung an den südvietnamesischen Außenminister zusammen mit einem Brief gesandt werden, in dem der Außenminister darüber informiert würde, dass die Mitteilung veröffentlicht worden sei, dass diese Maßnahme in Übereinstimmung mit dem Missionsmandat geschehen sei und dass man um die Unterstützung der Regierung bei der 1544 1545 1546
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 20. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 21. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 22.
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Veröffentlichung der Mitteilung bemüht sei.1547 Nachdem die Mitteilung an die südvietnamesische Regierung übermittelt worden war, wurde von deren Seite Erstaunen und Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Aktion ohne vorherige Konsultation durchgeführt worden sei. Auch war man von Regierungsseite der Auffassung, dass in der Mitteilung zum Ausdruck hätte gebracht werden sollen, dass die Vereinten Nationen die Mission auf der Grundlage einer Einladung der Regierung entsandt hätten. Die Mission diskutierte die Frage und gab der Regierung zu verstehen, dass sie keine Einwände dagegen habe, eine zusätzliche Bezugnahme auf die Einladung und die Entscheidung der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der vietnamesischen Presse zu veröffentlichen, vorausgesetzt, dass der genaue Text der Mitteilung der Mission in Anführungszeichen wiedergegeben werde, so wie er von der Mission herausgegeben worden sei.1548 Die Mitteilung der Mission erschien schließlich in englischer und französischer Sprache im südvietnamesischen Pressedienst der staatlichen Informationsbehörde. In den lokalen Zeitungen erschien die Mitteilung in beiden Sprachen am folgenden Tag, in einigen Zeitungen auch in vietnamesischer Sprache. Jedoch wurde in der internationalen Presse berichtet, dass die vietnamesischen Zeitungen die Mitteilung nicht vollständig abgedruckt hätten. Die Mission entschied hieraufhin, dass sie alle im Land erscheinenden Zeitungen einer Kontrolle unterziehen wolle, und die südvietnamesische Regierung versprach, hierbei behilflich zu sein. Obwohl diese Untersuchung aufgrund der folgenden Ereignisse nicht abgeschlossen werden konnte, war die Mission jedoch der Auffassung, dass sie von der lokalen Presse angemessene Unterstützung erhalten habe.1549 Die Mission ging in der Folge nach ihrem eigenen Untersuchungsprogramm vor.1550 Am 26. Oktober 1963 bereitete die Mission eine Liste mit Zeugen und den verschiedenen Behauptungen hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen vor. Zudem wurde eine Reihe von Eingaben aus verschiedenen südvietnamesischen Quellen untersucht.1551 Dies geschah ohne vorherige Konsultation mit der südvietnamesischen Regierung.1552 Am 27. Oktober wurde die Zeugenliste an die Regierung übermittelt; später folgten noch zwei weitere Listen.1553 Am folgenden Tag wurde der Regierung zudem die Liste mit den gegen sie erhobenen Anschuldigungen übermittelt, um von südvietnamesischer Seite Kommentare und Erklärungen hierzu zu erhalten.1554 Eine zweite Liste, welche Anschuldigungen enthielt, welche der Kommission erst während ihres Aufenthaltes in Südvietnam bekannt wurden, wurde 1547 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 23. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 24. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 25. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 37. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 38. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 26. Wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex VII, S. 79 f. Wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex VIII A, S. 80.
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der dortigen Regierung am 31. Oktober 1963 zugeleitet.1555 Zu den Zeugen, welche die Mission befragen wollte, gehörten, neben dem südvietnamesischen Innenminister und dem Minister des Präsidialamtes, noch eine Reihe buddhistischer Aktivisten, Mönche und Nonnen, ebenso wie der Stabschef der Armee, die ehemaligen Minister für Auswärtige Angelegenheiten, für Information und Propaganda, für Nationale Verteidigung und Nationale Erziehung und für Justiz. Als weitere Zeugen wurden der Katholische Erzbischhof von Saigon, der ehemalige Direktor der staatlichen Presseagentur, der Präsident der Vereinigung katholischer Arbeiter, ein Studentenführer und Sekretär der Buddhisten-Vereinigung von Saigon, ein Professor und Schriftsteller, der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Saigon, ein Journalist, die Eltern eines Mädchens, welches während einer Demonstration getötet worden war, Vertreter der Anwaltsvereinigung von Saigon, Vertreter von Gewerkschaften sowie des Komitees zur Freilassung von Mönchen benannt. Speziell für einen Besuch in der Stadt Hué gab die Kommission noch den Präsidenten der Vietnamesischen Buddhisten-Vereinigung, den buddhistischen Studentenführer und Sekretär der Buddhistischen Studenten-Vereinigung von Hué, den Vorsitzenden eines Komitees zur Vorbereitung eines buddhistischen Festes, den katholischen Rektor der Universität von Hué und den Dekan der dortigen Juristischen Fakultät an. Die Vorwürfe, zu denen die Zeugen aussagen sollten, waren vielgestaltig. Hierzu zählten verschiedene Gewalttätigkeiten gegen Buddhisten, die Festnahme und Folterung buddhistischer Mönche, die Entwendung von teils sakralen Gegenständen aus Pagoden sowie die Benachteiligung von Buddhisten bei gleichzeitiger Bevorzugung von Katholiken, etwa in den Bereichen von Steuererleichterungen, Zugang zu öffentlicher Infrastruktur und zu Sozialleistungen, bei der Anerkennung von buddhistischen Feiertagen, bei Verwendung und Beförderung buddhistischer Militärangehöriger oder auch beim Landbesitz. Am 27. Oktober begaben sich die Missionsmitglieder zu einer Pagode in Saigon und befragten dort einige Führungspersönlichkeiten aus der buddhistischen Gemeinde. Im Anschluss hieran wurden weitere Eingaben studiert.1556 Den folgenden Tag verbrachte die Mission mit Befragungen von 17 Schülern des La-Van-DuyeJugendlagers, die willkürlich unter den Anwesenden ausgewählt worden waren.1557 Im Nachgang zu der Übersendung der oben genannten Zeugenlisten und Listen mit den Anschuldigungen gegen die südvietnamesische Regierung am 27. und 28. Oktober 1963, äußerte deren Außenminister den Wunsch, am Nachmittag des 28. Oktobers den Vorsitzenden der Mission zu empfangen.1558 Letzterem wurde bei
1555
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 26. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 39; die Liste ist wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex VIII B, S. 80 f. 1557 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 40. 1558 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 27. 1556
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seiner Ankunft ein aide-mémoire durch den Außenminister präsentiert,1559 welches sowohl dazu dienen sollte, eine gewisse Anzahl von Punkten in Bezug auf den Charakter und den Zweck der Fact-Finding-Mission zu klären, als auch in Bezug auf die Verfahren, welche sie anwenden würde. In dem aide-mémoire wurde vorgeschlagen, dass, wenn dies angemessen sei, in Stellungnahmen der Mission auf die Einladung der südvietnamesischen Regierung an die Generalversammlung der Vereinte Nationen verwiesen werden sollte, um so unrichtige Interpretationen zu vermeiden. Weiterhin wurde in dem aide-mémoire auch die Bereitschaft der Regierung betont, mit der Mission zusammenzuarbeiten. Insbesondere ging aus dem aide-mémoire hervor, dass die südvietnamesische Regierung keine Bedenken dagegen habe, dass die Mission Zeugen vernehme und Mitteilungen von Personen erhalte, welche die Buddhisten-Frage betreffen würden; dies gelte für alle Buddhisten, egal ob Mönche oder Laien, auch wenn sie für Verschwörungen gegen den Staat inhaftiert seien. Weiterhin wurde in dem aide-mémoire zum Ausdruck gebracht, dass, unter Hinweis auf etablierte Rechtsprinzipen, die Regierung wünsche, dass ihr „all allegations and testimonies received by the Mission“ übermittelt werden würden, damit sie in der Lage sei, diese „with the facts and evidence which the VietNamese Government is entitled to present“ vergleichen zu können. „Otherwise these allegations would have no validity whatsoever.“1560 Nach der Überreichung des aide-mémoire folgte ein Gespräch zwischen dem Missionsvorsitzenden und dem südvietnamesischen Außenminister.1561 Dabei wurden im Wesentlichen vier Punkte zur Sprache gebracht. Zunächst versicherte der Vorsitzende dem Außenminister, dass sich die Mission nicht als der südvietnamesischen Regierung aufgedrängt erachte, sondern von dieser eingeladen worden sei. Diese Einladung sei in allen Stellungnahmen der Mission erwähnt worden, wobei es eine Ausnahme gegeben habe, in der eine solche Erwähnung nicht notwendig gewesen sei. Alle weiteren Stellungnahmen würden aber eine Erwähnung der Einladung enthalten.1562 Weiterhin stellte der Außenminister klar, dass mit der Formulierung „allegations and testimonies received by the Mission“ in dem aide-mémoire „communication of charges against the Government“ gemeint seien. Nachdem dieser Punkt klargestellt worden war, versprach der Missionsvorsitzende, dass Listen aller Anschuldigungen gegen die Regierung dieser zugeleitet würden. Er wies jedoch gleichzeitig darauf hin, dass die Listen keine Hinweise auf die Quellen der Anschuldigungen enthalten würden. Der Vorsitzende betonte, dass die Mission Tatsachen auffinden wolle, und sich daher mit allen Sichtweisen vertraut machen müsse.1563 Im weiteren Verlauf des Gesprächs machte der Außenminister einige 1559
Das aide-mémoire ist wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex IX, S. 81. 1560 Vgl. auch UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 28. 1561 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 29. Ein Protokoll des Gesprächs ist wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex X, S. 81 ff. 1562 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 30. 1563 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 31.
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Bemerkungen zu der Zeugenliste, welche ihm die Mission am 27. Oktober hatte zukommen lassen. Hiernach stünden alle Mitglieder der Regierung, gleich ob sie auf der Liste vermerkt seien oder nicht, der Mission zur Verfügung, wenn diese ein Treffen wünsche. Die Regierung habe keine Einwände dagegen, dass die Mission alle Zeugen vernehmen würde, die in Südvietnam anwesend und in die BuddhistenAngelegenheit verwickelt seien, egal ob es sich um Geistliche oder Laien handele. Treffen mit denjenigen Zeugen, welche sich in Gefängnissen befänden, würden von der Regierung arrangiert. Andere Zeugen könne die Regierung nicht zwingen, vor der Mission zu erscheinen. Jedoch könnten diese Zeugen von der Regierung eingeladen werden, wenn dies von der Mission gewünscht werde. Der Missionsvorsitzende stimmte zu, dass niemand gezwungen werden sollte, zu erscheinen und er fügte hinzu, dass die Mission mit jeder Aussage zufrieden sei, welche vor ihr abgegeben werden würde. Wenn Zeugen nach einer Einladung durch die Regierung nicht erscheinen würden, dann würde die Mission versuchen, mit den entsprechenden Personen Kontakt aufzunehmen, um eine Bestätigung zu erhalten, dass die Personen nicht wünschten, auszusagen.1564 Schließlich brachte der Außenminister noch Einwände gegen bestimmte Zeugen vor, da diese als politische Gegner des Regimes erachtet würden. Die Regierung könne diese Personen nicht zu einer Aussage einladen, da die Souveränität der Regierung hierdurch beeinträchtigt werden würde. Der Missionsvorsitzende nahm diese Position der Regierung zur Kenntnis, nachdem er zuvor mit Nachdruck darauf bestanden hatte, dass auch diese Kategorie von Zeugen vernommen werden könne.1565 Nach dem Treffen informierte der Vorsitzende umgehend die anderen Missionsmitglieder über die Inhalte des Gesprächs. Diese gaben der Position des Vorsitzenden ihre ungeteilte Zustimmung.1566 Am 29. Oktober 1963 erhielt die Mission vom südvietnamesischen Außenminister eine Antwort auf die Zeugenliste, welche die Mission zwei Tage zuvor übersandt hatte.1567 In der Note wurde die Position der Regierung bekräftigt, welche dem Missionsvorsitzenden in dem Gespräch mit dem Außenminister am Vortag kundgetan worden war. Die Note wurde allerdings erst am 31. Oktober durch den Missionsvorsitzenden bestätigt.1568 Einen weiteren Teil des 29. Oktobers widmete die Mission Anhörungen in einem Gefängnis in Saigon, in welchem einige der Mönche eingesperrt waren, um deren Befragung die Mission zuvor nachgesucht hatte. Den restlichen Tag füllte die Befragung von drei weiteren Zeugen in einem Hotel in Saigon aus. Ebenfalls noch am
1564
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 32. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 33. 1566 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 34. 1567 Das Schreiben ist wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex XI, S. 84. 1568 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 35. 1565
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29. Oktober gab der Missionsvorsitzende erneut eine Presseerklärung ab.1569 Hierin wies er auf den Zweck der Mission hin, und lud nochmals alle interessierten Personen ein, vor der Mission zu erscheinen oder schriftliche Eingaben an diese zu richten. Zudem informierte der Missionsvorsitzende die Presse über die Details des Arbeitsprogramms der Mission. Diese Information war nötig geworden, da in einigen international veröffentlichten Presseberichten behauptet worden war, dass die südvietnamesische Regierung versucht habe, die Arbeit der Mission einzuschränken und ihr ein vorkonzipiertes Programm aufzuerlegen. Daher wurde es als notwendig erachtet, die Presse darüber zu informieren, dass die Regierung damit einverstanden sei, dass die Mission die Freiheit habe, alle Zeugen zu befragen, die in Zusammenhang mit der Buddhisten-Frage stünden. Auch wurde mitgeteilt, dass die Regierung ihre Hilfe bei der Auffindung der Zeugen angeboten habe. Zudem wurde der Presse mitgeteilt, dass dieses Angebot sich nicht auf politische Anführer erstrecke, welche in Opposition zur Regierung stünden.1570 Aus Gründen der Arbeitsteilung wurde die Mission am 30. Oktober 1963 aufgeteilt. Die meisten ihrer Mitglieder verblieben in Saigon und führten weitere Befragungen verschiedener Personen durch. Drei Personen aus der Mission wurden als Delegation nach Hué entsandt, um dort weitere Untersuchungen durchzuführen.1571 In Saigon wurden an diesem Tag der Innenminister, der Minister für Präsidialangelegenheiten und der Verteidigungsminister, jeweils in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des interministeriellen Ausschusses, befragt. Zudem wurden erneut zwei weitere Zeugen vernommen, von denen einer freiwillig das Gespräch mit der Mission suchte und der andere von dieser zuvor eingeladen worden war.1572 Die nach Hué entsandte Delegation traf dort bereits bei ihrer Ankunft mit einigen Delegierten der Regierung, mit dem kommandierenden Offizier des Ersten Korps der südvietnamesischen Streitkräfte, mit den Leitern verschiedener Abteilungen der Provinzverwaltung sowie mit dem Rektor und dem Dekan der dortigen Universität zusammen. Nach einer Präsentation über die Buddhisten-Frage durch den kommandierenden Offizier wurde den genannten Personen eine Reihe von Fragen durch die Delegationsmitglieder gestellt.1573 Weiterhin war vereinbart worden, dass der Repräsentant der südvietnamesischen Regierung für die Mission der Vereinten Nationen, der die Delegation nach Hué begleitet hatte, in Übereinstimmung mit dem Prozedere für solche Fälle, das am 28. Oktober zwischen dem Missionsvorsitzenden und dem südvietnamesischen Außenminister vereinbart worden war, Treffen mit einer Anzahl von Zeugen arrangieren sollte, die die Delegation zu sehen wünschte. Hinsichtlich einer dieser Personen erklärte der Regierungsrepräsentant allerdings, 1569 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 41, wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex VII, S. 84 f. 1570 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 42. 1571 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 43. 1572 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 44. 1573 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 45.
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dass es sich bei dieser um einen politischen Gegner der Regierung handele, und es daher nicht möglich sei, dass diese Person vor der Delegation zur Aussage erscheine. Die Delegation nahm dies zur Kenntnis.1574 Während des Aufenthaltes in Hué besuchte die Delegation eine Pagode und sprach dort mit drei Mönchen und einer Nonne, welche die Delegation zuvor auch zu sprechen gewünscht hatte; ein Mönch machte noch eine freiwillige Aussage. In einem Hotel in Hué wurden zudem ein weiterer Mönch und zwei Zeugen vernommen, welche die Mission zu sehen gewünscht hatte und drei weitere Personen, die zuvor mit der Mission Kontakt aufgenommen hatten und freiwillige Aussage treffen wollten.1575 Am 31. Oktober kehrte die Delegation schließlich von Hué nach Saigon zurück.1576 Bei allen Befragungen, die mit Zeugen sowohl in Saigon als auch in Hué durchgeführt wurden, waren keine offiziellen Personen des südvietnamesischen Staates zugegen. Die Mission versuchte zudem, weitere Vorkehrungen zu treffen, um die Geheimhaltung der Gespräche zu garantieren. Allerdings konnten dabei nur Mittel genutzt werden, die der Mission unmittelbar zur Verfügung standen. Hierzu wurden die Räume und Fenster überprüft, Fotografen auf Abstand gehalten, und die Zeugen, soweit dies möglich war, einzeln befragt. Wann immer sich die Gelegenheit hierzu ergab, versuchte die Mission die Identität der Zeugen zu verifizieren, etwa durch Fotografien, Unterschriften usw. In allen Fällen wurden die Zeugen nach ihrer Identität gefragt und zur Ableistung eines Eides gemäß Regel 20 der Verfahrensordnung der Mission aufgefordert. Der Missionsvorsitzende erläuterte anschließend jedem Zeugen den Zweck der Mission und deren Arbeitsauftrag. Zudem wurde jeder Person vergewissert, dass ihre Aussage vertraulich bleiben würde; dies in dem Sinne, dass der Zeuge mit dem jeweils von ihm erbrachten Beweis nicht im Abschlussbericht in Verbindung gebracht würde.1577 Bei der Prüfung der verschiedenen schriftlichen Eingaben, welche der Mission zugingen, wurden diese nur auf präzise Vorwürfe hinsichtlich der Buddhisten-Frage geprüft, nicht jedoch auf allgemeine politische Meinungen über die Situation in Südvietnam.1578 Am 29. Oktober 1963 wurde die Mission vom Innenminister darüber informiert, dass zehn Mönche geplant hätten, sich aus Anlass des Besuches der Mission selbst zu opfern. Einer hätte seinen Plan bereits am 27. Oktober verwirklicht. Fünf andere seien verhaftet worden, bevor sie ihren Plan hätten umsetzen können. Daraufhin sprach die Mission ein Ersuchen aus, die verhafteten fünf Mönche zu sehen. Einen von diesen konnte sie separat am 30. Oktober treffen. Im Anschluss ging die Mission in ein Krankenhaus, von dem angenommen wurde, dass dort Opfer früherer Vorfälle behandelt wurden. Ein weiterer Zeuge wurde an diesem Tag noch von der Mission in 1574 1575 1576 1577 1578
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 46. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 47. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 48. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 49. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 50.
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ihrem Hotel befragt.1579 Vier weitere Zeugen traten vor der Mission in Saigon auf und drei in Hué. Zudem erhielt die Mission noch eine Reihe von unidentifizierten Anrufen. Diese Anrufe wurden von Personen getätigt, die Angst hatten, in das Hotel der Mission zu kommen, da dieses von der Polizei bewacht werde.1580 Am 31. Oktober 1963 besuchte der Missionsvorsitzende den südvietnamesischen Außenminister, um mit diesem über die Möglichkeit einer Befragung eines Mönches zu sprechen, welcher sich in der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika befand und dort um Asyl nachgesucht hatte.1581 Ein solches Gespräch wurde der Mission allerdings verweigert. Jedoch schlug der Außenminister vor, dass die Mission noch Mitglieder einer bestimmten Unterausrichtung des Buddhismus in Vietnam befragen sollte.1582 Am 1. November 1963 besuchte die Mission ein Gefängnis in Saigon, um einige der dort inhaftierten Mönche zu treffen.1583 Kurz nach dem Gefängnisbesuch wurden der Mission die ersten Anzeichen für den Staatsstreich gewahr, bei dem sich der südvietnamesische Armeechef Duong Van Minh an die Macht putschte.1584 Die Missionsmitglieder entschieden daraufhin, dass sie am 3. November Südvietnam verlassen würden. Einladungen zu einer Verlängerung des Besuchs wurden nicht angenommen.1585 Vor der Abreise der Mission aus Südvietnam gab die Mission eine Presseerklärung ab,1586 in welcher sie erwähnte, dass sie am Tag zuvor den Militär-Revolutionsrat besucht habe.1587 Zudem nannte der Missionsvorsitzende die Namen derjenigen religiösen Anführer, welche die Mission im Gefängnis befragt hatte.1588 Die Mission verließ Saigon schließlich am 3. November 1963.1589 In der Folge wurden noch einige Sitzungen im Hauptquartier der Vereinten Nationen abgehalten, um den Abschlussbericht vorzubereiten.1590
1579 1580 1581 1582 1583 1584 1585 1586
Rn. 61. 1587 1588 1589 1590
UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 55. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 56. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 51. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 52. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 57. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 58. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 58 f. Wiedergegeben in: UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Annex XIII, S. 85; auch Siehe UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 60. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 61. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 62. UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 63.
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d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Mission, welcher vom 7. Dezember 1963 datiert,1591 enthielt insgesamt 191 Randnummern und war in vier große Abschnitte aufgeteilt. Der erste Abschnitt1592 enthielt eine chronologische Darstellung der Aktivitäten der Mission. Im zweiten Abschnitt1593 wurden die Vorwürfe hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen in Südvietnam diskutiert, welche der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt wurden. Im dritten Abschnitt1594 wurde die Position der südvietnamesischen Regierung zu der zu untersuchenden Frage erläutert. Der vierte Abschnitt1595 war der Betrachtung der vernommenen Zeugen sowie der erhaltenen Kommunikation durch die Mission gewidmet. bb) Einen wirklichen (völker-)rechtlichen Maßstab legte die Mission an ihre Arbeit nicht an. Allerdings wies sie darauf hin, dass die Vorwürfe, welche hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen vorgebracht worden seien, anhand der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 sowie anhand von verschiedenen Resolutionen der Generalversammlung geprüft werden müssten.1596 Hierbei wies sie insbesondere auf Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hin, welcher die Gewissensund Religionsfreiheit garantiert, sowie auf die Generalversammlungsresolution 1779 (XVII) vom 7. Dezember 1962,1597 in welcher die Generalversammlung unter anderem zum wiederholten Male alle Manifestationen von religiöser Intoleranz als Verletzungen der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte rügte und die Regierungen aller Staaten insbesondere zu gesetzgeberischen Schritten aufrief, um diese Form der Intoleranz zu beseitigen. cc) Zusammenfassende Betrachtungen, Schlussfolgerungen oder Empfehlungen hinsichtlich der Buddhisten-Krise in Südvietnam enthielt der Abschlussbericht der Mission nicht. Vielmehr wurden lediglich die geäußerten Ansichten und die in Augenschein genommenen Orte minutiös dargestellt.
1591 Report of the United Nations Fact-Finding Mission to South Vietnam, UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963. 1592 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 1 ff. 1593 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 64 ff. 1594 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 72 ff. 1595 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 86 ff. 1596 UN Doc. A/5630 vom 7. Dezember 1963, Rn. 66, 67 ff. 1597 UN Doc. A/RES/1779 (XVII) vom 7. Dezember 1962.
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2. Massaker in Mosambik a) Historischer Hintergrund Das Gebiet des heutigen Staates Mosambik in Ostafrika war seit dem frühen 16. Jahrhundert von Portugal kolonialisiert worden.1598 Seit der Unterwerfung des Nguni-Königreichs Gaza im Jahre 1895 und verschiedenen Grenzabkommen mit den Briten und Buren im Gebiet des heutigen Südafrikas in den 1880er und 1890er Jahren kontrollierte Portugal das Territorium, welches das heutige Staatsgebiet Mosambiks ausmacht, endgültig. Mit dem Übergang von der Republik zur Diktatur in Portugal im Jahr 1926 wurden die Ziele des sog. Estado Novo in der portugiesischen Kolonialpolitik klar definiert: Die Kolonien sollten für das Mutterland die klassischen Funktionen einer Kolonie erfüllen und die portugiesische Volkswirtschaft befördern. Die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Entkolonialisierungswelle wurde von Portugal scharf zurückgewiesen. Allerdings erhielten die Kolonien in den 1950er Jahren gewisse Vertretungsrechte im Parlament in Lissabon und unter internationalem Druck wurden seit den 1960er und 1970er Jahren gewisse Zugeständnisse an die Bevölkerung der Kolonien gemacht; so durften etwa 1970 erstmals Mosambikaner, welche die portugiesische Sprache sowohl mündlich als auch schriftlich beherrschten, wählen. Eine Entlassung dieser Gebiete in die Unabhängigkeit kam für die Regierung Portugals jedoch nicht in Betracht. Um die Eigenstaatlichkeit für Mosambik zu erringen, wurde im Jahre 1962 die Frente da Libertação de Moçambique (FRELIMO) gegründet. Diese, von der politischen Ausrichtung her, marxistisch-leninistische Befreiungsbewegung begann im Jahr 1964 mit dem bewaffneten Kampf gegen die portugiesischen Kolonialherren. Dabei gelang es der FRELIMO, schnell Erfolge gegen die portugiesischen Kolonialtruppen zu erzielen. Die Kriegsführung wurde im Verlauf des Konflikts immer brutaler. Dabei kam es auch zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung und es wurde von Massakern berichtet. Bekannt wurden vor allem die Gräueltaten in dem Dorf Wiriyamu, bei denen am 16. Dezember 1972 portugiesische Kommandotruppen die Dorfbewohner getötet haben sollen.1599 Hierbei gab es nach unterschiedlichen Angaben zwischen 150 und 300 Todesopfer. b) Einsetzung der Kommission Der Vorschlag zur Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Berichte über die Massaker in Mosambik wurde von dem vierten, für besondere politische Fragen und Dekolonialisierung zuständigen Ausschuss der Generalversammlung in 1598 Hierzu und zum Folgenden Malyn Newitt, A History of Mozambique, S. 79 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Mozambique“, „Frelimo“. 1599 Hierzu eingehend Mustafah Dhada, History in Africa 40 (2013), S. 45 ff.
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selbige eingebracht.1600 Dieser Vorschlag ging auf die Vorarbeiten des Sonderausschusses der Generalversammlung für die Implementierung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an kolonialisierte Länder und Völker zurück. Der Sonderausschuss hatte in einem Bericht eine gründliche und unparteiische Untersuchung der Berichte aus Mosambik gefordert.1601 Die Generalversammlung nahm den Resolutionsvorschlag auf ihrer 2198. Sitzung am 12. Dezember 1973 schließlich als Resolution 3114 (XXVIII) mit 109 Ja- gegen vier Nein-Stimmen und bei zwölf Enthaltungen an:1602 „The General Assembly, Deeply disturbed by the reported massacres in Mozambique, Recalling the consensus adopted on 20 July 1973 by the Special Committee on the Situation with regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples, in which the Special Committee stressed that the Government of Portugal must allow a thorough and impartial investigation of the reported atrocities, Convinced of the urgent need for such an international investigation, 1. Decides to establish a representative Commission of Inquiry on the Reported Massacres in Mozambique, consisting of five members to be appointed by the President of the General Assembly after due consultation with Member States; 2. Instructs the Commission of Inquiry to carry out an investigation of the reported atrocities, to gather information from all relevant sources, to solicit the co-operation and assistance of the national liberation movement and to report its findings to the General Assembly as soon as possible;
1600
UN Doc. A/9338 vom 30. November 1973, S. 10. UN Doc. A/9023/Rev. 1 von 1973, Kapitel IX, Rn. 27. 1602 UN Doc. A/RES/3314 (XXVIII) vom 12. Dezember 1973. Für die Resolution stimmten: Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Äquatorialguinea, Argentinien, Äthiopien, Australien, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belgien, Bhutan, Birma, Botswana, Burundi, Chile, China, Costa Rica, Côte d’Ivoire, Dahomey, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Ecuador, El Salvador, Fidschi, Finnland, Ghana, Griechenland, Guinea, Guyana, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Italien, Jamaika, Japan, Jordanien, Jugoslawien, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Katar, Kenia, Kolumbien, Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Libanon, Liberia, Libyen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mexiko, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Nordjemen, Norwegen, Oman, Österreich, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Rumänien, Ruanda, Sambia, Saudi-Arabien, Schweden, Senegal, Sierra Leone, Singapur, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Südjemen, Swasiland, Syrien, Tansania, Thailand, Togo, Trinidad und Tobago, Tschad, Tunesien, Türkei, Uganda, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Zaire, Zentralafrikanische Republik und Zypern, gegen die Resolution stimmten: Portugal, Spanien, Südafrika und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik, Bulgarien, Deutsche Demokratische Republik, Frankreich, Guatemala, Kongo, Mongolei, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Ungarn und Vereinigtes Königreich, UN Doc. A/PV.2198 vom 12. Dezember 1973, Rn. 77. 1601
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3. Requests the Government of Portugal to co-operate with the Commission of Inquiry and to grant it all necessary facilities to enable it to carry out its mandate.“
Der Präsident der Generalversammlung verständigte den Generalsekretär darüber, dass er aufgrund der Resolution 3114 (XXVIII) eine Untersuchungskommission eingesetzt habe.1603 Diese sollte ursprünglich aus Mitgliedern aus der Deutschen Demokratischen Republik, aus Honduras, aus Madagaskar, aus Nepal sowie aus Irland bestehen. Der Ständige Vertreter Irlands wies jedoch darauf hin, dass sich sein Staat nicht imstande sehe, einen Vertreter zu entsenden. Als Ersatz hierfür wurde dann Norwegen als Mitglied in die Kommission berufen.1604 Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit durch Mitarbeiter der Abteilung für Politische Angelegenheiten, Mandatsgebiete und Dekolonialisierung des Sekretariats der Vereinten Nationen unterstützt. Der Leiter des Fachgebiets „Karibik und Asien/Pazifik“ war Hauptsekretär der Untersuchungskommission, dessen Assistent ein Mitarbeiter des Fachgebiets „Afrika“.1605 Daneben wurde der Kommission noch von weiterem regulären und temporären Personal des Sekretariats zugearbeitet.1606 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission nahm ihre Arbeit am 15. April 1974 auf und erstellte zunächst im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ihren Arbeitsplan.1607 Der Vertreter Nepals wurde durch die Kommissionsmitglieder einstimmig zum Vorsitzenden gewählt und es wurde ihm die Aufgabe des Berichterstatters übertragen.1608 Bis zum 7. Mai 1974 wurden insgesamt sieben geschlossene Sitzungen durchgeführt, bei denen die Untersuchungskommission ihre Tätigkeit organisierte und ihre Feldmissionen zur Beweiserhebung nach Europa und nach Afrika plante.1609 Zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen reisten die Mitglieder der Kommission im Anschluss nach Europa und Afrika. Vom 10. Mai bis zum 16. Juni 1974 wurden in London, Rom, Madrid und Daressalaam Anhörungen der Zeugen durchgeführt.1610 Die Kommission vernahm während ihrer Tätigkeit insgesamt 69
1603
UN Doc. A/9496 vom 5. März 1974. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 9; siehe auch UN Doc. A/PV.2198 vom 12. Dezember 1973, Rn. 78. 1605 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 12. 1606 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 34. 1607 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 13. 1608 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 11. 1609 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 13. 1610 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 14. Insgesamt hielt die Untersuchungskommission 31 Treffen in den benannten Städten ab, fünf davon in London zwischen dem 14. und dem 17. Mai 1974, sechs in Madrid zwischen dem 20. und 22. Mai 1974, fünf in Rom zwischen dem 27. und 29. Mai 1974 sowie 15 in Daressalaam zwischen dem 3. und dem 16. Juni 1974. 1604
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Zeugen und Sachverständige.1611 Zu den Sachverständigen zählten unter anderem der damalige Generalsekretär von Amnesty International und ein Journalist der britischen Zeitung „The Sunday Times“ sowie mehrere Vertreter der Befreiungsbewegung FRELIMO. Unter den Zeugen befanden sich 22 katholische Priester und sechs Nonnen. Die Namen aller Zeugen sowie die der aussagenden FERLIMO-Mitglieder wurden dabei in den Aussageprotokollen und im Abschlussbericht der Kommission offengelegt. Die Kommission entschied sich dafür, dass die Vernehmung von Zeugen entweder individuell oder in Gruppen durchgeführt werden konnte.1612 Vor jeder Anhörung wurden die Zeugen und Sachverständigen durch den Vorsitzenden der Kommission über den Zweck der Kommissionsarbeit unterrichtet und diese darüber aufgeklärt, was man sich von der Aussage der betreffenden Person verspreche.1613 Anschließend wurden sowohl die Zeugen als auch die Sachverständigen zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert, wobei die Kommission hierzu diejenigen Formeln verwendete, welche in Artikel 58 der Verfahrensordnung des Internationalen Gerichtshofs (in ihrer damaligen Fassung) niedergelegt waren.1614 Der Vorsitzende fragte die betreffende Person hinsichtlich des Namens, des Alters, des Berufs und der Adresse. Wenn Zeugen über ein bestimmtes Ereignis berichten sollten, wurden sie nach ihrem Aufenthaltsort und dem Gang der Geschehnisse befragt; Sachverständige wurden nach ihren Informationsquellen befragt und um die Abgabe einer Erklärung ersucht.1615 Falls ein Sachverständiger zu den untersuchungsgegenständlichen Ereignissen zuvor ein Buch oder einen Artikel publiziert hatte, wurde der Sachverständige gefragt, ob er die Inhalte seiner Publikation bestätigen könne. Nach der Anhörung der Zeugen und Sachverständigen wurde jedem der Mitglieder der Untersuchungskommission die Gelegenheit zur Stellung von Fragen gegeben. In den Fällen, in denen Zeugen weder eine der Arbeitssprachen der Vereinten Nationen sprachen noch verstanden, zog die Kommission für vertrauenswürdig erachtete lokale Dolmetscher hinzu, wodurch eine Kommunikation zwischen Zeugen und Kommission ermöglicht wurde. Neben den Befragungen von Zeugen und Sachverständigen versuchte die Kommission verschiedene Staaten, Internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen sowie Einzelpersonen in den Prozess der Informationsbeschaffung einzubinden. Hierbei ging es der Kommission vor allem darum, eine möglichst große Zahl von Zeugen hören zu können und schriftliches Informationsmaterial zu er1611
UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 16, 31. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 16. 1613 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 17. 1614 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 18. Für Zeugen lautete die Erklärungsformel damit: „I solemnly declare upon my honour and conscience that I will speak the truth, the whole truth and nothing but the truth.“; für Sachverständige lautete die Erklärungsformel: „I solemnly declare upon my honour and conscience that my statement will be in accordance with my sincere belief.“ 1615 Hierzu und zum Folgenden UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 19. 1612
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halten.1616 Die Bemühungen des Vorsitzenden in diesem Bereich waren nicht zur Gänze erfolgreich. Anfragen an die Regierungen von Italien, Spanien, des Vereinigten Königreichs, von Tansania und Sambia um Unterstützung waren insofern von Erfolg gekrönt, als dass diese Staaten Räumlichkeiten für die Tätigkeiten der Kommission zur Verfügung stellten.1617 Die Korrespondenz mit der Regierung Portugals erschöpfte sich in der Zusage der Kolonialmacht, mit der Kommission zu kooperieren und dieser die Möglichkeit zur Erfüllung ihres Mandats zu verschaffen.1618 Weitere Kommunikation in der Sache wurde mit dem Vereinigten Königreich1619, dem Heiligen Stuhl1620 und der Organisation für Afrikanische Einheit1621 geführt. Förderlich gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der Befreiungsorganisation FRELIMO. Diese kooperierte von Beginn an mit der Untersuchungskommission und half dabei, eine beträchtliche Anzahl von Zeugen und Sachverständigen vor die Kommission zu laden.1622 Daneben stand die Kommission noch mit Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Casa di Animazione, Committee for Freedom in Mozambique und dem International Defence and Aid Fund in Kontakt sowie mit zahlreichen Einzelpersonen, die Kontakte zu potenziellen Zeugen der Gräueltaten herstellten.1623 Die Untersuchungskommission konnte neben den Zeugen- und Sachverständigenaussagen auch auf verschiedene dokumentarische Quellen zugreifen. Diese wurden der Kommission zum Teil vom Sekretariat und zum Teil von verschiedenen Zeugen und Sachverständigen zugetragen. Hierbei handelte es sich vor allem um Berichte und um verschriftlichte Aussagen.1624 Zwischen dem 3. Oktober und dem 21. November 1974 hielt die Untersuchungskommission nochmals zehn Sitzungen im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ab, um den Abschlussbericht zu besprechen und zu verabschieden.1625 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission1626 enthielt insgesamt 178 Randnummern und gliederte sich in sechs Abschnitte. Nach der Einleitung1627 1616
UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 20. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 21. 1618 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 22 f. 1619 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 24. 1620 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 25. 1621 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 26. 1622 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 27. 1623 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 28 ff. 1624 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 32. 1625 UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 15. 1626 Report of the Commission of Inquiry on the reported Massacres in Mozambique, UN Doc. A/9621 von 1974. 1617
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
legte die Untersuchungskommission im zweiten Abschnitt1628 zunächst Informationen zu ihrem Arbeitsauftrag, der Mitgliedschaft in der Kommission sowie zur Organisation der Kommissionstätigkeit dar. Im dritten Abschnitt1629 wurden einige generelle Aspekte der portugiesischen Kolonialpolitik beleuchtet. Der vierte Abschnitt1630 war der Analyse der Zeugenaussagen gewidmet. Im fünften Abschnitt1631 waren die Schlussfolgerungen der Kommission aus ihrer Tätigkeit niedergelegt, und der sechste Abschnitt1632 enthielt einige Empfehlungen. bb) In ihren Schlussfolgerungen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass während des von ihr untersuchten Zeitraums eine Anzahl von Gräueltaten verübt worden sei, für welche die portugiesische Kolonialregierung verantwortlich zeichnen würde.1633 Unter anderem hätten am 16. Januar 1972 portugiesische Truppen unter der Führung des Staatsschutzes Direção-Geral de Segurança (DGS) verschiedene Dörfer umstellt, wären in sie eingedrungen, hätten jede Person in Sichtweite getötet und die Dörfer zerstört. Die Anzahl der Opfer schätzte die Kommission auf über 400.1634 Zudem gab die Kommission an, noch vertrauenswürdige Informationen über weitere Massaker erhalten zu haben.1635 Ebenso seien noch weitere Fälle von Mord und Massenmord bekannt geworden, welche die Kommission nicht als Massaker einstufte,1636 hinzu kamen Fälle von Folter.1637 Darüber hinaus hätte die Errichtung von speziellen, mit Zäunen umgebenen Dörfern unsagbare Leiden verursacht. An diese Orte seien ganze Dorfbevölkerungen verbracht worden und hätten dort unter den primitivsten Bedingungen leben müssen. Da in diesen Dörfern das Nötigste zum Leben fehle, wären viele Menschen durch Erschöpfung, Hunger und Krankheiten ums Leben gekommen.1638 Die Untersuchungskommission dokumentierte, dass Personen, für deren Handlungen die Kolonialregierung verantwortlich gewesen sei, sich der mutwilligen Zerstörung und des Diebstahls von Eigentum der Dorfbevölkerung schuldig gemacht hätten. Auch sei die afrikanische Bevölkerung von Mosambik kultureller Unterdrückung ausgesetzt gewesen.1639 Als Hauptakteure der Gräueltaten konnte die Kommission sog. Sondergruppen und Kommandokompanien identifizieren. Diese seien von Mitgliedern des DGS geleitet worden. Die 1627 1628 1629 1630 1631 1632 1633 1634 1635 1636 1637 1638 1639
UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 1 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 6 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 35 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 46 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 158 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 177 f. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 164. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 167. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 168 ff. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 172. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 174. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 173. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 175.
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Verantwortung für die Gewaltakte in Mosambik habe jedenfalls letztendlich bei der repressiven Regierung Portugals gelegen, welche am 25. April 1974 gestürzt worden sei.1640 cc) Die Untersuchungskommission richtete insgesamt vier Empfehlungen an die Generalversammlung hinsichtlich der untersuchten Situation.1641 Zunächst wurde die Versammlung aufgefordert, die Kolonialpolitik der ehemaligen portugiesischen Regierung als Grund für die Verübung der Massaker und anderer durch die Kommission untersuchter Gräueltaten zu verurteilen. In der zweiten Empfehlung wurde der Generalversammlung nahegelegt, die Regierung Portugals, die Übergangsregierung von Mosambik sowie die zukünftige Regierung des unabhängigen Staates Mosambik zu ersuchen, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die für die Massaker und übrigen Gräueltaten verantwortlichen Personen vor Gericht zu stellen. Außerdem sollte der Hoffnung Ausdruck verliehen werden, dass Mittel und Wege gefunden werden könnten, um die Entbehrungen, die das Volk von Mosambik infolge der kriminellen Akte der ehemaligen Regierung von Portugal erlitten habe, zu kompensieren. Letztlich wurde der Generalversammlung noch empfohlen, sich an alle Regierungen, Sonderorganisationen und anderen Organisationen im System der Vereinten Nationen sowie an Nichtregierungsorganisationen zu wenden, und diese zu bitten, dem Volk von Mosambik jede immaterielle, materielle, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe zu leisten, welche zum Wiederaufbau des Landes und zur Konsolidierung der Unabhängigkeit nötig sei. 3. Konflikte im ehemaligen Jugoslawien a) Historischer Hintergrund Seit dem Sommer 1991 zerfiel der ehemalige Staat Jugoslawien in verschiedene Teilstaaten.1642 Im Juni 1991 erklärten sich zunächst Slowenien und Kroatien für unabhängig, im November 1991 dann Mazedonien und im März 1992 schließlich auch Bosnien und Herzegowina. Es blieb nur noch ein aus Serbien und Montenegro bestehendes Rumpf-Jugoslawien übrig. Die Ursachen für den Zerfall des ehemaligen blockfreien und sozialistischen Jugoslawiens lagen in einer vielschichtigen Gemengelage aus politischen, wirtschaftlichen sowie ethnischen und religiösen Problemen, in denen der Staat seit den 1980er Jahren gefangen war, begründet. Die Kampfhandlungen dauerten in Slowenien nur zehn Tage an, während sich die Feindseligkeiten in Kroatien und in Bosnien und Herzegowina jahrelang hinzogen. Hierbei kämpften verschiedene Parteien gegeneinander; neben der Jugoslawischen Volksarmee und den Streitkräften der verschiedenen neu entstandenen Staaten waren 1640
UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 176. UN Doc. A/9621 von 1974, Rn. 177. 1642 Hierzu und zum Folgenden Catherine Baker, The Yugoslav Wars of the 1990 s, S. 1 ff.; Carole Rogel, The Breakup of Yugoslavia and its Aftermath, S. 1 ff. und R. Craig Nation, in: Matthew Evangelista/Nina Tannanwald (Hrsg.), Do the Geneva Conventions Matter?, S. 220 ff. 1641
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
auch paramilitärische Milizen auf den verschiedenen Seiten involviert. Dabei kam es auch immer wieder zu Unterbrechungen der Kampfhandlungen und zum Teil zu wechselnden Bündnissen. Die Kampfhandlungen wurden außerordentlich brutal geführt und forderten viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Auch sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder war ein bestimmendes Charaktermerkmal dieser Konflikte. b) Einsetzung der Kommission Die Kampfhandlungen im ehemaligen Jugoslawien beschäftigten den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits seit ihrem Ausbruch und führten vor Einsetzung einer Untersuchungskommission schon zu einer Reihe von Sicherheitsratsresolutionen verschiedenen Inhalts.1643 Von diesen Resolutionen war im Hinblick auf die spätere Etablierung einer Kommission zur Untersuchung der Ereignisse in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens die Resolution 771 (1992) vom 13. August 1992 von besonderer Bedeutung.1644 In Abs. 5 des operativen Teils dieser Resolution wurden die Staaten sowie internationale humanitäre Organisationen aufgerufen, an den Sicherheitsrat Informationen über gravierende Verletzungen der vier Genfer Abkommen von 1949, welche auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden, die sich in ihrem Besitz befanden oder die ihnen zugeleitet wurden, zu übermitteln. In Abs. 6 des operativen Teils von Resolution 771 (1992) wurde zudem der Generalsekretär der Vereinten Nationen darum ersucht, die Informationen zu sammeln, welche die Staaten an den Sicherheitsrat weitergeleitet hatten und einen Bericht hierüber an den Sicherheitsrat zu übermitteln, in welchem der Generalsekretär die Informationen zusammenfassen und weitere Vorschläge machen sollte, um auf die gelieferten Informationen zu reagieren. Belgien, Frankreich, Marokko, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika, Venezuela sowie Ungarn, das sich später anschloss,1645 legten 1643 Resolution 713 (1991), UN Doc. S/RES/713 (1991) vom 25. September 1991; Resolution 721 (1991), UN Doc. S/RES/721 (1991) vom 27. November 1991; Resolution 724 (1991), UN Doc. S/RES/724 (1991) vom 15. Dezember 1991; Resolution 727 (1992), UN Doc. S/RES/727 (1992) vom 8. Januar 1992; Resolution 743 (1992), UN Doc. S/RES/743 (1992) vom 21. Februar 1992; Resolution 749 (1992), UN Doc. S/RES/749 (1992) vom 7. April 1992; Resolution 752 (1992), UN Doc. S/RES/752 (1992) vom 15. Mai 1992; Resolution 757 (1992), UN Doc. S/RES/757 (1992) vom 30. Mai 1992; Resolution 758 (1992), UN Doc. S/RES/758 (1992) vom 8. Juni 1992; Resolution 760 (1992), UN Doc. S/RES/760 (1992) vom 18. Juni 1992; Resolution 761 (1992), UN Doc. S/RES/761 (1992) vom 29. Juni 1992; Resolution 762 (1992), UN Doc. S/RES/762 (1992) vom 30. Juni 1992; Resolution 764 (1992), UN Doc. S/ RES/764 (1992) vom 13. Juli 1992; Resolution 769 (1992), UN Doc. S/RES/769 (1992) vom 7. August 1992; Resolution 770 (1992), UN Doc. S/RES/770 vom 13. August 1992; Resolution 771, UN Doc. S/RES/771 (1992) vom 14. August 1992; Resolution 776 (1992), UN Doc. S/RES 776 (1992) vom 14. September 1992; Resolution 777 (1992), UN Doc. S/RES/777 (1992) vom 19. September 1992. 1644 Vgl. auch M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (790). 1645 UN Doc. S/PV.3119 vom 6. Oktober 1992, S. 3 – 5.
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den Entwurf einer Resolution vor, mit der die Einsetzung einer Expertenkommission für die Situation im ehemaligen Jugoslawien beschlossen werden sollte.1646 Dieser Entwurf wurde auf der 3319. Sitzung des Sicherheitsrates am 6. Oktober 1992 dann auch ohne Gegenstimmen als Resolution 780 (1992) angenommen:1647 „The Security Council, Reaffirming its resolution 713 (1991) of 25 September 1991 and all subsequent relevant resolutions, Recalling paragraph 10 of its resolution 764 (1992) of 13 July 1992, in which it reaffirmed that all parties are bound to comply with the obligations under international humanitarian law and in particular the Geneva Conventions of 12 August 1949, and that persons who commit or order the commission of grave breaches of the Conventions are individually responsible in respect of such breaches, Recalling also its resolution 771 (1992) of 13 August 1992, in which, inter alia, it demanded that all parties and others concerned in the former Yugoslavia, and all military forces in Bosnia and Herzegovina, immediately cease and desist from all breaches of international humanitarian law, Expressing once again its grave alarm at continuing reports of widespread violations of international humanitarian law occurring within the territory of the former Yugoslavia and especially in Bosnia and Herzegovina; including reports of mass killings and the continuance of the practice of ,ethnic cleansing‘, 1. Reaffirms its call, in paragraph 5 of resolution 771 (1992), upon States and, as appropriate, international humanitarian organizations to collate substantiated information in their possession or submitted to them relating to the violations of humanitarian law, including grave breaches of the Geneva Conventions being committed in the territory of the former Yugoslavia, and requests States, relevant United Nations bodies, and relevant organizations to take this information available within thirty days of the adoption of the present resolution and as appropriate thereafter, and to provide other appropriate assistance to the Commission of Experts referred to in paragraph 2 below; 2. Requests the Secretary-General to establish, as a matter of urgency, an impartial Commission of Experts to examine and analyse the information submitted pursuant to resolution 771 (1992) and the present resolution together with such further information as the Commission of Experts may obtain to resolution 771 (1992), with the view to providing the Secretary-General with its conclusions on the evidence of grave breaches of the Geneva Conventions and other violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia; 3. Also requests the Secretary-General to report to the Council on the establishment of the Commission of Experts;
1646
UN Doc. S/24618 vom 6. Oktober 1992. UN Doc. S/RES/780 (1992) vom 6. Oktober 1992. Für die Resolution stimmten: Belgien, China, Ecuador, Frankreich, Indien, Japan, Kap Verde, Marokko, Österreich, Russische Föderation, Simbabwe, Ungarn, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, vgl. UN Doc. S/PV.3119 vom 6. Oktober 1992, S. 11. 1647
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4. Further requests the Secretary-General to report to the Council on the conclusions of the Commission of Experts and to take account of these conclusions in any recommendations for further appropriate steps called for by resolution 771 (1992); 5. Decides to remain actively seized of the matter.“
Mit der Verabschiedung der Resolution 780 (1992) beziehungsweise der Errichtung einer Untersuchungskommission beziehungsweise einer Expertenkommission im Anschluss an diese Resolution wurde von den Mitgliedern des Sicherheitsrates die Hoffnung verbunden, dass diese als Warnung für all diejenigen Personen dienen würde, welche auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens Verletzungen des humanitären Völkerrechts begingen, sowie dass Verantwortliche für solche Akte identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden könnten.1648 1648
Vgl. die Redebeiträge der verschiedenen Repräsentanten im Sicherheitsrat: von Venezuela: „(…) The decision to establish a commission of experts to investigate all such violations of international humanitarian law would be inspired by the commission that was set up in 1943 for similar purposes and later served as the basis for the proceedings of the Nuremberg tribunal. In our view, this would not only serve to establish responsibility and punish the guilty, but would also, we believe – and most particularly – constitute an important deterrent in the context of the process the United Nations has undertaken to bring peace to the population of the former Yugoslavia, and especially to the suffering Republic of Bosnia and Herzegovina. (…)“, UN Doc. S/PV.3119 vom 6. Oktober 1992, S. 7 f.; der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) My delegation is pleased to have joined the other Council members in adopting this resolution. The resolution, first, sends a clear message that those responsible for the atrocities and gross violations of international humanitarian law, including violations involved in the process of ,ethnic cleansing‘ and other war crimes in the former Yugoslavia, must be brought to justice, second, the resolution will hopefully act as a deterrent to those in other parts of the world who may be contemplating similar violations and crimes. (…)“, S. 11; von Belgien: „(…) In the wake of resolution 771 (1992), our Council has thus sent an even clearer signal to the perpetrators of these violations of humanitarian law. The establishment of a Commission makes this signal more credible by making more operational the principle contained in the Geneva Conventions regarding the personal responsibility of war criminals. (…)“, S. 12; von Ungarn: „(…) Firstly, Hungary interprets the resolution we have just adopted as the beginning of a process which should lead us, within a reasonable period of time, to the logical conclusion of the enterprise represented by resolution 780 (1992), namely, the establishment of the appropriate means and the compilation of the necessary information to bring to justice those responsible for the crimes that continue to be committed systematically and on a daily basis in the former Yugoslavia. The genocide and blind barbarity cannot be left without suitable punishment by the international community. (…)“, S. 13; der Russischen Föderation: „(…) We hope that the impartial Commission of Experts provided for in the resolution will, on the basis of carefully substantiated information, give us the true picture of the violations of the Geneva Conventions and other violations of international humanitarian law taking place on the territory of the former Yugoslavia. The resolution, which we have unanimously adopted as a follow-up to Security Council resolution 771 (1992), should, in our view, be a serious warning to any political and military leaders who allow mass breaches of the norms of international humanitarian law on the territory of the former Yugoslavia and warn them of their personal responsibility for such act. (…)“, S. 15 f.; von Frankreich: „(…) For indeed it is very important that the security council sends a clear warning to the perpetrators of those violations, who must understand that their personal responsibility is involved. I would add that the resolution we have just adopted is a part of the prospective creation by the appropriate bodies of an international penal jurisdiction to rule on such acts. (…)“, S. 16. Nach Auffassung von M. Cherif Bassiouni verlieh die Einheitlichkeit
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Der Generalsekretär der Vereinten Nationen gab die Besetzung der Kommission am 26. Oktober 1992 bekannt.1649 Zuvor war entschieden worden, dass deren Mitglieder nicht aus den Reihen der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates stammen sollten.1650 Die Expertenkommission setzte sich aus insgesamt fünf Personen zusammen, die nicht ihre Regierungen repräsentierten, sondern persönliche Mitglieder der Kommission waren.1651 Bei der Auswahl der Personen legte der Generalsekretär einerseits auf deren professionelle Qualifikationen und Erfahrungen wert, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht sowie Strafrecht und Strafverfolgung, sowie andererseits auf deren Integrität und absolute Unparteilichkeit.1652 Zum Vorsitzenden der Expertenkommission wurde der Niederländer Frits Kalshoven bestimmt, welcher als Professor für Internationales Recht, insbesondere humanitäres Völkerrecht an der Universität Leiden wirkte. Weitere Kommissionsmitglieder waren der Menschenrechtsexperte Professor M. Cherif Bassiouni aus Ägypten, der Kanadier William J. Fenrick, welcher Direktor für Operationsrecht und Training im Außenministerium seines Landes gewesen war, der senegalesische Jurist Kéba M’baye, der bis 1991 als Richter und Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs und auch als Präsident des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichts des Senegal gewirkt hatte, sowie Torkel Opsahl, ein norwegischer Professor für Menschenrechte, der zuvor bereits Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission sowie der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen gewesen war.1653 Die Kommission hatte sich allerdings während ihres Tätigkeitszeitraums einer Umorganisation zu unterziehen. Da sich das niederländische Mitglied Kalshoven aus gesundheitlichen Gründen aus der Kommission zurückzog und das Kommissionsmitglied Opsahl verstarb, wurde der Ägypter Bassiouni zum neuen Vorsitzenden bestimmt. Die Umorganisation vollzog sich am 19. Oktober 1993. Auf die vakant gewordenen Positionen in der Kommission wurden die niederländische Strafrechtsprofessorin Christine Cleiren sowie die Menschenrechtlerin und Richterin am Appellationsgericht Bergen Hanne Sophie Greve aus Norwegen berufen.1654 im Sicherheitsrat, welche bei der Einsetzung der Kommission herrschte, dieser eine zuvor noch nie dagewesene rechtliche und moralische Autorität, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (790); ders., Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (338). 1649 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn 5. 1650 Vgl. M. Cherif Bassiouni, Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (285 Fn. 20). 1651 UN Doc. S/24657 vom 14. Oktober 1992, Rn. 9. 1652 UN Doc. S/24657 vom 14. Oktober 1992, Rn. 8. Der Generalsekretär behielt sich zudem das Recht vor, die Expertenkommission nötigenfalls zu erweitern. Hierzu kam es jedoch nicht, was allerdings angesichts der Dauer der Kommissionstätigkeit und der Masse des zu analysierenden Materials etwas verwunderlich ist. 1653 UN Doc. S/25274 vom 10. Februar 1993, Rn. 2; UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 6; siehe auch M. Cherif Bassiouni, Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (285). 1654 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 7.
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Durch die Neuberufungen wurde sichergestellt, dass die Kommission sich weiterhin aus Repräsentanten der auch ursprünglich in ihr vertretenen Staaten zusammensetzte. Zur Unterstützung ihrer Tätigkeit wurde der Expertenkommission ein Sekretariat zur Seite gestellt, das Sekretariatsaufgaben und administrative Aufgaben übernehmen sollte.1655 Das Sekretariat bestand für die ersten Monate der Kommissionstätigkeit aus zwei Beamten der Vereinten Nationen und einer Sekretärin.1656 Später kamen noch ein weiterer Beamter, eine Sekretärin und eine Verwaltungskraft hinzu.1657 Die Niederlande, Norwegen und Frankreich unterstützten das Sekretariat der Kommission zudem durch die Abordnung von Militär- und Rechtsexperten.1658 Nach der Etablierung der Kommission ersuchte sie der Sicherheitsrat in seiner Resolution 787 (1992) vom 16. November 1992, die Ermittlungen hinsichtlich der Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens aktiv zu führen, insbesondere hinsichtlich der dort praktizierten ethnischen Säuberungen.1659 c) Durchführung der Untersuchung Die Expertenkommission hielt in der Zeit vom 4. November 1992 bis zum 15. April 1994 zwölf Sitzungen ab, wobei die erste Sitzung in New York und die folgenden Sitzungen in Genf erfolgten.1660 Es dauerte dabei allerdings bis in den Januar 1993, ehe sich die Kommission eine Verfahrensordnung gab.1661 1655 1656
(801). 1657
UN Doc. S/24657 vom 14. Oktober 1992, Rn. 12. Siehe M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784
Siehe M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (801 f.). 1658 Siehe M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (802). 1659 UN Doc. S/RES/787 (1992) vom 16. November 1992, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution. 1660 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 9; Note 1, S. 73: Die erste Sitzung dauerte vom 4. bis zum 5. November 1992, die zweite Sitzung vom 14. bis zum 16. Dezember 1992, die dritte Sitzung vom 25. bis zum 26. Januar 1993, die vierte Sitzung vom 1. bis zum 3. März 1993, die fünfte Sitzung vom 24. bis zum 25. Mai 1993, die sechste Sitzung vom 13. bis zum 14. Juli 1993, die siebte Sitzung vom 30. bis zum 31. August 1993, die achte Sitzung fand nur am 27. Oktober 1993 statt, die neunte Sitzung dauerte vom 14. bis zum 15. Dezember 1993, die zehnte Sitzung vom 11. bis zum 12. Januar 1994, die elfte Sitzung vom 15. bis zum 16. Februar 1993 und die zwölfte Sitzung vom 11. bis zum 15. April 1994. 1661 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 8; siehe auch schon UN Doc. S/24657 vom 14. Oktober 1992, Rn. 11. Die Verfahrensordnung der Expertenkommission findet sich in: UN Doc. S/25274 vom 10. Februar 1993, S. 21 ff.: „Rule 1. Mandate The Commission shall examine and analyse the information submitted by States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies pursuant to Security Council
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resolutions 771 (1992) and 780 (1992), as well as such further information as the Commission may obtain through its own investigations or efforts, with a view to providing the SecretaryGeneral with its conclusions on the evidence of grave breaches of the Geneva Conventions of 12 August 1949 and other violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia. Rule 2. Meetings and quorum 1. The Commission shall hold its meetings in private but may open them to the public as and when it deems necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. 2. The Commission shall meet at such times as it may designate; meetings may otherwise be called by the Chairman, as a rule with at least one week’s notice. 3. The Chairman may declare a meeting open when at least the majority of the members of the Commission are present. The presence of a majority of the members shall be required for any decision to be taken. Rule 3. Restraint in the disclosure of information Members of the Commission shall exercise restraint in disclosing information. They shall refrain from taking a stand in public on any confidential question on the work of the Commission available to the extent he deems it appropriate. Rule 4. Powers of the Chairman The Chairman shall declare the opening and closing of each meeting of the Commission and, at such meeting, shall direct the discussions, accord the right to speak, put questions to the vote, announce decisions, rule on points of order and have complete control of the proceedings. Rule 5. Secretariat The Secretary of the Commission shall be responsible for making all arrangements connected with the work of the Commission including arrangements for the meetings of the Commission. He or she shall distribute documents and materials to the members of the Commission as requested by the Commission, its Chairman or any member thereof, and shall be responsible for the preparation of the records of the meetings of the Commission. Rule 6. Records 1. The Commission will be provided with records of its meeting in English and French. 2. The Commission will arrange for the safe keeping and conservation of its records and files. After the conclusion of its work, the commission will transmit its records and files to the Secretary-General of the United Nations. Rule 7. Participation of States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies The Commission may invite States, international humanitarian organizations, other person or bodies to participate in its discussions, when the Commission deems it necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. Rule 8. Investigations 1. The Commission may hear witnesses or experts, on its own initiative or upon proposal by States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies. In such cases, the Commission shall determine the modalities for summoning witnesses and experts. States whose nationals have been summoned to appear before the Commission as witnesses or experts may be invited to be present when their nationals are heard. 2. The Commission may decide to request States to hear witnesses or experts. 3. The Commission may decide to visit the territory of one or more of the States that formed part of the former Yugoslavia, or any other State, upon invitation or on its own initiative with the consent of any such State. Visits may be carried out by the Commission in its entirety, by one or more of its members, or by staff of the Commission, as decided by the Commission. Rule 9. Decisions The Commission will make every effort to take its decision by consensus. In the absence of consensus, decisions of the commission will be taken by a majority of the members present and voting.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Die Kommission gab sich selbst einen Arbeitsplan, in dem die Kommission festlegte, dass ihre beiden Aufgaben zum einen in der Aktualisierung ihres Datenbestandes und zum anderen in der Durchführung von tiefgreifenden Untersuchungen in den Bereichen von Massentötungen und Zerstörung von Eigentum, der Behandlung von Gefangenen und Inhaftierten, der systematischen sexuellen Angriffe sowie der ethnischen Säuberungen bestanden.1662 Dieser Plan wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen befürwortet.1663 Wegen der Knappheit an Personal und Zeit sowie aufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen, die ihr zur Verfügung standen, entschied sich die Expertenkommission bewusst für einen selektiven Ansatz bei ihrer Arbeit.1664 Nach der Rule 10. Reports 1. The Commission may designate a rapporteur for any question of a general or specific nature. 2. The Commission shall report its conclusions to the Secretary-General in accordance with Security-Council Resolution 789 (1992). 3. Members of the Commission who wish to make a separate statement may have such a statement appended to the report. Rule 11. Other procedural matters Any procedural matters arising at a meeting which are not covered by these rules shall be dealt with by the Chairman in the light of the rules of procedure applicable to Committees of the General Assembly.“ 1662 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 27. 1663 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 28. 1664 Die finanziellen Ressourcen für die Arbeit der Kommission wurden teilweise aus dem allgemeinen Budget der Vereinten Nationen, namentlich des Büros für Rechtsangelegenheiten, und teilweise aus einem Treuhandfond, dem Trust Fund for the Commission of Experts, bestritten, der am 26. März 1993 durch den Generalsekretär eingerichtet wurde. Am 24. Mai 1993 ersuchte der Generalsekretär die verschiedenen Regierungen darum zu erwägen, ob es ihnen möglich sei, die Kommission mit Finanzmitteln und Personal zu unterstützen. Insgesamt betrugen die Beiträge zu dem Treuhandfond 1.320.631 US-$; allerdings wurde der Fond erst im Sommer 1993 aktiviert. Obwohl der Generalsekretär angedeutet hatte, dass die Ausgaben der Kommission soweit als möglich aus vorhandenen Ressourcen bezahlt werden sollten, wurden für einen Zeitraum von neun Monaten, vom 1. Dezember 1992 bis zum 31. August 1993, zusätzliche Finanzmittel benötigt. Diese Mittel wurde verwendet, um Aufwandsentschädigungen und Reisekosten der Kommissionsmitglieder sowie die Reisekosten und den Unterhalt der Mitarbeiter, welche der Kommission vom Büro für Rechtsangelegenheiten der Vereinten Nationen zur Seite gestellt wurden, zu bezahlen. Weiterhin stellten die zusätzlichen Mittel zeitweise eine weitere Unterstützung für die Arbeit der Kommission dar und ermöglichten die Einstellungen von zwei Sekretären. Ende August 1993, nachdem der ursprüngliche Haushaltszeitraum der Kommission ausgelaufen war, wurde die Kommission informiert, dass die nötigen Finanzmittel zur Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit bis zum 31. Dezember 1993 aus existierenden Ressourcen, namentlich dem Haushalt des Büros für Rechtsangelegenheiten bestritten würden. Zu Beginn des Jahres 1994 wurde die Kommission dann darüber informiert, dass keine Allokation von Mitteln stattfinden würde, um die Kommissionsarbeit aus dem regulären Haushalt zu finanzieren und dass das Büros für Rechtsangelegenheiten lediglich drei Stabsmitarbeiter für die Kommission stellen könne. Alle anderen Ausgaben der Kommission, einschließlich der Kosten für Untersuchungsmissionen, Vergütungen, Reise- und Lebenshaltungskosten der Kommissionsmitarbeiter sowie die Vergütungen für die beiden Sekretäre und
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Sichtweise der Kommission wäre es „not praticable to investigate exhaustively or otherwise attempt to verify every allegation of a violation of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia“. Zudem bekannte sich die Expertenkommission dazu, bei den Auswahlentscheidungen und bei den angewendeten Methoden bezüglich der Durchführung von Nachforschungsprojekten und Untersuchungen, jederzeit bestrebt zu sein, auf Unparteilichkeit und Gleichgewichtigkeit zu achten.1665 Die Expertenkommission wandte bei ihrer Tätigkeit drei Arten von investigativen Methoden an: erstens die Sammlung und Analyse von Informationen, welcher der Kommission zugesandt und von ihr erfragt wurden, zweitens die Unternehmung von Vor-Ort-Missionen auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens oder in anderen Staaten, um dort zusätzliche Informationen zu sammeln, Aussagen aufzunehmen, und soweit möglich, Fakten zu verifizieren und drittens Informationsbeschaffung für die Expertenkommission durch Regierungen von verschiedenen Staaten.1666 Von der Expertenkommission wurden, in Übereinstimmung mit Regel 10 Ziff. 1 ihrer Verfahrensordnung, mehrere Berichterstatter benannt. Diesen wurde jeweils eine generelle oder eine spezifische Frage zugewiesen. Bassiouni wurde zum Berichterstatter für die Sammlung und Auswertung von Fakten bestimmt, Fenrick wurde Berichterstatter für Vor-Ort-Untersuchungen und Rechtsfragen, Greve wurde das sog. Prijedor-Projekt, ein Projekt der Kommission zu ethnischen Säuberungen,1667 zugewiesen. M’baye wurde Berichterstatter für die Zerstörung von Kulturgut und Cleiren für rechtliche Aspekte von sexuellen Übergriffen.1668 In Folge der Aufrufe des Sicherheitsrates in den Resolutionen 771 (1992) und 780 (1992) sowie durch eine Reihe anderer Quellen (Regierungen, Internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Privatpersonen usw.) erhielt die Expertenkommission eine Vielzahl von Materialien, welche Informationen zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens enthielten. Insgesamt gingen der Kommission 65.000 Seiten an Dokumenten zu, daneben noch weitere gedruckte Materialien sowie Videos. Dazu kamen die Materialien, welche die Kommission aus eigenem Antrieb bei verschiedenen Personen und Institutionen erbeten hatte.1669 Um den großen Datenmengen zu begegnen, welche die Kommission zu bewältigen hatte, wurde im Dezember 1992 eine Datenbank angelegt. Diese Arbeit an der Datenbank wurde von Bassiouni geleitet und fand am International Human Rights Law Institute der DePaul University in Chicago einen Verwaltungsassistenten, würden durch den Treuhandfond übernommen. Vgl. UN Doc. S/ 1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 12 ff. 1665 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 30. 1666 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 19. 1667 Hierzu auch M. Cherif Bassiouni, Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (317). 1668 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 10; siehe auch M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (795). 1669 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 20.
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statt, an der Bassiouni lehrte.1670 Eine Spezialbibliothek für Videos aus verschiedenen Quellen, insbesondere von diversen wichtigen Fernsehsendern aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus verschiedenen europäischen Staaten sowie aus den Staaten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, wurde eingerichtet; diese umfasste mehr als 300 Stunden filmischen Materials.1671 Weiterhin unternahm die Expertenkommission eine Reihe von Untersuchungsmissionen auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens sowie in anderen Staaten, in die Menschen aus diesem Gebiet geflüchtet waren. Von diesen Missionen versprach sich die Kommission sowohl die Erlangung zusätzlicher Informationen als auch die Verifizierung von Fakten.1672 Insgesamt unternahm die Kommission 32 solcher Missionen.1673 So wurden etwa Untersuchungen an mehreren Massengräbern vorgenommen,1674 und in der Stadt Dubrovnik wurden Untersuchungen zu den Auswirkungen der dortigen Kampfhandlungen auf Kulturgüter durchgeführt.1675 In einem Fall wurden sogar radiologische Ermittlungen angestellt, um zu überprüfen, ob bestimmte Orte für die Entsorgung radioaktiver Abfälle benutzt worden waren.1676 Verschiedene Regierungen unterstützten die Kommission zudem bei ihrer Tätigkeit und sammelten Beweise in ihren jeweiligen Staaten. Dies waren die Regierungen von Deutschland, Österreich, den Niederlanden, von Norwegen sowie der Vereinigten Staaten von Amerika.1677 Hierbei handelte es sich vor allem um mehr als eintausend durchgeführte Befragungen mit Flüchtlingen aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens sowie andere Untersuchungen auf dem Territorium dieser Staaten.1678 Zudem erhielt die Kommission von einer Reihe weiterer Staaten Unterstützung in der Form von Finanzmitteln, Personal, Berichten usw.1679 Die Peace-
1670 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 21. Die Erstellung dieser Datenbank erforderte erheblichen Aufwand. Während der zwei Jahre der Kommissionsarbeit, in denen die Datenbank erstellt und gepflegt wurde, waren damit insgesamt über 140 ausgebildete Juristen und Jurastudenten befasst. Zu jedem Zeitpunkt arbeiteten mindestens 32 Personen an der Datenbank. Vgl. M. Cherif Bassiouni, Washington University Journal of Law and Policy 5 (2001), S. 35 (46 f.); siehe auch ders., Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (292 ff.). 1671 Siehe M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (795); ders., Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (291 f.). 1672 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 23. 1673 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 24; nach Angabe des Kommissionsmitgliedes M. Cherif Bassiouni waren es sogar 34 solcher Missionen, Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (308). 1674 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 254 ff. 1675 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 298 ff. 1676 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 302 ff. 1677 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 25. 1678 Siehe M. Cherif Bassiouni, Criminal Law Forum 5 (1994), S. 279 (318). 1679 Hierzu zählten neben den bereits erwähnten Staaten noch Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Finnland, Frankreich, Island, Jugoslawien, Kanada, Kroatien, Liechtenstein, Marokko, Mikronesien, Neuseeland, Schweden, Schweiz, Slowenien, Tschechische Republik,
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keeping-Mission der Vereinten Nationen für Kroatien und Bosnien und Herzegowina (UNPROFOR1680)1681 leistete der Kommission administrative und logistische Unterstützung. Eine weitere Quelle der Unterstützung waren Nichtregierungsorganisationen, wobei sich Physicians for Human Rights und Human Rights Watch Helsinki besonders hervortaten.1682 Die Expertenkommission erhielt eine Reihe von vertraulichen Dokumenten. Hierbei handelte es sich insbesondere um schriftliche Aussagen von Opfern oder Zeugen von gravierenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Um die Vertraulichkeit der auf diese Weise gewonnenen Informationen zu wahren, erarbeitete die Expertenkommission einige Verfahrensweisen und implementierte verschiedene Maßnahmen.1683 Am 14. Dezember 1993 wurde der Kommission durch den Rechtsberater des Generalsekretärs mitgeteilt, dass sie, in Anbetracht der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und der Ernennung eines Anklägers für diesen, mit Wirkung vom 30. April 1994 aufgelöst werde.1684 Bis zu diesem Datum sollte die Kommission ihren Abschlussbericht fertigstellen und ihre Akten, Dokumente sowie ihre Datenbank an den Strafgerichtshof übergeben.1685 Diese Entscheidung stellte für die Kommissionsmitglieder eine Überraschung dar,1686 weil am 16. Dezember 1993 von zahlreichen Mitgliedstaaten der Vereinten Türkei, Ungarn und Vereinigtes Königreich, vgl. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 34 f. 1680 United Nations Protection Force. 1681 Vgl. UN Doc. S/RES/743 (1992) vom 21. Februar 1992. 1682 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 37. 1683 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 26. 1684 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 32; M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (802). Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wurde durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen errichtet. Zunächst wurde im ersten Absatz des operativen Teils der Sicherheitsratsresolution 808 (1993) (UN Dok. S/RES/808 [1993]) vom 22. Februar 1993) entschieden, dass „an international criminal tribunal shall be established for the prosecution of persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia since 1991“. Schließlich verabschiedete der Sicherheitsrat die entscheidende Resolution 827 (1993) (UN Doc. S/RES/827 [1993] vom 25. Mai 1993). In dieser heißt es im zweiten operativen Absatz: „Decides hereby to establish an international tribunal for the sole purpose of prosecuting persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia between 1 January 1991 and a date to be determined by the Security Council upon the restoration of peace (…)“. Die Aktivitäten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurden durch die Expertenkommission selbst angeregt. In ihrem ersten Zwischenbericht (Interim Report of the Commission of Experts Established Pursuant to Security Council Resolution 780 [1992]) brachte sie am Ende ihrer Ausführungen die Idee auf, ein internationales ad-hoc-Tribunal zu errichten (UN Doc. S/25274 vom 10. Februar 1993, Rn. 74). 1685 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 32. 1686 M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (802).
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Nationen ein Resolutionsentwurf zur Situation in Bosnien und Herzegowina in die Generalversammlung eingebracht wurde, in dem es unter anderem hieß: „(…) Encourages the Commission of Experts, in cooperation with the Prosecutor of the International Tribunal on the former Yugoslavia, to facilitate the work of the International Tribunal, including the establishment of a record of violations such as ethnic cleansing and systematic rape; (…)“1687 und der Entwurf von der Generalversammlung am 28. Dezember 1993 als Resolution 48/441688 mit der entsprechenden Passage verabschiedet wurde.1689 Die Regierungen von Bosnien und Herzegowina, von Kroatien und der Bundesrepublik Jugoslawien wünschten zudem eine Fortsetzung der Kommissionstätigkeit, wobei sich Kroatien in dieser Frage sogar direkt an den Sicherheitsrat wandte.1690 Eine Änderung des Auflösungsbeschlusses konnte allerdings nicht herbeigeführt werden. Daher gelang es der Kommission, die eigentlich einem Untersuchungszeitraum bis zum 31. Juli 1994 entgegengesehen hatte, nicht mehr, die geplanten Ermittlungen abzuschließen. Insbesondere betroffen waren die Ermittlungen wegen Vergewaltigungen und sexueller Angriffe sowie einige Untersuchungen bezüglich entdeckter Massengräber.1691 Die Kommission unterrichtete den Generalsekretär von ihren Bedenken gegen den beabsichtigten früheren Abbruch der Tätigkeit und die daraus resultierenden Konsequenzen.1692 Bei den Kommissionsmitgliedern herrschte der Eindruck vor, dass verschiedene Mitglieder des Sicherheitsrates, insbesondere aus den Reihen der ständigen Mitglieder, einer früheren Beendigung der Kommissionstätigkeit das Wort redeten.1693 Mit einem Brief vom 2. März 1994 wurde die Kommission aus dem Büro für Rechtsangelegenheiten im Sekretariat der Vereinten Nationen aufgefordert, alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen an das Büro des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemaligen Jugoslawien zu übermitteln. Der Transfer der entsprechenden Dokumente, Akten und Ausrüstungsgegenstände war zu der Zeit beendet, als der Abschlussbericht über die 1687
Abs. 25 des operativen Teils des Resolutionsentwurfs in: UN Doc. A/48/L.50 vom 16. Dezember 1993. Der Entwurf wurde von Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Bosnien und Herzegowina, Brunei, Burkina Faso, Costa Rica, Djibouti, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Indonesien, Iran, Jemen, Jordanien, Katar, Kirgisistan, Kolumbien, Komoren, Kuwait, Lettland, Libanon, Libyen, Litauen, Malaysia, Marokko, Mauretanien, Niger, Oman, Pakistan, Saudi-Arabien, Senegal, Sierra Leone, Sudan, Tunesien, Türkei und Vereinigte Arabische Emirate eingebracht. 1688 UN Doc. A/RES/48/44 vom 28. Dezember 1993. 1689 Ebenfalls Abs. 25 des operativen Teils der Resolution 48/44 vom 28. Dezember 1993. 1690 Vgl. M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (802 Fn. 136). 1691 Vgl. M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (802). 1692 Vgl. M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (803 Fn. 137). 1693 Vgl. M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (803 Fn. 137).
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Kommissionstätigkeit an den Generalsekretär übermittelt wurde.1694 In der letzten Kommissionssitzung wurde schließlich der Abschlussbericht angenommen. Dies geschah ohne Gegenstimme.1695 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Expertenkommission, welcher als Annex zu einem Brief des Generalsekretärs vom 24. Mai 1994 dem Präsidenten des Sicherheitsrates zugleitet wurde,1696 enthielt fünf große Abschnitte mit insgesamt 321 Randnummern: Der erste Abschnitt1697 war dem Mandat, der Struktur und der Arbeitsweise der Kommission gewidmet, im zweiten Abschnitt1698 wurde sehr detailliert das anwendbare Recht dargestellt, der dritte Abschnitt1699 enthielt zwei generelle Studien, nämlich zu der militärischen Struktur sowie der Strategie und Taktik der verfeindeten Gruppen im Konflikt im ehemaligen Jugoslawien einerseits und zu ethnischen Säuberungen andererseits, im vierten Abschnitt1700 waren die substanziellen Ergebnisse der Kommission niedergelegt und der fünfte Abschnitt1701 enthielt die generellen Schlussfolgerungen der Expertenkommission sowie die von ihr abgegebenen Empfehlungen. bb) Einen besonderen Beweisstandard hat die Expertenkommission in ihrem Bericht nicht niedergelegt; es scheint jedoch so, dass bei der Bewertung von Ereignissen jeweils eine Balance zwischen Wahrscheinlichkeit und Plausibilität gesucht wurde.1702 Im Abschlussbericht verwandte die Kommission Begriffe wie „reasonable to conclude“1703, „reasonable to presume“1704 und „reasonable degree of certainty“1705 ; hinsichtlich von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwandte die Kommission auch die Wendung „sufficient evidence to conclude“1706, um mit Si-
1694 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 33. Vgl. auch M. Cherif Bassiouni, American Journal of International Law 88 (1994), S. 784 (803). 1695 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 9. 1696 Final Report of the Commission of Experts established pursuant to Security Council Resolution 780 (1992), UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994. 1697 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 1 ff. 1698 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 41 ff. 1699 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 110 ff. 1700 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 151 ff. 1701 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 306 ff. 1702 Vgl. Stephen Wilkinson, Standards of Proof in International Humanitarian und Human Rights Fact-Finding and Inquiry Missions, S. 27. 1703 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 201 f. 1704 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 205. 1705 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 209. 1706 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 142.
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cherheit zum Ausdruck zu bringen, dass ethnische Säuberungen geplant worden seien.1707 cc) Da der Fokus der Untersuchungen mandatsgemäß auf Verletzungen des humanitären Völkerrechts liegen sollte, hatte die Kommission zunächst die Art des bewaffneten Konflikts zu bestimmen. Die Antwort auf die Frage, welche Arten von bewaffneten Konflikten und gegebenenfalls wie viele bewaffnete Konflikte auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens stattfanden, gestaltete sich aufgrund der politischen und militärischen Gemengelage als außerordentlich schwierig.1708 Die Kommission vertrat hierzu die Meinung, dass der Charakter und die Komplexität der verschiedenen Konflikte, gemeinsam mit der Vielzahl von Übereinkommen über die Respektierung des humanitären Völkerrechts, welche die verschiedenen Konfliktparteien während des untersuchten Zeitraums miteinander getroffen hatten, den von der Kommission benutzten Ansatz rechtfertige, das Recht des internationalen bewaffneten Konflikts für alle auf dem Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens geführten Konflikte zur Anwendung gelangen zu lassen.1709 Da die Kommission vom Sicherheitsrat in ihrem Mandat beauftragt worden war, gravierende Verstöße gegen die Genfer Abkommen von 1949 und das weitere humanitäre Völkerrecht zu untersuchen, setze sie sich zunächst mit diesem Konzept in den vier Genfer Abkommen auseinander.1710 Dabei definierte die Kommission „grave breaches“ als spezifische, schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die von jedem Staat auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips bestraft werden könnten. Gravierende Verstöße seien dabei in Artikel 50 des ersten Genfer Abkommens von 1949 für den Bereich der Verwundeten und Kranken, in Artikel 51 des zweiten Genfer Abkommens von 1949 für den Bereich der Schiffbrüchigen, in Artikel 130 des dritten Genfer Abkommens von 1949 für den Bereich der Kriegsgefangenen und in Artikel 147 des vierten Genfer Abkommens von 1949 für die Behandlung von Zivilisten aufgelistet. Zudem fänden sich Auslistungen von „grave breaches“ in den Artikeln 11 Abs. 4 und 85 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977. Hinsichtlich des im nicht-internationalen Konflikt anwendbaren Rechts bemerkte die Kommission, dass weder der Gemeinsame Artikel 3 der vier Genfer Abkommen noch das zweite Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 das Konzept der „grave breaches“ enthalten würden.1711 In allen vier Genfer Abkommen von 1949 seien verschiedene Verhaltensweisen als „grave breaches“ verboten. Hierzu würden unter anderem vorsätzliche Tötungen, Folter, Vergewaltigung und unmenschliche Behandlung von geschützten Personen, einschließlich der Durchführung biologischer Experimente, sowie die vorsätzliche 1707 Vgl. Stephen Wilkinson, Standards of Proof in International Humanitarian und Human Rights Fact-Finding and Inquiry Missions, S. 27. 1708 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 43. 1709 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 44. 1710 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 45 ff. 1711 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 45.
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Zufügung großer Leiden oder schwerer Verletzungen des Körpers und der Gesundheit und die extensive Zerstörung und Beschlagnahme von Eigentum, welche nur durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sein könnten und verboten seien, wenn sie ungesetzlich und mutwillig geschehen, zählen.1712 Hinzu kämen noch weitere schwere Verletzungen für den Bereich der Kriegsgefangenen;1713 nach Artikel 11 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 seien eine Reihe medizinischer Verfahren als „grave breaches“ gekennzeichnet,1714 und nach Artikel 85 Abs. 3 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 würden auch die in dieser Vorschrift aufgezählten Akte „grave breaches“ darstellen, wenn sie vorsätzlich unter Verletzung der einschlägigen Bestimmungen des Protokolls durchgeführt worden seien und zum Tod oder zu schweren Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit geführt hätten.1715 Zudem könnten auch die in Artikel 85 Abs. 4 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 aufgeführten Verhaltensweisen „grave breaches“ darstellen, wenn sie vorsätzlich und in Verletzung der Konventionen oder des Protokolls geschehen seien.1716 Hinsichtlich des anwendbaren humanitären Völkergewohnheitsrechts betonte die Kommission zunächst, dass es nötig sei, zwischen dem Recht des internationalen und dem Recht des internen bewaffneten Konflikts1717 zu unterscheiden. Das für den internen bewaffneten Konflikt anwendbare Vertragsrecht sei noch neu und ließe sich in dem Gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen, in dem zweiten Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommens von 1949 von 1977 sowie in Artikel 19 des Haager Abkommens über den Schutz von Kulturgütern im bewaffneten Konflikt finden. Es sei unwahrscheinlich, dass ein Korpus an humanitärem Völkergewohnheitsrecht für den internen bewaffneten Konflikt bestehen würde, der seine Wurzeln nicht in den genannten Vertragsbestimmungen finden würde. Zwar sei es wahrscheinlich, dass der Gemeinsame Artikel 3 als Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht betrachtet werden könne; jedoch sei es unwahrscheinlich, dass dies auch für die anderen Vertragsbestimmungen gelte. Insbesondere scheine es im Völkergewohnheitsrecht, welches im internen bewaffneten Konflikt gelte, kein Konzept des Kriegsverbrechens zu geben.1718 Hinsichtlich des Korpus des im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Völkergewohnheitsrechts stellte die Kommission fest, ohne dies näher zu spezifizieren, dass dort das Konzept des Kriegsverbrechens bestünde. Zudem beinhalte das entsprechende Völkergewohnheitsrecht eine Reihe von Regelungen, die sich auch in dem IV. Haager Abkommen von 1907 1712
UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 46. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 47. 1714 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 48. 1715 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 49. 1716 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 50. 1717 Die Kommission nutzte in ihrem Abschlussbericht regelmäßig den Begriff „internal armed conflict“. 1718 UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 51. 1713
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sowie in den Genfer Abkommen von 1949 und zu einem gewissen Grad auch in den Vorschriften des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 wiederfinden würden.1719 Außerdem machte die Kommission noch abstrakte, detailliertere Ausführungen zu einzelnen Fragen, die ihr im Zusammenhang mit dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien als besonders wichtig und klärungsbedürftig erschienen. Hierzu zählten Ausführungen zu den Komplexen Vorgesetztenverantwortlichkeit,1720 Befehle von Vorgesetzten,1721 Repressalien,1722 Einmischung in den Transport von Hilfsgütern durch humanitäre Konvois,1723 zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit,1724 zum Völkermord1725 sowie zu rechtlichen Aspekten von Vergewaltigungen und zu anderen Formen sexueller Angriffe.1726 dd) Die Kommission stellte fest, dass der genaue Zeitpunkt, zu dem die Kampfhandlungen in dem Mehrparteienkonflikt im ehemaligen Jugoslawien zu einem Konflikt mit einem internationalen Charakter geworden seien, auf Grundlage der Sichtung aller relevanten Fakten und durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien bestimmt werden müsse.1727 Zugleich wurde betont, dass sowohl vertragliche wie gewohnheitsrechtliche Regeln des Völkerrechts über Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auf den gesamten Konflikt anwendbar seien.1728 Die Verbrechen, die von der Expertenkommission auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens festgestellt wurden, wurden als besonders brutal und grausam bei ihrer Durchführung bezeichnet und hätten hohe Opferzahlen gefordert.1729 Die von der Kommission hierzu gefundenen Beweise und Informationen belegten, dass schwere Verletzungen der Genfer Abkommen sowie andere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen worden seien.1730 Zudem sei die Praxis der „ethnischen Säuberungen“ von einigen der Konfliktparteien derartig systematisch betrieben worden, dass es sehr stark den Anschein habe, dass diese Aktionen das Ergebnis einer entsprechenden Politik gewesen seien. Dies galt nach Auffassung der Kommission auch für sexuelle Übergriffe und für Vergewaltigungen. Das dauernde Versagen, die Verübung dieser Verbrechen zu verhindern, zu verfolgen und zu bestrafen sei ein 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730
UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 53. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 55 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 61 f. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 63 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 67 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 72 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 87 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 102 ff. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 307. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 308. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 310. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 311.
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klarer Beweis dafür, dass eine Politik des Unterlassens betrieben worden sei. In der Konsequenz sei daher Vorgesetztenverantwortlichkeit gegeben.1731 Insgesamt seien Art, Ausmaß und Dauer der verschiedenen Verletzungen des Völkerrechts von der Art gewesen, dass sie eine Vorgesetztenverantwortlichkeit sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen implizierten, und Anlass dafür geben würden, die von den Tätern vorgebrachte Verteidigungslinie, sie hätten Befehle befolgt, als unrechtmäßig und unbegründet zu werten.1732 4. Konflikt in Abchasien a) Historischer Hintergrund Abchasien ist ein Gebiet im südlichen Kaukasus. Die Region grenzt an das Schwarze Meer und hatte zu Beginn der 1990er Jahre bei einer Fläche von 8.600 km2 ungefähr 525.000 Einwohner.1733 Abchasien war seit dem frühen 19. Jahrhundert Teil des Russischen Reiches. In den 1920er Jahren fiel es zusammen mit anderen Teilen des Kaukasus an die Sowjetunion. Am 28. März 1921 gründete das Kaukasische Büro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion die Abchasische Sozialistische Sowjetrepublik. Im Jahre 1931 wurde die Abchasische SSR dann auf einen Befehl Stalins hin als Abchasische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Teil der Georgischen Sowjetrepublik. Bereits in den 1920er Jahren wurde die georgische Einwanderung nach Abchasien gefördert. Im Jahr 1989 ergab der letzte im Rahmen der Sowjetunion durchgeführte Zensus in Abchasien eine Verteilung der verschiedenen Ethnien von 45,7 % Georgiern, 17,8 % Abchasen, 14,3 % Russen sowie 14,6 % Armeniern. Am 9. April 1991 löste sich Georgien von der Sowjetunion. Bereits vor der Unabhängigkeit des Kaukasusstaates hatte es Proteste von Abchasen für eine Trennung von Abchasien und Georgien gegeben, welche zu Gegenprotesten von Georgiern führten. Nach der Erlangung der georgischen Unabhängigkeit vertieften sich die Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen in Abchasien. Dazu trug auch die minderheitenfeindliche Politik des ersten Präsidenten von Georgien Swiad Gamsachurdia bei. Im Jahr 1991 wurde die Loslösung von Georgien zum bestimmenden politischen Thema in der abchasischen Öffentlichkeit. Dies ging einher mit der Befürchtung vieler Abchasen, aber auch anderer dort lebender Minderheiten, insbesondere der Armenier, Griechen, Russen und Ukrainer, bei einem Verbleib im georgischen 1731
UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 313. UN Doc. S/1994/674 vom 27. Mai 1994, Rn. 318. 1733 Hierzu und zum Folgenden Tim Potier, Conflict in Nagorno-Karabakh, Abkhazia and South Ossetia: A Legal Appraisal, S. 8 ff., 144 ff.; Céline Francis, Conflict Resolution and Status: The Case of Georgia and Abkhazia (1989 – 2008), insbesondere S. 84 ff.; Eva-Maria Auch, OSZE-Jahrbuch 2004, S. 242 ff.; Alexandros Petersen, Caucasian Review of International Affairs 2/4 (2008), S. 9 ff. sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Abkhazia“. 1732
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Staatsverband Unterdrückung zu erfahren. Oftmals wurde auch ein Verbleib bei der Sowjetunion gefordert. Als diese sich aber am 21. Dezember 1991 durch die Erklärung von Alma-Ata1734 selbst auflöste, schied diese Option aus. Am 23. Juli 1992 wurde durch den Vorsitzenden des Obersten Sowjet Abchasiens Wladislaw Ardsinba die Unabhängigkeit der Kaukasusregion ausgerufen. In der Folge bildeten sich dort paramilitärische Einheiten, die in kurzer Zeit die Kontrolle über einen Großteil des abchasischen Territoriums erlangten und die georgische Staatsmacht verdrängten. Georgien reagierte hierauf und entsandte Truppen nach Abchasien, die am 14. August 1992 in das Gebiet einrückten. Nachdem zunächst die besser ausgerüsteten georgischen Streitkräfte die Oberhand in dem Konflikt gewannen, lagen die militärischen Vorteile ab Ende 1992 bei den abchasischen Kräften. Während des Jahres 1993 brachten diese den georgischen Verbänden teils schwere Niederlagen bei; im Herbst dieses Jahrs mussten die Truppen Georgiens schließlich aus Abchasien abziehen. Während des gesamten Konflikts wurde von beiderseitigen schweren Menschenrechtsverletzungen berichtet. So fand etwa in Suchumi ein Massaker an Georgiern statt. Zudem wurden 250.000 Menschen, also somit etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung Abchasiens, zu Flüchtlingen, wobei diese zum Großteil georgischer Herkunft waren und sich nach Tiflis flüchteten. b) Einsetzung der Kommission Der Generalsekretär der Vereinten Nationen entschied im Oktober 1993, eine Untersuchungsmission nach Abchasien zu entsenden, nachdem er verschiedene Berichte über Menschenrechtsverletzungen in dem Kaukasusgebiet studiert und dringende Anfragen zur Aufklärung der Natur und des Ausmaßes dieser Verletzungen erhalten hatte.1735 Das der Mission erteilte Mandat umfasste die Untersuchung der Menschenrechtssituation in Abchasien, wobei sie auch den Berichten über ethnische Säuberungen nachgehen sollte.1736 In der Resolution 876 (1993) vom 19. Oktober 1993, in welcher der Sicherheitsrat von allen Konfliktparteien in Abchasien das Absehen von Gewaltanwendung sowie die Beachtung des humanitären Völkerrechts forderte, hieß er auch die Initiative des Generalsekretärs ausdrücklich willkommen.1737 Mit dieser Resolution unterstützte der Sicherheitsrat also die Bemühungen des Generalsekretärs.1738 1734
Wiedergegeben in: International Legal Materials 31 (1992), S. 147. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 1. 1736 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 1. 1737 UN Doc. S/RES/876 (1993) vom 19. Oktober 1993, Abs. 4 des operativen Teils der Resolution; vgl. auch die zustimmenden Kommentare auf der 3295. Sitzung des Sicherheitsrates in: UN Doc. S/PV.3295 vom 19. Oktober 1993, zum Beispiel der Kommentar des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) We welcome the dispatch by the SecretaryGeneral of a Mission to look into the human-rights situation in Georgia, where we fear many 1735
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Vorsitzender der Untersuchungsmission war der Leiter der Abteilung für internationale Urkunden der in Genf beheimateten Nichtregierungsorganisation Centre for Human Rights. Weitere Mitglieder waren ein weiteres Mitglied des Centre for Human Rights und ein Mitglied der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Sekretariats der Vereinten Nationen.1739 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungsmission besuchte die Region vom 22. bis zum 30. Oktober 1993.1740 Zunächst besuchten die Missionsmitglieder Abchasien in der Zeit vom 22. bis zum 27. Oktober und trafen in Suchumi mit führenden Persönlichkeiten zusammen, die für die Verwaltung des Gebiets verantwortlich zeichneten. Hierzu gehörten Angehörige der politischen Führung, Beamte mit Verantwortlichkeiten für Außenpolitik, Inneres sowie Justiz, der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Menschenrechte und ethnische Beziehungen sowie dessen Stellvertreter, der Verwaltungschef der Region Suchumi, der Vorsitzende der Kommission für Kriegsgefangene und die Verteidigung der Rechte der Zivilbevölkerung von Suchumi. Daneben traf sich die Mission noch mit dem Verwaltungschef der Region Ochmachira sowie mit den Bürgermeistern von Ochamchira und Gagra. Letztlich nahmen Missionsmitglieder bei ihrem Aufenthalt in Abchasien noch Kontakt zu dem Koordinator der Menschenrechtsgruppe Asarkial auf.1741 In der georgischen Hauptstadt Tiflis hielt sich die Mission vom 28. bis zum 30. Oktober auf. Dort traf die Mission mit verschiedenen Repräsentanten der Regierung des Kaukasusstaates zusammen. Dies waren der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Menschenrechte und ethnische Beziehungen und dessen Stellvertreter, der Vorsitzende der Kommission zur Dokumentation von Gräueltaten, die während des Abchasien-Konflikts begangen wurden, sowie der Sekretär dieser Kommission, der stellvertretenden Vorsitzende der Kommission für Flüchtlinge und Vertriebene sowie der Premierminister der Autonomen Republik Abchasien, dessen Stellvertreter und der Vorsitzenden des Staatlichen Komitees für Menschenrechte und ethnische Beziehungen der Autonomen Republik Abchasien.1742
breaches of international humanitarian law have taken place in recent days and terrible suffering has been caused thereby. (…)“, S. 6. 1738 In diese Richtung auch der Repräsentant Frankreichs im Sicherheitsrat: „(…) In those circumstances, my delegation welcomes the resolution adopted by our Council today. From a humanitarian standpoint, it supports the Secretary-General’s decision to send a fact-finding mission to look into those violations of human rights. (…)“, vgl. UN Doc. S/PV.3295 vom 19. Oktober 1993, S. 4. 1739 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 3. 1740 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 3. 1741 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 4. 1742 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 5.
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Neben den Gesprächen mit offiziellen Personen beziehungsweise mit Personen in verantwortlichen Stellungen trafen die Missionsmitglieder auch mit Zeugen aus der Bevölkerung zusammen. Sowohl in Abchasien als auch in Tiflis konnten eine Reihe von Befragungen von Opfern und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen durchgeführt werden. In drei Zentren für Vertriebene in Tiflis hatte die Mission Gelegenheit, mit einer Reihe von Personen zu sprechen, die während verschiedener Phasen des Konflikts in Abchasien ihre Wohnungen und Häuser verlassen mussten.1743 Darüber hinaus traf die Mission noch mit einer Reihe von Repräsentanten vor Ort tätiger Organisationen, namentlich von dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, von Ärzte ohne Grenzen sowie von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, zusammen.1744 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Generalsekretär legte den Abschlussbericht der Untersuchungsmission für Abchasien dem Sicherheitsrat am 17. November 1993 als Annex einer Note zur Kenntnis vor.1745 bb) Die Mission wies in ihrem Abschlussbericht nicht aus, welche internationalen Dokumente sie ihren menschenrechtlichen Untersuchungen zugrunde gelegt hatte. Allerdings wurden von der Kommission vier Felder benannt, in denen Verletzungen der Menschenrechte zu besorgen waren:1746 außerrechtliche Tötungen,1747 Folter und Misshandlungen, einschließlich Vergewaltigungen,1748 Verletzung von Eigentumsrechten1749 sowie Vertreibungen.1750 cc) Als Ergebnis ihrer Untersuchung kam die Mission für Abchasien zu dem Schluss, dass eine Vielzahl schwerwiegender Verletzungen derjenigen Menschenrechte, die die Mission ihrer Untersuchung zugrunde gelegt hatte, begangen worden seien, seit dort die Kampfhandlungen am 14. August 1992 ausgebrochen waren.1751 Die Opfer dieser Menschenrechtsverletzungen seien in allen in Abchasien beheimateten ethnischen Gruppen zu finden.1752 Für die Verletzungen seien sowohl georgische Regierungstruppen als auch abchasische Kräfte sowie irreguläre Kräfte und 1743
UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 6. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 6. 1745 Report of the Secretary-General’s fact-finding mission to investigate human rights violations in Abkhazia, Republic of Georgia, UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993. 1746 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 13. 1747 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 14 ff. 1748 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 22. 1749 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 23 ff. 1750 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 34 ff. 1751 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 48 f., 52 f. 1752 UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 50. 1744
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Zivilisten, die mit diesen Kräften kooperierten oder jedenfalls deren Einverständnis besessen hätten, verantwortlich.1753 dd) Am Ende ihres Abschlussberichts empfahl die Mission eine Reihe von Maßnahmen, die aus ihrer Sicht geeignet erschienen, die Respektierung der Menschenrechte sowie deren Genuss auf dem Territorium Abchasiens wiederherzustellen.1754 Die weitaus meisten Empfehlungen richteten sich dabei an die beiden Konfliktparteien. Es wurde etwa empfohlen, dass beide Konfliktparteien weitere Untersuchungen aller Menschenrechtsverletzungen durchführen sollten, um deren Umstände aufzuklären und die Verantwortlichen zu identifizieren.1755 Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, dass den Opfern der Menschenrechtsverletzungen eine Entschädigung zukommen solle1756 und dass die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte ebenso sichergestellt werden solle1757 wie die Sicherheit und Ordnung in den von der jeweiligen Konfliktpartei kontrollierten Gebieten.1758 Auch sollten Maßnahmen getroffen werden, um Wohnraum wiederherzustellen und an die Eigentümer zurück zu überführen,1759 sowie die Rückführung vertriebener Personen sichergestellt werden.1760 Letztendlich wurde noch die Verpflichtung angemahnt, dass die Behörden dafür Sorge zu tragen hätten, dass ein Versöhnungsprozess in Abchasien stattfinden solle.1761 An die internationale Gemeinschaft ergingen die Empfehlungen, den Menschenrechtsprozess in Abchasien, insbesondere die in dieser Hinsicht abgegebenen Erklärungen der abchasischen Behörden, zu beobachten,1762 sowie beide Seiten bei der Findung einer politischen Lösung des Konflikts stark zu unterstützen.1763 5. Ermordung des Präsidenten und anschließende Massaker in Burundi (I) a) Historischer Hintergrund In dem ostafrikanischen Staat Burundi gliederte sich die Bevölkerung vor allem in die beiden sozialen Kasten beziehungsweise ethnischen Gruppen der Hutu und der
1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763
UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 51. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 54 ff. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 55. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 56. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 57. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 58. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 59. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 60. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 62. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 61. UN Doc. S/26795 vom 17. November 1993, Rn. 63.
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Tutsi auf, wobei erstere seit jeher die Bevölkerungsmehrheit stellte.1764 Nach der Unabhängigkeit Burundis im Jahr 1962 wurde der Staat zu einer Monarchie, welche allerdings bereits im Jahr 1966 durch einen Staatsstreich gestürzt wurde. In der Folge wurde unter Michel Micombero ein Tutsi-dominiertes Militärregime errichtet. Im Jahr 1972 begannen von der Hutu-Organisation Umugambwe w’Abakozi b’Uburndi angezettelte und durchgeführte Angriffe auf Tutsi. Dabei wurden die Gewalttaten mit dem Ziel begonnen, die Tutsi als Ganzes zu vernichten. Das Militärregime antwortete mit groß angelegten Vergeltungsmaßnahmen gegen die Hutu. Durch die gegenseitigen Gewalttaten kamen wahrscheinlich mehr als 100.000 Menschen ums Leben. Viele Personen verließen Burundi und suchten Schutz in den Nachbarstaaten Ruanda und Tansania. Bis in die 1980er Jahre hinein kam es in der Folge immer wieder zu Spannungen und Gewalttätigkeiten zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen. Nach einem weiteren Staatsstreich im Jahr 1987 wurden bei Unruhen, die in der Folge von nachgängigen Reformen ausbrachen, durch Milizen der Hutu hunderte von Tutsi getötet. Das Eingreifen der burundischen Streitkräfte führte zu tausenden von Opfern unter den Hutu. Erst am 29. Juni 1993 fanden in Burundi die ersten Mehrparteienwahlen statt, aus denen die Hutu-dominierte Front pour la Démocratie du Burundi (FRODEBU) als Siegerin hervorging. Erster frei gewählter Präsident des Staates wurde der Hutu Melchior Ndadaye. Bereits am 3. Juli, also nur kurze Zeit nach der Wahl, wurde durch Angehörige der Streitkräfte ein erfolgloser Versuch unternommen, gegen die Regierung zu putschen. In den frühen Morgenstunden des 21. Oktobers 1993 wurde die Residenz des Präsidenten von einer aus Tutsi bestehenden Militäreinheit gestürmt, welche die Macht der Tutsi, die diese bei den Wahlen im Juni verloren hatten, zurück zu erringen suchte. Obwohl der Versuch des Staatsstreiches nicht erfolgreich war, wurden Präsident Ndadaye und einige Minister getötet. In den auf dem versuchten coup d’état folgenden Tagen und Wochen kam es zu Massakern durch Unterstützer des ermordeten Präsidenten und durch Armeeeinheiten. Bei den Gewalttaten starben nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 50.000 und 100.000 Menschen.1765 b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat befasste sich mit der Situation in Burundi auf seiner 3316. Sitzung am 16. November 1993.1766 In der Folge der Sitzung gab der Präsident des
1764 Siehe hierzu und zum Folgenden eingehend Stefan Seitz, Afrika Jahrbuch 1988, S. 55 ff.; Francis Loft, Review of African Political Economy 15 (1988), S. 88 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Burundi“, „History of Burundi“ sowie UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996. 1765 Hierzu näher Tom Bundervoet, Journal of Peace Research 46 (2009), S. 357 ff. 1766 UN Doc. S/PV.3316 vom 16. November 1993.
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Sicherheitsrates, nach Konsultationen mit dessen Mitgliedern,1767 eine Erklärung ab.1768 In dieser Erklärung wurde unter anderem die Gewalt in Burundi verurteilt und der Generalsekretär der Vereinten Nationen ermutigt, seine Guten Dienste durch seinen Sondergesandten für Burundi fortzusetzen und: „(…) to consider dispatching in his support as soon as possible a small United Nations team within existing resources, to Burundi for fact-finding and advice with a view to facilitating the efforts of the Government of Burundi and the OAU. The Security Council requests the Secretary-General to keep it informed as appropriate on the situation and the progress of the United Nations good office mission.“1769
Am 7. März 1994, während eines Besuchs beim Generalsekretär, wiederholte der burundische Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Kooperation eine Bitte, welche seine Regierung bereits am 22. November des Vorjahres vorgetragen hatte. Inhalt dieser Anfrage war es, dass die Vereinten Nationen eine Mission nach Burundi entsenden mögen, um den Staatsstreich vom 21. Oktober 1993, die Ermordung von Präsident Ndadaye und die anschließenden Massaker zu untersuchen.1770 Im Anschluss an die Anfrage aus Burundi entschied der Generalsekretär, eine Untersuchungsmission in das ostafrikanische Land zu entsenden, die allerdings nur einen vorbereitenden Charakter haben sollte.1771 Der Generalsekretär entschied sich für nur eine kleine, zweiköpfige Mission. Diese bestand aus dem ehemaligen Außenminister und zum damaligen Zeitpunkt Botschafter in Deutschland der Côte d’Ivoire Siméon Aké sowie dem norwegischen Diplomaten Martin Huslid. Diesen beiden Missionsmitgliedern wurde noch ein Mitglied des Sekretariats der Vereinten Nationen aus dem Bereich Politische Angelegenheiten zur Seite gestellt.1772 Der Generalsekretär erteilte der Mission folgendes Mandat:1773 „(a) Investigate the coup d’état and the massacres of October 1993; (b) Consider, in concert with the Burundi Government and the Special Representative of the Secretary-General, what activities future missions or an expanded United Nations political presence could undertake in order to encourage a return to civil peace.“
c) Durchführung der Untersuchung Vor ihrer Abreise nach Ostafrika trafen die Missionsmitglieder in New York mit dem Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für Politische Angelegenheiten, 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773
UN Doc. S/PV.3316 vom 16. November 1993, S. 2. UN Doc. S/26757 vom 16. November 1993. UN Doc. S/26757 vom 16. November 1993, S. 2. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 2. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Febraur 1995, Rn. 3. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 4. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 3.
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mit dem Ständigen Vertreter Belgiens – der ehemaligen Kolonialmacht in Burundi – bei den Vereinten Nationen sowie mit den dortigen Ständigen Vertretern von Frankreich und Burundi und mit dem Chef des Liaisonbüros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zusammen.1774 Die Untersuchungsmission erreichte die burundische Hauptstadt Bujumbura am 22. März 1994. Dort hielt sie umgehend Konsultationen mit dem Sondergesandten des Generalsekretärs für Burundi und dessen politischem Berater ab, um um dessen Unterstützung für die praktische Organisation der Missionsaktivitäten nachzusuchen.1775 In der Folge traf die Mission mit dem Präsidenten Burundis, mit dem Premierminister sowie dem Präsidenten der Nationalversammlung zusammen und hielt mit den Spitzenakteuren des politischen Lebens in Burundi diverse Arbeitssitzungen ab.1776 Hiernach versuchte die Untersuchungsmission einen möglichst kompletten Überblick über die Geschehnisse in Burundi zu erhalten und führte insgesamt 104 Befragungen durch, wobei die Mission ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und Offenheit vorfand.1777 Diese Befragungen wurden mit Personen aus dem gesamten politischen, diplomatischen und gesellschaftlichen Leben in Burundi abgehalten. Zu den Befragten zählten amtierende und ehemalige Minister,1778 Politiker der Regierungsparteien und der Opposition,1779 führendes Personal aus Polizei und Militär1780 und Personen aus dem spirituellen und geistlichen Leben, namentlich Bischöfe und Priester der katholischen Kirche und Vertreter des muslimischen Glaubens.1781 Weiterhin führte die Mission Befragungen von Vertretern aus der Verwaltung von Städten, Provinzen und Distrikten durch,1782 ebenso wie mit Vertretern aus den Bereichen Bildung und Wirtschaft1783 sowie aus der Zivilgesellschaft Burundis, insbesondere mit Vertretern von Verbänden der Opfer der Massaker.1784 Daneben kamen die Missionsmitglieder noch mit einer Reihe von Repräsentanten der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen in Burundi zusammen1785 sowie mit dem Repräsentanten der internationalen Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen1786 und mit den Botschaftern verschiedener Staaten in Burun1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786
UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 5. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 6. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 7 f. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 28. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 9 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 12 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 15. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 16. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 17. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 18. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 19 f. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 21. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 22.
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di.1787 Letztendlich besuchte die Mission noch die Witwe des getöteten Präsidenten Ndadaye.1788 Neben diesen Befragungen besuchte die Mission eine Reihe von Orten, die von den Massakern und anderen Gräueltaten im Oktober 1993 betroffen waren, insbesondere in den Provinzen Ngozi, Rusengo und Kibimba. Daneben besuchte die Mission noch einige Flüchtlingslager, sowohl von Hutus als auch von Tutsis. Während dieser Besuche hatten die Missionsmitglieder Gelegenheit, eine Reihe von Augenzeugenaussagen zu hören.1789 Auf ihrem Rückweg von Bujumbura nach New York traf die Mission noch zu Konsultationen mit dem Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit sowie dem ausführenden Sekretär der Afrikanischen Wirtschaftskommission zusammen. In Brüssel konnte die Mission schließlich noch den burundischen Staatsminister für Inneres und öffentliche Sicherheit befragen, der zum Zeitpunkt des Missionsaufenthaltes nicht in Burundi gewesen war.1790 Neben den Zeugenvernehmungen und den Ortsbesuchen erhielt die Mission noch eine Reihe von Dokumenten aus verschiedenen Quellen, die sie in der Folge sichtete. Besonders hob die Mission in ihrem Abschlussbericht hierbei die Dokumente zweier burundischer politischer Parteien hervor, welche deren jeweilige Sicht auf die Massaker im Oktober 1993 enthielten.1791 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Mission schloss ihre Tätigkeit mit ihrem Abschlussbericht vom 20. Mai 1994 ab und legte diesen dem Generalsekretär vor. Der Generalsekretär leitete den Bericht als Annex zu einem Brief vom 24. Februar 1995 an den Präsidenten des Sicherheitsrates weiter.1792 Der Bericht enthielt nach der Einleitung sechs Abschnitte, in denen die Mission die Umstände des Staatsstreiches vom 21. Oktober 1993,1793 der folgenden Massaker1794 und die damals aktuelle Situation nach diesen Ereignissen darstellte. Im Anschluss hieran analysierte die Mission die Herausforderungen für Burundi und die Schritte, die innerhalb des Staates getan werden müssten, um Frieden, Sicherheit und Vertrauen unter allen Bevölkerungsgruppen wiederherzustellen.1795 Es folgte eine Analyse der Rolle der Vereinten Nationen und der inter1787
UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 23. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 25. 1789 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 24. 1790 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 27. 1791 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 29. 1792 Report of the preparatory Fact-Finding Mission to Burundi to the Secretary-General, UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995. 1793 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 31 ff. 1794 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 103 ff. 1795 UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 149 ff. 1788
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
nationalen Gemeinschaft in Burundi1796 und schließlich eine Zusammenfassung der Beobachtungen und die Empfehlungen der Mission.1797 bb) Die Mission führte die Ereignisse, die sie zu untersuchen hatte, direkt auf die Geschichte Burundis und die ungleiche Machtverteilung zwischen den Hutu und den Tutsi zurück.1798 Die Ereignisse in dem ostafrikanischen Staat müssten im Kontext der dortigen historischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation betrachtet werden, die in Burundi seit der Unabhängigkeit im Jahr 1962 vorherrsche und in der ethnische Faktoren gepaart mit einem Klima der Angst eine entscheidende Rolle spielten.1799 Durch eine Serie blutiger Ereignisse und Staatsstreiche, die von der Armee verübt worden seien, hätten die Tutsi ihre Vormachtstellung gegenüber der Mehrheitsbevölkerung der Hutu gesichert und konsolidiert, wobei letztgenannte Gruppe praktisch von der Macht ausgeschlossen worden sei.1800 In der Mehrheitsgruppe, welche in die Unterwerfung und Resignation gezwungen worden sei, hätten sich Gefühle der Frustration, des Hasses, der Feindseligkeit und der Vergeltung eingestellt, wohingegen die Minderheit von der Angst beseelt worden sei, überwältigt oder gar ausgelöscht zu werden.1801 Die Wahlsiege der FRODEBU bei den Wahlen im Juni 1993 hätten der Hutu-Mehrheit die unerwartete Gelegenheit zur Übernahme der Macht gegeben.1802 In gewissen Kreisen der nunmehrigen Opposition habe dies zur Zurückweisung der neuen Mehrheitsverhältnisse und zur Nichtakzeptanz des demokratischen Machtwechsels geführt.1803 Zweck des anschließenden Staatsstreiches vom 21. Oktober 1993, bei dem die Mission Verbindungen zu dem Staatsstreich vom 3. Juli ausmachen wollte,1804 sei es gewesen, Staat und FRODEBU den Anführer zu nehmen und so die Institutionen des Landes zu lähmen.1805 Die Mission sah es als unzweifelhaft an, dass der Staatsstreich durch Armeeeinheiten geplant und von Truppen durchgeführt worden sei, die von bestimmten Offizieren und Unteroffizieren angeführt worden seien, von denen einige bereits an dem coup d’état vom 3. Juli 1993 beteiligt gewesen seien. Zudem gebe es starke Anzeichen dafür, dass an dem Staatsstreich neben den ihn durchführenden Einheiten noch weitere Personen beteiligt gewesen seien, die zu verschiedenen politischen, zivilen und militärischen Kreisen gehörten.1806 Die Hutu-Mehrheit sehe ihrerseits in dem Staatsstreich und besonders in der Ermordung des Präsidenten eine Zurück1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806
UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 152 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 180 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 180 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 180. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 181. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 182. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 183. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 184. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 185. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 186. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 187.
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weisung der neuen Hutu-geführten Regierung durch die Tutsi und ihrer politischen Gruppierungen sowie eine Herausforderung für das demokratische System Burundis.1807 Diese Ereignisse hätten umgehend die zwischenethnischen Massaker ausgelöst. Die Hutu wären zuerst in erschreckender und barbarischer Weise vorhergegangen und die Tutsi hätten in gleicher Weise reagiert.1808 Die Rolle der burundischen Streitkräfte bei den Ereignissen sah die Mission zwiegespalten. In einigen Fällen seien Armeeeinheiten, welche in die Provinzen entsandt worden seien, um dort für Ordnung zu sorgen, die Massaker zu stoppen und die Bevölkerung zu schützen, in Vergeltungsakte und in Taten von großer Grausamkeit verstrickt gewesen, welche sich in vielen dieser Fälle gezielt gegen die Hutu gerichtet hätten. In anderen Fällen allerdings habe die Armee Massaker eindämmen oder verhindern können.1809 Die Provinzverwaltungen, die durch die neue Regierung eingesetzt worden seien, seien nicht immer ihrer Verantwortung nachgekommen; in einigen Fällen hätten ihre Mitglieder sogar die Hutu bei den Massakern angespornt.1810 Insgesamt hätten die Beweise keine Hinweise darauf enthalten, dass es einen Plan von Seiten der Hutu gegeben habe, die Gruppe der Tutsi auszulöschen. Vielmehr seien die Massaker die Konsequenzen des Staatsstreichs und der politischen Morde vom 21. Oktober 1993 gewesen.1811 Einer der Bevölkerungsgruppen die Schuld an den Ereignissen zuzuweisen sei nicht möglich, vielmehr sei die Verantwortung für das Geschehene in verschiedenen Graden von Hutu, Tutsi, Armee und auch von der politischen Führung zu tragen.1812 cc) Als innerstaatliche Maßnahmen empfahl die Mission Burundi Maßnahmen zur Schaffung echter Rechtsstaatlichkeit zu ergreifen, hierbei insbesondere die Straflosigkeit zu beenden und die Täter zu identifizieren, die für den Staatstreich, die Anschläge und die Massaker verantwortlich gewesen seien und diese Personen zu verfolgen. Darüber hinaus müsse die Sicherheit für alle Bewohner Burundis wiederhergestellt, der Zugang zu den Streitkräften erweitert und private Milizen sowie die Besitzer illegaler Waffen entwaffnet werden. Letztlich wurden noch Landreformen sowie Reformen im sozioökonomischen Bereich durch die Mission vorgeschlagen.1813 Hinsichtlich der internationalen Gemeinschaft und der Vereinten Nationen stellt die Mission fest, dass diese eine Pflicht hätten, die Bevölkerung von Burundi zu unterstützen und die nötige Hilfe bei der Überwindung der Ereignisse aus dem Herbst 1993 zu leisten.1814 Aufgrund dieser Feststellung schlug die Mission sechs konkrete 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814
UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 188. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 189. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 190. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 191. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 194. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 196 ff. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 201. UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 202.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Aktionsfelder vor, die als nicht abschließend bezeichnet wurden, auf denen die Vereinten Nationen, die Organisation für Afrikanische Einheit sowie die Weltgemeinschaft in Burundi tätig werden sollten.1815 Erstens sollte die Tätigkeit der bereits in Burundi tätigen Sonderorganisationen und Organe der Vereinten Nationen fortgesetzt und gestärkt werden. Daneben bedürfe es fortgesetzter und gesteigerter Hilfe durch die traditionell und potenziell Burundi unterstützenden Staaten sowie der fortgesetzten Notfallhilfe durch die Vereinten Nationen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Nichtregierungsorganisationen. Zweitens müsse das Büro des Sondergesandten des Generalsekretärs für Burundi gestärkt werden, da dieser eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von Regierungsinstitutionen in Burundi gespielt habe. Hierfür müsse das Büro mit zusätzlichen, hochqualifizierten Experten aus den Bereichen Recht, Militär und Verwaltung sowie mit zusätzlicher Logistik ausgestattet werden. Drittens sollte, in Abstimmung mit den dortigen Behörden, eine internationale Juristenkommission nach Burundi entsandt werden, um die dort begangenen Verbrechen zu untersuchen. Alternativ hierzu könnte der Regierung von Burundi auch eine Anzahl von Experten zur Übernahme dieser Aufgabe an die Seite gestellt werden. Viertens sollte die Präsenz von 47 Militärbeobachtern und einigen zivilen Mitarbeitern der Organisation für Afrikanische Einheiten unterstützt werden. Fünftens sollte die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung für den demokratischen Prozess und die Verbreitung der Menschenrechte in Burundi fortsetzen. Sechstens wurde vorgeschlagen, eine internationale Konferenz für Burundi und Ruanda unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einzuberufen, die sich der regionalen Probleme annehmen und auf die Stärkung von Sicherheit, Stabilität und Kooperation in der Region hinwirken sollte. 6. Ermordung des Präsidenten und anschließende Massaker in Burundi (II) a) Historischer Hintergrund Die Ermordung des Präsidenten Ndadaye und die anschließenden Massaker in Burundi blieben nach dem Bericht der vorbereitenden Untersuchungsmission auf der Agenda der Vereinten Nationen. Die Lage Burundis hatte sich zudem seit dem Besuch der vorbereitenden Mission immer weiter verschlechtert, nachdem der Nachfolger Ndadayes, Cyprien Ntaryamira, gemeinsam mit dem Präsidenten des Nachbarlandes Ruanda, Juvenal Habyrimana, durch den Abschuss des Flugzeuges, in dem sich beide befanden, getötet worden war. Die Gewalt eskalierte, obwohl es anders als in Ruanda zu keinen großen Massakern kam. Die Ankunft von großen Flüchtlingsströmen aus Ruanda sowie die Umtriebe bewaffneter Gruppen von Hutu und Tutsi destabilisierten zudem das Land und die burundische Regierung unter Präsident Sylvestre Ntibantunganya in immer größerem Ausmaß.1816 1815 1816
UN Doc. S/1995/157 vom 24. Februar 1995, Rn. 203. Siehe hierzu auch schon oben 3. Teil § 2 B. IV. 5. und die dortigen Literaturnachweise.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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b) Einsetzung der Kommission Der Sicherheitsrat befasste sich mit der Einsetzung einer weiteren Untersuchungskommission für die Lage Burundis auf seiner 3571. Sitzung am 28. August 1995.1817 Der Entwurf für eine Resolution, in welcher der Sicherheitsrat eine Untersuchungskommission für die Situation des ostafrikanischen Landes auf den Weg bringen sollte, wurde auf dieser Sitzung durch Argentinien, Deutschland, Frankreich, Honduras, Italien, die Russische Föderation, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich sowie die Vereinigten Staaten von Amerika eingebracht.1818 Die führende Rolle bei der Ausarbeitung der Resolution kam dabei den Vereinigten Staaten von Amerika zu.1819 Der Einsetzung der Kommission war ein komplexer Prozess vorausgegangen, an dem insbesondere der Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie die Regierung von Burundi beteiligt waren. Zwei Missionen der Vereinten Nationen waren zuvor nach Burundi entsandt worden. Nach dem Bericht der aus Huslid und Aké bestehenden Mission entsandte der Generalsekretär am 26. Juni 1995, einem formellen Ersuchen der Regierung von Burundi an die Vereinten Nationen um die Einsetzung einer juristischen Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Geschehnisse am 21. Oktober 1993 und danach folgend, Perdo Nikken aus Venezuela, einen ehemaligen Richter des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in den ostafrikanischen Staat. Dieser sollte vor Ort die Art und Weise diskutieren, in welcher eine solche Kommission eingesetzt werden könne und solle.1820 Nikkens Bericht enthielt verschiedene, detaillierte Empfehlungen hinsichtlich der Einsetzung einer Kommission.1821 Der Sicherheitsrat nahm den Resolutionsentwurf in der Sitzung einstimmig als Resolution 1012 (1995) an.1822 In ihrem operativen Teil lautet der Resolutionstext wie folgt: „1. Requests the Secretary-General to establish as a matter of urgency an international commission of inquiry, with the following mandate:
1817
UN Doc. S/PV.3571 vom 28. August 1995. Vgl. den Resolutionsentwurf in: UN Doc. S/1995/724 vom 28. August 1995. 1819 Vgl. die Aussage des Ständigen Vertreters von Burundi bei den Vereinten Nationen im Sicherheitsrat: „(…) Our special thanks go to the American delegation, which has shown particular dynamism and constancy in shepherding the draft resolution to the point at which it is now about to reach a successful conclusion. (…)“, UN Doc. S/PV.3571 vom 28. August 1995, S. 2. 1820 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 2. 1821 UN Doc. S/1995/631 vom 28. Juli 1995. 1822 UN Doc. S/RES/1012 (1995) vom 28. August 1995. Für die Resolution stimmten: Argentinien, Botswana, China, Deutschland, Frankreich, Honduras, Indonesien, Italien, Nigeria, Oman, Russische Föderation, Ruanda, Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten vom Amerika, vgl. UN Doc. S/PV.3571 vom 28. August 1995, S. 9. 1818
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(a) To establish the facts relating to the assassination of the President of Burundi on 21 October 1993, the massacres and other related serious acts of violence which followed; (b) To recommend measures of a legal, political or administrative nature, as appropriate, after consultation with the Government of Burundi, and measures with regard to the bringing to justice of persons responsible for those acts, to prevent any repetition of deeds similar to those investigated by the commission and, in general, to eradicate impunity and promote national reconciliation in Burundi; 2. Recommends that the international commission of inquiry be composed of five impartial and internationally respected, experienced jurists who shall be selected by the SecretaryGeneral and shall be furnished with adequate expert staff, and that the Government of Burundi be duly informed; 3. Calls upon States, relevant United Nations bodies and, as appropriate, international humanitarian organizations to collate substantiated information in their possession relating to acts covered in paragraph 1 (a) above, to make such information available as soon as possible and to provide appropriate assistance to the commission of inquiry; 4. Requests the Secretary-General to report to the Council on the establishment of the commission of inquiry, and further requests the Secretary-General, within three months from the establishment of the commission of inquiry, to submit an interim report to the council on the work of the commission and to submit a final report when the commission completes its work; 5. Calls upon the Burundi authorities and institutions, including all Burundi political parties, to fully cooperate with the international commission of inquiry in the accomplishment of its mandates, including responding positively to requests from the commission for security, assistance and access in pursuing investigations, including: (a) Adoption by the Government of Burundi of any measures needed for the commission and its personnel to carry out their functions throughout the national territory with full freedom, independence and security; (b) Provision by the Government of Burundi of all information in its possession which the commission requests or is otherwise needed to carry out its mandate and free access for the commission and its staff to any official archives related to its mandate; (c) Freedom for the commission to obtain any information the commission considers relevant and to use all sources of information which the commission considers useful and reliable; (d) Freedom for the commission to interview, in private, any persons the commission judges necessary; (e) Freedom for the commission to visit any establishment or place at any time; (f) Guarantee by the Government of Burundi of full respect for the integrity, security and freedom of witness, experts and any other persons who help the commission in its work; 6. Calls upon all States to cooperate with the commission in facilitating its investigations; 7. Requests the Secretary-General to provide adequate security for the commission in cooperation with the Government of Burundi; 8. Requests the Secretary-General to establish, as a supplement to financing as an expense of the Organization, a trust fund to receive voluntary contributions to finance the commission of inquiry;
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9. Urges States and intergovernmental and non-governmental organizations to contribute funds, equipment and services to the commission of inquiry including the offer of expert personnel in support of the implementation of this resolution;“
Mit der Etablierung einer internationalen, unabhängigen und unparteiischen Untersuchungskommission für Burundi waren dabei von den damaligen Mitgliedern des Sicherheitsrates vor allem zwei Hoffnungen verbunden. Eine hiervon war es, dass die Kultur der Straflosigkeit in dem ostafrikanischen Land durch die Kommissionsarbeit beendet werden könne.1823 Die zweite Hoffnung war es, dass die von der Kommission hervorgebrachten Empfehlungen in den Bereichen Politik, Recht und Verwaltung Burundi bei seinem Weg aus der Krise unterstützen würden.1824 1823
Vgl. hierzu die Aussagen der verschiedenen Repräsentanten im Sicherheitsrat in: UN Doc. S/PV.3571 vom 28. August 1995, etwa von Botswana: „(…) It is a matter of paramount importance that the Commission should be international, independent and impartial if it is to be credible and successful. The report before the Council underlines, for a good reason, the importance of proceeding urgently but cautiously in establishing the commission. The perpetrators of the coup attempt of October 1993 and the massacres which followed must be brought to justice. (…)“, S. 6; von Nigeria: „(…) The draft resolution before us has two objectives. (…); and the second is to put an end to the culture of impunity which seems to persist in Burundi by bringing to justice those found guilty of those acts. (…)“, S. 7; von Oman: „(…) We, like others, are of the view that the establishment of such a commission will be a significant step towards putting an end to the culture of impunity, which breeds further violence. (…)“, S. 8; der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) Today we have voted to take a major step towards stability in Burundi: we have firmly declared that the culture of impunity must be brought to an end. With this vote to establish a commission of inquiry, we declare that it is no longer tolerable to get away with murder in Burundi. (…)“, S. 9 f.; von Frankreich: „(…) My delegation hopes that the establishment of this International Commission of Inquiry will make it possible to identify the perpetrators of these crimes. (…)“, S. 11; des Vereinigten Königreichs: „(…) This resolution sends a clear message that those responsible for grave violations of humanitarian law will be held responsible for their actions. (…)“, S. 11 sowie von Indonesien: „(…) Without such justice, fairly determined by neutral observers, the result would be an environment of impunity which could then lead to unsanctioned retribution by parties seeking redress for past injustice. (…)“, S. 12. 1824 Vgl. die Redebeiträge des Repräsentanten der Tschechischen Republik: „(…) The commission of inquiry might be of assistance here as well inasmuch as it might make recommendations concerning appropriate legal, political or administrative measures, for such measures are probably necessary if Burundi is in the future to avoid not only the vortex of Rwanda, but also the twin dangers of a dictatorship based on the predominant majority of one ethnic group as well as a dictatorship based on a firepower monopoly of the other ethnic group. (…)“; UN Doc. S/PV.3571 vom 28. August 1995, S. 5; des Repräsentanten von Italien: „(…) While a solution of the crisis in Burundi and the entire Region can be found only through political and diplomatic means, the commission of inquiry can also make more specific proposals aimed at fostering better coexistence of the various ethnic groups. (…)“, S. 9; des Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika: „(…) It is our hope and our intent that the commission we have authorized today will help to set Burundi firmly on the path to renewed peaceful and democratic governance, along with respect for human rights. It will establish the facts relating to the assassination of the President of Burundi on 21 October 1993 and the massacres and other serious acts of violence that followed. It will, in the words of the resolution, recommend measures to prevent any repetition of deeds similar to those investigated by the commission and to eradicate impunity in Burundi. These measures will be recommendations, it
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Am 20. September 1995 ernannte der Generalsekretär die Mitglieder der fünfköpfigen, aus Juristen bestehenden Untersuchungskommission für Burundi und teilte dies dem Präsidenten des Sicherheitsrates mit Brief vom 22. September 1995 mit.1825 Zum Vorsitzenden der Kommission wurde Edilbert Razafindralambo aus Madagaskar bestimmt, der zuvor unter anderem als Richter beim Administrativtribunal der Internationalen Arbeitsorganisation und als Vizepräsident der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen tätig gewesen war. Weitere Kommissionsmitglieder waren Abde El Ali El Moumni aus Marokko, der Türke Mehmet Güney, Mitglied der Völkerrechtskommission, Luis Herrera Marcano aus Venezuela sowie der Kanadier Michel Maurice. Das Kommissionsmitglied Güney schied allerdings vor Beendigung der Kommissionstätigkeit aus privaten Gründen aus;1826 ersetzt wurde dieses Kommissionsmitglied danach nicht. Der Kommission wurde vom Hauptquartier der Vereinten Nationen ein neunköpfiger Stab zugewiesen. Dieser bestand aus einem Experten für politische Angelegenheiten und einem Rechtsexperten sowie weiterem Personal für Sicherheitsund Verwaltungsaufgaben, bestehend aus drei Verwaltungsangestellten, einem Sicherheitskoordinator und drei Wachen. In Abstimmung mit der Kommission wurde zudem ein ausführender Sekretär ernannt. Daneben wurden der Kommission im Laufe ihrer Tätigkeit in Burundi noch sieben Ermittler zugeteilt.1827 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission begann ihre Arbeit auf einer ersten Sitzung vom 25. bis zum 27. Oktober 1995 in Genf.1828 Auf dieser Sitzung analysierten die Kommissionsmitglieder das der Kommission erteilte Mandat, diskutierten das Verfahren und planten die Mandatsdurchführung. Daneben wurden die Kommissionsmitglieder durch Angehörige des Sekretariats der Vereinten Nationen aus den Bereichen Politische Angelegenheiten und Sicherheit sowie des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge über die Situation in Burundi informiert.1829 Die Kommissionstätigkeit teilte sich in der Folge in zwei Perioden auf, wobei die erste Periode vom 25. Oktober bis zum 20. Dezember 1995 andauerte und die zweite
will remain up to the Government of Burundi to decide on what measures are taken. (…)“, S. 10 sowie des Repräsentanten von Deutschland: „(…) We welcome in particular the fact that the mandate of the commission also includes making recommendations of a legal, political or administrative nature. This will help the people of Burundi to prevent any repetition of the barbaric acts under investigation. (…)“, S. 10. 1825 UN Doc. S/1995/825 vom 27. September 1995. 1826 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 39. 1827 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 16, 55. 1828 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 4. 1829 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 14.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Periode vom 7. Januar bis zum 22. Juli 1996.1830 Zur Durchführung ihres Mandats gab sich die Kommission eine detaillierte Verfahrensordnung.1831
1830
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 14. Die ursprüngliche ,Verfahrensordnung wurde im Laufe der Kommissionstätigkeit hinsichtlich der Regel über Zeugenaussagen abgeändert. Die letzte Fassung, welche dem Abschlussbericht in: UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996 als Annex 1, S. 77 f. beigegeben wurde, stammt vom 13. April 1996. Die Untersuchungskommission für Burundi gab sich folgendeVerfahrensordnungsregeln: „1. The members of the Commission are required to make the following solemn declaration: ,I solemnly undertake to perform my duties and exercise my powers honourably, faithfully, impartially and conscientiously‘ (Article 20 of the Statute and Article 5 of the Rules of Procedure of the International Court of Justice). Should a judge be replaced for any reason, the new member shall make the same declaration before the President or his deputy. 2. The Commission shall, in the manner it deems appropriate, invite the Government, members of the Government, any political or a political, governmental or non-governmental organization, any association, group, or other body, to produce within a period to be determined by the Commission any documentation or communication that they may wish to transmit to the Commission within the scope of its mandate. 3. The Commission shall announce that it is prepared to examine requests from the Government and other interested organizations for any person likely to contribute to the mandate of the Commission to be heard. In such cases, the person’s name and position and a brief description of the events about which he or she wishes to testify should reach the Commission within a period of four (4) days. 4. The Commission shall give notification in writing, or by other appropriate means, within a period of three (3) days, to any witness whom it deems necessary to hear within the scope of its mandate. Such notifications shall specify the date and time at which the Commission will receive the testimony. 5. The Commission may entertain a request for postponement, for reasons considered sufficient, within any period it judges to be reasonable. 6. The Commission shall give notification in writing, within a period of four (4) days, that it will hear the testimony of the authorities and Government officials who may have knowledge of the events covered by its mandate. The absence of any witness, or his or her refusal to testify, shall be entered in the minutes of the Commission and mentioned in the case file. 7. The proceedings of the Commission shall be held in private, unless it decides otherwise. 8. The Commission may authorize representatives of the Government and of the organizations mentioned in paragraph 2 to attend specific hearings. 9. All information, evidence and testimony shall be treated in strict confidence within the scope of the mandate of the Commission. 10. The Commission shall give witnesses all reasonable latitude to provide full testimony on any matter considered relevant to the mandate of the Commission. 11. Any person appearing before the Commission shall have the right to be assisted by a lawyer, if he or she so chooses. 12. Each witness shall, before giving evidence, take the following oath: ,I swear that I will speak the truth, the whole truth, and nothing but the truth.‘ He or she shall then state his or her name, address, civil status, and official position (if any). 13. The Commission shall permit the witness to make any statement he or she considers necessary. However, the Commission may end the statement at any time if it considers it to be inappropriate or irrelevant to its mandate. 14. Any member of the Commission may at any time question the witness. 15. The Commission reserves the right to recall witnesses if necessary. 1831
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Neben dieser Verfahrensordnung folgte die Untersuchungskommission bei der Durchführung ihres Mandats einer vorgegebenen Methodik. Dies war von der Kommission für notwendig befunden worden, da sie zwar als Fact-Finding-Kommission errichtet, jedoch nicht mit den Befugnissen eines Gerichts ausgestattet worden sei. Die Kommission versuchte trotzdem, soweit als möglich, gerichtlichen Standards bei ihrer Tätigkeit zu folgen. Ziel dieses Vorgehens war es dabei zum einen, den Ergebnissen der Kommission ein solides Fundament zu verleihen und zum anderen, Beweise bereitzuhalten, die in nachfolgenden Gerichtsverfahren Verwendung finden konnten.1832 – Bei Zeugenaussagen wurden die betreffenden Personen unter Eid sowie im Beisein mindestens eines Kommissionsmitgliedes vernommen. Die Zeugenaussagen wurden auf Tonband aufgenommen und später transkribiert. Aussagen in Kirundi, der in Burundi am weitesten verbreiteten Sprache, die von etwa 95 % der Bevölkerung als Muttersprache gesprochen wird, wurden von zwei vereidigten Übersetzern übersetzt, wobei jeweils ein Übersetzer ein Hutu, der andere ein Tutsi war. In den Fällen, in denen nur ein Übersetzer zugegen sein konnte, war ein 16. The Commission shall meet with five members present. However, it may meet with a minimum of three members present. Decisions of the Commission shall be made by an absolute majority of its members. 17. In case of absence or incapacity of the President, the Commission shall designate an acting president. 18. Testimony may be heard by one or more members of the Commission, according to circumstances. 19. In exceptional circumstances, the Commission may designate two members of its staff to hear testimony or gather other evidence. In such cases, the rules to be followed are set out in appendix I. 20. Should a report of the Commission not express the unanimous opinion of its members, any of the latter may append a statement of his separate opinion.“ Hinsichtlich der in Regel 19 niedergelegten Möglichkeit der Übertragung von Zeugenvernehmungen auf Mitglieder des Unterstützungsteams der Untersuchungskommission gab die Kommission folgende Regelung aus, die in: UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996 als Appendix I, S. 79 wiedergegeben ist: „Pursuant to article 19 of the Rules of Procedure of the Commission, the two members of staff designated to gather evidence, including testimony, required by the Commission shall comply with the following rules: 1. Each designated member of staff shall, in addition to the oath required of staff members, take the oath of the Commissioner for Oath, as follows: ,I solemnly swear that I will perform my duties and exercise my powers honourably, faithfully, impartially and conscientiously.‘ 2. The Commissioners for Oath who gather evidence shall: (a) In the case of oral testimony, make a tape recording of the testimony, including any preliminary remarks and concluding remarks; (b) In the case of a written statement, take possession of the entire document and place it in a sealed envelope; (c) In the case of photographs or other exhibits, take possession of the items and record in the minutes the nature and number of items and a brief description of each item. 3. Exhibits, written statements, documents or other items gathered by special mandate from the Commission shall in all cases be handed as soon as practically possible, together with the original of the minutes, to the Executive Secretary of the Commission, who shall make such use of them as may be directed by the Commission.“ 1832 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 6.
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Übersetzer der jeweils anderen ethnischen Gruppe jedoch stets an der Transkription beteiligt. Darüber hinaus wurde Zeugen immer einzeln und nichtöffentlich vernommen.1833 – Im Hinblick auf die Ermordung von Präsident Ndadaye wurde die Untersuchung darauf beschränkt, die Täter und gegebenenfalls ihre Hintermänner zu identifizieren, sowie auf die Frage, ob die Ermordung als Vorbereitung auf den späteren Staatsstreich geplant worden sei. Der Staatsstreich selbst wurde allerdings nicht untersucht, da dieser nach Auffassung der Kommission außerhalb des ihr erteilten Mandates lag.1834 Dies wird man mit Blick auf den Wortlaut von Abs. 1 lit. (a) des operativen Teils der Resolution 1012 (1995) als eine korrekte Vorgehensweise zu erachten haben. – Die Untersuchung der Massaker und der anderen schwerwiegenden Akte von Gewalt im Anschluss an die Ermordung Ndadayes wurde durch die Kommission beschränkt. Der Kommission war es dabei nicht möglich, jeden Vorfall zu untersuchen und jeden der Täter zu identifizieren. Daher wurde eine Reihe von Orten ausgewählt, die nach der Auffassung der Untersuchungskommission repräsentativ für das in Burundi Geschehene standen. Auch wenn die Kommission sich selbst in diesen Fällen außerstande sah, detailliert jedem Einzelereignis nachzugehen, so versuchte die Kommission dennoch jeweils die konkrete Natur, die Reichweite sowie, wenn möglich, das Motiv eines Verbrechens zu bestimmen. Zudem ging die Kommission der Frage nach, ob ein Verbrechen im Voraus geplant worden war, oder ob es „von oben“ angeordnet oder toleriert wurde.1835 – Die Kommission wollte ihrer Aufgabe in gänzlicher Unparteilichkeit und ohne vorgefasste Meinung gerecht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchte sie, bei jedem von ihr untersuchten Fall, alle möglichen Seiten zu hören. Hierbei wurde vor allem, aber nicht ausschließlich, den Anschuldigungen nachgegangen, welche von Seiten verschiedener Organisationen vorgebracht wurden. Es wurde jeweils versucht, Zeugen aller Ethnien und Parteien zu hören, sowie Zivilisten und Militärs. Dies geschah nicht nur in der Hauptstadt Bujumbura, sondern auch im Landesinneren. Es wurden auch Gefängnisse und Vertriebenenlager aufgesucht. Da der Kommission keine sub-poenaBefugnisse zustanden, musste sie sich mit denjenigen Zeugen begnügen, die vor der Kommission eine Aussage treffen wollten. Im Falle der Vernehmung von Strafgefangenen war die Kommission auf eine Zusammenarbeit mit den burundischen Justizbehörden angewiesen, wobei diese problemlos ablief. Anders stellte sich dies bei der Kooperation mit dem burundischen Verteidigungsministerium hinsichtlich der Vernehmung von Militärangehörigen dar.1836 – Im Hinblick auf schriftliche Beweise hatte die Kommission ebenfalls keine sub-poena-Befugnisse. Offizielle Aufzeichnungen, welche für die Untersuchung von Bedeutung waren, mussten von den zivilen oder militärischen Behörden erbeten werden. Gerichts- und Strafverfolgungsunterlagen wurden der Kommission zur Einsicht vorgelegt. Allerdings waren diese ganz überwiegend in Kirundi geschrieben, und konnten weder kopiert 1833 1834 1835 1836
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 8. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 9. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 10. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 11.
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noch eigenständig von der Kommission übersetzt werden. Daher wurden Richter und Staatsanwälte gebeten, mündliche Zusammenfassungen der Fälle zu erstellen, die von der Kommission aufgezeichnet wurden. Wiederum problembehaftet war die Zusammenarbeit der Kommission mit dem burundischen Verteidigungsministerium. Anfragen hinsichtlich der Einsichtnahmemöglichkeit in militärische Aufzeichnungen blieben dort erfolglos.1837 – Zur Vorbereitung der abschließenden Empfehlungen versuchte die Kommission möglichst viele Beamte, politische Anführer, Geschäftsleute sowie Repräsentanten ausländischer Regierung, Internationaler Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen zu hören. Daneben fanden Gespräche mit dem burundischen Präsidenten, dem Premierminister und Mitgliedern des Kabinetts sowie mit dem Präsidenten der Nationalversammlung statt.1838 Die Kommission begann den ersten Abschnitt ihrer Tätigkeit in Burundi am 29. Oktober 1995.1839 Hierzu traf die Kommission zunächst mit Angehörigen der Regierung zusammen sowie mit hochrangingen Persönlichkeiten aus der Nationalversammlung und der burundischen Verwaltung. Aus diesen Treffen sowie aus Gesprächen mit anderen Akteuren konnte die Kommission eine Vielzahl von Informationen gewinnen. Zu den weiteren Gesprächspartnern der Untersuchungskommission zählten Personen aus dem öffentlichen Leben Burundis, Mitglieder von politischen Parteien, religiöse Anführer sowie Vertreter von lokalen Nichtregierungsorganisationen, insbesondere der beiden wichtigsten Menschenrechtsorganisationen des Landes. Daneben trafen die Kommissionsmitglieder noch mit Repräsentanten von verschiedenen Staaten und Internationalen Organisationen zusammen.1840 Zum Zwecke der Auffindung von Zeugen ließ die Kommission durch die burundischen Medien einen öffentlichen Aufruf bekannt machen, in welchem das Mandat der Kommission mitgeteilt und alle interessierten Personen eingeladen wurden, der Kommission Informationen zur Verfügung zu stellen. Daneben wurde noch ein Rundschreiben mit selbigem Inhalt verteilt.1841 Die Kommission konnte in der Folge eine Reihe von Zeugen sowohl zu der Ermordung von Präsident Ndadaye als auch zu den folgenden Massakern und zu den im Zusammenhang mit diesen stehenden Verbrechen anhören. Mit Hilfe des Generalstaatsanwaltes in Bujumbura konnten Personen vernommen werden, die verdächtigt wurden, an dem Anschlag gegen Ndadaye teilgenommen zu haben, und die sich nunmehr im Gefängnis befanden. Im Abschlussbericht der Kommission wurde besonders hervorgehoben, dass sie drei Schlüsselzeugen vernehmen konnte. Es handelte sich dabei um die Witwe von Präsident Ndadaye, um den amtierenden burundischen Präsidenten, welcher zum Zeitpunkt der zu untersuchenden Ereignisse das Amt des Ministers für Aus1837 1838 1839 1840 1841
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 12. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 13. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 16. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 17. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 18.
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wärtige Angelegenheiten und Kooperation innegehabt hatte, sowie einen Oberst der burundischen Streitkräfte, der den Posten des Stabschefs der burundischen Armee bekleidete.1842 Die Kommission bereiste auch das Landesinnere von Burundi. Kommissionsmitglieder besuchten die beiden Provinzen Muramvya und Gitega. Dort trafen sie mit den Provinzgouverneuren zusammen. Daneben wurde diese Reise zur Sammlung weiterer Informationen genutzt sowie zur Anhörung von in Gefängnissen einsitzenden Personen und Personen in Flüchtlingslagern.1843 Ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit der Kommission lag bei ihrem ersten Burundi-Besuch auf der Durchführung einer Studie des Rechtssystems des ostafrikanischen Staates. Hierzu trafen die Kommissionsmitglieder sowie Angehörige des Stabes unter anderem mit dem stellvertretenden Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Bujumbura, mit einem hochrangigen Polizeibeamten, mit dem Direktor des Nationalen Menschenrechtszentrums, mit dem Vorsitzenden der burundischen Anwaltsvereinigung sowie dem Repräsentanten des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und mit mehreren Rechtsanwälten zusammen.1844 Am Ende dieses ersten Arbeitsabschnittes traf sich die Kommission am 14. Dezember 1995 im Hautquartier der Vereinten Nationen in New York, um einen Zwischenbericht vorzubereiten. Bei dieser Gelegenheit traf die Kommission mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, mit dem Leiter und einigen Mitgliedern der Abteilung für Politische Angelegenheiten, mit dem Leiter und einigen Mitgliedern des Büros für Juristische Angelegenheiten, mit dem Sicherheitskoordinator der Vereinten Nationen und Mitgliedern von dessen Stab sowie mit Repräsentanten verschiedener Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zusammen.1845 Am 20. Dezember 1995 wurde dem Generalsekretär schließlich der Zwischenbericht vorgelegt. In diesem beschrieb die Kommission ihre bisherige Tätigkeit sowie die Probleme, mit denen sie hierbei konfrontiert war. Die Kommission setzte ihre Tätigkeit in ihrem zweiten Arbeitsabschnitt ab dem 8. Januar 1996 fort.1846 In diesem Abschnitt lag der Schwerpunkt der Untersuchungstätigkeit der Kommission auf der Feldarbeit. Dabei wurden zur Arbeitserleichterung die verschiedenen Verantwortungsbereiche der Kommissionsarbeit verschiedenen Kommissionsmitgliedern zugewiesen, wobei die ursprüngliche Aufteilung mehrfach während der Missionsdurchführung verändert wurde.1847 Die Kommission wählte die beiden Provinzen, die sie schon bei ihrem ersten Aufenthalt in Burundi besucht hatte, Gitega und Muramvya, für ihre Feldarbeit 1842 1843 1844 1845 1846 1847
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 19. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 20. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 21. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 23. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 25. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 27.
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hinsichtlich der Untersuchung der Massaker und mit diesen in Zusammenhang stehenden Verbrechen für den Beginn der Feldstudien aus. Später erweiterte die Kommission die Untersuchung noch auf die Provinz Ngozi. Eine weitere Erweiterung auf die Provinz Kirundo musste allerdings frühzeitig aufgrund mangelnder Personalressourcen wieder aufgegeben werden.1848 Insgesamt verbrachte die Kommission in Muramvya 30 Tage, in Ngozi 21 Tage, in Gitega 20 Tage sowie drei Tage in Kirundo.1849 Einige der Kommissionsmitglieder trafen sich zudem mehrfach mit dem Generalstaatsanwalt von Burundi, um Zugang zu Gefangenen und juristischen Aufzeichnungen zu erhalten.1850 Besondere Schwierigkeiten warf erneut die Zusammenarbeit mit dem burundischen Militär auf. Im November 1995 ersuchte die Kommission um ein Treffen mit dem burundischen Verteidigungsminister, um Zugang zu militärischen Unterlagen und Zeugen aus den burundischen Streitkräften zu erhalten. Erst nach mehreren Anfragen wurde die Kommission schließlich am 23. Januar 1996 durch den Minister empfangen. Dabei wurde den Kommissionsmitgliedern kein direkter Zugang zu den erwünschten Unterlagen gewährt. Stattdessen ordnete der Verteidigungsminister der Kommission einen Liaisonoffizier zu, um über diesen Ersuchen der Kommission nach der Befragung von Zeugen aus dem Militär zu bearbeiten.1851 Die Kommission konnte insgesamt 61 solcher Zeugen vernehmen, wobei einige von diesen auch Gefangene waren. Einige der Zeugen, die vor die Kommission traten, verweigerten die Aussage und einige Zeugen, die zum Erscheinen vor der Kommission aufgefordert worden waren, erschienen gar nicht.1852 Zusammenfassend beschrieb die Untersuchungskommission ihrer Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium von Burundi als im höchsten Maße unbefriedigend.1853 Insgesamt wurden von der Untersuchungskommission 667 Zeugen gehört.1854 Zu Befragungen besonders wichtiger Zeugen begab sich die Kommission auch nach Uganda und nach Abidjan an der Côte d’Ivoire.1855 Zu dem weiteren wichtigen Augenscheinmaterial, welches durch die Kommission gesichtet wurde, gehörten unter anderem Materialien, welche von der Vorbereitungskommission gesammelt wurden, sowie Material der Untersuchungskommission der Nichtregierungsorganisation Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme.1856
1848 1849 1850 1851 1852 1853 1854 1855 1856
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 26. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 34. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 28. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 29. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 30. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 29. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 33. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 32. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 31.
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Auch während der zweiten Phase der Untersuchungstätigkeit der Kommission in Burundi hielt diese engen Kontakt zu den Vertretern der Vereinten Nationen sowie zu den Repräsentanten anderer Internationaler Organisationen und von verschiedenen Staaten. So traf die Kommission erneut mehrmals mit dem Sondergesandten des Generalsekretärs für Burundi ebenso zusammen, wie mit dem örtlichen Repräsentanten des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen. Daneben gab es Treffen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, als dieser Burundi besuchte, sowie mit dem Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission für Burundi, mit Mitgliedern des Untersuchungsgremiums der Vereinten Nationen hinsichtlich des Waffenhandels in Ruanda, mit dem Repräsentanten des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und mit weiteren Menschenrechtsbeobachtern der Vereinten Nationen. Aus dem Kreis der Staatenvertreter traf die Kommission vor allem mit Repräsentanten aus den Vereinigten Staaten von Amerika zusammen: mit dem Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten, mit dem Assistierenden Staatssekretär für Menschenrechte, mit dem Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen, mit dem Sonderkoordinator für Burundi und Ruanda und dem Chargé d’affaires der Vereinigten Staaten von Amerika in Burundi; daneben kamen Treffen mit dem schwedischen Botschafter, mit zwei Repräsentanten des Hohen Kommissars von Südafrika in Nairobi sowie mit einer Delegation der AKP-Staaten, also aus den Staaten Afrikas, der Karibik und den Inselstaaten im Pazifischen Ozean, zustande.1857 Überdies unterhielt die Untersuchungskommission noch enge Kontakte zu dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Organisation für Afrikanische Einheit in Burundi und dem Leiter der internationalen Beobachtermission dieser Organisation in dem ostafrikanischen Land.1858 In Übereinstimmung mit Abs. 1 lit. (b) des operativen Teils der Sicherheitsratsresolution 1012 (1995) traf die Kommission zu Konsultationen mit den Mitgliedern der burundischen Regierung und weiteren Spitzenpersönlichkeiten aus Politik, Justiz und Verwaltung zusammen, um auf diesen Gebieten die Empfehlungen der Kommission vorzubereiten. Die Untersuchungskommission wurde hierbei jeweils von ihrem Vorsitzenden vertreten, der von dem politischen Berater und dem Rechtsberater der Kommission begleitet wurde. Es wurden Konsultationen mit dem Präsidenten Burundis, mit dem Premierminister, mit dem Außenminister, dem Justizminister, dem Verteidigungsminister und dem Minister für Menschenrechte abgehalten, daneben noch mit dem Generalstaatsanwalt, dem Präsidenten des Verfassungsgerichts sowie mit dem Präsidenten der Nationalversammlung.1859
1857
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 36. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 37. 1859 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 39. Die Kommission weist hier mit einem bitteren Unterton darauf hin, dass der Innenminister Burundis nicht die Zeit für ein Treffen mit der Kommission finden konnte. 1858
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In ihrem Abschlussbericht bezeichnete die Untersuchungskommission deutlich die Problemlagen, welche die Untersuchungstätigkeit sehr erschwert hätten:1860 Die erste von der Kommission identifizierte Problemlage war die Zeit, die zwischen den von ihr mandatsgemäß zu untersuchenden Ereignissen und dem Tätigkeitsbeginn verstrichen war. Die Kommission beklagte, dass während der zwei Jahre, die inzwischen vergangen seien, viele Zeugen und Überlebende vertrieben oder umgekommen seien und sich die vergangene Zeit zudem negativ auf die Erinnerung ausgewirkt hätte. Zudem seien Beweise verloren gegangen, unterdrückt oder verändert worden und spätere Ereignisse hätten die Objektivität der Zeugen beeinflusst.1861 – Als eine zweite Problemlage benannte die Kommission die ethnische Polarisierung in Burundi. Die Kommission stellte fest, dass die Ereignisse nach der Ermordung von Ndadaye das Misstrauen zwischen den Hutu und den Tutsi derartig vertieft hätten, dass in Aussagen stets versucht würde, Akte, und seien sie auch noch so grausam, als Verteidigungshandlung der eigenen Gruppe darzustellen. Es habe der Kommission daher größte Schwierigkeiten bereitet, verlässliche Aussagen zu erhalten.1862 – Als größte Herausforderung für ihre Arbeit sah die Untersuchungskommission die damalige Sicherheitslage in Burundi an.1863 In der burundischen Hauptstadt Bujumbura sei die Kommission etwa mehrere Tage durch Demonstrationen zum Verbleib in ihrem Hotel gezwungen worden.1864 Eine Schießerei in unmittelbarer Nähe der Büroräume der Kommission habe die Kommission gezwungen, diese Räumlichkeiten zu verlassen und andere Büros anzumieten.1865 Als problematisch wurde auch die Bewachung des Hotels und der angemieteten Räumlichkeiten der Kommission angesehen. Die Bewachung wurde von einer Einheit der Militärpolizei von Burundi durchgeführt. Auch wenn das Verhalten dieser Sicherheitskräfte keinen Grund zur Beanstandung gegeben hätte, habe deren bloße Anwesenheit jedoch bereits viele Hutu-Zeugen vom Betreten der Räumlichkeiten abgehalten.1866 Als ebenfalls besorgniserregend stufte die Kommission die schlechten Möglichkeiten ein, die Kommissionsarbeit und die Kommissionsunterlagen vertraulich zu halten. Dies insbesondere deshalb, weil das Bekanntwerden einer Aussage vor der Kommission für die jeweilige Person durchaus in einem realen Risiko für ihr Leben münden konnte. In diesem Zusammenhang bemängelte die Kommission vor allem, dass ihre Räumlichkeiten über einen längeren Zeitraum keinen 24-Stunden-Schutz durch Sicherheitspersonal genossen hätten.1867 Letztlich wurde noch angemerkt, dass die Kommission zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 41. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 42. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 43 f. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 45. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 47. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 48. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 49. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 50.
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habe, Mittel zur Aufspürung elektronischer Abhöreinrichtungen zu erhalten.1868 Für ihren Aufenthalt in Bujumbura konnte die Kommission konstatieren, dass nur durch die strikte Einhaltung der Sicherheitsregeln weder die Mitglieder der Untersuchungskommission, noch Mitglieder ihres Stabes zu Schaden gekommen seien.1869 Noch schlechter sei die Sicherheitslage für die Kommission im Landesinneren gewesen. Im gesamten Land sei es zu bewaffneten Konfrontationen zwischen Guerillas und Armee gekommen sowie von beiden Seiten zu Angriffen auf Zivilisten. Auch seien Angriffe auf die Vertreter Internationaler Organisationen verübt worden, wobei es zu Toten gekommen sei.1870 Insgesamt hätten die Kämpfe und ihre Folgen oftmals die Feldarbeit der Kommission be- oder gar verhindert.1871 – Das letzte von der Kommission bezeichnete Problemfeld waren die unzureichenden personellen und materiellen Ressourcen, die ihre Kommissionsarbeit erschwerten. Zunächst bemängelte die Kommission ihren zu kleinen Stab, und dass kein Kommissionsmitglied nach der Ankunft in Bujumbura die Möglichkeit gehabt habe, die Pläne der Kommission sowie die benötigten materiellen und personellen Ressourcen mit dem Hauptquartier der Vereinten Nationen zu diskutieren.1872 Als weiterer Kritikpunkt wurde von der Kommission angebracht, dass von den insgesamt zehn von den Vereinten Nationen zugesagten Ermittlern, die die Kommission bei ihrer Tätigkeit unterstützen sollten, nur sieben in Burundi eingetroffen seien.1873 Ein genereller Kritikpunkt hinsichtlich der personellen Ressourcen der Kommission war auch, dass Teile des Personals erst sehr spät in Burundi eingetroffen seien, ein Ermittler etwa erst gut einen Monat vor Ende der Untersuchungstätigkeit.1874 Die knappen personellen Ressourcen hätten sich auch unmittelbar auf die Beweiswürdigung durch die Kommission ausgewirkt. Die Kommission mahnte an, dass durch das fehlende Personal eine Transkription der aufgenommenen Aussagen nicht in ausreichendem Maße habe erfolgen können. Die Untersuchung habe einer Analyse und Diskussion der Aussagen bedurft, die aber nicht nur durch auf der Verwendung der, wie oben bereits beschrieben, in der Regel auf Kirundi gemachten und aufgenommenen Aussagen und den Notizen der Kommissionsmitglieder beruhen könne. Wegen der Vertraulichkeit der Aussagen hätten, außer den vereidigten Dolmetschern, keine Burunder zur Transkription der aufgenommenen Aussagen herangezogen werden dürfen, diese Arbeit habe sich daher aufgestaut. Als die Kommission Burundi verlassen habe, sei erst ein Drittel der Aussagen transkribiert gewesen. Bereits als die Kommission den Abschlussbericht diskutiert habe, sei die Arbeit an den Transkriptionen sowohl in Bujumbura als auch in New York fortgesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Abschlussberichts hätten noch etwa 150 Aussagen 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 51. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 47. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 52. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 52 ff. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 55. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 56. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 55 f.
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ihrer Transkription geharrt.1875 Im Übrigen habe die schlechte materielle Ausstattung der Kommission die Untersuchungstätigkeit in vielfacher Art und Weise behindert oder erschwert.1876 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission1877 umfasste 500 Randnummern und war in fünf große Teile aufgeteilt. Nach der Einleitung1878 bot der zweite Teil des Berichts1879 Hintergründe zu der von der Kommission untersuchten Situation, insbesondere aus den Bereichen Bevölkerung, Geografie, Wirtschaft, Geschichte, Verwaltung und Politik. Der dritte Berichtsteil1880 war dem Attentat auf Präsident Ndadaye gewidmet. Im vierten Berichtsteil1881 waren die Berichte zu den Untersuchungen zu den Massakern und weiteren schweren Gewaltakten enthalten. Der Abschlussbericht schloss im fünften Teil1882 mit verschiedenen Empfehlungen. bb) Hinsichtlich des Attentats kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass die Ermordung von Präsident Ndadaye und dessen verfassungsgemäßem Nachfolger ein im Voraus geplanter, integraler Teil eines gegen den Präsidenten gerichteten Staatsstreiches gewesen sei. Dieser sei von hochrangigen Offizieren der burundischen Armee vorbereitet und ausgeführt worden. Allerdings fand sich die Kommission nicht in der Lage, mit den ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln diejenigen Personen zu identifizieren, welche für das Attentat vor Gericht gestellt werden sollten.1883 Bezüglich der Gewalttätigkeiten kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass die Beweise ausreichend seien, um feststellen zu können, dass Akte von Völkermord gegen die Tutsi-Minderheiten am 21. Oktober 1993 und in den folgenden Tagen stattgefunden hätten. Hierbei hätten Hutu-Funktionäre der FRODEBU zu diesen Taten angestiftet und auch daran teilgenommen.1884 Allerdings befand die Kommission, dass die ihr vorliegenden Beweise nicht ausreichend genug seien, um festzustellen, ob die Akte des Völkermordes auf einer höheren Ebene
1875
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 57 f. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 59; „(…), too numerous to detail.“ 1877 Report of the International Commission of Inquiry concerning the assassination of the President of Burundi on 21 October 1993 and the massacres that followed, UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996. 1878 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 1. 1879 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 65 ff. 1880 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 105 ff. 1881 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 214 ff. 1882 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 488 ff. 1883 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 213. 1884 UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 483. 1876
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geplant worden seien oder nicht.1885 Auch hinsichtlich der Gewaltakte sah sich die Untersuchungskommission mit den ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht in der Lage, die Personen zu benennen, die für diese Akte vor Gericht gestellt werden sollten.1886 cc) Die Kommission sah sich nur sehr begrenzt in der Lage, Empfehlungen abzugeben. Sie argumentierte, dass von ihr nicht erwartet werden könne, wirksame Lösungen zu Fragen nationaler Versöhnung und der Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in Burundi in einer Situation anzubieten, in der die intensiven Bemühungen der Vereinten Nationen und anderer Mitglieder der internationalen Gemeinschaft bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Abschlussberichts keine Wirkungen gezeigt hätten, durch welche eine Verschlechterung der Lage in Burundi verhindert worden sei, geschweige denn, dass sich die Lage verbessert habe.1887 Aus diesem Grunde beschränkte sich die Kommission nur auf einige Ratschläge und Gedanken zu ausgewählten Bereichen. Die Untersuchungskommission wies zunächst daraufhin, dass die Straflosigkeit, welche in Burundi herrsche, zur Verschlimmerung der dortigen Krise beigetragen habe.1888 Zur Verhinderung von Straflosigkeit bedürfe es einer fairen und effektiven Gerichtsbarkeit.1889 Eine solche könne aber bei der anhaltenden Situation in Burundi nicht hergestellt werden. Hinzu komme, dass sich sowohl das Gerichtswesen, die Polizei als auch die gesamte Anwaltschaft hauptsächlich aus Tutsi zusammensetzen würden, was ein unausgeglichenes Verhältnis zur Gesamtbevölkerung darstelle. Auch wies die Kommission darauf hin, dass das burundische Straf- und Strafprozessrecht einer Reform bedürfe und dass den Richtern und Staatsanwälten bereits die einfachsten Ressourcen fehlen würden, um ihrer Arbeit nachkommen zu können. Das Haupthindernis bei der Bekämpfung der Straflosigkeit in Burundi sah die Untersuchungskommission jedoch in der Gesamtsituation des Landes, namentlich in den ethnischen Konfrontationen und in der schlechten Sicherheitslage.1890 Sobald die Situation in Burundi es zuließe, sei es am wichtigsten, die Besetzung von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei ethnisch auszubalancieren. Hierzu müssten sowohl die Besetzung als auch die Entfernung von Personen in diesen Bereichen einem unparteiischen, unabhängigen, unpolitischen und seinerseits ethnisch ausbalancierten Gremium überantwortet werden, welches mit den nötigen Kompetenzen und öffentlichem Vertrauen ausgestattet sei. Die Polizei müsse mit genügend Personal und Ressourcen ausgestattet und von ethnischer und politischer Kontrolle befreit werden; zudem dürfe die Polizei keine Verbindungen zu den Streitkräften haben. Letztlich müsse auch die Praxis der unbegrenzten Inhaftierungen ohne formelle 1885 1886 1887 1888 1889 1890
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 484. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 487. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 488. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 490. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 491. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 492.
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Anklage oder Verfahrenseröffnung beendet werden.1891 Die Untersuchungskommission machte auch darauf aufmerksam, dass eine Verfolgung jedes Täters unmöglich sei. Wenn allerdings denjenigen, welche die Hauptverantwortung für das in Burundi Geschehene trügen, jemals Gerechtigkeit widerfahren solle, müssten Gerichte und Staatsanwaltschaften die Befugnis haben, im Austausch für Kooperationen, denjenigen Immunität oder reduzierte Strafen anbieten zu können, die lediglich Befehle befolgt hätten.1892 Zudem befand die Untersuchungskommission für die angeführten, nötigen Reformen bedeutende internationale Hilfen in Form von Ausbildung und finanzieller Unterstützung als nötig.1893 Hinsichtlich der Akte von Völkermord, welche in Burundi stattgefunden hätten, glaubte die Kommission, dass für diese das Weltrechtsprinzip Anwendung finden müsse.1894 Allerdings könne im Angesicht der damaligen Lage in Burundi keine angemessene internationale Untersuchung stattfinden.1895 Falls entschieden werden sollte, das Weltrechtsprinzip auf die Akte des Völkermordes in Burundi Anwendung finden zu lassen, solle eine entsprechende Untersuchung nicht nur die Akte in den Blick nehmen, welche im Oktober 1993 verübt worden seien, sondern auch einen Blick in die Vergangenheit werfen, um herauszufinden, ob Gewaltereignisse in früheren Jahren ebenfalls Akte des Völkermordes dargestellt hätten.1896 Jedem internationalen Gremium, welchem Ermittlungen in dieser Sache übertragen würden, müssten ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sowie Kompetenzen zur Prüfung von Akten und Aufzeichnungen, zur Anordnung der Eröffnung von Akten, zur Vorladung von Zeugen, zur Bestrafung von Meineiden, zur Sicherstellung der Sicherheit von Zeugen sowie zur Gewährleistung von Immunitäten und es müssten Straferleichterungen für kooperationswillige Täter eingeräumt werden.1897 Weitere Verbrechen, wie die Ermordung von Präsident Ndadaye, Geiselnahmen und die unterschiedslose Unterdrückung von Zivilpersonen, fielen nach Auffassung der Kommission in den Bereich der nationalen burundischen Gerichtsbarkeit. Die Kommission sah es für diese Fälle als evident an, dass die damaligen Zustände im Gerichtswesen und in der Politik in Burundi keine faire und effektive Untersuchung oder Verfolgung dieser Akte zuließen. Solche Untersuchungen würden nämlich ein unabhängiges und verlässliches Gericht voraussetzen, welches mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet sei und welches in Sicherheit seine Tätigkeit ausüben könne.1898 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898
UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 493. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 494. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 495. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 496. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 497. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 498. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 499. UN Doc. S/1996/682 vom 22. August 1996, Rn. 500.
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7. Bürgerkrieg und Völkermord in Ruanda a) Historischer Hintergrund Vom 6. April 1994 bis Mitte Juli 1994 kam es in dem ostafrikanischen Staat Ruanda zu massiven Gewalttätigkeiten, die auch als Ruandischer Völkermord bekannt wurden.1899 In einem Zeitraum von etwa einhundert Tagen wurden durch Angehörige der Kaste der Hutu, welche in Ruanda die Bevölkerungsmehrheit stellen und auch damals bereits stellten, zirka 75 % der Angehörigen der Minderheitskaste der Tutsi getötet, sowie auch Hutu, die nicht an den Gewalttätigkeiten teilnahmen oder sich für die Belange der Tutsi einsetzten. Insgesamt fielen den Gewalthandlungen wohl etwa 800.000 bis zu 1.000.000 Menschen zum Opfer. Zu den Tätern gehörten viele Angehörige der ruandischen Sicherheitskräfte und der Verwaltung, aber auch große Teile der Hutu-Zivilbevölkerung. Besonders involviert waren zudem die beiden Milizen Interahamwe und Impuzamugambi. Die Tötungshandlungen waren regelmäßig von großer Grausamkeit geprägt, da neben anderen Waffen vor allem Macheten zum Einsatz kamen. Auch kam es in vielen Fällen zu absichtlichen Verstümmelungen der Opfer und zu sexueller Gewalt. Ähnlich wie im Falle Burundi lagen den Gewalthandlungen zwischen Hutu und Tutsi bis in die belgische Kolonialzeit zurückreichende Rivalitäten zwischen beiden Gruppen zugrunde. Ausfluss des in Ruanda herrschenden politischen, ökonomischen und sozialen Ungleichgewichts war ein Bürgerkrieg zwischen der ruandischen Regierung und der Tutsi-Rebellengruppierung Front Patriotique Rwandais. Der seit 1990 währende Konflikt war eigentlich am 4. August 1993 durch den Friedensvertrag von Arusha1900 beendet worden. Nach dem Abschuss des Flugzeuges und damit der Tötung des ruandischen Präsidenten Habyarimana flammte der Konflikt trotz der Anwesenheit der United Nations Assistance Mission for Rwanda (UNAMIR) gleichzeitig mit dem Beginn der Massaker jedoch wieder auf. b) Einsetzung der Kommission Hinsichtlich der Situation in Ruanda wurde die Idee einer Untersuchung erstmals Ende April 1994 artikuliert. In einer Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates vom 30. April1901 wurden die in dem afrikanischen Staat begangenen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, insbesondere solche, die sich gegen die Zivilbevöl1899 Hierzu und zum Folgenden Alan J. Kuperman, The limits of humanitarian intervention: Genocide in Rwanda, S. 1 ff.; Roméo Dallaire, Shake Hands with the Devil – The Failure of Humanity in Rwanda, S. 1 ff.; Philip Verwimp, Journal of Peace Research 43 (2006), S. 5 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Rwanda“, „Rwanda genocide of 1994“. 1900 Das Abkommen einschließlich verschiedener Protokolle zu diesem ist unter: https://pea cemaker.un.org/document-search?keys=&field_padate_value%5Bvalue%5D%5Bdate%5D=& field_pcountry_tid=Rwanda&field_paconflict_tid%5B%5D=1 abrufbar (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 1901 UN Doc. S/PRST/1994/21 vom 30. April 1994.
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kerung richteten, verurteilt und es wurde darauf hingewiesen, dass die Tötung von Mitgliedern einer ethnischen Gruppe mit der Intention, diese Gruppe gänzlich oder zum Teil zu vernichten, ein Verbrechen darstelle, das nach den Regeln des internationalen Rechts geahndet werden könnte. In diesem Kontext wurde daher der Generalsekretär der Vereinten Nationen in der Erklärung aufgefordert, Vorschläge über die Möglichkeit einer Untersuchung der aus Ruanda berichteten schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu unterbreiten. Am 17. Mai 1994 verabschiedete der Sicherheitsrat zudem die Resolution 918 (1994), welche der Hilfsmission der Vereinten Nationen in Ruanda gewidmet war.1902 Im operativen Teil der Resolution wurde der Generalsekretär an zwei Stellen zur Berichterstattung über die Lage in dem Land aufgefordert: „7. Further requests the Secretary-General to report as soon as possible on the next phase of UNAMIR’s deployment including, inter alia, on the cooperation of the parties, progress towards a cease-fire, availability of resources and the proposed duration of the mandate for further review and action, as required, by the Council; (…) 20. Decides to keep the situation in Rwanda under constant review and requests the Secretary-General to report further, including on the humanitarian situation, within five weeks of the adoption of this resolution and again in good time before the expiration of the current mandate of UNAMIR;“
Als Reaktion auf die Resolution übertrug der Generalsekretär dem AssistenzGeneralsekretär für Peacekeeping-Operationen und seinem militärischen Berater die Aufgabe, aus der Region der Großen Seen Bericht zu erstatten.1903 Der Generalsekretär legte am 31. Mai 1994 einen 14-seitigen Bericht über die Lage in Ruanda vor,1904 der auf den Eindrücken der von dem Generalsekretär entsandten Sondermission beruhte. In diesem Bericht legte der Generalsekretär dar, dass es wenige Zweifel geben könnte, dass in Ruanda ein Völkermord stattfinden würde.1905 Darüber hinaus wird in dem Bericht jedoch eingeräumt, dass die Ergebnisse der Sondermission des Generalsekretärs lediglich prima-facie-Glaubwürdigkeit besitzen würden. Der Generalsekretär sah vielmehr in einer ordentlichen Untersuchung den geeigneten Weg, um die Fakten zu bestimmen und Klarheit über Strafbarkeiten zu erhalten. Er mahnte zudem an, dass die Effektivität einer solchen Untersuchung schwinde, da die Zeit Beweise abschwäche und lebende Zeugen verloren gehen könnten.1906
1902
UN Doc. S/RES/918 (1994) vom 17. Mai 1994. UN Doc. S/1994/640 vom 31. Mai 1994, Rn. 1. 1904 Report of the Secretary-General on the situation in Rwanda, UN Doc. S/1994/640 vom 31. Mai 1994. 1905 UN Doc. S/1994/640 vom 31. Mai 1994, Rn. 36. 1906 UN Doc. S/1994/640 vom 31. Mai 1994, Rn. 10. 1903
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Der Entwurf einer Resolution, aufgrund derer eine Untersuchungskommission nach Ruanda entsandt werden sollte, wurde schließlich durch Argentinien, Frankreich, Neuseeland, Spanien, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika in den Sicherheitsrat auf dessen 3400. Sitzung am 1. Juli 1994 eingebracht; die Russische Föderation schloss sich diesen Staaten später an.1907 Diese Staaten sahen eine unabhängige Untersuchung als den richtigen Weg an, um die Verantwortlichkeiten für die Gewalttaten in Ruanda aufzuklären und die dahinterstehenden Personen der Gerechtigkeit zuzuführen.1908 Einzig die Volksrepublik China zeigte sich hinsichtlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission kritisch, allerdings ging es hierbei um die Frage der Kompetenz des Sicherheitsrates, eine entsprechende Maßnahme zu treffen, während die Bedeutung einer solchen Kommission wohl erkannt wurde.1909 Mit Resolution 935 (1994) vom 1. Juli 1994 entschied der Sicherheitsrat einstimmig, dass eine Expertenkommission zur Untersuchung der Gewalttätigkeiten in Ruanda errichtet werden sollte.1910 In der Resolution versuchte der Sicherheitsrat, neben der Einsetzung des eigentlichen Expertengremiums, dessen Zusammenarbeit mit anderen Akteuren innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen zu befördern, 1907
UN Doc. S/1994/775 vom 1. Juli 1994; UN Doc. S/PV.3400 vom 1. Juli 1994, S. 2. Vgl. die Wortbeiträge der einzelnen Repräsentanten im Sicherheitsrat in: UN Doc. S/ PV.3400 vom 1. Juli 1994; zum Beispiel von Spanien: „(…) Indeed, as the Secretary-General points out in his report, only proper investigation can establish the facts in order to determine responsibility (…)“, „(…) Spain promoted this initiative, together with other Council members because it feels that the Security Council should react to the grave violations of international humanitarian law, including acts of genocide, being perpetrated with total impunity in Rwanda, by determining the facts and bringing those responsible for such crimes against humanity to justice. (…)“, S. 3; von Neuseeland: „(…) Once those facts have been established, then appropriate steps can be taken to determine how persons responsible for such acts, particularly the persons responsible for their planning and organization, can be brought to justice. (…)“, „(…) Much more recently, the Security Council took steps to ensure that persons suspected of committing war crimes in the former Yugoslavia can be brought to justice. We can be no less concerned about the commission of such offences in Rwanda. (…)“, S. 5; des Vereinigten Königreichs: „(…) This resolution sends a clear message to those responsible for grave violations of international humanitarian law, or acts of genocide, that they will be held individually responsible for those acts. The international community is determined that they be brought to justice; it is our duty to ensure that that is done. (…)“, S. 8; von Argentinien: „(…) The most recent measure that we have just adopted focuses on the need to investigate the serious violations of international humanitarian law as well as possible acts of genocide committed during the conflict, with a view to making a determination of responsibility. This must be done in the name of justice. (…)“, S. 8. 1909 UN Doc. S/PV. 3400 vom 1. Juli 1994, S. 7: „(…) Secondly, the Chinese delegation holds that the establishment of the Commission of Experts as authorized by the resolution is an exceptional action adopted in line with the special situation in Rwanda and, therefore, should not be considered as a precedent. (…)“. 1910 UN Doc. S/RES/935 (1994) vom 1. Juli 1994. Für die Resolution stimmten: Argentinien, Brasilien, China, Djibouti, Frankreich, Neuseeland, Nigeria, Oman, Pakistan, Russische Föderation, Ruanda, Spanien, Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich sowie Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.3400 vom 1. Juli 1994, S. 5. 1908
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um für einen möglichst optimalen Informationszufluss für die Arbeit des Gremiums zu sorgen. „1. Requests the Secretary-General to establish, as a matter of urgency, an impartial Commission of Experts to examine and analyse information submitted pursuant to the present resolution, together with such further information as the Commission of Experts may obtain through its own investigations or the efforts of other persons or bodies, including the information made available by the Special Rapporteur for Rwanda, with a view to providing the Secretary-General with its conclusions on the evidence of grave violations of international humanitarian law committed in the territory of Rwanda, including the evidence of possible acts of genocide; 2. Calls upon States and, as appropriate, international humanitarian organizations to collate sustained information in their possession or submitted to them relating to grave violations of international humanitarian law, including breaches of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, committed in Rwanda during the conflict, and requests States, relevant United Nations bodies, and relevant organizations to make this information available within thirty days of the adoption of the present resolution and as appropriate thereafter, and to provide appropriate assistance to the Commission of Experts referred to in paragraph 1; 3. Requests the Secretary-General to report to the Council on the establishment of the Commission of Experts, and further requests the Secretary-General within four months from the establishment of the Commission of Experts, to report to the Council, on the conclusions of the Commission and to take account of these conclusions in any recommendations for further appropriate steps; 4. Also requests the Secretary-General and as appropriate the High Commissioner for Human Rights through the Secretary-General to make the information submitted to the Special Rapporteur for Rwanda available to the Commission of Experts and to facilitate adequate coordination between the work of the Commission of Experts and the Special Rapporteur in the performance of their respective tasks; 5. Urges all concerned fully to cooperate with the Commission of Experts in the accomplishment of its mandate, including responding positively to requests from the Commission for assistance and access in pursuing investigations;“
Der Generalsekretär etablierte am 26. Juli 1994 eine dreiköpfige Expertenkommission1911 und erstattete dem Sicherheitsrat hierüber einen Bericht.1912 In einem Brief an den Präsidenten des Sicherheitsrates vom 29. Juli 1994 zeigte der Generalsekretär sodann an, welche Mitglieder er für die Expertenkommission ausgewählt hatte,1913 die allesamt in persönlicher Eigenschaft an der Kommissionstätigkeit teilnahmen.1914 Es war dies zunächst Atsu-Koffi Amega aus Togo, der zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker war sowie zuvor das Amt des Präsidenten des Obersten 1911 1912 1913 1914
UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994, Rn. 10. UN Doc. S/1994/879 vom 26. Juli 1994. UN Doc. S/1994/906 vom 29. Juli 1994. UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994, Rn. 10.
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Gerichtshofs und das Amt des Außenministers in seinem Heimatland innegehabt hatte. Amenga nahm auch das Amt des Kommissionsvorsitzenden wahr. Die beiden weiteren Mitglieder der Expertenkommission waren Habi Dieng, eine Generalstaatsanwältin aus Guinea, sowie Salifou Fomba aus Mali, ein Völkerrechtsprofessor und Mitglied der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen. Der Generalsekretär behielt sich hinsichtlich dieser rein afrikanisch besetzten Kommission1915 das Recht vor, weitere Mitglieder zu benennen, falls sich dies als nötig erweisen solle. Zudem entschied der Generalsekretär, dass zur Verbesserung der Effizienz, Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit der Kommission, diese ihren Sitz im Büro der Vereinten Nationen in Genf haben solle. Dort könne sie auch von den Ressourcen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie von denjenigen Materialien profitieren, die der Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission für Ruanda zur Verfügung gestellt habe.1916 c) Durchführung der Untersuchung Die Expertenkommission für Ruanda nahm ihre Arbeit am 15. August 1994 in Genf auf.1917 In ihrer ersten Sitzung dort, die am 18. und 19. August stattfand, regelte die Kommission zunächst einige administrative Angelegenheiten. Sie verabschiedete ihre internen Arbeitsmethoden,1918 ihre Verfahrensordnung1919 1915
In der Literatur wurde diese Besetzung der Kommission, welcher ausschließlich Personen aus dem frankophonen Westafrika angehörten, kritisch aufgenommen. Deren Mitglieder seien weniger bekannt gewesen als diejenigen Personen, welche einige Zeit zuvor die Ermittlungen hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts im ehemaligen Jugoslawien geführt hätten. Ein größeres internationales Spektrum an Erfahrungen und Expertise hätte der wichtigen Fact-Finding-Aktivität eine größere Glaubwürdigkeit verliehen. Siehe Lyal S. Sunga, The International Journal of Human Rights 15 (2011), S. 187 (195); Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (199). Hiergegen lässt sich allerdings durchaus einwenden, dass die Situation in Ruanda ihre Wurzeln auch in der Kolonialgeschichte des Landes hatte und daher möglicherweise einer Untersuchung durch Europäer ein gewisser Beigeschmack hätte beiliegen können. 1916 UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994, Rn. 5. 1917 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 15. 1918 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, S. 53 f. 1919 Die Verfahrensordnung der Expertenkommission ist wiedergegeben als Appendix III in: UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, S. 55 ff. Die Kommission beschloss folgende Regeln: „Article 1. Mandate The Commission shall examine and analyze information submitted to it by States, international humanitarian organizations or other persons or bodies pursuant to Security Council resolutions 918 (1994), 925 (1994) and 935 (1994), as well as such further information as the Commission may obtain through its investigations or efforts with a view to providing the Secretary-General with its conclusions on the evidence of grave violations of international humanitarian law committed in the territory of Rwanda, including possible acts of genocide. Article 2. Meetings and quorum
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1. The Commission shall hold its meetings in private but may open them to the public as and when it deems it necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. 2. The Commission shall meet at such times as it may designate; meetings may otherwise be called by the Chairman, as a rule with at least one week’s notice. 3. The Chairman may declare a meeting open when at least the majority of the members of the Commission are present. The presence of a majority of the members shall be required for any decision to be taken. Article 3. Restraint in the disclosure of information Members of the Commission shall exercise restraint in disclosing information. They shall refrain from taking a stand in public on any confidential question in the Commission. The Chairman will make information on the work of the Commission available to the extend he deems it appropriate. Article 4. Powers of the Chairman The Chairman shall declare the opening and closing of each meeting of the Commission and, at such meetings, shall direct the discussions, accord the right to speak, put questions to the vote, announce decisions, rule on points of order and have complete control of the proceedings. Article 5. Secretariat The Secretary of the Commission shall be responsible for making all arrangements connected with the work of the Commission, including arrangements for the meetings of the Commission. He or she shall distribute documents and materials to the members of the Commission as requested by the Commission, its Chairman or any member thereof, and shall be responsible for the preparation of the records of the meetings of the Commission. Article 6. Records 1. The Commission will be provided with records of its meetings in English and French. 2. The Commission will arrange for the safekeeping and conservation of its records and files. After the conclusion of its work, the Commission will transmit its records and files to the Secretary-General of the United Nations. Article 7. Participation of States, international humanitarian organizations or other persons or bodies The Commission may invite States, international humanitarian organizations or other persons or bodies to participate in its discussion when the Commission deems it necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. Article 8. Investigations 1. The Commission may hear witnesses or experts on its own initiative or upon proposal by States, international humanitarian organizations or other persons or bodies. In such cases, the Commission shall determine the modalities for summoning witnesses and experts. States whose nationals have been summoned to appear before the Commission as witnesses or experts may be invited to be present when their nationals are heard. 2. The Commission may decide to request States to hear witnesses or experts. 3. The Commission may decide to visit Rwanda or any other State upon invitation or on its own initiative with the consent of any such State. Visits may be carried out by the Commission in its entirety, by one or more of its members or by the staff of the Commission as decided by the Commission. Article 9. Decisions The Commission will make every effort to take its decisions by consensus. In the absence of consensus, decisions of the Commission will be taken by a majority of the members present and voting. Article 10. Reports 1. The Commission may designate a Rapporteur for any question of a general or specific nature. 2. The Commission shall report its conclusions to the Secretary-General in accordance with Security Council resolution 935 (1994).
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sowie einen Aktionsplan.1920 Zum Berichterstatter wurde das Kommissionsmitglied Fomba ernannt.1921 Zudem entschied die Kommission, dem Generalsekretär vor dem 30. September 1994 einen vorläufigen Tätigkeitsbericht zukommen zu lassen.1922 Dieser vorläufige Bericht wurde mit Brief vom 1. Oktober 1994 vom Generalsekretär an den Präsidenten des Sicherheitsrates geleitet.1923 Die Expertenkommission empfahl in dem Bericht dem Sicherheitsrat, alle notwendigen und effektiven Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Personen, welche für schwere Menschenrechtsverletzungen in Ruanda verantwortlich seien, vor einem unabhängigen und unparteiischen internationalen Tribunal zur Rechenschaft gezogen werden sollten.1924 Hierzu sollte das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien erweitert werden, damit dieser auch über die Taten, die seit dem 6. April 1994 in Ruanda begangen worden seien, seine Gerichtsbarkeit ausüben könne.1925 Der Sicherheitsrat reagierte auf diese Empfehlungen, indem er am 8. November 1994 die Resolution 955 (1994) verabschiedete, in welcher er die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes für die Verfolgung der Verbrechen in Ruanda beschloss.1926 Die detaillierten Arbeitsmethoden, welche von der Kommission ausgearbeitet wurden, gaben den Kurs für ihre Untersuchung vor. Zunächst setzte die Kommission vier Sitzungen an, die der Erörterung einer Reihe von materiellen, prozessualen und organisatorischen Fragen gewidmet sein sollten.1927 Die letzte Sitzung sollte der Annahme des Abschlussberichts der Kommission gewidmet sein;1928 der Bericht selbst sollte dem Generalsekretär nicht später als bis zum 30. November 1994 vorgelegt werden.1929 Hinsichtlich der Untersuchungsmethoden und des Ziels der Untersuchung begab sich die Kommission allerdings in einen gewissen Widerspruch, denn zum einen sollte ein selektiver Untersuchungsansatz in der Kommissionstätigkeit gewählt werden, bei welchem die zur Verfügung stehenden Zeit-, Personal-
3. Members of the Commission who wish to make a separate statement may have such a statement appended to the report. Article 11. Other procedural matters Any procedural matters arising at a meeting which are not covered by these rules shall be dealt with by the Chairman in the light of the rules of procedure applicable to Committees of the General Assembly.“ 1920 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix V. 1921 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 9. 1922 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 9. 1923 UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994. 1924 UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994, Rn. 150. 1925 UN Doc. S/1994/1125 vom 4. Oktober 1994, Rn. 152. 1926 UN Doc. S/RES/955 (1994) vom 8. November 1994. 1927 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 2. 1928 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 3. 1929 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 4.
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und Finanzressourcen berücksichtigt werden sollten,1930 was eher auf eine Auswahl der zu untersuchenden Einzelfälle hindeutet, andererseits wurde jedoch das Ziel ausgegeben, eine erschöpfende Untersuchung anzustreben, bei welcher der Versuch unternommen werden sollte, jede behauptete gravierende Verletzung des humanitären Völkerrechts, die auf dem Staatsgebiet von Ruanda begangen wurde, zu verifizieren.1931 Bezüglich der Untersuchung selbst bekannte sich die Kommission dazu, Fairness und Unparteilichkeit walten lassen zu wollen.1932 Weiterhin sollten folgende drei Untersuchungsmethoden Anwendung finden: (1) Die Sammlung und Analyse von Informationen, welche der Kommission zugänglich gemacht wurden, um die sie selbst ersucht hat; (2) die Durchführung von Untersuchungsmissionen auf dem Territorium von Ruanda oder in anderen Staaten, um dort zusätzliche Informationen zu gewinnen, Zeugenaussagen zu hören und im größtmöglichen Umfange Fakten zu verifizieren, sowie (3) die Sammlung von Informationen, welche durch Regierungen gewonnen wurden.1933 Hinsichtlich der ersten Methode war es Ziel der Kommission, der Sicherheitsratsresolution 935 (1994), in der der Rat Staaten und internationale humanitäre Organisationen dazu einlud, der Kommission alle verlässlichen Informationen, sämtliches Dokumentationsmaterial, Videoaufnahmen usw., welche beziehungsweise welches Hinweise auf schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und insbesondere gegen die Völkermordkonvention auf dem Gebiet von Ruanda während des dortigen bewaffneten Konflikts enthielt beziehungsweise enthielten, der Kommission zugänglich zu machen, volle Wirksamkeit zu verleihen.1934 Hierzu beabsichtigte die Kommission, eine entsprechende Datenbank einzurichten.1935 Hinsichtlich der zweiten genannten Methode sollten neben Ruanda diejenigen Staaten bereist werden, in denen Ruander während des Konflikts Zuflucht gesucht hatten,1936 wobei die Kommission insgesamt zwei solcher Reisen zu unternehmen beabsichtigte.1937 Hinsichtlich der letzten, dritten Methode beabsichtigte die Kommission selbst, bei den verschiedenen Regierungen um die entsprechenden Informationen nachzusuchen.1938 Letztlich gehörte es auch zu den Arbeitsmethoden der Expertenkommission für Ruanda, dort, wo sie vertrauliche Informationen von Opfern oder Zeugen hinsichtlich schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts vermutete und feststellte, solche Regeln ins Werk zu setzen, welche die Sicherheit dieser Personen garantieren sollten.1939 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 5. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 6. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 7. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 8. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 9. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 10. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 11. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 12. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 13. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix II, Rn. 14.
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Um letzteres Ziel zu erreichen, wurde von der Expertenkommission eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen.1940 Eingehende Dokumente wurden in die Kategorien „open source“, „limited access“ und „confidential“ unterteilt.1941 In die erste Kategorie fielen dabei veröffentlichte Artikel, Berichte der Vereinten Nationen und generelle Materialien aus der öffentlichen Sphäre; die zweite Kategorie umfasste interne Memoranden der Vereinten Nationen sowie Dokumente der UNAMIR; die letzte Kategorie umfasste Materialien jeder Art, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren, so etwa Erklärungen von Zeugen oder Korrespondenz von Regierungen.1942 Die Aufgabe der Kategorisierung der eingehenden Dokumente oblag dem Sekretariat der Expertenkommission, welches sich in Zweifelsfällen an den Vorsitzenden wenden konnte.1943 Als vertraulich („confidential“) eingestuftes Dokumentationsmaterial wurde mit einem besonderen Stempel versehen und in ein besonderes Protokoll eingetragen.1944 Eingehende Dokumente der Kategorien „open source“ und „limited access“ wurden beim Kommissionssekretariat in ein Protokollbuch eingetragen, wobei Art, Inhalte und Eingangsdatum aufgenommen wurden. Diese Dokumente wurden sowohl auf Anfrage den Kommissionsmitgliedern als auch dem Unterstützungspersonal zur Verfügung gestellt.1945 Die Originale aller Dokumente wurden vor allem durch den Sekretär der Kommission verwahrt und in dessen Abwesenheit von dem stellvertretenden Kommissionssekretär.1946 Besonders aufwändig wurde bei der Verwahrung der als vertraulich eingestuften Originaldokumente vorgegangen. Diese wurden in einem mit Kombinationsschloss versehenen Safe im Büro des Sekretärs der Kommission im Kommissionssekretariat im Büro der Vereinten Nationen in Genf aufbewahrt. Die Zifferkombination für den besagten Safe war nur dem Kommissionssekretär, seinem Stellvertreter sowie dem Kommissionsvorsitzenden bekannt.1947 Zudem durften diese Dokumente nicht die Räumlichkeiten des Sekretariats verlassen, und wurden den Kommissionsmitgliedern nur auf Nachfrage zugänglich gemacht.1948 Auf die Regelungen hinsichtlich der als vertraulich eingestuften Dokumente wurden alle Kommissionsmitglieder, Sekretariatsangehörigen und Assistenten verpflichtet.1949 Letztlich wurde sogar noch der Verschluss der Fenster und Türen des Sekretariats nach Dienstschluss und an Wochenenden angeordnet, sowie dass Akten- und Notizvernichtung durch Schreddern zu erfolgen habe.1950 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, S. 58 f. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 1. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 1. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 2. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 3. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 4. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 5. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 6. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 8. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 7. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Appendix IV, Rn. 10 f.
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Die Kommission hielt in Genf eine Reihe von Treffen ab, auf denen sie mit Vertretern und Repräsentanten der Vereinten Nationen, aus der Diplomatie und der internationalen Gerichtsbarkeit sowie von Nichtregierungsorganisationen zusammentraf. Zu den Gesprächspartnern der Kommission zählten, neben dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dem Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission für Ruanda,1951 auch Delegationen des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, des Welternährungsprogramms, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und weiterer Nichtregierungsorganisationen1952 sowie der Vereinigten Staaten von Amerika.1953 In Den Haag trafen die Kommissionsmitglieder zudem mit dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda zusammen, um mit diesem mögliche Wege der Übermittlung von Dokumenten und Beweisen von der Kommission an das Büro des Anklägers zu diskutieren.1954 Vor der Reise der Kommission nach Ruanda bat der Vorsitzende die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um ihre Mithilfe bei der Implementierung des Kommissionsmandates. Dazu hielt er eine Sitzung mit den Repräsentanten von 21 Regierungen ab, denen er den Aktionsplan der Kommission erläuterte. Der Vorsitzende bat dabei insbesondere um Hilfe in Fragen von Strafverfolgung, polizeilichen Untersuchungen sowie um forensische Expertise. Ziel der Unterstützungsanfragen war es, dass ordentliche Opfer- und Zeugenbefragungen sowie die Exhumierungen von Massengräbern durchgeführt werden konnten.1955 Insgesamt unternahm die Kommission zwei Missionen nach Ruanda. Im Rahmen der ersten Mission besuchte die Kommission neben Ruanda auch dessen drei Nachbarstaaten Burundi, Tansania und Zaire. Während dieser Zeit fanden Treffen mit Vertretern der nationalen Regierungen und Behörden der jeweiligen Länder sowie mit Vertretern der Vereinten Nationen, mit Repräsentanten internationaler und lokaler Nichtregierungsorganisationen, mit Diplomaten sowie mit weiteren Einzelpersonen statt, um Informationen im Zusammenhang mit den gravierenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Akten des Völkermordes in Ruanda, die während des dortigen Konflikts begangen wurden, zu erhalten.1956 In der zairischen Stadt Goma und im tansanischen Daressalam konnte die Kommission auch mit ruandischen Flüchtlingen zusammentreffen.1957 Auf der zweiten Ruandareise begab sich die Kommission unter anderem nach Kigali, Nyarubuye, Gafunzo, Gikondo, Cyanvuzo, Save, M’bazi, Ntarama und zu einer Reihe weiterer Orte, an
1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 16. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 16, 20. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 19. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 21. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 17. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 22. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 23.
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denen sich Gräueltaten ereignet hatten.1958 Während dieser Reise wurde die Kommission durch den ruandischen Justizminister und den Premierminister empfangen. Daneben fanden Treffen mit dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, mit dem Kommandeur der UNAMIR sowie mit den Leitern der in der Region tätigen Agenturen der Vereinten Nationen und erneut mit Vertretern von in Ruanda tätigen Nichtregierungsorganisationen statt.1959 Die Arbeit der Kommission wurde während der zweiten Mission von einigen technischen Experten unterstützt. Insbesondere Spanien, dem Appell des Vorsitzenden folgend, stellte der Kommission zwei Experten für Untersuchungen und zwei Experten für forensische Fragen zur Verfügung. Das spanische Team wurde von einem Ermittlungsexperten aus der Schweiz unterstützt.1960 Die Expertenkommission konnte bei ihrer Arbeit aus einer Reihe von Quellen schöpfen. Hierzu gehörten zunächst die beiden Berichte des Generalsekretärs, die zu der Errichtung der Kommission geführt hatten, sowie zwei Berichte des Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen für Ruanda.1961 Der Kommission wurden zudem Informationen von verschiedenen Staaten bezüglich von Menschenrechtsverletzungen in Ruanda übersandt.1962 Spanien etwa übermittelte Dossiers, welche auf Berichten verschiedener Vereinigungen aus dem Bereich der Kirche, insbesondere der Missionsarbeit von Ärzten beruhten; die Vereinigten Staaten von Amerika sandten Berichte, vor allem über verschiedene Massaker, des Senatsausschusses für Auswärtige Beziehungen, des Außenministeriums sowie von zwei Menschenrechtsorganisationen;1963 weitere Einzelberichte wurden von Frankreich, Kanada und Irland bereitgestellt.1964 Bei einem weiteren Dokument, welches die Kommission erhielt, handelte es sich um einen Bericht über die sich verschlechternde Lage in Ruanda in den Bereichen Politik und Sicherheit des Generalsekretärs der Organisation für Afrikanische Einheit an deren Ministerrat.1965 Eine Vielzahl von Berichten ging der Kommission von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen zu, die zum Teil allgemeine Informationen über Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts und zum Teil genaue Vorwürfe hinsichtlich der Tötung oder Entführung namentlich bezeichneter Personen enthielten.1966 Zu den Nichtregierungsorganisationen zählten unter anderem Amnesty International, Comité pour le respect de droits de l’homme au Rwanda, International Federation of Human Rights, Médecins sans frontières, Avocats sans 1958
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 25. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 25. 1960 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 26. 1961 UN Doc. S/1994/1157 vom 13. Oktober 1994, Annexe I, II; UN Doc. S/1994/1157/ Add. 1. vom 14. November 1994, Annex. 1962 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 31. 1963 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 33. 1964 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 31, 36, 37. 1965 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 45. 1966 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 46. 1959
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
frontières, OXFAM und Survival International; auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz lieferte der Kommission verschiedene Informationen.1967 Die Vereinigten Staaten von Amerika stellten noch eine Reihe von Einzeldokumenten zur Verfügung, darunter Aussagen von Opfern und Zeugen, Stellungnahmen politischer Parteien, Pressemeldungen, Berichte über die Aktivitäten von Milizen, Zusammenstellungen von Radiosendungen, Briefe ausländischer Diplomaten und Berichte humanitärer Organisationen.1968 Von den beiden Parteien des bewaffneten Konflikts stammten Tausende von Dokumentenseiten, Briefe, schriftliche Beschwerden, Zeugenaussagen sowie Ton- und Videoaufnahmen über behauptete Verletzungen des humanitären Völkerrechts, wobei der Wert der Beweismittel aus der Sicht der Kommission erheblich schwankte.1969 Eine Vielzahl von Informationen verschiedener Form und verschiedenen Inhalts wurde letztlich von Einzelpersonen an die Kommission herangetragen, die in jeder erdenklichen Weise von der Situation in Ruanda betroffen waren.1970 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Expertenkommission1971 umfasste insgesamt 187 Randnummern und war in sieben Abschnitte gegliedert. Nach der Einleitung,1972 welche allgemeine Informationen zu Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kommission enthielt, war der zweite Teil1973 den Informationsquellen sowie der Analyse der erhaltenen Informationen gewidmet. Im dritten Berichtsteil1974 wurde ein Überblick über die von der Kommission gefundenen Fakten hinsichtlich der Situation in Ruanda gegeben, wobei sowohl die Natur der dortigen Verbrechen als auch die Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch die Front Patriotique Rwandais beleuchtet wurden. Der vierte Teil des Berichts1975 war Fragen der individuellen Verantwortlichkeit im Völkerrecht gewidmet und der fünfte Teil1976 Fragen der Zurechenbarkeit. Im sechsten Teil1977 des Berichts ging die Kommission Fragen nach der strafrechtlichen Jurisdiktion nach. Der abschließende siebte Berichtsteil1978 enthielt die Schlussfolgerungen der Expertenkommission. 1967
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 48. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 35. 1969 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 51 f. 1970 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 53 f. 1971 Final report of the Commission of Experts established pursuant to Security Council resolution 935 (1994), UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994. 1972 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 1 ff. 1973 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 30 ff. 1974 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 55 ff. 1975 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 101 ff. 1976 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 169 ff. 1977 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 177 ff. 1978 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 181 ff. 1968
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bb) Bezüglich des anwendbaren Völkerrechts für die Untersuchung stellte die Expertenkommission zunächst fest, dass Ruanda den vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 am 5. Mai 1964 und den beiden Zusatzprotokollen zu diesen aus dem Jahr 1977 am 19. November 1984 beigetreten sei.1979 Hinsichtlich des Problems der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts stand es für die Kommission außer Frage, dass in dem Zeitraum vom 6. April bis zum 15. Juli 1994 in Rwanda ein bewaffneter Konflikt geherrscht habe.1980 Da sich der Konflikt innerhalb der Grenzen von Ruanda abgespielt habe und keine anderen Staaten in ihn verwickelt gewesen seien, befand die Kommission, dass die Kampfhandlungen als nicht-internationaler bewaffneter Konflikt einzustufen gewesen seien.1981 Neben dem humanitären Völkerrecht untersuchte die Kommission auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Kommission stellte hierzu fest, dass der Inhalt dieser Normkategorie nicht so klar umrissen sei, wie dies bei dem Tatbestand des Völkermordes oder bei Verstößen gegen die vier Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle der Fall sei.1982 Nach einer Würdigung der internationalen Praxis in diesem Bereich konnte die Kommission allerdings für sich feststellen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit grobe Verstöße gegen fundamentale Normen des humanitären Völkerrechts und gegen die Menschenrechte seien, die von Personen begangen würden, die nachweislich eine Verbindung zu einer Partei des bewaffneten Konflikts hätten; dabei müssten die groben Rechtsverletzungen Teil einer offiziellen Politik der Diskriminierung einer identifizierbaren Gruppe von Personen seien, unabhängig von Krieg und der Staatsangehörigkeit der Opfer. Die Kommission wollte dabei folgende Akte zum Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechnen: Mord, Vernichtung, Versklavung, Deportation und Bevölkerungsumsiedlung, Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, Verfolgung aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen, andere unmenschliche Akte sowie Apartheid.1983 Letztlich maß die Expertenkommission die Ereignisse in Ruanda noch an dem internationalen Verbrechen des Völkermordes.1984 Hierzu konnte die Kommission feststellen, dass Ruanda zwar bereits 1975 die Konvention über die Verhütung und die Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes unterzeichnet habe,1985 dass die Ratifikation dieses Vertrages zum Untersuchungszeitpunkt allerdings noch ausstand. Dies sah die Kommission allerdings als unschädlich im Hinblick darauf an, dass eine Bindung an entsprechendes Völkergewohnheitsrecht bestehe, welches sich seit der Verabschiedung der Konvention im Jahr 1948 gebildet habe. Daher sah die Exper1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 104. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 106. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 108. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 126. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 135. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 147 ff. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 151.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
tenkommission auch eine entsprechende Bindung Ruandas an das Verbot des Völkermordes als gegeben an.1986 cc) Die Expertenkommission schlussfolgerte, dass Personen beider Parteien des bewaffneten Konflikts in Ruanda im Zeitraum vom 6. April bis zum 15. Juli 1994 schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen hätten, insbesondere des Gemeinsamen Artikels 3 der vier Genfer Abkommen von 1949 und des zweiten Zusatzprotokolls hierzu.1987 Auch hätten beide Seiten in diesem Zeitraum Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt.1988 Nach sorgfältigen Überlegungen kam die Expertenkommission zudem zu dem Schluss, dass es überwältigende Beweise dafür gebe, dass von einigen Hutu Akte des Völkermordes an den Tutsi verübt worden seien, und zwar in konkreter, geplanter, systematischer und methodischer Weise.1989 Zahlreiche Beweise hätten gezeigt, dass die Massenvernichtungen, die von einigen Hutu gegen die Gruppe der Tutsi verübt worden seien, einen Völkermord im Sinne des Artikels II der Konvention über die Verhütung und die Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 darstellen würden.1990 8. Umgang mit der Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha a) Historischer Hintergrund Seit dem Jahr 1967 herrschte in dem südostasiatischen Staat Kambodscha ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung, welche von den Vereinigten Staaten von Amerika und Südvietnam unterstützt wurde, einerseits und kommunistischen Guerillas andererseits, insbesondere den Roten Khmer, welche von Nordvietnam und dem Viet Cong unterstützt wurden. Anführer der Roten Khmer war Pol Pot. Unter dessen ideologischer Führung war es Ziel dieser Gruppierung, einen „Agrarkommunismus“ als Gesellschaftsform in Kambodscha zu etablieren.1991 Der Bürgerkrieg endete, als die Roten Khmer am 17. April 1975 die Hauptstadt Phnom Penh erobern konnten.1992 Der Staat wurde in dieser Zeit offiziell als Demokratisches Kampuchea bezeichnet. Während kurz nach dem Ende der Kämpfe in der kambodschanischen Bevölkerung noch ein Gefühl der Erleichterung vorherrschte, wandelte sich diese Stimmung bald. Die Roten Khmer unter Pol Pot errichteten eine Schreckensherrschaft. Diese begann mit der Deportation der Bevöl1986
UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 152. UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 181. 1988 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 182. 1989 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 183. 1990 UN Doc. S/1994/1405 vom 9. Dezember 1994, Rn. 184. 1991 Hierzu Matthew Edwards, Asian Affairs 35 (2004), S. 56 ff. 1992 Hierzu und zum Folgenden eingehend Ben Kiernan, The Pol Pot Regime, S. 1 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Cambodia“, „Khmer Rouge“. 1987
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kerung der Städte zur Arbeit auf den Reisfeldern. Auf dem „Langen Marsch“ zu den Feldern starben mehrere tausend Menschen. In der Folge wurden Lehrer, Kaufleute, Ärzte usw. im großen Stil umgebracht. Weitere Opfer waren Personen, denen unterstellt wurde, sie würden mit dem Ausland kollaborieren, sowie Oppositionelle und Angehörige der „Bourgeoisie“. Zur letzten Gruppe wurden Personen in vielen Fällen bereits dann gezählt, wenn sie des Lesens mächtig waren oder über Fremdsprachenkenntnisse verfügten. Auch Folter war während des Regimes der Roten Khmer an der Tagesordnung. Bekanntheit erlangte das Tuol-Sleng-Lager, welches auch als Sicherheitsgefängnis 21 bekannt wurde. Schätzungen zufolge waren im Laufe der Zeit zwischen 15.000 und 30.000 Personen inhaftiert und der Folter ausgesetzt. Wer diese überlebte, wurde auf den „Killing Fields“ außerhalb von Phnom Penh getötet. Von den Insassen der Anstalt überlebten nur sieben. Durch Zwangsarbeit und die durch Misswirtschaft hervorgerufenen Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung verstarb ebenfalls eine Vielzahl von Personen. Schätzungen zufolge forderte die Herrschaft der Roten Khmer über Kambodscha 1,7 bis 2,2 Millionen Todesopfer. Die Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha endete im Januar 1979, nachdem im Dezember des Vorjahres, nach einer Reihe von Grenzzwischenfällen, vietnamesische Streitkräfte in das Nachbarland einmarschierten. Im Zuge dieser Ereignisse gelang es der Einheitsfront für nationale Rettung, das Regime von Pol Pot zu stürzen. b) Einsetzung der Kommission Mit einem Schreiben vom 21. Juni 1997 ersuchten der damalige Erste und der damalige Zweite Premierminister von Kambodscha, nach der vorangegangenen Resolution 1997/49 des Menschenrechtsausschusses vom 11. April 1997 zu dieser Frage,1993 die Vereinten Nationen um Hilfe bei der Aufarbeitung der massiven Verletzungen des Völkerrechts und des kambodschanischen Rechts während der Khmer-Rouge-Herrschaft in dem südostasiatischen Staat. Dabei wurde auch die Außerordentlichkeit der Verbrechen der Roten Khmer herausgestellt.1994 Am 24. November 1997 wurde durch den Repräsentanten von Australien für sein Heimatland sowie für Andorra, Österreich, Kanada, Costa Rica, Dänemark, Griechenland, Ungarn, Japan, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Neuseeland, Norwegen, Schweden, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika der Entwurf einer Resolution unter dem Titel „Situation of Human Rights in Cambodia“ in die Generalversammlung eingebracht. Dem Entwurf schlossen sich später noch Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Island, Irland, Israel, die
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UN Doc. E/CN.4/1997/49 (1997) vom 11. April 1997. Der wichtigste Teil dieses Schreiben ist wiedergegeben in: UN Doc. A/53/850 – S/1999/ 231 vom 16. März 1999, Rn. 5. 1994
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Niederlande, Portugal, Rumänien und Spanien an.1995 Der Entwurf wurde dann zunächst an den dritten Ausschuss der Generalversammlung geleitet und dort am 26. November 1997 im Konsens angenommen.1996 Eine Diskussion hierzu fand in der Generalversammlung nicht statt.1997 Der Entwurf zur Menschenrechtslage in Kambodscha wurde schließlich am 12. Dezember 1997 als Resolution 52/1351998 von der Generalversammlung im Konsens angenommen.1999 Aufgrund dieser Resolution sollte eine Expertengruppe eingesetzt werden: „15. Endorses the comments of the Special Representative that the most serious human rights violations in recent history have been committed by the Khmer Rouge and that their crimes, including the taking and killing of hostages, have continued to the present, and notes with concern that no Khmer Rouge leader has been brought to account for his crimes; 16. Requests the Secretary-General to examine the request by the Cambodian authorities for assistance in responding to past serious violations of Cambodian and international law, including the appointment, by the Secretary-General, of a group of experts to evaluate the existing evidence and propose further measures, as a means of bringing about national reconciliation, strengthening democracy and addressing the issue of individual accountability.“
Im Juli 1998 stellte der Generalsekretär die in der Resolution 52/135 geforderte Expertengruppe zusammen und erteilte der Gruppe folgendes Mandat:2000 „(a) To evaluate the existing evidence with a view to determining the nature of the crimes committed by Khmer Rouge leaders in the years from 1975 to 1979; (b) To assess, after consultation with the Governments concerned, the feasibility of bringing Khmer Rouge leaders to justice and their apprehension, detention and extradition or surrender to the criminal jurisdiction established; (c) To explore options for bringing to justice Khmer Rouge leaders before international or national jurisdiction.“ 1995 UN Doc. A/52/644/Add. 2 vom 5. Dezember 1997, Rn. 50. Der Text des Entwurfs findet sich auf S. 65 ff. des Dokuments. 1996 UN Doc. A/C.3/52/SR.48 vom 9. Dezember 1997, Rn. 59. 1997 Nur der Repräsentant von Laos gab eine Erklärung ab, die sich allerdings auf den Gesamtentwurf und nicht auf einzelne Aspekte hiervon bezog. In der Erklärung wurde bedauert, dass kein Delegierter von Kambodscha an der Ausarbeitung des Entwurfs teilgenommen habe. Dies war allerdings auch dadurch bedingt, dass Kambodscha keine Repräsentanten zur Generalversammlung der Vereinten Nationen entsandt hatte. Der laotische Delegierte rügte zudem, dass nur negative Aspekte der Menschenrechtssituation in der Resolution vorhanden seien. Er gab zuletzt noch seiner Hoffnung Ausdruck, dass diejenigen Staaten, welche die Resolution eingebracht hätten, die Notwendigkeit von Konsultationen im Auge behalten würden. Aus seiner Sicht sei dies der beste Weg, um die Kooperation der Regierung von Kambodscha und damit die Implementierung der Resolution zu sichern. Siehe UN Doc. A/C.3/ 52/SR.48 vom 9. Dezember 1997, Rn. 58. 1998 UN Doc. A/RES/52/135 vom 27. Februar 1998. 1999 UN Doc. A/52/PV.70 vom 12. Dezember 1997, S. 18. 2000 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 6.
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Anders als noch in der Generalversammlungsresolution, in welcher als Ziele der Expertengruppe neben der Frage wie die individuelle Verantwortlichkeit für die Menschenrechtsverletzungen der Khmer-Rouge-Ära angegangen werden könnten, auch noch Vorschläge hinsichtlich der nationalen Versöhnung und der Stärkung demokratischer Strukturen ausgegeben wurden, war also das der Gruppe vom Generalsekretär erteilte Mandat ausschließlich auf die Strafverfolgung der Täter in der Zeit von 1975 bis 1979 fokussiert und darauf, entsprechende Vorschläge zu machen. Die Expertengruppe wurde aus drei Personen gebildet. Der Vorsitz wurde dem Australier Sir Ninian Stephan übertragen, der zuvor unter anderem als Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, als ad-hoc-Richter am Internationalen Gerichtshof und als Generalgouverneur von Australien tätig gewesen war. Die beiden weiteren Mitglieder der Gruppe waren Rajsoomer Lallah von Mauritius, der zuvor Richter am dortigen Obersten Gerichtshof war und als Mitglied des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen gewirkt hatte, sowie der Völkerrechtsprofessor Steven R. Ratner aus den Vereinigten Staaten von Amerika, der zuvor auch bei Friedensgesprächen in Kambodscha und als Berater des US-amerikanischen Außenministeriums für Fragen der Verfolgung der Roten Khmer tätig gewesen war.2001 Mit Briefen vom 31. Juli 1998 setzte der Generalsekretär den Präsidenten der Generalversammlung, den Präsidenten des Sicherheitsrates sowie den Ersten und den Zweiten Premierminister von Kambodscha über die Errichtung der Expertengruppe sowie deren Zusammensetzung und das erteilte Mandat in Kenntnis.2002 Auch wenn es die Expertengruppe, wie ihre Bezeichnung in Punkt 16 der Generalversammlungsresolution 52/135 bereits zeigt, ursprünglich nicht als Untersuchungskommission im strengen Sinne tätig werden sollte, so wurde sie doch vom Generalsekretär der Vereinten Nationen als solche betrachtet.2003 Die Gruppe sollte nach dessen Auffassung demselben Zweck wie eine Untersuchungskommission dienen, in dem sie es unabhängigen Experten ermöglichte, Beweise, Rechtsfragen und verschiedene Lösungsoptionen hinsichtlich des mandatsgegenständlichen Betrachtungsobjekts zu ermitteln und Vorschläge zu unterbreiten, von denen sich von Seiten der Vereinten Nationen Fortschritte bezüglich der Möglichkeit, die Roten Khmer zur Verantwortung zu ziehen, versprochen wurden.2004 Letzteres sollte aber nach dem vom Generalsekretär erteilten Mandat den Fokus der Gruppentätigkeit bilden. 2001 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 6; vgl. auch Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949). 2002 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 6. 2003 Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949). 2004 Siehe Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949), der auch darauf hinweist, dass die Einsetzung der Expertengruppe im Anschluss an die Resolution 52/135 der Generalversammlung die erste offizielle Reaktion der Vereinten Nationen hinsichtlich der Aktionen der Roten Khmer seit dem Jahr 1978 war.
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c) Durchführung der Untersuchung Die Expertengruppe legte ihr Mandat selbstständig aus.2005 Zunächst stellte sie in zeitlicher Hinsicht fest, dass das Mandat den Zeitraum der Herrschaft der Roten Khmer vom 17. April 1975 bis zum 7. Januar 1979 umfasse. Daher blieben Verletzungen von Menschenrechten durch die Roten Khmer bei der Untersuchung insofern außerhalb des Fokus der Gruppe, als dass sie nicht zur Klärung des eigentlichen Untersuchungsgegenstandes beitrugen.2006 Weiterhin wurde das Mandat der Expertengruppe von dieser dahingehend ausgelegt, dass das Mandat sich auf Akte der Roten Khmer beschränke und nicht solche Menschenrechtsverletzungen umfasse, die von anderen Personen oder Staaten im Untersuchungszeitraum auf dem Territorium vom Kambodscha begangen worden seien. Diese beschränkende Sichtweise des Mandats rührte daher, dass sich die Expertengruppe dem Ersuchen der kambodschanischen Regierung verpflichtet sah und daher eine Fokussierung der Gruppentätigkeit auf die außergewöhnliche Natur der Verbrechen der Roten Khmer erreicht werden sollte.2007 In einem anderen Punkt ging die Expertengruppe jedoch über das vom Generalsekretär erteilte Mandat hinaus. Nach deren Auffassung musste das Mandat im Lichte der Generalversammlungsresolution 52/135 verstanden werden. Daher entschloss sich die Gruppe nicht nur, wie dies in dem vom Generalsekretär erteilten Mandat angelegt war, strafrechtliche Methoden der Verfolgung der Roten Khmer zu begutachten, sondern auch andere Formen der Herstellung von Verantwortlichkeit und Gerechtigkeit zu diskutieren.2008 Der Tätigkeitszeitraum der Expertengruppe erstreckte sich von Juli 1998 bis in den Februar 1999.2009 Die Gruppe war dabei in insgesamt vier Städten tätig. Vom 8. bis zum 11. September 1998 arbeitete sie in New York, vom 15. bis zum 22. November 1998 in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, vom 22. bis zum 24. November 1998 in Bangkok und am 27. Januar 1999 in Genf. Das Kommissionsmitglied Ratner besuchte darüber hinaus am 4. sowie am 17. Dezember 1998 Den Haag.2010 Während der verschiedenen Aufenthalte hielt die Expertengruppe Treffen mit Personen ab, die Sachdienliches zur Implementierung des Mandates beitragen konnten. Hierzu gehörten unter anderem Repräsentanten des Büros der Vereinten Nationen für Rechtsangelegenheiten, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Repräsentanten des Komitees von Juristen für Menschenrechte, der Sondergesandte der Vereinigten Staaten von Amerika für Fragen von Kriegsverbrechen, Vertreter der 2005
UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 8. UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 9. 2007 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 10. 2008 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 11. 2009 Siehe Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949). 2010 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 7; Annex, S. 67 f.; vgl. zudem Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949). 2006
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Abteilung der Vereinten Nationen für Politische Angelegenheiten, die Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen von Thailand, den Philippinen, Singapur, Japan, China und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Menschenrechtskommission der Regierung von Kambodscha, der Präsident der Vereinigung für Menschenrechte und Entwicklung von Kambodscha, die Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und Japans in Kambodscha, der Direktor des kambodschanischen Menschenrechtsinstituts, ein Mitglied des Verfassungsrates von Kambodscha, der Erste Premierminister von Kambodscha, welcher damals auch gleichzeitig das Amt des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten ausübte, der Zweite Premierminister von Kambodscha, der Präsident des kambodschanischen Obersten Gerichtshofs, der stellvertretende Innenminister von Kambodscha, ein Unterstaatssekretär aus dem kambodschanischen Justizministerium, der Anführer einer politischen Partei, Repräsentanten der Minderheit der Cham, der Direktor des Buddhistischen Instituts, der Direktor des Khmer Instituts für Demokratie, der Persönliche Repräsentant des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in Kambodscha, Mitglieder des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Kambodscha, der Vorsitzende der kambodschanischen Nationalversammlung, der Generaldirektor der Abteilung für Verträge und Rechtsangelegenheiten im thailändischen Außenministerium, der stellvertretende Außenminister von Thailand, der Kommandeur der Königlichen Thailändischen Armee, die Präsidentin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, die Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda sowie die Hohe Kommissarin des Vereinten Nationen für Menschenrechte.2011 Die Expertengruppe konzentrierte sich also bei ihren Ermittlungen vor allem auf die Aussagen und Meinungen von Schlüsselakteuren innerhalb und außerhalb Kambodschas.2012 In Phnom Penh besuchten die Experten der Vereinten Nationen zudem das Dokumentationszentrum von Kambodscha, die kambodschanischen Nationalarchive und führten Vor-Ort-Besuche in einem Dorf der Kandal-Provinz sowie in dem TuolSleng-Genozid-Museum und den zugehörigen Archiven durch. Das Museum war zur Zeit der Herrschaft der Roten Khmer ein berüchtigtes Folterzentrum gewesen. Neben den verschiedenen Gesprächen und Vor-Ort-Besuchen konnte die Kommission auch eine Reihe von Augenscheinbeweisen würdigen. Hierzu gehörten vor allem menschliche Überreste, Gebäude, die als Gefangenenlager sowie als Zentren für Folter und Tötungen verwendet wurden, einschließlich von Gegenständen zu diesen Zwecken, die dort noch vorhanden waren, und Dokumente – insbesondere interner Art – des Regimes des Demokratischen Kampuchea.2013
2011 2012 2013
UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 7; Annex, S. 67 f. Steven R. Ratner, American Journal of International Law 93 (1999), S. 948 (949). UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Annex, S. 67.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Expertengruppe für die Menschenrechtssituation in Kambodscha2014, der am 18. Februar 1999 abgeschlossen wurde, war 220 Randnummern stark und in elf Abschnitte gegliedert. Nach der Einleitung2015 folgte als zweiter Abschnitt2016 eine Beschreibung des Gruppenmandats, der Zusammensetzung der Expertengruppe und von deren Arbeitsprogramm. Im dritten Berichtsabschnitt2017 wurde der historische Hintergrund der zu untersuchenden Situation dargestellt. Im vierten Abschnitt2018 äußerte sich die Gruppe zur Evaluation der verschiedenen Beweise. Der fünfte Abschnitt des Berichts2019 war der kriminellen Natur der verübten Gewaltakte gewidmet. Im sechsten Berichtsabschnitt2020 ging die Expertengruppe der Rolle der Roten Khmer in der zum Untersuchungszeitpunkt aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage in Kambodscha nach. Die generelle Möglichkeit, den Anführern der Roten Khmer Gerechtigkeit für die begangenen Verbrechen widerfahren zu lassen, wurde im siebten Abschnitt des Berichts2021 beleuchtet und im achten Abschnitt2022 die verschiedenen Optionen hierfür. Im neunten Abschnitt2023 wurden weitere Formen individueller Verantwortlichkeit diskutiert und im zehnten Abschnitt2024 wurden weitere Aspekte von Gerichtsverfahren behandelt. Im elften und damit letzten Abschnitt des Abschlussberichts der Expertengruppe2025 wurden schließlich deren wichtigste Empfehlungen zusammengefasst. bb) Die Expertengruppe gab mandatsgemäß mehrere Empfehlungen zu Fragen der Strafverfolgung der Roten Khmer ab.2026 Als Hauptempfehlung, um die sich die übrigen Vorschläge gruppierten, stand hierbei die Errichtung eines ad-hoc-Tribunals durch die Vereinten Nationen, vor welchem die Führungsriege der Roten Khmer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in dem Zeitraum vom 17. April 1975 bis zum 7. Januar 1979 anklagt werden sollte. In den folgenden Empfehlungen wurde bereits ein rudimentäres Verfahrensrecht für dieses Tribunal niedergelegt. Aus verfahrenspolitischen Gründen sollte der von den Vereinten Nationen benannte Ankläger an diesem Tribunal nur diejenigen Personen verfolgen, 2014
Report of the Group of Experts for Cambodia established pursuant to General Assembly resolution 52/135, UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999. 2015 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 1 ff. 2016 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 4 ff. 2017 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 13 ff. 2018 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 46 ff. 2019 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 59 ff. 2020 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 92 ff. 2021 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 102 ff. 2022 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 122 ff. 2023 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 198 ff. 2024 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 213 ff. 2025 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 219 f. 2026 UN Doc. A/53/850 – S/1999/231 vom 16. März 1999, Rn. 219.
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welche für die allerschwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen seien, und ihm übertragenes Ermessen so ausüben, dass die beiden Ziele der individuellen Verantwortlichkeit und der nationalen Versöhnung in Kambodscha einbezogen würden. Die Etablierung des ad-hoc-Tribunals sollte entweder durch den Sicherheitsrat geschehen oder, falls dieser nicht handeln würde, durch die Generalversammlung. Das Tribunal solle dabei aus zwei Verfahrenskammern und einer Appellationskammer bestehen. In Bezug auf das Personal des Tribunals wurde von der Expertengruppe empfohlen, dass die Vereinten Nationen sich aktiv um einen kambodschanischen Staatsangehörigen als Richter bemühen sollten, von dem sie glaubten, dass er qualifiziert, unabhängig und geeignet für die Tätigkeit sei. Hinsichtlich des Anklägers des Tribunals wurde auf vorhandene Erfahrung gesetzt. Diesen Posten sollte der jeweilige Ankläger des Ständigen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Ständigen Strafgerichtshofs für Ruanda übernehmen. Dem Ankläger sollte ein stellvertretender Ankläger zur Seite gestellt werden, welcher nur für das zu errichtende Tribunal zuständig seien sollte. In örtlicher Hinsicht sollte dieses Tribunal, einschließlich des Büros des stellvertretenden Anklägers, in der Region Asien-Pazifik ansässig seien, allerdings nicht direkt in Kambodscha. Dort sollte der Ankläger ein Ermittlungsbüro errichten. Zusätzlich sollten die Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit der Regierung von Kambodscha es einrichten, dass die Verfahren im kambodschanischen Fernsehen und Radio ohne Einschränkungen verfolgt werden können sollten. Weiterhin sollten die Vereinten Nationen besondere Maßnahmen ergreifen, um physische Beweise und Zeugen nötigenfalls zu schützen sowie dafür sorgen, dass Staaten, auf deren Staatsgebiet sich Zeugen oder Beweise befinden würden, diese dem Ankläger zugänglich machten. Zudem wurde vorgeschlagen, dass die Vereinten Nationen in Kooperation mit der kambodschanischen Regierung und dem Nichtregierungssektor einen Prozess der Reflexion unter den Kambodschanern befördern sollten, in dem der Wunsch nach einem Mechanismus für Wahrheitserzählung und, falls dieser bestehen sollte, auch dessen Modalitäten untersucht würden. Hiermit verband die Gruppe die Hoffnung nach der Herstellung eines vollständigeren Bildes der Gräueltaten in der Periode des Demokratischen Kampuchea. 9. Menschenrechtslage in Osttimor a) Historischer Hintergrund Osttimor, eine ehemaligen Kolonie Portugals, sollte eigentlich im Jahr 1975 in die Unabhängigkeit entlassen werden.2027 Allerdings besetzte der Nachbarstaat Indo2027 Siehe zu den Hintergründen und zum Folgenden näher Clinton Fernandes, The Independence of East Timor, S. 1 ff.; Michael Forster, Nation Building durch die Internationale Gemeinschaft, S. 76 ff.; Frederick Rawski, Asia-Pacific Journal on Human Rights and the Law 3 (2002), S. 77 ff.; James Cotton, Australian Journal of International Affairs 53 (1999), S. 237 ff.; Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 ff.
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nesien noch im Dezember des Jahres das Gebiet. In der Folge kam es zu einem Guerillakrieg. Aus diesem und den indonesischen Gegen- und Strafmaßnahmen resultierten bis in das Jahr 1999 über 180.000 Todesopfer. Die Lage für die Unabhängigkeitsbewegung in Osttimor änderte sich erst, als der indonesische Diktator Suharto die Macht in dem südostasiatischen Staat abgeben musste. Zudem war von Seiten der internationalen Gemeinschaft Druck auf Indonesien ausgeübt worden, Osttimor in die Unabhängigkeit zu entlassen. Am 27. Januar 1999 ersuchte der indonesische Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan um die Abhaltung eines Referendums durch die Vereinten Nationen. In dem Referendum sollte die Bevölkerung des Inselteils über die Entlassung Osttimors in die Unabhängigkeit oder den Verbleib im indonesischen Staatsverband, unter Gewährung von Autonomierechten, abstimmen. Am 11. März 1999 einigten sich schließlich Vertreter der Vereinten Nationen, Indonesiens sowie der ehemaligen Kolonialmacht Portugal auf die Durchführung des Referendums. Pro-indonesische Milizen hatten bereits vor der Ankündigung des Referendums damit begonnen, Befürworter eines unabhängigen Osttimors einzuschüchtern und erfuhren hierbei Unterstützung von den indonesischen Sicherheitskräften. Die Gewalt verschlimmerte sich immer weiter. Bei einem Massaker in einer Kirche in Liquiçá starben nach verschiedenen Angaben bis zu 200 Menschen. Das Referendum, welches am 30. August 1999 durchgeführt wurde, ergab eine eindeutige Mehrheit für eine vollständige Loslösung Osttimors von Indonesien. Das Ergebnis gab der Gewalt durch die pro-indonesischen Kräfte zusätzlichen Auftrieb. In den folgenden Wochen wurden mehrere tausend Menschen getötet. Außerdem wurde von vielen Fällen sexueller Gewalt und von Folter berichtet. Eine Viertelmillion Menschen flohen vor den Ausschreitungen nach Westtimor. Zum Teil kam es auch zu Zwangsdeportationen. Die Gewalt konnte erst Ende September 1999 einigermaßen eingedämmt werden, nachdem die ersten Kontingente der australischen Streitkräfte im Rahmen der internationalen Friedenstruppe International Force for East Timor (INTERFET)2028 in Osttimor gelandet waren. Weiterhin entsandten die Vereinten Nationen zunächst die United Nations Mission in East Timor (UNAMET)2029 nach Osttimor und errichteten im Herbst 1999 mit der United Nations Transitional Administration in East Timor (UNTAET) eine Verwaltungsmission, die in dem Gebiet bis zu dessen Entlassung in die Unabhängigkeit die Administration übernehmen sollte.2030
2028 Vgl. Sicherheitsratsresolution 1246 (1999) vom 15. September 1999 (UN Doc. S/RES/ 1246 [1999] vom 15. September 1999). 2029 Die Mission basierte auf der Sicherheitsratsresolution 1246 (1999) vom 11. Juni 1999 (UN Doc. S/RES/1246 [1999] vom 11. Juni 1999). 2030 Die Mission basierte auf der Sicherheitsratsresolution 1272 (1999) vom 25. Oktober 1999 (UN Doc. S/RES/1272 [1999] vom 25. Oktober 1999).
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b) Einsetzung der Kommission Am 9. September 1999 wandte sich der Ständige Vertreter Portugals bei dem Büro der Vereinten Nationen in Genf mit einem Brief an den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte.2031 Hierin wies er auf die sich dramatisch verschlechternde Lage in Osttimor hin und ersuchte die Menschenrechtskommission um eine Sondersitzung in der Sache. Die Menschenrechtskommission befasste sich mit der Lage in Osttimor dann auf ihrer vierten Sondersitzung vom 23. bis zum 27. September 1999. Während des fünften Sitzungstreffens am 27. September 1999 brachte Finnland einen Resolutionsentwurf ein,2032 welcher auch von Albanien, Angola, Australien, Österreich, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Kanada, Kap Verde, Zypern, der Tschechischen Republik, von Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Honduras, Ungarn, Island, Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mosambik, den Niederlanden, von Neuseeland, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz und dem Vereinigten Königreich unterstützt wurde; später schlossen sich den Unterstützern noch Costa Rica, Guatemala und Paraguay an.2033 Der Entwurf, in dem unter anderem die verbreiteten, systematischen und schwerwiegenden Verstöße gegen die Menschenrechte und gegen das humanitäre Völkerrecht verurteilt wurden, beinhaltete im operativen Teil auch ein Ersuchen an den Generalsekretär, eine internationale Untersuchungskommission hinsichtlich der Lage in Osttimor einzusetzen. Der Entwurf wurde als Resolution 1999/S-4/1 von der Menschenrechtskommission mit 32 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen sowie fünf Enthaltungen beschlossen. Hinsichtlich der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission hieß es hierin:2034
2031
UN Doc. E/CN.4/S-4/2 vom 21. September 1999. UN Doc. E/CN.4/S-4/L.1/Rev.1 vom 24. September 1999. 2033 UN Doc. E/1999/23/Add. 1-E/CN.4/1999/167/Add. 1 von 1999, Rn. 31. 2034 Für die Resolution stimmten: Argentinien, Chile, Deutschland, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Guatemala, Irland, Italien, Kanada, Kap Verde, Kolumbien, Demokratische Republik Kongo, Kongo, Lettland, Luxemburg, Madagaskar, Mauritius, Mexiko, Mosambik, Norwegen, Österreich, Peru, Polen, Ruanda, Rumänien, Südafrika, Tschechische Republik, Uruguay, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, gegen die Resolution stimmten: Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Indonesien, Katar, Nepal, Pakistan, Philippinen, Russische Föderation, Sri Lanka sowie Sudan, ihrer Stimme enthielten sich: Kuba, Marokko, Senegal, Südkorea sowie Tunesien, vgl. UN Doc. E/1999/23/Add. 1-E/CN.4.1999/ 167/Add. 1 von 1999. Indonesien hatte beantragt, über Abs. 6 des Resolutionsentwurfs, der den Passus zur Errichtung einer internationalen Untersuchungskommission enthielt, separat abzustimmen. Die Abstimmung fiel mit 27 Stimmen für die Annahme der Resolution aus, während es zwölf Gegenstimmen und elf Enthaltungen gab, vgl. UN Doc. E/1999/23/Add. 1-E/ CN.4.1999/167/Add. 1 von 1999, Rn. 32, 34. 2032
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„6. Calls upon the Secretary-General to establish an international commission of inquiry, with adequate representation of Asian Experts, in order, in cooperation with the Indonesian National Commission on Human Rights and thematic rapporteurs, to gather and compile systematically information on possible violations of human rights and acts constitute breaches of international humanitarian law committed in East Timor since the announcement in January 1999 of the vote and to provide the Secretary-General with its conclusions with the view to enabling him to make recommendations on future actions, and to make the report of the international commission of inquiry available to the Security Council, the General Assembly and the Commission at its fifty-sixth session;“
Das Mandat der Kommission erfasste also nur Menschenrechtsverletzungen aus dem Jahr 1999. Somit bestand keine Grundlage für die Untersuchungskommission, auch die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die seit der Annexion Osttimors durch Indonesien im Jahr 1975 begangen worden waren.2035 Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Mary Robinson ernannte am 15. Oktober eine fünfköpfige Kommission.2036 Zur Vorsitzenden der Kommission wurde Sonia Picado aus Costa Rica ernannt, die dort zuvor Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung sowie Vizevorsitzende des Direktoriums des Interamerikanischen Menschenrechtsinstitutes gewesen war. Weitere Mitglieder waren die Nigerianerin Judith Sefi Attah, eine ehemalige Ministerin für Frauenangelegenheiten und Sozialentwicklung sowie ehemaliges Mitglied der Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, einer Unterkommission der (ehemaligen) Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, A. H. Ahmadi, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofs von Indien, Mari Kapi, ehemals stellvertretener Präsident des Obersten Gerichts von Papua-Neuguinea, sowie aus Deutschland die Politikerin der Freien Demokratischen Partei Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, welche zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie ehemalige Bundesministerin der Justiz und praktizierende Rechtsanwältin war.2037 Obwohl die Kommission mit – im Hinblick auf ihre früheren Tätigkeiten in Sachen Menschenrechte – qualifizierten Personen besetzt war, sind in Bezug auf die Herkunft der Kommissionsmitglieder Zweifel daran angebracht, ob dem Besetzungsauftrag, wie ihn die Menschenrechtskommission erteilt hatte, nachgekommen wurde. Lediglich der Inder Ahmadi repräsentierte nämlich Asien in der Untersuchungskommission. Dass nur eines von insgesamt fünf Mitgliedern eine „adequate representation of Asian Experts“ darstellt, ist wohl zu verneinen. Hieran ändert auch nichts, dass ein weiteres Mitglied der Kommission aus Papua-Neuguinea stammte. Zwar ist die Insel Neuguinea geographisch zu Asien gehörig, allerdings darf nicht verkannt werden, dass der Inselstaat politisch wie, aufgrund seiner vor2035
Siehe Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (87). 2036 Zur Besetzung der Kommission auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (87). 2037 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 14 f.
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wiegend melanesisch-stämmigen Bevölkerung, auch kulturell regelmäßig zum Erdteil Ozeanien gerechnet wird.2038 Allein die geographische Nähe Papua-Neuguineas zu Osttimor rechtfertigt es, eine, dann eher angemessene, Repräsentation durch zwei „asiatische“ Kommissionsmitglieder anzunehmen.2039 Zur Unterstützung der Untersuchungstätigkeit wurde der Kommission ein fünfköpfiges Sekretariat beigegeben. Daneben wurde der Untersuchungskommission noch der Seniorberater der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte als Berater zugewiesen.2040 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission gab sich zu Beginn ihrer Arbeit eine Verfahrensordnung, um ihre Untersuchungstätigkeit zu erleichtern.2041 Als weitere Arbeitserleichterung be2038
Vgl. nur Henning Blatt, Pacific Islands Forum, S. 1. Vgl. auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (87), die die Kommissionsmitglieder aus Indien und auch PapuaNeuguinea als „Vertreter der Region“ bezeichnet. 2040 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 16. 2041 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 19. Die Verfahrensordnung der Kommission ist dem Dokument als Annex ab S. 37 beigegeben. Folgende Regeln wurden von der Kommission verabschiedet: „Rule 1 Mandate The Commission shall examine and analyze the information submitted by States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies pursuant to resolution 1999/S-4/ 1 as well as such further information as the Commission may obtain through its own investigations or efforts, with the view to providing the Secretary-General with its conclusions on the evidence on possible violations of human rights and/or acts which may constitute breaches of international humanitarian law committed in East Timor. Rule 2 Meetings and quorum 1. The Commission shall hold its meetings in private but may open them to the public as and when it deems it necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. 2. The Commission shall meet at such times as it may designate; meetings may otherwise be called by the Chairperson. 3. The Chairperson may declare a meeting open when a least a majority of the members of the Commission are present. The presence of a majority of the members shall be required for any decision to be taken. Rule 3 Restraint in the disclosure of information Members of the Commission shall exercise restraint in disclosing information. They shall refrain from taking a stand in public or any confidential question under discussion in the Commission. The Chairperson will make information on the work of the Commission available to the extent she deems it appropriate. Rule 4 Power of the Chairperson The Chairperson shall declare the opening and closing of each meeting to the Commission and, at such meetings, shall direct the discussions, accord the right to speak, put questions to the vote, announce decisions, rule on points of order and have the complete control of the proceedings. Rule 5 Secretariat The Secretary of the Commission shall be responsible for making all arrangements connected with the work of the Commission. He shall distribute documents and materials to the members of the Commission as requested by the Commission, its Chairperson or any 2039
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schloss die Kommission, in Bezug auf das ihr erteilte Mandat, die Tätigkeit auf bestimmte Untersuchungsthemen zu beschränken. Folgenden Untersuchungsthemen wurde durch die Kommission nachgegangen: Verletzungen des Rechts auf Leben, namentlich Tötungen, auf körperliche Integrität, namentlich durch Folter, auf persönliche Freiheit, der Zerstörung von Eigentum, gegen Frauen gerichtete Gewalt, Vertreibungen, Einschüchterungen und Verbreitung von Terror. Weitere Themen, welchen die Kommission nachging, waren darüber hinaus die Effekte, welche die Gewalt in Osttimor auf die Wahrnehmung sozioökonomischer Rechte, namentlich der Rechte auf Gesundheit und Bildung, hatte, sowie die Verbindungen zwischen der pro-indonesischen Miliz und den indonesischen Streitkräften.2042 Die Kommission begann ihre Tätigkeit unmittelbar nachdem der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen die Resolution der Menschenrechtskommission am other member thereof, and shall be responsible for the preparation of the records of the Commission. Rule 6 Records 1. The Commission will be provided with records of its meetings in English. 2. The Commission will arrange for the safekeeping and conservation of its records and files. After the conclusion of its work, the Commission will transmit its records and files to the Secretary-General of the United Nations. Rule 7 Participation of States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies The Commission may invite States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies to participate in its discussions, when the Commission deems it necessary for the enhancement of the effectiveness of its work. Rule 8 Investigations 1. The Commission may hear witnesses or experts, on its own initiative or upon proposal by States, international humanitarian organizations, or other persons or bodies. In such cases, the Commission shall determine the modalities for summoning witnesses and experts. 2. The Commission may authorize one or more of its members to hear any witness or witnesses. 3. The Commission may decide to visit the territory of East Timor or any other State upon invitation or an its own initiative with the consent of any such State. Visits may be carried out by the Commission in its entirety, by one or more of its members, or by staff of the Commission, as decided by the Commission. Rule 9 Decisions The Commission will make every effort to take its decisions by consensus. In the absence of consensus, decisions of the Commission will be taken by a majority of the members present and voting. Rule 10 Reports 1. The Commission may designate a rapporteur of any question of a general or specific nature. 2. The Commission shall report its conclusions to the Secretary-General in accordance with resolution 1991/S-4/11 of the Commission of Human Rights. 3. Members of the Commission who wish to make a separate statement may have such a statement appended to the report. Rule 11 Other procedural matters Any procedural matters arising at a meeting which are not covered by these rules shall be dealt with by the Commission.“ 2042 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 20.
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15. November 1999 gebilligt hatte.2043 Die Kommission traf sich vom 18. bis zum 20. November 1999 in Genf.2044 Zur Vorbereitung der ersten Sitzung hielt die Vorsitzende der Untersuchungskommission in Genf eine Anzahl von Gesprächen und Besprechungen ab. Zu den Gesprächspartnern zählten Angehörige des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Ständige Vertreter Portugals bei den Vereinten Nationen in Genf, der Berater für Politische Angelegenheiten der Ständigen Mission der Vereinigten Staaten von Amerika in Genf sowie ein Sondergesandter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen. Daneben fanden noch Treffen mit Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen, namentlich von Amnesty International, der Internationalen Juristenkommission sowie dem Weltkirchenrat statt.2045 Bei ihrer ersten Sitzung kamen die Kommissionsmitglieder dann mit der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte zusammen und erhielten eine Einweisung durch die Mitglieder des Kommissionssekretariats. Des Weiteren gab es noch ein Treffen mit dem stellvertretenden Ständigen Vertreter Indonesiens bei den Vereinten Nationen in Genf.2046 Am 23. und 24. November 1999 trafen sich die Kommissionsmitglieder in der nordaustralischen Stadt Darwin. Bei diesem Treffen wurden zum einen die Arbeitsmethoden der Kommission finalisiert, zum anderen gab es erneut diverse Treffen, nunmehr vor allem mit Personen aus der Feldarbeit in Osttimor.2047 Zunächst besprach sich die Kommission mit dem ehemaligen Sondergesandten des Generalsekretärs in Osttimor sowie mit Mitgliedern aus Polizei und Militär der UNAMET.2048 Im Anschluss kam es zu Gesprächen mit zwei Mitgliedern der indonesischen Nationalen Untersuchungskommission für Osttimor. Hierbei ging es vor allem um einen Informationsaustausch zwischen beiden Kommissionen sowie um die Auslotung der Zusammenarbeitspotentiale.2049 Nach ihrem Besuch in Darwin nahm die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ihre eigentliche Feldarbeit zunächst in Osttimor und anschließend in Indonesien auf. Die Untersuchungskommission besuchte vom 25. November bis zum 3. Dezember 1999 Osttimor. Dort besuchten die Kommissionsmitglieder die Hauptstadt Dili sowie deren Umgebung; daneben wurden noch die Orte Los Palos, Maliana, Suai
2043 Dies geschah durch die Resolution 1999/293 des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen vom 15. November 1999; die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. E/ 1999/99 aus dem Jahr 2000, S. 142. 2044 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 21. 2045 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 23. 2046 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 22. 2047 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 24. 2048 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 24. 2049 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 25.
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und Liquiçá aufgesucht, aus denen besonders schwere Menschenrechtsverletzungen berichtet worden waren.2050 In den neun Tagen ihres Besuchs in Osttimor vernahm die Kommission insgesamt mehr als 170 Personen.2051 Hierbei war sich die Kommission bewusst, dass Vertraulichkeit hinsichtlich von Zeugenaussagen hergestellt werden musste.2052 Die Untersuchungskommission legte insbesondere Wert darauf, Aussagen von weiblichen Opfern und auch von Kindern zu erhalten.2053 Weitere Informationen erhielt die Kommission von Organen und Einrichtungen der Vereinten Nationen, von INTERFET sowie von internationalen und lokalen Nichtregierungsorganisationen. Weitere Quellen für Beweismittel waren Berichte und Dokumente, die der Kommission von UNAMET und UNTAET zur Verfügung gestellt wurden. Daneben schenkte die Kommission auch dem gemeinsamen Bericht und den Empfehlungen Beachtung, der beziehungsweise die von den Sonderberichterstattern für außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen, für Folter und für Gewalt gegen Frauen erstellt worden waren. Zudem teilte die indonesische Nationale Untersuchungskommission für Osttimor ihre Erkenntnisse über Vertriebene in Westtimor mit der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen.2054 Auf ein Ersuchen um relevante Informationen hin, wurden solche der Kommission auch durch die australische Regierung zur Verfügung gestellt.2055 Nach dem Aufenthalt in Osttimor besuchte die Untersuchungskommission vom 5. bis zum 8. Dezember 1999 die indonesische Hauptstadt Jakarta.2056 Zuvor hatte sich die Kommissionsvorsitzende am 15. November 1999 an die Vertretung Indonesiens bei den Vereinten Nationen in Genf gewandt und dort um die Erlaubnis zu Besuchen in Jakarta und Westtimor nachgesucht. Am 19. November wurde dieses Ersuchen nochmals mündlich gegenüber dem stellvertretenden Ständigen Vertreter Indonesiens wiederholt. Da die positive Antwort auf dieses Ersuchen die Untersuchungskommission jedoch erst am 2. Dezember 1999 erreichte, konnte sie keinen Besuch in Westtimor mehr durchführen. Hier wollte die Kommission eigentlich Informationen aus erster Hand von Vertriebenen erhalten.2057
2050
UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 26. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 31. 2052 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 31. 2053 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 32. 2054 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 31, 104, 120. 2055 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 105. 2056 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 107. 2057 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 108; siehe den Beitrag des Kommissionsmitglieds Sabine Leutheusser-Scharrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (88), die in der späten Antwort von Seiten der Regierung Indonesiens ausdrücklich eine Behinderung der Kommissionstätigkeit sah. 2051
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Während des Besuchs in Jakarta traf die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen mit der indonesischen Menschenrechtskommission sowie mit der indonesischen Nationalen Untersuchungskommission für Osttimor zusammen. Weitere Gesprächspartner der Kommission waren der indonesische Verteidigungsminister, der Minister für Auswärtige Angelegenheiten und der Generalstaatsanwalt. Zudem hatten die Mitglieder der Kommission Gelegenheit, mit Repräsentanten von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen zusammenzutreffen.2058 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission für die Menschenrechtslage in Osttimor2059, welcher vom Generalsekretär der Vereinten Nationen in drei identischen Briefen vom 31. Januar 2000 dem Präsidenten der Generalversammlung, dem Präsidenten des Sicherheitsrates und dem Vorsitzenden der Menschenrechtskommission zugeleitet wurde, enthielt insgesamt 156 Randnummern. Mit der Vorlage des Berichts war das Mandat der Kommission erfüllt.2060 Der Bericht war in vier Abschnitte aufgeteilt: Die Einleitung bildete den ersten Abschnitt2061, im zweiten Abschnitt2062 wurde der generelle Hintergrund der zu untersuchenden Situation dargestellt, im dritten Abschnitt2063 fand sich eine detailreiche Beschreibung der eigentlichen Untersuchung und im vierten Abschnitt2064 waren schließlich die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Kommission niedergelegt.2065 bb) Die Untersuchungskommission sah ihre Ergebnisse, die sie unter Zeitdruck produziert habe, selbst nur als den Beginn eines Prozesses an, dessen Ziel es sei, diejenigen Personen der Gerechtigkeit zuzuführen, die für Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts in Osttimor verantwortlich seien.2066 Ohne Näheres zum anwendbaren Rechtsrahmen auszuführen, kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass es in Osttimor zu schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekommen sei. Diese hätten im Laufe der Zeit variiert und die Form von systematischen und verbreiteten Einschüchterungen, Demütigungen und von Terror angenommen. Eigentum sei zerstört worden. Es sei zu Gewalt gegen Frauen und zu Vertreibungen von Personen gekommen. Zudem seien 2058
UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 109. Report of the International Commission of Inquiry on East Timor to the SecretaryGeneral, UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000. 2060 Vgl. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (88). 2061 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 1 ff. 2062 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 5 ff. 2063 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 14 ff. 2064 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 120 ff. 2065 Siehe hierzu auch Sabine Leuheusser-Schnarrenberger, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 13 (2000), S. 86 (88 f.). 2066 UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 121. 2059
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Beweise vernichtet worden. In die genannten Verstöße seien sowohl die indonesische Armee als auch Milizen verstrickt gewesen.2067 cc) Die Kommission sprach Empfehlungen für sieben verschiedene Bereiche aus. Erstens rief sie zu einer schnellen Lösung des Problems der Vertriebenen auf. Diese müssten schnell nach Hause zurückkehren.2068 Zweitens empfahl die Kommission eine Entwaffnung aller Milizen in Westtimor sowie aller nicht-regulären Kräfte in Osttimor.2069 Drittens brachte die Kommission zum Ausdruck, dass die Opfer der Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen werden dürften und deren grundlegende Menschenrechte auf Gerechtigkeit, Kompensation und Wahrheit vollständig respektiert werden müssten. Diese Verantwortung müsse von den Vereinten Nationen sowohl kurz- als auch langfristig getragen werden.2070 In der vierten Empfehlung stellte die Kommission fest, dass Verstöße gegen Sicherheitsratsresolutionen hinsichtlich Osttimors erhöhter Aufmerksamkeit und Reaktionen bedürften und dass die Vereinten Nationen als Organisation ein Interesse daran hätte, an dem gesamten Prozess der Untersuchung, der Herstellung von Verantwortlichkeiten, der Bestrafung und der Förderung von Versöhnung hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen in Osttimor teilzunehmen.2071 In ihrer fünften Empfehlung stellte die Untersuchungskommission einen Menschenrechtsansatz für zukünftige Untersuchungen vor. Solche Untersuchungen sollten nach Auffassung der Kommission von einer Reihe von Prinzipien geleitet werden. Hierzu gehörten effektiver Rechtsschutz bei Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der staatlichen Verantwortung, solche Verletzungen zu untersuchen; weiterhin müssten diejenigen Personen, die für solche Rechtsverletzungen verantwortlich seien, strafrechtlich verfolgt und bestraft werden, und das individuelle Recht auf Reparation und Kompensation für Menschenrechtsverletzungen müsse gewährt werden. Zudem müsse gegen Straflosigkeit vorgegangen werden, um die zukünftige Verletzung von grundlegenden Menschenrechten zu verhindern. Daher müssten die Untersuchungen der Menschenrechtsverletzungen in Osttimor fortgesetzt werden.2072 Sechstens wurde den Vereinten Nationen die Errichtung eines unabhängigen und internationalen Gremiums empfohlen, welchem die Aufgaben zukommen sollte weitere Untersuchungen der Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Osttimor anzustellen, Verantwortlichkeit dafür, die Verletzungen zu identifizieren, Reparationen für die Verletzungen von den Verantwortlichen sicherzustellen, die Schuldigen der Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen und Überlegungen zu Fragen von Wahrheit und Versöhnung anzustellen.2073 In der siebten und letzten Empfehlung 2067 2068 2069 2070 2071 2072 2073
UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 123 ff. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 143. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 144. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 145 f. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 147. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 148 ff. UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 152.
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wurde den Vereinten Nationen vorgeschlagen, ein internationales Menschenrechtstribunal zu errichten, dessen Richter von den Vereinten Nationen bestimmt werden sollten und das Mitglieder aus Indonesien und das Osttimor einschließen sollte.2074 10. Menschenrechtsverletzungen während der Zweiten Intifada a) Historischer Hintergund Seit dem Jahr 1993 hatte der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern durch den Abschluss einer Reihe von Abkommen erhebliche Fortschritte gemacht.2075 Am 4. September 1999 wurde im ägyptischen Ort Scharm el-Scheich das Sharm El Sheikh Memorandum on Implementation Timeline of Outstanding Commitments of Agreements Sigend and the Resumption of Permanent Status Negotiations durch den Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation Jassir Arafat und den israelischen Premierminister Ehud Barak unterzeichnet.2076 Die Verhandlungen wurden zudem von der US-amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright begleitet. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak und der jordanische Monarch König Abdullah II. bin al-Hussein waren bei der Unterzeichnung des Memorandums ebenfalls anwesend und unterzeichneten dieses. Zweck der Vereinbarung war die Implementierung der vorherigen Abkommen sowie die Schaffung einer neuen Grundlage für die in Stillstand geratenen Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Der israelisch-palästinensische Friedensprozess, nach dem Ort der ersten wichtigen Verhandlungen auch Oslo-Prozess genannt, fand jedoch im Herbst des Jahres 2000 sein Ende durch Ereignisse, welche später als die Zweite Intifada bekannt werden sollten.2077 Als Auslöser für die neuerliche Gewalt gilt der Besuch des israelischen Politikers Ariel Sharon auf dem Tempelberg in Jerusalem, auf dem auch die für Muslime besonders bedeutsame Al-Aqsa-Moschee gelegen ist. Während 2074
UN Doc. A/54/726 – S/2000/59 vom 31. Januar 2000, Rn. 153 ff. Hierzu und zum Folgenden umfassend Geoffery R. Wattson, The Oslo Accords: International Law and the Israeli-Palestinian Peace Agreements, S. 1 ff.; auch T. G. Fraser, The Arab-Israeli Conflict, S. 151 ff. 2076 Das Memorandum ist wiedergegeben in: International Legal Materials 38 (1999), S. 1456 ff. 2077 Hierzu und zum Folgenden: T. G. Fraser, The Arab-Israeli Conflict, S. 171 ff.; Jeremy Pressman, Journal of Conflict Studies 23 (2/2003), S. 114 ff.; Daniel Byman, Terrorism and Political Violence 24 (2012), S. 825 ff.; Devorah Manekin, Comparative Political Studies 46 (2013), S. 1273 ff.; Nada Matta/René Rojas, European Journal of Sociology 57 (2016), S. 65 ff.; auch UN Doc. E/CN.4/2001/121 sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Intifada“, „Ariel Sharon“. Der Begriff „Intifada“ bedeutet in der arabischen Sprache etwa „abschütteln“, womit im hiesigen Kontext das Beenden der Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel gemeint war. Als Erste Intifada wird die Gewalt zwischen den israelischen Streitkräften und palästinensischen Gruppierungen zwischen 1987 und 1993 bezeichnet. 2075
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Sharon bei vielen Menschen in Israel als Kriegsheld galt, der Israel seit der Erlangung der Unabhängigkeit geprägt hatte und als Kommandant in den israelischen Selbstverteidigungsstreitkräften in den verschiedenen bewaffneten Konflikten, in die Israel verwickelt war, hervorgetreten war, war Sharon auf Seiten der Palästinenser außerordentlich unbeliebt, wenn nicht gar verhasst. Als Gründe hierfür gelten insbesondere seine während seiner Zeit als Landwirtschaftsminister ab 1977 geübte Fürsprache für die Siedlerbewegung, welche Siedlungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten errichtete, sowie seine Zeit als Verteidigungsminister, in welche die israelische Militärintervention im Süd-Libanon während des libanesischen Bürgerkrieges fiel. Im Jahr 1982 verübten die libanesisch-christlichen Falangisten-Milizen Massaker in den beiden palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila, denen sowohl Personen aus militanten Gruppierungen wie auch Zivilisten zum Opfer fielen. Da Israel als Besatzungsmacht im Süd-Libanon die Massaker nicht verhinderte und die Falangisten lose mit Israel verbündet waren, wurde der Verteidigungsminister verantwortlich gemacht. Während des Besuchs Sharons gab es einige kleinere Demonstrationen, welche ohne Gewalttätigkeiten verliefen. In den folgenden Tagen wandelte sich dies allerdings. Von palästinensischen Protesten ging zunehmend Gewalt aus. Die israelischen Sicherheitskräfte bekämpften diese Proteste unter dem Einsatz von Waffen. In der ersten Zeit wurden vier Menschen getötet und mehr als 150 verletzt. Die Lage sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen eskalierte. Schließlich wurde von religiösen Kreisen und palästinensischen Organisationen zur Intifada aufgerufen. Zu letzteren zählten insbesondere die Fatah, die Hamas, der Islamische Dschihad, die Al-Aqsa-Brigaden und weitere Gruppierungen. Ab Oktober 2000 wurde die Gewalt immer drastischer. Am 12. Oktober 2000 wurden zwei Angehörige der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte in Ramallah getötet. Außerdem gab es von palästinensischer Seite eine Reihe von Selbstmordattentaten gegen den Nahverkehr sowie gegen Restaurants und Cafés in Israel. Von Seiten der israelischen Sicherheitskräfte wurde mit massiver Gewaltanwendung geantwortet. Die offiziellen israelischen Stellen rechtfertigten diese Gewaltanwendung im Rahmen der Auseinandersetzungen mit der Notwendigkeit, die Ordnung aufrecht zu erhalten sowie mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. In Reaktion auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten verabschiedete der Sicherheitsrat auf seiner 4205. Sitzung bereits am 7. Oktober 2000 mit den Stimmen von Argentinien, Bangladesch, der Volksrepublik China, von Frankreich, Jamaika, Kanada, Malaysia, Mali, Namibia, der Niederlande, der Russischen Föderation, von Tunesien, der Ukraine und des Vereinigten Königreichs sowie bei der Enthaltung der Vereinigten Staaten von Amerika die Resolution 1322 (2000).2078 Hierin wurde unter anderem die Gewalt verurteilt,2079 Israel aufgefordert, 2078
UN Doc. S/RES/1322 (2000) vom 7. Oktober 2000.
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seinen Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht gegenüber der Zivilbevölkerung nachzukommen,2080 und zu einer sofortigen Beendigung der Gewalt aufgerufen.2081 Der fünfte operative Absatz der Resolution war der Durchführung von Untersuchungen gewidmet: „Stresses the importance of establishing a mechanism for a speedy and objective inquiry into the tragic events of the last few days with the aim of preventing their repetition, and welcomes any efforts in this regard; (…)“. b) Einsetzung der Kommission Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen befasste sich mit den oben beschriebenen Ereignissen auf ihrer fünften Sondersitzung, welche am 17. Oktober 2000 begann.2082 Erster Sprecher in der Debatte in der Menschenrechtskommission war der Vertreter von Tunesien, welcher gleichzeitig für die Arabische Staatengruppe in der Kommission sprach.2083 Dieser wies in seinem Vortrag unter anderem darauf hin, dass die Arabische Staatengruppe im Angesicht der Gewalt im Nahen Osten glaube, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht damit begnügen solle, die dortige Aggression gegen die Zivilbevölkerung zu verurteilen, sondern auch gehörige Maßnahmen zum Schutz der Palästinenser ergreifen müsse. Daher würde die Staatengruppe empfehlen, eine internationale Kommission damit zu beauftragen, die Vorkommnisse der letzten Wochen zu untersuchen. Diese Kommission solle auch Maßnahmen empfehlen, um der Gewalt Einhalt zu gebieten und sowohl der Menschenrechtskommission als auch der Generalversammlung der Vereinten Nationen hierüber Bericht erstatten.2084 Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Mary Therese Winifred Robinson, die der Menschenrechtskommission Bericht erstattete,2085 begrüßte eine unabhängige Untersuchung der Geschehnisse. Eine solche könne helfe, umstrittene Fragen zu lösen, insbesondere auch im Hinblick auf die Menschenrechte. Ihr Büro stünde bereit, eine Untersuchung zu unterstützen.2086 Auch der Vertreter von Malaysia, der zudem für die Organisation der Islamischen Konferenz sprach,2087 wies, mit Blick auf die Schwere der in Rede stehenden Situation, auf die Wichtigkeit der Errichtung einer
2079
UN Doc. S/RES/1322 (2000) vom 7. Oktober 2000, Abs. 2 des operativen Teils der Resolution. 2080 UN Doc. S/RES/1322 (2000) vom 7. Oktober 2000, Abs. 3 des operativen Teils der Resolution. 2081 UN Doc. S/RES/1322 (2000) vom 7. Oktober 2000, Abs. 4 des operativen Teils der Resolution. 2082 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000. 2083 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 7 ff. 2084 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 12. 2085 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 14 ff. 2086 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 24. 2087 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 49.
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Untersuchungskommission hin.2088 Der Vertreter der Schweiz erklärte hierzu, dass sein Heimatstaat bereit sei, die Arbeit einer unabhängigen und objektiven Untersuchungskommission zu unterstützen, deren Errichtung in der Sicherheitsratsresolution 1322 (2000) vorgesehen worden sei. Die Schweiz sei zudem bereit, an einer solchen Kommission teilzunehmen, wenn dies angemessen erscheine.2089 Am 18. Oktober 2000 legte schließlich der Vertreter Tunesiens den Entwurf einer Resolution mit dem Titel „Grave and massive violations of the human rights of the Palestinian people by Israel“ vor, der von seinem Heimatstaat sowie von Ägypten, Algerien, Bahrain, Bangladesch, Brunei Darussalam, China, Indonesien, Jemen, Jordanien, Kuba, Kuweit, vom Libanon, von Malaysia, Mauretanien, Marokko, Niger, Oman, Pakistan, Palästina, Qatar, Saudi-Arabien, vom Senegal, von Somalia, dem Sudan, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wurde.2090 Der Resolutionsentwurf verurteilte das militärische Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte scharf und forderte zu einer Beendigung der Gewalt auf. Im sechsten Absatz des operativen Teils des Entwurfs der Resolution war vorgesehen, schnellstmöglich eine Untersuchungskommission einzusetzen, welche schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten aufklären sollte. Der Resolutionsentwurf wurde am 19. Oktober 2000 mit 19 Ja-Stimmen, 16 NeinStimmen sowie 17 Enthaltungen als Resolution S-5/1 angenommen.2091 Zur Einsetzung einer Untersuchungskommission hieß es in der Resolution:
2088 „Given the gravity of the situation, the Commission must establish an international commission of inquiry to look into the causes and perpetrators of crimes committed with a view to bringing the authors to justice, determine who was responsible for the human rights violations in the occupied Palestinian territories, propose measures aimed at preventing any repetition of the recent tragic events and report to the Commission.“, UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 50. 2089 UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.1 vom 22. November 2000, Rn. 95. 2090 UN Doc. E/CN.4/S-5/L.2/Rev.1 vom 19. Oktober 2000. 2091 Der Resolutionstext ist wiedergegeben in: UN Doc. E/2000/112 – E/CN.4/S-5/5 von 2000, S. 4 ff. Für die Resolution stimmten: Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Indonesien, Katar, Kuba, Madagaskar, Marokko, Mauritius, Niger, Pakistan, Philippinen, Senegal, Sri Lanka, Sudan, Swasiland, Tunesien und Venezuela, gegen die Resolution stimmten: Deutschland, Frankreich, Guatemala, Italien, Japan, Kanada, Lettland, Luxemburg, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Argentinien, Botswana, Brasilien, Burundi, Chile, Ecuador, El Salvador, Kolumbien, Kongo, Mexiko, Nepal, Nigeria, Peru, Ruanda, Russische Föderation, Sambia und Südkorea, UN Doc. E/2000/112 – E/CN.4/S-5/5 von 2000, Rn. 37.
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„6. Decides (a) To establish, on an urgent basis, a human rights inquiry commission, whose membership should be based on the principles of independence and objectivity, to gather and compile information on violations of human rights and acts which constitute grave breaches of international humanitarian law by the Israeli occupying Power in the occupied Palestinian territories and to provide the Commission with its conclusions and recommendations, with the aim of preventing the repetition of the recent human rights violations.“
Eine Vertreterin des Sekretariats der Menschenrechtskommission bezifferte die wahrscheinlichen Kosten für die Einsetzung und die Tätigkeit der Untersuchungskommission auf 594.000 US-$.2092 Der israelische Beobachter bei der Sondersitzung der Menschenrechtskommission bezeichnete die verabschiedete Resolution als parteiisch, einseitig und von der Realität losgelöst. Dies vor allem deshalb, weil die palästinensischen Gewalttaten keine Berücksichtigung gefunden hätten.2093 Die Einrichtung einer Untersuchungskommission wurde als überflüssig eingestuft, da Israel und die palästinensische Seite sich darauf geeinigt hätten, dass ein Fact-Finding-Gremium unter Vorsitz der Vereinigten Staaten von Amerika ins Leben gerufen werden solle.2094 Am 2. Januar 2001 wurde die Untersuchungskommission einberufen. Ihr gehörten drei Personen an: der Völkerrechtsprofessor John Dugard aus Südafrika, der zu diesem Zeitpunkt auch Mitglied der Völkerrechtskommission war, Kamal Hossain aus Bangladesch, der zuvor unter anderem als Justiz- und Außenminister seines Heimatlandes tätig gewesen war, und schließlich der US-amerikanische Rechtsprofessor Richard Falk. Dabei teilten sich Dugard und Hossain zunächst den Vorsitz der Kommission. Im Verlauf der Kommissionsarbeit übernahm den Vorsitz dann allerdings allein Dugard.2095 Die Untersuchungskommission wurde bei ihren Ermittlungen unter anderem von Personal des Sekretariats der Vereinten Nationen unterstützt.2096 Zum Personal der Kommission gehörten ein Koordinator, ein Berater für Sicherheitsfragen, zwei Sekretärinnen, ein Übersetzer und drei weitere Mitarbeiter.2097 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungen durch die Kommission begannen mit einem ersten Treffen in Genf vom 14. bis zum 16. Januar 2001. Auf dieser Sitzung wurden das Mandat, die
2092 2093 2094 2095 2096 2097
UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.6 vom 22. November 2000, Rn. 8. UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.6 vom 22. November 2000, Rn. 44. UN Doc. E/CN.4/S-5/SR.6 vom 22. November 2000, Rn. 46. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 1. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 6. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Annex II, S. 36.
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anzuwendende Methodik sowie das Arbeitsprogramm der Kommission beraten.2098 In der Folge besuchte die Kommission dann die besetzten palästinensischen Gebiete und Israel. Am 10. Februar 2001 begann die Untersuchungskommission ihren Besuch im Nahen Osten mit einem Treffen mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, um mit ihm die Situation aus der Sicht der Autonomiebehörde zu besprechen. Während des Aufenthaltes in Gaza kam die Untersuchungskommission noch zu Treffen und Diskussionen mit weiteren Mitgliedern der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit Nichtregierungsorganisationen, mit Angehörigen internationaler Institutionen, insbesondere des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mit dem Sonderkoordinator der Vereinten Nationen für die besetzten Gebiete und mit Vertretern der Hilfs- und Arbeitsagentur der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten sowie mit Journalisten, Rechtsanwälten und Mitgliedern des palästinensischen Legislativrates zusammen. Weitere Gesprächspartner waren einige junge Männer, welche bei Demonstrationen durch Waffenfeuer der israelischen Streitkräfte verwundet wurden; zudem besuchte die Kommission in Khan Yunis ein Krankenhaus, in dem sie mehrere Personen traf, die zuvor Tränengas eingeatmet hatten. Auf dem Weg nach Khan Yunis konnte die Kommission eine Gegend in Augenschein nehmen, welche eigentlich Ackerland gewesen war, allerdings von den israelischen Streitkräften eingeebnet worden war. Auch konnte die Kommission einige Gebäude betrachten, welche von den israelischen Streitkräften beschädigt worden waren, und mit deren Bewohnern sprechen, welche in Zelten Zuflucht gesucht hatten. An einem Checkpoint im Bereich einer Siedlung geriet die Untersuchungskommission in ein Feuergefecht zwischen Schützen aus der Siedlung und israelischen Sicherheitskräften.2099 Am 14. Februar 2001 befragte die Untersuchungskommission Angehörige israelischer Nichtregierungsorganisationen und weitere israelische Staatsangehörige, welche die Kommission mit Informationen über den Kontext des Konflikts und die juristischen Positionen der israelischen Regierung hierzu versorgten.2100 Vom 15. bis zum 16. Februar 2001 besuchte die Untersuchungskommission Ramallah. Dort traf sie mit Mitgliedern der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie des Legislativrates und der palästinensischen Stelle für Friedensverhandlungen, mit palästinensischen Nichtregierungsorganisationen, mit Rechtsanwälten sowie Wissenschaftlern zusammen. Vor der Abreise aus Ramallah kam die Kommission am 16. Februar 2001 mit Repräsentanten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammen sowie mit christlichen und muslimischen religiösen Führungspersönlichkeiten.2101 2098 2099 2100 2101
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 2. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 3. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 4. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 4.
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Am 17. Februar 2001 reisten die Mitglieder der Untersuchungskommission weiter nach Hebron. Dort traf die Kommission mit dem Bürgermeister zusammen, sowie mit Angehörigen der Temporal Presence in Hebron, einer internationalen Mission ziviler Beobachter. Die Kommission sah bei ihrem Besuch davon ab, den Bereich Hebrons zu besuchen, der von den israelischen Streitkräften kontrolliert wurde, da dort die Sicherheitslage wegen der Beerdigung einer Person, welche zuvor von israelischen Sicherheitskräften getötet worden war, als zu gefährlich eingeschätzt wurde.2102 Nach dem Besuch in Hebron besuchte die Kommission noch ein Flüchtlingslager in der Nähe von Bethlehem und nahm dort eine von den Vereinten Nationen errichtete Schule sowie einige Häuser in Augenschein, die von israelischem Artilleriefeuer beschädigt worden waren.2103 In der Folge reiste die Kommission weiter nach Jerusalem. Dort kam sie mit Journalisten und anderen Gesprächspartnern zusammen.2104 Während des Aufenthalts in Jerusalem kamen die Mitglieder der Kommission an den Abenden mit anerkannten israelischen Wissenschaftlern und Intellektuellen zusammen, welche die Kommission über den rechtlichen Kontext der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen und die israelische Perspektive auf die Intifada informierten. Auch konnte die Kommission den Stadtteil Gilo in Ostjerusalem besuchen, welcher von dem palästinensischen Ort Beit Jala aus beschossen worden war. Am letzten Tag des Aufenthaltes kam die Kommission noch mit einem israelischen Politikwissenschaftler und mit einem ehemaligen General der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte zusammen.2105 Die Regierung von Israel stellte von Beginn an klar, dass sie nicht mit der Untersuchungskommission zusammenarbeiten würde. Diese sandte vor ihrer Abreise in den Nahen Osten zwei Briefe an die israelische Regierung, in denen um ein Treffen mit der Regierung nachgesucht wurde. Ein weiteres entsprechendes Ersuchen sandte die Kommission an die israelische Regierung, als die Kommission bereits die Region bereiste. Allerdings behinderte die israelische Regierung die Arbeit der Kommission auch nicht und erleichterte diese sogar, indem sie dem Kommissionsmitglied Hossain ein Visum ausstellte.2106 Die Kommission versuchte auch, den Rat der jüdischen Siedlungen in Judäa, Samaria und Gaza zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Hiervon versprach sich die Kommission Ansichten zu den zu untersuchenden Vorkommnissen aus erster Hand.
2102
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 4. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 4. 2104 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 4. 2105 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 5. 2106 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 7. Die beiden anderen Kommissionsmitglieder benötigten für ihren Besuch kein Visum. 2103
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Allerdings entschied der Rat nach internen Überlegungen und Konsultationen mit der israelischen Regierung, nicht mit der Kommission zu kooperieren.2107 Eine weitere Informationsquelle für die Kommission waren Berichte zu Fragen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Zusammenhang mit dem Beginn der Zweiten Intifada.2108 Im Rahmen ihrer Untersuchung versuchte die Kommission an Informationen und Meinungen hinsichtlich von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu gelangen und dabei sowohl die palästinensische als auch die israelische Perspektive einzunehmen.2109 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission2110 umfasste insgesamt 134 Randnummern, welche in zehn Abschnitte unterteilt wurden. Der Einleitung2111, welche Ausführungen zur Durchführung der Untersuchung enthielt, folgten im zweiten Abschnitt2112 einige Ausführungen zu der von der Kommission zu Untersuchungszwecken angewandten Methodik. Im dritten Berichtsabschnitt2113 wurde der Kontext vorgestellt, vor dessen Hintergrund die Untersuchung durchgeführt wurde, und im vierten Abschnitt2114 fanden sich Ausführungen über die Rechtsnatur des israelisch-palästinensischen Konflikts. Der fünfte Abschnitt2115 war dem exzessiven Einsatz von Gewalt in dem Konflikt gewidmet und der sechste Abschnitt2116 außergerichtlichen Hinrichtungen und politischen Morden. Im siebten Berichtsabschnitt2117 setzte sich die Untersuchungskommission mit der Problematik der Siedlungen in den palästinensischen Gebieten auseinander. In dem achten Abschnitt des Kommissionsberichts2118 wurde der Verlust des Genusses von wirtschaftlichen und sozialen Rechten thematisiert, wobei die Auswirkungen von Geschäftsschließungen, Ausgangssperren, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie der Zerstörung von Eigentum zu Lasten von Palästinensern im Mittelpunkt standen. Der neunte Abschnitt2119 beleuchtete die Lage der palästinensischen Flüchtlinge im 2107
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 8. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 10. 2109 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 9. 2110 Question of the violation of Human Rights in the occupied Arab Territories, including Palestine – Report of the human rights inquiry commission established pursuant to Commission resolution S-5/1 of 19 October 2000, UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001. 2111 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 1 ff. 2112 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 10 ff. 2113 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 16 ff. 2114 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 35 ff. 2115 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 44 ff. 2116 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 53 ff. 2117 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 65 ff. 2118 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 79 ff. 2119 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 96 ff. 2108
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Zusammenhang mit der Zweiten Intifada; der zehnte Abschnitt2120 war schließlich den Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Untersuchungskommission gewidmet. bb) Hinsichtlich des anwendbaren Rechts versuchte die Kommission zunächst, den rechtlichen Status von Gaza und des Westjordanlandes zu erläutern,2121 und vertrat die Auffassung, dass, trotz bestehender rechtlicher Unsicherheiten, wegen derer es schwierig sei, ein finales Urteil in der Sache zu bilden,2122 die Vorschriften des vierten Genfer Abkommens von 1949 für die beiden Gebiete Anwendung finden würden.2123 Israel könne sich zudem nicht seiner Verpflichtungen aus den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht entledigen.2124 cc) Die Kommission leitete ihre Schlussfolgerungen damit ein, zu betonen, dass sie in Anbetracht der ihr obliegenden Verantwortlichkeit dafür Sorge getragen habe, bei der Sammlung von Informationen und der Auswertung von Beweismitteln Objektivität und Unparteilichkeit walten zu lassen. Hierauf würde sie schließlich ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen mit dem Ziel stützen, auf die Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts seit dem 29. September 2000 aufmerksam zu machen sowie zu der zukünftigen Einhaltung von internationalen Verpflichtungen in weitestmöglichem Maße zu ermutigen.2125 In ihren Schlussfolgerungen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der historische Kontext der Untersuchung, zum damaligen Zeitpunkt, von Konflikten und aufeinanderfolgenden Kriegen über einen Zeitraum von 50 Jahren, eine lange Zeit – nämlich über 30 Jahre – durch eine militärische Besatzung sowie durch einen langjährigen, mehr als sieben Jahre andauernden, Friedensprozess gekennzeichnet sei. Die betroffene Bevölkerung würde weiterhin unter dem Erbe von Misstrauen, Demütigungen und Enttäuschungen leiden, wobei nur ab und an ein Fünkchen Hoffnung aufkommen würde.2126 Dabei bezeichnete es die Untersuchungskommission als den besorgniserregendsten Aspekt der Eskalation der Gewalt, die zu dem Verlust von Leben, tausenden von Verletzten sowie der Zerstörung von Eigentum und Lebensgrundlagen geführt habe, dass die Hoffnungen und Erwartungen, die mit dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess verbunden gewesen seien, „for the moment being smothered by mutual preceptions ascribing the worst of motives to each other, thus generating intense distrust and negative and destructive emotions“.2127 Weiterhin betonte die Kommission, dass sowohl das palästinensische Volk als auch das Volk von Israel eine Sehnsucht nach Frieden hätten. Voraussetzung für 2120 2121 2122 2123 2124 2125 2126 2127
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 104 ff. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 35 ff. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 40. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 41. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 42. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 104. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 106. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 107.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
einen gerechten und dauerhaften Frieden sei es, dass jede Anstrengung unternommen werde, um die Spannungen auf beiden Seiten abzubauen und eine Kultur des Friedens zu etablieren. Dies könne durch einen Prozess erleichtert werden, in dem transparente Verhandlungen geführt würden, sodass sowohl die israelische wie auch die palästinensische öffentliche Meinung den Prozess und seine Ergebnisse unterstützen könnten. So sei es auch möglich, dass man sich einem gegenseitigen Vertrauen annähere.2128 dd) Die Empfehlungen der Kommission wurden von dieser in mehrere Themenbereiche unterteilt. Allgemein wurde dabei betont, dass es für das Verständnis der Empfehlungen nötig sei, den Kontext und die Umstände, in welchem beziehungsweise in welchen sich die zu untersuchenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ereignet hätten, in den Blick zu nehmen. Außerdem müsse auch die Situation betrachtet werden, welche Ende September 2000 zu der Gewaltspirale geführt habe, welche zu einer besorgniserregenden Verschlechterung der Menschenrechtslage führte.2129 Im ersten Themenbereich gab die Kommission Empfehlungen ab, die sie für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Region als wichtig erachtete. Ein solcher Frieden müsse durch Verhandlungen erreicht werden, deren Ziel die Beendigung der israelischen Besatzung sowie die Erreichung eines Zustandes seien müsse, der sowohl den legitimen Erwartungen des palästinensischen Volkes in Bezug auf die Ausübung seines Rechts auf Selbstbestimmung als auch den genuinen Sicherheitsbedürfnissen der israelischen Bevölkerung gerecht werde.2130 Dabei erkannte die Kommission an, dass aus israelischer Sicht die Besatzung in vielen Teilen der besetzten Gebiete geendet habe, nachdem die Abkommen abgeschlossen worden seien, die zur Errichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde geführt hätten. Ebenso erkannte die Kommission an, dass die finale Regelung über die Siedlungen in diesen Gebieten eine Angelegenheit für Verhandlungen zwischen beiden Seiten sei. Allerdings müsse anerkannt werden, dass aus palästinensischer Sicht so lange, wie die Siedlungen in den besetzten Gebieten verbleiben und von den israelischen Streitkräften geschützt würden, kein Ende der Besatzung in Sicht sei.2131 Ein zweiter Themenbereich, für den die Untersuchungskommission Empfehlungen aussprach, war die Umsetzung von notwendigen Maßnahmen bezüglich der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Hierbei wies die Kommission darauf hin, dass eine finale, friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern sowie der Weg dorthin in allen Abschnitten von Respekt für die anwendbaren Regelungen der beiden Teilgebiete des Völkerrechts getragen seien müsste. Besonders wichtig seien dabei die Gewährleistungen für Frauen, Kinder und 2128 2129 2130 2131
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 108. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 105. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 111. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 112.
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Flüchtlinge.2132 Zudem sei eine internationale Präsenz erforderlich, welche die Einhaltung der menschenrechtlichen und humanitär-völkerrechtlichen Verpflichtungen aller Konfliktparteien überwache; eine solche Präsenz müsse möglichst schnell eingerichtet werden.2133 In diesem Zusammenhang wurden auch die Hohen Vertragsparteien des vierten Genfer Abkommens über den Schutz von Zivilpersonen von der Kommission dazu aufgerufen, angemessene und effektive Maßnahmen zu ergreifen, um die Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung zu erleichtern, welche aus den schweren Verletzungen des Abkommens hervorgingen.2134 Neben den gerade vorgestellten Empfehlungen kamen im Abschlussbericht der Untersuchungskommission noch weitere Empfehlungen hinzu, bei denen es speziell um dringliche Maßnahmen zum Schutze der Menschenrechte ging. Der israelischen Regierung wurde empfohlen, sicherzustellen, dass die israelischen Sicherheitskräfte ihre eigenen Einsatzregularien, einschließlich derjenigen Regelungen über die Eröffnung des Feuers, einhalten sollten. Zudem sollten diese Regularien allen Mitgliedern der Sicherheitskräfte bekannt gemacht und die Regeln nicht willkürlich geändert werden. Zudem müsse klargestellt werden, dass ein Verstoß gegen die Regularien mit disziplinarischen Maßnahmen geahndet werden könne.2135 Den israelischen Sicherheitskräften wurde empfohlen, außer als letztes Mittel, nicht zu Gummigeschossen und scharfer Munition zu greifen; solange nicht lebensbedrohliche Situationen vorliegen würden, solle gegen Zivilisten nur minimaler Gewalteinsatz erfolgen. Die Sicherheitskräfte sollten mit nicht-tödlichen Mitteln ausgerüstet und hieran geschult werden, um auf gewalttätige Demonstrationen zu reagieren.2136 Die Gewaltanwendung durch die israelischen Streitkräfte bei dem Schutz der Siedler sei ebenfalls dem vierten Genfer Abkommen unterworfen. Diese Rolle könne nicht das präventive Erschießen von unbewaffneten Zivilisten in der Nähe der Siedlungen oder auf dorthin führenden Straßen rechtfertigen. Dies gelte ebenfalls für die Zerstörung von palästinensischem Eigentum, einschließlich der Beschädigung von Wohnhäusern und der Zerstörung von Farmen.2137 Das gezielte Erschießen von Personen durch die israelischen Streitkräfte, durch Siedler oder durch Heckenschützen von beiden Seiten komme außerrechtlichen Tötungen gleich, welche eine schwere Verletzung des Rechts auf Leben bedeuten, einen Bruch des humanitären Völkerrechts darstellen und völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit auslösen würden. Daher sollten umgehend von allen Verantwortlichen entsprechende Instruktionen herausgegeben werden, um die gezielten Tötungen zu beenden.2138
2132 2133 2134 2135 2136 2137 2138
UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 113. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 114. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 115. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 116. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 117. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 118. UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 119.
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Ein letzter Satz von Empfehlungen betraf schließlich noch die Möglichkeit, das Klima der Feindseligkeit zu verändern. Zunächst verwies die Kommission auf das Euro-Mediterrane Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Israel andererseits, das eine Assoziierung Israels betrifft und nur einige Zeit vor der Durchführung der Untersuchung abgeschlossen worden war.2139 In Artikel 2 werde die europäisch-israelische Partnerschaft als auf Respekt für die Menschenrechte und demokratische Prinzipien basierend beschrieben. Diese Regelung könne nach Auffassung der Kommission für die europäische Seite als Grundlage dafür dienen, eine proaktive Rolle dabei zu spielen, die Akzeptanz und die Implementierung der Kommissionsempfehlungen zu fördern und die Durchführung von Konsultationen und den Dialog auf allen Ebenen zwischen dem palästinensischen und dem israelischen Volk zu unterstützen.2140 Des Weiteren wurde der Menschenrechtskommission empfohlen, den Dialog zwischen Repräsentanten beider Seiten zu fördern. Außerdem solle ein Runder Tisch mit Repräsentanten der europäischen Zivilgesellschaft einberufen werden, um dort Diskussionen über die Problemlagen im Nahen Osten zu führen.2141 Letztlich forderte die Untersuchungskommission noch von der Menschenrechtskommission, wegen der Verweigerung der Menschenrechte und den fortgesetzten Verletzungen des humanitären Völkerrechts, einen periodischen Beobachtungs- und Berichtsmechanismus zu installieren, welcher über die Implementierung der Empfehlungen durch die Parteien im Nahostkonflikt Bericht erstatten solle.2142 11. Menschenrechtsverletzungen in Togo a) Historischer Hintergrund In dem westafrikanischen Staat Togo fand am 21. Juni 1998 eine Präsidentschaftswahl statt.2143 Der diktatorisch regierende Amtsinhaber Gnassingbé Eyadéma hatte das Land zuvor etwa 30 Jahre beherrscht. Amnesty International stellte am 5. Mai 1999 einen Bericht unter dem Titel „Rule of terror“ vor,2144 in dem die Menschenrechtsorganisation behauptete, dass während des Wahlkampfes und nach der Bekanntgabe der Ergebnisse mehrere hundert Menschen außergerichtlich hingerichtet worden seien.2145 2139
Euro-Mediterranean Agreement establishing an association between the European Communities and their members, of the one part, and the State of Israel, of the other part, wiedergegeben in: Official Journal of the European Communities L 147/3 vom 21. Juni 2000. 2140 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 132. 2141 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 133. 2142 UN Doc. E/CN.4/2001/121 vom 16. März 2001, Rn. 134. 2143 Hierzu Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Togo“. 2144 Amnesty International, „Rule of terror“, Dokumentennummer: AFR 57/01/99 vom 5. Mai 1999. 2145 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001.
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b) Einsetzung der Kommission Am 7. Juni 2000 gaben der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit eine gemeinsame Presseerklärung ab. In dieser gaben die beiden Generalsekretäre die Errichtung einer Untersuchungskommission für Togo bekannt, die beiden Organisationen unterstehen sollte.2146 Die Kommission erhielt den Auftrag, die Behauptungen aus dem Bericht von Amnesty International vom 5. Mai 1999 zu verifizieren.2147 Im Anschluss hieran sollte die Untersuchungskommission dann den beiden Generalsekretären Bericht erstatten.2148 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit einigten sich auf eine Kommission aus drei internationalen Experten. Der Kommissionsvorsitz wurde Mahamat Hassan Abakar aus dem Tschad übertragen, der zuvor als Vorsitzender einer nationalen Untersuchungskommission in seinem Heimatland hinsichtlich von Verbrechen in der Zeit des Regimes von Hissène Habré hervorgetreten war. Die beiden anderen Kommissionsmitglieder waren Paulo Sérgio Pinheiro aus Brasilien, der zuvor etwa als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Burundi tätig gewesen war, und Issaka Souna aus Niger, der vor seiner Berufung in die Kommission unter anderem den Vorsitz der nigrischen Unabhängigen Wahlkommission innegehabt hatte.2149 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission begann ihre Tätigkeit am 31. Juli 2000 und hielt insgesamt drei Treffen in Genf ab.2150 Anlässlich der ersten Sitzung vom 31. Juli bis zum 4. August 2000 gab sich die Untersuchungskommission eine Verfahrensordnung2151. Darüber 2146
UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 1. Amnesty International, „Rule of terror“, Dokumentennummer: AFR 57/01/99 vom 5. Mai 1999. 2148 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 1. 2149 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 2. 2150 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 6. 2151 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Annex 2, S. 24 ff. Der Text der Verfahrensordnung lautet: „Article 1. Mandate The Commission shall collect, examine and analyse all information relevant to the allegations that hundreds of people were victims of extrajudicial executings in Togo in 1998 with a view to establishing the truth. The Commission shall take into account the context, modalities and impact of those events. The work of the Commission shall be conducted in an impartial and independent manner in accordance with international norms. Article 2. Solemn declaration 1. The members of the Commission shall be required to make the following solemn declaration: 2147
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,I solemnly undertake to perform my duties and exercise my powers as a member of the Commission independently, honourably, faithfully, impartially and conscientiously.‘ 2. The members of the secretariat shall by required to make the following written declaration: ,I solemnly declare and promise to exercise in all loyalty, discretion and conscience the functions entrusted to me as s staff member of the International Commission of Inquiry for Togo and to respect and safeguard the confidentiality of all sensitive information, including sources, provided to the Commission during the course of its investigations.‘ Article 3. Privileges and immunities The Commission, including all members of the Commission, shall enjoy all forms of protection accorded by the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations. Article 4. International Norms The inquiry shall be conducted in accordance with relevant international norms, including the international human rights instruments currently in force and, in particular, the Principles on the Effective Prevention and Investigation of Extra-Legal, Arbitrary and Summary Executions, the Guidelines for the Conduct of Inquiries into Allegations of Massacres and the Declaration on the Protection of All Persons from Enforced Disappearances. The Commission shall also be guided by other relevant materials, including the draft Principles on the Effective Investigation and Documentation of Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment and guiding principles 5 to 12 to the establishment of extrajudicial commissions of inquiry (E.CN.4/Sub.2/1997/20/Rev.1, annex II), adopted by the Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights at its forty-ninth session. Article 5. Methods of inquiry In order to fulfill its mandate, the Commission shall: (a) Receive from governmental and non-governmental sources information, documentation and all other material relevant to establishing the truth; (b) Request information, documentation and all other material relevant to establishing the truth from Governments, including the Government of Togo, the United Nations and the Organization of African Unity, civil society organizations, including political parties, the press and individuals; (c) Undertake fact-finding missions in any part of Togo or other cooperating countries, including on-site visits with unrestricted access and unhindered interviews, in order to obtain additional information, collect evidence, record testimonies and verify facts; (d) Interview victims, witnesses and other persons allegedly involved in violations of human rights, including persons accused, or against whom there is evidence, of involvement in human rights violations; (e) Solicit the cooperation of any expert or knowledgeable person who may be able to assist the Commission in the fulfilment of its mandate; (f) Compile, analyse and verify information and all relevant materials received through the above-mentioned methods and sources. Article 6. Confidentiality of information and protection of witnesses 1. The Commission shall ensure that individuals and their families are protected from threats or retaliation of any kind for cooperating with the Commission. To this end, the Commission shall adopt procedures and methods of work aimed at protecting such persons during all stages of the inquiry as well as thereafter. 2. Members of the Commission and members of the secretariat shall exercise discretion. They shall refrain from taking a stand in public on any issue or confidential question under discussion in the Commission. The Chairman shall make information on the work of the Commission available to the public to the extent that the Commission deems it appropriate. 3. All written materials and records of the Commission, as well as other material evidence gathered by it during the inquiry, shall constitute the property and archives of the United Nations
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hinaus traf die Kommission bei dieser Sitzung mit Vertretern von verschiedenen Organisationen und Ständigen Missionen bei den Vereinten Nationen in Genf zusammen. Weiterhin hörte die Kommission noch die Delegationen der togoischen Regierung und von Amnesty International.2152 Die zweite Sitzung der Kommission fand vom 18. bis zum 22. September 2000 statt und war der Vorbereitung ihrer Feldmission in Westafrika gewidmet. Auch auf dieser Sitzung trafen die Kommissionsmitglieder wiederum mit Vertretern verschiedener Gremien und Organisationen zusammen, etwa von Amnesty International, vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und aus dem Büro des Hohen and shall enjoy the treatment granted to such property and archives under the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations. Article 7. Cooperation with the United Nations, the Organization of African Unity and the Government of Togo The Commission shall endeavor to establish cooperation with the United Nations, the Organization of African Unity and the Government of Togo based on the following commitments: (a) At the request of the Commission, the United Nations and the Organization of African Unity shall provide the assistance necessary for the proper functioning of the Commission; (b) At the request of the Commission, the Government of Togo shall provide the Commission with support and assistance so that it can accomplish its task with competence and within reasonable time; it shall take all appropriate measures to ensure that the competent authorities cooperate fully with the Commission. At the request of the Commission, appropriate security arrangements shall be undertaken to protect the Commission’s personnel, premises, documents and materials. The Government of Togo shall guarantee in particular, freedom of movement, freedom of access to all sources of information and unhindered contacts with government authorities, civil society organizations and individuals. Article 8. Meetings, powers of the Chairman and decisions 1. The Commission shall hold its meetings in private. It may, however, hold public meetings when it is deemed necessary for the effectiveness of its work. 2. The Chairman shall declare the opening and closure of each meeting of the Commission, direct the discussions, accord the right to speak, put questions to the vote, announce decisions, rule on points of order and exercise control over all proceedings. 3. The Chairman shall be the spokesperson for the Commission and shall represent the Commission in its external contacts. He may delegate his powers in cases where he is unable to exercise them. 4. The Commission shall take its decisions by consensus. In the absence of a consensus, decisions of the Commission shall be taken by a majority of two of the three members. Article 9. Secretariat The secretariat of the Commission shall be responsible for taking all necessary measures to ensure that the work of the Commission, including its meetings, is carried out effectively. The secretariat shall ensure the collection, preparation and distribution of documents and materials to the members of the Commission as requested by the Commission or its Chairman or any member thereof. It shall be responsible for the preparation of the records of the proceedings of the Commission. Article 10. Report 1. The Commission may designate a rapporteur on any topic of a general or specific nature. 2. The Commission shall report its findings, conclusions and recommendations to the Secretaries-General of the United Nations and the Organization of African Unity.“ 2152 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 7.
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Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge. Mit der Delegation aus Togo hielt die Kommission einen umfassenden Dialog ab, bei dem besonders die Vorbedingungen für die Feldmission der Untersuchungskommission auf dem Territorium dieses Staates besprochen wurden.2153 Die Untersuchungskommission verbrachte im Anschluss fünf Wochen auf ihrer Feldmission in Westafrika. Hierbei besuchte die Kommission zunächst vom 11. bis zum 19. November 2000 Togo selbst. Danach besuchte die Kommission das Nachbarland Benin vom 19. November bis zum 2. Dezember 2000, dabei insbesondere die Cotonou- und die Mono-Region an der togoischen Grenze. Ein weiteres Nachbarland von Togo, Ghana, wurde vom 2. bis zum 4. Dezember 2000 besucht, hier insbesondere die Grenzregion Volta. Vom 4. bis zum 12. Dezember 2000 besuchte die Kommission nochmals Togo.2154 Während der Feldmission in Westafrika sammelte die Kommission mehrere Arten von Beweismitteln.2155 An dokumentarischem Material sammelte die Kommission vor allem Berichte aus afrikanischen und französischen Zeitungen sowie Berichte von Menschenrechtsvereinigungen und -institutionen, von der Journalistengewerkschaft, von politischen Parteien sowie von der Regierung von Togo; außerdem spielte der oben bereits erwähnte Bericht von Amnesty International eine wichtige Rolle. Darüber hinaus erhielt die Kommission noch Materialien von öffentlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen sowie von in Togo und Benin akkreditierten diplomatischen Missionen.2156 Bei ihren Besuchen in den drei afrikanischen Staaten besuchte die Kommission diverse Städte und Dörfer und auch einige Gräber.2157 Während dieser Vor-OrtTermine in Benin nahm die Untersuchungskommission Einsicht in die Aufzeichnungen über Todesfälle bei der lokalen Gendarmerie, wobei ihr dies in einem Fall verweigert wurde, da die benötigte vorherige Zustimmung des Staatsanwaltes hierzu fehlte.2158 Darüber hinaus ging die Kommission der Behauptung von Amnesty International nach, dass Flugzeuge benutzt worden seien, um Leichen in das Meer zu werfen. Daher besuchte die Kommission einen Luftwaffenstützpunkt und holte dort Informationen über die dort stationierten Flugzeuge ein. Daneben besuchte die Kommission noch die Agentur für Flugsicherheit in Afrika und Madagaskar in Lomé und holte dort Informationen über Starts und Landungen im lokalen Luftverkehr in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1998 ein.2159
2153 2154 2155 2156 2157 2158 2159
UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 8. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 10 f. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 27 f. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 29 ff. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 32. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 33. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 34.
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Zeugenaussagen stellten auch bei dieser Untersuchung das Rückgrat des gesammelten Informationskorpus dar.2160 Insgesamt befragte die Kommission über 1.000 Personen. Die Kommission unterteilte die Zeugen grob in zwei Kategorien: Die erste Gruppe bestand aus Zeugen, die angeschwemmte Leichen gesehen oder begraben hatten. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um Fischer und Dorfbewohner aus Küstenorten; die zweite Kategorie von Zeugen bestand aus Personen, die über Wissen hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen verfügten. Zu dieser Gruppe gehörten etwa Diplomaten, Führungspersonal aus der Regierung, den Regionen und den Kommunen, Repräsentanten für verschiedene Gremien aus dem System der Vereinten Nationen, Journalisten, Lehrer sowie Aktivisten aus den Bereichen Politik und Menschenrechte. Darüber hinaus sprach die Kommission mit jeder weiteren Person auf ein vorheriges Ersuchen hin oder bei spontaner Gelegenheit.2161 Die abschließende Sitzung vom 15. bis zum 22. Dezember 2000 war der Erstellung des Abschlussberichts der Kommission gewidmet.2162 d) Ergebnis der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission2163 umfasste insgesamt 77 Randnummern und war in fünf Kapitel eingeteilt: Das erste Kapitel bildete die Einführung,2164 im zweiten Kapitel wurde der Kontext der Untersuchung beschrieben, also die Ereignisse, die Anlass zu den Untersuchungen durch die Kommission gegeben hatten,2165 im dritten Kapitel beschrieb die Kommission ihre Feldmission in Westafrika,2166 im vierten Kapitel wurden die von Amnesty International aufgestellten Behauptungen hinsichtlich der außerrechtlichen Hinrichtungen einer genauen Betrachtungen unterzogen;2167 der Bericht endete mit einem fünften Kapitel, welches Schlussfolgerungen und Empfehlungen an verschiedene Akteure enthielt.2168 bb) Die Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass auf dem Gebiet von Togo tatsächlich außerrechtliche Hinrichtungen stattgefunden hätten. Opfer seien insbesondere Oppositionelle gewesen, aber auch Personen, die wegen Rechtsverletzungen gefangen genommen worden seien. Nach Auffassung der 2160
UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 28. UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 35. 2162 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 9. 2163 Report of the International Commission of Inquiry for Togo, UN Doc. E/CN.4/2001/ 134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001. 2164 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 1 ff. 2165 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 13 ff. 2166 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 27 ff. 2167 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 42 ff. 2168 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 62 ff. 2161
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Kommission deutete vieles darauf hin, dass die Personen, welche Tötungen durchgeführt hätten, in Verbindung zu den Sicherheitskräften, der Gendarmerie und zu Milizen gestanden hätten, die mit den Behörden zusammengearbeitet hätten. Neben den außerrechtlichen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen wären die Täter auch in Folter und Misshandlung von Gefangenen sowie in Vergewaltigung und Missbrauch von Frauen in einigen Gebieten verstrickt gewesen.2169 Eine juristische Untersuchung auf nationaler Ebene war nach Auffassung der Kommission das einzige Mittel, um die Personen zu identifizieren, welche für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen seien.2170 cc) Die Untersuchungskommission sprach Empfehlungen in vier Richtungen aus. Den Generalsekretären der Vereinten Nationen und der Organisation für Afrikanische Einheit empfahl die Kommission die Veröffentlichung des vorgelegten Berichts,2171 zudem die Entsendung eines Expertenteams zur Auswertungen der Flugdaten hinsichtlich von Flügen, bei denen Körper in das Meer geworfen wurden,2172 sowie die Entsendung eines Teams aus Forensikexperten, welche in Togo und Benin bei der Identifizierung von Leichen und den jeweiligen Todesursachen behilflich seien sollten.2173 – Der internationalen Gemeinschaft, namentlich den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie den relevanten Internationalen Organisationen wurde empfohlen, ihre finanzielle Unterstützung an das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Hinblick darauf zu leisten, dass dieses in die Lage versetzt werde, einen Follow-up-Mechanismus für die Situation der Opfer einzurichten.2174 – Gegenüber der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte und Völker erging die Empfehlung, für die Menschenrechtssituation in Togo einen eigenen Sonderberichterstatter einzusetzen,2175 sowie, dass die bereits eingesetzten Sonderberichterstatter der beiden Menschenrechtsgremien für außerrechtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen, für Folter und für Gewalt gegen Frauen regelmäßig Togo Besuche abstatten sollten.2176 Von der Tätigkeit der Sonderberichterstatter versprach sich die Kommission wichtige Impulse für Staat und Zivilgesellschaft im Bereich der Menschenrechte. – An die Regierung von Togo ergingen die Empfehlungen, so schnell als möglich strafrechtliche Ermittlungen hinsichtlich der untersuchten Ereignisse durch ein Team von speziellen Ermittlungsrichtern durchzuführen2177 sowie Gesetze und weitere Maßnahmen zu erlassen, 2169 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 63; zu den Vergewaltigungen noch Rn. 64 f. 2170 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 66. 2171 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 70. 2172 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 71. 2173 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 72. 2174 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 73. 2175 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 74. 2176 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 75. 2177 UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 76.
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um Menschenrechtsverletzungen wie die untersuchten zukünftig bestrafen und verhindern zu können.2178 12. Konflikt in Darfur a) Historischer Hindergrund Das Gebiet Darfur liegt im Westen des afrikanischen Staates Sudan.2179 Der Konflikt in diesem Gebiet, welches zum damaligen Zeitpunkt aus den drei sudanesischen Bundesstaaten Schamal Darfur (Nord-Darfur), Janub Darfur (Süd-Darfur) und Gharb Darfur (West-Darfur) bestand, begann Anfang des Jahres 2003. Als sein Auslöser wird der Angriff der Sudanese Liberation Movement/Army (SLM/A) am 25. Februar auf den Ort Gulu in der Region des Marrah-Gebirges betrachtet. Die sudanesische Zentralregierung in Khartum sah sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht imstande, die Aufständischen im Westen des Staates, zu denen neben der SLM/A auch das Justice and Equality Movement (JEM) zählte, allein erfolgreich zu bekämpfen. Daher wandte sich die Regierung an Nomandenstämme arabischer Herkunft. Diese willigten ein, an der Bekämpfung der Rebellion teilzunehmen. Die von diesen Stämmen entsandten Kämpfer wurde in der Folge als Janjaweed bekannt. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen alten darfurischen Terminus für bewaffnete Banditen beziehungsweise Gesetzlose, welche auf einem Pferd oder einem Kamel reiten. Die Janjaweed verübten in der Folge eine Vielzahl von Angriffen, wobei ihr Ziel hauptsächlich Zivilisten waren. Insbesondere wurden die in Darfur ansässigen Stämme von Menschen mit schwarzer Hautfarbe Ziel der Attacken. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nahm sich der Situation in Darfur erstmals in der Resolution 1547 (2004) vom 11. Juni 2004 an.2180 In der Folge wurden durch den Sicherheitsrat Verletzungen des humanitären Völkerrechts sowie der Menschenrechte angemahnt.2181 Zudem wurde die Regierung des Sudan aufgefordert, die Janjaweed zu entwaffnen und die Anführer für die Gräueltaten, die in Darfur begangen wurden, zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu kam weiterhin, dass die internationale Gemeinschaft Sorgen um einen etwaigen Völkermord in der westsudanesischen Provinz umtrieben. Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde dieses Thema ab März 2004 zu einer beherrschenden Größe in der öffentlichen 2178
UN Doc. E/CN.4/2001/134 – E/CN.4/Sub.2/2001/3 vom 22. Februar 2001, Rn. 77. Hierzu und zum Folgenden Robert Frau, Das Verhältnis zwischen dem ständigen Internationalen Strafgerichtshof und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, S. 300 ff.; Robert Cryer, Leiden Journal of International Law 19 (2006), S. 195 ff.; Matthew Happold, International and Comparative Law Quarterly 55 (2006), S. 226 ff.; Noëlle Quénivet, Human Rights Review 7 (2006), S. 38 ff. 2180 UN Doc. S/RES/1547 (2004) vom 11. Juni 2004. 2181 Vgl. den siebten Absatz der Präambel der Sicherheitsratsresolution 1556 (2004), UN Doc. S/RES/1556 (2004) vom 30. Juli 2004. 2179
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Diskussion. Am 22. Juli 2004 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten von America eine Resolution, in welcher die Angriffe auf Dörfer als Akte von Völkermord bezeichnet wurden.2182 Hierauf folgte eine Welle von Reaktionen, da wichtige internationale Akteure wie die Vereinten Nationen, die Europäische Gemeinschaft oder die Afrikanische Union es bis zu diesem Zeitpunkt vermieden hatten, die Gewalttaten in Darfur in öffentlichen Stellungnahmen als Völkermord beziehungsweise Genozid zu bezeichnen. b) Einsetzung der Kommission Entscheidend im Hinblick auf die Einsetzung einer Untersuchungskommission hinsichtlich der Lage in Darfur war die 5040. Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am 18. September 2004.2183 Deutschland, Rumänien, Spanien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika legten einen Resolutionsentwurf2184 zur Lage in dem Gebiet vor, welcher unter anderem die Einsetzung einer Untersuchungskommission vorsah. Der Text wurde als Resolution 1564 (2004) mit elf befürwortenden Stimmen und vier Enthaltungen angenommen.2185 In der Resolution, in der der Sicherheitsrat sich ausdrücklich auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen stützte, hieß es unter anderem: „12. Requests that the Secretary-General rapidly establish an international commission of inquiry in order immediately to investigate reports of violations of international humanitarian law and human rights law in Darfur by all parties, to determine also whether or not acts of genocide have occurred, and to identify the perpetrators of such violations with a view to ensuring that those responsible are held accountable, calls on all parties to cooperate fully with such a commission, and further requests the Secretary-General, in conjunction with the Office of the High Commissioner for Human Rights, to take appropriate steps to increase the number of human rights monitors deployed to Darfur;“
Die die Resolution einbringenden Staaten versprachen sich von der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission wichtige Erkenntnisse und Effekte im Hinblick auf den Konflikt in Darfur. Der Vertreter Deutschlands etwa äußerte in der Sicherheitsratssitzung, dass die Errichtung einer solchen Kommission notwendig sei, um die Kultur der Straflosigkeit im Sudan zu beenden und um Vertrauen wiederherzustellen. So würde der Gerechtigkeit gedient, welche wiederum die Vor2182
H.Con.Res.467 – Declaring genocide in Darfur, Sudan. Siehe zur vorherigen Tätigkeit des Sicherheitsrates in Bezug auf Darfur Robert Frau, Das Verhältnis zwischen dem ständigen Internationalen Strafgerichtshof und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, S. 316 f.; Robert Cryer, Leiden Journal of International Law 19 (2006), S. 195 (198 f.) sowie auch Matthew Happold, International and Comparative Law Quarterly 55 (2006), S. 226 ff. 2184 UN Doc. S/2004/744 vom 17. September 2004. 2185 UN Doc. S/RES/1564 (2004). Für die Resolution stimmten: Angola, Benin, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Philippinen, Rumänien, Spanien, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, ihre Stimme enthielten sich: Algerien, China, Pakistan und Russische Föderation, UN Doc. S/PV.5040 vom 18. September 2004, S. 3 f. 2183
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aussetzung für Wiederaufbau und Versöhnung sei.2186 Aus ganz ähnlichen Gründen sprachen sich auch die Vertreter des Vereinigten Königreichs, Brasiliens, Chiles und Spaniens für die Einsetzung einer solchen Kommission aus.2187 Die Untersuchungskommission für Darfur setzte sich aus fünf vom Generalsekretär der Vereinten Nationen bestimmten Personen, überwiegend Afrikanern, zusammen. Der Vorsitz wurde dem italienischen Juristen Antonio Cassese übertragen, der zuvor als Professor für Völkerrecht sowie als Richter und Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien gewirkt hatte. Die übrigen vier Mitglieder der Kommission waren Hina Jilani aus Pakistan, eine Anwältin am Obersten Gerichtshof von Pakistan und ehemalige Sonderberichterstatterin des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Situation von Menschenrechtsaktivisten, der ägyptische Menschenrechtler Mohammed Fayek, Dumisa Ntsebeza aus Südafrika, ein Rechtanwalt, der schon zuvor in der Wahrheitskommission in seinem Heimatland zur Aufarbeitung der Apartheid tätig gewesen war, sowie Theresa Striggner-Scott aus Ghana, die zuvor als Richterin an den Obersten Gerichtshöfen von Ghana und Simbabwe sowie als Vorsitzende der Rechtsreformkommission in ihrem Heimatland gearbeitet hatte.2188 Resolutionsgemäß stellte das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte der Kommission Personal zur Durchführung der Untersuchung an die Seite.2189
2186
UN Doc. S/PV.5040 vom 18. September 2004, S. 7 f. Vgl. die Äußerung des Repräsentanten des Vereinigten Königreichs: „(…) There have been many credible reports of widespread violations of international humanitarian law in Darfur. It is therefore right that this Council quickly set up an international commission of inquiry to establish the facts. There can be no impunity. Those guilty of serious violations of international humanitarian law or human rights must be brought to justice. This applies to all parties of the dispute. (…)“, UN Doc. S/PV.5040 vom 18. September 2004, S. 9 f.; des Repräsentanten von Brasilien: „(…) As to request for immediate Action on the establishment of an international commission of inquiry, our major goal continues to be that of avoiding the recurrence of gross violations of human rights. We certainly hope that the precise investigation of recent highly deplorable facts will be possible at the time when the African Union is seeking to have all parties on board as the best way to find a durable political solution to the conflict in Darfur. (…)“, S. 10; des Repräsentanten von Chile: „(…) Lastly, the request that the SecretaryGeneral set up an international commission of inquiry into every reported case of violations of international humanitarian law seems to us to be essential and urgent in order to establish the facts on the ground. (…)“, S. 11 sowie des Repräsentanten von Spanien: „(…) I wish to underline the resolution’s request for the Secretary-General rapidly to establish an international commission of inquiry to investigate the facts impartially and independently and take the first steps to prevent impunity for those responsible for committing atrocities, no matter what group they belong to. (…)“, S. 13. 2188 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 1. 2189 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 1. 2187
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c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission begann ihre Tätigkeit am 25. Oktober 2004 in Genf.2190 Die Kommission begann unmittelbar damit, ihr Mandat und ihre Arbeitsmethoden zu erörtern und hierüber Beschlüsse zu fassen.2191 Die Kommission diskutierte sehr intensiv und identifizierte aus dem ihr erteilten Mandat insgesamt vier Aufgaben für die in Darfur vorzunehmenden Untersuchungen. Die erste, durch die Kommission identifizierte Aufgabe wurde aus der Formulierung „(…) to investigate reports of violations (…) by all parties (…)“ entnommen. Hieraus schloss die Kommission, dass es ihre Aufgabe sei, Tatsachen zu ermitteln, die sich auf mögliche Verletzungen internationaler Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beziehen würden, welche in Darfur begangen würden. Daher müsse die Kommission als Fact-Finding-Gremium agieren, welches seine Arbeit mit der Beurteilung von Informationen beginnen müsse, die in Berichten anderer Akteure enthalten seien, etwa von Regierungen, Gremien der Vereinten Nationen und anderen Internationalen Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen.2192 Weiterhin sah es die Untersuchungskommission im Rahmen ihrer ersten Aufgabe als notwendig an, Verletzungen von Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts auch aus der Warte des Völkerstrafrechts zu beurteilen. Dies ergab sich nach Auffassung der Kommission insbesondere daraus, dass der Sicherheitsrat in dem von ihm erteilten Mandat zum Ausdruck gebracht habe, dass durch die Tätigkeit der Kommission die Möglichkeit zur Identifizierung von Tätern geschaffen werden sollte.2193 Als zweite, ihr durch den Sicherheitsrat übertragene Aufgabe, sah es die Kommission an, berichteten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts dahingehend nachzugehen, ob sie sich rechtlich zu einem Völkermord verdichtet hätten.2194 Die dritte der identifizierten Untersuchungsaufgaben ergab sich aus der Mandatsformulierung „(…) identifying the perpetrators of violations (…) with a view to ensuring that those responsible are held accountable (…)“. Dies erforderte nach Ansicht der Kommission nicht nur die Identifizierung von Tätern, sondern auch das Vorschlagen von möglichen Mechanismen, um solche Täter zur Verantwortung zu ziehen. Daher sah es die Kommission als erforderlich an, zuverlässige Materialien zu sammeln, aus welchen sich ergebe, welche Personen für die Völkerrechtsverletzungen, die in Darfur begangen wurden, verantwortlich seien könnten und die daher vor Gericht gestellt werden sollten, um deren Verantwortlichkeit festzustellen.2195 Die Kommission fasste den Begriff des Täters weit und ließ hierunter nicht nur diejenigen Personen fallen, die selbst Verletzungshandlungen begangen hatten, sondern auch 2190 2191 2192 2193 2194 2195
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 1. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 12. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 3. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 4. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 5. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 6.
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diejenigen, die in Form der völkerstrafrechtlichen Figur einer Joint Criminal Enterprise oder durch Befehl oder durch Unterstützung und Hilfe an einer Tat beteiligt waren. Auch wurden nach völkerstrafrechtlichen Maßstäben diejenigen Personen als Täter angesehen, die nach Maßstäben der Vorgesetztenverantwortlichkeit eine Tat begangen hatten, weil sie die eigentliche Begehung der Tat nicht verhindert haben, obwohl sie von der Begehung der Tat wussten oder hätten wissen müssen beziehungsweise Kontrolle über die eigentlichen Täter ausübten.2196 Die vierte von der Kommission identifizierte Aufgabe war mit der dritten Aufgabe eng verwandt. Um die Verantwortlichen für die Völkerrechtsverletzungen in Darfur auch zur Verantwortung zu ziehen, wollte die Untersuchungskommission hierfür Maßnahmen vorschlagen.2197 Die Kommission legte ihr Mandat zudem in zeitlicher und in geographischer Hinsicht aus. Sie interpretierte das Mandat dahingehend, dass sie nur für Menschenrechtsverletzungen in der Darfur-Region zuständig sei, also nicht für andere Verletzungen der Menschenrechte im Sudan. Zudem konzentrierte sich die Kommission zeitlich auf den Zeitraum von Februar 2003, als das Ausmaß, die Intensität und die Stetigkeit der Vorfälle, in welchen Völkerrechtsverletzungen zu besorgen waren, deutlich angestiegen waren, bis zur Mitte des Monates Januar 2005, kurz bevor die Kommission – aufgrund einer vom Generalsekretär gesetzten Frist – ihren Abschlussbericht vorlegen sollte.2198 Die Kommission beschloss zudem, dass sie die ihr anvertrauten Aufgaben in strenger Vertraulichkeit ausüben würde. Insbesondere würde sie ihre Kontakte zu den Medien darauf beschränken, Informationen über den geplanten Kommissionsbesuch im Sudan herauszugeben.2199 Am 28. Oktober sandte die Kommission eine Verbalnote an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und an verschiedene Internationale Organisationen sowie am 2. November 2004 einen Brief an verschiedene Nichtregierungsorganisationen. Diese Schreiben enthielten einerseits Informationen über das Mandat der Internationalen Untersuchungskommission für Darfur und andererseits auch das Ersuchen um die Übersendung relevanter Informationen an die Kommission. Daneben stellte die Untersuchungskommission auch noch Informationen über ihr Mandat, die Kommissionsmitglieder und Kontaktinformationen auf der Internetseite des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Verfügung.2200
2196 2197 2198 2199 2200
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 7. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 10. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 11. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 13. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 12.
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Die Untersuchungskommission besuchte den Sudan zweimal. Der erste Besuch fand vom 8. bis zum 20. November 2004 statt.2201 Die Kommissionsmitglieder begannen ihre Arbeit in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.2202 Anlässlich dieses Besuches trafen sich die Kommissionsmitglieder mit einer Reihe hochrangiger Vertreter der sudanesischen Regierung, einschließlich des ersten Vize-Präsidenten, des Justizministers, des Außenministers, des Innenministers, des Verteidigungsministers, des Ministers für Bundesangelegenheiten, des stellvertretenden Obersten Richters, des Parlamentssprechers, des stellvertretenden Leiters des Nationalen Sicherheits- und Geheimdienstes sowie mit Mitgliedern eines Ausschusses, der sich mit Vergewaltigungen befasste. Darüber hinaus traf die Kommission auch mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, politischen Parteien und Vertretern interessierter ausländischer Regierungen zusammen, welche sich zum Zeitpunkt des Besuchs im Sudan befanden. Weitere Treffen fanden mit Mitgliedern der United Nations Advance Mission in the Sudan (UNAMIS) sowie mit weiteren im Sudan stationierten Vertretern der Vereinten Nationen statt. Darüber hinaus besuchte die Kommission auch ein Gefängnis.2203 Vom 11. bis zum 17. November 2004 besuchte die Untersuchungskommission Darfur. Dort teilte sich die Untersuchungskommission in drei Teams auf, welche sich jeweils auf einen Staat von Darfur konzentrierten. Jedes der Teams traf sich jeweils mit dem Gouverneur des betreffenden Staates und mit hochrangigen lokalen Vertretern des sudanesischen Staates, insbesondere aus den Bereichen Justiz und Sicherheit.2204 Darüber hinaus besuchten die Teams in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen Lager von Binnenvertriebenen, sprachen mit Zeugen und mit Anführern von Stämmen. Das Team, welches für West-Darfur zuständig war, besuchte zudem Flüchtlingslager im Nachbarland Tschad.2205 Der Kommission stand bei ihren Untersuchungen im Sudan ein Ermittlungsteam zur Seite. Dieses bestand aus einem Chefermittler und vier weiteren Ermittlern für allgemeine Fragen, zwei weiblichen Ermittlern mit besonderen Kompetenzen im Bereich von geschlechtsabhängiger Gewalt, vier forensischen Experten und zwei militärischen Analysten.2206 Aufgabe der Mitglieder des Ermittlungsteams war es, Zeugen und Offizielle zu befragen und die Kommissionsmitglieder auf ihren Feldmissionen nach Darfur zu begleiten, wozu sich das Ermittlungsteam in drei Unterteams aufspaltete.2207 – Das Unterteam für West-Darfur2208 bestand aus zwei Er2201
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 20. Siehe auch UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 2, S. 167. 2203 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 20. 2204 Siehe zu den einzelnen Treffen UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 2, S. 167 f. 2205 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 21. 2206 Siehe auch UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 4, S. 175. 2207 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 22. 2208 Siehe hierzu UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 4, S. 175. 2202
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mittlern, einem Militäranalysten und wurde durch einen forensischen Experten, zeitweise durch zwei forensische Experten unterstützt; daneben standen dem Team zwei Übersetzer zur Seite. Dieses Ermittlungsteam besuchte den Teil Darfurs, für den es zuständig war, vom 27. November bis zum 18. Dezember 2004 und nochmals vom 5. bis zum 18. Januar 2005. Einer der Ermittler begleitete zudem die Kommissionsmitglieder bei ihrem Besuch in West-Darfur und im Tschad im November 2004. Das Team besuchte 14 Städte und Dörfer. Dabei sammelte es Informationen über Angriffe auf 51 Orte und über elf Fälle von Vergewaltigungen; 128 Zeugen wurden vernommen. Während des Aufenthalts in West-Darfur traf sich das Team mit Repräsentanten der meisten der dort ansässigen Stämme sowie mit Repräsentanten des sudanesischen Staates aus den Bereichen Militär, Polizei, Justiz und Verwaltung. Daneben kam es zu Treffen mit Repräsentanten der Rebellengruppen. Auch tauschte sich das Team mit Vertretern von internationalen Nichtregierungsorganisationen, den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union aus. – Das Unterteam für NordDarfur2209 setzte sich aus zwei Ermittlern, einem Analysten und Mitgliedern des Forensikteams zusammen. Das Unterteam begann seine Untersuchung am 11. November 2004 und befragte in Nord-Darfur Beamte, Zeugen, Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen und weitere Personen. Diese erste Mission endete am 17. November 2004. Eine für den 27. November 2004 geplante erneute Mission nach Nord-Darfur fand allerdings aufgrund von Sicherheitserwägungen nicht statt, da über das Gebiet der Notstand verhängt worden war und es dort zu heftigen Kämpfen kam. Daraufhin wurde dieses Team vorübergehend zunächst den Ermittlungen in WestDarfur und dann denjenigen in Süd-Darfur zugeteilt. Erst am 19. Dezember 2004 setzte das Team die Untersuchungen in Nord-Darfur fort. Während dieses zweiten Aufenthalts in der Region besuchte das Team gezielt Lager von Binnenvertriebenen und zerstörte Dörfer. Daneben wurden Gespräche mit den Rebellen der SLA und mit Vertretern des sudanesischen Staates sowie mit Vertretern der Mission der Afrikanischen Union geführt. Der letzte Einsatz des Teams fand vom 4. bis zum 19. Januar 2005 statt. Bei diesem Einsatz konzentrierte sich das Team auf den Besuch von Orten, die ihm bei den vorherigen Reisen nach Nord-Darfur nicht zugänglich gewesen waren. Auch wurde eine Reihe eingehender Befragungen von Repräsentanten des sudanesischen Staates durchgeführt. Insgesamt befragte das Unterteam 141 Zeugen zu 98 separaten Vorfällen, davon 13 Vorfälle in die nur Truppen der sudanesischen Regierung verwickelt waren, 21 in die nur Janjaweed verwickelt waren und 37 in die sowohl sudanesische Truppen als auch Janjaweed verwickelt waren. 26 Zeugen wurden zu Vorkommnissen befragt, in die Rebellengruppen verwickelt waren. Insgesamt besuchte das Team sieben Schauplätze an denen es zu Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts gekommen war. – Das Unterteam für Süd-Darfur2210 bestand aus drei Ermittlern, die zu Beginn ihrer Feldarbeit noch von Forensikexperten und Ermittlern aus anderen Teams unterstützt wurden. Das Team wurde von zwei männlichen Übersetzern begleitet. In der 2209 2210
Siehe hierzu UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 4, S. 175 f. Siehe hierzu UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 4, S. 176.
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letzten Phase der Untersuchung kam noch eine weibliche Übersetzerin hinzu, um dem Team insbesondere bei Untersuchungen von sexuellen Übergriffen zur Seite zu stehen. Das Team besuchte Süd-Darfur vom 27. November bis zum 18. Dezember 2004 und vom 5. bis zum 18. Januar 2005. In dieser Zeit wurden neun Städte und Dörfer in der Region besucht. Das Team erstellte sechs Fallstudien zum Schicksal bestimmter Orte und sammelte die hierfür notwendigen Daten, einschließlich der Versionen der Verdächtigen. Weiterhin wurden Informationen zu 39 Fällen von Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen gesammelt. Daneben wurden auch von diesem Team Gespräche mit Repräsentanten der Regierung und der Rebellen sowie mit Repräsentanten internationaler Nichtregierungsorganisationen, der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union geführt. Zusätzlich besuchten die Forensiker 16 Gebiete in Süd-Darfur, in denen internationalrechtliche Verbrechen begangen worden waren. Nach dem ersten Besuch im Sudan war die Untersuchungskommission noch in anderen Staaten Afrikas aktiv. Ein Kommissionsmitglied, begleitet von Mitgliedern des Kommissionspersonals, besuchte am 25. und 26. November 2004 Eritrea. Dort kam es zu Treffen mit Repräsentanten zweier Rebellengruppen.2211 Darüber hinaus besuchten zwei Kommissionsmitglieder, begleitet von zwei Angehörigen des Kommissionspersonals, vom 30. November bis zum 3. Dezember 2004 Addis Abeba. Ziele dieses Besuchs waren es, von der Afrikanischen Union eine tiefgehende Beurteilung hinsichtlich der Lage in Darfur, der Mission der Afrikanischen Union im Sudan (AMIS2212) und schließlich hinsichtlich von inter-sudanesischen Gesprächen, die in der nigerianischen Hauptstadt Abuja stattfanden, zu erhalten, sowie mit der Führung der Afrikanischen Union Wege und Möglichkeiten zu ergründen, die Kooperation mit der Kommission zu stärken. Dabei hatte die Delegation der Untersuchungskommission die Möglichkeit, mit hochrangigen Offiziellen der Afrikanischen Union, unter anderem mit dem frisch ernannten Sondergesandten der Afrikanischen Union für den Sudan, zusammenzutreffen. Auch konnte die Kommissionsdelegation ausgiebig mit dem Vorsitzenden sowie mit einigen wichtigen Mitgliedern der Integrated Task Force on Darfur der Afrikanischen Union beraten.2213 Der zweite Besuch der Untersuchungskommission im Sudan dauerte vom 9. bis zum 16. Januar 2005. Während dieses Aufenthaltes konzentrierte sich die Kommission auf die Vernehmung von Zeugen, insbesondere solchen aus Haftanstalten. In Khartum kam es zudem wiederum zu Treffen mit Offiziellen des sudanesischen Staates, mit Vertretern der sudanesischen Zivilgesellschaft sowie mit Vertretern der Vereinten Nationen.2214 Während der beiden Sudanreisen besuchte die Kommission mehr als 40 Städte, Dörfer und andere Orte, insbesondere Gefängnisse, im Sudan.2215 2211 2212 2213 2214
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 2, S. 168. African Union Mission in Sudan. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 23. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 24.
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Die Tätigkeit der Untersuchungskommission wurde durch eine Reihe von Umständen erschwert. Hierzu zählte vor allem, dass die Kommission unter erheblichem Zeitdruck litt. Dies ergab sich daraus, dass der Sicherheitsrat in Resolution 1564 (2004) eine schnelle Untersuchung verlangte und der Generalsekretär der Kommission eine dreimonatige Frist gesetzt hatte, um an ihn zu berichten.2216 Weiterhin äußerte die Kommission Kritik dahingehend, dass für ihre Arbeit zu wenig unterstützendes Personal zur Verfügung gestanden habe. Das Ermittlungsteam aus 13 Sachverständigen war nach Auffassung der Kommission bei der Komplexität, dem Umfang und der Schwergewichtigkeit der Situation in Darfur deutlich zu knapp bemessen.2217 Der Sicherheitsrat hatte in der Resolution 1564 (2004) alle Parteien im DarfurKonflikt dazu aufgerufen, mit der Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten. Die Kommission sah daher sowohl für die sudanesische Regierung als auch für die Rebellen in Darfur eine bona-fide-Verpflichtung gegeben, mit ihr zusammenzuarbeiten, was die Kommission mit der Natur ihrer Aufgabe und ihres Mandats begründete.2218 Die Untersuchungskommission stellte verschiedene Kriterien auf, um den Grad der Zusammenarbeitsleistung von Regierung und Rebellen zu beurteilen. Hierzu gehörte die Möglichkeit, sich frei auf dem Staatsgebiet des Sudan zu bewegen, unbehinderter Zugang zu allen Orten sowie die Freiheit zu erhalten, Vertreter der Regierung und von lokalen Behörden, des Militärs, Anführer von Gemeinschaften, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und anderen Institutionen und jede sonstige Person, von der die Kommission glaubte, dass deren Zeugenaussage zur Mandatserfüllung nötig sei, zu befragen. Weitere Kriterien waren der freie Zugang zu allen Quellen, einschließlich dokumentarischer Materialien und physischer Beweise, angemessene Sicherheitsvorkehrungen für das Personal und die Dokumente der Kommission, der Schutz von Opfern und Zeugen sowie all denjenigen, die vor der Kommission im Zusammenhang mit der Untersuchung auftreten, insbesondere die Garantie, dass keine dieser Personen wegen ihres Auftretens vor der Kommission Belästigungen, Bedrohungen, Einschüchterungen oder Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt seien dürfe und schließlich die Gewährung derjenigen Privilegien, Immunitäten und Möglichkeiten für die Kommission, die diese benötigte, um die Untersuchung unabhängig durchführen zu können.2219 Sowohl die sudanesische Regierung als auch die Rebellen akzeptierten die Zusammenarbeit mit der Untersuchungskommission.2220 – Die sudanesische Regierung befand sich mit der Kommission in einem andauernden Dialog, welcher mit den Kommissionsmitgliedern bei Treffen in Genf und im Sudan geführt wurde sowie durch das Ermittlungsteam der 2215 2216 2217 2218 2219 2220
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 3, S. 169 f. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 18. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 19. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 27. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 28. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 27.
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Kommission.2221 Das Verhalten der sudanesischen Regierung wurde von der Kommission als „generally speaking (…) cooperative“2222 beschrieben. Der Kommission wurde ein Liaison-Beamter zur Verfügung gestellt und es wurden wichtige Dokumente übergeben.2223 Bei einem Treffen mit dem Generalsekretär am 12. Dezember 2004 versicherte der sudanesische Justizminister, dass die sudanesische Regierung den Abschlussbericht der Untersuchungskommission unabhängig von dessen Ergebnissen anerkennen würde, dass kein Zeuge eines Vorfalls einer schlechten Behandlung unterworfen würde und dass nach strikten Anweisungen des sudanesischen Präsidenten, kein Beamter die Untersuchungen der Kommission behindern würde.2224 Weiterhin veranlasste die Regierung in einigen Fällen, in denen sudanesische Beamte der Kommission Probleme bei dem Besuch von Gefängnissen und Gefangenenlagern bereitet hatten, den unmittelbaren Zugang zu den Gebäuden und zu den Gefangenen zu gewähren.2225 Allerdings gab es während der Untersuchung auch einige Vorkommnisse, durch welche die Kommission von Seiten des sudanesischen Staates bei ihrer Arbeit Behinderungen erfuhr. So wurde etwa abgestritten, dass Protokolle von Sitzungen lokaler und staatlicher Sicherheitsgremien existierten, die daher der Kommission auf ein entsprechendes Ersuchen hin auch nicht zugänglich gemacht wurden.2226 In einem anderen Fall wurden Unterlagen über Luftangriffe der sudanesischen Streitkräfte in Darfur der Kommission nicht in Gänze zur Verfügung gestellt.2227 Auch gelangten einige Vorkommnisse zur Kenntnis der Kommission, bei denen durch regionale Behörden Druck auf Zeugen ausgeübt wurde.2228 In einigen Fällen wurde dem Ermittlungsteam der Zugang zu Vertriebenenlagern, in denen es Zeugen befragen wollte, durch lokale Behörden verwehrt; allerdings konnten diese Streitfälle nach Verhandlungen beigelegt werden.2229 – Hinsichtlich der Rebellen stand die Untersuchungskommission nur in Kontakt mit der JEM und der SLM/A und beurteilte beide Gruppen als im Grunde kooperativ. Die Kommissionsmitglieder trafen sich im Sudan und in den Nachbarstaaten mehrfach mit Vertretern und Mitgliedern der Rebellen. Die Diskussionen wurden von der Kommission als offen empfunden und beide Gruppen antworteten auf Ersuchen der Kommission.2230 Die Kommission erhielt zudem eine Reihe von Dokumenten von beiden Gruppen, welche sowohl generelle Informationen über den Sudan und Darfur enthielten als auch detailliertere Informationen über spezifische Vorfälle, unter an2221 2222 2223 2224 2225 2226 2227 2228 2229 2230
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 29. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 30. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 30. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 31. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 32. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 33. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 34. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 35. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 36. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 37.
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derem Listen mit den Namen von Opfern, die bei Angriffen getötet worden waren.2231 In Gebieten, die unter der Kontrolle der Rebellen standen, wurde der Kommission in keinem Fall der Zugang verweigert und es herrschte für diese völlige Bewegungsfreiheit. Die Rebellengruppen mischten sich auch nicht in solche Untersuchungen ein, deren Gegenstand Vorkommnisse waren, an denen die Rebellen beteiligt gewesen waren.2232 Die Untersuchungskommission sichtete während ihrer Tätigkeit insgesamt mehr als 20.000 Seiten an dokumentarischem Material. Hierüber legte sie eine Datenbank an.2233 Zu den Dokumenten, die von der Untersuchungskommission herangezogen wurden, zählten öffentlich zugängliche Dokumente über die Situation in Darfur von verschiedenen Organen der Vereinten Nationen sowie vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen sowie von der Weltgesundheitsorganisation. Neben den Dokumenten der verschiedenen Institutionen der Vereinten Nationen wurden auch noch Dokumente der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz herangezogen. Auch Berichte des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika und diverse Medien- und Presseartikel wurden gesichtet, daneben noch Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie der Sudanesischen Organisation gegen Folter, der Sudanesischen Menschenrechtsorganisation, von Amnesty International, Human Rights Watch oder der International Crisis Group. d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission für Darfur legte einen ausführlichen, 164 Seiten umfassenden Abschlussbericht vor.2234 Der Bericht begann mit einer Ein2231
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 38. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 39. 2233 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 25. Eine nicht abschließende Liste mit öffentlich zugänglichen Dokumenten findet sich in: UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Annex 3, Rn. 171 ff. 2234 Report of the International Commission of Inquiry on Darfur to the Secretary-General, UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005. Für eine intensive Diskussion der völkerrechtlichen Feststellungen der Untersuchungskommission für Darfur vgl. Makane Moïse Mbengue/Brian MacGarry, in: Derek Jinks/Jackson Nyamuya Maogoto/Solon Solomon (Hrsg.), Applying International Humanitarian Law in Judicial and Quasi-Judicial Bodies, S. 451 ff.; William A. Schabas, Leiden Journal of International Law 18 (2005), S. 871 ff.; Claus Kress, Journal of International Criminal Justice 3 (2005), S. 562 ff.; William A. Schabas, Cardozo Law Review 27 (2006), S. 1703 ff.; Nsongorua J. Udombana, The International Lawyer 40 (2006), S. 41 ff.; ders., Sri Lanka Journal of International Law 18 (2006), S. 167 ff.; Mathilde K. van Haren, Netherlands International Law Review 53 (2006), S. 205 ff.; David Luban, Chicago Journal of International Law 7 (2006 – 2007), S. 303 ff.; Andrew B. Loewenstein/Stephen A. Kostas, Journal of International Criminal Justice 5 (2007), S. 839 ff.; Ademola Abass, Fordham International Law Journal 31 (2008), S. 871 ff.; Samuel Totten, Genocide Studies and Prevention 4 2232
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führung2235, in der die Rolle der Untersuchungskommission sowie der historische und gesellschaftliche Hintergrund des Konflikts in Darfur beschrieben wurden. Im ersten inhaltlichen Abschnitt2236 wurden die Ergebnisse der Untersuchung hinsichtlich der Verletzungen von Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts vorgestellt. Im zweiten Abschnitt2237 ging die Untersuchungskommission darauf ein, ob die in Darfur begangenen Handlungen einen Völkermord darstellen würden. In dritten Abschnitt2238 des Abschlussberichts wurde die Identifizierung von möglichen Tätern von internationalrechtlichen Verbrechen in Darfur behandelt. Der vierte Berichtsabschnitt2239 war möglichen Mechanismen gewidmet, die sicherstellen sollten, dass für die in Darfur begangenen internationalrechtlichen Verbrechen Verantwortlichkeit hergestellt werden könne. Im abschließenden fünften Abschnitt2240 des Abschlussberichts waren schließlich Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Kommission zu finden. bb) Um die Tatsachen in Darfur im Hinblick auf ihr Mandat zu bewerten, ermittelte die Untersuchungskommission diejenigen völkerrechtlichen Verpflichtungen in den Bereichen des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts, welche für die sudanesische Regierung und die Rebellen bindend waren.2241 Die Kommission hielt im Hinblick auf die Situation in Darfur grundsätzlich beide Teilmaterien des Völkerrechts für einschlägig.2242 Hinsichtlich der Verantwortlichkeit für schwere Verletzungen sowohl von Regeln des humanitären Völkerrechts als auch des internationalen Menschenrechtsschutzes beinhalte das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs Regeln. Der Sudan hatte im relevanten Zeitraum das Römische Statut zwar bereits unterzeichnet, es allerdings noch nicht ratifiziert. Daher vertrat die Untersuchungskommission die Auffassung, dass der Sudan gemäß Artikel 18 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, welches der afrikanische Staat am 18. April 1990 ratifiziert hatte, sich aller Handlungen zu enthalten habe, die das Ziel und den Zweck des Römischen Statuts vereiteln würden.2243 – Die Untersuchungskommission stellte fest, dass der Sudan an eine Reihe menschenrechtsschützender Verträge gebunden sei, einschließlich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention über die Eliminierung jeder Form von Rassendiskriminierung und der Kinderrechtskonven(2009), S. 354 ff.; auch Robert Frau, Das Verhältnis zwischen dem ständigen Internationalen Strafgerichtshof und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, S. 318. 2235 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 1 ff. 2236 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 73 ff. 2237 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 489 ff. 2238 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 523 ff. 2239 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 565 ff. 2240 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 626 ff. 2241 Vgl. auch UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 142. 2242 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 143. 2243 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 145.
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tion, wobei der Sudan das Zusatzprotokoll zu dieser hinsichtlich des Schutzes von Kindern in bewaffneten Konflikten zum damaligen Zeitpunkt zwar schon unterzeichnet, aber nicht ratifiziert habe. Als vom Sudan unterzeichnete, noch nicht ratifizierte, für die Situation in Darfur gleichwohl wichtige, völkerrechtliche Verträge identifizierte die Untersuchungskommission die Konvention über die Verhütung und die Bestrafung von Völkermord, die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau. Darüber hinaus sah die Kommission noch die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker als einschlägig an. Der Sudan sei rechtlich dazu verpflichtet, die in diesen völkerrechtlichen Verträgen niedergelegten Rechte zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen.2244 Viele von den, in den genannten Verträgen gewährten, Rechten seien von besonderer Relevanz für die Situation in Darfur, so etwa die Rechte auf Leben, auf Wasser und Nahrung sowie auf ein faires Verfahren.2245 Eingehend befasste sich die Untersuchungskommission mit der Frage der Derogation von Menschenrechten nach Artikel 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und der Frage nach nicht-derogablen Rechten.2246 Hierbei kam die Kommission allerdings zu dem Ergebnis, dass, obwohl sich der Sudan seit dem Jahr 1999 konstant im Ausnahmezustand befände, der noch im Dezember 2004 von der Regierung um ein Jahr verlängert worden sei, nichts dafür ersichtlich sei, dass von staatlicher Seite Anstrengungen unternommen worden seien, eine Derogation der Paktrechte herbeigeführt zu haben.2247 – Hinsichtlich des humanitären Völkerrechts stellte die Untersuchungskommission fest, dass der Sudan an die vier Genfer Abkommen aus dem Jahr 1949 und an das Übereinkommen von Ottawa über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung vom 18. Dezember 1997 gebunden sei. Hingegen würde eine Bindung an die beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen von 1949, die der Sudan zu diesem Zeitpunkt noch nicht ratifiziert habe, nicht vorliegen.2248 Eine Bindung an das humanitäre Völkergewohnheitsrecht sei gleichwohl gegeben, welches auch für interne bewaffnete Konflikte gelte.2249 Darüber hinaus wies die Untersuchungskommission noch darauf hin, dass der Sudan an eine Reihe von Abkommen, die hinsichtlich des Konflikts in Darfur abgeschlossen wurden, gebunden sei. Die Mehrheit dieser Abkommen enthalte Regeln über das humanitäre Völkerrecht, insbesondere über den Schutz von Zivilisten.2250 Da in einige dieser Abkommen die Zusatzabkommen zu den Genfer Abkommen von 1949 ausdrücklich 2244
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 147. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 148. 2246 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 149 ff. 2247 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 153. 2248 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 154. Der Sudan ist erst Partei seit dem Jahr 2006. 2249 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 156. 2250 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 155. 2245
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erwähnt wurden, ging die Untersuchungskommission davon aus, dass die Parteien der Abkommen intendieren würden, wenigstens die grundlegenden Prinzipien der Zusatzprotokolle anzuerkennen.2251 – Hinsichtlich derjenigen Rechtsregeln, die für die Rebellen Geltung beanspruchten, verwies die Untersuchungskommission im Wesentlichen auf das Völkergewohnheitsrecht des internen bewaffneten Konflikts und die Regelungen, welche aus den mit der sudanesischen Regierung abgeschlossen Abkommen stammten.2252 – Hinsichtlich des Völkerstrafrechts legte die Kommission ihrer rechtlichen Analysen die Kategorien der Kriegsverbrechen, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Verbrechens des Völkermordes zugrunde.2253 cc) Die Kommission stellte fest, dass die Regierung des Sudan und die Janjaweed für eine Reihe von Verletzungen international garantierter Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts verantwortlich seien. Bei einigen dieser Verletzungen könne man sehr wohl von Kriegsverbrechen sprechen, bei anderen Taten von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die darfurischen Rebellen hätten Kriegsverbrechen begangen.2254 Hinsichtlich des Vorwurfs des Völkermords kam die Untersuchungskommission allerdings zu dem Ergebnis, dass die sudanesische Regierung keine Politik verfolgt habe, die zu einem Völkermord führen sollte.2255 Dabei stellte die Kommission allerdings klar, dass das Ausmaß der Verbrechen in Darfur, also der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen, genauso gravierend sei wie ein Völkermord.2256 dd) Die Untersuchungskommission gab Empfehlungen in drei Richtungen ab: Maßnahmen, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen getroffen werden sollten, Maßnahmen, die von den staatlichen Stellen des Sudan getroffen werden sollten, sowie Maßnahmen, die von anderen Gremien und Akteuren hinsichtlich der Situation in Darfur getroffen werden könnten. – Dem Sicherheitsrat schlug die Untersuchungskommission zwei Maßnahmen vor. Zuerst solle der Sicherheitsrat erstmals eine Situation an den Internationalen Strafgerichtshof nach Maßgabe des Artikels 13 lit. b) des Römischen Statuts überweisen.2257 Die in Darfur dokumentierten Verbrechen erfüllten nach Auffassung der Kommission alle im Römischen Statut niedergelegten Schwellen des Statuts. Zudem habe das Justizsystem des Sudan sein Unvermögen und seine Nichtbereitschaft zur Untersuchung und Verfolgung der Verantwortlichen demonstriert. Als zweite Maßnahme schlug die Kommission im 2251
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 168 ff. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 172. 2253 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 175 ff. 2254 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 630 ff. 2255 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 640 ff. 2256 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 642. 2257 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 647 f. Robert Frau, Das Verhältnis zwischen dem ständigen Internationalen Strafgerichtshof und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, S. 323, führt diesen Vorschlag auf den Vorsitzenden der Untersuchungskommission Antonio Cassese und dessen frühere Position als Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien zurück. 2252
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Interesse der Opfer des Konflikts in Darfur vor, dass der Sicherheitsrat eine internationale Kompensationskommission einsetzen solle.2258 Diese solle in einer Besetzung von 15 Mitgliedern arbeiten, von denen zehn durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen und fünf von einem unabhängigen sudanesischen Gremium benannt werden sollten. – Der sudanesischen Regierung empfahl die Untersuchungskommission verschiedene Maßnahmen hinsichtlich der Lage in Darfur.2259 Die erste Empfehlung ging dahin, die herrschende Straflosigkeit für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in Darfur begangen würden, zu beenden. Hierzu waren nach der Auffassung der Kommission mehrere Maßnahmen zu treffen. So sei es insbesondere notwendig, dass das Recht des Sudan in Übereinstimmung mit Menschenrechtsstandards gebracht würde; so sei es erforderlich, Vorschriften abzuschaffen, welche die Haft von Personen ohne gerichtliche Überprüfung vorsehen würden, ebenso solche Vorschriften, die offiziellen Staatsvertretern Immunität vor Strafverfolgung sichern würden und Regeln über Sondergerichte. Zweitens wurde dem Sudan empfohlen, die Rechte von Binnenvertriebenen zu respektieren. Die dritte Empfehlung ging dahin, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz zu stärken und Gerichte mit den angemessenen Kompetenzen auszustatten, um Verletzungen von Menschenrechten anzugehen. Viertens wurde der Regierung des Sudan empfohlen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und Menschenrechtsbeobachtern der Vereinten Nationen vollen und ungehinderten Zugang zu all denjenigen Inhaftierten zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Situation im Darfur in Haft seien. Als fünfte Empfehlung wurde ausgegeben, dass der Schutz aller Opfer und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen sichergestellt werden solle, die im Kontakt mit der Untersuchungskommission gestanden hätten. Zudem solle der Schutz aller Menschenrechtsaktivisten gewährleistet werden. In der sechsten ausgegebenen Empfehlung wurde dem Sudan nahegelegt, mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft, die Leistungsfähigkeit der Justiz durch die Ausbildung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten zu erhöhen. Hierbei solle der Schwerpunkt auf Menschenrechte, auf humanitäres Völkerrecht und auf Völkerstrafrecht gelegt werden. Als siebte Maßnahme wurde empfohlen, dass der Sudan voll mit den einschlägigen Menschenrechtsgremien und -mechanismen der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union zusammenarbeiten solle. Achtens wurde ein breit angelegter Konsultationsprozess gefordert, der die Zivilgesellschaft und Opfergruppen einschließen solle, und die Errichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission vorgeschlagen, sobald wieder Frieden in Darfur eingekehrt sei. – Hinsichtlich weiterer Gremien und Akteure empfahl die Untersuchungskommission, dass der Straflosigkeit durch die verstärkte Anwendung des Weltrechtsprinzips durch die Staaten entgegengewirkt werden solle.2260 Hinsichtlich der Schwere der Menschenrechtssituation in Darfur und deren Auswirkung auf die Menschenrechtssituation im Sudan insgesamt empfahl die Kommission der Men2258 2259 2260
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 649. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 650. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 651.
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schenrechtskommission der Vereinten Nationen die Wiedererrichtung des Mandats eines Sonderberichterstatters für Menschenrechte für den Sudan.2261 Als letzte Empfehlung sprach die Kommission aus, dass der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte allgemein zugängliche und periodische Berichte über die Situation der Menschenrechte in Darfur veröffentlichen solle.2262 13. Gewalttätige Ausschreitungen in Timor-Leste a) Historischer Hintergrund Im Jahr 2006 kam es in Timor-Leste zu schweren Unruhen und Gewalttätigkeiten.2263 Diese hatten ihren Ursprung in Protesten von Angehörigen des Militärs aus den westlichen Landesteilen. Bereits am 11. Januar 2006 hatten Soldaten des 1. Bataillons der Streitkräfte von Timor-Leste (Forças de Defesa de Timor Leste [F-FDTL]) eine Petition an den Präsidenten des Staates gerichtet, in der sie Beschwerden über schlechte Arbeitsbedingungen sowie darüber vorbrachten, dass die Regelung von Beförderungen Personen aus dem Westteil des Staates zum Nachteil gereichen würde. Im Februar kam es dann zu Desertionen von einer Vielzahl von Angehörigen der Streitkräfte, die später offiziell durch den Premierminister entlassen wurden. Ende des Monats April 2006 spitzte sich die Lage in der Hauptstadt Dili zu. Ab dem 24. April kam es dort zu Demonstrationen entlassener Soldaten. Diese wurden bei ihren Protesten von zumeist jugendlichen Arbeitslosen unterstützt. Bei den Protesten wurde vor allem der Rücktritt des Premierministers gefordert, welchem schon zuvor vorgeworfen worden war, Personen aus dem östlichen Landesteil Loro Sae, die in Timor-Leste unabhängig von der Ethnie als Firaku bezeichnet werden, bei militärischen Beförderungen zu bevorzugen. Am 28. und 29. April kam es zu größeren Gewalttätigkeiten, als die Protestierenden und die Streitkräfte aneinandergerieten. Hierbei wurden fünf Menschen getötet. Zudem wurden über 100 Gebäude gebrandschatzt und mehr als 20.000 Menschen flüchteten aus der Hauptstadt. Nach weiteren innenpolitischen Querelen und Gewaltakten eskalierte die Lage Ende Mai, insbesondere ab dem 23. des Monats und den beiden folgenden Tagen, erneut. Eine Ankündigung Australiens, notfalls Truppen in das nördliche Nachbarland zu entsenden, beruhigte die Lage nicht. Banden aus Jugendlichen lieferten sich in den Straßen von Dili Kämpfe. Obwohl am 25. Mai 2006 ein Vorauskommando der australischen Streitkräfte den Flughafen der Stadt sicherte, gelang es 2261
UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 652. UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 653. 2263 Hierzu und zum Folgenden eingehender James Scambary, Conflict, Security & Development 9 (2009), S. 265 ff.; Andrew Goldsmith, Policing & Society 19 (2009), S. 119 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „East Timor“ sowie Report of the United Nations Independent Special Commission of Inquiry for Timor-Leste vom 2. Oktober 2006 (in der Folge: Report Timor-Leste). 2262
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Aufständischen, in die Stadt einzudringen. Bei Gefechten mit den Sicherheitskräften wurden mindestens acht Polizisten getötet und 25 Personen verletzt. b) Einsetzung der Kommission Am 8. Juni 2006 sandten zwei Minister von Timor-Leste an den Generalsekretär der Vereinten Nationen ein Schreiben, in dem sie die Vereinten Nationen einluden: „[to] establish an independent special inquiry commission“. Aufgabe dieser Kommission sollte es sein, „[to] review the incidents on 28 and 29 April and on 23, 24, and 25 May, and other related events or issues which contributed to the crisis“.2264 Der Generalsekretär reagierte positiv auf die Einladung und ersuchte am 12. Juni 2006 den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte um die Errichtung einer solchen Kommission. Seine Entscheidung wurde auch dem Sicherheitsrat auf dessen 5457. Sitzung am 13. Juni 2006 kommuniziert.2265 Der Sicherheitsrat begrüßte im sechsten Absatz des operativen Teils der Resolution 1690 (2006) vom 20. Juni 20062266 die Initiative des Generalsekretärs und bat diesen, den Sicherheitsrat über die Entwicklungen in der Sache informiert zu halten.2267 Am 27. Juni 2006 informierte der Generalsekretär den Präsidenten von TimorLeste darüber, dass er den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte darum ersucht habe, eine Untersuchungskommission für die Ereignisse Ende April und Ende Mai 2006 zu errichten. Zudem teilte der Generalsekretär mit, dass er bereits drei Kommissionsmitglieder ernannt habe, die für einen maximalen Zeitraum von fünf Wochen zu maximal zwei Besuchen nach Timor-Leste reisen sollten. Das Sekretariat der Kommission würde in Dili errichtet werden.2268 In seinem Schreiben an den Präsidenten legte der Generalsekretär auch den Arbeitsauftrag für die Untersuchungskommission nieder:2269 „(a) To establish the facts and circumstances relevant to incidents on 28 and 29 April, 23, 24 and 25 May and relevant events and issues that contributed to the crisis, including issues related to the functioning of the security sector; (b) To clarify responsibility for the above-mentioned events; (c) To recommend measures to ensure accountability for crimes and serious violations of human rights allegedly committed during the above-mentioned period, taking into account that the Government of Timor-Leste considers that the domestic justice system, which has the participation of international judges, prosecutors and defence lawyers, should be the primary avenue of accountability for theses alleged crimes and violations; 2264 2265 2266 2267 2268 2269
Report Timor-Leste, Rn. 1. UN Doc. S/PV.5457 vom 13. Juni 2006, S. 2 f. UN Doc. S/RES/1690 (2006) vom 20. Juni 2006. Report Timor-Leste, Rn. 2. Report Timor-Leste, Rn. 3. Report Timor-Leste, Rn. 4.
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(d) To report its findings within three months of its establishment through the United Nations Commissioner for Human Rights to the Secretary-General and the National Parliament of Timor-Leste.“
Außerdem wurden in dem Schreiben des Generalsekretärs an den Präsidenten von Timor-Leste noch die Garantien niedergelegt, welche von Seiten der Vereinten Nationen zum Vorteil der Untersuchungskommission erwartet wurden:2270 „(a) Freedom of movement throughout the territory of Timor-Leste, including facilities of transport; (b) Unhindered access to all places and establishments, and freedom to meet and interview representatives of governmental and local authorities, military authorities, community leaders, non-governmental organizations and other institutions, and any such person whose testimony was considered necessary for the fulfilment of its mandate; (c) Free access to all sources of information, including documentary material and physical evidence; (d) Appropriate security arrangements for the personnel and documents of the Commission; (e) Protection of victims and witnesses and all those who were in contact with the Commission in connection with the inquiry, including the assurance that no such person would, as a result of such contact suffer harassment, threats, acts of intimidation, ill-treatment or reprisals; (f) Privileges, immunities and facilities necessary for the independent conduct of the inquiry. In particular, the Commission and staff would enjoy the privileges and immunities accorded to experts on mission and officials under the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations.“
Der dreiköpfigen Untersuchungskommission saß Paulo Sérgio Pinheiro aus Brasilien vor, der zuvor etwa als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechtssituation in Myanmar sowie als Mitglied und Berichterstatter über Kinderfragen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gewirkt hatte. Die beiden weiteren Kommissionsmitglieder waren die Polizistin Zelda Holtzman aus Südafrika sowie Ralph Zacklin aus dem Vereinigten Königreich, der bereits als Assistenz-Generalsekretär der Vereinten Nationen für Rechtsfragen gearbeitet hatte. Diese Personen waren vom Generalsekretär auf Vorschlag des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte ernannt worden. Auswahlkriterien waren hierbei die Expertise, die Integrität sowie die Unabhängigkeit der jeweiligen Kandidaten. Im Hinblick auf die fachlichen Kompetenzen der Kommissionsmitglieder wurde Wert auf eine Expertise in den Bereichen der Ermittlung schwerer Verletzungen der Menschenrechte und von Straftaten sowie auf Erfahrungen im Bereich von Sicherheitssektorreformen gelegt.2271 Zur Unterstützung ihrer Tätigkeit wurde der Untersuchungskommission durch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte ein 2270 2271
Report Timor-Leste, Rn. 5. Report Timor-Leste, Rn. 6.
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Sekretariat in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Gebäudes der Vereinten Nationen in Dili eingerichtet. Die Mitglieder des Kommissionssekretariats setzten sich aus Kriminalermittlern, Menschenrechtsbeobachtern, Rechtsberatern, einem politischen Berater, einem Experten für Reformen im Militärsektor, einem Experten für Reformen im Polizeisektor, einem Datenmanager, Sicherheitsbeamten und Verwaltungskräften zusammen.2272 Das Sekretariat wurde dabei von einem ausführenden Direktor geleitet.2273 c) Durchführung der Untersuchung Die Kommission nahm ihre Tätigkeit am 3. Juli 2006 auf. Von diesem Tag bis zum 5. Juli trafen sich die Kommissionsmitglieder mit dem ausführenden Direktor und einigen weiteren Mitgliedern des Sekretariats, um ein gemeinsames Verständnis für den an die Kommission gerichteten Arbeitsauftrag zu entwickeln und relevante Fragen zu dessen Ausführung zu diskutieren, was die Arbeitsmethoden und die Zeitpläne für die Besuche in Timor-Leste einschloss. Neben diesen Arbeitssitzungen kamen die Kommissionsmitglieder und der ausführende Direktor des Sekretariats auch zu Besprechungen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie mit Vertretern der Regierungen von Australien, Brasilien, China, Japan, Malaysia, Neuseeland, der Philippinen, von Portugal, Südkorea, Thailand, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika sowie mit Vertretern der Europäischen Union zusammen.2274 Die Untersuchungskommission einigte sich darauf, dass Punkt (a) ihres Arbeitsauftrages sie verpflichtete, als Fact-Finding-Gremium zu agieren. Als ersten Schritt sollte die Kommission daher die Informationen, die in den Berichten und Dokumenten anderer Untersuchungsgremien über die in Rede stehenden Ereignisse enthalten waren, sammeln und würdigen. Hierzu gehörten Informationen des Generalstaatsanwalts von Timor-Leste, der Streitkräfte, der Polizei sowie weiterer Regierungsstellen von Timor-Leste. Weiterhin wurden durch die Kommission Berichte und Dokumente der Vereinten Nationen, der Bundespolizei und der Streitkräfte Australiens, der in Timor-Leste stationierten weiteren ausländischen Helfer im Bereich der Gesetzesdurchsetzung aus Portugal, Malaysia und Neuseeland sowie von weiteren Internationalen Organisationen und von Nichtregierungsorganisationen herangezogen. Auch anderes Hintergrundmaterial sollte gesammelt und analysiert werden. In einem nächsten Schritt sollte dann der Wahrheitsgehalt der in den Berichten enthaltenden Informationen geprüft und weitere Tatsachen durch Befragungen von Zeugen, Offiziellen und Personen in Positionen mit Einfluss, aber auch von solchen in Polizeigewahrsam oder in Gefängnissen, ergründet werden. Außer-
2272 2273 2274
Report Timor-Leste, Rn. 7. Report Timor-Leste, Rn. 6. Report Timor-Leste, Rn. 8.
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dem sollten die Orte besucht werden, wo sich die zu untersuchenden Ereignisse zugetragen hatten.2275 Hinsichtlich der „issues related to the functioning of the security sector“ stimmten die Kommissionsmitglieder darüber überein, dass es von Bedeutung sei, eine Analyse der dysfunktionalen Operationen der Streitkräfte und der Polizei während der zu untersuchenden Krise vorzunehmen, um zu verstehen, was die Sicherheitskräfte zum Kollabieren gebracht habe. Dabei ging die Untersuchungskommission davon aus, dass, auch wenn ihr Mandat nicht die Abgabe von Empfehlungen zu einer großen Reform des Sicherheitssektors von Timor-Leste umfasse, so doch jede Fehlfunktion innerhalb des Sicherheitsapparates, die zu institutionellen Verantwortlichkeiten für die Ereignisse im April und Mai 2006 geführt haben könnte, klar in das der Kommission erteilte Mandat falle.2276 Die Kommissionsmitglieder verstanden die in ihrer Arbeitsanweisung niedergelegte zweite Komponente ihres Mandats, „to clarify responsiblity for the abovementioned events“, dahingehend, dass dabei sowohl die individuellen als auch die institutionellen Verantwortlichkeiten zu klären seien. Hinsichtlich der individuellen Verantwortlichkeiten für „crimes and serious violations of human rights allegedly committed during the above-mentioned period“ stellte die Kommission fest, dass ein verlässlicher Materialienbestand zusammentragen werden müsse, auf dessen Grundlage ersichtlich werden könne, welche Personen für begangene Taten verantwortlich gewesen seien. Weiterhin stellte die Kommission noch fest, nicht mit den Befugnissen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft ausgestattet zu sein. Insbesondere würden ihr sub-poena-Befugnisse wie die Befugnis zu Durchsuchungen, Beschlagnahmen und zur Ausstellung von Haftbefehlen fehlen. Daher sei ihre Kompetenz darauf beschränkt, Empfehlungen dahingehend abzugeben, dass einige Personen nach nationalem Strafrecht verfolgt werden sollten beziehungsweise sich vor Disziplinarmechanismen zu verantworten hätten.2277 Um „measures to ensure accountability for crimes and serious violations of human rights allegedly committed during the above-mentioned period, taking into account that the Government of Timor-Leste considers that the domestic justice system, which has the participation of international judges, prosecutors and defence lawyers, should be the primary avenue of accountability for these alleged crimes and violations“ zu empfehlen, entschied die Untersuchungskommission, dass es zunächst erforderlich sei, das existierende nationale Gerichtssystem von Timor-Leste zu untersuchen. Insbesondere sah es die Kommission als wichtig an, Fragen der Kapazitäten, der Unabhängigkeit und der vorhandenen Kompetenz im Gerichtssystem zu durchleuchten, um feststellen zu können, ob es ausreichend und zeitnah mit den Empfehlungen der Kommission umgehen könne.2278 2275 2276 2277 2278
Report Timor-Leste, Rn. 9. Report Timor-Leste, Rn. 10. Report Timor-Leste, Rn. 11. Report Timor-Leste, Rn. 13.
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Die Untersuchungskommission fühlte sich bei ihrer gesamten Arbeit den Grundsätzen der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit verpflichtet. Diese Grundsätze hätten ihre Arbeitsmethode bei der Interaktion mit Regierungen, Internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen bestimmt.2279 Ihren ersten Besuch in Timor-Leste führte die Untersuchungskommission vom 4. bis zum 11. August 2006 durch;2280 bereits am 7. Juli waren dort Teile des Kommissionssekretariats eingetroffen.2281 Während dieses Besuchs traf sich die Kommission mit dem Präsidenten von Timor-Leste, mit dem Premierminister, mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Kooperation, mit dem Generalstaatsanwalt, mit dem Bischof von Dili, mit dem Ombudsmann für Menschenrechte und Gerechtigkeit, mit dem Chef der Streitkräfte von Timor-Leste und dem Chef der Polizei, mit dem ehemaligen Premier- und mit dem ehemaligen Verteidigungsminister, mit Vertretern der verschiedenen politischen Parteien in Timor-Leste, mit dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und mit Repräsentanten verschiedener Gremien der Vereinten Nationen, mit Diplomaten, mit den Repräsentanten von Petenten, mit ehemaligen Mitgliedern der Wahrheits- und Versöhnungskommission für Timor-Leste sowie mit einem internationalen Ankläger und einem Richter. Darüber hinaus besuchte die Untersuchungskommission noch Orte, an denen Rechtsverletzungen stattgefunden hatten.2282 Der zweite Besuch der Untersuchungskommission dauerte vom 4. bis zum 15. September 2006. Bei diesem Besuch trafen die Kommissionsmitglieder erneut mit dem Präsidenten und mit dem Premierminister von Timor-Leste zusammen. Weitere Gesprächspartner bei diesem Besuch waren der Justizminister, der Präsident des Appellationsgerichts, der Chef der Streitkräfte, der Generalkommandeur der Polizei, der ehemalige Premierminister, der ehemalige Innenminister, der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und Repräsentanten der United Nations Integrated Mission on Timor-Leste (UNMIT). Daneben sprach die Kommission noch mit Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisationen und mit dem Anführer einer Gruppe Bewaffneter in Liquiçá. Die Kommissionsmitglieder besuchten das Justizausbildungszentrum von Timor-Leste und wohnten einer Verhandlung am Bezirksgericht von Dili bei. Während des zweiten Besuchs hielt die Untersuchungskommission zudem eine Vielzahl von Arbeitssitzungen mit den Mitgliedern des Sekretariats ab, um den Abschlussbericht vorzubereiten.2283
2279 2280 2281 2282 2283
Report Timor-Leste, Rn. 14. Report Timor-Leste, Rn. 15. Report Timor-Leste, Rn. 7. Report Timor-Leste, Rn. 15. Report Timor-Leste, Rn. 16.
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Das Kommissionssekretariat führte zudem mehr als 200 Befragungen durch und es wurden mehr als 1.000 Dokumente durchgesehen, die der Kommission von verschiedenen Seiten zugetragen worden waren.2284 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der 245 Randnummern starke Abschlussbericht der Untersuchungskommission wurde am 2. Oktober 2006 vorgelegt.2285 Er umfasste insgesamt sieben Abschnitte. In der Einleitung2286 beschrieb die Kommission ihre Einsetzung und ihre Tätigkeit. Im zweiten Abschnitt2287 wurde der Hintergrund der Krise im April und Mai 2006 beschrieben. Der dritte Abschnitt2288 präsentierte die Fakten und Umstände, die für die zu untersuchenden Ereignisse relevant waren. Im vierten Abschnitt2289 wurden Fragen der Verantwortlichkeit und im fünften Abschnitt2290 entsprechende Mechanismen zu deren Herstellung beschrieben. Der sechste Abschnitt enthielt2291 die Schlussfolgerungen und Ergebnisse der Tätigkeit der Untersuchungskommission. Diese legte im abschließenden siebten Abschnitt2292 noch die von ihr abgegebenen Empfehlungen nieder. bb) Die Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die Gewalttätigkeiten vom April und Mai 2006 mehr gewesen seien als eine Reihe einfacher Straftaten. Vielmehr seien sie ein Ausdruck der inhärenten Probleme von fragilen Staatsstrukturen und von schwach ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit. Die Ereignisse seien das Ergebnis vieler Unzulänglichkeiten und des Versagens verschiedener Institutionen. Das Nichtvorhandensein von vollständigen Regelungen und die Umgehung von existierenden institutionellen Mechanismen hätten zudem stark zur Hervorrufung und zum Anwachsen der Krise beigetragen.2293 cc) Ihre Empfehlungen gliederte die Untersuchungskommission in zwei Teile: individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeiten und Verantwortlichkeitsmechanismen. Hinsichtlich der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeiten empfahl die Untersuchungskommission, dass eine Vielzahl von Personen, die begründeter Weise in dem Verdacht stünden, an den kriminellen Akten von April und Mai
2284
Report Timor-Leste, Rn. 17. Report of the United Nations Independent Special Commission of Inquiry for TimorLeste vom 2. Oktober 2006. 2286 Report Timor-Leste, Rn. 1 ff. 2287 Report Timor-Leste, Rn. 18 ff. 2288 Report Timor-Leste, Rn. 37 ff. 2289 Report Timor-Leste, Rn. 102 ff. 2290 Report Timor-Leste, Rn. 174 ff. 2291 Report Timor-Leste, Rn. 221 ff. 2292 Report Timor-Leste, Rn. 225 ff. 2293 Report Timor-Leste, Rn. 221. 2285
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2006 beteiligt gewesen zu seien, verfolgt werden sollten.2294 Zudem sollte hinsichtlich der Beteiligung von verschiedenen Personen an den verschiedenen, von der Kommission untersuchten Ereignissen weiter ermittelt werden.2295 Ebenso sollten weitere Ermittlungen hinsichtlich solcher Ereignisse durchgeführt werden, bei denen die Kommission nicht in der Lage war, eine Person oder mehrere Personen als Täter zu identifizieren.2296 Hinsichtlich der Verantwortlichkeitsmechanismen empfahl die Kommission zunächst, dass Staatsbedienstete, die in die untersuchten Ereignisse involviert seien, angemessenen Disziplinarmaßnahmen und Verwaltungsverfahren in Bezug hierauf unterworfen werden sollten.2297 Weiterhin empfahl die Kommission die Errichtung von widerstandsfähigen und unabhängigen Aufsichtsmechanismen für Polizei und Militär. Diesen Mechanismen sollte die Zuständigkeit für Beschwerden hinsichtlich des Verhaltens der genannten Sicherheitskräfte übertragen werden.2298 Die Kommission kam zu dem weiteren Schluss, dass die strafrechtlichen Fälle im nationalen Strafgerichtssystem von Timor-Leste behandelt werden sollten. In Fällen, in denen die Strafprozessordnung die Durchführung des Verfahrens durch ein mehrköpfiges Gremium vorsah, sollte dieses aus zwei internationalen und einem nationalen Richter bestehen; in Fällen, in denen lediglich ein Einzelrichter vorgesehen sei, sollte dieser ein internationaler Richter seien.2299 Zudem wurde empfohlen, dass der Posten des stellvertretenden Generalstaatsanwalts mit einem erfahrenen internationalen Ankläger bekleidet werden solle, dem ein klares Mandat zur unparteiischen Untersuchung und Verfolgung der Fälle hinsichtlich der Ereignisse von April und Mai 2006 ohne politische Beeinflussung zu erteilen sei.2300 Insgesamt empfahl die Kommission, dass internationale Juristen bei der Untersuchung und Verfolgung dieser Ereignisse eine führende Rolle einnehmen und von nationalen Staatsanwälten unterstützt werden sollten. Zudem müssten ausreichende Ressourcen für die Untersuchungs- und Verfolgungstätigkeit zur Verfügung gestellt werden.2301 Die Staatsanwälte sollten zudem Zugang zu engagiertem Polizei- und Untersuchungspersonal haben, und mit ausreichendem Verwaltungs-, Übersetzungs- und Forschungspersonal und der nötigen logistischen Unterstützung ausgestattet sein.2302
2294 2295 2296 2297 2298 2299 2300 2301 2302
Report Timor-Leste, Rn. 225. Report Timor-Leste, Rn. 226. Report Timor-Leste, Rn. 227. Report Timor-Leste, Rn. 228. Report Timor-Leste, Rn. 229. Report Timor-Leste, Rn. 230. Report Timor-Leste, Rn. 231. Report Timor-Leste, Rn. 232. Report Timor-Leste, Rn. 233.
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14. Israelische Militäroperationen im Libanon a) Historischer Hintergrund Die Ereignisse im Libanon im Sommer 2006 nahmen ihren Ausgang am 25. Juni. An diesem Tag wurde im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Gazastreifen ein israelischer Soldat durch Mitglieder einer palästinensischen Gruppierung gefangen genommen.2303 Dabei wurden auch zwei weitere israelische Soldaten getötet. In den Wochen zuvor hatte es immer wieder Raketenangriffe auf Israel aus dem Gazastreifen geben. In der Folge drangen israelische Truppen in der Operation „Sommerregen“ in Gaza ein, um den entführten Soldaten zu finden sowie die Abschussbasen von Kassam-Raketen zu zerstören. Dabei gingen die Truppen gegen die verschiedenen militanten palästinensischen Organisationen, insbesondere gegen die Hamas, vor. Am 12. Juli 2006 führte die libanesische Hisbollah-Miliz die Operation „Wahres Versprechen“ durch. Dabei handelte es sich um Angriffe aus dem Hinterhalt auf Soldaten der israelischen Armee, die an der Grenze zum Libanon patrouillierten. Hierbei wurden acht israelische Soldaten getötet, zwei weitere wurden entführt. Dazu führte die Hisbollah Raketenangriffe gegen Städte im Norden Israels sowie gegen Einrichtungen der israelischen Streitkräfte durch.2304 Es gab dabei widersprüchliche Berichte über den Zweck der Aktionen der Hisbollah. Zum Teil wurde angenommen, sie wolle so den militärischen Druck, der aufgrund der Operation „Sommerregen“ auf der palästinensischen Hamas lastete, verringern. Von der Hisbollah selbst war hingegen zu vernehmen, dass sie die Operation „Wahres Versprechen“ durchgeführt habe, um drei Gefangene libanesischer Herkunft mit Israel auszutauschen und um die Räumung der sog. Schebaa-Farmen, einem kleinen Gebiet, das zwischen dem Libanon, Syrien und Israel umstritten ist, zu erreichen. Israel beantwortete die Aktionen der Hisbollah umgehend mit einer großangelegten Militäraktion im Süden des Libanon.2305 In der Operation „Richtungsänderung“ wurde in den folgenden 34 Tagen unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht aus Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen massiv gegen die Hisbollah vorgegangen.2306 Die israelischen Luftstreitkräfte bombardierten zunächst 2303
Hierzu und zum Folgenden Sebastian Weber, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), S. 460 ff.; Michael N. Schmitt, Michigan Journal of International Law 29 (2006), S. 127 ff.; Matt M. Matthews, in: Scott C. Farquhar (Hrsg.), Back to Basics: A Study of the Second Lebanon War and Operation CAST LEAD, S. 1 (6 ff.) sowie UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006. 2304 Vgl. Michael N. Schmitt, Michigan Journal of International Law 29 (2006), S. 127 (127); Sebastian Weber, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), S. 460 (460). 2305 Es handelte sich um die fünfte große Militäroperation Israels im südlichen Libanon nach denjenigen von 1978, 1982, 1993 und 1996; siehe UN Doc. S/PV.5493 vom 21. Juli 2006, S. 13. Vgl. auch Hitoschi Nasu, International Peacekeeping 14 (2007), S. 339 (339 Fn. 1). 2306 Vgl. hierzu Michael N. Schmitt, Michigan Journal of International Law 29 (2006), S. 127 (128 ff.); Sebastian Weber, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), S. 460 (461 ff.). Der Ständige Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen führte zur Inanspruchnahme des Selbstverteidigungsrechts in zwei identischen Briefen vom 12. Juli 2006 an den Generalse-
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deren Stellungen, daneben auch diverse Infrastrukturziele, in Beirut den internationalen Flughafen, die südlichen Wohnviertel der libanesischen Hauptstadt – da dort das Hauptquartier der Hisbollah beheimatet war – sowie Treibstofflager und Wege in das benachbarte Syrien.2307 Hinzu kamen eine See- und Luftblockade des Libanon und schließlich eine Bodenoffensive.2308 b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat befasste sich auf seiner zweiten Sondersitzung am 11. August 2006 mit der Gewalt im Libanon. Der Rat verabschiedete die Resolution S-2/1 mit dem Titel „The grave situation of human rights in Lebanon caused by Israeli military operations“.2309 Die Resolution wurde mit 27 Ja-Stimmen, elf NeinStimmen und acht Enthaltungen angenommen.2310 Im Text der Resolution wurden unter anderem die israelischen Militäroperationen im Libanon verurteilt, da durch sie schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen herbeigeführt würden. Israel wurde zudem dazu aufgerufen, seine Militäroperationen gegen Zivilisten und zivile Ziele umgehend einzustellen. Hinsichtlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission hieß es in Resolution S-2/1: „7. Decides to establish urgently and immediately dispatch a high-level commission of inquiry comprising eminent experts on human rights and international humanitarian law, and including the possibility of inviting the relevant United Nations special procedures to be nominated to the Commission: (a) To investigate the systematic targeting and killings of civilians by Israel in Lebanon; (b) To examine the types of weapons used by Israel and their conformity with international law;
kretär der Vereinten Nationen und an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hierzu aus: „Israel thus reserves the right to act in accordance with Article 51 of the Charter of the United Nations and exercise its right to self-defense when an armed attack is launched against a Member of the United Nations. The State of Israel will take appropriate actions to secure the release of the kidnapped soldiers and bring an end to the shelling that terrorizes our citizens“. Die Briefe sind wiedergegeben in: UN Doc. A/60/937 vom 12. Juli 2006 sowie UN Doc. S/2006/515 vom 12. Juli 2006. 2307 Vgl. Sebastian Weber, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), S. 460 (460). 2308 Vgl. Michael N. Schmitt, Michigan Journal of International Law 29 (2006), S. 127 (127). 2309 UN Doc. A/61/53 von 2006, S. 108 ff. 2310 Für die Resolution stimmten: Algerien, Argentinien, Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Brasilien, China, Ecuador, Indien, Indonesien, Jordanien, Kuba, Malaysia, Mali, Marokko, Mauritius, Mexiko, Pakistan, Peru, Russische Föderation, Sambia, Saudi-Arabien, Senegal, Sri Lanka, Südafrika, Tunesien und Uruguay, gegen die Resolution stimmten: Deutschland, Finnland, Frankreich, Japan, Kanada, Niederlande, Polen, Rumänien, Tschechische Republik, Ukraine und Vereinigtes Königreich, ihrer Stimme enthielten sich: Gabun, Ghana, Guatemala, Kamerun, Nigeria, Philippinen, Schweiz und Südkorea, vgl. UN Doc. A/61/ 53 von 2006, S. 111.
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(c) To assess the extant and deadly impact of Israeli attacks on human life, property, critical infrastructure and the environment; 8. Requests the Secretary-General and the United Nations High Commissioner for Human Rights to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable the Commission of Inquiry to fulfil its mandate promptly and efficiently; (…) 10. Requests the Commission of Inquiry to report to the Council no later than 1 September 2009 on progress made towards the fulfilment of its mandate.“
Die Untersuchungskommission wurde durch den Präsidenten des Menschenrechtsrates mit drei Personen besetzt: mit João Clemente Baena Soares, einem ehemaligen brasilianischen Diplomaten und Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, sowie mit Mohamed Chande Othman, dem obersten Richter Tansanias, und dem Völkerrechtsprofessor und Mitglied der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission Stelios Perrakis aus Griechenland. Im Abschlussbericht wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die drei Kommissionsmitglieder wegen ihrer Expertise in den Bereichen des humanitären Völkerrechts sowie des Menschenrechtsschutzes ausgewählt wurden.2311 Wiederum in organisatorischer Hinsicht wurde die Kommission durch ein vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte gestelltes Sekretariat unterstützt. Diesem gehörten unter anderem drei Menschenrechtsexperten sowie ein Analyst für militärische Fragen an. Das Sekretariat eröffnete zur Erfüllung seiner Aufgaben Büros in Genf und in Beirut.2312 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission für den Libanon begann ihre Tätigkeit in Genf.2313 Dort versammelte sie sich gemeinsam mit ihrem Sekretariat am 11. September 2006.2314 Am 19. September 2006 legte die Kommission die Terms of Reference für ihre Tätigkeit fest2315 und verständigte sich darauf, zwei Monate nach Tätigkeits2311
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 4. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 5. 2313 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 18. 2314 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 6. 2315 Die Terms of Reference der Untersuchungskommission für den Libanon sind wiedergegeben in: UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, S. 83 f.: „1. On 11 August 2006, the Human Rights Council adopted resolution S-2/1 at its second special session. In paragraph 7 of the resolution the Council decided to ,urgently establish and immediately dispatch a high-level commission of inquiry‘. 2. On 1 September, the President of the Human Rights Council appointed three persons to the Commission on the basis of their expertise in human rights law and international humanitarian law, as well as their integrity, impartiality and independence. The Commission began its work on 11 September and will report to the Council within two months. 3. According to paragraph 7 of the resolution S-2/1 of the Human Rights Council, the mandate of the Commission includes the following actions: ,(a) To investigate the systematic targeting and killings of civilians by Israel in Lebanon; 2312
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beginn dem Menschenrechtsrat Bericht zu erstatten.2316 Darüber hinaus vereinbarten die Kommissionsmitglieder, das Mandat in Vertraulichkeit auszuführen. Insbesondere sollten die Pressekontakte auf nur faktische Informationen über die Besuche der Untersuchungskommission im Libanon begrenzt werden.2317 Bereits in Genf wurde mit der insgesamt sehr umfangreichen Beweisaufnahme durch die Untersuchungskommission begonnen.2318 Während der ersten Woche ihrer Tätigkeit trafen sich die Kommissionsmitglieder zu Gesprächen mit dem Präsidenten (b) To examine the types of weapons used by Israel and their conformity with international law; and (c) To assess the extent and deadly impact of Israeli attacks on human life, property, critical infrastructure and the environment.‘ The Commission will implement its mandate through the prism of international law, international humanitarian law and international human rights law. The Commission will take due account of relevant activities within the United Nations system, including the work of United Nations special procedures. 4. The Commission is provided, by the Secretary-General and the High Commissioner for Human Rights, with the administrative, technical and logistical assistance required to fulfil its mandate promptly and efficiently, including through a Secretariat. 5. The Commission should enjoy the full cooperation of all States Members of the United Nations. It may seek the cooperation of international Institutions and other relevant actors, as appropriate. 6. In order to enable the Commission to discharge its mandate, the following facilities should in particular be provided: (a) Freedom of movement throughout the territory of Lebanon, including facilities of transport; (b) Unhindered access to all places and establishments, and freedom to meet and interview representatives of Governmental and local authorities, military authorities, community leaders, non-governmental organizations and other institutions, and any such person whose testimony is considered necessary for the fulfilment of its mandate; (c) Unhindered access for individuals and organizations wishing to meet with the Commission; (d) Free access to all sources of information, including documentary material and physical evidence; (e) Security arrangements for the personnel and documents of the Commission to be provided in accordance with the United Nations Host Country Agreements; (f) Protections of victims and witnesses and all those who are in contact with the Commission in connections with the inquiry; no such person shall, as a result of such contact suffer harassment, threats, acts of intimidation, ill-treatment or reprisals. 7. In particular, the Commission Members and staff shall enjoy the privileges and immunities accorded to experts on missions and officials under the 1946 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations.“ 2316 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 6. 2317 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 8. 2318 Vgl. auch Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1021), der besonders hervorhebt, dass die Untersuchungskommission insgesamt die Expertise aller Institutionen einzubeziehen gesucht habe, die einschlägige Kenntnisse zum Untersuchungsgegenstand hätten haben können.
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des Menschenrechtsrates sowie mit der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Zudem sandte die Kommission Briefe an Internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, in denen sie um die Zurverfügungstellung von Informationen hinsichtlich des der Kommission erteilten Mandats bat. Weitere Gesprächspartner in Genf waren die Ständigen Vertreter Israels und des Libanon bei den Vereinten Nationen und Repräsentanten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und von Amnesty International. Aus dem System der Vereinten Nationen sprachen die Mitglieder der Untersuchungskommission mit den Sonderberichterstattern für außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen, für Vertriebene und für das Recht aus Behausung. Alle drei Berichterstatter hatten zuvor auf Missionen den Libanon und Israel besucht. Weiterhin gab es in Genf noch Gespräche mit dem Humanitären Koordinator der Vereinten Nationen für den Libanon sowie mit Repräsentanten der Weltgesundheitsorganisation, des Aktionsdienstes der Vereinten Nationen für Minen, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, des Büros des Koordinators der Vereinten Nationen für Humanitäre Angelegenheiten, des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.2319 Die Kommission suchte die Zusammenarbeit sowohl mit der libanesischen als auch mit der israelischen Regierung. Während der Libanon gänzlich mit der Untersuchungskommission zusammenarbeitete, verweigerte Israel die Zusammenarbeit gänzlich.2320 Letzteres verwunderte wegen des einseitig zu Lasten Israels formulierten Mandates nicht.2321 Am 22. September 2006 ließ die Untersuchungskommission dem Präsidenten des Menschenrechtsrates einen Zwischenbericht zukommen.2322 Die Untersuchungskommission besuchte den Libanon zweimal. Vom 23. September bis zum 7. Oktober 2006 und vom 17. bis zum 21. Oktober 2006. Dort traf die Kommission mit einer Reihe von Vertretern des libanesischen Staates zusammen. Zu diesen gehörten der Präsident und der Premierminister. Einzelne Sitzungen wurden jeweils mit dem Umweltminister, dem Minister für Elektrizität und Wasserressourcen, dem Kulturminister, dem Minister für Landwirtschaft, dem Sozialminister, dem Gesundheitsminister, dem Außenminister, dem Wirtschaftsminister, dem Minister für öffentliche Arbeit und Transport, dem Arbeitsminister und dem Minister für Vertriebene abgehalten. Weitere Gesprächspartner der Untersuchungskommission im Libanon waren unter anderem Mitglieder des libanesischen Parlaments, des Menschenrechtsausschusses des Parlaments, der Anwaltsvereinigung, des Wissen2319
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 18; Annex III, S. 85. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 19. 2321 Vgl. Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1020 f.). 2322 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 9. 2320
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schaftsrates und des Rates für Wiederaufbau und Entwicklung sowie hochrangige Mitglieder des libanesischen Militärs, der lokalen Behörden, der Generalstaatsanwalt, der Direktor des Büros für Minenräumung, der Direktor der libanesischen Zivilverteidigung, der Ankläger für militärische Strafverfahren, der Direktor des Hafens von Beirut, der Bürgermeister von Beirut und der Generaldirektor für Altertümer.2323 Neben den Repräsentanten des libanesischen Staates, trafen die Mitglieder der Untersuchungskommission auch mit Vertretern der Institutionen und Organisationen zusammen, mit denen man sich bereits zuvor in Genf beraten hatte. Hinzu kamen Gespräche mit dem Persönlichen Repräsentanten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen im Libanon, mit dem Kommandeur und anderen Mitgliedern der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL), dem Repräsentanten des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, mit wissenschaftlichen Experten für Menschenrechte und für humanitäres Völkerrecht sowie aus dem Bereich der Sozialwissenschaften.2324 Die Untersuchungskommission hielt Treffen in Beirut als auch in der Stadt Tyre ab. Bei diesen Treffen sprach die Kommission mit Repräsentanten von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen, von Krankenhäusern sowie mit Vertretern der lokalen und der internationalen Presse.2325 Innerhalb des Libanon bereiste die Untersuchungskommission mehrere Orte, um selbst Plätze von Kampfhandlungen und Zerstörungen in Augenschein zu nehmen. Hierzu gehörten die Vororte von Süd-Beirut, das Bekaa Tal, Byblos und insbesondere Ortschaften im Süden des Libanon, mithin in der Nähe der Grenze zu Israel. An den besuchten Orten nahm die Untersuchungskommission Zeugenaussagen auf und sammelte sonstige Beweise. In Byblos untersuchte die Kommission insbesondere Schäden an der Umwelt und an Kulturgütern, besonders an der dortigen archäologischen Stätte.2326 Die Untersuchungskommission begutachtete zudem eine Reihe von Dokumenten, welche sie im Laufe ihrer Tätigkeit von verschiedenen Seiten erhalten hatte.2327 Hierzu gehörten etwa eine Liste von Opfern, die von der libanesischen Regierung vorbereitet worden war,2328 sowie Mitschriften von Telefonanrufen, Textnachrichten und Flugblättern, die als Warnungen für die Bevölkerung im Libanon von israelischer
2323
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 21; Annex IV, S. 86 ff. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 22; Annex IV, S. 86 ff. 2325 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 22; Annex IV, S. 86 ff. 2326 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 23. 2327 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 24 sowie Annexe XIII, S. 117 ff.; XIV, S. 123 ff.; XV, S. 127. 2328 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Annex VI, S. 92 ff. 2324
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Seite verbreitet worden waren, aber auch antiisraelische Propagandazeichnungen, die durch die Hisbollah in Umlauf gebracht worden waren.2329 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht2330 der Untersuchungskommission umfasste insgesamt 349 Randnummern und war in vier große Teile aufgeteilt. In der Einführung2331 fanden sich Ausführungen zur Arbeit und zur Zusammensetzung der Kommission sowie zu dem Konflikt im Libanon im Sommer 2006. Den meisten Platz in dem Abschlussbericht nahm die Darstellung der durch die Untersuchungskommission ermittelten Fakten und deren rechtliche Analyse im zweiten Teil2332 ein. Im dritten Teil des Berichts2333 wurden die Ergebnisse der Kommissionstätigkeit hinsichtlich der Folgen des Konflikts, der Verletzungen von Regeln des Völkerrechts und der internationalen Verantwortlichkeit dargestellt. Den letzten, vierten Teil2334 bildeten die Empfehlungen der Kommission. bb) Hinsichtlich derjenigen Rechtssätze, die der Untersuchung nach dem der Kommission erteilten Mandat zugrunde zu legen waren, zog diese sowohl das humanitäre Völkerrecht als auch die Regelungen des internationalen Menschenrechtsschutzes heran.2335 Hierbei vertrat die Kommission die Auffassung, dass die beiden Rechtsgebiete in einem Verhältnis der Komplementarität zueinander stünden und sich gegenseitig verstärken würden.2336 Bezüglich des humanitären Völkerrechts hatte die Untersuchungskommission zunächst zu bestimmen, ob dieses für die Gewalttätigkeiten im Sommer 2006 überhaupt Anwendung fand, namentlich, ob es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerrechts handelte und welche die Parteien dieses Konflikt waren.2337 Während die Kommission – im Angesicht der Intensität der Gewalttätigkeiten und des Einsatzes von bewaffneten Kräften – die Feindseligkeiten im Libanon unproblematisch als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts einstufen konnte,2338 gestaltete sich die Klassifikation und die Bestimmung der Konfliktparteien als weitaus schwieriger. Die Kommission sah es nämlich als Besonderheit des Konfliktes an, dass die aktiven Feindseligkeiten allein zwischen 2329
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Annex VII, S. 97 ff. Report of the Commission of Inquiry on Lebanon pursuant to Human Rights Council resolution S-2/1, UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006. 2331 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 1 ff. 2332 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 75 ff. 2333 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 276 ff. 2334 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 349. 2335 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 63. 2336 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 64. 2337 Vgl. auch UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 50. 2338 UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 51. 2330
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Israel und den Kämpfern der Hisbollah stattgefunden hätten. Die Kommission konnte hingegen keine Hinweise darauf finden, dass die staatlichen libanesischen Sicherheitskräfte aktiv an den Feindseligkeiten teilgenommen hätten, obwohl sie von den israelischen Selbstverteidigungsstreitkräften angegriffen worden seien.2339 Die Kommission kam trotzdem zu dem Ergebnis, dass die Kampfhandlungen als internationaler bewaffneter Konflikt einzustufen gewesen seien, dessen Parteien Israel, die Hisbollah sowie der Libanon gewesen wären.2340 Hierfür wurden drei Gründe angeführt. Erstens sei die Hisbollah im Libanon eine rechtmäßig anerkannte politische Partei mit gewählten Abgeordneten im Parlament, Teil der Regierung und in den verfassungsmäßigen Organen des Staates repräsentiert.2341 Zweitens habe die Hisbollah über Jahre hinweg die Rolle einer Widerstandsbewegung gegen die israelische Besatzung libanesischen Staatsgebietes eingenommen. Im Lichte des humanitären Völkerrechts sei die Hisbollah eine bewaffnete Gruppe beziehungsweise eine Miliz, deren Verhalten und Operationen dem Anwendungsbereich von Artikel 4 Abs. 2 lit. b) des dritten Genfer Abkommens von 1949 unterfallen würden, der für gefangen genommene Kämpfer dieser Gruppierung den Status von Kriegsgefangenen vorsehen würde. Aus innerlibanesischer Sicht und in Abwesenheit von regulären staatlichen bewaffneten Kräften im Südlibanon, sei die Hisbollah ein Ausdruck des Widerstandes hinsichtlich der Verteidigung des Staatsgebietes, was von Stellungnahmen der libanesischen Regierung bestätigt worden sei. Zudem habe die Hisbollah im Südlibanon die de-facto-Kontrolle innegehabt.2342 Drittens sei der Staat Libanon in verschiedenster Weise von den Feindseligkeiten durch Israel berührt worden, etwa durch die Verhängung der Luft- und Seeblockade und durch Angriffe auf die staatlichen Streitkräfte.2343 Parteien des Konflikts seien damit Israel, der Libanon sowie die Hisbollah.2344 Als anwendbares humanitäres Völkerrecht stellte die Untersuchungskommission fest, dass, neben dem für alle Konfliktparteien gültigen humanitären Völkergewohnheitsrecht,2345 für Israel als auch für den Libanon verschiedene völkervertragliche Rechtssätze Geltung beanspruchen würden:2346 Israel und der Libanon seien an die vier Genfer Abkommen von 1949 gebunden, Israel habe die beiden Zusatzprotokolle hierzu zwar unterzeichnet, jedoch bisher noch nicht ratifiziert, wohingegen der Libanon Partei beider Protokolle sei. Weiterhin sei Israel an die Haager Konvention zum Schutze von Kulturgütern im Falle eines bewaffneten Konflikts und das erste Protokoll hierzu von 1954 gebunden sowie an die Konvention 2339 2340 2341 2342 2343 2344 2345 2346
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 53. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 55. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 56. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 57. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 58. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 60. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 67. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 65 f.
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über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können von 1980. Zudem bestehe für Israel eine Bindung an das Protokoll I zu dieser Konvention über nichtentdeckbare Splitter von 1980, an das Protokoll II über Landminen, Sprengfallen und andere Vorrichtungen von 1980 mit den Zusätzen von 1996 und an das Protokoll IV über blind machende Laserwaffen von 1995. Der Libanon sei ebenfalls an die vier Genfer Abkommen von 1949 als auch an die beiden Zusatzprotokolle über den Schutz der Opfer von bewaffneten Konflikten hierzu gebunden. Zudem sei der Libanon Partei der Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen von 1972 und der Haager Konvention zum Schutze von Kulturgütern im Falle eines bewaffneten Konflikts und des ersten Protokolls hierzu von 1954. Hinsichtlich des internationalen Menschenrechtsschutzes stellte die Untersuchungskommission fest, dass sowohl Israel als auch der Libanon an eine Reihe von internationalen Instrumenten in diesem Bereich gebunden seien und daher beide Staaten die Verpflichtung treffen würde, die Menschenrechte von Personen, die sich unter ihrer Hoheitsgewalt befinden würden, zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen. Als für beide Seiten anwendbare Menschenrechtsinstrumente identifizierte die Kommission die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Konvention gegen Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Konvention über die Beseitigung jeder Form der Benachteiligung von Frauen, die Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und schließlich die Konvention über die Rechte des Kindes.2347 Weiterhin stellte die Untersuchungskommission fest, dass der Libanon, obwohl dort am 12. Juli 2006 der nationale Notstand ausgerufen worden sei, hinsichtlich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte keinen Gebrauch von der Möglichkeit zur Derogation von Paktrechten nach Artikel 4 des Paktes gemacht habe. Israel hingegen habe bereits bei der Ratifizierung des Paktes einen Vorbehalt hinsichtlich des in Artikel 9 des Paktes niedergelegten Rechts auf Freiheit und Sicherheit der Person ausgebracht.2348 Die Rechte aus diesem völkerrechtlichen Vertrag erachtete die Untersuchungskommission nach dessen Artikel 2 auch extraterritorial für anwendbar.2349 Für den Bereich des Völkerstrafrechts stellte die Kommission noch fest, dass schwere Verletzungen der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts durch das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes und durch Völkergewohnheitsrecht reguliert würden. Allerdings habe Israel 2347 2348 2349
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 69. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 73. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 74.
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das Römische Statut zwar unterzeichnet, es jedoch nicht ratifiziert; der Libanon habe beides nicht getan.2350 Sehr knapp fiel die Feststellung der rechtlichen Bindungen der Hisbollah aus. Diese sei als Teil des Konflikts an Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht gebunden, soweit es sich um Völkergewohnheitsrecht handele.2351 cc) In ihren Schlussfolgerungen hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte betonte die Kommission nachdrücklich, dass im Allgemeinen das Prinzip der Humanität sowie humanitäre Erwägungen im Sinne der Marten’schen Klausel in dem Konflikt nicht anzutreffen gewesen seien.2352 Zudem könne das Prinzip der militärischen Notwendigkeit nicht jeden Angriff oder jede Zerstörung rechtfertigen. Angriffe auf Zivilisten, unbewohnte Häuser, Kirchen und Moscheen, auf Geschäfte usw. würden normalerweise nicht zum Sieg über den Gegner beitragen.2353 Die Kommission war der Auffassung, dass die exzessive, unterschiedslose und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch die israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte über das, was man vernünftigerweise als militärische Notwendigkeit ansehen könne, hinaus gegangen sei und daher eklatante Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen würden.2354 Die Kommission listete eine Reihe von Akten der israelischen Streitkräfte auf, welche nach Auffassung der Kommission sowohl Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht als auch gegen die Menschenrechte dargestellt hätten. Zunächst bemängelte die Kommission, dass das Verhalten der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte insgesamt den Respekt vor den Kardinalsprinzipien vermissen ließe, welche das Verhalten im bewaffneten Konflikt regulieren würden. Israel habe seine Verpflichtung nicht respektiert, Zivilisten von Kombattanten zu trennen. Die israelische Praxis, Zivilisten als legitime militärische Ziele zu bestimmen, weil sie Freunde, Familienangehörige oder Sympathisanten von Mitgliedern beziehungsweise von der Hisbollah selbst seien, würde über jede rechtlich mögliche Auslegung des Prinzips der Unterscheidung hinausgehen und eine klare Verletzung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte bedeuten. Alle Mitglieder einer offiziellen Partei als Terroristen zu behandeln, würde zu einer nicht akzeptablen Interpretation des Rechts führen. Auch die vorsätzlichen Angriffe gegen die Häuser von Familien, Freunden, Angehörigen und Mitgliedern – aber nicht Kämpfern – der Hisbollah seien Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte.2355 Als weitere Verstöße sah die Kommission die Zerstörung einer großen Anzahl an Häusern und Wohngebäuden im südlichen Libanon und im Süden von Beirut an. Hier sei den Prinzipien der militärischen Notwendigkeit und der Ver2350 2351 2352 2353 2354 2355
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 68. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 67. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 315. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 316. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 317. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 318.
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hältnismäßigkeit nicht angemessen Rechnung getragen worden.2356 Dies gelte auch für Angriffe auf die zivile Infrastruktur wie Straßen, Brücken, den Flughafen von Beirut und Häfen, Wasseranlagen, Fabriken, Bauernhöfe und Geschäfte, insbesondere solche, die sich weit entfernt vom Süden des Libanon befunden hätten.2357 Der Angriff auf das Kraftwerk von Jiyyeh habe zu einem massiven Austreten von Öl geführt, dass die größten Teile der libanesischen Küste verschmutzt habe. Die israelischen Streitkräfte hätten es versäumt, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und dadurch Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht, Verpflichtungen zum Schutz der natürlichen Umwelt und das Recht auf Gesundheit verletzt. Insbesondere stellte die Kommission heraus, dass Schaden an der archäologischen Stätte von Byblos entstanden sei, welche von der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur auf der Liste des Weltkulturerbes geführt werde.2358 Zudem sah die Kommission Angriffe auf zivile Konvois,2359 Sanitätsfahrzeuge des Libanesischen Roten Kreuzes und des Zivilschutzes,2360 auf Kirchen und Moscheen,2361 auf verschiedene archäologische und anderweitige historisch bedeutsame Stätten,2362 direkte Angriffe auf Schulen2363 sowie Akte des Vandalismus gegen Häuser, Schulen und religiöse Stätten durch die israelischen Streitkräfte als Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte an.2364 Die Warnungen durch die israelischen Streitkräfte an die Zivilbevölkerung, ihre Häuser zu evakuieren, seien weitestgehend nicht effektiv gewesen. Die Zivilisten seien, während sie die Evakuierungen durchgeführt hätte, zu Zielen geworden und die Evakuierungen seien physisch oft nicht möglich gewesen. Die israelische Praxis, Warnflugblätter mit propagandistischen Inhalten zu verwenden, würde den Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht nicht genügen.2365 Auch die direkten Angriffe auf Positionen der UNIFIL und der Observer Group Lebanon könnten durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigt werden.2366 Weiterhin kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass einige Beweise dafür vorliegen würden, dass die Hisbollah Städte und Dörfer als „Schilde“ für ihr Feuer benutzt habe. Gleichzeitig würden Beweise dafür vorliegen, dass zu den fraglichen Zeitpunkten die meisten Zivilisten die jeweiligen Orte bereits verlassen hätten. Die Kommission habe auch keinerlei Beweise dafür gefunden, dass die Hisbollah „menschliche Schutzschilde“ verwendet habe. Allerdings gebe es Beweise dafür, dass die Hisbollah Posten der UNIFIL vorsätzlich 2356 2357 2358 2359 2360 2361 2362 2363 2364 2365 2366
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 319. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 320. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 321. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 322. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 323. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 324. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 325. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 326. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 327. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 328. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 329.
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als Schilde für das Abfeuern ihrer Raketen benutzt habe.2367 Weitere Verletzungen des Völkerrechts durch Israel seien in der Entführung von Zivilisten vom libanesischen Staatsgebiet, deren rechtswidrige Verbringung und Inhaftierung in israelischen Gefängnissen, einschließlich grausamer, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung, zu sehen.2368 Ebenfalls sei die erzwungene Vertreibung von beinahe einer Millionen Menschen innerhalb und außerhalb des Libanon als direkte oder indirekte Folge der unterschiedslosen Angriffe auf Zivilisten sowie auf ziviles Eigentum und zivile Infrastruktur völkerrechtswidrig.2369 Ebenfalls völkerrechtswidrig seien das Versagen Israels bei der Bereitstellung von freiem und ungehindertem Zugang zu humanitärer Hilfe für hilfsbedürftige Personen, die Verhängung von unnötigen Begrenzungen der Bewegungsfreiheit humanitärer Konvois2370 sowie die israelische Blockade des Flughafens von Beirut und der libanesischen Häfen.2371 Obwohl keine der Waffen, welche von den israelischen Streitkräften eingesetzt worden seien, per se einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht bedeuten würde,2372 sei dies jedoch für die Art und Weise des Einsatzes von Streumunition der Fall gewesen.2373 Zum Abschluss ihrer Ausführungen hinsichtlich der völkerrechtlichen Bewertung des Handelns Israels beziehungsweise der israelischen Streitkräfte im Libanon-Konflikt führte die Kommission aus, dass sie als Gremium des FactFinding ihre Ergebnisse von einer generellen Perspektive aus formuliert hätte. Zu diesem Zwecke könnten die Menschenrechtsverletzungen aus zwei Perspektiven heraus angesprochen werden: bestimmte Fälle von identifizierbaren Individuen und Fälle, in denen gezielt gegen eine große Gruppe von Opfern oder gegen Teile der Bevölkerung vorgegangen worden sei.2374 Die Kommission überprüfte während der Untersuchung daher sowohl Einzelfälle als auch Situationen von generellem Charakter, wobei auch die Nachkonflikt-Situation im Libanon in den Blick genommen worden sei. Hieraus ergaben sich für die Kommission folgende rechtliche Ergebnisse: In einigen Fällen, in denen die Angriffe auf Zivilpersonen und deren Eigentum direkt und vorsätzlich gewesen seien, als auch in den Fällen, in denen Entführungen, Überführungen und Inhaftierungen in Israel von Zivilisten vorgekommen seien, könne angenommen werden, dass hier Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Eigentum und des Verbots von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu besorgen seien. Weiterhin würde es sich bei den vorsätzlichen Angriffen auf Zivilisten um summarische und außergerichtliche Tötungen von Personen handeln. Dies würde nicht nur die fundamentalen Rechte der Betroffenen, wie das Recht auf Leben, das Recht auf persönliche Sicherheit, das Recht auf ein gerechtes 2367 2368 2369 2370 2371 2372 2373 2374
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 330. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 332. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 333. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 334. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 335. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 336. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 337. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 339.
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Verfahren und den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, verletzen, sondern würde ebenso eine sehr negative Staatenpraxis bedeuten, welche extrem verstörend für die gegenwärtige Rechtskultur sei. In einem Gesamtblick auf die Lage im LibanonKonflikt sei festzustellen, dass Verletzungen des Rechts auf Leben, der Rechts auf Bildung, des Rechts auf Eigentum, des Rechts auf eine gesunde Umwelt, des ungehinderten Rechts nach Hause zurückzukehren, des Rechts eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie, einschließlich angemessener Nahrung, Kleidung und Behausung, sowie des Rechts eines jeden zum Genuss von gerechten und günstigen Arbeitsbedingungen zu besorgen seien.2375 dd) Die Untersuchungskommission sprach eine Reihe von Empfehlungen an den Menschenrechtsrat aus.2376 Die erste Gruppe von Empfehlungen betraf die Felder humanitäre Unterstützung und Wiederaufbau. Dem Menschenrechtsrat wurde zunächst empfohlen, die internationale Gemeinschaft aufzufordern, den Libanon und seine Bevölkerung zu unterstützen. Hierzu sollten etwa das System der Vereinten Nationen und die Bretton-Woods-Institutionen angehalten werden, konkrete Hilfsaktionen für den Libanon zu beginnen, einschließlich der Zurverfügungstellung von Expertise bei den notwendigen Wiederaufbaubemühungen. Weiterhin solle der Menschenrechtsrat den Generalsekretär der Vereinten Nationen dazu auffordern, eine Evaluation der humanitären Hilfe für den Libanon durch die Vereinten Nationen und andere Organisationen durchzuführen, um diese Hilfe zu verbessern. Der Menschenrechtsrat sollte zudem zur Mobilisierung von Expertise aufrufen, um den Folgen des Konflikts für die Meeresumwelt vor der libanesischen Küste zu begegnen. Letztlich solle noch für die zu treffenden Maßnahmen ein Follow-up-Verfahren eingerichtet werden. Die zweite Gruppe von Empfehlungen betraf das Schicksal von durch den Konflikt betroffenen Kindern. Deren Schicksal solle der Rat sorgsam Beachtung schenken. Nationale und internationale spezialisierte Institutionen sollten zusammenarbeiten, um die libanesische Regierung effektiv bei der Implementierung verschiedener Programme zu Gunsten dieser Kinder zu unterstützen. Die dritte Gruppe von Empfehlungen betraf die Beachtung des humanitären Völkerrechts. Hierbei empfahl die Untersuchungskommission dem Menschenrechtsrat sehr allgemein, die Verpflichtung zur Respektierung und die Sicherung der Respektierung des humanitären Völkerrechts durch alle Konfliktparteien, einschließlich nichtstaatlicher Akteure, im Falle eines bewaffneten Konflikts zu fördern und zu überwachen. Weiterhin wurde empfohlen, dass der Menschenrechtsrat einen Follow-upMechanismus etablieren solle, um die Menschenrechtssituation im Libanon unter Beachtung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Kommission zu überwachen. Weiterhin wurde dem Menschenrechtsrat geraten, eine Initiative zu beginnen, die zum Ziele haben solle, dass Streumunition zügig in die Liste derjenigen Waffen aufgenommen würde, die unter der Geltung des Völkerrechts geächtet seien. Eine weitere Empfehlung an den Menschenrechtsrat ging dahin, Forschung zu un2375 2376
UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 340. UN Doc. A/HRC/3/2 vom 23. November 2006, Rn. 349.
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terstützen und zu verfolgen, deren Gegenstand die Effekte von bestimmten Waffen seien, die während des Konflikts benutzt worden wären, da die Ergebnisse dieser Forschung für die Rechtmäßigkeit dieser Waffen nach Maßgabe des humanitären Völkerrechts entscheidend seien. In der letzten Empfehlung der dritten Gruppe wurde dem Menschenrechtsrat empfohlen, Israel nachdrücklich aufzufordern, augenblicklich an UNIFIL und an die Regierung des Libanon vollständige und detaillierte Informationen über die Nutzung, einschließlich der Koordinaten, von Streumunition zu übergeben. Hierdurch solle die zeitnahe Räumung von nicht-explodierter Munition sichergestellt werden, um Tote und Verletzte durch diese Waffen zu vermeiden, die Rückkehr von Vertriebenen in ihre Gemeinschaften zu ermöglichen und um zu einem normalen sozialen und wirtschaftlichen Leben zurückkehren zu können. Die vierte und letzte Gruppe von Empfehlungen der Untersuchungskommission betraf schließlich Fragen der Entschädigung für Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Diesbezüglich machte die Kommission allerdings fast keine Ausführungen in Bezug auf den Libanon-Konflikt, sondern begnügte sich mit allgemeinen Feststellungen und Empfehlungen hinsichtlich der aus Kommissionssicht bestehenden Lücken im Völkerrecht in diesem Bereich und von Möglichkeiten zu deren Schließung. Konfliktspezifisch wurde dem Menschenrechtsrat lediglich empfohlen, die Untersuchungen des Menschenrechtsausschusses des libanesischen Parlaments zu den Kampfhandlungen zu verfolgen. Dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde darüber hinaus eine größtmögliche Unterstützung des Ausschusses bei dieser Aufgabe anempfohlen. 15. Beschuss von Beit Hanoun a) Historischer Hintergrund Das israelische Militär führte seit dem 1. November 2006 die Operation „Herbstwolken“ durch.2377 Mit der Operation sollten Raketenangriffe aus dem Gazastreifen durch militante palästinensische Gruppen gegen Israel beendet werden. Am 8. November 2006 beschossen Panzer der israelischen Streitkräfte die Stadt Beit Hanoun. Hierbei wurde eine Reihe von Häusern getroffen. Durch den Beschuss starben 19 Menschen, mehr als 40 Personen wurden verletzt.
2377 Siehe hierzu und zum Folgenden N. N., BBC-Online vom 1. November 2006, abrufbar unter: news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/6104858.stm (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); N. N., BBC-Online vom 8. November 2006, abrufbar unter: news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/ 6127250.stm (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); Isabel Kershner, New York Times-Online vom 19. Mai 2007, abrufbar unter: https://www.nytimes.com/2007/05/19/world/middleeast/1 9cnd-mideast.html?hp (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); auch UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008.
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b) Einsetzung der Kommission Mit den beschriebenen Militäraktionen Israels befasste sich der Menschenrechtsrat auf einer seiner Sondersitzungen. Am 15. November 2006 verabschiedete der Rat die Resolution S-3/1,2378 in der er unter anderem seine tiefe Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen durch das israelische Militär in den besetzten palästinensischen Gebieten zum Ausdruck brachte und dieses Verhalten verurteilte. Auf der Grundlage der Resolution wurde zudem die High-Level Fact-Finding Mission etabliert: „7. Decides to dispatch urgently a high-level fact-finding mission, to be appointed by the President of the Human Rights Council, to travel to Beit Hanoun, inter alia: (a) assess the situation of victims; (b) address the needs of survivors; and (c) make recommendations on ways and means to protect Palestinian civilians against any further Israeli assaults; 8. Requests the Secretary-General and the United Nations High Commissioner for Human Rights to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable the fact-finding mission to fulfil its mandate promptly and efficiently; 9. Requests the fact-finding mission to report to the Council no later than the middle of December 2006 on progress made towards the fulfilment of its mandate.“
Das Mandat der Mission wurde dabei von Israel von Beginn an als parteiisch und gegen sich gerichtet angesehen.2379 Der Präsident des Menschenrechtsrates benannte für die Mission lediglich zwei Personen. Die Führung der Mission wurde dem anglikanische Erzbischof Desmond Mpilo Tutu aus Südafrika übertragen, der in seinem Heimatland eine bedeutende Rolle in der Anti-Apartheid-Bewegung gespielt hatte. Zum einzigen weiteren Mitglied der Mission wurde die britische Völkerrechtsprofessorin Christine Chinkin ernannt.2380 Mandatsgemäß stellten der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte der Mission diejenigen Hilfen in den Bereichen Verwaltung, Technik und Logistik bereit, die für die erfolgreiche Durchführung der Mission benötigt wurden.2381
2378
Wiedergegeben in: UN Doc. A/62/57 von 2007, S. 85 f. Für die Resolution stimmten: Algerien, Argentinien, Ascherbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Brasilien, China, Djibouti, Ecuador, Gabun, Ghana, Indien, Indonesien, Jordanien, Kuba, Malaysia, Mali, Marokko, Mauritius, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Sambia, SaudiArabien, Senegal, Sri Lanka, Südafrika, Tunesien und Uruguay, gegen die Resolution stimmten: Deutschland, Finnland, Kanada, Niederlande, Polen, Rumänien, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich, ihrer Stimme enthielten sich: Frankreich, Guatemala, Japan, Schweiz, Südkorea und Ukraine, vgl. UN Doc. A/62/57 von 2007, S. 86. 2379 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 73. 2380 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 1. 2381 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 1.
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c) Durchführung der Untersuchung Zur Implementierung des ihr erteilten Mandats versuchte die Mission dreimal über Israel nach Beit Hanoun zu reisen. Allerdings weigerte sich die israelische Regierung, mit der Mission zu kooperieren.2382 Der Wunsch der Mission auch nach Israel zu reisen, war dadurch bestimmt, dass dort Treffen und Anhörungen mit israelischen Akteuren aus Regierung, Militär und Nichtregierungsorganisationen durchgeführt werden sollten, um auch deren Blick auf die zu untersuchende Situation hören zu können. Außerdem sollten Einzelpersonen aus den Gegenden Südisraels befragt werden, welche unter der Bedrohung von Raketenangriffen aus Gaza lebten. Mit diesem Vorgehen wollte die Mission nicht zuletzt auch der Regierung von Israel entgegenkommen, welche zuvor die Menschenrechtsratsresolution S-3/1 als unausgewogen kritisiert hatte.2383 Die vom Menschenrechtsrat entsandte Mission bemühte sich nach eigener Aussage, während der gesamten Ausführung des Mandats, dieses so ausgewogen wie möglich zu implementieren.2384 Da sich die Haltung der israelischen Regierung nicht änderte, beschloss die Mission schließlich im Januar 2008, über Ägypten nach Beit Hanoun zu reisen.2385 Der Besuch der Mission dort fand schließlich vom 27. bis zum 29. Mai 2008 statt. Sicherheitsprobleme und der Einfluss, welchen der Besuch der Mission auf die Tätigkeit der dortigen Operationen der Vereinten Nationen ausübte, erlaubten nur einen kurzen Besuch.2386 Während des Aufenthalts konnte die Mission nicht nur Aussagen von Opfern und Überlebenden aufnehmen, sondern auch mit weiteren Akteuren in Gaza zusammentreffen.2387 Hierzu traf die Mission mit Mitgliedern der Hamas, der Entschärfungseinheit für Explosivkörper der palästinensischen Polizei, dem Bürgermeister von Beit Hanoun, dem Generalkommissar und Direktor der Operationen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, mit dem Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe in Gaza, mit Mitgliedern des Büros der Vereinten Nationen zur Koordinierung humanitärer Hilfe, der Weltgesundheitsorganisation, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen sowie mit Mitgliedern von verschiedenen palästinensischen Nichtregierungsorganisationen, vor allem aus dem Bereich der Menschenrechte, zusammen. Die Mission besichtigte zudem den Ort des Geschehens in Beit Hanoun und traf bei diesem Besuch auch mit einigen Opfern und Überlebenden zusammen. Ein weiterer Besuch führte die beiden Missionsmitglieder
2382 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 3; UN Doc. A/HRC/5/20 vom 18. Juni 2007. 2383 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 3. 2384 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 73. 2385 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 3. 2386 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 4. 2387 Eine detaillierte Liste der Gesprächspartner der Mission findet sich, eingebettet in den Arbeitsplan, in: UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Annex, S. 24.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
in ein Krankenhaus. Bevor die Mission Gaza wieder verließ, hielt sie am letzten Tag ihres dortigen Besuchs noch eine Pressekonferenz ab. d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Mission2388 umfasste in fünf Abschnitten 82 Randnummern. Nach einer knappen Einführung2389 schilderte die Mission im zweiten Berichtsabschnitt2390 Fragen des ihr erteilten Mandats sowie verschiedene Fragen seiner Implementierung. Gegenstand des dritten Abschnitts des Berichts2391 war der Beschuss von Beit Hanoun am 8. November 2006 und im vierten Berichtsabschnitt2392 wurden Problemlagen rund um die Opfer und Überlebenden der Militäraktion geschildert. Im abschließenden fünften Berichtsabschnitt2393 wurden die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Mission aufgeführt. bb) Die Mission wandte bei ihren Untersuchungen als rechtlichen Maßstab insbesondere die Regelungen des internationalen Menschenrechtsschutzes sowie des humanitären Völkerrechts an.2394 Gaza sah die Fact-Finding-Mission, ungeachtet des Abzuges der israelischen Truppen im September 2005, zum Untersuchungszeitpunkt immer noch als besetztes Gebiet an, da Israel dort effektive Kontrolle ausübe. Als Beleg hierfür stellte die Mission, neben verschiedenen Berichten des Menschenrechtsrates und der Generalversammlung der Vereinten Nationen, auch auf eigene Beobachtungen während des Besuchs in Gaza ab. Hierzu zählte die Mission die permanente Beobachtung Gazas durch israelische Sicherheitskräfte, vor allem unter der Zuhilfenahme von Aufklärungsdrohnen, sowie die effektive Blockierung von Gaza.2395 Als Besatzungsmacht habe Israel Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung von Gaza, welche sowohl aus dem humanitären Völkerrecht als auch aus den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes entspringen würden. Dabei stellte sich die Mission auf den Standpunkt, dass eine Besatzungsmacht die Verantwortung dafür trage, die Verpflichtungen aus Verträgen zum Schutze der Menschenrechte, denen sie als Vertragspartei angehöre, in den von dieser Macht besetzten Gebieten zu implementieren. Materiell sei Israel dabei sowohl an die wichtigsten Menschenrechts-
2388 Human Rights Situation in Palestine and other occupied Arab Territories – Report of the high-level fact-finding mission to Beit Hanoun established under Council resolution S-3/1, UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008. 2389 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 1 f. 2390 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 3 ff. 2391 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 15 ff. 2392 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 43 ff. 2393 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 72 ff. 2394 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 10. 2395 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 11.
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verträge gebunden2396 als auch an das Besatzungsrecht des Völkergewohnheitsrechts, welches den Regelungen der Haager Landkriegsordnung entspreche, und an das vierte Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten.2397 Weiterhin sah die Mission von ihrem Mandat auch die humanitär-völkerrechtlichen Verpflichtungen der anderen Konfliktparteien umfasst, wobei am relevantesten die Milizen seien, welche von Gaza aus Raketen in Richtung Israel abschießen würden. Bewaffnete Gruppen seien in diesem Zusammenhang unter geltendem Völkergewohnheitsrecht an die Verpflichtungen gebunden, welche aus dem Gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen entspringen würden.2398 cc) In einer, für eine internationale Untersuchung eher untypischen Weise vermischte die Mission ihre abschließenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen, wobei sie sich teilweise auch einer sehr emotionalen Sprache bediente.2399 Die Mission konnte feststellen, dass der Beschuss von Beit Hanoun nicht nur Tote gefordert, sondern auch bei den Überlebenden zu schweren physischen und mentalen Verletzungen geführt habe; Familien seien auseinandergerissen worden, Heime und Lebensgrundlagen seien zerstört und die Bevölkerung sei traumatisiert worden.2400 Als Ursache für den Beschuss von Beit Hanoun identifizierte die Mission die fortgesetzte Besatzung Gazas durch Israel.2401 Die Gewalt in Gaza und im Süden Israels habe zu zahllosen Verletzungen sowohl der Menschenrechte als auch des humanitären Völkerrechts geführt. Dieser Mangel an Respekt beider Seiten für die Regeln des Konflikts würde nicht nur zu Vorfällen wie dem in Beit Hanoun führen, sondern auch den Respekt für das Kriegsrecht und die Menschenrechte in anderen Konflikten unterminieren. Zudem sei die Bevölkerung von Gaza durch Einhaltung des Völkerrechts, vor allem des vierten Genfer Abkommens, zu schützen. Das israelische Militär müsse die Folgen von Gewaltanwendung für Zivilisten in das Zentrum ihrer Entscheidungsfindung und ihrer Aktivitäten in den besetzten palästinensischen Gebieten rücken. In Anbetracht des Nichtvorliegens einer Erklärung von Seiten des israelischen Militärs, das sich alleinig im Besitz der relevanten Fakten befinden würde, stellte die Mission fest, dass die Möglichkeit bestehe, dass der Beschuss von Beit Hanoun ein Kriegsverbrechen darstellen würde. Gleichzeitig stellte die Mission mit Blick auf die Hamas klar, dass das Abfeuern von Raketen auf die Zivilbevölkerung in Israel aufhören müsse. Diejenigen, die sich in den ent2396
UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 12. UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 13. 2398 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 14. 2399 „The mission expresses its sympathy to all victims of the shelling on 8 November 2006 of Beit Hanoun.“ oder „The courage of the victims in the face of continuing hardship deserves our admiration.“ oder „The Mission expresses its sympathy to all those affected by the Kassam rocket attacks in southern Israel.“ oder „One victim of the Beit Hanoun shelling was the rule of law.“, siehe UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 72, 73 und 76. 2400 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 72. 2401 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 74. 2397
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sprechenden Positionen in Gaza befinden würden, hätten nicht nur selbst eine Verpflichtung das humanitäre Völkerrecht in Bezug auf den Schutz von Zivilisten zu beachten, sondern müssten auch sicherstellen, dass diese Regeln von anderen beachtet würden.2402 Als weitere Problemlage beklagte die Mission, dass es keine Übernahme der Verantwortung für die Geschehnisse in Beit Hanoun gegeben habe. Die israelische Antwort auf den Vorfall, die in einer zum großen Teil geheimen, internen militärischen Ermittlung bestanden habe, bezeichnete die Mission sowohl vom rechtlichen als auch vom moralischen Standpunkt aus als völlig inakzeptabel. Dabei betonte die Mission, dass, unabhängig davon, ob die Opfer von Beit Hanoun durch einen Fehler, durch Rücksichtslosigkeit, durch kriminelle Nachlässigkeit oder durch vorsätzliches Handeln verursacht worden seien, die Verantwortlichen hierfür zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Daher wurde zu einer unabhängigen, unparteiischen und transparenten Untersuchung des Beit-Hanoun-Vorfalles geraten.2403 Als problematisch wurde es von der Mission ebenfalls angesehen, dass, bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Abschlussberichts, für die Opfer von israelischer Seite weder Wiedergutmachung noch Entschädigung geleistet worden sei. Die Mission rief Israel dazu auf, alle bestehenden Hindernisse zu beseitigen, die es den Opfern erschweren würden, um Gerechtigkeit für die Taten vor den israelischen Gerichten nachzusuchen. Allerdings brachte die Mission auch zum Ausdruck, dass sie in diesem Zusammenhang der Auffassung sei, dass es den Opfern des BeitHanoun-Vorfalles nicht zugemutet werden sollte, Gerechtigkeit vor Gerichten erkämpfen zu müssen. Vielmehr müsse anerkannt werden, dass Individuen Schaden durch den Staat zugefügt worden sei; Israel wurde daher empfohlen, ohne Verzögerung eine angemessene Entschädigung an die Opfer zu zahlen. Im Lichte des Ausmaßes des Angriffs auf eine kleine Gemeinschaft, wie die von Beit Hanoun, solle Israel zudem Entschädigung in Form eines Mahnmals für die Opfer leisten.2404 Mit Blick auf die menschenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Opfern vertrat die Mission die Auffassung, dass diese Verpflichtungen sowohl Israel als auch die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde treffen würden. Dabei sei allerdings Israel für die meisten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Daher wurde der israelische Staat von der Mission aufgerufen, seine menschenrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Ein Haupthindernis für den Genuss der Menschenrechte sei die Blockade Gazas, welche die Möglichkeiten für Einzelpersonen sich selbst und der eigenen Familie einen angemessenen Lebensstandard zu bieten und für die lokalen Behörden grundlegende Dienste für die Bevölkerung anzubieten beschränken würde. Als zentrales Element der Menschenrechtsverwirklichung in Gaza sah die Mission den Zugang der Opfer zur Gesundheitsversorgung an. Israel müsse die Behinderung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für die Opfer beenden, sei 2402 2403 2404
UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 75. UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 76. UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 78.
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es die Begrenzung der Einfuhr von medizinischen Gütern und von medizinischem Personal oder durch die Begrenzung der Möglichkeit der Opfer, Gaza zu verlassen und anderenorts um Gesundheitsversorgung nachzusuchen.2405 Aus Sicht der Mission stelle die effektivste und schnellste Möglichkeit zum Schutz von palästinensischen Zivilisten gegen weitere israelische Angriffe ein Bestehen auf der Respektierung der Rechtsstaatlichkeit und der Verantwortlichkeit dar.2406 An den Menschenrechtsrat und an andere Akteure mit Einfluss in der Konfliktregion gerichtet, sprach die Mission schließlich noch die Empfehlung aus, Menschenrechtsverletzungen zu Lasten von Einzelpersonen in Israel und den palästinensischen besetzten Gebieten anzugehen.2407 16. Weitere Entwicklungen der Lage in Darfur a) Historischer Hintergrund Auch im Jahr 2006 blieb die Lage der Menschenrechte in Darfur angespannt.2408 Allerdings konnte im nigerianischen Abuja am 5. Mai 2006, unter Führung des Chefvermittlers der Afrikanischen Union Salim Ahmed Salim, zwischen der sudanesischen Zentralregierung und der Rebellengruppe SLM/A das umfangreiche Darfur Peace Agreement2409 verabschiedet werden. Andere darfurische Rebellengruppe, insbesondere das JEM, unterzeichneten das Abkommen nicht. Daher hielt die Gewalt im Westen des Sudan weiter an. b) Einsetzung der Kommission Mit einem Brief vom 30. November 2006 ersuchte die Ständige Vertreterin Finnlands bei den Vereinten Nationen in Genf, auch im Namen der weiteren Unterzeichner der Briefs, den Menschenrechtsrat darum, eine Sondersitzung zur Menschenrechtslage in Darfur einzuberufen und zwar unmittelbar nach Abschluss von dessen dritter Sitzungsperiode.2410 Der Menschenrechtsrat befasste sich anlässlich seiner vierten Sondersitzung mit der Situation der Menschenrechte in Darfur. Der Verabschiedung einer Resolution hierzu ging zunächst ein Resolutionsentwurf einer größeren Anzahl westlicher Staaten2411 sowie von Algerien, für die afrikanische Staatengruppe, voraus.2412 Die 2405
UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 79. UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 80. 2407 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 81. 2408 Vgl. Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Darfur“. 2409 Abrufbar unter: http://peacemaker.un.org/sites/peacemaker.un.org/files/SD050505_ DarfurPeaceAgreement.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 2410 UN Doc. A/HRC/S-4/1 vom 4. Dezember 2006. 2411 UN Doc. A/HRC/S-4/L.1 vom 4. Dezember 2006. 2406
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Resolution S-4/101 zur Menschenrechtssituation in Darfur wurde schließlich am 13. Dezember 2006 vom Menschenrechtsrat im Konsens angenommen.2413 In der Resolution S-4/101, in welcher er zunächst seine Besorgnis über die Situation der Menschenrechte sowie die humanitäre Situation in Darfur geäußert und sowohl den Abschluss des Friedensabkommens für Darfur wie auch die Etablierung der Zusammenarbeit zwischen der Regierung des Sudan und den verschiedenen Menschenrechtsakteuren der Vereinten Nationen in Bezug auf Darfur willkommen geheißen hatte, beschloss der Menschenrechtsrat: „4. Decides to dispatch a High-Level Mission to assess the human rights situation in Darfur and the needs of the Sudan in this regard, comprising five highly qualified persons, to be appointed by the President of the Human Rights Council following consultation with the members of the Council; as well as the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Sudan; 5. Requests the Secretary-General and the United Nations High Commissioner for Human Rights to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable the High-Level Mission to fulfil its mandate promptly and efficiently, in coordination with the President of the Human Rights Council and also requests the latter to consult as appropriate with the concerned country; 6. Requests the High-Level Mission to report at its fourth session.“
In Übereinstimmung mit der Einsetzungsresolution durch den Menschenrechtsrat ernannte der Präsident des Rates eine fünfköpfige Untersuchungsmission für Darfur. Die Entscheidung hierüber wurde am 26. Januar 2007 bekannt gegeben. Die Missionsleitung wurde der US-amerikanischen Menschenrechtsaktivistin Jody Williams übertragen. Weitere Missionsmitglieder waren Bertrand Ramcharan aus Guyana, der über 32 Jahre Mitglied des Sekretariats der Vereinten Nationen gewesen war und eine Zeit lang als kommissarischer Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte gewirkt hatte, der estnische Politiker und Historiker Mart Nutt, der indonesische Diplomat Makarim Wibisono, der Diplomat Patrice Tonda aus Gabun sowie Sima Samar aus Afghanistan, Vorsitzende der dortigen Menschenrechtskommission. Das Missionsmitglied Wibisono beendete allerdings seine Tätigkeit für die Mission am 14. Februar 2007 und nahm daher nicht an der Vorbereitung und Erstellung des Abschlussberichts teil.2414 Die Untersuchungsmission wurde bei ihrer Tätigkeit von einem Team aus Mitgliedern des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte unterstützt.2415
2412
UN Doc. A/HRC/S-4/L.2 vom 6. Dezember 2006; UN Doc. A/HRC/S-4/L.3 vom 11. Dezember 2006. 2413 UN Doc. A/HRC/S-4/5 vom 22. Januar 2007, Rn. 25; der Gesamttext dieser Resolution ist dort wiedergegeben in: Rn. 22. 2414 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 2 sowie Annex II, S. 29. 2415 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 2.
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c) Durchführung der Untersuchung Die Mission führte die Untersuchung hinsichtlich der Situation in Darfur vom 5. Februar bis zum 15. März 2007 durch.2416 Dabei entschied die Mission selbst, dass eine Gesamtwürdigung der Menschenrechtslage in Darfur nicht erforderlich sei, da hierzu schon ausreichendes Dokumentationsmaterial existieren würde. Ziel der Missionstätigkeit war es daher, die zum damaligen Zeitpunkt gegenwärtige Menschenrechtslage aus einer informierten Perspektive darzustellen, wobei so viele Quellen wie möglich erschlossen werden sollten.2417 Der Zeitraum für die Untersuchung wurde daher von Januar 2005 bis März 2007 veranschlagt.2418 Die Missionsarbeit begann mit Sitzungen vom 5. bis zum 9. Februar 2007 in Genf mit der Arbeitsplanung.2419 Die Hauptarbeit in Genf bestand in der Durchführung einer Reihe von Konsultationen und Beratungen mit verschiedenen Akteuren aus den Vereinten Nationen, von Internationalen Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen.2420 Die Mission kam zu Treffen mit diversen Experten aus dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mit dem Sonderberater der Vereinten Nationen für die Verhinderung von Völkermord, mit dem Präsidenten des Menschenrechtsrates, mit Vertretern des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und des Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe, der Europäischen Union und der Afrikanischen Union sowie von Human Rights Watch, Amnesty International, vom Norwegian Refugee Council, vom Darfur Relief and Documentation Centre, vom International Centre for Transitional Justice, von der International Crisis Group sowie mit dem Präsidenten und Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und mit weiteren Personen zusammen.2421 Darüber hinaus traf die Missionsleitung drei Mal mit dem diplomatischen Vertreter des Sudan in Genf zusammen.2422 Die Mission beschloss insgesamt drei Staaten zu besuchen. Wichtigstes Reiseziel war hierbei der Sudan selbst. Die Untersuchungsmission wollte in dessen Hauptstadt Khartum mit führenden Offiziellen der sudanesischen Regierung, mit Vertretern der Vereinten Nationen und der Mission der Afrikanischen Union im Sudan zusammenkommen und Treffen mit Repräsentanten der sudanesischen Zivilgesellschaft abhalten. Von einem Besuch der Darfur-Region selbst versprach sich die Mission Treffen mit Opfern und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen sowie mit Vertretern der dort maßgeblichen Akteure. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba wollten die Missionsmitglieder mit hochrangigen Vertretern der dort ansässigen 2416 2417 2418 2419 2420 2421 2422
UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Annex II, S. 29. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 3. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 4. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 5 sowie Annex III, S. 30 f. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 5. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 13 sowie Annex III, S. 30 f. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 13 sowie Annex III, S. 30 f.
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Afrikanischen Union zusammenkommen. Drittes Reiseziel war der Tschad. Da im Osten dieses Staates besonders viele darfurische Flüchtlinge lebten, versprach sich die Mission hier direkt mit Zeugen und Opfern von Menschenrechtsverletzungen sprechen zu können.2423 Vor der Abreise der Untersuchungsmission nach Afrika beantragte diese zur Einreise in die drei Staaten jeweils Visa.2424 Während diese vom Tschad und von Äthiopien gewährt wurden, verhielt sich der Sudan gänzlich unkooperativ und gewährte die beantragten Visa nicht. Da die sudanesischen Behörden auch weitere Anträge nicht positiv beschieden, konnte die geplante Feldarbeit der Mission in Khartum und in Darfur selbst nicht geleistet werden.2425 Die Verweigerungen erfolgten trotz der Zusage des sudanesischen Präsidenten an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, dass der Sudan vollständig mit der Untersuchungsmission kooperieren würde.2426 Vom 10. bis zum 14. Februar 2007 hielten sich die Mitglieder der Untersuchungsmission in Addis Abeba auf.2427 Dort wurde die Mission durch Vertreter der Afrikanischen Union und unter Führung des Kommissars für Frieden und Sicherheit mit Blick auf die Lage in Darfur unterrichtet. Weiterhin wurden Gespräche mit Einzelpersonen aus Darfur geführt, unter ihnen der ehemalige Gouverneur der Region und der Leiter einer darfurischen Menschenrechtsorganisation. Daneben kam es noch zu Treffen mit Vertretern der Wirtschaftskommission für Afrika und verschiedenen anderen Vertretern der Vereinten Nationen.2428 Am 15. Februar 2007 begab sich die Untersuchungsmission in den Tschad.2429 In dessen Hauptstadt N’Djamena traf die Mission mit Mitgliedern des dortigen Landesteams der Vereinten Nationen sowie mit Repräsentanten zweier darfurischer Rebellenbewegungen zusammen. Weiterhin hatte die Mission Gelegenheit, mit dessen Anwälten den Fall von Suleiman Jamous zu besprechen, einem Koordinator für humanitäre Hilfe in Darfur, der im Jahr 2006 festgenommen worden war. Im Anschluss an ihren Aufenthalt in N’Djamena begab sich die Untersuchungsmission in die nordosttschadische Stadt Abéché,2430 wo Diskussionen mit Vertretern des United Nations Children’s Fund, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge sowie mit dem Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten geführt wurden. Hierbei ging es insbesondere um die Arbeit dieser Stellen der Vereinten Nationen mit Flüchtlingen aus Darfur und auch Tschadern, die aus ihrer 2423 2424 2425 2426 2427 2428 2429 2430
UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 6. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 10 ff. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 9. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Annex III, S. 32. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 14 sowie Annnex III, S. 32. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Annnex III, S. 32. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Annnex III, S. 33.
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Heimat durch Übergriffe von aus Darfur stammenden Milizen vertrieben worden waren.2431 Weiterhin besuchte die Untersuchungsmission die beiden Flüchtlingslager Gaga und Breidjing im Osten des Tschad.2432 In dem im Mai 2005 eröffneten Flüchtlingslager Gaga lebten zum Zeitpunkt des Missionsbesuchs 13.000 Menschen aus Darfur. Für ihre Arbeit in dem Lager teilte sich die Mission in drei Gruppen auf. Jeder der Gruppen wurde ein Befragungsbereich zugewiesen, um Menschenrechtsverletzungen nachzugehen: Eine Gruppe sprach mit Flüchtlingen, die einen Querschnitt der in dem Lager lebenden Menschen bildeten. Die beiden anderen Gruppen kümmerten sich um Flüchtlinge, die zuvor Folter zu erdulden gehabt hatten beziehungsweise um weibliche Flüchtlinge.2433 In dem ebenfalls im Mai 2005 eröffneten Flüchtlingslager Breidjing, welches zum Zeitpunkt des Besuchs durch die Untersuchungsmission mehr als 29.000 Menschen beherbergte, ging die Mission in ähnlicher Weise vor. Dort traf sie zunächst mit einer sowohl aus Männern als auch Frauen bestehenden Gruppe von 70 Personen zusammen, in der Anführer des Flüchtlingslagers und Bewohner desselben vertreten waren. Nach dieser Zusammenkunft teilte sich die Mission erneut in drei Gruppen auf, wobei je eine Gruppe ausschließlich weibliche und die andere ausschließlich männliche Gewaltopfer befragte. Einer dritten Gruppe fiel erneut die Aufgabe der Führung von Gesprächen mit einer Querschnittsgruppe von Einwohnern des Flüchtlingslagers zu.2434 Während beider Besuche hörte die Mission Berichte über Ereignisse, die von ihr als Menschenrechtsverletzungen eingestuft wurden.2435 Weiterhin wurde von der Untersuchungsmission eine Reihe von Dokumenten eingesehen.2436 Die wichtigsten Dokumente wurden hierbei von den Vereinten Nationen, vom Internationalen Strafgerichtshof sowie von der Afrikanischen Union gestellt. Daneben erhielt die Mission noch Dokumente von verschiedenen Akteuren, mit denen sie zusammengetroffen war und korrespondiert hatte, insbesondere von mit Menschenrechten und humanitärer Hilfe befassten Stellen und Nichtregierungsorganisationen.2437
2431
UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 15 sowie Annnex III, S. 33. UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 16 f. sowie Annnex III, S. 33. 2433 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 16. 2434 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 17 sowie Annex III, S. 33. 2435 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 17. 2436 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 18. Die Liste der Schlüsseldokumente, welche die Mission ausgewertet hat, findet sich in diesem Dokument als Annex IV, S. 35 ff. 2437 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 18. 2432
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d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungsmission2438 umfasste 77 Randnummern und war in sieben Abschnitte unterteilt. Nach der Einleitung2439, in der Angaben zu Mandat, Missionsmitgliedern und zur Arbeitsweise der Mission zu finden waren, war der zweite Abschnitt2440 einem Überblick über die Lage in Darfur gewidmet. Das dritte Kapitel2441 war der Friedensvereinbarung für Darfur, der darauffolgenden Gewalt und der Schutzverantwortung gewidmet. Im vierten Berichtsabschnitt2442 wurden die Handlungen des Sudan im Hinblick auf die Schutzverantwortung näher beleuchtet und im fünften Abschnitt2443 die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft. Im sechsten Abschnitt2444 legte die Mission die Bedürfnisse im Hinblick auf Darfur dar. Der Abschlussbericht schloss mit dem siebten Abschnitt,2445 in dem Schlussfolgerungen und Empfehlungen enthalten waren. bb) Die Untersuchungsmission kam zu dem Ergebnis,2446 dass die Menschenrechtssituation in Darfur zum damaligen Zeitpunkt sehr ernst gewesen sei. Ihren Auftrag aus Punkt 4 der Resolution S-4/101 des Menschenrechtsrates „(…) to assess the human rights situation in Darfur (…)“ legte die Mission weit aus, und bezog nicht nur Menschenrechtsverpflichtungen, sondern auch das humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht mit in ihre Bewertung der Situation in der Region im Westen des Sudan ein. Die Mission gelangte zu der Auffassung, dass die Situation von schweren und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und gravierenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet sei. In der gesamten Region würden zudem Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Dabei ging die Mission davon aus, dass in Darfur ein „internal armed conflict“ herrsche. Die Verletzungen der völkerrechtlichen Standards gingen dabei vor allem von Seiten der sudanesischen Regierung und der mit ihr verbündeten Janjaweed-Milizen aus. Die Hilfe von Seiten der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union sei unzureichend und ineffektiv geblieben. Hinsichtlich des zweiten Untersuchungsschwerpunkts aus Abs. 4 des operativen Teils der Resolution S-4/101, nämlich die Bedürfnisse des Sudan im Hinblick auf die Menschenrechtssituation in Darfur zu untersuchen, kam die Mission zu vielfältigen Ergebnissen. Zu den Bedürfnissen zählte die Mission dabei unter anderem den sofortigen und effektiven Schutz von Zivilisten, die Erneuerung des Friedensprozesses, erhöhte Verantwort2438 Report of the High-Level Mission on the situation of human rights in Darfur pursuant to Human Rights Council decision S-4/101, UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007. 2439 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 1 ff. 2440 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 24 ff. 2441 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 30 ff. 2442 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 38 ff. 2443 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 58 ff. 2444 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 68 ff. 2445 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 76 f. 2446 UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 76.
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lichkeit für die Täter der genannten Verbrechen, Maßnahmen, um die Ursachen des Konflikts in Darfur anzugehen, Entschädigung und Wiedergutmachung für die Opfer sowie die Implementierung der zahlreichen Empfehlungen, die im Laufe der Zeit von den verschiedenen internationalen Menschenrechtsgremien ausgesprochen worden seien. Letztlich stellte die Mission noch fest, dass es die Regierung des Sudan versäumt habe, die Bevölkerung von Darfur vor großangelegten internationalen Verbrechen zu schützen, zudem habe die sudanesische Regierung diese Verbrechen sogar selbst angeordnet und an ihnen teilgenommen. Daher sei es nunmehr die evidente und dringende Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft die „Responsibility to Protect“ auszuüben. cc) Die Untersuchungsmission gab Empfehlungen an vier Akteure ab: an den Menschenrechtsrat, an die Regierung des Sudan, an die bewaffneten Rebellengruppen sowie an die internationale Gemeinschaft.2447 Dem Menschenrechtsrat wurde empfohlen, mit der Situation in Darfur befasst zu bleiben und die Menschenrechtsverletzungen dort zu verurteilen und die von der Untersuchungsmission ausgemachten Bedürfnisse von der sudanesischen Regierung einzufordern. Weiterhin wurde dem Menschenrechtsrat empfohlen, einen eigenen Mechanismus zur Berichterstattung über die Menschenrechtslage im Sudan zu schaffen, der auch die Implementierung der verschiedenen Empfehlungen der Menschenrechtsmechanismen der Vereinten Nationen sowie aus den diversen Berichten zu der nämlichen Situation überwachen solle. Die letzte an den Menschenrechtsrat gerichtete Empfehlung enthielt die Aufforderung, den Sudan zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtskommission aufzufordern. An die sudanesische Regierung erging zunächst die Aufforderung, bei der Einsetzung einer Peacekeeping- beziehungsweise Schutzmission der Vereinten Nationen in Bezug auf Darfur zu kooperieren, günstige Arbeitsbedingungen für internationale Hilfe für Darfur zu schaffen und mit dem Internationalen Strafgerichtshof, der aufgrund der Überweisung durch die Sicherheitsratsresolution 1593 (2005) vom 31. März 2005 bereits mit der Situation in Darfur2448 befasst war, zusammenzuarbeiten. Weiterhin wurde dem Sudan empfohlen, seine Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht sowie aus den verschiedenen politisch bindenden Vereinbarungen hinsichtlich des Darfur-Konflikts einzuhalten. Außerdem solle die sudanesische Regierung dafür Sorge tragen, dass alle Gesetze und Politiken mit der Übergangsverfassung des Sudan und internationalen Menschenrechtsstandards in Übereinstimmung gebracht würden, sowie dafür, dass ein gesetzlicher Rahmen und demokratische Institutionen geschaffen sowie freie und faire Wahlen abgehalten würden. Darüber hinaus wurde die Regierung aufgefordert, Politiken und Programme ins Werk zu setzten, die die jahrzehntelange Diskriminierung und sozioökonomische wie kulturelle Marginalisierung der Bevölkerung umkehren könnten. In ihrer letzten Empfehlung riet die Un2447 2448
UN Doc. A/HRC/4/80 vom 9. März 2007, Rn. 77. UN Doc. S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005.
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tersuchungsmission, mit den verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft in eine nationale Konferenz für Frieden, Menschenrechte und eine gemeinsame Vision für den Sudan einzutreten. An die bewaffneten Rebellengruppen erging die Empfehlung, dass sie das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte beachten sollten sowie weiterhin, dass alle Gruppen den Frieden anstreben sollten. Der internationalen Gemeinschaft unterbreitete die Untersuchungsmission Empfehlungen als Ganzes, sprach aber einige ihrer Teile auch direkt an. So wurde zunächst dem Sicherheitsrat empfohlen, dringend (weitere) Maßnahmen zu ergreifen, um einen effektiven Schutz der Zivilbevölkerung in Darfur sicherzustellen, einschließlich der Entsendung einer Schutz- und Peacekeeping-Truppe der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union sowie der Unterstützung für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes in der Angelegenheit. Zudem sollten alle Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und des Friedensund Sicherheitsrates der Afrikanischen Union vollends implementiert werden, die im Hinblick auf die Situation in Darfur gegen den Sudan erlassen worden seien, dabei auch diejenigen Resolutionen, in denen Reisebeschränkungen gegen verantwortliche Einzelpersonen verhängt worden seien und das Einfrieren von Konten von solchen Personen bestimmt worden sei. Der Generalversammlung wurde empfohlen, eine zu veröffentlichende und aktuell zu haltende Liste ausländischer Unternehmen anzulegen, deren Aktivitäten einen nachteiligen Einfluss auf die Menschenrechtssituation in Darfur hätten. Den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde zum einen empfohlen, die gegenüber den anderen Akteuren empfohlenen Maßnahmen zu unterstützen und zu finanzieren, sowie darauf vorbereitet zu sein, Einzelpersonen, die der Verübung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur verdächtigt würden, auf Grundlage des Weltrechtsprinzips vor ihren nationalen Gerichten zu verfolgen. Der internationalen Gemeinschaft als Ganzes wurde empfohlen, einen einheitlichen Ansatz mit Blick auf die Lage in Darfur zu entwickeln und die der sudanesischen Regierung vorgeschlagene nationale Konferenz für Frieden, Menschenrechte und eine gemeinsame Vision für den Sudan zu fordern und zu unterstützen. Zuletzt wurde der internationalen Gemeinschaft noch empfohlen, eine regionale Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union zu organisieren, an der auch alle Nachbarstaaten des Sudan sowie weitere von der Situation betroffene Staaten teilnehmen sollten, und die der Verbreitung von Frieden und Menschenrechten in der Region dienen solle. 17. Israelische Militäraktionen in Gaza a) Historischer Hintergrund Um die Jahreswende 2008/2009 kam es zu einer militärischen Konfrontation zwischen Israel und verschiedenen militanten Gruppen, vor allem der Hamas, im
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Gebiet von Gaza.2449 Nach israelischer Darstellung war der Grund für die Operation „Gegossenes Blei“ der jahrelang anhaltende Beschuss mit Kassam- und KatjuschaRaketen aus dem Gazastreifen; von dem Beschuss war insbesondere der Süden Israels betroffen. Die ersten Luftangriffe begannen am Vormittag des 27. Dezembers 2008. Hierbei wurden etwa Waffendepots und Ausbildungslager sowie Raketenfertigungsstätten der Hamas bombardiert. Es kam aber auch zu Angriffen etwa auf die Islamische Universität in Gaza-Stadt am 29. Dezember 2008. Israel begründete diese Attacken damit, dass eine Bombenwerkstatt in der Universität untergebracht sei. Die israelischen Seestreitkräfte blockierten die Küste von Gaza und beschossen von ihren Schiffen im Mittelmeer aus ebenfalls Ziele. Am 3. Januar 2009 griffen auch israelische Bodenstreitkräfte in die Kämpfe ein und rückten über die Grenze in den Gazastreifen mit mechanisierter Infanterie und mit Unterstützung von Geschützen und Kampfhubschraubern vor. Es wurden auch Häuser, Moscheen und Tunnel, durch die Kämpfer den Süden Israels zuvor verschiedentlich infiltriert hatten, angegriffen. Etliche Hamas-Kämpfer wurden gefangen genommen. In Folge der Bodenoffensive verschlechterte sich die humanitäre Lage in Gaza zusehends. Auch Schulen waren von den Angriffen betroffen. Aufrufe zu einem Waffenstillstand, etwa durch die Sicherheitsratsresolution 1860 (2009) vom 8. Januar 20092450 oder die Europäische Union, blieben ergebnislos. Die Kämpfe nahmen tatsächlich an Heftigkeit zu. Inzwischen hatten auch die Hisbollah aus dem südlichen Libanon heraus Israel mit Raketen beschossen. Im Westjordanland kam es zu gewaltsamen Protesten gegen das israelische Vorgehen in Gaza. Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung konnten zum Teil nicht nach Gaza hineingelangen, andere Hilfslieferungen wurden hingegen von Israel in das umkämpfte Gebiet gelassen. 2449 Hierzu und zum Folgenden T. G. Fraser, The Arab-Israeli Conflict, S. 201 ff.; Matt M. Matthews, in: Scott C. Farquhar (Hrsg.), Back to Basics: A Study of the Second Lebanon War and Operation CAST LEAD, S. 1 (24 ff.); Laurie R. Blank, Yearbook of International Humanitarian Law 12 (2009), S. 347 ff.; ders., Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 279 ff.; Richard Falk, Global Governance 16 (2010), S. 173 ff.; Richard Goldstone, European Human Rights Law Review 2 (2010), S. 125 ff.; Ed Morgan, Global Governance 16 (2010), S. 160 ff.; Dinah PoKempner, Global Governance 16 (2010), S. 144 ff.; Nigel S. Rodley, Global Governance 16 (2010), S. 191 ff.; Nicholas Rostow, Israel Yearbook on Human Rights 40 (2010), S. 275 ff.; William A. Schabas, Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 307 ff.; Melina Sterio, Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 229 ff.; Christian Tams, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 243 (244 ff.); Joshua L. Kessler, Military Law Review 209 (2011), S. 69 ff.; Jean-Phillipe Kot, Leiden Journal of International Law 24 (2011), S. 961 ff.; Alon Maraglit, Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law 15 (2011), S. 79 ff.; Zeray Yihdego, Melbourne Journal of International Law 18 (2012), S. 158 ff. sowie Amnesty International, Israel/Gaza – Operation ,Cast Lead‘: 22 Days of Death and Destruction, Dokumentennummer: MDE 15/015/2009 vom 2. Juli 2009 und UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009. 2450 UN Doc. S/RES/1860 (2009) vom 8. Januar 2009.
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Am 17. Januar 2009 stimmte das israelische Sicherheitskabinett für eine Waffenruhe. Am Folgetag gab ein Sprecher der Hamas bekannt, dass die militante Organisation und ihre Verbündeten den Waffen schweigen gebieten würden. Die israelischen Truppen begannen in der Folge den Rückzug aus dem Gazastreifen. In den folgenden Tagen kam es noch zu einzelnen Gefechten zwischen den beiden Parteien. Letztlich endete damit ein Konflikt, in dem die schwersten Luftangriffe im Nahen Osten seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 geflogen worden waren. Der Beschuss von Israel mit Raketen durch radikale und militante palästinensische Gruppen endete zunächst. In Gaza wurden zahlreiche Gebäude und Infrastruktureinrichtungen zerstört. Die israelischen Streitkräfte hatten zehn Tote zu beklagen, davon vier durch eigenes Feuer; drei israelische Zivilisten verloren ihr Leben. 336 israelische Soldaten wurden verletzt, ebenso 182 israelische Zivilpersonen. Die Angaben über die Opfer auf palästinensischer Seite schwanken. Es sollen zwischen 1.166 und 1.417 Personen getötet und mehr als 5.000 verwundet worden sein. 120 Palästinenser wurden von den israelischen Streitkräften gefangen genommen. Bei all diesen Zahlen ist unklar, wie viele dieser Personen jeweils Kämpfer und wie viele Zivilpersonen waren. Beiden Konfliktparteien wurden verschiedene Vorwürfe in Bezug auf ihr Verhalten während der Kampfhandlungen gemacht. So hielt Israel der Hamas vor, mit ihrem Raketenbeschuss zivile Ziele im Süden Israels anzugriefen. Außerdem habe die Hamas menschliche Schutzschilde benutzt und für ihre Stellungen bewusst zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser ausgewählt. Israel wurde hingegen eine überzogene Gewaltanwendung vorgeworfen. Diese habe sich etwa in den massiven Angriffen auf zivile Ziele ausgedrückt oder auch in der Verwendung des gefährlichen Weißen Phosphors. Auch wurde den israelischen Streitkräften vorgehalten, dass ihre Warnungen an die Zivilbevölkerung vor Angriffen, etwa durch SMS, nicht effektiv und zu spät erfolgt seien. b) Einsetzung der Kommission Die Situation hinsichtlich der israelischen Militäraktionen im Gazastreifen beschäftigte den Menschenrechtsrat seit dem 6. Januar 2009. An diesem Tag ersuchten der Ständige Vertreter Ägyptens bei den Vereinten Nationen in Genf, als Vorsitzender der Gruppe arabischer Staaten und als Koordinator der Gruppe der afrikanischen Staaten, der Ständige Vertreter Pakistans, auch als Koordinator der Organisation der Islamischen Konferenz, und der Ständige Vertreter Kubas als Vorsitzender der Staaten der Blockfreien Bewegung, in einer Verbalnote darum, eine Sondersitzung des Menschenrechtsrates anzuberaumen. Das Thema der Sitzung sollte dabei „The Grave Violations of Human Rights in Occupied Palestinian Territory including the recent aggression of the occupied Gaza Strip“ sein. Dieses Ersuchen wurde von 29 Staaten unterstützt.2451 Daraufhin fand am 12. Januar 2009 die neunte Sondersitzung
2451
Vgl. die Mitteilung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte
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des Menschenrechtsrates statt, auf der von Ägypten, Kuba und Pakistan ein Resolutionsentwurf zur Lage in den Palästinensergebieten vorgelegt wurde.2452 Der Entwurf wurde als Resolution S-9/1 vom Menschenrechtsrat angenommen, wobei es 33 Ja-Stimmen, eine Nein-Stimme sowie 13 Enthaltungen gab.2453 In der Resolution gab es eine Reihe von Aufrufen gegenüber Israel, seine Politik und sein aktuelles militärisches Vorgehen gegen die Palästinenser zu ändern beziehungsweise zu beenden. In Bezug auf die Entsendung einer Untersuchungsmission hieß es in der Resolution: „14. Decides to dispatch an urgent, independent international fact-finding mission, to be appointed by the President of the Council, to investigate all violations of international human rights law and international humanitarian law by the occupying Power, Israel, against the Palestinian people throughout the Occupied Palestinian Territory, particularly in the occupied Gaza Strip, due to the current aggression, and calls upon Israel not to obstruct the process of investigation and to fully cooperate with the mission; 15. Requests the Secretary-General and the High Commissioner to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable (…) the fact-finding mission to fulfil their mandates promptly and efficiently;“
Das Mandat der Untersuchungsmission wurde durch den Präsidenten des Menschenrechtsrates bei der Errichtung der Mission präzisiert. Dabei wurde vor allem der zeitliche Fokus der Untersuchung verengt. Das Mandat solle sich darauf beziehen: „(…) to investigate all violations of international human rights law and international humanitarian law that might have been committed at any time in the context of the military operations that were conducted in Gaza during the period from 27 December 2008 and 18 January 2009, whether before, during or after“.2454 Die Mission zum Gaza-Konflikt von 2008/2009 wurde vom Präsidenten des Menschenrechtsrates am 3. April 2009 mit vier Personen besetzt. Zum Vorsitzenden der Mission wurde Richard Goldstone bestimmt, der zuvor Richter am südafrikanischen Verfassungsgericht sowie Ankläger bei den internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda gewesen war.2455 Daneben wurden noch die britische Völkerrechtsprofessorin Christine Chinkin, wie bereits bei der vom 9. Januar 2009, abrufbar unter: http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/ SpecialSession/Session9/CorrNV9thSpecialSession.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 2452 UN Doc. A/HRC/S-9/L.1 vom 12. Januar 2009. 2453 UN Doc. A/HRC/S-9/2 vom 12. Januar 2009, S. 3 ff. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Angola, Argentinien, Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Bolivien, Brasilien, Burkina Faso, Chile, China, Djibouti, Gabun, Ghana, Indien, Indonesien, Jordanien, Katar, Kuba, Madagaskar, Malaysia, Mauritius, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Russische Föderation, Sambia, Saudi-Arabien, Senegal, Südafrika und Uruguay, Kanada stimmte gegen die Resolution, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kamerun, Niederlande, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Südkorea, Ukraine und Vereinigtes Königreich enthielten sich, UN Doc. A/HRC/S-9/2 vom 12. Januar 2009, S. 6. 2454 UN Doc. A/HRC/12/48 von 25. September 2009, Rn. 1. 2455 Zu dessen persönlicher Sichtweise auf die Missionsarbeit siehe Richard J. Goldstone, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 46 ff.
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Darfur-Kommission Hina Jilani sowie Oberst Desmond Travers, ehemaliger Offizier in den Streitkräften von Irland und Mitglied des Vorstandes des Institute for International Criminal Investigations, in die Mission berufen.2456 In organisatorischer Hinsicht wurde die Gaza-Mission durch ein Sekretariat bei ihrer Arbeit unterstützt, welches vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte errichtet wurde.2457 Obwohl die fachliche Qualifikation und die Erfahrung der Mitglieder in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand außer Frage standen, fiel doch der Schatten der Befangenheit auf die Mission.2458 Dieser betraf das Missionsmitglied Chinkin. Die Nichtregierungsorganisation UN Watch, welche sich in kritischer Weise mit den Aktivitäten der Vereinten Nationen auseinandersetzt, forderte die Professorin am 20. August 2009 auf, sich aus der Gaza-Untersuchungsmission zurückzuziehen.2459 Grund für diese Aufforderung war ein offener Brief mehrerer Völkerrechtler, darunter Chinkin, der in der britischen Zeitung „The Sunday Times“ erschienen war. In diesem Brief wurde Israel als Aggressor im Gaza-Konflikt von 2008/2009 qualifiziert und der israelischen Seite wurden Kriegsverbrechen vorgeworfen.2460 Chinkin verblieb trotz der Aufforderung seitens UN Watch in der Mission. Anzeichen dafür, dass sie während der Missionsarbeit voreingenommen gegenüber Israel agiert hätte, gab es in der Folge keine. Trotzdem stand der Vorwurf der Voreingenommenheit eines Mitglieds der Mission weiterhin im Raum.2461
2456
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 131 f. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 133. 2458 Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (200 f.). 2459 UN Watch, Request to Disqualify Prof. Christine Chinkin from UN Fact Finding Mission on the Gaza Conflict vom 20. August 2009; abrufbar unter: http://www.unwatch.org/ atf/cf/%7B6DEB65DA-BE5B-4CAE-8056-8BF0BEDF4D17%7D/2207UN_Watch_Request_ to_Disqualify_Christine_Chinkin_from_UN_Goldstone_Mission_on_Gaza,_20_August_2009. pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 2460 The Sunday Times vom 11. Januar 2009, S. 16. Auszugsweise war Folgendes in dem Brief, der die Überschrift „Israel’s bombardement of Gaza is not self-defence – it’s a war crime“ trug, zu lesen: „(…) Israel’s actions amount to aggression, not self-defence, not least because its assault on Gaza was unnecessary. (…) In addition, the blockade of humanitarian relief, the destruction of civilian infrastructure, and preventing access to basic necessities such as food and fuel, are prima facie war crimes. (…).“ Insoweit unzutreffend Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 188, die meinen, in dem Brief sei es lediglich um das ius ad bellum Israels gegangen, und dass der Brief keine Hinweise zu Menschenrechten und zum humanitären Völkerrecht enthalten würde. 2461 Vgl. Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (201); kritisch auch Christian Tams, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 243 (244). 2457
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c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungsmission nahm ihre Tätigkeit am 4. Mai 2009 auf.2462 Sie entschied, dass völkerrechtliche Verstöße gegenüber der Zivilbevölkerung in den Fokus der Untersuchung gerückt werden sollten.2463 Weiterhin legte die Mission ihr Mandat, entgegen dem Wortlaut, der nur auf Israel bezogen war, so aus, dass Aktionen aller Konfliktparteien untersucht würden, welche möglicherweise Verstöße gegen Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes oder des humanitären Völkerrechts darstellen könnten. Dabei würden sowohl Aktionen in den gesamten besetzten palästinensischen Gebieten als auch in Israel betrachtet werden.2464 Neben den Überlegungen zur geographischen Reichweite des Mandats stellte die Untersuchungsmission auch Überlegungen hinsichtlich der temporären Reichweite an. Die Mission entschied hierzu, sich auf solche Ereignisse zu konzentrieren, die seit dem 19. Mai 2008, dem Tag der Verabredung einer Waffenruhe zwischen der israelischen Regierung und der Hamas, geschehen waren. Außerdem wurden durch die Mission auch solche Ereignisse in den Blick genommen, die nach dem Ende der militärischen Operationen stattfanden, aber gleichwohl als Konsequenz aus diesen Operationen fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen beziehungsweise Verletzungen des humanitären Völkerrechts darstellen könnten. Die Betrachtung endete allerdings mit dem 31. Juli 2009.2465 Den normativen Rahmen der Untersuchung zog die Mission ebenfalls weit. Sie ließ in ihre Betrachtung nicht nur Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht einfließen, sondern vielmehr auch das Völkerstrafrecht sowie allgemeines Völkerrecht.2466 Die Untersuchungsmission entschied, zur Beschaffung von Informationen und Meinungen mit einem inklusiven Ansatz zu arbeiten, um so eine Vielzahl von Quellen zu erschließen. Zu den Arbeitsmethoden der Mission gehörten die Durchsicht von Berichten aus verschiedenen Quellen, die Durchführung von Befragungen mit Opfern, Zeugen und anderen Personen, die über relevante Informationen verfügten, Vor-Ort-Besuche in Gaza an Orten, an denen sich bestimmte Ereignisse zugetragen hatten, die für die Untersuchung als wichtig erschienen, die Analyse von Video- und Fotomaterial einschließlich von Satellitenbildern, die Durchsicht von Krankenakten und Berichten hinsichtlich der Verletzungen von Opfern, die forensische Analyse von Waffen- und Munitionsresten, die an den besichtigten Orten eingesammelt wurden, Treffen mit einer Reihe von verschiedenen Gesprächspartnern, die Aussprache von Einladungen, an die Untersuchungsmission relevante Informationen zu übersenden, ein öffentlicher Aufruf zur Beibringung schriftlicher Eingaben und schließlich öffentliche Anhörungen in Gaza und in Genf.2467 2462 2463 2464 2465 2466 2467
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 138. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 136. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 152. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 153. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 155. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 162.
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Vom 4. bis zum 8. Mai 2009 hielt die Untersuchungsmission ihr erstes Arbeitstreffen in Genf ab. Weitere Treffen fanden dort am 20. Mai, am 4. und 5. Juli 2009 sowie vom 1. bis zum 4. August statt.2468 Auch wurde eine Verbalnote mit dem Ersuchen um die Zurverfügungstellung von relevanten Informationen am 7. Mai 2009 an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie an die verschiedenen Organe und Gremien der Weltorganisation versandt. Am 8. Juni 2009 folgte der öffentliche Aufruf der Mission an alle interessierten Personen und Organisationen, ihre Informationen und Dokumente zur Verfügung zu stellen, welche die Implementierung des Mandates befördern könnten. Die Aufrufe hatten Erfolg. Die Mission bekam eine Fülle von Material von verschiedenen Personen, Staaten und Organisationen übersandt.2469 Die Untersuchungsmission unternahm zudem insgesamt drei Feldmissionen. Vom 30. Mai bis zum 6. Juni 2009 und nochmals vom 25. Juni bis zum 1. Juli 2009 besuchte sie den Gazastreifen. Am 2. und 3. Juli 2009 besuchte sie zudem die Hauptstadt von Jordanien, Amman. Weiterhin wurden einige Mitarbeiter des Missionssekretariats im Zeitraum vom 22. Mai bis zum 4. Juli 2009 in Gaza stationiert, um dort Ermittlungen im Feld vorzunehmen.2470 Durch die Feldmissionen wurde es der Mission ermöglicht, sich aus erster Hand Eindrücke von dem Geschehenen zu verschaffen und mit Zeugen und anderen relevanten Personen zu sprechen.2471 Die Mission versuchte wiederholt, allerdings erfolglos, für die Implementierung des Mandats die Zusammenarbeit mit Israel sicherzustellen.2472 In Anbetracht des einseitigen Mandates der Mission verwundert dies nicht.2473 Von Seiten der israelischen Regierung verweigerte man der Untersuchungsmission ein Treffen. Um in den Gazastreifen zu gelangen, wandte sich die Mission daher schließlich an die Regierung Ägyptens und konnte so von dort aus in das kleine Gebiet am Mittelmeer gelangen.2474 Eine weitere Schwierigkeit, die durch die Nichtkooperation Israels für die Mission entstand, war der Umstand, dass sie auch nicht in das Westjordanland einreisen konnte. Daher war es ihr nicht möglich, sich dort mit Angehörigen der Palästinensischen Autonomiebehörde zu treffen. Entsprechende Treffen fanden dann allerdings in Amman statt.2475 Die von der Mission durchgeführten öffentlichen Anhörungen fanden am 28. und am 29. Juni 2009 in Gaza sowie am 6. und 7. Juli 2009 in Genf statt.2476 Den Zweck 2468
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 139. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 140. 2470 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 139. 2471 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 163. 2472 Der Briefwechsel zwischen der Untersuchungsmission und der Regierung von Israel ist in: UN Doc. A/HRC/12/48 von 25. September 2009 als Annex II, S. 434 ff. wiedergegeben. 2473 Siehe auch Christian Tams, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 243 (244). 2474 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 163. 2475 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 164 f. 2476 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 141. 2469
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der Anhörungen, von denen es Live-Übertragungen gab, bestand neben der Informationsgewinnung auch darin, es zu ermöglichen, dass Opfer, Zeugen und Experten von allen Seiten des Konflikts direkt von Menschen in der betroffenen Region sowie von der internationalen Gemeinschaft gehört werden konnten. Die Mission legte bei der Auswahl der angehörten Personen den Schwerpunkt auf Opfer sowie auf andere Personen aus den von den Kampfhandlungen betroffenen Gebieten. Insgesamt wurden 38 öffentliche Aussagen gehört, die tatsächliche, militärische und rechtliche Fragen betrafen. Die Personen, die in Genf ihre Aussagen tätigten, sollten ursprünglich in Israel und im Westjordanland angehört werden. Die Mission verlegte allerdings die dort geplanten Anhörungen in die Schweiz, nachdem Israel den Zugang zu diesen Gebieten verweigert hatte. Die Teilnahme an den Anhörungen geschah auf freiwilliger Basis.2477 Insgesamt wurden durch die Mission 188 persönliche Befragungen durchgeführt. Weiterhin sah sie mehr als 300 Berichte, Eingaben und sonstige Dokumente durch, welche sie entweder selbst recherchiert oder von Dritten bei verschiedenen Gelegenheiten erhalten hatte. So kamen insgesamt mehr als 10.000 Seiten Papier sowie mehr als 30 Videos und 1.200 Fotografien zusammen.2478 Die Mission hielt zudem eine Vielzahl von Treffen mit Vertretern aus der Diplomatie, von palästinensischen Behörden, von den Vereinte Nationen, von anderen Internationalen Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen und von palästinensischen Menschenrechtsorganisationen ab.2479 Zur ersten Gruppe zählten Angehörige der diplomatischen Gemeinschaft im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem sowie Repräsentanten der Ständigen Vertretungen beziehungsweise Beobachter bei den Vereinten Nationen in Genf von Ägypten, Frankreich, Pakistan, vom Vereinigten Königreich, von Palästina, Kuba, Jemen, von der Russischen Föderation, der Schweiz, von Schweden und von den Vereinigten Staaten von Amerika. Aus der zweiten Gruppe waren Gesprächspartner unter anderem der palästinensische Gesundheitsminister, Angehörige des palästinensischen Legislativrates sowie der Behörden von Gaza. Aus der Familie der Vereinten Nationen trafen sich die Missionsmitglieder unter anderem mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mit dem Generalsekretär und dem Präsidenten des Menschenrechtsrates sowie mit Vertretern des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation, des Entwicklungsprogramms, des Länderteams für den Gazastreifen, der Abteilung für Sicherheit, der Agentur der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge und mit dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten. Darüber hinaus 2477
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 166 f. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 160. 2479 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 137; die vollständige Liste der Gesprächspartner der Untersuchungsmission ist als Annex I in: UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, S. 430 ff. wiedergegeben. 2478
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traf sich die Mission noch mit Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Fact-Finding-Mission für Gaza der Arabischen Liga, von Nichtregierungsorganisationen vor allem aus Israel und Palästina, der Unabhängigen Palästinensischen Menschenrechtskommission, der palästinensischen Anwaltsvereinigung und verschiedener Wirtschaftsverbände aus den palästinensischen Gebieten. d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der sehr detailreiche Abschlussbericht der Mission,2480 welcher 1979 Randnummern umfasste, ist, auf dem Nachnamen des Missionsvorsitzenden basierend, auch als „Goldstone-Bericht“ bekannt geworden.2481 Der Bericht war in fünf Kapitel aufgeteilt, die wiederum 31 Unterabschnitte beinhalteten. Das erste Kapitel2482 war dabei der Methodik der Untersuchungsmission, dem historisch-politischmilitärischen Kontext der Untersuchung und dem anwendbaren Recht gewidmet. Im zweiten Kapitel2483 wurden die militärischen Operationen und zum Teil auch interne Gewalttaten in Gaza und dem Westjordanland einschließlich Ostjerusalems beschrieben. Das dritte Berichtskapitel2484 war der Lage in Israel gewidmet und das vierte Kapitel2485 Fragen der Verantwortlichkeit und der Rechtsschutzmöglichkeiten. Im abschließenden fünften Kapitel2486 waren schließlich die Schlussfolgerungen aus der Untersuchung und die Missionsempfehlungen niedergelegt.
2480
Human Rights in Palestine and other Occupied Arab Territories – Report of the United Nations Fact-Finding Mission on the Gaza Conflict, UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009. 2481 Vor allem die völkerrechtlichen Feststellungen in diesem Bericht haben im Schrifttum zu einer sehr regen Diskussion geführt; siehe hierzu etwa die verschiedenen Beiträge in dem Sammelband Adam Horowitz/Lizzy Ratner/Philip Weiss (Hrsg.), The Goldstone Report: The Legacy of the Landmark Investigation of the Gaza Conflict sowie Laurie R. Blank, Yearbook of International Humanitarian Law 12 (2009), S. 347 ff.; ders., Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 279 ff.; Richard Goldstone, European Human Rights Law Review 2 (2010), S. 125 ff.; Joshua L. Kessler, Military Law Review 209 (2011), S. 69 ff.; JeanPhillipe Kot, Leiden Journal of International Law 24 (2011), S. 961 ff.; Alon Maraglit, Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law 15 (2011), S. 79 ff.; Nicholas Rostow, Israel Yearbook on Human Rights 40 (2010), S. 275 ff.; William A. Schabas, Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 307 ff.; Melina Sterio, Case Western Reserve Journal of International Law 43 (2010), S. 229 ff.; Christian Tams, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 243 (244 ff.); Zeray Yihdego, Melbourne Journal of International Law 18 (2012), S. 158 ff. Eher politikwissenschaftlich ausgerichtet sind die Beiträge zu den sich stellenden Fragen von Richard Falk, Global Governance 16 (2010), S. 173 ff.; Ed Morgan, Global Governance 16 (2010), S. 160 ff.; Dinah PoKempner, Global Governance 16 (2010), S. 144 ff.; Nigel S. Rodley, Global Governance 16 (2010), S. 191 ff. 2482 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 131 ff. 2483 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 311 ff. 2484 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1594 ff. 2485 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1773 ff. 2486 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1874 ff.
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bb) Die Anlegung eines bestimmten Beweismaßstabes wird aus dem Abschlussbericht der Mission nicht ersichtlich. Die finalen Schlussfolgerungen der Mission basierten auf der von ihr angenommenen Verlässlichkeit von Informationen zu einem bestimmten Ereignis, wobei nach Auffassung der Mission alle Umstände des Einzelfalles in die Betrachtung einbezogen und die relevanten Materialien und Informationen gegenübergestellt worden seien. Darauf aufbauend schätzte die Mission in jedem Falle dann ein, ob genügend glaubwürdige und zuverlässige Informationen zur Verfügung gestanden hätten, um eine Feststellung zu einer Tatsache werden zu lassen.2487 cc) Die Mission legte ihrer Untersuchung das allgemeine Völkerrecht sowie die Regeln des humanitären Völkerrechts, des Völkerstrafrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes zugrunde.2488 Hinsichtlich des allgemeinen Völkerrechts hob die Mission lediglich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker ab. Dieses Recht sprach die Mission dem palästinensischen Volk zu und bemerkte im Abschlussbericht darüber hinaus, dass das Selbstbestimmungsrecht „has special prominence in the context of the recent events and military hostilities in the region, because they are but one episode in the long occupation of the Palestinian territory“.2489 In Bezug auf das humanitäre Völkerrecht sah die Mission alle Konfliktparteien als an die einschlägigen völkervertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Regelungen dieses Rechtskorpus gebunden an.2490 Für Israel stellte die Mission eine vertragliche Bindung an die vier Genfer Abkommen von 1949 sowie an das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können sowie an das Protokoll I über nicht entdeckbare Splitter hierzu fest. Besonders intensiv führte die Mission zur Frage der Situation von Gaza nach dem Besatzungsvölkerrecht aus.2491 Das für Besatzungssituationen einschlägige Recht verortete die Mission in der Haager Landkriegsordnung, insbesondere deren Artikeln 42 bis 56, in dem vierten Genfer Abkommen von 1949, insbesondere in dessen Artikeln 47 bis 78, im ersten Zusatzprotokoll von 1977 zu den vier Genfer Abkommen von 1949 sowie in dem einschlägigen Völkergewohnheitsrecht.2492 In der Detailanalyse wurde zunächst auf Artikel 42 der Haager Landkriegsordnung Bezug genommen, welcher vorsieht, dass ein Gebiet dann als besetzt anzusehen ist, wenn es sich tatsächlich unter der Gewalt des feindlichen Heeres befindet. Zudem wurde auf Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung hingewiesen, der vorsieht, dass, nachdem 2487 2488 2489 2490 2491 2492
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 171. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 268. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 269. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 270. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 273 ff. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 273.
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die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände der besetzenden Macht übergegangen ist, diese alle von ihr abhängenden Maßnahmen zu treffen hat, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Diese Vorschriften würden nach Auffassung der Mission eine Untersuchung der Frage verlangen, ob Israel über den Gazastreifen in dem untersuchten Zeitraum Kontrolle ausgeübt habe.2493 Dies bejahte die Mission. Sie vertrat die Auffassung, dass Israel „without doubt“ zu jeder Zeit, die für das Mandat der Mission von Relevanz gewesen sei, die effektive Kontrolle über den Gazastreifen ausgeübt habe. Die Umstände, unter denen diese Kontrolle ausgeübt worden sei, würden den Schluss zulassen, dass der Gazastreifen von Israel besetzt bleibe. Daher seien die Vorschriften des vierten Genfer Abkommens von 1949 zu allen relevanten Zeiten im Hinblick auf die Verpflichtungen von Israel gegenüber der Bevölkerung des Gazastreifens anwendbar gewesen.2494 An diesem Zustand hätten auch der Abzug der israelischen Streitkräfte und die Evakuierung der israelischen Siedler aus dem Gebiet im Jahr 2005 nichts geändert. Die internationale Gemeinschaft sehe Israel auch weiterhin als Besatzungsmacht an.2495 Die spezifische geopolitische Lage des Gazastreifens würde es Israel auch von der Grenze aus ermöglichen, die Lebensbedingungen in dem palästinensischen Gebiet zu kontrollieren. Hierzu führte die Mission eine Vielzahl von Begebenheiten an. Insbesondere würde Israel die Grenzübergänge kontrollieren und so bestimmen, wer und was nach Gaza hineinoder hinausgelangen könne. Darüber hinaus würde Israel auch die Gewässer, an welche Gaza grenze, durch die virtuelle Blockade, die es errichtet habe, sowie durch die Begrenzung von Fischereiaktivitäten kontrollieren. Auch der Luftraum über Gaza werde vollständig von Israel – mittels Flugzeugen und Drohnen – kontrolliert. Von Zeit zu Zeit würden israelische Truppen Aktionen in Gaza durchführen. Teile von Gaza nahe der Grenze zu Israel, in denen sich vor 2005 israelische Siedlungen befunden hätten, würden als nicht-betretbare Gebiet deklariert und das Verbot des Betretens würde durch bewaffnete israelische Kräfte durchgesetzt. Letztlich würde Israel auch den lokalen Geldmarkt durch Anlehnung an die israelische Währung sowie die Steuer- und Zolleinnahmen kontrollieren.2496 Auch das Völkerstrafrecht sah die Mission als einschlägigen Rechtskorpus an.2497 Bei den Feststellungen hierzu beschränkte sie sich allerdings auf eine Grobbeschreibung des vertraglichen und gewohnheitsrechtlichen Völkerstrafrechts2498 und traf einige allgemeine Ausführungen zu den Verbrechenskategorien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.2499 Wohl vor dem Hintergrund, dass 2493 2494 2495 2496 2497 2498 2499
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 274. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 276. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 277. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 278. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 286 ff. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 287. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 290 ff.
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keine der Konfliktparteien im untersuchten Zeitraum Partei des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs war, verlor die Mission in ihrem Abschlussbericht zu Anwendbarkeitsfragen des Statuts keine Worte. Im Rahmen der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes konnte die Mission eine Bindung Israels an die wichtigsten Verträge auf diesem Gebiet feststellen, namentlich an die Konvention zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Konvention über Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe, die Konvention über die Rechte des Kindes und die Konvention über die Beseitigung aller Formen von Diskriminierungen gegen Frauen. Dabei schloss sich die Mission der Auffassung an, dass die gewährleisteten Menschenrechte auch in Zeiten von bewaffneten Konflikte für die gebundenen Parteien weiterhin Wirkung entfalten würden,2500 und dass das humanitäre Völkerrecht im Verhältnis zu den Regeln des Menschenrechtsschutzes lex specialis sei.2501 Darüber hinaus würden die menschenrechtlichen Verpflichtungen von Israel aus den von ihm ratifizierten Verträgen auch in Bezug auf militärische Operationen in den besetzten Gebieten, also extraterritorial, wirken.2502 Die Mission stellte zudem fest, dass Israel nicht von seinen Verpflichtungen aus Artikel 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte durch Derogation entbunden sei.2503 dd) Die rechtlichen Schlussfolgerungen ihrer Untersuchung wurde von der Mission hinsichtlich der verschiedenen Akteure und Schauplätze des Gaza-Konflikts unterteilt: Aktionen von Israel in Gaza im Kontext der militärischen Operationen vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009, Aktionen Israels im Westjordanland im Kontext der militärischen Aktionen in ebendiesem Zeitraum, Aktionen von Israel in Israel, Aktionen von bewaffneten palästinensischen Gruppen und Aktionen von verantwortlichen palästinensischen Stellen. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Situation bemerkte die Mission hinsichtlich der Militäroperationen in Gaza zunächst, dass es Fälle gegeben habe, bei denen es Israel versäumt habe, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um Opfer unter der Zivilbevölkerung und die Beschädigung ziviler Objekte zu verhindern beziehungsweise zu minimieren, so wie es völkergewohnheitsrechtlich vorgeschrieben sei und in Artikel 57 Abs. 2 lit. (a) (ii) des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektiert werde.2504 Auch seien von Israel vor Angriffen abgegebene Warnungen nicht ausreichend effektiv gewesen, um dem in Artikel 57 Abs. 2 lit. (c) des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektierten Völkergewohnheitsrecht zu genü2500 2501 2502 2503 2504
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 295. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 296. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 297 f. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 299. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1919.
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gen.2505 Die Mission befand, dass in vielen Fällen absichtliche Angriffe gegen Zivilisten und zivile Objekte, namentlich Häuser und Moscheen, durchgeführt worden seien, was gegen das humanitär-völkerrechtliche Grundprinzip der Unterscheidung verstoßen habe. Diese Angriffe hätten zudem zu Todesfällen und Fällen schwerer Verletzungen geführt. In diesen Fällen sah es die Mission als gegeben an, dass der geschützte Status der Zivilisten nicht respektiert worden sei, und die Angriffe vorsätzlich, in klarem Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht, welches in Artikel 51 Abs. 2 und 75 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977, in Artikel 27 des vierten Genfer Abkommens und in den Artikeln 6 und 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte reflektiert sei, verstoßen habe. In einigen Fällen kam die Mission zudem zu dem Ergebnis, dass der jeweilige Angriff mit dem Ziel ausgeführt worden sei, Terror unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten. Außerdem hätten in einigen Fällen die israelischen Streitkräfte nicht nur nicht ihr Bestes getan, um humanitären Organisationen Zugang zu Verwundeten und medizinischen Einrichtungen zu gewähren, wie dies nach dem in Artikel 10 Abs. 2 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektierten Völkergewohnheitsrecht zu gewährleisten gewesen sei, sondern hätten solchen Zugang willkürlich verhindert.2506 In einem untersuchten Fall, bei dem es um den Tod von 35 Palästinensern ging, bewertete die Mission das Verhalten der israelischen Streitkräfte dahingehend, dass ein vernünftiger Kommandeur exzessive Verluste des Lebens von Zivilisten im Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil habe erwarten können und deshalb eine Verletzung des in Artikel 57 Abs. 2 lit. (a) (ii) des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektierten Völkergewohnheitsrechts sowie des Rechts auf Leben aus Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vorgelegen habe.2507 Außerdem kam die Mission zu dem Ergebnis, dass Israel durch vorsätzliche Angriffe auf Polizeistationen und die Tötung einer großen Anzahl von Polizisten während der ersten Minuten der Militäroperation, das Verhältnismäßigkeitsgebot im Hinblick auf den erwarteten militärischen Vorteil verletzt habe, der dadurch entstanden seien könne, dass einige der Polizisten gleichzeitig Mitglieder bewaffneter palästinensischer Gruppen gewesen seien könnten. Diese Angriffe auf die Polizei hätten daher sowohl Völkergewohnheitsrecht als auch das Recht auf Leben derjenigen Polizisten verletzt, die nicht zugleich Mitglieder bewaffneter Gruppen gewesen seien.2508 Im Hinblick auf die Waffen, welche von den israelischen Streitkräften während ihrer Militäroperationen eingesetzt wurden, akzeptierte die Mission, dass Weißer Phosphor, Flechette-Munition und Schwermetalle unter dem geltenden Völkerrecht nicht verboten seien. Ihre Verwendung sei demgegenüber unter gewissen Umständen 2505 2506 2507 2508
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1920. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1921. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1922. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1923.
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durch die humanitär-völkerrechtlichen Gebote der Verhältnismäßigkeit und der Ergreifung von Vorsichtsmaßnahmen vor einem Angriff beschränkt oder sogar verboten. Flechette-Munition als Flächenwaffe sei besonders für die Verwendung in städtischen Gegenden unangebracht, wohingegen die Verwendung von Weißem Phosphor als Obskurant verboten werden sollte. Mit der Verwendung solcher entflammbaren Chemikalien seien nämlich eine Reihe von Verletzungsgefahren verbunden.2509 Zum Problem der Verwendung von menschlichen Schutzschilden trug die Mission vor, dass sie einige Vorfälle untersucht habe, bei denen die israelischen Streitkräfte lokale palästinensische Bewohner benutzt hätten, um Häuser zu betreten, in denen Sprengfallen oder feindliche Kämpfer vermutet worden seien. Die Mission stellte hierzu fest, dass die Nutzung von menschlichen Schutzschilden durch das humanitäre Völkerrecht verboten sei und zudem eine Verletzung des Rechts auf Leben aus Artikel 6 und des Verbots der grausamen und unmenschlichen Behandlung aus Artikel 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte darstelle.2510 Zudem stelle die Befragung von palästinensischen Zivilisten unter Androhung des Todes oder von Verletzungen zur Erlangung von Informationen über die Hamas und palästinensische Kämpfer sowie über deren Tunnel eine Verletzung von Artikel 31 des vierten Haager Abkommens dar, welcher physischen oder moralischen Zwang gegenüber von geschützten Personen verbiete.2511 Hinsichtlich des Problems von Inhaftierungen stellte die Mission fest, dass die israelischen Streitkräfte in Gaza große Gruppen von geschützten Personen eingekreist und inhaftiert hätten, die nach dem vierten Genfer Abkommen geschützt seien. Diese Inhaftierungen könnten weder als Inhaftierungen „unrechtmäßiger Kombattanten“ noch als Inhaftierungen aus zwingenden Sicherheitsgründen gerechtfertigt werden. Die Mission gab zu bedenken, dass die von Gefangenen behaupteten schweren Schläge, die fortgesetzte einschüchternde und erniedrigende Behandlung sowie die Inhaftierung unter schlechten Bedingungen sowohl im Gazastreifen als auch in Haftanlagen in Israel gegen das Gebot der menschlichen Behandlung von geschützten Personen gemäß Artikel 27 des vierten Genfer Abkommens als auch gegen die Artikel 7 und 10 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, welche Folter und die Behandlung von Inhaftierten betreffen würden, und gegen Artikel 14 des Paktes, welcher gerechte Verfahrensstandards betreffen würde, verstoßen würden. Die Behandlung von Frauen während der Inhaftierung würde dem besonderen Respekt vor Frauen entgegenstehen, welcher im Völkergewohnheitsrecht, das in Artikel 76 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektiert werde, zum Ausdruck komme. Weiterhin bemerkte die Mission, dass die Einkreisung von großen Personengruppen und ihre längerfristige Inhaftierung unter den beschriebenen Umständen eine Kollektivstrafe für diese 2509 2510 2511
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1924. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1925. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1926.
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Personen bedeuten würde, was Artikel 33 des vierten Genfer Abkommens und Artikel 50 der Haager Landkriegsordnung verletzten würde. Derartige Maßnahmen würden Maßnahmen zur Einschüchterung sowie Terror gleichkommen, was durch Artikel 33 des vierten Genfer Abkommens verboten sei.2512 Auch befasste sich die Mission mit der Zerstörung von Eigentum beziehungsweise Sachwerten. Dabei kam die Mission zunächst zu dem Ergebnis, dass die Angriffe auf das Gebäude des palästinensischen Legislativrates und des Hauptgefängnisses von Gaza vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte darstellen würden, was die Regel des Völkergewohnheitsrechts verletze, wonach Angriffe strikt auf militärische Ziele begrenzt bleiben müssten.2513 Außerdem hätten die israelischen Streitkräfte unrechtmäßig und mutwillig, ohne militärische Notwendigkeit, eine Anzahl von Produktions- und Verarbeitungsstätten für Nahrungsmittel, Trinkwasseranlagen, Farmen und Tiere angegriffen und zerstört beziehungsweise getötet. Dies verletze wiederum das Unterscheidungsgebot. Aus den vorgefundenen Tatsachen ergebe sich, dass die Zerstörungen zu dem Zweck durchgeführt worden seien, den Zugang der Zivilbevölkerung zu Nahrungsmitteln zu verhindern. Auch dies stünde im Widerspruch zum Völkergewohnheitsrecht, welches in Artikel 54 Abs. 2 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektiert werde. Zudem stellte die Mission fest, dass die israelischen Streitkräfte weitreichende Zerstörungen von privaten Wohnhäusern, Wasserquellen und -tanks in rechtswidriger und mutwilliger Weise durchgeführt hätten.2514 Neben der Verletzung des humanitären Völkerrechts durch die genannten Zerstörungen habe Israel auch seine Verpflichtungen zur Respektierung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard der Bevölkerung im Gazastreifen verletzt. Dieses schließe das Recht auf Nahrung, Wasser und Behausung genauso ein wie das Recht auf den höchstmöglichen Gesundheitsstandard, was durch die Artikel 11 und 12 der Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte geschützt sei.2515 In Bezug auf den Einfluss der israelischen Blockade und der militärischen Operationen auf die Bevölkerung von Gaza zog die Mission ebenfalls einige Schlussfolgerung zu Lasten der israelischen Streitkräfte. Zunächst wurde der Schluss gezogen, dass die israelischen Blockadepolitiken gegen den Gazastreifen, insbesondere die Schließungen von und Beschränkungen an Grenzübergängen unmittelbar vor den militärischen Operationen, zu extremen Erschwernissen und Leiden der lokalen Bevölkerung geführt hätten, welche sich als Verletzungen der Verpflichtungen Israels als Besatzungsmacht nach der Haager Landkriegsordnung darstellen würden. Die Maßnahmen hätten zu schwerwiegenden Verschlechterungen hinsichtlich der Realisierung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Palästinenser im Gazastreifen geführt. Dort sei auch das ökonomische und soziale Gefüge 2512 2513 2514 2515
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1927. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1928. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1929. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1930.
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geschwächt worden, da Gesundheit, Bildung, Hygiene und andere essenzielle Leistungen einer sehr verwundbaren Situation, hinsichtlich der Herausforderungen im Angesicht der unmittelbaren Effekte der Militäroperationen, ausgesetzt worden seien.2516 Weiterhin kritisierte die Mission, dass, obwohl von Israel Informationen herausgegeben worden seien, wonach humanitäre Hilfsmaßnahmen während der militärischen Operationen zugelassen seien sollten, der Staat grundlegend seine Verpflichtungen missachtet habe, freie Passage für alle Lieferungen von Medizin, Krankenhausmaterialien, Nahrung und Kleidung zu gewähren, die benötigt worden seien, um den dringenden Nöten der Zivilbevölkerung im Kontext militärischer Operationen zu begegnen. Dies sei ein Verstoß gegen Artikel 27 des vierten Genfer Abkommens.2517 Zusätzlich erwog die Mission noch, dass Israel bestimmte Verpflichtungen aus der Konvention über die Rechte des Kindes und der Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, einschließlich der Rechte auf Frieden und Sicherheit, Bewegungsfreiheit, auf Lebensunterhalt und Gesundheit, verletzt habe.2518 Auch würden die vorsätzlichen Aktionen der israelischen Streitkräfte und die erklärten Politiken der israelischen Regierung hinsichtlich des Gazastreifens vor, während und nach der dortigen Militäroperation in ihrer Gesamtheit den Schluss nahelegen, dass eine kollektive Bestrafung der Bevölkerung des Gazastreifens durchgeführt werden sollte. Dies sei ebenfalls ein Verstoß gegen Artikel 33 des vierten Genfer Abkommens.2519 Hinsichtlich schwerer Verletzungen der Genfer Abkommen gelangte die Mission zu dem Ergebnis, dass den israelischen Streitkräften hinsichtlich der militärischen Operationen im Gazastreifen folgende Akte zur Last gelegt werden müssten: vorsätzliche Tötung, Folter oder unmenschliche Behandlung, vorsätzliche Herbeiführung großer Leiden oder schwerer Verletzungen von Körper und Gesundheit sowie extensive Zerstörung von Eigentum, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt gewesen und die rechtswidrig und mutwillig herbeigeführt worden sei. Diese schweren Verletzungen würden individuelle, strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Die Mission wies zudem darauf hin, dass die Verwendung von menschlichen Schutzschilden ein Kriegsverbrechen im Sinne des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs sei.2520 Weiterhin erwog die Mission eine Reihe von Akten, die den Palästinensern im Gazastreifen ihren Unterhalt, ihre Beschäftigung, ihre Behausung und ihr Wasser genommen hätten. Zudem sei die Bewegungsfreiheit der Palästinenser im Ganzen, ihr Recht ihr eigenes Land zu betreten und zu verlassen, ihr Recht ein Gericht anzurufen und um effektiven Rechtsschutz nachsuchen zu können beschnitten worden. Dies könne ein zuständiges Gericht dazu veranlassen, zu
2516 2517 2518 2519 2520
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1931. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1932. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1933. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1934. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1935.
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urteilen, dass das Verbrechen der Verfolgung, welches ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle, verübt worden sei.2521 Hinsichtlich der israelischen Militäroperationen im Westjordanland befasste sich die Mission in ihrem Abschlussbericht zunächst mit der Behandlung von den dortigen Palästinensern durch die israelischen Sicherheitskräfte, einschließlich der exzessiven Anwendung von tödlicher Gewalt während Demonstrationen. In Bezug auf die Gewaltakte durch israelische Siedler gegen Palästinenser schlussfolgerte die Mission, dass Israel es im Angesicht seiner internationalen Verpflichtungen versäumt habe, die Palästinenser vor Gewalt durch Privatpersonen zu schützen, was gleichsam eine Verletzung der Menschenrechte der Betroffenen als auch des humanitären Völkerrechts sei. In einigen Fällen hätten die israelischen Sicherheitskräfte den Gewaltakten zugestimmt; dies sei eine Verletzung des Verbots von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Wenn eine solche Einwilligung nur in Hinblick auf Verletzungen zu Lasten der Palästinenser durch Siedler und nicht auch andersherum vorgenommen worden sei, würde dies einer Diskriminierung aufgrund der nationalen Herkunft gleichkommen, die nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verboten sei.2522 Auch habe Israel eine Reihe von Menschenrechten durch die rechtswidrige Unterdrückung von öffentlichen und friedlichen Demonstrationen sowie durch den exzessiven Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstranten verletzt. Die Benutzung von Schusswaffen, einschließlich von scharfer Munition, sowie der Einsatz von Scharfschützen habe zum Tod von Demonstranten geführt. Dies stelle eine Verletzung von Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte dar, da eine willkürliche Tötung in dem Kontext der Umstände, welche die Mission untersuchte, die Intention oder zumindest die Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Verursachung von Verletzungen bei Zivilpersonen nahelegen würden und sich somit als vorsätzliche Tötung darstellen würde.2523 Die Mission behandelte in der Folge die exzessive Gewaltanwendung, die eher in Verletzungen als in dem Tod der Opfer resultiert habe. Diese habe eine Reihe von Standards, einschließlich der Artikel 7 und 9 der Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, verletzt. Auch bemängelte die Mission, dass die Protokolle der israelischen Streitkräfte zur Eröffnung des Feuers bei Demonstrationen diskriminierend erscheinen würden, da sie auf der Präsenz von Personen einer bestimmten Nationalität, namentliche der Nationalität von Palästinensern, beruhen würden. Dies verletze sowohl das Prinzip der Nichtdiskriminierung aus Artikel 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte als auch Artikel 27 des vierten Genfer Abkommens.2524 Weiterhin habe es Israel versäumt, schwere Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch seine Beamte und Dritte zu untersuchen sowie – falls nötig – zu ver2521 2522 2523 2524
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1936. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1937. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1938. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1939.
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folgen.2525 Die Mission zeigte sich zudem alarmiert, dass über eine Zunahme der Gewalt durch israelische Siedler in dem letzten Jahr vor der Untersuchung berichtet worden sei, und dass es die israelischen Sicherheitskräfte versäumt hätten, Angriffe von Siedlern auf palästinensische Zivilisten und ihr Eigentum zu unterbinden. Dieses Verhalten sei von einer Reihe weiterer Rechtsverletzungen durch die israelischen Sicherheitskräfte oder durch die Einwilligung der Kräfte zu solchen Verletzungen begleitet worden.2526 In Bezug auf die Inhaftierung von Palästinensern im Westjordanland analysierte die Mission diesbezügliche Informationen, die sie über Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen während oder im Kontext der militärischen Operationen von Dezember 2008 bis Januar 2009 erhalten hatte. Die Mission kam dabei zu dem Ergebnis, dass die israelischen Inhaftierungspraktiken grundsätzlich nicht mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht vereinbar seien. Das System der Militärgerichte, dem die Palästinenser aus den besetzten Gebieten unterworfen seien, entzöge ihnen die Verfahrensgarantien, die aber völkerrechtlich zugesichert seien.2527 Weiterhin schlussfolgerte die Mission, dass die Verhaftung von Mitgliedern des palästinensischen Legislativrates durch Israel das Recht nicht willkürlich inhaftiert zu werden verletze, so wie es in Artikel 9 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte geschützt sei. Soweit die Verhaftungen und Inhaftierungen dieser Personen auf der Grundlage ihrer politischen Zugehörigkeit vorgenommen worden seien und dadurch diese Personen an der Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten gehindert worden seien, sei dies ein Verstoße gegen die Menschenrechte, da Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte das Recht zur Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten und Artikel 26 des Paktes das Recht auf gleichen Schutz nach dem Gesetz schütze. Soweit die Inhaftierung der Ratsmitglieder nicht im Zusammenhang mit ihrem individuellen Verhalten stehe, stelle die Inhaftierung eine Kollektivstrafe dar, welche gemäß Artikel 33 des vierten Genfer Abkommens verboten sei. Zusätzlich bemerkte die Mission noch, dass ihr Informationen über die Inhaftierung einer großen Anzahl von Kindern zugegangen seien. Solche Inhaftierungen und die Behandlung der Kinder durch die israelischen Sicherheitskräfte deuteten auf eine Verletzung von Rechten dieser Kinder nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie nach der Konvention über die Rechte des Kindes hin.2528 Bezüglich der Situation der Palästinenser im Westjordanland analysierte die Mission schließlich noch die Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit und Zugang. Hierzu kam sie zu dem Ergebnis, dass die extensiven Beschränkungen, die von Israel im Hinblick auf die Bewegungsfreiheit im und den Zugang zum Westjordanland verhängt worden seien, nicht verhältnismäßig im Hinblick auf irgend2525 2526 2527 2528
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1940. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1941. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1942. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1943.
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einen legitimen Zweck wären. Dies stelle damit sowohl eine Verletzung von Artikel 27 des vierten Genfer Abkommens als auch von Artikel 12 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte dar.2529 Wenn es an Kontrollpunkten zu Einschüchterungen geschützter Personen durch Angehörige des Militärs oder von zivilen Kräften gekommen sei, könne dies eine Verletzung von Völkergewohnheitsrecht darstellen, wie es in Artikel 75 Abs. 2 lit. (b) des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 reflektiert werde.2530 Weiterhin merkte die Mission an, dass der fortgesetzte Bau von Siedlungen in den besetzten Gebieten eine Verletzung von Artikel 49 des vierten Genfer Abkommens darstelle. Die extensive Zerstörung und Beschlagnahme von Eigentum, einschließlich der Konfiszierung von Land, sowie die Zerstörung von Häusern im Westjordanland und in Ostjerusalem seien nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt und seien zudem unrechtmäßig sowie mutwillig erfolgt, was zu einem schweren Bruch des humanitären Völkerrechts gemäß Artikel 147 des vierten Genfer Abkommens führe.2531 Letztlich merkte die Mission zu diesem Themenkomplex noch an, dass die Restriktionen der Bewegungsfreiheit für Palästinenser, die Restriktionen im Bereich des Zugangs zu ihren Gebieten, die Siedlungen und deren Infrastruktur, die Trennung von Gaza und dem Westjordanland sowie weitere israelische Politiken das Entstehen eines lebensfähigen, zusammenhängenden und souveränen palästinensischen Staates verhindern würden. Dies sei eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, welches die Mission dem ius cogens zurechnete.2532 Im Hinblick auf behauptete Rechtsverletzungen von Israel innerhalb Israels schlussfolgerte die Mission, dass es keine Politiken zu geben scheine, die auf Menschenrechtsverletzungen hindeuten würden. Allerdings habe es Fälle gegeben, von denen berichtet worden sei, dass die israelischen Behörden Demonstranten behindert hätten, die versucht hätten, ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu nutzen, um gegen die militärischen Operationen im Gazastreifen zu protestieren. Diese Rechte seien jedoch nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschützt. Auch habe es Akte von physischer Gewalt und von Einschüchterungen gegen Demonstranten gegeben, die unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung gelegen hätten; diese Akte der israelischen Polizei hätten dabei gegen Artikel 10 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verstoßen. Die Mission zeigte sich zudem besorgt darüber, dass Aktivisten zu Befragungen durch einen israelischen Sicherheitsdienst gezwungen worden seien. Berichten zufolge würde dieses Vorgehen eine Atmosphäre der Intoleranz gegenüber Dissidenten in Israel schüren. Feindselige Vergeltungsaktionen gegen Organisationen der Zivilgesellschaft durch die israelische Regierung für Kritik an den israelischen Behörden und die Offenlegung von Verletzungen der 2529 2530 2531 2532
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1944. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1945. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1946. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1947.
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Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts während der militärischen Operationen im Gaza-Konflikt seien mit der „Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 8. März 19992533 unvereinbar.2534 Weiterhin bemängelte die Mission den nahezu gänzlichen Ausschluss der Medien und von Menschenrechtsbeobachtern von den Ereignissen in Gaza seit dem 5. November 2008 und während der gesamten militärischen Operationen. Hiermit habe Israel gegen seine Verpflichtungen im Hinblick auf das Recht auf Zugang zu Informationen verstoßen.2535 Im Hinblick auf die Aktionen von bewaffneten palästinensischen Gruppen im Rahmen des Gaza-Konflikts stellte die Mission zunächst fest, dass diese Gruppen, durch Raketen- und Mörserbeschuss aus dem Gazastreifen hinaus und nach Südisrael hinein, es versäumt hätten, zwischen militärischen Zielen und Zivilbevölkerung einerseits sowie zivilen Objekten andererseits zu unterscheiden. Der Abschuss von Raketen und Mörsern, die nicht mit hinreichender Genauigkeit auf ein Ziel ausgerichtet werden könnten, würde den grundlegenden Unterscheidungsgrundsatz des humanitären Völkerrechts verletzen. In Fällen, in denen kein militärisches Ziel anvisiert gewesen sei, und die Raketen und Mörser in zivile Gegenden abgefeuert worden seien, würde dies einen vorsätzlichen Angriff auf die Zivilbevölkerung darstellen. Dies sei ein Kriegsverbrechen und könne zudem ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.2536 Zudem hätten die Raketen und Mörser, die von bewaffneten Gruppen aus dem Gazastreifen abgeschossen worden seien, Terror in den davon betroffenen Gemeinschaften im Süden Israels hervorgerufen. Die Angriffe hätten dabei zu Todesopfern sowie zu physischen und psychischen Verletzungen unter den Zivilisten geführt. Überdies seien private Häuser, religiöse Gebäude sowie sonstiges Eigentum beschädigt worden. Das wirtschaftliche und kulturelle Leben der betroffenen Gemeinschaften sei durch den Beschuss erodiert und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte seien nachhaltig betroffen.2537 Hinsichtlich der Inhaftierung des israelischen Soldaten Gilad Shalit bemerkte die Mission, dass dieser ein Soldat der israelischen Streitkräfte sei, der im Zuge eines feindlichen Eindringens in Israel gefangen genommen worden sei. Daher erfülle Shalit die Voraussetzungen eines Kriegsgefangenen im Sinne des dritten Genfer Abkommens und solle daher geschützt und mit Menschlichkeit behandelt werden. Außerdem solle ihm in angemessener Weise die externe Kommunikation gestattet werden, wie dies das dritte Genfer Abkommen vorsehe.2538 Die Mission habe zudem untersucht, ob sich die 2533 2534 2535 2536 2537 2538
UN Doc. A/RES/53/144 vom 8. März 1999. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1948. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1949. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1950. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1951. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1952.
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bewaffneten palästinensischen Gruppen an die humanitär-völkerrechtliche Pflicht gehalten hätten, beständig darauf zu achten, das Risiko von Schäden für die Zivilbevölkerung, unter der sich die Kampfhandlungen abspielten, zu minimieren. Die Durchführung von Kampfhandlungen in bebauten Gebieten sei dabei als solche keine Verletzung des Völkerrechts. Allerdings sei die Durchführung von Angriffen – gleich ob mit Raketen oder Mörsern gegen die Bevölkerung von Südisrael oder die israelischen Truppen innerhalb Gazas – nahe von zivilen oder geschützten Gebäuden ein Versagen bei der Ergreifung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen. In den Fällen, in denen dies vorgekommen sei, hätten die bewaffneten palästinensischen Gruppen unnötiger Weise die Zivilbevölkerung der inhärenten Gefahr von Militäroperationen in ihrer Nähe ausgesetzt. Die Mission habe keine Beweise finden können, die nahelegen würden, dass bewaffnete palästinensische Gruppen Zivilisten entweder in die Nähe von Orten dirigiert hätten, von denen ein Angriff begonnen werden sollte, oder Zivilisten dazu gezwungen hätten, in der Nähe solcher Orte zu verbleiben. Auch habe die Mission keine Beweise dafür finden können, dass Mitglieder bewaffneter palästinensischer Gruppen in Zivilbekleidung an den Kampfhandlungen teilgenommen hätten. In einem Fall, in dem die Mission einen israelischen Angriff auf eine Moschee untersucht habe, habe die Mission keine Beweise dafür finden können, dass die Moschee zu militärischen Zwecken genutzt, oder dass sie dafür benutzt worden sei, militärische Aktivitäten abzuschirmen; die Mission könne jedoch nicht ausschließen, dass dies in anderen Fällen geschehen sei.2539 Hinsichtlich von Handlungen der verantwortlichen palästinensischen Behörden stellte die Mission zunächst fest, dass, auch wenn diese Behörden jegliche Kontrolle über und Verantwortung für die bewaffneten Gruppen abstreiten würden, sie doch dann eine Verantwortung für die Schädigung der palästinensischen Zivilisten hätten, wenn sie darin versagt hätten, die bewaffneten Gruppen daran zu hindern, entsprechende Handlungen zu begehen.2540 Weiterhin stellte die Mission fest, dass Sicherheitskräfte unter der Kontrolle der Behörden von Gaza außerrechtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und grobe Misshandlungen an Personen begangen hätten, insbesondere an Anhängern der politischen Opposition. Dies seien schwere Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit und Sicherheit der Person, der Freiheit von Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Schutzes gegen willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, des Rechts auf ein faires und unparteiisches rechtliches Verfahren sowie des Rechts auf Ausdrucks- und Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit Meinungen ohne Beeinträchtigung haben zu dürfen.2541 Letztlich konnte die Mission in diesem Themenkomplex noch feststellen, dass die Handlungen der palästinensischen Behörden gegen die politische Opposition im Westjordanland, welche im Januar 2006 begonnen und sich im 2539 2540 2541
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1953. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1954. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1955.
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Zeitraum zwischen dem 27. Dezember 2008 und dem 18. Januar 2009 intensiviert hätten, Verletzungen der Menschenrechte und des palästinensischen Grundgesetzes darstellen würden. Inhaftierungen aus politischen Gründen verletzten das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person, das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht nicht wegen seiner politischen Überzeugungen diskriminiert zu werden. All diese Rechte seien auch Bestandteile des Völkergewohnheitsrechts. Berichte über Folter und andere Formen grober Misshandlungen während Verhaftungen und Inhaftierungen sowie über Todesfälle bedürften zügiger Untersuchungen und Feststellungen von Verantwortlichkeiten.2542 Den letzten Themenblock der Schlussfolgerungen der Mission bildete das Bedürfnis nach der Feststellung von Verantwortlichkeit. Die Mission zeigte sich zunächst betroffen über die wiederholten Kommentare von palästinensischen Opfern, Menschenrechtsverteidigern, Gesprächspartnern aus der Zivilgesellschaft und offiziellen Personen, die alle hoffen würden, dass diese Mission die letzte ihrer Art sei, da ihr Maßnahmen folgen müssten, die auf die Herstellung von Gerechtigkeit gerichtet seien. Die Mission zeigte sich auch betroffen über den Kommentar, dass jedes Mal, wenn ein Bericht veröffentlicht werde und dieser keine Folgen zeitige, dies „emboldens Israel and her conviction of being untouchable“. Die Verweigerung von Gerechtigkeitsmechanismen würde die Straflosigkeit verstärken und die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft beschädigen. Die Mission glaube, dass diese Kommentare an der Spitze der Überlegungen der Mitgliedstaaten und der Gremien der Vereinten Nationen zu den von der Mission gefundenen Schlussfolgerungen, ihren Empfehlungen und zum weiteren Vorgehen in der Angelegenheit stehen müssten.2543 Die Mission sei zudem überzeugt, dass Gerechtigkeit und der Respekt für Rechtsstaatlichkeit die unabdingbaren Voraussetzungen für Frieden seien. Die lang andauernde Situation von Straflosigkeit in den besetzten palästinensischen Gebieten habe eine Lage geschaffen, die nach Handlungen verlange.2544 Nach der Betrachtung des israelischen Systems der Untersuchung und der Verfolgung von schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, insbesondere von möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sei die Mission auf größere Fehler in diesem System gestoßen, welche das System mit Blick auf internationale Standards inkonsistent erscheinen ließen. Insbesondere wurden die sog. Operational Debriefings kritisiert. Diese würden der Kern des Systems seien. Mit ihnen stünde aber kein effektiver und unparteiischer Untersuchungsmechanismus bereit und den Opfern von behaupteten Rechtsverletzungen würde jedes effektive und schnelle Mittel einer Abhilfe versagt. Auch würden diese Untersuchungen, die lediglich ein interner Mechanismus des israelischen Militärs seien, auch nicht mit den internationalen Standards der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vereinbar seien. Die Mission sei 2542 2543 2544
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1956. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1957. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1958.
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der Auffassung, dass die wenigen Untersuchungen, die von den israelischen Behörden hinsichtlich von schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, insbesondere mit Blick auf Kriegsverbrechen in Bezug auf die militärischen Operationen in Gaza zwischen dem 27. Dezember 2008 und dem 18. Januar 2009, durchgeführt worden seien, von den Fehlern des Systems betroffen wären. Hierzu gehörten übermäßige Verspätungen mit Blick auf das Gewicht der Vorwürfe und das Fehlen von Glaubwürdigkeit sowie die fehlende Übereinstimmung mit internationalen Standards. Auch zeigte sich die Mission besorgt darüber, dass Fälle von weniger schwerwiegenden Verletzungen, von denen die israelische Regierung behauptet habe, sie würde diese Fälle untersuchen, sich ebenfalls langwierig gestalteten.2545 Die Mission nahm außerdem zur Kenntnis, dass es Muster von Verzögerungen, Verspätungen und sonstigen unbefriedigenden Handlungsweisen der israelischen Behörden bei der Untersuchung, der Verfolgung und der Verurteilung von Militärpersonal und Siedlern für Gewalt gegen und Übergriffe auf Palästinenser gebe, und dass die Ergebnisse diskriminierend seien. Zusätzlich würde das Verfassungs- und Rechtssystem Israels nur sehr wenige Möglichkeiten für Palästinenser bieten, Entschädigung oder Wiedergutmachung geltend zu machen.2546 Die Mission bemerkte, dass, mit Blick auf die ihr vorliegenden Informationen, schwerwiegende Zweifel an der Bereitschaft Israels bestehen würden, echte Untersuchung auf einem unparteiischen, unabhängigen, schnellen und effektiven Weg durchzuführen, wie ihn das Völkerrecht verlange. Die Mission war zudem der Auffassung, dass das gegenwärtige System in Israel diskriminierende Züge aufweise, welche palästinensischen Opfern die Einforderung von Gerechtigkeit extrem erschweren würden.2547 – Mit Blick auf die Vorwürfe von Verletzungen des humanitären Völkerrechts im Bereich der Gerichtsbarkeit der palästinensischen Behörden in Gaza stellte die Mission fest, dass diese Vorwürfe nicht untersucht worden seien.2548 Die Mission stellte weiterhin fest, dass die Verantwortung für die Untersuchung der Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts sowie Verfolgung und Verurteilungen durchzuführen, zuvörderst den lokalen Behörden und Institutionen überantwortet sei. Dies sei eine Verantwortung, welche sowohl Staaten als auch staatsähnliche Entitäten treffe. Allerdings müssten dort, wo die innerstaatlichen Behörden nicht gewillt oder nicht in der Lage seien, diesen Verpflichtungen nachzukommen, internationale Gerechtigkeitsmechanismen eingreifen, um Straflosigkeit zu verhindern.2549 Die Mission glaube, dass, nach den gegebenen Umständen, es wenig Potential für die Herstellung von Verantwortlichkeit für Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch die israelischen Behörden und noch weniger durch die Behörden von Gaza gebe. Die Mission war der Auffassung, dass die langanhaltende Straflosigkeit ein Schlüssel2545 2546 2547 2548 2549
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1959. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1960. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1961. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1962. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1963.
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faktor bei der Verfestigung und Rückkehr der Gewalt in der Region sowie bei der Erosion des Vertrauens der Palästinenser und vieler Israelis in Gerechtigkeit und eine friedliche Konfliktlösung sei.2550 Die Mission war dabei der Auffassung, dass einige der Verletzungen, die sie in ihrem Abschlussbericht betrachtet habe, schwere Verletzungen des vierten Genfer Abkommens von 1949 seien. In diesem Zusammenhang wies die Mission darauf hin, dass durch die Genfer Abkommen von 1949 eine Verpflichtung für alle Hohen Vertragsparteien bestünde, Personen, die für solche Verletzungen verantwortlich seien, aufzuspüren und vor die eigenen Gerichte zu bringen.2551 Abschließend wies die Mission noch darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts, welche in dem Bericht der Mission beschrieben würden, in die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen würden. Zudem wurde durch die Mission festgestellt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Einfluss der Situation im Mittleren Osten, einschließlich der palästinensischen Frage, auf den Weltfrieden und die internationale Sicherheit anerkenne sowie die Problematik regelmäßig erwägen und überprüfen würde. Die Mission sei davon überzeugt, dass, mit Blick auf die langanhaltende Natur des Konflikts, den regelmäßigen und anhaltenden Vorwürfen von Verletzungen des humanitären Völkerrechts gegen alle Seiten, dem offensichtlichen Anstieg der Intensität solcher Verletzungen bei den aktuellen Militäroperationen und der bedauerlichen Möglichkeit einer Rückkehr der Gewalt, bedeutende und praktische Schritte zur Beendigung der Straflosigkeit getan werden müssten, um das neue Aufkommen der Gewalt zu verhindern. Die Mission sei der Auffassung, dass die Verfolgung von Personen, die für die schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts verantwortlich seien, zur Beendigung solcher Verletzungen, zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Friedens beitragen würde.2552 ee) Die Mission sprach gegenüber verschiedenen Akteuren in dem Konflikt eine Vielzahl von Empfehlungen bezüglich der Verantwortlichkeit für schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, der Leistung von Reparationen, schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte, der israelischen Blockade und des Wiederaufbaus, des Einsatzes von Waffen und von militärischen Abläufen, des Schutzes von Menschenrechtsorganisationen und Menschenrechtsverteidigern und eines Follow-up zu den Missionsempfehlungen aus.2553 Dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wurde zunächst empfohlen, die Empfehlungen des Abschlussberichts anzunehmen, Maßnahmen zu ihrer Implementierung zu ergreifen und ihre Implementierung in seinen zukünftigen Sitzungen zu beobachten. Außerdem solle der Menschenrechtsrat in Anbetracht der Schwere der Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie der 2550 2551 2552 2553
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1964. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1965. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1966. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1967.
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bestehenden Möglichkeit von Kriegsverbrechen und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Generalsekretär darum ersuchen, den Bericht dem Sicherheitsrat zur Kenntnis zu bringen, damit dieser Maßnahmen in der Angelegenheit ergreifen könne. Auch solle der Menschenrechtsrat den Bericht formell dem Ankläger beim Internationalen Strafgerichtshof zur Kenntnis bringen, ebenso der Generalversammlung mit der Bitte um Erörterung und den einschlägigen menschenrechtlichen Vertragsorganen der Vereinten Nationen, sodass auch diese die Implementierung der Berichtsempfehlungen überwachen könnten.2554 An den Sicherheitsrat erging die Empfehlung, nach Artikel 40 der Charta der Vereinten Nationen von der israelischen Regierung innerhalb von drei Monaten zu verlangen, alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um eine geeignete, unabhängige und internationalen Standards genügende Untersuchung der festgestellten Völkerrechtsverletzungen durchzuführen und innerhalb weiterer dreier Monate dem Sicherheitsrat über die Schritte Bericht zu erstatten, die bereits getan worden seien oder die gerade getan würden, um hinsichtlich der Verletzungen Ermittlungs- und Verfolgungsmaßnahmen durchzuführen. Außerdem solle der Sicherheitsrat gleichzeitig ein unabhängiges Gremium mit Experten für Menschenrechte und für humanitäres Völkerrecht schaffen, welches in regelmäßigen Abständen die Maßnahmen Israels in Bezug auf die durchzuführenden Untersuchungen überwachen und hierüber Bericht erstatten solle. Zudem solle die Situation in Gaza auch vom Sicherheitsrat an den Internationalen Strafgerichtshof gemäß Artikel 13 lit. b) seines Statuts überwiesen werden.2555 Dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wurde empfohlen, dass er – mit Blick auf die von der palästinensischen Regierung abgegebene Erklärung nach Artikel 12 Abs. 3 des Statuts des Gerichtshofs im Interesse der Verantwortung für die Opfer und im Interesse des Friedens und der Gerechtigkeit im Nahen Osten – die erforderlichen rechtlichen Schritte so schnell als möglich einleiten solle.2556 Der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde empfohlen, den Sicherheitsrat um Berichterstattung darüber zu ersuchen, welche Maßnahme dieser ergriffen habe, um die Verantwortlichkeit für die schweren Völkerrechtsverletzungen herzustellen. Außerdem solle die Generalversammlung mit der Sache befasst bleiben, bis auf nationaler und internationaler Ebene Gerechtigkeit in Bezug auf die Opfer und die Verantwortlichkeit der Täter hergestellt sei. Zudem solle sie weitere Maßnahmen im Interesse der Gerechtigkeit im Rahmen ihrer Kompetenzen erörtern. Eine weitere Empfehlung der Mission an die Generalversammlung ging dahin, einen Treuhandfond zur Entschädigung derjenigen Personen zu errichten, die durch das rechtswidrige Verhalten Israels während der Militäroperationen Schäden erlitten hätten. Dabei sollte der Fond von der israelischen Regierung gespeist werden. Die Mission empfahl der Generalversammlung zudem, die Vertragsparteien der vier 2554 2555 2556
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1968. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1969. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1970.
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Genfer Abkommen von 1949 um die Abhaltung einer Konferenz zu ersuchen, deren Gegenstand die Sicherung und Durchsetzung der Abkommen in den palästinensischen Gebieten seien solle. Außerdem solle die Generalversammlung eine dringliche Diskussion über die zukünftige Legalität der Verwendung bestimmter Munitionstypen anregen, insbesondere von Flechette-Munition, Schwermetallmunition und Weißem Phosphor.2557 Israel wurde zunächst empfohlen, dass es mit sofortiger Wirkung die Schließung von Grenzübergängen und Restriktionen bezüglich der Passage durch die Grenzübergänge mit dem Gazastreifen aufheben und die Durchfuhr solcher Güter erlauben solle, die notwendig und ausreichend seien, um die Versorgung der dortigen Bevölkerung sicherzustellen, den Wiederaufbau zu gewährleisten und die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder aufnehmen zu können. Zudem solle Israel verhängte Fischereirestriktionen aufheben. Weiterhin solle Israel im militärischen Bereich seine Einsatzregeln, die Standardoperationsregeln, Beschussregeln und andere Anweisungen für Militär und Sicherheitspersonal überprüfen und überarbeiten. Den Palästinensern in den besetzten Gebieten solle die Bewegungsfreiheit innerhalb dieser Gebiete und nach der Außenwelt gewährt werden. Zusätzlich sollten Palästinenser, die sich im Zusammenhang mit der Besatzung in israelischer Gefangenschaft befänden, freigelassen werden und weiterhin Inhaftierten sollten verschiedene Hafterleichterungen gewährt werden. Weitere Empfehlungen gingen dahin, dass die israelische Regierung Einmischungen in innerpalästinensische politische Prozesse und die Unterdrückung von Stimmen der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit hinsichtlich der Militäroperationen in Gaza unterlassen solle. Außerdem solle die israelische Regierung keine Repressionen gegen palästinensische und israelische Personen vornehmen, die mit der Mission zusammengearbeitet hätten. Die letzte Empfehlung an Israel ging dahin, dafür Sorge zu tragen, dass zukünftig die Unverletzlichkeit der Gebäude und Personen der Vereinten Nationen in den palästinensischen Gebieten respektiert würde und in Zukunft keine Verletzungen vorkämen.2558 Den bewaffneten palästinensischen Gruppen wurde empfohlen, fortan das humanitäre Völkerrecht zu respektieren, insbesondere auf Angriffe gegen israelische Zivilisten und zivile Objekte zu verzichten. Außerdem solle der israelische Soldat Gilad Shalit aus humanitären Gründen aus der Gefangenschaft entlassen werden. Ihm solle bis zu diesem Zeitpunkt der Status eines Kriegsgefangenen zuerkannt werden.2559 Den palästinensischen Behörden wurde empfohlen, den Sicherheitskräften klarere Anweisungen dahingehend zu geben, die Menschenrechte zu beachten und im Falle der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen für eine sofortige und unabhängige Untersuchung zu sorgen. Zudem sollten alle politischen Gefangenen frei2557 2558 2559
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1971. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1972. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1973.
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gelassen und zukünftige Inhaftierungen aus politischen Gründen unterlassen werden. Außerdem sollten die palästinensischen Behörden Sorge für die freie und unabhängige Arbeit von palästinensischen Nichtregierungsorganisationen und der palästinensischen Unabhängigen Menschenrechtskommission tragen.2560 Auch hinsichtlich der internationalen Gemeinschaft wurde eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen. Zunächst wurde den Parteien der Genfer Abkommen von 1949 empfohlen, basierend auf dem Weltrechtsprinzip, in Bezug auf schwere Verletzungen der Abkommen im Gaza-Konflikt, durch ihre nationalen Gerichte Ermittlungen aufzunehmen und gegebenenfalls Täter festzunehmen und zu verfolgen. Die Geber internationaler Hilfe sollten finanzielle und technische Hilfe für Organisationen bereitstellen, die dem palästinensischen Volk psychologische Hilfe anbieten würden. Geberländer und andere Unterstützer sollten damit fortfahren, palästinensische und israelische Menschenrechtsorganisationen zu unterstützten und die einschlägigen Behörden bei der Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen zu beraten. Diejenigen Staaten, die in die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen involviert seien, sollten hierbei Sorge für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, des Völkerrechts und der Menschenrechte tragen. In Anbetracht der Vorwürfe und Berichte über langzeitige Zerstörungen der Umwelt in den umkämpften Gebieten, die durch die Verwendung bestimmter Munitionsarten entstanden seien, solle ein Umweltbeobachtungsprogramm unter der Aufsicht der Vereinten Nationen eingesetzt werden.2561 An die internationale Gemeinschaft und die verantwortlichen palästinensischen Behörden wurde der Rat erteilt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau von Gaza die dortige Bevölkerung schnell und unkompliziert erreichen könne. Zudem müsse ein spezielles Augenmerk auf Personen mit Behinderungen und generell auf die Gesundheitsversorgung gelegt werden.2562 Der internationalen Gemeinschaft, Israel und den palästinensischen Behörden wurde empfohlen, in den israelisch-palästinensischen Friedensprozess Angehörige der Zivilgesellschaft einzubeziehen sowie dort eine angemessene Repräsentanz von Frauen zu gewährleiten und insgesamt auch deren Position zu stärken.2563 Dem Generalsekretär der Vereinten Nationen empfahl die Mission, eine Politik zur Einbeziehung von Menschenrechtsfragen in Friedensinitiativen, an welchen die Vereinten Nationen beteiligt seien, zu entwickeln.2564 Die letzten Empfehlungen ergingen an das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Dieses sollte die Lage von Personen be2560 2561 2562 2563 2564
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1974. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1975. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1976. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1977. UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1978.
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obachten, die mit der Mission zusammengearbeitet hätten, und den Empfehlungen der Mission bei seinen regelmäßigen Berichten über die Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten an den Menschenrechtsrat Beachtung zu schenken.2565 18. Massaker in Conakry a) Historischer Hintergrund In dem westafrikanischen Staat Guinea kam es Ende des Jahres 2008 zu wesentlichen Veränderungen im politischen System.2566 Präsident Lansana Conté, der das Land seit 1984 regiert hatte, verstarb am 22. Dezember des Jahres nach langer Krankheit. Die Staatsverfassung Guineas sah in Artikel 34 Abs. 1 ihrer damals gültigen Fassung2567 für diesen Fall eigentlich die Übernahme der Amtsgeschäfte durch den Präsidenten der Nationalversammlung vor, bis durch Neuwahlen gemäß Artikel 31 Abs. 3 der Verfassung ein neuer Präsident gewählt worden sei. Bereits kurz nach dem Tod von Conté verkündete der Armeekommandeur Moussa Dadis Camara im nationalen Rundfunk einen coup d’état durch eine Gruppe des Militärs, die sich selbst als Conseil national pour la démocratie et le développement bezeichnete. Nach dieser Machtübernahme wurde durch Camara ein autoritäres Regime in Guinea errichtet, gegen das sich Widerstand regte. Im Zuge der Ereignisse kam es am 28. September 2009 zu einem Massaker an über 150 Personen in einem Sportstadion der guineischen Hauptstadt Conakry, welche gegen das Regime von Camara protestierten. Eine Vielzahl von Personen wurde zudem verletzt und es kam zu Fällen der Ausübung sexueller Gewalt. b) Einsetzung der Kommission Eine Untersuchungskommission hinsichtlich des Massakers in Conakry wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen eingesetzt, worüber dieser den Präsidenten des Sicherheitsrates am 28. Oktober 2009 in einem Brief in Kenntnis setzte.2568 Dem Entschluss zur Einsetzung einer Untersuchungskommission zu den Geschehnissen vom 28. September 2009 waren entsprechende Ersuchen durch Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, einschließlich der Regierung von Guinea selbst, 2565
UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 1979. Hierzu und zum Folgenden näher Will Colish, Revue Québécoise de Droit International 26/2 (2014), S. 23 ff.; Eki Yemisi Omorogbe, Vanderbilt Journal of Transnational Law 44 (2011), S. 123 (146 ff.); auch Sadiki Koko, African Security Review 19 (2010), S. 101 ff. sowie UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009. 2567 Der Verfassungstext der Republik Guinea vom 23. Dezember 1990 mit den Änderungen aus dem Jahr 2002 durch das Dekret D/2002/48/PRG/SGG ist abrufbar unter: https://www.ilo. org/dyn/travail/docs/2153/constitution%20Guinee.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 2568 UN Doc. S/2009/556 vom 28. Oktober 2009. 2566
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sowie der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS2569), der Afrikanischen Union und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorausgegangen.2570 Die genannten Institutionen begrüßten die Einsetzung der Kommission dann auch ausdrücklich.2571 Am 16. Oktober 2009 hatte der Generalsekretär bereits eine Erkundungsmission nach Guinea entsandt, die dort bis zum 20. Oktober verweilte, um mit der Regierung und anderen regionalen Akteuren die Modalitäten für die Entsendung einer internationalen Untersuchungskommission zu diskutieren und die Bereitschaft der Regierung für eine Zusammenarbeit mit einer solchen Kommission zu beurteilen. Die Erkundungsmission wurde mit Zustimmung empfangen. Die Afrikanische Union und die ECOWAS versprachen, die Arbeit einer internationalen Untersuchungskommission zu unterstützten. Die Regierung von Guinea erklärte schriftlich ihre Bereitschaft, mit einer solchen Kommission zusammenzuarbeiten und deren Arbeit zu unterstützen.2572 Im Anschluss hieran sandte das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte eine Mission nach Conakry, die dort vom 1. bis zum 6. November 2009 die Ankunft der eigentlichen Untersuchungskommission vorbereitete.2573 Den sehr detaillierten Auftrag für die Untersuchungskommission fasste der Generalsekretär wie folgt:2574 „1. In response to an international appeal from both within and outside the Republic of Guinea, in particular the call of the Economic Community of West African States (ECOWAS) and the International Contact Group on Guinea, for the Secretary-General to establish an international commission of inquiry to investigate the events of 28 September 2009, in which a large number of people were killed, injured and sexually assaulted during a political rally, after consultation with representatives of the regional organizations ECOWAS and the African Union (AU), the Government of Guinea and opposition groups, and with the support of members of the Security Council, the Secretary-General has decided to establish a Commission of Inquiry for Guinea with the following terms of reference. 2. The Commission of Inquiry shall investigate the facts and circumstances of the events of 28 September 2009 and related events in their immediate aftermath. To that end, it shall: (a) Establish the facts; (b) Qualify the crimes; (c) Determine responsibilities and, where possible, identify those responsible; (d) Make recommendations, including, in particular, on accountability measures. 2569
Economic Community of West African States. UN Doc. S/2009/556 vom 28. Oktober 2009, S. 1. 2571 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 2; siehe auch die Presseerklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates in: UN Doc. S/PRST/2009/27 vom 28. Oktober 2009. 2572 UN Doc. S/2009/556 vom 28. Oktober 2009, S. 1; UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 3. 2573 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 3. 2574 UN Doc. S/2009/556 vom 28. Oktober 2009, Annex, S. 2 f. 2570
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3. In the conducts of its inquiry, the Commission shall enjoy the full cooperation of the Government of Guinea. The Government shall comply with requests of the Commission for assistance in collecting the required information and testimony. It shall, in particular, guarantee to the Commission: (a) Freedom of movement throughout the territory of Guinea; (b) Freedom of access to all places and establishments, including prisons and detention centres, of relevance to the work of the Commission; (c) Freedom of access to all sources of information, including documentary material and physical evidence, freedom to interview representatives of governmental and military authorities, community leaders, civil society and, in principle, any individual whose testimony is considered necessary for the fulfilment of its mandate; (d) Appropriate security arrangements for the personal, documents, premises and other property of the Commission; (e) Protection of all those who are in contact with the Commission in connection with the inquiry; no such person shall, as a result of such appearance or information, suffer harassment, threats of intimidation, ill-treatment, reprisals or any other prejudicial treatment; (f) Privileges, immunities and facilities necessary for the independent conduct of the inquiry. In particular, members of the Commission shall enjoy the privileges and immunities accorded to experts on mission under article VI of the 1946 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, and officials under articles V and VII of the Convention. 4. The Commission may approach third States with a request for cooperation in the collection of material or information relevant to the case. 5. The Commission shall be composed of three members having a reputation for probity and impartiality. In the overall composition of the Commission, there will be the required expertise in human rights, international law, including international criminal law, and experience in investigating human rights violations, including sexual violence. Members of the Commission shall be appointed by the Secretary-General, in consultation with ECOWAS and AU. The Commission shall be assisted by the necessary staff, including administrative, security and technical staff. 6. The Commission shall submit its report to the Secretary-General within two months from the start of the activities. The Secretary-General will share the report with ECOWAS, AU and the Government of Guinea.“
Die Untersuchungskommission wurde hinsichtlich der Ereignisse in Guinea durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, in Abstimmung mit der ECOWAS sowie mit der Afrikanischen Union, mit drei Afrikanern besetzt. Der Vorsitz der Kommission wurde dem bekannten algerischen Juristen Mohammed Bedjaoui übertragen, der bereits als Außenminister seines Heimatlandes, als Richter und Präsident des Internationalen Gerichtshofes sowie als Präsident des algerischen Verfassungsgerichts gewirkt hatte. Daneben gehörte noch Françoise Ngendahayo Kayiramirwa aus Burundi der Kommission an, die dort unter anderem Ministerin für Menschenrechte und Geschlechterfragen gewesen war und den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda in Genderproblematiken und Fragen der Opferhilfe beraten hatte, sowie Parmila Patten, eine Rechtsanwältin von Mauritius, welche auch
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Mitglied des Ausschusses zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen war.2575 Da bei den von der Kommission zu untersuchenden Ereignisse auch schwerwiegende Vorwürfe von sexueller Gewalt gegen Frauen zu besorgen waren, war es folgerichtig, dass die Kommission überwiegend mit Frauen besetzt war, die zudem zuvor Positionen bekleidet hatten, in denen Frauenrechte eine maßgebliche Rolle gespielt hatten.2576 Organisatorisch wurde die Kommission durch ein Sekretariat unterstützt, das vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte eingerichtet wurde. Das Sekretariat umfasste 14 Mitarbeiter, die allesamt Expertise in den Bereichen des Völkerrechts, insbesondere im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes sowie des Völkerstrafrechts, aufwiesen und Erfahrungen in der Aufklärung von Menschenrechtsverstößen, einschließlich sexueller Gewalt, besaßen. Zwei der Experten des Sekretariats wurden zum einen von der Organisation Justice Rapid Response und zum anderen vom United Nations Development Fund for Women entsandt.2577 Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich Frauenrechte waren also nicht nur bei der Besetzung der eigentlichen Kommission, sondern auch bei der Besetzung des Sekretariats augenscheinlich von großer Wichtigkeit. c) Durchführung der Untersuchung Die Mitglieder der Untersuchungskommission reisten zunächst am 15. November 2009 nach New York, um sich dort mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu beraten. In der Folge reiste die Kommission weiter nach Genf. Dort trafen die Kommissionsmitglieder am 19. November zu Gesprächen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte zusammen. Daneben hielt die Kommission Arbeitssitzungen mit den für Guinea zuständigen Mitarbeitern des Büros des Hohen Kommissars ab. Auch trafen sich die Kommissionsmitglieder mit einer Reihe von Diplomaten.2578 Bereits am 15. November 2009 begann das Sekretariat der Untersuchungskommission mit seiner Feldarbeit.2579 Vor der Ankunft der Sekretariatsmitarbeiter hatte bereits eine Mitarbeiterin des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 17. bis zum 24. Oktober 2009 Dakar besucht, die Hauptstadt des Senegal, der an Guinea grenzt. Dort traf sie sich zu Gesprächen mit Vertretern der guineischen Zivilgesellschaft sowie mit Vertretern der ECOWAS, der 2575
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 6 f. Für diesen Befund ist zudem anzuführen, dass in dem Abschlussbericht der Kommission hinsichtlich der Person von Parmila Patten ausdrücklich auf ihre Veröffentlichungen im Bereich der Gewalt gegen Frauen sowie der Kinderrechte hingewiesen wurde, siehe UN Doc. S/ 2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 7. 2577 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 8. 2578 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 9. 2579 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 9. 2576
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Vereinten Nationen, von Menschenrechtsorganisationen und Internationalen Organisationen mit Sitz in Dakar.2580 Die Mitglieder der Untersuchungskommission selbst reisten am 25. November 2009 nach Conakry.2581 Das Arbeitsprogramm wurde in Konsultationen mit den guineischen Behörden und dem ansässigen Koordinator der Vereinten Nationen vorbereitet.2582 Bereits am ersten Tag ihres Aufenthaltes trafen sich die Kommissionsmitglieder zu Unterredungen mit dem Premierminister und mit dem Präsidenten Guineas. Der Präsident betonte bei dieser Gelegenheit, dass alle zivilen und militärischen Stellen voll mit der Untersuchungskommission zusammenarbeiten würden. Er garantierte der Untersuchungskommission zudem, dass die Regierung für die Sicherheit von Zeugen, Opfern und deren Familienangehörigen Sorge tragen würde.2583 In Conakry trafen die Kommissionsmitglieder zudem zu Gesprächen mit dem Justizminister, den der Präsident Guineas zum Hauptansprechpartner für die Kommission bestimmt hatte, mit dem Minister für Bauwesen, Landnutzung und Öffentliches Eigentum sowie, in Abwesenheit des Außenministers, mit dessen Kabinettschef zusammen.2584 Weitere Gesprächspartner der Kommission aus dem Kreis der guineischen Regierung waren in der Folge der Verteidigungsminister, der Gesundheitsminister, der Minister für die Sicherheit des Präsidenten, der Minister für den Kampf gegen Drogenhandel und organisierte Kriminalität, der Außenminister und der Minister für Territorialverwaltung und Politische Angelegenheiten.2585 Die Kommissionsmitglieder trafen sich zudem mit Vertretern von Forces Vives, einer Bewegung aus Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft, sowie mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereich der Menschenrechte. Dabei verfolgte die Untersuchungskommission die Absicht, sich selbst vorzustellen und Methoden zu erarbeiten, wie Befragungen durchgeführt werden könnten, ohne dass dabei Zeugen, Opfer oder deren Familien gefährdet würden.2586 In einem der Treffen mit Mitgliedern von Forces Vives kamen die Kommissionsmitglieder mit Personen zusammen, die dort nicht nur in ihrer Eigenschaft als Repräsentanten ihrer jeweiligen politischen Parteien, sondern selbst Opfer der Gewalt waren.2587 Darüber hinaus trafen sich die Kommissionsmitglieder noch mit Vertretern der Vereinten Nationen und von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, welche 2580 2581 2582 2583 2584 2585 2586 2587
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 10. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 9. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 15. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 15. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 11. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezmeber 2009, Rn. 16. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 12. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 16.
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über Büros in Guinea verfügten,2588 und mit Vertretern des Rates der religiösen Anführer von Guinea, der aus Christen und Muslimen zusammengesetzt war.2589 Da der Präsident von Guinea erklärt hatte, dass er nicht alle Mitglieder des Militärs, welche verdächtig seien, Täter der zu untersuchenden Menschenrechtsverletzungen zu sein, kontrollieren würde, und um einen besseren Schutz für Opfer, Zeugen und deren Familien zu erreichen, entschied die Kommission, die Kontakte mit diesen Personen zu minimieren. Weiterhin entscheid die Kommission, diese Personen nicht in ihren Wohnungen oder Häusern und auch nicht an ihren Arbeitsplätzen zu befragen. Zudem entschied die Kommission, keine der Orte zu besuchen, die von Zeugen als Massengräber identifiziert worden waren, um diese Orte für spätere strafrechtliche Ermittlungen zu schützen.2590 Insgesamt befragte die Untersuchungskommission 687 Opfer und Angehörige von Opfern sowie Zeugen an verschiedenen Orten in Conakry. Diese Orte waren zuvor mit den Mitgliedern des Sekretariats ausgewählt worden. Die Kommission sprach zudem mit jedem, der ein Gespräch mit ihr wünschte. Daneben holte die Kommission auch Informationen von Nichtregierungsorganisationen ein, die bereits Befragungen zu den Ereignissen vom 28. September durchgeführt hatten. Darüber hinaus führte die Kommission noch Gespräche mit Angehörigen des guineischen Militärs, der Staatsanwaltschaft von Conakry und der dortigen Anwaltsvereinigung. Auch die Leiter, Ärzte und Mitarbeiter von mehreren Krankenhäusern, in denen die Opfer der Gewalt behandelt worden waren, wurden befragt.2591 Die Untersuchungskommission nahm auch das Stadion, in dem sich die Ereignisse vom 28. September 2009 zugetragen hatten, sowie dessen Umgebung in Augenschein.2592 Einige Mitglieder der Untersuchungskommission reisten in den Nachbarstaat Senegal, um dort mit Opfern und einer Anzahl von Zeugen zu sprechen, die sich dorthin geflüchtet hatten.2593 Die Untersuchungskommission hatte ursprünglich geplant, vor dem Ende ihrer Feldarbeit in Guinea noch einmal mit dem Präsidenten der Republik Guinea zusammenzutreffen, um mit diesem die vorläufigen Ergebnisse der Kommissionstätigkeit zu diskutieren. Dieses Treffen fand allerdings nicht statt, da es zuvor zu einem Anschlag auf das Leben des Präsidenten gekommen war. Daher verließ die Untersuchungskommission Guinea am 5. Dezember 2009. Dabei wurde eine Presseerklärung abgegeben, in der die Kommission die Beendigung ihrer Vor-Ort-Tätigkeit erklärte.2594 2588 2589 2590 2591 2592 2593 2594
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 12, 18. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 15. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezmeber 2009, Rn. 13. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 13, 17. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 16. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 18. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 19.
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Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen Guineas sowie die Gespräche mit Staatsvertretern verliefen nach Auffassung der Untersuchungskommission größtenteils zufriedenstellend. Vielen Ersuchen der Kommission wurde nicht nachgekommen oder die Ersuchen wurden ignoriert. So wies etwa der Minister für den Kampf gegen den Drogenhandel und organisierte Kriminalität, der zuvor ein Kommando in den Streitkräften Guineas innegehabt hatte, ein Ersuchen der Kommission zurück, sich mit Personen, die seinem Kommando unterstanden hatten, zu treffen, obwohl diese Personen bekannt waren und verdächtigt wurden, aktiv an den Geschehnissen vom 28. September 2009 teilgenommen zu haben. Weitere Fälle betrafen die Verweigerung der Erlaubniserteilung zum Besuch bestimmter Orte oder die Nichtherausgabe bestimmter Dokumente an die Untersuchungskommission.2595 Neben den Aussagen von Opfern und Zeugen stand der Untersuchungskommission für Guinea noch weiteres Beweismaterial zur Verfügung. Hierzu zählten geschriebene Materialien, insbesondere offizielle Texte, Dokumente und Zeitungsartikel. Hinzu kamen audiovisuelle Materialien, also Fotos und Videos, die von Opfern und Zeugen aufgenommen worden waren. Die Untersuchungskommission wertete alle diese Materialien aus. Die verschiedenen Dokumente, Zeugenaussagen und Bilder wurden dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte übergeben. Zudem wurde entschieden, dass die Dokumente grundsätzlich öffentlich zugänglich gemachte werden könnten, soweit der Generalsekretär der Vereinten Nationen dem zugestimmt habe und sichergestellt sei, dass Vertraulichkeit gewährleistet würde.2596 Vom 7. bis zum 16. Dezember 2009 beendete die Kommission schließlich ihre Arbeit. In diesem Zeitraum wurde der Abschlussbericht in Genf verfasst.2597 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission wurde nach Vorlage an den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit einem Brief vom 18. Dezember 2009 von diesem an den Präsidenten des Sicherheitsrates weitergeleitet.2598 Der Abschlussbericht enthielt insgesamt 281 Randnummern in fünf Abschnitten. Die Einleitung bildete den ersten Abschnitt2599, in dem unter anderem die von der Untersuchungskommission angewandte Methodik, der anwendbare Rechtsrahmen sowie die Struktur und Organisation der Sicherheitskräfte erläutert wurden, die an den Ereignissen am 28. September 2009 beteiligt waren. Im zweiten Abschnitt 2595
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 20. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 21. 2597 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 22. 2598 Report of the International Commission of Inquiry mandated to establish the facts and circumstances of the events of 28 September 2009 in Guinea, UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009. 2599 UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 1 ff. 2596
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wurden die gefundenen Tatsachen dargestellt.2600 Der dritte Abschnitt2601 war der Qualifizierung der begangenen Völkerrechtsverstöße und der vierte Abschnitt2602 den Verantwortlichkeiten hierfür gewidmet. Der fünfte Abschnitt2603 schloss den Abschlussbericht mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen. bb) Hinsichtlich der Beweisführung entschied die Untersuchungskommission, dass, um die Qualität von Beweisen zu erhalten, die nötig sei, um Fakten zu ermitteln, die erhaltenen Informationen einer Kontrolle vor dem Hintergrund unabhängiger Quellen standhalten müssten. Für diese Quellen griff die Kommission primär auf Augenzeugen zurück. Darüber hinaus müssten zum Beweis, dass eine Person an einem Verbrechen teilgenommen habe, unabhängige und verifizierte Quellen benutzt werden. Nach Angabe der Untersuchungskommission enthalte der von ihr erstellte Abschlussbericht keine Aussage, die nicht von mindestens einer weiteren Quelle bestätigt worden sei.2604 cc) Das der Untersuchungskommission erteilte Mandat enthielt keine sehr spezifischen Angaben darüber, an welchem Rechtsrahmen die Kommission ihre Ermittlungen in Guinea ausrichten sollte. Der in Abs. 2 lit. (b) der Arbeitsanweisung erteilte Auftrag „(…) Qualify the crimes; (…)“ lässt zunächst darauf schließen, dass das Strafrecht beziehungsweise Völkerstrafrecht die einschlägige Rechtsmaterie bilden sollte. Die Untersuchungskommission ging jedoch nicht von einem strafrechtlichen Verbrechensbegriff aus, sondern sah auch Verletzungen von Grund- und Menschenrechten als von dem Arbeitsauftrag erfasst an. Insgesamt operiert die Untersuchungskommission mit drei Rechtsmaterien: guineisches Recht, internationale Regelungen zum Schutz der Menschenrechte und Völkerstrafrecht. Hinsichtlich des nationalen Rechts von Guinea stellte die Untersuchungskommission fest, dass die Verfassung des westafrikanischen Staates aus dem Jahre 1990 am 24. Dezember 2008 außer Kraft gesetzt worden sei, mit Ausnahme von deren zweitem Abschnitt, welcher die Grund- und Bürgerrechte enthalte. Von diesen Rechten hob die Kommission das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht zur Abhaltung von Demonstrationen besonders hervor. Die Kommission lenkte zudem den Blick auf Artikel 22 der Verfassung, der es erlaube, die Rechte und Freiheiten nur zur Wahrung der öffentlichen Ordnung einzuschränken. Die Vorschrift erlaube es, dass Gruppen, deren Zwecke oder Aktivitäten darin bestünden, das Recht zu verletzen oder eindeutig eine Störung der öffentlichen Ordnung herbeizuführen, aufgelöst werden könnten. Zudem wies die Untersuchungskommission darauf hin, dass gemäß Artikel 59 der Verfassung die grundlegenden Prinzipien über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den Artikeln 106 bis 122 des Strafgesetzbuches von 31. Dezember 1999 sowie in einem Gesetz über Aufstandsbekämpfung 2600 2601 2602 2603 2604
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 40 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 169 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 201 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 254 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 22.
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niedergelegt seien. Hierin würden Aufmärsche, Treffen, Versammlungen und Prozessionen auf öffentlichen Plätzen geregelt. Nach Artikel 110 des Strafgesetzbuches dürften die guineischen Sicherheitskräfte Gewalt gegen solche Ansammlungen nur dann einsetzen, wenn die Sicherheitskräfte selbst angegriffen würden, oder wenn ihnen keine andere Wahl bliebe, um den besetzten Ort oder ihren Posten oder Personen, für die sie Verantwortung trügen, zu verteidigen. Letztlich wies die Untersuchungskommission im Zusammenhang mit dem nationalen Recht Guineas noch darauf hin, dass nach den universell gültigen Prinzipen der Gewaltanwendung, solche Gewalt verhältnismäßig im Hinblick auf das angestrebte Ziel anzuwenden sei. Dies werde auch in Artikel 9 des Ethik-Kodexes der guineischen Polizei aus dem Jahr 1998 reflektiert.2605 Hinsichtlich der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes stellte die Untersuchungskommission fest, dass Guinea die überwiegende Zahl der internationalen und regionalen Menschenrechtsverträge unterzeichnet und ratifiziert habe und wie alle Staaten an die einschlägigen völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssätze gebunden sei. Für den Kontext der Ereignisse am 28. September 2009 hob die Untersuchungskommission in ihrem Abschlussbericht insbesondere Guineas Bindung an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung gegen Frauen, die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes hervor.2606 Hinsichtlich des Völkerstrafrechts stellte die Untersuchungskommission fest, dass Guinea am 14. Juli 2003 das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet habe und dieser damit für die in Guinea verübten Verbrechen grundsätzlich zuständig sei.2607 Von den verschiedenen Verbrechenstatbeständen, die nach dem Römischen Statut strafbar seien, schloss die Untersuchungskommission Kriegsverbrechen und Völkermord aus. Kriegsverbrechen könnten in Guinea am 28. September 2009 nicht stattgefunden haben, da kein bewaffneter Konflikt stattgefunden habe. Anzeichen für einen Völkermord habe es ebenfalls nicht gegeben habe.2608 Daher würde nur die Kategorie der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Beurteilung der Ereignisse am 28. September 2009 übrigbleiben.2609 dd) Die Kommission kam im Anschluss an ihre Untersuchung zu folgenden Ergebnissen: Während der Ereignisse vom 28. September 2009 seien schwere 2605 2606 2607 2608 2609
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 23. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 24. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 26. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 27. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 27 f.
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Verletzungen grundlegender Menschenrechte, die in von Guinea unterzeichneten und ratifizierten internationalen Abkommen garantiert würden, begangen worden.2610 Hinsichtlich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte wurde von der Kommission festgestellt, dass Guinea von der Derogationsmöglichkeit nach Artikel 4 des Paktes keinen Gebrauch gemacht habe und dieser daher auf die in Rede stehenden Ereignisse im vollen Umfang anwendbar sei.2611 Hinsichtlich dieses Paktes wurden von der Kommission Verletzungen des Rechts auf Leben und der Verbote der Folter, der Sklaverei und der willkürlichen Gefangennahme festgestellt.2612 Zu keinem definitiven Ergebnis konnte sich die Untersuchungskommission hingegen hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Rechts auf friedliche Versammlung durchringen.2613 Hinsichtlich des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der guineische Staat das Recht auf Gesundheit mehrfach verletzt habe.2614 Auch bei den von der Untersuchungskommission als auf die Ereignisse am 28. September 2009 anwendbar erklärten völkerrechtlichen Verträgen wurden verschiedene Verletzungen der in diesen enthaltenen Rechte und Verbote konstatiert.2615 Hinsichtlich der Völkerstrafrechts wurden viele der Menschenrechtsverletzungen durch die Kommission auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft.2616 Bezüglich der festgestellten Verletzungen völkerrechtlicher Regeln sah sich die Kommission auch in der Lage, Verantwortlichkeiten hierfür festzustellen. So sei der guineische Staat verantwortlich für die Rechtsverletzungen, die durch Soldaten, die Gendarmerie und durch Polizeikräfte, sowie durch Milizen, die mit den staatlichen Sicherheitskräften kooperierten, begangen worden seien.2617 Neben dieser gesamtstaatlichen Verantwortung konnte die Untersuchungskommission auch individuelle Verantwortlichkeiten einzelner Personen bestimmen.2618 Hierbei wurden mehrere Personen – darunter auch Vertreter der damaligen Regierung von Guinea – zu verschiedenen Graden als Täter namentlich benannt. ee) Die Untersuchungskommission sprach eine Reihe von Empfehlungen an verschiedene Akteure hinsichtlich der Ereignisse vom 28. September 2009 aus. Um eine Verschlimmerung der Lage in Guinea zu verhindern, wurde an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Empfehlung erteilt, mit der dortigen Lage befasst zu bleiben. Dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Men-
2610 2611 2612 2613 2614 2615 2616 2617 2618
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 169. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 170. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 171 f. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 173 f. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 175. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezmeber 2009, Rn. 176 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 180 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 201 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 212 ff.
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schenrechte wurde empfohlen, die Situation in Guinea zu beobachten.2619 Um die innere institutionelle Schwäche Guineas anzugehen, wurde empfohlen, dass die hierfür kompetentesten nationalen und internationalen Gremien alle notwendigen Maßnahmen, einschließlich von technischer Zusammenarbeit, in Erwägung ziehen sollten, um in einem ganzheitlichen Ansatz die militärischen Strukturen Guineas zu straffen; insbesondere seien hierzu vereinheitlichte Kommandostrukturen, striktere Disziplin, Beförderungen auf der Grundlage von Verdiensten und nicht wegen ethnischer Zugehörigkeiten, ein größeres Maß an Pflichtbewusstsein sowie der Respekt für das Leben und alle Verpflichtungen von Militärangehörigen einzuführen. Darüber hinaus wurde dem System der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft als Ganzes empfohlen, die Regierung von Guinea dazu aufzufordern, das dortige Justizwesen zu reformieren, um der Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Diese Reform solle alle anwendbaren internationalen Regeln berücksichtigen, zudem sollten Ressourcen für die Umsetzung der Reform bereitgestellt werden. Weiterhin wurde Guinea empfohlen, nach der Wahrheit zu suchen und ein Licht auf die schmerzvolle Vergangenheit des Landes seit seiner Unabhängigkeit zu werfen, um so zur nationalen Versöhnung beizutragen.2620 Die Untersuchungskommission empfahl der Regierung von Guinea, die Ereignisse vom 28. September 2009 zu beleuchten, diejenigen, die verantwortlich seien, zu verfolgen, Kompensation für die Opfer bereitzustellen sowie Familien mit allen relevanten Informationen über verschwundene Personen zu versorgen.2621 Als völkerstrafrechtliche Maßnahme empfahl die Kommission, dass in Fällen, in denen es nach den Feststellungen in ihrem Abschlussbericht eine starke Vermutung dahingehend gebe, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden seien, die betroffenen Personen an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden sollten.2622 Um sicherzustellen, dass an die Opfer der Ereignisse Kompensation gezahlt würde, rief die Untersuchungskommission zum einen die Regierung von Guinea auf, dass diese sicherstellen solle, dass Familien von verstorbenen Personen eine adäquate Entschädigung und Verletzte eine Reparation für die erlittenen körperlichen und seelischen Schäden erhalten sollten. Zum anderen wurde die internationale Gemeinschaft, die sich über die prekäre Finanzlage Guineas bewusst sei, aufgerufen, den westafrikanischen Staat mit medizinischer, technischer und finanzieller Hilfe zu unterstützen, damit die geforderten Entschädigungen und Hilfen verwirklicht werden könnten.2623 Weiterhin empfahl die Untersuchungskommission, dass die durch die ECOWAS, die Afrikanische Union, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika verhängten gezielten Sanktionen gegen Personen, die in dem Verdacht stehen würden, an den Ereignissen vom 28. September 2009 direkt oder indirekt teilgenommen zu haben, aufrechterhalten werden sollten. Zudem sollten diese Sanktionen 2619 2620 2621 2622 2623
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 276. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 276. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 277. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 278. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 279.
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auf Personen ausgeweitet werden, die bislang noch nicht Ziel dieser Sanktionen gewesen seien, die aber in dem Bericht der Kommission auftauchen würden.2624 Die letzten Empfehlungen der Untersuchungskommission betrafen den Schutz von Opfern und Zeugen. Der guineischen Regierung wurde empfohlen, ihre Verpflichtungen in diesem Bereich zu erfüllen sowie die Zusagen, die sie gegenüber der Kommission gegeben habe, einzuhalten, insbesondere hinsichtlich solcher Personen, die mit der Untersuchungskommission zusammengearbeitet hätten. Der Afrikanischen Union, der ECOWAS, der Europäischen Union und allen Staaten, die sich hierzu in der Lage befinden würden, wurde empfohlen, Schritte zu unternehmen, um die Regierung von Guinea an ihre Verpflichtungen zum Schutze der Opfer und Zeugen zu erinnern und, in Übereinstimmung mit dem internationalen Flüchtlingsrecht, all jenen Zeugen und Opfern Zuflucht zu gewähren, die sich in Gefahr befinden würden.2625 19. Israelische Aktion gegen Blockadebrecher a) Historischer Hintergrund Im Juni 2007 übernahm die Hamas die politische Kontrolle über den Gazastreifen.2626 Wegen der extrem feindseligen Haltung der Hamas gegenüber Israel erklärte die israelische Regierung im September 2007, dass die Hamas eine „terroristische Organisation“ und Gaza „feindliches Gebiet“ sei. Wegen des verstärkten Beschusses des israelischen Staatsgebiets von Gaza aus, verhängte Israel am 3. Januar 2009 eine Seeblockade, deren Ziel die Verhinderung der Lieferung von Raketen und Raketenteilen in den Gazastreifen war. Hierdurch wurde zugleich eine bereits bestehende landseitige Blockierung Gazas noch verstärkt. Verschiedene pro-palästinensische Organisationen organisierten eine aus sechs Schiffen bestehende Flotte, die Hilfsgüter nach Gaza bringen sollte und von der Türkei aus ablegte. Das größte dieser Schiffe war die unter der Flagge der Komoren fahrende „Mavi Marmara“; weitere Schiffe der Flotte fuhren unter den Flaggen von Togo, der Komoren, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Türkei, von Kiribati und Griechenland. Ein kambodschanisches Schiff erreichte die anderen Schiffe nicht mehr rechtzeitig, um an der folgenden Aktion teilzunehmen. An Bord der Schiffe befanden sich eine Reihe pro-palästinensischer Aktivisten, unter ihnen auch Parlamentsabgeordnete aus verschiedenen Staaten.
2624
UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 280. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 281. 2626 Siehe hierzu und zum Folgenden auch Russel Buchan, Netherlands International Law Review 58 (2011), S. 209 (210 ff.) sowie Douglas Guilfolye, British Yearbook of International Law 81 (2011), S. 171 (172 ff.); Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Mavi Marmara“ sowie UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010; zu weiteren Hintergründen auch I˙lker Aytürk, Turkish Studies 12 (2011), S. 675 ff. 2625
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Am 30. Mai 2010 hielten die sechs Schiffe Kurs auf Gaza. In der Voraussicht, dass die Flotte versuchen würde, die verhängte Blockade zu brechen, näherten sich Schiffe der israelischen Marine. Etwa 70 Seemeilen vor der israelischen Küste wurden die Schiffe der Flotte von der israelischen Seite gewarnt, dass sie dabei seien, die Seeblockade zu durchbrechen und dass sie zu einem nahegelegenen israelischen Hafen fahren sollten. Dort würde die Fracht daraufhin untersucht, ob sie Kriegsmaterialien enthalten würde. Wäre die Fracht ausschließlich humanitärer Natur, würde die Fracht von Israel über Land nach Gaza gebracht. Das israelische Ansinnen wurde von Seiten der Flotte zurückgewiesen. Die Flotte näherte sich weiter der Grenze der Blockadezone. Nachdem sie ihre Intention offenbart hatte, die Blockade zu brechen, wurde die Flotte von der israelischen Marine mit der Unterstützung von Spezialkommandos gegen 4:30 Uhr am Morgen des 31. Mais 2011 gestoppt und die Schiffe geboarded, damit die Seeblockade aufrechterhalten werden konnte. Während die Operation der israelischen Marine auf den anderen Schiffen weitgehend ohne Zwischenfälle verlief, stellte sich die Situation an Bord der „Mavi Marmara“ anders dar. Nachdem zwei Versuche das Schiff zu entern aufgrund des Widerstandes von an Bord befindlichen Personen gescheiterte waren, wurde schließlich ein Hubschrauber eingesetzt. Der genauere, weitere Hergang der Ereignisse ist umstritten. Jedenfalls gelang es den israelischen Kommandoeinheiten, auf das Deck der „Mavi Marmara“ zu gelangen. Dort kam es zur Gewaltanwendung, bei der neun Zivilisten von den Sicherheitskräften durch Waffenfeuer getötet und mehr als 50 weitere verletzt wurden. Nachdem sie das Schiff unter ihre Gewalt gebracht hatten, nahmen die israelischen Soldaten die Besatzung der „Mavi Marmara“ fest und beschlagnahmten deren Ladung. Von wem zuerst Gewalt angewendet wurde, blieb unklar. Sowohl von Seiten der israelischen Streitkräfte als auch von Seiten der sich auf der „Mavi Marmara“ befindlichen Personen wurden behauptet, man habe in Selbstverteidigung gehandelt, nachdem man von der jeweils anderen Seite angegriffen worden sei. b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat hatte sich mit der israelischen Aktion gegen die Schiffe auf der 10. Sitzung seiner 14. Sitzungsperiode am 2. Juni 2010 zu befassen. Pakistan sowie die Nicht-Menschenrechtsratsmitglieder Palästina und Sudan brachten hierzu den Entwurf einer Resolution ein,2627 nach dem unter anderem die Aktion der israelischen Streitkräfte gegen die Schiffe auf das Schärfste verurteilt werden sollte. Zudem war die Einsetzung einer Fact-Finding-Mission vorgesehen.
2627
UN Doc. A/HRC/14/L.1 vom 1. Juni 2010.
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Auf dieser Sitzung wurde mit 32 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und neun Enthaltungen schließlich die Resolution 14/1 angenommen.2628 In dieser wurde die Operation der israelischen Streitkräfte scharf verurteilt. Betreffend die Einsetzung einer Fact-Finding-Mission hieß es in der Resolution: „8. Decides to dispatch an independent, international fact-finding mission to investigate violations of international law, including international humanitarian and human rights law, resulting from the Israeli attacks on the flotilla of ships carrying humanitarian assistance; 9. Also decides to authorize the President of the Council to appoint members to the abovementioned fact-finding mission, who should report on their findings to the Council at its fifteenth session;“
Der Präsident des Menschenrechtsrates benötigte sieben Wochen, um die dreiköpfige Mission zusammenzustellen. Als Missionsvorsitzender wurde Karl T. Hudson-Phillips aus Trinidad und Tobago benannt, der zuvor als Richter am Internationalen Strafgerichtshof und als Generalstaatsanwalt in seinem Heimatland fungiert hatte. Weitere Missionsmitglieder waren Sir Desmond da Silva aus dem Vereinigten Königreich, der bereits das Amt des Chefanklägers beim Sondergerichtshof für Sierra Leone innegehabt hatte, sowie Mary Shanti Dairiam aus Malaysia, die sich als Frauenrechtsaktivistin hervorgetan und auch als Mitglied des Ausschusses zur Beseitigung der Diskriminierungen von Frauen gewirkt hatte.2629 Der Mission wurde zur Unterstützung ihrer Tätigkeit ein Sekretariat zur Seite gestellt, welches von dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte errichtet wurde. Daneben wurde die Mission noch von externen Spezialisten aus den Bereichen forensische Pathologie, militärische Angelegenheiten, Feuerwaffen, Seevölkerrecht und humanitäres Völkerrecht unterstützt.2630 c) Durchführung der Untersuchung Die Mission nahm ihre Tätigkeit offiziell am 9. August 2010 in Genf auf.2631 Sie entschied, dass es zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe nötig sei, die Zusammenarbeit mit Vertretern der verschiedenen interessierten Parteien in der An-
2628
UN Doc. A/HRC/RES/14/1 vom 23. Juni 2010. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Angola, Argentinien, Bahrain, Bangladesch, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Chile, China, Djibouti, Gabun, Ghana, Indien, Indonesien, Jordanien, Katar, Kirgisistan, Kuba, Mauritius, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Norwegen, Pakistan, Philippinen, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Senegal, Slowenien, Südafrika und Uruguay, gegen die Resolution stimmten: Italien, Niederlande und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Belgien, Burkina Faso, Frankreich, Japan, Südkorea, Slowakei, Ungarn, Ukraine und Vereinigtes Königreich, vgl. UN Doc. A/HRC/RES/14/1 vom 23. Juni 2010, S. 2. 2629 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 2. 2630 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 3. 2631 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 8.
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gelegenheit und insbesondere mit den Regierungen der Türkei und von Israel zu suchen.2632 Die Mission setzte sich sehr kritisch mit dem ihr vom Menschenrechtsrat erteilten Mandat auseinander. Insbesondere bemängelte sie, dass dieses zu implizieren scheine, dass Völkerrechtsverletzungen durch Israel bereits geschehen seien, und dies, obwohl noch überhaupt keine Untersuchung stattgefunden habe.2633 Die Mission sah sich nicht in der Lage, auf der Grundlage einer solchen Annahme zu arbeiten. Sie könne erst zu Schlussfolgerungen kommen, wenn sie Schlussfolgerungen auf Tatsachen stützen könne.2634 Die Mission teilte dem Menschenrechtsrat auf der Grundlage der beschriebenen Überlegungen mit, dass sie beabsichtige, das ihr erteilte Mandat wie folgt auszuüben:2635 „(a) Focus on the events that took place in international waters on 31 May 2010 as well as the way in which the Israeli authorities dealt with the aftermath of the operation and the reparation of those participating in the flotilla; (b) Seek to travel to, inter alia, Turkey, Gaza, Israel and Jordan in order to meet with witnesses, officials and non-governmental organizations; (c) Travel to other countries to interview witnesses as may be necessary; and (d) Make all enquiries it considers relevant to the foregoing in order to discharge its mandate.“
Die Missionsmitglieder fühlten sich zudem bei der Durchführung ihrer Untersuchung den Grundsätzen der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit verpflichtet.2636 2632
UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 13. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 5. 2634 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 6 f. 2635 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Annex I, Rn. 5. 2636 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Annex I, Rn. 6. Zudem ging die Mission davon aus, dass folgende Operationsbedingungen für sie anwendbar seien, Rn. 7: „(a) The Mission should enjoy the full cooperation of all States Members of the United Nations; (b) Members and stuff shall enjoy the privileges and immunities accorded to experts on mission and officials under the 1946 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations; (c) The Mission should have freedom of movement throughout the relevant territories; (d) The Mission should have unhindered access to all places and establishments, and the freedom to meet and interview representatives of Governmental and local authorities, military authorities, community leaders, non-governmental organizations and other institutions, and any such person whose testimony and/or expert advice is considered necessary for the fulfilment of its mandate; (e) The Mission should have the unhindered access to and for individuals and organizations wishing to meet with the Mission; (f) The Mission should have free access to all sources of information, including documentary material and physical evidence; 2633
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In Genf konnten die Missionsmitglieder Diskussionen mit den Ständigen Vertretern bei den Vereinten Nationen von Israel, Jordanien, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika führen.2637 Außerdem erhielt die Mission die Unterstützung des Büros des Vor-Ort-Koordinators und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen in Ankara und Amman und arbeitete zudem mit dem Büro des Koordinators für Humanitäre Angelegenheiten in den besetzten palästinensischen Gebieten, der Agentur der Vereinten Nationen für Hilfe und Arbeit für palästinensische Flüchtlinge im Nahe Osten und dem Büro des Sonderkoordinators für den Friedensprozess im Mittleren Osten zusammen.2638 Die Regierung von Israel wurde durch die Mission mehrfach um Zusammenarbeit ersucht. Zu einer solchen kam es jedoch nicht, da die israelische Regierung der Mission gegenüber eine Position der Nicht-Kooperation und der Nicht-Anerkennung einnahm.2639 Während der Untersuchung eröffneten sich der Mission verschiedenste Informationsquellen. Hierzu gehörten neben den Zeugenaussagen auch forensische Berichte, Befragungen von medizinischem und forensischem Personal in der Türkei, geschriebene Stellungnahmen sowie Videoaufnahmen und Fotografien mit einem Bezug zu dem zu untersuchenden Zwischenfall.2640 Bei der Tatsachenermittlung legte die Mission besonderen Wert auf die Befragungen von Augenzeugen und Schiffsbesatzungen sowie auf forensische Daten und Gespräche mit Regierungsoffiziellen. Da Hand- und Überwachungskameras sowie digitale Medienspeichern von den israelischen Sicherheitskräften bei der Marineoperation beschlagnahmt worden waren und anschließend von Israel nur ausgewähltes Material in geringer Menge freigegeben worden war, fühlte sich die Mission verpflichtet, die von den israelischen Behörden veröffentlichten Versionen dort mit großer Vorsicht zu behandeln, wo die Aufnahmen nicht mit den Aussagen von Augenzeugen übereinstimmten.2641 Bei den Zeugenbefragungen musste die Mission – aufgrund des engen Zeitrahmens für die Untersuchung – selektiv vorgehen.2642 Die Mission reiste während ihrer Untersuchungen in die türkischen Städte Istanbul, Ankara und Iskenderun, in die jordanische Hauptstadt Amman sowie in die britische Hauptstadt London und führte dort jeweils sowohl Zeugenbefragungen als auch Gespräche mit Regierungsvertretern durch. Zusätzliche Zeugenbefragungen fanden noch in Genf statt. Insgesamt konnten so 112 Zeugen vernommen werden, (g) Protection should be guaranteed of victims and witnesses and all those who are in contact with the Mission in connection with the inquiry. No such person shall, as a result of such contact, suffer harassment, threats, acts of intimidation, ill-treatment or reprisals.“ 2637 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 13. 2638 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 15. 2639 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 16 f. 2640 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 19. 2641 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 20. 2642 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Annex I, Rn. 8.
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wobei dies entweder durch alle Missionsmitglieder gleichzeitig oder durch einzelne Mitglieder geschah. Rechtsanwaltskanzleien in London, Istanbul und Athen unterstützten einige Zeugen dabei, vor der Mission zu erscheinen. Einige Personen leiteten der Untersuchungsmission durch ihre Anwälte zudem schriftliche Stellungnahmen zu den Ereignissen zu.2643 Eine weitere wichtige Informationsquelle der Mission waren Treffen mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen in Genf, Istanbul und Amman.2644 Zudem hatten die Missionsmitglieder Gelegenheit, die „Mavi Marmara“ zu besichtigen.2645 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der 278 Randnummern umfassende Abschlussbericht der Mission wurde von dieser in fünf Abschnitte unterteilt.2646 Die Einleitung bildete den ersten Abschnitt,2647 der Ausführungen über das Missionsmandat und die Arbeitsweise der Mission enthielt. Im zweiten Abschnitt2648 wurden der historisch-politische und der (völker-)rechtliche Hintergrund der Untersuchung dargelegt. Der dritte Abschnitt2649 war der Darstellung des Zwischenfalles gewidmet. Im vierten Abschnitt2650 wurden Fragen der Verantwortlichkeit und des effektiven Rechtsschutzes besprochen. Der fünfte und damit letzte Abschnitt2651 enthielt schließlich die Schlussfolgerungen der Untersuchungsmission. bb) Die Mission war nach dem Abschluss der Untersuchung der Auffassung, dass sie eine ausreichende Anzahl an Zeugen vernommen habe, um sich ein umfassendes Bild von den Ereignissen zu machen, die sich am 31. Mai 2010 ereignet hätten.2652 Bei der Bewertung der der Mission vorliegenden Beweismittel und Informationen achtete die Mission insbesondere auf den Inhalt der Beweismittel sowie auf das Verhalten der Personen, die vor der Mission erschienen seien, um so feststellen zu können, ob ein und gegebenenfalls welcher Teil der betreffenden Information akzeptiert werden konnte. Wenn einer Quelle von der Mission geglaubt wurde, wurde der betreffenden Information ein höheres Gewicht eingeräumt als Informationen aus anderen Quellen. Informationen „vom Hörensagen“ wurden hingegen nur das Ge2643
UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 21 f. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 22. 2645 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 21. 2646 Report of the international fact-finding mission to investigate violations of international law, including international humanitarian and human rights law, resulting from the Israeli attacks on the flotilla of ships carrying humanitarian assistance, UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010. 2647 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 1 ff. 2648 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 26 ff. 2649 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 75 ff. 2650 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 258 f. 2651 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 260 ff. 2652 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 23. 2644
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wicht beigemessen, welches den Umständen der Information Rechnung trug. Die Entscheidungen über Einzelfragen wurden auf Grundlage von Gewichtigkeit und Qualität des jeweiligen Beweismittels getroffen, wobei diese für alle Missionsmitglieder zufriedenstellend seien mussten, damit sie sich ihrer Schlussfolgerungen sicher waren.2653 cc) Hinsichtlich des auf die zu untersuchende Situation anwendbaren Rechts unterschied die Mission drei Rechtsbereiche: das Seekriegsrecht, einschließlich des Blockaderechts, das humanitäre Völkerrecht sowie die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes.2654 Zunächst wandte sich die Mission den spezifischen Fragen des Seekriegs- und insbesondere des Blockaderechts zu.2655 Hierzu stellte die Mission fest, dass – nach anwendbarem Völkerrecht – ein Schiff auf der Hohen See der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaates unterliegen würde. Ausnahmen hiervon seien nach dem Seevölkerrecht nur begrenzt anerkannt, so etwa in Fällen von Piraterie, Sklavenhandel, bei Schiffen ohne Nationalität sowie in Fällen, in denen eine Genehmigung zum Betreten oder Durchsuchen des Schiffs ad hoc erteilt würde oder in einen völkerrechtlichen Vertrag niedergelegt sei. Andere Ausnahmen könnten zudem in Fällen der Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gegeben seien, und zwar gegen Schiffe, von denen eine unmittelbare und überwältigende Bedrohung für den Staat ausgehe, der die jeweiligen Schiffe betreten wolle.2656 Stimmen, die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, in welchem in den Artikeln 88, 141 und 301 eine Nutzung der Hohen See zu friedlichen Zwecken vorgesehen sei, einen effektiven Ausschluss von Akten der Seekriegsführung erblicken wollten, erteilte die Mission eine Absage.2657 Hiernach ging die Mission zu einer Betrachtung des anwendbaren völkerrechtlichen Regimes der Seeblockade über. Die Mission stellte fest, dass unter der Geltung des Rechts des bewaffneten Konflikts, eine Blockade die Untersagung jeglichen Handels mit einer definierten feindlichen Küstenlinie sei. Ein Kriegführender, der eine rechtmäßige Blockade errichtet habe, sei befugt, diese auf der Hohen See durchzusetzen. Dabei müsse die Blockade eine Reihe von rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, einschließlich der Notifizierung, der Effektivität, der unparteiischen Durchsetzung sowie der Verhältnismäßigkeit. Eine Blockade sei insbesondere dann rechtswidrig, wenn sie entweder den einzigen Zweck verfolge, die Zivilbevölkerung auszuhungern oder ihr andere Güter, welche für ihr Überleben essenziell seien, zu verweigern oder der Schaden, welcher der Zivilbevölkerung zugefügt würde oder erwartet werde, 2653
UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 24. Tiefergehende Auseinandersetzungen mit den völkerrechtlichen Fragestellungen bieten Russel Buchan, Netherlands International Law Review 58 (2011), S. 209 ff. und Douglas Guilfolye, British Yearbook of International Law 81 (2011), S. 171 ff. 2655 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 48. 2656 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 49. 2657 UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 50. 2654
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exzessiv im Verhältnis zu dem konkreten und direkten militärischen Vorteil, der durch die Blockade erwartete werden würde, sei.2658 Zudem betonte die Mission noch, dass nach Artikel 33 des vierten Genfer Abkommens kollektive Bestrafungen gegen die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebietes verboten seien.2659 Als anwendbares humanitäres Völkerrecht würden für Israel als Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten das vierte Genfer Abkommen von 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten sowie die Regeln des humanitären Völkergewohnheitsrechts gelten.2660 Hinsichtlich der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes stellte die Untersuchungsmission fest, dass Israel Partei derjenigen Menschenrechtsverträge sei, die in der untersuchten Situation von Bedeutung seien, namentlich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, der Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassismus, der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, der Konvention über die Rechte des Kindes sowie des Fakultativprotokolls hierzu über die Beteiligung von Kindern in Konflikten. Daher bestünde eine entsprechende Bindung Israels an die Menschenrechte. Hinzu kam noch, dass die Mission feststellte, dass die an der Flotte beteiligten Schiffe – wären sie in internationalen Gewässern gewesen – der Hoheitsgewalt ihres jeweiligen Flaggenstaates unterworfen gewesen seien, also der Hoheitsgewalt von Kambodscha, der Komoren, von Griechenland, Kiribati, Togo, der Türkei sowie der Vereinigten Staaten von Amerika. Die internationalen Menschenrechtsverträge, die von den jeweiligen Staaten zum Zeitpunkt des Zwischenfalles akzeptiert worden seien, seien an Bord der Schiffe anwendbar gewesen.2661 Im Übrigen folgte die Mission der Sichtweise, dass Menschenrechte neben dem humanitären Völkerrecht in Zeiten bewaffneter Konflikte weiterhin anwendbar bleiben.2662 dd) In ihren Schlussfolgerungen kam die Untersuchungsmission zu dem Ergebnis, dass die militärische Operation gegen die Flotte im Kontext der Probleme zwischen der israelischen Regierung einerseits und der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie dem palästinensischen Volk andererseits gesehen werden müsse.2663 Die Mission kam zu dem Ergebnis, dass in Gaza am 31. Mai 2010 eine humanitäre Krise geherrscht habe. Aus diesem Grunde sei die israelische Seeblockade des
2658 2659 2660 2661 2662 2663
UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 51. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 54. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 62. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 67. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 68 ff. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 260.
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Territoriums unrechtmäßig gewesen.2664 Daher sei das Abfangen der „Mavi Marmara“ klar völkerrechtswidrig gewesen; insbesondere habe Israel nicht das Selbstverteidigungsrecht aus Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen für sich in Anspruch nehmen können.2665 Dies sei auch deshalb nicht möglich gewesen, weil von den Schiffen keine überwältigende und direkte Gefahr für Israel ausgegangen sei. Zwar stelle der Beschuss Israels aus Gaza heraus eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Völkerrechts sowie des humanitären Völkerrechts dar, allerdings sei jede Reaktion hierauf, die eine kollektive Bestrafung der Bevölkerung von Gaza darstelle, in keinem Falle rechtmäßig.2666 Die israelische Aktion sei gegenüber den Passagieren der Flotte zudem nicht nur unverhältnismäßig gewesen, sondern habe sich durch gänzlich unnötige und unbeschreibliche Gewalt ausgezeichnet, was nicht durch Sicherheitsbedenken oder andere Gründe zu rechtfertigen gewesen sei. Hierin würden schwere Verletzungen der Normen des Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts liegen.2667 Konkret erwog die Mission dabei, dass durch die israelische Aktion gegen Artikel 147 des vierten Genfer Abkommens verstoßen worden sei, da namentlich vorsätzliche Tötungen, Folter beziehungsweise unmenschliche Behandlungen sowie die vorsätzliche Verursachung großer Leiden beziehungsweise schwere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit begangen worden seien. Im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes erwog die Mission, dass verschiedene Verletzungen von Israels Verpflichtungen stattgefunden hätten. Insbesondere seien Rechte aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verletzt worden, namentlich das Recht auf Leben (Artikel 6), das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe (Artikel 7 und der entsprechenden Konvention), das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person sowie die Freiheit vor willkürlicher Festnahme oder Haft (Artikel 9), das Recht von Gefangenen mit Menschlichkeit und mit Respekt für die inhärente Würde der menschlichen Person behandelt zu werden (Artikel 10) sowie die Meinungsfreiheit (Artikel 19). Zudem empfahl die Mission, dass allen Opfern effektiver Rechtsschutz gewährt werden solle. Zudem legte die Mission Wert auf die Feststellung, dass die von ihr vorgelegte Aufzählung von Rechtsverletzungen keine abschließende Liste sei.2668
2664 2665 2666 2667 2668
UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 261. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 262. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 263. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 264. UN Doc. A/HRC/15/21 vom 27. September 2010, Rn. 265.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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20. Militärischer Konflikt in Libyen a) Historischer Hintergrund Einer der Brennpunkte des sog. Arabischen Frühlings zu Beginn des Jahres 2011 war der nordafrikanische Staat Libyen.2669 Seit 1969 wurde Libyen von Oberst Muammar al-Gaddafi beherrscht, der durch einen unblutigen Militärputsch an die Macht gekommen war und bis 1979 das Land als Staatsoberhaupt führte. Von 1979 an bestimmte er die Politik von Libyen als sog. Revolutionsführer durch einen diktatorischen Regierungsstil. Obwohl es bereits Mitte Januar 2011 zu ersten Protesten gegen das GaddafiRegime gekommen war, begannen größere Demonstrationen erst Mitte Februar. Am 15. Februar 2011 versammelten sich in verschiedenen Städten Menschenmengen zu Protestmärschen. In Tripolis, Bengasi und weiteren Städten kam es zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften der Regierung. Zwei Tage später kam es an dem – von oppositionellen Kräften ausgerufenen – „Tag des Zorns“ erneut zu Demonstrationen und Auseinandersetzungen in allen größeren Städten Libyens. Dabei sollen gezielt ausländische, angeworbene Kämpfer im Dienst des Regimes, Polizeieinheiten und wohl auch Panzer gegen die Bevölkerung eingesetzt worden sein. In den Tagen nach dem 17. Februar 2011 weiteten sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Kräften der Regierung und den oppositionellen Kräften aus und nahmen an Intensität immer mehr zu. Am 20. Februar 2011 hatten Aufständische mit Bengasi die größte Stadt Ostlibyens unter ihre Kontrolle gebracht. Nach etwa einer Woche hatten die Aufständischen dann die gesamte Region Cyrenaika eingenommen. Die oppositionellen Kräfte gründeten hier den sog. Nationalen Übergangsrat, der die Kontrolle im Osten Libyens übernahm. Hingegen konnten die Kräfte des Regimes vorerst die westliche Region Tripolitanien, mit Ausnahme der Stadt Misrata, unter ihrer Kontrolle halten und die Aufständischen zurückdrängen. Am 26. Februar 2011 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Lage in Libyen einstimmig die Resolution 1970 (2011) verabschiedet.2670 In 2669
Hierzu und zum Folgenden eingehend Marcus Scharge, Intervention in Libyen: Eine Bewertung der multilateralen militärischen Intervention zu humanitären Zwecken aus Sicht der katholischen Friedensethik, S. 1 ff.; Manuel Brunner/Robert Frau, Humanitäres VölkerrechtInformationsschriften 27 (2011), S. 192 ff.; Manuel Fröhlich, Zeitschrift für Politikwissenschaft 21 (2011), S. 135 ff.; Emanuela Paoletti, Mediterranean Politics 16 (2011), S. 313 ff.; Mehrdad Payandeh, Virginia Journal of International Law 52 (2011 – 2012), S. 355 ff.; Maya Bhardwaj, Washington University International Review 1/2012, S. 76 ff.; Alan J. Kuperman, International Security 38 (2013), S. 105 ff.; N. N., in: Karl P. Mueller (Hrsg.), Precision and Purpose: Airpower in the Libyan Civil War, S. 393 ff. sowie Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Libyan Revolt of 2011“. 2670 UN Doc. S/RES/1970 (2011) vom 26. Februar 2011. Für die Resolution stimmten: Bosnien und Herzegowina, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Gabun, Indien, Kolumbien, Libanon, Nigeria, Portugal, Russische Föderation, Südafrika, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.6491 vom 26. Februar 2011, S. 2.
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dieser Resolution wurde unter anderem die Situation in Libyen an den Internationalen Strafgerichtshof überwiesen,2671 ein Waffenembargo verhängt2672 und es wurden Reisebeschränkungen insbesondere gegen hochrangige Mitglieder des libyschen Staatsapparates2673 sowie das Einfrieren von Konten solcher Personen2674 beschlossen. In der Folge gelang es jedoch dem Regime erneut, wohl verstärkt durch angeworbene Kämpfer aus Staaten Sub-Sahara-Afrikas, die Kontrolle in dem Konflikt an sich zu ziehen und die Aufständischen unter Einsatz massiver Gewalt in die Defensive zu drängen. Dabei wurden auch die Luftwaffe sowie Heckenschützen eingesetzt. Es kam zu zahlreichen Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung. Am 19. März 2011 gelang es den Regierungstruppen schließlich, Bengasi – eine Hochburg der Aufständischen – anzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hinsichtlich der Situation in Libyen erneut aktiv geworden. Am 17. März 2011 hatte er die Resolution 1973 (2011) verabschiedet.2675 Hierin wurden die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ermächtigt „acting nationally or through regional organizations or arrangements, and acting in cooperation with the Secretary-General, to take all necessary measures, notwithstanding paragraph 9 of resolution 1970 (2011), to protect civilians and civilian populated areas under threat of attack in the Libyan Arab Jamahiriya, including Benghazi, while excluding a foreign occupation force of any form on any part of Libyan territory, and requests the Member States concerned to inform the Secretary-General immediately of the measures they take pursuant to the authorization conferred by this paragraph which shall be immediately reported to the Security Council“.2676
Zudem wurde über Libyen eine Flugverbotszone verhängt,2677 und es wurden Maßnahmen zur Durchsetzung des Waffenembargos2678 und hinsichtlich des Flugverkehrs2679 beschlossen. 2671
UN Doc. S/RES/1970 (2011) vom 26. Februar 2011, Abs. 4 ff. des operativen Teils der Resolution. 2672 UN Doc. S/RES/1970 (2011) vom 26. Februar 2011, Abs. 9 ff. des operativen Teils der Resolution. 2673 UN Doc. S/RES/1970 (2011) vom 26. Februar 2011, Abs. 15 f. des operativen Teils der Resolution. 2674 UN Doc. S/RES/1970 (2011) vom 26. Februar 2011, Abs. 17 ff. des operativen Teils der Resolution. 2675 UN Doc. S/RES/1973 (2011) vom 17. März 2011. Für die Resolution stimmten: Bosnien und Herzegowina, Frankreich, Gabun, Kolumbien, Libanon, Nigeria, Portugal, Südafrika, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Brasilien, China, Deutschland, Indien und Russische Föderation, UN Doc. S/PV.6498 vom 17. März 2011, S. 3. 2676 UN Doc. S/RES/1973 (2011) vom 17. März 2011, Abs. 4 des operativen Teils der Resolution. 2677 UN Doc. S/RES/1973 (2011) vom 17. März 2011, Abs. 6 ff. des operativen Teils der Resolution.
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Auf der Grundlage der Resolution 1973 (2011) begann eine Militärallianz bestehend aus Belgien, Bulgarien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, Spanien, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten von Amerika sowie Jordanien, Schweden, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Luftangriffen gegen die Truppen des Gaddafi-Regimes. Auch eine Seeblockade der libyschen Küste wurde errichtet. Durch diese militärische Unterstützung gelang es den Aufständischen, Bengasi zu verteidigen. Später konnten die Aufständischen auch weitere wichtige Orte erobern. Die Luftunterstützung durch die Militärallianz erwies sich im späteren Verlauf des Konflikts als entscheidend für den Erfolg der oppositionellen Kräfte. Seit Ende Mai 2011 übernahm die NATO die Koordinierung der Angriffe der beteiligten Truppen der Staaten, die auf der Grundlage von Resolution 1973 (2011) an den Operationen teilnahmen. Weitere Kämpfe führten im Sommer 2011 zur Einnahme der libyschen Hauptstadt Tripolis. Gaddafi hatte sich in seine Heimatstadt Sirte geflüchtet. Auch dieser Ort konnte schließlich von den Kämpfern der Opposition eingenommen werden. Im Zuge der Kämpfe wurde Gaddafi entdeckt und erschossen. In der Zwischenzeit wurde der Nationale Übergangsrat international überwiegend als neue Regierung anerkannt. Während der gesamten Zeit des Konfliktes wurde immer wieder von der Ausübung massiver Gewalt durch alle Konfliktparteien berichtet. Zu den vorgeworfenen Taten zählten dabei Tötungen, Folter und gezielte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung. b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat befasste sich mit der Situation in Libyen schon am 25. Februar 2011. Er nahm an diesem Tag im Konsens die umfangreiche Resolution S-15/1 an.2680 In dieser äußerte der Menschenrechtsrat seine tiefe Besorgnis über die Lage in dem nordafrikanischen Staat und verurteilte die schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen dort. Hinsichtlich der Entsendung einer Untersuchungskommission enthielt die Resolution folgende Absätze: „11. Decides to urgently dispatch an independent, international commission of inquiry, to be appointed by the President of the Council, to investigate all alleged violations of international human rights law in Libya, to establish the facts and circumstances of such violations and of the crimes perpetrated, and, where possible, identify those responsible, to make recommendations, in particular, on accountability measures, all with a view to ensuring that 2678
UN Doc. S/RES/1973 (2011) vom 17. März 2011, Abs. 13 ff. des operativen Teils der Resolution. 2679 UN Doc. S/RES/1973 (2011) vom 17. März 2011, Abs. 17 f. des operativen Teils der Resolution. 2680 UN Doc. A/HRC/S-15/1 vom 25. Februar 2011.
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those individuals responsible are held accountable, and to report to the Council at the seventeenth session, and calls upon the Libyan authorities to fully cooperate with the Commission; 12. Requests the Secretary-General and the High Commissioner to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable the above-mentioned commission of inquiry to fulfil its mandate;“
Zum Vorsitzenden der Kommission ernannte der Präsident des Menschenrechtsrates den führenden Völkerstrafrechtsexperten M. Cherif Bassiouni aus Ägypten, der bereits an der Expertenkommission für die Verletzungen des humanitären Völkerrechts in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien sowie an den vorbereitenden Arbeiten für das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs teilgenommen hatte. Die beiden weiteren Mitglieder der Kommission waren die jordanische Menschenrechtsaktivistin Asma Khader sowie der Kanadier Philippe Krisch, der als Richter und Präsident am Internationalen Strafgerichtshofs und als Diplomat gewirkt hatte sowie von seinem Land als Mitglied des Ständigen Schiedshofes nominiert worden war. Krisch übernahm im Oktober 2011 das Amt des Vorsitzenden der Kommission. Auch in diesem Fall wurde die Arbeit der Kommission durch ein vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte errichtetes Sekretariat unterstützt.2681 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission nahm ihre Arbeit am 6. April 2011 in Genf auf. Dort tagte sie bis zum 8. April 2011. Ein weiteres Mal kam die Kommission in der schweizerischen Stadt vom 18. bis zum 20. Mai 2011 zusammen. Während dieser beiden Arbeitszeiträume trafen die Kommissionsmitglieder mit verschiedenen Personen zu Gesprächen zusammen. Hierzu gehörten der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dessen Stellvertreter, der Präsident des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und Repräsentanten von Ständigen Missionen verschiedener Mitgliedstaaten bei den Vereinten Nationen in Genf, ehemalige Vertreter der Ständigen Mission Libyens bei den Vereinten Nationen in Genf, Vertreter des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und des Büros der Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge. Weitere Gesprächspartner der Kommission waren Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Afrikanischen Union, der Liga Arabischer Staaten und der Organisation der Islamischen Konferenz sowie von diversen Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, der Internationalen Juristenkommission und Reporter ohne Grenzen.2682 Hinsichtlich der Auslegung ihres Mandats entschied die Untersuchungskommission, dass sie sich den Akten aller Parteien des Konflikts im Hinblick auf 2681 2682
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 2. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Annex I, S. 85 f.
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mögliche Menschenrechtsverletzungen auf dem Staatsgebiet von Libyen annehmen müsse. Da die Kommission durch den Menschenrechtsrat zudem beauftragt worden war, hinsichtlich von „facts and circumstances of such violations and of the crimes perpetrated“ zu ermitteln, untersuchte die Kommission die Ereignisse auch am Maßstab des Völkerstrafrechts. Dabei nahm die Kommission zur Kenntnis, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1970 (2011) die Situation in Libyen an den Internationalen Strafgerichtshof überwiesen hatte, und legte der Untersuchung insoweit die in den Artikeln 6 bis 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs niedergelegten Straftatbestände zugrunde. Weiterhin stellte die Untersuchungskommission hinsichtlich ihres Mandates fest, dass dieses in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt sei, und daher Menschenrechtsverletzungen die sich vor, während oder nach den Demonstrationen vom Februar 2011 zugetragen hätten, einer Untersuchung zugeführt werden konnten. Ein weiterer Punkt, der maßgeblich für den Umgang der Kommission mit dem ihr vom Menschenrechtsrat erteilten Mandat war, betraf dessen inhaltliche Reichweite. Eigentlich war die Kommission beauftragt worden alle „alleged violations of international human rights law“ zu untersuchen. Allerdings sah sich die Kommission im Rahmen ihrer Mandatsausübung schnell wechselnden Realitäten gegenüber. Mochte der rechtliche Rahmen für die Untersuchung zum Zeitpunkt der Einsetzung der Kommission in Anbetracht der Gewaltakte während der Demonstrationen ausreichend gewesen sein, so änderten sich die Bedingungen spätestens, als es zu einer Gewaltanwendung größeren Ausmaßes in Libyen kam. Hier musste das humanitäre Völkerrecht in den Blick rücken. Daher stellte die Kommission proprio motu die entsprechenden Regelungen in ihre Betrachtungen der Situation in Libyen ein.2683 Die Untersuchungskommission verständigte sich darauf, dass die Informationen, die sie während ihrer Tätigkeiten sammeln würde, vertraulich behandelt werden sollten. Um Sicherheit und Privatsphäre zu sichern, sollten die Namen von Opfern, Zeugen und anderen Quellen nicht im Abschlussbericht der Kommission auftauchen, außer in Fällen, in denen eine Namensnennung ausdrücklich mit der entsprechenden Quelle vereinbart wurde und die Nennung auch von der Kommission als vernünftig angesehen worden sei, oder in Fällen, in denen der Fall, um den es ging, in anderer Form bereits vor Abfassen des Abschlussberichts publiziert worden war. Weiterhin wurde von der Untersuchungskommission entschieden, dass die Kontakte zu den Medien auf die Zurverfügungstellung von tatsächlichen Informationen über die Besuche der Kommission an verschiedenen Orten beschränkt bleiben sollten. Am 9. April 2011 gaben die Mitglieder der Kommission eine Pressekonferenz, in der sie die Medien über die anstehende Reise nach Libyen informierten.2684 Ab dem 11. April 2011 begab sich die Untersuchungskommission auf eine Besuchsreise nach Libyen und in benachbarte Staaten Nordafrikas. Im Zeitraum vom 11. bis zum 15. April besuchte die Kommission Ägypten, hierbei die Hauptstadt 2683 2684
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 4. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 6.
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Kairo sowie die Orte Alexandria, Marsa Matruh und As Sallum. Hier trafen die Kommissionsmitglieder unter anderem mit dem ägyptischen Außen- sowie mit dem Innenminister, Vertretern der Arabischen Liga und des Nationalen Übergangsrates vom Libyen sowie mit Vertretern der Vereinten Nationen, unter anderem dem Sondergesandten des Generalsekretärs für Libyen, mit dem Koordinator für Humanitäre Angelegenheiten in Bezug auf Libyen, mit dem United Nations Resident Coordinator for Libya sowie mit Vertretern des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, des Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, des Büros für Drogen und Kriminalität, des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation, des United Nations Mines Action Service, des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, der Abteilung für Sicherheit und Schutz der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramms zusammen. Weitere Gesprächspartner in Ägypten waren Vertreter der Internationalen Organisation für Migration sowie von Nichtregierungsorganisationen wie der Arabischen Organisation für Menschenrechte, der Arabischen Ärzte Union und von Human Rights Watch. In Kairo und Alexandria besuchten die Kommissionsmitglieder verschiedene Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, in As Sallum zudem den dortigen Grenzübergang zu Libyen.2685 Im Zeitraum vom 12. bis zum 21. April 2011 bereiste die Untersuchungskommission den Osten Libyens und besuchte dort Tobruk, Bengasi und Al Bayda. Dort traf die Kommission mit Vertretern des Nationalen Übergangsrates, mit dem Sondergesandten des französischen Staatspräsidenten und mit Repräsentanten von Human Rights Watch zusammen. Zudem besichtigten die Kommissionsmitglieder Krankenstationen und Krankenhäuser, ein Gefängnis, ein Vertriebenenlager sowie das Büro des Staatsanwalts.2686 Vom 22. bis zum 25. April 2011 besuchte die Kommission Tunesien. Neben der Hauptstadt Tunis reisten die Mitglieder der Kommission auch nach Djerba, Ras Ejdir, Sfax, Sousse, Tataounie und Zarzis. Hier fanden Gespräche mit dem tunesischen Außenminister und dem tunesischen Sozialminister statt. Aus dem Kreis des Systems der Vereinten Nationen besprach sich die Kommission mit dem Regionalkoordinator für Tunesien sowie mit Repräsentanten des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, des Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, der Weltgesundheitsorganisation und des Kinderhilfswerks. Weitere Gesprächspartner der Kommission in Tunesien waren Vertreter der Weltbank, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Internationalen Organisation für Migration, von Amnesty International und der Tunesischen Liga für Menschenrechte. Weiterhin besuchte die Kommission vier Flüchtlingslager sowie vier Krankenhäuser.2687
2685 2686 2687
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Annex I, S. 86 f. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Annex I, S. 87. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Annex I, S. 87 f.
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Am 27. und 28. April 2011 reiste die Kommission nochmals nach Libyen und besuchte dessen Hauptstadt Tripolis. Hier traf sie mit Vertretern der Volkskomitees für Justiz, des Volkskomitees für Auswärtige Verbindungen und internationale Kooperation, des Nationalen Menschenrechtsrates von Libyen, dem Staatssekretär für Auswärtige Beziehungen sowie mit Vertretern von zwei Nichtregierungsorganisationen zusammen. Auch in Tripolis wurde ein Gefängnis besucht.2688 Insgesamt befragte die Untersuchungskommission bei ihrer Feldmission nach Nordafrika mehr als 350 Personen. Hierunter waren 113 Personen aus Krankenhäusern, insbesondere Ärzte, Pflegepersonal, Patienten und deren Familienangehörige, sowie 30 Gefangene und 148 Flüchtlinge und Vertriebene.2689 Neben den Befragungen prüfte die Untersuchungskommission auch eine Reihe weiterer Beweismittel. Hierzu gehörte eine große Zahl von Berichten, schriftlichen Eingaben und anderen Dokumenten. Insgesamt wurden mehr als 5.000 Seiten Dokumente, über 580 Videos sowie 2.200 Fotos gesichtet.2690 Die Untersuchungskommission gab in ihrem Abschlussbericht an, dass sie unter teilweise erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung des ihr durch den Menschenrechtsrat erteilten Mandates gelitten habe.2691 Hierzu gehörte etwa, dass dieses Mandat sehr breit angelegt war, jedoch nur wenig Zeit zu seiner Durchführung zur Verfügung gestanden habe, insgesamt nur etwa zwei Monate. Auch wurden bei den Besuchen in Bengasi und in Tripolis erhebliche Sicherheitsprobleme bemängelt, ebenso wie logistische und administrative Hürden. Weiterhin konnten die Kommissionsmitglieder einige Orte in Libyen, von denen Vorkommnisse gemeldet worden waren, die in das Kommissionsmandat fielen, wegen stattfindender Kampfhandlungen nicht besuchen. Der anhaltende bewaffnete Konflikt in dem nordafrikanischen Staat habe – nach Angaben der Kommission – auch dafür gesorgt, dass eine Atmosphäre geschaffen worden sei, in der viele Opfer und (potenzielle) Zeugen Angst verspürt hätten, frei über ihre Erlebnisse zu berichten, da für sie und ihre Familien mit einer solchen Aussage Risiken verbunden seien. Zudem hätten Schäden an Kommunikationssystemen in Libyen dafür gesorgt, dass es für die Kommission in einigen Fällen sehr schwierig gewesen sei, erhaltene Informationen zu verifizieren. Hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft wurde vielfach durch die Kommission ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Einerseits kooperierten die tunesischen und ägyptischen Behörden nach einem entsprechenden Ersuchen mit der Kommission2692 und auch mit dem Büro des Anklägers beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag konnte eine erfolgreiche Abstimmung über die jeweiligen Arbeitsbereiche 2688 2689 2690 2691 2692
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Annex I, S. 88 f. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 8. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 8 f.; Annex III, S. 91 f. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 11. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 16.
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erfolgen.2693 Jedoch stellte sich die Zusammenarbeit mit der libyschen Regierung und der NATO anders dar. Eine Anfrage der Untersuchungskommission an die NATO vom 18. Mai 2011 hinsichtlich der Übersendung von Informationen über die Operationen des Militärbündnisses in Bezug auf Libyen blieb unbeantwortet.2694 An die libysche Regierung wurden mehrere Ersuchen um Zusammenarbeit gerichtet. Diese waren jedenfalls dahingehend erfolgreich, als dass die Kommission Tripolis besuchen konnte. Ein weiteres Ersuchen war auf die Erlangung von Informationen hinsichtlich des Schicksals von 18 gefangen genommenen Journalisten gerichtet. Hier sah sich die libysche Regierung lediglich in der Lage, der Kommission Berichte über zwei dieser Journalisten zu zuleiten.2695 Weitere Ersuchen um Zusammenarbeit wurden an den Nationalen Übergangsrat gerichtet. Dieser gewährte der Kommission unproblematisch Zugang zu Orten in Ostlibyen und beantwortete auch die Informationsanfragen der Kommission.2696 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der von der Untersuchungskommission vorgelegte Abschlussbericht datierte vom 1. Juni 2011.2697 Der Bericht umfasste 271 Randnummern und war in sechs große Abschnitte eingeteilt. Nach der Einleitung2698 folgte im zweiten Abschnitt2699 eine kurze Beschreibung der Geschichte Libyens. Im dritten Abschnitt2700 skizzierte die Untersuchungskommission den rechtlichen Rahmen ihrer Untersuchung. Der vierte Berichtsabschnitt2701 war verschiedenen Arten von Verstößen gegen die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes, des humanitären Völkerrechts sowie des Völkerstrafrechts gewidmet. Im fünften Abschnitt2702 fasste die Kommission ihre Ergebnisse zusammen und gab im siebten Abschnitt2703 verschiedene Empfehlungen ab.
2693
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 18. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 17. 2695 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 14. 2696 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 15. 2697 Report of the International Commission of Inquiry to investigate all alleged violations of international law in the Libyan Arab Jamahiriya, UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011. In der Folge wurde noch eine leicht überarbeitete Version des Berichts unter der angegebenen Dokumentennummer von der Vereinten Nationen veröffentlicht, siehe UN Doc. A/HRC/17/44 vom 12. Januar 2012. 2698 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 1 ff. 2699 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 20 ff. 2700 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 30 ff. 2701 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 81 ff. 2702 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 236 ff. 2703 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 268 ff. 2694
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bb) Um den rechtlichen Rahmen der Untersuchung abzustecken, teilte die Kommission den Konflikt in verschiedene Phasen ein.2704 Der Zeitraum, in dem die Demonstrationen gegen das libysche Regime begannen, wurde als „normal state of peace“ qualifiziert.2705 Die Frage, wie der Zeitpunkt zu bestimmen sei, an dem die Friedenslage in eine Situation eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts umgeschlagen sei, war nach Auffassung der Kommission hingegen etwas schwieriger zu bestimmen. Es wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass andere Organisationen, die mit eben dieser Fragen befasst gewesen seien, insbesondere der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, ebenfalls kein präzises Datum hätten nennen können.2706 Daher untersuchte die Kommission die entsprechende Rechtslage selbst und wies zunächst auf die Definition eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts hin, wie sie dem zweiten Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 entnommen werden könne, dessen Vertragspartei Libyen zum damaligen Zeitpunkt gewesen sei. Nach Artikel 1 Abs. 1 dieses Vertrages liege ein solcher Konflikttypus vor, wenn ein bewaffneter Konflikt „im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen“. Daher müsse es sich – so die Kommission – um mehr als um isolierte Gewaltakte beziehungsweise bloße innere Unruhen oder einen Aufstand handeln, bei denen beziehungsweise bei dem es zu Gewalttätigkeiten komme und Regierungskräfte gegen organisierte bewaffneten Gruppen kämpfen (Artikel 1 Abs. 2 des zweiten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977). Die Kommission wies darauf hin, dass in den vier Genfer Abkommen von 1949 – welche den Schutz des dort niedergelegten Gemeinsamen Artikels 3 beinhalten würden – keine Definition des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts enthalten sei. Daher definierte die Untersuchungskommission einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, im Anschluss an die Tadic´-Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, als „protracted armed violence between governmental authorities and organised armed groups or between such groups within a State“.2707 Hinsichtlich dieser Rechtslage war die Untersuchungskommission der Auffassung, dass sie, um fest2704
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 60. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 61. 2706 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 62; dort der Verweis auf das Dokument: International Criminal Court, Office of the Prosecutor, First Report of the Prosecutor of the International Criminal Court to the UN Security Council Pursuant to UNSCR 1970 (2011) vom 4. Mai 2011, Rn. 37 und auf die Pressemeldung 11/53 des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz: „Libya: urgent to apply the rules of war“ vom 10. Mai 2011. 2707 UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 63 unter Hinweis auf die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Prosecutor v. Tadic´, Jurisdiction Decision, Appeals Chamber vom 2. Oktober 1995, Abs. 70. 2705
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zustellen, ob ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt existiere, folgende Punkte erörtern müsse: die Intensität des Konflikts, das Ausmaß der relevanten Kontrolle über Territorium und die Natur der bewaffneten Gruppen, welche in Opposition zur Regierung stehen würden. Zur Untersuchung der Natur der bewaffneten Gruppen müssten Überlegungen zu Faktoren wie den hierarchischen Kommandostrukturen, der Möglichkeit zur Organisation von Operationen, dem Bestehen eines Disziplinarsystems, der Natur der Nachschuborganisation und der Selbstdarstellung dieser Gruppen angestellt werden.2708 Die Untersuchungskommission stellte im Hinblick auf diese Kriterien fest, dass ihr mehr Informationen über die Intensität des Konflikts und hinsichtlich der Gebietsgewinne der Oppositionskräfte zur Verfügung stünden, als über die Organisation dieser bewaffneten Kräfte. Als wichtiges Ereignis in dieser Hinsicht wurde zunächst die Übernahme der Kontrolle über die Vororte der Stadt Bengasi und den Flughafen der Stadt am 19. Februar 2011 durch Oppositionskräfte angesehen. Außerdem führte die Kommission die Einnahme von Vororten von Tobruk durch Oppositionskräfte und die Beschlagnahme von Waffen durch diese Kräfte an. Ebenso wurde Bedeutung beigemessen, dass Demonstranten die Stadt Al-Shahat in Ost-Libyen am 20. Februar 2011 übernommen hätten und es berichtet wurde, dass diese dort Personen festgesetzt hätten, die auf Seiten der Regierungskräfte gekämpft hätten. Auch wurde es als wichtig erachtet, dass am 26. Februar 2011 der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1970 (2011) die Verurteilung von schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch verschiedene Institutionen begrüßt hatte. Im Anschluss an diese Feststellungen äußerte die Kommission, dass, obwohl ihr umfassende Informationen über bestimmte Aspekte der Organisation der bewaffneten Gruppen fehlen würden, sie zu der vorläufigen Auffassung gekommen sei, dass sich am oder um den 24. Februar 2011 ein nicht-internationaler Konflikt in Libyen entwickelt habe, welcher die Anwendung des zweiten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 und des Gemeinsamen Artikels 3 der vier Genfer Abkommen ausgelöst habe.2709 Für den Zeitraum ab dem 19. März 2011 nahm die Kommission die Ko-Existenz eines internationalen und eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts an. Grund für diese Einschätzung waren die Angriffe der NATO- und weiterer Staaten auf Libyen in der Folge der Sicherheitsratsresolution 1973 (2011). Die internationalen Militäraktionen seien zur Durchsetzung dieser Resolution durchgeführt worden. Da zudem von der internationalen Allianz keinerlei Kontrolle über die militärischen Aktionen einer der Konfliktseiten ausgeübt worden sei, müsse angenommen werden, dass der internationale bewaffnete Konflikt rechtlich von dem weiterbestehenden nicht-internationalen bewaffneten Konflikt in Libyen zu trennen sei.2710
2708 2709 2710
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 64. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 65. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 66.
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Hinsichtlich des anwendbaren Völkerrechts stellte die Untersuchungskommission als wichtigste Teilgebiete auf die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes, das humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht ab.2711 Hinsichtlich der Menschenrechte stellte die Kommission zunächst fest, dass diese für den gesamten untersuchten Zeitraum Geltung beanspruchen würden, allerdings mit einigen möglichen Variationen während der Dauer des bewaffneten Konflikts.2712 Libyen sei Partei wichtiger Menschenrechtsverträge: des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ratifiziert am 15. Mai 1970), des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (ratifiziert am 15. Mai 1970), der Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ratifiziert am 3. Juli 1968), der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (ratifiziert am 16. Mai 1989), der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (ratifiziert am 16. Mai 1989), der Konvention über die Rechte des Kindes (ratifiziert 15. April 1993), der Internationalen Konvention über den Schutz der Rechte von allen Wanderarbeiter und von deren Familienmitgliedern (ratifiziert am 18. Juni 2004) und der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (ratifiziert am 16. Mai 1989). Zudem stellte die Kommission eine Bindung Libyens an eine Reihe von Fakultativprotokollen zu einigen der genannten Verträgen fest. Im Kontext des Konflikts in Libyen war nach der Auffassung der Untersuchungskommission das Fakultativprotokoll zu der Konvention über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten von besonderer Bedeutung (ratifiziert am 29. Oktober 2004). Zudem stellte die Kommission fest, dass Libyen auch Partei der Konvention über die Nichtanwendbarkeit gesetzlicher Verjährungsfristen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei (ratifiziert am 16. Mai 1989). Auf der regionalen Ebene befand die Kommission noch die Eigenschaft Libyens als Vertragspartei der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (ratifiziert am 19. Juli 1986) und des Protokolls über die Rechte der Frauen in Afrika (ratifiziert am 23. Mai 2004) als wichtig. Als Vertragspartei sei Libyen dazu verpflichtet, die Menschenrechte allen Personen, die seiner Hoheitsgewalt unterstünden, zu respektieren, zu schützen, zu fördern und zu erfüllen. Diese Verpflichtungen beinhalteten die Bereitstellung von effektivem Rechtsschutz für alle Personen deren Rechte verletzt worden seien und die Verantwortlichkeit des Staates die Rechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Weiterhin wies die Untersuchungskommission noch darauf hin, dass Libyen an die einschlägigen Regeln zum Menschenrechtsschutz aus dem Völkergewohnheitsrecht gebunden sei,2713 und dass Libyen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gemäß Artikel 4 des Internatio-
2711 2712 2713
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 67. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 68. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 69.
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nalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte nicht notifiziert habe, dass ein Notstand bestehe und dem Pakt in der Folge derogiert werde.2714 Hinsichtlich der Bindung von nicht-staatlichen Akteuren an die Menschenrechte während des Konflikts in Libyen führte die Untersuchungskommission aus, dass diese, insbesondere die Institutionen und die bewaffneten Kräfte des Nationalen Übergangsrates, formell nicht Partei von internationalen Menschenrechtsverträgen werden könnten und daher auch keine Verpflichtungen aus diesen Verträgen hätten. Obwohl die Reichweite der Menschenrechtsbindung für nicht-staatliche Akteure völkerrechtlich umstritten sei, würde es immer mehr akzeptiert werden, dass in Fällen, in denen nicht-staatliche Gruppen de-facto-Kontrolle über ein Gebiet ausüben würden, diese Gruppen die fundamentalen Menschenrechte der Personen in diesem Gebiet berücksichtigen müssten. Die Kommission ging unter diesen Vorzeichen davon aus, dass, soweit der Nationale Übergangsrat de-facto-Kontrolle über Territorium ausübe, diese Kontrolle der Kontrolle durch Regierungskräfte ähnlich sei. Die Kommission müsse daher auch Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen untersuchen, die gegen die Kräfte des Übergangsrates erhoben würden. Die Kommission nahm zudem zur Kenntnis, dass der Nationale Übergangsrat öffentlich bekundet habe, dass er gewillt sei „(to)2715 build a constitutional democratic civil state based on the rule of law, respect for human rights and the guarantee of equal rights and opportunities for all its citizens including full political participation by all citizens and equal opportunities between men and women and the promotion of women empowerment“.2716 In Hinblick auf das anwendbare humanitäre Völkerrecht stellte die Kommission zunächst fest, dass dieser Rechtskorpus grundsätzlich alle Parteien eines bewaffneten Konflikts binde. Libyen sei Vertragspartei der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (ratifiziert am 22. Mai 1956) sowie der zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen (ratifiziert am 7. Juni 1978). Zudem sei der libysche Staat Partei einer Reihe von weiteren internationalen Instrumenten des humanitären Völkerrechts in Bezug auf Waffen: des Protokolls über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie bakteriologischen Mitteln der Kriegsführung (ratifiziert am 29. Dezember 1971), der Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten (ratifiziert am 19. November 1957), der Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (ratifiziert am 19. Januar 1982) und der Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung, und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (ratifiziert am 6. Januar 2004). Zudem sei Libyen Partei der Konvention der Organisation für Afrikanische Einheit über die Beseitigung der Söldnertums in Afrika und der Internationalen Konvention gegen die Rekru2714 2715 2716
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 70. Eingefügt durch den Verfasser. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 72.
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tierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern (beide ratifiziert am 22. September 2000). Hingegen habe Libyen nicht die Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, die Konvention über Streumunition und die Konvention über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung ratifiziert.2717 Die Untersuchungskommission machte weiterhin darauf aufmerksam, dass im Hinblick auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt der sich in Libyen entwickelt habe, das zweite Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977 und die Bestimmungen des Gemeinsamen Artikels 3 der vier Genfer Abkommen von Bedeutung seien. Auch seien die Konfliktparteien an die einschlägigen Regeln des humanitären Völkergewohnheitsrechts gebunden.2718 Da Libyen zudem Partei einiger weiterer Verträge sei, seien die Standards für die libysche Regierung noch etwas höher. Insbesondere durch die Ratifizierung des Fakultativprotokolls zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten habe sich der Staat verpflichte, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Mitglieder seiner Streitkräfte die jünger als 18 Jahre alt seien, nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen würden, und dass Personen unter 18 Jahren nicht in die Streitkräfte zwangsrekrutiert werden dürften. Durch die Abgabe einer Erklärung nach Artikel 3 des Protokolls habe Libyen erklärt, dass 18 Jahre das Alter für einen freiwilligen Eintritt in die Streitkräfte sei. Zudem wies die Kommission darauf hin, dass das Protokoll Libyen auch verpflichte, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass bewaffnete Gruppen Personen unter 18 Jahren rekrutieren und in Feindseligkeiten einsetzen würden.2719 Im Hinblick auf den internationalen bewaffneten Konflikt stellte die Kommission fest, dass hierin alle Regelungen der vier Genfer Abkommen Anwendung finden würden, ebenso wie die weiteren einschlägigen Regelungen des humanitären Völkerrechts. Zudem seien Libyen und die anderen in den Konflikt involvierten Staaten, außer der Türkei und den Vereinigten Staaten von Amerika, Parteien des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977.2720 Abschließend wies die Untersuchungskommission noch daraufhin, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1325 (2000)2721 unterstrichen habe, dass es wichtig sei, dass alle Staaten die einschlägigen Regelungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Gänze auf Frauen und Mädchen anwenden müssten, und dass besondere Maßnahmen ergriffen werden müssten, um Frauen und Mädchen vor geschlechtsbasierter Gewalt während bewaffneter Konflikte zu schützen.2722 2717 2718 2719 2720 2721 2722
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 73. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 74. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 75. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 76. UN Doc. S/RES/1325 (2000) vom 31. Oktober 2000. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 77.
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Hinsichtlich des völkerstrafrechtlichen Rahmens der Untersuchung wies die Kommission darauf hin, dass Libyen zum Untersuchungszeitpunkt keine Vertragspartei des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs gewesen sei. Durch die Sicherheitsratsresolution 1970 (2011) habe aber der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Situation in Libyen an den Ankläger des Strafgerichtshofs überwiesen, vgl. Artikel 13 lit. b) des Statuts. Der Internationale Strafgerichtshof könne – in Übereinstimmung mit den entsprechenden Definitionen in seinem Staut – Gerichtsbarkeit über Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ausüben. cc) Hinsichtlich der Auswertung der Informationen wies die Kommission darauf hin, dass sie in der Lage gewesen sei, in einem relativ kurzen Zeitraum und insbesondere während eines andauernden (bewaffneten) Konflikts, viel zu erreichen. Jedoch müsse mehr getan werden, da (zum Berichtszeitpunkt) der Konflikt noch andauere und die gerügten Verletzungen der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts, einschließlich jener, bei denen es sich um internationale Verbrechen handele, fortgesetzt würden.2723 Die Kommission bemerkte zudem, dass die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der von ihr erlangten Beweismittel und Informationen in der Qualität schwanken würden. Die Untersuchungskommission wählte daher einen vorsichtigen Ansatz in ihrer Berichterstattung und zeigte jeweils den Unterschied zwischen bloßen Informationen und Beweisen an, welche in nationalen und internationalen Strafverfahren benutzt werden könnten. Auch unterschied die Kommission zwischen Informationen und Berichten, die sie erhalten habe und Zeugenaussagen, die sie aus erster Hand gehört habe, sowie Fakten, die sie selbst beobachtet habe.2724 Die Kommission betonte zudem ausdrücklich, dass die Berichte, die sie von Nichtregierungsorganisationen erhalten habe, nützlich und grundsätzlich zuverlässig gewesen seien. Auf der anderen Seite hätten die Berichte von Regierungsseite und von Seiten des Nationalen Übergangsrates nicht denselben qualitativen Beweisstandard aufgewiesen, wie die Berichte der Nichtregierungsorganisationen. Auf Seiten der Regierung hätten sich die Berichte hauptsächlich aus grundsätzlichen Verneinungen oder spezifischen Vorwürfen zusammengesetzt, die nicht durch Beweise untermauert worden seien. Beide Seiten des Konflikts hätten der Kommission oberflächliche Erklärung unterbreitet, die auf nicht bestätigten Berichten, Vorwürfen oder öffentlichen Gerüchten basiert hätten. Die Kommission habe alle Seiten über die von ihr verwendeten Beweisstandards informiert, sich mit Vertretern beider Seiten und Nichtregierungsorganisationen getroffen, diese jeweils über die Standards informiert und auch auf die Berichtsanforderungen hingewiesen. Jedenfalls hätte die Kommission aber alle Informationen – unabhängig von qualitativen Unterschieden – berücksichtigt.2725 2723 2724 2725
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 236. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 237. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 238.
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Weiterhin äußerte sich die Untersuchungskommission in ihrem Abschlussbericht auch zu den sonstigen Beweisquellen, die sie für Ihre Arbeit benutzt hatte. Sie wies darauf hin, dass seit dem Beginn des Konflikts in Libyen im Februar 2011, die Medien viele Berichte über die Ereignisse, einschließlich von Videomaterial, erstellt hätten. Auch seien der Kommission eine große Zahl von Videos und Bildern von Einzelpersonen, von Nichtregierungsorganisationen, von der libyschen Regierung und von Seiten des Nationalen Übergangsrates übergeben worden. Obwohl die Kommission diese Dokumentarbeweise berücksichtigt habe, müssten die Echtheit der Quellen sowie Zeit und Ort ihrer jeweiligen Aufnahme gesichert werden. Wenn Zeit und Ressourcen vorhanden seien, könne eine Datenbank angelegt werden, in der diese Beweise mit den geschriebenen Berichten verbunden werden könnten. Jedenfalls spreche die hohe Anzahl von Videos und Bildern, sowie die ebenfalls hohe Zahl von ähnlichen Bildern, welche die Kommission von verschiedenen Stellen erhalten habe, für die Zuverlässigkeit, Echtheit und Genauigkeit der jeweiligen Bilder. In vielen Fällen seien auf diesen Bildern Hinweise auf Verletzungen der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und des Völkerstrafrechts festgehalten.2726 dd) Die Untersuchungskommission leitete ihre Ergebnisse mit der Feststellung ein, dass die zum Untersuchungszeitpunkt in Libyen gegenwärtige Situation nur vor dem Hintergrund des unter Gaddafi eingeführten „Jamahiriya“-Systems verständlich sei. Dieses Regierungssystem sei nicht auf Rechtsstaatlichkeit und mit dem Ziel des Schutzes von Menschenrechten aufgebaut gewesen. Vielmehr sei die Ausübung von Rechten wie der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eine Straftat gewesen, die auch mit der Todesstrafe oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe geahndet worden sei. Ebenso seien durch das Regime Privateigentum, einige Arten des Handels und eine freie Presse verboten worden. Die Beamtenschaft, die Polizei, das Militär und paramilitärische Organisationen seien für die Erreichung der Ziele der Regierung eingesetzt worden. Zudem weise die Bilanz des libyschen Regimes im Hinblick auf die Verletzung des Völkerrechts und die Missachtung der Menschenrechte, durch die dem internationalen Terrorismus gewährte Unterstützung, auf eine bestimmte Einstellung des Regimes sowohl zum Völkerrecht als auch zu den Menschenrechten hin.2727 Das libysche Regime sei auf eine einzige Person zugeschnitten, die mit Hilfe von Angst regiere; Loyalität würde durch Einschüchterungen und Belohnungen hergestellt. Das repressive System, das in Libyen herrsche, zusammen mit der Möglichkeit des Anführers, starke ökonomische Anreize für diejenigen zu setzen, die ihn unterstützen und denjenigen ökonomische Nachteile zu bereiten, die ihn nicht unterstützen würden, habe ebenfalls dazu geführt, dass Möglichkeiten geschaffen worden seien, die zu Verletzungen internationaler Menschenrechte führen würden. Dies habe zu den Protesten geführt, die schließlich in den herrschenden Bürgerkrieg gemündet hätten. Weiterhin habe die Nichtexistenz eines Rechtsstaates, die Existenz 2726 2727
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 239. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 240.
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einer nicht unabhängigen Justiz sowie die Dominanz von paramilitärischen Kräften und Sicherheitskräften zur Verstärkung eines Klimas der Angst und der Unterdrückung geführt.2728 Den Konflikt in Libyen stufte die Untersuchungskommission als einen Konflikt sui generis ein. In dem Konflikt gebe es verschiedene Teilnehmer, die sich durch ihre Herkunft, Ziele, Methoden und in den gewünschten Resultaten unterscheiden würden. Auf beiden Seiten des Konflikts sei die Kommission mit Protagonisten zusammengetroffen, die nicht durch ethnische, religiöse oder in der jeweiligen Stammeszugehörigkeit wurzelnde Gründe zur Gegnerschaft motiviert seien. Vielmehr sei das gemeinsame Ziel auf beiden Seiten des Konflikts ein vereinigtes, modernes und progressives Libyen zu schaffen, in welchem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte herrschen würden.2729 Die Ereignisse, die sich seit Februar 2011 zugetragen hätten, hätten die Gesellschaft traumatisiert. Zwar habe es in dem Konflikt eine relativ geringe Anzahl von Opfern gegeben; allerdings sei ein signifikanter sozio-psychologischer Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt worden, vor allem mit Blick auf die Berichte über sexuelle Gewalt. Auch frühere Gewalterfahrungen während der Herrschaft des Regimes hätten zur Traumatisierung der Bevölkerung beigetragen.2730 Was als Serie von friedlichen Demonstrationen begonnen habe, die darauf gerichtet gewesen seien, Regierungsreformen und insbesondere eine Wandlung des Regimes hin zur Demokratie und zu den Menschenrechten zu bewirken, sei auf den Widerstand der Regierung und derjenigen, die die Regierung unterstütz würden, getroffen. Innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums habe sich diese Anfangsphase des Konflikts zu einem Bürgerkrieg entwickelt, in welchem die gegnerischen Kräfte in Schlachten um die Kontrolle von Territorium in den Städten gekämpft hätten. Daher würde der Konflikt die Eigenschaften eines Konflikts von nicht-internationalem Charakter nach dem humanitären Völkerrecht aufweisen. Die Anfangsphase, in der die Regelungen zum Schutz der Menschenrechte anwendbar gewesen seien, habe sich in der zweiten Phase des Konflikts zu einer Situation entwickelt, in der das humanitäre Völkerrecht und die Regeln zum Schutz der Menschenrechte nebeneinander anwendbar seien.2731 Das Straflosigkeit, welcher sich diejenigen Personen gegenübersehen würden, die Völkerrechtsverletzungen begangen hätten, hätte diese Personen noch in ihrem weiteren Missbrauch der Zivilbevölkerung bestärkt. Dies würde erklären, wieso auf Seiten der Regierung in den beiden Konfliktphasen so viele Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts stattgefunden hätten.2732 Die geschätzte Anzahl der Völkerrechtsverletzungen durch die Kräfte der Regierung sei ein Indikator für bestimmte Verhaltensmuster, die entweder das Produkt 2728 2729 2730 2731 2732
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 241. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 242. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 243. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 244. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 245.
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etablierter Politiken oder das Produkt einer Einzelperson seien, welche verschiedene paramilitärische Gruppen und Sicherheitsorganisationen für die Erreichung ihrer Ziele eingesetzt habe. Dass diese Muster der Gewalt fortgesetzt worden seien, wenn sich diesen nicht oppositionelle Kräfte entgegengestellt hätten, sei realistisch gewesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei die Anzahl der getöteten oder verletzen Personen nicht sicher zu bestimmen gewesen; auf der Grundlage der Schätzung von Regierungsstellen, dem Nationalen Übergangsrat und von Nichtregierungsorganisationen könne allerdings von 10.000 bis 15.000 Todesopfern ausgegangen werden.2733 Im Hinblick auf die Antwort der Regierung auf die Demonstrationen, die am 15. Februar 2011 begonnen hätten, kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass genügend Beweise vorliegen würden, die es nahelegen würden, dass die Kräfte der Regierung, zumindest in den ersten Tagen der Proteste, exzessive Gewalt gegenüber den Demonstranten angewandt hätten, was zu einer signifikanten Zahl von Todesfällen und Verletzungen geführt habe. Diese Taten würden eine schwerwiegende Verletzung von Rechten nach den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes bedeuten, einschließlich des Rechts auf Leben, des Rechts auf Sicherheit der Person, der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit. Die Kommission merkte an, dass hinsichtlich der späteren Tage der Proteste, als die Situation eskaliert sei, weitere Untersuchungen benötigt würden, um die Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte während der Demonstrationen im Detail zu untersuchen.2734 Weiterhin konnte die Kommission feststellen, dass viele Personen durch die Regierung gefangen gesetzt worden seien, ohne dass öffentlich bekannt geworden sei, um wie viele Menschen es sich handeln würde. Viele Anschuldigungen hinsichtlich des Verschwindenlassens von Personen durch die Regierung habe die Kommission direkt oder durch Nichtregierungsorganisationen erhalten. Die genaue Anzahl dieser Fälle könne zum Zeitpunkt der Berichtserstellung noch nicht festgestellt werden. Weiterhin äußerte die Untersuchungskommission zur Lage der Menschenrechte während der Demonstrationen, dass benötigte medizinische Behandlungen verhindert worden seien und dass die Pressefreiheit durch das herrschende Regime massive Einschränkungen hätte hinnehmen müssen, etwa durch die Unterdrückung von Kommunikation und Angriffe auf Journalisten und andere Medienvertreter. Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung seien sowohl durch die Regierung als auch durch die Oppositionskräfte oftmals angewandt worden.2735 Im Hinblick auf die Feindseligkeiten verzeichnete die Kommission Verletzungen des humanitären Völkerrechts, einschließlich von Angriffen auf geschütztes medizinisches Personal, auf medizinische Fahrzeuge und Einrichtungen, des Missbrauchs der Embleme des Roten Kreuzes beziehungsweise des Roten Halbmondes und des Fehlens von notwendigen Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Minimierung von 2733 2734 2735
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 246. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 247. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 248.
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Verletzungen von Zivilpersonen und der Beschädigung von zivilen Objekten. Weitere Untersuchungen würden allerdings benötigt, um festzustellen, ob die Angriffe auf Zivilisten – generell und im Hinblick auf besonders geschützte Personen – und auf zivile Objekte – einschließlich von Moscheen und von Einrichtungen mit humanitären Bezügen – vorsätzlich oder unterschiedslos durchgeführt worden seien. Die Kommission habe keine Informationen aus erster Hand erhalten, die darauf hindeuten würden, dass solche Rechtsverletzungen auch den bewaffneten Oppositionskräften zur Last gelegt werden könnten; daher sah sich die Kommission nicht in der Lage, festzustellen, ob sich derartige Verletzungen zugetragen hätten. Ein weiterer Punkt, der genauere Untersuchungen erfordere, sei der Einsatz von Kindersoldaten auf beiden Seiten des Konflikts.2736 Hinsichtlich der Verwendung von Waffen zeigte sich die Kommission zunächst besorgt darüber, dass von Seiten der Regierung keine angemessenen und vorausschauenden Analysen vorgenommen worden seien, die – aus Sicht der Kommission – geeignet gewesen seien, um der Nutzung etwa von Mörsern in beengten Stadtgebieten entgegenzuwirken. Die Nutzung von Munition, die entweder rechtswidrig oder die in unrechtmäßiger Weise angewendet worden sei, wie sich-ausdehnende Geschosse, Phosphorgranaten und Streumunition, müsste noch bestätigt werden, zusammen mit Informationen darüber, ob die Verwendung solcher Munition Teil einer Politik der Regierung oder das Ergebnis von Entscheidungen einzelner Kämpfer oder Kommandeure gewesen sei.2737 Weiterhin bemerkte die Kommission, dass es klar sei, dass ausländische Staatsangehörige an dem Konflikt in Libyen teilgenommen hätten. Auch hier sei noch eine Untersuchung nötig, um festzustellen, ob diese Personen als Söldner im Sinne der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge eingestuft werden könnten. Zudem hätten Misshandlungen von Wanderarbeitern in großem Umfang stattgefunden, insbesondere von solchen Wanderarbeitern, die aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara stammen würden. Diese Personen seien gezielt angegriffen worden, da die Annahme bestanden habe, es würde sich, wegen der Hautfarbe und/oder deren Nationalität, um Söldner handeln. Diese Angriffe müssten weitestgehend den Mitgliedern der Oppositionskräfte zugerechnet werden.2738 Weiterhin kam die Kommission zu Feststellungen hinsichtlich von sexueller Gewalt. In diesem Bereich wies die Kommission erneut auf die Erforderlichkeit weiterer Untersuchungen hin, insbesondere um das Ausmaß von entsprechenden Rechtsverletzungen festzustellen und zu verifizieren, ob die sexuelle Gewalt auf Anstiftung der Befehlshaber beider Seiten hin ausgeübt worden sei. Es sei evident, dass die Berichte über Vergewaltigungen einen bedeutenden psychologischen und sozialen Eindruck bei der Bevölkerung hinterlassen hätten. Wegen der besonders sensiblen Natur des Themas sei es wichtig, dass weitere Untersuchungen maßgeschneiderte Methoden anwenden müssten, wobei auch die Stigmatisierung der Opfer berücksichtigt werden müsse.2739 Die Untersu2736 2737 2738 2739
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 249. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 250. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 251. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 252.
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chungskommission zeigte sich zudem im Hinblick auf Berichte über fortgesetzte Gewalt, nicht nur in Bezug auf neue Gewalttaten, sondern ebenfalls im Hinblick auf die weiteren Effekte von Rechtsverletzungen besorgt, insbesondere bezüglich von verschwundenen Personen, deren Schicksal ungeklärt bleibe.2740 Ein zusätzliches Feld der Besorgnis lag nach Auffassung der Kommission darin begründet, dass angemessene Maßnahmen fehlen würden, um den Rechtsverletzungen zu begegnen. Auch wenn einige Fortschritte hinsichtlich der Haftentlassung von Personen, einschließlich von Journalisten und anderen Medienschaffenden, gemacht worden seien, so habe die Kommission mit Blick auf andere Personen keine Informationen erhalten.2741 Hinsichtlich der völkerstrafrechtlichen Situation nahm die Kommission zunächst zur Kenntnis, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 1970 (2011) die Situation in Libyen an den Internationalen Strafgerichtshof überwiesen habe und dieser damit Verantwortung für die Feststellung individueller, strafrechtlicher Verantwortlichkeiten trage. Vor diesem Hintergrund habe sich die Kommission mit dem Internationalen Strafgerichtshof ins Benehmen gesetzt, allerdings mit diesem noch keine Informationen über die gefundenen Ergebnisse ausgetauscht. Die Kommission sah sich zum Zeitpunkt der Berichterstattung weder in der Lage, individuelle Verantwortlichkeit oder Vorgesetztenverantwortlichkeit für die Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu identifizieren, noch dies für andere Rechtsverletzungen nach Völkerstrafrecht zu tun.2742 Allerdings habe die Untersuchungskommission eine Anzahl von Rechtsverletzungen identifiziert, die sie zu der Annahme veranlasst habe, dass internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, in Libyen verübt worden seien.2743 Hinsichtlich der Regierungskräfte konnte die Kommission feststellen, dass von dieser Seite aus Akte des Mordes, der Inhaftierung und anderer schwerwiegender Verletzungen der Regeln des internationalen Rechts, wie Folter, Verfolgung und erzwungenes Verschwindenlassen im Kontext eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung, mit Wissen um den Angriff, verübt worden seien.2744 Die Regierungskräfte hätten ebenfalls schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts verübt, bei denen es sich um Kriegsverbrechen handeln würde. Hinsichtlich von Kriegsverbrechen nach dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs die im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt anwendbar seien, seien Verletzungen von Leib und Leben der Person, Beeinträchtigungen der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlungen, vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten und Sanitätstransporte die mit dem Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen gewesen seien, zu 2740 2741 2742 2743 2744
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 253. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 254. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 255. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 256. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 257.
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verzeichnen gewesen.2745 Die Kommission habe zudem Informationen erhalten, nach denen möglicherweise unterschiedslose Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte, einschließlich geschützter Objekte wie Moscheen, Krankenhäuser und Gebäude von kultureller Bedeutung, sowie Angriffe auf humanitäres Personal und humanitäre Transporte stattgefunden hätten. Wiederum befand die Untersuchungskommission weitere Untersuchungen für notwendig, um herauszufinden, ob diese Angriffe als „intentional targeting“ im Sinne des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs eingeordnet werden könnten. Weitere Untersuchungen seien ebenfalls hinsichtlich der Fragen erforderlich, ob Kinder unter 15 Jahren in den Dienst von bewaffneten Kräften oder Gruppen gestellt worden seien, oder ob solche Kinder dazu benutzt worden seien, um aktiv an Kampfhandlungen oder Vergewaltigungen während des Konflikts teilzunehmen.2746 Die Stetigkeit, mit die Gewaltmuster ausgeführt worden seien, habe den Eindruck geschaffen, dass diese Muster das Resultat von politischen Entscheidungen von Oberst Gaddafi und hohen Führungspersönlichkeiten gewesen seien. Es würden allerdings weitergehende Untersuchungen benötigt, um die Identität der Täter definitiv festzustellen. Die Kommission wies darauf hin, dass sie weitere Informationen hinsichtlich der Täter einzelner Verbrechen erhalten habe, aber auch hier seien weitere Untersuchungen erforderlich.2747 Hinsichtlich der bewaffneten Oppositionskräfte stellte die Kommission zunächst fest, dass sie hinsichtlich dieser Kräfte weniger Berichte über Tatsachen erhalten habe, die darauf hindeuten würden, dass internationalrechtliche Verbrechen begangen worden seien. Die Kommission konnte einige Akte der Folter und von grausamen Behandlungen feststellen. Auch seien Beeinträchtigungen der persönlichen Würde, insbesondere durch Demütigungen und erniedrigende Behandlungen, festgestellt worden, insbesondere gegen Personen, die sich im Gewahrsam der Oppositionskräfte befunden hätten und gegen Wanderarbeiter. Die Taten, die sich während der Dauer des bewaffneten Konflikts in Libyen zugetragen hätten, seien als Kriegsverbrechen im Sinne des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs einzustufen. Auch im Hinblick auf die oppositionellen Kräfte seien weitere Untersuchungen dahingehend angezeigt, ob Vergewaltigungen durchgeführt worden seien, und ob Kinder unter 15 Jahren in bewaffnete Kräfte oder Gruppen eingegliedert worden seien, oder ob diese Kinder auch benutzt worden seien, um aktiv an Kampfhandlungen teilzunehmen. Im Übrigen kam die Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass – auf der Grundlage der zum Berichtszeitpunkt vorliegenden Informationen – die oppositionellen Kräfte nicht an ausgedehnten oder systematischen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung beteiligt gewesen seien und daher keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu besorgen seien.2748
2745 2746 2747 2748
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 258. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 259. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 260. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 262.
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ee) Die Untersuchungskommission gab Empfehlungen an die libysche Regierung,2749 an den Nationalen Übergangsrat2750 und an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen2751 ab. Die libysche Regierung wurde zunächst aufgerufen, sofort alle Gewaltakte gegen Zivilisten einzustellen, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verletzen würden. Zudem sollten umfassende, unparteiische und transparente Untersuchungen aller Vorwürfe solcher Verletzungen durchgeführt werden, insbesondere im Hinblick auf außergerichtliche, summarische und willkürliche Tötungen, auf Verschwindenlassen und auf Folter. Weiterhin wurde die Regierung aufgefordert, bedingungslos und umgehend alle Personen freizulassen, die wegen der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen oder willkürlich inhaftiert worden seien. Außerdem sollten die Namen aller inhaftierten Personen, einschließlich der in Haft verstorbenen Personen, bekannt gegeben werden, damit das Leiden der Angehörigen beendet werden könne. Den Opfern und ihren Angehörigen solle eine angemessene Entschädigung gezahlt und es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das erneute Vorkommen von Rechtsverletzungen zu verhindern. Weiterhin wurde die libysche Regierung aufgefordert, humanitären Organisationen und Menschenrechtsorganisationen freien, vollständigen und ungehinderten Zugang zu allen Inhaftierungseinrichtungen zu gewähren. Schließlich wurde die Regierung noch aufgefordert, alle libyschen Gesetze und Politiken in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards zu bringen. Die Empfehlungen an den Nationalen Übergangsrat waren denen an die Regierung sehr ähnlich, teilweise übereinstimmend. Hinzu kam noch die Aufforderung, strikte Kontrollen hinsichtlich der Bewaffnung von Einzelpersonen durchzuführen. Sowohl der Übergangsrat als auch die Regierung wurden von der Untersuchungskommission dazu aufgefordert, ihre jeweiligen Verpflichtungen nach humanitärem Völkerrecht zu erfüllen, insbesondere im Hinblick auf Zivilisten. Zudem sollte humanitärem Personal sofortiger, freier und ungehinderter Zugang zu allen hilfsbedürftigen Personen gewährt werden.2752 Abschließend wurde dem Menschenrechtsrat noch empfohlen, das Mandat der Untersuchungskommission zu verlängern oder einen Mechanismus einzusetzen, der die notwendigen Untersuchungen hinsichtlich der Lage der Menschenrechte und der Befolgung des humanitären Völkerrechts in Libyen für ein weiteres Jahr durchführen solle. Diese Empfehlung wurde vor dem Hintergrund der für die Untersuchung durch die Kommission zur Verfügung stehenden Zeit sowie im Hinblick auf die komplexe und schwerwiegende Lage in Libyen abgegeben.
2749 2750 2751 2752
UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 268. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 269. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 271. UN Doc. A/HRC/17/44 vom 1. Juli 2011, Rn. 270.
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e) Weitere Kommissionstätigkeit aa) Mandatsverlängerung Im Hinblick auf den anhaltenden Konflikt in Libyen verabschiedete der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens am 17. Juni 2011 die Resolution 17/17 zur Lage der Menschenrechte in dem nordafrikanischen Staat.2753 In dieser Resolution entschied der Menschenrechtsrat „to extend the mandate of the commission of inquiry established by the Human Rights Council in its resolution S-15/1, and requests the commission to continue its work, including through visits, and to provide an oral update to the Council at its eighteenth session, and a final written report at its nineteenth session“.2754 Außerdem wurden der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte ersucht „to continue to provide all administrative, technical and logistical assistance required to enable the commission of inquiry to fulfil its mandate“.2755 bb) Durchführung der Untersuchung Bei der weiteren Durchführung der Untersuchung stieß die Kommission auf eine Reihe größerer Schwierigkeiten, die die Implementierung des Mandats erschwerten. Probleme sicherheitsrelevanter und verwaltungstechnischer Art behinderten eine Rückkehr der Kommission nach Libyen bis in den Oktober 2011 hinein. Effektive Untersuchungen waren erst wieder im Dezember 2011 möglich. Weiterhin hatte die Untersuchungskommission logistische Probleme dabei Orte und Personen zu erreichen, die im Rahmen der Untersuchungen von Bedeutung waren.2756 Trotz dieser Problemlagen, die sie bei ihrer Mandatserfüllung behinderten, war die Kommission in der Lage, substanzielle Beweise hinsichtlich von Rechtsverletzungen in Libyen zu sammeln.2757 Bei den Untersuchungen erhielt die Kommission Unterstützung von der neuen libyschen Regierung, von verschiedenen Akteuren aus dem System der Vereinten Nationen, von der NATO sowie von weiteren Organisationen. Auch konnten Opfer und Zeugen von Verletzungen der Menschenrechte befragt werden.2758
2753 2754 2755 2756 2757 2758
Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. A/66/53 von 2011, S. 170 f. Abs. 14 des operativen Teils der Resolution. Abs. 15 des operativen Teils der Resolution. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 7. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 8. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 9.
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cc) Ergebnisse der Untersuchung (1) Der Abschlussbericht der Kommission vom 2. März 2012 umfasste 135 Randnummern.2759 Der Bericht war dabei in sechs Abschnitte unterteilt: nach einer Einführung, in der die Arbeitsweise und die Umstände der Mandatsverlängerung der Kommission beschrieben wurden,2760 folgte im zweiten Abschnitt2761 eine Darstellung der Hintergründe des Konflikts in Libyen. Der dritte Abschnitt2762 wurde der Darstellung der vorgefundenen Tatsachen gewidmet. Im vierten Abschnitt2763 wurden die Erkenntnisse der Untersuchungskommission hinsichtlich der Verantwortlichkeit der verschiedenen Akteure in Libyen in Bezug auf Rechtsverletzungen dargestellt. Im fünften Abschnitt2764 wurden die Erkenntnisse der Kommission einer Bewertung unterzogen. Der sechste Berichtsabschnitt2765 enthielt die Empfehlungen der Kommission. (2) In Bezug auf den für die Untersuchung einschlägigen Rechtsrahmen, verwies die Kommission auf ihre Feststellungen aus ihrem ersten Untersuchungsbericht.2766 In der Phase des bewaffneten Konflikts hätten das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte Anwendung gefunden; nach Beendigung des Konflikts seien die Menschenrechte der einschlägige Rechtsrahmen für die Untersuchung gewesen.2767 (3) Hinsichtlich der Verantwortlichkeiten für Rechtsverletzungen in dem Konflikt in Libyen hob die Kommission zunächst hervor, dass es ihr Mandat umfasse „to identify those responsible, to make recommendations, in particular, on accountability measures, all with a view to ensuring that those individuals responsible were held accountable“. Die Kommission versuchte daher Personen zu identifizieren, die möglicherweise Rechtsverletzungen oder internationale Straftaten, direkt oder im Rahmen ihrer Vorgesetztenverantwortlichkeit, verübt hatten. Die Kommission entschied hierzu, dass die Namen der Personen, die die Kommission verdächtigte, solche Verbrechen begangen zu haben, nicht in den Bericht aufgenommen werden sollten; eine Ausnahme bildeten lediglich Personen aus höchsten Führungsebenen, deren Namen öffentlich bekannt seien.2768 Im Übrigen untersuchte die Kommission auch die institutionelle und rechtliche Basis, auf deren Grundlage die Übergangs-
2759
Report of the International Commission of Inquiry on Libya, UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012. 2760 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 1 ff. 2761 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 10 ff. 2762 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 15 ff. 2763 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 95 ff. 2764 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 116 ff. 2765 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 127 ff. 2766 3. Teil § 2 B. IV. 20. d). 2767 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 5. 2768 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 95.
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regierung Libyens längerfristig die Verantwortlichkeit von einschlägigen Akteuren sichern könne.2769 Im Hinblick auf die völkerrechtliche Ausgestaltung der Verfolgung von Verantwortlichen für Verletzungen der Menschenrechte wies die Kommission zunächst auf Artikel 3 Abs. 2 lit. a) und b) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte hin, wonach „any person whose rights or freedoms (…) are violated shall have an effective remedy“,
und dass „any person claiming such a remedy shall have his right thereto determined by competent judicial, administrative or legislative authorities, or by any other competent authority provided for by the legal system of the State, and to develop the possibilities of judicial remedy“.2770
Die Kommission erinnerte zudem daran, dass die Rechte von Beschuldigten auf ein ordentliches und ein faires Verfahren garantiert werden müssten. Auch in Notfallsituationen könne das Recht auf ein faires Verfahren nicht suspendiert werden.2771 Zudem sei Libyen durch die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe dazu verpflichtet, Vorwürfe von Folter zu verfolgen und der Folter bezichtigte Personen zu untersuchen.2772 Aus dem Völkergewohnheitsrecht ergebe sich zudem die Pflicht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen zu verfolgen.2773 In Bezug auf die damalige Situation in Libyen konnte die Untersuchungskommission feststellen, dass die libyschen Verantwortlichkeitsmechanismen in vielen Bereichen defizitär seien. Viele dieser Defizite seien ein direktes Erbe des vormaligen Regimes.2774 Das existierende Strafgesetzbuch würde internationale Straftaten nicht hinreichend definieren. Zudem sei eine 10-jährige Verjährungsfrist für Straftaten vorgesehen; nach dem Ende dieser Frist sei keine Verfolgung dieser Taten mehr möglich. Zwar sei im Jahr 1998 ein Gesetz in Kraft getreten, dass diese Vorschrift aufgehoben habe; es gebe jedoch keinen retroaktiven Effekt. Das Militärstrafgesetzbuch kenne keine Verjährungsvorschriften.2775 Die Praxis der Strafverfolgung in Libyen zeige, dass die Rechtsanwendung nicht einheitlich und gleich verlaufe. Die Kommission habe Informationen darüber erhalten, dass die thuwar, also die (ehemaligen) Aufständischen, rechtswidrige Tötungen und Folter sowie willkürliche Verhaftungen gegenüber Vertretern der ehemaligen Regierung und solchen Perso2769 2770 2771 2772 2773 2774 2775
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 96. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 97. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 98. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 99. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 100. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 101. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 102.
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nen, die verdächtigt wurden, Unterstützer dieser Regierung gewesen zu sein, vorgenommen hätten. Allerdings habe die Kommission keine Berichte darüber erhalten, dass ein Mitglied der thuwar wegen solcher Taten gefangen genommen oder inhaftiert worden sei.2776 Im Übrigen erkannte die Untersuchungskommission zwar, dass die libysche Übergangsregierung Fortschritte bei der Wiedererrichtung von Gerichten gemacht habe, jedoch es das Fehlen eines funktionierenden Gerichtssystems Tätern erlauben würde, der Verantwortlichkeit zu entgehen.2777 Insgesamt würden die libyschen Behörden einer großen Herausforderung hinsichtlich des Umgangs mit der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit gegenüberstehen. So würden die Behörden wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, die etwa 8.000 gegenwärtig Inhaftierten abzuurteilen.2778 Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass im Februar 2012 ein Prozess gegen 41 Gaddafi-Loyalisten wegen Verbrechen während des Konflikts vor einem Militärgericht begonnen habe. Ebenso nahm die Kommission zur Kenntnis, dass der Fall ordnungsgemäß an ein Zivilgericht übergeben worden sei.2779 Im Hinblick auf rechtliche und institutionelle Reformen in Libyen konnte die Untersuchungskommission feststellen, dass der Nationale Übergangsrat im Dezember 2011 ein Gesetz verabschiedet habe, durch das der Nationale Rat für bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte ins Leben gerufen worden sei. Dieses Gremium habe die Befugnis, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und Fälle bei einem Gericht anhängig zu machen.2780 Außerdem habe der Nationale Übergangsrat ein Gesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage eine Nationale Untersuchungs- und Versöhnungskommission errichtet werden solle, der die Aufgabe der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen innerhalb der vergangenen 42 Jahre übertragen würde. Auf der Grundlage des Gesetzes solle es zudem einen Opferentschädigungsfond geben.2781 Weiterhin sei durch den Übergangsrat ein Gesetz über Amnestien verabschiedet worden. Dieses Gesetz erlaube es Tätern unter bestimmten Bedingungen eine Amnestie zu erhalten. Mord, die Zufügung schwerer Verletzungen, Vergewaltigung, Folter und Entführung seien von der Amnestieregelung ausgeschlossen. Der Gesetzentwurf, den die Kommission durchsah, habe noch vorgesehen, dass eine Versöhnung zwischen dem Täter und dem Opfer zu einer Einstellung des Strafverfahrens beziehungsweise zu einem Straferlass führen würde. Jedenfalls würde die Gewährung einer Amnestie nicht das Recht der Opfer auf Kompensation und Wiedergutmachung antasten.2782
2776 2777 2778 2779 2780 2781 2782
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 103. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 104. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 105. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 106. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 107. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 108. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 109.
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Bezüglich der Verantwortlichkeiten für Rechtsverletzungen im Libyen-Konflikt kam die Untersuchungskommission zu verschiedenen Ergebnissen. Sie sammelte eine Reihe von Informationen zu Verletzungen der Menschenrechte und zu internationalen Straftaten. Eine entsprechende Liste legte die Kommission dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte vor.2783 Die Kommission erachtete es weiterhin als zwingend, dass angemessene Mechanismen geschaffen würden, damit langfristig Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen und internationale Straftaten sichergestellt werden könne.2784 Die Kommission zeigte sich zudem besorgt darüber, dass Vorwürfe hinsichtlich von Rechtsverletzungen nicht auf gleicher Grundlage behandelt würden. Das Fehlen einer Anwendung des Strafrechts für Verbrechen von Mitgliedern der thuwar während und nach dem Konflikt würde ein Klima der Straflosigkeit begründen. Inhaftierten sei es nicht möglich, ihre Inhaftierung anzufechten oder Vorwürfe von Folter durch die thuwar vorzubringen.2785 Zwar seien solche Probleme zum Teil auch der gegenwärtigen Situation in Libyen geschuldet, jedoch seien sie auch systematisch. Den Gerichten würde es an Richtern und an ausreichend ausgebildetem Personal fehlen. Die staatliche Gesetzgebung würde internationalrechtliche Verbrechen nicht hinreichend adressieren. Die Verjährungsfristen, falls sie nicht zurückgenommen würden, verhinderten die Verfolgung von Straftaten aus der Zeit des Gaddafi-Regimes. Das Fehlen eines funktionierenden Justizsystems erlaube es, dass Taten nicht bestraft würden; dies könne eine Vergeltungsspirale nach sich ziehen.2786 Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass Schritte unternommen würden, um die aufgezeigten Problemlagen anzugehen; dies schließe die Errichtung des Nationalen Rates für bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte sowie die Verabschiedung eines Transitional-Justice-Gesetzes ein. Allerdings sei die Kommission besorgt darüber, dass kein unabhängiger und unparteilicher Mechanismus bestehe, um die Mitglieder der Nationale Untersuchungs- und Versöhnungskommission zu besetzen.2787 Letztlich befand es die Kommission noch als wichtig, dass der Versöhnungsprozess unter dem Amnestiegesetz in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ablaufe.2788 (4) Hinsichtlich der Frage des Beweisstandards führte die Kommission aus, dass sie von einer weit größeren Informationsbasis profitiert habe, als dies bei ihrem ersten Bericht der Fall gewesen sei. Dies habe seine Ursachen darin gehabt, dass die Kommission viel Arbeit im Feld erledigen konnte und Zeugen eine weitaus größere Bereitschaft gezeigt hätten, Informationen preiszugeben, da das Gaddafi-Regime nicht mehr an der Macht gewesen sei. Allerdings hätten die Qualität und die Zuverlässigkeit der Beweise und Informationen, die die Kommission sammeln habe 2783 2784 2785 2786 2787 2788
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 110. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 111. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 112. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 113. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 114. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 115.
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können, wie im Falle des ersten Berichts geschwankt. Die Kommission erhielt ihren Beweisstandard aus dem ersten Bericht aufrecht und erinnerte daran, dass im Rahmen ihrer Untersuchung weniger verlangt würde als in einem Strafverfahren.2789 Die Kommission habe große Bemühungen unternommen, um die erhaltenen Informationen zu untermauern. Hierzu habe die Kommission Quervergleiche durchgeführt und Zeugen getestet. Ihr wären dabei Befragungen von Tätern und Opfern möglich gewesen. Die Kommission habe zudem Ortsbesuche durchgeführt, um physische Beweise zu erhalten. Obwohl die Kommission auch Medienberichte und Berichte von Nichtregierungsorganisationen herangezogen habe, habe die Kommission sich hauptsächlich auf Beweise gestützt, die sie durch eigene Befragungen und eigene Eindrücke gewonnen habe. Neben Informationen über Rechtsverletzungen durch die Kräfte des Gaddafi-Regimes habe die Kommission auch Informationen über Rechtsverletzungen der thuwar gesammelt. Die Kommission betonte, dass sie ihr Mandat unparteiisch wahrgenommen habe; ihr Mandat habe alle Rechtsverletzungen umfasst, unabhängig von den Tätern.2790 (5) Ihre allgemeinen Ergebnisse der Untersuchung teilte die Kommission in vier Kategorien auf. Sie stellte die Ergebnisse hinsichtlich von Rechtsverletzungen durch das Gaddafi-Regime, durch die thuwar und durch die NATO dar. Außerdem widmete die Kommission einen Abschnitt der zum Berichtszeitpunkt gegenwärtigen Situation in Libyen. Hinsichtlich der Verletzungen durch die Kräfte des Gaddafi-Regimes befand die Kommission, dass diese Kräfte verschiedene internationalrechtliche Verbrechen verübt hätten, namentlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Kommission bestätigte insoweit ihre Befunde aus ihrem ersten Bericht, wonach die Kräfte des Gaddafi-Regimes Akte des Mordes, der Folter, des erzwungenen Verschwindenlassens und Akte sexueller Gewalt verübt hätten. Dies sei im Kontext eines ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung mit dem erforderlichen Wissen geschehen. Diese Akte würden also Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.2791 Auch konnte die Untersuchungskommission ihre Befunde aus ihrem ersten Bericht hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts bestätigen, die Kriegsverbrechen gleichkommen würden. Die identifizierten Rechtsverletzungen seien etwa Mord, Folter, Vergewaltigung, Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte sowie geschützte Gebäude, medizinische Einheiten und Transporte. Außerdem seien Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch unterschiedslose Angriffe, willkürliche Inhaftierungen sowie die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten zu verzeichnen gewesen.2792 2789 2790 2791 2792
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 116. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 117. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 118. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 119.
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Hinsichtlich der thuwar seien ebenfalls Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen zu verzeichnen gewesen. Außerdem bemerkte die Kommission, dass Verletzungen der Menschenrechte zum Berichtszeitpunkt in einem Klima der Straflosigkeit noch andauern würden. Die Kommission habe Beweise für außergerichtliche Hinrichtungen, Folter, erzwungenes Verschwindenlassen, unterschiedslose Angriffe und Plünderungen gefunden. Zudem bemerkte die Kommission, dass in Libyen bisher keine Untersuchungen im Hinblick auf die Taten der thuwar stattgefunden hätten.2793 Die Kommission habe zudem keine Beweise zum Tod von Oberst Gaddafi und zum Tod von Mutassim Gaddafi, einem Sohn des ehemaligen Machthabers, der auch den Posten des Chefs des Nationalen Sicherheitsrates und das Kommando über die Leibgarde seines Vaters innegehabt hatte, finden können. Die Untersuchungskommission schlug insoweit weitere Ermittlungen vor.2794 Mit Blick auf den Militäreinsatz der NATO bemerkte die Kommission, dass von den Bündnisstreitkräften ein hochpräziser Feldzug durchgeführt worden sei. Die NATO hätte demonstriert, dass sie zivile Opfer zu vermeiden suche. Dies sei überwiegend geglückt. Im Falle einiger Ereignisse konnte die Kommission zivile Opfer bestätigen und auch Angriffe auf Ziele, die keinerlei militärische Nutzungen aufgewiesen hätten. Die Kommission sah sich nicht im Stande, auf der Grundlage der von der NATO zur Verfügung gestellten Informationen, Schlüsse zu ziehen und empfahl daher auch für diesen Bereich weitere Ermittlungen.2795 Im Hinblick auf die allgemeine Lage in Libyen betonte die Kommission, dass die Übergangsregierung ihr Engagement für die Menschenrechte und ihre Besorgnis über Folter, Misshandlungen und andere Rechtsverletzungen zum Ausdruck gebracht habe, auch wenn die Implementierung dieses Engagements bisher ungleich gewesen sei. Die Übergangsregierung würde erhebliche Unterstützung durch die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft benötigen, um ihr Ziel zu erreichen.2796 Der Verfall der Rechts, der Gerichte und anderer nationaler Institutionen in der Gaddafi-Ära habe in einer Gerichtsbarkeit gemündet, der die Unparteilichkeit fehle, um die Verantwortlichkeit von Sicherheitsinstitutionen sicherzustellen. Die Übergangsregierung würde die Gerichtsbarkeit schrittweise wiederherstellen, indem sie Gerichte wieder öffne und Richter einstelle. Es fehle allerdings auch an qualifiziertem Personal wie Staatsanwälten, Polizisten und Forensikern. Es habe einige Fortschritte bei der Überstellung von Inhaftierten unter die Kontrolle der staatlichen Behörden gegeben; allerdings seien viele Inhaftierte noch unter der Kontrolle einzelner Militäreinheiten außerhalb eines Rechtsrahmens. Inhaftierte hätten oft wenig oder gar keinen Zugang zu ihren Familien oder zu Rechtsbeiständen. Daher hätten die Inhaftierten oft auch keine Gelegenheit, ihre Inhaftierung anzu2793 2794 2795 2796
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 120. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 121. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 122. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 123.
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fechten oder Beschwerden wegen Folter oder Misshandlung vorzutragen.2797 Die Kommission befand weiter, dass die libyschen Behörden es versäumen würden, die Verantwortlichkeit von Angehörigen der thuwar herzustellen, die schwere Rechtsverletzungen, einschließlich rechtwidriger Tötungen und willkürlicher Verhaftungen, begangen hätten. Diese Situation sei symptomatisch für die gleichheitswidrige Rechtsanwendung. Dies sei zugleich ein Hindernis bei der objektiven und vollständigen Herstellung von Verantwortlichkeit für schwere Verbrechen.2798 Die gegenwärtige libysche Regierung habe jedoch auch positive Schritte unternommen, um Verantwortlichkeitsmechanismen zu etablieren. Dies schließe die Schaffung einer Nationalen Untersuchungs- und Versöhnungskommission, eines Nationalen Rates für bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte und die Verabschiedung eines Transitional-Justice-Gesetzes ein. Allerdings müssten die libyschen Behörden auch sicherstellen, dass ein künftiger Amnestieprozess unter dem Amnestiegesetz in Konformität mit den staatlichen Verpflichtungen nach dem Völkerrecht und auch im Hinblick auf Verantwortlichkeit durchgeführt werde.2799 (6) Empfehlungen sprach die Untersuchungskommission am Ende ihres Berichts für die libysche Übergangsregierung, für den Nationalen Übergangsrat und die zukünftige verfassungsgebende Versammlung, für die zwischenzeitlich errichtete Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL2800),2801 für die NATO, für die internationale Gemeinschaft, für die Vereinten Nationen, für die Arabische Liga sowie für die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker aus: Der libyschen Übergangsregierung wurde empfohlen, alle in dem vorliegenden Bericht niedergelegten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu untersuchen und die beschuldigten Täter zu verfolgen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und ihrer Zugehörigkeit. Dabei seien diesen Personen alle ihnen gebührenden Rechte nach dem Völkerrecht zu gewähren. Weiterhin wurde der Übergangsregierung empfohlen, alle verbliebenen Inhaftierten so schnell wie möglich der Kontrolle der zivilen Polizei oder der Militärpolizei zu unterstellen. Diejenigen Inhaftierten, die im Zusammenhang mit dem Konflikt in Libyen gefangen gehalten würden, weil sie in spezifische kriminelle Akte, die schwere Verbrechen darstellen würden, verwickelt gewesen seien, müssten angeklagt werden. Personen, gegen die keine Beweise vorliegen würden, müssten hingegen freigelassen werden. Die Bedingungen der Inhaftierungen müssten mit dem anwendbaren Völkerrecht in Übereinstimmung stehen, einschließlich der ordnungsgemäßen Behandlung der Inhaftierten, des Zugangs zu Rechtsbeiständen und zur Familie sowie 2797
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 124. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 125. 2799 UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 126. 2800 United Nations Support Mission in Libya. 2801 Vgl. UN Doc. S/RES/2009 (2011) vom 16. September 2011, Abs. 12 ff. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. S/RES/2022 (2011) vom 2. Dezember 2011. 2798
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der Möglichkeit der Erhebung von Beschwerden gegen Folter und Misshandlungen. Insgesamt müsse die Folter und die Misshandlung von Inhaftierten beendet werden, ebenso rechtswidrige Verhörtechniken. Die Übergangsregierung müsse alle Orte sichern, die von der Untersuchungskommission in ihrem Bericht als Schauplätze von Verbrechen benannt worden seien, um die Zerstörung und den Verlust von Beweisen zu verhindern. Weiterhin müsse dafür Sorge getragen werden, dass keine Beweise, die durch Folter erlangt worden seien, in Strafverfahren Verwendung finden würden. Die Übergangsregierung müsse zudem alle Parteien, die in dem Konflikt involviert gewesen seien, dazu ermutigen, alle Informationen preiszugeben, die sie über vermisste Personen hätten. Außerdem müsse eine Untersuchung über das Schicksal der vermissten Personen angestrengt werden, unabhängig davon, auf welcher Seite diese Personen in dem Konflikt gestanden hätten. Die Übergangsregierung müsse auch die Angriffe auf verschiedene Gemeinschaften in Libyen beenden, und zudem dafür Sorge tragen, dass vertriebene Gemeinschaften unter befriedigenden Bedingungen zurückkehren könnten und unabhängige Mechanismen errichten, um zu einer Versöhnung mit diesen Gemeinschaften zu gelangen. Eine weitere Maßnahme, welche die Übergangsregierung ergreifen solle, bestünde darin, dass angemessene und gendersensible psychologische, medizinische, rechtliche und soziale Unterstützungsdienstleistungen im ganzen Land errichtet würden. Dies müsse von der Rekrutierung und Ausbildung von weiblichen Ermittlern begleitet werden. Zudem wurde die Übergangsregierung angehalten, die Errichtung von zivilgesellschaftlichen Organisationen anzuregen und zu unterstützen sowie die Opfer von sexueller Gewalt zu unterstützten. In diesem Zusammenhang wurde von der Untersuchungskommission auch eine öffentliche Public-Awareness-Kampagne in den Medien zur Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt gefordert. Im Hinblick auf die Durchführung der Verfahren zur Aufarbeitung der verschiedenen Rechtsverletzungen mahnte die Kommission zunächst, dass dringend Schritte zur Errichtung einer unabhängigen Justiz unternommen werden müssten. Es müsse sichergestellt werden, dass Verantwortlichkeitsmechanismen in Übereinstimmung mit internationalen Standards im Bereich der fairen Verfahrensführung arbeiten würden und dass auch nur Strafen verhängt würden, die mit internationalen Standards konform seien. Die Kommission wies die Übergangsregierung auch darauf hin, dass das Recht gleich angewendet werden und dass sichergestellt werden müsse, dass alle behaupteten Rechtverletzungen untersucht und verfolgt würden, unabhängig von der Identität des Täters. Auch müsse ein integrierter und umfassender Plan zur Verbesserung des Justizsystems und der Verantwortlichkeitsmechanismen erstellt werden. Es müsse im Rahmen des Amnestieprozesses sichergestellt werden, dass die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates eingehalten würden, wonach alle Täter von schweren Straftaten zur Verantwortung gezogen werden müssten. Die libysche Übergangsregierung müsse zudem Schritte ergreifen, um sicherzustellen, dass Personen, die für Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts verantwortlich gewesen seien, keine Positionen in den Bereichen Sicherheit und Militärpolizei, in Gefängnissen oder in Justizinstitutionen besetzen könnten. Auch habe die Übergangsregierung zu bedenken, dass Opferrechte im Rahmen aller Verantwort-
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lichkeitsmechanismen in Übereinstimmung mit den internationalen Regeln und Standards eingehalten werden müssten. Es sei ebenfalls sicherzustellen, dass die Nationale Untersuchungs- und Versöhnungskommission eine vollständige Untersuchung des Erbes der Gaddafi-Ära vornehme, um die Wiederholung von repressiven Praktiken zu verhindern. Zuletzt wurde der Übergangsregierung von der Untersuchungskommission noch empfohlen, Programme für alle Beamten in der Justiz, der Polizei, dem Militär und in Gefängnissen im Bereich der Menschenrechte aufzulegen, wobei ein besonderes Augenmerk auf Training im Umgang mit sexueller Gewalt gelegt werden solle.2802 Der Nationale Übergangsrat und die zukünftige verfassungsgebende Versammlung wurden aufgerufen, sicherzustellen, dass die künftige libysche Verfassung den internationalen Menschenrechtsschutz inkorporieren würde, wie er in Verträgen zu finden sei, die Libyen ratifiziert habe. Außerdem sollten Rechtsreformen im Bereich des Strafrechts durchgeführt werden, um internationale Verbrechen in das libysche Strafrecht zu inkorporieren; dabei müsste die Verjährung für solche Straftaten aufgehoben werden. Insgesamt müsse dafür Sorge getragen werden, dass das gesamte libysche Recht in Übereinstimmung mit den staatlichen Verpflichtungen aus dem Völkerrecht stehe.2803 UNSMIL wurde durch die Untersuchungskommission aufgerufen, die Implementierung der Empfehlungen der Kommission zu überwachen und der libyschen Regierung technische Unterstützung im Bereich der Verpflichtungen aus den Menschenrechten zu leisten, insbesondere in den Gebieten, in denen Mängel bestehen würden, wie sie im Kommissionsbericht niedergelegt seien. Außerdem solle UNSMIL mit der Übergangsregierung an Capacity-Building-Programmen für Gerichte, Gefängnisse, die Polizei, für Staatsanwälte und Strafverteidiger arbeiten und die Unterstützung solcher Programme durch die internationale Gemeinschaft koordinieren.2804 Die NATO wurde aufgerufen, Untersuchungen hinsichtlich der zivilen Opfer durch Operationen des Militärbündnisses in Libyen und der eigenen Leistungen in diesem Bereich zu unternehmen. Außerdem rief die Untersuchungskommission die NATO dazu auf, ihre unverbindlichen „Richtlinien zur Zahlung bei kampfbezogenen Fällen von zivilen Opfern oder der Beschädigung von zivilem Eigentum“ vom 20. September 2010 auf die zivilen Opfer der NATO-Operationen im Konflikt in Libyen anzuwenden. Dies solle vorzugsweise in Zusammenarbeit mit den Bemühungen des Nationalen Übergangsrates geschehen, im ganzen Land Wiedergutmachung für zivile Verluste zu leisten.2805
2802 2803 2804 2805
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 127. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 128. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 129. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 130.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Weitere Empfehlungen des zweiten Berichts der Untersuchungskommission ergingen an die internationale Gemeinschaft.2806 Diese wurde zunächst aufgerufen, sofort eingefrorene Konten der libyschen Regierung freizugeben, um es dieser zu ermöglichen, die Empfehlungen der Untersuchungskommission zu implementieren. Hierbei müssten einige Geldmittel in den Aufbau einer unabhängigen Justiz und in die Ausbildung von Polizisten, der Justiz, von Gefängnispersonal und anderen Beamten fließen. Die internationale Gemeinschaft wurde zudem aufgerufen, die libyschen Behörden bei ihrem Plan zur Verbesserung des Rechtssystems und der Stärkung der Kapazitäten von Richtern, Staatsanwälten, Polizei und Gefängnispersonal, insbesondere bei der Entwicklung besonderer Ermittlungs- und Verfolgungspraktiken, zu unterstützen. Die libyschen Gerichte müssten auch Unterstützung bei der Sicherung aller wichtigen Tatorte von Verbrechen, die in dem Kommissionsbericht genannt würden, erhalten, um eine Zerstörung beziehungsweise den Verlust von Beweisen zu verhindern. Auch müsse die internationale Gemeinschaft die libyschen Behörden dabei unterstützen, die Auslieferung von Personen sicherzustellen, die sich auf libyschem Staatsgebiet befinden würden und denen die Verübung schwerer Verbrechen zur Last gelegt werde. Dabei seien die Grundrechte der betreffenden Personen zu wahren. Aus dem Bereich der Vereinten Nationen erging an den Menschenrechtsrat die Empfehlung, einen Mechanismus zur Sicherstellung der Implementierung der Empfehlungen des Kommissionsberichts einzurichten.2807 Der Generalsekretär solle zudem sicherstellen, dass die Agenturen der Vereinten Nationen bei ihrer Unterstützung für die Regierung von Libyen bei der Implementierung der Kommissionsempfehlungen einen kohärenten und integrativen Ansatz verfolgen würden.2808 Die Arabische Liga wurde aufgerufen, in dem ihr möglichen Umfang, die Implementierung der Empfehlungen aus dem Bericht zu unterstützen.2809 Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker wurde zudem von der Untersuchungskommission dazu aufgerufen, Mechanismen zu etablieren, um die Implementierung der Kommissionsempfehlungen zu überwachen, dies insbesondere im Hinblick auf die langfristige Sicherung des Respekts für die Menschenrechte.2810
2806 2807 2808 2809 2810
UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 131. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 132. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 133. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 134. UN Doc. A/HRC/19/68 vom 2. März 2012, Rn. 135.
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21. Gewalt an der Côte d’Ivoire a) Historischer Hintergrund An der Côte d’Ivoire kam es in den Jahren 2010 und 2011 zu einer Regierungskrise, die mit schweren Gewalttätigkeiten einherging.2811 Sie war Teil einer innenpolitischen Dauerkrise, die in dem westafrikanischen Staat seit dem Tod des Präsidenten Félix Houphouët-Boigny in Jahr 1993, der das Land seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1960 geführt hatte, andauerte und bereits 2002 bis 2007 in einen Bürgerkrieg führte. Zu der Krise kam es im Nachgang zur Präsidentschaftswahl im Dezember 2010, der ersten Wahl in dem westafrikanischen Staat seit zehn Jahren. Bei dieser Wahl traten der seit dem Jahr 2000 regierende Präsident Laurent Gbagbo und als Herausforderer Alassane Ouattara an. Entscheidender Wahltag war der 28. November 2010. Am 2. Dezember 2010 wurde das Ergebnis des entscheidenden zweiten Wahlgangs von der Unabhängigen Wahlkommission bekannt gegeben. Hiernach gewann Ouattara die Wahl mit einem Stimmenanteil von 54,1 %, während Gbagbo lediglich 45,9 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Im Anschluss an die Verkündung des Ergebnisses wurde dessen Gültigkeit öffentlich durch den Präsidenten des ivorischen Verfassungsrates in einer Radioansprache in Frage gestellt. Kurz nach dieser Ansprache schloss das Militär die Grenzen. Am 3. Dezember 2010 vereidigte der Verfassungsrat, auf der Grundlage anderer Wahlergebniszahlen, Gbagbo zum neuen Präsidenten der Côte d’Ivoire. Allerdings wurde auch durch Ouattara am gleichen Tage ein entsprechender Eid abgelegt. Ouattara hatte hierbei die Unterstützung der regionalen sowie der internationalen Gemeinschaft. Diese Ausgangslage führte zu immer größeren Spannungen zwischen den Anhängern beider politischer Lager, welche ab Mitte Dezember 2010 eskalierten, als Einheiten unter der Kontrolle von Gbagbo ein Hotel belagerten, das von Ouattara zum provisorischen Sitz der Regierung erklärt worden war. In den folgenden Auseinandersetzungen kam es zu massiven Gewalttätigkeiten mit einer großen Anzahl von Todesopfern, da auch schwere Waffen gegen Zivilpersonen eingesetzt wurden. Insbesondere der Regierungssitz Abidjan war zunächst ein Zentrum der Gewalttätigkeiten, da beide Lager dort jeweils über eine große Anhängerschaft verfügten. In der Folge weitete sich der Konflikt auch auf andere Landesteile aus. Zudem kam es zu 2811
Vgl. hierzu und zum Folgenden etwa Richard Banegas, African Affairs 110 (2011), S. 457 ff.; Kerstin Odendahl, Archiv des Völkerrechts 50 (2012), S. 318 ff.; auch Scott Straus, African Affairs 110 (2011), S. 481 ff.; David Dossou Zounmenou/Abdul Rahman Lamin, Journal of African Elections 10/2 (2011), S. 6 ff.; Nicolas Cook, Côte d’Ivoire’s Post-Election Crisis, in: Congressional Research Service (Hrsg.), abrufbar unter: https://www.refworld.org/ pdfid/4d58e5832.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Côte d’Ivoire“ sowie UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011. Zu der Wahl an der Côte d’Ivoire auch Thomas J. Basett, African Affairs 110 (2011), S. 469 ff.
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einem Angriff auf einen Konvoi der Blauhelmtruppen der Vereinten Nationen. Ende des Monats Dezember waren zirka eine Millionen Menschen zu Bürgerkriegsflüchtlingen geworden. Es kam zu einigen Massakern und zu gewaltsamen Übergriffen gegen friedliche Anti-Gbagbo-Proteste. Neben Abidjan wurde vor allem der Westen des Landes ab Ende des Monats Februar 2011 zum Schauplatz größerer Kämpfe, im Zuge derer die Gbagbo-Fraktion zusehends in die Defensive geriet. Eine wichtige Rolle spielte hierbei die Ouattaratreuen Forces républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI). Diese sorgten zunächst für die Sperrung der Grenze mit dem Nachbarstaat Liberia, da Gbagbo hier eine Vielzahl von Kämpfern für seine Sicherheitskräfte rekrutiert hatte. Zwischen dem 25. Februar und dem 21. März 2011 eroberten die FRCI eine Reihe von Ortschaften im Westen der Côte d’Ivoire und begannen schließlich am 28. März eine Großoffensive, nachdem Ouattara jegliche friedliche Lösung des Regierungskonflikts für gescheitert erklärt hatte. Die bewaffneten Kräfte der FRCI stießen schnell in die Zentral-Côte-d’Ivoire und bis zur Ostgrenze mit Ghana vor. Dabei wurden die Hauptstadt Yamoussoukro sowie der wichtige Hafen von San Pédro erobert. Die FRCI erreichten Ende des Monats März auch Abidjan und konnten dort letztendlich, auch mit Hilfe von Hubschrauberangriffen durch Truppen der Vereinten Nationen und Frankreichs, die loyal zu Gbagbo stehenden Truppen Anfang April 2011 besiegen. Am 11. April 2011 wurde Gbagbo schließlich in Abidjan durch Ouattaratreue und französische Kräfte gefangen genommen. b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat befasste sich mit der Situation an der Côte d’Ivoire am 25. März 2011. Im Konsens nahm er an diesem Tag die Resolution 16/25 an.2812 In dieser drückte der Rat unter anderem seine Besorgnis über die Schwere und das Ausmaß der Verletzung internationaler Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts an der Côte d’Ivoire aus und rief zu einem Ende der Gewalt auf. Hinsichtlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission entschied der Menschenrechtsrat in der Resolution: „10. Decides to dispatch an independent, international commission of inquiry, to be appointed by the President of the Human Rights Council, taking into consideration the importance of ensuring the equal participation and full involvement of women, to investigate the facts and circumstances surrounding the allegations of serious abuses and violations of human rights committed in Côte d’Ivoire following the presidential election of 28 November 2010, in order to identify those responsible for such acts and to bring them to justice, and to present its findings to the Council at its seventeenth session, and calls upon all Ivorian parties to cooperate fully with the commission of inquiry; 11. Decides to recommend that the General Assembly transmit the findings of the commission of inquiry, when available, to all relevant bodies; 2812
UN Doc. A/66/53 von 2011, S. 9 ff.
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12. Requests the United Nations High Commissioner for Human Rights to provide the administrative, technical and logistical support necessary to allow the commission of inquiry to carry out its mandate;“
Die Kommission zur Untersuchung der Geschehnisse an der Côte d’Ivoire setzte sich aus drei vom Präsidenten des Menschenrechtsrates benannten Personen zusammen. Den Vorsitz der Kommission führte der thailändische Menschenrechtsexperte und Rechtsprofessor Vitit Muntarbhorn. Weitere Mitglieder der Kommission waren die Rechtsprofessorin und ehemalige Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschenrechtsaktivisten in Afrika Reine Alapini Gansou aus Benin sowie der sudanesische Menschenrechtsexperte Suliman Baldo.2813 Die Kommission wurde von einem Ermittlerteam und von Experten in forensischer Pathologie unterstützt.2814 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission traf sich zunächst vom 2. bis zum 4. Mai 2011 in Genf. Dort führten ihre Mitglieder Gespräche mit Repräsentanten der Ständigen Mission der Côte d’Ivoire in Genf, mit dem Präsidenten des Menschenrechtsrates, mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mit verschiedenen Diplomaten, mit Agenturen der Vereinten Nationen sowie mit humanitären Organisationen und mit Organisationen aus der Zivilgesellschaft.2815 In der Folge besuchte die Untersuchungskommission vom 4. bis zum 28. Mai 2011 die Côte d’Ivoire.2816 Neben dem Regierungssitz Abidjan bereiste die Untersuchungskommission auch die nördlichen, westlichen und südlichen Landesteile. Auch statteten die Kommissionsmitglieder dem Nachbarstaat Liberia einen Besuch ab, um ein besseres Verständnis für die grenzüberschreitenden Probleme des Konflikts zu erhalten.2817 Die Untersuchungskommission traf während ihres Besuchs an der Côte d’Ivoire mit diversen Repräsentanten des ivorischen Staates zusammen, so etwa mit dem Präsidenten des westafrikanischen Staates und mit dem Premierminister. Weitere Gesprächspartner kamen aus der ivorischen Politik, aus verschiedenen nationalen Institutionen, von Internationalen Organisationen und von Organisationen der Zivilgesellschaft.2818 Die Untersuchungskommission traf sich – unterstützt vom einigen Ermittlern und einem Experten für forensische Pathologie – mit hunderten von Opfern und Augenzeugen von Menschenrechtsverletzungen. Daneben wurden auch Verwandte von 2813 2814 2815 2816 2817 2818
UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 1. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 6. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 5. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 5. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 6. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 7.
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Opfern und indirekte Zeugen von der Kommission befragt. Weiterhin wurden Beweise von Menschenrechtsorganisationen und anderen Vereinigungen gesammelt.2819 Die Mitglieder der Kommission besuchten eine Reihe von Orten, von denen angenommen wurde, dass diese insbesondere Schauplätze von Menschenrechtsverletzungen waren beziehungsweise von solchen Rechtsverletzungen betroffen waren. Hierzu gehörten insbesondere Krankenhäuser, Plätze, an denen Hinrichtungen stattgefunden hatten, sowie Massengräber und Friedhöfe. Daneben wurden noch Gebäude besichtigt, in denen Personen gefangen gehalten wurden.2820 Daneben sammelte die Untersuchungskommission noch schriftliche Dokumente, Fotos und Videoaufnahmen. Diese kamen aus einer Vielzahl von Quellen.2821 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission legte einen mit 125 Randnummern ausgestatteten Abschlussbericht vor.2822 Dieser enthielt insgesamt sechs Abschnitte. Nach der den ersten Abschnitt2823 bildenden Einleitung beschrieb die Untersuchungskommission im zweiten Abschnitt2824 die verschiedenen, an dem Konflikt beteiligten, bewaffneten Kräfte. Im dritten Abschnitt2825 ging die Kommission auf das Geschehene ein. Der vierte Abschnitt2826 war den verschiedenen Opfergruppen der Gewalttätigkeiten an der Côte d’Ivoire gewidmet. Im fünften Abschnitt2827 wurden die Verantwortlichkeiten des ivorischen Staates sowie von nicht-staatlichen Akteuren und Einzelpersonen für die Rechtsverstöße während der Gewalttätigkeiten dargestellt. Im sechsten Abschnitt2828 waren schließlich die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Untersuchungskommission zur Lage an der Côte d’Ivoire zu finden. bb) Hinsichtlich des Rechtsrahmens, der zur Bewertung der gefundenen Tatsachen durch die Kommission angewendet wurde, zog die Untersuchungskommission zunächst die Verfassungslage der Côte d’Ivoire heran. Die Kommission stellte fest, dass in der ivorischen Verfassung dem Schutz der Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheiten ein bedeutender Rang zukomme. Die Verfassung erkenne 2819
UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 7. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 7. 2821 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 8. 2822 Report of the International Commission of Inquiry on Côte d’Ivoire, UN Doc. A/HRC/ 17/48 vom 1. Juli 2011. 2823 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 1 ff. 2824 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 11 ff. 2825 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 34 ff. 2826 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 99 ff. 2827 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 108 ff. 2828 UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 119 ff. 2820
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ethnische, kulturelle und religiöse Diversität im Land an und enthalte das Prinzip der Gleichheit aller Menschen. Zudem sehe die Verfassung vor, dass Menschenrechte unverletzlich seien und dass die staatlichen Stellen die Verpflichtung haben würden, diese Rechte zu sichern, zu respektieren, zu schützen und zu fördern. Weiterhin wies die Kommission in ihrem Abschlussbericht noch auf Artikel 87 der ivorischen Verfassung hin, nach dem internationale Verträge und Vereinbarungen den Gesetzen vorgehen würden.2829 Hinsichtlich des anwendbaren Völkerrechts hielt die Untersuchungskommission fest, dass die Côte d’Ivoire Partei der meisten internationalen und regionalen Instrumente des Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts sei und diese Instrumente auf die zu untersuchende Situation anwendbar seien.2830 Da nach Abs. 10 der Menschenrechtsratsresolution 16/25 allerdings „(…) the allegations of serious abuses and violations of human rights2831 (…)“ untersucht werden sollten, legte die Kommission ihr Mandat hier weit aus; sie bezog also die Prüfung von Verstößen gegen humanitär-völkerrechtliche Normen mit in das eigene Mandat ein. Hinsichtlich des Völkerstrafrechts bemerkte die Untersuchungskommission schließlich, dass die Côte d’Ivoire zwar das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet, es aber noch nicht ratifiziert habe. Allerdings habe die Côte d’Ivoire durch Erklärungen der jeweiligen Präsidenten aus den Jahren 2003 beziehungsweise 2010 die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs anerkannt.2832 Den zeitlichen Beginn der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts sah die Kommission am 23. Februar 2011 als gegeben an. Dabei bemerkte die Kommission, dass nicht das ganze Land von dem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt betroffen gewesen sei, sondern nur bestimmte Teile. Nur auf diese sei das humanitäre Völkerrecht anwendbar gewesen.2833 cc) Die Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass in dem von ihr beobachteten Zeitraum eine Vielzahl von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch verschiedene Parteien verübt worden seien.2834 Die politische Krise und den bewaffneten Konflikt an der Côte d’Ivoire führte die Kommission auf die Weigerung von Präsident Gbagbo zurück, das Resultat der Wahl anzuerkennen.2835 Die Kommission zeigte sich zudem besorgt über die anhaltenden Gewalttätigkeiten in einigen Landesteilen und über die humanitäre Krise des Staates in Westafrika.2836 2829 2830 2831 2832 2833 2834 2835 2836
UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 9. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 10. Hervorhebung durch den Verfasser. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 88 ff. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 119. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 120. UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 122 f.
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dd) Die Untersuchungskommission gab Empfehlungen in vier Richtungen ab: an die Regierung der Côte d’Ivoire, an den Menschenrechtsrat, an den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und insgesamt an die Vereinten Nationen, an humanitäre Organisationen und an die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit.2837 Der ivorischen Regierung wurde empfohlen, dass sichergestellt werden solle, dass diejenigen Personen, die Verantwortung für die Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts tragen würden, der Gerechtigkeit überantwortet würden und dass entsprechende Untersuchungen in gründlicher, unparteiischer und transparenter Weise durchgeführt würden. Weiterhin müssten die der Krise unterliegenden Ursachen angegangen werden. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, dass die Sicherheit von Personen und Eigentum geschützt werden müsse, insbesondere durch eine zügige Entwaffnung von Personen, die nicht zu den Sicherheitskräften gehören würden. Auch wurden Maßnahmen zur Reform der Sicherheitsinstitutionen empfohlen. Eine weitere wichtige Anregung der Untersuchungskommission an die ivorische Regierung war die Empfehlung, den Versöhnungsprozess aktiv in Gang zu setzen und eine Dialog-, Wahrheits- und Versöhnungskommission ins Leben zu rufen. Weitere Empfehlungen betrafen die Zurverfügungstellung von Hilfen für die Opfer der Gewalttätigkeiten und die Lösung des Problems der Vertriebenen. Als letzter Punkt wurde der ivorischen Regierung noch empfohlen, das Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs sowie einige regionale völkerrechtliche Verträge zu ratifizieren, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit betreffen würden. An den Menschenrechtsrat erging der Ratschlag, einen effektiven Mechanismus zu etablieren, um die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zu überwachen, die ivorischen Behörden bei ihrem Kampf gegen die Straflosigkeit zu unterstützen und um die Menschenrechtslage an der Côte d’Ivoire zu beobachten. In einem weiteren Vorschlag empfahl die Untersuchungskommission dem Menschenrechtsrat, den Bericht der Internationalen Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage an der Côte d’Ivoire aus dem Jahre 2004 zu veröffentlichen, was bisher noch nicht geschehen sei. Dies sei zum besseren Verständnis der dortigen Menschenrechtslage erforderlich und würde einen Beitrag zum Kampf gegen die Straflosigkeit leisten. Dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde empfohlen, die ivorischen Behörden bei allen Menschenrechtsinitiativen zu unterstützen, insbesondere bei der Errichtung und bei der Tätigkeit einer Dialog-, Wahrheits- und Versöhnungskommission. Den Vereinten Nationen, humanitären Organisationen und der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit wurde durch die Untersuchungskommission geraten, die Côte d’Ivoire zu unterstützen, insbesondere im finanziellen Bereich sowie 2837
UN Doc. A/HRC/17/48 vom 1. Juli 2011, Rn. 127.
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beim Kampf gegen Straflosigkeit und bei der Verbreitung von Rechtsstaatlichkeit. Weiterhin sollten die Vereinten Nationen ihr eigenes Verhalten während der Krise evaluieren. Letztlich wurde noch empfohlen, dass die Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren gestärkt werden solle, um so in angemessener Weise auf die humanitäre Krise an der Côte d’Ivoire zu reagieren. 22. Israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten a) Historischer Hintergrund Nachdem Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 den Gazastreifen, Ostjerusalem, das Westjordanland und die Golanhöhen besetzt hatte, errichteten vor allem Bürger aus dem israelischen Kernland dort Siedlungen.2838 Diese Siedlungen liegen außerhalb der sog. Grünen Linie, welche 1949 die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten in der Folge des israelischen Unabhängigkeitskrieges bildete. Die Siedlungen werden vom israelischen Staat unterstützt und durch Sicherheitskräfte geschützt. Allerdings wurden die Siedlungen im Gazastreifen im Jahr 2005 geräumt. Es existieren bisher mehr als 250 solcher Siedlungen, in denen mehr als 600.000 Menschen leben. Die Vereinten Nationen betrachten die Siedlungen mit Blick auf Artikel 49 Abs. 6 des vierten Genfer Abkommens von 1949 als illegal, wonach: „The Occupying Power shall not deport or transfer parts of its own civilian population into the territory it occupies“. In verschiedenen Resolutionen wurde diese sog. Siedlungspolitik von Seiten der Vereinten Nationen verurteilt.2839 Die Siedlungspolitik bildet einen der Kernproblempunkte im Verhältnis zwischen Israel einerseits und den Palästinensern andererseits. Regelmäßig kommt es in und um die Siedlungen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der palästinensischen Bevölkerung und/oder militanten palästinensischen Gruppen einerseits und den Siedlern sowie israelischen Streit- und Sicherheitskräften andererseits. b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat befasste sich mit der Frage der israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten sowie in Ostjerusalem und auf den Golanhöhen am 22. März 2012 anlässlich des 23. Treffens der 19. Sitzungsperiode. Mit 36 JaStimmen, einer Nein-Stimme sowie zehn Enthaltungen nahm der Menschenrechtsrat
2838
Hierzu und zum Folgenden Ann Mosley Lesh, Journal of Palestine Studies 7 (1977), S. 26 ff.; Avner Yaniv/Yael Yishai, Journal of Politics 43 (1981), S. 1105 ff.; John Quigley, Pace International Law Review 10 (1998), S. 1 ff.; John Strawson, Penn State International Law Review 20 (2001 – 2002), S. 363 ff. sowie UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013. 2839 Vgl. etwa UN Doc. S/RES/446 (1979) vom 22. März 1979; UN Doc. S/RES/465 (1980) vom 1. März 1980.
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die Resolution 19/17 an.2840 In dieser Resolution, in der die Siedlungspolitik Israels in den genannten Gebieten verurteilt wurde, hieß es unter anderem: „9. Decides to dispatch an independent international fact-finding mission, to be appointed by the President of the Human Rights Council, to investigate the implications of the Israeli settlements on the civil, political, economic, social and cultural rights of the Palestinian people throughout the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, with a mandate ending on submission of a report to the Council, and calls upon Israel, the occupying Power, not to obstruct the process of investigation and to cooperate fully with the mission; 10. Requests the Secretary-General and the United Nations High Commissioner for Human Rights to provide all administrative, technical and logistical assistance to enable the mission to fulfil its mandate promptly and efficiently;“
Am 6. Juli 2012 ernannte der Präsident des Menschenrechtsrates daraufhin eine dreiköpfige Expertenmission. Zur Vorsitzenden dieser Untersuchungsmission wurde die französische Juristin Christine Chanet bestimmt, die zuvor unter anderem in verschiedenen nationalen und internationalen Menschenrechtsgremien gewirkt hatte. Weitere Missionsmitglieder waren Asma Jahangir aus Pakistan, die in ihrem Heimatland lange Jahre der dortigen Menschenrechtskommission vorgesessen hatte, und Unity Dow, eine Menschenrechtsaktivistin aus Botswana.2841 c) Durchführung der Untersuchung Die Mitglieder der Untersuchungsmission kamen zu Beginn ihrer Tätigkeit im August 2012 in Genf zusammen. Dort hielten sie eine Reihe von Treffen mit Repräsentanten der dortigen Ständigen Missionen von Staaten ab, die an der Frage der Siedlungspolitik interessiert waren, sowie mit anderen relevanten und mit der einschlägigen Frage befassten Gruppen. Während dieses ersten Zusammenkommens kamen die Missionsmitglieder überein, dass sie vom Menschenrechtsrat damit beauftragt worden seien, alle menschenrechtlichen Implikationen hinsichtlich der israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten zu untersuchen. Die Missionsmitglieder bemerkten darüber hinaus, dass die Siedlungen noch weitere, über Menschenrechte hinausgehende Implikationen hätten, einschließlich der Rechte derer, die in diesen Siedlungen leben würden, sowie von Personen in Israel.2842 2840
UN Doc. A/67/53 vom 6. November 2012, S. 50 ff. Für die Resolution stimmten: Angola, Bangladesch, Belgien, Benin, Botswana, Burkina Faso, Chile, China, Djibouti, Ecuador, Indien, Indonesien, Jordanien, Katar, Kirgisistan, Kongo, Kuba, Kuwait, Libyen, Malaysia, Malediven, Mauretanien, Mauritius, Mexiko, Nigeria, Norwegen, Österreich, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Schweiz, Senegal, Thailand, Uganda und Uruguay, gegen die Resolution stimmten: Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Costa Rica, Guatemala, Italien, Kamerun, Moldau, Polen, Rumänien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn, UN Doc. A/67/53 vom 6. November 2012, S. 53. 2841 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 2. 2842 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 3.
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Zum Zwecke ihrer Untersuchung definierte die Untersuchungsmission den in der Menschenrechtsratsresolution 19/17 verwendeten Begriff „Israeli Settlement“ wie folgt: Dieser umfasse alle physischen und nicht-physischen Strukturen und Prozesse, welche die Gründung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von israelischen Wohngemeinschaften jenseits der „Grünen Linie“ von 1949 in den besetzten palästinensischen Gebieten ermöglichen, erleichtern oder unterstützen würden.2843 Die Untersuchungsmission bekannte sich bei ihrer Tätigkeit zu dem Prinzip „do no harm“, zur Unabhängigkeit, zur Unparteilichkeit, zur Objektivität, zur Diskretion, zur Transparenz, zur Vertraulichkeit, zur Integrität und zur Professionalität. Daher habe die Mission, nach deren eigenem Bekunden, alle ihr erreichbaren Informationen sorgfältig untersucht, soweit sie diese als relevant und vertrauenswürdig eingestuft habe.2844 Um an eine möglichst große Anzahl von Informationen zu gelangen, veröffentlichte die Untersuchungsmission einen öffentlichen Aufruf zur Einsendung von schriftlichen Eingaben. Dieser Aufruf wurde auch an die Repräsentanten von israelischen Siedlergemeinden verteilt. Auf den Aufruf der Mission hin erhielt diese insgesamt 62 Eingaben. Die Mission analysierte im Verlauf ihre Untersuchungen Informationen, die der Mission von Regierungen, Internationalen Organisationen, internationalen und nationalen Nichtregierungsorganisationen, berufsständischen Vereinigungen, den Medien und aus dem wissenschaftlichen Bereich übermittelt worden waren. Darüber hinaus wurden Eingaben von Opfern und Zeugen analysiert. Die erhaltenen Informationen wurden durch die Mission mit der notwendigen Vertraulichkeit behandelt.2845 Ursprünglich hatte die Untersuchungsmission geplant, Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete zu besuchen, um sich im Feld einen Überblick über die Lage verschaffen zu können. Hierzu wurde die israelische Regierung fünfmal durch die Mission über die Ständige Mission Israels bei den Vereinten Nationen in Genf um Kooperation ersucht. Die Gesuche wurden jedoch nicht beantwortet. Da die Untersuchungsmission nicht nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete reisen konnte, wurden alternative Vorkehrungen getroffen, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Vom 3. bis zum 8. November 2012 fanden daher in Jordanien eine Reihe von Treffen mit verschiedenen Gesprächspartnern statt.2846 Während des Besuchs in Jordanien konnte die Untersuchungsmission Befragungen mit mehr als 50 Personen durchführen und dadurch wichtige Informationen zu verschiedenen Problemen sammeln. Zu den Gesprächspartnern gehörten Opfer von Menschenrechtsverletzungen, Repräsentanten des Außenministeriums von Jordanien, Repräsentanten der palästinensischen Verwaltung und Regierung sowie Repräsentanten von Internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und von 2843 2844 2845 2846
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 4. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 5. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 6. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 7.
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Agenturen der Vereinten Nationen. Die Untersuchungsmission zeichnete alle Aussagen auf.2847 Einige der Gesprächspartner verlangte ausdrücklich, dass ihre Identität durch die Untersuchungsmission nicht offengelegt werden solle.2848 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungsmission beendete ihre Tätigkeit mit einem 23 Seiten starken Abschlussbericht.2849 Dieser war in sechs Kapitel unterteilt: Nach der Einleitung2850 folgten Ausführungen über das bei der Untersuchung anwendbare Recht.2851 Im dritten Kapitel legte die Mission den politischen und historischen Kontext ihres Untersuchungsgegenstandes dar.2852 Das vierte Kapitel – das Kernstück des Abschlussberichts – enthielt Ausführungen zu den Implikationen der israelischen Siedlungen hinsichtlich der Rechte der Palästinenser.2853 Das fünfte und sechste Kapitel waren schließlich den Schlussfolgerungen2854 und Empfehlungen2855 der Untersuchungsmission gewidmet. bb) Hinsichtlich der anwendbaren Rechts, welches sie ihren Untersuchungen zugrunde legte, interpretierte die Untersuchungsmission das ihr vom Menschenrechtsrat erteilte Mandat dahingehend, dass sie Untersuchungen im Rechtsrahmen des internationalen Menschenrechtsschutzes vorzunehmen habe, einschließlich anderer relevanter Gebiete des Völkerrechts.2856 Die Untersuchungsmission befand auch, dass humanitäres Völkerrecht zum Maßstab ihrer Untersuchung gehöre,2857 obwohl das vom Menschenrechtsrat erteilte Mandat keinen Hinweis auf dieses Rechtsgebiet enthielt. Hinsichtlich der menschenrechtlichen Bindungen Israels stellt die Mission fest, dass Israel kraft dieser Bindung gehalten sei, im Hinblick auf alle Personen „within its jurisdiction“ die ganze Breite an sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, bürgerlichen und politischen Menschenrechten zu respektieren, zu 2847
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 8. Eine Liste von verschiedenen Quellen, die durch die Untersuchungsmission während ihrer Tätigkeit herangezogen wurden, ist abrufbar unter: www.ohchr.org/EN/HRBodies/RegularSessions/Session19/Pages/Israeli SettlementsInTheOPT.aspx. (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 2848 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 9. 2849 Report of the independent international fact-finding mission to investigate the implications of Israeli settlements on the civil, political, economic, social and cultural rights of the Palestinian people throughout the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013. 2850 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 1 ff. 2851 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 10 ff. 2852 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 18 ff. 2853 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 31 ff. 2854 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 100 ff. 2855 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 112 ff. 2856 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 3. 2857 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 10.
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schützen, zu verbreiten und zu erfüllen. Die Bindungen Israels an diese Menschenrechte sei das Ergebnis daraus, dass der Staat Partei des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention gegen Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe, der Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung gegen Frauen, der Konvention über die Rechte des Kindes und dem Zusatzprotokoll hierzu über die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten sowie der Internationalen Konvention zur Beseitigung aller Formen rassistischer Diskriminierung sei, und dadurch, dass Israel an die relevanten Normen des Völkergewohnheitsrechts gebunden sei.2858 Die Rechte, die in Menschenrechtsverträgen niedergelegt seien, müssten allen Individuen zustehen, die sich auf dem Territorium oder unter der Hoheitsgewalt von Israel befinden würden, außer im Falle von Rechten, für die eine rechtmäßige Derogation vorliege. Im Übrigen schloss sich die Untersuchungsmission der Auffassung an, dass die Menschenrechtsverpflichtungen Israels sowohl im Frieden als auch in Zeiten eines bewaffneten Konflikts Geltung beanspruchen würden und in der zweiten Situation neben dem humanitären Völkerrecht Anwendung finden würden, um komplementären und sich gegenseitig ergänzenden Schutz zu bieten.2859 Hinsichtlich der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts stellte sich die Untersuchungsmission auf den Standpunkt, dass die palästinensischen Gebiete unter einer militärischen Besatzung stünden. Israel sei daher an die besatzungsrechtlichen Regelungen aus der Haager Landkriegsordnung von 1907 gebunden, die als Gewohnheitsrecht Geltung entfalten würden, sowie an die besatzungsrechtlichen Regelungen des vierten Genfer Abkommens von 1949 über den Schutz von Zivilpersonen im Kriege, dem Israel als Hohe Vertragspartei angehöre.2860 Besonders hervorgehoben wurde durch die Untersuchungsmission die Verpflichtung Israels aus Artikel 49 der vierten Genfer Abkommens,2861 die es verbietet, Teile der eigenen Bevölkerung der Besatzungsmacht in dem besetzten Gebiet anzusiedeln. Ebenfalls nicht Teil des Untersuchungsmandats der Mission, jedoch von dieser in ihre Betrachtung der Lage hinsichtlich der israelischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten einbezogen, waren weitere Regeln des Völkerrechts. Die Untersuchungsmission wies allerdings darauf hin, dass eine solche Einbeziehung nur dann erfolgt sei, wenn dies nötig gewesen wäre. Hier wurde durch die Mission insbesondere das Recht der Staatenverantwortlichkeit bemüht. Nebulös blieb die Einbeziehung des Völkerstrafrechts. Die Mission wies darauf hin, dass das Völkerstrafrecht die Verfolgung wegen individueller krimineller Verantwortlichkeit hinsichtlich internationaler Verbrechen ermögliche. In der Folge wurde dann nur 2858 2859 2860 2861
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 11. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 12. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 13. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 16.
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noch festgestellt, dass Palästina am 3. Dezember 2012 identische Briefe an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und an den Sicherheitsrat gesandt habe, in denen auf Artikel 8 Abs. 2 lit. b. (viii) des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs hingewiesen und die Meinung vertreten worden sei, dass die israelischen Siedlungsaktivitäten ein Kriegsverbrechen im Sinne der zitierten Norm darstellen würden, für das Israel zur Verantwortung gezogen werden müsse. Weitere Ausführungen zum Völkerstrafrecht fehlen in dem Abschlussbericht der Mission. Dies überrascht, da zum Zeitpunkt von Untersuchung und abschließender Berichterstattung weder Israel noch Palästina Parteien des Statuts des Internationalen Strafgerichthofes waren und sich daher Fragen der Anwendbarkeit der entsprechenden Regeln aufdrängten.2862 cc) In den Schlussfolgerungen zu ihrer Untersuchung bemerkte die Mission zunächst, dass der israelische Staat die volle Kontrolle über die Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten seit 1967 innehabe und damit fortfahre, diese Siedlungen zu unterstützen und zu unterhalten. Dieses Verhalten lege Israel trotz aller Resolutionen der Vereinten Nationen an den Tag, die die Existenz der Siedlungen für illegal erklären und deren Beseitigung fordern würden.2863 In der Errichtung von Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem sah die Untersuchungsmissionen eine schleichende Annexion palästinensischen Gebiets, die die Errichtung eines palästinensischen Staates verhindere und das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung unterminiere.2864 Die Siedlungen würden sowohl Menschenrechte als auch humanitäres Völkerrecht verletzen.2865 Auch könne die Siedlungspolitik völkerstrafrechtliche Folgen nach sich ziehen, sobald Palästina das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert habe.2866 Die Existenz der Siedlungen würde schwerwiegend in die Rechte der Palästinenser eingreifen. Das Recht der freien Selbstbestimmung, das Recht auf Freiheit von Diskriminierung, die Bewegungsfreiheit, Gleichheit, das Recht auf ein faires und auf ein geordnetes Verfahren, das Recht nicht willkürlich verhaftet zu werden, das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person, die Meinungsfreiheit, das Recht zum Besuch von Glaubensstätten, die Rechte auf Bildung, Wasser, Behausung, auf einen angemessenen Lebensstandard, das Eigentumsrecht, das Recht auf Zugang zu natürlichen Ressourcen und das Recht auf effektiven Rechtsschutz würden täglich verletzt werden.2867 Weiterhin rügte die Untersuchungsmission, dass die Siedlungen ausschließlich für die Nutzung israelischer Juden bestimmt seien, und Unterhaltung und die Entwicklung der Siedlungen durch ein System der völligen Segregation zwischen den Siedlern und der übrigen Bevölkerung der besetzten Gebiete stattgefunden 2862 2863 2864 2865 2866 2867
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 17. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 100. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 101. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 102. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 104. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 105.
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hätten.2868 Ferner wurden Fälle von Enteignungen, Beschädigungen und Vertreibungen gerügt, die insbesondere in Ostjerusalem stattfinden würden.2869 Ebenfalls Anlass zur Sorge bot der Untersuchungsmission, dass, nach ihren Recherchen, Fehlverhalten von Siedlern, einschließlich der Identitäten der Täter, den israelischen Behörden bekannt seien, und solche Akte trotzdem straflos bleiben würden.2870 Die Mission drückte zudem ihre Besorgnis über die große Anzahl von Kindern aus, die Festnahmen und Gefangenschaft ausgesetzt seien, wobei diese Maßnahmen auch bei kleineren Vergehen Anwendung finden würden. Die Gefangenen- und die Verfahrensrechte würden diesen Kindern verwehrt.2871 Auch die Belästigungen und die Gewalt, denen Kindern ausgesetzt seien, besorgten die Untersuchungsmission, wobei insbesondere der Zugang zu Bildungseinrichtungen problematisch sei, da so das Recht der Kinder auf Bildung beschnitten würde.2872 Weiterhin seien Frauen, die allein in ihren Häusern seien, Beduinen und andere verletzliche Gruppen ein einfaches Ziel für die Gewalt, die von Siedlern ausginge, was zu einem Gefühl der Unsicherheit in der palästinensischen Gesellschaft führe.2873 Auch stellte die Untersuchungsmission fest, dass einige private Entitäten von der Errichtung und dem Wachstum der Siedlungen direkt oder indirekt profitiert hätten.2874 dd) Trotz der vielen Völkerrechtsverstöße, die die Untersuchungsmission festgestellt hatte, sprach sie nur eine geringe Anzahl von Empfehlungen, nämlich sechs, zum Abschluss ihres Berichts aus. Zunächst rief die Untersuchungsmission Israel auf, Artikel 49 des vierten Genfer Abkommens von 1949 zu befolgen und ohne Bedingungen alle Siedlungsaktivitäten zu beenden. Alle Siedler müssten aus den besetzten palästinensischen Gebieten gebracht werden. Zugunsten der palästinensischen Opfer der Siedlungspolitik müsse adäquate, effektive und zügige Entschädigung sichergestellt werden.2875 Zweitens rief die Mission Israel dazu auf, allen Verletzungen der Menschenrechte, die mit dem Vorhandensein der Siedlungen im Zusammenhang stehen würden, ein Ende zu setzen.2876 Eine dritte Empfehlung der Untersuchungsmission ging dahin, dass Israel dazu aufgerufen wurde, die volle Verantwortlichkeit für alle Rechtsverletzungen sicherzustellen, einschließlich der Gewalt, die von Siedlern ausginge. Dies solle in einer nichtdiskriminierenden Weise geschehen. Es müsse der Politik der Straflosigkeit in diesem Bereich ein Ende gesetzt werden.2877 Die vierte Empfehlung der Untersuchungsmission an Israel lautete, dass 2868 2869 2870 2871 2872 2873 2874 2875 2876 2877
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 103. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 106. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 107. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 108. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 109. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 111. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 110. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 112. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 113. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 114.
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die willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen von Palästinensern, insbesondere von Kindern beendet werden müssten. Darüber hinaus forderte die Mission, dass Israel das in Artikel 76 des vierten Genfer Abkommens von 1949 niedergelegte Verbot der Verbringung von Gefangenen aus den besetzten Gebieten auf das Staatsgebiet der Besatzungsmacht beachten müsse.2878 Die fünfte Empfehlung richtete die Untersuchungsmission an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Diese wurden – in sehr allgemeiner Weise – dazu aufgerufen, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und ihre Verantwortung in ihren Beziehungen zu einem Staat (gemeint war Israel) zu zeigen, der zwingende Normen des Völkerrechts verletzen würde. Insbesondere dürften keine rechtswidrigen Situationen anerkannt werden, die aus israelischen Rechtsverletzungen resultieren würden.2879 In ihrer letzten Empfehlung thematisierte die Untersuchungsmission die Tätigkeit von privaten Unternehmen im Zusammenhang mit der Siedlungsproblematik. Private Unternehmen müssten eine Beurteilung des Einflusses ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte vornehmen und alle notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass diese Aktivitäten keinen negativen Einfluss auf die Menschenrechte der Palästinenser hätten. Dies schließe es ein, Geschäftsinteressen in den Siedlungen zu beenden. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurden in diesem Zusammenhang aufgerufen, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass geschäftliche Unternehmungen auf ihrem Gebiet oder unter ihrer Hoheitsgewalt, einschließlich staatlich kontrollierter Unternehmen, ihre Aktivitäten in den oder in Bezug auf die Siedlungen so ausführen würden, dass Menschenrechte hierbei gewahrt blieben. Letztlich schlug die Untersuchungsmission in dieser sechsten Empfehlung noch vor, dass die Working Group on Business and Human Rights des Menschenrechtsrates sich mit der Thematik befassen solle.2880 23. Menschenrechtslage in Nordkorea a) Historischer Hintergrund Seit der Teilung der koreanischen Halbinsel wird deren Nordteil durch ein kommunistisches Regime beherrscht, welchem seit langer Zeit von verschiedenen Staaten, Internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen massive und systematische Verletzungen der Menschenrechte sowie die nicht im Ansatz vorhandene Demokratie vorgeworfen werden, weshalb die Regierung auch als das derzeit autoritärste Regime der Welt gilt.2881 Durch die weitgehende Abschottung des 2878
UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 115. UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 116. 2880 UN Doc. A/HRC/22/63 vom 7. Februar 2013, Rn. 117. 2881 Siehe hierzu und zum Folgenden etwa Jiyoung Song, Human Rights discourse in North Korea, S. 1 ff.; Choi Sung Chul, Human Rights and North Korea, S. 1 ff.; Hyondok Choe/Lutz Drescher, Jahrbuch Menschenrechte 2006, S. 178 ff.; Michael Donald Kirby, Melbourne Journal of International Law 15 (2014), S. 291 ff.; ders., Hong Kong Law Journal 45 (2015), 2879
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Landes und in jüngerer Zeit zusätzliche außenpolitische Isolierung, mit der wichtigen Ausnahme der Kontakte zur Volksrepublik China, welche vor allem auf das Vorantreiben eines Atomwaffenprogramms zurückzuführen ist, sind tatsächliche Informationen hinsichtlich der Menschenrechtslage rar und zum Teil auch widersprüchlich. Besondere Kennzeichen des politischen Systems Nordkoreas sind der starke Einsatz von Propaganda und der ausufernde Personenkult um die Staatsoberhäupter aus dem sog. Kim-Clan. Zu den Menschenrechtsverletzungen, die von Nordkorea regelmäßig begangen wurden und werden, zählen der Mangel an politischen Partizipationsrechten, Bestrafungen für die, auch unabsichtliche Missachtung der politischen Führung des Landes, Verfolgung der Anhänger christlicher Kirchen und Glaubensbekenntnisse, das Verbot für die Bevölkerung ihren Wohnort ohne die Genehmigung durch staatliche Stellen zu verlassen, Folter von Gefangenen, die sehr häufige Verhängung der Todesstrafe, Giftgasexperimente an lebenden Personen, das System aus Straflagern für politisch missliebige Personen und Umerziehungslagern sowie die oft mangelhafte Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Letztere führte Mitte der 1990er Jahre zu einer mehrjährigen Hungersnot, bei der nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 220.000 und 3.500.000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat verabschiedete am 9. April 2013 im Konsens die Resolution 22/13 mit dem Titel „Situation of human rights in the Democratic People’s Republic of Korea“2882, die auf einem Entwurf vom 18. März 2013 basierte.2883 Der Resolutionsentwurf war in den Menschenrechtsrat von dessen Mitgliedern Deutschland, Estland, Italien, Irland (für die Europäische Union), Japan, Montenegro, Österreich, Polen, Rumänien, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik und Vereinigte Staaten von Amerika sowie den Nichtmitgliedern Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Island, Kanada, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Monaco, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Portugal, St. Kitts und Nevis, Slowakei, Slowenien, Schweden, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern eingebracht worden. In dieser Resolution äußerte der Menschenrechtsrat seine tiefe Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Nordkorea und verurteilte die gravierenden, weitverbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen in dem ostasiatischen Staat scharf. Der Menschenrechtsrat entschied neben der Verlängerung des Mandats für den bereits im Jahr 2004 durch die ehemalige Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen eingeS. 425 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „North Korea“ sowie UN Doc. A/HRC/ 25/CRP.1 vom 7. Februar 2014. 2882 UN Doc. A/HRC/RES/22/13 vom 9. April 2013. 2883 UN Doc. A/HRC/22/L.19 vom 18. März 2013.
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setzten Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Nordkorea2884 noch Folgendes: „4. Also decides to establish, for a period of one year, a commission of inquiry comprising three members, one of whom should be the Special Rapporteur, with the other two members appointed by the President of the Human Rights Council; 5. Further decides that the commission of inquiry will investigate the systematic, widespread and grave violations of human rights in the Democratic People’s Republic of Korea as outlined in paragraph 31 of the report of the Special Rapporteur, including the violation of the right to food, the violations associated with prison camps, torture and inhuman treatment, arbitrary detention, discrimination, violation of freedom of expression, violations of the right to life, violations of freedom of movement, and enforced disappearances, including in the form of abductions of nationals of other States, with a view to ensuring full accountability, in particular where these violations may amount to crimes against humanity; 6. Urges the Government of the Democratic People’s Republic of Korea to cooperate fully with the Special Rapporteur and the commission of inquiry, and to permit them and their staff unrestricted access to visit the country and to provide them with all information necessary to enable them to fulfil their mandates; (…) 8. Encourages the United Nations, including its specialized agencies, regional intergovernmental organizations, mandate holders, interested institutions and independent experts and non-governmental organizations, to develop regular dialogue and cooperation with the Special Rapporteur and the commission of inquiry in the fulfilment of their mandates; 9. Requests the Secretary-General to provide the Special Rapporteur and the commission of inquiry with all assistance and adequate staffing necessary to carry out their mandates effectively and to ensure that these mechanisms work with the support of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights; (…) 11. Requests the commission of inquiry to present an oral update to the Human Rights Council at its twenty-fourth session and to the General Assembly at its sixty-eight session, and a written report to the Council at its twenty-fifth session; 12. Decides to transmit all reports of the commission of inquiry to all relevant bodies of the United Nations and to the Secretary-General for appropriate action.“
Zum Vorsitzenden der Untersuchungskommission wurde Michael Donald Kirby aus Australien bestimmt, der unter anderem bereits das Amt des Richters am Obersten Gerichtshof seines Heimatlandes ausgeübt hatte sowie Mitglied und Vorsitzender der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen gewesen war. Ein weiteres Kommissionsmitglied war Sonja Biserko aus Serbien, die zuvor unter anderem als Gründerin des Helsinki-Komitees für Menschenrechte in Serbien hervorgetreten und mit mehreren Menschenrechtspreisen ausgezeichnet worden war. Drittes Mitglied der Untersuchungskommission war Marzuki Darusman aus Indonesien, Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission für die Menschen2884
Vgl. UN Doc. E/CN.4/RES/2004/13 vom 15. April 2004.
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rechtslage in Nordkorea.2885 Zur Unterstützung ihrer Tätigkeit wurde der Untersuchungskommission ein neunköpfiges Sekretariat aus den Reihen der Mitarbeiter des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Seite gestellt.2886 c) Durchführung der Untersuchung In ihrer ersten Sitzung legte die Kommission die Methoden fest, denen sie bei ihrer Arbeit folgen wollte, sowie das Arbeitsprogramm. In diesem Rahmen wurde entschieden, dass die Untersuchung mit maximaler Transparenz durchgeführt werden sollte. Weiterhin sollten gegenüber Nordkorea die Garantien eines ordentlichen Verfahrens angelegt und gleichzeitig Opfer- und Zeugenschutz garantiert werden.2887 Die Kommission ließ sich nach eigenem Bekunden bei ihrer Tätigkeit und bei der Würdigung der Beweise, die ihr vorgelegt wurden, von den Prinzipien der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit, der Objektivität, der Transparenz, der Integrität und dem „do no harm“-Prinzip, welches die Garantien der Vertraulichkeit sowie den Schutz von Opfern und Zeugen einschließe, leiten. „Best practices“ habe die Kommission im Hinblick auf den Zeugenschutz, den Einsatz, die Verfahrensordnung, die Erstellung des Abschlussberichts, internationale Untersuchungsstandards und Archivierung angewendet.2888 Die Untersuchungskommission stieß von Beginn ihrer Tätigkeit an auf eine ablehnende Haltung Nordkoreas. Unmittelbar nach dem Erlass der Resolution 22/13 gab Nordkorea bekannt, dass es die Resolution zurückweise und nicht anerkenne; es handele sich um ein Produkt der politischen Konfrontation und der Verschwörung. In einem offiziellen Brief vom 10. Mai 2013 an den Präsidenten des Menschenrechtsrates wies Nordkorea die Untersuchungskommission in Gänze und kategorisch zurück.2889 In zwei Briefen vom 18. Juni 2013 und vom 5. Juli 2013 an die nordkoreanische Ständige Mission bei den Vereinten Nationen in Genf ersuchte die Kommission Nordkorea um Zusammenarbeit und um Zutritt auf das Staatsgebiet. Von der Ständigen Mission wurde zwar der Eingang der beiden Briefe bestätigt, allerdings darauf verwiesen, dass das Mandat der Kommission abgelehnt werde.2890 Ein Brief vom 16. Juli 2013 an den Obersten Führer Nordkoreas und Ersten Sekretär der Arbeiterpartei der Demokratischen Republik von Korea Kim Jong-un mit der Bitte, Einlass auf das Staatsgebiet des ostasiatischen Staates zu gewähren, blieb 2885 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 3; siehe auch Michael Donald Kirby, Melbourne Journal of International Law 15 (2014), S. 291 (292). 2886 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 5. Siehe zur Bewertung der Tätigkeit des Sekretariats auch die Einschätzung des Vorsitzenden der Untersuchungskommission Michael Donald Kirby, Melbourne Journal of International Law 15 (2014), S. 291 (293 f.). 2887 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 28. 2888 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 29. 2889 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 21. 2890 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 22.
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unbeantwortet.2891 In der Folge wurden noch weitere Aufforderungen und Kontaktversuche unternommen, die jedoch jeweils ohne Erfolg blieben.2892 Auch ohne die Kooperation Nordkoreas gelang es der Untersuchungskommission, an eine Vielzahl von Beweismitteln zu gelangen. Um Zeugenaussagen aus erster Hand zu erhalten, führte die Untersuchungskommission vom 20. bis zum 24. August 2013 in Seoul, am 29. und am 30. August 2013 in Tokio, am 23. Oktober 2013 in London und am 30. und 31. Oktober 2013 in Washington, D.C. öffentliche Anhörungen durch,2893 wobei diese Anhörungen von den jeweiligen Staaten administrativ unterstützt wurden.2894 Die Untersuchungskommission legte bei den Anhörungen großen Wert darauf, dass diese transparent durchgeführt wurden, dass das Verfahren fair war und dass der Schutz von Opfern und Zeugen gewahrt wurde. Insgesamt befragte die Kommission mehr als 80 Zeugen und Sachverständige, deren Befragungen den Medien, weiteren Beobachtern und auch der Öffentlichkeit insgesamt offenstanden.2895 Dabei betrafen die Anhörungen alle Aspekte des der Untersuchungskommission erteilten Mandats. Die Zeugen mussten im Rahmen der Anhörung eine Erklärung dahingehend abgeben, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Die Kommissionsmitglieder wirkten zudem darauf hin, dass die Zeugen ihre Aussagen auf Angelegenheiten beschränkten, die Relevanz für die Menschenrechtssituation in Nordkorea hatten, und dass dementsprechend Erklärungen zu anderen politischen Fragen und abfällige Bemerkungen unterbunden wurden. Es wurden jedoch auch solche Stellungnahmen zugelassen, bei denen es um Problemlagen ging, welche die Aussagenden als Opfer oder als Zeugen in anderen 2891
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 23. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 24 ff. 2893 Die Idee zur Durchführung von öffentlichen Anhörungen ging auf den Kommissionsvorsitzenden zurück, der als australischer Richter der Tradition des Common Law verpflichtet war und daher diese Methode favorisierte. Bei einigen Mitgliedern des Sekretariats sorgte diese Idee für Besorgnis. Diese Besorgnis betraf die Zeugensicherheit und den Zeugenschutz, die Sicherheit für die Untersuchungskommission selbst und ihr Personal, die Möglichkeit von Störungen der Anhörungen und Sitzungen der Kommission sowie weitere administrative Fragen und Kostenfragen. Die Kommission würdigte zwar die Einwände der Sekretariatsmitglieder, entschied sich aber dennoch dafür, die öffentlichen Anhörungen durchzuführen. Dies wurzelte in der Überzeugung, dass durch ein transparentes Verfahren Angriffen gegen die und Kritik an der Wahrhaftigkeit und Repräsentativität der Kommissionstätigkeit entgegengewirkt und zudem die öffentliche Wahrnehmung der Menschenrechtslage in Nordkorea gestärkt sowie die Begleitung des Untersuchungsverfahrens durch nationale und internationale Medien herbeigeführt werden könne. Siehe Michael Donald Kirby, Melbourne Journal of International Law 15 (2014), S. 291 (295). 2894 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 31. Die südkoreanischen, japanischen, britischen und US-amerikanischen staatlichen Stellen unterstützten die Kommission in Fragen von Räumlichkeiten, Übersetzungen, der Bereitstellung von Videotechnik zur Aufzeichnung der Befragungen und bei der Protokollierung des Verfahrens. Zudem wurden Sicherheitsvorkehrungen für die einzelnen Termine getroffen und die Kommission dabei unterstützt, mit dem jeweiligen nationalen und internationalen Pressekorps und wichtigen Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen in Kontakt zu treten. 2895 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 30. 2892
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Staaten erlebt hatten, und bei denen eine direkte und kausale Verbindung zu der Menschenrechtssituation in Nordkorea bestand.2896 Die Untersuchungskommission lud zudem die staatlichen Stellen Nordkoreas ein, den öffentlichen Anhörungen in Seoul, London und in Washington, D.C. beizuwohnen, dort Fragen zu stellen und eigene Darstellungen abzugeben. Allerdings erhielt die Kommission hierauf von nordkoreanischer Seite keine Antwort. Vielmehr beschuldigte die offizielle Nachrichtenagentur Nordkoreas die Kommission der Verleumdung und behauptete, die Zeugenaussagen seien vorgefertigt gewesen. Die Untersuchungskommission lud daraufhin Nordkorea dazu ein, Beweise für diese Anschuldigungen zu erbringen, worauf die Kommission wiederum keine Antwort erhielt. Die grundsätzlichen Anschuldigungen wurden auch den Zeugen zur Kenntnis gebracht, damit diese in ihren eigenen Worten darauf antworten könnten. Videoaufnahmen und Protokolle über diese Stellungnahmen wurden von der Kommission auf ihrer Internetseite veröffentlicht.2897 Eine Vielzahl von Opfern und Zeugen, die aus Nordkorea geflohen waren, wollten zwar Aussagen zur Menschenrechtslage gegenüber der Kommission tätigen, fürchteten aber Repressionen gegen ihre in Nordkorea verbliebenen Familien, wenn sie öffentlich aussagen würden. Insbesondere Personen, die zuvor in Nordkorea eine offizielle Position bekleidet hatten, wollten oftmals nicht in einer öffentlichen Anhörung aussagen. Auch einige Sachverständige zogen es vor, nicht öffentlich auszusagen, um ihre Verbindungen zu Nordkorea nicht zu gefährden.2898 Um diesen Personengruppen gerecht zu werden, führten die Kommission und ihr Sekretariat mehr als 240 vertrauliche Befragungen während Besuchen in Seoul, Tokio, Bangkok, London und Washington, D.C. sowie mittels Videokonferenzen und Telefongesprächen durch.2899 Die Kommission verzichtete aus Schutzerwägungen in vielen dieser Fälle zudem darauf, den genauen Ort und die genaue Zeit der betreffenden Menschenrechtsverletzung und andere Details in den Abschlussbericht aufzunehmen, um zu verhindern, dass die Person des Zeugen auf diese Weise identifiziert werden könnte.2900 Eine weitere Beweisquelle, aus der die Untersuchungskommission schöpfte, war dokumentarisches Material. Um an solche Materialien zu gelangen, richtete die Kommission einen Aufruf an die Vereinten Nationen und alle relevanten Interessensgruppen. Alle interessierten Staaten, Organisationen und Einzelpersonen wurden in dem Aufruf eingeladen, Informationen und Dokumente mit der Untersuchungskommission zu teilen, die für die Durchführung der Untersuchung von Bedeutung sein könnten. Als die von der Kommission gesetzte Frist zur Einreichung am 3. November 2013 ablief, waren 80 Eingaben eingesandt worden. Einige wenige 2896 2897 2898 2899 2900
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Eingaben, die der Kommission nach dem Ablauf der Frist zugingen, wurden ebenfalls noch für die Untersuchung zugelassen. Zudem gingen bei der Kommission und auch bei einzelnen Kommissionsmitgliedern noch eine Reihe von Briefen in der Angelegenheit ein.2901 Insgesamt erhielt die Kommission eine Vielzahl von Berichten und anderen schriftlichen Materialien, die von den Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen, Regierungen, Forschungsinstituten und Wissenschaftlern eingereicht wurden.2902 Die Untersuchungskommission suchte den Kontakt mit verschiedenen Regierungen, um ihr Mandat zu implementieren und stattete daher mehreren Staaten Besuche ab. Diese Besuche wurden auch zur Durchführung der oben dargestellten Anhörungen genutzt. Vom 19. bis zum 27. August 2013 besuchte die Kommission zunächst Südkorea und traf dort mit dem Premierminister sowie mit Beamten aus verschiedenen Ministerien und Angehörigen von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der Nationalen Menschenrechtskommission von Korea und des Koreanischen Instituts für Nationale Wiedervereinigung zusammen.2903 Bei dem Besuch in Japan vom 27. August bis zum 1. September 2013 kam die Kommission mit dem japanischen Premierminister, Regierungsbeamten und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und aus der Zivilgesellschaft zusammen.2904 Der nächste Besuch führte die Kommission vom 18. bis zum 20. September 2013 nach Thailand. Erneut traf sie dort mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft zusammen, außerdem mit Beamten der thailändischen Regierung, insbesondere aus dem thailändischen Außenministerium, mit der Nationalen Menschenrechtskommission und Vertretern von Internationalen Organisationen.2905 Der Besuch im Vereinigten Königreich vom 23. bis zum 25. Oktober 2013 schloss neben abermaligen Gesprächen mit Vertretern der Zivilgesellschaft und von Nichtregierungsorganisationen ein Treffen mit dem Staatsminister mit der Zuständigkeit für den Fernen Osten und Südostasien des britischen Außen- und Commonwealth-Ministeriums ein.2906 Den letzten Besuch stattete die Untersuchungskommission vom 28. Oktober bis zum 1. November 2013 den Vereinigten Staaten von Amerika ab. Dort hielt sie Sitzungen mit Beamten aus dem Außenministerium, mit dem Vorsitzenden und Mitgliedern des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses sowie mit diversen weiteren Regierungsbeamten und Sachverständigen ab. Hinzu kamen auch hier Treffen mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft.2907 Besuchen der Untersuchungskom2901 2902 2903 2904 2905 2906 2907
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 37. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 38. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 39. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 40. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 41. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 42. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 43.
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mission in den verschiedenen Staaten gingen jeweils Entsendungen von Mitgliedern des Kommissionssekretariats voraus, die Vorbereitungen für die öffentlichen Anhörungen trafen, mit verschiedenen Personen zusammenkamen und vertrauliche Anhörungen an verschiedenen Orten in den jeweiligen Staaten durchführten. Zusätzlich zu den Einsätzen im Rahmen der Kommissionsbesuche statteten Angehörige des Sekretariats der südkoreanischen Hauptstadt Seoul Ende des Monats November 2013 einen weiteren Besuch ab. Während des dreiwöchigen Aufenthalts in Südkorea führten die Sekretariatsmitglieder weitere vertrauliche Anhörungen durch sowie ein Follow-up zu der öffentlichen Anhörung, die dort bereits stattgefunden hatte.2908 Von Beginn ihrer Tätigkeit an versuchte die Untersuchungskommission auf das Territorium der Volksrepublik China zu gelangen, um dort Untersuchungen durchzuführen und die dortigen staatlichen Stellen hinsichtlich der Implementierung des Kommissionsmandats zu kontaktieren. Insbesondere wollte die Kommission die Gebiete an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze besuchen, um dort Informationen aus erster Hand von Personen zu erhalten, die aus Nordkorea geflohen waren. Zudem ersuchte die Untersuchungskommission die chinesischen Behörden noch darum, sich mit chinesischen Sachverständigen für Nordkorea treffen zu können, um mit diesen über die Situation in Nordkorea sprechen zu können. Um eine Erlaubnis Chinas für einen entsprechenden Besuch zu erhalten, trafen die Kommissionsmitglieder zunächst in einer Reihe von informellen Sitzungen mit einigen Diplomaten der Ständigen Mission der Volksrepublik China bei den Vereinten Nationen in Genf zusammen. Nach diesen Treffen wandte sich die Kommission mit einem offiziellen Ersuchen am 7. November 2013 an die Ständige Mission der Volksrepublik. In dem Brief ersuchte die Kommission um die Erlaubnis, Beijing besuchen zu dürfen, um dort mit zuständigen Beamten und Experten zusammenzutreffend und darum, den Autonomen Bezirk Yanbian der Koreaner, ein Gebiet in dem ostchinesischen Gebiet Jilin an der Grenze zu Nordkorea, besuchen zu dürfen, um mit nordkoreanischen Staatsangehörigen, die sich dort in Aufnahmeeinrichtungen und Arrestgefängnissen befanden, sowie mit Vertretern von Kirchen und andere Organisationen, die sich um nordkoreanische Staatsangehörige in China kümmern, sprechen zu können. In dem Schreiben wurde hervorgehoben, dass einer der Hauptbesorgnisgründe für die Kommission in Bezug auf China der Vorwurf des Menschenhandels mit nordkoreanischen Frauen in der Volksrepublik sei, sowie der Status von Kindern mit einer nordkoreanischen Mutter und einem chinesischen Vater. Am 20. November 2013 teilte die Ständige Mission dem Kommissionssekretariat mit, dass es, in Anbetracht der chinesischen Position zu länderspezifischen Mandaten, insbesondere solchen auf der koreanischen Halbinsel, nicht möglich sei, eine Einladung an die Kommission für den gewünschten Besuch auszusprechen. In einem weiteren Schreiben bat die Kommission die Ständige Mission der Volksrepublik China in Genf um Informationen über die Status von nordkoreanischen Bürgen und deren Kindern in China, über gewaltsame Rückführungen von Nordkoreanern durch China, über Men2908
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 44.
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schenhandel und andere, das Mandat der Kommission betreffende Fragen.2909 Die chinesische Regierung antwortete auf die Anfrage der Kommission mit zwei Briefen von Ende Dezember 2013 und Ende Januar 2014.2910 In ihrer jeweils knappen Antwort stellte die Regierung der Volksrepublik China klar, dass sie die Errichtung der Untersuchungskommission nicht unterstütze und dass alle Angelegenheiten in Bezug auf nordkoreanische Staatsangehörige, die illegal das chinesische Territorium betreten würden, in Anwendung des chinesischen und des internationalen Rechts sowie humanitärer Prinzipien geregelt würden. Im Übrigen würde die chinesische Regierung in Menschenrechtsangelegenheiten einen konstruktiven Dialog und Zusammenarbeit befürworten und eine Politisierung der Menschenrechte ablehnen. Weiterhin arbeitete die Untersuchungskommission mit einer Reihe von Institutionen aus dem Bereich der Vereinten Nationen und auch mit Akteuren aus dem humanitären Bereich außerhalb der Vereinten Nationen zusammen, um relevante Informationen zur Erfüllung des Mandats zu erhalten. Einige Akteure aus dem Bereich der Vereinten Nationen waren allerdings misstrauisch gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Kommission eingestellt. Sie befürchteten, dass eine Zusammenarbeit mit der Kommission negative Auswirkungen auf ihre Operationen im Hinblick auf Nordkorea haben könnte. Zum Teil wurden daher von diesen Institutionen auch keine Informationen an die Kommission herausgegeben.2911 Hingegen arbeitete die Kommission mit verschiedenen Sonderberichterstattern des Menschenrechtsrates und mit den im Rahmen der Vereinten Nationen errichteten Überwachungsmechanismen für menschenrechtliche Verträge zusammen.2912 Die Untersuchungskommission legte bei ihren Ermittlungen besonderen Wert auf den Schutz von Opfern und Zeugen. Eine Überprüfung des erforderlichen Schutzgrades für solche Personen ergab nämlich Hinweise darauf, dass Personen, die über die Lage der Menschenrechte in Nordkorea sprechen würden, regelmäßig Opfer von summarischen Hinrichtungen, erzwungenem Verschwindenlassen und anderen Gewaltakten durch die staatlichen Stellen Nordkoreas seien. Zudem seien die Angehörigen solcher Personen schwerwiegenden Repressionen durch die nordkoreanischen Behörden ausgesetzt. Weitere Gesichtspunkte, welchen die Kommission für Fragen des Opfer- und Zeugenschutzes Beachtung schenkte, waren zum einen die Politik der Volksrepublik China, nordkoreanische Staatsbürger, welche sich auf ihrem Territorium befinden, unter Anwendung von Zwang wieder nach Korea zu überstellen und zum anderen Fälle, in denen Personen von nordkoreanischen staatlichen Stellen entführt und unter Zwang zurück nach Nordkorea gebracht wurden.2913 Um diesen Problemlagen gerecht zu werden, nutzte die Untersu2909
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 45. Die beiden Schreiben sind wiedergegeben als Annex II in: UN Doc. A/HRC/25/63 vom 7. Februar 2014, S. 33 ff. 2911 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 48, 50. 2912 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 49. 2913 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 51. 2910
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chungskommission verschiedene Techniken des Opfer- und Zeugenschutzes. Zunächst wurde eine Bewertung darüber vorgenommen, ob eine Person, durch den Kontakt zu der Kommission, einem Risiko ausgesetzt würde. Ein Kontakt wurde dann nicht zu Personen aufgenommen, wenn die Kommission zu der Überzeugung gekommen war, dass sie die betreffende Person nicht ausreichend schützen könne, sowie darüber hinaus, wenn das Risiko für die Person als zu hoch eingestuft wurde und in Fällen, in denen der Kommission eine Risikoeinschätzung nicht möglich war. Insbesondere lehnte die Kommission Angebote zu Telefonaten auf Mobiltelefone mit Personen ab, welche sich auf dem Staatsgebiet Nordkoreas befanden.2914 Auch hinsichtlich der öffentlichen Anhörungen wurden besondere Schutzmaßnahmen ergriffen. Grundsätzlich hörte die Kommission nur solche Zeugen und Opfer an, die keine familiären Bande mehr nach Nordkorea hatten oder solche, bei denen man zu der Einschätzung gelangte, dass sie keinen Risiken in der Volksrepublik China ausgesetzt seien. Darüber hinaus war ein informiertes Einverständnis der betreffenden Person, öffentlich vor der Kommission auszusagen, zwar eine erforderliche, allerdings keine ausreichende Voraussetzung dafür, dass eine Person tatsächlich vor der Kommission aussagen durfte. In einigen Fällen lehnte die Kommission Personen ab, da man um die Sicherheit der Familien fürchtete. In anderen Fällen, in denen zuvor bereits über die Namen und Erfahrungen von Opfern und Zeugen intensiv in den Medien berichtet worden war, wurde eine Aussage zwar grundsätzlich gestattet, allerdings nur dann, wenn keine weiteren Repressionen gegen die Person als Resultat der öffentlichen Aussage zu befürchten waren. Die Kommission legte zudem wert darauf sicherzustellen, dass die Aussagen und die Fragestellungen nicht persönliche Informationen von Personen betrafen, die ihrem Wunsch Ausdruck gegeben hatten, nicht in der Öffentlichkeit identifiziert werden zu können, und die schutzbedürftig waren.2915 Vor den Anhörungen wurde dann die Identität aller Aussagewilligen festgestellt. Einigen Zeugen wurde dabei von der Kommission gestattet, aus Schutzgründen nur unter einem Pseudonym aufzutreten. Zudem wurden Maßnahmen ergriffen, um Identitätsmerkmale zu verschleiern.2916 Eine weitere Schutzmaßnahme bestand darin, dass die Kommission jede Information, die darauf hindeutete, dass Personen, die vor der Kommission aussagten oder deren Familien Repressalien drohten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen durch den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Kenntnis gebracht wurde. Zudem erinnerte die Kommission daran, dass die primäre Verantwortlichkeit für den Schutz von Zeugen, Opfern und anderen Personen, die mit ihr zusammenarbeiteten, bei den Staaten liegen würde, in denen diese Personen leben oder deren Staatsangehörigkeit sie besitzen würden. Daher wurden die Mitgliedstaaten der
2914
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 52. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 53. 2916 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 54. Zu den identitätsverschleiernden Maßnahmen gehörten etwa das Tragen von Hüten, Sonnenbrillen oder von anderen Kleidungsstücken, welche Teile des Gesichts bedeckten. 2915
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Vereinten Nationen aufgerufen, wo immer nötig, weitere Schutzmaßnahmen zu treffen.2917 Die Kommission konnte zum Zwecke der Untersuchung auch auf einen breiten Stamm an dokumentarischem Material zurückgreifen. So konnten etwa kommerziell erhältliche Satellitenbilder zur Identifizierung von Lagern für politische Gefangene ausgewertet werden. Das Ersuchen der Kommission an technologisch weit fortgeschrittene Staaten betreffend die Zurverfügungstellung von höher auflösenden Satellitenaufnahmen blieb allerdings unerfüllt.2918 Des Weiteren hatte die Kommission die Möglichkeit, heimlich gemachte Videoaufnahmen, Fotografien, Dokumente und Schriftverkehre einzusehen. Eine Auswertung der genannten Materialien fand immer dann statt, wenn deren Authentizität bestätigt werden konnte.2919 Da Nordkorea die Kooperation mit der Kommission verweigerte, hatte diese nicht die Möglichkeit, Materialien zu würdigen, welche den Staat von den Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen entlasten würden. Um die Position Nordkoreas dennoch würdigen zu können, nahm die Kommission öffentlich zugängliche Informationen zu der Lage der Menschenrechte in Nordkorea in Augenschein. Hierzu gehörten die Staatenberichte, die Nordkorea in den verschiedenen Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen abgegeben hatte, sowie öffentlich zugängliche Zusammenfassungen von Antworten, die von Nordkorea als Reaktion auf diverse Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen von verschiedenen Sonderberichterstattern des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen abgegeben worden waren.2920 Die Untersuchungskommission betrieb zur Sicherung der gefundenen Ergebnisse einen erheblichen Aufwand und wurde dabei vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte unterstützt. Mit Hilfe des Büros des Hohen Kommissars wurde eine vertrauliche elektronische Datenbank angelegt.2921 Die Datenbank enthielt Aufzeichnungen von allen mit Zeugen durchgeführten Befragungen und elektronische Kopien von allen relevanten dokumentarischen Materialien.2922 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission legte einen, vom 7. Februar 2014 datierenden, knappen sowie einen detaillierten Abschlussbericht2923 vor, wobei nur letzterer 2917
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 55. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 60. 2919 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 61. 2920 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 62. 2921 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 79. 2922 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 85. 2923 Kurzfassung des Abschlussberichts: Report of the commission of inquiry on human rights in the Democratic People’s Republic of Korea, UN Doc. A/HRC/25/63 vom 7. Februar 2918
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in der Folge behandelt wird. Der detaillierte Abschlussbericht umfasste insgesamt 1224 Randnummern und war in sieben Abschnitte aufgeteilt. Nach der Einführung2924 wurden im zweiten Berichtsabschnitt2925das Mandat und die von der Untersuchungskommission angewendete Methodik dargestellt. Der dritte Abschnitt2926 war dem historischen und dem politischen Kontext der Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea gewidmet. Im vierten Abschnitt2927 wurden die Ergebnisse der Kommission in Bezug auf einzelne Arten von Menschenrechtsverletzungen präsentiert und im fünften Abschnitt2928 wurden Fragen hinsichtlich des Vorliegens von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea behandelt. Der sechste Abschnitt2929 war dem Problem der Sicherstellung von Verantwortlichkeit für die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gewidmet. Im letzten, siebten Abschnitt des Berichts2930 wurden die Schlussfolgerungen und die Empfehlungen der Untersuchungskommission niedergelegt. Auch hinsichtlich des Abschlussberichts versuchte die Untersuchungskommission, wie im Laufe des gesamten Untersuchungsverfahrens, Nordkorea zu einer Kooperation zu bewegen. Vor der Veröffentlichung des Abschlussberichts übermittelte die Kommission der nordkoreanischen Regierung den Bericht und lud diese dazu ein, Kommentare abzugeben oder auf Korrekturbedürftiges hinzuweisen. Eine Zusammenfassung der schwerwiegendsten Bedenken der Kommission, insbesondere solche, die auf die Verübung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit hindeuteten, wurden an den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un gesandt. Eine Antwort erhielt die Untersuchungskommission nicht.2931 bb) Als Beweisstandard wendete die Untersuchungskommission den „reasonable grounds“-Standard bei der Bestimmung von Tatsachen in Bezug auf Einzelfälle, Vorfälle und Muster staatlichen Verhaltens an, auf deren Grundlage dann die rechtlichen Würdigungen getroffen wurden.2932 Solche „reasonable grounds“ zur Annahme des Vorliegens einer Tatsache lagen für die Kommission dann vor, wenn nach ihrer Auffassung für das untersuchte Ereignis oder Verhaltensmuster ausreichend viele Informationen vorhanden waren und diese mit den anderen Materialien übereinstimmten, und daher eine vernünftige und durchschnittlich einsichtige Person annehmen müsse, dass ein solches Ereignis stattgefunden habe beziehungsweise ein 2014; detaillierte Fassung des Abschlussberichts: Report of the detailed findings of the commission of inquiry on human rights in the Democratic People’s Republic of Korea, UN Doc. A/ HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014. 2924 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1 ff. 2925 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 6 ff. 2926 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 85 ff. 2927 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 163 ff. 2928 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1022 ff. 2929 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1166 ff. 2930 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1211 ff. 2931 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 27. 2932 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 67.
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solches Verhaltensmuster angewendet worden sei.2933 Hinsichtlich der Beweismittel wurden denjenigen Beweismitteln besonderes Gewicht beigemessen, die den öffentlichen Anhörungen entstammten, da die Kommission der Auffassung war, dass in diesen Fällen die Öffentlichkeit und Sachverständige eine direkte Möglichkeit gehabt hätten, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit der befragten Zeugen durch die Kommission zu verfolgen, und sich daher ein Bild von der Validität der dargebotenen Informationen hätten machen könnten.2934 Die Untersuchungskommission nahm grundsätzlich solche Einzelfälle oder -vorkommnisse in ihren Abschlussbericht auf, bei denen die betreffenden Informationen aus mindestens einer glaubwürdigen Erste-Hand-Quelle stammten und von mindestens einer weiteren glaubwürdigen Quelle bestätigt wurden. Hinsichtlich von bestimmten Verhaltensmustern wurden solche Muster in den Abschlussbericht aufgenommen, bei denen die einschlägigen Informationen aus mehreren glaubwürdigen Erste-Hand-Quellen stammten und die mit dem der Kommission vorliegenden Gesamtstamm an Informationen übereinstimmten und darin Bestätigung fanden. Die Kommission wich nur in wenigen Fällen von diesem Beweisstandard ab und kennzeichnete die betreffenden Fälle.2935 Für die beschriebene Analysemethode sah die Kommission folgende Quellen als Erste-Hand-Quellen an: Aussagen von Opfern, Augenzeugen, nahen Familienangehörigen von Opfern, Tätern oder vormaligen nordkoreanischen Staatsbediensteten mit direktem Wissen über Angelegenheiten, Vorkommnisse oder Entwicklungen, Satellitenbilder aus zuverlässigen Quellen, authentisches Video- und Fotomaterial, Autobiographien sowie andere Dokumente mit Erster-Hand-Informationen aus zuverlässigen Quellen, öffentlich zugängliche Einräumungen relevanter Fakten durch Nordkorea, nordkoreanische Gesetze, politische Leitlinien und Erlasse sowie interne Dokumente, die der Untersuchungskommission aus zuverlässigen Quellen zur Kenntnis gebracht wurden und deren Echtheit bestätigt werden konnte, sowie Statistiken, Erhebungen und andere quantitative Informationen, die von Nordkorea oder von den Vereinten Nationen erstellt wurden, soweit die darin enthaltenen Daten auf einer gründlichen Methodik basierten und die Quellen der Daten als valide, vertrauenswürdig und belastbar eingestuft wurden.2936 Um die Erste-Hand-Informationen zu bestätigen, zog die Kommission ähnliche Quellen heran. Hierzu gehörten Aussagen von Zeugen, die die betreffenden Informationen von einer Person erhalten hatten, welche sie persönlich kannten; zudem durfte es sich bei den Informationen nicht um Gerüchte handeln. Weitere Quellen in diesem Bereich waren Zusammenfassungen von Zeugenanhörungen, die sich in Publikationen oder Eingaben der Vereinten Nationen, von Forschungsinstituten und Menschenrechtsorganisationen fanden sowie zusammenfassende Beschreibungen von Verhaltensmustern, welche in Aussagen von Sach2933 2934 2935 2936
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 68. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 69. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 70. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 71.
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verständigen, veröffentlichten Berichten, Eingaben, Büchern, Dokumentationen und ähnlichen Materialien zu finden waren. All diese Quellen mussten von der Untersuchungskommission als glaubwürdig und zuverlässig und die jeweilige Information als valide eingestuft werden.2937 Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit jeder Quelle wurden von der Kommission gründlich untersucht. Dazu wurde die betreffende Quelle auf ihre Vertrauenswürdigkeit geprüft und bei der Vernehmung einer Person wurde versucht festzustellen, ob die Person den von ihr geäußerten Eindruck selbst glaubte oder nicht. In die hierbei anzustellenden Bewertungen wurden verschiedene Gesichtspunkte eingestellt. Hierzu gehörten die politischen und persönlichen Interessen einer Person, potenzielle Voreingenommenheit, falls bekannt, Informationen über die Zuverlässigkeit einer Person in der Vergangenheit, die Fähigkeit eines Zeugen, sich an die Ereignisse, über die er berichten sollte, korrekt zu erinnern, wobei das Alter der Person und eventuell vorhandene Traumata betrachtet wurden und der Zeitraum berücksichtigt wurde, der seit dem Ereignis, über das berichtet werden sollte, vergangen war, die Position in welcher sich der Zeuge gegenüber dem Gegenstand der Information befand, wo und wie der Zeuge an die Information gelangt war und auch der Grund, warum der Zeuge die Information über die er verfügte, mit der Kommission teilte.2938 Darüber hinaus erachtete es die Kommission für notwendig, dass jede Information auf ihre Validität geprüft würde. Bei den entsprechenden Prüfungen wurden die Relevanz der betreffenden Information für die Untersuchung sowie die interne Schlüssigkeit und Kohärenz, die Logik und die Übereinstimmungen mit anderen Informationen berücksichtigt.2939 cc) Hinsichtlich des bei der Untersuchung anwendbaren Völkerrechts stellte die Untersuchungskommission knapp fest, dass Nordkorea Partei des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention über die Rechte des Kindes und der Konvention über die Beseitigung von allen Formen der Diskriminierung der Frau sei.2940 Im Übrigen würden sich noch menschenrechtliche Bindungen aus dem Völkergewohnheitsrecht ergeben.2941 Bei einigen untersuchten Fragestellungen, die noch bis in die Zeit des Koreakrieges von 1950 bis 1953 zurückreichten, legte die Kommission ihren Bewertungen noch das zwischen Nordkorea und den anderen Parteien des damaligen Konflikts gültige humanitäre Völkerrecht zugrunde.2942 Bei der Untersuchung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit arbeitete die Kommission schließlich auf der Grundlage des entsprechenden
2937 2938 2939 2940 2941 2942
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 72. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 73. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 74. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 20, 63. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 63. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 64.
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Völkergewohnheitsrechts.2943 Hinsichtlich der Verpflichtungen von anderen Staaten in Bezug auf die menschenrechtliche Situation der Nordkoreaner nahm die Kommission das internationale Flüchtlingsrecht, die international gewährleisteten Menschenrechte und die Rechte und Pflichten von Staaten bezüglich des diplomatischen Schutzes ihrer eigenen Staatsangehörigen und ständigen Bewohner in den Blick.2944 dd) Die Untersuchungskommission gelangte zu dem Ergebnis, dass von Nordkorea, seinen Institutionen und seinen Staatsbediensteten systematische, verbreitete und schwere Verletzungen der Menschenrechte verübt worden seien. In vielen Fällen würden diese Menschenrechtsverletzungen zugleich Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Dabei seien die Menschenrechtsverletzungen mehr als nur staatliche Exzesse; sie seien vielmehr essenzielle Bestandteile des politischen Systems in Nordkorea. Dabei würden die Schwere, das Ausmaß und die Natur der Verletzungen in der Gegenwart nirgendwo eine Parallele finden.2945 Die Demokratische Volksrepublik Korea weise zudem viele Merkmale eines totalitären Staates auf. Namentlich die Ein-Parteien-Herrschaft, an deren Spitze eine einzige Person stehe und die einer einzigen, bestimmten Ideologie folge, die auf die Verehrung der Führungspersönlichkeit ausgerichtet sei. Der nordkoreanische Staat versuche, diese Ideologie durch Indoktrinierung vom Kindesalter an in der Bevölkerung zu verankern. Außerdem werde jeder politische oder religiöse Ausdruck, der die offizielle Staatsideologie in Frage stelle, unterdrückt. Die Bewegungsfreiheit und die Kommunikationsmöglichkeiten der Menschen würden engmaschig kontrolliert. Diskriminierungen würden zudem benutzt, um die rigide Sozialstruktur Nordkoreas aufrechtzuerhalten, damit auch in diesem Bereich keine Herausforderungen für das politische System Nordkoreas entstehen könnten.2946 Auch das staatliche Monopol auf Nahrungsmittel sei ein wichtiges Mittel, um die politische Loyalität der Bevölkerung abzusichern. Bei der Verteilung von Nahrung würden diejenigen Personen bevorzugt, die als nützlich für das gegenwärtige politische System eingestuft würden. Diese Politik würde auf Kosten derjenigen Menschen gehen, die als entbehrlich angesehen würden.2947 Wichtigster Stützpfeiler des politischen Systems von Nordkorea sei der große Apparat aus staatlichen Stellen in den Bereichen Politik und Sicherheit, die zur Verhinderung jeglicher abweichenden Äußerungen Beobachtungen, Drohungen, Angst und Bestrafung einsetzen würden. Öffentliche Hinrichtungen und erzwungenes Verschwindenlassen in Gefangenenlager seien dabei das ultimative Mittel, um die Bevölkerung zu unterdrücken. Die staatliche Gewalt werde zudem durch die staatlichen Entführungen und durch erzwungenes Verschwindenlassen von Aus2943 2944 2945 2946 2947
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 65. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 66. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1211. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1212. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1213.
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ländern externalisiert. Diese internationale Dimension des erzwungenen Verschwindenlassens sei in Intensität, Ausmaß sowie Art und Weise einzigartig.2948 Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen wurden von der Untersuchungskommission im Rahmen der Unterdrückung von ausländischen Einflüssen auf die nordkoreanische Gesellschaft sowie gegenüber von Personen festgestellt, die das Land verlassen wollten. Hierbei seien Personen, die unter Zwang von China nach Nordkorea zurückgebracht würden, regelmäßig Opfer von Folter, willkürlicher Haft, summarischen Hinrichtungen, erzwungenen Abtreibungen und anderen Formen von sexueller Gewalt.2949 Die Untersuchungskommission bemängelte zudem, dass vielen der festgestellten systematischen und verbreiteten Menschrechtsverletzungen seit langem etablierte und fortgesetzte Muster zugrunde liegen würden, welche zugleich die hohen Anforderungen erfüllen würden, die das Völkerrecht an Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellen würde. Die Täter dieser Verbrechen würden allerdings Straflosigkeit genießen. Nordkorea sei in dieser Hinsicht nicht bereit, seine internationalen Verpflichtungen zur Verfolgung und Verurteilung der Täter zu erfüllen, da diese in Übereinstimmung mit der staatlichen Politik Nordkoreas handeln würden.2950 Hinsichtlich der Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf die Lage der Menschenrechte in Nordkorea sah die Untersuchungskommission Fragen nach einer unzureichenden Reaktion auf diese Lage aufgeworfen. Die internationale Gemeinschaft müsse ihre Schutzverantwortung gegenüber der Bevölkerung von Nordkorea wahrnehmen.2951 Die Vereinten Nationen müssten sicherstellen, dass diejenigen Personen, die die größte Verantwortlichkeit für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit trügen, hierfür zur Verantwortung gezogen würden. Dies könne etwa durch eine Überweisung der Situation in Nordkorea vom Sicherheitsrat an den Internationalen Strafgerichtshof oder durch die Errichtung eines ad-hoc-Tribunals geschehen. Sofortige Maßnahmen müssten mit einen verstärken Menschenrechtsdialog, mit der Beförderung von zwischenmenschlichen Kontakten und mit einer interkoreanischen Agenda für Versöhnung kombiniert werden.2952 ee) Die Untersuchungskommission sprach eine Vielzahl von Empfehlungen aus. Adressaten der Empfehlungen waren dabei vor allem Nordkorea, die Volksrepublik China und andere Staaten sowie die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen, aber auch das koreanische Volk, die Zivilgesellschaft und Unternehmen. Nordkorea wurde zunächst empfohlen, ohne Verzögerung politische und institutionelle Reformen in Angriff zu nehmen, die das Ziel haben müssten, ein System von 2948 2949 2950 2951 2952
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1214. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1215. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1216. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1217. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1218.
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„Checks and Balances“ hinsichtlich der Staatsführung und der Arbeiterpartei von Korea zu errichten. Hierzu müssten ein unabhängiges und unparteiisches Justizsystem, ein Mehrparteiensystem und gewählte Volksvertretungen auf lokaler und zentraler Ebene, die auf der Grundlage von freien und gerechten Wahlen in ihr Amt kommen würden, errichtet werden. Im Bereich des Sicherheitssektors müsse das gesamte Offizierskorps einer Überprüfung auf Verstrickungen in die Menschenrechtsverletzungen unterzogen und die Funktion der nordkoreanischen Streitkräfte auf die Landesverteidigung beschränkt werden. Staatliche Sicherheitsinstitutionen seien entweder aufzulösen oder einer transparenten demokratischen Aufsicht zu unterstellen. Eine unabhängige Kommission für Verfassungs- und Institutionenreform, bestehend aus respektierten Mitgliedern der nordkoreanischen Gesellschaft, solle den Reformprozess begleiten und dabei von internationalen Experten unterstützt werden. Weitere Empfehlungen an Nordkorea betrafen die Anerkennung der Menschenrechtsverletzungen einschließlich der Existenz von Lagern für politische Gefangene, die aufzulösen seien. Die Schicksale von verschwundenen Personen sollten offengelegt werden. Das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung seien reformbedürftig, insbesondere sollten die unbestimmten „Anti-Staats“- und „Anti-Volks“-Verbrechen abgeschafft werden. Weitere Empfehlungen gingen unter anderem dahin, die Todesstrafe abzuschaffen, unabhängige Medien zuzulassen, freien Zugang zum Internet zu gewähren, die verpflichtende Teilnahme in Massenorganisationen und bei Indoktrinationsveranstaltungen abzuschaffen, Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Bildung zu vermitteln, unabhängige und öffentliche Religionsausübung zuzulassen, Diskriminierungen gegen Bürger auf der Grundlage von deren politischen Loyalitäten oder dem sozio-politischen Hintergrund ihrer Familien zu unterlassen, alle Überwachungsmethoden, die der politischen Unterdrückung dienen würden, zu unterlassen, sofortige Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergleichheit einzuleiten, sicherzustellen, dass jeder Bürger diskriminierungsfrei in den Genuss des Rechts auf Nahrung sowie von anderen wirtschaftlichen und sozialen Rechte kommen würde, das de facto bestehende Auslandsreiseverbot für die Bürger aufzuheben, die Familien und die Heimatstaaten von entführten Personen über deren Schicksal zu informieren, Familienzusammenführungen zu erlauben, diejenigen Personen vor Gericht zu stellen, die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich seien, sofortige Schritte zur Verbesserung der Menschenrechtslage zu unternehmen, sofort die Internationale Konvention zum Schutz von Personen vor erzwungenem Verschwindenlassen, die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und die wichtigsten Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation zu ratifizieren sowie schließlich sofort eine Präsenz und technische Unterstützung des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und aus anderen Bereichen der Vereinten Nationen zuzulassen, die bei der Umsetzung der von der Untersuchungskommission abgegebenen Empfehlungen behilflich sein könnten.2953 2953
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1220.
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China und anderen Staaten wurden zunächst nahegelegt, dass flüchtlingsrechtliche non-refoulement-Prinzip zu wahren und von zwangsweisen Rücküberstellungen von Personen nach Nordkorea abzusehen, bis sich die Behandlung der Geflüchteten dort merklich gebessert habe, und dies von internationalen Menschenrechtsbeobachtern bestätigt worden sei. Außerdem sollten Asylverlängerungen und andere Maßnahmen für Personen gewährt werden, die aus Nordkorea geflohen seien und des internationalen Schutzes bedürfen würden. Daneben solle die Integration solcher Personen sichergestellt und diese Personen sollten vor Diskriminierung geschützt werden; es sollten keine Informationen über die Aktivitäten oder Kontakte dieser Personen an die Sicherheitsbehörden Nordkoreas übermittelt werden, und allen Nordkoreaner solle freier Zugang zu diplomatischem und konsularischem Schutz von Staaten gewährt werden, die gewillt seien, diesen Personen ihren Schutz zu gewähren. Dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und einschlägigen humanitären Organisationen solle vollständiger und uneingeschränkter Zugang zu Personen aus Nordkorea gewährt werden, die den Kontakt zu diesen Akteuren suchen würden. Die Staaten sollten die Vereinten Nationen weiterhin um technische Unterstützung ersuchen, um ihren Verpflichtungen aus dem Flüchtlingsvölkerrecht nachzukommen und um effektive Maßnahmen zum Schutz von Personen vor Menschenhandel zu ergreifen; hinsichtlich dieser Personen solle vor allem ein opferzentrierter und menschenrechtsbasierter Ansatz gewählt werden. Insbesondere im Hinblick auf die Situation nordkoreanischer Frauen und Männer in der Volksrepublik China, die mit einem beziehungsweise einer chinesischen Staatsangehörigen verheiratet seien und/oder Kinder hätten, empfahl die Kommission, eine Regulierung von deren Status einzuführen; dabei solle auch gesichert werden, dass Kindern aus solchen Beziehungen das Recht auf Registrierung ihrer Geburt, die chinesische Staatsangehörigkeit und der diskriminierungsfreie Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge gewährt würde. Letztlich wurde der Volksrepublik China noch empfohlen, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um Agenten Nordkoreas daran zu hindern, weiterhin Entführungen auf chinesischem Staatsgebiet durchzuführen, für die Auslieferung, Verfolgung und Bestrafung der Täter zu sorgen und gegenüber der nordkoreanischen Führung verschiedene Aspekte der Problematik anzusprechen.2954 Dem koreanischen Volk in seiner Gesamtheit wurde empfohlen, einen inter-koreanischen Dialog zu fördern, der in einer Agenda für Versöhnung münden solle, wobei der Zivilgesellschaft eine tragende Rolle zugeschrieben wurde.2955 Den Staaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde von der Untersuchungskommission der Rat erteilt, Gelegenheiten zu zwischenmenschlichen Dialogen und zu Kontakten in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Sport, guter Regierungsführung und ökonomischer Entwicklung zu fördern. Nordkorea und andere Staaten wurden dabei aufgefordert, im Hinblick auf diese Forderung bestehende Hindernisse 2954 2955
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1221. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1222.
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zu beseitigen.2956 Staaten, Stiftungen und Unternehmen sollten nach dem Rat der Untersuchungskommission die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützen, um die Menschenrechtslage in Nordkorea zu verbessern.2957 An die internationale Gemeinschaft, repräsentiert durch die Vereinten Nationen, wurde zunächst der Rat erteilt, dass der Sicherheitsrat die Situation in Nordkorea an den Internationalen Strafgerichtshof überweisen und gezielte Sanktionen gegen Personen verhängen solle, die am stärksten in dem Verdacht stünden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben. Weiterhin wurde der Generalversammlung und dem Menschenrechtsrat empfohlen, die länderspezifischen Menschenrechtsbeobachtungs- und -berichtsmechanismen in Bezug auf Nordkorea auszuweiten, was die periodischen Berichte des Generalsekretärs und des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie das Mandat des Sonderberichterstatters für die Lage der Menschenrechte in Nordkorea einschließe. Diese Mechanismen sollten dabei den Schwerpunkt auf die Verantwortlichkeit insbesondere für Verbrechen gegen die Menschlichkeit legen und über die Implementierung der Empfehlungen der Untersuchungskommission Bericht erstatten. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte solle, unterstützt vom Menschenrechtsrat und der Generalversammlung, eine Struktur errichten, um die Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sicherzustellen. Diese Struktur solle auf den von der Untersuchungskommission gefundenen Daten basieren und als Informationsquelle für die weitere Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen in Bezug auf Nordkorea dienen. Dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde durch die Untersuchungskommission geraten, dass Engagement seines Büros für die Lage der Menschenrechte in Nordkorea beizubehalten und aktuelle Strategien der Vereinten Nationen in diesem Bereich zu fördern sowie regelmäßig dem Menschenrechtsrat und anderen zuständigen Organen der Vereinten Nationen über die Implementierung der Empfehlungen der Untersuchungskommission Bericht zu erstatten. Der Menschenrechtsrat selbst solle dafür Sorge tragen, dass die internationale Gemeinschaft den Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Untersuchungskommission weiterhin ihre aktive Aufmerksamkeit schenken würde. Dem Sekretariat und anderen Abteilungen der Vereinten Nationen wurde von der Kommission empfohlen, eine Strategie dahingehen zu implementieren, dass in jeder ihrer Tätigkeiten, die Nordkorea betreffen würde, die Menschenrechtsfrage angesprochen werden solle.2958 Zudem ergingen noch einige Empfehlungen an die Staatenwelt. Zunächst wurde denjenigen Staaten empfohlen, die historisch freundschaftliche Bande zu Nordkorea pflegen würden, mit Geberländern sowie den Staaten, die an den Sechs-ParteienGesprächen zur Einhegung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms beteiligt 2956 2957 2958
UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1223. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1224. UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1225.
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seien,2959 eine Menschenrechtskontaktgruppe zu bilden, die die Bedenken im Hinblick auf die Lage der Menschenrechte in Nordkorea aufgreifen und Initiativen unterstützen würde, die diese Lage zu verbessern suchen würden. Weiterhin wurden den Staaten im Allgemeinen empfohlen, nicht die Zurverfügungstellung von Nahrungsmitteln und anderer wesentlicher humanitärer Unterstützung dafür zu nutzen, um wirtschaftlichen oder politischen Druck auf Nordkorea auszuüben; vielmehr solle solche Unterstützung mit Umsicht gewährt werden. Die letzte Empfehlung der Kommission richtete sich an Nordkorea, die Vereinten Nationen sowie die übrigen Staaten, die am Koreakrieg beteiligt waren. Diese sollten eine politische Konferenz abhalten, auf welcher eine abschließende, friedliche Lösung für den Koreakrieg gefunden werden solle, und die die beteiligten Staaten zur Beachtung der Charta der Vereinten Nationen, einschließlich der Menschenrechte und Grundfreiheiten, anhalten würde. Zudem sollten die Staaten der Region ihre Zusammenarbeit intensivieren.2960 24. Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik a) Historischer Hintergrund Im März 2013 brach in der Zentralafrikanischen Republik ein Konflikt aus.2961 Der amtierende Präsident des Staates, François Bozizé, wurde durch die muslimische Rebellenallianz Séléka gestürzt. Michel Djotodia, der Anführer von Séléka, wurde als neuer Präsident des afrikanischen Staates inthronisiert. In der Folge kam es zu schweren Kämpfen zwischen Séléka und Kämpfern der Gruppierung Anti-Balaka, die sich aus christlichen Milizen sowie Anhängern des gestürzten Präsidenten Bozizé zusammensetzte. Obwohl Séléka im September 2013 aufgelöst wurde, hielten die Kampfhandlungen in der Folge weiter an. Dabei kam es auch zu massiver Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung und zu gezielten Angriffen auf medizinische und andere Hilfseinrichtungen. Etwa eine Millionen Menschen wurden zu Binnenvertriebenen in der Zentralafrikanischen Republik. Michel Djotodia trat am 10. Januar 2014 unter internationalem Druck vom Amt des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik zurück und wurde von der ehemaligen Bürgermeisterin der Hauptstadt Bangui, 2959 China, Japan, Nordkorea, Russische Föderation, Südkorea und Vereinigte Staaten von Amerika. 2960 UN Doc. A/HRC/25/CRP.1 vom 7. Februar 2014, Rn. 1225. 2961 Die folgende Darstellung basiert auf Bundeszentrale für Politische Bildung, Konflikt in Zentralafrika eskaliert vom 24. 1. 2014, abrufbar unter: http://www.bpb.de/politik/hintergrundaktuell/177600/konflikt-in-zentralafrika-eskaliert-24-01-2014 (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); Alexis Arieff, Crisis in the Central African Republic vom 27. Januar 2014, in: Congressional Research Service (Hrsg.), abrufbar unter: https://www.offiziere.ch/wp-content/uplo ads-001/2015/10/2014-01-27-221774.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018) sowie auf Stuart Casey-Malsen (Hrsg.), The War Report: Armed Conflict in 2013, S. 105 ff. und auf Annyssa Bellal (Hrsg.), The War Report: Armed Conflict in 2014, S. 133 ff.
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Chatérine Samaba Panza, an der Staatsspitze abgelöst. Besorgnis lösten zudem Berichte über sexuellen Missbrauch von Frauen und Kindern durch Angehörige der internationalen Friedenstruppen aus, die in der Zentralafrikanischen Republik wegen des dortigen Konflikts stationiert waren. b) Einsetzung der Kommission Die Situation in der Zentralafrikanischen Republik war bereits Gegenstand der 7072. Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am 5. Dezember 2013. Anlässlich dieser Sitzung wurde von Frankreich, Gabun, Luxemburg, Marokko, dem Kongo, von Südkorea, Ruanda, Togo, dem Vereinigten Königreich sowie den Vereinigten Staaten von Amerika ein sehr detaillierter und umfangreicher, zwölfseitiger Entwurf2962 für eine Sicherheitsratsresolution vorgelegt.2963 In diesem Entwurf wurde eine Vielzahl von Einzelfragen hinsichtlich der Situation im Herzen Afrikas behandelt, etwa der Schutz und die Förderung der Menschenrechte, Entwaffnung von Kämpfern, Reformen des Sicherheitssektors in der Zentralafrikanischen Republik, Demobilisierung und Reintegration von bewaffneten nicht-staatlichen Kräften und der Schutz der natürlichen Ressourcen. Der Sicherheitsrat stimmte in der Sitzung über den Entwurf ab, der als Resolution 2127 (2013) einstimmig von dem Gremium angenommen wurde.2964 Hinsichtlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission sah die Resolution Folgendes vor: „24. Requests that the Secretary-General rapidly establish an international commission of inquiry for an initial period of one year, including experts in both international humanitarian law and human rights law, in order immediately to investigate reports of violations of international humanitarian law, international human rights law and abuses of human rights in CAR by all parties since 1 January 2013, to compile information, to help identify the perpetrators of such violations and abuses, point to their possible criminal responsibility and to help ensure that those responsible are held accountable, and calls on all parties to cooperate fully with such a commission; 25. Further requests the Secretary-General to report to the Security-Council on the findings of the commission of inquiry six month and one year after the adoption of this resolution;“
Die Initiative zur Einbeziehung der Errichtung einer Untersuchungskommission in die Resolution ging dabei von Ruanda aus.2965 Die Kommission sollte dabei dem Modell der für die Menschenrechtslage in Darfur im Jahr 2004 eingesetzten Kom-
2962
UN Doc. S/2013/717 vom 5. Dezember 2013. UN Doc. S/PV.7072 vom 5. Dezember 2013, S. 2. 2964 UN Doc. S/RES/2127 (2013) vom 5. Dezember 2013. Für den Entwurf stimmten: Argentinien, Australien, Aserbaidschan, China, Frankreich, Guatemala, Luxemburg, Marokko, Pakistan, Ruanda, Südkorea, Russische Föderation, Togo, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, siehe UN Doc. S/PV. 7072 vom 5. Dezember 2013, S. 2. 2965 UN Doc. S/PV.7072 vom 5. Dezember 2013, S. 4. 2963
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mission folgen.2966 In den Diskussionsbeiträgen auf der 7072. Sicherheitsratssitzung kam es zu keiner Aussprache über die Einsetzung der Untersuchungskommission. Alle Mitglieder schienen daher diese Maßnahme als unproblematisch betrachtet zu haben. Entsprechend der Resolution benannte der Generalsekretär der Vereinten Nationen am 22. Januar 2014 eine dreiköpfige Untersuchungskommission für die Zentralafrikanische Republik.2967 Zum Vorsitzenden der Kommission wurde Bernard Acho Muna aus Kamerun berufen. Muna war zum Zeitpunkt seiner Benennung Anwalt beim Obersten Gerichtshof von Kamerun und hatte zuvor bereits das Amt eines stellvertretenden Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda sowie die Präsidentschaft der Anwaltsvereinigung von Zentralafrika inne. Ein weiteres Kommissionsmitglied war Fatima M’Baye aus Mauretanien, die zuvor unter anderem als Menschenrechtsanwältin und Vorsitzende der Frauenrechtskommission der mauretanischen Menschenrechtsvereinigung hervorgetreten war. Drittes Kommissionsmitglied war schließlich noch Jorge Casteñda, der vor seiner Berufung in die Untersuchungskommission unter anderem als Außenminister von Mexiko und im akademischen Bereich tätig war. Aus persönlichen Gründen legte das mexikanische Kommissionsmitglied sein Mandat allerdings bereits im März 2014 nieder. Der Generalsekretär nominierte daraufhin am 18. August 2014 den australischen Völkerrechtler Philip Alston als Ersatzmitglied.2968 Die Untersuchungskommission wurde von einem Sekretariat unterstützt, das in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, Bangui, errichtet wurde. Das Sekretariat der Kommission wurde vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dessen Regionalbüro in Zentralafrika gestellt.2969 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission reiste zur Durchführung der Untersuchungen nach Afrika. In der Zentralafrikanischen Republik konzentrierten sich die Untersuchungen vor allem auf den westlichen Teil der Landes, der zunächst besonders im Zentrum der Gewalttätigkeiten gestanden hatte.2970 Hier besuchte die Kommission Boali, Mbaiki, Boda, Bossembélé, Yaloké, Gaga, Bekadili, Bossemptélé, Bozoum, Ngoutere, Bocaranga, Bohong, Bouar, Baoro und Tattale sowie Bossangoa und Zere.2971 Von ursprünglich geplanten Besuchen im Zentrum der Zentralafrikanischen
2966 2967 2968 2969 2970 2971
Siehe schon die Ausführungen zu 3. Teil § 2 B. IV. 12. UN Doc. SG/A/1451-ARF/2799 vom 22. Januar 2014. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 3. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 5. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 7 f. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 8.
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Republik, in das sich der Konflikt zwischenzeitlich verlagert hatte, sah die Kommission allerdings wegen Sicherheitsbedenken ab.2972 Neben den Untersuchungen auf dem Staatsgebiet der Zentralafrikanischen Republik besuchte die Kommission auch Kamerun und den Tschad. Diese Reisen wurden vor allem unternommen, um Befragungen von Zeugen und Opfern durchzuführen, die vor der Gewalt in ihrem Heimatland in die Nachbarländer geflohen waren. Während der Besuch Kameruns von der Untersuchungskommission als sehr erfolgreich angesehen wurde, konnte sie dieses über die Mission in den Tschad nicht berichten. Zwar wurden von den tschadischen Behörden Einreisevisa ausgestellt, jedoch wurde die nötige Erlaubnis zum Besuch der Flüchtlingslager nicht erteilt.2973 Im November 2014 zog sich die Untersuchungskommission mit ihrem Sekretariat schließlich zur Erstellung des Abschlussberichts nach Yaoundé in Kamerun zurück. Diese Entscheidung war erneut auf die schwierige Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik zurückzuführen.2974 Bei ihrer Arbeit ging die Untersuchungskommission hinsichtlich der zu untersuchenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts selektiv vor. Da in Abs. 24 der Resolution 2127 (2013) keine Einschränkung hinsichtlich der Art der Verletzungen vorgesehen war, insbesondere keine Restriktionen hinsichtlich schwerwiegender oder gravierender Verletzungen, nahm die Kommission an, dass sich ihr Mandat dem Grunde nach auf alle Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts seit dem 1. Januar 2013 beziehen würde. Angesichts der Vielzahl solcher Rechtsverletzungen in den nahezu zwei Jahren, die bis zur Abfassung des Abschlussberichts der Kommission vergangen waren, fokussierte sie ihre Arbeit auf schwerwiegendere Rechtsverletzungen, hierbei insbesondere auf solche, bei denen in Zukunft zu erwarten stünde, dass für diese Verletzungen Verantwortlichkeit eingefordert würde.2975 Hinsichtlich der Sammlung von relevanten Informationen verfolgte die Untersuchungskommission ausdrücklich einen weiten Ansatz.2976 Die gesammelten Informationen wurden von Seiten der Kommission sorgfältig aufgezeichnet und in einer großen Datenbank gesammelt.2977 Die Mitglieder der Untersuchungskommission trafen mit vielen hochrangigen Offiziellen aus der Regierung der Zentralafrikanischen Republik zu Gesprächen zusammen. Unter diesen Personen waren die Präsidentin der Nationalen Übergangsregierung, der ehemalige und der amtierende Premierminister, die ehemaligen und amtierenden Minister für Justiz und Verteidigung sowie die amtierenden Mi2972 2973 2974 2975 2976 2977
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 7. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 8. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 5. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 9. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 10. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 14.
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nister für Auswärtigen Angelegenheiten, Gesundheit, Soziales und Bildung. Daneben führte die Kommission Gespräche mit hochrangigen Richtern und mit Staatsanwälten und untersuchte von diesen zur Verfügung gestellte Fallakten und Dossiers.2978 In der Zentralafrikanischen Republik und in Kamerun führte die Untersuchungskommission 910 Befragungen durch. Befragt wurden Opfer, Zeugen, zugehörige Familienangehörige, mögliche Täter sowie andere relevante Personen. Wann immer möglich, wurde dies mit Besuchen der Orte verbunden, an denen sich die relevanten Ereignisse zugetragen hatten. Daneben traf sich die Kommission auch mit religiösen Gruppen und deren Vertretern, mit Vertretern der Rechtsanwalts- und der Richtervereinigung sowie mit politischen Anführern und den Anführern von bewaffneten Gruppierungen. Durch diese Treffen war es der Kommission insbesondere möglich, viele verschiedene Perspektiven in die Bewertung der Vorgänge in der Zentralafrikanischen Republik einzubeziehen sowie Zweifel zu beseitigen, die hinsichtlich von Informationen aus anderen Quellen entstanden waren.2979 Die Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik beeinträchtigte immer wieder die Tätigkeit der Untersuchungskommission. So wurden etwa Mitglieder des Untersuchungsteams der Kommission sechs Stunden in Geiselhaft gehalten; muslimische Dolmetscher wurden direkt bedroht.2980 Auch die für die Tätigkeit der Kommission wichtige Logistik wurde durch die prekäre Sicherheitslage beeinträchtigt.2981 Eine weitere wichtige Informationsquelle für die Untersuchungskommission waren lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen, hierbei insbesondere solche, die Informationen aus erster Hand hinsichtlich der zu untersuchenden Ereignisse bereitstellen konnten. Die Nichtregierungsorganisationen stellten dabei in der Regel detaillierte Informationen zur Verfügung.2982 Weitere Gesprächspartner der Untersuchungskommission waren der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Zentralafrikanische Republik sowie Vertreter der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen für die Zentralafrikanische Republik (MINUSCA2983), der Afrikanischen Union, der Internationalen Unterstützungsmission für die Zentralafrikanische Republik (MISCA2984), der Operation „Sangaris“ sowie andere Personen, insbesondere aus der Diplomatengemeinde, und von weiteren internationalen Akteuren.2985 2978
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 10. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 11. 2980 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 21. 2981 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 20. 2982 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 12. 2983 Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation de la République centrafricaine. 2984 Mission internationale de soutien à la Centrafrique. 2979
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Die Untersuchungskommission verfolgte hinsichtlich der Informationen eine Politik der Vertraulichkeit. Eine Ausnahme hiervon wurde dann gemacht, wenn mit den einschlägigen Quellen etwas anderes vereinbart worden war. Es wurde insbesondere auf Privatsphäre und Sicherheit von Zeugen und Opfern wert gelegt. Allerdings waren diejenigen Personen, die die Untersuchungskommission um Vertraulichkeit ersuchten, in der Minderheit.2986 Besondere Vorsicht ließ die Kommission im Hinblick auf Personen walten, die nach ihren Erkenntnissen später einem strafgerichtlichen Verfahren zugeführt werden sollten. Eine Liste dieser Personen wurde zusammen mit einer Stellungnahme bezüglich der in Verdacht stehenden Straftaten und einem Überblick über die gegen diese Personen sprechenden Beweise in einem besonderen Annex zum Bericht der Kommission niedergelegt. Dieser Annex wurde gemeinsam mit den Beweisen und anderen relevanten Materialien an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übergeben und wird auch zukünftig vertraulich bleiben.2987 Daneben wertete die Kommission auch eine Vielzahl von dokumentarischen Informationen wie etwa Videos, Fotografien oder thematische Landkarten aus.2988 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission für die Situation in der Zentralafrikanischen Republik ging als Annex eines Briefs des Generalsekretärs vom 19. Dezember 2014 dem Präsidenten des Sicherheitsrates zu.2989 Der 128 Seiten starke Bericht enthielt insgesamt sieben Kapitel. Das erste Kapitel2990 beinhaltete einführende Bemerkungen sowie Erklärungen zur Methodik der Kommission. Das zweite Kapitel2991 war dem historischen Hintergrund und dem politischen Kontext der Situation in der Zentralafrikanischen Republik gewidmet. Das dritte Kapitel2992 enthielt Bemerkungen über die Wichtigkeit der Behandlung des Problems der Straflosigkeit in der Zentralafrikanischen Republik. Das vierte Kapitel2993 widmete die Untersuchungskommission dem anwendbaren Recht, wobei diese Ausführungen in Annex A2994 zum Bericht nochmals vertieft wurden. Das fünfte Kapitel2995 gab einem Überblick über die begangenen Verletzungen der Regeln des internationalen 2985
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 13. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 15. 2987 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 24. 2988 Siehe etwa UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 17, S. 125 ff. 2989 The International Commission of Inquiry on the Central African Republic – Final Report, UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014. 2990 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 1 ff. 2991 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 25 ff. 2992 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 30 ff. 2993 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 39 ff. 2994 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 82 ff. 2995 UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 42 ff. 2986
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Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts, wobei die Details hierzu im Annex B2996 zu dem Bericht niedergelegt wurden.2997 Das sechste Kapitel2998 war mit „The Road to Accountablity“ überschrieben und enthielt Ausführungen zu den verschiedenen Möglichkeiten, die Verantwortlichen für die Gewalttaten in der Zentralafrikanischen Republik zur Verantwortung zu ziehen. Im siebten Kapitel2999 legte die Untersuchungskommission ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen nieder. bb) Dass ein bestimmtes Ereignis geschehen war beziehungsweise dass ein bestimmtes Muster von Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts geherrscht habe, nahm die Untersuchungskommission immer dann an, wenn hierzu „reasonable grounds to believe“ vorlagen. Dieser Beweisstandard wurde von der Kommission mit großer Genauigkeit eingehalten. Allerdings berücksichtigte die Kommission hierbei auch, dass die Durchführung von verschiedenen Techniken der Verifikation, der Gegenkontrolle und Untermauerung von Beweisen unausweichlich, je nach dem Kontext im Einzelfall, differieren konnte. Der Standard wurde auch bei der Identifizierung von Tätern verwendet. Die Kommission sah es für diese Fälle nicht als notwendig an, das Beweisniveau soweit heraufzusetzen, dass jeder vernünftige Zweifel an der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit einer Person ausgeräumt sei. Dies wurde damit begründet, dass die Kommission weder die Aufgaben eines Anklägers noch die eines Gerichts wahrnehme. Vielmehr würden ihre Informationen der Vorbereitung für spätere Strafverfahren dienen.3000 Die Anlegung des beschriebenen Beweisstandards durch die Kommission führte dazu, dass die Kommission Teile des Foto- und des Videomaterials, welches ihr überreicht wurde, nicht verwenden konnte, da sie sich nicht in der Lage sah, diese Materialien zu authentifizieren.3001 cc) Hinsichtlich der Anwendbarkeit völkerrechtlicher Regeln auf die Situation in der Zentralafrikanischen Republik stellte die Untersuchungskommission zunächst fest, dass sich bereits in dem Zeitraum vor dem 1. Januar 2013 bis in den späten März 2013 hinein und dann wieder vom 4. Dezember 2013 bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt auf dem Staatsgebiet der Zentralafrikanischen Republik zugetragen habe. In diesem Zeitraum sei der Gemeinsame Artikel 3 der vier Genfer Abkommen von 1949 anwendbar gewesen, sowie für den Zeitraum, in dem die Streitkräfte des Staates noch funktionsfähig gewesen seien, auch das zweite Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977. Für den übrigen Zeitraum analysierte die Kommission das Geschehen nur auf der Grundlage der Regeln des internationalen Menschenrechts2996 2997 2998 2999 3000 3001
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 115 ff. Annex B ist daher der inhaltlich umfangreichste Teil des Berichts. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 51 ff. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 78 ff. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 16. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 17.
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schutzes und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Maßgabe des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.3002 Zudem sah die Untersuchungskommission einen zweiten, separaten bewaffneten Konflikt in dem relevanten Zeitraum auf dem Territorium der Zentralafrikanischen Republik stattfinden, und zwar zwischen den dort aktiven bewaffneten Gruppen und den französischen Streitkräften, welche dort seit Dezember 2013 im Rahmen der Operation „Sangaris“ eingesetzt wurden.3003 Die Kommission wandte bei ihrer Untersuchung Regeln aus drei verschiedenen Teilgebieten des Völkerrechts an: die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes, des humanitären Völkerrechts sowie des Völkerstrafrechts. Im Bereich der Menschenrechte gehörten hierzu neben den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechtsgewährleistungen diejenigen Regeln, die in von der Zentralafrikanischen Republik ratifizierten Verträgen niedergelegt waren. Daher wandte die Untersuchungskommission den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung, die Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen sowie die Konvention über die Rechte des Kindes an. Hinsichtlich letzterer Konvention bemerkte die Kommission zudem, dass die Zentralafrikanische Republik zwar das Fakultativprotokoll über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten gezeichnet, allerdings noch nicht ratifiziert habe. Daneben erkannte die Untersuchungskommission noch eine Bindung der Zentralafrikanischen Republik an zwei einschlägige, von ihr ratifizierte regionale Menschenrechtsverträge, nämlich an die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker sowie an die Konvention über spezifische Aspekte von Flüchtlingsproblemen in Afrika3004.3005 Als Partei dieser Verträge sei die Zentralafrikanische Republik verpflichtet, die gewährleisteten Menschenrechte hinsichtlich aller ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu respektieren, zu schützen, zu fördern und zu erfüllen.3006 Im Übrigen habe die Zentralafrikanische Republik auch nicht von der Möglichkeit der Derogation von Menschenrechten nach den Regeln des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte Gebrauch gemacht.3007 Dass während des untersuchten Zeitraums zeitweise ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik geherrscht habe, hindere die Anwendbarkeit der Menschenrechte nicht, da es akzeptiert sei, dass dieser Rechtskorpus sowohl in Friedenszeiten als auch in Zeiten bewaffneter Konflikte zur Anwendung gelange. Die Menschenrechte seien neben dem humanitären Völkerrecht anzuwenden, wobei letzterer Rechtskorpus zum ersteren in einem lex-spe3002 3003 3004 3005 3006 3007
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 39. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 40. United Nations Treaty Series Vol. 1001, S. 45 ff. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 103. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 104. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 105.
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cialis-Verhältnis stünde.3008 Hinsichtlich der menschenrechtlichen Bindungen von nicht-staatlichen Gewaltakteuren konnte die Untersuchungskommission feststellen, dass die in der Zentralafrikanischen Republik operierenden Gruppen wie Séléka und Anti-Balaka nicht Parteien von menschenrechtlichen Verträgen werden könnten und daher formell keine Bindung an die in diesen Verträgen enthaltenen Gewährleistungen angenommen werden könne. Allerdings gebe es heute ein generelles Verständnis dahingehend, dass nicht-staatliche Akteure dann an Menschenrechte gebunden seien, wenn sie de-facto-Kontrolle über Territorium ausüben würden.3009 Zudem bewertete es die Untersuchungskommission als relevanten Umstand, dass einige der in der Zentralafrikanischen Republik agierenden nicht-staatlichen Gruppen übereinstimmend mit diesem Ansatz gehandelt hätten, da von ihnen Erklärungen abgegeben worden seien, in denen sie ihre Menschenrechtsverpflichtungen bestätigt hätten.3010 Insgesamt fand sich die Untersuchungskommission daher in der Lage, Menschenrechtsstandards auf verschiedene nicht-staatliche Akteure in der Zentralafrikanischen Republik anzuwenden.3011 Bezüglich des humanitären Völkerrechts stellte die Kommission fest, dass die Zentralafrikanische Republik Partei der vier Genfer Abkommen von 1949 und der zwei Zusatzprotokolle zu diesen von 1977 sei. Als besonders bedeutsam sah die Kommission dabei den Gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Abkommen sowie das Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten für die Situation in Zentralafrikanischen Republik an. Zusätzlich seien die Regeln des humanitären Völkergewohnheitsrechts für alle Konfliktparteien bindend.3012 Hinsichtlich des Völkerstrafrechts stellte die Untersuchungskommission zunächst fest, dass in der Resolution 2127 (2013) des Sicherheitsrates dieser Rechtsbereich nicht genannt worden sei; gleichwohl würde das Völkerstrafrecht eine notwendige Ergänzung zum internationalen Menschenrechtsschutz und zum humanitären Völkerrecht darstellen, da hierdurch Individualstrafbarkeit für schwere Verletzungen der Regeln der beiden anderen Teilgebiete des Völkerrechts begründet werden könne. Die Zentralafrikanische Republik habe am 3. Oktober 2001 das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert, sodass dieser seine Gerichtsbarkeit über Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord für Taten ausüben könne, die auf dem Staatsgebiet der Zentralafrikanischen Republik oder durch deren Staatsangehörige verübt worden seien. Zudem habe die zentralafrikanische Übergangsregierung am 30. Mai 2014 die Situation auf ihrem Staats-
3008 3009 3010 3011 3012
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 106. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 107. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 108. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 109. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 110.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
gebiet seit 1. August 2012 an den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs überwiesen.3013 dd) Die Untersuchungskommission kam zunächst zu dem Ergebnis, dass bei keinem der Gewaltakteure in der Zentralafrikanischen Republik eine Absicht zur Begehung eines Völkermordes nachgewiesen werden könne. Diese Feststellung würde jedoch die Schwere der sonstigen in dem Konflikt begangenen Verbrechen nicht schmälern. Vielmehr würde es keinen Grund geben, anzunehmen, dass gravierende Verbrechen, einschließlich eines Völkermordes, in der Zukunft verhindert würden.3014 Insgesamt konnte die Kommission schwere Verstöße gegen die Menschenrechte und gegen das humanitäre Völkerrecht feststellen. Zuvor veröffentlichte Zahlen über Todesopfer in dem Konflikt sah die Kommission im Angesicht der von ihr festgestellten Völkerrechtsverstöße als viel zu gering an. Eigene Spekulationen hierüber wollte die Kommission allerdings nicht anstellen.3015 Als vordringlichste Aufgabe der zentralafrikanischen Behörden sah es die Untersuchungskommission dabei an, die Straflosigkeit des Großteils derjenigen Personen zu beenden, die über viele Jahre schwere Verletzungen der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts in der Zentralafrikanischen Republik verübt hätten. Hierbei müssten die staatlichen Stellen dieses Staates die volle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erhalten. Die Erfahrungen mit der anhaltenden und ununterbrochenen Straflosigkeit habe eine Erwartungshaltung dahingehend geschaffen, dass Täter nicht verfolgt würden. Dies würde sogar einen Anreiz für die Täter darstellen, ihre Aktivitäten fortzusetzen. Dies würde auch geschehen, um zu demonstrieren, dass die Teilhabe an einer zukünftigen Regierung der Preis für die Einstellung der Taten sei.3016 Weiterhin bemerkte die Untersuchungskommission in ihrem Abschlussbericht, dass die Straflosigkeit in der Zentralafrikanischen Republik nicht nur durch die Verfolgung einiger Täter beendet werden könne, auch dann nicht, wenn diese hochrangige Personen seien, besonders schwere Verbrechen verübt hätten oder Zentralgestalten in kriminellen Netzwerken seien. Vielmehr sei eine systematische Verfolgung von so vielen Tätern wie möglich von Nöten. Die Verfolgung müsse sowohl die Ausführenden treffen als auch diejenigen, die die kriminellen Akte befohlen hätten. Zudem müsse in der Zentralafrikanischen Republik in den kommenden Jahren ein Rechtssystem aufgebaut werden, welches in der Lage sei, die Eigenschaft und den Willen zu demonstrieren, um Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Täter zu verfolgen, zu bestrafen und zu inhaftieren als auch innerhalb der Bevölkerung dafür zu sorgen, dass Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit herrsche.3017 3013 3014 3015 3016 3017
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 111. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 78. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 79. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 80. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, Rn. 81.
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ee) Die Untersuchungskommission gab Empfehlungen in insgesamt acht Richtungen ab. Die ersten Empfehlungen wurden in Richtung der Nationalen Übergangsregierung der Zentralafrikanischen Republik abgegeben.3018 Es wurde unter anderem empfohlen, das Rechtssystem des Staates wiederaufzubauen, wobei dies eine gut ausgebildete und ausgerüstete Polizei ebenso einschließe, wie eine unabhängige, qualifizierte und genügend ausgestattete Justiz. Diese Institutionen sollten dabei nicht nur in der Hauptstadt Bangui und deren unmittelbarer Umgebung konzentriert, sondern über das ganze Land verstreut ansässig seien. Zudem wurde empfohlen, dass die Zentralafrikanische Republik sowohl der Konvention zur Verhütung und Verfolgung des Verbrechens des Völkermordes als auch der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe einschließlich des zugehörigen Fakultativprotokolls als Partei beitreten solle. Als weitere Maßnahme zur Herstellung von Verantwortlichkeit für die begangenen Verbrechen und für die Beendigung der Straflosigkeit wurde der Übergangsregierung die Errichtung einer Wahrheitskommission empfohlen sowie Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die für nationale politische Ämter kandidieren würden. Zuletzt wurden noch Maßnahmen zur Verfolgung von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller oder geschlechtsbasierter Gewalt empfohlen. Der Nationalen Übergangsregierung und der MINUSCA wurde gemeinsam empfohlen,3019 dass sie eine Politik zur Wiederherstellung von Eigentumsrechten für diejenigen Personen entwickeln und implementieren sollten, die zur Flucht gezwungen worden seien, und deren Land und Häuser in der Folge von anderen Personen übernommen worden seien. Weitere gemeinsame Empfehlungen betrafen die Stärkung der Strafverfolgung sowie die Implementierung von Vorsichtsmaßnahmen zugunsten von Personen, die in der Zentralafrikanischen Republik Hilfsdienste leisten würden. Nur der MINUSCA wurde empfohlen,3020 dass sie es vermeiden solle, Stillschweigen über Straftaten von Mitgliedern der internationalen Peacekeeping-Truppe zu wahren. Außerdem wurde empfohlen, die Opfer solcher Verfehlungen und deren Familien über Sanktionen und Strafmaßnahmen gegen die Täter zu informieren. Einige Empfehlungen richtete die Kommission an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sowie an die internationale Gemeinschaft.3021 Hierbei ging es vor allem um die Strafverfolgungsfragen, die sich im Rahmen der Untersuchung für die in der Zentralafrikanischen Republik begangenen völkerrechtlichen Verbrechen ergeben hatten. Zunächst wurde durch die Kommission angemahnt, dass für den Zeugenschutz diverse Hilfeleistungen gewährt werden müssten. Zudem sollten der Aufbau und die Weiterentwicklung der Strafgerichtsbarkeit in der Zentralafrikanischen Republik begleitet und unterstützt werden. Um zu vermeiden, dass bestimmte 3018 3019 3020 3021
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 27 f. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 28. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 28. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 28 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Straftäter ihrer Strafe entgehen, wurde auch vorgeschlagen, Maßnahmen zur Errichtung eines internationalen Hybridgerichts zu treffen. Hinsichtlich der bereits angelaufenen Ermittlungen durch den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs bezüglich der Situation in der Zentralafrikanischen Republik betonte Kommission das Prinzip der Komplementarität und damit die primäre Rolle der Gerichte der Zentralafrikanischen Republik bei der Verfolgung der begangenen Verbrechen. Nur wenn die nationalen Gerichte nicht die Last der Verfahren tragen könnten, sollte der Internationale Strafgerichtshof seine Gerichtsbarkeit dort ausüben, wo dies angebracht sei. Für die notwendigen Untersuchungen sollten ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die letzte Empfehlung in diesem Bereich ging dahin, auch einen Untersuchungsmechanismus für Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Peacekeeping-Truppen zu installieren. Gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen brachte die Kommission vor,3022 dass die vollständige Anwendung der menschenrechtlichen Due-DiligencePolitik der Vereinten Nationen bei der Zusammenarbeit mit regionalen Peacekeeping-Truppen notwendig sei. Weiterhin sollten die regelmäßigen Berichte des Generalsekretärs über Peacekeeping-Operationen in der Zentralafrikanischen Republik Analysen der Verfehlungen enthalten, von welchen behauptet worden sei, dass sie durch Friedenstruppen der Vereinten Nationen und andere Friedenstruppen, die eine Ermächtigung durch den Sicherheitsrat besitzen würden, verübt worden seien. An das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte erging zunächst die abstrakte Empfehlung,3023 in der Zukunft effektiver mit den Untersuchungsgremien anderer internationaler Akteure zusammenzuarbeiten. Insbesondere solle das Büro dafür Sorge tragen, dass es klare Richtlinien gebe, damit alle relevanten Informationen mit Untersuchungskommissionen, Expertengruppen und anderen vergleichbaren Akteuren geteilt werden könnten. Dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wurde empfohlen, dass der Unabhängige Experte, den er für die Berichterstattung über die Zentralafrikanische Republik eingesetzt habe, eine wichtige Rolle spielen solle. Dem Menschenrechtsrat wurde daher empfohlen, das Mandat des Experten auszuweiten, damit dieser weiterhin die Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik beobachten und darüber berichten könne.3024 An die verschiedenen Regionalorganisationen, die versuchen würden, auf den Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik einzuwirken,3025 namentlich an die Afrikanische Union, die Europäische Union, die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft und an die Internationale Organisation der Frankophonie, erging die Empfehlung, diesen Staat bei dem Kampf gegen die Straflosigkeit, der Förderung 3022 3023 3024 3025
UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 30. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 30 f. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 31. UN Doc. S/2014/928 vom 22. Dezember 2014, S. 31.
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von Rechtsstaatlichkeit, dem Wiederaufbau der Verwaltung und der Entwicklung und Stärkung der nationalen Kapazitäten für gute Regierungsführung und für nachhaltige Entwicklung weiterhin zu unterstützen. An die Afrikanische Union erging zusätzlich der Ratschlag, eine Verhaltens- und Disziplinarpolitik im Hinblick auf den Einsatz von Friedenstruppen zu verabschieden, die klare Standards definieren und angemessen Implementierungs- und Beschwerdemechanismen enthalten müsse. 25. Menschenrechtslage in Eritrea a) Historischer Hintergrund
˘
Die Lage der Menschenrechte in Eritrea gilt seit langem als äußerst besorgniserregend.3026 Seitdem sich der ostafrikanische Staat im Jahr 1993 nach einem langen ˇ abha asˇ-Sˇ a biyya und blutigen Konflikt von Äthiopien löste, konnte die Partei al-G li-d-Dı¯muqra¯tiyya wa-l- Ada¯la (Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit ˙ [PFDJ3027]) dort die Macht behaupten. Das eritreische Regime unter dem Staatspräsidenten Isayas Afewerki sucht jegliche Form von Opposition zu unterbinden und schottet das Land weitgehend von der Außenwelt ab. Vor allem seit dem Krieg mit Äthiopien in dem Jahren 1998 bis 2001 hat sich die Menschenrechtslage dramatisch verschlechtert. Die Presse unterliegt erheblichen Einschränkungen, ebenso Vereinigungen und jegliche politische Aktivität. Auch die freie Religionsausübung wird behindert. Zudem sieht sich die Regierung von Eritrea immer wieder Vorwürfen von Folter und willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. Eine Besonderheit stellt der sog. Nationale Dienst dar. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Wehr- und Zivildienst, der von jedem Mann und jeder Frau unter 50 Jahren abzuleisten ist. Bei diesem auf 18 Monate angelegten, aber tatsächlich in der Regel weitaus längeren Dienst werden die ihn Ableistenden einer sechsmonatigen militärischen Grundausbildung unterworfen und müssen in der Folge bei nationalen Wiederaufbauprogrammen mitarbeiten, wobei oft schlechte Bedingungen herrschen. Ein Studium an der Universität oder die Erlangung einer regulären Arbeitsstelle ist ohne Ableistung des Nationalen Dienstes nicht möglich. Tausende Menschen haben Eritrea inzwischen verlassen und sind in die Nachbarländer wie den Tschad oder nach Äthiopien, nach Israel, nach Europa und Nordamerika geflohen und haben dort vielfach um Asyl nachgesucht. ˘
3026 Vgl. hierzu und zum Folgenden etwa die Berichte von Nicole Hirt, Afrika Jahrbuch 2001, S. 259 ff.; Afrika Jahrbuch 2002, S. 252 ff. und Afrika Jahrbuch 2003, S. 246 ff.; Kjetli Tronvoll/Danien R. Mekonnen, The African Garrison State: Human Rights and Political Development in Eritra, S. 1 ff.; Simon M. Weldehaimanot, East African Journal of Peace & Human Rights 18 (2012), S. 177 ff.; Encyclopædia Britannica – Online Edition, „Eritrea“ sowie UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015. 3027 People’s Front for Democracy and Justice.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
b) Einsetzung der Kommission Während seiner 20. Sitzungsperiode nahm der Menschenrechtsrat auf seinem 33. Treffen am 6. Juli 2012 im Konsens die Resolution 20/20 zur Menschenrechtslage in Eritrea an.3028 Die Resolution beinhaltete im vierten Absatz des operativen Teils die Entscheidung zur Einsetzung eines Sonderberichterstatters in dieser Frage. Zur Berichterstatterin wurde im Oktober 2012 Sheila B. Keetharuth von Mauritius ernannt, die zuvor als Rechtsanwältin und Aktivistin für Menschenrechtsfragen in Afrika in Erscheinung getreten war. Der erste Bericht der Sonderberichterstatterin datiert vom 13. Mai 2014.3029 Die Befunde in diesem Bereich gaben zu Überlegungen Anlass, eine Kommission hinsichtlich der prekären Menschenrechtslage in Eritrea einzusetzen. Der Menschenrechtsrat befasste sich aus Anlass seiner 26. Sitzungsperiode mit der Lage der Menschenrechte in Eritrea. Frankreich und das Nicht-Mitglied des Menschenrechtsrates Somalia brachten hierzu einen Resolutionsentwurf ein.3030 Auf dem 39. Treffen der Sitzungsperiode am 27. Juli 2014 wurde der Resolutionsentwurf im Konsens als Resolution 26/24 verabschiedet,3031 in der verschiedene Forderungen gegenüber Eritrea zur Verbesserung der dortigen Menschenrechtslage erhoben wurden. In Bezug auf die Einsetzung einer Untersuchungskommission enthielt die Resolution den folgenden Text: „7. Decides to establish, for a period of one year, a commission of inquiry comprising three members, one of whom should be the Special Rapporteur, with the other two members appointed by the President of the Human Rights Council; 8. Also decides that the commission will investigate all alleged violations of human rights in Eritrea, as outlined in the reports of the Special Rapporteur; 9. Calls upon the Government of Eritrea to cooperate fully with the Special Rapporteur and the commission of inquiry, to permit them and their staff members unrestricted access to visit the country, to give due consideration to the recommendations contained in the reports of the Special Rapporteur, and to provide them with the information necessary for the fulfilment of their mandates, and underlines the importance for all States to lend their support to the Special Rapporteur and the commission of inquiry for the discharge of their mandates; 10. Urges the international community to cooperate fully with the Special Rapporteur and the commission of inquiry; (…) 12. Requests the Secretary-General to provide the Special Rapporteur and the commission of inquiry with all information and the resources necessary to fulfil their mandates;
3028 3029 3030 3031
UN Doc. A/HRC/RES/20/20 vom 6. Juli 2012. UN Doc. A/HRC/26/45 vom 13. Mai 2014. UN Doc. A/HRC/26/L.6 vom 23. Juni 2014. UN Doc. A/HRC/RES/26/24 vom 14. Juli 2014.
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13. Requests the commission of inquiry to present an oral update to the Human Rights Council at its twenty-eighth session and to the General Assembly as its seventieth session, and a written report to the Council at its twenty-ninth session; 14. Decides to transmit all reports of the commission of inquiry to all relevant bodies of the United Nations and to the Secretary-General for appropriate action; (…).“3032
Am 26. September 2014 stellte der Präsident des Menschenrechtsrates die dreiköpfige Untersuchungskommission vor. Zum Vorsitzenden wurde Mike Smith aus Australien bestimmt, der zuvor unter anderem Positionen als Vertreter seines Heimatlandes bei den Vereinten Nationen in Genf, als Vorsitzender des Ausschusses der Vereinten Nationen für Terrorismusbekämpfung und als Assistenz-Generalsekretär bei den Vereinten Nationen innegehabt hatte. Die beiden weiteren Kommissionsmitglieder waren Victor Dankwa, ein Professor für Rechtswissenschaften aus Ghana, der in dem westafrikanischen Staat unter anderem einem Komitee zur Verfassungsimplementierung vorsaß sowie als Mitglied und zeitweiliger Vizevorsitzender der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker wirkte, und die Sonderberichterstatterin Keetharuth.3033 Der Untersuchungskommission wurde ein Sekretariat zur Unterstützung der Tätigkeit durch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Seite gestellt.3034 Dieses bestand insbesondere aus erfahrenen Experten für Menschenrechte. Die Frauenorganisation der Vereinten Nationen UN Women stellte der Kommission zudem einen Experten für Geschlechterfragen zur Verfügung.3035 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission begann ihre Tätigkeit mit einer ersten Sitzung in Genf im November 2014. Die Mitglieder der Kommission trafen hierbei Entscheidungen über ihre Arbeitsweise und ihr Arbeitsprogramm sowie das Verfahren der Untersuchung, über die dabei anzuwendende Methodik und über den für die Würdigung der gefundenen Tatsachen anzulegenden Beweisstandard.3036 Bei der Ausführung ihrer Arbeit fühlte sich die Kommission dabei jederzeit den Prinzipien der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit, der Objektivität, der Transparenz und der Integrität sowie dem „do no harm“-Prinzip verpflichtet.3037
3032 Dieses Mandat wurde durch den Menschenrechtsrat in der Resolution 28/18 vom 2. Juli 2015 (UN Doc. A/HRC/RES/29/18 vom 22. Juli 2015), in der es wiederum um die Menschenrechtslage in Eritrea ging, um ein Jahr verlängert. 3033 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 2. 3034 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 2, 22. 3035 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 22. 3036 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 24. 3037 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 25.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Die Mitglieder der Kommission legten das im achten Absatz des operativen Teils der Menschenrechtsratsresolution 26/24 erteilte Mandat sehr eingehend aus und fassten ihre Kompetenzen eng am Wortlaut der Resolution. Sie kamen dabei zu folgenden vier Ergebnissen, die ihre Arbeit leiten sollten. Die Kompetenz ratione personae beschränkte die Kommission auf die Untersuchung solcher behaupteten Menschenrechtsverletzungen, die durch die staatlichen Stellen Eritreas verübt worden seien. Dies umfasse solche Rechtsverletzungen, die direkt von Personen verübt worden seien, die im öffentlichen Dienst Eritreas stünden oder die auf den Auftrag solcher Personen hin, mit deren Einverständnis oder deren Billigung geschehen seien sowie in Fällen, in denen die zuständigen Behörden davon abgesehen hätten, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, zu untersuchen oder zu verfolgen. Hinsichtlich ihrer Kompetenz ratione loci stellte die Kommission fest, dass sie solche Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen habe, die sich auf dem Staatsgebiet von Eritrea zugetragen hätten, einschließlich von Grenzregionen und der Hoheitsgewässer von Eritrea. Ratione temporis erstreckte sich die Untersuchungskompetenz nach Auffassung der Kommission auf den Zeitraum seit der Unabhängigkeit Eritreas im Jahr 1991. Was die Kompetenz der Untersuchungskommission ratione materiae anging, so sah die Kommission in Anbetracht des Wortlautes des erteilten Mandates insbesondere die Verletzung solcher Menschenrechte als untersuchungsbedürftig an, die in den Berichten der Sonderberichterstatterin zuvor bereits untersucht worden waren. Zu diesen Rechtsverletzungen würden außerrechtliche Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Haft ohne Außenkontakte, willkürliche Verhaftungen und Gefangennahmen, Folter, Verletzungen von Rechten während des Nationalen Dienstes sowie Beschränkungen der Rechte auf Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Vereinigungsund Religionsfreiheit gehören.3038 Dabei stellte die Untersuchungskommission klar, dass ihr Mandat nur die Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte umfasse und nicht die Untersuchung von möglicherweise durch deren Begehung gleichzeitig verwirklichten völkerstrafrechtlichen Delikten.3039 Im Hinblick auf den Schutz von Zeugen, Opfern und anderen Informationsquellen etablierte die Untersuchungskommission spezielle Verfahren für alle Teile der eigentlichen Untersuchung, die auch über deren Beendigung hinaus ihre Wirkungen entfalten sollten. Hierbei waren für die Kommission Vertraulichkeit und das Prinzip, dass die Untersuchung zu keinen Nachteilen für Quellen führen solle, von zentraler Bedeutung.3040 Dies stellte sich als besondere Herausforderung für die Kommissionsarbeit dar, da fast alle Opfer und Zeugen, die in Kontakt mit der Kommission standen, Vergeltungsmaßnahmen gegen sie oder in Eritrea lebende Angehörige hierfür von Seiten der eritreischen Behörden fürchteten. Unabhängig von dem Land oder dem Ort an denen die Befragungen durchgeführt wurden, waren die Personen, 3038 3039 3040
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 11. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 26.
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die vor der Kommission aussagten, der Auffassung, dass der eritreische Staat in der Lage sei, sie durch ein Netzwerk von Informanten in der eritreischen Diaspora zu überwachen.3041 Um einen ausreichenden Schutz der aussagenden Quellen zu gewährleisten, ersuchte die Kommission daher die Staaten, in denen Befragungen von Personen stattfanden, darum, dass Personen, die ein Zusammentreffen mit der Kommission wünschten, ungehinderter Zugang zu der Kommission gewährt würde. Zudem wurden die Staaten darum ersucht, dass den betreffenden Personen keinerlei Nachteile aus dem Kontakt zu der Kommission entstünden, insbesondere, dass sie keinerlei Belästigungen, Bedrohungen, Einschüchterungen, Misshandlungen oder Repressalien ausgesetzt seien dürften, und diesen Personen auch keine strafrechtliche oder anderweitige juristische Verfolgung drohen dürfe. Auch erinnerte die Untersuchungskommission die Staaten, die sie bereiste und in denen sie Personen als Quellen vernahm, daran, dass diese Staaten in der Verantwortung stehen würden, die betreffenden Personen zu schützen.3042 Hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei der Kommissionsarbeit wurden alle Informationen, die während der Untersuchung gesammelt wurden, als vertraulich behandelt. Die Kommission unternahm daher verschiedene Maßnahmen und Vorkehrungen, die sie für die Gewährung des Vertrauensschutzes für nötig erachtete. Dazu gehörte es, dass die Namen von Opfern, Zeugen und anderen Quellen in dem Abschlussbericht der Kommission grundsätzlich nicht genannt wurden; anders war es nur dann, wenn die Kommission von der betreffenden Quelle eine ausdrückliche Zustimmung zur Veröffentlichung des Namens in dem Bericht erhalten hatte.3043 Des Weiteren beschloss die Kommission, dass sie zum Ende ihrer Tätigkeit hin, alle gesammelten Informationen an das offizielle Archivsystem der Vereinten Nationen übergeben würde, wo, im Einklang mit dem dort etablierten Verfahren, die Informationen jeweils als „unklassifiziert“, „vertraulich“ und „streng vertraulich“ eingestuft werden würden. Sämtliche Befragungen, die mit Zeugen und Opfern geführt wurden, würden als „streng vertraulich“ eingestuft. Die Informationen würden zudem, ohne vorheriges informiertes und ausdrückliches Einverständnis der betroffenen Person, mit keinem Staat, keiner Person und keiner anderen Institution geteilt werden. Welches Gewicht die Kommission dem Grundsatz der Vertraulichkeit bei ihrer Arbeit beimaß, wird dadurch deutlich, dass die Anwendung dieses Grundsatzes ausdrücklich auch auf das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die verschiedenen Menschenrechtsmechanismen, die internationale und jedwede nationale Justiz und jede staatliche Stelle, insbesondere die Regierung von Eritrea, erstreckt wurde.3044
3041 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 27; diese Befürchtungen konnten von der Untersuchungskommission in einem Fall tatsächlich verifiziert werden. 3042 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 28. 3043 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 29. 3044 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 30.
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Zur Implementierung ihres Mandats ersuchte die Untersuchungskommission mit einem Brief des Kommissionsvorsitzenden vom 24. Oktober 2014 den Präsidenten von Eritrea um einen Besuch in dem ostafrikanischen Staat. Am 19. November 2014 trafen daraufhin die drei Kommissionsmitglieder mit dem Ersten Sekretär und Chargé d’affaires ad interim der Ständigen Mission Eritreas bei den Vereinten Nationen zu einem Gespräch in Genf zusammen. Im Nachgang zu diesem Gespräch unternahm der Kommissionsvorsitzende einen erneuten Versuch durch ein Schreiben vom 25. November 2014, welches an die eritreische Ständige Mission bei den Vereinten Nationen in Genf gerichtet war, das Einverständnis für einen Besuch in Eritrea zu erhalten. Auch dieser Brief blieb ohne Antwort.3045 Auch weitere Versuche der Kommission, ein solches Einverständnis durch Schreiben an den eritreischen Außenminister zu erlangen, wurden durch keine Antwort gewürdigt, ebenso wie die Versuche, von dem Außenminister Informationen über Rechtsänderungen in Eritrea zu erlangen.3046 Ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt waren die Bemühungen der Kommission bei Besuchen in anderen Staaten mit dortigen Repräsentanten Eritreas zusammenzutreffen. Auch diesbezügliche Ersuchen blieben in allen Fällen ohne Antwort.3047 Um die Tatsachen und Umstände hinsichtlich der behaupteten Menschenrechtsverletzungen in Eritrea zu belegen, und angesichts der Unmöglichkeit eines Besuchs dort, entschied die Untersuchungskommission, Aussagen aus erster Hand sowie Erzählungen von Opfern und Zeugen solcher Rechtsverletzungen von Personen zu erhalten, die in andere Staaten geflohen oder ausgewandert waren, dort Asyl suchten oder sonst Teil der eritreischen Diaspora waren.3048 Um dies zu erreichen, bemühte sich die Kommission um Gespräche mit solchen Personen. Hierzu sandte die Kommission Ersuchen hinsichtlich der Möglichkeiten von Besuchen an die Regierungen folgender Staaten: Ägypten, Algerien, Äthiopien, Australien, Deutschland, Djibouti, Malta, Israel, Italien, Jemen, Katar, Kenia, Kuwait, Marokko, Saudi-Arabien, Südafrika, Sudan, Schweden, Schweiz, Tschad, Tunesien, Uganda, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika.3049 Auf die entsprechenden Ersuchen hin erhielt die Kommission positive Antworten aus Äthiopien, Australien, Deutschland, Djibouti, Israel, Italien, Malta, Schweden, der Schweiz, dem Tschad, aus Tunesien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika;3050 Algerien, Katar und Saudi-Arabien verweigerten der Kommission ausdrücklich einen Besuch.3051 Die übrigen Staaten
3045 3046 3047 3048 3049 3050 3051
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 13. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 14. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 15. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 34. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 17. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 18. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 19.
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antworteten der Kommission gar nicht.3052 Unter denjenigen Staaten, die einem Besuch zugestimmt hatten, traf die Kommission anschließend eine Auswahl für ihre Besuche. Unter Zugrundelegung des der Untersuchungskommission zur Verfügung stehenden Haushalts und zeitlicher Erfordernisse wurden die Staaten auf der Grundlage der Größe der eritreischen Bevölkerung sowie dem durchschnittlichen Ankunftsdatum der Eritreer dort ausgewählt. Letzteres Kriterium sollte sicherstellen, dass hinsichtlich der zeitlichen Erstreckung des Kommissionsmandats der gesamte untersuchte Zeitraum mit Aussagen von Zeugen und Opfern abgedeckt werden konnte. Die ausgewählten Staaten waren schließlich die Schweiz, Italien, das Vereinigte Königreich, Djibouti, Äthiopien, Deutschland, Schweden sowie die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Besuche in den verschiedenen Staaten fanden im Zeitraum zwischen November 2014 und März 2015 durch die Kommission statt,3053 wobei insgesamt 550 vertrauliche Befragungen durchgeführt wurden.3054 Die Kontakte zu den Opfern und Zeugen wurden oftmals durch Einzelpersonen oder Nichtregierungsorganisationen hergestellt.3055 Zu Beginn der jeweiligen Besuche traf die Kommission mit Repräsentanten des betreffenden Staates sowie von dort ansässigen Internationalen Organisationen zusammen. Während dieser Gespräche wurden den Repräsentanten dabei durch die Kommission deren Mandat, Arbeitsweise und Zielsetzung sowie der Fortschritt der Kommissionstätigkeit erläutert.3056 Neben den Individualaussagen von Zeugen und Opfern war eine weitere wichtige Erkenntnisquelle der Kommission die Abhaltung von thematischen Diskussionsgruppen bei den Besuchen im Vereinigten Königreich, in Äthiopien, Djibouti, Schweden und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Hierbei trafen die Kommissionsmitglieder zu Gesprächsrunden mit Forschern, Akademikern, Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen und mit Gruppen von Opfern und Zeugen zusammen. Thematisch reichten die Diskussionen dabei von Fragen der Religionsfreiheit, der Meinungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit über Frauenrechte, den Nationalen Dienst bis hin zu außerrechtlichen Tötungen, Folter, Bedingungen für Gefangene und Einschüchterungen in der Diaspora.3057 Auch Satellitenaufnahmen wurden von der Untersuchungskommission als Beweismittel herangezogen. Diese sollten insbesondere dazu dienen, Gefangenenlager 3052
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 19. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 18, 42. Der Besuch in der Schweiz fand zwischen dem 17. und dem 26. November 2014, in Italien vom 27. November bis zum 3. Dezember 2014, im Vereinigten Königreich vom 24. bis zum 30. Januar 2015, in Djibouti zwischen dem 15. und dem 18. Februar 2015, in Äthiopien vom 19. bis zum 22. Februar 2015, in Schweden vom 16. bis zum 18. März 2015, in Deutschland vom 19. bis zum 21. März 2015 und in den Vereinigten Staaten von Amerika, nach einem Vorbereitungsbesuch des Kommissionsvorsitzenden im Januar 2015, zwischen dem 26. und dem 30. März 2015 statt. 3054 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 36. 3055 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 23. 3056 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 41. 3057 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 38. 3053
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
in Eritrea zu identifizieren.3058 Hierbei arbeitete die Kommission eng mit dem United Nations Institute for Training and Research’s Operational Satellite Application Programme zusammen.3059 Um an weitere Beweismittel zu gelangen, veröffentlichte die Untersuchungskommission im November 2014 einen Aufruf mit der Bitte um Einsendung von Informationen oder dokumentarischen Materialien hinsichtlich der behaupteten Menschenrechtsverletzungen in Eritrea. Adressaten des Aufrufs waren hierbei Personen, Gruppen und Organisationen. Als Einsendeschluss wurde dabei zunächst das Ende des Monats Januar 2015 festgelegt; diese Frist wurde aber später bis zum 28. Februar 2015 verlängert. Bis zu diesem Termin gingen bei der Kommission schriftliche Eingaben in Englisch, Tigrinya und in Arabisch sowie Fotos, Video- und Audiomaterial ein. Insgesamt erreichten die Kommission 160 Eingaben, die 254 Fälle von Menschenrechtsverletzungen betrafen. Wenn die Kommission von einer Quelle zusätzliche Informationen benötigte, kontaktierte sie diese Quelle.3060 Die Kommission sammelte zudem eine Vielzahl von Berichten und Hintergrundinformationen über Eritrea von Stellen der Vereinten Nationen, von Nichtregierungsorganisationen, Forschungsinstituten und Wissenschaftlern und werte diese Informationen aus.3061 Unter den Stellen der Vereinten Nationen, mit denen die Kommission während der Untersuchung zusammenarbeitete, und von denen sie für die Untersuchung wichtige Informationen erhielt, waren vor allem die verschiedenen thematischen Sonderberichterstatter sowie mehrere Gremien der Vereinten Nationen zur Überwachung der Implementierung von menschenrechtlichen Verträgen durch die Vertragsstaaten.3062 Viele Stellen der Vereinten Nationen ersuchten die Kommission darum, die zur Verfügung gestellten Informationen als besonders vertraulich zu behandeln.3063 Einen wichtigen Platz in der Kommissionsarbeit nahmen schließlich Geschlechterfragen ein, wobei sich die Kommission durch den von UN Women zur
3058 Insgesamt konnten von der Kommission so die Standorte von 67 Gefangenenlagern ausfindig gemacht werden. Einige der Satellitenfotos sind dem Abschlussbericht als Annex beigegeben, siehe UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Annex IV, S. 467 ff. 3059 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 35. 3060 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 39. 3061 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 40; eine thematisch geordnete Liste mit diesen Informationsmaterialien ist dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission als Annex beigegeben, UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Annex VIII, Rn. 478 ff. 3062 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 22. Die Untersuchungskommission wies in ihrem Abschlussbericht darauf hin, dass eine kleine Anzahl nicht genannter Stellen der Vereinten Nationen zurückhaltend und unwillig hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der Kommission war. Diese Stellen befürchteten, dass eine Zusammenarbeit mit der Kommission negative Folge für ihre Beziehungen zur Regierung von Eritrea haben könne. Vgl. UN Doc. A/ HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 21. 3063 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 21.
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Verfügung gestellten Experten beraten ließ.3064 Der Kommission traf auf große Herausforderungen bei der Untersuchung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen. Vor jedem Länderbesuch betonte die Kommission ihren Wunsch, mit so vielen eritreischen Frauen wie möglich zu sprechen. Trotzdem waren von der Gesamtzahl der befragten Personen lediglich 18,5 % weiblichen Geschlechts.3065 Die Kommission gelangte im Verlauf der Untersuchung zu der Erkenntnis, dass die eritreischen Frauen sehr zögerlich dabei seien, mit ihr zu sprechen. Gründe hierfür seien regelmäßig Angst um die eigene Sicherheit sowie Sicherheit der Familie, Zeitprobleme, die vermutete Unfähigkeit selbst Zugang zu den Orten der Befragungen zu erlangen sowie die Vermutung, dass ihre Erfahrungen nicht von Interessen seien; generell stellte die Kommission ein grundsätzliches Zögern bei den Frauen fest, sich zu öffnen.3066 Um doch an Informationen von diesen Frauen zu gelangen, entwickelte die Untersuchungskommission verschiedene Methoden. Hierzu gehörten das langsame Aufbauen von Vertrauen, Kontakte zu Frauennetzwerken und -gruppen, die Einführung von nur für die Anhörung von Frauen reservierten Tagen bei den Befragungen sowie die Anhörung von Frauen in Umgebungen, in denen sie sich wohlfühlten.3067 Zudem wurde versucht, so gut wie möglich auf die kulturelle Situation von Frauen in Eritrea Rücksicht zu nehmen.3068 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Kommission schloss ihre Untersuchung mit einem Abschlussbericht ab, von welchem sie eine knappe Version3069 sowie eine detaillierte Version3070 präsentierte. Aufgrund des höheren Informationsgehalts wird den folgenden Ausführungen nur die detaillierte Version des Berichts zugrunde gelegt. Der Bericht umfasste insgesamt 1542 Randnummern und war in sieben Kapitel unterteilt. Nach der Einleitung3071 folgten im zweiten Berichtsteil3072 Darlegungen hinsichtlich des Umgangs der Kommission mit ihrem Mandat, mit der von ihr angewandten Methodik sowie zum rechtlichen Rahmen der Untersuchung. Der dritte 3064 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 44. Argumente für eine generelle Stärkung von Genderaspekten in der Arbeit von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen bei Emily Kenny, New York University Journal of International Law and Politics 46 (2013 – 2014), S. 589 ff. 3065 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 45. 3066 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 46. 3067 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 47. 3068 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 48 ff. 3069 Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, UN Doc. A/HRC/29/ 42 vom 4. Juni 2015. 3070 Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015. 3071 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1 ff. 3072 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 5 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Berichtsteil3073 enthielt eine Darstellung der historischen Entwicklung Eritreas, der vierte Teil3074 den Kontext der gegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen in Eritrea und der fünfte Teil3075 Ausführungen zum dortigen Institutionengefüge und zum Rechtssystem. Der sechste Teil3076 enthielt die Resultate der Untersuchung und im abschließenden siebten Teil3077 des Berichts waren die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Kommission niedergelegt. bb) Bei der Beweiswürdigung wendete die Untersuchungskommission als Beweisstandard die Formel an, dass ein Ereignis für die Kommission bewiesen war, wenn es hierzu „reasonable grounds to believe“ geben würde.3078 cc) Hinsichtlich des Rechtsrahmens der Untersuchung legte die Kommission vor allem diejenigen internationalen Menschenrechtsverbürgungen zugrunde, die Eritrea auf Basis völkerrechtlicher Verträge freiwillig eingegangen ist. So stellte die Kommission fest, dass Eritrea an verschiedene internationale und regionale Menschenrechtsinstrumente gebunden sei: seit 1994 an die Konvention über die Rechte des Kindes und seit 2005 an die beiden Fakultativprotokolle hierzu, seit 1995 an die Konvention zur Beseitigung aller Diskriminierungen gegen Frauen, seit 1999 an die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, seit 2000 an die Afrikanische Charta über die Rechte und die Wohlfahrt von Kindern, seit 2001 an die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und an den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, seit 2002 an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und seit September 2014 an die Konvention gegen Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe.3079 Zudem sei Eritrea seit dem Jahr 2000 auch an die Konventionen über Zwangsarbeit beziehungsweise über deren Abschaffung gebunden.3080 Schließlich maß die Untersuchungskommission die Handlungen der verschiedenen Stellen des eritreischen Staates am geltenden menschenrechtlichen Völkergewohnheitsrecht.3081 Im Zusammenhang mit den menschenrechtlichen Bindungen Eritreas bemerkte die Kommission, dass im Untersuchungszeitraum keinerlei Notifikation nach Artikel 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt worden sei, sodass damit Eritrea nie Rechte aus diesem Vertrag derogiert habe.3082 Die Kommission wies dabei ausdrücklich das oftmals von erit3073 3074 3075 3076 3077 3078 3079 3080 3081 3082
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 62 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 128 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 254 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 337 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1507 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 31. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 53. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 59. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 60. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 56 ff.
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reischen Behörden vorgetragene Argument zurück, dass sich der Staat in einem „Kein Krieg, Kein Friede“-Status befinden würde, den Eritrea daraus herleitete, dass es eine „fortbestehende Besatzung souveränen eritreischen Territoriums“ durch einen der Nachbarstaaten gebe (gemeint ist bei diesem Argument Äthiopien)3083 und dass deshalb bestimmte Derogationen und Einschränkungen der Menschenrechte der eigenen Bevölkerung gerechtfertigt seien. Vielmehr wies die Kommission darauf hin, dass im Völkerrecht Derogationen und Einschränkungen solcher Rechte nur in außergewöhnlichen Umständen und nur unter Einhaltung der strikten Schranken der menschenrechtlichen Verträge möglich seien.3084 Außergewöhnliche Umstände sah die Kommission im Fall Eritreas nicht als gegeben an.3085 dd) Die Kommission sah in ihren Schlussfolgerungen die Menschenrechtslage in Eritrea als außerordentlich prekär an. In Eritrea würden durch die dortige Regierung systematische, verbreitete und grobe Verletzungen der Menschenrechte stattfinden, für die die Regierung auch die Verantwortung trage. Rechtsstaatlichkeit gebe es in Eritrea nicht. Zudem sei es möglich, dass die Menschenrechtsverletzungen in den Bereichen der außerrechtlichen Tötungen, von Folter einschließlich sexueller Folter, des Nationalen Dienstes und der Zwangsarbeit Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten.3086 Außerdem stellte die Kommission fest, dass seit der Unabhängigkeit Eritreas in den frühen 1990er Jahren, die PFDJ ihre Macht durch kontinuierliche Demontage beziehungsweise durch die Nichtdurchführung von Reformen in den Bereichen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit festigte. Bürgerliche Freiheiten seien erodiert und eine „Herrschaft der Angst“ sei errichtet worden, die keinerlei Opposition zulasse. Alle Macht sei bei der Exekutive konzentriert, eine Gewaltenteilung finde nicht statt, nationale Wahlen seien niemals abgehalten worden.3087 Die PFDJ habe zudem ein System errichtet, bei dem eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Personen die Kompetenz hätte, die Eritreer auszuspionieren und Untersuchungen sowie Festnahmen durchzuführen, ohne dabei das Gesetz beachten zu müssen. Die Verbreitung von nationalen Sicherheitsdiensten und von Beamten, die zwar der Verwaltung zugeordnet, jedoch mit einem nachrichtendienstlichen Mandat ausgestattet seien, sowie die Überlappung mit dem parteieigenen Geheimdienst und dem militärischen Geheimdienst seien ein Bereich großer Besorgnis.3088 Die Kommission beklagte außerdem, dass die Verfassung Eritreas von 1997 niemals implementiert worden sei. Die Nationalversammlung habe im Jahre 2002 aufgehört, zusammenzutreten. Auch als sie noch zusammengekommen sei, seien Gesetze durch Dekret von der Regierung verkündet worden. Seit 2002 sei dies der einzige Weg, auf dem Gesetze zustanden kommen würden. 3083 So etwa in dem Bericht Eritreas an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen aus dem November 2013, UN Doc. A/HRC/WG.6/18/ERI/1 vom 8. November 2013, Rn. 91. 3084 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 55. 3085 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 56 ff. 3086 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1507. 3087 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1508. 3088 UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1509.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Besonders besorgniserregend sei in diesem Bereich, dass einige wichtige Politiken von der Regierung verabschiedet worden seien, einschließlich solcher Politiken, die gravierend in die individuellen Rechte und Freiheiten eingreifen würden. Eine rechtliche Verankerung dieser Politiken in Gesetzform habe es nicht gegeben. Solche Politiken würden einfach in den Medien von der Regierung oder durch die Weitergabe von Benachrichtigungen durch lokale Verwaltungen „verkündet“ und in der Praxis, mit allen Unklarheiten, die eine solche Verfahrensweise mit sich bringe, implementiert. Dieses Vorgehen habe die legitimen Erwartungen der Bevölkerung von Eritrea auf Rechtssicherheit und einen angemessenen Rechtssetzungsprozess unter Einschluss einer unabhängigen Legislative untergraben.3089 Hinsichtlich der eritreischen Justiz stellte die Kommission fest, dass diese nicht unabhängig sei und die Richter nach dem Willen des Präsidenten ernannt, versetzt oder entlassen würden. Gerichtliche Entscheidungen würden von Mitgliedern der PFDJ und der Armee beeinflusst. Das Justizsystem sei auch durch die Schaffung des Sondergerichtshofs berührt, der in der Praxis über alle Arten von Straftaten befinden und unter klarer Missachtung der fundamentalsten Grundsätze eines geordneten Prozesses arbeiten würde. Die Richter dieses Gerichts seien allesamt höhere Offiziere des Militärs ohne rechtliche Ausbildung; sie seien offenbar direkt vom Präsidenten ernannt worden und ihm gegenüber auch direkt verantwortlich. Auch sei die Justizverwaltung gänzlich defizitär, insbesondere in Inhaftierungsfällen. Gemeinschaftsgerichte, die für Streitigkeiten zuständig seien „die aus dem täglichen Leben der Gemeinschaften“ entstünden, würden zumindest für etwas Gerechtigkeit für Personen in ländlichen und abgelegenen Gemeinschaften sorgen.3090 Die Untersuchungskommission beklagte weiterhin, dass Eritreer nicht in der Lage seien, sich nach ihrem Willen frei zu bewegen, ihre Meinung frei auszudrücken, ihre Religion ohne unangemessene Störung zu praktizieren oder ungehinderten Zugang zu Informationen zu genießen; auch würden die Eriteer nicht in den Genuss der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit kommen. Allgegenwärtige Kontrolle und schwere Konsequenzen bei wahrgenommenem abweichendem Verhalten, einschließlich lebenslanger Einkerkerung oder Tötung, hätten eine Umgebung der Selbstzensur geschaffen, in der einzelne Personen niemandem trauen würden, auch nicht der eigenen Familie.3091 Bereits im eritreischen Freiheitskampf sei beobachtet worden, dass die Regierung gegen interne und externe Opposition vorgegangen sei. Seit der Unabhängigkeit des Staates von Äthiopien habe die Regierung Verschwindenlassen praktiziert und außerrechtliche Tötungen ausführen lassen, um tatsächliche oder vermutete Opposition zu zerschlagen und das Auftreten von oppositionellen Meinungen zu verhindern. Die Kommission fand dabei die Praxis der Regierung besonders abscheulich, Verhaftungen zu bestätigen, allerdings im Anschluss keine Informationen über den Aufenthaltsort oder das Schicksal der Verhafteten preiszugeben.3092 Weiterhin stellte die 3089 3090 3091 3092
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1510. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1511. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1512. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1513.
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Untersuchungskommission fest, dass willkürliche Inhaftierungen allgegenwärtig seien. Die Anzahl von Beamten, die ihre Kompetenzen dazu missbrauchen würden, Personen zu inhaftieren, sei ebenso besorgniserregend, wie die Anzahl der offiziellen, inoffiziellen und geheimen Inhaftierungsorte, die zudem alle außerhalb der Kontrolle der Justiz stünden. Die Inhaftierungsbedingungen seien extrem hart. Das Fehlen des Zugangs zu ausreichender Nahrung, zu Wasser und zu medizinischer Versorgung in der Inhaftierung sorge für eine Entkräftung der Gefangenen, die zu kurzzeitigen und längerfristigen Gesundheitsproblemen und manchmal zum Tod führen würde. Die Praxis, Inhaftierte in schallisolierten Zellen und/oder in Isolationshaft zu halten, wobei internationale Standards in Gänze missachtet würden, sei weit verbreitet. Die geistige und körperliche Gesundheit der Gefangenen würde dadurch übermäßig und unnötig berührt.3093 In diesem Zusammenhang bemerkte die Kommission zudem noch, dass Personen, die verhaftet, inhaftiert oder als Bestrafung unter verschiedenen Umständen gefangen gehalten würden, einschließlich von Personen, die sich im Nationalen Dienst oder in der militärischen Ausbildung befänden, regelmäßig Subjekt von Formen von Misshandlungen seien, die in vielen Fällen auf Folter hinauslaufen würden. Die Kommission befand, dass die Anwendung der Folter so weit in Eritrea verbreitet sei, dass daraus nur geschlossen werden könne, dass es eine Politik der Regierung gebe, welche zur Anwendung der Folter ermutigen würde, um Personen zu bestrafen. Eine Überwachung der Inhaftierungszentren fände nicht statt und die Täter würden niemals der Justiz übergeben.3094 Zudem befand die Kommission, dass die Praxis, Familienangehörige für das Verhalten ihrer Verwandten zu bestrafen, eine Verletzung internationaler Standards darstellen würde. Vergeltung dieser Art könne finanzieller Natur sein oder in Form von Schikanen, auch im Ausland, willkürlicher Verhaftung sowie Inhaftierung vorkommen. Ziele dieser Praktiken könnten Verwandte von Kritikern der Regierung, von desertierten Wehrpflichtigen, von entkommenen Inhaftierten sowie von Personen seien, die aus dem Land geflohen wären.3095 Als weiteren Kritikpunkt führte die Kommission auf, dass der kontrollierte Zugang zu Eigentum, einschließlich von Land, es der Regierung erlauben würde, solche Ressourcen als weiteres Mittel einzusetzen, um Uneinigkeit mit ihr zu bestrafen und ihre Unterstützer zu belohnen. Insbesondere Militärangehörige und Repräsentanten der PFDJ hätten ihre Kompetenz zur Enteignung von Land, Häusern und Geschäften für ihren eigenen Vorteil genutzt.3096 Auch der Nationale Dienst war Gegenstand der Befunde der Kommission. Diese befand, dass die Eritreer seit 1994 die meiste Zeit ihres Arbeitslebens im Nationalen Dienst verbracht hätten. Die Dauer des Dienstes sei unbestimmt, seine Bedingungen würden internationale Standards verletzen und Dienstleistende seien stark unterbezahlt. Daher sei der Nationale Dienst eine Institution, bei der sklavereigleiche Zustände herrschen würden. Die Dienstleistenden seien der Gnade ihrer 3093 3094 3095 3096
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1514. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1515. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1516. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1517.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Vorgesetzten ausgeliefert, die Kontrolle und Kommando über ihre Untergebenen in einer Weise ausüben würden, die Menschenrechte verletzen würde. Zudem würden diese Vorgesetzten niemals zur Rechenschaft gezogen werden. Wehrdienstleistende seien regelmäßig Bestrafungen ausgesetzt, die der Folter und einer Misshandlung gleichkommen würden, und dies sowohl während der militärischen Ausbildung als auch im sonstigen Leben in der Armee. Frauen und Mädchen seien einem hohen Risiko von Vergewaltigung und anderen Formen von sexueller Gewalt in allen Bereichen des Nationalen Dienstes ausgesetzt. Dies gelte vor allem in militärischen Ausbildungslagern, wo die Frauen und Mädchen oftmals in ein Konkubinat mit den Vorgesetzten des Lagers gezwungen würden. Eritreer, die versuchen würden, den Nationalen Dienst zu umgehen, würden hart bestraft und willkürlich ihrer Freiheit beraubt.3097 Zudem habe die Regierung von Eritrea rechtswidrig und permanent Dienstleistende und andere Mitglieder der Bevölkerung, viele bereits im Rentenalter, als Zwangsarbeiter eingesetzt, um die Infrastruktur aufzubauen und zur Verfolgung des Ziels wirtschaftlicher Entwicklung und Selbstversorgung des Staates. Damit sei indirekt zur Erhaltung der totalitären Regierung beigetragen worden. Der Einsatz von Zwangsarbeit sei so stark in Eritrea verbreitet, dass die Wirtschaft auf diese Arbeitsform angewiesen sei und ihr jeder Eritreer wahrscheinlich im Laufe seines Lebens unterworfen sei. Die Regierung würde regelmäßig von dieser, für sie fast kostenfreien Arbeit profitieren, indem sie aus dem „Verleih“ der Arbeiter an ausländische Firmen unrechtmäßige finanzielle Vorteile schöpfe.3098 Auch zeigte die Untersuchungskommission in ihren Schlussfolgerungen die Probleme der Migration aus Eritrea auf. Die Kommission führte hierzu aus, dass die Menschenrechtssituation in Eritrea immer mehr Menschen veranlasse, das Land zu verlassen. Tausende Eritreer würden dabei auf See getötet, wenn sie versuchen würden, die Strände Europas zu erreichen. Auch weitere Todesursachen würden vorkommen.3099 Darüber hinaus, so die Kommission, seien Diskriminierungen und Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft Eritreas verbreitert. Die entsprechenden Akte fänden dabei in einem Klima der Straflosigkeit statt. Zudem würde sich die Diskriminierung von Frauen mit anderen Menschenrechtsverletzungen überschneiden, was die Frauen in eine schutzlose Lage bringen würde. Verletzungen des Rechts auf Eigentum, des Rechts auf Beschäftigung und der Bewegungsfreiheit würden Frauen etwa in die Situation von mangelnder Nahrungsmittelsicherheit bringen oder sie in die Prostitution führen. Das Fehlen einer echten Rechtsstaatlichkeit, von zuverlässigen Sicherheitsbehörden sowie unabhängigen und unparteiischen Frauenorganisationen der Zivilgesellschaft würde Frauen und Mädchen einer Lage aussetzen, in der sie unfähig seien, Zugang zum Rechtssystem zu erhalten oder Ersatz für die sexuelle und genderbasierte Gewalt sowie die Diskriminierungen, die sie ertragen müssten, zu erhalten.3100 3097 3098 3099 3100
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1518. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1519. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1520. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1521.
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ee) Die Untersuchungskommission sprach eine Reihe von Empfehlungen aus.3101 Adressaten der Empfehlungen waren hierbei die Regierung von Eritrea, die internationale Gemeinschaft, verschiedene Stellen der Vereinten Nationen, aber auch Regierungen, Nichtregierungsorganisationen sowie private Unternehmen. Der ganz überwiegende Teil der Empfehlungen richtete sich dabei an die Regierung von Eritrea. Zunächst empfahl die Kommission der eritreischen Regierung in Gänze und ohne weitere Verzögerungen die Verfassung von 1997 zu implementieren. Weiterhin solle die Regierung diejenigen internationalen Menschenrechtsverträge respektieren, denen Eritrea beigetreten sei, sowie weitere solche Verträge ratifizieren und implementieren. Dabei wurde insbesondere die Notwendigkeit der vollständigen Respektierung der Meinungs-, der Versammlungs- und der Pressefreiheit betont, die eine wichtige Voraussetzung für jedwede Demokratie bilden würden. Zudem wurde empfohlen, dass Eritrea die Existenz von Menschenrechtsverletzungen anerkennen und Sorge dafür tragen solle, dass Rechenschaft für solche Rechtsverletzungen abgelegt würde. Hiermit in engem Zusammenhang stand zudem die Empfehlung, dass ein unabhängiger und unparteiischer Mechanismus errichtet werden solle, um die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und um den Tätern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, insbesondere den Tätern mit Vorgesetztenverantwortlichkeit. Im Übrigen solle für eine angemessene Entschädigung der Opfer der Menschenrechtsverletzungen sowie dafür gesorgt werden, dass alle Täter von gegenwärtigen und zukünftigen Verletzungen der Menschenrechte in Eritrea zur Verantwortung gezogen würden.3102 Die übrigen Empfehlungen der Untersuchungskommission an die Regierung von Eritrea betrafen eine Reihe von Detailfragen zu den Themenkomplexen Regierung, Verwaltung und Justiz,3103 erzwungenes Verschwindenlassen sowie willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen,3104 Haftbedingungen,3105 Folter und Misshandlungen,3106 bürgerliche Freiheiten,3107 Eigentum,3108 Nationaler Dienst,3109 Zwangsarbeit3110 und Gleichberechtigung der Geschlechter3111. Bei all diesen Empfehlungen ging es vor allem darum, Eingriffe in die genannten Rechte zu unterlassen, die Bedingungen für die Verwirklichung von Rechten zu schaffen und insgesamt im staatlichen Bereich eine Reihe von Reformen, etwa zur Gewaltenteilung oder zu Wahlfragen, durchzuführen. Zudem empfahl die Untersuchungs3101 3102 3103 3104 3105 3106 3107 3108 3109 3110 3111
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1525 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1526. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1527. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1528. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1529. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 89 (sic). UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1530. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1531. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1532. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1533. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1534.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
kommission dem eritreischen Staat mit verschiedenen Menschenrechtsinstitutionen der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft insgesamt zusammenzuarbeiten, um die Implementierung der übrigen Empfehlungen umzusetzen und humanitäre Hilfe in dem ostafrikanischen Land zu zulassen.3112 Die internationale Gemeinschaft wurde durch die Untersuchungskommission aufgefordert, all denjenigen Personen Schutz zu gewähren, die vor Verletzungen ihrer Rechte aus Eritrea fliehen würden oder bereits geflohen seien. Daneben sollten noch verschiedene Maßnahmen zum Vorteil der eritreischen Flüchtlinge und Asylsuchenden getroffen werden. Hinsichtlich der internationalen Beziehungen zwischen Eritrea und den anderen Staaten schlug die Kommission vor, dass Eritrea unter strenger Beobachtung gehalten werden solle, bis merkliche Verbesserungen der dortigen Menschenrechtslage eingetreten seien. Zudem solle sichergestellt werden, dass die Menschenrechte bei allen Kontakten und Geschäften mit Eritrea eine zentrale Rolle spielen würden. Darüber hinaus sollten klare Bedingungen formuliert werden, welche von Eritrea für die Wiederherstellung der Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft eingehalten werden müssten. Letztlich wurde die internationale Gemeinschaft noch ersucht, Eritrea und Äthiopien diplomatisch bei der Lösung ihres Grenzkonflikts zu unterstützen.3113 Die Empfehlungen an weitere internationale Akteure betrafen eine Vielzahl unterschiedlicher Frage. So wurde Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und privaten Unternehmen nahegelegt, bei Verhandlungen über Entwicklungshilfe oder Investitionen in Eritrea darauf hinzuwirken, dass angemessene Löhne Teil jeder Vereinbarung seien und dass die Löhne auch tatsächlich an die Arbeitenden ausgezahlt würden. Auch die Beachtung von Menschenrechten sollte bei allen entsprechenden Verhandlungen eine zentrale Rolle spielen.3114 Die Vereinten Nationen wurden aufgerufen, die Initiative des Generalsekretärs „Human Right Up Front“ für Eritrea im Lichte der Feststellungen der Kommission zu überprüfen und falls nötig anzupassen.3115 Der Internationalen Arbeitsorganisation wurde empfohlen, Fragen von Zwangsarbeit in Eritrea anzugehen.3116 Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen sollte als zukünftiges Projekt das Nationale Statistikbüro von Eritrea unterstützen.3117 Dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde empfohlen, dem Menschenrechtsrat und anderen geeigneten Stellen der Vereinten Nationen jährlich über seine Unterstützung für die Regierung von Eritrea bei der Implementierung der Kommissionsempfehlungen und denjenigen
3112 3113 3114 3115 3116 3117
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1535. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1536. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1537. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1538. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1539. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1540.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Empfehlungen, die von anderen Menschenrechtsmechanismen ausgesprochen worden seien, zu berichten.3118 Die letzten Empfehlungen richtete die Untersuchungskommission schließlich an den Menschenrechtsrat und erneut an das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Der Menschenrechtsrat solle eine Diskussion auf hoher Ebene über Menschenhandel in Nordafrika und im Mittelmeerraum organisieren. Zudem solle das Mandat der Sonderberichterstatterin für die Situation der Menschenrechte in Eritrea erneuert und die Berichterstatterin ersucht werden, die Empfehlungen aus dem Kommissionsbericht zu fördern und über ihre Implementierung zu berichten. Weiterhin wurde der Menschenrechtsrat ersucht, ein Sonderverfahren oder einen anderen Mechanismus zu etablieren, der ermitteln solle, zu welchem Grad die von der Kommission festgestellten Rechtsverstöße Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde nahegelegt, seine Aufmerksamkeit und seine Ressourcen für die Menschenrechtslage in Eritrea zu erhöhen.3119 26. Erneuter Konflikt im Gazastreifen a) Historischer Hintergrund Im Sommer des Jahres 2014 ereignete sich ein erneuter bewaffneter Konflikt zwischen Israel einerseits und palästinensischen bewaffneten Gruppierungen, insbesondere der Hamas, aber auch Gruppen wie dem Islamischen Dschihad, der Volksfront zur Befreiung Palästinas oder den al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, andererseits. Austragungsorte des Konflikts waren einmal mehr der Gazastreifen sowie das südliche Israel.3120 Dem bewaffneten Konflikt ging voraus, dass am 12. Juni 2014 drei Jugendliche aus Israel entführt und in das Westjordanland verschleppt wurden. Um die Vermissten zu finden, führten die israelischen Sicherheitskräfte Durchsuchungen und Festnahmen in dem palästinensischen Gebiet durch, wobei es zu Zwischenfällen mit Verletzten und Toten kam. Die israelische Seite machte die Hamas für die Entführungen verantwortlich, die diese Vorwürfe jedoch abstritt. Die Hamas ihrerseits warf Israel vor, die Entführung der Jugendlichen lediglich als Deckmantel für militärische 3118
UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1541. UN Doc. A/HRC/29/CRP.1 vom 5. Juni 2015, Rn. 1542. 3120 Hierzu und zum Folgenden T. G. Fraser, The Arab-Israeli Conflict, S. 214 ff.; Annyssa Bellal (Hrsg.), The War Report: Armed Conflict in 2014, S. 38 ff.; Harel Chorev/Yevette Schumacher, Israel Journal of Foreign Affairs 8/3 (2015), S. 9 ff.; Eithan Shamir, Middle East Quarterly 22 (2015), abrufbar unter: https://www.meforum.org/articles/2015/rethinking-operati on-protective-edge (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); N. N., Deutsche Welle-Online vom 27. August 2014, abrufbar unter: https://www.dw.com/de/50-tage-gaza-krieg-eine-chronologie/ a-17882109 (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018) sowie UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015. 3119
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Operationen gegen die Palästinenser zu missbrauchen. Die Hamas fühlte sich dadurch bestärkt, dass bei der Suchaktion alle ihre Anführer im Westjordanland und zusätzlich mehrere ihrer Mitglieder, die erst kurz zuvor von Israel aus Gefängnissen freigelassen worden waren, festgenommen wurden. Als Vergeltung für die israelische Operation wurden von Stellungen der Hamas und von anderen bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen aus im Zeitraum von Mitte Juni bis zum Beginn des Monats Juli 2014 mehr als 200 Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Die Lage eskalierte weiter, als am 2. Juli 2014 in Ostjerusalem ein palästinensischer Jugendlicher entführt und getötet wurde. Die Situation konnte auch nicht dadurch entschärft werden, dass israelische Sicherheitskräfte vier Tage nach der Tat sechs verdächtige junge israelische Extremisten festnahmen, von denen drei gestanden, den palästinensischen Jugendlichen ermordet zu haben. Am 3. Juli 2014 wurden von der Luftwaffe der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte erstmals Ziele in Gaza angegriffen, um so auf den andauernden Raketenbeschuss aus diesem Gebiet zu reagieren. Der eigentliche bewaffnete Konflikt begann am 8. Juli 2014. An diesem Tage gaben die israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte den Beginn der Operation „Protective Edge“ gegen Ziele im Gazastreifen bekannt. Während der ersten Phase der Militäroperation setzte die israelische Seite vor allem Artilleriefeuer sowie Luftangriffe ein; später kam es auch zu Angriffen durch israelische Kommandoeinheiten in Gaza, um Raketenstellungen auszuschalten. Zudem sollten auch Tunnel vernichtet werden, durch die Angehörige militanter palästinensischer Gruppen in der Vergangenheit immer wieder nach Südisrael eingesickert waren, um dort Angriffe und Anschläge zu verüben. Am 17. Juli 2014 wurde von den beiden Konfliktparteien eine fünfstündige Feuerpause verkündet, die der Zivilbevölkerung von Gaza zur Flucht, zur Behandlung von Verwundeten und zur Erledigung dringend notwendiger Besorgungen dienen sollte. Die Waffenruhe wurde jedoch bereits kurz nach ihrem Beginn von der Hamas gebrochen. Als Antwort auf die fortgesetzten Raketenangriffe setzten die israelischen Streitkräfte erstmals in diesem Konflikt Bodentruppen in Gaza ein. Der Konflikt dauerte bis zum 26. August 2014 an, als eine unter ägyptischer Vermittlung ausgehandelte Waffenruhe in Kraft trat. Die genauen Opferzahlen des Konflikts sind unklar. Auf israelischer Seite forderte der Konflikt wohl um die 70 Tote, wobei der Großteil hiervon auf Soldaten der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte entfiel, die im Rahmen der Kampfhandlungen getötet worden waren. Auf palästinensischer Seite kamen wohl etwa 2.000 Menschen ums Leben, wobei hiervon wohl zwischen 600 und 1.000 Tote Mitglieder bewaffneter palästinensischer Gruppierungen waren. Durch die Kämpfe wurde auch die Infrastruktur im Gazastreifen erheblich geschädigt; es wurden viele Häuser, aber auch Schulen sowie Moscheen zerstört. Auch einige Einrichtungen der Vereinten Nationen in Gaza wurden im Rahmen der Kämpfe durch israelisches Waffenfeuer in Mitleidenschaft gezogen.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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b) Einsetzung der Kommission Der Menschenrechtsrat beriet über die Situation im Gazastreifen anlässlich seiner 21. Sondersitzung am 23. Juli 2014. Auf dieser Sitzung wurde mit 29 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und 17 Enthaltungen die Menschenrechtsratsresolution S-21/1 angenommen, die den Titel „Ensuring respect for international law in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem“ trug.3121 Die Resolution, die unter anderem die militärischen Operationen Israels im Gazastreifen als „widespread, systematic and gross violations of international human rights and fundamental freedoms“3122 schwer verurteilte, sah auch die Einsetzung einer Untersuchungskommission vor: „13. Decides to urgently dispatch an independent, international commission of inquiry, to be appointed by the President of the Human Rights Council, to investigate all violations of international humanitarian law and international human rights law in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, particularly in the occupied Gaza Strip, in the context of the military operations conducted since 13 June 2014, whether before, during or after, to establish the facts and the circumstances of such violations and of the crimes perpetrated and to identify those responsible, to make recommendations, in particular on accountability measures, all with a view to avoiding and ending impunity and ensuring that those responsible are held accountable, and on ways and means to protect civilians against any further assaults, and to report to the Council at its twenty-eighth session; 14. Requests the cooperation, as appropriate, of other relevant United Nations bodies with the commission of inquiry to carry out its mission, and requests the assistance of the Secretary-General and the United Nations High Commissioner for Human Rights in this regard, including on the provisions of all administrative, technical and logistical assistance required to enable the commission of inquiry (…) to fulfil their mandates promptly and efficiently;“
Die Untersuchungskommission bestand ursprünglich aus drei Mitgliedern. Der Präsident des Menschenrechtsrates ernannte den kanadischen Professor für Völkerrecht und Menschenrechte William Schabas zum Kommissionsvorsitzenden. Die beiden weiteren Kommissionsmitglieder waren Mary McGowan Davis aus den Vereinigten Staaten von Amerika, die zuvor unter anderem als Richterin am Obersten Gerichtshof von New York tätig gewesen war und schon im Rahmen von Menschenrechtsfragen mit den Vereinten Nationen zusammengearbeitet hatte, sowie Doudou Diène aus dem Senegal, der zuvor als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für gegenwärtige Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Xeno3121
UN Doc. A/HRC/RES/S-21/1 vom 24. Juli 2014, S. 4. Für die Resolution stimmten: Algerien, Argentinien, Äthiopien, Brasilien, Chile, China, Costa Rica, Côte d’Ivoire, Indien, Indonesien, Kasachstan, Kenia, Kongo, Kuba, Kuweit, Malediven, Mexiko, Marokko, Namibia, Pakistan, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Sierra Leone, Südafrika, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam, gegen die Resolution stimmten: Vereinigte Staaten von Amerika, es enthielten sich ihrer Stimme: Benin, Botswana, Burkina Faso, Deutschland, Estland, Frankreich, Gabun, Irland, Italien, Japan, Mazedonien, Montenegro, Österreich, Südkorea, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich. 3122 Abs. 2 des operativen Teils der Resolution.
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phobie und ähnlicher Intoleranz sowie als Unabhängiger Experte für die Menschenrechtssituation an der Côte d’Ivoire von 2011 bis 2014 tätig gewesen war.3123 Allerdings trat der Kommissionsvorsitzende Schabas am 2. Februar 2015 von seinem Amt zurück, nachdem massive Vorwürfe im Hinblick auf seine Unparteilichkeit aufgekommen waren, da er bereits Gutachten für die palästinensische Befreiungsorganisation Palestine Liberation Organization (PLO) erstattet hatte.3124 Daraufhin blieb die Untersuchungskommission zweiköpfig. Der Präsident des Menschenrechtsrates ernannte McGowan Davis zur neuen Vorsitzenden der Kommission.3125 Zur Unterstützung der Kommissionstätigkeit wurde vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte ein Sekretariat eingerichtet. Hierbei wurde allerdings von der Kommission bemängelt, dass dieses erst Ende des Monats November 2014 vollständig funktionsfähig gewesen sei.3126 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchungskommission begann ihre Tätigkeit am 16. September 2014.3127 Sie interpretierte das ihr erteilte Mandat dahingehend, dass dieses von der Kommission verlange, alle behaupteten Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechte zu untersuchen, die sich in zeitlicher Hinsicht vom 13. Juni bis zum 26. August 2014 zugetragen hatten, und zwar in geographischer Hinsicht in den gesamten palästinensischen Gebieten, insbesondere in Gaza, sowie in Israel und festzustellen, ob sich solche Verletzungen des Völkerrechts tatsächlich zugetragen hätten. Die Kommission untersuchte die bestehenden Verantwortlichkeitsmechanismen für solche Verletzungen und deren Effektivität sowie den unmittelbaren und fortgesetzten Einfluss der Militäroperationen im genannten Zeitraum auf die betroffene Zivilbevölkerung und deren Genuss von Menschenrechten. Die Untersuchungskommission sah die Opfer des Konflikts und deren Menschenrechte dabei als den Kern des erteilten Mandats an.3128 Die Untersuchungskommission ersuchte sowohl Israel als auch die palästinensischen Stellen um Zusammenarbeit. So wurde Israel mehrfach um Zugang auf dessen Territorium sowie in das Westjordanland, nach Gaza und Ostjerusalem ersucht. Diese Bemühungen zeitigten allerdings keinen Erfolg. Auch ein Ersuchen an die Regierung von Ägypten blieb erfolglos, mit welchem die Kommission um 3123
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 1. BBC News vom 3. Februar 2015, Gaza conflict: Schabas quits UN inquiry over bias claim, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-31107988 (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018); das Rücktrittsschreiben von Schabas an den Präsidenten des Menschenrechtsrates ist abrufbar unter: http://humanrightsdoctorate.blogspot.de/2015/02/letter-of-resignation.html (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 3125 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 2. 3126 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 2. 3127 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 2. 3128 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 6. 3124
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Zugang vom ägyptischen Territorium aus in den angrenzenden Gazastreifen bat. Ägypten begründete seine ablehnende Entscheidung mit der angespannten Sicherheitslage in dem Gebiet.3129 Auch wenn die Kommission keinen Zugang zu den palästinensischen Gebieten erhielt, konnte sie doch in der jordanischen Hauptstadt Amman mit Repräsentanten einiger Ministerien der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammentreffen, die der Kommission verschiedene Dokumente überreichten.3130 Um die Sichtweise aller Beteiligten auf die Geschehnisse im Sommer 2014 zu ergründen, sandte die Untersuchungskommission an die Regierung von Israel, an die Palästinensische Autonomiebehörde sowie an die Hamas Fragebögen, die Fragen zu spezifischen Vorfällen und zu Angelegenheiten aus den Bereichen Recht und Politik beinhalteten. Lediglich die Palästinensische Autonomiebehörde antwortete hierauf.3131 Die Kommission und ihr Sekretariat führten mehr als 280 Gespräche mit Opfern und Zeugen durch und erhielten mehr als 500 schriftliche Eingaben und Dokumente aus einer Vielzahl von Quellen, einschließlich von Berichten von Augenzeugen, sowie eidesstattlicher Versicherungen, medizinischer Berichte, Waffenanalysen von Experten, von Satellitenbildern, Videofilmen und weiteren fotografischen Beweise, einschließlich von solchen Fotografien, auf denen Orte zu sehen waren, die von dem Konflikt betroffen waren, sowie Fotografien von Verletzungen. Daneben schloss die Kommission öffentlich zugängliche Quellen, wie etwa die offiziellen Internetseiten der israelischen Regierung, mit in die Betrachtung der Beweismittel ein.3132 Dass die Untersuchungskommission nicht in das Konfliktgebiet gelangen konnte, bedeutete eine große Herausforderung für die Untersuchung, da weder die Orte des Geschehens direkt in Augenschein genommen noch Opfer und Zeugen unmittelbar befragt werden konnten. Daher führte die Kommission Gespräche mit diesen Personen mittels Videokonferenzen und Telefonaten durch. Daneben konnte eine Reihe als vertraulich eingestufter Befragungen mit Opfern und Zeugen aus dem Westjordanland im November 2014 und im Januar 2015 in Jordanien sowie im Januar 2015 mit Opfern und Zeugen aus Israel in Genf durchgeführt werden. Im Oktober und im Dezember 2014 startete die Kommission einen Aufruf zur Einsendung schriftlicher Beweismittel bis Ende des Monats Januar 2015. Die Frist wurde dann allerdings bis zum 15. Februar 2015 verlängert und schließlich ganz aufgegeben; die Kommission
3129
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 3. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 3 f. Die verschiedenen Anschreiben sind wiedergegeben in: UN Doc. A/HRC/29/52 vom 24. Juni 2015, Annex I, S. 23 ff. 3131 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 5. 3132 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 14. Eine Liste von Personen, Institutionen und Organisationen, die der Untersuchungskommission verschiedene Eingaben zugesandt hatten, findet sich in: UN Doc. A/HRC/29/52 vom 24. Juni 2015, Annex II, S. 31 ff. 3130
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akzeptierte Einsendungen bis zur Fertigstellung ihres Abschlussberichts.3133 Einige der Quellen der Kommission ersuchten diese um Vertraulichkeit, da diese Quellen mögliche Konsequenzen wegen einer Aussage, zum Teil für ihre Sicherheit, fürchteten.3134 Die Untersuchungskommission konsultierte während ihrer Tätigkeit verschiedene Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen.3135 Zu den von der Kommission offengelegten Quellen gehörten die Ständigen Missionen bei den Vereinten Nationen in Genf von Zypern, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Irland, Jordanien, Katar, der Russischen Föderation, von Ruanda und des Vereinigten Königreichs, die Ständige Beobachtermission von Palästina bei den Vereinten Nationen in Genf und die dortige Ständige Delegation der Europäischen Union. Gesprächspartner der Kommission von palästinensischer Seite kamen aus dem Landwirtschafts-, dem Gesundheits- und dem Innenministerium der Autonomiebehörde sowie aus dem Büro der Staatsanwaltschaft, dem Zentralbüro für Statistik und der Verwaltung von Ostjerusalem; darüber hinaus wurden aus den Reihen der PLO deren Hohe Nationale Kommission für Gefangenenangelegenheiten sowie deren Unterstützungsstelle für Verhandlungen kontaktiert. Außerdem konsultierte die Untersuchungskommission die Behörden von Gaza und aus dem Bereich der Vereinten Nationen etwa den Präsidenten des Menschenrechtsrates, den Sonderberichterstatter für das Recht auf Behausung, den Sonderberichterstatter für die Situation der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, das Büro des Koordinators für Humanitäre Angelegenheiten, den Kinderfond der Vereinten Nationen, die Stelle der Vereinten Nationen für Geschlechtergleichheit und die Verbesserung der Lage von Frauen, den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dessen Büro und das Sonderbüro in den besetzten palästinensischen Gebieten, die Hilfs- und Arbeitsagentur für palästinensische Flüchtlinge und die Weltgesundheitsorganisation. Daneben hatte die Kommission bei den Untersuchungen noch Kontakt zu verschiedenen Nichtregierungsorganisationen wie etwa Amnesty International, Human Rights Watch, der Internationalen Vereinigung Jüdischer Rechtsanwälte und Juristen, UN Watch oder dem Palästinensischen Zentrum für Frauenfragen sowie zu Experten aus den Bereichen Medizin, Militär und Völkerrecht. Ursprünglich hatte die Kommission erwogen, öffentliche Anhörungen durchzuführen, damit Opfer und Zeugen beider Seiten die Gelegenheit erhalten könnten, direkt gegenüber der internationalen Gemeinschaft über die Ereignisse zu berichten. Dieses Ansinnen wurde jedoch aus verschiedenen Gründen aufgegeben. Zu den Problemen der Kommission zählten die späte Funktionstüchtigkeit des Sekretariats der Kommission, der fehlende Zugang nach Gaza, nach Israel und in das Westjordanland, Hindernisse bei der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung von Gaza und die
3133 3134 3135
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 8. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 9. UN Doc. A/HRC/29/52 vom 24. Juni 2015, Annex II, S. 28 ff.
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Priorität, die man der eigentlichen Dokumentation von Verletzungen des Völkerrechts einräumte.3136 Ein besonderes Augenmerk wurde bei der Kommissionsarbeit auf die Auswirkungen des Konflikts auf Kinder und Frauen gelegt. Hierbei wurden insbesondere Kinderärzte befragt sowie internationale und lokale Organisationen, die mit Frauen in Gaza während der Kampfhandlungen zusammengearbeitet hatten.3137 Die Kommission untersuchte nicht alle Vorfälle während des Konflikts. Wegen des beschränkten Zugangs zum dem Konfliktgebiet, den beschränkten Ressourcen, mit denen die Kommission arbeiten konnte, sowie aufgrund des von der Kommission als kurz befundenen Zeitrahmens, der für die Untersuchung zur Verfügung stand, wählte die Kommission bestimmte Vorfälle zur Betrachtung aus. Bei dieser Auswahl ließ sich die Kommission von verschiedenen Kriterien leiten. Hierzu gehörten die Schwere der jeweils behaupteten Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes, der Zugang zu Zeugen, Opfern und weiteren Beweismitteln, die örtliche Belegenheit des jeweiligen Vorfalls und die Bedeutung, die einem Vorfall hinsichtlich seiner Geeignetheit zukam, Muster bei den behaupteten Verletzungen zu belegen.3138 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Die Untersuchungskommission legte zwei Versionen ihres Abschlussberichts vor, und zwar eine knappe3139 und eine ausführliche Version.3140 Aufgrund des höheren Informationsgehalts wird den folgenden Ausführungen nur die ausführliche Version des Berichts zugrunde gelegt. Der ausführliche Abschlussbericht der Untersuchungskommission umfasste insgesamt 685 Randnummern und war in acht Abschnitte unterteilt. Nach der Einführung3141 schlossen sich im zweiten Abschnitt3142 Ausführungen zum Mandat und zu der von der Kommission benutzten Methodik an. Im dritten Abschnitt3143 traf die Kommission Aussagen zu dem für die Untersuchung anwendbaren Recht. Der vierte Abschnitt war3144 dem historisch-politischen Kontext des Untersuchungsgegen3136
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 11 f. 3138 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 13. 3139 Report of the independent commission of inquiry established pursuant to Human Rights Council resolution S-21/1, UN Doc. A/HRC/29/52 vom 24. Juni 2015. 3140 Report of the detailed findings of the independent commission of inquiry established pursuant to Human Rights Council resolution S-21/1, UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015. 3141 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 1 ff. 3142 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 6 ff. 3143 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 22 ff. 3144 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 53 ff. 3137
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standes und der fünfte Abschnitt3145 den grundlegenden Erkenntnissen und Schlussfolgerungen der Kommission gewidmet. Im sechsten Berichtsabschnitt3146 wurde der Einfluss des Konflikts auf Israel und Gaza geschildert und der siebte Abschnitt3147 nahm Fragen der Verantwortlichkeit für Verletzungen des Völkerrechts auf. Im finalen achten Abschnitt3148 des Abschlussberichts der Untersuchungskommission waren schließlich deren abschließende Schlussfolgerungen und Empfehlungen niedergelegt. bb) Bei der Würdigung der Beweise benutzte die Untersuchungskommission alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen, wobei die Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit der jeweiligen Quellen geprüft wurden. Dabei maß die Kommission den Aussagen von Augenzeugen für die Untersuchung besonderes Gewicht zu, wobei berücksichtigt wurde, dass viele Befragungen nur mittels Videokonferenzen und Telefonaten durchgeführt werden konnten. Ebenso fand der Zeitraum Berücksichtigung, der zwischen der Aussage und dem jeweiligen Ereignis, auf das Bezug genommen wurde, vergangen war sowie die Möglichkeit, dass den Zeugen wegen ihrer Aussage Vergeltungsmaßnahmen drohen könnten. In vielen Fällen war es der Kommission aufgrund der Erschwernisse, unter denen sie ihre Tätigkeit verrichten musste, nicht möglich, die tatsächlichen Umstände eines bestimmten Vorfalles mit Gewissheit zu bestimmten.3149 Die Untersuchungskommission entschied, dass sie bei ihrer Tätigkeit die Opferzahlen zugrunde legen würde, die ihr vom UN Protection Cluster zur Verfügung gestellt worden waren. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der die humanitären Aktionen von verschiedenen humanitären Organisationen, sowohl aus dem Bereich der Vereinten Nationen als auch aus anderen Kontexten im Bereich der Schutzgewährung, koordiniert. Die vom UN Protection Cluster vorgelegten Zahlen entstammten dabei aus einer Auswahl von verschiedenen Quellen.3150 Hinsichtlich von Opferzahlen bei spezifischen Ereignissen führte die Kommission, wann immer ihr dies möglich war, eine Gegenkontrolle mit Zeugenaussagen einerseits und Opferlisten, die von anderen Quellen zur Verfügung gestellt wurden, andererseits durch. Als besonderes Problem stellte sich hierbei heraus, dass in einer Anzahl von Fällen viele Angehörige derselben Familie unter den Opfern waren, wobei diese oftmals äußerst ähnliche Namen trugen und auch Kinder des annähernd gleichen Alters zu den Opfern zählten. Dies machte die genaue Feststellung der Opferzahlen in diesen Fällen äußerst schwierig. Ebenso erschwerte entsprechende Feststellungen, dass in vielen Fällen die Personen durch einen Angriff schwer ver3145 3146 3147 3148 3149 3150
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 59 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 551 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 601 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 668 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 15. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 16.
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wundet wurden und erst später, nämlich auf dem Weg zu medizinischer Versorgung, ihren Verletzungen erlangen.3151 Bezüglich der Bestimmung der Waffen, die bei den verschiedenen Vorfällen eingesetzt worden waren, stellte sich die Kooperationsverweigerung durch Israel erneut als großes Problem dar, da es der Untersuchungskommission so unmöglich gemacht wurde, die Schauplätze der Vorfälle zu besuchen und damit die angerichteten Zerstörungen zu begutachten. Daher musst sich die Kommission damit begnügen, Zeugenaussagen zu diesen Fragen zu hören und Fotografien, die sie aus verschiedenen Quellen erhalten hatte, zu studieren, die Verletzungen, Zerstörungen und Überreste zeigten. Zusätzlich sah die Kommission öffentlich zugängliche Quellen ein, um sich über verschiedene Waffen, die Art ihrer Abfeuerung und die Auswirkungen ihres Einsatzes zu informieren. Alle zur Verfügung stehenden Informationen wurden zudem von einem Experten für militärische Fragen überprüft, der in seiner militärischen Karriere weitreichende Kommando- und Einsatzerfahrung gesammelt hatte. Dieser Experte sollte bei der Feststellung helfen, welche Arten von Waffen am wahrscheinlichsten in dem Konflikt benutzt worden waren, und ob diese Waffen auf der Grundlage der damaligen taktischen Situation vernünftiger Weise eingesetzt worden seien.3152 Als Beweisstandard für das tatsächliche Vorliegen eines bestimmten Ereignisses nahm die Untersuchungskommission an, dass ein „reasonable ground“ vorliegen müsse, um das Geschehen eines Vorfalles zu belegen. Dies bedeutete nach Auffassung der Kommission, dass sie auf der Grundlage von zuverlässigen und widerspruchsfreien Informationen überzeugt seien müsse, dass „a reasonable and ordinarily prudent person would have reason to believe that such an incident or pattern of conduct had ocurred“. Die Bewertung jedes Falles bestand dabei aus zwei Elementen. Erstens wurde die Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit der Quelle beurteilt, wobei die Natur der jeweiligen Quelle, ihre Objektivität und die Qualität zuvor zur Verfügung gestellter Informationen sowie die Methodik, welche die Quelle zur Erlangung der jeweiligen Information angewendet hatte, als Evaluationspositionen in die Bewertung eingestellt wurden. Zweitens wurden die Validität und der Wahrheitsgehalt der eigentlichen Information geprüft. Dies geschah oftmals durch eine Gegenkontrolle von Zeugenaussagen einerseits und fotografischen Beweisen oder anderen Materialien, die von anderen Quellen zur Verfügung gestellt wurden und den gleichen Vorfall betrafen, andererseits.3153 Die Kommission bemerkte hinsichtlich des Beweisstandards in ihrem Abschlussbericht zudem, dass sie sich darüber bewusst sei, dass der von ihr angelegte Maßstab niedriger sei als derjenige, der in der Strafgerichtsbarkeit benutzt werde. Daher habe sie auch keine Schlussfol-
3151 3152 3153
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 17. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 18. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 19.
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gerungen über die Verantwortlichkeit von spezifischen Individualpersonen für die Begehung von behaupteten Verletzungen des Völkerrechts gezogen.3154 cc) Hinsichtlich des in einem bewaffneten Konflikt anwendbaren Rechts, nahm die Kommission eine intensive Prüfung in Bezug auf das humanitäre Völkerrecht, die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes und das Völkerstrafrecht vor.3155 Bezüglich der Bindung von Israel an das humanitäre Völkerrecht stellte die Kommission fest, dass Israel Partei der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 und des dritten Zusatzprotokolls von 2005 hierzu sei. Israel habe allerdings nicht das erste und das zweite Zusatzprotokoll von 1977 unterzeichnet. Als weitere völkervertraglich relevante Bindungen Israels stellte die Kommission solche an die Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können von 1980 und an das erste und zweite Protokoll hierzu über nicht entdeckbare Splitter beziehungsweise über Landminen, Sprengfallen und andere Vorrichtungen fest. Zudem habe Israel zwar nicht die beiden Zusatzprotokolle ratifiziert, jedoch akzeptiere Israel gewisse der darin enthaltenen Vorschriften als korrekte Reflektionen geltenden Völkergewohnheitsrechts. Ähnliches wurde von der Kommission in Bezug auf das IV. Haager Abkommen über den Landkrieg sowie die zugehörige Haager Landkriegsordnung von 1907 angenommen. Israel sei zwar keine Partei des Abkommens, jedoch habe der Staat dessen Regeln als geltendes Völkergewohnheitsrecht akzeptiert.3156 Hinsichtlich der Frage, ob Gaza ein durch Israel besetztes Gebiet gemäß Artikel 42 der Haager Landkriegsordnung respektive nach gleichlautendem Völkergewohnheitsrecht sei, stellte sich die Kommission, trotz des Fehlens von Besatzungstruppen im Gazastreifen, auf den Standpunkt, dass ein solches Territorialstatut geben sei und daher Israel die besatzungsrechtlichen Regelungen des einschlägigen Völkergewohnheits- und Völkervertragsrechts zu befolgen habe.3157 In Bezug auf die humanitär-völkerrechtlichen Bindungen des „Staates Palästina“ nahm die Kommission zur Kenntnis, dass dieser am 2. April 2014 den vier Genfer Abkommen von 1949, den beiden ersten Zusatzprotokollen hierzu und dem IV. Haager Abkommen über den Landkrieg von 1907 nebst der Haager Landkriegsordnung als Partei beigetreten sei sowie dem dritten Zusatzprotokoll zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 2005, der Konvention über das Verbot bestimmter konventioneller Waffen von 1980 und dem ersten und dritten Zusatzprotokoll hierzu sowie der Konvention über Streumunition von 2008 im frühen Januar 2015.3158 Hinsichtlich des Völkergewohnheitsrechts stellte die Kommission
3154 3155 3156 3157 3158
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 20. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 22. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 24 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 25. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 32.
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schließlich eine Bindung sowohl Israels als auch der palästinensischen Gruppen an die für sie jeweils einschlägigen Regeln fest.3159 Die Untersuchungskommission stellte hinsichtlich der Bindung Israels an die international geschützten Menschenrechte fest, dass der Staat Partei der Internationalen Konvention über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention gegen Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, der Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau, der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Konvention hinsichtlich der Rechte des Kindes sei. Zudem habe Israel die Fakultativprotokolle zur zuletzt genannten Konvention über die Beteiligung von Kinder in bewaffneten Konflikten sowie über die Rechte von Kindern bezüglich des Verkaufs von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie ratifiziert.3160 Die Untersuchungskommission wies dabei die Position Israels zurück, dass Menschenrechte in militärisch besetzten Gebieten keine Anwendung finden würden, da vertraglich gewährte Menschenrechte nicht extraterritorial anwendbar seien und humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stünden. Vielmehr sei Israel auch in den von ihm besetzten Palästinensergebieten an die Menschenrechte gebunden, die denjenigen völkerrechtlichen Verträgen entspringen würden, die Israel ratifiziert habe.3161 Hinsichtlich des „Staates Palästina“ stellte die Untersuchungskommission fest, dass dieser am 2. April 2014 dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Konvention über die Rechte des Kindes, der Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau, der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Konvention gegen Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie am 7. April 2014 dem Fakultativprotokoll zur Konvention über die Rechte des Kindes hinsichtlich der Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten sei. Die Kommission erkannte zudem die schwierige physische, rechtliche und politische Lage an, in der sich der „Staat Palästina“ befände; dies könne von Relevanz für die Befolgung der menschenrechtlichen Verpflichtungen seien.3162 Hinsichtlich des anwendbaren Völkerstrafrechts nahm die Untersuchungskommission keine wirkliche Fixierung der im Falle des Gaza-Konflikts anwendbaren Rechtsregeln vor, sondern verwies lediglich darauf, dass sich internationale Verbrechen sowohl im Völkergewohnheitsrecht als auch im Völkervertragsrecht nie-
3159 3160 3161 3162
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 33 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 38. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 39 ff. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 43 ff.
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dergelegt fänden.3163 Im Abschlussbericht der Kommission folgt dieser Ausführung eine Kurzbeschreibung von völkerstrafrechtlichen Standards im Bereich der Kriegsverbrechen und der individuellen Verantwortlichkeit nach Völkerstrafrecht.3164 Immerhin konnte die Kommission noch feststellen, dass der „Staat Palästina“ dem Römischen Statut über den Internationalen Strafgerichtshof am 2. Januar 2015 beigetreten sei, wobei das Statut seit dem 1. April 2015 für „Palästina“ in Kraft getreten sei; zudem habe der Internationale Strafgerichtshof am 1. Januar 2015 eine Erklärung erhalten, worin sich „Palästina“ der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs seit dem 13. Juni 2014 unterwerfen würde. Abschließend wies die Kommission noch darauf hin, dass die Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs am 16. Januar 2015 angekündigt habe, vorläufige Untersuchungen der Situation in Palästina aufzunehmen, um zu klären, ob die Kriterien für eine (Haupt-)Untersuchung nach dem Statut des Gerichtshofs gegeben seien.3165 dd) Die Untersuchungskommission kam in ihren finalen Schlussfolgerungen zu dem Ergebnis, dass die von ihr gesammelten Informationen zu dem israelisch-palästinensischen Konflikt im Sommer 2014 auf schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte sowohl durch Israel als auch durch bewaffnete palästinensische Gruppen hindeuten würden. In einigen dieser Fälle könne es sich um Kriegsverbrechen handeln.3166 Hinsichtlich der Rolle Israels in dem Konflikt zeigte sich die Untersuchungskommission besorgt über die Straflosigkeit, die in Bezug auf Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes durch die Streitkräfte herrsche. Israel müsse mit den entsprechenden Praktiken brechen, um Gerechtigkeit für die Opfer herzustellen und Wiederholungen zu vermeiden.3167 Fragen würde sich auch in Bezug auf hochrangige israelische Führungskräfte ergeben, die die Militärpolitik in einigen von der Kommission aufgezeigten Bereichen bestimmen würden. Dies schließe insbesondere die Angriffe der israelischen Selbstverteidigungsstreitkräfte auf Wohngebäude, die Nutzung von Artillerie und anderen Explosivwaffen mit großen Streueffekten in dicht bewohnten Gebieten, die Zerstörung ganzer Stadtteile in Gaza und die regelmäßige Verwendung scharfer Munition, vor allem in Situation der Kontrolle von Menschenmengen, ein. In vielen Fällen hätten einzelne Soldaten möglichweise diese Politiken befolgt, allerdings würde möglicherweise auch die Politik als solche bereits eine Verletzung des Kriegsrechts bedeuten.3168 Zudem hätte die Untersuchung der Kommission auch das 3163
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 47. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 47 ff. 3165 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 52. Die Ankündigung der Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs ist enthalten in: ICC Doc. ICC-OPT-20150116RP1083 vom 16. Januar 2015. 3166 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 668. 3167 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 670. 3168 UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 671. 3164
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Problem aufgeworfen, dass es die israelischen staatlichen Stellen versäumt hätten, in dem untersuchten Zeitraum ihre Politiken in Bezug auf Gaza und das Westjordanland zu überarbeiten. Die Tatsache, dass die politische und militärische Führung, trotz des Bekanntwerdens von Informationen, in denen über hohe Opferzahlen und große Zerstörungen in Gaza berichtet worden sei, keine Maßnahmen zur Verhinderung solcher Ergebnisse getroffen habe, würde die Frage nach möglichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch diese Führungspersonen aufwerfen. Bei diesen Rechtsverletzungen könne es sich um Kriegsverbrechen handeln. Die bestehenden Verantwortlichkeitsmechanismen seien zur Beantwortung dieser Frage allerdings nicht ausreichend.3169 Hinsichtlich der Rolle der palästinensischen bewaffneten Gruppen in dem Konflikt vom Sommer 2014 zeigte sich die Untersuchungskommission sehr besorgt darüber, dass Projektile von diesen Gruppen in Richtung Israel abgefeuert worden seien. Mit diesen Projektilen sei auf israelische Zivilisten gezielt worden, was eine Verletzung des humanitären Völkerrechts bedeuten würde und möglicherweise ein Kriegsverbrechen sei. Zudem stellte die Kommission eine erhöhte Angst unter israelischen Zivilisten aufgrund der Nutzung von Tunneln durch die militanten palästinensischen Gruppen fest. Außerdem verurteilte die Kommission die außerrechtlichen Tötungen von Personen, die man als Kollaborateure verdächtigte; hierbei handele es sich um ein Kriegsverbrechen.3170 In Bezug auf die palästinensischen Behörden traf die Kommission die Feststellung, dass diese es versäumt hätten, Tätern von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Zudem zeigte sich die Kommission besorgt darüber, dass die anhaltende politische Spaltung der Palästinenser signifikant dazu beigetragen habe, Gerechtigkeit für die Opfer von Rechtsverletzungen durch palästinensische bewaffnete Gruppen zu verhindern. Das Nichtvorhandensein von Mitteln zur Aufnahme von Strafverfahren gegen mögliche Täter stelle die Behauptung der palästinensischen Stellen in Frage, Verantwortlichkeit für diese Personengruppe erreichen zu wollen.3171 ee) Bezüglich auszusprechender Empfehlungen stellte die Untersuchungskommission zunächst fest, dass die fehlende Umsetzung von Empfehlungen, die durch frühere Untersuchungskommissionen, Fact-Finding-Missionen, ständige Gremien der Vereinten Nationen zur Überwachung menschenrechtlicher Verträge, Sonderberichterstatter und andere Gremien abgegeben worden seien, ein Kernproblem der systematischen Wiederholungen von Völkerrechtsverletzungen sowohl in Israel als auch in den besetzten palästinensischen Gebieten wären. Diese Vielzahl an Empfehlungen vor Augen habend, verzichtete die Kommission darauf, eine erschöpfende Liste mit Empfehlungen zu erstellen, da in einer solchen Liste vielfach nur Wiederholungen enthalten seien könnten. Zudem rief die Kommission alle Beteiligten 3169 3170 3171
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 672. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 673. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 674.
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dazu auf, die Empfehlungen der bezeichneten anderen Gremien ohne Verzögerung zu implementieren, um eine Krise wie im Sommer 2014 in der Zukunft zu verhindern.3172 Einige Empfehlungen gab die Kommission allerdings doch ab. Alle Parteien des Konflikts wurden zunächst dazu aufgerufen, das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte vollständig zu respektieren, einschließlich der wichtigsten Prinzipien der Unterscheidung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorsicht. Zudem sollten sofort glaubwürdige, transparente und unabhängige Verantwortlichkeitsmechanismen geschaffen werden und das Recht aller Opfer auf effektive Rechtsbehelfe, einschließlich vollständiger Reparationen, müsse ohne weitere Verzögerung gesichert werden. In diesem Rahmen sei auch eine Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof notwendig.3173 Israelis und Palästinenser wurden außerdem aufgerufen, politische Führungsqualitäten zu beweisen, indem davon Abstand genommen würde, die jeweils andere Seite zu entmenschlichen und indem aktive Schritte unternommen würden, um entsprechende Äußerungen zu verhindern.3174 Die Kommission rief die israelische Regierung dazu auf, eine tiefgreifende, transparente, objektive und glaubwürdige Überprüfung der Politiken im Bereich militärischer Operationen und von „law enforcement“-Aktivitäten im Hinblick auf Besatzungssituationen durchzuführen, um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu gewährleisten. Dies solle etwa im Hinblick auf die Verwendung von Explosivmunition mit großer Streuwirkung in dicht bevölkerten Gebieten, auf die Definition militärischer Ziele, auf die Taktik des Zielens auf Wohngebäude, auf die Effektivität von Vorsichtsmaßnahmen, auf den Schutz von Zivilisten, auf den Grundsatz der Unterscheidung sowie auf den Einsatz von scharfer Munition in Situationen der Kontrolle von Menschenmengen geschehen.3175 Zudem solle die Politiküberprüfung Mechanismen zur regelmäßigen Überprüfung der Respektierung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte während militärischer Operationen und im Zuge von „law enforcement“-Aktivitäten im Kontext der Besatzung ins Auge fassen.3176 Weiterhin wurde der israelischen Regierung empfohlen, bei eigenen Ermittlungen die internationalen Menschenrechtsstandards einzuhalten und bei begründeten Vorwürfen von internationalen Verbrechen für entsprechende Anklagen, für Strafverfolgung und für Verurteilungen zu sorgen, bei denen die Strafe dem Verbrechen angemessen sein müsse. Zudem dürften entsprechende Untersuchungen nicht nur einzelne Soldaten treffen, sondern müssten auch Mitglieder des politischen und des militärischen Establishments einschließen. Außerdem solle das Territorium Israels und der besetzten Palästinensergebiete für internationale Menschenrechtsgremien und Nichtregierungsorganisationen, die mit 3172 3173 3174 3175 3176
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 676. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 677. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 678. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 679. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 680.
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Untersuchungen der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen befasst seien, sowie für jeden anderen Mechanismus, der vom Menschenrechtsrat in Folge des Berichts der Kommission etabliert würde, geöffnet werden. Auch seien eine Reihe von strukturellen Fragen anzugehen, die den Konflikt angefacht und einen negativen Einfluss auf eine Reihe von Menschenrechten, einschließlich des Selbstbestimmungsrechts der Völker, gehabt hätten. Hierzu gehöre die Aufhebung der Blockade von Gaza und die Beendigung von Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten. Letztlich wurde der Regierung Israels noch nahegelegt, dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs beizutreten.3177 Der „Staat Palästina“ wurde von der Untersuchungskommission insbesondere aufgerufen, sicherzustellen, dass Ermittlungen hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, einschließlich internationaler Verbrechen, durch die Palästinensische Autonomiebehörde, die Behörden von Gaza und durch bewaffnete palästinensische Gruppen internationalen Menschenrechtsstandards genügen müssten und dass vollständige Verantwortlichkeit für diese Rechtsverletzungen, einschließlich der Durchführung von Strafverfahren, erreicht werden müsse.3178 Die Behörden von Gaza und die bewaffneten palästinensischen Gruppen wurden von der Kommission aufgerufen, die humanitär-völkerrechtlichen Grundsätze der Unterscheidung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorsicht zu respektieren. Hierzu sollten alle Angriffe auf israelische Zivilisten und zivile Objekte sowie alle Raketenangriffe und andere Aktionen die geeignet seien, Terror unter der israelischen Zivilbevölkerung zu verbreiten, beendet werden. Außerdem sollten Maßnahmen ergriffen werden, um außerrechtliche Tötungen, Folter sowie grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen zu verhindern. Dabei solle mit nationalen Ermittlern zusammengearbeitet werden, um diejenigen Personen, die für Völkerrechtsverstöße verantwortlich seien, der Gerechtigkeit zuzuführen.3179 Die internationale Gemeinschaft wurde von der Untersuchungskommission aufgerufen, die Einhaltung und die Respektierung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in den besetzten palästinensischen Gebieten zu fördern sowie ihren Einfluss zu nutzen, um weitere Völkerrechtsverstöße zu verhindern beziehungsweise zu beenden und davon Abstand zu nehmen, die Parteien hinsichtlich solcher Verstöße zu bestärken. Weitere Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft gingen zum einen dahin, Rechts- und Politikstandards zu entwickeln, die den Einsatz von Explosivwaffen mit großer Streuwirkung in bewohnten Gegenden beschränken könnten, sowie zum anderen dahin, die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf die besetzten palästinensischen Gebiete aktiv zu unterstützen. Im nationalen Raum sollten zudem – auf dem Weltrechtsprinzip basierend – internationale Verbrechen durch die nationalen Gerichte verfolgt werden 3177 3178 3179
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 681. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 682. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 683.
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und es solle Auslieferungsersuchen für solche Verbrechen nachgekommen werden.3180 Letzter Adressat der Empfehlungen der Untersuchungskommission war der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Diesem wurde geraten, eine vollständige Überprüfung der Implementierung der vielen Empfehlungen an die Parteien im israelisch-palästinensischen Konflikt durchzuführen und Mechanismen zur Sicherung der Implementierung zu ergründen.3181
27. Menschenrechtslage in Burundi (I) a) Historischer Hintergrund In den 1990er Jahren herrschte in dem afrikanischen Staat Burundi ein Bürgerkrieg, in den sowohl der burundische Staat als auch bewaffnete Kräfte aus den Bevölkerungsgruppen der Hutu und der Tutsi sowie ausländische militante Gruppierungen verwickelt waren.3182 Der Bürgerkrieg wurde durch den Abschluss des Arusha Abkommens über Frieden und Versöhnung vom 28. August 20003183 beendet. Das Abkommen, das unter der Vermittlung des Präsidenten von Tansania, Julius Nyerere, zustande gekommen war, beinhaltete vier Punkte. Erstens war eine Machtteilung in der Politik auf der Grundlage von vereinbarten Quoten zwischen den ethnischen Gruppen des Landes vorgesehen. Zweitens sollten alle ethnischen Gruppen des Landes in der Staatsverwaltung repräsentiert sein. Drittens sollten verfassungsrechtliche Beschränkungen installiert werden, um eine zu große Machtkonzentration bei einer Partei zu verhindern. Viertens waren Wege vorgesehen, um frühere Rebellen und Angehörige von Minderheiten in die burundischen Streitkräfte zu integrieren. Das Arusha Abkommen konnte die schwierige politische Situation in Burundi aber nicht dauerhaft beruhigen. Ab dem Frühjahr 2015 führte eine Staatskrise in dem Land zu massiver Gewalt. Auslöser war die Ankündigung der Regierungspartei Conseil National Pour la Défense de la Démocratie – Forces pour la Défense de la Démocratie, dass der amtierende Präsident des Staates, Pierre Nkurunziza, bei der Präsidentschaftswahl im Sommer 2015 zum dritten Mal antreten werde. Die Bekanntgabe der Kandidatur führte zu massiven Protesten oppositioneller Kräfte. Es 3180
UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 684. UN Doc. A/HRC/29/CRP.4 vom 24. Juni 2015, Rn. 685. 3182 Hierzu und zum Folgenden Stef Vandeginste, African Affairs 114 (2015), S. 624 ff.; Nina Wilén, Georgetown Journal of International Affairs 17/1 (2016), S. 69 ff.; Bundeszentrale für politische Bildung, Burundi vom 20. April 2018, abrufbar unter: https://www.bpb.de/interna tionales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/212902/burundi (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 3183 Das Abkommen ist abrufbar unter: https://peacemaker.un.org/sites/peacemaker.un.org/ files/BI_000828_Arusha%20Peace%20and%20Reconciliation%20Agreement%20for%20Bu rundi.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 3181
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kam sogar zu einem Putsch, der allerdings erfolglos blieb. Die Wahl fand statt, das bisherige Regime konnte sich dabei durchsetzen. Vor und nach der Wahl kam es zu massiver Gewalt, bei der mehrere tausend Menschen starben und über 400.000 Menschen in die Nachbarstaaten Burundis flohen. Was zu Beginn noch als Gewalt zwischen Polizei und Demonstranten bezeichnet werden konnte, nahm immer mehr die Form eines größeren Konflikts an. Eine tragende Rolle spielte bei den Gewaltakten die Jugendorganisation Imbonerakure der Regierungspartei. Neben der Gewalt kam es auch zu Inhaftierungen und dem Verschwinden von Oppositionellen und Journalisten. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete am 29. Juli 2016 mit elf Ja-Stimmen und vier Enthaltungen die Resolution 2303 (2016).3184 In der Resolution wurden die Regierung von Burundi und alle anderen Parteien nachdrücklich aufgefordert, alle Arten von Gewalt zu verurteilen und nicht öffentlich zu Gewalt oder Hass aufzurufen. Zudem sollten alle Parteien von jeder Aktion Abstand nehmen, die den inner-burundischen Dialog gefährden könne.3185 Die burundische Regierung wurde zudem dazu angehalten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu respektieren, zu schützen und zu garantieren, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und alldiejenigen Personen der Gerechtigkeit zuzuführen, die für Verbrechen verantwortlich seien.3186 Außerdem solle die Regierung gänzlich mit dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zusammenarbeiten.3187 Zudem wurde der Wille des Sicherheitsrates zum Ausdruck gebracht, gegen diejenigen Akteure, die den Frieden und die Sicherheit in Burundi gefährdeten, gezielte Sanktionen zu verhängen.3188 Die Resolution beinhaltete auch Details zu dem innerburundischen Dialog. So rief der Sicherheitsrat die Regierung und alle Beteiligten, die an einer friedlichen Lösung der Krise in Burundi interessiert seien, dazu auf, aktiv, konstruktiv und dringend an dem Projekt des inner-burundischen Dialogs, welcher von der Ostafrikanischen Gemeinschaft geführt und von der Afrikanischen Union befürwortet werde, teilzunehmen.3189 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen solle, durch die Guten Dienste seines politischen Beraters, den inner-bu3184 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016. Für die Resolution stimmten: Frankreich, Japan, Malaysia, Neuseeland, Russische Föderation, Senegal, Spanien, Ukraine, Uruguay, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Ägypten, Angola, China und Venezuela, vgl. UN Doc. S/PV.7752 (provisional) vom 29. Juli 2016, S. 2. 3185 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 1 des operativen Teils der Resolution. 3186 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 2 des operativen Teils der Resolution. 3187 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 4 des operativen Teils der Resolution. 3188 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 5 des operativen Teils der Resolution. 3189 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 6 des operativen Teils der Resolution.
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rundischen Dialog unterstützen.3190 Die regionale Staatengemeinschaft wurde dazu aufgefordert, zur Lösung der Krise in Burundi beizutragen und von jeder Art der Einmischung Abstand zu nehmen.3191 Zudem wurde die Regierung von Burundi dazu gedrängt, sich mit der Afrikanischen Union über die Entsendung von jeweils 100 Menschenrechtsberatern und 100 Militärexperten nach Burundi abzustimmen, wobei sowohl die Regierung als auch die übrigen Beteiligten mit den Beratern und Experten gänzlich zusammenarbeiten sollten.3192 Letztlich wurde der Generalsekretär der Vereinten Nationen noch ersucht, für zunächst ein Jahr, eine Polizeikomponente der Vereinten Nationen nach Burundi zu entsenden, die die Sicherheitslage sondieren und das Büro der Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte darin unterstützen solle, Menschenrechtsverletzungen zu beobachten.3193 b) Einsetzung der Kommission Im Angesicht der Gewalt in Burundi forderte der Ständige Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Menschenrechtsrat in einer Verbalnote vom 11. Dezember 2015 die Abhaltung einer Sondersitzung.3194 Dieses Anliegen wurde von einer Reihe von Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrates, namentlich von Albanien, Argentinien, Deutschland, El Salvador, Estland, Frankreich, Ghana, Irland, Japan, Lettland, Mazedonien, Mexiko, Montenegro, den Niederlanden, von Portugal, Südkorea und dem Vereinigten Königreich unterstützt. Außerdem erfuhr die Einberufung einer Sondersitzung Unterstützung durch eine Reihe von Staaten mit Beobachterstatus im Menschenrechtsrat, namentlich von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Italien, Kolumbien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Malta, Monaco, Norwegen, Österreich, Panama, Polen, Rumänien, der Slowakei, von Slowenien, Ungarn, Schweden, Spanien, der Tschechischen Republik und Zypern.3195 Auf der 24. Sondersitzung des Menschenrechtsrates wurde am 17. Dezember 2015 im Konsens die Resolution S-24/1 über die Verhinderung der Verschlechterung
3190 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 7 des operativen Teils der Resolution. 3191 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution. 3192 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 10 des operativen Teils der Resolution. 3193 UN Doc. S/RES/2303 (2016) vom 29. Juli 2016, Abs. 13 ff. des operativen Teils der Resolution. 3194 Die Verbalnote ist abrufbar unter: http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/ HRCouncil/SpecialSession/Session24/NV24th_special_session.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 3195 UN Doc. A/HRC/S-24/1 vom 14. Dezember 2015, S. 2.
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der Lage der Menschenrechte in Burundi angenommen.3196 Zur Durchführung einer Untersuchung hieß es in der Resolution: „17. Requests the United Nations Commissioner for Human Rights to urgently organize and dispatch on the most expeditious basis possible a mission by independent existing experts: (a) To undertake swiftly an investigation into violations and abuses of human rights with a view to preventing further deterioration of the human rights situation; (b) To make recommendations on the improvement of the human rights situation and on technical assistance to support reconciliation and the implementation of the Arusha Agreement; (c) To engage with the Burundian authorities and all other relevant stakeholders, including United Nations agencies, civil society, refugees, the field presence of the Office of the High Commissioner in Burundi, authorities of the African Union, and the African Commission on Human and People’s Rights, in particular with a view to help the State to fulfil its human rights obligations, to ensure accountability for human rights violations and abuses, including by identifying alleged perpetrators, to adopt appropriate transitional justice measures and to maintain the spirit of the Arusha Agreement; (d) To ensure the complementarity and coordination of this effort with other efforts of the United Nations, the African Union and other appropriate regional and international entities, drawing on the expertise of the African Union and the African Commission on Human and People’s Rights to the extent practicable; (e) To have a representative of the experts issue an oral update and participate in an enhanced interactive dialogue on the human rights situation in Burundi at the thirty-first session of the Human Rights Council, and to issue a final report and participate in an enhanced interactive dialogue on the Human Rights situation in Burundi at the thirty-third session; 18. Requests that the Office of the High Commissioner be provided with all necessary resources to fulfil this mandate.“
Im Januar 2016 wurden durch den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte die drei unabhängigen Experten benannt, welche die Untersuchung in Burundi durchführen sollten. Zum Vorsitzenden der Expertengruppe wurde Christof Heyns aus Südafrika gewählt, der zu diesem Zeitpunkt das Amt des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen innehatte. Eine weitere Expertin war Maya Sahli-Fadel aus Algerien, die zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker war und zudem im Rahmen der Kommission das Amt der Sonderberichterstatterin für Flüchtlinge, Asylsuchende, Migranten und Binnenvertriebene ausübte. Die Expertengruppe wurde durch Pablo de Greiff aus Kolumbien vervollständigt, der zum Zeitpunkt seiner Benennung auch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Förderung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Reparationen und Garantien der Nichtwiederholung war.3197 3196
UN Doc. A/HRC/RES/S-24/1 vom 22. Dezember 2015. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 3. Dort auch der Hinweis, dass die Experten die Untersuchung als eine gemeinsame Unternehmung der Vereinten Nationen 3197
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Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte stellte den Experten ein Sekretariat zur Verfügung, um die Untersuchung zu unterstützen. Dieses setzte sich aus fünf Mitarbeitern des Büros mit Expertise im Bereich der Menschenrechte zusammen. Seinen Sitz hatte das Sekretariat für den Zeitraum der Untersuchung in Bujumbura.3198 c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchung wurde durch einen Brief des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 11. Januar 2016 an die Regierung von Burundi eingeleitet. Hierin informierte das Büro die Regierung über die Einsetzung der Expertengruppe, die als United Nations Independent Investigation on Burundi bezeichnet wurde. Außerdem wurde die Durchführung von vier Besuchen der Experten in Burundi vorgeschlagen sowie die Entsendung einiger Beobachter.3199 Da die burundische Regierung auf das erste Ersuchen um einen Besuch der Expertengruppe in Burundi nicht geantwortet hatte, sah die Expertengruppe zunächst von einem Besuch des Landes ab. Allerdings konnten die Experten im Anschluss Burundi zweimal, nämlich vom 1. bis zum 8. März 2016 und dann noch einmal vom 13. bis zum 17. Juni 2016, besuchen. Der dritte Besuch sollte eigentlich im September 2016 stattfinden, wurde dann jedoch aus Sicherheitsgründen abgesagt.3200 Während der Zeit der Untersuchung erstattete der Vorsitzende der Expertengruppe dem Menschenrechtsrat am 22. April 2016 ein mündliches Update, wie dies im siebzehnten Absatz der Resolution S-24/1 unter lit. e) gefordert war.3201 Die Expertengruppe konnte während ihrer Untersuchung der Menschenrechtslage in Burundi 227 Befragungen durchführen. Gesprächspartner waren dabei etwa Regierungsbeamte, Politiker und Mitglieder der Zivilgesellschaft aus der Hauptstadt Bujumbura sowie aus den Städten Makamba und Gigeta. Zudem besuchten die Experten auch vier Nachbarstaaten Burundis, nämlich die Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Tansania und Uganda. Dort wurden unter anderem 182 burundische Flüchtlinge befragt, die in diesen Staaten Zuflucht gesucht hatten. Nach einem Aufruf im Internet erhielt die Expertengruppe insgesamt 57 Eingaben. Zudem konnte noch weiteres relevantes Material gesichtet werden, insbesondere Berichte der Vereinten Nationen sowie von internationalen und nationalen Menschenrechtsorganisationen.3202
und der Afrikanischen Union ansahen, da sich die Gruppe aus Mandatsträgern beider Organisationen zusammensetzte. 3198 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 6. 3199 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 4. 3200 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 5. 3201 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 7. 3202 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 11.
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Die Untersuchung konnte von der Expertengruppe zum Teil nur unter erheblichen Schwierigkeiten durchgeführt werden. Neben dem Ausfall von zwei Vor-Ort-Terminen in Burundi kam es zudem zu einer Reihe von Problemen hinsichtlich von Aussagen, denn einige Opfer und Zeugen fürchteten Repressionen. Zudem nahmen die Experten bei ihrer Tätigkeit in Burundi in einigen Fällen davon Abstand, geplante Ortsbesuche durchzuführen, um Zeugen und Opfer zu schützen. Dies war deshalb erforderlich, weil den Experten berichtet worden war, dass sich an diesen Orten Mitglieder des burundischen Geheimdienstes und der Jugendorganisation der regierenden Partei aufhalten würden. Während die Kontakte der Experten zu den Regierungsbeamten zu Beginn der Untersuchung relativ gut gewesen waren, verschlechterten sich diese Kontakte im Verlauf der Nachforschungen.3203 Einige Regierungsbeamte äußerten sich gegenüber den Experten dahingehend, dass sie nicht in der Position seien, um auf die ihnen gestellten Fragen zu antworten; es bestünde allerdings die Möglichkeit einer späteren schriftlichen Einlassung. Am 19. Juli 2016 richteten die Experten einen Brief an die burundische Regierung, in dem der Regierung spezifische Fragen gestellt wurden; weitere Fragen folgten am 1. September 2016. In letzterem Schreiben wurde zudem technische Unterstützung bei der Dokumentation von Massengräbern angeboten. Als Antwort auf ihre Ersuchen erhielt die Expertengruppe nur ein pauschales Abstreiten aller gegen die Regierung erhobenen Vorwürfe.3204 Zum Ende ihrer Untersuchungstätigkeit ersuchte die Expertengruppe den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dessen Büro als Repositorium der Archive der Gruppe diente, darum, bei Bedarf, und für den Fall, dass Vertraulichkeit und Schutz gewahrt würden, Informationen der Untersuchung einschlägigen Verantwortlichkeitsmechanismen, auf deren Ersuchen hin, zugänglich zu machen. Zudem sollte mit solchen Mechanismen eine Liste geteilt werden, welche die Expertengruppe vorbereitet hatte und die Namen von Personen beinhaltete, die durch Zeugen und Opfer wiederholt im Zusammenhang mit groben Menschenrechtsverstößen genannt worden seien.3205 d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Expertengruppe3206 umfasste 164 Randnummer und war in sieben Abschnitte untergliedert. Den ersten Abschnitt3207 bildete die Einleitung, in der die Untersuchung und deren Umstände beschrieben wurden. Im zweiten 3203
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 8. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 9. 3205 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 7. 3206 Report of the United Nations Independent Investigation on Burundi (UNIIB) established pursuant to Human Rights Council Resolution S-24/1, UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016. 3207 UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 1 ff. 3204
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Abschnitt3208 wurde von der Gruppe knapp die von ihr angewendete Methodik beschrieben. Der dritte Abschnitt3209 war dem rechtlichen Rahmen der Untersuchung gewidmet. Der Hintergrund der Krise in Burundi wurde im vierten Abschnitt3210 erläutert. Im fünften Abschnitt3211 gab die Expertengruppe ihre Ergebnisse in Bezug auf einzelne menschenrechtliche Problemlagen wieder, insbesondere in Bezug auf willkürliche Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Folter und andere unmenschliche Behandlungen, sexuelle und geschlechtsbasierte Gewalt, exzessive Anwendung von Gewalt, willkürliche und rechtwidrige Verhaftungen sowie Massenverhaftungen, wirtschaftliche und soziale Rechte, Äußerungs- und Versammlungsfreiheit sowie auch im Hinblick auf burundische Flüchtlinge im Ausland und auf Binnenvertriebene. Der sechste Berichtsabschnitt3212 handelte vom Versagen der verschiedenen Verantwortlichkeitsmechanismen, etwa von Gerichten und diversen Kommissionen, während der Krise. Im siebten und letzten Abschnitt3213 des Berichts hatte die Expertengruppe ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen niedergelegt. bb) Die Expertengruppe benannte als Rechtsrahmen für ihre Tätigkeit die anwendbaren Standards aus den Bereichen des internationalen Menschenrechtsschutzes, des Völkerstrafrechts, des internationalen Flüchtlingsrechts sowie des burundischen Verfassungsrechts und des sonstigen burundischen Rechts.3214 Als besonders bedeutend erachteten die Experten dabei den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Burundi beide im Jahr 1990 ratifiziert hatte, außerdem das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das im Jahr 1993 durch Burundi ratifiziert worden war. Weiterhin wurden die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker als für die Untersuchung wichtig eingestuft, die für Burundi seit 1989 Geltung beansprucht, sowie das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, welchem Burundi 2004 beigetreten war. Aus dem Bereich des burundischen Verfassungsrechts wurden Artikel 24 der Verfassung, welcher das Recht auf Leben garantiert, Artikel 25, der das Verbot von Folter und unmenschlicher, grausamer und erniedrigender Behandlung beinhaltet, und Artikel 209, welcher die Unabhängigkeit der Gerichte garantiert, hervorgehoben.3215 cc) Die Expertengruppe legte den „reasonable grounds to believe“-Beweisstandard bei der Untersuchung an. Die Expertengruppe überprüfte die erhaltenen Informationen danach darauf, ob eine vernünftige und durchschnittlich kluge Person 3208 3209 3210 3211 3212 3213 3214 3215
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 11. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 12 ff. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 18 ff. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 34 ff. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 101 ff. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 125 ff. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 12. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 14.
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Grund zu der Annahme haben müsse, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden habe oder ein bestimmtes Verhaltensmuster an den Tag gelegt worden sei.3216 dd) In ihren Schlussfolgerungen stellte die Expertengruppen zunächst fest, dass eine Menge von Beweisen dafür vorliegen würde, dass grobe und weitere Verletzungen der Menschenrechte durch die burundische Regierung und durch Personen, deren Verhalten der Regierung zugerechnet werden könne, verübt worden seien. Zwar habe es auch Menschenrechtsverletzungen durch dritte Parteien gegeben, aber der Schwerpunkt liege insoweit bei der Regierung.3217 Zum Berichtszeitpunkt habe nicht mehr das hohe Niveau von Gewalttätigkeit geherrscht, das Ende des Jahres 2015 zu beobachten gewesen sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich die Situation in Burundi in die richtige Richtung entwickele. Repression würde nicht mehr offen ausgeführt und sei schwieriger nachzuweisen. Allerdings würden Repressionen zunehmen und systematischer werden. Die Verantwortlichkeitsmechanismen seien überaus schwach und Straflosigkeit sei endemisch. Dies erlaube es dem Kreislauf der Gewalt, sich unaufhörlich zu drehen.3218 Während der Untersuchungen habe sich zudem das Bild ergeben, dass immer mehr Personen, die ansonsten mit Repressionen konfrontiert werden würden, das Land verlassen hätten oder zu verängstigt seien, um ihre Meinung zu sagen oder um zu handeln. In dem Maße, in dem die Gewalttätigkeiten abgenommen hätten, habe die Unterdrückung in Burundi zugenommen. Jeder Anschein von Opposition würde von der Regierung rücksichtslos behandelt, ohne dass Verantwortlichkeit hierfür zu besorgen sei.3219 Die Zivilgesellschaft und das gesellschaftliche Gefüge seien derartig geschwächt, dass es einer konzertierten Anstrengung bedürfe, um einen demokratischen Staat zu errichten, der auf Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit aufgebaut sei.3220 Den Experten habe sich der Eindruck aufgedrängt, dass die burundische Gesellschaft mehr und mehr repressiv, weniger tolerant für Anderes sowie zur Außenwelt stärker verschlossen würde. Wenn nicht durch die Regierung, die Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft konkrete Schritte ergriffen würden, würde Burundi bald alles nicht mehr haben, was die Menschen rund um die Welt wertschätzen würden und zu einem würdigen Leben benötigten.3221 So gut wie nichts würde getan, um Abhilfe für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu schaffen. Dies schließe es ein, dass Täter nicht vor Gericht gestellt und keine Maßnahmen ergriffen würden, um Wiederholungen der Verletzungen zu verhindern. Für eine Einschätzung der Veränderung der Lage der Menschenrechte in Burundi wären folgende Fragen entscheidend: Gibt es Veränderungen bei den Bewegungen der Menschen, insbesondere mit Blick auf eine Rückkehr nach Burundi? Gibt es eine Verbesserung hinsichtlich der Räume für die 3216 3217 3218 3219 3220 3221
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 17. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 125. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 126. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 127. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 128. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 129.
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freie Äußerung der Meinung und die Betätigung der Zivilgesellschaft? Nimmt das Gefühl der Einschüchterung ab? Nimmt die Zahl der aufrührerischen Erklärungen, insbesondere Erklärungen von hohen Stellen, ab? Nimmt das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, besonders in die Sicherheitskräfte, wieder zu? Reagieren die Institutionen schnell und effektiv, wenn Bürger sich im Hinblick auf mögliche Rechtsverletzungen an sie wenden? Haben die Institutionen nicht nur auf den Vorwurf einer Rechtsverletzung reagiert, sondern auch Maßnahmen ergriffen, mit denen dafür Sorge getragen wird, dass sich eine solche Verletzung nicht wiederholt?3222 In allen genannten Bereichen sahen die Experten erhebliche Bedenken gegeben.3223 Daher zeigte die Expertengruppe im Weiteren eine Reihe von Problemlagen auf. So zeigte sich die Expertengruppe tief besorgt darüber, dass die Menschenrechtsverletzungen und das Phänomen der Straflosigkeit Muster aufweisen würden. Die Untersuchung habe ergeben, dass deren Anzahl, die Begehungsweisen, die Personen der Beschuldigten, die Identität der Opfer, die offensichtliche Motivation, mit der die Taten begangen würden, und das Fehlen von Rechtsbehelfen und Mechanismen zur Verhinderung neuer Taten auf Seiten des Staates zeigen würden, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht nur „bei Gelegenheit“ geschehen seien. Der enge Zusammenhang zwischen den Verletzungen und bestimmten politischen Ereignissen würde es zudem nahelegen, dass die Verletzungen vorsätzlich herbeigeführt worden seien. Die Untersuchungen der Expertengruppe deuteten zudem auf verbreitete und systematische Muster von Menschenrechtsverletzungen hin. Daher seien staatliche Maßnahmen, die Begründung individueller Verantwortlichkeit und internationales Handeln erforderlich.3224 Zudem zeigte sich die Expertengruppe tief darüber besorgt, dass sich die burundische Regierung zunehmend als Opfer eines Totalangriffs durch die internationale Gemeinschaft empfinden würde und sich tatsächlich in einem Konflikt mit den Vereinten Nationen und anderen Menschenrechtsmechanismen befinden würde. Dieser Konflikt würde bestehen, obwohl sich die Akteure in einer gemeinsamen Anstrengung befinden würden, bei der es darum gehe, die Herausforderungen zu adressieren, denen Burundi gegenüberstehen würde.3225 Weiterhin führten die Experten aus, dass Beobachter vor Ort wichtig seien, da Verantwortlichkeiten nur auf der Grundlage verlässlicher Fakten hergestellt werden könnten.3226 Die meisten Akteure würden darüber übereinstimmen, dass eine umfassende politische Lösung für Burundi gefunden werden müsse, auf deren Grundlage ein System starker Institutionen aufzubauen sei, welche die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte garantieren könnten. Aber der politische Prozess sei weitgehend gestoppt.3227 Obwohl es keinen einfachen Weg gebe, die 3222 3223 3224 3225 3226 3227
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 130. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 131. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 132. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 133. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 134. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 135.
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ethnische Dimension des Krise in Burundi zu beschreiben, seien die Experten darüber alarmiert, dass in Burundi, wo zuvor so viel im Bereich der De-Ethnisierung politischer Streitigkeiten erreicht worden sei, offizielle Personen des Staates, auch in den höchsten Ämtern, eine Sprache benutzen würden, die Spaltung und Misstrauen zwischen den ethnischen Gruppen Burundis sähen und die auch über die Staatsgrenzen hinaus Wirkung entfalten würde. Die Spaltung würde beginnen, sich in den burundischen Sicherheitskräften zu manifestieren, in denen die Integration zuvor als Erfolg gewertet worden sei.3228 Letztlich brachten die Experten noch ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass die Situation in Burundi eine Gefahr für die Sicherheit und den Frieden in der Region der Großen Seen bedeuten könne. In einer Region mit einer Geschichte komplizierter Beziehungen zwischen den Ethnien, mit schwerwiegenden Konsequenzen über Grenzen hinweg, politischen Pattsituationen, fortgesetzten, systematischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, bei denen es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln könne, humanitären Krisen mit einer großen Zahl von Binnenvertriebenen und Flüchtlingsströmen über internationale Grenzen hinweg, Störung von Handelsströmen und wuchernder Straflosigkeit könne die internationale Gemeinschaft diese Faktoren nicht ignorieren.3229 ee) Die Expertengruppen sprach abschließend Empfehlungen in drei Richtungen aus: an die Regierung von Burundi, an nicht-staatliche Akteure sowie an die Vereinten Nationen und an die Afrikanische Union. Die burundische Regierung wurde zunächst aufgerufen, sofort alle schwerwiegenden und anderen Menschenrechtsverletzungen durch ihre Beauftragten und andere Entitäten, welche ihr zugerechnet werden könnten, zu beenden und Verantwortlichkeitsmechanismen und -prozesse ins Werk zu setzen.3230 Zudem gebe es keinen Weg aus der Krise ohne eine politische Lösung. Die Regierung solle daher in Wort und Tat ihrer Verpflichtung zu solch einer Lösung nachkommen, etwa durch Gespräche mit allen an der Krise beteiligten Parteien.3231 Weiterhin müssten dringend alle Jugendmilizen entwaffnet werden. Die Entwaffnung solle unter engmaschiger Beobachtung durch internationale Akteure stattfinden. Die herrschende politische Partei solle sich insbesondere von der Anwendung von oder der Drohung mit Gewalt durch ihre Jugendorganisation lossagen und dafür Sorge tragen, dass die Jugendorganisation keine Polizeiaufgaben erhalten würde.3232 Alle Regierungsbediensteten und anderen Akteure müssten zudem von Hassrede und entzweiender Sprache Abstand nehmen. Die Nutzung solcher Sprache solle verfolgt und die entsprechende Geisteshaltung solle verboten werden, insbesondere für Personen, die hochrangige öffentliche Ämter bekleiden würden.3233 Die Expertengruppe drängte auch darauf, dass die burundische Regierung alle nötigen 3228 3229 3230 3231 3232 3233
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 136. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 137. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 138. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 139. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 140. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 141.
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Schritte unternehmen müsse, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Dazu müsse die Regierung mit sofortiger Wirkung in rechtlicher, rhetorischer und praktischer Weise ihren dahingehenden Verpflichtungen nachkommen und von jeglichen Akten Abstand nehmen, die den Prozess hin zu einer unabhängigen Justiz unterminieren würden. Zu solchen Akten gehörten vor allem Drohungen gegen die Justiz. Mittel- und langfristig sei es zudem notwendig, die zum Erliegen gekommenen Diskussionen über eine Verfassungsreform wiederaufzunehmen, um eine Begrenzung der Einflussmöglichkeiten der Exekutive auf die Auswahl, Beförderung und Disziplinierung zu erreichen.3234 Daneben müsse es für die Regierung eine Priorität seien, effektive Mechanismen zur Verhinderung von Folter – in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der UN-Anti-Folterkonvention – zu etablieren. Die internationale Gemeinschaft solle dabei unterstützend tätig werden.3235 Im Hinblick auf die burundischen Sicherheitskräfte wies die Expertengruppe die Regierung darauf hin, dass diese sofort aufhören müsse, den Geheimdienst und die Polizei als bewaffnete Instrumente zur Durchsetzung einer parteiischen Politik einzusetzen. Mittel- und langfristig müsse eine Reform der Sicherheitskräfte durchgeführt werden, die sowohl personelle wie auch strukturelle Veränderungen und deren jeweilige Überprüfung beinhalten müsse, sodass ein Geheimdienst und eine Polizei geschaffen würden, denen alle Bewohner Burundis trauen könnten. Hinzutreten müssten effektive zivile Überwachungsmechanismen für den Sicherheitssektor. Diese Mechanismen müssten verteilt und auf verschiedenen Ebenen angesiedelt seien, sodass die Aufsicht kein Werkzeug für die politische Kontrolle der Exekutive über den Sicherheitssektor werden könne.3236 Die (ethnische) Integration der Streitkräfte, die auf das Arusha Abkommen zurückzuführen sei, sei der Eckstein für den Frieden in Burundi gewesen, den das Land erstmals in seiner Geschichte erfahren habe. Das entsprechende Quotensystem dürfe weder in offener noch in verdeckter Weise unterminiert werden, etwa durch die Schaffung besonderer Einheiten, um das Quotensystem zu umgehen oder durch die Zuweisung unterschiedlich hoher Gelder für die Einheiten.3237 Weitergehende Forderungen der Expertengruppe an die Regierung waren: die Zusammenarbeit mit den Mechanismen des internationalen Systems zum Schutz der Menschenrechte sowie mit den Menschenrechtsbeobachtern vor Ort,3238 die Beendigung von Repressalien und Drohungen gegen Personen, die mit der Expertengruppe zusammengearbeitet hätten,3239 die dringende Befolgung der Sicherheitsratsresolution 2303 (2016),3240 die Beendigung der Repressalien und Drohungen gegen burundische Flüchtlinge im Ausland,3241 die Sicherung der Rechte auf Mei3234 3235 3236 3237 3238 3239 3240 3241
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 142. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 143. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 144. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 145. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 146. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 147. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 149. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 150.
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nungs- und Versammlungsfreiheit für alle Bürger und Gruppen, die Beendigung jeder Einflussnahme auf Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen 3242 sowie die sofortige und vorbehaltslose Ratifizierung der Konvention zum Schutz aller Personen gegen das erzwungene Verschwindenlassen.3243 Ebenfalls in Richtung der burundischen Regierung wurde noch bemerkt, dass die Stationierung der durch die Afrikanische Union entsandten Menschenrechts- und Militärbeobachter abgeschlossen und deren Anzahl erhöht werden müsse. Der Status dieser Beobachter müsse in einem Memorandum of Unterstanding geklärt werden und deren Berichte dürften nicht Gegenstand der vorherigen Freigabe durch die burundische Regierung sein.3244 Die Empfehlungen an die nicht-staatlichen Akteure fielen sehr knapp aus. Die Expertengruppe legte ihnen zum einen nahe, dass der Schutz von Zivilisten für sie Priorität haben müsse. Zum anderen müssten auch die nicht-staatlichen Akteure von Menschenrechtsverletzungen Abstand nehmen.3245 An das System der Vereinten Nationen und an die Afrikanische Union wurde von der Expertengruppe zunächst die Empfehlung ausgesprochen, dass – im Hinblick auf die fehlende Effizienz der staatlichen Institutionen, die von der burundischen Regierung eingesetzt würden – zunächst klargestellt werden müsse, dass völkerstrafrechtlich relevante Taten verübt worden seien. Alle relevanten Beteiligten, insbesondere die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen, müssten mit der Angelegenheit befasst bleiben, die Situation beobachten und die notwendigen Schritte unternehmen, um zu verhindern, dass sich weitere massenhafte Verletzungen der Menschenrechte wegen ethnischer Hintergründe ereignen würden.3246 Für den Fall, dass die burundische Regierung die Resolution 2303 (2016) nicht umsetzen würde und die Menschenrechtsverletzungen fortgesetzt werden würden, forderte die Expertengruppen die Vereinten Nationen und insbesondere den Sicherheitsrat dazu auf, dass ihnen jeweils verliehene Mandat effektiv zur Sicherung des Friedens und der Sicherheit und zum Schutze der Bevölkerung wahrzunehmen.3247 Weiterhin sollte sofort eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen werden, um die Tätigkeit der Expertengruppe fortzusetzen. Dabei sollte diese Kommission damit mandatiert werden, individuelle Verantwortlichkeiten festzustellen und ihre Ergebnisse mit dem Sicherheitsrat zu teilen, damit dieser gezielte Sanktionen verhängen könne. Außerdem sollte die Kommission angewiesen werden, ihre Ergebnisse mit Strafverfolgungsmechanismen zu teilen, soweit solche Mechanismen etabliert werden würden. Das Mandat müsse zudem die Untersuchung von Aktivitäten von Banden, die über die burundischen Staatsgrenzen hinweg operieren würden, enthalten, sowie 3242 3243 3244 3245 3246 3247
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 151. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 152. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 148. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 153. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 154. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 155.
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die mögliche Involviertheit anderer Staaten in das Geschehen in Burundi. Die vorgeschlagene Untersuchung sollte mit genügend Mitteln und Vollmachten ausgestattet werden sowie auch Zugang zu spezieller ballistischer und forensischer Expertise haben.3248 Zudem müsse die Rolle des Büros der Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte bei der Beobachtung der Lage in Burundi ausgeweitet werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Anzahl von eigesetzten Experten als auch im Bereich der speziellen menschenrechtlichen Expertise. Dies sei erforderlich, um eine vollkommene Abdeckung des Territoriums von Burundi zu erreichen.3249 Im Übrigen wurde den Vereinten Nationen empfohlen, ihr eigenes Verhalten hinsichtlich der Krise in Burundi zu überprüfen.3250 Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Afrikanische Union sollten es erwägen, burundische Truppen aus Friedensmissionen abzuziehen.3251 Die Afrikanische Union solle dafür Sorge tragen, dass das Arusha Abkommen weiterhin in Burundi eine zentrale Rolle spielen würde. Außerdem sollten die verschiedenen Institutionen der Afrikanischen Union eine größere Konsistenz bei der Sicherung der Implementierung des Abkommens zeigen.3252 Der Ostafrikanischen Gemeinschaft, die bis dahin eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen in der Krise in Burundi gespielt hatte, wurde nahegelegt, weiterhin auf Verhandlungen zu drängen.3253 Der Bevölkerung von Burundi würde im Übrigen nicht dadurch geholfen, wenn die Freunde und Nachbarn von Burundi die burundische Regierung vor ihren nationalen und internationalen Menschenrechteverpflichtungen abschirmen würden. Vielmehr sollten alle Staaten, insbesondere jene mit engen Verbindungen zu Burundi, Gute Dienste einsetzen, um die Menschenrechte der burundischen Bevölkerung zu schützen.3254 Die internationale Gemeinschaft solle – so die Expertengruppe – ihre Einstellung klarmachen, dass sie bereit sei, Druck auszuüben, wenn sich die Menschenrechtssituation in Burundi nicht verbessern und umso mehr, wenn sich die Situation noch verschlechtern sollte. Die zu treffenden Maßnahmen sollten gezielt und verhältnismäßig seien, um die Bevölkerung so wenig wie möglich zu treffen.3255 Die Expertengruppe sprach als abschließende Empfehlung aus, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen erwägen möge, ob Burundi Mitglied des Rates bleiben könne.3256
3248 3249 3250 3251 3252 3253 3254 3255 3256
UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 156. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 157. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 158. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 159. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 160. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 161. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 162. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 163. UN Doc. A/HRC/33/37 vom 20. September 2016, Rn. 164.
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28. Menschenrechtslage in Burundi (II) a) Historischer Hintergrund und Einsetzung der Kommission Nachdem die Experten der Unabhängigen Untersuchung ihren Bericht über die Situation in Burundi vorgelegt hatten,3257 kam der Menschenrechtsrat der darin enthaltenen Empfehlung nach, eine Untersuchungskommission für die Menschenrechtslage in Burundi einzusetzen. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wurde am 27. September 2016 von Andorra, Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Irland, Italien, Kanada, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Monaco, Montenegro, den Niederlanden, von Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, der Slowakei, von Slowenien, Spanien, Schweden, der Tschechischen Republik, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten von Amerika und von Zypern in den Menschenrechtsrat eingebracht.3258 Am 30. September 2016 wurde die Resolution 33/24 mit 19 Stimmen angenommen, sieben Mitglieder des Rates stimmten gegen die Resolution und 21 Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme.3259 Die Resolution enthielt eine Vielzahl von Verurteilungen und den Ausdruck schwerer Besorgnis wegen der Menschenrechtslage in Burundi. Hinsichtlich der Einsetzung der Untersuchungskommission enthielt die Resolution die folgenden Absätze: „23. Decides to create for a period of one year a commission of inquiry: (a) To conduct a thorough investigation into human rights violations and abuses in Burundi since April 2015, including on their extent and whether they may constitute international crimes, with a view to contributing to the fight against impunity; (b) To identify alleged perpetrators of human rights violations and abuses in Burundi with a view to ensuring full accountability; (c) To formulate recommendations on steps to be taken with a view to guaranteeing that the authors of these violations and abuses, regardless of their affiliation, are held accountable for their acts; (d) To engage with the Burundian authorities and all other stakeholders, in particular United Nations agencies, civil society, refugees, the field presence of the Office of the High Commissioner in Burundi, authorities of the African Union, and the African Commission on
3257
3. Teil § 2 B. IV. 27. UN Doc. A/HRC/33/L.31 vom 27. September 2016. 3259 UN Doc. A/HRC/RES/33/24 vom 5. Oktober 2016, S. 5. Für die Resolution stimmten: Albanien, Belgien, Deutschland, El Salvador, Frankreich, Georgien, Ghana, Lettland, Mazedonien, Mexiko, Mongolei, Niederlande, Panama, Paraguay, Portugal, Schweiz, Slowenien, Südkorea und Vereinigtes Königreich, gegen die Resolution stimmten: Bolivien, Burundi, China, Kuba, Marokko, Russische Föderation und Venezuela, ihrer Stimme enthielten sich: Algerien, Äthiopien, Bangladesch, Botswana, Côte d’Ivoire, Ecuador, Indien, Indonesien, Katar, Kenia, Kirgisistan, Kongo, Malediven, Namibia, Nigeria, Philippinen, Saudi-Arabien, Südafrika, Togo, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam. 3258
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Human and Peoples’ Rights, in order to provide the support and expertise for the immediate improvement of the situation of human rights and the fight against impunity; (e) To present an oral briefing to the Human Rights Council at its thirty-fourth and thirty-fifth sessions, and a final report during an interactive dialogue at its thirty-sixth session; (f) To present its report to the General Assembly and other relevant international bodies; 24. Urges the Government of Burundi to cooperate fully with the commission of inquiry, to authorize it to conduct visits to the country and to provide it with all the information necessary to fulfil its mandate; 25. Requests the immediate operationalization of the commission of inquiry, and also requests that the Office of the High Commissioner be provided with all the resources necessary, including in specialized ballistic and forensic expertise, and expertise in sexual and gender-based violence, to fulfil the mandate;“
Am 22. November 2016 ernannte der Präsident des Menschenrechtsrates die drei Mitglieder für die Untersuchungskommission. Der Vorsitz wurde Fatsah Ouguergouz aus Algerien übertragen, der seit dem Jahr 2006 das Amt eines Richters am Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker bekleidete und dessen Vizepräsident er seit 2012 war. Zuvor hatte Ouguergouz verschiedene Positionen mit völkerrechtlichem beziehungsweise menschenrechtlichem Tätigkeitsschwerpunkt im System der Vereinten Nationen inne und war auch als Dozent für Völkerrecht hervorgetreten. Ein weiteres Kommissionsmitglied war die Juristin Reine Alapini Gansou aus Benin, die in ihrem Heimatland als Rechtsanwältin tätig war und zum Zeitpunkt der Untersuchung den Vorsitz der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker innehatte. Drittes Kommissionsmitglied war die britische Professorin für Völkerrecht und Menschenrechte Françoise Hampson, die zuvor auch von 1989 bis 2007 als Unabhängige Expertin für die Unterkommission der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz von Menschenrechten tätig gewesen war. Die drei Kommissionsmitglieder wurden bei ihrer Tätigkeit von einem Sekretariat unterstützt, das vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte gestellt wurde.3260 b) Durchführung der Untersuchung Eines der größten Probleme für die Untersuchungskommission bestand in der Verweigerung einer Zusammenarbeit durch die Regierung von Burundi. Obwohl die burundische Regierung in Abs. 24 der Resolution 33/24 vom Menschenrechtsrat aufgefordert worden war, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, ihr Zugang zum burundischen Staatsgebiet zu gewähren und sie mit allen Informationen, die zur Verwirklichung des Mandats der Kommission notwendig wären, zu versorgen, zeigte sich die Regierung nicht kooperationsbereit. Die Untersuchungskommission selbst versuchte die burundischen staatlichen Stellen mehrfach zu einem Dialog und zur
3260
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 2.
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Zusammenarbeit zu bewegen.3261 Bis zur Finalisierung ihres Berichts versuchte die Kommission in drei Verbalnoten an die Ständige Mission von Burundi bei den Vereinten Nationen in Genf sowie in zwei Briefen an den burundischen Außenminister Kontakt aufzunehmen.3262 Hierin wurde die burundische Regierung in Übereinstimmung mit Resolution 33/24 darum ersucht, das burundische Territorium für die Kommission zu öffnen und Informationen über die Menschenrechtslage zu übermitteln. Alle diese Ersuchen blieben unbeantwortet.3263 Um an Informationen über die Situation der Menschenrechte in Burundi zu gelangen, entschied die Kommission bei ihren Untersuchungen dem Beispiel früherer Kommissionen, denen der Einlass auf das Territorium des Staates, in welchem sie eine Untersuchung vornehmen sollten, verweigert worden war, zu folgen. Daher besuchte die Untersuchungskommission die Nachbarstaaten von Burundi, namentlich die Demokratische Republik Kongo, Tansania, Ruanda und Uganda sowie weitere Staaten, die Flüchtlinge aus Burundi beherbergten. Diese Besuche als auch eine Reihe von Fernkontakten ermöglichten es der Untersuchungskommission, über 500 Befragungen mit Opfern, Zeugen und anderen Quellen durchzuführen.3264 Dabei erwies es sich jedoch als Schwierigkeit, dass viele Zeugen und Opfer Angst hatten, über ihre Erfahrungen zu sprechen.3265 c) Ergebnisse der Untersuchung aa) Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission3266 war in vier Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt3267 beinhaltete eine Einführung in das Mandat und die Tätigkeit der Untersuchungskommission. Im zweiten Abschnitt wurde die Menschenrechtslage in Burundi dargestellt.3268 Im dritten Abschnitt3269 waren Informationen über völkerrechtliche Verbrechen in Burundi niedergelegt, wobei sich die Kommission hier auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, individuelle Verantwortlichkeiten sowie Verantwortungsmechanismen konzentrierte. Im abschließenden vierten Berichtsabschnitt3270 legte die Kommission ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen nieder. 3261
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 4. Die Kommunikation zwischen der Untersuchungskommission und der Regierung von Burundi ist wiedergegeben in: UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, S. 20 ff. 3263 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 5. 3264 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 6. 3265 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 8. 3266 Report of the Commission of Inquiry on Burundi, UN Doc. A/HRC/46/54 vom 11. August 2017. 3267 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 1 ff. 3268 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 12 ff. 3269 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 65 ff. 3270 UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 81 ff. 3262
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bb) Hinsichtlich des anwendbaren Rechts stellte die Untersuchungskommission zunächst fest, dass Burundi Partei von sieben wichtigen menschenrechtlichen Verträgen sei: des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie des Fakultativprotokolls hierzu, des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der beiden Fakultativprotokolle hierzu sowie des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des Fakultativprotokolls hierzu. Außerdem sei Burundi Partei der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker sowie anderer einschlägiger afrikanischer Übereinkommen.3271 Zudem sei Burundi Partei der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes und seit 2004 auch des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Allerdings habe Burundi dem Generalsekretär der Vereinten Nationen am 27. Oktober 2016 die Entscheidung notifiziert, dass sich Burundi vom Römischen Statut zurückziehen werde. Da allerdings ein solcher Rückzug nach Artikel 127 Abs. 1 S. 2 des Römischen Statuts erst ein Jahr nach Eingang der Notifikation wirksam würde, habe die Entscheidung der burundischen Regierung keinen Einfluss auf die Arbeit der Untersuchungskommission gehabt, die die Definitionen der Verbrechen aus dem Statut bei ihrer Tätigkeit benutzt habe.3272 Das humanitäre Völkerrecht wurde von der Untersuchungskommission für die Implementierung des Mandats nicht als anwendbar angesehen. Da es seit April 2015 nur sporadische Angriffe durch bewaffnete Gruppen in Burundi gegeben habe, könne nicht von dem Vorliegen eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts in dem ostafrikanischen Staat ausgegangen werden.3273 cc) Wie bereits die vorhergehende Unabhängige Untersuchung der Menschenrechtslage in Burundi, verwendete auch die Untersuchungskommission als Beweismaßstab den „reasonable grounds to believe“-Standard. Daher achtete die Untersuchungskommission darauf, einen verlässlichen und konsistenten Satz von Informationen zu sammeln. Nach diesem Standard müsse eine vernünftige und gewöhnlich verständige Person auf der Basis dieser Informationen Grund haben zu glauben, dass ein bestimmtes Ereignis oder ein Verhaltensmuster stattgefunden habe.3274 dd) Die Untersuchungskommission kam im Lichte ihrer Ermittlungen zu den Ergebnissen, dass in Burundi außerrechtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen 3271 3272 3273 3274
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 9. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 11. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 7.
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und Inhaftierungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Akte von Folter sowie grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und sexuelle Gewalt von April 2015 bis zum Zeitpunkt der Fertigung des Berichts der Kommission angedauert hätten.3275 Dabei habe die Untersuchungskommission vernünftige Gründe anzunehmen, dass einige dieser Akte, die vor allem vom nationalen Geheimdienst, der Polizei, der Armee und der Imbonerakure verübt worden seien, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden müssten.3276 Außerdem stellte die Kommission fest, dass sich der demokratische Raum in Burundi seit 2015 merklich verringert hätte. Ein Klima der Angst würde die Menschen Burundis sogar dann erfassen, wenn sie ins Ausland geflohen seien. Aus Sicht der Kommission bestünde im Falle einer Rückkehr der Flüchtlinge nach Burundi die ernstzunehmende Gefahr, dass diese Menschen Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen werden würden. Daher müssten Staaten, in denen burundische Flüchtlinge Zuflucht gesucht hätten, das Prinzip des non-refoulement strikt beachten.3277 ee) Die Untersuchungskommission gab eine Reihe von Empfehlungen an die verschiedensten Akteure ab.3278 Den öffentlichen Stellen von Burundi wurde zunächst empfohlen, für ein sofortiges Ende der schweren Menschenrechtsverletzungen zu sorgen, die durch Staatsbedienstete und die Imbonerakure, über die der Staat Kontrolle ausübe, begangen würden.3279 Als weitere Maßnahme wurde den staatlichen Stellen Burundis empfohlen, die Menschenrechtsverletzungen einer Untersuchung zuzuführen, die Verantwortlichen zügig und in glaubwürdigen, unabhängigen und fairen Prozessen der Strafverfolgung auszusetzen, für eine gerechte Entschädigung der Opfer zu sorgen und in den Fällen, in denen zu besorgen sei, dass die Menschenrechtsverletzungen von Staatsbediensteten verübt worden seien, diese Bediensteten bis zum Ende der Untersuchungen und der Strafprozesse von ihren Pflichten zu entbinden.3280 Die Untersuchungskommission nannte daraufhin eine Reihe von konkreten Maßnahmen, die zur schnellen Verbesserung der Menschenrechtssituation in Burundi beitragen würden.3281 Zu diesen Maßnahmen gehörten die Aufhebung von Haftbefehlen gegen Vertreter der Medien, der Zivilgesellschaft und von politischen Parteien, die weder Gewalt angewendet, noch zur Gewalt aufgerufen hätten; diesen Personen solle zudem, soweit erforderlich, so eine sichere Rückkehr nach Burundi ermöglicht werden. Weiterhin sollten die Suspendierungen und die Aufhebungen der Lizenzen von Medien und von Organisationen der Zivilgesellschaft aufgehoben werden, damit deren Arbeit in gänzlicher Unabhängigkeit weitergeführt werden könne; in diesem Zusammenhang müsse auch das restriktive 3275 3276 3277 3278 3279 3280 3281
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 81. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 82. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 83. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 84 ff. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 85. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 86. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 87.
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Gesetz zur Tätigkeit von Non-Profit-Organisationen und ausländischen Nichtregierungsorganisationen von 2017 überprüft werden. Außerdem müssten alle politischen Gefangenen augenblicklich freigelassen werden. Es müsse zudem sichergestellt werden, dass die Offiziere der police judicaire nicht befugt seien, ohne entsprechende Beschlüsse, Durchsuchungen, auch nicht in der Nacht, durchzuführen. Man solle sich hier an den Regelungen orientieren, wie sie in den Entwürfen für die Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung zu finden seien. Weiterhin müsse sichergestellt werden, dass Personen ohne rechtliche Befugnis hierzu, insbesondere Mitglieder der Imbonerakure, keine Rechtsdurchsetzungsaktivitäten entfalten oder an solchen Aktivitäten teilnehmen dürften; dies bedeute, dass diese Personen nicht an Gefangennahmen teilnehmen, keine Militär- und Polizeiuniformen tragen und keine Waffen besitzen dürften. Es wurde auch empfohlen, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die zu Hass und Gewalt anstacheln würden. Es müsse dabei dafür gesorgt werden, dass den Bedrohungen, den Einschüchterungen und den Erpressungen durch staatliche Bedienstete und durch die Imbonerakure ein Ende gesetzt werde. Auch müsste man den Opfern von sexueller Gewalt und von Folter Zugang zu medizinischer und psychosozialer Behandlung verschaffen. Weiterhin wurde von der staatlichen burundischen Seite die Durchführung einer großangelegten Justizreform gefordert.3282 Es müssten weiterhin Maßnahmen dahingehend getroffen werden, dass Polizei und Militär Menschenrechte in allen Situationen respektieren würden und den Interessen des ganzen Volkes und nicht lediglich der herrschenden politischen Partei verpflichtet seien.3283 Außerdem solle die Regierung von Burundi ihre Entscheidung, sich vom Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zurückzuziehen, überdenken, mit den (zum Zeitpunkt der Erstellung des Abschlussberichts gerade stattfindenden) Voruntersuchungen des Gerichtshofs vollständig kooperieren und, falls Ermittlungen eingeleitet würden, die Kooperation, etwa durch den Schutz von Opfern und Zeugen, fortsetzen.3284 Dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte müsse zudem erlaubt werden, die Aufzeichnung von Menschenrechtsverletzungen in Burundi fortzusetzen, die seit Oktober 2016 ausgesetzt sei.3285 Auch müsse ein Memorandum of Understanding mit der Afrikanischen Union unterzeichnet und implementiert werden, welches die Stationierung von 100 Menschenrechtsbeobachtern und 100 Militärexperten vorsehe.3286 Die staatlichen Stellen Burundis sollten mit den Menschenrechtsmechanismen der Vereinten Nationen zusammenarbeiten, in dem diese Stellen wieder Missionen der Sonderverfahren empfangen und die (gegenwärtigen) Empfehlungen von Vertragsorganen implementieren würden.3287 Letztlich 3282 3283 3284 3285 3286 3287
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 88. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 89. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 90. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 91. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 92. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 93.
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wurde den staatlichen Stellen von Burundi noch empfohlen, aktiv nach einer tragfähigen Lösung für die politische Krise in dem Land zu suchen.3288 Die nächste Gruppe von Akteuren, der sich die Untersuchungskommission in ihren Empfehlungen zuwandte, waren politische Parteien sowie bewaffnete Oppositionskräfte. Diese sollten den Menschenrechtsverletzungen und den Gewaltakten durch ihre Mitglieder ein sofortiges Ende setzen.3289 Auch wurde diesen Akteuren empfohlen, von der Aufstachelung zur Gewalt abzusehen und an der Ausarbeitung einer tragfähigen Lösung der politischen Krise in Burundi mitzuarbeiten.3290 Dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wurde empfohlen, das Mandat der Untersuchungskommission um ein weiteres Jahr zu verlängern, um die Durchführung von weiteren und tiefgehenden Ermittlungen im Angesicht der fortgesetzten schweren Menschenrechtsverletzungen in Burundi zu ermöglichen. Dies sei deshalb von besonderer Bedeutung, weil kein anderer Mechanismus zur Verfügung stehe, der eine unabhängige und gründliche Ermittlung hinsichtlich der Menschenrechtslage in Burundi ermögliche.3291 Zudem solle der Menschenrechtsrat das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte ersuchen, bei den kommenden Sitzungen des Rates über die Entwicklung bei der Zusammenarbeit mit der Regierung von Burundi zu berichten.3292 Auch an den Internationalen Strafgerichtshof wurde eine Empfehlung ausgesprochen. Dieser solle so schnell wie möglich und auf der Grundlage der Informationen in dem Bericht der Untersuchungskommission und von anderen, dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen, Ermittlungen mit Blick auf die Verbrechen beginnen, die in Burundi begangen worden seien.3293 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen solle sowohl den Schlussfolgerungen der Untersuchungskommission als auch der Fortdauer der Menschenrechtsverletzungen in jeder Diskussion über Burundi gehörige Aufmerksamkeit schenken. Außerdem solle in diesem Kontext der Sicherheitsrat für die effektive Implementierung seiner Resolution 2303 (2016) Sorge tragen.3294 Zudem solle der Sicherheitsrat alle Verbrechen, die seit dem 27. Oktober 2017 begangen worden seien, an den Internationalen Strafgerichtshof überweisen.3295 Zudem wurde der Sicherheitsrat aufgefordert, Sanktionen gegen Einzelpersonen zu verhängen, welche in dem Ver-
3288 3289 3290 3291 3292 3293 3294 3295
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 94. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 95. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 96. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 97. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 98. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 99. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 100. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 101.
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dacht stünden, die Hauptakteure von schweren Menschenrechtsverletzungen in Burundi zu sein.3296 Weitere Empfehlungen der Untersuchungskommission wurden an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtet. Dieser solle sicherstellen, dass die Einhaltung der Menschenrechte und die Befolgung der Rechtsstaatlichkeit unter den höchsten Prioritäten des Sondergesandten des Generalsekretärs für Burundi sei.3297 Es müsse zudem sichergestellt werden, dass niemand, dem Menschenrechtsverletzungen oder internationale Verbrechen vorgeworfen würden, für Burundi in Friedensoperationen rekrutiert würde.3298 Den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde empfohlen, Asylsuchenden aus Burundi bereits prima facie den Status von Flüchtlingen einzuräumen und eine strenge Befolgung des Prinzips des non-refoulement und des Flüchtlingsschutzes sicherzustellen.3299 Personen, die verdächtigt würden, in Burundi internationale Verbrechen begangen zu haben, sollten zudem in den Mitgliedstaaten nach dem Weltrechtsprinzip verfolgt werden, wenn sich diese Personen auf dem Staatsgebiet dieser Staaten befinden würden.3300 Falls sich die Lage der Menschenrechte in Burundi nicht verbessern sollte, wurden die Mitgliedstaaten aufgerufen, Sanktionen aufrecht zu erhalten und direkte Hilfen für die Regierung von Burundi zu suspendieren.3301Allerdings wurde den Mitgliedstaaten gleichzeitig nahegelegt, der Regierung von Burundi technische Unterstützung, etwa bei Autopsien, Exhumierungen oder der Identifizierung von Körpern, zu gewähren, um so glaubwürdige und unabhängige Ermittlungen zu ermöglichen.3302 Auch sollten die Mitgliedstaaten Unterstützung bei dem Aufbau von speziellen medizinischen und psychosozialen Einrichtungen, insbesondere für Opfer von Folter und sexueller Gewalt, leisten.3303 Zudem sollten die Mitgliedstaaten der burundischen Regierung Unterstützung bei Reformen der Justiz und des Sicherheitssektors angedeihen lassen, mit deren Hilfe die Menschenrechtssituation verbessert werden könne.3304 Der Afrikanischen Union wurde empfohlen, erneut die führende Rolle bei der Suche nach einer bestandskräftigen Lösung für die Krise in Burundi einzunehmen.3305 Zudem solle die Afrikanische Union sicherstellen, dass kein Bediensteter des burundischen Staates, dem Menschenrechtsverletzungen oder internationale Verbrechen vorgeworfen würden, für Friedensmissionen der Afrikanischen Union 3296 3297 3298 3299 3300 3301 3302 3303 3304 3305
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 102. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 103. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 104. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 105. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 106. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 107. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 108. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 109. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 110. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 111.
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rekrutiert werden solle.3306 Auch müsse die Afrikanische Union sicherstellen, dass ihre Menschenrechtsbeobachter und Militärexperten schnellstmöglich nach Burundi verlegt würden.3307 Letztlich solle noch erwogen werden, ob die Situation in Burundi Artikel 4 lit. h) des Gründungsakts der Afrikanischen Union unterfallen würde, wonach ein Recht der Organisation bestehe, nach einer Entscheidung ihrer Versammlung, in einem Mitgliedstaat zu intervenieren, wenn gravierende Umstände vorliegen würden, wozu nach dem Wortlaut der Regelung Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gezählt würden.3308 Die letzten beiden Empfehlungen galten zum einen der Ostafrikanischen Gemeinschaft, die in ihren Vermittlungsbemühungen in Burundi eine Verbesserung der Menschenrechtslage zur Priorität machen solle.3309 Zum anderen wurde den Garantiemächten der Vereinbarung von Arusha aus dem Jahr 2000 empfohlen, Maßnahme zur Verbesserung der Lage in Burundi zu ergreifen. Die Garantiemächte sollten zusammentreffen, um eine Lösung für die politische Krise und die Krise der Menschenrechte in Burundi zu finden.3310
V. Untersuchungskommissionen bezüglich sonstiger Sachverhalte Durch die Organe der Vereinten Nationen wurden noch weitere Kommissionen zur Untersuchung verschiedener Fragen eingesetzt, welche sich jeweils nicht den oben beschriebenen Kategorien zuordnen lassen. 1. Korfu-Kanal-Zwischenfall vor dem Internationalen Gerichtshof a) Historischer Hintergrund Der bereits oben beschriebene Korfu-Kanal-Zwischenfall3311 beschäftigte nicht nur den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sondern auch den Internationalen Gerichtshof als dessen ersten Fall. Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Resolution 22 (1947) am 9. April 19473312 dem Vereinigten Königreich und Albanien empfohlen hatte, ihre Streitigkeit bezüglich des Korfu-Kanal-Zwischenfalls vom Internationalen Gerichtshof klären zu lassen, wurde von britischer Seite am
3306 3307 3308 3309 3310 3311 3312
UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 112. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 113. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 114. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 115. UN Doc. A/HRC/36/54 vom 11. August 2017, Rn. 116. 3. Teil § 2 B. I. 3. UN Doc. S/RES/22 (1947) vom 9. April 1947.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
22. Mai 1947 ein entsprechender Antrag an das Gericht im Haag gestellt.3313 Am 25. Mai 1948 schlossen beide Staaten schließlich ein Abkommen über die Regelung des Streites durch den Internationalen Gerichtshof.3314 b) Einsetzung der Kommission Mit Anordnung vom 17. Dezember 1948 entschied der Internationale Gerichtshof diverse Fragen, die in dem Verfahren zwischen dem Vereinigten Königreich und Albanien aufgetaucht waren, durch ein Expertenkomitee klären zu lassen.3315 Die umfangreiche Entscheidung, in der auch eine sehr minimalgehaltene Verfahrensordnung für die Arbeit des Komitees niedergelegt war, fasste der Gerichtshof wie folgt: „Decides that I. An expert opinion shall be obtained upon the following points: (1) You are requested to examine the situation in the North Corfu Strait immediately before October 22nd, 1946, from the point of view of (a) the position of the swept channel; (b) the effectiveness of the mine-clearance previously carried out; and (c) the risk of encountering floating mines in this Channel owing to the proximity of the old minefields, and to study the German documents in order to obtain information from them concerning the types of mines laid in those minefields. (2) You are requested to examine the information and documents available concerning the navigation of the Mauritius, the Saumarez and the Volage, in order to ascertain what conclusions, if any, may be drawn concerning the identity of the type of mines which struck the two last-named vessels with the type of mines discovered on November 13th, 1946, and to state how far, in your opinion, these conclusions can be regarded valid. (3) You are requested to examine the information and documents available relating to the damage suffered by the Saumarez and the Volage, and to the fragments of a mine found in the Volage, with a view to ascertaining what conclusions, if any, may be drawn regarding the types of mines which struck these vessels, and how far these conclusions can, in your opinion, be regarded valid. (4) You are requested to examine the question whether it is possible to draw (a) from the position of the mines swept on November 13th, 1946; (b) from the fact that a complete mineclearance of the Albanian water in this area had not yet been carried out at that time; and (c) from the passage of the Mauritius on the 22nd October, 1946, without striking any mine, any 3313
Siehe zum Verfahrensgang die Dokumente in: ICJ, Pleadings, Oral Arguments, Documents, The Corfu Channel Case Vol. 1: Application. – British Memorial and annexes (1949), S. 8 ff. 3314 Vgl. Quincy Wright, American Journal of International Law 43 (1949), S. 491 (491). 3315 ICJ Reports 1948, S. 124 ff. Dies war der bisher einzige Fall, in dem der Internationale Gerichtshof von dieser Möglichkeit – in Bezug auf eine Untersuchungskommission oder ein anderes Gremium dieser Art – Gebrauch gemacht hat. Insgesamt handelt es sich um eine eher seltene Erscheinung in der internationalen Gerichtsbarkeit, vgl. Jens Evensen, Nordisk Tidsskrift for International Ret 25/II (1955), S. 44 (55); Daniel Peat, British Yearbook of International Law 84 (2014), S. 271 (276 ff.).
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conclusions, and, if so, what conclusions, regarding the existence of a methodically laid minefield and the object for which, in the light of the disposition of the mines, they appear to have been laid. (5) From the state of the mines swept on November 13th, 1946, can you draw any conclusions, and, if so, what conclusions, as to the date on which they were moored, and, in particular, on the question whether they were moored before or after the 22nd October, 1946? (6) Having regard to the replies given, by agreement between the Parties, to the questions concerning the position of the sun at Sibenik on October 17th and 18th, 1946, and on the basis of the documents in the case, does the examination of the factual circumstances concerning (a) the date, (b) the time of day, (c) the lie of the land, (d) the conditions of visibility, (e) the position of the objects (ships, mines, horns, rails), (f) their form, colour and dimensions, lead you to the conclusion that, in the circumstances in which the witness Kovacic was situated, it was possible for him to see the loading and the presence of GY mines on board two ships of the M-class in Panikovac Cove and the rails on the ships? (7) You are requested to state your opinion as to (a) the number of GY mines which a minelayer of the M-class could load; (b) the time required by two ships of this class, each possessing a derrick and a steam winch, and lying approximately in the positions indicated by the witness Kovacic, to take their complete load of mines; and (c) whether GY mines are normally fitted with horns when they are loaded on ships, or whether, on the contrary, they normally have to be fitted with the horns at the time when they are moored. (8) On the assumption that the mines discovered on November 13th, 1946, were laid at some date within the few preceding month, whoever may have laid them, you are requested to examine the information available regarding (a) the number and the nature of the mines, (b) the means for laying them, and (c) the time required to do so, having regard to the different states of the sea, the conditions of the locality, and the different weather conditions, and to ascertain whether it is possible in that way to draw any conclusions, and, if so, what conclusions, in regard to (i) the means employed for laying the minefield discovered on November 13th, 1946, and (ii) the possibility of mooring those mines with those means without the Albanian authorities being aware of it, having regard to the extent of the measures of vigilance exiting on the Saranda region. II. The duty of giving the expert opinion shall be entrusted to a Committee of Experts composed of Commodore J. Bull, of the Royal Norwegian Navy, Commodore S. A. Forshell, of the Royal Swedish Navy, and Lieutenant-Commander S. J. W. Elfferich, of the Royal Netherlands Navy. The Experts shall elect a chairman from amongst their number. III. After undertaking to serve, each Expert shall make in Court the following declaration: ,I solemnly declare upon my honour and conscience that I will perform my duties in all sincerity and will abstain from divulging or using, outside the Court, any secrets, of a military or technical nature which may come to my knowledge in the course of the performance of my tasks.‘ IV. The Registrar shall be responsible for the secretarial arrangements of the Committee of Experts. He may appoint a high official of the Registry to perform these duties.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
V. The Registrar shall place the pleadings, the documents filed and the verbatim record of public sitting at the disposal of the Experts. VI. The Experts shall bear in in mind that their task is not to prepare a scientific or technical statement of the problems involved, but to give to the Court a precise and concrete opinion upon the points submitted to them. VII. The Experts shall not limit themselves to stating their findings, they will also, as far as possible, give the reasons for these findings in order to make their true significance apparent to the Court. If need be, they will mention any doubts or differences of opinion amongst them. VIII. The Experts shall file their report in the Registry, at the latest, on the 10th January, 1949. The report shall be communicated by the Registry of the Agents of the Parties. IX. The Court reserves the right to put further questions to the Experts if it thinks fit.“
Am 17. Januar 1949, und damit bereits nach Fertigstellung des am 8. Januar beim Gerichtshof eingereichten ersten Untersuchungsberichts, erweiterte der Internationale Gerichtshof die Aufgabenstellung der Experten.3316 In einer Entscheidung von diesem Tage ersuchte der Gerichtshof die Experten ihre Untersuchung in den Orten Sibenik und Saranda fortzusetzten und sowohl an Land als auch in den Gewässern, welche sich an die beiden Orte seewärts anschließen würden, solche Untersuchungen und, soweit möglich, Experimente durchzuführen, die von den Experten als nützlich erachten würden, um die Antworten aus ihrem ersten Bericht zu verifizieren, zu komplettieren und nötigenfalls zu modifizieren. Den Parteien wurde dabei das Recht zugestanden, den Experten gegenüber hinsichtlich der durchzuführenden Untersuchungen und Experimente Vorschläge zu unterbreiten. Dem Registrar des Internationalen Gerichtshofs wurde die Aufgabe übertragen, alle Vorbereitungen für die Reise der Experten zu treffen und sicherzustellen, dass sie alle Erleichterungen erhalten würden, die für eine ordnungsgemäße und schnelle Erledigung ihrer Mission erforderlich seien. Die Regierungen des Vereinigten Königreichs und von Albanien benannten die Marineoffiziere Commander E. R. D. Sworder und Kapitän Barnimir Ivanov Ormanov als Begleitung der Experten.3317 So konnten die beiden streitenden Staaten ihre Interessen bei den Vor-Ort-Ermittlungen wahrnehmen. c) Durchführung der Untersuchung Die Untersuchung zur Implementierung des ursprünglichen Mandats wurde in Den Haag durchgeführt.3318 Die Experten nahmen hierzu, entsprechend des ihnen erteilten Mandats, verschiedene Dokumente, etwa aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Aufzeichnungen über die Verlegung von Minensperren in der Region, Logbücher der britischen Schiffe, diverse Land- und Seekarten, die Einlassungen der 3316
Annex 2 von ICJ, Entscheidung vom 17. Januar 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (151). 3317 ICJ, Communiqué No. 49/2 vom 21. Januar 1949. 3318 Annex 2 von ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (142 ff.).
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Parteien, Dokumente des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und von den Parteien eingeholte Expertenmeinungen in Augenschein. Zur Wahrnehmung des ihm am 17. Januar 1949 erteilten ergänzenden Arbeitsauftrages verließ das Expertenkomitee Den Haag am 23. Januar 1949 in Richtung Adria. Allerdings traten nur der schwedische und der niederländische Experte die Reise an, während der norwegische Experte in den Niederlanden verblieb. Bei der Mission wurden die Experten von dem stellvertretenden Registrar des Internationalen Gerichtshofs begleitet. Dieser sollte zum einen das Gericht repräsentieren und zum anderen die Verantwortung für die Beziehungen des Komitees zu den Staaten übernehmen, auf deren Territorium die Experten ihrer vom Gerichtshof mandatierten Aufgabe nachgehen sollten beziehungsweise welche sie bei ihrer Reise zu durchqueren hatten.3319 Die beiden Experten besuchten zunächst am 24. und 25. Januar 1949 Sibenik.3320 An diesen Tagen wurde die dortige Landschaft in Augenschein genommen. Am 28. und 29. Januar 1949 folgte die Visite von Saranda.3321 Hier nahmen die Experten einen Küstenabschnitt in Augenschein und besuchten verschiedene Örtlichkeiten, etwa einen Leuchtturm. d) Ergebnisse der Untersuchung In ihrem ersten Bericht vom 8. Januar 19493322, der einstimmig von dem Expertenkomitee beschlossen wurde, antwortete dieses nacheinander auf die Fragen, die ihm der Internationale Gerichtshof gestellt hatte. Der zweite Bericht des Expertenkomitees vom 8. Februar 19493323 war in zwei Teile aufgeteilt.3324 Im ersten Berichtsteil3325 wurde die Untersuchung in Sibenik und im zweiten Teil3326 die Untersuchung in Saranda dargestellt. Beide Abschlussberichte schilderten sehr de3319
ICJ, Communiqué No. 49/2 vom 21. Januar 1949. ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (153 ff.). 3321 ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (157 ff.). 3322 Experts’ Report of January 8th, 1949, wiedergegeben im Annex 2 von ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (142 ff.). 3323 Experts’ Report Dated February 8th, 1949, on the Investigation and Tests at Sibenik and Saranda, wiedergegeben im Annex 2 von: ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (152 ff.). 3324 ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (152 f.). 3325 ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (153 ff.). 3326 ICJ, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports 1949, S. 4 (157 ff.). 3320
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tailreich die Eindrücke und Beobachtungen der Marineexperten bei ihren Vor-OrtBesuchen. 2. Angriffe auf UNOSOM-II-Truppen in Somalia a) Historischer Hintergrund Nachdem im Jahr 1991 der somalische Machthaber Siad Barre unter dem Druck verschiedener Rebellengruppen das Land verlassen musste, kam es zu heftigen Kämpfen um die Macht in dem ostafrikanischen Staat.3327 Protagonisten des Machtkampfes waren die Führungspersönlichkeiten der politischen Gruppierung und paramilitärischen Organisation United Somali Congress (USC). Dies war einerseits die militärische Führungspersönlichkeit General Mohammed Farah Aidid, und andererseits der politische Anführer des USC Ali Mahdi Mohammed. Im Jahr 1992 wurde unter Führung von Aidid, gemeinsam mit einigen anderen politischmilitanten Gruppen, die Somali National Alliance gegründet (SNA). Durch den Konflikt brachen die staatlichen Strukturen in Somalia zusammen; außerdem verschlechterte sich, auch bedingt durch Plünderungen, die Versorgungslage beträchtlich. Im Süden Somalias brach sogar eine Hungersnot aus. Im Nordwesten Somalias setzten sich zudem lokale Anführer für die Errichtung des unabhängigen Gebildes „Somaliland“ ein. In der Folge brachen Kämpfe zwischen Clans und Untergruppierungen dieser Clans aus, die nur in losen Allianzen organisiert und ohne zentrale Führung waren. Die Kampfhandlungen fanden zu einer Zeit starker Dürre in Somalia statt. Im Jahr 1992 hatten die Kämpfe in Verbindung mit der schlechten Versorgungslage dazu geführt, dass 4,5 Millionen Somalis von Hunger, Mangelernährung und anderen Gefährdungen bedroht waren. 300.000 Menschen starben; über 2 Millionen Menschen wurden gewaltsam aus ihren Wohnstätten vertrieben und mussten im benachbarten Ausland oder an anderen Orten innerhalb Somalias Zuflucht suchen. Alle Regierungsinstitutionen lösten sich auf. Etwa 60 % der grundlegenden Infrastruktur Somalias verschwand.
3327 Hierzu und zum Folgenden eingehend Jürgen Bartl, Die humanitäre Intervention durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im „Failed State“: Das Beispiel Somalia, S. 15 ff.; Jeffrey Clark, Foreign Affairs 72/1 (1992/1993), S. 109 ff.; Rajendra Ramlogan, Houston Journal of International Law 16 (1993 – 1994), S. 213 ff.; John R. Bolton, Foreign Affairs 73/1 (1994), S. 56 ff.; Rahmesh Thakur, Journal of Modern African Studies 32 (1994), S. 387 ff.; Chester A. Crocker, Foreign Affairs 74/3 (1995), S. 2 ff. Ein Überblick über das in der Folge dargestellte Engagement der Vereinten Nationen in Somalia in den Jahren 1992 und 1993 findet sich auch in: United Nations Department of Public Information, Somalia – UNOSOM I, abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/DPKO/Missions/unosomi.htm (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018) sowie United Nations, Somalia – UNOSOM II, abrufbar unter: http://www.un. org/en/peacekeeping/missions/past/unosom2backgr2.html (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018).
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Als Reaktion auf die sich zunehmend verschlechternde Lage in Somalia wurde der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aktiv. Zunächst wurde, als Maßnahme auf Grundlage von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, durch die Resolution 733 (1992) vom 23. Januar 19923328 ein Waffenembargo über Somalia verhängt. Am 17. März 1992 folgte die Resolution 746 (1992)3329, durch welche auf eine Fortsetzung der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen für Somalia gedrängt und die Entscheidung des Generalsekretärs stark unterstützt wurde, ein technisches Team zu entsenden. Der Generalsekretär entsandte einige Tage nach der Resolution zudem einen Koordinator nach Somalia, der die effektive Auslieferung von Hilfsgütern überwachen sollte. Am 27. und 28. März 1992 wurden zwischen den sich bekämpfenden Gruppen in Mogadischu eine Reihe von Vereinbarungen abgeschlossen. Auf deren Grundlage wurden Beobachter der Vereinten Nationen entsandt, um die Einhaltung des schon am 3. März 1992 geschlossenen Waffenstillstandes zu beobachten. Diese Vereinbarungen bereiteten zudem die Grundlage für den Einsatz von Sicherheitspersonal der Vereinten Nationen, um das übrige Personal der Weltorganisation in Somalia und die humanitären Hilfsaktivitäten dort zu beschützen. Um den geschlossenen Waffenstillstand zu überwachen, ermächtigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 751 (1992) vom 24. April 19923330 den Generalsekretär dazu, 50 Beobachter nach Somalia zu entsenden.3331 Diese Mission wurde als United Nations Mission in Somalia (UNOSOM/später: UNOSOM I) bekannt. Am 12. August 1992 zeigte der Generalsekretär an, dass 500 Mann Sicherheitspersonal als Teil von UNOSOM eingesetzt würden, um die humanitäre Hilfe in Somalia zu schützen.3332 Die UNOSOM scheiterte jedoch an der Natur und Intensität des Konflikts in Somalia und war daher ein Misserfolg. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident George W. H. Bush bot den Vereinten Nationen im November 1992 an, eine militärische Operation zu organisieren und anzuführen, welche das Ziel haben sollte, die humanitäre Hilfe zu sichern. Mit der Resolution 794 (1992) vom 3. Dezember 19923333 hieß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Angebot der Vereinigten Staaten von Amerika willkommen.3334 Außerdem autorisierte der Sicherheitsrat nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen den Generalsekretär der Vereinten Nationen und deren Mitgliedstaaten, die bei der Umsetzung des Angebots der Vereinten Staaten 3328
UN Doc. S/RES/733 (1992) vom 23. Januar 1992. UN Doc. S/RES/746 (1992) vom 17. März 1992. 3330 UN Doc. S/RES/751 (1992) vom 24. April 1992. 3331 UN Doc. S/RES/751 (1992) vom 24. April 1992, Abs. 3 des operativen Teils der Resolution. 3332 Siehe Rajendra Ramlogan, Houston Journal of International Law 16 (1993 – 1994), S. 213 ff. 3333 UN Doc. S/RES/794 (1992) vom 3. Dezember 1992. 3334 UN Doc. S/RES/794 (1992) vom 3. Dezember 1992, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution. 3329
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von Amerika zusammenarbeiteten, „to use all necessary measures to establish as soon as possible a secure environment for humanitarian relief operations in Somalia“.3335 Die Vereinigten Staaten von Amerika führten daraufhin die United Task Force (UNITAF) an, die Truppenkontingente aus 24 Staaten beinhaltete. Diesen Verbänden gelang es bis zum Jahresende 1992 alle größeren Verteilungszentren für die humanitäre Hilfe zu sichern und den Fluss von Hilfsgütern wiederherzustellen. Die UNOSOM blieb zuständig für den Schutz der Auslieferung der Hilfsgüter sowie für die Anstrengungen, eine politische Lösung des Konflikts in Somalia herbeizuführen. Zu Beginn des Jahres 1993 einigten sich 14 politische Gruppen in Somalia auf einen Waffenstillstand und die Übergabe der Waffen an die UNITAF und die UNOSOM. Eine Versöhnungskonferenz, welche durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen und dessen Sonderbeauftragten für Somalia organisiert worden war, führte zu einer Übereinkunft zwischen insgesamt 15 politischen Gruppen zu den Fragen der Entwaffnung, des Wiederaufbaus und der Bildung einer Übergangsregierung für Somalia. Am 3. März 1993 legte der Generalsekretär der Vereinten Nationen zudem einen Bericht zu der Lage in Somalia in Bezug auf die Implementierung der Resolution 794 (1992) vor.3336 Dieser Bericht enthielt Empfehlungen für einen Übergang von UNITAF zu einer UNOSOM II. Der Generalsekretär hob hervor, dass seit der Verabschiedung der Sicherheitsratsresolution 794 (1992) etwa 37.000 Soldaten durch UNITAF in Süd- und Zentralsomalia stationiert worden seien; die Präsenz und die Operationen der UNITAF-Truppen hätten einen positiven Effekt auf die Sicherheitslage in Somalia und auf die effektive Auslieferung von Hilfsgütern. Trotz dieser Verbesserung sei jedoch Somalia noch nicht sicher, und es gebe weiterhin gewaltsame Zwischenfälle. Es gebe keine effektive Regierung in Somalia sowie keine organisierte zivile Polizei und auch keine disziplinierten nationalen Streitkräfte. Die Sicherheitsbedrohung für das Personal der Vereinten Nationen, der UNITAF, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und von Nichtregierungsorganisationen sei in einigen Bezirken von Mogadischu und in einigen Teilen von Somalia immer noch hoch. Außerdem gebe es keine Stationierung von UNITAFoder UNOSOM-Verbänden in Nordost- und Nordwestsomalia und an der Grenze zwischen Somalia und Kenia, wo die Sicherheitslage immer noch großen Anlass zur Besorgnis gebe. Daher sei nun die Zeit gekommen, von UNITAF zu UNOSOM II überzugehen, was der Sicherheitsrat beschließen solle. Diese Mission müsse mit Zwangsbefugnissen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ausgestattet sein, um die Sicherheit in ganz Somalia zu etablieren. Um dies zu erreichen, müsse UNOSOM II sich um Aktivitäten in den Bereichen Entwaffnung und Versöhnung bemühen und die Arbeit abschließen, die von der UNITAF begonnen worden sei, um Frieden, Stabilität sowie Recht und Ordnung wiederherzustellen. Das vom Generalsekretär vorgeschlagene Mandat sollte es UNOSOM II auch ermöglichen, der 3335 UN Doc. S/RES/794 (1992) vom 3. Dezember 1992, Abs. 10 des operativen Teils der Resolution. 3336 UN Doc. S/25354 vom 3. März 1993, zum Folgenden insbesondere die Rn. 56 bis 88.
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somalischen Bevölkerung Unterstützung bei dem Wiederaufbau der Wirtschaft sowie des sozialen und politischen Lebens, bei der Wiedererrichtung der nationalen Institutionen, bei der Erreichung einer nationalen, politischen Aussöhnung sowie bei der Wiedererrichtung eines somalischen Staatswesens, welches auf einer demokratischen Regierungsführung gegründet sei, und bei der Erneuerung der Wirtschaft und Infrastruktur der Landes zu leisten. Hierzu schlug der Generalsekretär vor, dass das Mandat von UNOSOM II, welches das gesamte Staatsgebiet von Somalia abdecken müsse, folgende militärische Aufgaben umfassen solle: „(a) monitoring that all factions continued to respect the cessation of hostilities and other agreements to which they had consented; (b) preventing any resumption of violence and, if necessary, taking appropriate action against any faction that violated or threatened to violate the cessation of hostilities; (c) maintaining control of the heavy weapons of the organized factions which would have been brought under international control pending their eventual destruction or transfer to a newly constituted national army; (d) seizing the small arms of all unauthorized armed elements and assisting in the registration and security of such arms; (e) securing or maintaining security at all ports, airports and lines of communications required for the delivery of humanitarian assistance; (f) protecting the personnel, installations and equipment of the United Nations and its agencies, ICRC as well as NGOs, and taking such forceful action as might be required to neutralize armed elements that attacked, or threatened to attack, such facilities and personnel, pending the establishment of a new Somali police force which could assume this responsibility; (g) continuing the programme for mineclearing in the most afflicted areas; (h) assisting in the repatriation of refugees and displaced persons within Somalia; (i) carrying out such other functions as might be authorized by the Security Council“.
Hinsichtlich der Entwaffnung merkte der Generalsekretär, bezugnehmend auf die am 15. Januar 1993 zwischen den verschiedenen somalischen Konfliktparteien in Addis Abeba abgeschlossene Vereinbarung über die Implementierung des Waffenstillstandes und die Modalitäten der Entwaffnung,3337 an, dass ein Planungsausschuss durch hochrangige Offiziere der UNITAF und der UNOSOM gebildet werden müsse, welcher ein „Somalia ceasefire disarmament concept“ erarbeiten solle. Dieses Konzept müsse Lagerstätten für schwere Waffen als auch Übergangsquartiere für Truppen der bewaffneten Gruppierungen in Somalia enthalten. Letztere müssten eine Unterkunft haben, wenn sie ihre Kleinwaffen abgeben würden. Dort müssten die betreffenden Personen für die zukünftige Unterstützung durch die Regierung und Nichtregierungsorganisationen registriert werden und eine Ausbildung für die spätere Rückkehr ins Zivilleben erhalten. Die Lagerstätten und die Übergangsunterkünfte müssten räumlich voneinander getrennt sein, um jede Möglichkeit auszuschließen, dass Gruppierungen wieder in den Besitz der schweren Waffen gelangen könnten. Diejenigen, die es versäumen würden, Fristen oder andere Modalitäten des Entwaffnungsprozesses einzuhalten, müssten damit rechnen, dass ihre Waffen und ihre Ausrüstung beschlagnahmt und/oder zerstört würden. Abschließend veran3337 Die Vereinbarung ist wiedergegen als Annex III in: UN Doc. S/25168 vom 26. Januar 1993, S. 14 f.
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schlagte der Generalsekretär die Anzahl der benötigten Truppen auf 20.000 Soldaten, um die militärischen Aufgaben zu erfüllen sowie weitere 8.000 Mann für die Logistik. Außerdem verlautbarte der Generalsekretär, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika grundsätzlich dazu bereiterklärt hätten, eine Tactical Quick Reaction Force zur Unterstützung des Kommandeurs der UNOSOM-II-Truppen zu entsenden. Zudem müsse die UNOSOM II eine zivile Komponente von etwa 2.800 Personen beinhalten. Der Generalsekretär schlug den 1. Mai 1993 als das Datum vor, an dem die finanzielle und verwaltungstechnische Kontrolle von der UNITAF auf die UNOSOM II übergehen sollte. Später wurde ein Übergang der militärischen Verantwortlichkeit am 4. Mai 1993 vereinbart. Am 26. März 1993 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 814 (1993).3338 Mit der Resolution folgte der Sicherheitsrat den Empfehlungen des Generalsekretärs aus dessen Bericht vom 3. März 1993.3339 Das Mandat der ausgeweiteten UNOSOM wurde zunächst bis zum 31. Oktober 1993 verlängert.3340 Der Sicherheitsrat verlangte in der Resolution, dass alle Parteien in Somalia ihre Bekenntnisse einhalten müssten, welche sie in der Vereinbarung anlässlich des informellen Vorbereitungstreffens über die politische Versöhnung in Somalia in Addis Abeba am 8. Januar 1993 abgeschlossen hätten,3341 und auch insbesondere diejenigen Bekenntnisse, die in der Vereinbarung über die Implementierung des Waffenstillstandes und die Modalitäten der Entwaffnung niedergelegt seien.3342 Zudem wurden die somalischen Parteien aufgefordert, die Sicherheit des Personals aller Organisationen sicherstellen, die in Somalia humanitäre und andere Hilfe leisten würden.3343 Alle Staaten und insbesondere die Nachbarstaaten Somalias wurden aufgerufen, bei der Implementierung des Waffenembargos gegen Somalia zusammenzuarbeiten.3344 Bereits am 27. März 1993 war auf einer weiteren Konferenz zwischen den 15 somalischen politischen Gruppierungen das Agreement of the First Session of the Conference of National Reconciliation in Somalia3345 abgeschlossen worden. Diese 3338
UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993. Vgl. UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993, Abs. 1 und 5 des operativen Teils der Resolution. 3340 UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993, Abs. 6 des operativen Teils der Resolution. 3341 Die Vereinbarung ist wiedergegen als Annex II in: UN Doc. S/25168 vom 26. Januar 1993, S. 11 f. 3342 UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution. 3343 UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993, Abs. 9 des operativen Teils der Resolution. 3344 UN Doc. S/RES/814 (1993) vom 26. März 1993, Abs. 11 des operativen Teils der Resolution. 3345 Abrufbar unter: https://www.usip.org/sites/default/files/file/resources/collections/peace _agreements/somalia_03271993.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 3339
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Vereinbarung enthielt vier Teile: Abrüstung und Sicherheit, Versöhnung und Wiederaufbau, Rückgabe von Eigentum und Streitbeilegung sowie Übergangsmechanismen. Die Gruppierungen bekannten sich zu dem Ende des bewaffneten Konflikts in Somalia und zur Beilegung ihrer Streitigkeiten durch friedliche Mittel. Auch bestätigten die Gruppierungen ihre zuvor eingegangenen Verpflichtungen, insbesondere die Verpflichtungen zur Übergabe von Waffen und Munition an die UNITAF und die UNOSOM II. Nach dem Übergang von UNITAF zu UNOSOM II im Mai 1993 wurde schnell deutlich, dass die Fraktion von General Aidid nicht bei der Implementierung der Vereinbarungen kooperieren würde. In der Folge kam es zu Versuchen von Seiten der UNOSOM II, die Entwaffnung durchzusetzen. Hierbei kam es auch zu Festnahmen. Dies führte zu erhöhten Spannungen in Mogadischu, die sich schließlich am 5. Juni 1993 in Gewalt niederschlugen. Im Südteil von Mogadischu, welcher zu dieser Zeit von der SNA kontrolliert wurde, kam es zu einer Reihe von bewaffneten Angriffen auf UNOSOM-II-Truppen. Hierbei wurden 24 pakistanische Soldaten getötet und 56 Soldaten wurden verwundet. Die Körper der Opfer wurden dabei verstümmelt und auch zum Gegenstand anderer erniedrigender Behandlungen gemacht. Während der Ereignisse am 5. Juni 1993 traten zudem diverse Unzulänglichkeiten bei Bewaffnung, Kommunikation und Ausstattung der UNOSOM-II-Truppen zu Tage. So mangelte es etwa zwischen den italienischen, nigerianischen und pakistanischen Truppen vor Ort an geeigneten Kommunikationswegen, um gegenseitige Unterstützung anzufordern. Bereits am 6. Juni 1993 verabschiedete der Sicherheitsrat auf seiner 3229. Sitzung einstimmig die Resolution 837 (1993)3346.3347 In dieser Resolution verurteilte der Sicherheitsrat die Angriffe auf die UNOSOM-II-Mission vom Vortag scharf.3348 Außerdem wurde darauf gedrängt, dass die Personalstärke für die UNOSOM-IIMission und die Ausrüstungsanforderungen für die Mission erreicht werden sollte beziehungsweise sollten.3349 Zudem sah der fünfte Absatz des operativen Teils der Resolution vor: „Reaffirms that the Secretary-General is authorized under resolution 814 (1993) to take all necessary measures against all those responsible for the armed attacks referred to in paragraph 1 above, including against those responsible for publicly inciting such attacks, to establish the effective authority of UNOSOM II throughout Somalia, including to secure the investigation of their actions and their arrest and detention for prosecution, trial and punishment“. Der sechste Absatz des 3346
UN Doc. S/RES/837 (1993) vom 6. Juni 1993. Für die Resolution stimmten: Brasilien, China, Djibouti, Frankreich, Japan, Kap Verde, Marokko, Neuseeland, Pakistan, Russische Föderation, Spanien, Ungarn, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika, UN Doc. S/PV.3229 vom 6. Juni 1993, S. 13. 3348 UN Doc. S/RES/837 (1993) vom 6. Juni 1993, Abs. 1 des operativen Teils der Resolution. 3349 UN Doc. S/RES/837 (1993) vom 6. Juni 1993, Abs. 7 des operativen Teils der Resolution. 3347
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operativen Teils der Resolution sah zudem noch vor, dass der Generalsekretär die Ereignisse vom 5. Juni 1993 dringend untersuchen sollte. Hierbei sollte insbesondere die Rolle der Anführer der militanten Gruppierungen in den Blick genommen werden. Einen entsprechenden Bericht legte der Generalsekretär dem Sicherheitsrat im Spätsommer 1993 vor.3350 b) Einsetzung der Kommission Der Vorschlag, eine Kommission zur Untersuchung der Angriffe auf die UNOSOM-II-Mission nach Somalia zu entsenden, ging von den Vereinigten Staaten von Amerika aus, die hierzu einen entsprechenden Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat einbrachten.3351 Deren Vertreterin im Sicherheitsrat erklärte hierzu auf dessen 3315. Sitzung am 16. November 1993, dass eine solche Untersuchung aus US-amerikanischer Sicht einen entscheidenden Beitrag zum Friedensprozess in dem ostafrikanischen Staat leisten könne.3352 Auch von mehreren anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, insbesondere aus Afrika, war die Entsendung einer unparteiischen Untersuchungskommission vorgeschlagen worden.3353 Einstimmig wurde auf dieser Sitzung die Resolution 885 (1993) mit folgendem Wortlaut angenommen:3354 3350 Report pursuant to paragraph 5 of Security Council resolution 837 (1993) on the investigation into the 5 June 1993 attack on United Nations forces in Somalia conducted on behalf of the Secretary-General, UN Doc. S/26351 vom 24. August 1993. Die Untersuchung wurde von dem unabhängigen Experten Tom Farer, Professor an der American University in Washington, D.C., durchgeführt. Er erstellte auch den Bericht, der dem benannten Dokument als Annex angehängt ist. 3351 Vgl. den Resolutionsentwurf in: UN Doc. S/26750 vom 16. November 1993. 3352 UN Doc. S/PV.3315 vom 16. November 1993, S. 5 f. 3353 So brachte etwa Meles Zenawi, der damalige Präsident der Übergangsregierung von Äthiopien, eines Nachbarstaates Somalias, in einem Brief an den Präsidenten des Sicherheitsrates vor, dass die Errichtung einer Kommission zur Untersuchung der Angriffe auf die UNOSOM-II-Mission einen wichtigen Schritt im Rahmen einer nationalen somalischen Aussöhnung bedeuten würde. Bedeutende Persönlichkeiten, wie etwa der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten vom Amerika Jimmy Carter, sollten hiernach bei Errichtung und Arbeit der Kommission eine bedeutende Rolle spielen. Siehe UN Doc. S/26627 vom 25. Oktober 1993, S. 3. 3354 UN Doc. S/RES/885 (1993) vom 16. November 1993. Für die Annahme der Resolution stimmten: Brasilien, China, Djibouti, Frankreich, Kap Verde, Japan, Marokko, Neuseeland, Pakistan, Russische Föderation, Spanien, Ungarn, Venezuela, Vereinigtes Königreich sowie Vereinigte Staaten von Amerika. Siehe auch den zustimmenden Kommentar des Repräsentanten von Pakistan in: UN Doc. S/PV.3315 vom 16. November 1993, S. 6: „(…) We are confident that the establishment of a Commission of Inquiry to investigate the armed attacks against UNOSOM II personnel is an important measure that will provide the requisite assurances to all those who have followed with concern that sad events that have occurred in Somalia. (…)“ sowie des Repräsentanten von Brasilien: „(…) Brazil gives its full support and encouragement to UNOSOM II efforts to promote the process of national political reconciliation among all Somali parties as the only real basis for an irreversible improvement in the
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„1. Authorizes the establishment of a Commission of Inquiry, in further implementation of Resolutions 814 (1993) and 837 (1993), to investigate armed attacks on UNOSOM II personnel which led to casualties among them; 2. Requests the Secretary-General, having conveyed his views to the Security Council, to appoint the Commission at the earliest possible time, and to report to the Council on the establishment of the Commission; 3. Directs the Commission to determine procedures for carrying out its investigation taking into account standard United Nations procedures; 4. Notes that members of the Commission will have the status of experts on mission within the meaning of the Convention of the Privileges and Immunities of the United Nations, which shall apply to the Commission; 5. Urges the Secretary-General to provide the Commission with all assistance necessary to facilitate its work; 6. Calls on all parties in Somalia fully to cooperate with the Commission; 7. Requests the Commission to report its findings through the Secretary-General to the Security Council as soon as possible, taking into consideration the need for a thorough inquiry; 8. Requests that the Secretary-General, under his authority in resolutions 814 (1993) and 837 (1993), pending completion of the report of the Commission, suspend arrest actions against those individuals who might be implicated but are not currently detained pursuant to resolution 837 (1993), and make appropriate provisions to deal with the situation of those already detained and the provisions of resolution 837 (1993);“
Zu Mitgliedern der Untersuchungskommission wurden durch den Generalsekretär Matthew M. S. W. Ngulube, Präsident des Obersten Gerichtshofs von Sambia, der pensionierte Generalleutnant Emanuel A. Erskine aus Ghana, ehemaliger Kommandeur der United Nations Interim Force in Lebanon, sowie Generalleutnant Gustav Haaglund aus Finnland, Chef des Verteidigungsstabes der Republik Finnland, bestellt. Dem sambischen Kommissionsmitglied wurde der Vorsitz in der Kommission übertragen.3355 Der Generalsekretär entschied darüber hinaus – wegen der Dringlichkeit der Untersuchung – ein ständiges Sekretariat für die Untersuchungskommission zu ersituation in Somalia. It is our hope that significant progress will soon be achieved in that political process. Having these considerations in mind, the Brazilian delegation supported the resolution adopted today by the Council, which authorizes the establishment of a Commission of Inquiry to investigate armed attacks that led to UNOSOM II casualties. It is particular important that in adopting this resolution the Council act on suggestions coming from the region, notably the proposals submitted by President Meles Zenawi of Ethiopia, as contained in document S/22627. We are hopeful that the work of the Commission will contribute to bringing an early and satisfactory solution to the serious problems posed by the attacks against UNOSOM II. By doing that, it will no doubt make an important contribution to the future work of the United Nations in Somalia. (…)“, S. 8 f. Vgl. auch Mats Berdal, International Peacekeeping 7/IV (2000), S. 55 (61). 3355 UN Doc. S/26823 vom 1. Dezember 1993; UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 4.
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richten, dem ein Mitglied des Büros für Rechtsangelegenheiten des Sekretariats der Vereinten Nationen vorstand. Die besondere Wichtigkeit, die der Generalsekretär der Sekretariatstätigkeit zumaß, wurde dadurch deutlich, dass es sich bei dem Chef des Sekretariats um einen ehemaligen Justizminister von Liberia handelte.3356 Das Kommissionssekretariat setzte sich weiterhin aus einem Angehörigen des Centre for Human Rights, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf, und einem Mitglied der Rechtsabteilung von UNOSOM II zusammen.3357 In administrativer Hinsicht wurde die Kommission von einem Mitglied der Politischen Abteilung im Hauptquartier der Vereinten Nationen, einem Mitglied des United Nations Field Service sowie einem Offizier der Beobachtungsmission der Vereinten Nationen im Libanon unterstützt.3358 c) Durchführung der Untersuchung Die Mitglieder der Untersuchungskommission trafen sich am 22. November 1993 in New York. Sie führten zunächst Gespräche mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie mit einem Diplomaten und mit dem Sonderberater für Politische Angelegenheiten des Generalsekretärs und den Untergeneralsekretären für Politische Angelegenheiten, für Rechtsangelegenheiten sowie für Peacekeeping-Operationen. Die Kommission gab sich zudem eine Verfahrensordnung.3359 Die Kommission reiste am 30. November 1993 in die somalische Hauptstadt Mogadischu. Dort angekommen, veröffentlichte die Kommission eine Presseerklärung, mit der sie ihr Arbeitsprogramm bekannt gab und jeden einlud, vor der Untersuchungskommission zu erscheinen und dort auszusagen. Die Einladung richtete sich dabei ausdrücklich an Personen, die über nützliche Informationen zu bewaffneten Angriffen auf das UNOSOM-II-Personal verfügten.3360 Darüber hinaus unternahm die Kommission während ihres ersten Besuchs in Mogadischu große Anstrengungen, um einige besondere somalische Zeugen zu erreichen, hierbei insbesondere General Aidid.3361 Die Kommission gab weiterhin in den Medien bekannt, dass sie ein Büro in der Innenstadt von Mogadischu eröffnet habe, um Zeugen zu befragen. Grund für dieses Vorgehen war, dass die Kommission ein Unbehagen bei vielen Somalis festgestellt hatte, sich in das schwer bewachte Hauptquartier der UNOSOM II zu begeben. Diese Maßnahme der Kommission war allerdings nur von
3356
UN Doc. S/26823 vom 1. Dezember 1993. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 5. 3358 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 5. 3359 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 6. 3360 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 7. 3361 Das Schreiben des Kommissionsvorsitzenden ist abgedruckt in: UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Annex I, S. 52 f. 3357
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geringem Erfolg gekrönt, da sich keine bedeutsamen Zeugen in dem eigens eingerichteten Büro einfanden.3362 Nach der Durchführung einiger Befragungen und der Durchsicht verschiedener Unterlagen ruhte die Kommissionsarbeit vom 21. Dezember 1993 bis zum 10. Januar 1994. Danach wurden weitere Treffen im italienischen Livorno sowie in Washington, D.C. und in New York abgehalten. Im Anschluss reiste die Kommission ein weiteres Mal in die somalische Hauptstadt.3363 Im Zuge ihrer Untersuchungen hörte die Untersuchungskommission die Aussagen von 29 UNOSOM-II-Offiziellen und einer Reihe von somalischen Bürgern.3364 Die Befragungen wurden dabei formlos durchgeführt. Einige der Befragten wurden von einem Rechtsanwalt oder einer anderen Hilfsperson begleitet. Als Maßnahme des Zeugenschutzes wurde allen Zeugen die Vertraulichkeit ihrer Aussage zugesichert. Tonmitschnitte der Aussagen wurden nicht angefertigt.3365 Neben den verschiedenen Befragungen sichtete die Kommission noch dokumentarisches Material einschließlich eines Berichts einer vorhergehenden Untersuchung, die im Auftrag vom UNOSOM II durchgeführt worden war. Die Untersuchungskommission studierte zudem die militärischen Dokumente und Aufzeichnungen der Mission, etwa deren Rules of Engagement, die Operationspläne, Befehle, allgemeine Berichte und Berichte über Zwischenfälle.3366 Auch unternahmen die Kommissionsmitglieder einen Rundflug über Orte, an denen Angriffe auf die UNOSOM II stattgefunden hatten oder die mit solchen Angriffen in Verbindung standen.3367 Nach ihrem zweiten Aufenthalt in Mogadischu reiste die Kommission schließlich in die kenianische Hauptstadt Nairobi weiter. Hier versuchte die Kommission mit Personen aus der Führungsriege des/der USC/SNA zusammenzutreffen, insbesondere mit General Aidid. Dieser wurde am 9. Februar 1994 durch ein Schreiben des Vorsitzenden der Kommission um eine Zusammenkunft gebeten.3368 Aidid antwortete hierauf lediglich mit einem Schreiben, in dem er eine Kommission mit einem anderen Mandat und einer anderen Zusammensetzung forderte.3369 Die angedachten Treffen zwischen der Kommission und den Verantwortlichen aus den Reihen des/der USC/SNA kamen letztendlich nicht zustande.3370 3362
UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 8. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 9. 3364 Die Liste mit den angehörten Zeugen ist dem Dokument UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994 als Annex II beigegeben. 3365 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 10 f. 3366 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 12. 3367 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 13. 3368 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Annex I, S. 54. 3369 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Annex I, S. 55 f. 3370 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 14. 3363
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d) Ergebnisse der Untersuchung aa) Am 24. Februar 1994 legte die Untersuchungskommission in New York ihren 272 Randnummern starken Abschlussbericht vor.3371 Dieser war in acht Teile untergliedert. Im ersten Teil wurden die Entwicklungen der Krise in Somalia nachgezeichnet, die zu der Intervention der Vereinten Nationen in diesem Staat geführt hatten.3372 Im zweiten Teil wurden die Gründe dafür untersucht, die den Sicherheitsrat dazu veranlassten hatten, hinsichtlich Somalias Maßnahmen auf der Grundlage von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen zu erlassen.3373 Der dritte Teil des Berichts enthielt eine Betrachtung der Gründe für die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den UNOSOM-II-Truppen einerseits und der SNAMiliz andererseits.3374 Die vierte Teil des Berichts war den Waffeninspektionen und dem Beginn der Angriffe auf das UNOSOM-II-Personal am 5. Juni 1993 gewidmet.3375 Im fünften Teil beschrieb die Kommission die Kämpfe zwischen UNOSOM II und der SNA nach den Angriffen vom 5. Juni.3376 Im sechsten Teil analysierte die Kommission diese Kämpfe und legt hierzu Untersuchungsbefunde dar.3377 Der siebte Teil des Abschlussberichts enthielt einige generelle Beobachtungen der Kommission hinsichtlich der von ihr untersuchten Angriffe.3378 Der abschließende achte Berichtsteil enthielt Empfehlungen in Bezug auf UNOSOM II und zu Fragen der Friedenswahrung und Friedensdurchsetzung im Allgemeinen.3379 bb) In ihren Schlussfolgerungen stellte die Untersuchungskommission zunächst heraus, dass das Mandat, das der UNOSOM II erteilt worden sei, sich als Mandat nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen fundamental vom Mandat der UNOSOM I unterscheide, welche noch eine traditionelle humanitäre Mission und eine Peacekeeping-Mission gewesen sei. Der Unterschied sei so gravierend, dass man die truppenstellenden Staaten hierüber genau informieren müsse. Zudem wäre es nötig, die Natur, den Zweck und die Rechtfertigung für die Intervention der Vereinten Nationen den Somalis zu erklären.3380 In diesem Zusammenhang sah die Kommission die UNOSOM-II-Aktion vom 5. Juni eher als eine Friedensdurchsetzungsmission (Peace Enforcement) denn als eine Peacekeeping-Operation an und
3371 Report of the Commission of Inquiry established pursuant to Security Council Resolution 885 (1993) to investigate armed attacks on UNOSOM II Personnel which led to casualties among them, enthalten in: UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, S. 3 ff. 3372 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 19 ff. 3373 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 30 ff. 3374 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 54 ff. 3375 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 94 ff. 3376 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 125 ff. 3377 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 176 ff. 3378 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 249 ff. 3379 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 262 ff. 3380 UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 249.
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wies darauf hin, dass die Mission dieses Bild auch der SNAvermittelt habe.3381 Da die Vereinten Nationen anerkannt hätten, dass keine somalische Regierung bestehe, würde UNOSOM II einem Menschenrechtsdilemma gegenüberstehen, wenn im Rahmen ihres Mandats Personen zu verhaften seien. Da es keine Gerichte gebe, würden die Verhaftungen durch UNOSOM-II-Truppen als willkürlich angesehen, hätten die Mission der Kritik ausgesetzt und hätten eingestellt werden müssen.3382 Aus diesen Gründen hätte das Peace Enforcement durch UNOSOM II im somalischen Bürgerkrieg nicht dazu beigetragen, dass Bild der Vereinten Nationen als friedliche und humanitäre Organisation zu stärken.3383 Weiterhin befand die Untersuchungskommission, dass die Feststellung, dass ein Staat keine Regierung habe, so wie sie von den Vereinten Nationen im Fall Somalias getroffen worden sei, derartig weitreichende rechtliche und politische Konsequenzen habe, dass dies mit der gebotenen Sorgfalt erörtert werden müsse. Wenn die Vereinten Nationen in einem so charakterisierten Land operieren würden, müsse die Weltorganisation notwendiger Weise die Verantwortung für wenigstens einige der grundlegenden staatlichen Angelegenheiten tragen, die traditioneller Weise einer Regierung zufallen würden. Ein solches Vorgehen könne allerdings die Schreckgespenster eines Mandatsgebiets der Vereinten Nationen oder des Neo-Kolonialismus heraufbeschwören.3384 Hinsichtlich der Ereignisse am 5. Juni 1993 stellte die Kommission fest, dass es für die Militäreinheiten in einer solchen Operation wichtig sei, sich in einer Position zu befinden, in der sie einem Ersuchen um Feuerunterstützung oder Verstärkung einer benachbarten Einheit nachkommen könnten, ohne zuvor eine entsprechende Autorisierung vom Hauptquartier erhalten zu müssen. Solche Ersuchen seien zudem nur dann möglich, wenn die verschiedenen Einheiten über gemeinsame Kommunikationswege verfügten. Da es entsprechende Kommunikationsvorrichtungen am 5. Juni nicht gegeben habe, hätten weder die Pakistanis eine direkte Anfrage an eine italienische Brigade um Panzerunterstützung richten können, noch hätten die nigerianischen Truppen, welche in einen Hinterhalt geraten seien, direkt mit einer nur wenig entfernt liegenden italienischen Einheit kommunizieren können.3385 Weitere Feststellungen der Kommission betrafen das generelle Verhalten der UNOSOM II beziehungsweise ihrer Mitglieder und das Verhalten diverser Staaten. So wurde festgestellt, dass es vielen politischen Berater der Mission, besonders solchen, die an heiklen politischen Sachverhalten gearbeitet hätten, an Erfahrung und Wissen um die Methoden des Peacekeeping durch die Vereinten Nationen gefehlt habe. Zudem wurden auch Probleme im Umgang gegenüber der lokalen Kultur in 3381 3382 3383 3384 3385
UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 250. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 251. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 252. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 253. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 254.
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Somalia festgestellt.3386 Weiterhin wurde bemängelt, dass die Vereinten Nationen einerseits bei der Durchführung einer Kapitel-VII-Operation auf die Zusagen von Unterstützung durch Mitgliedstaaten angewiesen seien und hierauf vertrauen müssten, dass es auf der anderen Seite jedoch keine Garantie dafür gebe, dass die Mitgliedstaaten ihre Zusagen dann auch einhalten würden. So habe das somalische Beispiel das Risiko aufgezeigt, dass Mitgliedstaaten ihrer Unterstützung zurückziehen würden und damit die Vereinten Nationen in die Lage brächten, sich den Konsequenzen einer unerledigten Mission gegenüberzusehen.3387 Ein weiteres Manko machte die Kommission im Bereich der Informationsbeschaffung für die Mission aus. Die Vereinten Nationen würden verlässlicher Informationen und Aufklärungskapazitäten bedürfen, um einer Mission zur Friedenserzwingung zum Erfolg zu verhelfen.3388 Ein weiterer Punkt, welchen die Kommission aufzeigte, war, dass es für die UNOSOM-II-Mission als Peace-Enforcement-Operation keine koordinierende Politik, kein Operationskonzept und keine Verfahren für die Durchführung der Operation gegeben habe. Auch sei kein Format für solche Koordinierungen vorhanden gewesen.3389 Allgemein stellte die Kommission in Bezug auf die Operation in Somalia noch fest, dass Anwendung von Gewalt, insbesondere von tödlicher Gewalt, dazu führe, einen Kreislauf von Vergeltung zu schaffen und den Konflikt graduell zu eskalieren. Die Vereinten Nationen seien in diesem Klima hilflos, wenn sie mit den unmenschlichen und gewissenlosen Methoden einer rücksichtslosen Miliz auf deren eigenem Gebiet konfrontiert seien.3390 Zudem seien Nationen nicht bereit, größere Verluste an Menschenleben hinzunehmen, wenn dies nicht ihren nationalen Zielen diene. Diese Tatsache würde Peace-Enforcement-Operationen gewichtige Schranken auferlegen.3391 Zum Abschluss bemerkte die Kommission noch, dass – im Nachhinein betrachtet – das Mandat, so wie es UNOSOM II erteilt oder wenigstens so wie es interpretiert worden sei, zu anspruchsvoll gewesen wäre in Bezug auf die benötigten Mittel und auch im Hinblick auf den Willen, das Mandat zu implementieren.3392 cc) Die Untersuchungskommission sprach zum Ende ihres Abschlussberichts diverse Empfehlungen aus. So sollte etwa die gewaltsame Entwaffnung der Milizen in Somalia aufgegeben werden, da die Vergangenheit gezeigt habe, dass dies zu feindlichen Aktionen gegen das militärische wie gegen das zivile Personal der 3386 3387 3388 3389 3390 3391 3392
UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 255. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 256. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 257. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 258. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 259. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 260. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 261.
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UNOSOM-II-Mission führe.3393 Auch sollten die Vereinten Nationen nicht auf eine bestimmte Lösung des Konflikts in Somalia bestehen, sondern vielmehr im Gerüst der Charta der Vereinten Nationen die politischen Bewegungen in Somalia dabei unterstützen, einen Konsens bei Fragen der politischen Aussöhnung und des Wiederaufbaus von Regierungsinstitutionen zu finden.3394 Weiterhin sollten ex-gratiaLeistungen an diejenigen somalischen Zivilisten gezahlt werden, die Verletzungen durch die Implementierung der Sicherheitsratsresolution 837 (1993) erlitten hätten,3395 und es sollte ein entsprechender Mechanismus für die Bestimmung der Kriterien für die Leistung solcher Zahlungen bestimmt werden.3396 Zudem empfahl die Untersuchungskommission den Vereinten Nationen, dass deren Hauptquartier einen ausreichenden Pool von angemessen ausgebildetem und erfahrenem Personal vorhalten solle, welches bei neuen Peacekeeping-Missionen eingesetzt werden könne.3397 Hinsichtlich der Einladung an Regierungen, Truppen für PeacekeepingOperationen zu stellen, wurde den Vereinten Nationen empfohlen, die gewillten Regierungen darum zu ersuchen, bei Entsendung solcher Truppen in allen Offiziersund Mannschaftsdienstgraden Personal mit Peacekeeping-Erfahrung zu integrieren.3398 In einer weiteren Empfehlung an die Vereinten Nationen wurde diesen der Rat erteilt, in neu eingesetzten Peacekeeping-Operationen – besonders in der Anfangsphase – Beobachter mit breiter Erfahrung in diesem Bereich einzusetzen.3399 Auch wurde eine Empfehlung hinsichtlich der militärischen Ausrüstung für solche Operationen abgegeben. In dieser wurde den Vereinten Nationen geraten, gepanzerte Truppentransporter bereitzustellen, damit bei Operationen, wie der in Somalia, die eingesetzten Truppen geschützt seien und Opfer unter den Soldaten vermieden werden könnten.3400 Insgesamt blickte die Untersuchungskommission eher pessimistisch auf Operationen wie UNOSOM II. Nach Auffassung der Kommission sollten die Vereinten Nationen in der Zukunft nämlich davon Abstand nehmen, Peace Enforcement in internen Konflikten von Staaten zu praktizieren. Falls dies doch der Fall seien sollte, so müsse das entsprechende Mandat auf spezifische Ziele beschränkt sein und Gewalt als letztes Mittel nur dann eingesetzt werden, wenn alle friedlichen Optionen ausgeschöpft seien, um das angestrebte Ziel zu erreichen.3401 Peacekeeping-Operationen sollten hingegen von den Vereinten Nationen weiterhin durchgeführt werden, wobei bei diesen ein verstärkter Fokus auf präventive Diplomatie, friedliche Nation-Building-Anstrengungen und die Bereitschaft auf Not3393 3394 3395 3396 3397 3398 3399 3400 3401
UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 262. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 263. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 264. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 265. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 266. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 267. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 268. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 269. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 270.
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fälle zu reagieren gelegt werden solle.3402 Letztlich wurde noch empfohlen, dass die politische Kontrolle von Peacekeeping-Operationen vollständig beim Generalsekretär liegen solle und die eingesetzten Truppen einem einheitlichen Kommando unterstehen sollten.3403
C. Einzelne Verfahrensaspekte im Rahmen internationaler Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen Einen einheitlichen und verbindlichen Rechts- oder Tätigkeitsrahmen für Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen gibt es weder im Hinblick auf deren Einsetzung noch für deren Arbeit. Vielmehr wird die jeweilige Untersuchung durch das der Kommission erteilte Mandat bestimmt. Bei der Implementierung des jeweiligen Mandats ist dieses oftmals lediglich partiell hilfreich, da es regelmäßig nur sehr grob umrissen den Auftrag zur Untersuchung vorgibt. Die konkrete Implementierung des Mandats bleibt weitgehend der jeweiligen Kommission überlassen. Nichtsdestotrotz erfordert jede Untersuchung die Einhaltung gewisser Regeln der prozessualen Fairness, um den Interessen und Rechten von Beteiligten und Betroffenen gerecht zu werden.3404 Für Untersuchungen hinsichtlich von staatlichem Verhalten ergibt sich dieses Bedürfnis aus der souveränen Staatengleichheit, wie sie in Artikel 2 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen abgebildet wird; sind Personen betroffen, spielen menschenrechtliche Überlegungen eine Rolle. Der Gedanke der prozessualen Fairness oder Verfahrensgerechtigkeit basiert darauf, dass jede Untersuchung, gleichviel ob sie gerichtlicher, quasi-gerichtlicher oder nicht-gerichtlicher Natur ist, Verfahren benötigt, um die zu untersuchende Angelegenheit in gewisse Bahnen zu lenken, sodass es ermöglicht wird, zu dem richtigen Ergebnis zu gelangen.3405 Unsicherheiten hinsichtlich der Anlegung der Standards, die für eine prozessual faire Untersuchung sorgen sollen, gehören zum Alltag der Praxis internationaler Untersuchungskommissionen.3406 Dies ist wohl vor allem darin begründet, dass es keinen universell akzeptierten Standard für Fairness in internationalen Verfahren gibt.3407 Die Einsetzungsbeschlüsse für internationale Untersuchungskommissionen und auch oft deren Abschlussberichte geben keine oder nur partielle Hinweise 3402
UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 271. UN Doc. S/1994/653 vom 1. Juni 1994, Rn. 272. 3404 Vgl. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 88. 3405 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (311). 3406 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (314). 3407 Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 88. 3403
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darauf, nach welchen Standards eine Untersuchungskommission arbeiten soll beziehungsweise gearbeitet hat.3408 In den Fällen, in denen die Kommissionen in ihren Berichten die angewendeten Standards erklären, bleiben die entsprechenden Ausführungen oftmals nur an der Oberfläche.3409 Als besonders vage in dieser Hinsicht erweist sich etwa die Erklärung der Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Timor-Leste aus dem Jahr 2006, in der lediglich darauf hingewiesen wird, dass die Kommission ihre Arbeit „in an impartial and independent manner in accordance with international standards“3410 durchgeführt habe.3411 Ähnlich unpräzise hielt sich die Mission zur Untersuchung des Gaza-Konflikts von 2008/2009; im Goldstone-Bericht3412 wurde insofern dargelegt, dass die Untersuchung „for the most part“ von „best practice methodology developed in the context of United Nations Investigations“ geprägt gewesen sei.3413 Die im Jahr 2015 vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte veröffentlichte Studie „Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights and humanitarian law: Guideance and Practice“3414 hat für Verfahrensfragen allenfalls bedingte Aussagekraft. Zum einen ist die Studie nur auf Untersuchungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zugeschnitten. Dies ist selbstverständlich der Institution geschuldet, die die Studie erstellt hat; damit werden allerdings Untersuchungen zu anderen, im Verlauf der obigen Darstellungen ebenfalls aufgegriffenen Sachverhalten nicht abgedeckt. Zum anderen scheint die Studie ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Die Studie möchte einen breit angelegten Satz von Prinzipien, Praktiken und Methoden für die Tätigkeit von Untersuchungskommissionen bereitstellen.3415 Die Kommissionen sollen durch die Studie dabei unterstützt werden, eine „consistent methodology based on best practice“ anzuwenden und dadurch „maximizing their potential to successfully fulfill their mandates“.3416 Zudem werden Untersu3408 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (314). 3409 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (315). 3410 Report Timor-Leste, Rn. 14. 3411 3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3412 3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3413 UN Doc. A/HRC/12/48 vom 25. September 2009, Rn. 161. 3414 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice. Hierzu und zum Folgenden auch schon Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (315 f.). 3415 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. v. 3416 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 3.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
chungskommission in der Studie aufgerufen, methodisches Handwerkzeug für die Durchführung der Untersuchung zu erstellen,3417 Arbeitsvorgaben unter Berücksichtigung von Beweisstandards sowie von Zeugen- und Opferschutz zu verfassen,3418 und Arbeitsmethoden zu formulieren, in denen die Gewinnung und Bewertung von Informationen, die Sicherstellung von Vertraulichkeiten und die Einholung der Zustimmung zur Verwertung von Beweismitteln niedergelegt sind.3419 Allerdings bleibt die Studie bei all den in ihr formulierten Zielen und Ansprüchen letztendlich vage.3420 In ihr wird selbst der Vorbehalt formuliert, dass die Einzigartigkeit jeder Untersuchungskommission Anpassungsfähigkeit und Flexibilität notwendig mache.3421 Zudem verweist die Studie für methodische Fragen darauf, dass sich Details für methodische Fragen von Untersuchungen in einer Reihe anderer Quellen des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte finden würden.3422 Allerdings sind viele dieser Quellen nicht öffentlich zugänglich, obwohl sie im Text der Studie angeführt werden.3423 Möchte man die Standards der prozessualen Fairness identifizieren, nach denen Untersuchungskommissionen ihre Arbeiten ausrichten sollten, ist dies unbefriedigend.3424 Die Studie ist zudem eher schwach darin, Standards zu formulieren, nach denen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ihre Tätigkeit ausrichten sollten; dies ist wahrscheinlich der Ausrichtung der Studie auf Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Kommissionstätigkeit geschuldet.3425 In der Studie wird oftmals ein Überblick über Standards gegeben, die von einzelnen Kommissionen angewandt wurden, etwa im 3417 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 65 f. 3418 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 67 f. 3419 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 69. 3420 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316). 3421 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 4. 3422 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 5. 3423 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316). 3424 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316). 3425 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316).
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Bereich von Beweisstandards;3426 konkrete Empfehlungen fehlen hingegen.3427 Die Formulierung von Verfahrensregeln wird vielmehr den jeweiligen Untersuchungskommissionen überlassen, wobei empfohlen wird, dass die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen im Jahr 1970 erstellten Model Rules für ad-hoc-Untersuchungsgremien im Bereich von Menschenrechtsverletzungen, deren Entstehung und Inhalte weiter unten noch thematisiert werden,3428 zu Rate gezogen werden sollen.3429 Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass der Studie ein kohärenter Zugang zur Sicherstellung prozessualer Fairness für die Tätigkeit von internationalen Untersuchungskommissionen fehlt.3430 Nach alldem ist festzustellen, dass sich Aussagen zu Verfahrenspraxis und Verfahrensrecht internationaler Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen nur durch eine Analyse der verschiedenen Regelsätze in diesem Bereich sowie aus einer ordnenden Analyse der Mandate und Arbeitsweisen der diversen Kommissionen gewinnen lassen. Hierzu ist im letzteren Bereich regelmäßig eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Vorgehensweisen der Kommissionen notwendig.
I. Das Mandat der internationalen Untersuchungskommission 1. Allgemeines Das konkrete Untersuchungsmandat, das einer Kommission erteilt wird, ist im Rahmen der Vereinten Nationen regelmäßig in einer Resolution eines Organs oder eines Nebenorgans, oder, im Falle der Einsetzung einer Kommission durch den Generalsekretär, in einem einfachen Arbeitsauftrag enthalten. Das Mandat zur Untersuchung muss dabei von einem zuständigen Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen erteilt werden, um völkerrechtsgemäß zu sein.3431 Das Mandat steht also am Beginn des Lebenszyklus einer Untersuchungskommission. Im Unterschied zu Untersuchungsgremien, welche auf einer völkervertraglichen Grund3426 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 62. 3427 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 62; Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316). 3428 3. Teil § 2 B. VI. 2. und 3. 3429 Office of the High Commissioner for Human Rights of the United Nations, Commissions of Inquiry and fact-finding missions on international human rights law and humanitarian law: Guidance and Practice, S. 69 und Annex II. 3430 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (316). 3431 Vgl. Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 32.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
lage ihre Tätigkeit durchführen, besteht bei den ad-hoc-Kommissionen in der Regel kein Unterschied zwischen ihrer Zuständigkeitsgrundlage und dem eigentlichen Untersuchungsauftrag.3432 Das Mandat ist dabei entscheidend für den Erfolg der Kommissionstätigkeit insgesamt. Es wird als der Schlüssel zu ihrer Autorität, zu ihrer Legitimität sowie zu ihrer Effektivität gesehen.3433 Man wird die Arbeit einer Untersuchungskommission jedenfalls dann als erfolgreich ansehen können, wenn sie die in dem Mandat gestellten Anforderungen zum Ende ihrer Tätigkeit erfüllt hat.3434 In der Praxis der Vereinten Nationen sind im Regelfall die Formulierungen der Mandate so gewählt, dass sie zwar einerseits für die betreffende Kommission den Untersuchungsgegenstand anzeigen, ihr aber andererseits bei der Durchführung der eigentlichen Untersuchung größtmögliche Freiheit lassen.3435 Sie sind daher auf die jeweilige Situation zugeschnitten und folgen auch in ihrer Formulierung keiner generellen Linie.3436 Die Formulierung des Mandates kann auch direkte Auswirkungen auf die Akzeptanz der späteren Untersuchung haben. Das Mandat kann bei entsprechender Ausgestaltung von den von einer Untersuchung betroffenen Staaten oder Personen – je nach Inhalt – zu Ablehnung oder Akzeptanz führen.3437 Auch kann von dem Mandat bereits eine vorentscheidende Wirkung für die Annahme des später von der Untersuchungskommission vorzulegenden Abschlussberichts zukommen. Ist das Mandat bereits überzeugend und fair ausgestaltet, so spricht vieles dafür, dass der Kommissionsbericht eine weite Verbreitung findet und ihm auch die positiven Eigenschaften des Mandats zugeschrieben werden.3438 Umgekehrt wird ein unfaires und wenig überzeugend formuliertes Mandat eher zu einer schon vorweggenommenen Ablehnung des Abschlussberichts durch dessen Adressaten führen. Die Ausgestaltung des Mandats kann dabei schwierige Frage aufwerfen, denen sich das einsetzende Organ oder Nebenorgan stellen muss und die aufgrund der beschriebenen Bedeutung des Mandats von diesem wohl zu bedenken sind. Welche Vorfälle sollen durch die einzusetzende Kommission einer Untersuchung zugeführt werden? Welche Rechtsquellen soll die Kommission ihrer Arbeit zugrunde legen? Soll der Untersuchungsauftrag zeitliche und geographische Grenzen aufweisen? Je 3432 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 66. 3433 Vgl. Fan Yuwen, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 153 (153). 3434 Eric Brahm, International Studies Perspectives 8 (2007), S. 16 (17). 3435 In diese Richtung auch William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 100. 3436 Kurt Herndl, in: Manfred Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, S. 1 (25). 3437 Vgl. Fan Yuwen, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 153 (154). 3438 So Fan Yuwen, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 153 (154).
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präziser das Mandat gefasst ist, desto einfacher wird es jedenfalls der Untersuchungskommission fallen, ihre Arbeit eng an diesem auszurichten.3439 2. Auslegung des Mandats Oftmals wird das Mandat, welches einer Untersuchungskommission erteilt wird, ihr einen gewissen Raum zur Interpretation des Auftrages bieten. Der Kommission kommt hierbei allerdings kein unbegrenzter Spielraum zu; bei der Interpretation ihres Auftrages ist die Kommission vielmehr engen Grenzen unterworfen. Die Untersuchungskommission darf grundsätzlich nicht aus eigener Machtvollkommenheit ihren Untersuchungsauftrag beliebig ausweiten. Vielmehr ist eine für den betroffenen Staat souveränitätsschonende und daher enge Auslegung des Mandates durch die Kommission vorzunehmen, wobei dem Wortlaut der Einsetzungsresolution beziehungsweise des Arbeitsauftrages entscheidende Bedeutung zukommt.3440 In der Praxis der Vereinten Nationen hat sich allerdings vereinzelt gezeigt, dass sich ein striktes Festhalten am Wortlaut des Mandates einer Untersuchungskommission als ungeeignet erweisen kann, um auf eine sich schnell verändernde Situation zu reagieren. Dies zeigte sich etwa namentlich bei der Untersuchung im Libyen-Konflikt von 2011.3441 Die Kommission war vom Menschenrechtsrat zu einem Zeitpunkt eingesetzt worden, als das libysche Regime sich zwar mit Protesten, Demonstrationen und einzelnen Gewaltakten konfrontiert sah, die Schwelle zu einem bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts allerdings noch nicht überschritten war. Im Mandat der Kommission war daher auch nur vorgesehen, dass diese Verletzungen der Menschenrechte untersuchen sollte.3442 Nach Einsetzung der Kommission eskalierte die Lage in dem nordafrikanischen Staat allerdings so stark, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts gegeben waren. Daher stellte die Libyen-Kommission in ihrem Abschlussbericht Überlegungen zu Fragen der Anwendbarkeit und von Verletzungen des Rechts des bewaffneten Konflikts an.3443 Ein solches Vorgehen einer Kommission ist bisher eher die Ausnahme geblieben. Die Überziehung des Mandats der Kommission stellt zwar eine Verletzung des erteilten Mandats dar; dies sollte jedoch im konkreten Fall nicht als allzu schwere Verfehlung gesehen werden. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Menschenrechtsrat zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts (wahrscheinlich) erfüllt gewesen wären, die Kommission auch zur Untersuchung von Verletzungen des 3439
Fan Yuwen, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 153 (155). Siehe Felix Ermacora, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 62 ff.; Pricilla B. Heynes, Human Rights Quarterly 16 (1994), S. 597 (636). 3441 3. Teil § 2 B. IV. 20. 3442 3. Teil § 2 B. IV. 20. b). 3443 3. Teil § 2 B. IV. 20. c) und d). 3440
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humanitären Völkerrechts beauftragt hätte. Kommissionen, die sowohl Untersuchungen zu Verletzungen der Menschenrechte als auch des humanitären Völkerrechts in Konfliktsituationen vornehmen sollten, hatte der Menschenrechtsrat nämlich bereits zuvor, etwa in den Fällen des Libanon-Kriegs im Jahr 20063444 oder des Gaza-Konflikts um den Jahreswechsel 2008/20093445, eingesetzt. Ebenso wie die zu weite Auslegung des Mandats durch eine Untersuchungskommission kann auch eine zu enge Auslegung des Mandats durch eine Kommission unzulässig sein. Vorstellbar wäre etwa ein Fall, in dem einer Untersuchungskommission vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Mandat erteilt wird, hinsichtlich einer gegebenen Situation Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu prüfen. Die betreffende Kommission prüft bei der Durchführung der Untersuchung dann allerdings lediglich Verletzungen der Menschenrechte. Hat die Kommission Verletzungen des humanitären Völkerrechts anlasslos nicht geprüft, stellt dies jedenfalls eine Verletzung des Mandats dar. Liegen allerdings Gründe dafür vor, die eine Prüfung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts nicht erforderlich erscheinen lassen, so stellt die unterlassene Prüfung von Verletzungen der entsprechenden Regelungen schon keine verengte Auslegung des Kommissionsmandats dar. Zu denken wäre hier an einen Fall, in dem die Kommission nach einer Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts schon nicht gegeben sind und daher auch in der gegebenen Situation keine Verletzungen der entsprechenden Regelungen zu besorgen sein können. In diesem Fall ist die Kommission dem Auftrag des Menschenrechtsrates tatsächlich nachgekommen, da sie die Bedingungen für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts geprüft, aber dann verneint hat. In einem solchen Fall wird die Kommission dieses Ergebnis in ihrem Abschlussbericht niederlegen. 3. Ausgestaltung des Mandats Obwohl das Mandat, das einer Untersuchungskommission erteilt wird, an die jeweils zu untersuchende Situation angepasst ist, stellen sich immer wieder ähnliche Fragen hinsichtlich der Reichweite eines gegebenen Mandats. Diese Fragen betreffen den örtlichen beziehungsweise geographischen (ratione loci) und den zeitlichen (ratione temporis) Anwendungsbereich des Mandats sowie gegebenenfalls eine Fokussierung auf alle oder nur auf bestimmte Konfliktparteien oder Ereignisse (ratione personae/ratione materiae). Die Mandatsreichweite hat damit direkte Auswirkungen darauf, in welcher Tiefe und Breite der Untersuchungsgegenstand ausgeforscht werden kann.3446
3444 3445 3446
3. Teil § 2 B. IV. 14. 3. Teil § 2 B. IV. 17. Vgl. Rob Grace, Journal of Conflict & Security Law 20 (2015), S. 27 (43).
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a) Örtliche/Geographische Reichweite In örtlicher beziehungsweise geographischer Hinsicht kommt es für die Ausgestaltung des Kommissionsmandats entscheidend darauf an, ob die Situation, welche untersucht werden soll, einen grenzüberschreitenden Charakter aufweist beziehungsweise mehr als einen einzigen Staat betrifft, oder sich der klare Fokus einer Situation im Inland befindet. In die erste Gruppe von Mandaten gehören natürlich vor allem die Mandate solcher Kommissionen, die einen Grenzzwischenfall oder mehrere solcher Zwischenfälle untersuchen sollen. Ein Beispiel hierfür bildet das Mandat, dass der Mission des Sicherheitsrates für die Untersuchung der Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha in der Mitte der 1960er Jahre zugrunde lag.3447 In dem Mandat war festgelegt worden, dass die Mission in „the two countries and to the places where the most recent incidents occurred“ entsandt wurde. Keinen Grenzzwischenfall deckte hingegen das Mandat der Expertenkommission ab, die vom Sicherheitsrat bezüglich der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien errichtet worden war.3448 Diese Kommission sollte vielmehr Untersuchungen hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts „in the territory of the former Yugoslavia“ anstellen. Es konnten durch die Expertenkommission demnach entsprechende Rechtsverletzungen in allen Staaten untersucht werden, die aus der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien hervorgegangen waren beziehungsweise sich zum damaligen Zeitpunkt auf dem betreffenden ehemaligen Staatsgebiet noch in der Entstehung befanden. Auch die Mandate der verschiedenen Kommissionen, die zu Untersuchungen hinsichtlich von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in den Konflikten eingesetzt wurden, in die Israel verwickelt war, wiesen ein grenzüberschreitendes Element auf, namentlich hinsichtlich der palästinensischen Gebiete beziehungsweise in einem Fall bezüglich des Libanon.3449 In die zweite Gruppe der dargestellten Praxis der Vereinten Nationen fallen vor allem die Mandate solcher Kommissionen, die isolierte Zwischenfälle untersuchen sollten, oder die Mandate von Kommissionen, die mit Untersuchungen hinsichtlich einer problematischen Menschenrechtslage in einem einzigen Staat oder hinsichtlich von Rechtsverletzungen in einem bewaffneten Konflikt, der sich nur auf dem Territorium eines Staates ereignete, betraut waren. Zu diesen Kommissionen zählten etwa die Spezialmissionen zur Untersuchung des Söldnerangriffs auf Cotonou in Benin3450 oder die Kommissionen zur Untersuchung der jeweiligen Menschenrechtslage in Togo,3451 in Nordkorea,3452 in Eritrea3453 oder in Burundi.3454 3447 3448 3449 3450 3451 3452
3. Teil § 2 B. I. 6. b). 3. Teil § 2 B. IV. 3. b). 3. Teil § 2 B. IV 10. b), 15. b), 17. b), 22. b), 26. b). 3. Teil § 2 B. I. 9. b). 3. Teil § 2 B. IV. 11. b). 3. Teil § 2 B. IV. 23. b).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Der Untersuchungsauftrag einer Kommission kann sich aber auch nur auf einen einzelnen Landesteil beziehen. Ein Beispiel hierfür stellt etwa die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates dar, die Menschenrechtsverletzungen in Darfur, einer Region des Staates Sudan, untersuchen sollte.3455 Die prekäre Menschenrechtssituation im Sudan im Übrigen wurde in dem Mandat also außer Betracht gelassen. Das Mandat der Kommission für Darfur verdeutlicht damit exemplarisch, dass innerhalb der Vereinten Nationen die Bereitschaft besteht, auf lokal begrenzte Krisensituationen innerhalb eines einzigen Staates durch Entsendung einer Untersuchungskommission zu reagieren. b) Zeitliche Reichweite Die Mandate der Untersuchungskommissionen haben auch eine zeitliche Komponente. Typischerweise sollen durch eine Kommission nur die Vorfälle untersucht werden, welche in einem bestimmten Zeitabschnitt stattgefunden haben, etwa sämtliche Ereignisse seit Beginn eines Konflikts. Der zeitlichen Reichweite des Untersuchungsauftrages kommt vor allem deshalb Bedeutung zu, weil die von den Vereinten Nationen eingesetzten Untersuchungskommissionen oftmals in Staaten Untersuchungen durchzuführen haben, in denen die Menschenrechtssituation bereits seit längerer Zeit mehr oder weniger prekär ist. Lässt sich der Korridor des Untersuchungszeitraums nicht hinreichend genau identifizieren, besteht die Gefahr, dass die Kommission sich in der Untersuchung von Ereignissen verfängt, die außerhalb dessen liegen, was den eigentlichen Kern der Untersuchungen bilden soll. Eine klare zeitliche Begrenzung einer zu untersuchenden Situation ließ sich regelmäßig den Mandaten von Kommissionen entnehmen, die einen einzigen Zwischenfall zu untersuchen hatten. Sehr klar formulierte so etwa der Sicherheitsrat das Mandat zur Untersuchung für die Spezialmission, die den Söldnerangriff auf Cotonou in Benin untersuchen sollte.3456 Die Mission wurde beauftragt, „to investigate the events of 16 January 1977 at Cotonou“. Gleiches galt zum Beispiel auch für die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates hinsichtlich der Söldneraggression gegen die Seychellen.3457 Diese Kommission sollte die „aggression of 25 November 1981 against the Republic of the Seychelles“ untersuchen. Diesen Mandaten war gemein, dass die jeweilige Kommission Untersuchungen hinsichtlich eines kalendarisch genau identifizierbaren Datums, nämlich des Datums des jeweiligen Zwischenfalles, anstellen sollte. Im Bereich von Untersuchungen hinsichtlich von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts wurde in einigen Fällen im Mandat der 3453 3454 3455 3456 3457
3. Teil § 2 B. IV. 25. b). 3. Teil § 2 B. IV. 28. b). 3. Teil § 2 B. IV. 12. b). 3. Teil § 2 B. I. 9. b). 3. Teil § 2 B. I 12. b).
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jeweiligen Kommission kalendarisch ein Anfangszeitpunkt für den Beginn des zu untersuchenden Zeitraums festgelegt. So wurde die Kommission zur Untersuchung der Gewalt in Osttimor im Jahr 1999 von der Menschenrechtskommission damit beauftragt „to gather and compile systematically information on possible violations of human rights and acts constitute breaches of international humanitarian law committed in East Timor since the announcement in January 1999“.3458 In diesem Fall wurde das Mandat also so begrenzt, dass ein bestimmtes Ereignis, nämlich die Ankündigung der Abhaltung eines Gebietsreferendums in dem von Indonesien annektierten Ostteil der Insel Timor, den Beginn des zu untersuchenden Zeitraums in Bezug auf die Rechtsverletzungen darstellen sollte. In ähnlicher Weise wurde vom Sicherheitsrat das Mandat der Kommission zur Untersuchung der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik im Jahr 2013 formuliert.3459 Die Kommission wurde eingesetzt „to investigate reports of violations of international humanitarian law, international human rights law and abuses of human rights in der CAR by all parties since 1 January 2013“. Einen zeitlichen Korridor einer Untersuchung im Falle länger zurückliegender Ereignisse benannte der Generalsekretär der Vereinten Nationen in dem Mandat, welches er der Expertengruppe für Kambodscha im Jahr 1998 erteilte.3460 Diese Gruppe sollte Beweise bewerten, um die Natur der Verbrechen der Roten Khmer von 1975 bis 1979, also für den Zeitraum ihrer Herrschaft, festzustellen. In all diesen Fällen war es für die jeweilige Kommission somit nicht problematisch, die Reichweite ihres Mandates ratione temporis zu bestimmen. Andere Mandate im Bereich von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beinhalteten hingegen häufig ein kontextuelles Element, welches es der jeweiligen Kommission ermöglichte, den Zeitpunkt, ab dem ihre Untersuchung einsetzen sollte, zu bestimmen. In Fällen von bewaffneten Konflikten wurde von den mandatierenden Organen beziehungsweise Nebenorganen häufig eine Formulierung gewählt, in der lediglich auf die jeweiligen Gewalttätigkeiten Bezug genommen wurde, ohne ein konkretes Datum zu nennen, zu dem diese begonnen hatten. So sollte etwa die Fact-Finding-Mission des Menschenrechtsrates für die israelischen Militäraktionen in Gaza zum Jahreswechsel 2008/2009 Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts „due to the current aggression“ untersuchen.3461 Eine genauere Präzisierung des Datums, ab dem Ereignisse im Kontext eines bewaffneten Konflikts untersucht werden sollen, kann in diesen Fällen untunlich sein. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass es durchaus Probleme bereiten kann, genau festzustellen, ab wann die gewaltsame Austragung eines Konflikts gleichzeitig einen bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts darstellt. Dies wird auf der Grundlage des dann anzuwendenden Rechtskorpus für die Bewertung der Ereignisse aber von entscheidender 3458 3459 3460 3461
3. Teil § 2 B. IV 9. b). 3. Teil § 2 B. IV. 24. b). 3. Teil § 2 B. IV. 8. b). 3. Teil § 2 B. IV. 17. b).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Bedeutung sein. Ein zu spät terminierter Beginn kann sich in diesem Falle also negativ auf die Qualität der Untersuchungstätigkeit auswirken, da dann nicht alle potenziellen Verstöße gegen das Recht des bewaffneten Konflikts in die Untersuchung einfließen können. Somit muss es in diesen Fällen der jeweiligen Kommission überlassen bleiben, die völkerrechtliche Bewertung des Beginns eines Konflikts festzustellen. In einigen Fällen überließ es das einsetzende Organ oder Nebenorgan der mandatierten Kommission, den zeitlichen Horizont für ihre Untersuchungen zu bestimmen. So sollte etwa die durch die Menschenrechtskommission eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Gewalt im Rahmen der Zweiten Intifada Informationen zu Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sammeln.3462 Einen Zeitpunkt oder ein Kontextelement ergab sich aus dem Wortlaut des Mandates nicht. So blieb der Untersuchungskommission nur, sich den Kontext für den zu untersuchenden Zeitrahmen selbst zu erschließen. Ähnlich offen war das Mandat der Untersuchungskommission für Libyen gehalten, die „all alleged violations of international human rights law in Libya“ untersuchen sollte.3463 In diesem Fall ergab sich zwar der Kontext für die zu untersuchenden potenziellen Menschenrechtsverletzungen in zeitlicher Hinsicht aus der Einsetzungsresolution S-15/1 des Menschenrechtsrates, in der es um die Unruhen in dem nordafrikanischen Staat im Rahmen des Arabischen Frühlings ging; das Kommissionsmandat war jedoch offen formuliert. Eine solch offene Formulierung bringt zwar einerseits die schon beschriebenen Risiken für die Kommissionstätigkeit mit sich, allerdings liegt hierin gleichzeitig ein Vorteil. In Situationen wie dem Libyen-Fall geht den Gewalttätigkeiten oft eine längere Geschichte von Menschenrechtsverletzungen durch die Regierungsorgane des jeweiligen Staates voraus. Ein Mandat, welches offen formuliert ist, ermöglicht es der Untersuchungskommission auch, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, zu den Rechtsverletzungen Stellung zu nehmen, die dem Ausbruch der Gewalttätigkeiten vorausgingen und diese somit befördert haben. Dies dürfte dem Untersuchungsauftrag solcher Kommissionen gerecht werden, da auch das frühere Verhalten, zum Beispiel einer Regierung, zum Ausbruch eines Konflikts beitragen kann. Das Bild über den Beginn der Gewalt ist in solchen Fällen nur dann vollständig, wenn, jedenfalls partiell, frühere Situationen und Handlungen mit in die Untersuchung einbezogen werden können. c) Inhaltliche Reichweite Die inhaltliche Reichweite des Mandats einer Untersuchungskommission richtet sich nach der Situation beziehungsweise nach dem Sachverhalt, die beziehungsweise der durch die jeweilige Kommission untersucht werden soll. Dementsprechend gibt
3462 3463
3. Teil § 2 B. IV. 10. b). 3. Teil § 2 B. IV. 20. b).
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es für den Wortlaut der Mandate von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen keine etablierte Standardformel. In Mandaten von Kommissionen, die einen einzelnen Zwischenfall oder eine begrenzte Situation untersuchen sollen, wird regelmäßig der betreffende Zwischenfall beziehungsweise die betreffende Situation genau adressiert. So wurde etwa die Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung von potenziellen Grenzverletzungen durch portugiesische Truppen gegenüber dem Senegal in den frühen 1970er Jahren mandatiert „to carry out an inquiry into the facts of which the Council has been informed“ und „to examine the situation along the border between Guinea (Bissau) and Senegal“.3464 Ein anderes Beispiel bildet das Mandat der Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung des Söldnerangriffs auf den Regierungssitz von Benin; die Mission wurde entsandt „to investigate the events of 16. January 1977 at Cotonou“.3465 In einigen Fällen wurden Untersuchungskommissionen sehr spezifische Anweisungen hinsichtlich der zu untersuchenden Situation erteilt. So sollte etwa die Kommission zur Untersuchung des Flugzeugabsturzes, bei dem Dag Hammerskjöld ums Leben kam, untersuchen, warum dieser Flug bei Nacht und ohne Begleitschutz durchgeführt wurde, warum es zu Verzögerungen bei der Ankunft des Fliegers am Zielflughafen kam, ob das Flugzeug, nach Herstellung des Kontakts mit dem Tower am Zielflughafen, den Kontakt verloren habe, warum die Tatsache, dass die Maschine abgestürzt war, erst einige Stunden später bekannt gemacht wurde sowie, ob das Flugzeug, nach den Beschädigungen, die es zuvor durch den Angriff einer feindlichen Maschine erhalten habe, noch in einem Zustand gewesen war, der eine ordnungsgemäße Benutzung des Flugzeuges zugelassen hätte.3466 In diese Gruppe von Mandaten fällt auch etwa das Mandat der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates für den Libanon-Krieg im Jahr 2006.3467 Die Kommission sollte, ausweislich ihres Mandats, das Targeting und die Tötung von Zivilisten durch Israel im Libanon, die Arten von Waffen, die von Israel eingesetzt wurden und deren Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht sowie die Auswirkungen der israelischen Angriffe auf Leben, Eigentum, kritische Infrastruktur und die Umwelt untersuchen. Der Mehrzahl der Kommissionen, die von Organen beziehungsweise Nebenorganen der Vereinten Nationen mit Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts mandatiert werden, wird allerdings oftmals ein offeneres Mandat erteilt, als das der Libanon-Kommission. Diese Kommissionen werden regelmäßig sehr allgemein mit der Untersuchung hinsichtlich von Verletzungen der Regeln eines Teilgebiets oder mehrerer Teilgebiete des Völkerrechts beauftragt. Die Kommission des Menschenrechtsrates zur Bewertung der Menschenrechtslage an der Côte d’Ivoire nach der Präsidentschaftswahl vom November 2010 wurde etwa mandatiert „to investigte the cir3464 3465 3466 3467
3. Teil § 2 B. I. 7. b). 3. Teil § 2 B. I. 9. b). 3. Teil § 2 B. III. 2. b). 3. Teil § 2 B. IV. 14. b).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
cumstances surrounding the allegations of serious abuses and violations of human rights in Côte d’Ivoire“.3468 In ähnlicher Weise wurde die Kommission des Menschenrechtsrates für Eritrea beauftragt, „(to) investigate all alleged violations of human rights in Eritrea“.3469 Und die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates für den Gaza-Konflikt im Jahr 2014 bekam den Auftrag, „to investigate all violations of international humanitarian law and international human rights law in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, particularly in the occupied Gaza Strip, in the context of the military operations conducted since 13 June 2014, whether before, during or after, to establish the facts and the circumstances of such violations“.3470 Dass die Mandate solcher Kommissionen die angesprochene Breite aufweisen, liegt darin begründet, dass ein engerer inhaltlicher Zuschnitt des Mandats in Anbetracht des Erkenntnisinteresses kaum gerechtfertigt wäre. Schließlich sollen diese Kommissionen ein Gesamtbild der Lage der Menschenrechte beziehungsweise über die Verletzungen der Regeln des humanitären Völkerrechts in der Situation eines bestimmten bewaffneten Konflikts geben. Da in solchen Fällen regelmäßig eine Vielzahl von Einzelereignissen gegeben ist (zum Beispiel Folter von mehreren Personen oder häufige Angriffe auf Krankenhäuser oder Schulen) und auch verschiedene rechtliche Einzelregelungen betroffen sein können, wäre eine inhaltliche Begrenzung solcher Mandate untunlich. Seit Mitte der 2000er Jahre ist eine wichtige Entwicklung im Bereich der Mandate von internationalen Kommissionen der Vereinten Nationen im Bereich von Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu verzeichnen. Kommissionen wurden in einigen Fällen damit beauftragt, auch Verantwortlichkeiten für solche Rechtsverletzungen zu bestimmen, und nicht bloß Feststellungen in Bezug auf den Sachverhalt zu treffen.3471 Die DarfurKommission des Sicherheitsrates wurde etwa damit beauftragt „(to) identify the perpetrators of such violations with a view to ensure that those who are responsible are held accountable“.3472 Die Kommission des Generalsekretärs zur Untersuchung des Massakers in Conakry sollte neben der reinen Tatsachenuntersuchung auch „qualify the crimes“ und „determine responsibilities and, where possible, identify those responsible“.3473 Auch das Mandat der Libyen-Kommission des Menschenrechtsrates enthielt einen Auftrag im Bereich der Verantwortlichkeit, namentlich „(to) identify those responsible, to make recommendations, in particular, on accountability measures, all with a view to ensuring that those individuals responsible are held accountable“.3474 Ähnliche Aufträge wurden den Kommissionen zu der 3468
3. Teil § 2 B. IV. 21. b). 3. Teil § 2 B. IV. 25. b). 3470 3. Teil § 2 B. I. 26. b). 3471 Vgl. Federica D’Alessandra, Utrecht Journal of International and European Law 33 (2017), S. 59 (63 ff.). 3472 3. Teil § 2 B. IV. 12. b). 3473 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3474 3. Teil § 2 B. IV. 20. b). 3469
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Gewalt in Timor-Leste im Jahr 20063475 und zum Gaza-Konflikt aus dem Jahr 20143476 erteilt. Diese Entwicklung ist mit Blick auf die seit den 1990er Jahren zunehmende Proliferation von internationalen Gerichten und Tribunalen im Bereich der Völkerstrafgerichtsbarkeit, die ihren Höhepunkt mit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs fand, kaum verwunderlich.3477 Seitdem ist in der internationalen Gemeinschaft eine Fokussierung auf die Verantwortlichkeit von Einzelpersonen für internationale Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu beobachten.3478 Hiermit geht der Wunsch nach dem Ende beziehungsweise der Vermeidung der Straflosigkeit für solche Verbrechen, wie sie oftmals in Konfliktsituationen oder in Staaten, in denen großflächige und schwere Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen sind, einher. Damit sind auf der einen Seite die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf die Klärung und Feststellung von Verantwortlichkeiten, auf der anderen Seite sind jedoch verschiedene Begrenzungen der angesprochenen internationalen Gerichte und Tribunale zu beachten. So wird etwa die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs dadurch eingeschränkt, dass verschiedene Staaten, die häufig in bewaffnete Konflikte verwickelt sind, auf deren Territorien solche Konflikte stattfinden oder die als notorische Verletzter der Menschenrechte gelten, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs entweder zwar unterzeichnet aber nicht ratifiziert haben, noch keine Unterzeichnung vorgenommen haben oder die Unterzeichnungen später zurückgezogen haben. Zu diesen Staaten gehören, in jeweils unterschiedlichen Kontexten, etwa die Demokratische Republik Kongo, die Volksrepublik China, Nicaragua, Israel, Äthiopien, der Sudan, der Südsudan, die Russische Föderation, die Türkei, Syrien, Indien, der Jemen, Saudi-Arabien, Nordkorea, Pakistan, die Vereinigten Staaten von Amerika oder Somalia. Für diese Staaten entfaltet das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wegen dessen Artikel 125 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit Artikel 126 Abs. 23479, vorbehaltlich anderer in dem 3475
3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3. Teil § 2 B. IV. 26. b). 3477 Federica D’Alessandra, Utrecht Journal of International and European Law 33 (2017), S. 59 (66). 3478 Vgl. Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (22). Diese verstärkte Konzentration auf Verantwortlichkeitsfragen ist auch im Zusammenhang mit dem Aufkommen des politischen Konzepts der Schutzverantwortung (englisch: Responsibility to Protect, kurz R2P) zu sehen. Hiernach haben die Staaten die primäre Verantwortung für den Schutz ihrer Bevölkerungen vor Völkermord, vor Kriegsverbrechen, vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vor ethnischen Säuberungen, mit einer sekundären Verantwortung der internationalen Gemeinschaft. Vgl. UN Doc. A/RES/60/1 vom 24. Oktober 2005, Abs. 138 ff.; UN Doc. S/RES/1674 (2006) vom 28. April 2006. Zur Schutzverantwortung eingehend Ingo Winkelmann, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law-Online Edition, Rn. 1 ff. 3479 Artikel 125 Abs. 2. S. 1 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs lautet: „This Statute is subject to ratification, acceptance or approval by signatory States“. Artikel 126 Abs. 2 des Statuts lautet: „For each State ratifying, accepting, approving or acceding to this Statute 3476
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Statut niedergelegter Mechanismen, keine Wirkung. In diesem Klima zwischen den Bestrafungserwartungen der internationalen Gemeinschaft einerseits sowie der herrschenden Straflosigkeiten und den Restriktionen, welchen die internationale Strafgerichtsbarkeit unterworfen ist, andererseits, besteht somit Platz für andere Mechanismen, die geeignet sind, Verantwortlichkeiten festzustellen.3480 Durch die entsprechenden Mandatierungen von Untersuchungskommissionen zeigen die Vereinten Nationen, dass sie gewillt sind, solche Mechanismen zu errichten. Das einer Untersuchungskommission erteilte Mandat kann inhaltliche Beschränkungen enthalten. Denkbar ist eine Beschränkung innerhalb einer größeren Situation, etwa eines bewaffneten Konflikts, nur auf bestimmte Vorfälle oder Problemlagen oder nur auf die Handlungen bestimmter Personen, Gruppen oder Fraktionen in dem Konflikt. Die Gründe für ein solches Vorgehen des die Untersuchungskommission einsetzenden Organs beziehungsweise Nebenorgans der Vereinten Nationen können auf verschiedene Umstände zurückzuführen sein. Ein möglicher Beweggrund mag etwa darin liegen, dass man die Arbeitslast der Kommission verringern möchte. Man denke beispielsweise nur an den Einsatz einer Kommission in einem größeren Bürgerkrieg, bei dem eine Vielzahl von Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder internationaler Menschenrechtsstandards zu besorgen ist. Eine in ihren personellen und materiellen Kapazitäten beschränkte3481 und in zeitlicher Hinsicht zu zügiger Arbeit angehaltene Kommission wird sich ohnehin in ihrer Tätigkeit zu beschränken haben. Durch eine entsprechende Beschränkung bereits im Mandat wird der Kommission unter Umständen dabei geholfen, sich bei ihrer Tätigkeit auf den Mandatsauftrag zu fokussieren. Während es sich bei der zuvor beschriebenen Situation um eine echte Sacherwägung handelt, werden andere Motive für die Beschränkung des Mandats weitaus häufiger und in den in dem einsetzenden Organ beziehungsweise Nebenorgan herrschenden Machtverhältnissen sowie in politischen Opportunitätsgründen zu suchen sein.3482 Die Vereinten Nationen sind eine politische Organisation und die Staaten, mit welchen ihre Organe und Nebenorgane besetzt sind, verfolgen politische Ziele.3483 Damit unterliegen auch Untersuchungskommissionen, die zur Untersu-
after the deposit of the 60th instrument of ratification, acceptance, approval or accession, the State shall enter into force on the first day of the month after the 60th day following the deposit of such State of its instrument of ratification, acceptance, approval or accession“. 3480 Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (22). 3481 3. Teil § 2 C. II 1. e) und f). 3482 Ähnlich für die Mandate von Wahrheitskommissionen Wolfgang Pasternak, Wahrheitskommissionen, S. 74. 3483 Vgl. hierzu etwa W. Michael Reisman, The Quest for World Order and Human Dignity in the Twenty-first Century: Constitutive Process and Individual Commitment: General Course on Public International Law, S. 286 ff.
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chung von Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden, bei der Ausgestaltung ihrer Mandate menschenrechtspolitischen sowie realpolitischen Erwägungen.3484 Aus solchen Gründen vorgenommene inhaltliche Beschränkungen eines Mandats können sowohl gewisse Vorteile als auch gewisse Nachteile mit sich bringen. Erfolgt eine solche Einschränkung der Tätigkeit der Untersuchungskommission bereits in ihrem Mandat, liegt diese offen dar und ist daher transparent. Ein entsprechendes Vorgehen erscheint weit unproblematischer als ein solches Ergebnis „später durch Druck hinter den Kulissen erreichen zu wollen“.3485 Aber schon dieser erste Befund ist als zweischneidig zu bewerten. Zwar befreit man die Untersuchungskommission bei ihrer eigentlichen Arbeit gewissermaßen von der Last, in Richtung eines bestimmten Ergebnisses ermitteln zu müssen, da dieses bereits durch den mandatierenden Auftrag vorgegeben ist oder jedenfalls deutlich vorgezeichnet wird. Auf der anderen Seite kann aber nicht übersehen werden, dass ein so ausgestaltetes Mandat schon von Beginn an mit dem Siegel der Parteilichkeit versehen ist. Dies ist in keinem Falle förderlich für die Arbeit der Kommission und auch nicht für die am Ende der Untersuchung präsentierten Ergebnisse. So kann es etwa in einem Konflikt zu Kooperationsverweigerungen der Partei kommen, die in dem Mandat benachteiligt wurde.3486 Zudem werden viele an der Arbeit und den Schlussfolgerungen der Untersuchungskommission interessierte Organe, Institutionen und Personen von vornherein der Arbeit der Kommission eine gewisse Wertlosigkeit bescheinigen, da bei den genannten Akteuren in der Regel die Erwartung einer Gesamtneutralität hinsichtlich der Mandatierung einer Kommission und ihrer Arbeit bestehen wird.3487 Außerdem kann ein selektives Mandat in Fällen von Untersuchungen behaupteter Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten die Arbeit einer Kommission sehr bei den Bemühungen einschränken, ein umfassendes Bild der begangenen Rechtsverletzungen zu erhalten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn nach dem erteilten Mandat ausdrücklich nur die Handlungen einer Konfliktpartei auf Verletzungen des Völkerrechts hin untersucht werden sollen. In diesen Fällen stellt sich im Hinblick auf die Regeln des Rechts des bewaffneten Konflikts das Problem, dass die Feststellung von Verletzungen der Regeln dieses Rechtsgebiets über die Durchführung der Feindseligkeiten bereits per definitionem
3484
Vgl. M. Cherif Bassiouni, Washington University Journal of Law and Policy 5 (2001), S. 35 (37). 3485 Wolfgang Pasternak, Wahrheitskommissionen, S. 74. 3486 Vgl. Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1020); Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (297). 3487 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (297).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Überlegungen zu den Akten sowohl der angreifenden als auch der angegriffenen Seite bedarf.3488 Eine problematische Selektivität im gerade beschriebenen Sinne fand sich oftmals in den Mandaten von Kommissionen, die vom Menschenrechtsrat eingesetzt wurden, um Untersuchungen in bewaffneten Konflikten zwischen Israel und verschiedenen Akteuren im Nahen Osten anzustellen. Insoweit ist der Mehrheit der Mitglieder des Menschenrechtsrates in Bezug auf die Situation im Nahen Osten eine Voreingenommenheit zu Lasten Israels attestiert worden.3489 So war das bereits angesprochene Mandat der Kommission zum Libanon-Konflikt im Jahr 2006 ausschließlich auf militärische Handlungen der israelischen Streitkräfte fokussiert. Andere Konfliktparteien, namentlich die Hisbollah, wurden so aus dem Arbeitsauftrag an die Kommission ausgeschlossen.3490 Die Formulierung des Mandats der Untersuchungskommission wurde daher als unglücklich und unfair betrachtet.3491 Dem ist beizupflichten, da bei einem solch einseitigen Arbeitsauftrag eine objektive und unabhängige Untersuchung bereits nicht durchgeführt werden konnte.3492 Diese Problematik war den Mitgliedern der Untersuchungskommission auch bewusst.3493 In ihrem Abschlussbericht drückte die Kommission insoweit ihre Bedenken darüber aus, dass ihr die Kompetenz fehle, das Verhalten der Hisbollah zu untersuchen; außerdem widmete sie einen Abschnitt in dem Bericht den Rechtsbindungen, denen die Hisbollah nach Ansicht der Kommission unterliege.3494 Ein ähnlich selektives Mandat gab der Menschenrechtsrat der Fact-Finding-Mission für den Gaza-Konflikt zur Jahreswende 2008/2009. Die Mission wurde ausdrücklich nur beauftragt, „to investigate all violations of international human rights law and international humanitarian law by the occupying Power, Israel (…)“.3495 Eine Einbeziehung der 3488
Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (297). 3489 Vgl. Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1020); Christine Chinkin, in: Mahnoush H. Arsanjani/Jacob Katz Cogan/Robert D. Sloane/Siegfried Wiessner (Hrsg.), Looking to the Future: Essays on International Law in Honor of W. Michael Reisman, S. 475 (483); Dinah PoKempner, Global Governance 16 (2010), S. 144 (146); Micaela Frulli, Journal of International Criminal Justice 10 (2012), S. 1323 (1334 ff.). 3490 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (296). 3491 Siehe Michael Bothe, in: Marten Breuer/Astrid Epiney/Andreas Haratsch/Stefanie Schmahl/Norman Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht: Festschrift für Eckart Klein zum 70. Geburtstag, S. 1007 (1021); James G. Stewart, Journal of International Criminal Justice 5 (2007), S. 1039 (1040, 1059). 3492 Vgl. auch Micaela Frulli, Journal of International Criminal Justice 10 (2012), S. 1323 (1334 ff.). 3493 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (296). 3494 3. Teil § 2 B. 14. d). 3495 3. Teil § 2 B. 14. b).
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Handlungen von palästinensischen Gewaltakteuren, namentlich der Hamas, in die Untersuchung war also nicht vorgesehen. Es verwundert daher kaum, dass sich auch das Mandat dieser Mission massiver Kritik ausgesetzt sah und die Mission durch die einseitige Konzentration auf die Aktionen Israels vielfach von vornherein als parteiisch belastet wahrgenommen wurde.3496 Die Problematik des selektiven Mandats wurde allerdings vom Präsidenten des Menschenrechtsrates gesehen.3497 Der Präsident modifizierte das Mandat der Mission in einem Brief an diese dahingehend, dass die Mission alle Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu untersuchen habe, die im Kontext der militärischen Operationen in Gaza vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 möglicherweise verübt worden seien.3498 Die Fact-Finding-Mission sah den so ausgestalteten Arbeitsauftrag als ihr operatives Mandat an.3499 Entsprechend wurde von der Mission in ihrem Abschlussbericht auch darauf hingewiesen, dass sie sich verpflichtet gefühlt habe, Rechtsverletzungen aller Parteien in dem Konflikt zu erwägen.3500 Die beiden Beispiele zeigen einerseits, in welche Bedrängnis selektive Mandate eine Untersuchungskommission bringen können. Andererseits zeigen die Reaktionen der Kommissionen auf diese Mandate aber auch, dass sich die Kommissionsmitglieder der Problematik bewusst waren und versucht haben, Wege im Umgang mit dem korrumpierten Arbeitsauftrag zu finden. Der Menschenrechtsrat selbst scheint sich inzwischen den Gründen für die aufgezeigte Kritik an den beiden oben genannten Mandaten angenommen zu haben. Das Mandat der Kommission für den GazaKonflikt im Jahr 2014 beinhaltete den Auftrag zur Untersuchung aller Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in dem Kontext des Konflikts.3501 Eine ausschließliche Adressierung Israels war somit nicht im Wortlaut des Mandats angelegt.
3496 Kritiker stellten daher die Behauptung auf, dass von Beginn an mit der Einsetzung einer Untersuchungsmission das Ziel verbunden gewesen sei, Israel zu diskreditieren. Die Rahmenbedingungen hätten es nicht zugelassen, eine unparteiische Ermittlung durchzuführen. Die Ständige Vertreterin Israels bei den Vereinten Nationen bezeichnete die Untersuchungsmission dann auch als ein „politisiertes Gremium mit vorgefertigten Schlussfolgerungen“. Siehe Christian Tams, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 243 (243 f.), der auch darauf hinweist, dass eine so vom Menschenrechtsrat eingesetzte Kommission mit dem Vorwurf der Voreingenommenheit leben müsse. 3497 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (296). 3498 3. Teil § 2 B. 14. b). 3499 Vgl. auch Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (296). 3500 3. Teil § 2 B. 14. d). 3501 3. Teil § 2 B. 26. b).
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II. Die Mitglieder internationaler Untersuchungskommissionen Die Besetzung einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen wirft vielfältige Fragen und Probleme auf. Wer soll Mitglied in einer solchen Kommission werden? Welche Anforderungen sind an die Mitglieder solcher Kommissionen zu stellen? Gibt es bestimmte Verhaltensanforderungen an die Mitglieder von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen? 1. Die Zusammensetzung internationaler Untersuchungskommissionen a) Besetzung mit Staaten oder mit Experten Die Besetzung der als Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen im Sinne dieser Arbeit klassifizierten Gremien lässt sich in zwei Gruppen unterteilen:3502 In die eine Gruppe fallen solche Kommissionen, die aus Staaten, in der Regel Mitgliedern des einsetzenden Organs der Vereinten Nationen, gebildet werden. In solche Kommissionen werden weisungsgebundene Vertreter, insbesondere Diplomaten, von den Staaten entsandt, die Mitglieder der jeweiligen Kommission sind.3503 Im Bereich der Kommissionen zur Untersuchung politischer Sachverhalte waren zum Beispiel der Sonderausschuss der Generalversammlung zur Untersuchung des Volksaufstandes in Ungarn,3504 die Mission des Sicherheitsrates bezüglich der Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha,3505 die Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Grenzzwischenfälle zwischen Senegal und Portugal3506 und die Kommission zur Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen3507 mit Staaten als Mitgliedern besetzt. Die beiden dargestellten Untersuchungsgremien hinsichtlich der Dekolonialisierung bestimmter Gebiete, namentlich die Eritrea-Kommission3508 und der Ausschuss für die portugiesische Kolonialherrschaft über Angola3509, waren ebenfalls mit Staatenvertretern besetzt. Dies galt auch für die Kommission, die anlässlich des Todes von Dag Hammarskjöld eingesetzt wurde.3510 Im Bereich menschenrechtsgerichteter Untersuchungen waren Staatenkommissionen hingegen seltener anzutreffen. Ein Beispiel hierfür war die 3502 Vgl. Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 91. 3503 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 91. 3504 3. Teil § 2 B. I. 4. b). 3505 3. Teil § 2 B. IV. 5. b). 3506 3. Teil § 2 B. IV. 6. b). 3507 3. Teil § 2 B. IV. 12. b). 3508 3. Teil § 2 B. II. 1. b). 3509 3. Teil § 2 B. II. 2. b). 3510 3. Teil § 2 B. III. 2. b).
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Kommission, die die Massaker in der portugiesischen Kolonie Mosambik in den 1970er Jahren untersuchen sollte.3511 In die zweite Gruppe fallen solche Kommissionen, die mit Einzelpersonen, namentlich mit Experten, besetzt sind. Diese Personen werden auf der Grundlage ihrer Erfahrungen, ihrer Expertise und ihrer persönlichen Fähigkeiten auf einem bestimmten Gebiet hinsichtlich der zu untersuchenden Problemlage ausgewählt und sind regelmäßig weisungsunabhängig.3512 Insbesondere im Bereich der Menschenrechtsuntersuchungen und der Untersuchungen hinsichtlich von Verletzungen des humanitären Völkerrechts sind solche Kommissionen anzutreffen. Seit den 1990er Jahren waren alle dargestellten Kommissionen in diesen Bereichen mit Experten besetzt, angefangen bei der Expertenkommission für die Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts während der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien3513 bis hin zu der Untersuchungskommission zu den jüngsten Menschenrechtsverletzungen in Burundi3514. Aber auch in anderen Bereichen machten sich die Organe der Vereinten Nationen die Expertise von Einzelpersonen zunutze. So waren etwa die Kommission zur Untersuchung der Todesumstände von Benazir Bhutto,3515 die Mission zur Untersuchung des Chemiewaffeneinsatzes im Krieg zwischen dem Irak und dem Iran in den 1980er Jahren3516 oder die Kommission zur Demarkation der irakisch-kuwaitischen Grenze3517 mit einer Gruppe von Einzelpersonen mit Expertenwissen besetzt. Einen Sonderfall unter den dargestellten Untersuchungskommissionen stellt die Mission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen der rhodesischen Militäraktionen auf dem Staatsgebiet von Botswana dar.3518 In diese Kommission wurden vier Experten für Wirtschafts-, Politik-, Sozial-, Agrar- und Ernährungsfragen aus verschiedenen Institutionen der Vereinten Nationen sowie eine Person aus dem Sekretariat des Commonwealth of Nations berufen. Ein weiterer Sonderfall ist die Mission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Abchasien in den 1990er Jahren.3519 Diese dreiköpfige Mission setzte sich aus einem Mitglied aus dem Institutionengefüge der Vereinten Nationen und zwei Mitgliedern zusammen, die für eine Nichtregierungsorganisation im Bereich der Menschenrechte tätig waren.
3511
3. Teil § 2 B. IV. 2. b). Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 91. 3513 3. Teil § 2 B. IV. 3. b). 3514 3. Teil § 2 B. IV. 28. b). 3515 3. Teil § 2 B. III. 3. b). 3516 3. Teil § 2 B. I. 14. b). 3517 3. Teil § 2 B. I. 15. b). 3518 3. Teil § 2 B. I. 10. b). 3519 3. Teil § 2 B. IV. 4. b). 3512
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b) Bedeutung der Auswahlentscheidung Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben desjenigen Organs oder Nebenorgans der Vereinten Nationen, das eine Untersuchungskommission einsetzt, die Mitglieder für diese Kommission zu bestimmen oder jedenfalls die Institution beziehungsweise Person zu benennen, die eine solche Auswahl treffen soll. Der Entscheidung darüber, welche Personen Mitglieder einer Untersuchungskommission werden sollen, kommt eine sehr hohe Bedeutung für die Arbeit der Kommission zu. Deren Besetzung ist entscheidend für die Qualität der Arbeit; sie beeinflusst stark die Legitimität, die Glaubwürdigkeit, die Unparteilichkeit sowie die Genauigkeit der Arbeit der Untersuchungskommission.3520 Die Bedeutung der Auswahlentscheidung lässt sich zudem daran ablesen, dass es keinerlei verbindliche Regeln darüber gibt, dass ein Mitglied einer Untersuchungskommission in Fällen unprofessionellen Verhaltens3521 von seinen Verpflichtungen entbunden werden könnte oder selbstständig von der ihm anvertrauen Tätigkeit zurücktreten müsse.3522 In der Verfahrenspraxis der Vereinten Nationen wurde die Aufgabe der Auswahl der Mitglieder von Untersuchungskommissionen bisher häufig entweder dem Generalsekretär oder dem Vorsitzenden desjenigen Organs beziehungsweise Nebenorgans übertragen, das die Kommission eingesetzt hat.3523 Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Frage der Besetzung der jeweiligen Kommission aus den politisch geprägten Diskussionen um die Einsetzungsresolution herausgehalten werden kann. Besetzungsfragen können nämlich, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus kontrovers und delikat sein.3524 Viele Resolutionen, mit denen eine Untersuchungskommission eingesetzt wurde, enthielten gleich zu Beginn einen Passus, in dem festgelegt wurde, wer über die Besetzung einer Kommission entscheiden und wie diese Entscheidung gegebenenfalls herbeigeführt werden sollte. In der Resolution zur Einsetzung der Spezialmission zur Untersuchung der Grenzzwischenfälle zwischen Portugal und dem Senegal wurde die Entscheidung über die Mitglieder der Mission dem Präsidenten des Sicherheitsrates und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gemeinschaftlich überantwortet.3525 Der ad-hoc-Ausschuss zur Untersuchung der rhodesischen Aggression gegen Sambia sollte durch den Präsi3520 Vgl. Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (195); K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 18 (18 f.); Thomas M. Franck/Laurence D. Cherkis, Western Reserve Law Review 18 (1966 – 67), S. 1483 (1487); Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 307 (313). 3521 Siehe aber allgemein zu Verhaltensregeln für Mitglieder von Untersuchungskommissionen die Ausführungen unter 3. Teil § 2 C. 3. 3522 Siehe auch Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (205). 3523 Vgl. auch K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (22). 3524 Vgl. die Ausführungen unter 3. Teil § 2 C. II. 1. c). 3525 3. Teil § 2 B. I. 6. b).
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denten des Sicherheitsrates nach Konsultationen mit den Sicherheitsratsmitgliedern besetzt werden.3526 Dies war auch etwa bei der Untersuchungskommission hinsichtlich der Söldneraggression gegen die Seychellen der Fall.3527 In diesen Fällen wurde also den Mitgliedern des Sicherheitsrates noch das Recht eingeräumt, sich zu den Fragen der Besetzung der Kommission zu äußern. Allein dem Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde durch den Sicherheitsrat zum Beispiel die Besetzung der Expertenkommission zur Untersuchung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens3528 oder der Expertenkommission für die Untersuchung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und des Völkermordes in Ruanda übertragen3529. Die Aufgabe der Benennung der Mitglieder von Untersuchungskommissionen des Menschenrechtsrates fällt regelmäßig dem Präsidenten dieses Nebenorgans der Generalversammlung zu. Dies zeigen zum Beispiel die entsprechenden Resolutionen zu den Kommissionen in den Fällen des Gaza-Konflikts von 2008/20093530, der Gewalt an der Côte d’Ivoire3531 oder des Gaza-Konflikts im Jahr 20143532. Einen etwas anderen Weg beschritt der Menschenrechtsrat allerdings in den Fällen der Untersuchungen zu der jeweiligen Menschenrechtslage in Nordkorea3533 und in Eritrea3534. In diesen Fällen sollte der Präsident des Menschenrechtsrates jeweils zwei Mitglieder der jeweils dreiköpfigen Kommission benennen. In den beiden Resolutionen war als drittes Mitglied der jeweilige Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates für die Menschenrechtslage in dem entsprechenden Staat vorgesehen. Der Menschenrechtsrat bezog also jeweils einen bereits von ihm selbst eingesetzten Experten in die Kommission ein, der in der jeweiligen Angelegenheit schon Untersuchungen durchgeführt hatte und somit über einschlägiges Wissen zum Gegenstand der jeweiligen Kommissionsaufgabe verfügte. In einigen Fällen konnten sich Organe der Vereinten Nationen schon während der Beratungen zu der jeweiligen Einsetzungsresolution über die Besetzung der Untersuchungskommission einigen. So war etwa in der Einsetzungsresolution des Sonderausschusses der Generalversammlung zur Untersuchung des Volksaufstands in Ungarn bestimmt, dass diesem Ausschuss Australien, Ceylon, Dänemark, Tunesien und Uruguay angehören sollten.3535 Die Resolution zur Einsetzung des Unterausschusses des Sicherheitsrates zur Untersuchung der nordvietnamesischen 3526 3527 3528 3529 3530 3531 3532 3533 3534 3535
3. Teil § 2 B. I. 11. b). 3. Teil § 2 B. I. 12. b). 3. Teil § 2 B. IV. 3. b). 3. Teil § 2 B. IV. 6. b). 3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3. Teil § 2 B. IV. 21. b). 3. Teil § 2 B. IV. 26. b). 3. Teil § 2 B. IV. 23. b). 3. Teil § 2 B. IV. 25. b). 3. Teil § 2 B. I. 4. b).
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Grenzverletzungen gegenüber Laos sah Argentinien, Italien, Japan und Tunesien als Mitglieder dieses Ausschusses vor.3536 In der Resolution zur Einsetzung der Ermittlungskommission zum Tode von Patrice Lumumba waren gar die Personen benannt, die die Untersuchung durchführen sollten.3537 Eine ebenfalls bedeutsame Entscheidung ist die Frage, wer der Kommission vorsitzen soll. Auch bei den Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen gilt, dass ein kollegiales Gremium zur Sicherung seiner Handlungsfähigkeit eines Vorsitzenden bedarf, welcher die Arbeit dieses Gremiums leitet.3538 In der Praxis der Vereinten Nationen wurde diese Entscheidung in einigen Fällen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Untersuchungskommission zu den Menschenrechtsverletzungen in Togo,3539 hinsichtlich der Fact-Finding-Mission des Menschenrechtsrates zum GazaKonflikt im Dezember 2008 und Januar 20093540 oder hinsichtlich der Kommission zur Untersuchung der Umstände des Todes von Benazir Bhutto,3541 von der die Kommissionsmitglieder benennenden Institution getroffen. In anderen Fällen wählte die Kommission unter ihren Mitgliedern selbst aus, wem der Vorsitz übertragen werden sollte. Dies war etwa bei der Kommission der Generalversammlung der Fall, die den Absturz des Flugzeuges das Dag Hammarskjöld beförderte, untersuchen sollte;3542 dies galt auch für die Mission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha3543 oder für die Untersuchungskommission zu der Söldneraggression gegen die Seychellen.3544 c) Internationale Zusammensetzung Unabhängig davon, ob die Untersuchung von Staatenvertretern oder von benannten Einzelpersonen durchgeführt werden sollte, ist in der Praxis der Vereinten Nationen stets eine Internationalität der Besetzung der Kommission zu verzeichnen. Diese erschöpft sich zudem im letzteren Falle nicht allein darin, dass nicht mehrere Kommissionsmitglieder die Staatsangehörigkeit desselben Staates besitzen. Vielmehr wurde in den meisten Fällen auch eine Verteilung der Kommissionsmitglieder auf verschiedene Kontinente vorgenommen. Häufig stammt mindestens ein Kommissionsmitglied auch aus dem gleichen Kontinent oder der gleichen Region wie der Staat, auf dessen Territorium sich das zu untersuchende Ereignis vollzogen hat. Eine
3536 3537 3538 3539 3540 3541 3542 3543 3544
3. Teil § 2 B. I. 5. b). 3. Teil § 2 B. III. 1. b). Vgl. Thomas Gross, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, S. 284. 3. Teil § 2 B. IV. 11. b). 3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3. Teil § 2 B. III. 3. b). 3. Teil § 2 B. III. 2. c). 3. Teil § 2 B. I. 6. c). 3. Teil § 2 B. I. 12. c).
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solche geographische Aufteilung der Mitglieder hat also in der Verfahrenspraxis der Vereinten Nationen allgemeine Anerkennung erfahren.3545 Beispiele für eine internationale Zusammensetzung von Expertenkommissionen sind etwa die Mitglieder der Kommission zur Untersuchung des Todes von Patrice Lumumba, die aus Birma, Äthiopien, Mexiko und Togo stammten3546, oder die Mitglieder der Untersuchungskommission für die Gewalttätigkeiten in Timor-Leste im Jahr 2006, die aus Brasilien, Südafrika und aus dem Vereinigten Königreich kamen3547. Die Mitglieder der Kommission zur Untersuchung des Todes von Benazir Bhutto stammten aus Chile, Indonesien und Irland3548 und die Mitglieder der Expertenkommission zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien stammten aus den Niederlanden, Kanada, Ägypten, dem Senegal und aus Norwegen3549. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Einen besonders regionalspezifischen Charakter wies etwa die Untersuchungskommission auf, die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen zu dem Massaker im guineischen Conakry im Jahr 2008 eingesetzt wurde.3550 In ihr waren nur Experten aus afrikanischen Staaten, namentlich aus Ägypten, Burundi und von Mauritius, vertreten. Einen ebenfalls starken regionalen Bezug bei der Besetzung der Kommission wies auch zum Beispiel die Kommission des Sicherheitsrates für die Zentralafrikanische Republik auf.3551 In dieser Kommission stammten zwei der drei Mitglieder aus Afrika, nämlich aus Mauretanien und aus Kamerun, während das dritte Kommissionsmitglied zunächst ein Mexikaner, nach dessen Ausscheiden ein Australier war. In seltenen Fällen in der Praxis der Vereinten Nationen wurden bereits in der Einsetzungsresolution Bestimmungen für die geographische Verteilung der Kommissionsmitglieder getroffen. Ein Beispiel für eine solche Bestimmung bietet die Resolution 1999/S-4/1 der Menschenrechtskommission zu den Gewalttätigkeiten in Osttimor nach der Ankündigung des Gebietsreferendums im Jahr 1999.3552 Die Untersuchungskommission sollte eine angemessene Repräsentation asiatischer Experten enthalten. Diese Zusammensetzung wurde durch ein Kommissionsmitglied aus Indien und ein Kommissionsmitglied aus Papua-Neuguinea erzielt, während die weiteren Mitglieder aus Costa Rica, Nigeria und Deutschland stammten. 3545 So auch Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 94; vgl. auch K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (21); William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of Internationale Peace, S. 110 f. 3546 3. Teil § 2 B. III. 1. b). 3547 3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3548 3. Teil § 2 B. III. 3. b). 3549 3. Teil § 2 B. IV. 3. b). 3550 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3551 3. Teil § 2 B. IV. 24. b). 3552 3. Teil § 2 B. IV. 9. b).
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Allerdings garantiert eine solche „equitable geographical distribution“3553 der Mitglieder der Untersuchungskommission noch keinesfalls die Akzeptanz der Kommission bei den von der Untersuchung betroffenen Akteuren, insbesondere den Staaten. Die Auswahl der Staaten beziehungsweise der Staatsangehörigen, welche einer internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen angehören, hat besondere Rückwirkungen auf deren Wahrnehmung als unabhängiges und unparteiisches Gremium;3554 wobei dieser Aspekt bei mit Staaten besetzten Kommissionen gewichtiger ist als bei Einzelpersonen. Als schwierig kann sich die Kommissionszusammensetzung dann erweisen, wenn deren Mitglieder Staaten beziehungsweise Staatsangehörige von Staaten sind, welche zu dem Staat, den eine Untersuchung betrifft, problematische internationale Beziehungen pflegen oder diplomatische Beziehungen gar nicht existent sind. Es kommt hinzu, dass in der Praxis der Vereinten Nationen die Mitglieder der Kommissionen regelmäßig ausgesucht oder gewählt werden, ohne dass auf die Wünsche oder auf Empfindlichkeiten des betroffenen Staates Rücksicht genommen wird.3555 Welche weiteren Kriterien an die internationale Zusammensetzung einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen angelegt werden könnten, um einen Ausgleich für die beschriebene Problemlage zu schaffen, ist unklar. Kuhl bemerkt insoweit zu Recht, dass „andere Kriterien wenig scharf und kaum mit einiger Genauigkeit zu fassen“ sind.3556 Jedenfalls wird man annehmen können, dass Staaten beziehungsweise Personen aus Staaten als ungeeignet gelten müssen Mitglieder einer Untersuchungskommission zu sein, die sich mit dem Staat, dem die Untersuchung gilt, entweder im Kriegszustand befinden oder gegen diesen Staat eine regelmäßig feindselige Haltung einnehmen.3557 In einem solchen Fall wird von vorherein Parteilichkeit unterstellt werden.3558 Ein weiteres, in der völkerrechtlichen Literatur vertretenes Kriterium ist die Unterhaltung von diplomatischen Beziehungen zwischen dem Mitgliedstaat eines Untersuchungsgremiums und dem Staat, dem die jeweilige Untersuchung gilt. Namentlich Cohn3559 hält Staaten, die mit dem zu untersuchenden Staat keine diplo3553 Vgl. auch K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (21). 3554 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (43). 3555 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (43). 3556 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 95. 3557 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (43). 3558 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (43). 3559 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (43).
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matischen Beziehungen etabliert haben, deren Etablierung verweigern oder bestehende außenpolitische Verbindungen abgebrochen haben prima facie für nicht neutral genug beziehungsweise für politisch befangen und damit nicht geeignet, um in dem einschlägigen Untersuchungsgremium Mitglied zu sein. Cohn bringt als Begründung für seine Auffassung vor, dass diplomatische Beziehungen im Völkerrecht als der zwischenstaatliche Normalzustand gelten und eine Anerkennung der Rechte des betroffenen Staates darstellen würden. Im Gegensatz hierzu sei das Fehlen von diplomatischen Beziehungen Ausdruck der Verweigerung der Rechtsgleichheit des anderen Staates und der Anerkennung seines Ansehens. Der Staat, der von einer Untersuchung betroffen sei, würde sich in diesen Fällen automatisch und unvermeidbar in einer unterlegenen und ungleichen Position befinden, wenn ein Staat in der Kommission ihn nicht als normalen Partner in den internationalen Beziehungen betrachten würde. Auch müsse jede Person, die von einem ungeeigneten Staat in ein internationales Untersuchungsgremium entsandt würde, ebenso als voreingenommen und parteiisch gelten. Eine Ausnahme könne allenfalls dann gemacht werden, wenn die von dem Mitgliedstaat benannten Personen nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzen würden, sonst in keinem Loyalitätsverhältnis zu diesem Staat stünden und sie selbst Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vereinigten. Für die von Cohn geäußerte Auffassung spricht einiges. Zwar kann das Ausbleiben oder die Auflösung diplomatischer Beziehungen durchaus als internationaler Affront gewertet werden und ist regelmäßig Ausdruck einer negativen Grundhaltung gegenüber dem jeweiligen Staat. Jedoch ist ebenso zu beachten, dass gegen diese Auffassung allerdings angeführt worden ist, dass internationale Untersuchungen, etwa in Menschenrechtsangelegenheiten, in vielen Fällen gerade solche Staaten betreffen würden, die durch ihr Verhalten und ihre Politiken selbst die außenpolitische Isolierung in der internationalen Gemeinschaft herbeigeführt hätten.3560 Kuhl führt zur Untermauerung dieser These das Beispiel von Menschenrechtsuntersuchungen im Hinblick auf israelische Praktiken in den besetzten palästinensischen Gebieten an.3561 Er verweist in diesem Zusammenhang auf die weitgehende und lang anhaltende internationale Isolierung Israels seit Beginn der 1970er Jahre. Außerdem würde auch „der Vorstellung ungewollt Nachdruck verliehen, es handele sich bei einer solchen Untersuchung um eine gegen den betroffenen Staat gerichtete Anklage und nicht ein das internationale Interesse am Schutz der Menschenrechte ausdrückendes Verfahren“.3562 Auch diese Auffassung, die den Vorwurf eines selbstverschuldeten Schicksals in sich trägt, vermag mit Blick auf die heutige Landschaft der internationalen Beziehungen nicht vollends zu überzeugen. So unterhält etwa das auf Grund der dort stattfindenden Menschenrechtsverletzungen und seiner aggressiven 3560 So Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 94. 3561 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 94. 3562 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 94.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Sicherheits- und Militärpolitik auf das heftigste in der internationalen öffentlichen Kritik stehende Nordkorea diplomatische Beziehungen zu mehr als 160 Staaten; darunter solche mit so verschiedenen Politiken wie Kanada, Deutschland, Äthiopien, die Volksrepublik China und Indien. Diplomatisch weitgehend isolierte Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gibt es heute in der von Kuhl beschriebenen Form also regelmäßig nicht mehr. Weiterhin fordert Shore3563, dass es für die Unparteilichkeit eines Untersuchungsgremiums erforderlich sei, dass die Mitgliedstaaten des Gremiums keine starken kulturellen oder wirtschaftlichen Bindungen zu dem Staat haben dürften, den die jeweilige Untersuchung betrifft. Man könnte Shores Argumentation zudem um ethnische und religiöse Aspekte erweitern.3564 Ungeachtet der Frage, wann solche Bindungen „stark“ sind, ist dieser Forderung jedenfalls entgegenzuhalten, dass in der heutigen, von Globalisierung auf den verschiedensten Ebenen und starken Migrationsströmen geprägten Welt, solche Kriterien den Kreis der möglichen Mitgliedstaaten eines Untersuchungsgremiums wohl zu sehr einengen würden. Zwar betreffen die diskutierten Argumentationen vor allem internationale Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen, die aus Staaten zusammengesetzt sind, jedoch sind die genannten Argumente auch, wenigstens partiell, auf solche Kommissionen übertragbar, die aus Einzelpersonen zusammengesetzt sind. Dies deshalb, weil die in den Argumenten zum Ausdruck kommenden Vorbehalte gegen jeden Experten mit einer Staatsangehörigkeit eines dem untersuchten Staat unliebsamen anderen Staates vorgebracht werden können. Auch wenn sie in ihrem, von den Autoren formulierten, Absolutheitsanspruch nicht vollends überzeugen können, so sind diplomatische, ökonomische, kulturelle, religiöse und ethnische Aspekte doch Positionen, die bei der Zusammenstellung einer internationalen Untersuchungskommission bedacht werden können, um schon am Beginn des Lebenszyklus der Kommission keine Angriffsfläche für Kritik und Vorwürfe hinsichtlich potenzieller Unabhängigkeitsrisiken und Parteilichkeit der Kommission zu bieten. Eine kluge und durchdachte Auswahl der Kommissionsmitglieder kann dieses Risiko zwar nicht beseitigen, jedoch zumindest dafür sorgen, entsprechender Kritik, insbesondere von Seiten des Staates, dem die Untersuchung gilt, sowie weiterer diesem Staat positiv und unterstützend gegenüberstehender Akteure, den Boden zu entziehen. Eine weitere Maßnahme die geeignet erscheint, um den Interessen des von der Untersuchung betroffenen Staates gerecht zu werden, ist eine vorherige Anhörung dieses Staates, in der dieser Staat seine Bedenken gegen die Zusammenstellung der Kommission äußern kann.3565 Eine einheitliche Praxis der Vereinten Nationen da3563
William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 109. In diese Richtung wohl auch Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 95. 3565 Ähnlich Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 95. 3564
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hingehend, dass betroffene Staaten über die Zusammensetzung eines Untersuchungsgremiums vorab informiert werden und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben wird, ist indes nicht ersichtlich.3566 Eine Ausnahme bildete insoweit etwa das Beispiel der Einsetzung der Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen.3567 In der Resolution 496 (1981) war insoweit vorgesehen, dass die drei Mitgliedstaaten des Sicherheitsrates, die Mitglieder der Kommission sein sollten, erst nach Konsultationen zwischen dem Präsidenten des Sicherheitsrates, den Mitgliedern der Sicherheitsrates und der Republik der Seychellen benannt werden würden. Zu bedenken ist in diesem Fall aber, dass die Seychellen selbst den Sicherheitsrat um die Durchführung von Maßnahmen hinsichtlich des Angriffes der Söldner ersucht hatten. Es lag insoweit also keine Situation vor, in der ein Organ der Vereinten Nationen eine Untersuchung gegen den Willen eines betroffenen Staates durchgeführt hätte. Oftmals fanden solche Konsultationen augenscheinlich allerdings nicht statt. Für solche Fälle erscheint eine Änderung der Verfahrenspraxis innerhalb der Vereinten Nationen durchaus angezeigt. Eine Anhörung dient zum einen dazu, die Rechte und Interessen des betroffenen Staates zu sichern, zum anderen kann sie der entscheidungsberechtigten Stelle bei der Vorbereitung der Entscheidung behilflich sein.3568 Ebenso wie in nationalen Rechtsordnungen, entspricht die Durchführung einer solchen Konsultation auch auf der internationalen Ebene dem Gebot der Verfahrensfairness und ist damit geeignet, den Zuspruch zu der Kommission und ihrer Tätigkeit zu erhöhen und etwaigen Befangenheitsvorwürfen entgegenzuwirken.3569 Eine noch weitergehende Forderung als die gerade formulierte erhebt schließlich Samson3570. Dieser verlangt, dass der betroffene Staat der Zusammensetzung des Untersuchungsgremiums zustimmen solle. Eine solche Regel würde dem von einer Untersuchung betroffenen Staat ein erhebliches Gestaltungsrecht bei der Einsetzung einer Untersuchungskommission einräumen.3571 Die Festschreibung der Notwendigkeit eines solchen affirmativen Aktes, etwa in der Verfahrensordnung der Organe der Vereinten Nationen, würde die Errichtung von internationalen Untersuchungskommissionen und jeglichen anderen Untersuchungsgremien im Rahmen der
3566
Siehe Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 96. 3567 3. Teil § 2 B. I. 12. b). 3568 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland – Band II Verfassungsstaat, § 26 Rn. 76. 3569 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 96. 3570 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (24 f.). 3571 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (24 f.).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Weltorganisation nicht nur erschweren, sondern gar unmöglich machen,3572 und ist daher abzulehnen. d) Anforderungen an die Kommissionsmitglieder Im Rahmen der Vereinten Nationen wurden bisher keine standardisierten Kriterien entwickelt, nach denen die Auswahl der Mitglieder von Untersuchungskommissionen, die mit Einzelpersonen besetzt sind, zu erfolgen hat oder nach denen die Auswahl erfolgen soll. Teilweise enthalten aber bereits die Einsetzungsresolutionen für die Kommissionen Hinweise darauf, welche Anforderungen an die Kommissionsmitglieder gestellt werden. So empfahl etwa der Sicherheitsrat dem Generalsekretär, dass dieser nach der Ermordung des Präsidenten von Burundi und hinsichtlich der menschenrechtlichen Bewertung der folgenden Massaker eine Untersuchungskommission einsetzen solle, die aus fünf „impartial and internationally respected, experienced jurists“ gebildet werden sollte.3573 Ein weiteres Beispiel findet sich in der Arbeitsanweisung für die Kommission des Generalsekretärs, die dieser nach Conakry entsandte, um dort Untersuchungen hinsichtlich eines Massakers durchzuführen.3574 Die Mitglieder der Kommission sollten „a reputation for probity and impartiality“ besitzen. Für die Gesamtzusammensetzung der Kommission wurde „expertise in human rights, international law, including international criminal law, and experience in investigating human rights violations, including sexual violence“ verlangt. Für die Auswahlentscheidung ist und sollte jedenfalls regelmäßig nicht ein einzelnes Anforderungskriterium entscheidend sein, sondern vielmehr ein Kriterienbündel. Aus diesem Bündel lassen sich jedoch wiederum mehrere Einzelkriterien benennen, die in der Arbeit und den Ergebnissen der Kommissionsarbeit ihren Niederschlag finden müssen: Als unumstrittenstes Auswahlkriterium für die Mitglieder einer Untersuchungskommission wird man deren Unparteilichkeit anzusehen haben; sie sollen gewissermaßen keinen iudex corruptus darstellen.3575 Was Unparteilichkeit allerdings genau bedeutet, ist im Detail unklar. Jedenfalls wird man hierzu zu zählen haben, dass die Person, welche eine Untersuchung durchführt, bei dieser nicht mit dem Ziel tätig wird, ein bestimmtes Ergebnis erreichen zu wollen und auch nicht
3572 Vgl. Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 96. 3573 3. Teil § 2 B. IV. 6. b). 3574 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3575 Vgl. Hersch Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S. 223; K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (17).
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einen dementsprechenden Anschein zu erwecken, sondern sich der gestellten Aufgabe objektiv annimmt.3576 Neben der Unparteilichkeit ist auch die Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder von Bedeutung.3577 Ebenso wie die Unparteilichkeit ist auch die Unabhängigkeit einer Person ein Kriterium, welches unscharf erscheint. Dazu gehört jedenfalls, dass die Kommissionsmitglieder sich gegenüber der Einflussnahme von dritter Seite auf ihre Arbeit als unanfällig erweisen. Weder darf das Mitglied der Kommission Weisungen annehmen, noch darf es um Weisungen ersuchen, während es seine mandatsmäßigen Aufgaben durchführt.3578 Außerdem erfordert Unabhängigkeit von dem einzelnen Kommissionsmitglied Gründlichkeit bei der Durchführung der Untersuchung. Dies bedeutet etwa in Fällen, in denen eine Kommission mit Untersuchungen von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in einem bewaffneten Konflikt betraut ist, dass, vorbehaltlich von Einschränkungen durch das erteilte Mandat, alle Mitglieder der Kommission mit der gleichen Akribie den Rechtsverletzungen durch alle am Konflikt beteiligten Parteien nachgehen.3579 Objektivität ist ein weiteres bedeutendes Kriterium für Mitglieder der Untersuchungskommissionen.3580 Objektivität erfordert es, dass alle relevanten Fakten für eine Untersuchung aus allen relevanten Quellen gesammelt werden, dass alle gefundenen Fakten und gesammelten Informationen in objektiver Weise bewertet werden und dass die Schlussfolgerungen auf den gesammelten Fakten basieren. Dabei sollen nur diejenigen Informationen herangezogen werden, die in unparteiischer Art und Weise gesammelt wurden.3581 Viele, wenn nicht alle, der genannten Kriterien sind eng miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig.3582 In zwei prominenten Fällen aus jüngerer Zeit standen allerdings vor allem die Unparteilichkeit und die Objektivität einzelner Mitglieder von Untersuchungskommissionen nachhaltig in Zweifel. Der erste Fall betraf die Völkerrechtsprofessorin Christine Chinkin, die vom Präsidenten des Menschenrechtsrates in die Mission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht im Gaza-Konflikt im 3576 Vgl. Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 307 (313). 3577 Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 307 (313). 3578 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (291). 3579 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (291). 3580 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (291). 3581 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (291). 3582 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (291).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Dezember 2008 und Januar 2009 berufen wurde.3583 Grund für die Besorgnis gegenüber Chinkin war, wie oben dargestellt, die Mitunterzeichnung eines offenen Briefes vor ihrer Mitgliedschaft in der Mission, in dem Israel in Bezug auf den GazaKonflikt von 2008/2009 prima facie Kriegsverbrechen zugeschrieben wurden. Von verschiedenen Seiten wurde dann auch gefordert, Chinkin aus der Mission abzuberufen. Der Vorsitzende der Mission wies später alle Anschuldigungen der Befangenheit zurück.3584 Der zweite Fall betraf den Menschenrechtler William Schabas, der eigentlich als Vorsitzender der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates zum Gaza-Konflikt 2014 hätte fungieren sollen.3585 Im Gegensatz zu Chinkin trat Schabas aus der Kommission zurück, als gegen ihn Vorwürfe der Befangenheit laut wurden, da er ein Gutachten für eine palästinensische politische und militante Organisation erstellt hatte. Beide Fälle zeigen, dass bei der Auswahl von Kommissionsmitgliedern sehr genau darauf geachtet werden sollte, ob und wie sie sich zuvor, zu der Situation, die die Kommission, der sie angehören, untersuchen soll, eingelassen haben. Andernfalls steht schnell ein Befangenheitsvorwurf im Raum, der stets vermieden werden sollte, um die Untersuchung nicht zu diskreditieren.3586 Als wesentliches Kriterium für die Auswahl von Untersuchungskommissionsmitgliedern wird man zudem ihre Qualifikation in fachlicher Hinsicht zu benennen haben. Werden Kommissionen damit mandatiert, Untersuchungen über Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts anzustellen, ist eine entsprechende Erfahrung und Expertise auf diesen Gebieten für die Kommissionsmitglieder unumgänglich. So wird die effektive und sachgerechte Ausführung der Untersuchungstätigkeit gewährleistet.3587 Nur mit dem nötigen Wissen in den einschlägigen Teilgebieten des Völkerrechts erscheint es zudem möglich, aus der Vielzahl von Informationen, auf die eine Untersuchungskommission bei Verrichtung ihrer Arbeit treffen wird, die für die Erfüllung des Mandats wesentlichen Fakten herauszufiltern.3588 Weiterhin darf nicht übersehen werden, dass etwa wissenschaftliche Verdienste der Kommissionsmitglieder durchaus dazu beitragen können, die Außendarstellung der betreffenden Untersuchungstätigkeit zu stärken und damit zu einer erhöhten Glaubwürdigkeit der erarbeiteten Ergebnisse beizutragen.3589 Für den Bereich des humanitären Völkerrechts und des mit diesem verbundenen Völkerstrafrechts ist zudem die Forderung erhoben worden, dass mindestens ein Kommissionsmitglied Erfahrungen als Soldat beziehungsweise Offizier in den 3583 3584 3585 3586
(201). 3587
(209). 3588 3589
(206).
3. Teil § 2 B. IV. 17. b). Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 187 f. 3. Teil § 2 B. IV. b). Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 Vgl. Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 Théo Boutrouche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (111). Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193
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Streitkräften eines Staates aufweisen können müsse.3590 Grund für diese Forderung ist die Überlegung, dass im humanitären Völkerrecht militärische Notwendigkeiten eine bedeutende Rolle spielen. Soll die Untersuchungskommission hingegen mandatsgemäß den unnatürlichen Tod einer Person untersuchen, so werden sich polizeiliche Erfahrungen als nützlich erweisen. Bei der Untersuchung von zwischenstaatlichen Sachverhalten können Erfahrungen in Diplomatie und internationalen Beziehungen von Vorteil sein. In der Praxis haben im Hinblick auf Mitglieder von Untersuchungskommissionen, die mit Einzelpersonen besetzt waren, fachliche Qualifikationen stets eine herausragende Rolle gespielt. Die Untersuchungskommissionen waren regelmäßig mit Experten aus Praxis und/oder Wissenschaft besetzt, die ihr jeweiliges Fachwissen in die Untersuchungstätigkeit der Kommission, welcher sie angehörten, einbringen konnten. So setzte sich etwa die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates zu dem Konflikt und zum Völkermord in Ruanda aus einem Mitglied der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker, aus einem Mitglied, das als Generalanwältin in ihrem Heimatstaat arbeitete, und aus einem Mitglied, das als Professor für Völkerrecht und Mitglied der Völkerrechtskommission tätig war, zusammen.3591 Der Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Darfur gehörten ein ehemaliger Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, eine ehemalige Sonderberichterstatterin des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Situation von Menschenrechtsaktivisten, ein Menschenrechtsaktivist, ein Rechtsanwalt, der in einer Wahrheitskommission seines Heimatstaates tätig gewesen war, sowie eine Richterin an, die an den Obersten Gerichtshöfen von zwei afrikanischen Staaten gearbeitet hatte.3592 Die Kommission zur Untersuchung des Massakers in Conakry setzte sich aus einem ehemaligen Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs, aus einer ehemaligen Ministerin für Menschenrechte und Geschlechterfragen eines afrikanischen Staates und einer Rechtsanwältin, die auch Mitglied des Ausschusses der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen gewesen war, zusammen.3593 Der Expertengruppe zu den (Vor-)Untersuchungen der Menschenrechtslage in Burundi gehörten der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für außerrechtliche, summarische und willkürliche Tötungen, ein Mitglied der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker sowie der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Förderung der Wahrheit, Gerechtigkeit, von Reparationen und der Garantie der Nicht-Wiederholung an.3594 Außerhalb von Kommissionen, deren Mandat menschenrechtsgerichtet war, lässt sich als Beispiel für die Expertise in Kommissionen etwa das Expertenkomitee des Internationalen Ge3590 In diese Richtung Tyler B. Musselman, Transnational Law and Contemporary Problems 19 (2010), S. 317 (348). 3591 3. Teil § 2 B. IV. 7. b). 3592 3. Teil § 2 B. IV. 12. b). 3593 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3594 3. Teil § 2 B. IV. 27. b).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
richtshofs im Korfu-Kanal-Fall anführen, die ausschließlich mit Marineoffizieren besetzt war.3595 Die Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Angriffe auf UNOSOM-II-Truppen in Somalia schließlich war mit einem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs eines afrikanischen Staates sowie mit zwei Militärangehörigen im höheren Offiziersrang besetzt.3596 Weiterhin sind in der Literatur gewisse Managementfähigkeiten für Kommissionsmitglieder gefordert worden.3597 Bei der Arbeit einer Untersuchungskommission, die in der Regel aus Mitgliedern und unterstützendem Personal mit diversen Hintergründen, etwa verschiedenen Rechtssystemen, zusammengesetzt ist, sind die Fähigkeiten zum Teambuilding sowie zur Führung als sehr wichtig einzustufen.3598 Werden solche Fähigkeiten bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt, spricht dies jedenfalls für eine effektive und stringente Durchführung des Kommissionsauftrages. Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Besetzung einer Untersuchungskommission eine Rolle spielen kann, ist die Besetzung der Kommission mit Personen verschiedenen Geschlechts. Dies ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn eine Kommission zur Untersuchung einer Situation entsandt wird, in der im großen Maße sexuelle Gewalt ausgeübt wurde. Insbesondere in Kulturen, in denen hinsichtlich der Sexualität eine ausgeprägte Schamkultur herrscht, aber auch im Übrigen, kann es für weibliche Opfer oder Zeuginnen durchaus von großer Bedeutung sein, ob sie zu bestimmten Vorfällen durch einen Mann oder eine Frau befragt werden.3599 Ihnen mag es leichter fallen, sich einer Frau zu öffnen und von den betreffenden Vorfällen zu berichten und körperliche Verletzungen, insbesondere Verletzungen im Genitalbereich, einer anderen Frau zu zeigen, als einem Mann. In dieser Hinsicht ist die Kommission des Generalsekretärs für das Massaker in Conakry, bei dem es auch zu massiver sexueller Gewalt gegenüber Frauen gekommen war, hervorzuheben. Zwei der drei Kommissionsmitglieder waren Frauen, die beide jeweils über große Expertise in Frauen- und Geschlechterfragen verfügten.
3595 3596 3597
(208). 3598
3. Teil § 2 B. V. 1. b). 3. Teil § 2 B. V. 2. b). Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193
Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (208). Dort findet sich auch ein Hinweis darauf, dass das Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika das Fehlen dieser Fähigkeiten bei der Expertenkommission zur Untersuchung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien kritisiert hatte. Bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder sei zu viel Wert auf die akademischen Qualifikationen und zu wenig auf Untersuchungs- und Managementfähigkeiten gelegt worden. 3599 Vgl. Wu Xiaodan, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 193 (209).
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e) Kommissionsgröße Bei der Errichtung einer Untersuchungskommission ist nicht nur eine Entscheidung darüber zu treffen, aus welchen Mitgliedern die jeweilige Kommission bestehen soll, sondern auch darüber, aus wie vielen Mitgliedern die Kommission bestehen soll. Eine optimale Zahl hierfür zu nennen ist nicht möglich. In der Praxis der Vereinten Nationen lag die Anzahl der Kommissionsmitglieder, unabhängig davon, ob es sich um eine Staaten- oder eine Expertenkommission handelte, regelmäßig im unteren einstelligen Bereich. So bestand die erste Mission zur Untersuchung der Ermordung des Präsidenten von Burundi, des damit einhergehenden Staatsstreiches und der anschließenden Massaker in dem afrikanischen Staat lediglich aus zwei Mitgliedern.3600 Viele Kommissionen hatten drei Mitglieder, so etwa die Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung einer potenziellen portugiesischen Aggression gegen Guinea zu Beginn der 1970er Jahre3601, die Kommission zur Untersuchung von südafrikanischen Gewaltakten gegen Angola Mitte der 1980er Jahre3602, die Kommission zur Menschenrechtslage in Kambodscha3603, die Kommission zur Untersuchung der gewalttätigen Krise in Timor-Leste im Jahr 20063604 oder die Kommission des Menschenrechtsrates zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea3605. Über vier Mitglieder verfügten etwa die Mission zur Untersuchung des Chemiewaffeneinsatzes im Krieg zwischen dem Irak und dem Iran3606 und die Kommission zur Untersuchung des Gaza-Konflikts um den Jahreswechsel 2008/20093607. Jeweils fünf Kommissionsmitglieder waren zum Beispiel mit der Untersuchung des Todes von Dag Hammarskjöld3608 oder mit der Untersuchung der Menschenrechtslage in Osttimor im Jahr 1999 befasst.3609 Sehr mitgliederstark war die Kommission zur Untersuchung der Verletzungen der Grenzen Griechenlands Mitte der 1940er Jahre; dieser Kommission gehörten alle, damals elf Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen an.3610 Bei der Entscheidung über die Kommissionsgröße werden wiederum verschiedene Aspekte eine Rolle spielen. Ist die Kommission zu groß, kann dies die Entscheidungsfindung verlangsamen und erschweren, wenn verschiedene Meinungen in den unterschiedlichen Stufen der Tätigkeit der Untersuchungskommission herrschen. Als vorteilhaft kann sich eine größere Kommission demgegenüber aber er3600 3601 3602 3603 3604 3605 3606 3607 3608 3609 3610
3. Teil § 2 B. IV. 5. b). 3. Teil § 2 B. I. 8. b). 3. Teil § 2 B. I. 13. b). 3. Teil § 2 B. IV. 8. b). 3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3. Teil § 2 B. IV. 23. b). 3. Teil § 2 B. I. 14. b). 3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3. Teil § 2 B. III. 2. b). 3. Teil § 2 B. IV. 9. b). 3. Teil § 2 B. I. 1. b).
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weisen, wenn Ermittlungen in einem größeren bewaffneten Konflikt oder einer anderen komplexen Situation anzustellen sind. So wird eine Verteilung der Arbeitslast auf mehrere Schultern möglich, was bei einem vielschichtigen Sachverhalt angebracht erscheint. Zudem kann eine größere Kommission durch eine entsprechende Besetzung mehrere Kompetenzfelder abdecken und so die Qualität der Kommissionsarbeit potenziell steigern. Umgekehrt wird eine kleinere Kommission insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die zu untersuchende Situation etwa in räumlicher und/oder zeitlicher Hinsicht sowie im Hinblick auf den zu untersuchenden Sachverhalt überschaubar ist. Außerdem wird durch eine kleinere Kommission die Anzahl verschiedener Meinungen verringert, sodass dies zu einer größeren Stringenz der Kommissionsarbeit führen kann. Jedenfalls erscheint eine Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern die Untergrenze für eine Kommission zu sein.3611 Unabhängig von der Größe der Kommission erscheint es sinnvoll, eine ungerade Anzahl von Kommissionsmitgliedern zu wählen. So wird die Bildung von Mehrheiten bei der Abstimmung von Einzelfragen erleichtert. f) Sekretariat und Mitarbeiterstab Den eigentlichen Mitgliedern von Untersuchungskommissionen wird regelmäßig noch ein Sekretariat beziehungsweise ein Mitarbeiterstab durch die Vereinten Nationen zur Seite gestellt.3612 Bei den Kommissionen, die Untersuchungen in Angelegenheiten im politischen Bereich, hinsichtlich der Dekolonialisierung bestimmter Gebiete oder des Todes bedeutender Persönlichkeiten durchgeführt haben, oblag die Aufgabe, für diese Kommissionen ein Sekretariat zu organisieren und bereitzustellen, regelmäßig dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. In Resolutionen, mit denen eine Untersuchungskommission eingesetzt wurde, fand sich in einigen Fällen ein ausdrückliches Ersuchen an den Generalsekretär, der betreffenden Kommission „all necessary assistance“ zuteilwerden zu lassen, so etwa in der Resolution zur Einsetzung der Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung des versuchten Regierungsumsturzes in Benin,3613 oder in der Resolution zur Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen.3614 In diesen Fällen nahm der Generalsekretär gemäß Artikel 98 S. 1 der Charta der Vereinten Nationen eine Aufgabe wahr, die ihm von den anderen Organen der Weltorganisation übertragen worden war. Im Bereich von Untersuchungen hinsichtlich der Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts wird die Aufgabe der Bereitstellung und Organisation der Kommissionssekretariate seit seiner Errichtung regelmäßig durch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wahrgenommen, so etwa im Falle der Unter3611 Diese Zahl nennt auch Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 51 in Bezug auf die Besetzung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen. 3612 Vgl. William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of Internationale Peace, S. 126. 3613 3. Teil § 2 B. I. 9. b). 3614 3. Teil § 2 B. I. 12. b).
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suchung zum Gaza-Konflikt 2008/20093615 oder der Untersuchungen der jeweiligen Lage der Menschenrechte in Eritrea3616, in Nordkorea3617 und in Burundi3618. Insoweit nehmen der Hohe Kommissar und sein Büro eine Aufgabe wahr, die dem Hohen Kommissar mit der Generalversammlungsresolution 48/141 vom 20. Dezember 1993,3619 durch die das Amt geschaffen wurde, übertragen wurde. In Abs. 5 lit. b) des operativen Teils der Resolution heißt es insoweit, dass es zu den Aufgaben des Hohen Kommissars gehört „to carry out the tasks assigned to him/her by the competent bodies of the United Nations system in the field of human rights“. Durch die Übertragung der Aufgabe der Bereitstellung und Organisation von Kommissionssekretariaten auf den Generalsekretär der Vereinten Nationen beziehungsweise auf das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte greifen die eine Untersuchungskommission einsetzenden Organe und Nebenorgane der Vereinten Nationen damit auf das institutionelle Wissen und die Organisationsfähigkeiten von ständigen Verwaltungseinheiten im System der Weltorganisation zurück. Auch wenn die Sekretariate und Mitarbeiterstäbe nicht so prominent in Erscheinung treten wie die eigentlichen Kommissionsmitglieder, so sind die in diesen Einheiten arbeitenden Personen doch für den Erfolg einer Untersuchung von besonderer Bedeutung.3620 Sekretariate und Mitarbeiterstäbe bilden das administrative Rückgrat einer Untersuchungskommission und unterstützen diese bei der Erledigung ihrer Arbeit.3621 Die Mitglieder des Sekretariats beziehungsweise des Mitarbeiterstabes nehmen regelmäßig verschiedene Aufgaben wahr, die von verwaltungstechnischen Diensten und Kommunikationsaufgaben bis hin zu fachlichen Beratungsfunktionen für die Kommissionsmitglieder sowie Beweisaufnahmen und Beweiswürdigungen reichen.3622 Eine sinnvolle Angabe einer Mindestanzahl von Sekretariatsmitgliedern beziehungsweise Kommissionsmitarbeitern erscheint ebenso nicht möglich, wie eine generalisierende Aussage über die erforderlichen Qualifikationen dieser Personen. Eine effektive Unterstützung der Kommissionsarbeit setzt eine im Verhältnis zum Umfang des zu untersuchenden Sachverhalts ausreichend große Anzahl von Personen voraus. Handelt es sich um einen begrenzten internationalen Zwischenfall, bei dem von vornherein feststeht, dass die Tatsachenaufklärung wenig 3615
3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3. Teil § 2 B. IV. 25. b). 3617 3. Teil § 2 B. IV. 23. b). 3618 3. Teil § 2 B. IV. 28. b). 3619 UN Doc. A/RES/48/141 vom 7. Januar 1994. 3620 Siehe auch Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 56; vgl. zudem Philippe Sands/Pierre Klein, Bowett’s Law of International Institutions, S. 302. 3621 Vgl. K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the fields of Human Rights, S. 17 (36). 3622 Vgl. Tabirzi Bensalah, L’Enquête Internationale dans le Règlegment des Conflits, S. 192 f.; Thomas Buergenthal, Vanderbilt Journal of Transnational Law 27 (1994), S. 497 (505). 3616
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aufwendig sein wird, mögen zwei Personen als Kommissionssekretariat beziehungsweise -mitarbeiterstab ausreichend sein; ist Gegenstand der Untersuchung jedoch ein größerer bewaffneter Konflikt mit einer Vielzahl von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, wird eine größere Anzahl von Personen benötigt, um die Vielzahl von Informationen und notwendigen Arbeitsvorgängen zu bewältigen. Über einen sehr großen Stab von 27 Mitgliedern verfügte die Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Zwischenfälle an den Grenzen zwischen Griechenland und seinen Nachbarstaaten in den 1940er Jahren.3623 Ebenfalls mit 20 Mitarbeitern sehr groß war der Mitarbeiterstab der Kommission, die hinsichtlich des politischen Schicksals von Eritrea eingesetzt wurde.3624 Hingegen musste die Mission des Sicherheitsrates, die zu Untersuchungen von Entwicklungsproblemen Botswanas in Folge von Übergriffen rhodesischer Truppen eingesetzt wurde, mit nur einem einzigen Sekretär auskommen.3625 Soweit aus den Abschlussberichten ersichtlich, lagen die Sekretariatsgrößen anderer Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen zumeist zwischen zwei und fünfzehn Sekretariatsmitgliedern. Beispielweise belief sich die Sekretariatsstärke der Kommission zur Untersuchung der Buddhisten-Krise in Südvietnam auf vier Mitarbeiter3626 und die Kommission, die während der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht untersuchen sollte, musste, trotz der großen Anzahl der zu untersuchenden Vorfälle, zu Beginn ihrer Tätigkeit mit drei, später mit sechs Sekretariatsmitgliedern Vorlieb nehmen.3627 Hinsichtlich der Qualifikationen der Mitglieder des Kommissionssekretariats beziehungsweise -mitarbeiterstabes gilt das weiter oben zu den Qualifikationen von Kommissionsmitgliedern Ausgeführte. Auch die Qualifikationen der Kommissionsmitarbeiter werden sich an den zu erwartenden Tätigkeiten im Rahmen der Untersuchung auszurichten haben. Sind etwa zwischenstaatliche Problemlagen im Bereich Frieden und Sicherheit Gegenstand der Untersuchung, mögen Mitarbeiter mit politischer Erfahrung hilfreich sein; soll die Tötung einer Person untersucht werden, werden sich Experten in polizeilichen Ermittlungen und Pathologen als eine gute Wahl erweisen, und sind der Kommission durch ihr Mandat Untersuchungen in menschenrechtlichen Problemlagen aufgegeben, so spricht viel dafür, Juristen mit einer entsprechenden fachlichen Spezialisierung als Mitarbeiter der Kommission zu berufen. Darüber hieraus können der Kommission auch weniger spezialisierte Mitarbeiter, etwa für reine Schreibaufgaben, beigegeben werden.3628 3623
3. Teil § 2 B. I. 1. b). 3. Teil § 2 B. II. 1. b). 3625 3. Teil § 2 B. I. 10. b). 3626 3. Teil § 2 B. IV. 1. b). 3627 3. Teil § 2 B. IV. 3. b). 3628 Vgl. auch Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, § 439; Philippe Sands/Pierre Klein, Bowett’s Law of International Institutions, S. 303 ff. 3624
§ 2 Die Vereinten Nationen
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In der Praxis der Vereinten Nationen ist, soweit aus den Abschlussberichten ersichtlich, den Untersuchungskommissionen stets qualifiziertes Personal zur Erfüllung des jeweiligen Untersuchungsauftrages zugeteilt worden. Die Mission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Grenzzwischenfälle zwischen Südvietnam und Kambodscha wurde etwa von zwei Experten für politische Angelegenheiten aus dem Sekretariat der Vereinten Nationen begleitet.3629 Der Kommission, die den Absturz des Flugzeuges von Dag Hammarskjöld untersuchen sollte, wurden zwei Beamte der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation als Sachverständige für verschiedene aeronautische Fragen zugeteilt.3630 Die den Tod von Benazir Bhutto untersuchende Kommission des Generalsekretärs erfuhr bei der Durchführung ihres Auftrages Unterstützung durch Sachverständige aus dem juristischen und politischen Bereich sowie aus der Kriminalistik.3631 Die Kommission des Generalsekretärs zur Untersuchung des Massakers im guineischen Conakry, deren Auftrag neben der Ermittlung von Tatsachen auch die Feststellung von relevanten Straftaten und entsprechenden Verantwortlichkeiten umfasste, wurde von einem vierzehnköpfigen Sekretariat begleitet.3632 Dessen Mitarbeiter verfügten über Expertise in den einschlägigen Bereichen des Völkerrechts, namentlich im Völkerstrafrecht und hinsichtlich der internationalen Regeln zum Schutz der Menschenrechte. Da es im Rahmen des Massakers zu massiver sexueller Gewalt gegen Frauen gekommen war, wurde bei der Besetzung des Kommissionssekretariats zudem besonderer Wert auf Expertise auf dem Gebiet von Frauenrechten gelegt. Wie komplex die Zusammensetzung eines Kommissionssekretariats im Hinblick auf die verschiedenen benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten sein kann, zeigt der Mitarbeiterstab, dessen sich die vom Menschenrechtsrat eingesetzte Mission zur Untersuchung der militärischen Aktionen Israels gegen Schiffe, die die Seeblockade der Küste des Gazastreifens durchbrechen wollten, bediente.3633 Neben dem eigentlichen Sekretariat, das der Mission durch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zugeteilt wurde, zog die Mission noch weitere, externe Experten hinzu, welche über Sachwissen hinsichtlich der verschiedenen im Rahmen der Untersuchung zu beleuchtenden Aspekte verfügten. Hinsichtlich der Opfer der Militäraktion wurde pathologische Expertise herangezogen und bezüglich der militärisch-operativen Aspekte wurden Sachverständige in den Bereichen Militär- und Waffenkunde zugezogen. Für die Bereiche Seevölkerrecht und humanitäres Völkerrecht wurde juristische Expertise hinzugezogen, soweit es um Rechtsfragen der maritimen Delimitation von Hoheitsgewässern, des Rechts der Seeblockade und die Bewertung des Einsatzes von militärischer Gewalt ging.
3629 3630 3631 3632 3633
3. Teil § 2 B. I. 6. b). 3. Teil § 2 B. III. 2. b). 3. Teil § 2 B. I. 3. b). 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3. Teil § 2 B. IV. 19. b).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Jedwede personelle Mitarbeiterausstattung einer Untersuchungskommission steht jedoch stets unter dem Vorbehalt von Kapazitätsgrenzen. Dies bedeutet, dass genügend und ausreichend qualifiziertes Personal für eine Abordnung an eine Untersuchungskommission im System der Vereinten Nationen zur Verfügung stehen muss, damit diese Kommission über einen ausreichend großen Stab zur Durchführung ihrer Arbeit verfügt. In der Untersuchungspraxis hat sich in einigen Fällen gezeigt, dass die personelle Ausstattung der Kommissionsmitarbeiterstäbe zu knapp bemessen war. Dies wurde etwa durch die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates zur Menschenrechtslage in Darfur3634 oder durch die Expertenkommission für die Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien beklagt3635. Letztere Kommission fand allerdings auch einen innovativen Weg, um mit der Flut von Informationen und Beweismitteln, die sie im Laufe der Untersuchungstätigkeit sammelte, umzugehen. Die Kommission legte ein Archiv an dem Menschenrechtsinstitut einer Universität in den Vereinigten Staaten von Amerika an, an der eines der Kommissionsmitglieder lehrte. Hierdurch konnte eine effektive Informationsinfrastruktur geschaffen werden. Allerdings musste die Kommission hierfür auf externes Personal zurückgreifen. Diese Vorgehensweise war mit Blick auf die dargestellten Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen einzigartig und erklärt sich vor allem aus der hohen Intensität und der langen Dauer der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien. Hierdurch bedingte sich die hohe Zahl an Vorkommnissen, namentlich möglichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die innerhalb des Mandats der Kommission lagen und von dieser untersucht werden konnten. Entsprechend viele Beweismittel waren folglich vorhanden. 2. Vorrechte und Immunitäten der Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen Wird eine Untersuchungskommission durch die Vereinten Nationen entsandt, stellt sich die Frage, welchen Schutz und welche Vorrechte die Mitglieder dieser Kommission anlässlich der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen. Hierfür kann Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens über Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13. Februar 1946 (Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations)3636 einschlägig sein. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ging regelmäßig von der Einschlägigkeit dieser Regelung für Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen aus. So wies der Generalsekretär etwa im Rahmen der Einsetzung der Untersuchungskommission für die Gewalt in Timor-Leste im Jahr 2006 den Präsidenten dieses Staates daraufhin, dass von Seiten der Vereinten Nationen erwartet werde, dass sowohl den Kommissionsmitgliedern 3634 3635 3636
3. Teil § 2 B. IV. 12. c). 3. Teil § 2 B. IV. 3. c). United Nations Treaty Series 1946 – 1947, S. 16 ff.
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als auch den die Kommission begleitenden Mitarbeitern die Vorrechte und Immunitäten aus dem genannten Übereinkommen gewährt würden.3637 Entsprechende Hinweise auf das Übereinkommen fanden sich auch in dem Arbeitsauftrag der Kommission für die Untersuchung des Massakers in Conakry3638 sowie in dem Arbeitsauftrag für die Untersuchungskommission zum Tode von Benazir Bhutto.3639 Der Sicherheitsrat bemerkte in der Resolution, mit der er die Kommission zur Untersuchung der Angriffe auf die UNOSOM-II-Truppen in Somalia mandatierte, dass „the members of the Commission will have the status of experts on mission within the meaning of the Convention on the privileges and immunities of the United Nations, which shall apply to the Commission“.3640 a) Grundlagen der Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen und von diesen entsandten Sachverständigen Grundlage der im Rahmen der Vereinten Nationen bestehenden Vorrechte und Immunitäten ist Artikel 105 der Charta der Vereinten Nationen: „1. The Organization shall enjoy in the territory of each of its Members such privileges and immunities as are necessary for the fulfilment of its purposes. 2. Representatives of the Members of the United Nations and officials of the Organization shall similarly enjoy such privileges and immunities as are necessary for the independent exercise of their functions in connection with the Organization. 3. The General Assembly may make recommendations with a view to determining the details of the application of paragraphs 1 and 2 of this Article or may propose conventions to the Members of the United Nations for this purpose.“
Artikel 105 Abs. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen sind dabei erkennbar auf den, heute allgemein anerkannten, alleinigen Zweck von Vorrechten und Immunitäten Internationaler Organisationen gerichtet, nämlich den Schutz ihrer Funktionalität und damit der „Gewährleistung der effektiven Aufgabenwahrnehmung“3641 durch die jeweilige Organisation.3642 Dieser Zweck schlägt auch auf 3637
3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3639 3. Teil § 2 B. III. 3. b). 3640 3. Teil § 2 B. V. 2. b). 3641 Matthias Ruffert/Christian Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, Rn. 182. 3642 Siehe nur Matthias Ruffert/Christian Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, Rn. 182; Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rn. 80; Christian Hillgruber, in: Bernhard Kempen/Christian Hillgruber, Völkerrecht, 5. Kapitel Rn. 20; André Karg, in: Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Casebook Völkerrecht, S. 393 (405); Malcolm N. Shaw, International Law, S. 1007 f. Ergänzend weist Andreas Ziegler, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 105 Rn. 3 darauf hin, dass auch das Ansehen der Vereinten Nationen und die Gleichheit der Staaten in ihren Beziehungen zu den Vereinten Nationen die Notwendigkeit der Vorrechte und Immunitäten stützen würden. 3638
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Bedienstete oder andere Repräsentanten der jeweiligen Organisation durch, da ohne Sonderrechte für diese Personen nicht gewährleistet werden könnte, dass sie ihre jeweiligen Tätigkeiten unabhängig und damit im alleinigen Dienst der Vereinten Nationen ausüben können. Denn sowohl der Sitzstaat einer Internationalen Organisation als auch der Heimatstaat des jeweiligen Bediensteten oder Repräsentanten könnten versuchen, auf diesen mittels ihrer innerstaatlichen Judikative oder Exekutive Einfluss auszuüben.3643 Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen werden in Artikel 105 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen nicht explizit als Personen genannt, denen Vorrechte und Immunitäten zugestanden werden. Allerdings werden diese Rechtspositionen in Artikel VI des auf der Grundlage von Artikel 105 Abs. 3 der Charta verabschiedeten Übereinkommens über Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen sog. Experts on Mission, also Sachverständigen mit einem Auftrag der Vereinten Nationen, zuerkannt. b) Anwendbarkeit von Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen auf die Mitglieder internationaler Untersuchungskommissionen Damit die Mitglieder einer internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen in den Genuss der in Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens niedergelegten Rechtspositionen kommen, müsste für diese der Anwendungsbereich der Regelung eröffnet sein: „Section 22. Experts (other than officials coming within the scope of Article V) performing missions for the United Nations shall be accorded such privileges and immunities as are necessary for the independent exercise of their functions during the period of their missions, including the time spent on journeys in connection with their mission. In particular they shall be accorded: (a) Immunity from personal arrest or detention and from seizure of their personal baggage; (b) In respect of words spoken or written and acts done by them in the course of the performance of their mission, immunity from legal process of every kind. This immunity from legal process shall continue to be accorded notwithstanding that the persons concerned are no longer employed on missions for the United Nations; (c) Inviolability for all papers and documents; (d) For the purpose of their communications with the United Nations, the right to use codes and to receive papers and correspondence by courier or in sealed bags; (e) The same facilities in respect of currency or exchange restrictions as are accorded to representatives of foreign governments on temporary official missions; (f) The same immunities and facilities in respect of their personal baggage as are accorded to diplomatic envoys.“ 3643
Rn. 86.
Diese Befürchtung so bei Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6
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Für Mitglieder von Untersuchungskommissionen fehlt es bislang an speziellen Judikaten zu der Anwendbarkeit von Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen auf solche Personen. Jedoch hatte sich der Internationale Gerichtshof in zwei Gutachten gemäß Artikel 96 der Charta der Vereinten Nationen in Verbindung mit den Artikeln 65 ff. des Statuts des Internationale Gerichtshofs3644 mit den einschlägigen Fragen, allerdings hinsichtlich der Rechtsposition von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen, zu befassen. Die Ausführungen in dem Gutachten zum Mazilu3645- sowie zum Cumaraswamy-Fall3646 könnten damit auch für die Stellung der Mitglieder von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen fruchtbar gemacht werden. aa) Anwendbarkeit ratione personae Bei den Mitgliedern von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen müsste es sich zunächst um „Experts on Mission“, also um Sachverständigen mit einem Auftrag der Vereinten Nationen, gemäß Artikel VI Sektion 22 S. 1 des Übereinkommens handeln. Eine Legaldefinition hält das Übereinkommen hierfür nicht bereit. Da den „Experts on Mission“ allerdings ein eigener Artikel in dem Übereinkommen gewidmet ist, sind sie jedenfalls von den „Officials“ der Vereinten Nationen zu unterscheiden, welche in Artikel V eigene Regelungen erfahren haben. Weiterhin besteht Klarheit darüber, dass nur solche Personen dem Schutz des Artikels VI Sektion 22 als „Experts“ unterfallen, die Missionen für die Vereinten Nationen durchführen.3647 Dies deshalb, weil das Übereinkommen gerade ausschließlich die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen regelt. Der Internationale Gerichtshof hatte in seinem Gutachten im Mazilu-Fall bereits festgestellt, dass es in den travaux préparatoires keinerlei Hinweise gebe, wie der Begriff „Expert“ auszulegen sei.3648 Allerdings ist der Zweck von Artikel VI Sektion 22 evident. Dieser Zweck liegt darin, die Vereinten Nationen in die Lage zu versetzen, solche Personen auf Missionen zu entsenden, die nicht den Status eines „Officials“ der Organisation genießen, und den Entsandten hierbei diejenigen Vorrechte und Immunitäten zu garantieren, die zur unabhängigen Erfüllung ihrer je3644
United Nations Treaty Series Vol. 33, S. 993 ff. ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 ff. 3646 ICJ, Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, Gutachten vom 29. April 1999, ICJ Reports 1999, S. 62 ff. 3647 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (193). 3648 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (193 f.). Zur Entstehungsgeschichte auch Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (17 ff.). 3645
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
weiligen Funktion notwendig sind. Die Regelung stößt damit in dieselbe Richtung wie die Immunitäten- und Vorrechtsgewährung für die Vereinten Nationen selbst und ihre Bediensteten. Ob „Experts“ benannt oder gewählt wurden oder ob sie längerfristig oder nur kurzzeitig eine Mission für die Vereinten Nationen durchführen, ist dabei unerheblich. Nicht die Stellung im Verwaltungsapparat der Vereinten Nationen gibt den Ausschlag für die Stellung einer Person als „Expert“ im Sinne des Artikels VI Sektion 22 des Übereinkommens, sondern vielmehr die Natur der Mission, auf welche sie entsandt wurde.3649 bb) Anwendbarkeit ratione temporis Nach dem Wortlaut von Artikel VI Sektion 22 genießen „Experts“ den Schutz der in der Regelung niedergelegten Vorrechte und Immunitäten während der Dauer ihrer Mission, einschließlich des Zeitraums, in welchem sie reisen. Der Internationale Gerichtshof hat sich im Mazilu-Fall für eine weite Auslegung entschieden.3650 Zwar habe der Begriff „mission“ etymologisch in seinen lateinischen Wurzeln ursprünglich ein Element des Reisens beinhaltet, jedoch habe sich in den beiden für das Übereinkommen maßgeblichen Sprachen, dem Englischen und dem Französischen, dieser Begriff inzwischen dahingehend fortentwickelt, dass er in einem generellen Sinne alle Tätigkeiten einschließe, welche einer Person anvertraut seien, unabhängig davon, ob hierin eine Reisetätigkeit eingeschlossen sei oder nicht.3651 Für den Internationalen Gerichtshof kommt hinzu, dass die Vorrechte und Immunitäten des Artikels VI Sektion 22 des Übereinkommens die Unabhängigkeit der Experten absichern sollen. Einige der in der Regelung niedergelten Vorrechte und Immunitäten dienten diesem Zweck bei Reisen der Sachverständigen ins Ausland (etwa solche hinsichtlich des Gepäcks); andere Vorrechte und Immunitäten – etwa solche die Kommunikation oder den Schutz von Papieren und Dokumenten betreffend – seien hingegen eher genereller Natur. Daher sei Artikel VI Sektion 22 auch auf jeden „Expert on mission“ anwendbar, gleichviel ob der Sachverständige zur Erfüllung seiner Tätigkeit auf Reisen gehen müsse oder nicht.3652
3649 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (194). Siehe auch Jan Klabbers, An Introduction in International Organizations Law, S. 143 f. 3650 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (194 f.). 3651 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (195). 3652 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (195).
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cc) Anwendbarkeit ratione loci Die zu Fragen der Anwendbarkeit ratione temporis von Artikel VI Sektion 22 dargelegten Ausführungen des Internationalen Gerichtshofs beanspruchen auch für die Frage der Anwendbarkeit der Norm ratione loci zu einem guten Teil Geltung. Da der Sachverständige während der Durchführung seiner Mission die Vorrechte und Immunitäten aus Artikel VI Sektion 22 genießt, sind diese in dem jeweiligen Staat oder Staaten, in dem oder denen die Mission durchgeführt wird, sowie zum Teil in Drittstaaten, durch deren Territorium er reisen muss, um zu seinem Einsatzziel zu gelangen, anwendbar. Hinzu kommt, dass während der Missionsdurchführung die Vorrechte und Immunitäten auch gegenüber dem Staat gelten, dessen Staatsangehörigkeit ein Sachverständiger besitzt oder in dem er seinen ständigen Wohnsitz hat.3653 Dies ist besonders in den Fällen wichtig, in denen Sachverständige einen Teil ihrer Tätigkeit, zum Beispiel Schreib-, Untersuchungs- oder Analysetätigkeiten, in ihrem Heimatland, also gewissermaßen von zu Hause aus, erbringen.3654 dd) Zwischenergebnis Bei Mitgliedern von Untersuchungskommission, die durch Organe oder Nebenorgane der Vereinten Nationen eingesetzt werden, handelt es sich ratione personae um „Experts on mission“ im Sinne des Artikels VI Sektion 22 des Übereinkommens über Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen, die für die Dauer ihrer Aufgabenerfüllung, dass heißt der Durchführung der Untersuchung und auch grundsätzlich auf Reisen, durch die Regelung auf dem Territorium der verschiedenen Staaten geschützt sind. Dies gilt allerdings nur in den Staaten, die Parteien des Übereinkommens sind.3655 Entsprechendes Völkergewohnheitsrecht, das Sachverständigen der Vereinten Nationen Vorrechte und Immunitäten gewährt, existiert nicht.3656 Ratione temporis können sich die Mitglieder einer Untersuchungskommission ab dem Zeitpunkt auf die Vorrechte und Immunitäten aus Artikel VI Sektion 22 berufen, ab welchem sie als solche von der zuständigen Person oder dem zuständigen Gremium der Vereinten Nationen hierzu ernannt werden und diese Ernennung auch annehmen. Der Schutz von Artikel VI Sektion 22 endet mit dem Missionsabschluss, welcher bei Untersuchungskommissionen regelmäßig in der Abgabe ihres Ab3653 ICJ, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, Gutachten vom 15. Dezember 1989, ICJ Reports 1989, S. 177 (195); auch Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 109. 3654 Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 110. 3655 Vgl. K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 17 (35). 3656 Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 244.
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schlussberichts liegen wird. Der Schutz lebt dann wieder auf, wenn die Kommissionsmitglieder zu einer Fortsetzung ihrer Tätigkeit aufgefordert beziehungsweise entsprechend mandatiert werden. Die im Folgenden beschriebenen Vorrechte und Immunitäten sind dabei als Mindestgewährleistungen für die Mitglieder von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen zu verstehen. Die Staaten, in denen die Untersuchungstätigkeiten verrichtet werden, sind nicht gehindert, die Personen besser zu stellen. Im Übrigen ergibt sich eine Besserstellung auch dann für diejenigen Mitglieder einer Untersuchungskommission, die ohnehin bereits als Diplomaten über entsprechende Vorrechte und Immunitäten verfügen. c) Vorrechte und Immunitäten im Einzelnen Artikel VI Sektion 22 enthält eine ganze Reihe vielfältiger Vorrechte und Immunitäten für die „Experts on mission“ der Vereinten Nationen. Diese werden ausweislich des Satzes 1 den Sachverständigen zugestanden, um deren Unabhängigkeit bei der Durchführung ihrer Mission abzusichern. Die Sachverständigen sollen diese damit frei von Einmischungen irgendeiner Art durchführen können.3657 Im Interesse der Vereinten Nationen soll jeder Zwang und jede Bedrohung für die Sachverständigen während der Erfüllung ihrer Aufgabe vermieden werden.3658 Über die in Artikel VI Sektion 22 zugestandenen Vorrechte und Immunitäten hinaus, kann es sein, dass ein Sachverständiger auch noch anderweitige Vorrechte und Immunitäten auf Grundlage des Völkerrechts genießt, die ihm auf der Grundlage seiner (beruflichen) Stellung, etwa als Diplomat, zustehen. aa) Festnahme, Haft und Beschlagnahme persönlichen Gepäcks Artikel VI Sektion 22 lit. a) sieht für die Sachverständigen Immunität von Festnahme und Haft sowie von der Beschlagnahme persönlichen Gepäcks vor. Unter Festnahme und Haft sind staatliche Maßnahmen zu verstehen, welche die Bewegungsfreiheit des Sachverständigen zumindest zeitweise aufheben.3659 Zum persönlichen Gepäck gehören all diejenigen Gegenstände, welche der Experte auf einer Reise mit sich führt und die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Auftrag für die Vereinten Nationen stehen; also solche Gegenstände des persönlichen
3657
Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (40). Vgl. die Rechtsauffassung des Büros für Rechtsangelegenheiten des Sekretariats der Vereinten Nationen hinsichtlich des rechtlichen Status von Sachverständigen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, in: United Nations Juridical Yearbook 1992, S. 485 (486): „The privileges and immunities, rights and facilities that are granted to experts on mission are strictly designed to protect the interests of the organization concerned in preventing any coercion or threat thereof in respect of the performance by the experts of their mission“. 3659 Vgl. Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 369. 3658
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Bedarfs,3660 die im Normalfall im Eigentum des Sachverständigen stehen,3661 jedoch nicht hierauf beschränkt sind. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass die Aufgabe des Sachverständigen nicht durch eine Festsetzung oder die Wegnahme für ihn wichtiger Gegenstände – man denke hier nur an Leibwäsche oder an dringend benötigte Medizin – verhindert beziehungsweise behindert werden soll.3662 Zum persönlichen Gepäck des Sachverständigen gehören dabei nicht allein diejenigen Gegenstände, die dieser auf der Reise unmittelbar bei sich führt, sondern auch solche, die auf andere Weise auf der Reise zu ihrem Bestimmungsort gebracht werden.3663 bb) Justizielle Verfahren wegen mündlicher oder schriftlicher Äußerungen Artikel VI Sektion 22 lit. b) S. 1 garantiert den Sachverständigen Immunität von der Überziehung mit justiziellen Verfahren wegen Äußerungen in schriftlicher oder mündlicher Form, welche sie in Ausübung ihrer Mission für die Vereinten Nationen getätigt haben. Unerheblich ist es dabei, ob es sich um zivil-, straf- oder verwaltungsgerichtliche Verfahren handelt. Hierbei ist zu beachten, dass der vermittelte Schutz strikt an die Tätigkeit für die Vereinten Nationen gebunden ist. Immunität für privat getätigte Äußerungen wird hingegen durch die Norm nicht gewährt.3664 Dem steht auch nicht entgegen, dass es möglicherweise komplizierte Beweisfragen aufwirft, festzustellen, ob eine Äußerung in einer auftragsbezogenen Funktion oder privat getätigt wurde.3665 Durch die Formulierung in der Norm „done by them in the course of the performance of their mission“ knüpft die Immunität in Artikel VI Sektion 22 lit. b) nämlich ausdrücklich an die Aufgabenerfüllung an. In Artikel VI Sektion 22 lit. b) S. 2 ist ergänzend niedergelegt, dass die in S. 1 statuierte Immunität nicht mit der Beendigung der Tätigkeit des Experten für die Vereinten Nationen ihr Ende findet, sondern zeitlich über diese hinausreicht. So wird sichergestellt, dass Sachverständige nicht noch nach dem Ende ihrer eigentlichen Mission damit rechnen müssen, mit justiziellen Verfahren überzogen zu werden. 3660
Vgl. Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 160. 3661 Vgl. Eileen Denza, Diplomatic Law, S. 310 ff. 3662 Vgl. Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (40); siehe hierzu auch Eileen Denza, Diplomatic Law, S. 213 ff. 3663 Vgl. Eileen Denza, Diplomatic Law, S. 310 ff. sowie Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 160 f., der als Beispiel darauf hinweist, dass das Gepäck bei einer Reise mit einem Flugzeug auch per Schiff oder Bahn versandt werden kann. In diesem Falle genießt es also auch den besonderen Schutz durch Artikel VI Sektion 22 lit. a). Dasselbe ist natürlich auch für alle anderen Kombinationen von Personal- und Gepäcktransport gültig. 3664 So auch Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (40). 3665 Daher aber den Schutz für privat getätigte Äußerungen bejahend: Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 156 f.
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Dies könnte nämlich zu einer Beeinflussung des Sachverständigen führen. Er könnte sich, etwa aus Furcht vor einer späteren Kriminalstrafe oder vor Schadenersatzforderungen, daran gehindert sehen, seine ihm übertragene Aufgabe in der gebotenen und von ihm durch das Mandat geforderten Weise durchzuführen.3666 Die in Artikel VI Sektion 22 lit. b) gewährte Immunität kann für die Mitglieder einer Untersuchungskommission besondere Bedeutung gewinnen. Dies kann dann der Fall sein, wenn in dem abschließenden Bericht oder in einer sonstigen Äußerung einer Untersuchungskommission Anschuldigungen wegen Verstößen gegen die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht gegen eine namentlich beziehungsweise durch das Innehaben einer bestimmten Funktion identifizierbare Person erhoben werden. Welchen Schaden die Reputation des Betroffenen hierdurch nehmen kann, ist ohne Weiteres vorstellbar. Es ist daher denkbar, dass eine solche Person versucht, die Mitglieder der Untersuchungskommission mit einem Schadensersatzprozess vor einem nationalen Gericht zu überziehen.3667 Dass eine solche Konstellation nicht ausgeschlossen ist, zeigt etwa der Rechtsstreit, welcher dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs im Cumaraswamy-Fall zugrunde lag.3668 Dato’ Param Cumaraswamy hatte sich in seiner Funktion als Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen über die Unabhängigkeit von Richtern und Rechtsanwälten kritisch zu der Korruption bei den Gerichten seines Heimatlandes Malaysia geäußert. Hieraufhin wurde Cumaraswamy von zwei Kanzleien, welche in den Ausführungen beschuldigt wurden, malaiische Richter bestochen zu haben, vor dem Obersten Gerichtshof in Kuala Lumpur verklagt. Der Internationale Gerichtshof hat letztlich in seinem Gutachten ausgeführt, dass Cumaraswamy die Immunität aus Artikel VI Sektion 22 lit. b) zu gewähren sei.3669 Daher bleibt abzuwarten, ob die oben beschriebene Möglichkeit zu Lasten eines Mitglieds oder mehrerer Mitglieder einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen tatsächlich einmal eintritt. cc) Papiere und Dokumente In Artikel VI Sektion 22 lit. c) wird die Unverletzlichkeit aller Papiere und Dokumente der Sachverständigen statuiert. Der Schutz umfasst damit alle privaten und offiziellen Schriftstücke, welche ein Sachverständiger bei sich führt.3670 Zweck der
3666 Siehe Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 156. 3667 Geoffrey Robertson, UCL Human Rights Review 3 (2010), S. 15 (17 f.). 3668 ICJ, Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, Gutachten vom 29. April 1999, ICJ Reports 1999, S. 62 ff. 3669 ICJ, Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, Gutachten vom 29. April 1999, ICJ Reports 1999, S. 62 (89 f.). 3670 Zu beachten ist allerdings, dass Mexiko einen Vorbehalt dahingehend angebracht hat, dass nur offizielle Papiere und Dokumente dem Unverletzlichkeitsschutz von Artikel VI
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Regelung ist es, die Papiere und Dokumente dem Zugriff und der Einsicht durch staatliche Stellen zu entziehen. Sie ergänzt damit Artikel II Sektion 4 des Übereinkommens. Diese Regelung ordnet für alle Dokumente der Vereinten Nationen, gleich wo sie sich befinden, Unverletzlichkeit an. Durch Artikel VI Sektion 22 lit. c) des Übereinkommens wird den Staaten die Rechtfertigung genommen, um unter dem Vorwand der Durchsicht der privaten Papiere und Dokumente eines durch die Vereinten Nationen entsandten Experten auch Zugriff auf die von diesem mitgeführten offiziellen Schriftstücke zu nehmen.3671 Zu den Dokumenten und Papieren eines Sachverständigen wird man nicht nur auf Papier Gedrucktes zählen können, sondern auch elektronisch gespeicherte Dokumente, unabhängig davon, auf welchem Datenträger sie enthalten sind. dd) Kommunikation In Artikel VI Sektion 22 lit. d) ist das Recht der Sachverständigen niedergelegt, zum Zwecke der Kommunikation mit den Vereinten Nationen Kodierungen zu benutzen und Papiere sowie Dokumente per Kurier oder in einem verschlossenen Behälter zu erhalten. Dieses Recht ist damit auf den Austausch zwischen Auftraggeber und Beauftragtem begrenzt und dient der ungestörten Kommunikation zwischen beiden. Gegenüber anderen Personen oder Institutionen wird dem Sachverständigen dieses Vorrecht also nicht zuteil; und auch zwar selbst dann nicht, wenn die Kommunikation in einem engen Zusammenhang mit der Durchführung seines von den Vereinten Nationen erteilten Auftrages steht.3672 ee) Währungs- und Devisenbeschränkungen Nach Artikel VI Sektion 22 lit. e) werden den Sachverständigen in Bezug auf Währungs- und Devisenbeschränkungen diejenigen Erleichterungen gewährt, die auch Vertretern ausländischer Regierungen mit einem vorübergehenden amtlichen Auftrag zugestanden werden. Diese betreffen den Geldtransfer mit dem Ausland. Dies ist in Staaten mit Devisenbewirtschaftung von Bedeutung.3673
Sektion 22 lit. b) unterfallen, UN Doc. ST/LEG/SER.D/2 vom 31. Dezember 1968, S. 33 f. Der mexikanische Vorbehalt ist jedoch bislang ein Solitär geblieben. 3671 Vgl. Eileen Denza, Diplomatic Law, S. 228. 3672 Vgl. auch Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 158 f., der zudem zutreffend darauf hinweist, dass eine entsprechende erweiternde Auslegung des Artikels VI Sektion 22 lit. d) zugunsten des Sachverständigen nicht möglich ist, da der Wortlaut der Regelung strikt auf die Kommunikation mit den Vereinten Nationen begrenzt ist. 3673 Vgl. Hasso Rieck, Privilegien und Immunitäten von im Auftrag der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen tätigen Sachverständigen, S. 159 f.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
ff) Persönliches Gepäck Durch Artikel VI Sektion 22 lit. f) werden Sachverständigen für ihr persönliches Gepäck die gleichen Immunitäten und Erleichterungen gewährt, wie sie Diplomaten zustehen. Damit verweist die Regelung auf das in Artikel 36 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen3674 niedergelegte Völkergewohnheitsrecht. Zudem komplettiert die Regelung das in Artikel VI Sektion 22 lit. a) niedergelegte Beschlagnahmeverbot für das persönliche Gepäck eines Sachverständigen. Legt man den Wortlaut des Artikels 36 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens als Maßstab kodifizierten Gewohnheitsrechts an,3675 genießt der Sachverständige Befreiung von der Kontrolle seines persönlichen Gepäcks, sofern nicht triftige Gründe („serious grounds“) für die Vermutung vorliegen, dass es nicht nur Gegenstände für den amtlichen Gebrauch oder für den persönlichen Gebrauch des Sachverständigen enthält, oder dass es auch solche Gegenstände beinhaltet, deren Einfuhr beziehungsweise Ausfuhr nach dem Recht des bereisten Staates verboten oder durch Quarantänevorschriften geregelt sind. Liegt ein solcher triftiger Grund vor, darf eine Kontrolle des Gepäcks allerdings nur in Anwesenheit des Sachverständigen oder seines ermächtigten Vertreters vorgenommen werden. Der unbestimmte Begriff „serious grounds“ ist zum Schutze des Gepäcks des Sachverständen eng auszulegen. Nur wenn ein evidenter Missbrauch des Rechts von den Behörden des bereisten Staates vermutet werden kann, ist die Kontrolle gerechtfertigt. gg) Besondere Reiseregelungen Selbstverständlich gehört eine möglichst große Freiheit beim Reisen zu den wichtigsten Vorrechten, die einem Sachverständigen der Vereinten Nationen zukommen können.3676 Dies ist insbesondere für Mitglieder von Untersuchungskommissionen von größter Relevanz, wenn sie in einen Staat oder mehrere Staaten reisen
3674
United Nations Treaty Series Vol. 500, S. 95 ff. „The personal baggage of a diplomatic agent shall be exempt from inspection, unless there are serious grounds for presuming that it contains articles not covered by the exemptions mentioned in paragraph 1 of this article, or articles the import or export of which is prohibited by the law or controlled by the quarantine regulations of the receiving State. Such inspection shall be conducted only in the presence of the diplomatic agent or of his authorized representative.“ 3676 Bereits der Generalsekretär der Vereinten Nationen Dag Hammarskjöld stellte fest: „Freedom for officials to travel is one of the most essential privileges which is necessary for the independent exercise of their functions (…) the United Nations cannot accept that privileges and immunities of international officials are in any way affected by their nationality.“; diese Aussage ist wiedergegeben in: United Nations Juridical Yearbook 1986, S. 296 (297). Für die Sachverständigen können keine anderen Überlegungen gelten, vgl. auch Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (43). 3675
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wollen, um vor Ort nach relevanten Beweisen beziehungsweise Beweismitteln zu forschen.3677 Artikel VII Sektion 24 S. 1 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen sieht vor, dass für „Officials“ der Vereinten Nationen die Möglichkeit besteht, ein laissez-passer3678 auszustellen, welches nach S. 2 von den Mitgliedstaaten als gültiges Reisedokument anerkannt und akzeptiert wird. Für „Experts on Mission“ fehlt hingegen diese Möglichkeit. Artikel VII Sektion 26 in Verbindung mit Artikel VII Sektion 25 S. 1 des Übereinkommens sehen insofern lediglich vor, dass den Sachverständigen, die über ein Zertifikat verfügen, welches sie als im Auftrag der Vereinten Nationen reisend ausweist, bei der Antragstellung für ein Visum eine schnellstmögliche Bearbeitung zu gewähren ist. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten nach Artikel VII Sektion 26 in Verbindung mit Artikel VII Sektion 25 S. 2 des Übereinkommens dazu verpflichtet, den Sachverständigen die Möglichkeit zu schnellstmöglichem Reisen zu verschaffen. Dies beinhaltet die Verpflichtung für den jeweiligen Staat, dem Inhaber eines Zertifikats nach Artikel VII Sektion 26 des Übereinkommens die Einreise in sein und die Ausreise aus seinem Staatengebiet zu ermöglichen.3679 In der Praxis der Vereinten Nationen werden staatliche Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums so lange als unbedenklich eingestuft, als es sich um Formalitäten handelt. Erst wenn diese sich zu echten Reisehindernissen auswachsen, wird eine Verletzung von Artikel VII Sektion 26 des Übereinkommens erkannt.3680 hh) Aufhebung der Immunität Ein Faktor, der die Immunität von Sachverständigen der Vereinten Nationen begrenzt, ist die Möglichkeit ihrer Aufhebung. Da nach Artikel VI Sektion 23 S. 1 des Übereinkommens die Immunitäten, welche einem Sachverständigen aus dem Übereinkommen zukommen, dem Interesse der Vereinten Nationen und gerade nicht dem persönlichen Schutz der jeweiligen Einzelperson zu dienen bestimmt sind, ist es folgerichtig, dass die Vereinten Nationen den Immunitätsschutz wieder entziehen können. Dies sieht Artikel VI Sektion 23 S. 2 des Übereinkommens vor. In dieser Regelung wird die Kompetenz zur Aufhebung der Immunität dem Generalsekretär der Vereinten Nationen übertragen, der zu diesem Akt sowohl berechtigt und als auch 3677 Vgl. auch den Guide to the Issuance of United Nations Travel Documents, UN Doc. PAH/INF.78/2 vom 1. Juni 1978, S. 6. 3678 Bei einem laissez-passer (französisch für „durchlassen“ beziehungsweise „passieren lassen“) handelt es sich um ein besonderes Reisedokument, welches etwa von Internationalen Organisationen ausgestellt wird, um dem Inhaber die Bewegung über internationale Grenzen hinweg zu ermöglichen und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit der jeweiligen Person. 3679 Siehe United Nations Juridical Yearbook 1996, S. 437 (438); Anthony J. Miller, International Organizations Law Review 4 (2007), S. 11 (44). 3680 Siehe United Nations Juridical Yearbook 1993, S. 409 (410).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
verpflichtet ist, wenn die materiellen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Regelung stellt zwei Voraussetzungen auf, die kumulativ vorliegen müssen: zum einen muss die Gewährung der Immunität verhindern, dass der Gerechtigkeit genüge getan wird, zum anderen setzt die Regelung voraus, dass die Immunitätsaufhebung ohne Schädigung der Interessen der Vereinten Nationen erfolgen muss. Insbesondere die letzte Voraussetzung ist ein äußerst unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Generalsekretär, dem dessen Auslegung kraft der ihm in Artikel VI Sektion 23 S. 2 übertragenen Kompetenz obliegt, eine Einbeziehung aller möglichen Nah- und Fernwirkungen seiner Entscheidung, vor allem für das Ansehen der Vereinten Nationen, erfordert. ii) Vorrechte und Immunitäten der Mitglieder von Untersuchungskommissionen, die durch den Internationalen Gerichtshof entsandt werden Unter anderem hinsichtlich von Untersuchungskommissionen, die durch den Internationalen Gerichtshof gebildet werden, empfahl die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits in Punkt 5 (a) (iii) ihrer Resolution 90 (I) vom 11. September 1946,3681 in welcher es um Fragen der „Privileges and Immunities of Members of the International Court of Justice, the Registar, Officials of the Registry, Assessors, the Agents and Counsel of the Parties and of Witnesses and Experts“ ging, dass Zeugen, Sachverständige und Personen, die Missionen auf Anordnung des Internationalen Gerichtshofs durchführen, während der Dauer ihrer Mission, einschließlich der Zeit, die sie auf Reisen im Zusammenhang mit ihrer Mission verbringen, die Vorrechte und Immunitäten aus Artikel VI Sektion 22 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen gewährt werden. Zudem wurde in Punkt 6 (c) der Resolution noch empfohlen, dass die Mitgliedstaaten allen Sachverständigen, die durch den Internationalen Gerichtshof beauftragt wurden und kein laissez-passer der Vereinten Nationen, jedoch ein Zertifikat mit sich führen, das ihre Tätigkeit für den Gerichtshof bestätigt, eine schnelle Visumsbearbeitung und die Möglichkeit zügiger Reise gewähren sollen.3682 3681
UN Doc. A/RES/90 (I) vom 11. Dezember 1946; vgl. zur Entstehungsgeschichte der Resolution in Bezug auf den Internationalen Gerichtshof näher Gillian M. White, The Use of Experts by International Tribunals, S. 185 ff. 3682 Im Hinblick auf den Korfu-Kanal-Fall (siehe hierzu oben 3. Teil § 2 B. V. 1.) verfuhr der Internationale Gerichtshof hinsichtlich des Status der Expertengruppe wie folgt: In seiner Entscheidung vom 17. Januar 1949, die Experten nach Sibenik und Saranda zu entsenden, wurde der Registrar des Internationalen Gerichtshofs angewiesen „with the authority of the President, shall make the preparations required for the journey of the Experts and for ensuring that they will receive all the facilities essential to the due and prompt accomplishment of their mission“. Der stellvertretende Registrar wurde dann tatsächlich damit beauftragt, die Beziehungen zu denjenigen Staaten zu regeln, in die beziehungsweise durch die die Experten zur Erfüllung ihres Auftrages reisen mussten. Zunächst wurde der italienische Botschafter in Den Haag über die bevorstehende Reise der Gruppe informiert. Diese wollte ihre Reise per Schiff über Brindisi durchführen. Auch der jugoslawische Chargé d’Affaires wurde ebenfalls über die
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3. Allgemeine Verhaltensregeln für Mitglieder von internationalen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen Am 27. März 2002 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen als Resolution 56/280 die Regulations Governing the Status, Basic Rights and Duties of Officials other than Secretariat Officials, and Experts on Mission einschließlich eines knappen Kommentares zu diesen Bestimmungen.3683 Das Dokument enthält Bestimmungen über den Status (Bestimmung 1), das Verhalten (Bestimmung 2) sowie die Verantwortlichkeit (Bestimmung 3) von „Officials“ der Vereinten Nationen, die nicht für deren Sekretariat tätig sind, sowie für „Experts on Mission“, also für Sachverständige. Die Bestimmungen traten am 1. Juli 2002 in Kraft. Im Folgenden wird nur auf diejenigen Regelungen in den Bestimmungen eingegangen, die für Sachverständige der Vereinten Nationen und damit auch für die Mitglieder von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen anwendbar sind. Hinsichtlich des Status von Sachverständigen enthält Bestimmung 1 zunächst die Regelung, dass deren Pflichten einen internationalen und keinen nationalen Charakter haben (lit. a). Zur loyalen, umsichtigen sowie verantwortungsvollen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im alleinigen Interesse der Vereinten Nationen haben sich die Sachverständigen durch eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Generalsekretär oder einer sonstigen zur Entgegennahme dieser Erklärung ermächtigten Person (lit. b) zu verpflichten. Dem Generalsekretär obliegt es, die Sicherung der Vorrechte und Immunitäten der Sachverständigen sicherzustellen, sowie alle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, damit diese die ihnen anvertraute Mission ausführen können (lit. c). Zudem wird festgestellt, dass die Vorrechte und Immunitäten gemäß Artikel 105 der Charta der Vereinten Nationen die Interessen der Vereinten Nationen schützen. Dies alles ist allerdings keine Entschuldigung für rechts- und ordnungswidriges Verhalten oder die Nichterfüllung privater Verpflichtungen durch Sachverständige. In jedem Fall muss der Generalsekretär benachrichtigt werden, der dann entscheidet, ob die Vorrechte und Immunitäten im konkreten Fall einschlägig Reise informiert, da die Untersuchung vorwiegend auf jugoslawischem Staatsgebiet durchgeführt werden sollte. Dem Chargé d’Affaires wurde eine Liste mit Orten übergeben, welche die Expertengruppe zu besuchen wünschte. Die Reise wurden dann jedoch nicht auf dem Seeweg, sondern mittels eines gecharterten Flugzeuges der niederländischen Fluggesellschaft KLM durchgeführt. Um die notwendigen Überflugrechte für die Reise wurden die Regierungen von Albanien, Italien und Jugoslawien ersucht und diese Rechte wurden auch gewährt. Insgesamt arbeiteten alle ersuchten Regierungen mit der Expertengruppe zusammen und gewährten dieser alle notwendigen Erleichterungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit. Einzige Ausnahme bildete insoweit die Verweigerung der jugoslawischen Regierung hinsichtlich des Besuchs einer Schiffsreparatureinrichtung in Mandalina. Jugoslawien sah in einem solchen Besuch eine Überziehung des den Experten erteilten Mandates. Von jugoslawischer Seite wurde insofern herausgestellt, dass die Einrichtung ein militärisches Objekt sei und daher könne ein Besuch eventuell die Möglichkeit einer Sicherheitsgefährdung entstehen lassen. Siehe ICJ Pleadings, The Corfu Channel Case: Judgements of 9th April, 1949, S. 256 ff. (insbesondere 256, 258, 261, 264 und 273) sowie auch Gillian M. White, The Use of Experts by International Tribunals, S. 190 f. 3683 UN Doc. ST/SGB/2002/9 vom 18. Juni 2002.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
sind und ob diese gegebenenfalls aufgehoben werden. Der Generalsekretär soll dasjenige Organ beziehungsweise Nebenorgan von dem Vorgang informieren, welches den betreffenden Sachverständigen bestellt hat und auch den Blickwinkel dieses Gremiums in seine Überlegungen mit einbeziehen (lit. e). Bezüglich des Verhaltens von Sachverständigen enthält Bestimmung 2 diverse Regelungen. Sachverständige der Vereinten Nationen sollen die höchsten Standards in den Bereichen Effizienz, Kompetenz sowie Integrität hochhalten, wobei das Konzept der Integrität, ohne hierauf beschränkt zu sein, Redlichkeit, Unparteilichkeit, Fairness, Ehrlichkeit sowie Vertrauenswürdigkeit in allen Angelegenheiten, die ihre Arbeit und ihren Status betreffen, erfasst (lit. a). In Ausübung ihrer Tätigkeit dürfen die Sachverständigen weder Weisungen von der Regierung irgendeines Staates oder einer anderen Stelle außerhalb der Vereinten Nationen annehmen noch um eine solche Weisung ersuchen (lit. b). Die Ausübung ihrer Mission sowie ihr Verhalten sollen durch die Sachverständigen mit Blick auf die Interessen der Vereinten Nationen ausgestaltet sein. Loyalität zu den Zielen, Prinzipien sowie dem Zweck der Vereinten Nationen, wie in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt, gehört zu den grundlegenden Verpflichtungen der Sachverständigen (lit. c). Weiterhin wird von diesen erwartet, dass sie hinsichtlich ihrer politischen und religiösen Überzeugungen Zurückhaltung üben, soweit diese Überzeugungen mit ihren Verpflichtungen und den Interessen der Vereinten Nationen in Konflikt stehen könnten. Darüber hinaus wird ein der Stellung des Sachverständigen angemessenes Verhalten verlangt, sowie das Vermeiden von Handlungen, insbesondere öffentlicher Äußerungen, die konträr zu seinem Status stehen könnten oder die die mit seinem Status verbundene Integrität, Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen geeignet sind (lit. d). Sachverständige dürfen ihre Stellung weder zu ihrem privaten, finanziellen oder anderweitigen Vorteil noch zum Vorteil Dritter, einschließlich von Familienangehörigen und Freunden, einsetzen. Auch sollen sie ihre Position nicht einsetzen, um Personen, denen sie nicht gewogen sind, zu schaden (lit. e). Zudem müssen Sachverständige in Bezug auf die Verrichtung der ihnen aufgetragenen Tätigkeit höchste Diskretion walten lassen. Daher ist es ihnen untersagt, Regierungen, Entitäten, Personen oder andere Quellen mit Informationen über ihre Arbeit zu versorgen, von denen ihnen bekannt ist, dass sie nicht öffentlich gemacht werden sollen, es sei denn, dies gehört zu den normalen Pflichtaufgaben des betreffenden Sachverständigen oder wird durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen beziehungsweise durch das den Sachverständigen ernennende Gremium genehmigt. Diese Verpflichtungen erlöschen zudem nicht mit der Beendigung der Tätigkeit für die Vereinten Nationen (lit. f). Darüber hinaus ist es Sachverständigen nicht gestattet, Ehrungen, Orden, Geschenke oder Vorteile anderer Art von einer Regierung oder einer Nichtregierungsquelle für Tätigkeiten entgegenzunehmen, die sie im Rahmen ihrer offiziellen Eigenschaft versehen haben, solange sie noch in den Diensten der Vereinten Nationen stehen (lit. g). Im geschäftlichen Bereich darf ein Sachverständiger nicht aktiv an Managementaktivitäten beteiligt sein oder Kapitalbeteiligungen an einem Unternehmen oder einer anderweitigen auf Gewinner-
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zielung gerichteten Entität halten, wenn es möglich ist, dass der Sachverständige oder die betreffende Unternehmung von der Position, welche der Sachverständige bei den Vereinten Nationen innehat, profitiert. Sachverständige, die solche Geschäftstätigkeiten entfalten, müssen ihre Verbindungen zu der Unternehmung einstellen oder sich formell von der entsprechenden Tätigkeit bei den Vereinten Nationen, die Anlass zu dem Interessenkonflikt gegeben hat, zurückziehen (lit. h). Weiterhin haben Sachverständige auf eine entsprechende Anfrage des Generalsekretärs hin ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Hierdurch soll es dem Generalsekretär ermöglicht werden, zu beurteilen, ob es einen Interessenkonflikt geschäftlicher Art gibt (lit. i). Außerdem sind die Sachverständigen gehalten, nationale Gesetze sowie privatrechtliche Verpflichtungen einschließlich der Anordnungen zuständiger Gerichte einzuhalten (lit. j). Den Sachverständigen ist an ihrem Arbeitsplatz oder in Bezug auf ihre Arbeit jede Form von Diskriminierung oder Belästigung, einschließlich solcher sexueller oder geschlechtsbezogener Art, sowie die Anwendung körperlicher oder seelischer Gewalt verboten (lit. k). Darüber hinaus dürfen Sachverständige nicht mit Vorsatz ihre Funktion, ihren offiziellen Titel und die Natur ihrer Verpflichtungen gegenüber Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen oder gegenüber anderen Entitäten außerhalb der Vereinten Nationen missinterpretierten (lit. l). Letztlich dürfen Sachverständige, wenn sie als Teil ihrer offiziellen Tätigkeit für die Vereinten Nationen an Aktivitäten der Regierungen, zwischenstaatlicher Organisationen, von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Entitäten teilnehmen, von diesen Reisekosten sowie Beherbergungs- und Verpflegungskosten entgegennehmen, soweit diese Vorteile im Rahmen desjenigen liegen, was durch die Vereinten Nationen gewährt wird (lit. m). Sachverständige sind nach Bestimmung 3 ausschließlich gegenüber den Vereinten Nationen verantwortlich. Die Bestimmungen der Generalversammlung enthalten für die Sachverständigen der Vereinten Nationen sinnvolle Standards in Bezug auf deren Tätigkeit. Handelt es sich bei den Sachverständigen um die Mitglieder einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, so trägt die Einhaltung der Standards insgesamt zur Integrität der Untersuchung bei. Es dürfte insoweit außer Frage stehen, dass etwa das Verbot der Annahme von Geld oder Sachmitteln, die einem Mitglied einer Untersuchungskommission angeboten werden, dem Vorwurf der Bestechlichkeit und damit der Parteilichkeit entgegenwirkt. Ebenso wird sich eine Untersuchungskommission bei der strikten Einhaltung ihres Mandats keine berechtigten Vorwürfe der Mandatsüberziehung gefallen lassen müssen.
III. Das anwendbare Recht im Rahmen der Untersuchung Insbesondere wenn Kommissionen von einem Organ oder einem Nebenorgan der Vereinten Nationen mandatiert werden, um Situationen im Zusammenhang mit Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts zu un-
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
tersuchen, stellt sich für die Kommission regelmäßig die Frage, welche rechtlichen Regelungen auf die zu untersuchende Situation Anwendung finden. 1. Das Mandat als Ausgangspunkt der Betrachtung Originärer Standort für die Bestimmung derjenigen rechtlichen Regelungen, die von einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen bei ihrer Arbeit zugrunde gelegt werden, ist das der Kommission von dem zuständigen Organ oder Nebenorgan erteilte Mandat.3684 Allerdings stellt sich hierbei die Schwierigkeit, dass die Mandate in der Regel nur allgemeine Begrifflichkeiten verwenden. Insbesondere werden oft nur einzelne Rechtsgebiete genannt, ohne dass näher spezifizierte Normkataloge als Prüfungsmaßstab bezeichnet werden. So findet sich in den Mandaten der seit Mitte der 1990er Jahre eingesetzten Untersuchungskommissionen zur Aufklärung menschenrechtlicher Problemlagen oder der Rechtslage in bewaffneten Konflikten in der Regel eine Formulierung dahingehend, dass ganz allgemein Verletzungen von Menschenrechten und/oder des humanitären Völkerrechts geprüft werden sollen.3685 Andere Mandate, wie etwa das Mandat der Kommission zur Untersuchung der gewalttätigen Vorfälle im guineischen Conakry, sehen vor, dass die Kommission die begangenen Verbrechen identifizieren soll.3686 Es obliegt daher in diesen Fällen der jeweiligen Untersuchungskommission selbst, von dem Wortlaut des ihr erteilten Mandats geleitet, die jeweils einschlägigen Rechtsquellen für ihre Arbeit zu bestimmen. Diese sind durch Auslegung der einschlägigen Abschnitte des Mandats im Lichte des Gesamtmandats herauszuarbeiten.3687 2. Staatliche Verpflichtungen Soweit die Handlungen eines Staates Gegenstand des Untersuchungsauftrages einer Kommission sind, wird diese den gesamten Korpus des diesen Staat bindenden Völkerrechts nach einschlägigen Regelungen absuchen müssen. In Fällen zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen können auch die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 oder andere zwischenstaatliche Vereinbarungen maßgeblich sein. In Fällen hinsichtlich einer Untersuchung von potenziellen Verletzungen der Menschenrechte sind durch die jeweilige Kommission vor allem diejenigen Menschenrechte in den Blick zu nehmen, die in völkerrechtlichen Verträgen auf uni3684
(157). 3685 3686 3687
Vgl. Fan Yuwen, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 153 3. Teil § 2 B. IV. 3. ff. (jeweils 2). 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). So auch Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 108.
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verseller und regionaler Ebene niedergelegt sind. Auf universeller Ebene können dies insbesondere sein: – der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966,3688 – das Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966,3689 – das Zweite Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15. Dezember 1989,3690 – der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966,3691 – das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 10. Dezember 2008,3692 – die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948,3693 – das Übereinkommen über die Nichtanwendbarkeit gesetzlicher Verjährungsfristen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom 26. November 1968,3694 – das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen vom 20. Dezember 2006,3695 – das Übereinkommen betreffend die Sklaverei vom 25. September 1926/7. Dezember 1953,3696 – das Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7. September 1956,3697 – das Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930,3698
3688 3689 3690 3691 3692 3693 3694 3695 3696 3697 3698
United Nations Treaty Series Vol. 999, S. 171 ff. United Nations Treaty Series Vol. 999, S. 302 ff. UN Doc. A/RES/2200 (XXI) A vom 16. Dezember 1966, Annex. United Nations Treaty Series Vol. 993, S. 3 ff. UN Doc. A/RES/63/117 vom 5. März 2009, Annex. United Nations Treaty Series Vol. 78, S. 277 ff. United Nations Treaty Series Vol. 754, S. 73 ff. UN Doc. A/RES/61/177 vom 12. Januar 2007, Annex. United Nations Treaty Series Vol. 212, S. 17 ff. United Nations Treaty Series Vol. 266, S. 40 ff. United Nations Treaty Series Vol. 39, S. 55 ff.; Vol. 423, S. 11 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
– das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957,3699 – das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984,3700 – das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafe vom 18. Dezember 2002,3701 – das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge mit Anhang vom 28. Juli 1951,3702 – das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967,3703 – das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen mit Anhang vom 28. September 1954,3704 – das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961,3705 – das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung vom 7. März 1966,3706 – das Übereinkommen von New York über die politischen Rechte der Frau vom 31. März 1953,3707 – das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979,3708 – das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau vom 6. Oktober 1999,3709 – das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989,3710
3699 3700 3701 3702 3703 3704 3705 3706 3707 3708 3709 3710
United Nations Treaty Series Vol. 320, S. 291 ff. UN Doc. A/RES/39/46 vom 10. Dezember 1984, Annex. UN Doc. A/RES/57/199 vom 9. Januar 2003, Annex. United Nations Treaty Series Vol. 189, S. 150 ff. United Nations Treaty Series Vol. 606, S. 267 ff. United Nations Treaty Series Vol. 360, S. 117 ff. United Nations Treaty Series Vol. 989, S. 175 ff. United Nations Treaty Series Vol. 660, S. 195 ff. United Nations Treaty Series Vol. 193, S. 135 ff. United Nations Treaty Series Vol. 1249, S. 13 ff. UN Doc. A/RES/54/4 vom 15. Oktober 1999, Annex. UN Doc. A/RES/44/25 vom 20. November 1989, Annex.
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– das Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten vom 25. Mai 2000,3711 – das Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen die Rechte des Kindes, betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie vom 25. Mai 2000,3712 – das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vom 17. Juni 1999,3713 – das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 20063714 sowie – das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006.3715 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 19483716 hat, auch wenn ihr als Deklaration der Generalversammlung der Vereinten Nationen keine unmittelbare Rechtswirkung zukommt (vgl. Artikel 10 der Charta der Vereinten Nationen, nach dem die Generalversammlung nur ein Mandat für Diskussionen und zur Abgabe von Empfehlungen besitzt), für den heutigen Stand des internationalen Menschenrechtsschutzes eine wichtige Vorbildwirkung.3717 Sie wurde daher von einigen Untersuchungskommissionen als Quelle für die der jeweiligen Untersuchung zugrunde liegenden Menschenrechte herangezogen. Insbesondere die Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Südvietnam im Rahmen der dortigen Buddhisten-Krise musste sogar auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als ein die Menschenrechte schützendes Dokument Bezug nehmen, da zum Zeitpunkt der Untersuchung weder der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verabschiedet waren.3718 Betrifft eine Untersuchung Menschenrechtsfragen im europäischen Kontext, wird die jeweilige Untersuchungskommission insbesondere folgende Verträge in den Blick zu nehmen haben:
3711
UN Doc. A/RES/54/263 vom 16. März 2001, Annex I. UN Doc. A/RES/54/263 vom 16. März 2001, Annex II. 3713 International Legal Materials 1999, S. 1207 ff. 3714 UN Doc. A/RES/61/106 vom 24. Januar 2007, Annex I. 3715 UN Doc. A/RES/61/106 vom 24. Januar 2007, Annex II. 3716 UN Doc. A/RES/217 (III) A vom 10. Dezember 1948. 3717 Vgl. hierzu näher Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 15 ff. 3718 3. Teil § 2 B. IV. 1. d). 3712
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
– die (Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, nunmehr in der Fassung des Protokolls Nr. 14,3719 – das Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952,3720 – das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im 1. Zusatzprotokoll enthalten sind vom 16. September 1963,3721 – das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vom 28. April 1983,3722 – das Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22. November 1984,3723 – das Protokoll Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 2000,3724 – das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vom 3. Mai 2002,3725 – die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961,3726 – das Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta vom 5. Mai 1988,3727 – das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26. November 1987,3728 – die Konvention zum Schutz von Personen im Bereich personenbezogener automatischer Datenverarbeitung vom 28. Januar 1981/18. November 2001,3729 – das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 19953730 3719 3720 3721 3722 3723 3724 3725 3726 3727 3728 3729 3730
United Nations Treaty Series Vol. 213, S. 211 ff. European Treaty Series No. 9. European Treaty Series No. 46. European Treaty Series No. 114. European Treaty Series No. 117. European Treaty Series No. 177. European Treaty Series No. 187. United Nations Treaty Series Vol. 529, S. 89 ff.; European Treaty Series No. 163. European Treaty Series No. 128. European Treaty Series No. 126. European Treaty Series No. 108. European Treaty Series No. 157.
§ 2 Die Vereinten Nationen
947
sowie – die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007.3731 Bei menschenrechtsgerichteten Untersuchungen auf dem amerikanischen Doppelkontinent wird eine Untersuchungskommission die Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22. November 19693732 mit den beiden Zusatzprotokollen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vom 17. November 19883733 und über die Abschaffung der Todesstrafe vom 8. Juni 19903734 in den Blick zu nehmen haben, bei solchen Untersuchungen in Afrika die Banjul Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker vom 26. Juni 1981.3735 Soweit das Mandat einer Untersuchungskommission bewaffnete Konflikte betrifft, sind die für solche Situationen entworfenen Regeln des humanitären Völkerrechts zu beachten. Dabei sind, soweit anwendbar, folgende Kernverträge zu nennen: – das (IV. Haager) Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs mit Anlage zum Abkommen: Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907,3736 – das (I.) Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde vom 12. August 1949,3737 – das (II.) Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See vom 12. August 1949,3738 – das (III.) Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. August 1949,3739 – das (IV.) Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949,3740 – das (I.) Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 19773741 3731 3732 3733 3734 3735 3736
S. 90 ff. 3737 3738 3739 3740 3741
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2007, C/303/1. OAS Doc. OEA/Ser. K/XVI/I.1, Document 65, Rev. 1, Corr.2 von 1969. International Legal Materials 1989, S. 161 ff. International Legal Materials 1990, S. 1447 ff. Wiedergegeben in: Human Rights Law Journal 7 (1986), S. 403 ff. Wiedergegeben in: American Journal of International Law Supplement 2 (1908), United Nations Treaty Series Vol. 75, S. 31 ff. United Nations Treaty Series Vol. 75, S. 85 ff. United Nations Treaty Series Vol. 75, S. 135 ff. United Nations Treaty Series Vol. 75, S. 287 ff. United Nations Treaty Series Vol. 1125, S. 3 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
sowie – das (II.) Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977.3742 Weitere, im Rahmen einer Untersuchung eines bewaffneten Konflikts durch eine Kommission der Vereinten Nationen heranzuziehende, völkerrechtliche Verträge können insbesondere sein:3743 – das Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege vom 17. Juni 1925,3744 – der Vertrag über den Schutz künstlerischer und wissenschaftlicher Einrichtungen und geschichtlicher Denkmäler vom 15. April 1935,3745 – die Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten mit Ausführungsbestimmungen zur Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954,3746 – das Protokoll zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954,3747 – das Zweite Protokoll zur Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 26. März 1999,3748 – das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen vom 10. April 1972,3749 – das Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken vom 10. Dezember 1976,3750 – das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder un3742
United Nations Treaty Series Vol. 1125, S. 609 ff. Die im Folgenden aufgeführten völkerrechtlichen Verträge sind allerdings nicht sämtlich nur in Fällen bewaffneter Konflikte beziehungsweise in Fällen von Kriegen anwendbar, teilweise bestehen auch Verpflichtungen aus diesen Verträgen in Friedenszeiten. 3744 Wiedergegeben in: American Journal of International Law Supplement 25 (1931), S. 94 ff. 3745 Wiedergegeben in: American Journal of International Law Supplement 30 (1936), S. 195 ff. 3746 United Nations Treaty Series Vol. 249, S. 240 ff. 3747 United Nations Treaty Series Vol. 249, S. 358 ff. 3748 International Legal Materials 1999, S. 769 ff. 3749 United Nations Treaty Series Vol. 1015, S. 163 ff. 3750 United Nations Treaty Series Vol. 1108, S. 151 ff. 3743
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terschiedslos wirken können vom 10. Oktober 1980, mit der Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens, angenommen von der Zweiten Überprüfungskonferenz in Genf am 21. Dezember 2001,3751 – das Protokoll über nichtentdeckbare Splitter vom 10. Oktober 1980,3752 – das Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen vom 10. Oktober 1980,3753 – das Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung,3754 – das Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Brandwaffen vom 10. Oktober 1980,3755 – das Protokoll über blindmachende Laserwaffen vom 13. Oktober 1995,3756 – das Protokoll über explosive Kampfmittelrückstände vom 28. November 2004,3757 – das Internationale Übereinkommen gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern vom 4. Dezember 1989,3758 – das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen vom 13. Januar 1993,3759 – das Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal vom 9. Dezember 1994,3760 – das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal vom 8. Dezember 2005,3761 – das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung vom 18. September 1997,3762
3751
United Nations Treaty Series Vol. 1342, S. 137 ff.; UN Doc. CCW/CONF.II/2 von 1996. United Nations Treaty Series Vol. 1342, S. 168. 3753 United Nations Treaty Series Vol. 1342, S. 168 ff. 3754 International Legal Materials 1996, S. 1206 ff. 3755 United Nations Treaty Series Vol. 1342, S. 171 ff. 3756 UN Doc. CCW/CONF.I/7 von 1995. 3757 UN Doc. CCW/MSP/2003/2 von 2003. 3758 United Nations Treaty Series Vol. 2163, S. 75 ff. 3759 International Legal Materials 1993, S. 800 ff. 3760 United Nations Treaty Series Vol. 2051, S. 363 ff. 3761 In der Datenbank der United Nations Treaty Series unter der Nummer A-35457 registriert. 3762 United Nations Treaty Series Vol. 2056, S. 211 ff. 3752
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
– das (III.) Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens vom 8. Dezember 2005,3763 – das Übereinkommen über Streumunition vom 30. Mai 20083764 sowie – der Atomwaffenverbotsvertrag vom 20. September 2017.3765 Soll eine Untersuchungskommission neben Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts auch bestimmen, ob völkerrechtliche Straftatbestände verwirklicht wurden, kann sie, bei entsprechender Bindung des betroffenen Staates, auch auf die Bestimmungen des Römischen Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof vom 17. Juli 19983766, in welchem nach Artikel 5 Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression unter Strafe gestellt und in den Artikeln 6 ff. näher definiert werden, zurückgreifen. Ist der betreffende Staat nicht an das Statut gebunden, kann die Untersuchungskommission die in den einschlägigen Artikeln aufgeführten Verbrechensmerkmale jedoch nutzen, um einschlägige völkerstrafgewohnheitsrechtliche Strafbarkeiten zu bestimmen. In allen aufgeführten Teilgebieten des Völkerrechts kann daneben zudem das entsprechende Völkergewohnheitsrecht herangezogen werden. Ob solches im Einzelfall existiert und einschlägig ist, muss die jeweilige Untersuchungskommission bestimmen. Letztendlich kann auch nationales Recht eine Rolle spielen, vor allem dann, wenn dieses Recht Ähnlichkeiten mit den internationalrechtlichen Regeln aufweist. Hier ist insbesondere an das Verfassungsrecht zu denken. Verfassungen weltweit enthalten heute regelmäßig nicht nur Regelungen über die Staatsorganisation, sondern in der Regel auch Grundrechtskataloge und sind damit den Verbürgungen der international gewährleisteten Menschenrechte sehr ähnlich, wobei auch ein Gleichlauf zwischen beiden Rechtsregimen bestehen kann.3767 Nationale Grundrechtsgewährleistungen im status negativus, also in der klassischen Abwehrfunktion,3768 sind
3763 3764
triert. 3765
United Nations Treaty Series Vol. 2404, S. 261 ff. In der Datenbank der United Nations Treaty Series unter der Nummer I-47713 regis-
UN Doc. A/CONF.229/2017/8 vom 7. Juli 2017. United Nations Treaty Series Vol. 2187, S. 3 ff. 3767 Vgl. Bernd Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht, S. 53; Ed Bates, in: Daniel Moeckli/Sangeeta Shah/Sandesh Sivakumaran (Hrsg.), International Human Rights Law, S. 3 (9 f.); Theodor Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz, Rn. 3 f. 3768 Siehe hierzu etwa nur Albert Bleckmann, Staatrecht II – Die Grundrechte, S. 247 ff.; Volker Epping, Grundrechte, Rn. 14 ff.; Andreas Voßkuhle/Anna-Bettina Kaiser, Juristische Schulung 2011, S. 411 ff. 3766
§ 2 Die Vereinten Nationen
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zentral für den Schutz der Menschen, gerade in Krisenzeiten.3769 Zudem beinhalten nationale Verfassungen zum Teil auch die Möglichkeit, die in ihnen gewährten Grundrechte in Krisen- und Konfliktsituationen für diesen Zeitraum zu suspendieren, was daher ebenfalls für die Rechtslage bezüglich der von einer Kommission zu untersuchenden Situation Bedeutung erlangen kann. 3. Grundlagen der völkerrechtlichen Bindungen nicht-staatlicher Gewaltakteure Insbesondere im Rahmen von Untersuchungen, bei denen eine internationale Untersuchungskommission eingesetzt wird, um in innerstaatlichen Konflikten die Verletzung völkerrechtlicher Rechtssätze zu untersuchen, stellt sich die Frage, inwieweit auch Völkerrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Gewaltakteure nachgeprüft werden können. Die Bindung solcher Akteure an Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht ist Gegenstand einer intensiven Debatte und liegt außerhalb des Zuschnittes dieser Arbeit. Daher werden an dieser Stelle nur einige grundsätzliche Ausführungen zu dieser Frage gemacht. Die Problematik besteht vor allem darin, dass nicht-staatliche Gewaltakteure regelmäßig nicht Vertragspartei von internationalen Verträgen zum Schutz der Menschenrechte oder über das humanitäre Völkerrecht sein können und daher auch nicht den völkerrechtlichen Bindungen aus diesen Verträgen unterfallen. Auch das Völkergewohnheitsrecht bindet grundsätzlich nur die Staaten als Rechtsunterworfene. Eine Ausnahme bildet insofern der Gemeinsame Artikel 3 der vier Genfer Abkommen vom 12. August 19493770 : „In the case of armed conflict not of an international character occurring in the territory of one of the High Contracting Parties, each Party to the conflict shall be bound to apply, as a minimum, the following provisions: (1) Persons taking no active part in the hostilities, including members of armed forces who have laid down their arms and those placed ’hors de combat’ by sickness, wounds, detention, or any other cause, shall in all circumstances be treated humanely, without any adverse distinction founded on race, colour, religion or faith, sex, birth or wealth, or any other similar criteria. To this end, the following acts are and shall remain prohibited at any time and in any place whatsoever with respect to the above-mentioned persons: (a) violence to life and person, in particular murder of all kinds, mutilation, cruel treatment and torture; (b) taking of hostages; 3769
Vgl. etwa Torsten Stein, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, § 24 Rn. 1. 3770 Vgl. zu den verschiedenen Problemfeldern bei der Anwendung des Artikels Emily Crawford/Alison Pert, International Humanitarian Law, S. 61 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
(c) outrages upon personal dignity, in particular humiliating and degrading treatment; (d) the passing of sentences and the carrying out of executions without previous judgment pronounced by a regularly constituted court, affording all the judicial guarantees which are recognized as indispensable by civilized peoples. (2) The wounded and sick shall be collected and cared for. An impartial humanitarian body, such as the International Committee of the Red Cross, may offer its services to the Parties to the conflict. The Parties to the conflict should further endeavour to bring into force, by means of special agreements, all or part of the other provisions of the present Convention. The application of the preceding provisions shall not affect the legal status of the Parties to the conflict.“
Die Regelung zählt zu den wichtigsten Bestimmungen der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949. Sie enthält die fundamentalsten Prinzipien zum Schutze all jener Personen, die nicht aktiv an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind. Daher wird der Gemeinsame Artikel 3 auch oft als Miniaturkonvention bezeichnet.3771 Ausweislich des Wortlautes sind diese Garantien aber lediglich von den Parteien eines „armed conflict not of an international character“ zu gewähren. Eine Definition eines solchen bewaffneten Konflikts ist in keinem der Genfer Abkommen vorhanden. Während der diplomatischen Konferenz, auf welcher die Genfer Abkommen ausgehandelt wurden, war es die vorherrschende Auffassung, dass es um klassische Bürgerkriege gehen würde, in denen der Staat gegen aufständische Kräfte kämpfen würde.3772 Der finale Wortlaut der Vorschrift geht jedoch über solche Situationen hinaus, da eine Einbeziehung staatlicher Kräfte in einen Konflikt gerade nicht gefordert ist; vielmehr ist seine Anwendung auch dann möglich, wenn es zu einer Auseinandersetzung zwischen bewaffneten Gruppen kommt und zwar ohne staatliche Einmischung.3773 Jedenfalls sind bewaffnete Konflikten zu unterscheiden von intensiver, aber begrenzter Kriminalität, sporadischen Gewaltausbrüchen und bloßen Rebellionen mit geringer Gewaltintensität. Um diese Unterscheidung zu gewährleisten, werden heute an die in einem internen bewaffneten Konflikt beteiligten nicht-staatlichen Gruppen regelmäßig gewissen Anforderungen gestellt. Hierzu gehören vor allem die Intensität der von ihnen ausgehenden Gewalt, deren interne Organisation, die Ausübung von effektiver Kontrolle über ein gewisses Gebiet sowie die Möglichkeit dieser Gruppen zur Beachtung und Implementierung der Regeln des Rechts des bewaffneten Konflikts.3774 Allerdings sind die genannten Kriterien ihrerseits unscharf, was in der Praxis der Beurteilung einer Gewaltsituation große Schwierigkeiten bereiten kann. Ungeachtet dessen, sind die Bindung von nicht-staatlichen Gewaltakteuren außerhalb des Anwendungsbereichs des Gemeinsamen Artikels 3 aus den oben genannten Gründen 3771 3772 3773 3774
Emily Crawford/Alison Pert, International Humanitarian Law, S. 15 f. Vgl. Emily Crawford/Alison Pert, International Humanitarian Law, S. 62. Emily Crawford/Alison Pert, International Humanitarian Law, S. 62. Emily Crawford/Alison Pert, International Humanitarian Law, S. 63.
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unklar, und zwar sowohl in bewaffneten Konflikten als auch außerhalb solcher Situationen. Diskutiert wird etwa die Möglichkeit der Bindung nicht-staatlicher Gewaltakteure an Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht durch verbindliche Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hinsichtlich einer bestimmten Situation oder eine Bindung von bewaffneten Gruppen, die über ein bestimmtes Gebiet längerfristig die effektive Kontrolle ausüben, an menschenrechtliche Mindeststandards oder auch an diejenigen Menschenrechtsstandards, die für den Staat gelten, auf dessen Staatsgebiet die jeweilige bewaffnete Gruppierung aktiv ist. Zudem haben einige bewaffnete Gruppierungen in jüngerer Zeit erklärt, sich an die Kriegsregeln beziehungsweise die Menschenrechte halten zu wollen; dies wird durch Initiativen wie „Geneva Call“ erleichtert, die eine Plattform für solche Erklärungen bereitstellen.3775 Jedenfalls lässt sich konstatieren, dass die Entwicklungen in diesem Bereich nicht abgeschlossen und die verschiedenen Ansätze zur Bindung nicht-staatlicher Gewaltakteure sehr situationsabhängig sind und daher nur schwerlich eine Verallgemeinerung dahingehend ermöglichen, präzise den Umfang etwaiger Bindungen festzustellen. Für die Praxis der Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen, die mit potenziellen Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts durch nicht-staatliche Gewaltakteure befasst sind, bedeutet dies Schwierigkeiten auf der Ebene der Feststellung des im Rahmen ihrer Untersuchung anwendbaren Rechts. Hiermit korrespondiert auch das Erfordernis, der Bindung nicht-staatlicher Gewaltakteuren breiteren Platz in dem jeweiligen Abschlussbericht einzuräumen, um der Kritik unpräziser Arbeit und dem Vorwurf der Annahme nicht bestehender Rechtsbindungen begegnen zu können. Diese Schwierigkeiten haben allerdings einige der im Rahmen dieser Arbeit dargestellten Kommissionen nicht daran gehindert, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen und Rechtsbindungen von nicht-staatlichen Gewaltakteuren in den von ihnen untersuchten Situationen anzunehmen. Zu diesen Kommissionen zählte etwa die Kommission des Menschenrechtsrates zur Untersuchung des LibanonKonflikts im Jahr 2006 in Bezug auf die Hisbollah,3776 oder die vom Sicherheitsrat eingesetzte Kommission zur Untersuchung des Konflikts in der Zentralafrikanischen Republik seit dem Jahr 2013 in Bezug auf die in dem Konflikt handelnden nichtstaatlichen Gruppen.3777
IV. Auswahl von Tatsachen bei der Untersuchung Bezieht sich das Mandat einer Untersuchungskommission nur auf einen einzelnen konkreten Vor- oder Zwischenfall, etwa die Ermordung einer Person oder einen Grenzzwischenfall, stellt sich die Frage, welche Tatsachen die Kommission unter3775
Vgl. aus der Literatur zu diesen Ansätzen eingehend nur Robert Frau, in: Dieter Weingärtner/Heike Krieger (Hrsg.), Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, S. 23 ff.; Vincent Widdig, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften 29 (2016), S. 109 ff. 3776 3. Teil § 2 B. IV. 14. d). 3777 3. Teil § 2 B. IV. 24. d).
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suchen soll, nur begrenzt. In diesen Fällen muss die Kommission alles ermitteln, was zur Aufklärung des fraglichen Vor- oder Zwischenfalles beiträgt. Ist eine Kommission aber eingesetzt worden, um massive und langanhaltende Menschenrechtsverletzungen in einem Staat oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in einem bewaffneten Konflikt zu untersuchen, gestaltet sich die Lage schwieriger. In solchen Fällen können jedenfalls nur solche Tatsachen eine Bedeutung erlangen, die einen Bezug zu einer potenziellen Rechtsverletzung haben.3778 Es ist jedoch zu beachten, dass oftmals in solchen Fällen, bereits aus Kapazitätsgründen,3779 nicht jeder Einzelfall einer Untersuchung zugeführt werden kann, der unter das Mandat einer Untersuchungskommission fallen könnte.3780 Dies bedingt daher eine Auswahl derjenigen Vor- und Zwischenfälle beziehungsweise der Tatsachen, die tatsächlich von der Kommission untersucht werden sollen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass jede Auswahl das Risiko in sich trägt, dem Vorwurf der Subjektivität ausgesetzt zu sein.3781 Untersuchungen im Bereich der Verletzung von Menschenrechten oder des humanitären Völkerrechts müssen sich denklogisch mit individuellen und spezifischen Vorfällen befassen.3782 Es müssen eine Reihe von tatsächlichen Elementen untersucht werden, die in Beziehung zu einem Einzelfall einer Rechtsverletzung stehen, zum Beispiel Informationen über das Opfer sowie über Zeit, Ort und Umstände des Falles.3783 Sind Menschenrechtsverletzungen Gegenstand des Mandats einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, so wird diese bemüht sein, Muster von Menschenrechtsverletzungen offenzulegen, die gegebenenfalls ausgedehnt oder systematisch sein können.3784 Ein solches Vorgehen und nicht die Konzentration auf den einzelnen Fall resultiert aus den praktischen Notwendigkeiten der Kommissionsarbeit.3785 Die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatierte Untersuchungskommission zur Bewertung der Menschenrechtslage in Darfur hatte hierzu bemerkt, dass sie solche Tatsachen und Gegenden für ihre Ermittlungen ausgesucht 3778 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3779 Vgl. Priscilla B. Hayner, Human Rights Quarterly 16 (1994), S. 597 (637). 3780 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3781 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3782 Vgl. Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3783 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3784 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298). 3785 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298).
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habe, die für Akte, Trends und Muster in Bezug auf die Bestimmung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts am repräsentativsten seien und es daher eine größere Möglichkeit für ein effektives Fact-Finding geben würde. Bei dieser Auswahl waren der Zugang zu Orten, der Zeugenschutz sowie die Möglichkeit zur Erlangung der notwendigen Informationen von größter Bedeutung.3786 In ähnlicher Weise ging die Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen in Bezug auf den Gaza-Konflikt von 2008/2009 vor. Die Mission stellte klar, dass in dem Zeitraum, der ihr für die Untersuchungen zur Verfügung stand, eine Auswahl an Sachverhalten, die der Untersuchung zugeführt werden konnten, getroffen werden musste. Daher sei der Abschlussbericht der Mission auch nicht vollständig in der Hinsicht, dass nicht alle Ereignisse von der sehr hohen Zahl an Einzelfällen abgedeckt seien, die in den von der Kommission abzudeckenden Zeitraum fielen. Der Bericht würde jedoch die Hauptmuster von Rechtsverletzungen illustrieren.3787 Neben dieser Praxis internationaler Untersuchungskommissionen kann sich das Erfordernis nach der Ermittlung von Mustern von Menschenrechtsverletzungen auch bereits aus dem bei der Untersuchung anwendbaren Recht ergeben. Stehen nämlich etwa Vorwürfe gegen eine Regierung im Raum, Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben, so ist zu bedenken, dass, etwa nach Artikel 7 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, der Tatbestand solcher Verbrechen eine Handlung „when committed as part of a widespread or systematic attack directed against any civilian population“ voraussetzt und daher das Vorliegen bestimmter Muster von Rechtsverletzungen einen elementaren Teil der Verbrechensverwirklichung darstellt.3788 Letztlich muss eine Auswahl relevanter Fakten regelmäßig zu einem guten Teil dem anwendbaren Recht folgen. Die relevanten Rechtsregelungen selbst erfordern die Auswahl und die Untersuchung bestimmter Tatsachen aus einer gewaltigen Anzahl von Informationen, die zu einem bestimmten Vor- oder Zwischenfall vorhanden sind.3789 Die Tatsachen, die von einer menschenrechtlich oder humanitärvölkerrechtlich determinierten Untersuchung abgedeckt werden, werden also durch die Elemente derjenigen Rechtsregeln vorgegeben, deren Verletzung behauptet wird; anders könnte ein rechtliches Ergebnis auch nicht gefunden werden.3790 So verstanden, muss man für die Untersuchung von Tatsachen mit einer ausdrücklichen oder impliziten Verbindung zu einer Rechtsverletzung, jedenfalls bis zu einem ge3786
3. Teil § 2 B. IV. 12. c) und d); vgl. auch Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (298 f.). 3787 3. Teil § 2 B. IV. 17. c) und d); vgl. auch Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (299). 3788 So auch Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (299). 3789 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (300). 3790 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (300).
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wissen Grade, einen minimalen Aufwand an juristischer Bewertung vornehmen, und zwar zu dem Zweck, den Umfang der fraglichen Fakten festzustellen.3791
V. Gewinnung und Bewertung von Informationen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen benötigen zur Gewinnung von Informationen, die zur Feststellung von Tatsachen dienen sollen, Beweise. Diesen kommt in diesem Zusammenhang keine andere Funktion zu, als es vor nationalen oder internationalen Gerichten der Fall ist; durch einen Beweis soll die Kommission in die Lage versetzt werden, die Wahrheit zu ermitteln.3792 1. Beweismittel und Informationsquellen Die Praxis von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen lässt keinen Hinweis darauf erkennen, dass diese sich bei der Zulassung von Beweisen im Rahmen der Untersuchung irgendeine Art von Begrenzung geben. Auch die Mandate sehen eine solche Begrenzung regelmäßig nicht vor. Es herrscht vielmehr die Möglichkeit einer freien Beweiszulassung, die im Ermessen der jeweiligen Kommission steht.3793 Dies bedeutet, dass eine Untersuchungskommission jedwede Art von Informationsträgern als Beweismittel zulassen oder auch zurückweisen kann; völkerrechtliche Beschränkungen existieren hierfür nicht.3794 Diese Freiheit der Untersuchungskommission im Umgang mit der Zulassung von Beweismitteln stellt für sie nicht nur die Möglichkeit dar, aus einem größtmöglichen Pool an Quellen zu schöpfen,3795 sondern ist zugleich auch ein Ausgleich dafür, dass es regelmäßig, wie noch näher zu zeigen sein wird, keine völkerrechtliche Verpflichtung für Staaten und andere von der Untersuchung betroffene Akteure gibt, mit einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu kooperieren und ihr so die Beweisaufnahme zu erleichtern oder zu ermöglichen.3796 3791 Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (300). 3792 Siehe B. G. Ramcharan, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 42 (42). 3793 Vgl. auch Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 180 ff.; Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 276; Kurt Herndl, in: Manfred Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, S. 1 (28). 3794 Vgl. Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (47); Bertrand G. Ramcharan, The Concept and Present Status of International Protection of Human Rights, S. 186. 3795 Vgl. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 276. 3796 Haim H. Cohn, The Review of the International Commission of Jurists 18 (June 1977), S. 40 (47).
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a) Beweise und Informationen durch Personen Die Anhörungen beziehungsweise Befragungen von Personen, welche die zu untersuchenden Vorgänge bezeugen können, gehören zu den wichtigsten Beweismitteln in der Arbeit von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen;3797 daher stehen Befragungen von Personen in der Regel auch im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit.3798 Zu den regelmäßig befragten Personengruppen gehören insbesondere Regierungsmitglieder, Beamte, Diplomaten verschiedener Staaten, Angehörige von Internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, Augenzeugen und im Falle von Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts vor allem auch Opfer sowie potenzielle Täter.3799 Dabei kann die Vernehmung von Personen entweder öffentlich oder nichtöffentlich, etwa zum Schutze dieser Personen,3800 erfolgen. Die Effekte von öffentlichen Anhörungen im Bereich von Menschenrechtsverletzungen sind dabei durchaus janusköpfig. Diese Vorgehensweise, welche häufig auch von Wahrheits- und Versöhnungskommission, die oft auf nationaler Ebene eingesetzt werden, um vorangegangene Zeiten, in denen schweres Unrecht begangen wurde, aufzuarbeiten, ist einerseits für Untersuchungskommission ein (bisher) eher selten genutzter Ansatz. Dies ergibt sich daraus, dass solche Kommissionen, im Gegensatz zu Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, nicht mandatiert sind, um „den Opfern eine Stimme zu geben“, sondern Untersuchungskommissionen die Auffindung von Tatsachen und zum Teil deren Bewertung überantwortet wird.3801 Andererseits tendieren Untersuchungskommissionen stark dazu, sich bei der Durchführung ihres Mandats und der Berichterstattung stark auf die Arten und das Ausmaß von Menschenrechtsverletzungen zu kaprizieren. Diesem Ansatz ist auch in der Literatur vorgehalten worden, die Opfer dieser Rechtsverletzungen zu „dehumanisieren“.3802 Ungeachtet der Frage, ob eine solche starke Kritik an der Vorgehensweise von Untersuchungskommissionen in diesem Punkt gerechtfertigt ist, kann jedoch festgehalten werden, dass die Möglichkeit einer öffentlichen Aussage das Vertrauen der Opfer in die Arbeit der Kommission stärken kann, wenn ihnen durch eine solche Aussage das Gefühl gegeben wird, dass ihr jeweiliges persönliches Schicksal relevant sei.3803 Welche und wie viele Personen befragt werden, richtete sich in der Praxis der Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen stark nach dem Untersuchungsgegenstand. So befragte etwa die Spezialmission des Sicherheitsrates zu dem versuchten Regierungsumsturz in Benin mittels des Einsatzes von Söldnern etwa 3797 Tabizi Bensalah, L’Enquête Internationale dans le Règlement des Conflits, S. 172; Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 278. 3798 Vgl. Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 123. 3799 Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 123. 3800 3. Teil § 2 III. 4. b). 3801 Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 189 f. 3802 So Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 190. 3803 Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 190.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
zehn Einwohner von Cotonou, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs in dieser Stadt aufhielten.3804 Die Kommission zur Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen befragte unter anderem die Besatzung eines indischen Flugzeuges, das von den Söldnern gekapert worden war.3805 Und die Kommission zur Untersuchung des Todes von Benazir Bhutto befragte mehr als 250 Personen zu den Umständen, die für die Ermittlungen von Bedeutung waren.3806 Die Liste mit Beispielen ließe sich aus der dargestellten Praxis beliebig lang fortsetzen. Sehr viele Personen befragen naturgemäß Kommissionen, die mandatiert sind, schwerwiegende und großflächige Verletzungen von Menschenrechten und/oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu untersuchen. Die Fact-Finding-Mission des Menschenrechtsrates für den Gaza-Konflikt im Dezember 2008 und im Januar 2009 führte etwa Befragungen von 188 Personen durch,3807 die Untersuchungskommission für die Menschenrechtslage in Nordkorea befragte 80 Personen öffentlich, 240 weitere Befragungen wurden vertraulich durchgeführt,3808 die Kommission für die Menschenrechtslage in Burundi befragte mehr als 500 Menschen3809 und die Kommission zu den Menschenrechtsverletzungen in Togo sogar über 1.000 Personen.3810 Soweit der Untersuchungskommission die Personen, welche zu einem Sachverhalt wie auch immer geartete Aussagen treffen können, nicht namentlich und mit ihrem Aufenthaltsort bekannt sind, sodass sie direkt angesprochen werden können, hat es sich in der Praxis von Untersuchungskommission vielfach bewährt, öffentlich dazu aufzurufen, vor der Kommission zu erscheinen, um eine Aussage abzugeben. Auf diese Weise können eine Vielzahl von Personen erreicht werden. Hierfür stehen einer Untersuchungskommission verschiedene Mittel zur Verfügung, etwa Aufrufe in Tageszeitungen, in Radiosendungen, im Fernsehen, auf Internetseiten,3811 die Verteilung von Flugblättern und Aushänge an prominenten Orten.3812 Entsprechende öffentliche Aufrufe wurden etwa von der Kommission zur Untersuchung der Buddhisten-Krise in Südvietnam in der Presse3813 oder von der Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Eritrea veröffentlicht.3814 3804
3. Teil § 2 B. I. 10. c). 3. Teil § 2 B. I. 12. c). 3806 3. Teil § 2 B. III. 3. c). 3807 3. Teil § 2 B. IV. 17. c). 3808 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3809 3. Teil § 2 B. IV. 28. c). 3810 3. Teil § 2 B. IV. 11. c). 3811 Im Rahmen von Untersuchungskommissionen des Menschenrechtsrates wurde inzwischen dazu übergegangen, auf der Homepage des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte für aktiv tätige Kommissionen eigene Rubriken einzurichten, auf denen, neben anderen Informationen zu der jeweiligen Kommission, auch solche Aufrufe veröffentlicht werden. 3812 Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 123. 3813 3. Teil § 2 B. IV. 1. c). 3814 3. Teil § 2 B. IV. 25. c). 3805
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b) Sonstige Beweismittel und Informationsquellen Neben den Aussagen von Personen werden in der Praxis internationaler Untersuchungskommissionen noch eine Vielzahl sonstiger Beweismittel genutzt.3815 Die Kommissionen haben selbst Orte, Gebäude und Gegenstände in Augenschein genommen, hinzu kamen Video- und Tonaufnahmen, Fotografien, Satelliten- und Luftbilder, Gesetzestexte, einschlägige Literatur und Zeitungsartikel sowie verschiedenste Dokumente offizieller und privater Natur. In Fällen, in denen es um den Einsatz von Gewalt ging, wurden lebende Personen und Leichen auch auf ihren körperlichen Zustand hin untersucht. Zudem wurden Hintergrundgespräche mit Vertretern verschiedener Akteure geführt und es wurden Experten- beziehungsweise Sachverständigenmeinungen zu bestimmten Fragestellungen eingeholt. Beweismittel können von Bürgern oder privaten Unternehmungen aus dem Staat beziehungsweise den Staaten stammen, die Gegenstand der Untersuchung einer Kommission sind. Diese können etwa privat angefertigte Videos besitzen oder Dokumente, die ihnen von Seiten eines Staates zugesandt wurden. Der Staat, der von einer Untersuchung betroffen ist, wird sich regelmäßig im Besitz einer Vielzahl potenziell bedeutender Beweismittel für die Untersuchung durch eine Kommission befinden; vielfach werden dabei Ereignisse in Akten und anderen Unterlagen dokumentiert sein. Die Vereinten Nationen selbst sowie andere Internationale und regionale Organisationen verfügen regelmäßig ebenso über eine Vielzahl von Informationen über ihre Mitgliedstaaten, die sie beziehungsweise ihre Organe oder Gliederungseinheiten einer Untersuchungskommission zur Verfügung stellen können. Prima vista können solche Informationen als unverfälscht betrachtet werden, da sie regelmäßig für den Gebrauch der entsprechenden Organisation erstellt wurden. Eine weitere potenzielle Beweisquelle stellen ausländische Staaten beziehungsweise deren Regierungen dar. Diese können über relevante Informationen über einen anderen Staat durch diplomatische Beziehungen, Geheimdienstinformationen, durch Staatsbürger des betroffenen Staates, die auf dem eigenen Territorium ihren (ständigen) Aufenthalt oder ihren Wohnsitz haben, wie etwa Diasporagemeinden, verfügen. Insbesondere Untersuchungskommissionen, die mit der Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts befasst waren, haben auch immer wieder von den Informationen profitiert, welche sie durch nationale oder internationale Menschenrechtsgruppen und andere Nichtregierungsorganisationen erhielten oder auch durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Der besondere Vorteil an Informationen aus diesen Quellen liegt darin, dass die genannten Akteure die Menschenrechtssituation in einem bestimmten Staat oftmals bereits über einen längeren Zeitraum beobachtet haben, und ihnen daher regelmäßig viele Problemlagen bekannt sind, auf die die Untersuchungskommission im Laufe ihrer Tätigkeit stoßen wird. Aus der dargestellten Praxis lässt sich eine Vielzahl von Beispielen anführen, in denen Untersuchungskommissionen solche sonstigen Beweismittel und Informati3815
Siehe auch Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 278 f.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
onsquellen in Anspruch genommen haben. Die Spezialmission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Zwischenfälle an der Grenze zwischen Senegal und Portugiesisch-Guinea etwa besichtigte Brücken in Grenznähe, unter denen Sprengsätze entdeckt worden waren.3816 Die Kommission zur Untersuchung der südafrikanischen Gewaltakte gegen Angola nahm Waffen und Ausrüstungsgegenstände in Augenschein, die von den angolanischen Streitkräften erbeutet worden waren.3817 Die Mission zur Untersuchung des Einsatzes von Chemiewaffen im Krieg zwischen dem Irak und dem Iran untersuchte Menschen, die potenziell mit den eingesetzten chemischen Kampfstoffen in Berührung gekommen waren, sowie Leichen.3818 Die FactFinding-Mission des Menschenrechtsrates für den Gaza-Konflikt im Dezember 2008 und im Januar 2009 hatte bis zum Ende ihrer Tätigkeit aus verschiedenen Quellen mehr als 10.000 Seiten Papier, 30 Videos und 1.200 Fotografien gesammelt.3819 Und die Libyen-Kommission hatte bis zur Fertigstellung ihres ersten Berichts mehr als 5.000 Seiten an Dokumenten, mehr als 580 Videos und 2.200 Fotografien gesichtet.3820 Die Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea verwendete unter anderem Satellitenaufnahmen, um die Standorte von Internierungslagern für politische Gefangene ausfindig zu machen.3821 Die Expertenkommission des Sicherheitsrates für Ruanda besichtigte Orte, an den Massengräber mit den Überresten der Opfer des Völkermordes und des bewaffneten Konflikts in dem afrikanischen Land bestattet, aber zum Teil auch nur verscharrt worden waren.3822 c) Reisen In vielen Fällen reisten Kommissionen der Vereinten Nationen zu Untersuchungen nicht nur in den Staat beziehungsweise in die Staaten bezüglich dessen beziehungsweise derer sie mandatiert waren, sondern auch in weitere Staaten. Letzteres vor allem, aber nicht nur, in Fällen, in denen der jeweiligen Kommission der Zugang zu dem Staatsgebiet des eigentlich zu untersuchenden Staates versperrt blieb. Hier führten diese Kommissionen regelmäßig Befragungen von Personen durch, die sich in einem anderen Staat aufhielten, zum Teil wurde auch nach anderen Beweismitteln gesucht. So führte etwa die Kommission, die den Tod von Patrice Lumumba untersuchen sollte, ihre Ermittlungen am Sitz der Vereinten Nationen in New York, in Genf, in London und in Brüssel durch.3823 Die Kommission, die den Tod des Präsidenten von Burundi und die anschließenden Massaker in dem ostafrika3816 3817 3818 3819 3820 3821 3822 3823
3. Teil § 2 B. I. 7. c). 3. Teil § 2 B. I. 13. c). 3. Teil § 2 B. I. 14. c). 3. Teil § 2 B. IV. 17. c). 3. Teil § 2 B. IV. 20. c). 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3. Teil § 2 B. IV. 7. c). 3. Teil § 2 B. III. 1. c).
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nischen Staat untersuchen sollte, begab sich zur Befragung von Personen nach Uganda und an die Côte d’Ivoire.3824 Flüchtlingslager im Tschad wurden von der Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Darfur besucht.3825 Die Kommission des Menschenrechtsrates zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea führte Befragungen von Personen in Seoul, London, Bangkok, Tokio und Washington, D.C. durch.3826 2. Quellenschutz und „do no harm“-Prinzip Eine in der Praxis von Untersuchungskommissionen zunehmend als bedeutend empfundene Frage ist diejenige nach dem physischen und psychischen Schutz von Personen,3827 die vor der Untersuchungskommission zu einer bestimmten Frage Aussagen machen wollen oder gemacht haben. So forderte etwa der Generalsekretär von der Regierung Guineas in dem Arbeitsauftrag für die Untersuchungskommission zu dem Massaker in Conakry Ende des Monats September 2009 die „protection of all those who are in contact with the Commission in connection with the inquiry; no such person shall, as a result of such appearance or information, suffer harassment, threats of intimidation, ill-treatment, reprisals or any other prejudicial treatment“. Maßnahmen, die dem Quellenschutz dienen, sind besonders wichtig, da viele Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen in Situationen tätig sind, in denen die Offenlegung bestimmter Tatsachen für die offenlegende Person mit großen Nachteilen und schwerwiegenden Konsequenzen verbunden sein kann.3828 Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eine repressive Regierung auf die Offenlegung von Menschenrechtsverletzungen durch Staatsbeamte mit Gewalt oder anderen Einschüchterungen gegen aussagende oder aussagewillige Personen vorgehen wird, um deren Erscheinen vor einer Untersuchungskommission zu verhindern oder eine bereits getätigte Aussage zu bestrafen oder die Person zur Rücknahme ihrer Aussage zu zwingen. Auch von nicht-staatlichen Gruppen, etwa in einem bewaffneten Konflikt, kann ein solches Verhalten durchaus erwartet werden, etwa wenn von einer solchen Gruppierung nicht gewünscht wird, dass von ihr begangene Kriegsverbrechen bekannt werden. Die Kommissionen zur Untersuchung der jeweiligen Menschenrechtslage in Nordkorea,3829 in der Zentralafrikanischen Republik 3830 und in Eritrea3831 sprachen diese Bedrohungspotenziale für aussagewillige Personen und auch deren Familien in ihren Abschlussberichten an. Damit muss Quellenschutz 3824
3. Teil § 2 B. IV. 6. c). 3. Teil § 2 B. IV. 12. c). 3826 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3827 Vgl. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 258. 3828 Vgl. auch Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (331). 3829 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3830 3. Teil § 2 B. IV. 24. c). 3831 3. Teil § 2 B. IV. 25. c). 3825
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
durch Untersuchungskommissionen zwei Zwecke verfolgen. Zum einen muss sichergestellt werden, dass die Aussagewilligen aus Angst vor Repressionen nicht vor einer Einlassung mit der Kommission zurückschrecken;3832 zum anderen muss denjenigen Personen, Stellen oder Institutionen, von denen potenzielle Bedrohungen ausgehen, signalisiert werden, dass die Untersuchung trotz Einschüchterungen vollzogen werden kann. Welche Maßnahmen zum Quellenschutz anzustellen sind, ist der jeweiligen Untersuchungskommission überlassen.3833 Als nicht immer oder gar oftmals nicht als zielführend wird es sich dabei jedenfalls erweisen, dem Staat betreffend dessen die Untersuchung durchgeführt wird, den Schutz von Aussagewilligen zu überlassen. Dies vor allem dann nicht, wenn dieser Staat der Untersuchungskommission ablehnend gegenübersteht und/oder Regierung und Verwaltung des betreffenden Staates fragil sind.3834 In der Verfahrenspraxis haben Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen den Schutz von Quellen auf verschiedene Weisen bewerkstelligt, und dabei versucht, den Schutz dem jeweiligen Thema und der Situation der Untersuchung sowie den potenziellen Bedrohungssituationen für Personen anzupassen.3835 Zu den angewandten Strategien gehört etwa die Einholung von Versicherungen der Akteure, von denen potenzielle Bedrohungen ausgehen, dass Personen, die bereit sind, vor der Kommission auszusagen, aus ihrem Erscheinen vor dieser keinerlei Nachteile für sich selbst oder für Angehörige erwachsen werden.3836 Neben dieser Maßnahme erscheinen vor allem die Nichtnennung der Namen oder gar Adressen der Aussagenden in den veröffentlichten Dokumenten einer Untersuchungskommission zielführend,3837 ebenso wie die Durchführung von vertraulichen Befragungen im Ausland, wie etwa durch die Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea,3838 oder an sicheren Orten in dem Staat, in welchem die Untersuchung durchgeführt wird, sowie in-camera-Verfahren. Oftmals wurde die Geheimhaltung der Identität einer Person zudem davon abhängig gemacht, ob diese Person der Offenlegung ausdrücklich zustimmte oder diese wünschte, so etwa von der Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Eritrea.3839 3832 Vgl. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 258, der darauf hinweist, dass etwa Personen, welche Opfer von Menschenrechtsverletzungen waren, zurückhaltend seien, vor ein Untersuchungsgremium zu treten und dort Aussagen zu treffen, wenn die Risiken einer Beteiligung an dem Verfahren zu hoch seien. Solche Personen seien auch diejenigen, die ihre Aussagen am wahrscheinlichsten zurückziehen würden. 3833 Siehe auch Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 258. 3834 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (331). 3835 Vgl. B. G. Ramcharan, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 42 (56). 3836 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (119). 3837 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (119). 3838 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3839 3. Teil § 2 B. IV. 25. c).
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Eine weitere Möglichkeit, das Vertrauen potenziell aussagewilliger Opfer und Zeugen zu erhalten, ist die Zusage der Vertraulichkeit ihrer Aussage durch die Kommission.3840 Hierzu bietet es sich an, die Personen, die befragt werden sollen, vor der Tätigung der Aussage über die Vertraulichkeitspolitik der Kommission und die mögliche Verwendung der Aussage zu informieren und das Einverständnis dieser Personen in Bezug auf die spezifische Verwendung ihrer Aussage einzuholen.3841 Leider enthalten die Berichte von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen in der Regel keine Hinweise darauf, wie die jeweiligen Untersuchungskommissionen Opfern und Zeugen Vertraulichkeitspolitiken nahebringen und auf welche Weise das informierte Einverständnis dieser Personen eingeholt wird.3842 Letztlich wird die jeweilige Untersuchungskommission für einen ausreichenden und möglichst optimalen Quellenschutz eine eingehende Analyse der Bedrohungslage für die potenziellen Personen, die ihr Informationen geben können, durchzuführen haben. Soweit allerdings die Maßnahmen Kosten verursachen, stehen sie unter dem Vorbehalt der der Kommission zur Verfügung stehenden Mittel.3843 Jede Untersuchungskommission wird aber jedenfalls dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Dokumente und andere Beweismittel, aus denen sich die Identitäten von Personen ergeben können, auch zum Schutz von Zeugen während und nach der Untersuchung, sicher verwahrt werden, sodass diese Dokumente und anderen Beweismittel keinen unbefugten Personen zugänglich sind. Ein besonders aufwändiges Verfahren zum Schutz der Beweismittel führte etwa die Expertenkommission für die Untersuchung der Rechtsverletzungen während des Völkermordes und des bewaffneten Konflikts in Ruanda durch.3844 Zudem besteht auch für jede Untersuchungskommission der Vereinten Nationen die Möglichkeit, entsprechende Materialien im Archivsystem der Vereinten Nationen als „vertraulich“ oder gar 3840
Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (332). 3841 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (332). 3842 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (332). Dort wird die Handlungsweise der nationalen Wahrheitskommission für die Menschenrechtsverletzungen in Timor-Leste in Bezug auf die angewendete Vertraulichkeitspolitik als Beispiel angeführt; diese Kommission habe besonders umsichtig gehandelt. Die Kandidaten für eine Befragung durch die Wahrheitskommission wurden einzeln über die mögliche Verwendung ihrer Aussagen informiert. Die Kandidaten konnten dann selbst darüber entscheiden, ob ihre Aussagen im Abschlussbericht der Kommission auftauchen sollten, ob ihre Aussagen in den Archiven der Kommission zugänglich sein sollten und ob die zu Protokoll gegebenen Aussagen vertraulich oder anonym behandelt werden sollten. Dies geschah durch ein Informationsblatt, welches am Ende einen Abschnitt zu den nämlichen Punkten, zu denen das Einverständnis erteilt werden konnte, beinhaltete. In diesem Abschnitt konnten dann entsprechende Kästchen angekreuzt werden. Das ausgefüllte Informationsblatt wurde anschließend der schriftlichen Fassung der jeweiligen Aussage angeheftet. 3843 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (331). 3844 3. Teil § 2 B. IV. 7. c).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
„strengvertraulich“ zu klassifizieren, um so eine Zugangsbeschränkung für die in den Materialien vorhandenen Informationen zu schaffen. Dies war etwa die regelmäßige Praxis der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Eritrea.3845 Zunehmend größere Bedeutung kommt zudem dem „do no harm“-Prinzip in Fällen der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu. Hierzu bekannten sich bei ihrer Tätigkeit ausdrücklich die Kommission zur Untersuchung der menschenrechtlichen Auswirkungen der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten,3846 die Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea3847 sowie die Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Eritrea.3848 Nach diesem Prinzip muss bei jeder Aktivität im humanitären Bereich sichergestellt werden, dass die Aktivität keine Schädigungen bei den Personen anrichtet, auf welche sie gerichtet ist.3849 Trotz eines vorsichtigen Vorgehens kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Zeugen und vor allem Opfer durch eine Erzählung des Vorgefallenen ein zusätzliches Trauma erleben oder andere Formen von physischen oder psychischen Leiden erleben.3850 Daher bietet es sich an, bei den entsprechenden Befragungen beziehungsweise Aussagen Spezialisten aus Psychologie und Medizin hinzuzuziehen, um jedenfalls zu diesem Zeitpunkt notwendige Hilfen leisten zu können.3851 Dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen die nötige Unterstützung im sozialen, medizinischen und psychologischen Bereich erhalten sollen, ist auch international, etwa im Prinzip 14 der „Declaration of Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuse of Power“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 29. November 1985,3852 anerkannt. Allerdings haben mit Fact-Finding betraute Kommissionen regelmäßig kein Mandat dahingehend, Opfern und Zeugen medizinische und/oder psychologische Hilfen zur Verfügung zu stellen.3853 In der Literatur ist insoweit zutreffend die Frage gestellt worden, ob in Fällen, in denen eine Untersuchungskommission nicht in der Lage ist, solche Unterstützungsleistungen zu gewähren, gefährdete Opfer oder 3845
3. Teil § 2 B. IV. 25. c). 3. Teil § 2 B. IV. 22. c). 3847 3. Teil § 2 B. IV. 23. c). 3848 3. Teil § 2 B. IV. 25. c). 3849 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (120). 3850 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (120); Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (333). 3851 Diese Forderung auch so bei Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (120). 3852 UN Doc. A/RES/40/34 vom 29. November 1985, Prinzip 14: „Victims should receive the necessary material, medical, psychological and social assistance through governmental, voluntary, community-based and indigenous means“. 3853 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (120). 3846
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Zeugen von Rechtsverletzungen durch die jeweilige Kommission überhaupt befragt werden sollten.3854 Als Lösung könnte es sich in einige Fällen anbieten, dass eine ständige Institution, etwa das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, diese Aufgabe übernimmt, da dort, im Gegensatz zu einer Kommission, erweiterte Ressourcen vorgehalten werden.3855 Dies kann in einigen Fällen als Lösung dienen; ob es jedoch eine Lösung für jede Situation ist, muss einstweilen offen bleiben.3856 Zu bedenken ist nämlich insoweit, dass auch dem Büro nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stehen und es noch andere Aufgaben hat. Die primäre Aufgabe ist es nicht, für Opfer und Zeugen, die von einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen befragt werden sollen, Unterstützung zu leisten. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte seine Ressourcen allein deshalb schnell erschöpfen könnte, weil der Menschenrechtsrat ständig neue Untersuchungskommissionen zum Fact-Finding im Bereich von schweren und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts einsetzt. 3. Beweisstandard Große Bedeutung in einem Untersuchungsverfahren kommt der Frage zu, welchen Überzeugungsgrad eine Untersuchungskommission anlegt, damit sie das Vorliegen einer bestimmten Tatsache annimmt. Die Wichtigkeit der Dokumentation der angelegten Beweisstandards ergibt sich daraus, dass dies zur Verlässlichkeit und Integrität einer Untersuchung beiträgt.3857 Dies gilt deshalb, weil so nachvollzogen werden kann, wie die jeweilige Untersuchungskommission zu ihren Schlussfolgerungen und Ergebnissen gekommen ist. Insbesondere bei den Kommissionen aus der jüngeren Praxis der Vereinten Nationen, die Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts untersuchen sollten, finden sich in den Abschlussberichten Ausführungen zu den verwendeten Beweisstandards.3858 Allerdings ergeben sich aus den Berichten vieler Untersuchungskommissionen, die im Rahmen der Vereinten Nationen eingesetzt wurden, oft keine oder nur minimale Ausführungen dazu, welcher Methodik sie gefolgt sind beziehungsweise welchen Beweisstandard
3854 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (333). 3855 Théo Boutruche, Journal of Conflict & Security Law 16 (2011), S. 105 (119); Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (333). 3856 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (333). 3857 Vgl. auch Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324). 3858 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
sie angelegt haben.3859 So finden sich im Abschlussbericht der Fact-Finding-Mission bezüglich Beit Hanoun3860 lediglich vier Absätze zur Methodik der Mission.3861 Ausführungen zu den von der Mission angelegten Beweisstandards finden sich hingegen nicht.3862 Im Bericht der Untersuchungskommission zur Rechtslage im Konflikt in Libyen vom 1. Juli 20113863 wird zwar betont, dass die von ihr gefundenen Informationen von solchen Tatsachen zu unterscheiden seien, die als Beweise im Rahmen einer Strafverfolgung verwendet werden könnten,3864 allerdings erklärt die Kommission nur sehr knapp, welchen Beweisstandard sie an ihre Quellen angelegt hat, um zu den von ihr gefundenen Ergebnissen zu gelangen.3865 Eine einheitliche, allgemein anerkannte Linie hat sich hier allerdings bisher, auch bei den in jüngerer Zeit eingesetzten Untersuchungskommissionen, nicht durchsetzen können. Dies erklärt sich aus den verschiedenen Kontexten, in denen die Kommissionen tätig waren, ihren unterschiedlich ausgestalteten Mandaten und den verschiedenen praktischen Zwängen, denen die Kommissionen im Einzelfall ausgesetzt waren.3866 Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen kommt vielmehr auch hier ein hoher Grad an Flexibilität und Freiheit zu.3867 Welche Beweise einer Untersuchungskommission vorliegen müssen, damit der angelegte Beweisstandard bei der Nachprüfung eines gegebenen Ereignisses erreicht wird, hängt wiederum vom Einzelfall ab. So kann es durchaus Fälle geben, in denen die Informationen einer einzigen Quelle ausreichend sind, die Kommission im Sinne ihres eigenen Beweisstandards vom Geschehen eines Aktes zu überzeugen; allerdings wird es oftmals vorzuziehen sein, wenn ein Ereignis von mehreren, unabhängigen Quellen bezeugt werde kann.3868 Zudem erscheint es stets angebracht und erforderlich, dass eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit, ob ein bestimmtes Ergebnis stattgefunden hat oder nicht stattgefunden hat, durch die Kommission angezeigt wird.3869 3859 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324). 3860 3. Teil § 2 B. IV. 15. d). 3861 UN Doc. A/HRC/9/26 vom 1. September 2008, Rn. 6 ff. Vgl. auch Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324). 3862 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324). 3863 3. Teil § 2 B. IV. 20. c) und d). 3864 UN Doc. A/HRC/14/44 vom 1. Juni 2011, Rn. 2 f. 3865 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (324). 3866 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (326). 3867 B. G. Ramcharan, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 42 (57 f.). 3868 Ähnlich Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 280 f. 3869 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (326).
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Inzwischen erfährt vor allem der „reasonable grounds to believe“-Standard oftmalige Verwendung. Dieser Standard wurde etwa durch die Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der international gewährleisteten Menschenrechte während des Konflikts in der Zentralafrikanischen Republik,3870 durch die Kommissionen des Menschenrechtsrates zur Untersuchung der Lage der Menschenrechte in Nordkorea3871 beziehungsweise in Eritrea,3872 die Expertengruppe des Menschenrechtsrates hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen aufgrund der grassierenden Gewalt in Burundi3873 sowie durch die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates zu dieser Situation verwendet.3874 Daher achtete die jeweilige Untersuchungskommission darauf, einen verlässlichen und konsistenten Satz von Informationen zu sammeln. Nach diesem Standard muss eine vernünftige und gewöhnlich verständige Person auf der Basis dieser Informationen Grund haben anzunehmen, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat oder ein Verhaltensmuster an den Tag gelegt wurde. Da es sich bei dem Abschlussbericht einer Untersuchungskommission nicht um ein Urteil mit entsprechenden Rechtsfolgen handelt, muss eine solche Kommission jedenfalls nicht den Beweisstandard anlegen, der in der internationalen Strafgerichtsbarkeit häufig verwendet wird und der etwa in Artikel 66 Abs. 3 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu finden ist: „In order to convict the accused, the Court must be convinced of the guilt of the accused beyond resonable doubt3875.“3876 Allgemein wird man anzunehmen haben, dass der von einer Untersuchungskommission angelegte Beweisstandard stets eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten enthalten muss.3877 Weitere von Untersuchungskommissionen angelegte Beweisstandards waren etwa im Falle des Goldstone-Berichts für den Gaza-Konflikt über die Jahreswende 2008/2009 „sufficient and reliable information“3878, in den Fällen der Untersuchung des Massakers in der guineischen Hauptstadt Conakry und 3870
3. Teil § 2 B. IV. 24. d). 3. Teil § 2 B. IV. 23. d). 3872 3. Teil § 2 B. IV. 25. d). 3873 3. Teil § 2 B. IV. 27. d). 3874 3. Teil § 2 B. IV. 28. d). 3875 Hervorhebung durch den Verfasser. 3876 Dieser Beweisstandard wird etwa auch verwendet in: Regel 87 (A) S. 2 der Verfahrensund Beweisregeln des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, UN Doc. IT/32/Rev.50 vom 8. Juli 2015; Regel 87 (A) S. 2 der Verfahrens- und Beweisregeln des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, ursprüngliche Fassung enthalten in: UN Doc. ITR/3/Rev.1 (1995), letzte Fassung vom 13. Mai 2015; Regel 87 (A) S. 2 der Verfahrens- und Beweisregeln des Sondergerichtshofs für Sierra Leone in der Fassung vom 31. Mai 2012, abrufbar unter: www.rscsl.org/Documents/RSCSL-Rules.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018) und in Regel 148 (A) S. 2 der Verfahrens- und Beweisregeln des Sondertribunals für den Libanon, STL Doc. STL-BD-2009 – 01-Rev.7 vom 12. Februar 2015. 3877 B. G. Ramcharan, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 42 (59). 3878 3. Teil § 2 B. IV. 17. c) und d). 3871
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
der Untersuchung der Menschenrechtslage in Darfur „resonable suspision“3879 und in den Fällen der Mission zur Untersuchung der militärischen Aktionen Israels gegen die sog. Gaza-Flottille und im Abschlussbericht der Untersuchungskommission hinsichtlich des Konflikts in Libyen „on the balance of probabilities“3880.3881 In einigen Fällen, so etwa bei den Untersuchungen zu Libyen oder zu Darfur,3882 wurden unterschiedliche Standards angewendet. Ein höherer Beweisstandard wurde in diesen Fällen dann für angebracht gehalten, wenn es um die individuelle Verantwortlichkeit von Personen ging.3883 Einige Kommissionen gingen noch darüber hinaus und forderten bei jedem Beweis eine weitere Bekräftigung.3884 So musste für die Conakry-Kommission jede Primärquelle durch eine weitere Informationsquelle bestätigt werden, damit die Primärquelle als Beweis tauglich war.3885 Die Untersuchungskommission bezüglich der Menschenrechtslage in Darfur legte bei Feststellungen zum Verhalten von Einzelpersonen den Standard an, dass „a reliable body of material consistent with the verified circumstances“ vorliegen müsse.3886 Dem Beweisstandard kommt dann noch größere Bedeutung zu, wenn die Untersuchungskommission damit mandatiert worden ist, Personen zu individualisieren und zu benennen, die Täter von Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen in einem bewaffneten Konflikt waren. In solchen Fällen ist zu berücksichtigen, dass der Vorwurf, eine solche Tat begangen zu haben, für den Betroffenen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann.3887 Nicht nur kann das Ansehen dieser Person in der Öffentlichkeit Schaden nehmen, sondern diese Person könnte zudem mit einem strafrechtlichen Verfahren vor nationalen oder internationalen Strafgerichten überzogen werden. Ersteres gilt besonders in Fällen, in denen in dem publizierten Abschlussbericht die Namen solcher Personen genannt werden. Ist eine Person einmal in der Öffentlichkeit als Täter von Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen namhaft gemacht worden, so wird sich die betroffene Person nur äußerst schwer in der öffentlichen Wahrnehmung rehabilitieren können, wenn sich die Beschuldigung als unzutreffend erweist.3888 Die Überziehung mit einem Strafverfahren, das auf der Grundlage eines Untersuchungsberichts gegen eine Person eingeleitet wird, kann für die betroffene Person ebenfalls schwerwiegende und 3879
3. Teil § 2 B. IV. 12. c) und d); 3. Teil § 2 B. IV. 18. c) und d). 3. Teil § 2 B. IV. 19. c) und d). 3881 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (325). 3882 3. Teil § 2 B. IV. 20. c) und d); 3. Teil § 2 B. IV. 12. c) und d). 3883 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (325). 3884 Vgl. hierzu Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (325). 3885 3. Teil § 2 B. IV. 18. c) und d). 3886 UN Doc. S/2005/60 vom 1. Februar 2005, Rn. 15, 524. 3887 Vgl. auch Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 280. 3888 Ähnlich auch Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 159. 3880
§ 2 Die Vereinten Nationen
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nachteilige Konsequenzen haben, wie etwa die Verbüßung einer Untersuchungshaft oder sonstige Härten, die durch ein Strafverfahren entstehen. In Fällen, in denen die Untersuchungskommission die individuelle Verantwortlichkeit von Personen bestimmt, sollte daher insgesamt ein hoher Beweisstandard angelegt werden.3889 Auch für die Wahrnehmung der Tätigkeit von Untersuchungskommissionen selbst ist die Richtigkeit der in ihren Berichten getroffenen Feststellungen von großer Bedeutung.3890 Durch die Darlegung einer präzisen, nachvollziehbaren Feststellungsmethode wird das durch die Kommission Berichtete erhöhte Überzeugungskraft gewinnen, soweit sich diese Methode tatsächlich in den gefundenen Ergebnissen widerspiegelt. Fehler in sachlicher Hinsicht werden den Kritikern der jeweiligen Untersuchung dagegen die Möglichkeit geben, die Ergebnisse der Kommission anzuzweifeln und somit letztlich den Wert der Gesamtuntersuchung in Frage zu stellen.3891 Weiterhin kann durch eine strenge Einhaltung des gewählten Beweisstandards verhindert werden, dass der Untersuchungskommission eine einseitige Beweiswürdigung zur Last gelegt wird.
VI. Kooperationsfragen Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen sind regelmäßig nicht mit Zwangsbefugnissen ausgestattet, etwa um Beweise zu sichern oder allgemein ihre Tätigkeit zu erleichtern. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die von einer Untersuchung durch eine Kommission der Vereinten Nationen betroffenen Akteure verpflichtet sind, mit der Kommission zu kooperieren. Die Kooperation insbesondere von Regierungen ist ein wichtiger Punkt im Rahmen von Untersuchungsaktivitäten; zum einen für das effektive Sammeln von Informationen, zum andere auch für die spätere Wirkung der durch die Kommission gefundenen Untersuchungsergebnisse.3892 Jedenfalls steht es außer Frage, dass die Kooperation der von einer Untersuchung betroffenen Akteure der jeweiligen Kommission ihre effektive Aufgabewahrnehmung erheblich erleichtert, wenn nicht partiell überhaupt erst ermöglicht.3893 In vielen Resolutionen zur Einsetzung der dargestellten Untersuchungskommissionen finden sich konsequenterweise Ersuchen oder Aufforderungen an den oder an die von einer Untersuchung betroffenen Staat beziehungsweise Staaten, und teilweise auch an nicht-staatliche Akteure, mit der jeweiligen Kommission zusam3889
Vgl. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 280. Vgl. auch Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (327). 3891 Vgl. Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 159. 3892 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (39). 3893 William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 121; Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 64. 3890
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
menzuarbeiten beziehungsweise die Arbeit der Kommissionen zu erleichtern. So wurde etwa die Kolonialmacht Portugal von der Generalversammlung in der Resolution zur Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung von Massakern in Mosambik ersucht, „to co-operate with the Commission of Inquiry and to grant it all necessary facilities to enable it to carry out its mandate“.3894 Im Mandat der Expertenkommission für den bewaffneten Konflikt und den Völkermord in Ruanda drängte der Sicherheitsrat „all concerned fully to cooperate with the Commission of Experts in the accomplishment of its mandate, including responding positively to requests from the Commission for assistance and access in pursuing investigations“.3895 Und im Mandat der Fact-Finding-Mission des Menschenrechtsrates für den Gaza-Konflikt im Dezember 2008 und Januar 2009 wurde Israel aufgerufen, „not to abstruct the process of investigation and to fully cooperate with the mission“.3896 Besonders klar formuliert waren die Kooperationserwartungen in Arbeitsanweisungen für Untersuchungskommissionen, die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen entsandt wurden, wie etwa in dem Mandat der Kommission zur Untersuchung des Massakers in Conakry am 28. September 2009.3897 In dem Arbeitsauftrag war nicht nur niedergelegt, dass die Kommission „shall enjoy cooperation of the Government of Guinea“. Vielmehr wurde auch gefordert, dass die Regierung von Guinea alle Ersuchen der Kommission um die Hilfe beim Sammeln von Informationen und Aussagen erfüllen müsse. Insbesondere müsse der Kommission die Bewegungsfreiheit auf dem Staatsgebiet von Guinea gewährt werden, und die Kommission müsse Zugang zu allen Plätzen und Einrichtungen – einschließlich von Gefängnissen und Inhaftierungseinrichtungen – haben, die für die Arbeit der Kommission von Bedeutung seien. Zudem müsse der Kommission die Freiheit des Zugangs zu allen Informationsquellen zustehen, einschließlich dokumentarischer Materialen und physischer Beweise, sowie die Freiheit, Befragungen von Repräsentanten der Regierung und des Militärs, von Führungspersönlichkeiten von Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft und grundsätzlich jeder Einzelperson, deren Aussage als notwendig für die Erfüllung des Kommissionsmandates angesehen wird, durchführen zu können. Schließlich wurde von der guineischen Regierung noch gefordert, dass angemessene Sicherheitsvorkehrungen für die Kommission, ihre Dokumente, Räumlichkeiten und ihr Eigentum getroffen werden sollten. In ähnlicher Weise legte der Generalsekretär die Kooperationserwartungen an die Regierung von Timor-Leste in dem Arbeitsauftrag für die Kommission nieder, die in dem Staat auf der Insel Timor die Gewalttätigkeiten im Jahr 2006 untersuchen sollte,3898 oder auch in der Arbeitsanweisung für die Mission zur Untersuchung der Ermordung von Benazir Bhutto.3899 3894 3895 3896 3897 3898 3899
3. Teil § 2 B. IV. 2. b). 3. Teil § 2 B. IV. 7. b). 3. Teil § 2 B. IV. 17. b). 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 3. Teil § 2 B. IV. 13. b). 3. Teil § 2 B. III. 3. b).
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Der tendenziell wichtigste Kooperationspartner für Untersuchungskommissionen ist der Staat, in Bezug auf den die Untersuchung durchgeführt wird. Als dessen Kooperationsleistungen kommen, wie auch schon in den Arbeitsanweisungen für die vom Generalsekretär entsandten Kommissionen zum Ausdruck kommt, etwa die Zulassung der Kommission auf sein Staatsgebiet, die Öffnung von staatlichen Archiven, die Übergabe von Dokumenten, die Abstellung von Beamten und anderen Staatsbediensteten, die Bereitstellung von Räumlichkeiten oder Transportmöglichkeiten oder die Abstellung von unterstützendem Personal für die Kommissionsarbeit, etwa von Wachmannschaften für die Kommission in konfliktbefangenen Teilen des Staatsgebietes oder den Schutz von öffentlichen Anhörungen, in Betracht.3900 Expressis verbis sind entsprechende Kooperationsverpflichtungen oder ihnen korrespondierende Rechte ihrer Organe in der Charta der Vereinten Nationen, welche sich auf die von ihnen eingesetzten Untersuchungsgremien übertragen ließen, nicht niedergelegt.3901 Tatsächlich ist der Staat, der von einer Untersuchung betroffen ist, grundsätzlich nicht zu einer Zusammenarbeit mit einer Untersuchungskommission verpflichtet. Daher steht es einem solchen Staat frei, mit einer Kommission zu kooperieren oder dies gerade nicht zu tun; in Fällen eines Besuchswunsches ist zum Betreten des Staatsgebietes eine ausdrückliche Einladung oder eine Einwilligung des betroffenen Staates erforderlich.3902 Dies ist Ausfluss des in Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Interventionsverbots für die Organisation gegenüber ihren Mitgliedstaaten, das in diesem Sinne letztendlich die Souveränität des Staates über sein Staatsgebiet schützt.3903 In der dargestellten Praxis der Vereinten Nationen zeigte sich immer wieder, dass in verschiedensten Fällen Staaten Untersuchungskommissionen die Kooperation, insbesondere den Zugang zu ihren Territorien, verweigert haben. So verweigerte Ungarn der Kommission zur Untersuchung der Geschehnisse bezüglich des dortigen Volksaufstandes die Einreise,3904 gleiches tat die Regierung des Kongo gegenüber der 3900 Vgl. auch Micaela Frulli, Journal of International Criminal Justice 10 (2012), S. 1323 (1337), die in Bezug auf Fact-Finding im Bereich des humanitären Völkerrechts zutreffend bemerkt: „It is self-evident that conducting fact-finding outside of the state concerned would be even more difficult if allegations of IHL violations were to be investigated“. 3901 Ein grundsätzliches Besichtigungsrecht ist allerdings für die Generalversammlung im Kontext des Treuhandsystems der Vereinten Nationen vorgesehen. In Artikel 87 der Charta ist insoweit niedergelegt: „The General Assembly (…), in carrying out their functions, may: (…) 3. Provide for periodic visits of the respective trust territories at times agreed upon with the administering authority, (…)“. 3902 Dieser Befund wird in der völkerrechtlichen Literatur geteilt; siehe Theodor C. van Boven, Israel Yearbook on Human Rights 3 (1973), S. 93 (107); Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 141; Christian Henderson, Netherlands Yearbook of International Law 45 (2014), S. 287 (302); K. T. Samson, in: Betrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (39 f.). 3903 Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108); Müge Kınaciog˘ lu, Perceptions 10 (2005), S. 15 (27). 3904 3. Teil § 2 B. I. 4. c).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Kommission, die zur Untersuchung des Todes von Patrice Lumumba eingesetzt worden war.3905 Beiden Staaten sahen jeweils in den Untersuchungen Einmischungen in ihre inneren Angelegenheiten. Auch die Kommissionen des Menschenrechtsrates, die Untersuchungen zur jeweiligen Situation der Menschenrechte in Nordkorea3906, Eritrea3907 und Burundi3908 vornehmen sollten, durften beziehungsweise konnten die Territorien dieser Staaten nicht bereisen, da Anfragen um eine Erlaubnis zur Einreise entweder gar nicht oder abschlägig beantwortet wurden. Ebenso blieben die Ersuchen der Kommission des Menschenrechtsrates zur Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Gaza-Konflikt von 2014 an Israel erfolglos, das Territorium dieses Staates besuchen zu dürfen beziehungsweise der Kommission über das israelische Staatsgebiet die Einreise in die palästinensischen Gebiete zu gewähren.3909 Argumentum a maiore ad minus kann der betroffene Staat zudem das Maß und die Art der Kooperation mit der Untersuchungskommission bestimmen. So können die staatlichen Stellen etwa festlegen, welche Dokumente aus den staatlichen Beständen einer Untersuchungskommission zugänglich gemacht werden oder welche Orte die Kommission innerhalb des Staatsgebietes aufsuchen darf. Wie solche partiellen Kooperationsverweigerungen in der Praxis von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen aussehen konnten, zeigte etwa das Beispiel der Untersuchung der Lage in Burundi in den 1990er Jahren nach der Ermordung des dortigen Präsidenten und verschiedenen Massakern.3910 In diesem Fall durfte die Untersuchungskommission zwar auf das burundische Staatsgebiet einreisen und auch die staatlichen burundischen Stellen arbeiteten mit der Kommission zusammen. Jedoch verweigerte sich das Verteidigungsministerium der Herausgabe bestimmter Materialien und war auch bei der Zurverfügungstellung von Zeugen aus Armeekreisen nicht sonderlich kooperativ. Letztlich darf der von der Untersuchung betroffene Staat einer einmal auf seinem Territorium zugelassenen Kommission auch die Zustimmung zu ihrer dortigen Tätigkeit jederzeit wieder entziehen; die Kommission muss in diesem Falle ihre Vor-Ort-Untersuchung abbrechen und sofort beziehungsweise nach Ablauf einer gesetzten Frist das Staatsgebiet verlassen. Erst recht gilt das Vorstehende für Drittstaaten, also all diejenigen Staaten, die nicht von dem erteilten Kommissionsmandat unmittelbar betroffen sind. Von der gerade beschriebenen Rechtslage gibt es allerdings eine bedeutende Ausnahme. Diese liegt dann vor, wenn der Sicherheitsrat eine Entscheidung nach
3905 3906 3907 3908 3909 3910
3. Teil § 2 B. III. 1. c). 3. Teil § 2 B. IV. 3. c). 3. Teil § 2 B. IV. 25. c). 3. Teil § 2 B. IV. 28. c). 3. Teil § 2 B. IV. 26. c). 3. Teil § 2 B. IV. 6. c).
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Maßgabe der Kapitel VI oder VII der Charta der Vereinten Nationen trifft.3911 Dies war bei Resolutionen der Sicherheitsrates mit denen Untersuchungskommissionen eingesetzt wurden bisher aber nur selten der Fall; eine Ausnahme bildet insofern die Resolution mit der die Untersuchungskommission für die Menschenrechtslage in Darfur eingesetzt wurde; der operative Teil von Resolution 1564 (2004) war insoweit ausdrücklich auf das siebte Kapitel der Charta der Vereinten gestützt.3912 Nach Artikel 25 der Charta der Vereinten Nationen kommen die Mitglieder der Vereinten Nationen überein, dass Beschlüsse des Sicherheitsrates im Einklang mit der Charta anzunehmen und durchzuführen sind.3913 Hieraus ergibt sich in diesen Fällen eine generelle Verpflichtung der Staaten zu einer Zusammenarbeit mit einer Untersuchungskommission, die vom Sicherheitsrat eingesetzt wurde.3914 Verweigert ein Staat in diesem Rahmen zum Beispiel der Kommission die Einreise auf sein Staatsgebiet, muss er hierfür zumindest adäquate Gründe nennen.3915 Ist ein Staat allerdings nicht bereit, mit einer durch den Sicherheitsrat eingesetzten Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten, etwa indem er ihr keinen Zugang auf sein Territorium gewährt, kann der Sicherheitsrat durchaus eine bindende Anordnung, insbesondere im Wege einer Resolution, treffen, um eine präzise Pflicht für den kooperationsunwilligen Staat herzustellen.3916 Wenn im Regelfall bereits für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen keine Kooperationsverpflichtungen zur Zusammenarbeit mit Untersuchungskommissionen der Weltorganisation bestehen, existieren solche Verpflichtungen erst recht nicht für nicht-staatliche Akteure. Nicht-staatlichen Gewaltakteuren, ungeachtet etwa ihres Organisationsgrades, Privatpersonen jedweder Provenienz, Nichtregierungs3911 Siehe Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 79; Ernest L. Kerley, American Journal of International Law 55 (1961), S. 892 (894 ff.); Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (524). 3912 3. Teil § 2 B. IV. 12. b). 3913 Siehe zu allen Detailfragen bezüglich der Auslegung von Artikel 25 der Charta der Vereinten Nationen eingehend Anne Peters, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 25 Rn. 1 ff. Vgl. auch Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 79 und dort Fn. 41 m. w. N. mit dem Hinweis, dass in einem Fall, in dem der Sicherheitsrat eine Untersuchung nach Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen mandatiert, der betroffene Staat verpflichtet ist, dem Untersuchungsgremium Zutritt auf sein Staatsgebiet zu gewähren. Dies begründet Tanaka damit, dass eine solche Entscheidung bindende Wirkung im Sinne von Artikel 25 der Charta der Vereinten Nationen hat. Dieser bindende Effekt der Entscheidung folgt aus dem Zusammenhang zwischen der Untersuchungskompetenz des Sicherheitsrates nach Artikel 34 der Charta der Vereinten Nationen und der primären Aufgabe dieses Organs der Vereinten Nationen, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. 3914 Anne Peters, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 25 Rn. 14. 3915 Anne Peters, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 25 Rn. 14. 3916 Anne Peters, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Art. 25 Rn. 14.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
organisationen usw. steht es damit also frei, mit einer Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten. Nicht-staatliche Akteure können also selbst darüber entscheiden, ob und in welchem Umfange sie mit solchen Kommissionen kooperieren. Welche Gründe einen Akteur dazu bewegen, nicht oder nur eingeschränkt mit einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, bleibt oftmals im Dunkeln. Eine Pflicht zu einer entsprechenden Offenbarung der Gründe besteht völkerrechtlich jedenfalls nicht. Vor allem in der Frühphase des Bestehens der Vereinten Nationen wurden Weigerungen in einigen Fällen noch damit begründet, dass eine Untersuchung eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des betreffenden Staates sei;3917 in vielen Fällen erhielten die Kommissionen auch gar keine Antworten auf von ihnen gestellte Zusammenarbeitsersuchen. Die Gründe für ein solches Verhalten werden je nach den Tatsachen, welche die Kommission mandatsgemäß ermitteln soll, variieren. Er spricht prima vista in allen Verweigerungsfällen jedenfalls vieles dafür, dass die betreffende Entität so viele Fakten als möglich geheim halten möchte, um in den Augen der internationalen Öffentlichkeit nicht negativ bewertet zu werden und keinen Anlass für eine (weitere) Verurteilung oder sonstige Sanktionen zu bieten.3918 Denkbar ist es hierbei etwa, dass repressive Regime keinen Anlass dafür bieten wollen, dass das wirkliche Ausmaß der von ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen zu Tage gefördert wird, oder auch ein Szenario in einem bewaffneten Konflikt, in dem sich eine Seite oder mehrere Seiten, wider besseren Wissens, berühmt beziehungsweise berühmen, keine Kriegsverbrechen begangen zu haben oder zu begehen. Allerdings ist es ebenso denkbar, dass ein Staat kein Interesse an der Kooperation mit einer Untersuchungskommission hat, weil er eines der oder mehrere Mitglieder oder aber auch das Kommissionsmandat für nicht unparteiisch genug oder gar befangen hält.3919 Ist dies der Fall, wird der Staat seine Bedenken zu einem frühen Zeitpunkt im Lebenszyklus der Untersuchungskommission kundtun können, um in der internationalen Gemeinschaft entsprechende Aufmerksamkeit zu erregen und seine Kritik öffentlich anzubringen. In diesen Situationen gilt es allerdings für die Kommission zu vermeiden, dass sie bei der Darlegung der Verweigerung der Kooperation den Eindruck von Voreingenommenheit erzeugt. Daher ist es im Abschlussbericht ratsam, das einschlägige Verhalten lediglich darzustellen, einschließlich der Korrespondenz hierzu. Mutmaßungen über die Gründe für ein schlechtes Kooperationsverhalten sollten allerdings vermieden werden.
3917
Siehe auch Theo C. van Boven, Bulletin of Peace Proposals 8 (1977), S. 198 (203). In diese Richtung auch schon Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 308 (317). 3919 Vgl. K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 17 (40). 3918
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VII. Verfahrensregeln: dargestellt anhand der Musterverfahrensregeln des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für ad-hoc-Gremien zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen von 1970 Ein Dokument, welches verbindliche Verfahrensregeln für alle ad-hoc-Untersuchungskommissionen vorsieht, wurde im Rahmen der Vereinten Nationen bisher nicht verabschiedet. Nichtsdestotrotz gab es im Rahmen der Organisation verschiedene Bemühungen zur Schaffung von entsprechenden Regelungen. Aus dem Jahre 1970 stammen insbesondere die Model rules of procedure for United Nations bodies dealing with violations of human rights3920 (im Folgenden als Model Rules oder Musterverfahrensregeln bezeichnet) des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Da es bisher an einem einheitlichen Verfahrensrecht für Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen fehlt, wird im Folgenden pars pro toto anhand der Model Rules der Aspekt der Verfahrensregeln für solche Kommissionen untersucht. 1. Bedeutung von Verfahrensregeln für die Arbeit der Untersuchungskommissionen Verfahrensregeln ordnen die Tätigkeit des Gremiums, das ihnen unterworfen ist. Sie geben einem Verfahren seine Struktur.3921 Den verschiedenen Verfahrensbeteiligten dienen sie als verbindliche Richtschnur für ihr Verhalten und die Handhabung von Situationen in dem jeweiligen Verfahren.3922 Die nach den Verfahrensregeln geordneten Verfahrensabläufe sorgen, je nach Ausgestaltung, jedenfalls für ein Mindestmaß an Verlässlichkeit und Voraussehbarkeit im Umgang mit den verschiedenen Situationen, welche sich bei der Tätigkeit des Gremiums im Laufe der Zeit einstellen. Gleichzeitig setzen sie der Tätigkeit des Gremiums, das den jeweiligen Verfahrensregeln unterworfen ist, gewisse Grenzen. Ein Verstoß gegen die Verfahrensregeln kann, je nach deren rechtlicher Verbindlichkeit, zur Rechtswidrigkeit der jeweiligen Verfahrenshandlung führen oder zumindest die Glaubwürdigkeit des betreffenden Gremiums herabsetzen. Daher dient eine Verfahrensordnung letztlich auch der prozessualen Fairness.3923 3920
UN Doc. E/CN.4/1021/Rev. 1 vom 30. Oktober 1970. Vgl. Willliam I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 113: „The rules of procedure of a commission of inquiry are of vital importance to the smooth functioning of the commission“. 3922 Siehe Rüdiger Zuck, Europäische Grundrechtezeitschrift 42 (2015), S. 362 (362). 3923 Dies veranlasste M. Cherif Bassiouni, der der vom Sicherheitsrat eingesetzten Expertenkommission für die Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien angehörte, im Jahre 2001 zu folgender Aussage: „On a more pratical level, extraordinarily, the UN has not yet developed a system, despite the experience of the Commission (gemeint ist die genannte Kommission – Anmerkung des Verfassers) and what followed in the area of fact-finding. Thus, every new Commission, factfinding body, or mandate for individual fact-finding is ad hoc. There is no institutional memory, 3921
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Im Rahmen der Arbeit von Internationalen Organisationen finden sich Verfahrensregeln entweder direkt in völkerrechtlichen Verträgen oder in Verfahrensordnungen der Organe oder der von diesen eingesetzten Nebenorgane, von Ausschüssen und Kommissionen etc. dieser Organisationen. Im völkerrechtlichen Schrifttum wird daher die Festlegung von Verfahrensregeln auch für Untersuchungsgremien als sehr wichtig für deren Arbeit bewertet.3924 Unterschiedliche Auffassungen bestehen dabei lediglich darin, wie bestehende Lücken geschlossen werden sollten. Der österreichische Völkerrechtler Felix Ermacora etwa forderte in den späten 1960er Jahren die Anwendung der Regeln über eine internationale Untersuchungskommission aus dem I. Haager Abkommen von 1907.3925 Obwohl Ermacora als Vertreter Österreichs in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen tätig war und damit ein gewisses Praktikerwissen in die Diskussion einbrachte,3926 vermochte sich dieser Ansatz nicht durchzusetzen; dies vermutlich deshalb, weil die auf den Haager Friedenskonferenzen erarbeiteten Regelungen auf zwischenstaatliche Verfahren zugeschnitten waren und damit den Anforderungen moderner Tatsachenuntersuchungen im Kontext Internationaler Organisationen nicht gerecht wurden.3927 Andere Autoren favorisieren hingegen den Entwurf von Modellregeln innerhalb einer Internationalen Organisation, die als (Minimal-)Standard von entsprechenden Untersuchungskommissionen für ihre Arbeit als Grundlage herangezogen werden können beziehungsweise müssen.3928 and there is no system by which the experiences of the past can be used to benefit the future. It is beyond logical explanation to find that the UN has established no model or standard database and that no model or standard process for field investigations exist, including no protocols for mass grave exhumations or reconstructions of events, and no large-scale interviews of victims of witnesses.“; M. Cherif Bassiouni, Washington University Journal of Law and Policy 5 (2001), S. 35 (48). Tatsächlich existieren allerdings einige Standards im System der Vereinten Nationen hinsichtlich von spezifischen Problemlagen. Hierzu gehören etwa die bereits im Jahr 1989 verabschiedeten Principles on the Effective Prevention and Investigation of Extra-Legal, Arbitrary and Summary Executions, UN Doc. E/1989/65 vom 25. Mai 1989 oder die UN Principles on the Effective Investigation and Documentation of Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, Annex zu Resolution 55/89 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 4. Dezember 2000, UN Doc. A/RES/55/89 vom 22. Februar 2001. Siehe zu diesen Standards auch Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 309 (320 f.). 3924 Vgl. Lara Talsma, Florida Journal of International Law 24 (2012), S. 383 (406 f.); Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 308 ff.; Felix Ermacora, Revue de droit des l’hommes/Human Rights Journal 1 (1968), S. 180 ff.; Stephen B. Kaufman, American University Law Review 18 (1968 – 1969), S. 739 ff. 3925 Felix Ermacora, Revue des droits de l’homme/Human Rights Journal 1 (1968), S. 180 (205). 3926 Vgl. nur UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, S. 109. 3927 Ähnliche Argumentation bei Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 115 f. 3928 Vgl. Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 308 ff.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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2. Entstehung der Model Rules Ein wichtiger Schritt zur Ausgestaltung von (Muster-)Verfahrensregeln für Untersuchungsgremien fand in dem von den Vereinten Nationen ausgerufenen „Jahr der Menschenrechte“ 1968 statt,3929 und zwar auf der Internationalen Konferenz über Menschenrechte, welche vom 22. April bis zum 13. Mai diesen Jahres in der iranischen Hauptstadt Teheran tagte.3930 Ziel dieser Konferenz – der ersten ihrer Art – war es, die international erzielten Fortschritte bei der Verankerung und Durchsetzung der Menschenrechte seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 zu überprüfen sowie eine Agenda für die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich zu entwerfen und zu verabschieden.3931 Teil dieser Agenda war die Resolution X vom 12. Mai 1968 über „Model rules of procedure for bodies dealing with violations of human rights“.3932 Hierin hieß es: „Recognising the importance of well defined rules of procedure for the orderly and efficient discharge of their functions by the United Nations bodies concerned with the field of human rights, Noting that no such rules exist to guide them, Recommends to the Economic and Social Council that it request the Commission on Human Rights to prepare at its earliest opportunity model rules of procedure for the guidance of the United Nations bodies concerned.“
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete am 19. Dezember 1968 die Resolution 2442 (XXIII) zur Teheraner Menschenrechtskonferenz. Hieran wurden der Organe der Vereinten Nationen insgesamt aufgefordert, hinsichtlich der Beschlüsse der Konferenz in geeigneter Weise tätig zu werden:3933 „9. Invites the Secretary-General and the United Nations Organs and specialized agencies concerned to take action, as appropriate, on the resolutions and recommendations of the Conference;“
Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen leitete in Folge der Teheraner Resolution ein Ersuchen über die Erstellung von Musterverfahrensregeln an die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen weiter.3934 Diese beriet über
3929
Vgl. UN Doc. A/RES/2339 (XXII) vom 18. Dezember 1967. Archiv der Gegenwart 1968, S. 13934 f. 3931 Vgl. zu dieser Konferenz eingehend Roland Burke, Journal of World History 19 (2008), S. 275 ff. 3932 Wiedergegeben in: Final Act of the International Conference on Human Rights, S. 12; UN Doc. A/CONF.32/41 von 1968. 3933 UN Doc. A/RES/2442 (XXIII) vom 19. Dezember 1968. 3934 UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 230. 3930
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
die Thematik auf ihrer 25. Sitzung im Frühjahr 1969. Österreich und Finnland legten einen ersten Resolutionsentwurf in der Angelegenheit vor:3935 „The Commission on Human Rights, Recalling resolution X of the International Conference on Human Rights concerning model rules of procedure for bodies dealing with violations of human rights (A/CONF.32/41), Mindful of General Assembly resolution 2442 (XXIII) which in its paragraph 9 invites the United Nations organs and specialized agencies concerned to take action, as appropriate, on the resolutions and recommendations of the Conference, Conscious of the decisions taken at the 1576th meeting of the ECOSOC on 19 December 1968 on resolution X of the Conference, 1. Requests the Secretary-General to prepare a preliminary draft of model rules of procedure for ad hoc bodies of the United Nations entrusted with the study of particular situations alleged to reveal a consistent pattern of violations of human rights, taking into account the relevant discussions at the International Conference on Human Rights and in the Commission on Human Rights, 2. Requests the Secretary-General to transmit his preliminary draft of model rules of procedure to the Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities prior to its 22nd session, 3. Requests the Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities to submit to the Commission on Human Rights at its 26th session for its consideration draft models of procedure.“
Die Mitglieder der Menschenrechtskommission waren sich grundsätzlich darüber einig, dass es notwendig und wünschenswert sei, wenn bei der frühestmöglichen Gelegenheit Musterverfahrensregeln vorbereitet würden, die allen Gremien der Vereinten Nationen, die mit Verletzungen von Menschenrechten befasst seien, als Richtschnur dienen könnten, um deren Aufgaben ordnungsgemäß und in effizienter Weise durchzuführen. Es wurde zudem bemerkt, dass die Verfahrensregeln, die normalerweise auf Gremien der Vereinten Nationen Anwendung finden würden, nicht für ad-hoc-Gremien geeignet seien, da für solche Gremien besondere Maßstäbe gelten würden und diese Gremien oftmals mit heiklen Missionen betraut würden. Die bestehenden Regelungen würden nicht alle Situationen abdecken, die entstehen könnten, im Fall der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen etwa die Anhörung von Zeugen und andere spezifische Handlungsinstrumente. Die Existenz von passenden Verfahrensregeln sei auch wichtig, um in den Augen von Regierungen und der öffentlichen Meinung sicherzustellen, dass die jeweiligen Gremien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendige Objektivität und Unparteilichkeit an den Tag legen würden.3936 Allerdings bezweifelten einige Repräsentanten von Mitgliedern der Menschenrechtskommission die Zweckhaftigkeit der Erarbeitung von Musterverfahrensregeln, die für alle Gremien der Vereinten Nationen, die mit Menschenrechtsverletzungen 3935 3936
UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 232. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 234.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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befasst seien, gelten sollten. Diese Mitglieder wiesen darauf hin, dass auch auf der Konferenz in Teheran nicht alle Delegationen der Auffassung gewesen waren, dass Musterverfahrensregeln wünschenswert seien. Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass alle Gremien bereits über Regeln verfügen würden, die es ihnen ermöglichen würden, ihre jeweiligen Aufgaben zu erfüllen. Außerdem müsse es vermieden werden, dass der Menschenrechtskommission nachgeordnete Gremien als „tribunals called upon to apply international law“ behandelt würden. Diejenigen Gremien, die primär mit Untersuchungsaufgaben betraut seien, würden sich selbst keine Verfahrensordnung von juristischer Natur geben und müssten nur dem Auftrag folgen, der ihnen von ihrem Muttergremium übertragen worden sei. Auch wurde von denjenigen Repräsentanten, die Zweifel hatten, vorgetragen, dass jeder Versuch, Musterverfahrensregeln auf alle (damals) bestehenden und zukünftigen Gremien anzuwenden, deren Tätigkeit und Effizienz behindern könne.3937 Einige weitere Repräsentanten sahen zwar Musterverfahrensregeln auch als nutzbringend an, wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass es wünschenswert sei, wenn diese Regeln nicht zu starr seien, um dem betreffenden Gremium nicht die Handlungsfreiheit zu nehmen. Die Musterverfahrensregeln sollten nur Grundsätzliches enthalten und ad-hoc-Gremien sollten komplette Handlungsfreiheit in allen Situationen behalten, die nicht von den Musterverfahrensregeln erfasst seien.3938 Auf der Grundlage der Diskussionen in der Menschenrechtskommission wurde durch die beiden, die ursprüngliche Resolution einbringenden Mitglieder, ein überarbeiteter Entwurf für eine Resolution vorgestellt. Insbesondere Chile und Italien hatten dabei wertvolle Hinweise für die Überarbeitung des Resolutionsentwurfs gegeben. Der operative Teil des Resolutionsentwurfs wurde dabei wie folgt neu gefasst:3939 „1. Decides to prepare model rules of procedure for ad hoc bodies of The United Nations entrusted with the study of particular situations alleged to reveal a consistent pattern of violations of human rights, 2. Requests the Secretary-General to facilitate this task by submitting a draft of model rules of procedure to the Commission on Human Rights at its twenty-sixth session for its consideration, taking into account the relevant discussions at the International Conference on Human Rights and in the Commission on Human Rights.“
Die meisten Mitglieder der Menschenrechtskommission hießen diesen Vorschlag willkommen.3940 Allerdings gaben einige Mitglieder der Menschenrechtskommission zu bedenken, dass der neue Text des Resolutionsentwurfs in Bezug auf die Resolution 1235 (XLII) des Wirtschafts- und Sozialrates problematisch sei, die den Kompetenzbe3937 3938 3939 3940
UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 235. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 237. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 233. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 238.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
reich der Menschenrechtskommission festlegen würde.3941 Die in dieser Hinsicht kritisch eingestellten Mitglieder der Menschenrechtskommission verwiesen auf den zweiten Absatz der genannten Resolution, worin auf „information relevant to gross violations of human rights and fundamental freedoms“ hingewiesen wird, sowie auf den dritten Absatz, der auf „a thorough study of situations which reveal a consistent pattern of violations of human rights“ verweist. Der operative Teil des Resolutionsentwurfs würde nur – so die Kritik – den Wortlaut des dritten Absatzes aufnehmen; zudem würde ein Verweis auf den Begriff „gross“ im Verhältnis zu Menschenrechtsverletzungen fehlen. Das offensichtliche Ziel des Wirtschafts- und Sozialrates, so die Kritik weiter, sei es gewesen, die Menschenrechtskommission in die Lage zu versetzen, schwere Verletzungen der Menschenrechte zu untersuchen, wie etwa die Politiken der Apartheid und der Rassentrennung im südlichen Afrika, namentlich in Südafrika und in Rhodesien. Es sei in diesem Zusammenhang klar, dass der dritte Absatz von Resolution 1235 (XLII) mit dem zweiten Absatz in Verbindung stehen würde. Die Kritiker schrieben dem Resolutionsentwurf daher letztendlich einen ultra-vires-Charakter zu. Die Menschenrechtskommission habe keine Kompetenz in den Bereichen jeglicher Menschenrechtsverletzungen, sondern sie sei verfassungsmäßig auf solche Menschenrechtsverletzungen beschränkt, die ihrer Art nach „gross violations“ seien und die „a consistent pattern“ aufweisen würden.3942 Gegen diese Kritik wurde jedoch das Argument vorgebracht, dass sehr wohl ein Unterschied zwischen dem Ausdruck „gross violations“ im zweiten Absatz der Resolution 1235 (XLII) und dem Ausdruck „a consistent pattern of violations“ im dritten Absatz dieser Resolution bestünde. Der zweite Absatz beziehe sich auf solche Informationen, welche die Menschenrechtskommission empfangen und untersuchen dürfe, während der dritte Absatz der Kommission eine gewisse Initiativbefugnis verleihe. Der Kommission werde so die Kompetenz übertragen, eine Studie in Auftrag zu geben, mittels derer in Erfahrung gebracht werden könne, ob eine Situation bestehen würde, in der „a consistent pattern of violations“ zu besorgen sei. Daher sei es verständlich, wenn der Resolutionsentwurf die Formulierung des dritten Absatzes der Resolution 1235 (XLII) aufgreife, der insofern die Kompetenz der Menschenrechtskommission in diesem Bereich festlegen würde.3943 Auch gab es bei einigen Mitgliedern der Menschenrechtskommission Bedenken hinsichtlich des in dem Resolutionsentwurf vorgesehenen Verfahrens zur Schaffung der Musterverfahrensregeln. In diesem Zusammenhang wurde kritisiert, dass Resolution X der Teheraner Menschenrechtskonferenz empfohlen habe, dass die Musterverfahrensregeln von der Menschenrechtskommission selbst vorbereitet werden sollten. Eine Befassung des Generalsekretärs sei, anders als dies im ersten Absatz des operativen Teils des Resolutionsentwurfs vorgesehen sei, nicht angedacht gewesen. Zudem gab es Zweifel daran, dass es sinnvoll sei, den Entwurf der Un3941 3942 3943
Siehe hierzu schon oben unter 3. Teil § 2 A. V. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 239. UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 240.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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terkommission für die Verhinderung von Diskriminierung und den Schutz von Minderheiten zuzuleiten, wie dies im zweiten Absatz des Resolutionsentwurfs vorgesehen sei. Hierzu wurde angeführt, dass die Unterkommission sehr stark mit Arbeit belastet sei. Außerdem falle eine solche Tätigkeit offensichtlich aus dem Aufgabenbereich der Unterkommission heraus. Diese Argumente wurden von den den Resolutionsentwurf einbringenden Kommissionsmitgliedern bei der Überarbeitung des Entwurfs berücksichtigt.3944 Letztlich herrschte Einmütigkeit darüber, dass es die Aufgabe der Menschenrechtskommission sei, die Musterverfahrensregeln vorzubereiten. Der Generalsekretär sollte jedoch darum gebeten werden, die Kommission bei ihrer Aufgabe zu unterstützen und einen Entwurf auf deren 26. Sitzung vorzulegen. Es wurde hervorgehoben, dass der Generalsekretär im Bereich des Fact-Finding über wichtige Erfahrungen verfüge, wie sein Bericht über die Methoden des Fact-Finding3945 belege, welcher einige nützliche Beispiele von ad-hoc-Gremien der Vereinten Nationen bereithalte. In organisatorischer Hinsicht wurde noch vorgeschlagen, dass es sinnvoll sei, eine kleine Arbeitsgruppe einzusetzen, die den Entwurf der Musterverfahrensregeln kommentieren solle, bevor er der Menschenrechtskommission vorgelegt werde.3946 Schließlich wurde der geänderte Resolutionsentwurf als Resolution 8 (XXV) bei dem 1016. Treffen der Menschenrechtskommission am 4. März 1969 mit 22 Stimmen angenommen, sechs Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme.3947 Auf der 26. Sitzung der Menschenrechtskommission im Frühjahr 1970 stand, wie in der Resolution 8 (XXV) vorgesehen, die Thematik der Musterverfahrensregeln wieder auf der Agenda.3948 Der Generalsekretär legte, gemäß dem Auftrag, welcher ihm durch die Resolution 8 (XXV) erteilt worden war, einen vorläufigen Entwurf von Musterverfahrensregeln vor.3949 Allerdings entschied die Menschenrechtskommission, dass sie selbst für eine Befassung zu wenig Zeit habe.3950 Es kam jedoch zu einer knappen Diskussion. Einige Mitglieder der Menschenrechtskommission brachten zum Ausdruck, dass der Inhalt des vorläufigen Entwurfs ausgewogen sei und genügend Flexibilität biete, um ad-hoc-Gremien nicht in ihren Untersuchungstätigkeiten zu behindern. Interessanterweise brachten einige Vertreter kritisch ein Argument gegen die Musterverfahrensregeln vor, welches in ähnlicher Form bereits auf der Haager Friedenskonferenz von 1899 bei den Beratungen über die Schaffung von völkerrechtlichen Regeln über die internationale Untersuchungskommission geäußert worden war und welches im Kontext der Vereinten Nationen vor dem Hinter3944
UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 241. UN Doc. A/5694 von 1967. 3946 UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 242. 3947 UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, Rn. 243 f.; der Gesamttext der Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. E/4621-E/CN.4/1007 von 1969, S. 185. 3948 UN Doc. E/4816-E/CN.4/1039 von 1970, S. 3. 3949 UN Doc. E/4816-E/CN.4/1039 von 1970, Rn. 175. 3950 UN Doc. E/4816-E/CN.4/1039 von 1970, Rn. 176. 3945
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
grund des in Artikel 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Interventionsverbots gesehen werden muss3951: „(…) such model rules might open the way for intervention in the internal affairs of Governments“.3952 Ein einzelner Vertreter brachte zudem, wohl anknüpfend an die Diskussion auf der 25. Sitzung der Menschenrechtskommission, vor, dass die Musterverfahrensregeln nur für schwere Menschenrechtsverletzungen, wie die Politik der Apartheid oder Rassendiskriminierung, gelten sollten.3953 Österreich und Finnland brachten erneut einen Resolutionsentwurf ein, in welchem die Wertschätzung für die Arbeit des Generalsekretärs zum Ausdruck gebracht und die Beratung auf die nächste, also die 27. Sitzung der Menschenrechtskommission vertagt wurde. Da nicht alle Mitglieder der Kommission Gelegenheit hatten, sich zu dem Dokument des Generalsekretärs zu äußern, wurde der Resolutionsentwurf dahingehend abgeändert, dass keine Bezugnahmen mehr enthalten waren, die als eine Billigung des vorläufigen Entwurfs der Musterverfahrensregeln angesehen werden könnten. Dieser geänderte Entwurf wurde schließlich mit 23 Stimmen, zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen auf dem 1079. Treffen der Menschenrechtskommission am 19. März 1970 als Resolution 9 (XXVI) angenommen:3954 „The Commission on Human Rights, Taking into account the note by the Secretary-General of 18 February 1970 (E/CN.4/1021), Decides to resume consideration of the above-mentioned document at its twenty-seventh session.“
Entsprechend dieser Resolution wurde die Thematik der Musterverfahrensregeln auf die Agenda der 27. Sitzung der Menschenrechtskommission im Frühjahr 1971 gesetzt.3955 Auf dieser Sitzung legte der Generalsekretär eine leicht revidierte Fassung seines vorläufigen Entwurfs der Musterverfahrensregeln vor.3956 Der Entwurf des Generalsekretärs enthielt 25, teils sehr detaillierte Regelungen für die Arbeit von ad-hoc-Gremien. Diese Regeln waren in elf Sektionen eingeteilt. In der ersten Sektion (Regeln 1, 2) wurde die Anwendbarkeit der Model Rules thematisiert, in der zweiten Sektion waren Regeln über die Konstituierung des ad-hoc-Gremiums niedergelegt (Regeln 3 bis 10), die dritte Sektion beinhaltete Regelungen über die Tagesordnung der Sitzungen (Regel 11), die vierte Sektion war Fragen über die Funktionsträger des ad-hoc-Gremiums gewidmet (Regel 12), in der fünften Sektion waren Regelungen über das Sekretariat des Gremiums enthalten (Regel 13), Vorschriften über die Arbeitssprache(n) des Gremiums und andere Fragen hinsichtlich zu benutzender Sprachen bei dessen Arbeit waren in der sechsten Sektion zu finden 3951
Hierzu schon 3. Teil § 2 A. VI. 2. Siehe zu der entsprechenden Diskussion auf der Haager Friedenskonferenz von 1899 2. Teil § 2 A. I. 2. c) ff. 3953 UN Doc. E/4816-E/CN.4/1039 von 1970, Rn. 177. 3954 Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. E/4816-E/CN.4/1039 von 1970, S. 79. 3955 UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, S. 3. 3956 UN Doc. E/CN.4/1021/Rev. 1 vom 30. Oktober 1970. 3952
§ 2 Die Vereinten Nationen
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(Regel 14), die siebte Sektion enthielt Regeln über Abstimmungsfragen sowie die ordnungsgemäße Geschäftsführung in dem ad-hoc-Gremium (Regeln 15, 16), in der achten Sektion waren Regelungen über die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu finden (Regel 17), die neunte Sektion hatte Regeln über mündliche und schriftliche Aussagen von Zeugen sowie Regeln über weitere Informationsquellen für das ad-hoc-Gremium zum Gegenstand (Regeln 18 bis 23), in der zehnten Sektion waren Regeln über die Anfertigung von Protokollen niedergelegt (Regel 24) und in der elften Sektion waren schließlich noch Regelungen über die Anfertigung von Berichten durch das ad-hoc-Gremium enthalten (Regel 25). Diese Fassung der Musterverfahrensregeln war mit der vorherigen Fassung nahezu identisch und enthielt lediglich einige klarstellende Änderungen.3957 Die Diskussion über den Entwurf des Generalsekretärs verlief kontrovers. Einige Mitglieder der Menschenrechtskommission zeigten zwar eine grundsätzliche Unterstützung für den Entwurf an, meinten aber, sie könnten nicht für den Text in der vorliegenden Fassung stimmen. Andere Mitglieder waren, wie schon auf der 26. Sitzung, der Meinung, dass für eine gründliche Erörterung des Entwurfs nicht genügend Zeit zur Verfügung stehe; sie regten an, diese Aufgabe einem besonderen Ausschuss zu übertragen.3958 Weitere Mitglieder waren der Auffassung, dass die Menschenrechtskommission den Entwurf als Grundlage für Gremien, die mit Ermittlungen in Menschenrechtsfragen befasst seien, befürworten solle, ohne ihn formell anzunehmen. So könnten die Musterverfahrensregeln später geändert, ergänzt oder verbessert werden, falls dies nötig sei, bevor sie durch die Kommission angenommen würden.3959 Wenige Mitglieder der Menschenrechtskommission waren der Auffassung, dass Musterverfahrensregeln in Gänze unnötig seien, da gewöhnlich jedes Gremium der Vereinten Nationen, welches mit Untersuchungen im Bereich der Menschenrechte befasst sei, sich seine eigenen Verfahrensregeln gebe. Daher wurde von diesen Vertretern angezweifelt, dass es ratsam sei, abstrakte Regeln anzunehmen, welche dann von dem Gremium angepasst werden müssten.3960 Weitere Vertreter äußerten zwar Zustimmung zu den Musterregeln, waren aber der Auffassung, dass es auf der 27. Sitzung der Menschenrechtskommission nicht zu einer Verabschiedung der Regeln, weder in direkter noch in indirekter Weise, kommen dürfe. Die Musterverfahrensregeln nicht zu verabschieden würde keine Zurückweisung der Regeln bedeuten, sondern lediglich einen Aufschub ihrer Beratung auf eine zukünftige Sitzung, auf der sie sorgsam untersucht werden könnten.3961 Einige Mitglieder vertraten wiederum die Auffassung, dass die Musterverfahrensregeln eine Möglichkeit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates eröffnen würden. Hierbei standen insbesondere die Regeln 17, 18 und 20 in der Kritik, die 3957 3958 3959 3960 3961
UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 226. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 228. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 229. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 230. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 231.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
gewisse Zusammenarbeitsverpflichtungen zwischen dem ad-hoc-Gremium und dem betroffenen Staat beziehungsweise den betroffenen Staaten im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Menschenrechtssituation sowie Bestimmungen zu Fragen bezüglich des Umgangs mit Zeugen vorsahen.3962 Es wurde hervorgehoben, dass die Einwilligung der betroffenen Staaten von entscheidender Bedeutung sei. Würde eine solche Einwilligung nicht vorliegen, wäre das Ergebnis „not (…) international cooperation but international altercation between the States involved in claims of serious violations of human rights by one or more of them“.3963 Es wurde weiterhin vorgeschlagen, dass die Menschenrechtskommission hinsichtlich von zwei unterschiedlichen Konstellationen in der Angelegenheit unterscheiden solle. Die erste Konstellation bestünde in Situationen, in denen Völkerrecht anwendbar sei, entweder auf der Grundlage von internationalen Dokumenten oder auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Hierunter fielen zum einen Situationen, in denen ein Staat Menschenrechtsverletzungen außerhalb seines eigenen Staatsgebiets, also in Gebieten, die dieser Staat besetzt halten würde und in denen weder die Gesetze des besetzenden Staates Anwendung finden noch die einheimischen Gesetze Geltung entfalten könnten, begehen würde. Zum anderen in Situationen innerhalb der Grenzen eines Staates, in denen die nationalen Gesetze zur Anwendung kommen würden, wo jedoch sehr schwere Menschenrechtsverletzungen zu besorgen seien, die eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie einen Affront gegen die Menschlichkeit darstellen würden und bei denen internationale Besorgnis zu einer internationalen Aktion gegen die Menschenrechtsverletzungen führen würde. Die zweite Konstellation würde Situationen betreffen, in denen nationales Recht Anwendung finden würde und in denen Beschwerden über systematische Menschenrechtsverletzungen vorgebracht würden. In diesen Situationen sei es essenziell, die Einwilligung des betroffenen Staates sowie dessen Kooperation vorliegen zu haben, um solchen Beschwerden nachgehen zu können, ohne die Souveränität des betroffenen Staates zu beeinträchtigen. Daher seien möglicherweise verschiedene Arten von Regelungen notwendig, welche den unterschiedlichen Situationen gerecht werden könnten.3964 Während der Debatte auf der 27. Sitzung der Menschenrechtskommission bildete sich ein Konsens zwischen den Mitgliedern der Menschenrechtskommission zu drei Punkten heraus. Erstens sollte die Kommission die vom Generalsekretär vorgelegten Musterverfahrensregeln nicht verabschieden, bevor diese gründlich studiert worden seien. Zweitens sollten die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ausreichend Gelegenheit erhalten, die Regeln zu studieren und Kommentare hierzu anzubringen, bevor die Kommission eine Entscheidung treffen würde. Dies wurde damit begründet, dass die Musterverfahrensregeln nur dann ihre Wirkung entfalten könnten, 3962 3963 3964
Hierzu 3. Teil § 2 C. VI. sowie 3. Teil § 2 C. VII. 3. h). UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 232. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 233.
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wenn eine Mehrheit der Staaten die Regeln unterstützen würde. Drittens wurde es für ratsam erachtet, wenn ein kleiner Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe von fünf Rechtsexperten aus den Mitgliedern der Kommission, die aus den fünf Weltregionen stammen sollten, gebildet würde. Diesem Gremium solle dann die Aufgabe zukommen, den Text der Musterverfahrensregeln kritisch zu untersuchen und ihn für die Annahme durch die Menschenrechtskommission vorzubereiten. Diese Arbeitsgruppe solle sich umgehend vor der 28. Sitzung der Menschenrechtskommission treffen und bei ihrer Arbeit alle Kommentare und Beobachtungen beachten, die zu den Musterverfahrensregeln ausgebracht worden seien, insbesondere Kommentare und Beobachtungen von Regierungen.3965 Finnland und Österreich legten in der Angelegenheit einen neuen Resolutionsentwurf vor.3966 Dieser wurde nochmals überarbeitet, um denjenigen Punkten Rechnung tragen zu können, über die während der Diskussion in der Menschenrechtskommission keine Einigkeit erzielt werden konnte. Der Entwurf wurde als Resolution 14 (XXVII) mit 15 Ja-Stimmen, keiner Nein-Stimme und drei Enthaltungen auf der 1134. Treffen der Kommission am 24. März 1971 angenommen.3967 Diese Resolution hatte folgenden Wortlaut:3968 „The Commission on Human Rights, Recalling Commission resolutions 8 (XXV) and 9 (XXVI), Taking note of the fact that the Special Committee established in accordance with paragraph 4 of General Assembly Resolution 2443 (XXIII) of 19 December 1968 was guided by the the model rules of procedure for United Nations bodies dealing with violations of human rights contained in the note by the Secretary-General (E/CN.4/1021/Rev.1), 1. Decides to establish a working group of five of its members to meet, if possible, immediately before the twenty-eighth session of the Commission to examine the model rules of procedure in the note by the Secretary-General, taking into account the views expressed during the twenty-seventh session of the Commission and to report to the twenty-eighth session of the Commission; 2. Decides to resume consideration of this matter at its twenty-eighth session; 3. Requests the Secretary-General to transmit the model rules contained in the note by the Secretary-General for comment by Member States and submit such comments as may be received to the working group and the Commission.“
Es wurde vereinbart, dass der Vorsitzende der Menschenrechtskommission nach entsprechenden Konsultationen mit den Kommissionsmitgliedern aus den fünf geographischen Regionen die Mitglieder der in Abs. 1 des operativen Teils der Resolution 14 (XXVII) vorgesehenen Arbeitsgruppe auswählen sollte. Er bestimmte hierzu Marokko, die Niederlande, Pakistan, Uruguay und ein weiteres Mitglied, 3965 3966 3967 3968
UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 234. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 227. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 236 f. UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, S. 90.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
welches nach Konsultationen mit den Kommissionsmitgliedern der osteuropäischen Staaten ausgewählt werden sollte.3969 Uruguay wurde später gegen Chile ausgetauscht.3970 Auf der 28. Sitzung der Menschenrechtskommission im Frühjahr 1972 legte die Arbeitsgruppe ihren Bericht vor.3971 Zudem lag der Kommission ein Dokument des Generalsekretärs mit den Kommentaren verschiedener Mitgliedstaaten zu dem vorläufigen Entwurf der Musterverfahrensregeln vor. Ein Mitglied der Menschenrechtskommission ersuchte die Arbeitsgruppe, auch Kommentare zu den Musterverfahrensregeln zu bedenken, welche von Nichtregierungsorganisationen vorgebracht worden waren.3972 Österreich, Chile, Marokko, die Niederlande und Pakistan brachten zudem einen weiteren Resolutionsentwurf in der Angelegenheit ein.3973 Hinsichtlich dessen kam es allerdings zu einer Diskussion über Feinheiten bezüglich des genauen Wortlauts der Resolution;3974 dies führte letztlich dazu, dass der Vertreter von Ghana in der Kommission den Vorschlag machte, alle übrigen Diskussionen in der Angelegenheit zu vertagen. Dieser Vorschlag wurde mit elf Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und acht Enthaltungen auf dem 1182. Treffen der Menschenrechtskommission angenommen.3975 Eine Resolution wurde folglich nicht verabschiedet. Auf der 29. Sitzung der Menschenrechtskommission im Frühjahr 1973 kam es zu keinen maßgeblichen Entwicklungen in Sachen Musterverfahrensregeln.3976 Vielmehr wurde von Seiten der Arbeitsgruppe darauf hingewiesen, dass sie wegen fehlender Zeit nicht in der Lage gewesen sei, ihre Beratungen und Überlegungen zu den Musterverfahrensregeln, die der Generalsekretär vorgelegt hatte, abzuschließen. Dies solle jedoch unmittelbar vor der 30. Sitzung der Menschenrechtskommission geschehen.3977 Österreich, die Niederlande, Chile, Ghana und Pakistan brachten einen Entwurf ein, der auf dem 1233. Treffen der Menschenrechtskommission im Konsens angenommen wurde.3978 Die Resolution 15 (XXIX) hatte dabei Folgendes zum Inhalt:3979 „The Commission on Human Rights, Recalling its resolution 14 (XXVII), by which it established a working group of five of its members to meet, if possible, immediately before the twenty-eighth session of the Com3969 3970 3971 3972 3973 3974 3975 3976 3977 3978 3979
UN Doc. E/4949-E/CN.4/1068 von 1971, Rn. 238. UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 155. UN Doc. E/CN.4/1086 von 1972; UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 153. UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 153. UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 155. UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 156 ff. UN Doc. E/5113-E/CN.4/1097 von 1972, Rn. 159 f. UN Doc. E/5625-E/CN.4/1127 von 1973, Rn. 266 ff. UN Doc. E/5625-E/CN.4/1127 von 1973, Rn. 267. UN Doc. E/5625-E/CN.4/1127 von 1973, Rn. 267, 270. UN Doc. E/5625-E/CN.4/1127 von 1973, S. 75.
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mission to examine the preliminary draft model rules of procedure for United Nations bodies dealing with violations of human rights (E/CN.4/102 l/Rev.1), Noting the report of the Working Group established under its resolution 14 (XXVIl) and in particular the text of the draft rules adopted by the Working Group (E/CN.4/1086), Noting also that owing to lack of time the Working Group did not complete the consideration of the draft model rules, 1. Requests the Secretary-General to transmit the report of the Working Group to Member States and to invite them to comment on this report and, if they have not yet done so, on the preliminary draft model rules of procedure prepared by the Secretary-General; 2. Requests the Working Group to meet again immediately before the thirtieth session of the Commission, with a view to continuing and completing the examination of the draft model rules of procedure; 3. Decides to consider this matter as a priority item at its thirtieth session.“
Auf der 30. Sitzung im Frühjahr 1974 legte die Arbeitsgruppe schließlich die Model Rules of Procedere for United Nations Bodies Dealing with Violations of Human Rights vor.3980 Der Vertreter der Niederlande, der zu diesem Zeitpunkt als Vorsitzender der Arbeitsgruppe fungierte, führte in die überarbeiteten Regeln ein. Er erklärte, dass die Regeln über die Anwendbarkeit der Musterverfahrensregeln, über die Zusammenarbeit eines Untersuchungsgremiums mit den Mitgliedstaaten und zu den Informationsquellen in dem Entwurf der Arbeitsgruppe (dort Regeln 1, 17 und 18) in Klammern erscheinen würden, da hierüber kein Konsens habe erzielt werden können. Diese Regeln würden eine „general line of thinking“ in der Arbeitsgruppe repräsentieren. Weiterhin wies der Vorsitzende der Arbeitsgruppe darauf hin, dass deren Arbeit stets unter dem Leitgedanken gestanden habe, einen Ausgleich zwischen einer größtmöglichen Flexibilität der Regeln, die ein ad-hoc-Gremium benötige, um seine Arbeit effektiv ausführen zu können, einerseits und detaillierten Regeln, die das Muttergremium befähigen würden, einem ad-hoc-Gremium eine ausreichende Anleitung an die Hand zu geben, andererseits zu schaffen.3981 Österreich, Pakistan, die Niederlande und Nigeria brachten in der Angelegenheit noch einen Resolutionsentwurf ein.3982 Dieser wurde auf dem 1284. Treffen der Menschenrechtskommission im Konsens mit leichten Änderungen als Resolution 9 (XXX) angenommen.3983 Diese Resolution hatte folgenden Wortlaut:3984 „The Commission on Human Rights, Recalling its resolutions 8 (XXV), l4 (XXVIl) and 15 (XXIX), Noting the reports of the Working Group on model rules of procedure for United Nations bodies dealing with violations of human rights (E/CN.4/1086 and E/CN.4/1134), 3980 Wiedergegeben in dem Anhang zu dem Bericht der Arbeitsgruppe in: UN Dok. E/CN.4/ 1134 vom 1. Februar 1974; siehe auch UN Doc. E/5464-E/CN.4/1154 von 1974, Rn. 124. 3981 UN Doc. E/5464-E/CN.4/1154 von 1974, Rn. 125. 3982 UN Doc. E/5464-E/CN.4/1154 von 1974, Rn. 127. 3983 UN Doc. E/5464-E/CN.4/1154 von 1974, Rn. 128 f. 3984 UN Doc. E/5464-E/CN.4/1154 von 1974, S. 6, 54.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Recommends to the Economic and Social Council the following draft resolution for its adoption: The Economic and Social Council, Recalling resolution X adopted by the International Conference on Human Rights held at Teheran in 1968, Taking into account a preliminary draft of model rules of procedure for ad hoc bodies of the United Nations entrusted with studies of particular situations alleged to reveal a consistent pattern of violations of human rights, prepared by the Secretary-General (E/CN.4/I021/ Rev. l), Takes note of the reports of the Working Group on model rules of procedure for United Nations bodies dealing with violations of human rights (E/CN.4/1086 and E/CN.4/1134), and brings those reports to the attention of all organs and bodies within the United Nations system dealing with questions of human rights and fundamental freedoms.“
Damit war die Befassung der Menschenrechtskommission in der Thematik der Musterverfahrensregeln für ad-hoc-Untersuchungsgremien im Bereich von Menschenrechtsverletzungen abgeschlossen. Aufgrund der Änderungen, welche die Arbeitsgruppe in ihrem Entwurf der Musterverfahrensregeln im Gegensatz zu demjenigen des Generalsekretärs vorgenommen hatte, kann der Entwurf der Arbeitsgruppe nur als unvollkommen und auch unzureichend angesehen werden. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass es gerade bei dem kritischen Punkt der Anwendbarkeit der Regeln, sowie bei den für jede internationale Untersuchung maßgeblichen Fragen der Informationsquellen und der Zusammenarbeit zwischen Untersuchungsgremium und dem von der Untersuchung betroffenen Staat beziehungsweise den betroffenen Staaten, zu keiner Einigung in der Arbeitsgruppe kam. Das Werk der Arbeitsgruppe sei vage und enthalte nichts Konkretes, urteilt dann auch konsequenterweise Roger S. Clark.3985 Thomas M. Franck und H. Scott Fairley sind in ihrer Auffassung noch weitaus deutlicher und stellen fest, dass der Entwurf der Arbeitsgruppe für all diejenigen, die um die Glaubhaftigkeit und ein gerechtes Verfahren im Bereich der internationalen Tatsachenfeststellungen besorgt gewesen seien, keine Antworten bieten würde und dass alle Schlüsselfragen durch den Entwurf nicht beantwortet worden seien.3986 Obwohl, wie gerade gezeigt, der Regelung des Verfahrens der Tatsachenfeststellungen allgemein, also auch speziell im Bereich der Menschenrechte, während der 1960er und frühen 1970er Jahre ein hoher Stellenwert innerhalb der Vereinten Nationen zukam, war den Model Rules nur selten Verwendung beschieden.3987 Die 3985 Roger S. Clark, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 85 (114). 3986 Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 308 (321). 3987 Eine Ausnahme bildet insofern etwa das Special Committee to Investigate Israeli Practices der Generalversammlung der Vereinten Nationen, welches auf der Grundlage der Resolution 2443 (XXIII) vom 19. Dezember 1968 von diesem Organ der Weltorganisation ins Leben gerufen wurde. Dieses gab sich zwar selbst eine Verfahrensordnung, ließ sich dabei aber
§ 2 Die Vereinten Nationen
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Model Rules wurden zwar Mitte Mai 1974 durch eine knappe Resolution des Wirtschafts- und Sozialrates allen mit Menschenrechten befassten Organen und Gremien der Vereinten Nationen zur Kenntnis gebracht;3988 die Regeln wurden aber niemals offiziell in einer Resolution angenommen.3989 Im völkerrechtlichen Schrifttum wurde hierzu bemerkt, dass die Musterverfahrensregeln in der Zwischenzeit in der (Menschenrechts-)Praxis der Vereinten Nationen (wohl) weitgehend dem Vergessen anheimgefallen seien.3990 Trotz des beschriebenen Schicksals der Musterverfahrensregeln können sie immerhin, wie dies bereits in Resolution X der Teheraner Menschenrechtskonferenz angelegt war, eine Richtlinie für die Arbeit insbesondere von Untersuchungskommissionen, welche sich mit der Verletzung von Menschenrechten zu befassen haben, bieten.3991 Wegen der Defizite des Entwurfs der Arbeitsgruppe wird in der Folge jedoch nur der Entwurf der Musterverfahrensregeln des Generalsekretärs herangezogen. Dieser ist Gegenstand der nachfolgenden Erläuterungen.
maßgeblich von dem Entwurf des Generalsekretärs der Vereinten Nationen von 1970 leiten; vgl. insoweit auch die Präambel der oben wiedergegebenen Resolution 14 (XXVII) der Menschenrechtskommission. Das Special Committee beschloss lediglich einige untergeordnete inhaltlich Anpassungen an die eigene Verfahrensordnung, vgl. Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 116 f. 3988 ECOSOC Res. 1870 (LVI) vom 17. Mai 1974, UN Doc. E/5544 von 1974. Vgl. auch Kurt Herndl, in: Manfred Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, S. 1 (29). 3989 S. auch Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 115. 3990 Diese Feststellung traf schon im Jahre 1988 Kurt Herndl, in: Manfred Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, S. 1 (29); diesem Befund schließt sich Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 115, an. 3991 Auch Kurt Herndl, in: Manfred Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewußtsein der Grundund Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, S. 1 (29) verwendet insofern den Begriff „Guideline“. Herndl weist zudem darauf hin, dass bei der Schaffung ähnlicher Musterverfahrensregeln für Missionen im Bereich der menschenrechtlichen Tatsachenfeststellungen im Rahmen von Nichtregierungsorganisationen allerdings durchaus der Einfluss der Arbeit der Vereinten Nationen zu erkennen sei. Er nennt dabei die Belgrade Minimal Rules of Procedure for International Human Rights Fact-Finding Missions als Beispiel, die auf der 59. Tagung der International Law Association vom 18. bis zum 23. August 1980 in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad im Konsens angenommen wurden. Diese Regelsammlung wurde zuvor durch einen speziellen Unterausschuss der International Law Association vier Jahre lang vorbereitet. Hierdurch wird bereits eine zeitliche Nähe zu der letzten Version der Musterverfahrensregeln belegt. Die Regeln von Belgrad sind wiedergegeben in: American Journal of International Law 75 (1981), S. 163 ff.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
3. Inhalt der Musterverfahrensregeln a) Anwendbarkeit In den Regeln 1 und 2 enthält die Sektion I der Musterverfahrensregeln von 1970 Regelungen über ihren Anwendungsbereich und ihre Modifizierbarkeit. aa) Anwendungsbereich (Regel 1) In Regel 1 der Model Rules von 1970 wird der Anwendungsbereich dieser Regeln bestimmt. Danach sind die Regelungen der Musterverfahrensregeln auf die Entscheidungen von ad-hoc-Gremien der Vereinten Nationen, die von einem zuständigen Organ der Vereinten Nationen mit der Untersuchung einer Situation, in denen die fortgesetzte Verletzung von Menschenrechten zu befürchten steht, anwendbar. Mit dieser Regelung wird also klargestellt, dass die Musterverfahrensregeln für menschenrechtliches Fact-Finding geschaffen wurden. Da es sich allerdings um Musterregeln handelt, die bereits ihrer Natur nach eine gewisse Allgemeinheit in ihren Formulierungen und ihren Regelungskonzepten in sich tragen, könnten diese Regeln allerdings durchaus auch für ad-hoc-Gremien Anwendung finden, die einen nicht-menschenrechtlich determinierten Untersuchungsauftrag erhalten haben. bb) Modifizierbarkeit (Regel 2) Dem Umstand Rechnung tragend, dass jede Mission eines ad-hoc-Gremiums eine andere Natur hat und anderen Umständen begegnet, erlaubt es Regel 2 dem Organ der Vereinten Nationen, das ein solches Gremium ins Leben ruft, dieses Gremium zu ermächtigen, die Musterverfahrensregeln zu modifizieren oder weitere Regelungen hinzuzufügen, wenn dies von dem Gremium für nötig befunden wird, um die ihm übertragene Aufgabe auszuführen. Diese in der Regelung gegebene Befugnis bedeutet also im Falle, dass von ihr Gebrauch gemacht wird, eine Flexibilisierungsmöglichkeit für die Verfahrensordnung des eigentlichen Gremiums. Regel 2 lässt allerdings die Frage offen, ob ein Untersuchungsgremium, etwa eine Untersuchungskommission, wie in der Praxis oft geschehen, befugt ist, ohne ausdrückliche Ermächtigung durch das einsetzende Organ, sich selbst eine Verfahrensordnung zu geben. Eine solche Verfahrensordnung muss sich jedenfalls im Rahmen des dem Gremium oder der Kommission erteilten Mandats halten, da dieses die Grundlage für die Untersuchung bildet und wie oben bereits beschrieben, keiner extensiven Auslegung durch die jeweilige Kommission oder das jeweilige Gremium zugänglich ist. Im Übrigen genießt ein Untersuchungsgremium innerhalb der Grenzen seines Mandats Autonomie bei der Gestaltung des ihm übertragenen Verfahrens.3992 3992
Vgl. William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 120;
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b) Konstituierung des ad-hoc-Gremiums In den Regeln 3 bis 10 der Musterverfahrensregeln von 1970, also der Sektion II, sind Regelungen über die Konstituierung des ad-hoc-Gremiums enthalten. aa) Ad-hoc-Gremium als Nebenorgan sowie Mandat des ad-hoc-Gremiums (Regel 3) Regel 3 der Musterverfahrensregeln von 1970 bestimmt, dass das jeweilige adhoc-Gremium als ein Nebenorgan desjenigen Organs angesehen werden soll, welches das ad-hoc-Gremium geschaffen hat, und dass der Arbeitsauftrag des ad-hocGremiums derjenige ist, der durch die Resolution oder eine andere Entscheidung des Organs, das das ad-hoc-Gremium geschaffen hat, oder durch ein anderes zuständiges Organ der Vereinten Nationen bestimmt wurde. Damit hebt die Regelung in ihrem ersten Teil auf die in Artikel 7 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen enthaltene, oben bereits beleuchtete Möglichkeit der Schaffung von Nebenorgane durch die Hauptorgane der Vereinten Nationen ab und zeigt damit gleichzeitig an, dass ad-hocGremien, welche zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden, auch der Status eines Nebenorgans gebührt. Der zweite Teil von Regel 3 normiert zunächst, dass ein ad-hoc-Gremium seinen Arbeitsauftrag nicht selbstständig definieren darf, sondern die Vorgaben einzuhalten hat, welche ihm gegeben wurden. Darüber hinaus wird in der Regel der Möglichkeit der arbeitsteiligen Errichtung eines ad-hoc-Gremiums durch verschiedene Organe der Vereinten Nationen Rechnung getragen. bb) Mitgliedschaft (Regel 4) In Regel 4 der Musterverfahrensregeln sind Regelungen über die Mitgliedschaft in einem ad-hoc-Gremium niedergelegt. Die Regel unterscheidet dabei nach der Art der Mitgliedschaft. In Regel 4 lit. a) wird insoweit bestimmt, dass für den Fall, dass die Mitglieder in einem ad-hoc-Gremium Staaten sind, jedes Mitglied durch einen akkreditierten Repräsentanten vertreten sein muss, welchem ein Vertreter beigegeben sein kann. Zudem können den akkreditierten Staatsrepräsentanten Berater begleiten, soweit dies für erforderlich gehalten oder soweit dies vom ad-hoc-Gremium bestimmt wird. Besteht das ad-hoc-Gremium hingegen nicht aus Staaten, sondern aus Individuen, namentlich aus Einzelpersonen, so sieht Regel 4 lit. b) der Musterverfahrensregeln von 1970 vor, dass die Mitglieder des Gremiums so benannt werden sollen, wie es dasjenige Organ, das das ad-hoc-Gremium schafft, bestimmt. In dieser Regel kommt damit zum Ausdruck, dass es dem das Gremium errichtenden Organ freisteht, entweder die einzelnen Gremiumsmitglieder selbst zu benennen oder den Benennungsvorgang auf ein anderes Organ zu übertragen. Auch die VerLothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 117.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
tretung eines Gremiumsmitgliedes oder die Neubesetzung einer, durch Ausscheiden einer Person, vakant gewordenen Gremiumsposition wird damit der Regelung durch das das Gremium einsetzende Organ überlassen. cc) Beglaubigungsschreiben (Regel 5) Nur für die Fälle, in denen das ad-hoc-Gremium aus Regierungsrepräsentanten besteht, sieht Regel 5 der Musterverfahrensregeln von 1970 vor, dass die Beglaubigungsschreiben der durch die Staatsregierungen entsandten Repräsentanten sowie die Namen eines jeden ihrer Stellvertreter und Berater, wenn möglich nicht später als eine Woche vor dem Termin der ersten Sitzung des ad-hoc-Gremiums, an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übersandt werden. Hiermit wird dem Bedürfnis der Vereinten Nationen Rechnung getragen, vor Beginn der Arbeitsaufnahme des adhoc-Gremiums darüber informiert zu sein, wer das errichtete ad-hoc-Gremium besetzt und dass die jeweiligen Personen an der Tätigkeit des ad-hoc-Gremiums mit dem Willen ihrer jeweiligen Regierungen in dieses entsandt wurden. Da die in der Regel genannten Daten eingereicht werden müssen („[…] shall be submitted […]“) besteht insofern eine Bringschuld der jeweiligen Regierung. dd) Feierliche Erklärung (Regel 6) Regel 6 sieht vor, dass jedes Mitglied eines ad-hoc-Gremiums persönlich in öffentlicher Sitzung eine feierliche Erklärung abzugeben hat. In der Vorschrift wird der Wortlaut dieser Erklärung wie folgt gefasst: „I solemnly declare that I will perform my duties and exercise my powers as a member of the ad hoc body honourably, faithfully, impartially and conscientiously.“3993
Da die Erklärung im Vorfeld der Tätigkeitsaufnahme des Gremiums abzugeben ist, ist sie von promissorischer Natur. Damit wird auch für Gremien dieser Art die Eidesleistung beziehungsweise die feierliche Erklärung, die sich als wichtiges Ritual für Inhaber öffentlicher Ämter rechtshistorisch in fast allen Zivilisationen nachweisen lässt,3994 und auch auf der
3993 Die gewählte Formulierung ist damit in Länge und Inhalt sehr nahe an derjenigen Erklärung, welche Richter am Internationalen Gerichtshof im Rahmen ihrer Amtseinführung abzugeben haben. In Artikel 20 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs findet sich folgende Formulierung: „Every Member of the Court shall, before taking up their duties, make a solemn declaration in open court that he will exercise his powers impartially and conscientiously“. Vgl. zu dieser Regelung Daniel-Erasmus Khan, in: Andreas Zimmermann/ Christian Tomuschat/Karin Oellers-Frahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court of Justice – A Commentary, Art. 20 Rn. 1 ff. 3994 Vgl. hierzu insbesondere die eingehende Aufarbeitung in dem zweiteiligen Aufsatz von Helen Silving, Yale Law Journal 68 (1959), S. 1329 ff. sowie S. 1527 ff.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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internationalen Ebene fest etabliert ist,3995 zu einem bedeutenden Akt bei der Einsetzung von ad-hoc-Gremien erhoben. Als Teilelemente der feierlichen Erklärung kommen Ehrenhaftigkeit, Ehrlichkeit, Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit damit in eine besondere Stellung in der Arbeit des ad-hoc-Gremiums zu. Zwar ergeben sich aus der Abgabe der Erklärung hierbei keine unmittelbaren rechtlichen Folgen für das jeweilige Gremiumsmitglied; allerdings wird doch ein moralischethischer Druck auf die jeweilige Person erzeugt, in der erklärten Weise zu handeln.3996 Letztendlich bleiben die in dem Erklärungstext benannten Eigenschaften eines jeden Mitgliedes eines ad-hoc-Gremiums eine Frage der individuellen Überzeugung und Einstellung der jeweiligen Person.3997 ee) Sitzungen (Regel 7) Regel 7 lit. a) der Musterverfahrensregeln von 1970 legt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen die Verpflichtung auf, den Mitgliedern eines ad-hoc-Gremiums mindestens zwei Wochen vor der ersten Sitzung des Gremiums Zeit und Ort derselbigen mitzuteilen. Durch die Zwei-Wochen-Vorlauffrist wird es den Gremiumsmitgliedern ermöglicht, sich auf den Beginn ihrer Tätigkeit vorzubereiten. Weitere Sitzungen des ad-hoc-Gremiums werden nach Regel 7 lit. b) dann abgehalten, wenn die Umstände dies erfordern. Hierzu ist nach der Regel jeweils entweder eine Entscheidung des ad-hoc-Gremiums, eine Entscheidung seines Vorsitzenden oder ein entsprechendes Ersuchen eines der Gremiumsmitglieder erforderlich. Die Entscheidung über den Termin für die einzelnen Sitzungen werden vom Vorsitzenden des ad-hoc-Gremiums nach Konsultationen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und, wenn möglich, auch mit den übrigen Gremiumsmitgliedern bestimmt. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass es allen an der Tätigkeit des ad-hocGremiums beteiligten Personen möglich ist, bei den einzelnen Sitzungen anwesend zu sein. Schließlich wird in Regel 7 lit. c) bestimmt, dass die Sitzungen des ad-hocGremiums im Regelfall im Hauptquartier der Vereinten Nationen stattzufinden haben. Ein anderer Platz für die Sitzungen kann von dem ad-hoc-Gremium in Konsultationen mit dem Generalsekretär festgelegt werden. In diesem Fall soll der 3995 Vgl. zur Entwicklung der Ableistung von Eiden im Rahmen der internationalen Gerichts- und Schiedsgerichtsbarkeit die Darstellung bei Daniel-Erasmus Khan, in: Andreas Zimmermann/Christian Tomuschat/Karin Oellers-Frahm/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court of Justice – A Commentary, Art. 20 Rn. 4 ff. m. w. N. 3996 Die Kritiker rügen, dass solange die Staaten einen Einfluss auf die Gremiumsmitglieder hätten, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gewährleistet werden könnten. Zu den Vertretern der beschriebenen Kritik gehören Felix Ermacora, in: René Cassin (Hrsg.), Amicorum discipulorumque Band 1: Problèmes de protection internationale des droits de l’homme, S. 64 (70); Stephen B. Kaufmann, American University Law Review 18 (1968 – 1969), S. 739 (753 f.) sowie Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 107 f. 3997 Vgl. auch Sydney D. Bailey, International Affairs 48 (1972), S. 250 (256).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Generalsekretär im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden administrativen Möglichkeiten sowie in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsnormen, Regeln, Entscheidungen und Praktiken, die auf Organe der Vereinten Nationen anwendbar sind, Unterstützungsleistungen und Räumlichkeiten für die Sitzungen des ad-hoc-Gremiums zur Verfügung stellen. Eine außerhalb der Räumlichkeiten der Vereinten Nationen stattfindende Sitzungen kann etwa dann nötig werden, wenn sich die Mitglieder des Gremiums zu Untersuchungen längere Zeit in einem anderen Staat befinden. ff) Quorum (Regel 8) In Regel 8 der Musterverfahrensregeln finden sich Bestimmungen zum Quorum. Außer in Fällen einer anderweitigen Entscheidung, soll die Mehrheit der Mitglieder des ad-hoc-Gremiums ein Quorum bilden. Bei der Annahme der finalen Schlussfolgerungen, der Empfehlungen sowie des Abschlussberichts muss die Mehrheit der Mitglieder des ad-hoc-Gremiums anwesend sein. Hierdurch wird die besondere Bedeutung der abschließenden Betrachtungen des ad-hoc-Gremiums hervorgehoben. Nur wenn die Mehrheit der Gremiumsmitglieder über diese abstimmt, erhalten die abschließenden Betrachtungen die nötige Legitimität. gg) Öffentlichkeit der Sitzungen (Regel 9) Regel 9 S. 1 der Musterverfahrensregeln von 1970 bestimmt, dass das ad-hocGremium bei jeder einzelnen Sitzung darüber zu entscheiden hat, ob die Sitzung öffentlich oder geschlossen stattfindet. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass sowohl die Abhaltung nur geschlossener als auch die Abhaltung nur öffentlicher Sitzungen Probleme mit sich bringen. Bei der Abhaltung nur geschlossener Sitzungen könnte sich das ad-hoc-Gremium dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass seine Entscheidungen und Beratungen intransparent stattfinden; dadurch könnte die Glaubwürdigkeit der Gremiumstätigkeit leiden. Die Öffnung der Sitzungen des ad-hoc-Gremiums sind geeignet, diesen Missstand zu beheben. Andererseits können auf den Sitzungen des Gremiums auch Fragen besprochen werden, die, etwa aus Gründen des Zeugenschutzes oder der Wahrung der Interessen des durch die Untersuchung betroffenen Staates, nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten. In diesen Fällen sind nicht-öffentliche Sitzungen des ad-hoc-Gremiums vorzugswürdig. Regel 9 schafft einen Ausgleich zwischen den beiden Möglichkeiten und legt die Entscheidung über diese jeweils in die Hand des ad-hoc-Gremiums. Dieses hat sich also vor jeder Sitzung, in Anbetracht der in der jeweiligen Sitzung abzuhandelnden Inhalte, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob zu der Sitzung die Öffentlichkeit zugelassen werden soll oder nicht. Schließlich sieht Regel 9 S. 2 noch für nicht-öffentliche Sitzungen vor, dass das ad-hoc-Gremium durch den Generalsekretär ein Communiqué hierüber veröffentlichen kann. In einem solchen können wesentliche Punkte der betreffenden Sitzung
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aufgeführt werden, sodass den oben beschriebenen Effekten von geschlossenen Sitzungen im angemessenen Rahmen entgegengetreten wird. hh) Ausgaben (Regel 10) In Regel 10 lit. a) der Musterverfahrensregeln ist niedergelegt, dass das ad-hocGremium keine Entscheidungen treffen darf, die Geldausgaben beinhalten, bevor der Generalsekretär der Vereinten Nationen nicht die Gelegenheit hatte, die finanziellen und administrativen Implikationen der Entscheidung dem Gremium gegenüber zu erläutern. Dem Generalsekretär kommt darüber hinaus nach Regel 10 lit. b) die Aufgabe zu, die Ausgaben des ad-hoc-Gremiums zu begleichen sowie die von diesem erbetenen Unterstützungsleistungen und Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei muss der Generalsekretär die Regularien, Regel, Entscheidungen und Praktiken beachten, welche für Organe und Gremien der Vereinten Nationen anwendbar sind. Regel 10 bringt zum Ausdruck, dass ad-hoc-Gremien in der Regel nicht über eine eigene Ausstattung und einen eigenen, unabhängigen Haushalt verfügen, sondern für ihre Tätigkeit aus den Mitteln der Vereinten Nationen schöpfen müssen. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass sie in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt sein können. Allerdings wählt Regel 10 hier in Bezug darauf keinen restriktiven Ansatz, sondern sucht durch Erörterung der sich stellenden Probleme einerseits und der Möglichkeit des Generalsekretärs, grundsätzlich aus den vollen Ressourcen der Vereinten Nationen zu schöpfen andererseits, den Problemen gerecht zu werden. c) Tagesordnung der Sitzungen (Regel 11) In Sektion III der Musterverfahrensregeln ist Regel 11 als einzige Regel der Sektion enthalten. Regel 11 enthält Vorschriften über die Tagesordnung der Sitzungen des ad-hoc-Gremiums. Regel 11 lit. a) sieht zunächst vor, dass es dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zufällt, die vorläufige Tagesordnung der ersten Sitzung des ad-hoc-Gremiums zu erstellen. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vorbereitung von Sitzungen kollegial verfasster Gremien grundsätzlich dem jeweiligen Vorsitzenden zufällt. Der Vorsitzende wird allerdings erst, soweit nicht anderweitig benannt, regelmäßig in der konstituierenden Sitzung des ad-hoc-Gremiums gewählt. Die vorläufigen Tagesordnungen der nachfolgenden Sitzungen werden nach Regel 11 lit. b) ebenfalls durch den Generalsekretär vorbereitet, allerdings nunmehr in Konsultationen mit dem Vorsitzenden des ad-hoc-Gremiums. Dabei muss die Tagesordnung in Übereinstimmung mit dem Arbeitsauftrag des ad-hoc-Gremiums stehen und nach Regel 11 lit. b) mindestens Folgendes enthalten: jede Frage, die in der vorherigen Sitzung des ad-hoc-Gremiums aufgetaucht ist, jedes Thema, das vom Vorsitzenden des ad-hoc-Gremiums vorgeschlagen wird, jedes Thema, das von
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
einem der übrigen ad-hoc-Gremiumsmitglieder vorgeschlagen wird, sowie jedes Thema, das vom Generealsekretär der Vereinten Nationen vorgeschlagen wird. Nach Regel 11 lit. c) muss die vorläufige Tagesordnung jeder Sitzung, wann immer möglich, den Mitgliedern des ad-hoc-Gremiums vor der betreffenden Sitzung übermittelt werden. Hierdurch wird den Mitgliedern eine angemessene Vorbereitung auf die abzuarbeitenden Fragen ermöglicht. Schließlich legt Regel 11 lit. d) noch fest, dass der erste Punkt auf der vorläufigen Tagesordnung nach der Wahl der Mitglieder des Vorstandes des ad-hoc-Gremiums, soweit diese nötig ist, die Annahme der Tagesordnung sein soll. Mit der Annahme der Tagesordnung wird verdeutlicht, dass die auf ihr enthaltenen Punkte formal zum Gegenstand der Sitzung gemacht werden. So sollen Auseinandersetzungen innerhalb des ad-hoc-Gremiums über den Gang der Beratungen vermieden werden. Dem Sekretariat des ad-hoc-Gremiums wird bei der Vorbereitung der Tagesordnung eine zentrale Rolle zufallen.3998 d) Vorsitz des ad-hoc-Gremiums (Regel 12) Regel 12 der Musterverfahrensregeln von 1970 – die einzige Bestimmung in Sektion IV – hält diverse Regelungen über den Vorsitz des ad-hoc-Gremiums bereit. Nach Regel 12 lit. a) wird der Vorsitzende des ad-hoc-Gremiums durch eine geheime Abstimmung aus den Mitgliedern des Gremiums gewählt, außer in dem Fall, dass von dem Organ der Vereinten Nationen, das das ad-hoc-Gremium eingesetzt hat, etwas anderes bestimmt wurde. Hier wird insbesondere an den Fall zu denken sein, dass der Vorsitzende von dem betreffenden Hauptorgan selbst oder durch ein anderes Hauptorgan bestimmt wurde. Außerdem sieht die Regel vor, dass das ad-hoc-Gremium, falls es dies für erforderlich hält, auch weitere Mitglieder in seinen Vorstand wählen kann, insbesondere einen stellvertretenden Vorsitzenden, sowie einen Berichterstatter. Ist für jedes Amt nur ein Kandidat vorhanden, kann das ad-hoc-Gremium entscheiden, ohne geheime Abstimmung vorzugehen und den jeweiligen Kandidaten einstimmig für gewählt zu erklären. In Regel 12 lit. b) der Musterverfahrensregeln werden detailliert die verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen des Vorsitzenden bei der Tätigkeit des ad-hocGremiums näher geregelt. Danach hat der Vorsitzende jede Sitzung des Gremiums zu eröffnen und zu schließen, während der Sitzungen die Diskussionen zu leiten und die Einhaltung der Verfahrensregeln zu überwachen. Darüber hinaus erteilt der Vorsitzende das Wort, stellt Fragen und verkündet Entscheidungen. Zudem übt der Vorsitzende nach Regel 12 lit. b) in Übereinstimmung mit der Verfahrensordnung die 3998 Vgl. Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 119; Thomas M. Franck/H. Scott Fairley, American Journal of International Law 74 (1980), S. 308 (341, 344).
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Kontrolle über das gesamte Verfahren des ad-hoc-Gremiums sowie die Sitzungspolizei aus. Weiterhin entscheidet der Vorsitzende über die Tagesordnung. Letztlich beinhaltet die Regel noch eine Bestimmung über das Diskussionsverhalten bei Sitzungen des ad-hoc-Gremiums: Diskussionen müssen zielgerichtet die jeweils zu behandelnde Frage betreffen; ist dies nicht der Fall, so hat der Vorsitzende denjenigen, dessen mündliche Ausführungen keine Relevanz für die diskutierte Frage haben, zur Ordnung zu rufen. Regel 12 lit. c) bestimmt, dass der Vorsitzende während der Ausübung seiner Funktionen dem ad-hoc-Gremium untersteht. Mit dieser Vorschrift wird klargestellt, dass der Vorsitzende nicht aus eigener Machvollkommenheit die ihm übertragenen Kompetenzen wahrnimmt, sondern dabei stets Sachwalter des ad-hoc-Gremiums ist. Er kann nur in dem ihm ausdrücklich durch Regel 12 lit. b) zugewiesenen Fällen selbst entscheiden und ist ansonsten an die Mehrheitsbeschlüsse des ad-hoc-Gremiums gebunden. Ist der Vorsitzende bei einer Sitzung des ad-hoc-Gremiums gänzlich oder teilweise verhindert, so soll er nach Regel 12 lit. d) einen stellvertretenden Vorsitzenden benennen, der an seiner Stelle handelt. Dies beansprucht keine Geltung für den Fall, dass gemäß Regel 12 lit. a) bereits von vornherein ein stellvertretender Vorsitzender gewählt wurde. Regel 12 lit. e) bestimmt, dass ein stellvertretender Vorsitzender, der an Stelle des Vorsitzenden handelt, die gleichen Kompetenzen und die gleichen Pflichten hat, wie sie dem eigentlichen Vorsitzenden zukommen. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Geschäfte des ad-hoc-Gremiums auch in Vertretung des Vorsitzenden ungehindert vorgeführt werden können. In Regel 12 lit. f) ist niedergelegt, dass in dem Fall, dass eines der Vorstandsmitglieder des ad-hoc-Gremiums aus dem Amt scheidet, oder eine solche Person nicht länger seine Aufgaben als Vorstandsmitglied des ad-hoc-Gremiums wahrnehmen kann, ein neues Vorstandsmitglied gewählt werden muss, welches bis zum Ablauf der Amtszeit von dessen Vorgänger dessen Aufgaben wahrnimmt. Durch diese Regelung sollen Vakanzen im Vorstand des ad-hoc-Gremiums vermieden und damit seine Arbeitsfähigkeit garantiert werden. e) Sekretariat (Regel 13) Regel 13 – die einzige Regelung in Sektion V der Musterverfahrensregeln von 1970 – enthält Regelungen hinsichtlich der Übernahme von Sekretariatsfunktionen für das ad-hoc-Gremium und zur Rolle des Generalsekretärs der Vereinten Nationen während der Tätigkeit des Gremiums: Gemäß Regel 13 lit. a) wird das Sekretariat, also die Unterstützungseinheit des ad-hoc-Gremiums, vom Generalsekretär der Vereinten Nationen gestellt. Dies ist insofern folgerichtig, als der Generalsekretär nach Artikel 97 S. 3 der Charta der Vereinten Nationen der Hauptverwaltungsbeamte der Weltorganisation ist, somit
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dem Sekretariat der Vereinten Nationen vorsteht, und damit auf dessen breitgefächerte Administrativressourcen zugreifen und Personal mit den verschiedensten Fachkompetenzen, das, je nach konkretem Aufgabenzuschnitt des ad-hoc-Gremiums, benötigt wird, abstellen kann. Regel 13 lit. b) sieht vor, dass der Generalsekretär oder sein Stellvertreter bei den Sitzungen des ad-hoc-Gremiums anwesend sein können. Zudem ist in der Regel bestimmt, dass der Generalsekretär beziehungsweise dessen Stellvertreter mündliche oder schriftliche Erklärungen zu den Sitzungen des ad-hoc-Gremiums abgeben können. Mit dem Inhalt dieser Regelung wird klargestellt, dass dem Generalsekretär der Vereinten Nationen in der Arbeit des ad-hoc-Gremiums eine begleitende Rolle zukommt. Mit dem Anwesenheitsrecht in den Gremiumssitzungen wird dem Bedürfnis des Generalsekretärs nach Informiertheit über die Gremiumstätigkeit Rechnung getragen. Das Erklärungsabgaberecht des Generalsekretärs in Regel 13 lit. b) erfährt keinerlei Einschränkungen. Er kann also zu allen, die Gremiumsarbeit betreffenden Vorgängen, Erklärungen abgeben. Wegen der Unbegrenztheit des Rechts ist allerdings zu besorgen, dass der Generalsekretär auch solche Erklärungen abgeben kann, die sich negativ auf die Unparteilichkeit des ad-hoc-Gremiums auswirken können. Diese Gefahr ist allerdings gering, da sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen als administrative Führungsspitze der Weltorganisation kaum in die Verlegenheit der politischen Beeinflussung eines ad-hoc-Gremiums im Sinne der Musterverfahrensregeln von 1970 bringen dürfte. In Regel 13 lit. c) ist niedergelegt, dass der Generalsekretär dafür Sorge zu tragen hat, dass die Mitglieder des ad-hoc-Gremiums über jede Frage informiert sind, die dem Gremium zur Betrachtung unterbreitet werden kann. Diese Informationspflicht des Generalsekretärs wird diesem deshalb konsequenter Weise zugewiesen, da das Sekretariat der Vereinten Nationen aufgrund seiner Administrativfunktion eine große Zahl an Informationsquellen bündelt. f) Arbeitssprachen (Regel 14) In Regel 14 – der einzigen Bestimmung der Sektion VI der Musterverfahrensregeln von 1970 – finden sich Regelungen hinsichtlich der Sprachen, die bei der Tätigkeit des ad-hoc-Gremiums Verwendung finden: Regel 14 lit. a) der Musterverfahrensregeln von 1970 legt fest, dass die Arbeitssprachen des ad-hoc-Gremiums entweder durch das Organ der Vereinten Nationen, das das ad-hoc-Gremium errichtet hat, oder durch das ad-hoc-Gremium selbst festgelegt werden. Dabei ist es unerheblich, dass im Text „work languages“, also der Plural, verwendet wird; es kann vielmehr auch nur eine Arbeitssprache verwendet werden. Alles andere würde etwa in Konstellationen, in denen die Muttersprache aller Mitglieder des Gremiums etwa entweder Englisch oder Französisch ist, und in dem Staat betreffend dessen sie Untersuchungen durchführen sollen, ebenfalls Englisch beziehungsweise Französisch als wichtige Sprachen gesprochen
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werden, keinen Sinn machen. Als Arbeitssprachen bieten sich jeweils diejenigen Sprachen an, die von der Mehrzahl der Mitglieder des Gremiums auf einem guten Niveau beherrscht werden. Für die internationale Praxis kommen hier Englisch, Französisch oder Spanisch, möglicherweise auch Arabisch oder Russisch in Betracht. Regel 14 lit. b) verpflichtet dazu, eine Übersetzung von Äußerungen bereitzustellen, sodass jede Äußerung in jede Arbeitssprache des ad-hoc-Gremiums übersetzt werden kann. Hierdurch wird die Funktionsfähigkeit des Gremiums sichergestellt. Durch eine professionelle Übersetzung werden alle Mitglieder des ad-hoc-Gremiums in die Lage versetzt, der Tätigkeit des Gremiums intensiv zu folgen. Zudem kann so sprachlichen Missverständnissen bei der Gremiumsarbeit vorgebeugt werden. Für Fälle, in denen Erklärungen vor dem ad-hoc-Gremium in anderen Sprachen als der Arbeitssprache oder den Arbeitssprachen des Gremiums abgegeben werden sollen, hält Regel 14 lit. c) Vorschriften bereit. Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Äußerungen wird im ersten Satz der Regel statuiert. Nach dem zweiten Satz muss der Aussagewillige selbst für einen Übersetzer sorgen. Der dritte Satz sieht vor, dass in Ausnahmefällen, in denen eine aussagebereite Person keiner der Arbeitssprachen des Gremiums mächtig ist, das Gremium mit Blick auf die Kosten und die tatsächlichen Möglichkeiten, einen ad-hoc-Dolmetscher bestellen kann. Im vierten Satz der Regel ist schließlich noch vorgesehen, dass die Übersetzung in die Arbeitssprachen auf der Übersetzung in die erste Arbeitssprache des Gremiums basieren muss. Insgesamt eröffnet die Regel damit also die Möglichkeit, in jeder Sprache Aussagen vor dem Untersuchungsgremium zu machen. Allerdings wird bei der Verwendung von Nichtarbeitssprachen eine Aussage für einen Aussagewilligen durch den zweiten Satz der Regel faktisch erschwert. Dies und die Ausnahme im dritten Satz können vor allem in Staaten eine Rolle spielen, in denen viele verschiedene Sprachen gesprochen werden und/oder die Sprecher von wenig verbreiteten Sprachen keine verbreiteteren Sprachen sprechen.3999 Um die Professionalität eines ad-hoc-Dolmetschers sicherzustellen, der nicht an einen Amtseid der Vereinten Nationen gebunden ist, sieht schließlich Regel 14 lit. d) vor, dass dieser Dolmetscher einen Eid schwören oder eine Erklärung abgeben muss, dass er seine Übersetzung ehrlich, gewissenhaft und genau durchführt. Hierdurch wird zudem unterstrichen, welche Bedeutung dem gesprochenen Wort bei der Gremientätigkeit zukommt. g) Abstimmungen und Verfahrensführung In den Regeln 15 und 16 der Sektion VII der Musterverfahrensregeln von 1970 sind Regelungen über Abstimmungen sowie über die Verfahrensführung niedergelegt: 3999 Dies kann etwa in einigen multiethnisch bevölkerten Staaten Afrikas oder auch Asiens der Fall ein.
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aa) Abstimmungen (Regel 15) In Regel 15 lit. a) der Musterverfahrensregeln ist festgelegt, dass jedes Mitglied des ad-hoc-Gremiums eine Stimme hat. Im Falle eines mit Staaten besetzten Gremiums kommt in dieser Bestimmung letztlich der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten zum Ausdruck. Handelt es sich um ein mit natürlichen Personen besetztes Gremium, wird kein Mitglied, etwa der Vorsitzende, bevorzugt, indem ihm ein Stichentscheid zugebilligt wird. Regel 15 lit. b) bestimmt, dass Entscheidungen des ad-hoc-Gremiums mit der Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder getroffen werden. Die Regel enthält zudem eine Legaldefinition des Begriffs „anwesende und abstimmende Mitglieder“. Hiermit sind nur diejenigen Mitglieder gemeint, die einer Entscheidung zustimmen oder diese ablehnen. Stimmenthaltungen werden als nicht abgegebene Stimmen betrachtet. Das gilt allerdings dann nicht, wenn im Arbeitsauftrag des adhoc-Gremiums andere Regelungen über Abstimmungen und Mehrheiten getroffen wurden. Für die Wahl des Vorsitzenden und von anderen Mitgliedern des Vorstandes des ad-hoc-Gremiums nach Regel 12 lit. a) hält Regel 15 lit. c) eine Regelung bereit. Nach dieser Bestimmung soll bei dieser Entscheidung durch Handzeichen abgestimmt werden. So wird für den Gewählten deutlich, wessen Vertrauen er in dem Gremium für seine Tätigkeit genießt. Allerdings besteht nach der Regel auch die Möglichkeit, dass eine Listenabstimmung durchgeführt wird. Beantrag ein Mitglied diese, so muss eine solche Abstimmung durchgeführt werden. Bei einer Listenabstimmung werden die Namen der Abstimmenden von einer Liste aufgerufen, um so die Anwesenheit oder Abwesenheit der jeweiligen Person festzustellen. Nach Aufruf seines Namens hat der Aufgerufene sein Abstimmungsverhalten durch Lautartikulation kundzutun. Wird eine solche Listenabstimmung beantragt, wird sie in alphabetischer Reihenfolge durchgeführt, wobei dabei die englische alphabetische Reihenfolge zugrunde gelegt wird. Gemäß Regel 15 lit. c) muss bei einer Listenabstimmung im Gremium das Abstimmungsverhalten jedes teilnehmenden Mitgliedes aufgezeichnet werden. Letztlich sieht Regel 15 lit. d) vor, dass, außer im Falle von Wahlen, bei einer Abstimmung mit Stimmengleichheit, das zur Abstimmung Vorgeschlagene als zurückgewiesen gilt. bb) Verfahrensführung (Regel 16) Regel 16 der Musterverfahrensregeln von 1970 bestimmt, dass jede prozessuale Angelegenheit, die sich bei der Verfahrensführung der Sitzungen des ad-hoc-Gremiums ergibt, durch den Gremiumsvorsitzenden im Lichte der Verfahrensordnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen4000 zu behandeln ist. Durch die 4000
In der derzeitig gültigen Fassung enthalten in: UN Doc. A/520/Rev.17 von 2008.
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Regel wird damit anerkannte, dass die Musterverfahrensregeln hinsichtlich der Fragen des Sitzungsablaufes nur sehr knappgehalten sind und daher durch die in diesem Punkt detaillierteren Regeln der Verfahrensordnung der Generalversammlung4001 ergänzt werden können. Da auftauchende Angelegenheiten jedoch nur im Geiste der Verfahrensordnung auszulegen sind, bedeutet dies auch nicht, dass deren Regeln statisch Anwendung finden. Vielmehr wird dem Vorsitzenden die Möglichkeit gegeben, sich an den Innenrechtsregeln des Organs zu orientieren; er kann dann jedoch auf auftauchende Problemlagen, die sich im Rahmen der spezifischen Aufgabe seines Gremiums ergeben, auch abweichend reagieren. h) Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (Regel 17) Regel 17, die einzige Regelung in der Sektion VIII, enthält Regelungen über die Kooperation der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit einem ad-hoc-Gremium. Regel 17 bildet aufgrund ihrer Reichweite und Detailliertheit eines der Herzstücke der Musterverfahrensregeln von 1970.4002 Die besondere Bedeutung kommt dieser Regelung vor allem deshalb zu, weil – wie bereits weiter oben gezeigt – regelmäßig keine Kooperationspflicht des von einer Untersuchung betroffenen Staates mit einem Untersuchungsgremium der Vereinten Nationen besteht.4003 Sollte die Verfahrensordnung eines Untersuchungsgremiums eine Kooperationspflicht zwischen ihr und dem betroffenen Staat statuieren, erwächst auch hieraus keine Pflicht für den Staat zur Kooperation. Als reines Innenrecht richtet sich die Regelung daher nur an das ad-hoc-Gremium, nicht an die Staaten.4004 Ein Recht zur Setzung verbindlicher völkerrechtlicher Regelungen steht einem Untersuchungsgremium der Vereinten Nationen keinesfalls zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn die Verfahrensordnung direkt durch ein Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen erlassen worden ist. Den Organen oder Nebenorganen der Vereinten Nationen stehen im Bereich der Einsetzung von Untersuchungsgremien keine Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten zu, die diese verpflichten würden. Einem von einem solchen Organ beziehungsweise Nebenorgan eingesetzten Untersuchungsgremium können aber nicht mehr Rechte gegenüber den Mitgliedstaaten zustehen als dem Organ beziehungsweise dem Nebenorgan selbst.4005 Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn der Sicherheitsrat ge4001
Vgl. die Regeln 1 ff. der Verfahrensordnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 4002 Vgl. auch Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 134. 4003 Hierzu schon oben 3. Teil § 2 C. VI. 4004 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 134. 4005 Lother Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 134.
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stützt auf seine Zwangskompetenzen ein Untersuchungsgremium nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen einsetzt.4006 Regel 17 lit. a) sieht vor, dass das Gremium oder Organ, welches das ad-hocGremium errichtet oder das ad-hoc-Gremium selbst, jeden Staat um alldiejenige Unterstützung ersuchen kann, welche für die angemessene Durchführung der Funktion des ad-hoc-Gremiums nötig erscheint. Welche Form diese Unterstützung annehmen kann, wird in Regel 17 lit. a) exemplarisch aufgelistet, ohne also abschließend zu sein. Es handelts sich dabei um besonders wichtige Unterstützungsmaßnahmen. Zu diesen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für das ad-hocGremium zählen: die Versorgung des ad-hoc-Gremiums mit relevanten Dokumenten und Informationen, die Gestattung für das ad-hoc-Gremium, sich auf dem jeweiligen Staatsgebiet zu bewegen und dort Zeugen und Sachverständige einzuladen und diese zu hören, sowie schließlich, dass der betroffene Staat dafür Sorge trägt, dass keinerlei Hindernisse errichtet werden, um Repräsentanten und Zeugen von der Teilnahme an den Anhörungen fernzuhalten, und weiterhin, dass jedem Zeugen und jeder anderen Person, die vor das ad-hoc-Gremium tritt, ausreichender Schutz vor jeder Art von Gewaltakten, Einschüchterung, Bedrohung oder Repressalie gewährt wird, welche die jeweilige Person aufgrund ihres Auftretens und ihrer Aussage vor dem ad-hocGremium treffen könnten beziehungsweise könnte. Ebenso soll den betreffenden Personen Schutz vor rechtlichen Konsequenzen geboten werden, welche diese aufgrund ihrer Aussage treffen könnten. Regel 17 lit. a) trifft dabei keine Unterscheidung danach, von wem eine entsprechende Bedrohung ausgehen könnte. Einerseits soll sich der Staat, den die Untersuchung betrifft, also der genannten negativen Verhaltensweise enthalten; zum anderen soll er Schutz gewähren, was er auch gegenüber privaten beziehungsweise nicht-staatlichen Akteuren tun soll. Nach Regel 17 lit. b) muss es dem ad-hoc-Gremium gestattet werden, den Repräsentanten jedes Staates wegen jeder für den Arbeitsauftrag des Gremiums relevanten Angelegenheit zu konsultieren. Diese Regel dient dem Informations- und Organisationsbedürfnis des ad-hoc-Gremiums in Bezug auf den Staat bezüglich dessen es seine Untersuchungen durchführt. Auffällig ist, dass diese Regel dem betroffenen Staat eine Zusammenarbeitspflicht mit dem ad-hoc-Gremium aufbürdet, da Konsultationen jedenfalls den gegenseitigen Austausch von Informationen voraussetzen. Ein bestimmter Erfolg seitens des betroffenen Staates ist hingegen nicht geschuldet. In Regel 17 lit. c) ist bestimmt, dass dem ad-hoc-Gremium das Recht zukommt, insbesondere den Staat, der durch die Studien beziehungsweise die Untersuchungen des Gremiums direkt betroffen ist, zu ersuchen, dem Gremium solche Erklärungen und Dokumente zugänglich zu machen, die der jeweilige Staat als nützlich ansieht, um Tatsachen aufzuklären oder generell als relevant für diejenigen Angelegenheiten, mit denen das ad-hoc-Gremium befasst ist, ansieht. Darüber hinaus sieht die Regel vor, dass der betreffende Staat dem ad-hoc-Gremium eine Liste von Zeugen und 4006
Hierzu schon oben 3. Teil § 2 C. VI.
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Sachverständigen vorlegt, deren Aussagen das Gremium möglicherweise hören möchte. In der Regel wird dem Informationsbedürfnis des ad-hoc-Gremiums gegenüber den Staaten so Rechnung getragen. Auch in dieser Regel werden den Staaten wiederum Pflichten, hier in Form einer Vorlagepflicht, auferlegt. Regel 17 lit. d) sieht vor, dass das ad-hoc-Gremium denjenigen Staat, der von den Studien beziehungsweise Untersuchungen des Gremiums direkt betroffen ist, einladen kann, durch einen akkreditierten Repräsentanten an einer Sitzung, mehreren oder allen Sitzungen oder auch nur an Teilen davon teilzunehmen. Mit dieser Regel wird dem ad-hoc-Gremium die Möglichkeit eröffnet, selbst zu bestimmen, wie weit es dem betroffenen Staat gestatten möchte, an den Sitzungen des Gremiums teilzunehmen. Eine Entscheidung hierüber wird von dem Erkenntnisinteresse geleitet sein, dass sich das Gremium von der Teilnahme des Staates verspricht oder auch von dessen Kooperationsbereitschaft. Darüber hinaus ist eine Zulassung eines betroffenen Staates souveränitätsschonend und kann eine geeignete Maßnahme darstellen, um die Akzeptanz der Gremiumstätigkeit bei diesem Staat zu stärken. Gleichzeitig kann der betroffene Staat, durch die Annahme der Einladung und die Teilnahme an den Sitzungen, seinem Informationsinteresse an dem Verfahrensgang der Untersuchung nachkommen. Gemäß Regel 17 lit. e) können Staaten, die von den Studien beziehungsweise Untersuchungen des ad-hoc-Gremiums direkt betroffen sind, aufgrund eines eigenen Ersuchens oder nach Einladung durch das Gremium vor diesem Erklärungen abgeben und als nützlich angesehene schriftliche Materialien sowie schriftliche und mündliche Beweise vorbringen. Es kann diesen Staaten auch gestattet werden, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Verfahrensregeln, bei Anhörungen, die durch das ad-hoc-Gremium durchgeführt werden, Zeugen in nichtöffentlichen Sitzungen zu befragen. Durch diese Regelung wird dem von einer Untersuchung betroffenem Staat gestattet, selbst Beweisquellen vorzubringen, die für diesen Staat in der Regel entlasten wirken sollen, soweit diesem Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen werden. Die Regel dient damit der prozessualen Waffengleichheit in dem Untersuchungsverfahren des ad-hoc-Gremiums. Regel 17 lit. f) der Musterverfahrensregeln von 1970 sieht schließlich vor, dass das ad-hoc-Gremium, mit dem Einverständnis des betroffenen Staates, vorübergehend an jeden Ort auf dessen Staatsgebiet reisen und dort Sitzungen abhalten kann, an dem das Gremium es für nützlich hält, um Informationen zu sammeln und Zeugen oder Sachverständige zu Themen anzuhören, die sich aus seinem Arbeitsauftrag ergeben. Mit dieser Regel wird dem ad-hoc-Gremium die Möglichkeit geben, grundsätzlich überall in dem von der Untersuchung betroffenen Staat Sitzungen beziehungsweise Anhörungen abzuhalten. Diese Regel ermöglicht es dem ad-hocGremium, Schauplätze von Menschenrechtsverletzungen in Augenschein zu nehmen. Die Abhaltung von Sitzungen oder Anhörungen von Zeugen oder Sachverständigen kann darüber hinaus entweder nur an einem Ort in dem betroffenen Staat stattfinden, etwa der Hauptstadt oder dem Ort, an dem hauptsächlich Menschen-
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rechtsverletzungen begangen wurden, oder an mehreren Orten in diesem Staat. Letzteres kann insbesondere dann nötig sein, wenn ein Staat sehr groß ist, sich die Menschenrechtsverletzungen an verschiedenen, weit voneinander entfernt liegenden Orten zugetragen haben, oder die Verkehrsinfrastruktur schlecht ausgebaut ist, sodass es potenziellen Zeugen und Sachverständigen nur sehr schwer oder überhaupt nicht möglich ist, zu einem anderen Ort zu gelangen, um ihre Aussagen zu tätigen. i) Zeugenaussagen und andere Informationsquellen In den Regeln 18 bis 23 der Sektion IX der Musterverfahrensregeln sind Regelungen über mündliche und schriftliche Zeugenaussagen und andere Informationsquellen enthalten, derer sich das ad-hoc-Gremium bei seiner Tätigkeit bedienen kann. aa) Bekanntmachungen (Regel 18) Regel 18 der Musterverfahrensregeln von 1970 sieht vor, dass, so schnell als dies praktikabel erschient, und möglichst nicht länger als eine Woche bevor irgendeine Aussage durch das Gremium aufgenommen wird, dieses, durch alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die ihm erteilte Arbeitsanweisung, die Methoden der Beweiserhebung, den Weg, um dem Gremium Dokumente und mündliche Aussagen zukommen zulassen, die Termine und Orte der Gremiumssitzungen sowie mögliche nähere Einzelheiten für diejenigen Personen, die dem Gremium eine Aussage anbieten möchten, öffentlich bekannt macht. Mit dieser detaillierten Regelung soll gewährleistet werden, dass die Arbeit des ad-hoc-Gremiums eine gewisse Öffentlichkeit genießt und dass weitere Quellen, die über nützliche Informationen für die Untersuchung des Gremiums verfügen, angesprochen werden. Als Bekanntmachungsorgane kommen international erscheinende Tages- und Wochenzeitungen sowie vor allem auch Zeitungsformate in dem Staat in Betracht, den die menschenrechtliche Untersuchung betrifft. Weiterhin sind auch die Darstellung der in der Regel bezeichneten Informationen auf einer eigens eingerichteten Internetseite denkbar, ebenso wie Durchsagen in Rundfunk und Fernsehen, die Verteilung von Flugblättern sowie Aushänge an öffentlichen Gebäuden; wiederum alles vornehmlich in dem Staat, den die Untersuchungen durch das Gremium betreffen, sowie in solchen Staaten, in die sich Opfer und Zeugen potenzieller Menschenrechtsverletzungen bekanntermaßen oder jedenfalls wahrscheinlich geflüchtet haben. Die einwöchige Vorlauffrist ermöglicht es dem ad-hoc-Gremium auch, zur Vorbereitung von Anhörungen und Befragungen, die Daten von aussagewilligen Personen zunächst zu sammeln und zu ordnen.
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bb) Arten von Aussagen (Regel 19) In Regel 19 wird bestimmt, dass das ad-hoc-Gremium berechtigt ist, mündliche oder schriftliche Aussagen zu erhalten. Solche Aussage können nach der Regel einerseits von dem Staat, der durch die Studien oder Untersuchung des ad-hoc-Gremiums direkt betroffen ist, abgegeben werden oder durch von diesem benannte Zeugen oder Sachverständige, oder andererseits durch jede andere Quelle, die hierzu von dem ad-hoc-Gremium eingeladen wurde oder über deren Zulassung das Gremium entschieden hat. Die Regel eröffnet dem ad-hoc-Gremium also die Möglichkeit, Zeugenaussagen aus jedweder ihm erreichbaren Quelle anzunehmen, also durch Staaten, Einzelpersonen, Internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und so weiter. Die Erwähnung des Staates, der durch die Untersuchungen des Gremiums betroffen ist, hat insofern lediglich klarstellende Funktion, und ist insoweit der Respektierung der staatlichen Souveränität geschuldet. cc) Weitere Beweismittel (Regel 20) In Regel 20 der Musterverfahrensregeln von 1970 finden sich Bestimmungen über andere Beweismittel als Aussagen durch Personen. Nach Regel 20 lit. a) entscheidet das ad-hoc-Gremium über die Zulässigkeit, die Relevanz und das Gewicht von anonymen Nachrichten, geschriebenem und dokumentarischem Beweismaterial sowie Beweisen, welche in Form von Tonaufzeichnungen, Film, Fotografien, Zeichnungen oder in Form anderer Objekte dem Gremium dargeboten werden. Hier wird dem ad-hoc-Gremium die Möglichkeit der freien Beweiswürdigung hinsichtlich aller es erreichenden Beweismaterialien an die Hand gegeben. Durch die Nichtnennung von Zeugenaussagen in Regel 20 wird allerdings darüber hinaus klargestellt, dass diesen stets ein Höchstrang unter den dem ad-hoc-Gremium zur Verfügung stehenden Beweismitteln zukommt. Weiterhin enthält Regel 20 lit. b) eine Schutzbestimmung. Hiernach können schriftliche Beweismittel nach dem Ermessen des ad-hoc-Gremiums in einer Weise präsentiert werden, bei der die Identität des Übersenders nicht offengelegt wird. Die Identität wird dann nur den Mitgliedern des Gremiums und den Mitgliedern seines Sekretariats bekannt. dd) Anhörungsersuchen (Regel 21) Regel 21 der Musterverfahrensregeln enthält Bestimmungen über Anhörungsersuchen an das ad-hoc-Gremium. Nach Regel 21 lit. a) hat ein Anhörungsersuchen durch einen Repräsentanten eines Staates dasjenige Thema beziehungsweise diejenigen Themen zu enthalten, zu dem beziehungsweise zu denen der betreffende Staat angehört werden möchte. Das Anhörungsersuchen von Einzelpersonen soll dasjenige Thema beziehungsweise diejenigen Themen enthalten, zu dem oder zu denen der Zeuge auszusagen wünscht. Darüber hinaus muss nach Regel 21 lit. b) das
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Anhörungsersuchen des Individualzeugen seinen vollständigen Namen, seine Adresse, sein Alter, seine Nationalität und seinen Beruf enthalten. Es handelt sich bei Regel 21 mithin um ein Formerfordernis. Dieses soll es dem ad-hoc-Gremium ermöglichen, sich vorab über die Themen, zu denen die Staaten und Zeugen angehört werden möchten, zu unterrichten und die Anhörung entsprechend vorzubereiten. Die Angaben, die von Individualzeugen angegeben werden müssen, können dem ad-hocGremium einmal zu dokumentarischen Zwecken dienen; zum anderen können aber diese Angaben auch bei der späteren Würdigung der betreffenden Aussage von Bedeutung sein. So etwa im Falle der Aussage eines Arztes („Beruf“) bei einer Anhörung hinsichtlich von Verletzungen oder Todesarten, die in Zusammenhang mit behaupteten Menschenrechtsverletzungen stehen. ee) Befragungen (Regel 22) Regel 22 der Musterverfahrensregeln von 1970 enthält detaillierte Bestimmungen über die Befragung von Zeugen und Sachverständigen, die vor dem ad-hoc-Gremium erscheinen. Regel 22 lit. a) sieht vor, dass Zeugen und Sachverständige, die vor dem ad-hocGremium aussagen, vor ihrer Aussage eine feierliche Erklärung abgeben müssen. Die Formulierungen der beiden Erklärungsformeln sind dabei an diejenigen Formeln angelehnt, deren Abgabe der Internationale Gerichtshof nach Regel 64 beziehungsweise den entsprechenden Vorgängerregelungen seiner Verfahrensordnung von Zeugen und Sachverständigen bei Verhandlungen in Den Haag verlangt. Die von Zeugen abzugebende Erklärung lautet: „I solemnly declare upon my honour and conscience that I will speak the truth, the whole truth and nothing but the truth.“
Von Sachverständigen wird folgende Erklärungsformel verlangt: „I solemnly declare upon my honour and conscience that my statement will be in accordance with my sincere belief.“
Durch die Abgabe der Erklärungen wird den Zeugen und den Sachverständigen die Wichtigkeit ihrer Aussagen vor Augen geführt. Außerdem soll so ein innerer Druck auf Zeugen und Sachverständige erzeugt werden, wahrheitsgetreu auszusagen. Damit dient Regel 22 lit. a) der Qualitätssicherung der mündlichen Beweisquellen. Nach der Abgabe der feierlichen Erklärung muss der Zeuge nach Regel 22 lit. b) durch das ad-hoc-Gremium über dessen Arbeitsauftrag informiert werden. Dem Zeugen sind im Anschluss, also vor der eigentlichen Befragung, Fragen hinsichtlich der Versicherung seiner Identität und seiner Befähigung zur Abgebe einer beweiswürdigen Aussage zu stellen. Hierdurch soll das ad-hoc-Gremium in die Lage versetzt werden, die Natur und die Reichweite der Informationen für die ihm Rahmen
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der Untersuchung relevanten Fragen einzuschätzen, über die der jeweilige Zeuge verfügt. Nach Regel 22 lit. c) muss jedem Zeugen die Möglichkeit zur Abgabe einer Erklärung gegeben werden. Zudem hat jedes Mitglied des ad-hoc-Gremiums nach der Regel das Recht, einem Zeugen Fragen zu stellen. Mit dem ersten Teil der Regel wird die Bedeutung jeder einzelnen Zeugenaussage betont. Mit dem zweiten Teil der Regel wird verhindert, dass etwa nur der Vorsitzende des Gremiums die Befragungen durchführt. Durch ein allgemeines Fragerecht für alle Mitglieder des ad-hoc-Gremiums wird erreicht, dass die verschiedenen Perspektiven des Kollegialorgans auf die betreffende Situation zur Geltung kommen. Verschiedene Methoden von Fragestellungen und verschiedene Schwerpunktsetzungen sind hierbei geeignet, zur Qualitätssicherung einer Aussage sowie zu einer größtmöglichen Erschließung des betreffenden Sachverhaltes beizutragen. Regel 22 lit. d) sieht vor, dass das ad-hoc-Gremium entscheiden kann, dass Personen von seinen Sitzungen ausgeschlossen werden können, außer für Zeitpunkte, zu denen die betreffende Person aussagen soll. Zudem kann das ad-hocGremium entscheiden, dass solche Personen bis zum Ende ihrer Aussage keine Aussagen früherer Anhörungen heranziehen dürfen. Ziel dieser Regelung ist es, die Beeinflussung eines Zeugen oder Sachverständigen durch vorher gehörte Einlassungen vor dem ad-hoc-Gremium zu verhindern. Nach Regel 22 lit. e) kann das ad-hoc-Gremium vereinbaren, einen Zeugen in geschlossener Sitzung zu hören und/oder nicht die Identität des jeweiligen Zeugen offenzulegen, wenn dieser hierum bittet. Diese Regelung dient dem Schutz des Zeugen vor späteren negativen Konsequenzen, die ihn aufgrund seiner Aussage treffen könnten. Durch das Ersuchenserfordernis seitens des Zeugen wird es diesem überlassen, den Schutz, den Regel 22 lit. e) bietet, in Anspruch zu nehmen. Dies ist konsequent, da sich das ad-hoc-Gremium die Gefahren, die dem Zeugen im konkreten Einzelfall aufgrund seiner Aussage drohen könnten, oft nur schwerlich wird überblicken können. Auch diese Regel dient der Qualitätssicherung, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Zeuge, der quasi anonym aussagen kann, eher zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage bereit ist als eine Person, welche sich bei unliebsamen Aussagen in Gefahr wähnt. Auch wenn eine solche Verpflichtung nicht im Wortlaut der Regel 22 lit. e) positiv niedergelegt ist, wird man dennoch annehmen müssen, dass ein verantwortungsvoll agierendes ad-hoc-Gremium beziehungsweise dessen Vorsitzender jeden Zeugen auf die Möglichkeiten, welche die Regel vorsieht, hinzuweisen hat. ff) Berichterstattung über Beweismittel (Regel 23) Schließlich sieht Regel 23 der Musterverfahrensregeln von 1970 vor, dass das adhoc-Gremium, im Rahmen seiner administrativen und finanziellen Möglichkeiten, eines oder mehrere seiner Mitglieder dazu autorisieren kann, Anhörungen eines oder
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mehrerer Zeugen vorzunehmen und anschließend dem ad-hoc-Gremium hierüber Bericht zu erstatten. Das gleiche Vorgehen ist nach der Regel auch in Bezug auf das Studium von schriftlichen Zeugenaussagen, Dokumenten und anderen relevanten Objekten möglich. Durch diese Regel wird es dem ad-hoc-Gremium ermöglicht, flexibel auf Situationen zu reagieren, in denen das Tätigwerden der Mitglieder des Gremiums entweder nicht nötig, nicht möglich oder sogar nicht wünschenswert ist. j) Aufzeichnungen (Regel 24) In Regel 24, der einzigen Bestimmung in Sektion X der Musterverfahrensregeln von 1970, finden sich Regelungen über die Aufzeichnungen des ad-hoc-Gremiums. Regel 24 lit. a) der Musterverfahrensregeln von 1970 bestimmt, dass die Form der Aufzeichnungen, welche ein ad-hoc-Gremium führt, von dem Organ bestimmt werden soll, welches das Gremium ins Leben ruft. Dabei sollen die internen Bestimmungen der Vereinten Nationen über das Führen von Aufzeichnungen eingehalten und die finanziellen Mittel bedacht werden, die dem ad hoc-Gremium zur Verfügung stehen. Die Aufzeichnung des von dem ad-hoc-Gremium ermittelten Stoffes ist für die Nachvollziehbarkeit des Abschlussberichts des Gremiums von Bedeutung. Da das das Gremium einsetzende Organ der Vereinten Nationen sich den Bericht am Ende der Tätigkeit der ad-hoc-Gremiums zu eigen machen beziehungsweise diesen ablehnen wird, ist es konsequent, diesem die Verantwortung für die Aufzeichnungen zu übertragen. In der heutigen Zeit, mit ihren technischen Möglichkeiten, insbesondere Scannern und Kopierern sowie großen Speicherkapazitäten auf Festplatten, dürften Aufzeichnungen, allerdings anders als zu Beginn der 1970er Jahre, keinerlei Schwierigkeiten mehr bereiten. Von Zeugenanhörungen sollen auf Wunsch des ad-hoc-Gremiums hin nach Regel 24 lit. b) Tonaufzeichnungen als Teil des Verfahrens angefertigt werden. Solche Tonaufzeichnungen müssen in dem Umfang vom Sekretariat vorbereitet werden, in dem hierfür finanzielle und verwaltungstechnische Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Regelung möchte eine grundsätzliche Verfügbarkeit von Zeugenaussagen garantieren, und zwar in der Form, dass die Mitglieder des ad-hoc-Gremiums die Aufzeichnung erneut anhören können. Durch die Tonaufzeichnung kann einerseits die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes behoben und andererseits eine verzerrte schriftliche Wiedergabe des Gesagten vermieden werden. In der Regelung kommt zudem erneut die hohe Bedeutung zum Ausdruck, welche generell Zeugenaussagen durch die Musterverfahrensregeln von 1970 zuerkannt wird. Die Einschränkbarkeit des grundsätzlichen Aufzeichnungsgebots, die in Regel 24 lit. b) formuliert ist, kann nur mit der Situation der Entstehung der Musterverfahrensregeln von 1970 erklärt werden. In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren waren Tonbänder noch teuer und die Bedienung von Aufnahmegeräten erforderte einiges Können. Im heutigen digitalen Zeitalter mit quasi grenzenlosen Aufnahme- und Speicherkapazitäten entfällt wohl dieser Gehalt von Regel 24 lit. b).
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Wird in der Resolution beziehungsweise Entscheidung, durch die das ad-hocGremium errichtet wurde, keine Regelung darüber getroffen, auf welchem Wege seine Aufzeichnungen verteilt beziehungsweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so obliegt diese Entscheidung nach Regel 24 lit. c) dem ad-hocGremium selbst. Diese Regelung lässt also dem ad-hoc-Gremium einen großen Spielraum im Umgang mit den Untersuchungsaufzeichnungen. Bei der Entscheidung wird sich das ad-hoc-Gremium wohl vor allem von dem Gedanken des Zeugenschutzes leiten lassen müssen. Eine gänzliche Freigabe der Aufzeichnungen, einschließlich der Freigabe von Namen, Adressen und ähnlichen Daten, könnte dazu führen, dass ein menschenrechtsverletzender Staat, der Einsicht in die Aufzeichnungen nimmt, Personen, welche zu seinen Lasten Zeugenaussagen vor dem ad-hocGremium getroffen haben, Repressionen aussetzt. k) Abschlussbericht (Regel 25) Im letzten Abschnitt der Musterverfahrensregeln von 1970, der Sektion XI, findet sich als einzige Bestimmung Regel 25, die Regelungen hinsichtlich des Abschlussberichts des ad-hoc-Gremiums enthält. Nach Regel 25 lit. a) hat das ad-hoc-Gremium in nichtöffentlicher Sitzung einen Abschlussbericht über seine Tätigkeit zu erstellen, nachdem alle Informationen, Erklärungen und Beweise präsentiert sowie alle Zeugen gehört worden sind. Der Abschlussbericht hat nach der Regel zudem die Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu enthalten, welche das ad-hoc-Gremium abgeben möchte. Um Meinungsverschiedenheiten innerhalb des ad-hoc-Gremiums über die Inhalte des Abschlussberichts gerecht zu werden, sieht Regel 25 lit b) vor, dass für den Fall, dass ein Mitglied des Gremiums sich bei der Abstimmung über den Abschlussbericht enthält oder hinsichtlich des ganzen Abschlussberichts oder hinsichtlich einzelner Teile von diesem eine abweichende Ansicht vertritt, dieses Verhalten des betreffenden Mitglieds aufgezeichnet werden muss. Dem betreffenden Mitglied ist, bei entsprechendem Wunsch, auch die Möglichkeit zu geben, in dem Abschlussbericht seine abweichende Auffassung in einer Erklärung niederzulegen. Der Abschlussbericht des ad-hoc-Gremiums muss nach Regel 25 lit. c) in Übereinstimmung mit dem Arbeitsauftrag bei dem zuständigen Organ eingereicht werden. Neben der Wahrung der Zuständigkeiten in Bezug auf das zur Befassung zuständige Organ wird die Bindung des ad-hoc-Gremiums an sein Mandat in Bezug auf das zu Berichtende betont. Dies bedeutet insbesondere, dass der Inhalt des Berichts zu dem gegebenen Arbeitsauftrag passen muss und dass etwaige Fristen zur Berichterstattung einzuhalten sind. Der Abschlussbericht muss nach Regel 25 lit. c) zudem Beobachtungen und Kommentare zur betreffenden Situation der Staaten enthalten, soweit solche Äußerungen vorhanden und verfügbar sind. Diese Regelung ist damit souveränitätsschonend ausgestaltet. Dem von der einschlägigen Untersuchung betroffenen Staat soll so die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Sicht der
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Dinge in dem Abschlussbericht darzulegen. Gleichzeitig wird so erreicht, dass die Adressaten des Abschlussberichts einen möglichst kompletten Überblick über die untersuchte Menschenrechtssituation erhalten, zu der gerade auch die Auffassungen des potenziell menschenrechtsverletzenden Staates gehören. Letztlich sieht Regel 25 lit. d) vor, dass, außer im Falle einer abweichenden Regelung im Arbeitsauftrag des ad-hoc-Gremiums, über die Veröffentlichung des Abschlussberichts das Organ der Vereinten Nationen zu entscheiden hat, bei dem der Bericht eingereicht wird. Diese Regel verhindert, dass das ad-hoc-Gremium seinen Abschlussbericht aus eigenem Antrieb veröffentlicht. So wird verhindert, dass ein gegenteiliger politischer Wille in dem übergeordneten Organ der Vereinten Nationen durch das Gremium umgangen wird. Zudem wird sichergestellt, dass nicht andere Organe eine entsprechende Veröffentlichungsentscheidung treffen, weil in ihnen ein möglicherweise anderer politischer Wille vorherrscht.
4. Einordnung und Bewertung Mit dem Entwurf der Musterverfahrensregeln von 1970 hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen eine operable Grundlage für die Verfahrensführung von ad hoc gebildeten Menschenrechtsuntersuchungsgremien geschaffen. Alle wichtigen Verfahrensstadien und -probleme, die einem solchem Untersuchungsgremium, also etwa einer internationalen Untersuchungskommission, begegnen können, werden geregelt. Allerdings sind die Musterverfahrensregeln so allgemein gehalten, dass sie von Untersuchungsgremien zu allen möglichen Fragen, nicht nur in Menschenrechtsangelegenheiten, angewandt beziehungsweise mit Modifikationen übernommen werden können. In einigen Fällen, so etwa bei den in den 1990er Jahren nach Ruanda und Burundi entsandten Untersuchungskommissionen, standen die Musterverfahrensregeln des Generalsekretärs ersichtlich Pate für die Verfahrensregeln dieser Kommissionen, da diese in vielen Punkten mit den Musterverfahrensregeln wortlautidentisch sind.4007 In der übrigen Praxis von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen ist in Bezug auf die Verabschiedung von Verfahrensregeln durch die jeweiligen Kommissionen jedoch ein gemischter Befund zu verzeichnen. Verfahrensregeln gaben sich etwa die Expertenkommission zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in den Konflikten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens,4008 die Kommission zu den Menschenrechtsverletzungen in Togo4009 und die Kommission hinsichtlich des Libanon-Krieges von 2006;4010 besonders umfangreich fiel die Verfahrensordnung der Kommission zum politischen Schicksal von Eritrea aus.4011 In vielen anderen Fällen aus der hier dargestellten 4007 4008 4009 4010 4011
3. Teil § 2 B. IV. 6. c); 3. Teil § 2 B. IV. 7. c). 3. Teil § 2 B. IV. 3. c). 3. Teil § 2 B. IV. 11. c). 3. Teil § 2 B. IV. 14. c). 3. Teil § 2 B. II. 1. c).
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Praxis gaben sich Untersuchungskommissionen entweder keine Verfahrensordnung, oder, falls sie dies doch getan haben sollten, wurde das entsprechende Dokument nicht veröffentlicht. Trotzdem kommt dem Entwurf der Musterverfahrensregeln des Generalsekretärs eine wichtige Funktion zu; denn mit diesen Regeln steht Untersuchungskommissionen, jedenfalls im Bereich von Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen, bei Bedarf ein ausgereifter Regelsatz, gewissermaßen „von höchster Stelle“ aus dem System der Vereinten Nationen, zur Verfügung.
VIII. Die Berichterstattung durch internationale Untersuchungskommissionen Den Schlussstein der Tätigkeit einer Untersuchungskommission bildet der Abschlussbericht. Allerdings werden in der Praxis auch Zwischenberichte angefertigt und veröffentlicht.4012 Es ist ebenfalls bereits vorgekommen, dass durch das die Untersuchungskommission einsetzende Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen, nach Einreichung beziehungsweise Veröffentlichung des eigentlichen Abschlussberichts, ein weiterer Bericht nach entsprechender Befassung mit dem ursprünglichen Bericht in Auftrag gegeben wurde, wie etwa im Falle der Untersuchung zum Konflikt in Libyen,4013 weil sich die zu untersuchende Situation verändert hat oder ein zu untersuchender Konflikt länger andauerte. Die Erstellung eines Berichts ist in jedem Einzelfall abhängig von der Untersuchungskommission selbst, ihrem Mandat, der Verfahrensordnung, die die Kommission sich gegebenenfalls gegeben hat, und nicht zuletzt von der spezifischen Situation, die es zu untersuchen galt.4014 Allerdings weisen die Berichte der verschiedenen Untersuchungskommissionen gewisse Gemeinsamkeiten auf. 1. Abschlussbericht a) Berichtsstruktur und -inhalt Die Abschlussberichte von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen weisen regelmäßig ähnliche Elemente in der Struktur auf, wobei im Einzelfall allerdings auch nicht unerhebliche Abweichungen zu verzeichnen sind.4015 In der Berichtseinführung werden regelmäßig Angaben zum Mandat der jeweiligen Un4012 Dies war etwa während der Tätigkeit der Expertenkommission zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts während der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien der Fall, 3. Teil § 2 B. IV. 3. 4013 3. Teil § 2 B. IV. 20. e) aa). 4014 Vgl. Theo C. van Boven, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 165 (165). 4015 William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 127; 3. Teil § 2 B. I. 1. bis 3. Teil § 2 B. V. 2. (jeweils d)).
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tersuchungskommission, zu dessen Entstehung, zu den Kommissionsmitgliedern und zu den von der Kommission angewandten Arbeitsweisen niedergelegt. Der Einführung folgend, schließt sich der Hauptteil des Berichts an. Dieser enthält oftmals eine Einführung in den Untersuchungsgegenstand. Diesem folgend, bereitet die Kommission dann die Details der Untersuchung auf und stellt die gefundenen Tatsachen dar. Den Schluss des Berichts bilden in der Regel die Schlussfolgerungen beziehungsweise Ergebnisse der Untersuchung sowie gegebenenfalls Empfehlungen. Zudem enthalten viele Berichte eine variierende Anzahl von Anhängen, in die Informationen ausgelagert sind, auf die im eigentlichen Haupttext Bezug genommen wird. Hierzu gehören etwa Landkarten, Statistiken, Kommunikation der Kommission mit verschiedenen Akteuren sowie verschiedene andere Dokumente.4016 Bei der Berichterstattung haben sich die Kommissionen regelmäßig einer sehr sachlichen Sprache bedient, was der Präsentation von Ergebnissen internationaler Kommissionen auch angemessen ist, da die Kommissionen gerade Tatsachen und gefundene rechtliche Ergebnisse objektiv darstellen sollen. Ein Gegenbeispiel bildet der Bericht der Untersuchungsmission zum Beschuss der Stadt Beit Hanoun im Gazastreifen durch israelische Streitkräfte.4017 Diese Mission bediente sich über Teile des Berichts einer emotionalen Sprache. So traf die Mission die Aussage, dass „ein Opfer des Beschusses von Beit Hanoun die Rechtsstaatlichkeit“ gewesen sei. Emotionale Sprache in den Berichten birgt stets die Gefahr in sich, dass die Ergebnisse der Kommission als nicht objektiv betrachtet werden. Daher sollte eine solche Sprache durch internationale Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen bei der Berichterstattung dringend vermieden werden. b) Adressaten und Funktionen von Berichten Dem abschließenden Bericht einer Untersuchungskommission kommen mehrere Funktionen zu. Diese sind nicht zuletzt von den verschiedenen Adressaten des Abschlussberichts abhängig. Primäre Adressaten der Berichte von Untersuchungskommissionen sind dabei stets die Organe beziehungsweise Nebenorgane der Vereinten Nationen, die die betreffenden Kommissionen eingesetzt haben. Dies kommt auch in den Mandaten verschiedener Kommissionen zum Ausdruck. So findet sich etwa in dem Mandat des Unterausschusses des Sicherheitsrates zur Spanischen Frage der Passus, dass der Unterausschuss die Aufgabe habe „to report to the Security 4016
Vgl. zu den gewöhnlich in den Berichten von internationalen Untersuchungskommissionen auftauchenden Strukturmerkmalen auch William I. Shore, Fact-finding in the Maintenance of International Peace, S. 127 f. Für die Struktur der Berichte des Special Committee to Investigate Israeli Practices der Generalversammlung trifft ähnliche Feststellungen Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 234 f.; siehe auch Theo C. van Boven, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 165 (167). 4017 3. Teil § 2 B. IV. 15. d).
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Council before the end of May“.4018 Die Kommission zur Untersuchung der südafrikanischen Gewaltakte gegen Angola sollte „report to the Council not later than 15 November 1985“4019 und die Kommission zur Untersuchung des Todes von Benazir Bhutto „shall submit its report to the Secretary-General within six month from the start of its activities“.4020 Bereits aus der mandatierten Aufgabe einer Untersuchungskommission ergeben sich mehrere primäre Grundfunktionen für den von der Kommission präsentierten Abschlussbericht: die Sammlung, die Zusammenstellung und Kategorisierung sowie die Würdigung des ermittelten Tatsachenmaterials.4021 Bei der Sammlung des Tatsachenmaterials werden die von der jeweiligen Untersuchungskommission gesammelten Fakten in dem Bericht präsentiert. Obwohl in dem reinen Auflisten der gesammelten Tatsachen an sich noch kein eigenständiges Element ihrer Bewertung liegt, ist bereits eine gewisse Tendenz zu einer solchen Bewertung zu erkennen. Denn etwa in einem bewaffneten Konflikt wird die schiere Masse der anfallenden Fakten regelmäßig die Kapazitäten der Untersuchungskommission übersteigen, also dasjenige, was sie ermitteln und später auswerten kann. Vielmehr wird durch die Kommission schon eine Auswahl vorgenommen werden, aus der sich bereits Regelmäßigkeiten, Zusammenhänge sowie Grundmuster im Bereich von Rechtsverletzungen erkennen lassen können.4022 Im engen Zusammenhang mit dem Sammeln der Tatsachen und den ihnen zugrunde liegenden Beweisen steht die Zusammenstellung und Kategorisierung des gefundenen Tatsachenmaterials. Hierdurch wird dem Bericht eine innere Struktur verliehen und dem Leser Orientierung vermittelt. Abschließend erfolgt die Würdigung der Beweise. Obwohl in der Vergangenheit immer wieder angezweifelt wurde, dass Untersuchungskommissionen zur Würdigung der gefundenen Beweise befugt seien, ist dies inzwischen als festes Element in der Tätigkeit solcher Kommissionen etabliert und wird heute nicht mehr bestritten.4023 Sollen die Arbeit einer Untersuchungskommission und besonders die aus dieser Arbeit hervorgegangenen Ergebnisse nicht lediglich als eine untergeordnete Nebenaufgabe des Organs beziehungsweise Nebenorgans, das die Kommission eingesetzt hat, erscheinen, sondern einen eigenen gewichtigen Beitrag etwa zum 4018
3. Teil § 2 B. I. 2. b). 3. Teil § 2 B. I. 13. b). 4020 3. Teil § 2 B. III. 3. b). 4021 In diesem Sinne hat auch die im Rahmen der Vereinten Nationen bis 2006 bestehende Unterkommission der Menschenrechtskommission für die Verhütung von Diskriminierung und den Schutz von Minderheiten bereits im Jahre 1967 in „gathering, collecting and evaluation“ von Tatsachenmaterial einen nützlichen Beitrag zur Bekämpfung großangelegter Verletzungen der Menschenrechte erblickt, UN Doc. E/CN.4/930-E/CN.4/Sub.2/274 vom 27. Januar 1967, S. 95; hierauf weist auch John Carey, Iowa Law Review 53 (1967), S. 291 (308) hin. Siehe auch Theo C. van Boven, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 165 (167). 4022 Lothar Kuhl, Die Untersuchungs- und Berichtstätigkeit des „Special Committee to Investigate Israeli Practices“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen, S. 240. 4023 Vgl. etwa John Carey, Iowa Law Review 53 (1967), S. 291 (308 m. w. N.). 4019
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Schutz der Menschenrechte darstellen, der auch als solcher auf der internationalen Ebene wahrgenommen wird, muss durch die jeweilige Kommission eine eigene Beweiswürdigung erfolgen. Der Dokumentation des Würdigungs- und Entscheidungsprozesses im Abschlussbericht kommt daher eine wichtige Funktion zu. Eine weitere Funktion des Abschlussberichts liegt regelmäßig darin, über das Geschehene zu informieren.4024 Die Ergebnisse der Arbeit der Untersuchungskommission können dabei, wie oben gezeigt, für die Vereinten Nationen oder auch für eine breite Öffentlichkeit bestimmt sein.4025 Die Berichte der Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen werden in der Regel mit einer Dokumentennummer versehen. Sie gehen damit in den allgemeinen Dokumentenfundus der Vereinten Nationen ein und sind damit entsprechend zugänglich. Zudem werden die Berichte stets in voller Länge und mit Anlagen im Internet veröffentlicht. So sind sie für alle Interessierten offen und können etwa von den Medien, Wissenschaftlern, nationalen und internationalen Behörden oder Nichtregierungsorganisationen, die in der Menschenrechtsarbeit aktiv sind, abgerufen werden. So kann es zu einer weltweiten Verbreitung der Ergebnisse der betreffenden Untersuchung kommen. Diese allgemeine Verbreitungsmöglichkeit der Abschlussberichte führt noch zu einer weiteren Funktion, welche eine gewisse Janusköpfigkeit aufweist. Durch ihren offiziellen Charakter als Dokument der Vereinten Nationen, etwa durch ihre Annahme in dem die Untersuchungskommission einsetzenden Organ oder durch den Abdruck des Emblems der Vereinten Nationen auf dem entsprechenden Dokument,4026 besteht die begründete Vermutung, dass den Abschlussberichten von entsprechenden Untersuchungskommissionen durch sehr viele Rezipienten ein erhöhtes Maß an Glaubwürdigkeit zugeschrieben und Beachtung geschenkt wird. Hierdurch kann die Version einer Situation beziehungsweise eines Konfliktes, so wie sie in dem Abschlussbericht präsentiert wird, zu einem „in Stein gemeißelten Stück Geschichtsschreibung“4027 werden.4028 Da die Vereinten Nationen Untersuchungs4024 Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (17). 4025 Vgl. Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (17). 4026 Vgl. Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (17). 4027 Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 246. 4028 Siehe auch Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (17 m. w. N.), die darauf hinweisen, dass nach Auffassung des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Falle von Untersuchungen im Bereich von Menschenrechtsverstößen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht „such inquiries might also provide a historical record of serious violations of human rights and international humanitarian law“. Diese Funktion internationaler Dokumente, in denen Menschenrechtsverstöße dokumentiert werden, kommt auch schon in dem Bericht des Richters des US-amerikanischen Supreme Courts Robert Jackson, dem Chefankläger während der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesse, an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vom 7. Juli 1945 zum Ausdruck. Hierin
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kommissionen oftmals in Konflikten einsetzen, die in Staaten stattfinden, die eine lange diktatorische oder zumindest autokratische Regierungstradition kennen beziehungsweise in denen die Konfliktparteien „die Wahrheit für sich gepachtet haben“, können die Ergebnisse einer solchen Kommission dabei helfen, Traditionen der dortigen offiziellen Geschichtsschreibung aufzubrechen und durch profund recherchierte Ergebnisse zu einer versachlichten Aufarbeitung des Geschehenen beitragen. Allerdings darf andererseits nicht übersehen werden, dass oftmals Kommissionen in ihrer Arbeit nicht alle Details einer Situation beziehungsweise eines Konflikts ausarbeiten können werden. Wie oben bereits dargetan, werden sie eine Selbstbeschränkung hinsichtlich der abzuarbeitenden Fakten vornehmen, deren Bewertung und Interpretation wiederum von subjektiven Einschätzungen abhängig sind.4029 c) Berichterstattung über Personen Ein besonderes Problem bei der Berichterstattung stellt sich bei solchen Kommissionen, die durch ihr jeweiliges Mandat beauftragt wurden, die Verantwortlichkeit von Personen festzustellen, die für Verletzungen der Menschenrechte und/ oder des humanitären Völkerrechts in einer gegebenen Situation verantwortlich waren. Wie oben gezeigt, wurden mit einer solchen Aufgabe die Kommissionen für Darfur, Timor-Leste, Libyen, Guinea, die Zentralafrikanische Republik und für den Gaza-Konflikt 2014 betraut.4030 Dort, wo die Verantwortlichkeit einer Person für eine bestimmte Handlung beziehungsweise mehrere Handlungen festgestellt wird, muss zwangsläufig, zu Zwecken der Identifikation der betreffenden Person, deren Name festgehalten werden.4031 Für die Nennung der Namen von Personen, die – nach Auffassung einer Untersuchungskommission – etwa für schwere Verletzungen der Menschenrechte oder für Kriegsverbrechen in einer bestimmten Situation verantwortlich zeichnen, lassen sich verschiedene nachvollziehbare Gründe anführen.4032 Die Aufdeckung der Identität verantwortlicher Personen kann das Recht auf Wahrheit befördern, in dem es zum schrieb Jackson, dass es zu den wichtigsten Vermächtnissen der Prozesse von Nürnberg gehören würde, dass sie eine Dokumentation der Gräueltaten der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs bieten würden „with such authenticity and in such detail that there can be no responsible denial of these crimes in the future and no tradition of martyrdom of the Nazi leaders can arise among informed people.“, wiedergegeben in: American Journal of International Law 39 (Supplemental 1945), S. 178 (184); hierauf weist auch Michael P. Scharf, Texas International Law Journal 31 (1996), S. 1 (13) hin. 4029 Ähnlich für die abschließenden Berichte von Wahrheitskommissionen Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 246. 4030 3. Teil § 2 C. I. 3. c). 4031 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (327 f.). 4032 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328).
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einen das Interesse der Öffentlichkeit befriedigt, zu wissen, welche Handlungen durch wen begangen wurden; zum andere kann die Wissen um die Identität des Täters zum Gerechtigkeitsempfinden des Opfers einer Rechtsverletzung beitragen.4033 Letzteres ist insbesondere in Fällen und Situationen wichtig, in denen Straflosigkeit für die Täter von Rechtsverletzungen zu besorgen ist.4034 Zudem kann die Identifizierung des Täters ein Teil des Rechts von Opfern auf ein effektives Rechtsmittel sein.4035 Den gerade aufgeführten Interessenpositionen der Öffentlichkeit und von Privatpersonen an der Offenlegung der Identität von Personen, denen die Begehung von Kriegsverbrechen oder schwere Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen wird, sind jedoch Grenzen gesetzt. Die genannten Positionen müssen gegen die Rechte der derart Beschuldigten abgewogen werden.4036 Hierzu gehören das Recht auf und der Schutz von Privatheit, Familie, Ehre und Reputation, wie etwa in Artikel 17 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt, oder der in Artikel 14 Abs. 2 desselben Paktes festgeschriebene Grundsatz, dass jemand, der einer Straftat beschuldigt wird, solange als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist. Zu bedenken ist insoweit, dass die Beschuldigung der Verübung von schweren Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts nicht nur strafrechtliche Folgen haben kann,4037 sondern ebenso weitreichende Konsequenzen für den Ruf, das Familien- und das Berufsleben des Beschuldigten.4038 Beispielsweise können Bedrohungen der Familie des Beschuldigten durch Mitglieder verfeindeter Gruppierungen vorkommen, der Beschuldigten kann aufgrund der Offenlegung seines Namens seine Arbeit verlieren, oder es kann sein, dass der Beschuldigte in der Öffentlichkeit gemieden wird. Aus diesen Gründen müssen auch Untersuchungskommissionen in Bezug auf die Identifizierung von Personen, die möglicherweise schwere Verletzungen der Menschenrechte und/oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu verantworten haben, die Grundsätze eines fairen Verfahrens beachten.4039 4033 Vgl. die Studie des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte über das Recht auf Wahrheit, UN Doc. E/CN.4/2006/91 vom 8. Februar 2006, Rn. 38 ff., 58; Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328); Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 630. 4034 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328). 4035 United Nations Human Rights Committee, Rodríguez v. Uruguay, Communication No. 322/1988, UN Doc. CCPR/C/51/D322/1988 (1994) vom 9. August 1994, Rn. 14. 4036 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328). 4037 Vgl. hierzu schon oben 3. Teil § 2 C. IV. 3. 4038 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328). 4039 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (328 f.).
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In der Praxis von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen sind verschiedene Wege beim Umgang mit der Nennung von Namen gegangen worden. Die Kommission für die Gewalt in Timor-Leste im Jahr 2006 etwa nannte in ihrem Abschlussbericht die Namen derjenigen, die die Kommission für verantwortlich hielt, zu Gewalt und weitreichenden Menschenrechtsverletzungen angestachelt zu haben.4040 Die Kommission zur Untersuchung des Massakers in Conakry benannte diejenigen Personen, die sie für direkt oder indirekt in die Geschehnisse involviert hielt.4041 Anders ging hingegen die Darfur-Kommission des Sicherheitsrates vor.4042 Diese Kommission verzichtete darauf, die Namen der Personen, die sie als Täter von Rechtsverletzungen ansah, in ihren Abschlussbericht aufzunehmen. Vielmehr übergab die Kommission eine Liste mit den Namen solcher Personen in einem geschlossenen Umschlag an den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Durch ein solches Vorgehen wird jedenfalls eine allgemeine Verbreitung der Namen der beschuldigten Personen verhindert, und so, wenigstens partiell, den menschenrechtlichen Positionen der Beschuldigten Rechnung getragen. Im Falle einer Mandatierung einer Untersuchungskommission durch den Menschenrechtsrat ist natürlicher Adressat einen solchen verschlossenen Umschlags auch der Präsident des Menschenrechtsrates.4043 In ähnlicher Weise wie die Darfur-Kommission ging die Kommission vor, die vom Sicherheitsrat mit der Durchführung von Untersuchungen hinsichtlich potenzieller Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht während des Konflikts in der Zentralafrikanischen Republik betraut worden war.4044 Diese Kommission legte einen besonderen Annex zu ihrem Abschlussbericht an, in dem sie die Personen, einschließlich der ihnen zu Last gelegten Verhaltensweisen, dokumentierte, die strafwürdig seien und daher Gegenstand eines späteren Strafverfahrens sein könnten. Dieser besondere Annex wurde nach Beendigung der Kommissionstätigkeit an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übergeben, und unterliegt bisher der Vertraulichkeit. Ein anderer Gesichtspunkt im Hinblick auf ein faires Verfahren, der bei der bisherigen Tätigkeit von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen keine, oder allenfalls eine untergeordnete Rolle spielte, war die Gewährung einer echten Verfahrensposition für die Personen, die von der jeweiligen Kommission als verantwortlich für die Verletzungen von Menschenrechten oder des humanitären Völkerrechts angesehen wurden. Jedenfalls schweigen sich die einschlägigen Kommissionsberichte zu dieser Frage regelmäßig aus.4045 Eine solche Verfahrensposition kann etwa darin bestehen, dass die Kommission den Versuch unternimmt, 4040
Report of the Independent Special Commission of Inquiry for Timor-Leste, Rn. 109 ff. UN Doc. S/2009/693 vom 18. Dezember 2009, Rn. 212 ff. 4042 Hierzu schon oben 3. Teil § 2 B. IV. 12. c) und d). 4043 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (329). 4044 Hierzu schon oben 3. Teil § 2 B. IV. 24. c) und d). 4045 Vgl. Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (329). 4041
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denjenigen, dessen Namen sie nennen möchte, zuvor hiervon zu unterrichten.4046 Weiterhin könnte der betroffenen Person das Recht eingeräumt werden, sich vor der Abfassung des Berichts oder der Liste, die den Namen der Person enthält, gegenüber der Untersuchungskommission zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern.4047 Dabei kann der betroffenen Person das Recht zugestanden werden, sich schriftlich und/oder mündlich gegenüber der Kommission zu äußeren; hierbei ist, mit Blick auf die begrenzte Zeit, die für Untersuchungen regelmäßig zur Verfügung steht, die Setzung einer Frist möglich.4048 Letztlich ist die Gewährung eines Äußerungsrechts nur dann effektiv, wenn die abgegebene Äußerung von der Untersuchungskommission zur Kenntnis genommen und im Rahmen der Kommissionsmandates entsprechend gewürdigt wird.4049 Die Beachtung der aufgezeigten Positionen zum Vorteil des Betroffenen durch Kommissionen der Vereinten Nationen würde im Rahmen von zukünftigen Untersuchungen erheblich zu der Verwirklichung eines fairen Verfahrens beitragen. Ungeachtet der Restriktionen, denen eine Kommission aus ihrem Mandat oder in zeitlicher, personeller und/oder sachlicher Weise unterworfen sein mag, können Verfahrenspositionen zugunsten von Personen, denen schwere Rechtsverletzungen von Untersuchungskommissionen vorgeworfen werden, nicht einfach ignoriert werden.4050 Eine Nichtbeachtung der Verfahrenspositionen der Betroffenen durch eine Kommission, die gerade selbst in menschenrechtlichen Angelegenheiten ermittelt, unterminiert die Integrität dieser Kommission, und ist auch geeignet, die Glaubwürdigkeit der durch die Kommission gefunden Ergebnisse zu beeinträchtigen.4051 Daher müssen Kommissionen mit entsprechendem Mandat unbedingt die Personen, deren Namen sie nennen möchten, in das Verfahren – etwa in der oben beschriebenen Weise – einbeziehen. Die Methode dieser Einbeziehung sollte dann, zur Herstellung der gebotenen Transparenz, auch im Abschlussbericht der Kommission niedergelegt sein. 2. Empfehlungen Am Ende der Berichte von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen finden sich vielfach Empfehlungen.4052 Hierin sind Vorschläge für weitere Handlungen durch die Vereinten Nationen oder durch andere, an der untersuchten Si4046
Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 284. Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 288. 4048 Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 288 f. 4049 Mark Freeman, Truth Commissions and Procedural Fairness, S. 290. 4050 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (330). 4051 Alison Bisset, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 307 (330 f.). 4052 Vgl. Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (27). 4047
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tuation beteiligte oder interessierte, Akteure niedergelegt. Dieser Teil der Abschlussberichte geht damit über die Darstellung der Vergangenheit hinaus und ist in die Zukunft gerichtet.4053 Empfehlungen sind dazu bestimmt und geeignet, den Adressaten des Berichts Werkzeuge an die Hand zu geben, die die Untersuchungskommission für förderliche hält, um auf die von ihr vorgefundene und untersuchte Situation in positiver Art und Weise einzuwirken.4054 Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen wurden in verschiedenen Kontexten von den einsetzenden Organen oder Nebenorganen mit der Abgabe von Empfehlungen hinsichtlich des zu untersuchenden Sachverhaltes mandatiert. So wurde etwa die 1949 eingesetzte Kommission hinsichtlich des politischen Schicksals von Eritrea von der Generalversammlung beauftragt „to prepare a report for the General Assembly, together with such proposal or proposals as it may deem appropriate for the solution of the problem of Eritrea“.4055 Auch die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates für die Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen war gehalten „to report to the Council with recommendations“.4056 Kommissionen aus jüngerer Zeit, deren Mandat auf Untersuchungen von Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts gerichtet ist, werden oftmals ausdrücklich um die Abgabe von Empfehlungen ersucht, wobei diese Empfehlungen etwa darauf gerichtet sein sollen, die Wiederholung von Rechtsverletzungen zu unterbinden oder zu verhindern, Verantwortlichkeitsmechanismen für Rechtsverletzungen zu etablieren, oder allgemein die Menschenrechtslage in dem von der Untersuchung betroffenen Staat zu verbessern. Solche Ersuchen waren etwa an die Kommission der Menschenrechtskommission zur Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts während der Zweiten Intifada,4057 an die vom Generalsekretär eingesetzte Kommission zur Untersuchung des Massakers in Conakry,4058 an die Kommission des Menschenrechtsrates zur Untersuchung des Konflikts in Libyen4059 oder an die ebenfalls vom Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Eritrea4060 gerichtet worden. In anderen Fällen haben Untersuchungskommissionen aber auch Empfehlungen abgegeben, ohne hierzu expressis verbis mandatiert worden zu sein.4061 Dies war etwa bei der vom Sicherheitsrat eingesetzten Untersuchungs4053
Siehe auch Wolfgang Pasternack, Wahrheitskommissionen, S. 284. Vgl. auch Isabelle Lassée, in: Morten Bergsmo (Hrsg.), Quality Control in Fact-Finding, S. 167 (179). 4055 3. Teil § 2 B. II. 1. b). 4056 3. Teil § 2 B. I. 12. b). 4057 3. Teil § 2 B. IV. 10. b). 4058 3. Teil § 2 B. IV. 18. b). 4059 3. Teil § 2 B. IV. 20. b). 4060 3. Teil § 2 B. IV. 25. b). 4061 Vgl. Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (27). 4054
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kommission für die Menschenrechtslage in Darfur4062 oder bei der vom Menschenrechtsrat eingesetzten Kommission für Untersuchungen im Libanon-Krieg von 20064063 der Fall. a) Zulässigkeit von Empfehlungen In der älteren Literatur wurde die Zulässigkeit der Abgabe von Empfehlungen durch ein Untersuchungsgremium der Vereinten Nationen jedenfalls für den Bereich der Menschenrechte noch bestritten.4064 Dabei fand eine Anlehnung an die ältere Vertragspraxis statt, namentlich an Artikel 14 des I. Haager Abkommens von 1899 und Artikel 35 des I. Haager Abkommens von 1907, die jeweils ausdrücklich vorsehen, dass sich die Berichte einer Untersuchungskommission auf die Feststellung von Tatsachen zu beschränken haben und ihnen in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruches zukommt. Nach den genannten Regelungen lassen die Berichte den Parteien die volle Freiheit in Ansehung der Folgen, die den in dem Bericht enthaltenen Feststellungen zu geben sind. Nach der beschriebenen Literaturauffassung solle dieser Gedanke abgewandelt daher auch für solche Untersuchungsgremien gelten, die durch Organe einer Internationalen Organisation eingesetzt wurden. Auch in diesem Fall solle sich das jeweilige Gremium in seinem Bericht auf die Feststellung von Tatsachen konzentrieren. Bei der Abgabe von Empfehlungen habe Zurückhaltung zu herrschen oder es sei ganz darauf zu verzichten. Ansonsten würde zu sehr in den politischen Bereich übergegriffen. Dieser Bereich sei aber gerade die Sphäre von anderen Organen der Vereinten Nationen, nämlich solchen, denen eine Kompetenz für politische Entscheidungen zukomme. Diese Auffassung wurde früher auch von einigen Staaten geteilt. Im Rahmen der Schaffung der Musterverfahrensregeln für ad-hoc-Untersuchungsgremien durch die Menschenrechtskommission beziehungsweise durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen4065 opponierten etwa die Vertreter Frankreichs, Italiens und der Niederlande gegen die Aufnahme von Empfehlungen in die Berichte von Untersuchungsgremien. Der Vertreter Frankreichs gab zu dieser Frage folgende Erklärung ab: „the report of an ad hoc body should include an analysis of all information and evidence gathered. However, it would appear that the body should limit itself to an investigatory role and would therefore not be empowered to formulate recommendations“.4066 Der italienische Vertreter erklärte: „It would be appropriate to specify that the conclusions of the ad hoc body must state the grounds on which they are based and in particular must be based on an analytical evaluation of all the evidence, 4062
3. Teil § 2 B. IV. 12. b) und d). 3. Teil § 2 B. IV. 14. b) und d). 4064 So insbesondere noch H. G. Darwin, in: The David Davis Memorial Institute (Hrsg.), International Disputes – The Legal Aspects, S. 159 (259). 4065 Hierzu näher oben 3. Teil § 2 C. VII. 2. 4066 UN Doc. E/CN.4/1071/Add. 2 vom 1. September 1971, S. 3. 4063
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documents and statements assembeled.“4067 Und von Seiten der Niederlande wurde geäußert: „fact finding should be strictly divorced from decision making“. Weiterhin wurde erklärt: „The Report of the investigation should contain a comprehensive record of the evidence and all other relevant information as well as the conclusions that the investigating body may be able to draw from its findings. However, the Netherlands does not deem that in actual practice and according to terms of reference not only conclusions but also recommendations are often included in the report, we regard the framing of recommendations as belonging to the policy sphere and, as such, a proper task for the competent organs which established the fact finding body“.4068 Eine so verstandene Beschränkung ist zu restriktiv. Insbesondere dann, wenn es sich um Untersuchungen im Bereich des Menschenrechtsschutzes handelt, können Empfehlungen nämlich ein wesentlicher Baustein bei der Wiederherstellung des Respekts für die Menschenrechte in einer gegebenen Situation sein.4069 Gerade aufgrund der besonderen Einblicke, die eine Untersuchungskommission durch ihre Tätigkeit gewinnt, ist sie besonders prädestiniert, Handlungsalternative und -optionen für die verschiedenen involvierten Akteure in einer Situation zu entwerfen, sodass es gar kontraproduktiv wäre, eine so wertvolle Quelle nicht als Teil des Abschlussberichtes zulassen zu wollen.4070 Überließe man im Rahmen der Vereinten Nationen die Aufgabe, Strategien für das weitere Vorgehen in einem Konflikt oder bezüglich einer anderen Situation zu entwerfen, allein dem die Untersuchungskommission einsetzenden Organ beziehungsweise Nebenorgan, wäre diese Aufgabe wiederum dem politischen Verhältnissen in diesem Organ oder Nebenorgan ausgesetzt, sodass die Gefahr bestünde, dass im weiteren Prozess nur ein Minimalkonsens über Empfehlungen erzielt und so der Wert der eigentlichen Untersuchungsergebnisse bedeutend geschmälert würde. Für die Akteure, die in die zu untersuchende Situation involviert sind, können solche Empfehlungen wertvolle Hinweise zur internen Konfliktlösung oder zumindest zu Teilkonfliktlösungen bereithalten. Zu Recht wurde daher in der Praxis von Untersuchungen der Vereinten Nationen die ältere Position nicht oder nur selten berücksichtigt. Empfehlungen in Abschlussberichten von Untersuchungsgremien der Vereinten Nationen sind vielmehr zur Regel geworden. Wie oben bereits gezeigt, beinhaltet heute häufig schon der Auftrag, der einer Untersuchungskommission erteilt wird, die Mandatierung zur Abgabe vom Empfehlungen. In anderen Fällen haben Kommission, ohne hierum im entsprechenden Mandat ersucht worden zu sein, Empfehlungen sua sponte abgegeben. 4067
UN Doc. E/CN.4/1071/Add. 2 vom 1. September 1971, S. 4. UN Doc. E/CN.4/1071/Add. 2 vom 1. September 1971, S. 5 f. 4069 So ausdrücklich Theo C. van Boven, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 166 (170). 4070 Vgl. Theo C. van Boven, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 166 (170). 4068
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
b) Adressaten und Inhalte der Empfehlungen Die Empfehlungen von Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen variieren stark nach dem jeweiligen Untersuchungsauftrag und den gefundenen Ergebnissen.4071 Daher erweist es sich hier als besonders schwierig, zu generalisierenden Aussagen zu gelangen. Bei Untersuchungskommissionen, die insbesondere auch zur Abgabe von Empfehlungen zur Lösung einer spezifischen Situation eingesetzt wurden, verwundert es nicht, dass die entsprechenden Empfehlungen im Abschlussbericht sehr gezielt und eng begrenzt waren. Dies war insbesondere bei der Kommission der Vereinten Nationen zu beobachten, die Untersuchungen mit Blick auf das politische Schicksal Eritreas nach dem Zweiten Weltkrieg anstellen sollte. Die Empfehlungen dieser Kommission waren eindeutig auf die Lösung der Frage nach der politischen Zugehörigkeit des Territoriums in Ostafrika gerichtet.4072 An eine größere Gruppen von Akteuren im internationalen System, mit jeweils sehr unterschiedlichen Inhalten, waren die Empfehlungen der Kommission des Sicherheitsrates zur Untersuchung der Söldneraggression gegen die Seychellen im Jahr 1982 gerichtet.4073 Die Empfehlungen waren an die Vereinten Nationen, deren Mitgliedstaaten, den Sicherheitsrat, die internationale Gemeinschaft als Ganzes und an die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation gerichtet. Inhaltlich betrafen die Empfehlungen Fragen der wirtschaftlichen Unterstützung für die Seychellen, den Abschluss eines internationalen Abkommens gegen Söldneraktivitäten, die Weitergabe von Informationen über solche Aktivitäten, Fragen der Flugsicherheit sowie das weitere Vorgehen des Sicherheitsrates in der Angelegenheit. Die eng fokussierten und in der Anzahl wenigen Empfehlungen von Kommissionen passen zu den Mandaten solcher Kommissionen, die nur einen einzelnen Zwischenfall oder eine bestimmte Problemlage untersuchen sollen. Es zeigt sich jedoch, dass Kommissionen aus jünger Zeit zur Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts ihre Empfehlungen regelmäßig an eine Vielzahl von Akteuren richten, die eine Rolle in der jeweils untersuchten Situation spielen. Regelmäßiger Adressat von Empfehlungen ist dabei der Staat, bezüglich dessen die Untersuchung durchgeführt wurde. In Fällen, in denen bewaffnete Konflikte untersucht wurden, ergingen Empfehlungen auch an verschiedene nicht-staatliche Konfliktparteien. Weiterhin gehören auch das die Kommission einsetzende Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen sowie die Vereinten Nationen als Ganzes in der Regel zu den Adressaten der Empfehlungen.4074 Zudem werden inzwischen hin- und wieder auch Nichtregierungsorganisationen mit Empfehlungen adressiert. Die Adressierung einer Vielzahl von Ak4071
Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (27). 4072 3. Teil § 2 B. II. 1. d). 4073 3. Teil § 2 B. I. 12. d). 4074 Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (31).
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teuren ist dabei Konsequenz einer Erkenntnis, die sich sowohl in der Praxis der internationalen Beziehungen und der Menschenrechtsarbeit als auch in den wissenschaftlichen Disziplinen der Politikwissenschaft, der Friedens- und Konfliktforschung und des Völkerrechts durchgesetzt hat: Die Lösung, oder jedenfalls Verbesserung, von komplexen Problemlagen im Bereich von schwerwiegenden und systematischen Verletzungen der Menschenrechte oder bei bewaffneten Konflikten kann nur gelingen, wenn in die Lösung alle oder jedenfalls viele Akteure eingebunden werden, die auf die betreffende Situation direkten oder indirekten Einfluss haben.4075 Dies können die Staaten sein, hinsichtlich derer eine Untersuchung durchgeführt wird und die etwa bewogen werden sollen, Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu unterlassen. Ebenso können Empfehlungen in diese Richtung an nicht-staatliche Gewaltakteure ergehen. Anderen Staaten und Internationalen Organisationen kann empfohlen werden, diplomatischen Druck auszuüben oder Sanktionen zu verhängen, um auf menschenrechtsverletzende Staaten einzuwirken oder Hilfe bei nötigen institutionellen, juristischen oder ökonomischen Reformen zu leisten, um die Menschenrechtslage in einem Staat zu verbessern. Institutionen der internationalen Strafgerichtsbarkeit kann im Rahmen ihrer Kompetenzen empfohlen werden, bestimmte Personen zu verfolgen, die eine Kommission etwa als verantwortlich für internationale Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen ansieht. Nichtregierungsorganisationen kann empfohlen werden, die Lage der Menschenrechte in dem von einer Untersuchung betroffenen Staat weiter zu beobachten und ihre Menschenrechtsrechtsarbeit zu intensivieren oder fortzusetzen. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Aus der Praxis von Untersuchungen der Vereinten Nationen im Bereich der Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts lässt sich als Beispiel für Empfehlungen an viele verschiedene Akteure der Bericht der Kommission des Menschenrechtsrates zur Menschenrechtslage in Eritrea anführen.4076 Die Kommission richtete ihre Empfehlungen an den Staat Eritrea, die internationale Gemeinschaft, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, private Unternehmen, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, die Internationale Arbeitsorganisation, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen sowie das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Die Kommission des Menschenrechtsrates für die Menschenrechtslage in Nordkorea sprach Empfehlungen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea, der Volksrepublik China, den Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation, Japan, Südkorea, der internationalen Gemeinschaft, den Vereinten Nationen, 4075
Siehe zu diesen Akteuren W. Michael Reisman, The Quest for World Order and Human Dignity in the Twenty-first Century: Constitutive Process and Individual Commitment: General Course on Public International Law, S. 263 ff., S. 283 ff. sowie David P. Forsythe, in: Andrew F. Cooper/Jorge Heine/Ramesh Thakur (Hrsg.), The Oxford Handbook of Modern Diplomacy, S. 658 (660 ff.). 4076 3. Teil § 2 B. IV. 25. d).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
dem koreanischen Volk, der Zivilgesellschaft sowie gegenüber Unternehmen aus.4077 Die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates für die Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik adressierte mit ihren Empfehlungen die Nationale Übergangsregierung dieses Staates, die dortige internationale Friedensmission, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die internationale Gemeinschaft, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die Afrikanische Union, die Europäische Union, die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft sowie die Internationale Organisation der Frankophonie.4078 Die Empfehlungen von Untersuchungskommissionen im Bereich von Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts können dabei durchaus weitreichend sein und einen hohen Grad an Diversifikation aufweisen.4079 Da, wie bereits erklärt, die Empfehlungen von Untersuchungskommission generell und auch in den genannten Bereichen stets sehr situationsspezifisch sind, und deren Anzahl bereits in einem einzigen Bericht beträchtlich sein kann, werden an dieser Stelle lediglich einige Kostproben zur Veranschaulichung dienen. Beispiele für wiederkehrende Themen von Empfehlungen im Bereich der Menschenrechte oder der Einhaltung des humanitären Völkerrechts waren in der Vergangenheit, etwa bei den Kommissionen beziehungsweise Missionen zur Untersuchung des Gaza-Konflikts von 2008/2009,4080 zur Untersuchung des Gaza-Konflikts von 20144081 oder zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Burundi,4082 die Stärkung von Verantwortungsmechanismen zur Aufklärung und Ahndung von Rechtsverletzungen. Oftmals wurden Empfehlungen, etwa in den Berichten der Untersuchungskommissionen zu den Menschenrechtsverletzungen in Osttimor im Jahr 1999 und zu dem Massaker in Conakry,4083 auch Bezüglich der Entschädigung von Opfern von Rechtsverletzungen abgegeben. Die Untersuchungskommission zum Konflikt in der Côte d’Ivoire4084 und die Kommission zum Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik4085 empfahlen den jeweiligen Regierungen, sich völkerrechtlichen Verträgen zu unterwerfen, im ersten Fall dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und im zweiten Fall der Konvention zur Verhütung und Verfolgung des Verbrechens des Völkermordes sowie der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe, einschließlich des Fakultativprotokolls hierzu. Die Kommission zum Siedlungsbau in den palästi4077
3. Teil § 2 B. IV. 23. d). 3. Teil § 2 B. IV. 24. d). 4079 Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (31). 4080 3. Teil § 2 B. IV. 17. d). 4081 3. Teil § 2 B. IV. 26. d). 4082 3. Teil § 2 B. IV. 28. d). 4083 3. Teil § 2 B. IV. 9. d); 3. Teil § 2 B. IV. 18. d). 4084 3. Teil § 2 B. IV. 21. d). 4085 3. Teil § 2 B. IV. 24. d). 4078
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nensischen Gebieten,4086 die Kommission zur Menschenrechtslage in Eritrea4087 und die Kommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea4088 gaben Empfehlungen an Wirtschaftsunternehmen mit Blick auf deren Geschäftspraktiken hinsichtlich der genannten Territorien ab. Die Vielzahl von abgegebenen Empfehlungen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen verdeutlicht ebenfalls das Bedürfnis für komplexe und vielschichtige Lösungsansätze in Fällen von massiven und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und von bewaffneten Konflikten.
IX. Zeitgleiche Untersuchungen anderer Akteure Die Einsetzung einer Untersuchungskommission durch ein Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen bedeutet nicht, dass dies die einzige Fact-FindingAktivität ist, die anlässlich einer gegebenen Situation entfaltet wird. Oftmals werden, wiederum insbesondere bei Situationen, in denen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte zu besorgen sind, eine Mehrzahl von interessierten Akteuren ebenfalls Untersuchungen in der einen oder anderen Form auf den Weg bringen. Dies können etwa Nichtregierungsorganisationen, Staaten, Regionalorganisationen oder andere Organe beziehungsweise Akteure aus dem System der Vereinten Nationen selbst sein. Dies bringt die Problematik mit sich, dass unterschiedliche Untersuchungen hinsichtlich der gleichen anwendbaren rechtlichen Standards durchaus zu unterschiedlichen Auslegungen und damit auch zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich ein und derselben Situation gelangen können.4089 In der völkerrechtlichen Literatur wird dieser Effekt teilweise als nicht wünschenswert betrachtet.4090 Im Regelfall sind für die beschriebenen Kollisionsfälle weder in dem der jeweiligen Kommission erteilten Mandat noch in etwaig vorhandenen Verfahrensordnungen Regelungen getroffen worden.4091 Es steht den Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen insoweit frei, wie sie sich gegenüber den anderen Untersuchungsverfahren oder -gremien verhalten. Es kann von einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen aber jedenfalls erwartet werden, dass sie sich über das Bestehen anderer Verfahren oder Gremien, deren Mandate denselben Untersuchungsgegenstand betreffen, informiert sowie dass Handlungen und Ergebnisse dieser Verfahren und Gremien bei den eigenen Untersuchungen in Betracht 4086
3. Teil § 2 B. IV. 22. d). 3. Teil § 2 B. IV. 25. d). 4088 3. Teil § 2 B. IV. 23. d). 4089 Diese Problematik zeigt auch K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (31) auf. 4090 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (31). 4091 Vgl. K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and FactFinding in the Field of Human Rights, S. 17 (32 f.). 4087
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
gezogen werden.4092 Auch gibt es keinen Völkerrechtssatz, der es den Kommissionen der Vereinten Nationen verbieten würde, sich mit anderen Untersuchungskommissionen oder -gremien abzustimmen, um Informationen zu gewinnen, Arbeit zu teilen oder Kollisionslagen, wie die Überschneidung von Befragungsterminen, zu verhindern. Bei der Untersuchung von größeren Problemlagen, wie etwa großflächigen Menschenrechtsverletzungen in einem bestimmten Staat, können Untersuchungen durch verschiedene Akteure nicht verhindert werden und sollten dies auch nicht, um ein möglichst vollständiges Bild der Lage vor Ort herzustellen. Auch wenn es zu Überschneidungen kommen kann, werden die Mandate der einzelnen Untersuchungsmechanismen und das Vorgehen bei der Untersuchung niemals vollständig deckungsgleich sein.4093 So ist es durchaus denkbar, dass einige Untersuchungen nur spezifische Völkerrechtsverletzungen aufklären, andere Untersuchungen hingegen ein generelles Bild der Lage geben sollen.4094 Das in einer Situation, in der die Menschenrechte in einer Vielzahl von Fällen verletzt werden, auch eine Vielzahl von Untersuchungsmechanismen auf den Weg gebracht wird, bringt dabei auch die generelle Besorgnis der beteiligten Akteure hinsichtlich der spezifischen Menschenrechtssituation zum Ausdruck; dies kann dazu beitragen, die internationale öffentliche Meinung zu aktivieren, um Maßnahmen zu ergreifen, die den Menschenrechtsverstößen entgegenwirken.4095 In der Praxis von Untersuchungen durch die Vereinten Nationen haben verschiedene Kommissionen immer wieder den Kontakt zu Untersuchungsgremien anderer internationaler Akteure gesucht. Dies zeigt, dass es für die Kommissionen der Vereinten Nationen ein Abstimmungs- und ein Informationsbedürfnis mit beziehungsweise gegenüber den Untersuchungsgremien dieser anderen Akteure gab, und die in der Literatur behaupteten negativen Effekte gleichzeitiger Untersuchungen in der Praxis, wenn überhaupt, bisher eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. So traf etwa die Fact-Finding-Mission des Menschenrechtsrates zum Gaza-Konflikt von 2008/2009 mit der Fact-Finding-Mission für Gaza der Arabischen Liga zusammen,4096 und die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates zum Konflikt in Gaza im Jahr 2014 traf sich mit Vertretern großer internationaler Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Menschenrechte tätig sind, namentlich mit Repräsentanten von Amnesty International und Human 4092 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (34). 4093 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (34). 4094 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (34). 4095 K. T. Samson, in: Bertrand G. Ramcharan (Hrsg.), International Law and Fact-Finding in the Field of Human Rights, S. 17 (34). 4096 3. Teil § 2 B. IV. 17. c).
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Rights Watch.4097 Beide Nichtregierungsorganisationen hatte ihrerseits den Konflikt in Gaza beobachtet und hierzu Untersuchungen angestellt.4098
X. Follow-up-Mechanismen 1. Allgemeines Nachdem eine Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, stellt sich für das einsetzende Organ beziehungsweise Nebenorgan oder auch für die Vereinten Nationen insgesamt die Frage, wie mit den in dem Bericht enthaltenen Feststellungen und Empfehlungen umzugehen ist.4099 Selbstverständlich besteht für diese Gremien die Möglichkeit, sich aus allgemeinen Quellen zu unterrichten sowie bei den von der Untersuchung betroffenen Akteuren, insbesondere von Staaten, Berichte über Implementierungsfortschritte hinsichtlich der Untersuchungsergebnisse anzufordern. Allerdings stellen sich bei einem solchen Vorgehen mehrere Probleme. Versuchen die Organe beziehungsweise Nebenorgane sich etwa aus Pressemeldungen und allgemeinen Lagemeldungen der Vereinten Nationen selbst zu unterrichten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hierin nicht ausreichende Informationen enthalten sind, um die Implementierung der konkreten Empfehlungen und Feststellungen aus dem Kommissionsbericht zu verfolgen. Stützt ein Gremium sich bei der Informationsgewinnung (auch) auf Berichte der von der Untersuchung betroffenen Akteure, besteht die Möglichkeit, dass diese gar nicht kooperieren, die Inhalte der Berichte verfälschen oder nur solche Informationen preisgeben, die geeignet sind, sich selbst positiv darzustellen. Um die gerade beschriebenen Probleme bei der Verfolgung der Implementierung der Feststellungen und Empfehlungen der ursprünglichen Untersuchungskommission zu vermeiden, bietet es sich an, dass das Organ oder Nebenorgan der Vereinten Nationen, welches diese Kommission eingesetzt hat, selbst einen Mechanismus etabliert, der die Aufgabe der Verfolgung der Implementierung übernimmt. Die Anforderungen, welche an einen solchen, ebenfalls ad hoc zu etablierenden Mechanismus hinsichtlich seiner organisatorischen Ausgestaltung und der zur Anwendung kommenden Verfahrensgrundsätze zu stellen sind, stimmen grundsätzlich mit den entsprechenden Parametern originärer Untersuchungskommissionen überein. Jedoch sollten die Mitglieder des Follow-up-Mechanismus nicht mit den Mit4097
3. Teil § 2 B. IV. 26. c). Vgl. Amnesty International, Israel und Besetzte Palästinensische Gebiete vom 6. Mai 2015, abrufbar unter: https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/israel-und-besetzte-palaesti nensische-gebiete (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018) und Human Rights Watch, Israel/Palestine: Unlawful Israeli Airstrikes Kill Civilians – Bombing of Civilian Structures Suggest Illegal Policy vom 15. Juli 2014, abrufbar unter: https://www.hrw.org/news/2014/07/15/israel/ palestine-unlawful-israeli-airstrikes-kill-civilians (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 4099 Hierauf weist auch Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (249 f.) hin. 4098
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
gliedern der Ursprungskommission identisch oder teilweise identisch sein; dies deshalb nicht, um eine kritische und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Inhalten der ursprünglichen Berichterstattung zu ermöglichen und einem nemoiudex-in-sua-causa-Einwand entgegenzutreten. Am Ende der Tätigkeit eines Follow-up-Expertengremiums wird regelmäßig wiederum ein Bericht stehen, in dem sich Feststellungen darüber finden, ob und inwieweit, die von der ursprünglichen Untersuchungskommission getroffenen Feststellungen und abgegebenen Empfehlungen implementiert wurden. 2. Beispiel: Der Follow-up-Mechanismus zum Goldstone-Bericht a) Rahmenbedingungen für die Errichtung eines Follow-up-Mechanismus Als Beispiel für einen solchen großangelegten Follow-up-Mechanismus soll hier das vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte Expertengremium im Nachgang zu dem sog. Goldstone-Bericht4100 dienen.4101 Die Einsetzung des Mechanismus muss im Zusammenhang mit der Reaktion Israels im Rahmen der Veröffentlichung dieses Berichts gesehen werden. Die israelische Regierung vertrat zu diesem Bericht die Auffassung, dass Goldstone und die weiteren Mitglieder der Mission die ihnen übertragene Aufgabe nicht in unbefangener Weise hätten ausüben können.4102 Zudem verwerten sich die offiziellen israelischen Stellen gegen den von der Mission ausgebrachten Vorwurf, dass der Konflikt in Gaza ein bewusst unverhältnismäßiger Angriff gewesen sei, der die Ziele gehabt habe, die dortige Zivilbevölkerung zu erniedrigen und zu bestrafen sowie Terror gegen sie auszuüben, die lokale ökonomische Befähigung zur Arbeit und zur Selbstversorgung in radikaler Weise zu beschneiden und in der Bevölkerung ein ständig wachsendes Gefühl der Abhängigkeit und Verletzlichkeit zu verbreiten.4103 Die israelische Regierung vertrat zu diesen Wertungen der Untersuchungsmission die Auffassung, dass die Schlussfolgerungen durch die Tatsachen nicht getragen würden, und daher die Voreingenommenheit der Mission belegt sei.4104 Ebenfalls wurde von israelsicher Seite kritisiert, dass es im Goldstone-Bericht versäumt worden sei, die Bedrohung für Israel durch asymmetrische Kriegsführung und Terrorismus anzusprechen, durch die beziehungsweise den Zivilisten zu Schilden und Zielen werden würden.4105 4100
3. Teil § 2 B. IV. 17. d). Zu diesem Expertengremium auch Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 ff. 4102 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4103 Vgl. Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4104 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4105 Vgl. die Einlassung des Repräsentanten von Israel auf der 72. Plenarsitzung der 64. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, UN Doc. A/64/PV.72 vom 26. Februar 2010, S. 2 f. 4101
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In den Vereinten Nationen wurde die Kritik Israels am Goldstone-Bericht als nicht überzeugend eingeschätzt.4106 Die Generalversammlung verabschiedete am 26. Februar 2010 im Zusammenhang mit dem Bericht die Resolution 64/254.4107 Im operativen Teil der Resolution wurde zum einen die Regierung von Israel aufgefordert „to conduct investigations that are independent, credible and in conformity with international standards into the serious violations of international humanitarian and international human rights law reported by the United Nations Fact-Finding Mission on the Gaza Conflict, towards ensuring accountability and justice“4108. In sehr ähnlicher Weise wurde dies der palästinensischen Seite empfohlen.4109 Der Begriff „Palestinian side“ wurde dabei von der Generalversammlung und in der Folge auch im Menschenrechtsrat gewählt, um der de-facto-Herrschaft der Hamas im Gazastreifen gerecht zu werden, die keinerlei internationale Anerkennung genoss.4110 In der Diskussion in der Generalversammlung wurden allerdings die verschiedenen Sichtweisen hinsichtlich dieser Aufforderungen in der Resolution ersichtlich. Einerseits wurde etwa von dem Repräsentanten von Katar, einem der Staaten, welche den Entwurf der Resolution eingebracht hatten, betont, dass der Text ein wichtiger Schritt in der Aufrechterhaltung des Völkerrechts und bei den Anstrengungen sei, Straflosigkeit für gravierende Verletzungen des internationalen Rechts zu beenden.4111 Auf der anderen Seite wies beispielsweise der Repräsentant von Panama daraufhin, dass, durch den in der Resolution zum Ausdruck gebrachten 4106
Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). UN Doc. A/RES/64/254 vom 25. März 2010. Die Resolution wurde mit 98 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und 31 Enthaltungen angenommen. Für die Resolution stimmten: Ägypten, Algerien, Andorra, Argentinien, Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Belgien, Belize, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Brunei Darussalam, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Djibouti, Ecuador, El Salvador, Estland, Finnland, Frankreich, Gabun, Griechenland, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Jamaika, Japan, Jemen, Jordanien, Kambodscha, Kasachstan, Katar, Kenia, Kirgisistan, Kongo, Kuba, Kuwait, Libanon, Libyen, Liechtenstein, Luxemburg, Madagaskar, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mauritius, Monaco, Mongolei, Mosambik, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niger, Nigeria, Nordkorea, Norwegen, Oman, Österreich, Pakistan, Paraguay, Peru, Portugal, Saint Vincent und die Grenadinen, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien, Simbabwe, Singapur, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Sudan, Syrien, Tadschikistan, Thailand, Trinidad und Tobago, Tunesien, Türkei, Turkmenistan, Uganda, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vietnam und Zypern, gegen die Resolution stimmten: Kanada, Israel, Mazedonien, Mikronesien, Nauru, Panama und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Albanien, Australien, Belarus, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Côte d’Ivoire, Deutschland, Georgien, Guatemala, Italien, Kolumbien, Kroatien, Lettland, Liberia, Litauen, Mexiko, Moldau, Montenegro, Niederlande, Papua-Neuguinea, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Samoa, San Marino, Slowakei, Südkorea, Tschechische Republik, Ukraine und Ungarn, UN Doc. A/63/PV.72 vom 26. Februar 2010, S. 3. 4108 UN Doc. A/RES/64/254 vom 25. März 2010, Abs. 2 des operativen Teils der Resolution. 4109 UN Doc. A/RES/64/254 vom 25. März 2010, Abs. 3 des operativen Teils der Resolution. 4110 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). 4111 UN Doc. A/64/PV.72 vom 26. Februar 2010, S. 1 f. 4107
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Wunsch der Generalversammlung nach der Durchführung von Untersuchungen, Vorverurteilungen stattfinden würden und daher der notwendige Ausgleich in einer solch delikaten Angelegenheit nicht gewahrt werden würde.4112 b) Einsetzung Der Angelegenheit nahm sich schließlich im März 2010 auf seiner 13. Sitzung der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an.4113 Auf seinem 42. Treffen am 25. März 2010 verabschiedete der Rat die Resolution 13/9, die den Titel „Follow-up to the Report of the United Nations Independent International Fact-Finding Mission on the Gaza Conflict“ trug.4114 Für diese Resolution stimmten 29 Staaten, sechs Staaten stimmten gegen sie und weitere elf Staaten enthielten sich ihrer Stimme.4115 Mit der Resolution wurde die Einsetzung einer Gruppe von unabhängigen Experten beschlossen: „9. Decides, in the context of the follow-up to the report of the Independent International Fact-Finding Mission, to establish a committee of independent experts in international humanitarian and human rights laws to monitor and assess any domestic, legal or other proceedings undertaken by both the Government of Israel and the Palestinian side, in the light of General Assembly resolution 64/254, including the independence, effectiveness, genuineness of these investigations and their conformity with international standards; 10. Requests the High Commissioner to appoint the members of the committee of independent experts and to provide them with all the administrative, technical and logistic assistance required to enable them to fulfil their mandate promptly and efficiently; 11. Requests the Secretary-General to transmit all the information submitted by the Government of Israel and the Palestinian side pursuant to paragraphs 2 and 3 of General Assembly resolution 64/254 to the committee of independent experts; 12. Requests the committee of independent experts to present its report to the Council at its fifteenth session;“
Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte gab am 14. Juni 2010 die Besetzung des durch die Resolution geforderten Expertengremiums bekannt. Dieses setzte sich aus drei Personen zusammen. Den Vorsitz des Gremiums führte Christian Tomuschat aus Deutschland, emeritierter Professor für 4112 4113 4114
S. 29 ff. 4115
UN Doc. A/64/PV.72 vom 26. Februar 2010, S. 4. Vgl. Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. A/HRC/13/56 vom 8. Februar 2011,
Für die Resolution stimmten: Ägypten, Angola, Argentinien, Bahrain, Bangladesch, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, China, Djibouti, Ghana, Indien, Indonesien, Jordanien, Katar, Kirgisistan, Kuba, Mauritius, Nicaragua, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Russische Föderation, Sambia, Saudi-Arabien, Senegal, Slowenien, Südafrika und Uruguay, gegen die Resolution stimmten: Italien, Niederlande, Slowakei, Ukraine, Ungarn und Vereinigte Staaten von Amerika, ihrer Stimme enthielten sich: Belgien, Burkina Faso, Chile, Frankreich, Japan, Kamerun, Madagaskar, Mexiko, Norwegen, Südkorea und Vereinigtes Königreich, UN Doc. A/HRC/13/56 vom 8. Februar 2011, S. 31.
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Staats- und Völkerrecht und ehemaliges Mitglied und ehemaliger Präsident der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen. Bei den beiden weiteren Mitgliedern handelte es sich um Mary McGowan Davis aus den Vereinigten Staaten vom Amerika, eine ehemalige Richterin am Obersten Gerichtshof des Staates New York und ehemalige Bundesanklägerin, die vielfach als Beraterin in internationalrechtlichen Fragen aktiv gewesen war, sowie Dato Param Cumaraswamy, ein Jurist aus Malaysia, der zuvor auch als Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten hervorgetreten war.4116 Trotz der fachlichen Kompetenz der drei Gremiumsmitglieder in Fragen des internationalen Rechts fehlten ihnen – nach Beobachtung des Vorsitzenden – entscheidende Fähigkeiten zur Bewältigung ihrer Aufgabe.4117 Keines der Mitglieder verfügte über Kenntnisse der arabischen oder der hebräischen Sprache; ebenfalls waren keine Kenntnisse des Justizsystems von Israel oder der Gerichtspraxis in den palästinensischen Gebieten vorhanden.4118 Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte errichtete ein Sekretariat, welches das Expertengremium bei seiner Aufgabenwahrnehmung unterstützen sollte.4119 Das Sekretariat bestand aus zwei Mitarbeitern des Büros.4120 c) Implementierung des Mandats Das Expertengremium, dessen Vorsitzender die gestellte Aufgabe als nicht leicht erfüllbar ansah,4121 kam zum ersten Mal vom 28. bis zum 30. Juni 2010 in Genf zusammen.4122 Das Gremium begann seine Tätigkeit mit der Auslegung des ihm erteilten Mandats. Dafür wurde die Resolution 13/9 des Menschenrechtsrates in Verbindung mit dem Kerninhalt der Generalversammlungsresolution 64/254 gelesen, nach welchem sowohl Israel als auch die palästinensische Seite aufgefordert wurden, unabhängige und verlässliche Untersuchungen in Konformität mit internationalen Standards durchzuführen, welche die schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zum Gegenstand haben sollten.4123 Der in Abs. 9 der Menschenrechtsratsresolution 13/9 verwendete Passus „domestic, legal or other proceedings“ wurde vom dem Expertengremium dahingehend verstanden, dass damit Untersuchungen, Disziplinarverfahren und straf4116 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 2; vgl. auch Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4117 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4118 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4119 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 3. 4120 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4121 Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4122 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 11; Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250). 4123 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 5.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
rechtliche Verfolgung entweder durch die militärische oder die zivile Gerichtsbarkeit gemeint seien. In Übereinstimmung mit der Resolution der Generalversammlung lag der Schwerpunkt des Gremiums dabei auf solchen Verfahren, die die schweren Rechtsverletzungen, die von der Untersuchung festgestellt worden waren, betrafen. Der vor dem oben genannten Passus stehende Begriff „any“ wurde von dem Expertengremium so ausgelegt, dass dieser Begriff nicht darauf beschränkt sei, die Vorwürfe, die im Goldstone-Bericht aufgeführt worden waren, zu untersuchen, sondern jegliche Verfahren, die im Zusammenhang mit den militärischen Operationen in Gaza gestanden hätten. Zudem untersuchte das Expertengremium einige besondere Rechtsfragen institutioneller Verantwortlichkeit und der Reformprozesse, die im Nachgang zu den militärischen Operationen Israels in Bezug auf das Rechtsregime des bewaffneten Konflikts eingeleitet worden waren.4124 In zeitlicher Hinsicht erachtete das Expertengremium alle Verfahren als einschlägig, die am oder nach dem 18. Dezember 2008, dem Tag, an dem die Hamas den Waffenstillstand mit Israel für beendet erklärte und 20 Raketen auf Südisrael abschoss, von Israel oder der palästinensischen Seite eingeleitet worden waren.4125 Das Expertengremium analysierte öffentlich verfügbare Informationen und versuchte weitere Informationen durch Konsultationen mit den verschiedenen Akteuren zu erhalten. Als Hauptquellen wurden dabei der Goldstone-Bericht, drei von der israelischen Regierung erarbeitete Berichte zum Gaza-Konflikt, der Bericht der Unabhängigen Untersuchungskommission der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie die Berichte des Regierungsausschusses und des anschließend durch die defacto-Behörden von Gaza in Reaktion auf die Empfehlungen der Goldstone-Mission errichteten Unabhängigen Rechtsausschusses benutzt.4126 Das Expertengremium konsultierte weiterhin einige Regierungen (neben der Regierung von Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde auch die Regierungen von Jordanien und Ägypten), Zeugen und Opfer des Konflikts, verschiedene Nichtregierungsorganisationen (zum Beispiel das Cairo Institute for Human Rights, Christian Aid, Geneva for Human Rights, Human Rights Watch, International Federation for Human Rights, Save the Children und UN Watch), den Oberstaatsanwalt von Gaza, ein Mitglied des Zentralen Dokumentationsausschusses von Gaza, das Sonderkoordinationsbüro der Vereinten Nationen für den Mittleren Osten, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die Palästinensische Unabhängige Kommission für Menschenrechte, Mitglieder der verschiedenen israelischen und palästinensischen Gremien, die die oben genannten Berichte erstellt hatten, sowie zehn unabhängige Experten zu verschiedenen Rechtsfragen. Das Expertengremium hielt die Konsultationen vom 28. bis zum 30. Juni 2010, am 11. und am 12. August 2010 und vom 1. bis zum 3. September 2010 in Genf sowie am 1. Juli 4124 4125 4126
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 6. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 7. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 8.
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2010 in Brüssel ab. Hierbei wurden insbesondere Gespräche mit den Nichtregierungsorganisationen und den unabhängigen Experten geführt. Vom 26. bis zum 30. Juli 2010 reisten die Mitglieder des Expertengremiums in die jordanische Hauptstadt Amman und vom 15. bis zum 16. August 2010 nach Gaza. Dort traf das Gremium mit Repräsentanten auf Regierungsebene und von Nichtregierungsorganisationen zusammen. Zudem konnten Befragungen von Opfern und Zeugen der Zwischenfälle durchgeführt werden, die in dem Bericht der Goldstone-Mission genannte worden waren.4127 Die Auffassungen der relevanten Regierungen wurden von dem Expertengremium als besonders wichtige Quelle erachtet, um über den Fortschritt der von der Generalversammlung geforderten Untersuchungen Informationen zu erhalten. Daher ersuchte das Gremium um eine Zusammenarbeit mit diesen Regierungen in der ersten Phase seiner Tätigkeit. Hierzu richtete der Vorsitzende des Expertengremiums am 22. Juni 2010 ein Schreiben an den Ständigen Vertreter der Ständigen Palästinensischen Mission bei den Vereinten Nationen, in dem zunächst um ein Treffen mit dem Gremium nachgesucht wurde. Am 30. Juni 2010 kam es dann zu einem solchen Treffen mit einem Repräsentanten der Mission. Mit Hilfe der Ständigen Mission konnte das Gremium mit der Unabhängigen Untersuchungskommission in Verbindung treten, die im Nachgang zum Goldstone-Bericht errichtet worden war. Das Gremium traf sich am 12. August 2010 erneut mit dem Repräsentanten der Ständigen Mission und am 1. September 2010 mit dem Ständigen Vertreter selbst.4128 Um die größtmögliche Anzahl an Informationen über die von der palästinensischen Seite durchgeführten Untersuchungen zu erhalten, traf sich das Expertengremium mit dem Vorsitzenden des Regierungsausschusses für das Follow-up zur Implementierung des Berichts der Goldstone-Mission. Zusätzlich traf sich das Gremium noch mit drei Mitgliedern des zweiten Untersuchungsausschusses, der von palästinensischer Seite eingesetzt worden war, mit dem Unabhängigen Rechtsausschuss zur Überwachung der Implementierung der Empfehlungen der GoldstoneMission sowie mit dem Oberstaatsanwalt von Gaza.4129 Die palästinensische Berichterstattung wurde von dem Vorsitzenden des Expertengremiums als „von großer Offenheit“ geprägt beschrieben.4130 Allerdings hätten diese Berichte Informationen darüber vermissen lassen, ob bereits Maßnahmen zur Verfolgung schwerer Straftaten, insbesondere in Bezug auf Misshandlung von und Morden an politischen Dissidenten, getroffen worden seien.4131 Das Expertengremium versuchte sich für die Durchführung seiner Tätigkeit die Zusammenarbeit mit Israel zu sichern. Am 22. Juni 2010 wandte sich der Vorsitzende 4127 4128 4129 4130 4131
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 9; Annex I, S. 25 f. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 10. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 11. Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
an den Ständigen Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen, in dem der Vorsitzende um ein Treffen nachsuchte. Am 30. Juni 2010 fand dieses Treffen statt. Da die Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Expertengremium und Israel bei dem Treffen offengelassen wurde, schrieb der Vorsitzende am 30. Juni erneut an den Ständigen Vertreter, wobei die Zusammenarbeit Israels erbeten wurde, einschließlich der Möglichkeit, Zugang zu Israel, dem Gazastreifen, dem Westjordanland und Ostjerusalem zu erhalten. Der Vorsitzende wünschte dabei eine Antwort bis zum 6. Juli 2010. Am 8. Juli 2010 schrieb der Vorsitzende an die Regierung von Israel und lud diese ein, dem Gremium offizielle Eingaben an das Gremium zu übersenden, in denen die Verfahren und Maßnahmen beschrieben werden sollten, die in Israel im Nachgang zum Goldstone-Bericht eingeleitet beziehungsweise ergriffen worden waren. Der Vorsitzende richtete am 12. Juli 2010 erneut ein Schreiben an den Ständigen Vertreter, in dem wiederum um Zusammenarbeit zwischen Israel und dem Gremium nachgesucht wurde, sowie um eine Antwort auf das Schreiben vom 30. Juni bis zum 15. Juli 2010. Eine Antwort hierauf erhielt das Gremium nicht. Am 3. August 2010 richtete der Vorsitzende an den Ständigen Vertreter Israels ein Schreiben, in dem er das Vorhaben des Gremiums mitteilte, Gaza über eine alternative Route zu besuchen, da eine Reise in das Gebiet über Israel nicht möglich sei. Am 5. August 2010 sandte der Vorsitzende des Expertengremiums wiederum einen Brief an den Ständigen Vertreter mit der Bitte um ein Treffen, das am 12. August 2010 stattfand und bei dem die Arbeit des Gremiums diskutiert wurde. Am 24. August 2010 wandte sich der Vorsitzende erneut an den Ständigen Vertreter, um diesen um die Möglichkeit einer Telefonkonferenz mit dem Obersten Militäranwalt von Israel zu ersuchen, bei der Angelegenheiten in Bezug auf das Mandat des Gremiums diskutiert werden sollten. Am 31. August 2010 kontaktierte der Ständige Vertreter Israels den Vorsitzenden des Gremiums, um ihm die Möglichkeit eines Treffens zwischen Regierungsvertretern mit Verantwortung im Bereich von Rechtsangelegenheiten und dem Gremium zu unterbreiten. Am 1. September sprach das Gremium mit dem Ständigen Vertreter, um das große Interesse an einer solchen Möglichkeit zum Ausdruck zu bringen. Nach diesem Datum erhielt das Gremium keine weiteren Mitteilungen vom Ständigen Vertreter Israels mehr. Auch insgesamt erhielt das Gremium keine weiteren offiziellen Antworten durch die israelischen Stellen. Dies bedauerte das Gremium.4132 Gründe für diese Verweigerungshaltung wurden von Israel nicht mitgeteilt. Der Vorsitzende des Expertengremiums hielt es jedoch für wahrscheinlich, dass die Haltung zu einem in dem in Israel verbreiteten Gefühl wurzelte, durch den Goldstone-Bericht unfair behandelt worden zu sein, und dass daher der Eindruck entstanden sei, dass sich die wahrgenommenen Schwächen des Berichts durch das Tätigwerden eines weiteren Gremium in der Angelegenheit manifestieren würden.4133 Zudem war man auf israelischer Seite wohl der Auffas-
4132 4133
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 12. Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (250 f.).
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sung, dass eine Untersuchung der Effektivität von nationalen Gerichtsverfahren im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen eher ungewöhnlich sei.4134 Trotz der beschriebenen Verweigerungshaltung der offiziellen israelischen Stellen musste das Expertengremium nicht gänzlich ohne Informationen zu der mandatsrelevanten Lage in Israel auskommen. Im Juli 2009 hatte Israel einen Bericht mit dem Titel „The operation in Gaza: Factual and Legal Aspects“ vorgelegt, der im Januar 2010, also im Anschluss an den Goldstone-Bericht, sowie im Juli 2010, parallel zu der Tätigkeit des Expertengremiums, ergänzt worden war. In diesem Bericht lag der Schwerpunkt auf der Schilderung des Gaza-Konflikts aus israelischer Sicht. Dabei wurde der Versuch unternommen, die Kampfhandlungen und ihre Folgen als unvermeidliches Ergebnis einer bewaffneten Auseinandersetzung darzustellen. Allerdings waren die Informationen zu Fragen von Gerichtsverfahren in den Berichten eher dürftig.4135 Auch die Treffen mit Zeugen und Opfern des Gaza-Konflikts waren für das Expertengremium eine wichtige Informationsquelle, wobei insbesondere die Erfahrung dieser Personengruppen mit dem Zugang zu den verschiedenen Untersuchungsgremien eine bedeutende Perspektive über die Funktionsweise solcher Gremien bedeutete. Wegen der nur kurzen Aufenthaltsdauer im Gazastreifen traf sich das Gremium in einem Hotel in Gaza4136 mit repräsentativen Gruppen von Opfern und Zeugen.4137 Die verschiedenen unabhängigen Experten, die von dem Gremium zu Rate gezogen wurden, stellten diesem insbesondere Informationen und Einschätzungen in den Bereichen der militärischen Gerichtsbarkeit und von internationalen Standards, die für Untersuchungen in bewaffneten Konflikten bedeutsam sind, zur Verfügung. Die Diskussionen zwischen dem Gremium und den unabhängigen Experten verliefen dabei informell. Diese Gespräche versetzten das Expertengremium in die Lage, ein größeres Verständnis für die juristischen und die militärischen Aspekte des ihm erteilten Mandats zu entwickeln. Außerdem gelangte das Expertengremium durch die unabhängigen Experten noch in den Besitz von einer Reihe von schriftlichen Dokumenten.4138 Der Vorsitzende des Expertengremiums sah es zudem als hervorhebenswert an, dass nicht nur palästinensische Organisationen dem Gremium Materialien über die israelischen Militäraktionen zur Verfügung gestellt hätten. Der Vorsitzende würdigte die Vorlage von detailreichen Daten und Aussagen durch israelische Nichtregierungsorganisationen, die sich nach seiner Einschätzung äußerst kritisch mit dem
4134 4135 4136 4137 4138
Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 13. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 14.
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Gaza-Konflikt auseinandergesetzt hatten. Zu diesen Organisationen gehörten auch solche, die sich aus den Reihen israelischer Militärangehöriger zusammensetzten.4139 d) Ergebnisse aa) Das Expertengremium legte im Herbst 2010 den Abschlussbericht über seine Tätigkeit vor, der 101 Randnummern umfasste.4140 Der Bericht umfasste dabei sechs Abschnitte. In den ersten beiden Abschnitten wurde eine Einführung in die Errichtung und Besetzung des Expertengremiums gegeben;4141 zudem wurden dessen Mandat und dessen Arbeitsmethoden erklärt.4142 Der dritte Abschnitt4143 war dem anwendbaren Recht und anderen anwendbaren Standards bei der Untersuchung gewidmet. Im vierten Abschnitt4144 wurde die mandatsbezogene Situation in Israel geschildet und im fünften Abschnitt4145 die Situation auf der palästinensischen Seite. Im abschließenden sechsten Abschnitt4146 legte das Expertengremium seine Schlussfolgerungen dar. bb) Das Expertengremium legte in seinem Abschlussbericht ausführlich das anwendbare Recht und die anwendbaren Standards dar, die für die Ausführung seines Mandats einschlägig waren. Zunächst wies das Gremium darauf hin, dass die Generalversammlung sowohl Israel als auch die palästinensische Seite zur Durchführung von unabhängigen und glaubwürdigen Untersuchungen in Übereinstimmung mit internationalen Standards aufgefordert habe. Der Menschenrechtsrat habe noch die Kriterien der Effektivität und der Echtheit hinzugefügt. Daher sei es Aufgabe des Gremiums, diejenigen Standards zu identifizieren, auf deren Grundlage die israelischen und die palästinensischen Untersuchungen bewertet werden sollten.4147 Diese Standards würden auf der Verpflichtung zur Durchführung von Untersuchungen beruhen, welche sowohl in den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes als auch im humanitären Völkerrecht verankert seien. Wegen der Intensität der Zusammenstöße zwischen den israelischen Streitkräften und bewaffneten palästinensischen Gruppen habe die Operation „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen einen 4139
Christian Tomuschat, Vereinte Nationen 58 (2010), S. 249 (251). Report of the Committee of independent experts in international humanitarian and human rights laws to monitor and assess any domestic, legal or other proceedings undertaken by both the Government of Israel and the Palestinian side, in the light of General Assembly resolution 64/254, including the independence, effectiveness, genuineness of these investigations and their conformity with international standards, UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010. 4141 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 1 ff. 4142 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 5 ff. 4143 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 17 ff. 4144 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 35 ff. 4145 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 65 ff. 4146 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 89 ff. 4147 UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 17. 4140
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bewaffneten Konflikt dargestellt, der vom humanitären Völkerrecht reguliert würde. Das Gremium vertrat dazu, ebenso wie Israel und die palästinensische Seite, die Auffassung, dass dieser bewaffnete Konflikt einen internationalen Charakter gehabt habe. Die übrigen Vorwürfe von Rechtsverstößen, welche im Goldstone-Bericht aufgeführt worden seien, wie etwa diejenigen, die im Westjordanland stattgefunden haben sollen, seien nicht im Kontext eines bewaffneten Konflikts begangen worden und daher an den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes zu messen.4148 Zum humanitären Völkerrecht stellte das Expertengremium fest, dass alle vier Genfer Abkommen von 1949 für die Hohen Vertragsparteien eine Pflicht beinhalten würden, schwere Verletzungen der Abkommen zu untersuchen und zu verfolgen. Die Pflicht zur Untersuchung und zur Verfolgung von Kriegsverbrechen bestünde auch im humanitären Völkergewohnheitsrecht. Insbesondere stellte das Gremium zunächst Artikel 146 Abs. 2 des vierten Genfer Abkommens von 1949 heraus, nach dem jede Vertragspartei verpflichtet sei, gegen Personen zu ermitteln, die der Begehung oder der Erteilung eines Befehls zur Begehung einer schweren Verletzung des Abkommens beschuldigt würden, und solche Personen, ungeachtet ihrer Nationalität, vor ihre eigenen Gerichte zu stellen. Zwar halte diese Vorschrift rechtliche Absicherungen für Personen bereit, die beschuldigt würden; darüber hinaus würde die Vorschrift jedoch wenige Anhaltspunkte dafür bieten, welche Standards an Untersuchungen im Sinne der Vorschrift anzulegen seien.4149 Im Gegensatz zum humanitären Völkerrecht würden die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes elaboriertere Standards hinsichtlich der Pflicht zur Untersuchung kennen. Das Gremium wies hierbei auf Artikel 12 das Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe hin, der eine unverzügliche und unparteiische Untersuchung von Folter durch die zuständigen Behörden verlange. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte würde nicht explizit eine Untersuchungspflicht beinhalten; trotzdem habe der Menschenrechtsausschuss wiederholt die Vertragsstaaten dazu angehalten, umfassende strafrechtliche Ermittlungen in Fällen von schweren Verletzungen der Menschenrechte anzustellen, und die Täter vor Gericht zu stellen. Zudem habe der Ausschuss festgestellt, dass die Nichtdurchführung von Untersuchungen hinsichtlich von Vorwürfen von Verletzungen von Menschenrechten, etwa in Fällen, die das Recht auf Leben oder erzwungenes Verschwindenlassen betreffen, selbst eine Verletzung des Paktes darstellen würde.4150 Menschenrechtliche Verträge und Soft-Law-Dokumente im Bereich der Menschenrechte würden eine Reihe von Kriterien und Standards bereithalten, welche – teils überlappende – Wegweiser für Untersuchungen bereithielten. Die am meisten verwendeten Standards seien dabei Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Gründlichkeit, Unverzüglichkeit und Effektivität. Aus den Soft-Law-Quellen würde sich zudem ergeben, dass die 4148 4149 4150
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 18. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 19. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 20.
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Gremien, die Untersuchungen durchzuführen hätten, angemessene Zuständigkeiten zur Durchführung ihrer Aufgaben besitzen müssten. Weiterhin würden die Soft-LawQuellen Standards zum Sammeln und zur Analysen von Beweisen, zur Durchführung von Autopsien, zur Berichterstattung von Experten im Bereich der Medizin, zur Ladung und zum Schutz von Zeugen, Opfern und deren Familien, zur Bereitstellung von Haushaltsmitteln und technischen Ressourcen sowie zur Errichtung von Untersuchungsgremien bereithalten. Transparenz würde ebenfalls ein Schlüsselelement bei der Durchführung von Untersuchungen sein.4151 Das Expertengremium äußerte sich auch zum Inhalt der genannten Standards. Zur Unabhängigkeit führte das Gremium aus, dass sowohl das Untersuchungsgremium als auch dessen Mitglieder von den Institutionen, welche mit den vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht würden, losgelöst seien sollten. Zudem solle kein ungebührlicher Einfluss durch mächtige soziale Gruppen wie etwa die Medien, die Industrie oder politische Parteien genommen werden.4152 Unparteilichkeit sei eng mit der Unabhängigkeit eines Untersuchungsgremiums verbunden. Hier komme es vor allem darauf an, dass die Untersuchenden nicht voreingenommen seien.4153 Die Standards der Effektivität und Gründlichkeit würden sich auf die Ganzheitlichkeit der Untersuchung beziehen.4154 Als Grundregel für die Unverzüglichkeit einer Untersuchung gelte, dass diese in einem vernünftigen Zeitrahmen beginnen und Fortschritte machen müsse. Hierzu konnte das Expertengremium jedoch keinen präzisen Zeitrahmen nennen. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an.4155 Das Expertengremium musste zudem klären, welche Standards hinsichtlich des ihm erteilen Mandats genau anwendbar seien. Generell würden sowohl Israel als auch die palästinensische Seite einer Verpflichtung zur Durchführung von Untersuchungen unterliegen, und zwar sowohl im Bereich der Menschenrechte als auch im Bereich des humanitären Völkerrechts. Diese Verpflichtung ergebe sich sowohl aus internationalem Recht als auch aus der Generalversammlungsresolution 64/254.4156 Hinsichtlich des humanitären Völkerrechts seien alle Parteien des Gaza-Konflikts an die einschlägigen Regeln gebunden, wie dies bereits im Goldstone-Bericht geklärt worden sei.4157 Hinsichtlich der Regeln der Menschenrechte stellte das Expertengremium fest, dass Israel, durch die entsprechenden Ratifizierungen sowohl an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte als auch an das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe gebunden sei, wobei diese Verpflichtungen auch in den besetzten palästinensischen Gebieten Geltung beanspruchen würden. Die Palästi4151 4152 4153 4154 4155 4156 4157
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 21. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 22. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 23. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 24. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 25. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 26. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 27.
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nensische Autonomiebehörde habe in mehreren Erklärungen, die an die internationale Gemeinschaft gerichtet gewesen seien, betont, dass sei die Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes respektiere; zudem sei dies für die Autonomiebehörde in den Artikeln 9 bis 33 des palästinensischen Grundgesetzes niedergelegt. Die de-facto-Behörden in Gaza hätten ebenfalls in mehreren unilateralen Erklärungen ihren Respekt für die Menschenrechte zum Ausdruck gebracht und erklärt, dass das palästinensische Grundgesetz auch für den Gazastreifen gelte.4158 Damit blieb dem Expertengremium noch festzustellen, ob der elaboriertere Standard der Menschenrechte auch bei Untersuchungen von Verletzungen des humanitären Völkerrechts zur Anwendung komme. Grundsätzlich würden Menschenrechte neben dem humanitären Völkerrecht auch in Zeiten von bewaffneten Konflikten weiterhin Geltung beanspruchen, allerdings könne das humanitäre Völkerrecht vorrangig als lex specialis zur Anwendung gelangen. Ein Konflikt zwischen der Pflicht zur Durchführung von Untersuchungen nach humanitärem Völkerrecht und nach den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes bestünde nicht. Allerdings würde die Akzeptanz der menschenrechtlichen Standards die Frage aufwerfen, wie man diese im Lichte der Regeln des humanitären Völkerrechts auszulegen habe.4159 Zwar konnte das Expertengremium einige Unterschiede in der Anwendung der einschlägigen Standards in beiden Bereichen feststellen,4160 allerdings seien die bestehenden Unterschiede nicht so bedeutend.4161 cc) In seinen Schlussfolgerungen zu Israel stellte das Expertengremium fest, dass das Ausbleiben der Zusammenarbeit mit den offiziellen israelischen Stellen die Arbeit des Expertengremiums erschwert habe. Dies sei bei der Bewertung, inwieweit Israel dem Aufruf der Generalversammlung nachgekommen sei, unabhängige, verlässliche und in Übereinstimmung mit internationalen Standards stehende Untersuchungen hinsichtlich der schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, die im Goldstone-Bericht aufgeführt würden, durchzuführen, der Fall gewesen. Die Informationsgrundlage des Expertengremiums sei unzureichend gewesen; definitive Feststellungen hätten daher nicht getroffen werden können. Aus diesem Grunde sah sich das Gremium nicht in der Lage, eine Antwort darauf zu geben, ob Israel Untersuchungen durchgeführt habe, welche den internationalen Anforderungen an Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Gründlichkeit, Effektivität und Unverzüglichkeit genügen würden.4162 Jedenfalls gebe es aber Mechanismen innerhalb des israelischen Justizsystems, die geeignet seien, Vorwürfe von Kriegsverbrechen zu untersuchen. Hierzu bemerkte das Gremium noch, dass es akzeptieren würde, dass sowohl zivile als auch militärische Untersuchungsgremien so lange Untersuchungen solcher Verbrechen durchführen könnten, als bei diesen 4158 4159 4160 4161 4162
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 28. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 29. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 30 ff. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 30. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 89.
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Untersuchungen internationale Standards eingehalten würden. Nach Auffassung des Expertengremiums zählten zu diesen Standards bei der Untersuchung von behaupteten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts die bereits erwähnten Anforderungen der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit, der Effektivität und der Unverzüglichkeit.4163 Die von Seiten des israelischen Militärs durchgeführten Untersuchungen im Kontext des Gaza-Konflikts würden im Hinblick auf diese Anforderungen verschiedene Probleme aufwerfen. Insbesondere sei die Rolle des Military Advocate General fragwürdig, da dieser eine duale Rolle eingenommen habe: zum einen habe er die israelischen Streitkräfte rechtlich in Frage der Planung und Ausführung der Operation „Gegossenes Blei“ beraten; andererseits sei er für die Verfolgung von Vorwürfen bezüglich des Fehlverhaltens israelischer Soldaten während der Operationen in Gaza verantwortlich gewesen. Daher würde ein Interessengegensatz existieren. Dies würde die Frage aufwerfen, ob der Military Advocate General wirklich unparteiisch in Bezug auf die Untersuchung der gegebenen Vorwürfe seien könne.4164 Ein weiterer Vorwurf wurde von dem Expertengremium gegenüber Israel dahingehend erhoben, dass dessen Untersuchende nicht immer Schritte unternommen hätten, um Opfer, Zeugen und deren Rechtsbeistände über den Fortgang der Untersuchungen zu informieren; außerdem hätten es die israelischen Stellen versäumt, die Opfer mit Würde und Anstand zu behandeln. Transparenz in Bezug auf die Fortschritte und Resultate der Untersuchungen und der Zugang zum Rechtsweg für die Opfer seien jedoch Anforderungen für Untersuchungen nach den Regeln des internationalen Menschenrechtsschutzes; allerdings bestünden diese Anforderungen strenggenommen nicht nach humanitärem Völkerrecht, da es Unterschiede hinsichtlich der Ziele von Untersuchungen in beiden Rechtsgebieten gebe.4165 Dessen ungeachtet würden Untersuchungen ohne eine volle Einbindung der Opfer und Zeugen ihre Effektivität und Gründlichkeit einbüßen. Das Expertengremium wies in diesem Zusammenhang zudem darauf hin, dass sich internationale Standards in diesem Bereich in der Entwicklung befinden würden. Die Entwicklungen gingen dahin, dass der Rechtszugang für Opfer im Hinblick auf Untersuchungen von Vorwürfen bezüglich der Verletzung des humanitären Völkerrechts gestärkt würde.4166 Außerdem bemerkte das Expertengremium, dass es keine Informationen darüber habe, ob Israel Untersuchungen hinsichtlich der im Goldstone-Bericht erhobenen Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland begonnen habe. Israel habe in diesem Bereich seine Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie aus dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe verletzt.4167 In ähnlicher Weise seien keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass Israel Untersuchungen hinsichtlich derjenigen Personen be4163 4164 4165 4166 4167
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 90. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 91. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 92. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 93. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 94.
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gonnen habe, welche die Operation „Gegossenes Blei“ entwickelt, vorbereitet, befohlen oder beaufsichtigt hätten. Der Goldstone-Bericht habe insoweit schwere Vorwürfe enthalten, nach denen Staatsbedienstete in höchsten Ämtern Komplizen bei Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gewesen seien. Israel sei seiner Verpflichtung dies zu untersuchen nicht nachgekommen. Allerdings sei das Militärgerichtssystem nicht der angemessene Mechanismus, um solche Untersuchungen durchzuführen, da es im Militär einen inhärenten Interessenskonflikt in dieser Angelegenheit gebe.4168 Hinsichtlich der palästinensischen Seite konnte das Expertengremium Schlussfolgerungen im Hinblick auf sein Mandat sowohl bezüglich der Palästinensischen Autonomiebehörde als auch hinsichtlich der de-facto-Behörden in Gaza ziehen. Hinsichtlich der Palästinensischen Autonomiebehörde bemerkte das Gremium zunächst, dass diese ein unabhängiges Untersuchungsgremium geschaffen habe, welches eine genaue und detaillierte Untersuchung der gegen die Autonomiebehörde im Goldstone-Bericht erhobenen Vorwürfe durchgeführt habe. Auf der Grundlage des entsprechenden Berichts und des Treffens mit dem Vorsitzenden und Mitgliedern des Untersuchungsgremiums gelangte das Expertengremium zu der Überzeugung, dass das palästinensische Untersuchungsgremium nicht nur der Form nach unabhängig sei, sondern auch nach der Lage der Tatsachen. In dem Bericht dieses Gremiums seien Vorwürfen über schwere Verletzungen der Menschenrechte durch öffentliche Bedienstete im Westjordanland erhoben worden. Das Expertengremium schlussfolgerte, dass die Untersuchung mit internationalen Standards konform und als verlässlich einzustufen sei.4169 Jedoch sei die Arbeit des Untersuchungsgremiums dadurch gestört worden, dass dieses Schwierigkeiten gehabt habe, in den Gazastreifen zu gelangen. Obwohl das Untersuchungsgremium alle gebotenen Schritte zur Durchführung seiner Tätigkeit in diesem Gebiet unternommen habe, sei es dem Gremium unmöglich gewesen, dies zu tun.4170 Insgesamt habe das Untersuchungsgremium die Grundlagenarbeit dafür geleistet, dass weitere Maßnahmen gegen Täter ergriffen und Maßnahmen zu Gunsten der Opfer durchgeführt würden. Zudem wies das Expertengremium darauf hin, dass sein Vorsitzender eine schriftliche Zusicherung des palästinensischen Premierministers hinsichtlich der Implementierung aller Empfehlungen des Untersuchungsgremiums erhalten habe. Allerdings hatte das Expertengremium keine Kenntnis bezüglich strafrechtlicher Verfahren, welche nach der Vorlage des Abschlussberichts des Untersuchungsgremiums eingeleitet worden seien.4171 – Im Hinblick auf die de-facto-Behörden im Gazastreifen stellte das Expertengremium fest, dass diese zwei Untersuchungsgremien eingerichtet hätten.4172 In dem Bericht des ersten Ausschusses, der aus Mitgliedern der de-facto-Behörden 4168 4169 4170 4171 4172
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 95. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 96. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 97. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 98. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 99.
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bestanden hätte, seien keine wirklichen Bemühungen zu erkennen gewesen, die Vorwürfe, welche im Goldstone-Bericht gegen diese Behörden erhoben worden seien, anzusprechen. Der Bericht würde sich hauptsächlich mit Vorwürfen gegen Israel beschäftigen.4173 Der zweite Bericht, der von drei palästinensischen und drei internationalen Rechtsexperten vorbereitet worden sei, würde einige Informationen über die Maßnahmen enthalten, die getroffen worden seien, um die Vorwürfe gegen die de-facto-Behörden anzugehen. Jedoch würde dieser Bericht keine wirklichen Hinweise darauf enthalten, dass, in Reaktion auf den Goldstone-Bericht, alle politischen Gefangenen freigelassen und die in diesem Bericht geforderten Strafverfahren eingeleitet worden seien. Auf der Basis der ihm vorliegenden Informationen konnte das Expertengremium daher nicht feststellen, der verlässliche und genaue Untersuchungen durch die de-facto-Behörden von Gaza durchgeführt worden seien.4174
XI. Die politische Dimension der Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen durch die Vereinten Nationen 1. Allgemeines Wie bereits bei der Schaffung der Regeln über eine internationale Untersuchungskommission auf der ersten Haager Friedenskonferenz von 1899 deutlich wurde, trägt eine Untersuchung stets das Potential in sich, von dem betroffenen Staat beziehungsweise von den betroffenen Staaten als Eingriff in seine beziehungsweise ihre inneren Angelegenheiten beziehungsweise Souveränität betrachtet zu werden; dies jedenfalls dann, wenn die Regierung des betreffenden Staates sich nicht mit der Untersuchung einverstanden erklärt oder zu dieser eingeladen hat. In Fällen, in denen eine Untersuchung als unerwünscht angesehen wird, kann von den betroffenen Staaten und gegebenenfalls von ihren Verbündeten versucht werden, die Einsetzung einer entsprechenden Kommission zu verhindern oder auch an der Integrität der Kommission oder ihrer einzelnen Mitglieder Zweifel zu sähen.4175 Völkerrechtlich sind die Staaten nicht daran gehindert, solche Manöver zu unternehmen. Die Einsetzung, die Besetzung und die Mandatsausgestaltung von Untersuchungskommissionen, die im Rahmen der Vereinten Nationen eingesetzt werden, unterliegen dabei keinem ausschließlich rechtlich determinierten Automatismus. Vielmehr findet die Entscheidung über die Einsetzung und die Mandatierung in Organen beziehungsweise Nebenorganen der Vereinten Nationen statt, in denen politisch in den Sphären der internationalen Beziehungen und der Diplomatie gehandelt wird, und in denen politisch motivierte Entscheidungen getroffen werden. Es gehört zu den normalen Vorgängen in politischen Gremien auf internationale Ebene, dass Staaten, die sich 4173 4174 4175
UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 100. UN Doc. A/HRC/15/50 vom 23. September 2010, Rn. 101. Vgl. Ilias Bantekas/Lutz Oette, International Human Rights Law and Practice, S. 190.
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von einer Entscheidung des nämlichen Gremiums negativ betroffen sehen, versuchen, auf diese Entscheidung oder ihre Folgen mit politischen Mitteln Einfluss zu nehmen. 2. Beispiel: Eine internationale Untersuchung des Konflikts im Jemen Ein aktuelles Beispiel, welches die politischen Probleme illustriert, die bei den Bemühungen um die Durchführung einer internationalen Untersuchung anlässlich eines bewaffneten Konflikts entstehen können, bieten die Entwicklungen im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Blick auf den Jemen. Der ärmste Staat auf der Arabischen Halbinsel ist seit dem Jahr 2014 in einem blutigen Konflikt gefangen.4176 Zu Beginn bekämpfte die schiitische Bewegung Ansar Allah, auch bekannt als Huthis, die Regierung des im Februar 2012 demokratisch gewählten Präsidenten Abdu Rabbuh Mansur Hadi; die Huthis wurden dabei von der Islamischen Republik Iran politisch und logistisch unterstützt und verbündeten sich zudem mit Anhängern des früheren, autokratisch herrschenden Präsidenten Ali Abdullah Saleh. Im Frühjahr 2015 änderte sich die Situation. Hadi, den die Huthis zum Rücktritt vom Präsidentenamt gezwungen hatten, floh Ende März 2015 im Zuge des Vorrückens der Truppen der Huthis in den Nachbarstaat Saudi-Arabien. In einem Brief wandte er sich an die Monarchen von Saudi-Arabien, der Vereinigten Arabischen Emirate, von Bahrain, Katar, Kuwait und Oman mit der Bitte um ein militärisches Eingreifen gegen die Huthis.4177 Hadi hatte zuvor seinen Rücktritt bereits widerrufen. Die angerufenen Regierungen, mit Ausnahme von Oman, entsandten daraufhin Truppen in den Jemen und begannen die Operation „Entscheidender Sturm“ gegen die Huthis. Truppen weiterer Staaten, etwa des Senegal, des Sudan, Ägyptens oder Marokkos, schlossen sich der militärischen Intervention an; westliche Staaten wie die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich unterstützen die Intervention durch Zurverfügungstellung von Geheimdienstdaten und Logistik. Etwas mehr als zwei Wochen nach dem Beginn der Intervention verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 2216 (2015).4178 Hierin wurden alle Parteien des Konflikts aufgerufen, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere solche nach humanitärem Völkerrecht und bezüglich der Menschenrechte, einzuhalten.4179 Menschenrechtsorganisationen wiesen jedoch schon kurz nach dem Beginn der Anti-Huthi-Intervention darauf hin,
4176 Vgl. hierzu und zum Folgenden im Detail Tom Ruys/Luca Ferro, International & Comparative Law Quarterly 65 (2016), S. 61 ff.; Annyssa Bellal (Hrsg.), The War Report: Armed Conflict in 2016, S. 104 ff. 4177 Wiedergegeben in: UN Doc. S/2015/217 vom 27. März 2015. 4178 UN Doc. S/RES/2016 (2015) vom 15. April 2015. 4179 UN Doc. S/RES/2016 (2015) vom 15. April 2015, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution.
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dass die Lage der Menschenrechte im Jemen schlecht sei und das humanitäres Völkerrecht oftmals nicht eingehalten würde.4180 Im Angesicht der dargestellten Entwicklungen versuchten einige europäische Staaten in der Folge, eine internationale Untersuchung der Lage der Menschenrechte im Jemen durch den Menschenrechtsrat auf dessen 30. Sitzung zu erwirken. So legten zunächst, unter Führung der Niederlande, diese sowie Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Montenegro, Polen und die Tschechische Republik am 28. September 2015 einen Resolutionsentwurf in dieser Angelegenheit vor.4181 Dieser beinhaltete dabei folgenden Passus: „Requests the Office of the High Commissioner to dispatch a mission, with assistance from relevant experts, to monitor and report on the situation of human rights in Yemen, on violations and abuses of human rights and on violations of international humanitarian law since September 2014, and to collect and conserve information in order to establish the facts and circumstances of such violations, while stressing the need to ensure the safety and security of mission personnel; (…)“.4182 Dieser Entwurf wurde jedoch im Menschenrechtsrat auf Drängen von Saudi-Arabien und der mit ihm verbündeten Staaten – vor allem mit Blick auf die darin enthaltene Passage zu einer Untersuchung – blockiert.4183 Einen abgeänderten und abgeschwächten Resolutionsentwurf4184 nahmen die Niederlande dann auch zurück, bevor der Entwurf im Menschenrechtsrat erörtert werden konnte.4185 In der Folge verschlechterte sich die humanitäre Situation im Jemen weiterhin. Einerseits setzte die von Saudi-Arabien geführte Koalition ihre massiven Angriffe, auch auf Bevölkerungszentren und Infrastruktureinrichtungen, fort; zum anderen wurde die Blockade des Jemen aufrechterhalten. Im März 2017 wurden zudem 600.000 Verdachtsfälle von Cholera gezählt; es handelte sich um die größte jemals aufgezeichnete Epidemie dieser Infektionskrankheit. Hinzu kam noch eine Hungersnot, von der Ende 2017 etwa 70 % der etwa 28 Millionen Bewohner des Landes betroffen waren.4186 Anlässlich der 36. Sitzung des Menschenrechtsrates vom 11. bis zum 29. September 2017 wurde das Thema einer Untersuchung mit Blick auf die Menschenrechtssituation im Jemen wieder aufgenommen. Abermalig unter Federführung der Niederlande wurde erneut ein Resolutionsentwurf in den Menschenrechtsrat ein-
4180
Vgl. Laurent Bonnefoy, Le Monde diplomatique: Deutsche Ausgabe 12/2017, S. 1. UN Doc. A/HRC/30/L.4 vom 28. September 2015. 4182 UN Doc. A/HRC/30/L.4 vom 28. September 2015, Abs. 13 des operativen Teils der Resolution. 4183 Vgl. Laurent Bonnefoy, Le Monde diplomatique: Deutsche Ausgabe 12/2017, S. 1; Théo Boutruche, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 287 (294 f.). 4184 UN Doc. A/HRC/30/L.4/Rev.1 vom 30. September 2015. 4185 UN Doc. A/HRC/30/2 vom 19. Mai 2016, Rn. 53. 4186 Vgl. Laurent Bonnefoy, Le Monde diplomatique: Deutsche Ausgabe 12/2017, S. 1. 4181
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gebracht;4187 dieser Entwurf erhielt dabei die Unterstützung von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island, Irland, Italien, Kanada, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Malta, Monaco, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden, der Tschechischen Republik und von Zypern. Der Entwurf sah nunmehr die Entsendung einer Untersuchungskommission vor: „8. Decides to establish an international commission of inquiry, composed of three members, for a period of one year, renewable as authorized by the Human Rights Council, with the following mandate; (a) To monitor and report on the situation of human rights, and to carry out comprehensive investigations into all alleged violations and abuses of human rights and violations of international humanitarian law by all parties to the conflict in Yemen since September 2014, including possible gender dimensions of such violations, and to document the facts and circumstances surrounding alleged violations and abuses and, where possible, to identify those responsible with a view to ensuring that perpetrators of violations and abuses, including those that may constitute war crimes and crimes against humanity, are held accountable; (b) To make general recommendations on improving the respect for and protection and fulfilment of human rights, and to provide guidance on transitional justice, accountability, reconciliation and healing, as appropriate; (c) To engage with Yemeni authorities and all stakeholders, in particular United Nations agencies, the field presence of the Office of the High Commissioner in Yemen, authorities of the Gulf States and the League of Arab States, with a view to exchanging information and providing support for national, regional and international efforts to promote accountability for human rights violations and abuses in Yemen; 9. Requests the immediate operationalization of the mandate and the appointment of the international commission of inquiry by the President of the Human Rights Council as soon as possible and no later than by the end of 2017; 10. Requests the international commission of inquiry to present a comprehensive written report, in an interactive dialogue, to the Human Rights Council at its thirty-ninth session; 11. Decides to transmit the report of the commission of inquiry and the update thereto to the General Assembly, and recommends that the Assembly transmit the reports to all relevant bodies of the United Nations; 12. Encourages all parties to the armed conflict in Yemen to extend full and transparent access and cooperation to the international commission of inquiry; 13. Requests the Secretary-General and the High Commissioner to provide the full administrative, technical and logistical support necessary to enable the commission of inquiry to carry out its mandate;“
Allerdings stieß auch dieser Resolutionsentwurf wieder auf erheblichen Widerstand, sodass der Entwurf zurückgezogen wurde. Auf französische Vermittlung hin wurde jedoch ein Kompromiss erreicht.4188 Kurz vor Ende der 36. Sitzung des 4187 4188
UN Doc. A/HRC/36/L.4 vom 22. September 2017. Vgl. Laurent Bonnefoy, Le Monde diplomatique: Deutsche Ausgabe 12/2017, S. 1.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Menschenrechtsrates konnte am 29. September 2017 die Resolution 36/31 mit dem Titel „Human rights, technical assistance and capacity building in Yemen“ verabschiedet werden.4189 Hierin war nicht mehr die Errichtung einer internationalen Untersuchungskommission vorgesehen, jedoch immerhin die Einsetzung einer „Group of Eminent International and Regional Experts on Yemen“. Hierzu sah die Resolution ihrem operativen Teil nunmehr Folgendes vor: „12. Requests the High Commissioner to establish a group of eminent international and regional experts with knowledge on human rights law and the context of Yemen for a period of at least one year, renewable as authorized, with the following mandate: (a) To monitor and report on the situation of human rights, to carry out a comprehensive examination of all alleged violations and abuses of international human rights and other appropriate and applicable fields of international law committed by all parties to the conflict since September 2014, including the possible gender dimensions of such violations, and to establish the facts and circumstances surrounding the alleged violations and abuses and, where possible, to identify those responsible. (b) To make general recommendations on improving respect for and the protection and fulfilment of human rights, and to provide guidance on access to justice, accountability, reconciliation and healing, as appropriate; (c) To engage with Yemeni authorities and all stakeholders, in particular relevant United Nations agencies, the field presence of the Office of the High Commissioner in Yemen, the authorities of the Gulf States and the League of Arab States, with a view to exchanging information and providing support for national, regional and international efforts to promote accountability for human rights violations and abuses in Yemen; 13. Requests the immediate operationalization of the mandate, and also requests the High Commissioner to appoint without delay the Group of Eminent International and Regional Experts, by no later than the end of 2017; 14. Requests the Group of Eminent International and Regional Experts to submit a comprehensive written report to the High Commissioner, by the time of the thirty-ninth session of the Human Rights Council, to be followed by an interactive dialogue; 15. Encourages all parties to the armed conflict in Yemen to extend full and transparent access and cooperation to the Group of Eminent International and Regional Experts; 16. Requests the Secretary-General and the High Commissioner to provide the full administrative, technical and logistical support necessary to enable the Group of Eminent International and Regional Experts to carry out its mandate;“
Dem Ersuchen des Menschenrechtsrates aus Abs. 13 des operativen Teils der Resolution kam der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte dann auch nach und benannte am 4. Dezember 2017 drei Mitglieder für die Expertengruppe.4190 Zum Vorsitzenden der Gruppe wurde Kamel Jendoubi aus Tunesien ernannt. Dieser war zuvor unter anderem Präsident der Unabhängigen Höheren 4189
UN Doc. A/HRC/RES/36/31 vom 3. Oktober 2017. Vgl. die Pressemeldung des Menschenrechtsrates vom 4. Dezember 2017, abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=22483&Lan gID=E (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018). 4190
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Wahlkommission in seinem Heimatland gewesen, welche die ersten freien und demokratischen Wahlen in Tunesien im Oktober 2011, im Nachgang zu dem revolutionären Umsturz im Zuge des sog. Arabischen Frühlings, organisiert hatte. Jendoubi trat zudem als Mitglied und Präsident mehrerer bedeutender Menschenrechtsvereinigungen hervor. Ein weiteres Mitglied der Kommission war Charles Garraway aus dem Vereinigten Königreich. Dieser hatte zuvor bereits 30 Jahre Erfahrung als Mitglied des Juristischen Dienstes der britischen Armee gesammelt, etwa als Berater für das Recht des bewaffneten Konflikts und für Einsatzrecht. Außerdem war Garraway Teil der britischen Delegation auf mehreren internationalen Konferenzen zu völkerrechtlichen Kodifikationen (zum Beispiel hinsichtlich des Statuts der Internationalen Strafgerichtshofs) und Mitglied der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission nach Artikel 90 des ersten Zusatzprotokolls zu den vier Genfer Abkommen von 1949 von 1977. Als drittes Mitglied der Expertengruppe wurde Melissa Parke aus Australien benannt. Diese war von 2007 bis 2016 Mitglied des australischen Parlaments gewesen und hatte in ihrem Heimatland den Posten der Ministerin für Entwicklungsfragen inne. Zuvor hatte sie in verschiedenen, insbesondere juristischen Positionen im System der Vereinten Nationen gearbeitet. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte kommentierte die Einsetzung der Expertengruppe aus Anlass der Ernennung ihrer Mitglieder wie folgt: „For three years, the people of Yemen have been subjected to death, destruction and despair. It is essential that those who have inflicted such violations and abuses are held to account. The group’s creation is an important step toward accountability and ending impunity for the serious violations of human rights committed by all sides in Yemen amid a worsening humanitarian crisis in the country, and ensuring justice and remedy for the victims“.4191 Obwohl die Aussagen des Hohen Kommissars die Wichtigkeit der Einsetzung einer internationalen Untersuchung im Konflikt im Jemen in Bezug auf die Lage der Menschenrechte belegen und obwohl die Personen, die als Mitglieder der Expertengruppe benannt wurden, von ihrer Expertise her Mitglieder einer internationalen Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates sein könnten, bleibt das Mandat der Expertengruppe jedoch hinter dem einer „echten“ Kommission zurück. Ein Vergleich zwischen den Texten des ursprünglichen Resolutionsentwurfs der westlichen Staaten und der finalen Resolution 36/31 belegt dies. Nach dem Text des Entwurfs sollte die internationale Untersuchungskommission ausdrücklich, neben Verletzungen der Menschenrechte, Verletzungen des humanitären Völkerrechts untersuchen. Der Rechtsrahmen der Untersuchung wird in Resolution 36/31 indes so beschrieben, dass – neben Verletzungen der Menschenrechte – Verletzungen von anderen „appropriate and applicable fields of international law“ in die Ermittlungen 4191 Vgl. die Pressemeldung des Menschenrechtsrates vom 4. Dezember 2017, abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=22483&Lan gID=E (zuletzt abgerufen am 30. Juni 2018).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
einbezogen werden sollen. Zwar ermöglicht diese Wendung auch die Einbeziehung des humanitären Völkerrechts; jedoch wird man hier den politischen Kompromiss so zu verstehen haben, dass vor Beginn der Untersuchung der Eindruck vermieden werden sollte, dass im Jemen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und damit möglicherweise sogar Kriegsverbrechen zu besorgen seien. Ein weiterer Unterschied zwischen dem Resolutionsentwurf und der Resolution 36/31 ist das Fehlen einer Entscheidung hinsichtlich des Umgangs mit den Berichten des Untersuchungsgremiums. Während der Entwurf noch vorsah, dass der Bericht der Untersuchungskommission der Generalversammlung zugeleitet werden sollte, und dass diese den Bericht an alle relevanten Gremien der Vereinten Nationen weiterleitet (Abs. 11 des operativen Teils des Resolutionsentwurfs), fehlt ein entsprechender Passus in der Resolution 36/31 völlig. Zwar wird durch das Fehlen des nämlichen Passus nicht verhindert, dass andere Gremien der Vereinten Nationen den Bericht der Expertengruppe für den Jemen zur Kenntnis nehmen. Jedoch wird so zumindest einer offiziellen Zurkenntnisnahme entgegengewirkt, die möglicherweise zu einer Verurteilung der Kriegsführung Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten im Jemen führen könnte. Das Beispiel Jemen illustriert nachdrücklich den Versuch eines international einflussreichen Staates, hier namentlich von Saudi-Arabien, eine Untersuchung zu verhindern, bei der dokumentiert werden könnte, dass dieser Staat für schwere Verletzungen des (humanitären) Völkerrechts verantwortlich ist. Andererseits zeigt dieses Beispiel ebenso, dass es in einem Gremium wie dem Menschenrechtsrat durch geschickte Vermittlung doch möglich ist, einen Teilerfolg zu erzielen und jedenfalls eine Untersuchung, wenn auch nicht in der Form einer internationalen Kommission, auf den Weg zu bringen, um Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. Die Berufung von Charles Garraway – einem ausgewiesenen Kenner des humanitären Völkerrechts – in die Expertengruppe zeigt zudem, dass offensichtlich von Seiten der Vereinten Nationen der Wille besteht, das Mandat der Gruppe zu nutzen, um Verletzungen der Regeln über den bewaffneten Konflikt einer Untersuchung zuzuführen.
D. Bemühungen innerhalb der Vereinten Nationen um die Stärkung des Konzepts der internationalen Untersuchung Innerhalb der Vereinten Nationen hat es immer wieder Bemühungen gegeben, das Konzept der Untersuchung zu stärken, dies sowohl für Untersuchungen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen als auch für Fälle von Untersuchungen durch die Vereinten Nationen selbst. Namentlich die Generalversammlung verabschiedete zu Fragen internationaler Untersuchungen verschiedene Dokumente.
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I. Errichtung eines Panels für Untersuchung und Vermittlung 1. Entstehung des Panels Bereits kurz nach der Gründung der Vereinten Nationen wurde internationalen Untersuchungen, über ihre bloße Erwähnung in Artikel 33 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen hinaus, weitergehende Beachtung zuteil. Mit der Resolution 111 (II) vom 13. November 1947 errichtete die Generalversammlung einen Interimsausschuss.4192 Dieser Ausschuss wurde ins Leben gerufen, um zwischen der zweiten und dritten Sitzungsperiode der Generalversammlung deren Funktionen im Bereich des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu erkunden und die Generalversammlung für diese Bereiche arbeitsfähig zu machen.4193 Der Ausschuss litt allerdings von Anfang an unter dem Geburtsfehler, dass die Großmacht Sowjetunion und die Gruppe der sie unterstützenden Staaten sich gegen die Errichtung des Ausschusses wandten und diese Staaten auch nicht an dessen Arbeiten teilnahmen.4194 In Abs. 2 lit. c) des operativen Teils von Generalversammlungsresolution 111 (II) heißt es zu den Aufgaben des Interimsausschusses: „To consider, as it deems useful and advisable, and report with its conclusions to the General Assembly on the methods to be adopted to give effect to that part of Article 11 (paragraph 1), which deals with the general principles of cooperation in the maintenance of international peace and security, and to that part of Article 13 (paragraph 1a), which deals with the promotion of international co-operation in the political field.“
Zur Umsetzung des Auftrages errichtete der Interimsausschuss auf seiner elften Arbeitssitzung am 2. März 1948 seinen zweiten Unterausschuss, der sich mit den Fragen der Förderung internationaler Zusammenarbeit im politischen Bereich befassen sollte.4195 Der Ausschuss hatte sich unter anderem mit einem gemeinsamen Vorschlag Chinas und der Vereinigten Staaten von Amerika zu befassen,4196 in dem die beiden Staaten die Schaffung eines Panels für Untersuchung und Vermittlung anregten. Dieses Panel sollte aus von den Mitgliedstaaten benannten Personen bestehen, die geeignet und bereit waren, als Mitglieder von Untersuchungs- und 4192
UN Doc. A/RES/111 (II) vom 13. November 1947. Vgl. zur Tätigkeit des Interimsausschusses insgesamt James Nevins Hyde, International Conciliation 26 (1948), S. 531 ff. sowie Yuen-Li Liang, American Journal of International Law 42 (1948), S. 887 ff. 4194 James Nevins Hyde, International Conciliation 26 (1948), S. 531 (531). 4195 Siehe Yuen-Li Liang, American Journal of International Law 42 (1948), S. 887 (895). Dem Unterausschuss gehörten Vertreter aus folgenden Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen an: Australien, Belgien, Brasilien, China, Dominikanische Republik, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Iran, Kolumbien, Libanon, Schweden, Venezuela, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika. 4196 UN Doc. A/AC.18/24 vom 16. Februar 1948; siehe zur weiteren Tätigkeit dieses Unterausschusses insbesondere Yuen-Li Liang, American Journal of International Law 42 (1948), S. 887 (895 ff.). 4193
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Vermittlungskommissionen zu fungieren. Der sino-amerikanische Vorschlag wurde von dem Unterausschuss angenommen und fand als Resolutionsentwurf Eingang in den Bericht des Interimsausschusses an die Generalversammlung.4197 In Teil D der Generalversammlungsresolution 268 (III) vom 28. April 19494198 wurde schließlich die Schaffung des vorgeschlagenen Panels für Untersuchung und Vermittlung beschlossen: „The General Assembly, Mindful of its responsibilities, under Articles 13 (1 a) and 11 (1) of the Charter, to promote international co-operation in the political field and to make recommendations with regard to the general principles of the maintenance of international peace and security, Deeming it desirable to facilitate in every practical way the compliance by Member States with the obligation in Article 33 of the Charter first of all to seek a solution of their disputes by peaceful means of their own choice, Noting the desirability, as shown by experience of organs of the United Nations, of having qualified persons readily available to assist those organs in the settlement of disputes and situations by serving on commissions of inquiry or of conciliation, Concluding that to make provision for a panel of persons having the highest qualifications in this field available to any States involved in controversies and to the General Assembly, the Security Council and their subsidiary organs, when exercising their respective functions in relation to disputes and situations, would promote the use and effectiveness of procedures of inquiry and conciliation, 1. Invites each Member State to designate from one to five persons who, by reason of their training, experience, character and standing, are deemed to be well fitted to serve as members of commissions of inquiry or of conciliation and who would be disposed to serve in this capacity; 2. Directs the Secretary-General to take charge of the administrative arrangements connected with the composition and the use of the Panel; 3. Adopts the annexed articles relating to the composition and use of the Panel of Inquiry and Conciliation.“
2. Regelungen über das Panel Der Resolution 268 (III) D hängen die Articles relating to the Composition and Use of the Panel of Inquiry and Conciliation als Annex an. Artikel 1 setzt die Vorgaben von Punkt 1 des operativen Teils der Resolution um, und sieht daher vor, dass das Panel aus von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen benannten Personen bestehen muss, die auf der Grundlage ihrer Ausbildung, ihrer Erfahrungen, ihres Charakters und ihrer Reputation geeignet erscheinen, als Mitglieder einer Untersuchungs- oder einer Vermittlungskommission zu dienen und 4197 UN Doc. A/605 (SUPP) von 1948; Annex IV, S. 35 f.; siehe auch Yuen-Li Liang, American Journal of International Law 42 (1948), S. 887 (897). 4198 UN Doc. A/RES/268 (III) vom 28. April 1949.
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auch hierzu bereit sind. Jeder Mitgliedstaat kann zwischen einer Person und fünf Personen hierfür benennen, wobei diese sowohl Privatpersonen als auch Staatsbedienstete sein können. Soweit Staatsbedienstete benannt werden, soll der benennende Staat jede Anstrengung unternehmen, um die jeweilige Person freizustellen, wenn die Dienste der Person in einer Kommission benötigt werden. Eine Person kann gleichzeitig auch von zwei oder mehr Staaten benannt werden. Weiterhin müssen die Mitglieder des Panels für einen Zeitraum von fünf Jahren benannt werden, wobei die Benennung erneuerbar sein muss. Zudem ist es Mitgliedern von Kommissionen, die nach den Regeln des Resolutionsannexes benannt wurden, nicht gestattet, um Anweisungen von irgendeiner Regierung nachzusuchen oder solche Anweisungen zu empfangen. Allerdings hindert die Mitgliedschaft in dem Panel eine Person nicht daran, von seiner Regierung oder von anderen Stellen als Repräsentant in Kommissionen oder anderen Gremien benannt zu werden, die nicht den Regeln des Resolutionsannexes unterfallen. Artikel 2 Abs. 1 setzt Punkt 2 des operativen Teils von Resolution 268 (III) D um. Hiernach trägt der Generalsekretär der Vereinten Nationen die administrative Verantwortung für die das Panel betreffenden Angelegenheiten. Jede Regierung muss dem Generalsekretär jede Benennung einer Person für die Aufnahme in das Panel notifizieren, wobei der Notifikation ausreichende biographische Informationen über die jeweilige Person beizulegen sind. Zudem muss jede Regierung den Generalsekretär darüber informieren, dass ein von ihr benanntes Panelmitglied aufgrund von Tod oder sonstigem Unvermögen nicht mehr für die Tätigkeit in einer Kommission zur Verfügung steht. Nach Artikel 2 Abs. 2 muss der Generalsekretär von Zeit zu Zeit das Panel sowie jede Veränderung, die diesem widerfährt, den Mitgliedstaaten, dem Sicherheitsrat, der Generalversammlung sowie dem Interimsausschuss mitteilen. Zudem ist es nach diesem Artikel Aufgabe des Generalsekretärs, falls dies nötig werden sollte, die Mitgliedstaaten einzuladen, schnellstmöglich einen Ersatz zu benennen, falls es zu einer Vakanz in dem Panel kommen sollte. Artikel 3 sieht vor, dass das Panel den Organen der Vereinten Nationen jederzeit zur Verfügung stehen muss, damit diese aus ihm Personen für Untersuchungs- oder Vermittlungskommissionen im Zusammenhang mit Streitigkeiten oder Situationen auswählen zu können, bezüglich derer beziehungsweise in denen die Organe ihre Funktionen ausüben. Gemäß Artikel 4 muss das Panel jederzeit allen Staaten, die sich in einer Streitigkeit befinden, zu dem Zweck zur Verfügung stehen, Personen aus dem Panel als Mitglieder einer Untersuchungs- oder Vergleichskommission auszuwählen, um die Streitigkeit beizulegen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den streitenden Staaten um Mitgliedstaaten oder Nicht-Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen handelt. Nach Artikel 5 Abs. 1 soll die Methode der Auswahl der Mitglieder einer Untersuchungs- oder Vergleichskommission aus dem Panel in jedem Fall von dem Organ der Vereinten Nationen, das die Kommission einsetzt, und im Falle des Er-
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suchens von im Streit befindlichen Staaten durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung festgelegt werden. Der zweite Absatz sieht vor, dass wann immer Streitparteien gemeinschaftlich den Generalsekretär, den Präsidenten der Generalversammlung oder den Vorsitzenden des Interimsausschusses ersuchen, ein Mitglied oder mehrere Mitglieder nach den Regeln des Resolutionsannexes für eine Untersuchungs- oder Vermittlungskommission zu bestimmen, oder wann immer ein solches Ersuchen im Hinblick auf die Regelungen in einem Vertrag oder einer Vereinbarung, der beziehungswiese die beim Generalsekretär registriert wurde, geäußert wird, der Ersuchte die erbetene Anzahl von Kommissionsmitgliedern aus dem Panel benennt. Artikel 6 sieht vor, dass der Generalsekretär im Zusammenhang mit der Errichtung einer Kommission nach den Artikeln des Resolutionsannexes dem betreffenden Organ der Vereinten Nationen beziehungsweise den streitenden Parteien jede Hilfestellung bei Aufgaben wie der Feststellung der Verfügbarkeit der ausgewählten Personen aus dem Panel oder dem Treffen von Maßnahmen hinsichtlich von Zeit und Ort des Treffens der ausgewählten Personen angedeihen lässt. Den Mitgliedern solcher Kommissionen, die von Organen der Vereinten Nationen eingesetzt wurden, müssen nach Artikel 7 diejenigen Vorrechte und Immunitäten zustehen, die in dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Mitglieder von durch Staaten errichteten Kommissionen sollen, soweit möglich, dieselben Vorrechte und Immunitäten erhalten. Die Mitglieder einer Kommission, die nach den Regeln des Resolutionsannexes errichtet wurde, sollen nach Artikel 8 eine angemessene Kompensation für den Zeitraum ihrer Dienste in der Kommission erhalten. In Falle einer Kommission, die auf Grundlage des Begehrens von im Streit befindlichen Staaten errichtet wurde, muss die Kompensation durch die Streitparteien getragen werden, wobei hierzu jede Partei einen gleichen Anteil zu tragen hat. Artikel 9 sieht vor, dass sich sowohl Kommissionen, die durch ein Organ der Vereinten Nationen errichtet wurden, als auch solche Kommissionen, die auf Grundlage des Ersuchens von streitenden Staaten errichtet wurden, entweder am Sitz der Vereinten Nationen in New York oder an jedem anderen Ort zusammenfinden können, der von der Kommission als geeignet für die Durchführung ihrer Aufgabe angesehen wird. Nach Artikel 10 Abs. 1 fällt dem Generalsekretär die Pflicht zu, für eine Kommission eines Organs der Vereinten Nationen, die nach den Regeln des Resolutionsannexes errichtet wurde, einen angemessenen Stab zur Verfügung zu stellen, welcher der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe ermöglicht. Ebenso muss der Generalsekretär, falls dies nötig werden sollte, professionelle Unterstützung bei den Sonderorganisationen der Vereinten Nationen für die Kommission einholen. Zudem fällt ihm die Aufgabe zu, falls es nötig werden sollte, mit den Staaten beziehungsweise deren Behörden geeignete Abreden zu treffen, damit die Kommission
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ihre Aufgabe auf dem Staatsgebiet dieser Staaten mit voller Bewegungsfreiheit und weiteren notwendigen Arbeitserleichterungen durchführen kann. Im Hinblick auf Kommissionen, die auf Ersuchen von streitenden Staaten errichtet wurden, muss der Generalsekretär, auf ein entsprechendes Ersuchen der Kommission hin, jede mögliche Unterstützung gewähren. Der zweite Absatz von Artikel 10 sieht vor, dass nach der Beendigung des entsprechenden Verfahrens jede Kommission, die durch ein Organ der Vereinten Nationen eingesetzt wurde, einen Bericht nach Maßgabe der Entscheidung des betreffenden Organs anfertigen muss. Bei den Kommissionen, die auf ein Ersuchen zur Beilegung eines zwischenstaatlichen Streites hin errichtet wurden, muss der Bericht beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt werden. Falls eine Beilegung der Streitigkeit erreicht wurde, so muss der Bericht im Regelfall die Bedingungen der Streitbeilegung enthalten. 3. Bedeutung des Panels in der Praxis In der Praxis wurde das Panel niemals, weder durch Staaten noch durch eines der Organe der Vereinten Nationen, in Anspruch genommen, und erwies sich somit als ineffektiv.4199 Auch zeigten sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen niemals besonders interessiert daran, geeignete Personen für das Panel zu benennen. Dieses Interesse nahm im Lauf der Zeit sogar noch ab. Hatten ausweislich einer vom Generalsekretär veröffentlichten Liste4200 am 8. Dezember 1950 noch 22 Staaten insgesamt 75 Personen als Mitglieder des Panels benannt,4201 so war die Anzahl bei der letztmaligen Veröffentlichung der Liste am 20. Januar 1961 auf 51 Personen geschrumpft,4202 welche von lediglich 15 Staaten benannt worden waren.4203 Das Panel für Untersuchung und Vermittlung war damit gescheitert.
4199 Philip C. Jessup, Columbia Journal of Transnational Law 9 (1970), S. 177 (183); Larissa J. van den Herik, Chinese Journal of International Law 13 (2014), S. 507 (523). 4200 UN Doc. S/1933 vom 8. Dezember 1950. 4201 Auf der Liste sind Personen genannt, die von folgenden Staaten benannt worden waren: Afghanistan, Ägypten, Belgien, Bolivien, Brasilien, Burma, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, Griechenland, Island, Indien, Israel, Kanada, Niederlande, Schweden, Südafrika, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika. 4202 UN Doc. A/4686 – S/4632 vom 20. Januar 1961. 4203 Auf der Liste sind Personen genannt, die von folgenden Staaten benannt worden waren: Brasilien, Ceylon, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Griechenland, Haiti, Israel, Niederlande, Österreich, Pakistan, Schweden, Vereinigte Arabische Republik sowie Vereinigtes Königreich.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
II. Errichtung eines Expertenregisters für internationale Untersuchungen Obwohl das Projekt eines Panels für Untersuchung und Vermittlung zuvor nicht erfolgreich war, wurde eine ähnliche Idee in den 1960er Jahren erneut aufgenommen.4204 Besonders prominent in diesem Zusammenhang war ein Vorschlag der Niederlande, im Rahmen der Vereinten Nationen ein ständiges internationales Untersuchungssystem einzurichten. Dieser Vorschlag ging zurück auf einen Aufsatz des niederländischen Völkerrechtlers A. J. P. Tammes aus dem Jahr 1959, in dem dieser das damals bestehende Regelwerk für internationales Fact-Finding beleuchtet hatte.4205 Die Idee wurde erstmalig durch die Niederlande im Herbst des Jahres 1962 offiziell in die Vereinten Nationen eingebracht.4206 Von niederländischer Seite wurde vorgebracht, dass die Notwendigkeit der objektiven Feststellung von international bedeutsamen Fakten nicht in Zweifel gezogen werden könne. Dies insbesondere in einem Zeitalter, in dem jeder augenblicklich über alles, was in der Welt Neuigkeitswert habe, informiert sei, wobei es allerdings oftmals auch zu Falschinformationen komme. Außerdem – und hier ähnelte die niederländische Begründung frappierend jener, die 1899 auf der Haager Friedenskonferenz für die Notwendigkeit der Errichtung einer internationalen Untersuchungskommission vorgebracht worden war – würde die Errichtung eines ständigen internationalen Fact-Finding-Systems bereits als solches dazu dienen können, eine Übereinkunft zwischen Staaten zu ermöglichen, und somit dazu beitragen können, Streitigkeiten zu verhindern und Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Dieses System müsse dabei die allgemein anerkannten Garantien für Unabhängigkeit und Kompetenz bieten sowie jegliche Fact-Finding-Aktivitäten durchführen und überwachen, die auf einer internationalen Übereinkunft oder auf der Entscheidung einer Internationalen Organisation basieren würden.4207 Am 16. Dezember 1963 verabschiedete die Generalversammlung daraufhin die Resolution 1967 (XVIII):4208 „The General Assembly, Recalling that in its resolution 1815 (XVII) of 18. December 1962 the principle that States shall settle their international disputes by peaceful means in such a manner that international peace and security and justice are not endangered is mentioned as one of the principles to be studies at the eighteenth session of the General Assembly, Recognizing the need to promote further development and strengthening of various means of settling disputes, as described in Article 33 of the Charter of the United Nations,
4204 4205 4206 4207 4208
Philip C. Jessup, Columbia Journal of Transnational Law 9 (1970), S. 177 (183). A. J. P. Tammes, Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht 7 (1959), S. 344 ff. Vgl. J. H. Leurdijk, Netherlands International Law Review 14 (1967), S. 141 (159). Vgl. J. H. Leurdijk, Netherlands International Law Review 14 (1967), S. 141 (159). UN Doc. A/RES/1967 (XVIII) vom 16. Dezember 1963.
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Considering that, in Article 33 of the Charter, inquiry is mentioned as one of the peaceful means by which the parties to any dispute, the continuance of which is likely to endanger the maintenance of international peace and security, shall seek a solution, Considering further that inquiry, investigation and other methods of fact-finding are also referred to in other instruments of a general or regional nature, Believing that an important contribution to the peaceful settlement of disputes and to the prevention of such disputes could be made by providing for impartial fact-finding within the framework of international organizations and in bilateral and multilateral conventions, Taking into account that, with regard to methods of fact-finding in international relations, a considerable practice is available to be studied for the purpose of the progressive development of such methods, Believing that such a study might include the feasibility and desirability of establishing a special international body for fact-finding or of entrusting to an existing organization factfinding responsibilities complementary to existing arrangements and without prejudice to the right of the parties to any dispute to seek other peaceful means of their own choice, 1. Invites Member States to submit in writing to the Secretary-General, before 1 June 1964, any views they may have on this subject and requests the Secretary-General to communicate these comments to Member States before the beginning of the nineteenth session; 2. Requests the Secretary-General to study the relevant aspects of the problem under consideration and to report on the results of such study to the General Assembly at its nineteenth session and to the Special Committee on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States established under Assembly resolution 1966 (XVIII) of 16 December 1963; 3. Requests the Special Committee to include in its deliberations the subject-matter mentioned in the last preambular paragraph of the present resolution.“
Gegen die Resolution stimmten vor allem die sozialistischen und kommunistischen Staaten, da sie fürchteten, dass ein unabhängiges Fact-Finding-Gremium die Kompetenzen des Sicherheitsrates beeinflussen könne.4209 Am 18. Dezember 1967 nahm die Generalversammlung einen weiteren Resolutionsentwurf schließlich als Resolution 2329 (XXII)4210 an: „Question of Methods of Fact-Finding The General Assembly, Recalling its resolutions 1967 (XVIII) of 16 December 1963, 2104 (XX) of 20 December 1965 and 2182 (XXI) of 12 December 1966 on the question of methods of fact-finding, Noting the Comments submitted by Member States pursuant to the above-mentioned resolutions and the views expressed in the United Nations, Noting with appreciation the two reports submitted by the Secretary-General in pursuance of the above-mentioned resolutions, Recognizing the usefulness of impartial fact-finding as a means towards the settlement of disputes, 4209 4210
J. H. Leurdijk, Netherlands International Law Review 14 (1967), S. 141 (159). UN Doc. A/RES/2329 (XXII) vom 18. Dezember 1967.
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Believing that an important contribution to the peaceful settlement of disputes and to the prevention of disputes could be made by providing for impartial fact-finding within the framework of international organizations and in bilateral and multilateral conventions or other appropriate arrangements, Affirming that the possibility of recourse to impartial methods of fact-finding is without prejudice to the rights of States to seek other peaceful means of settlement of their own choice, Reaffirming the importance of impartial fact-finding in appropriate cases for settlement and the provision of disputes, Recalling the possibility of the continued use of existing facilities of fact-finding, 1. Urges the Member States to make more use of the existing methods of fact-finding; 2. Invites Member States to take into consideration, in choosing means for the peaceful settlement of disputes, the possibility of entrusting the ascertainment of facts, whenever it appears appropriate, to competent international organizations and bodies established by agreement between the parties concerned, in conformity with the principles of international law and the Charter of the United Nations or other relevant agreements; 3. Draws special attention to the possibility of recourse by States in particular cases, where appropriate, to procedures of the ascertainment of facts, in accordance with article 33 of the Charter of the United Nations; 4. Requests the Secretary-General to prepare a register of experts, in legal and other fields, whose services the State parties to a dispute may use by agreement for fact-finding in relation to the dispute, and requests the Member States to nominate up to five of their nationals to be included is such a register.“
In der völkerrechtlichen Literatur wurde das im vierten Absatz der Resolution angedachte Expertenregister, auch im Hinblick auf die mit dem Panel für Untersuchung und Vermittlung gemachten Erfahrungen, bereits kurz nach seiner Etablierung nicht sonderlich positiv bewertet. Jessup etwa sah in dem Register gegenüber dem Panel keinen großen Fortschritt.4211 Plunkett stellte hingegen fest, dass durch die Möglichkeit der Auswahl zwischen den verschiedenen Experten des Registers eine gewisse Flexibilität für verschiedene Situationen, in denen Untersuchungen (oder Vermittlungen) angewendet werden könnten, ermöglicht werden würde.4212 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat jedenfalls noch in der Resolution 57/26 über die Vermeidung und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten vom 19. November 2002 die Mitgliedstaaten der Weltorganisation ermutigt, qualifizierte Personen für Untersuchungsaktivitäten für das Expertenregister des Generalsekretärs zu nominieren; der Generalsekretär selbst sollte von Zeit zu Zeit nach eigenem Ermessen zudem Schritte unternehmen, um die Staaten zu ermutigen, entsprechende Personen zu benennen.4213 4211
Philip C. Jessup, Columbia Journal of Transnational Law 9 (1970), S. 177 (183). Edward A. Plunkett, Virginia Journal of International Law 9 (1968 – 1969), S. 154 (177 f.). 4213 UN Doc. A/RES/57/26 vom 3. Februar 2003, Abs. 6 und 8 des operativen Teils der Resolution. 4212
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III. Allgemeine Bekenntnisse zur Untersuchung in Erklärungen der Generalversammlung Die Untersuchung erfuhr sowohl als Mittel der zwischenstaatlichen Streitbeilegung als auch innerhalb des Systems der Vereinten Nationen durch verschiedene Erklärungen der Generalversammlung Bestätigung. Zudem wurde die Nutzung von Fact-Finding als Mittel der Krisenprävention und Konfliktbewältigung zu einer ausdrücklichen Politikempfehlung gemacht. 1. Declaration on the Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations In der am 24. Oktober 1970 von der Generalversammlung als Annex zu Resolution 2625 (XXV) verabschiedeten „Declaration on the Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations“4214 heißt es: „States shall accordingly seek early and just settlement of their international disputes by negotiation, inquiry4215, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement, resort to regional agencies or arrangements or other peaceful means of their choice. In seeking such a settlement the parties shall agree upon such peaceful means as may be appropriate to the circumstances and nature of the dispute.“
In der Deklaration wird somit die Rolle der Untersuchung als ein Mittel der Streitbeilegung in den zwischenstaatlichen Beziehungen betont. 2. Manila Declaration on the Peaceful Settlement of International Disputes Am 15. November 1982 verabschiedete die Generalversammlung mit der Resolution 37/10 die „Manila Declaration on the Peaceful Settlement of International Disputes“.4216 Hinsichtlich der Inanspruchnahme von zwischenstaatlichen Instrumenten der Streitbeilegung heißt es in der Deklaration: „5. States shall seek in good faith and in a spirit of co-operation an early and equitable settlement of their international disputes by any of the following means: negotiation, inquiry4217, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement, resort to regional agreements or agencies or other peaceful means of their own choice, including good offices. In 4214
UN Doc. A/RES/2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970. Hervorhebung durch den Verfasser. 4216 UN Doc. A/RES/37/10 vom 15. November 1982. Vgl. zur Bedeutung der Manila Declaration für die internationale Streitbeilegung allgemein Richard B. Bilder, Emory Journal of International Dispute Resolution 1 (1986 – 1987), S. 1 (1, 9 f.). 4217 Hervorhebung durch den Verfasser. 4215
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seeking such a settlement, the parties shall agree on such peaceful means as may be appropriate to the circumstances and the nature of their dispute.“
Durch die Manila-Deklaration erfuhren die traditionellen Mittel der Streitbeilegung, und mit ihnen die zwischenstaatliche Untersuchung, nochmals eine wichtige Bestätigung im Kontext der Vereinten Nationen.4218 Ebenso wurde in der Deklaration die Rolle des Sicherheitsrates in Bezug auf Untersuchungen hervorgehoben. Im vierten Absatz des zweiten operativen Teils der Deklaration heißt es, dass die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die primäre Rolle des Sicherheitsrates stärken sollten, sodass dieser seine Aufgaben nach der Charta der Vereinten Nationen im Bereich der Streitbeilegung sowie in jeder Situation, deren Andauern eine Gefährdung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit sei, wahrnehmen könne. Hierzu sollten die Mitgliedstaaten unter anderem: „(d) Consider making greater use of the fact-finding capacity4219 of the Security Council in accordance with the Charter;“
Die Manila-Deklaration legte insgesamt, aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit von internationalen Untersuchungen, den Fokus sehr stark auf die Rolle der Staaten bei der Beilegung von Streitigkeiten. Der Appell zur Nutzung des klassischen, zwischenstaatlichen Untersuchungsverfahrens in der Deklaration blieb, wie oben gezeigt, indes ungehört. 3. Declaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role of the United Nations in this Field Auch in der „Declaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role of the United Nations in this Field“ der Generalversammlung in der Resolution 43/51 vom 5. Dezember 19884220 finden sich Passagen über die Anwendung von Fact-Finding in den internationalen Beziehungen: „12. The Security Council should consider sending, at an early stage, fact-finding or good offices missions or establishing appropriate forms of United Nations presence, including observers and peace-keeping operations, as a means of preventing the further deterioration of the dispute or situation in the areas concerned;“4221
4218 Vgl. George H. Aldrich/Christine M. Chinkin, American Journal of International Law 94 (2000), S. 90 (91). 4219 Hervorhebung durch den Verfasser. 4220 UN Doc. A/RES/43/51 vom 5. Dezember 1988. 4221 Hervorhebungen durch den Verfasser.
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und „18. If a dispute or situation has been brought before it, the General Assembly should consider, including in its recommendations make more use of fact-finding capabilities, in accordance with Article 11 and subject to Article 12 of the Charter;“4222
sowie „22. The Secretary-General should, where appropriate, consider making full use of factfinding capabilities, including, with the consent of the host State, sending a representative or fact-finding missions to areas where a dispute or a situation exists; where necessary, the Secretary-General should also consider making the appropriate arrangements;“4223
In dieser Deklaration werden die Möglichkeiten zur Durchführung von internationalen Untersuchungen durch die Organe der Vereinten Nationen im Kontext der Beseitigung von Gefahren für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit hervorgehoben. Die Deklaration setzt damit den Weg fort, der bereits in der ManilaDeklaration hinsichtlich der Betonung der Untersuchungskapazitäten der Organe der Vereinten Nationen eingeschlagen wurde. Dabei komplementiert diese Deklaration in der Resolution 43/51, entsprechend ihrer Ausrichtung, nämlich den Fokus im Bereich von Untersuchungen auf die Rolle der Weltorganisation zu legen, die Manila-Deklaration, die vor allem der zwischenstaatlichen Streitbeilegung verhaftet war. 4. Declaration of the High-Level Meeting of the General Assembly on the Rule of Law at the National and International Levels Ein weiteres Bekenntnis zur Untersuchung findert sich in der „Declaration of the High-Level Meeting of the General Assembly on the Rule of Law at the National and International Levels“, die in der Resolution 67/1 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. September 20124224 enthalten ist: „4. We reaffirm the duty of all States to settle their international disputes by peaceful means, inter alia through negotiation, enquiry4225, good offices, mediation, conciliation, arbitration and judicial settlement, or other peaceful means of their own choice.“
In dieser Erklärung eines Treffens von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und hochrangigen Delegationsleitern im Hauptquartier der Vereinten Nationen im Rahmen der Generalversammlung wurden die Mittel der internationalen Streitbeilegung, unter damit auch die Untersuchung, als Teil der Rule of Law auf internationaler Ebene bestätigt.
4222 4223 4224 4225
Hervorhebungen durch den Verfasser. Hervorhebungen durch den Verfasser. UN Doc. A/RES/67/1* vom 30. November 2012. Hervorhebung durch den Verfasser.
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E. Die Declaration on Fact-Finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security von 1991 Am 9. Dezember 1991 verabschiedete die Generalversammlung im Konsens in der Resolution 46/59 die „Declaration on Fact-Finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security“.4226 Mit dieser Deklaration wurde der Versuch unternommen, wichtige Regeln über Fact-FindingAktivitäten durch die Vereinten Nationen in einem Dokument zu ordnen und das Konzept so innerhalb der Weltorganisation zu stärken. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Art neue Musterverfahrensordnung für Untersuchungen beziehungsweise Untersuchungsgremien. Vielmehr sind Adressaten der Deklaration die Vereinten Nationen, ihre Organe und die Mitgliedstaaten.
I. Entstehung der Deklaration Obwohl die Vereinten Nationen, wie oben gezeigt, bereits seit ihrer Gründung Fact-Finding-Aktivitäten im Bereich der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durchführten und auch andere Versuche zur Regelung und Stärkung von Fact-Finding-Aktivitäten unternommen hatten, dauerte es bis in die Mitte der 1980er Jahre, ehe die Thematik wieder Eingang in die Beratungen des Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization, eines Sonderausschusses der Generalversammlung, fand, dem es nach der Generalversammlungsresolution 3499 (XXX) vom 15. Dezember 19754227 unter anderem oblag, in detaillierter Weise Beobachtungen zu Fragen der Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen im Hinblick auf die Wahrung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit, zur Entwicklung zwischenstaatlicher Kooperation und zur Förderung der Anwendung des Völkerrechts in den zwischenstaatlichen Beziehungen anzustellen sowie die von den Mitgliedstaaten eingebrachten Vorschlägen zu diesen Fragen zu sammeln und diejenigen zu identifizieren, die besondere Aufmerksamkeit verdienten. In der Sitzung des Jahres 1985 des Special Committee wurden Fragen des Fact-Finding vor allem im Zusammenhang mit einem Vorschlag Rumäniens zur Errichtung einer Kommission für Gute Dienste, Mediation und Vermittlung, dem sich später Nigeria und die Philippinen anschlossen, sowie im Zusammenhang mit einem von der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Italien, Japan, Neuseeland und Spanien vorgelegten Arbeitspapier zu Fragen der Vermeidung und der Beseitigung von Streitigkeiten durch die Vereinten Nationen und hinsichtlich von Situationen, welche zu internationalen Friktionen oder zu einem Streitfall führen können sowie hinsichtlich von Angelegenheiten, welche die Wahrung des Friedens und der Sicherheit gefährden könnten, disku4226 4227
UN Doc. A/RES/46/59 vom 9. Dezember 1991. UN Doc. A/RES/3499 (XXX) vom 15. Dezember 1975.
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tiert.4228 Besondere Beachtung fand bei den Diskussionen innerhalb des Special Committee in der Folge vor allem der erstgenannte Vorschlag. Die Erarbeitung eines selbstständigen Dokuments zu Fragen des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen war allerdings noch nicht vorgesehen und wurde als solches nicht diskutiert. Im Anschluss an eine entsprechende Empfehlung des Special Committee vom 28. November 19884229 wurde dieses durch die Generalversammlung in der Resolution 43/170 vom 9. Dezember 19884230 unter anderem aufgefordert, sich in der Sitzung des Jahres 1989 vorrangig Fragen der Sicherung des Weltfriedens und der Sicherheit in allen Aspekten zu widmen, um die Rolle der Vereinten Nationen zu stärken. Hierbei sollte das Special Committee insbesondere Vorschläge hinsichtlich von Fact-Finding-Aktivitäten erörtern4231 und in der 44. Sitzungsperiode der Generalversammlung über seine Arbeit Bericht erstatten.4232 Die Erörterung über ein eigenes Dokument hinsichtlich von Fact-Finding-Aktivitäten der Vereinten Nationen begann in der Folge der Generalversammlungsresolution 43/170 während der Sitzungen des Special Committee im Frühjahr 1989. Ausschlaggebend hierfür waren zwei Arbeitspapiere, die hierbei vorgelegt wurden. Das von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Italien, Japan, Neuseeland und Spanien vorgeschlagene Papier trug den Titel „Fact-Finding by the United Nations to assist in the Maintenance of international Peace and Security“4233 ; das Papier der Deutschen Demokratischen Republik und der Tschechoslowakei wurde unter dem Titel „Fact-Finding activities by the United Nations in the context of the maintenance of international peace and security“4234 vorgestellt. Die beiden Arbeitspapiere bildeten die Grundlage für die weiteren Beratungen im Special Committee.4235 Während ihrer 44. Sitzungsperiode beschloss die Generalversammlung dann, auf eine Empfehlung des sechsten Ausschusses hin,4236 am 4. Dezember 1989 die Resolution 44/37.4237 In der Resolution wurde das Special Committee aufgefordert, in seiner Sitzung im Jahr 1990 der Frage nach der Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in all seinen beziehungsweise ihren Aspekten Vorrang bei den Beratungen einzuräumen.4238 Im Rahmen der Resolution wurde das 4228
Vgl. UN Doc. A/41733 von 1986, Rn. 15, 26, 44. UN Doc. A/43/886 vom 28. November 1988, S. 9 f. 4230 UN Doc. A/RES/43/170 vom 9. Dezember 1988. 4231 UN Doc. A/RES/43/170 vom 9. Dezember 1988, Abs. 3 lit. (a) (i). 4232 UN Doc. A/RES/43/170 vom 9. Dezember 1988, Abs. 9. 4233 Wiedergegeben in: UN Doc. A/44/33 vom 5. Mai 1989, Rn. 20. 4234 Wiedergegeben in: UN Doc. A/44/33 vom 5. Mai 1989, Rn. 51. 4235 Vgl. den Report of the Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization, UN Doc. A/44/33 vom 5. Mai 1989, Rn. 55 ff. 4236 UN Doc. A/44/768 vom 24. November 1989, Rn. 12. 4237 UN Doc. A/RES/44/37 vom 4. Dezember 1989. 4238 UN Doc. A/RES/44/37 vom 4. Dezember 1989, Abs. 3 lit. (a). 4229
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Special Committee zudem darum ersucht, primär Fragen des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen auf der Grundlage von entsprechenden Vorschlägen und Empfehlungen zu erörtern,4239 und über seine Tätigkeit der Generalversammlung in ihrer nächsten Sitzungsperiode Bericht zu erstatten.4240 Während seiner Sitzung im Jahr 1990 hatte das Special Committee über überarbeitete Versionen der beiden Arbeitspapiere zu beraten, die bereits auf der vorherigen Sitzung von den beiden Staatengruppen eingereicht worden waren.4241 Hierbei wurde eine gemeinsame Diskussion der beiden Arbeitspapiere unternommen. Diese wurde dabei in acht Cluster unterteilt: 1. Einführung und Definition, 2. Einsetzung/Beginn einer Fact-Finding-Mission, 3. Rolle des Generalsekretärs, 4. Konsens und unilaterale Erklärungen, 5. Zusammenarbeit zwischen Staaten und der Fact-Finding-Mission, 6. Informationsbeschaffung, 7. Abschlussklauseln und 8. die Rollen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung. Nach einer Reihe von Debatten präsentierten die beiden Staatengruppen dem Special Committee dann ein gemeinsames Entwurfsdokument unter dem Titel „Fact-Finding by the United Nations in the Field of the maintenance of international peace and security“.4242 Dieser gemeinsame Entwurf war in der Folge Gegenstand intensiver informeller Konsultationen, die durch den Vorsitzenden des Special Committee abgehalten wurden.4243 In der Resolution 45/44 vom 28. November 19904244 ersuchte die Generalversammlung dann das Special Committee es während seiner Sitzung im Jahr 1991 zu unternehmen, die Erörterungen des Vorschlages hinsichtlich des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen im Bereich der Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit abzuschließen, um die Schlussfolgerungen in einer angemessenen Form der Generalversammlung in ihrer 46. Sitzungsperiode zu präsentierten.4245 Im Jahr 1991 hatte das Special Committee dann über zwei aufeinanderfolgende, jeweils nochmals überarbeitete Versionen des Entwurfsdokumentes zu beraten.4246 Nach einer intensiven Diskussion beendete das Special Committee schließlich seine Tätigkeit und entschied, der Generalversammlung die „Draft Declaration on FactFinding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security“ zur Beratung und Verabschiedung vorzuschlagen.4247 4239
UN Doc. A/RES/44/37 vom 4. Dezember 1989, Abs. 3 lit. (a) (i). UN Doc. A/RES/44/37 vom 4. Dezember 1989, Abs. 9. 4241 UN Doc. A/AC.182/L.60/Rev.1 vom 29. Januar 1990; UN Doc. A/AC.182/L.62/Rev.1 vom 30. Januar 1990. 4242 UN Doc. A/AC.182/L.66 vom 26. Februar 1990. 4243 UN Doc. A/45/33 vom 8. März 1990, Rn. 69. 4244 UN Doc. A/RES/44/45 vom 28. November 1990. 4245 UN Doc. A/RES/44/45 vom 28. November 1990, Abs. 3 lit. (a) (i). 4246 UN Doc. A/AC.182/L.66/Rev.1 vom 24. Januar 1991; UN Doc. A/AC.182/L.70 vom 19. Februar 1991. 4247 UN Doc. A/46/690 vom 21. November 1991, Rn. 10. 4240
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Auf der 46. Sitzung der Generalversammlung erörterte deren sechster Ausschuss den Deklarationsentwurf bei mehreren Treffen. Am 15. November 1991 brachten dann Ägypten, Belgien, Brasilien, Deutschland, Ghana, Italien, Japan, Neuseeland, Nigeria, Polen, Spanien, die Tschechoslowakei und Zypern, denen sich noch Bulgarien, Rumänien und Ungarn anschlossen, einen gemeinsamen Resolutionsentwurf4248 in die Generalversammlung ein, der auf einem Vorschlag des Special Committee basierte und der vom sechsten Generalversammlungsausschuss bestätigt worden war. Am 21. November 1991 schlug dieser Ausschuss schließlich der Versammlung die Annahme der Resolution vor,4249 was diese dann auch tat.
II. Inhalt der Deklaration Die endgültige Fassung der Deklaration, die am 9. Dezember 1991 von der Generalversammlung angenommen wurde,4250 gliedert sich in fünf Abschnitte, deren Absätze in der Folge näher untersucht werden: Im ersten Abschnitt sind die gemeinsamen Prinzipen für Tatsachenfeststellungen durch die Vereinten Nationen niedergelegt (Abs. 1 bis 6), im zweiten Abschnitt wurden die Voraussetzungen für die Entscheidung der Vereinten Nationen, eine Mission zur Tatsachenfeststellung zu entsenden, niedergelegt (Abs. 7 bis 18), im dritten Abschnitt finden sich Regeln über die Durchführung von solchen Missionen (Abs. 19 bis 27), der vierte Abschnitt enthält Regeln über die mögliche Verwendung von anderen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (Abs. 28, 29) und der fünfte Abschnitt enthält letztlich zwei Abschlussklauseln (Abs. 30, 31). 1. Gemeinsame Prinzipien des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen a) Bedeutung des Fact-Finding (Abs. 1) Abs. 1 der Deklaration stellt die generelle Bedeutung von Fact-Finding für eine informierte Entscheidungsfindung heraus. Nach dieser Regel sollen die zuständigen Organe der Vereinten Nationen bei der Ausübung ihrer Funktionen in Bezug auf die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit Kenntnis über alle relevanten Fakten haben. Aus diesem Grunde sollen sie die Durchführung von FactFinding-Aktivitäten in Betracht ziehen.
4248 4249 4250
UN Doc. A/C.46/L.9 vom 7. November 1991. UN Doc. A/46/690 vom 21. November 1991, Rn. 13. Siehe Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (107).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
b) Definition (Abs. 2) In Abs. 2 wird der Begriff „fact-finding“ im Rahmen der Deklaration als „(…) any activity designed to obtain detailed knowledge of the relevant facts of any dispute or situation which the competent United Nations organs need in order to exercise effectively their functions in relation to the maintenance of international peace and security“ definiert. Obwohl der Anwendungsbereich der Deklaration damit grundsätzlich sehr weit gehalten ist, werden nicht alle Formen der Untersuchung durch die Vereinten Nationen von ihr erfasst. So fällt etwa die Beobachtung eines Waffenstillstandes im Rahmen eines Peacekeeping-Einsatzes nicht in den Anwendungsbereich der Deklaration.4251 c) Funktionsgrundsätze (Abs. 3) In Abs. 3 werden die wesentlichen Funktionsgrundsätze von Fact-Finding aufgezählt. Nach dem Absatz soll Fact-Finding umfassend, objektiv, unparteiisch sowie zeitnah sein. In den weiteren Regeln der Deklaration finden sich Konkretisierungen dieser Grundsätze wieder.4252 d) Fact-Finding als Informationsgrundlage (Abs. 4) Abs. 4 besagt, dass, außer im dem Fall, dass ausreichendes Wissen hinsichtlich aller relevanten Tatsachen durch die Nutzung der Informationssammelkapazitäten des Generalsekretärs oder durch andere, bereits vorhandene Mittel generiert werden kann, das jeweils zuständige Organ der Vereinten Nationen die Entsendung einer Fact-Finding-Mission in Betracht ziehen soll. Obwohl die Regel nicht als Pflicht der Organe formuliert ist, wird durch sie sehr gut veranschaulicht, dass mit der Deklaration eine Stärkung von Fact-Finding-Missionen der Vereinten Nationen beabsichtigt war.4253 Solche Missionen werden also als stets vorzugswürdiges, mindestens aber subsidiäres Mittel zur Informationsbeschaffung angesehen. e) Signalwirkung (Abs. 5) Nach Abs. 5 sollen sich die zuständigen Organe der Vereinten Nationen bei der Entscheidung darüber, ob und wann eine Fact-Finding-Mission entsandt wird, darüber bewusst sein, dass die Entsendung einer solchen Mission die Besorgnis der Vereinten Nationen signalisieren kann und dass die Entsendung der Mission einerseits zum Aufbau von Vertrauen und der Entschärfung des zugrunde liegenden 4251
(108). 4252 4253
Dieses Beispiel bei Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 Vgl. Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108). Vgl. Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108).
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Streites beziehungsweise der zugrunde liegenden Situation dienen und andererseits keinerlei Verschlimmerung des Streites oder der Situation hervorrufen soll. Diesem Absatz kommt damit eine Appell- und Besinnungsfunktion zu. Das jeweils eine Fact-Finding-Mission einsetzende Organ der Vereinten Nationen soll sich über die Konsequenzen seiner Entscheidung bewusst werden. Berg4254 führt hierzu beispielhaft aus, dass die Entsendung einer Fact-Finding-Mission eine gegebene Situation dann verschlimmern könne, wenn ihr Mandat nicht von allem Beteiligten eines Konfliktes akzeptiert, oder die Arbeit der Kommission als zu einseitig angesehen würde. Hierbei ist etwa an militärische Konflikte zu denken, bei denen eine entsandte Mission lediglich hinsichtlich von etwaigen Kriegsverbrechen einer Seite Untersuchungen durchführen soll. Hingegen sieht es Berg4255 in diesem Zusammenhang als eher positiv an, dass durch die Entsendung einer Fact-Finding-Mission in ein konfliktbefangenes Gebiet ein Signal an die streitenden Parteien gesendet werden würde, dass die Vereinten Nationen besorgt seien. Dies könne zum Aufbau gegenseitigen Vertrauens beitragen. f) Zustimmung zu Vor-Ort-Besuchen (Abs. 6) Abs. 6 bestimmt, dass die Entsendung einer Fact-Finding-Mission auf das Territorium eines Staates dessen vorheriger Zustimmung bedarf. Hierin kommt der weiter oben bereits dargelegte Befund zum Ausdruck, dass die Staaten grundsätzlich nicht verpflichtet sind, zum Beispiel Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen Zutritt auf ihr Staatsgebiet zu gewähren.4256 Man wird daher in diesem Zusammenhang von einer ausdrücklichen Zustimmung des betroffenen Staates auszugehen haben, die für den Zutritt auf das jeweilige Staatsgebiet erforderlich ist. Die Aufnahme eines solchen Absatzes war bei der Schaffung der Deklaration heftig umstritten, obwohl die rechtliche Grundregel jedenfalls unstreitig war.4257 Letztendlich kommt durch die explizite Aufnahme des Absatzes auch das potenzielle Misstrauen vieler Staaten gegen Fact-Finding-Aktivitäten der Vereinten Nationen auf ihrem Staatsgebiet zum Ausdruck. 2. Regeln über die Entscheidung zur Entsendung einer Fact-Finding-Mission a) Zuständigkeiten der Organe der Vereinten Nationen (Abs. 7) Abs. 7 besagt, dass eine Fact-Finding-Mission durch den Generalsekretär, die Generalversammlung oder den Sicherheitsrat, im Kontext ihrer jeweiligen Zustän4254 4255 4256 4257
Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108). 3. Teil § 2 A. VI. 2.; 3. Teil § 2 C. VI. Vgl. Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (108).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
digkeiten für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit, eingesetzt werden kann. Die Regel bietet damit lediglich eine Aufzählung der in einer Konfliktsituationen zur Entsendung einer Fact-Finding-Mission befugten Organe der Vereinten Nationen.4258 b) Sicherheitsrat (Abs. 8) In Abs. 8 ist niedergelegt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Möglichkeit, von Fact-Finding Gebrauch zu machen, erwägen soll, um seiner primären Aufgabe, der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, effektiv nachzukommen. Mit diesem Absatz wird dem Sicherheitsrat also empfohlen, Fact-Finding im Rahmen seiner chartagemäßen Aufgaben einzusetzen und dieses als Informationsquelle zu nutzen. c) Angebot durch den Sicherheitsrat (Abs. 9) Abs. 9 besagt, dass der Sicherheitsrat, wenn es sich anbietet, in seinen Resolutionen die Möglichkeit anbieten soll, dass Fact-Finding unternommen wird. Diese Empfehlung nimmt die Autorität des Sicherheitsrates auf und erklärte das aktive Anbieten von Fact-Finding durch den Sicherheitsrat zu einem erstrebenswerten Mittel der Konfliktbeilegung. d) Generalversammlung (Abs. 10) Abs. 10 besagt, dass die Generalversammlung die Möglichkeit von Fact-Finding Gebrauch zu machen erwägen soll, um ihren Verantwortlichkeiten nach der Charta der Vereinten Nationen bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit effektiv gerecht zu werden. Hier beanspruchen für die Generalversammlung dieselben Erwägungen Geltung, die bereits zu Abs. 8 für den Sicherheitsrat getroffen wurden. e) Angebot durch die Generalversammlung (Abs. 11) Abs. 11 besagt, dass die Generalversammlung, wenn es sich anbietet, in ihren Resolutionen die Möglichkeit anbieten soll, dass Fact-Finding unternommen wird. Hier wird also, ebenso wie für den Sicherheitsrat, auf die Autorität des Organs abgestellt und Fact-Finding als erstrebenswertes Mittel für die Lösung von Konfliktlagen eingeordnet.
4258
Siehe hierzu schon im Detail oben 3. Teil § 2 A.
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f) Frühzeitiger Einsatz von Fact-Finding (Abs. 12) Nach Abs. 12 soll der Generalsekretär besonders darauf achtgeben, die FactFinding-Fähigkeiten der Vereinten Nationen bereits zu einem frühen Zeitpunkt einzusetzen, um eine Streitigkeit oder eine Situation zu verhindern. Durch diesen Absatz wird damit die bedeutende Rolle des Generalsekretärs im Rahmen präventiver Diplomatie anerkannt.4259 g) Generalsekretär (Abs. 13) Gemäß Abs. 13 soll der Generalsekretär auf seine eigene Initiative hin, oder auf Ersuchen eines betroffenen Staates, erwägen, eine Fact-Finding-Mission zu entsenden, wenn eine Streitigkeit oder eine Situation existiert. Auch Abs. 13 sieht wiederum eine Kompetenzunterstreichung hinsichtlich der Entsendung von FactFinding-Missionen vor. In diesem Fall zu Gunsten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. h) Expertenliste (Abs. 14) Nach Abs. 14 soll der Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Liste von Experten auf verschiedenen Feldern, die für Fact-Finding-Missionen zur Verfügung stehen, vorbreiten und aktuell halten. Darüber hinaus soll er im Rahmen der verfügbaren Ressourcen Fähigkeiten unterhalten und entwickeln, um Notfall-FactFinding-Missionen durchzuführen. In Abs. 14 wird also der bereits früher vorgebrachte Gedanke wieder aufgenommen, ein Expertenregister für Untersuchungen zu schaffen.4260 i) Entscheidung über die Mitglieder einer Fact-Finding-Mission (Abs. 15) Der Sicherheitsrat und die Generalversammlung sollen nach Abs. 15 bei der Entscheidung darüber, wem die Durchführung der Fact-Finding-Mission übertragen werden soll, dem Generalsekretär den Vorzug geben, der dann zum Beispiel einen Sondergesandten oder eine Gruppe von Experten ernennen kann, welcher beziehungsweise welche ihm Bericht erstattet. Die Errichtung eines subsidiären ad-hocGremiums des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung soll nach dem Absatz ebenfalls erwogen werden können. Durch diesen Absatz wird der Überlegung Ausdruck verliehen, dass der Generalsekretär in den meisten Fällen am besten dazu geeignet ist, eine Fact-Finding-Mission einzusetzen.4261 Dies oft auch deshalb, weil 4259 In diese Richtung auch Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (110). 4260 3. Teil § 2 D. II. 4261 Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (110).
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
es durchaus schwierig sein kann, bei einer gegebenen Situation in einem mit verschiedenen Staaten besetzten Organ im Fall eines Konflikts politisch zu einem gemeinsamen Standpunkt über die Entsendung einer solchen Mission zu gelangen.4262 j) Bedeutung anderer Fact-Finding-Bemühungen (Abs. 16) Nach Abs. 16 soll das zuständige Organ der Vereinten Nationen bei den Erwägungen darüber, ob eine Fact-Finding-Mission unternommen werden soll, andere relevante Fact-Finding-Bemühungen beachten, einschließlich von Fact-FindingBemühungen, die durch die betroffenen Staaten oder im Rahmen regionaler Abmachungen oder Organisationen durchgeführt werden. Durch diese Regel wird anerkannt, dass durchaus auch Fact-Finding-Missionen oder Fact-Finding in anderer Form durch Regionalorganisationen eingesetzt werden können beziehungsweise durchgeführt werden kann und zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Deklaration auch bereits durchgeführt wurde. Durch Beachtung der Regel in diesem Absatz soll damit doppelte Arbeit bei den Vereinten Nationen vermieden und eine Arbeitsteilung mit der Fact-Finding durchführenden Institution ermöglicht werden.4263 Allerdings würde dies vorrausetzen, dass die jeweilige Regionalorganisation die Arbeitsweisen und Ergebnisse des betreffenden Fact-Finding-Verfahrens entweder mit den Vereinten Nationen teilt oder die Arbeitsweisen und Ergebnisse öffentlich zugänglich macht. k) Anforderungen an die Entscheidung zur Einsetzung einer Fact-Finding-Mission (Abs. 17) Abs. 17 besagt, dass die Entscheidung des zuständigen Organs der Vereinten Nationen Fact-Finding zu unternehmen, in jedem Falle ein klares Mandat für die Fact-Finding-Mission sowie präzise Anforderung an den von dieser Mission zu erstellenden Bericht enthalten soll. Zudem sieht die Regel vor, dass der Bericht auf die Präsentation von Ergebnissen tatsächlicher Art beschränkt sein soll. Die Regel unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Mandats für das Gelingen von FactFinding.4264 Die Beschränkung des Abschlussberichts einer Mission auf die Präsentation von Ergebnissen lediglich tatsächlicher Art steht rechtlichen Bewertungen in dem Bericht ebenso wie der Ausbringung von Empfehlungen entgegen. Allerdings hat die Praxis von Untersuchungen durch die Vereinten Nationen, wie bei der Darstellung der Arbeit der verschiedenen Kommission vielfach gezeigt, eindeutig eine andere Richtung genommen. Abs. 17 kann allerdings immer noch als Erinnerung verstanden werden, den Abschlussbericht in einer neutralen und objektiven Weise abzufassen. 4262 4263 4264
Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (110). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (110). 3. Teil § 2 C. I. 1.
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l) Umgang mit dem Ersuchen eines Staates (Abs. 18) Jedes Ersuchen eines Staates an ein zuständiges Organ der Vereinten Nationen um die Entsendung einer Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen auf das Staatsgebiet des betreffenden Staates soll nach Abs. 18 ohne ungebührliche Verzögerung erwogen werden. Diese Regel soll einer schnellen und zeitnahen Durchführung der von Staaten bei den Vereinten Nationen angefragten Fact-Finding-Missionen dienen. 3. Regeln über die Durchführung einer Fact-Finding-Mission a) Staatliche Entscheidung über die Zulassung von Fact-Finding-Missionen (Abs. 19) Nach Abs. 19 soll derjenige Staat, dem eine Anfrage durch ein zuständiges Organ der Vereinten Nationen hinsichtlich des Einverständnisses dieses Staates zum Empfang einer Fact-Finding-Mission auf seinem Staatsgebiet zugeht, diese schnellstmöglich erwägen. Der betreffende Staat soll dann das Organ der Vereinten Nationen über seine Entscheidung ohne Verzögerung informieren. Diese Politikempfehlung an die Staaten dient einer zügigen Information über den Standpunkt des jeweils betroffenen Staates und legt den Staaten damit gleichzeitig nahe, bei der Entscheidung über die Aufnahmen einer Fact-Finding-Mission auf ihrem Territorium keine Verzögerungstaktiken, etwa um Beweise zu verwischen, anzuwenden. Durch eine zeitige Information der Vereinten Nationen wird für die eigentliche FactFinding-Mission zudem zu einem frühen Zeitpunkt ersichtlich, unter welchen Bedingungen sie arbeiten kann. b) Staatliche Begründung für die Ablehnung einer Fact-Finding-Mission (Abs. 20) Abs. 20 besagt, dass in dem Falle, dass ein Staat sich entscheidet, eine FactFinding-Mission der Vereinten Nationen nicht sein Staatsgebiet betreten zu lassen, dieser Staat die Gründe für seine Entscheidung mitteilen soll, wenn er dies für angebracht hält. Trotzdem soll dieser Staat die Möglichkeit, die Fact-Finding-Mission später doch zuzulassen, weiterhin im Blick behalten. Durch eine entsprechende Mitteilung der Gründe werden die Vereinten Nationen in die Lage versetzt, Bedenken, welche bei den betreffenden Staaten bestehen, auszuräumen.4265 Diese mögen in der Praxis etwa die personelle Zusammensetzung der Mission oder spezifische Aspekte des jeweiligen Mandats betreffen.4266 Im Übrigen wird durch Abs. 20 die allgemeine politische Zielsetzung der Gesamtdeklaration unterstrichen,
4265 4266
Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (109). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (109).
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nämlich, dass die Staaten gegenüber der Zulassung von Fact-Finding-Missionen auf ihrem Staatsgebiet eine positivere Einstellung entwickeln sollen.4267 c) Allgemeine Politikempfehlung an die Staaten in Bezug auf Fact-Finding (Abs. 21) Nach Abs. 21 sollen es die Staaten unternehmen, eine Politik zu verfolgen, welche Fact-Finding-Missionen der Vereinten Nationen auf dem Staatsgebiet zulässt. Bei der Politikempfehlung in dieser Regel handelt es sich um einen der Eckpfeiler der gesamten Deklaration.4268 Die Staaten werden aktiv aufgefordert, mit den Vereinten Nationen im Bereich des Fact-Finding zusammenzuarbeiten.4269 Nähere Vorschläge, auf welche Art und Weise eine solche Politik umgesetzt werden soll, enthält die Deklaration allerdings nicht. Damit kommen verschiedenartige legislative und administrative Maßnahmen auf staatlicher Ebene zur Erreichung des Politikziels in Betracht. d) Kooperation zwischen Staat und Fact-Finding-Mission (Abs. 22) Gemäß Abs. 22 sollen die Staaten mit Fact-Finding-Missionen der Vereinten Nationen kooperieren und diesen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, umfassende und sofortige Hilfe zur Verfügung stellen, welche die betreffende Mission zur Ausübung ihrer Funktionen und zur Erfüllung ihres Untersuchungsauftrages benötigt. Dieser Absatz richtet sich an alle Staaten, und nicht nur an diejenige, die von einer FactFinding-Mission der Vereinten Nationen betroffen sind.4270 Durch diesen Absatz wird eine allgemeine Zusammenarbeitsempfehlung statuiert, auf deren Grundlage die Staaten dafür sorgen sollen, dass der Fact-Finding-Mission ihre Tätigkeit ermöglicht oder zumindest erleichtert wird. e) Immunitäten und Erleichterungen für Fact-Finding-Missionen (Abs. 23) Abs. 23 verlangt, dass einer Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen alle Immunitäten und Erleichterungen gewährt werden sollen, die nötig sind, damit die Mission ihr Mandat erfüllen kann. Insbesondere soll die vollständige Vertraulichkeit der Kommissionsarbeit gewährleistet sowie Zugang zu allen relevanten Plätzen und Personen gewährt werden, wobei sichergestellt werden soll, dass den betreffenden Personen keine negativen Konsequenzen dadurch drohen, dass sie durch die FactFinding-Mission aufgesucht werden. Weiterhin besagt Abs. 23, dass Fact-Finding4267 4268 4269 4270
Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (109). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (109). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (109). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (111).
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Missionen der Vereinten Nationen verpflichtet sind, das Recht des Staates zu beachten, in dem sie ihre Aufgaben durchführen. Umgekehrt sollen die entsprechenden Rechtssätze des Staates aber nicht in der Weise angewendet werden, dass diese Rechtssätze die Mission an einer ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben hindern. Abs. 23 betrifft die Durchführung einer Fact-Finding-Mission, wenn es gelungen ist, einen Staat zur Kooperation mit dieser Mission zu bewegen. Die in Abs. 22 aufgestellte Zusammenarbeitsempfehlung wird hier spezifiziert. Besonderer Wert wird dabei auf die Möglichkeit der Mission zur Sammlung von Informationen durch Befragungen und Vor-Ort-Besuche sowie auf den Schutz von Zeugen gelegt, wenn auch jeweils keine Spezifika hierzu aufgelistet werden. Ferner wird daran erinnert, dass eine Fact-Finding-Mission grundsätzlich der Rechtsordnung des Staates unterworfen ist, auf dessen Territorium sie sich zur Durchführung einer Untersuchung befindet. Allerdings soll ein Staat, auf dessen Staatsgebiet eine Fact-Finding-Mission operiert, seine Rechtsordnung nicht zu Lasten der von der Mission durchgeführten Untersuchung einsetzen oder gar missbrauchen. f) Vorrechte und Immunitäten (Abs. 24) Nach Abs. 24 genießen die Mitglieder einer Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen mindesten diejenigen Vorrechte und Immunitäten, die Sachverständige im Auftrag der Vereinten Nationen nach dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten genießen. Gleichzeitig besagt der Absatz, dass die Mitglieder einer Fact-Finding-Mission, ohne dass sich dies nachteilig auf ihre Vorrechte und Immunitäten auswirken würde, gehalten sind, die Rechtssätze des Staates, in welchem sie ihre Funktion erfüllen, zu beachten haben. Die Regel bestätigt die Rechtslage hinsichtlich der völkerrechtlichen Vorrechte und Immunitäten von durch die Vereinten Nationen entsandten Untersuchungskommissionen.4271 Allerdings werden diese Vorrechte und Immunitäten in Abs. 24 ausdrücklich lediglich als Minimum angesehen und die Staaten damit auf die Möglichkeit einer weiteren Besserstellung von Mitgliedern von Fact-Finding-Missionen hingewiesen. g) Mandatskonformität (Abs. 25) Abs. 25 sieht vor, dass eine Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen die Verpflichtung dazu hat, in strikter Konformität mit ihrem Mandat zu handeln und ihre Aufgabe unparteiisch wahrzunehmen. Weiterhin haben ihre Mitglieder die Pflicht, weder um Instruktionen nachzusuchen noch Instruktionen zu empfangen, die von einer Regierung oder einer anderen Stelle, außer dem zuständigen Organ der Vereinten Nationen, abgegeben werden. Letztlich ist in dem Absatz noch niedergelegt, dass die Mitglieder einer Fact-Finding-Mission Informationen, welche sie im 4271
3. Teil § 2 C. II. 2. a).
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Rahmen ihrer Tätigkeit erhalten haben, vertraulich behandeln müssen, auch nachdem die Mission ihre Aufgabe erfüllt hat. Der Absatz unterstreicht die grundsätzlichen Anforderungen an eine FactFinding-Mission der Vereinten Nationen: Arbeit eng am erteilten Mandat, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Integrität. Durch eine Einhaltung dieser in der Praxis näher zu konkretisierenden Maßstäbe, wird die Glaubhaftigkeit und Akzeptanz der Missionstätigkeit sowie der von der Mission gefundenen Ergebnisse gestärkt.4272 h) Staatliche Sicht auf Tatsachen (Abs. 26) Nach Abs. 26 soll den Staaten, die durch eine Untersuchung direkt betroffen sind, in allen Phasen des Fact-Finding-Prozesses die Gelegenheit eingeräumt werden, ihre Sicht auf die Tatsachen zu präsentieren, mit deren Auffindung die Fact-Finding-Mission beauftragt wurde. Abs. 26 besagt weiterhin, dass dann, wenn die Resultate der Fact-Finding-Mission öffentlich gemacht werden, die Ansichten der hiervon betroffenen Staaten, auf deren Wunsch hin, ebenfalls zu veröffentlichen sind. Abs. 26 ist Ausdruck des allgemeinen, bereits dem römischen Recht entstammenden, verfahrensrechtlichen Grundsatzes audiatur et altera pars4273 und dient damit der Verfahrensgerechtigkeit. Ausweislich des klaren Wortlautes der Regel ist den von einer Fact-Finding-Mission betroffenen Staaten jederzeit Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, also auch dann, wenn das Untersuchungsverfahren noch läuft.4274 Das Veröffentlichungsgebot hinsichtlich der von den betroffenen Staaten geäußerten Ansichten soll den an einem Fact-Finding-Vorgang interessierten Akteuren die Möglichkeit geben, neben dem Abschlussbericht einer Fact-FindingMission, auch andere Sichtweisen auf die untersuchte Situation zur Kenntnis zu nehmen. i) Anhörungen (Abs. 27) Abs. 27 besagt, dass in Fällen, in denen das Fact-Finding die Durchführung von Anhörungen beinhaltet, angemessene Verfahrensregeln deren Fairness sicherstellen sollen. Hier wird das oben bereits besprochene Problem der Erforderlichkeit von Verfahrensregeln für Untersuchungsgremien erneut aufgegriffen.4275 In der Regel wird von der Notwendigkeit solcher Regeln wenigstens für Anhörungen ausge4272
3. Teil § 2 C. I. 2.; 3. Teil § 2 C. II. 1. d). Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (111). Im römischen Recht galt in Prozessen der Satz: „Auch die andere Seite ist zu hören!“, vgl. Heinrich Honsell, Römisches Recht, S. 209. 4274 Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (111). 4275 3. Teil § 2 C. VI. 1. 4273
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gangen. Auch hier tritt erneut der Aspekt der Verfahrensgerechtigkeit in den Vordergrund. 4. Andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung Abs. 28 und 29 betreffen für Fact-Finding-Missionen nicht direkt relevante Formen der Informationsbeschaffung. Daher wird hier nur der Inhalt dieser Regeln wiedergegeben. a) Beobachtung der Situation des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit (Abs. 28) Nach Abs. 28 soll der Generalsekretär regelmäßig und systematisch den Status des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beobachten, um frühzeitig vor Streitigkeiten oder Situationen warnen zu können, welche in den beiden genannten Bereichen Bedrohungen hervorrufen könnten. Weiterhin kann der Generalsekretär nach diesem Absatz relevante Informationen zur Kenntnis des Sicherheitsrates, und dort, wo dies erforderlich scheint, auch der Generalversammlung bringen. b) Informationssammlung durch das Sekretariat (Abs. 29) Zu dem in Abs. 28 genannten Zweck soll der Generalsekretär nach Abs. 29 umfassend von den Informationssammelfähigkeiten des Sekretariats der Vereinten Nationen Gebrauch machen und die Verbesserung dieser Fähigkeiten überwachen. 5. Abschlussklauseln a) Verhältnis des Fact-Finding zu anderen Mitteln der friedlichen Streitbeilegung (Abs. 30) Abs. 30 besagt, dass die Entsendung einer Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen ohne Nachteile für die Nutzung eines ähnlichen Verfahrens oder irgendeines Mittels der friedlichen Streitbeilegung durch die von der Untersuchung betroffenen Staaten ist, auf welches sich diese Staaten geeinigt haben. Dieser Absatz stellt klar, dass in Fällen, in denen zwei oder mehr Staaten durch eine Fact-Finding-Mission betroffen sind, die Untersuchung keine Exklusivität bei den Bemühungen um eine friedliche Streitbeilegung genießt. Als ähnliches Verfahren kommt etwa die Errichtung einer internationalen Untersuchungskommission nach den Artikeln 9 ff. des I. Haager Abkommens von 1899 beziehungsweise von 1907 in Betracht. Zudem ist der Weg zu internationalen Gerichten und Schiedsgerichten sowie zu Vermittlungen, Verhandlungen oder Vergleichen für die im Konflikt liegenden Staaten nicht versperrt. Damit ist der Absatz gleichzeitig Ausdruck des
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Befundes, dass das allgemeine Völkerrecht keine Hierarchie der Mittel der friedlichen zwischenstaatlichen Streitbeilegung untereinander kennt.4276 b) Verhältnis der Deklaration zur Charta der Vereinten Nationen (Abs. 31) Abs. 31, als letzter Absatz der Deklaration, legt fest, keine Stelle in der Deklaration so auszulegen, dass es den Vorschriften der Charta der Vereinten Nationen entgegensteht. Die Bedeutung dieses Absatz liegt darin klarzustellen, dass im Kollisionsfall zwischen den Regeln in den Absätzen der Deklaration und den Regeln in der Charta der Vereinten Nationen stets dem Gründungsdokument der Weltorganisation der Vorrang einzuräumen ist.
III. Einordnung und Bewertung Die Deklaration setzt einen Weg fort, der bereits in der Manila-Deklaration anklang und in der Deklaration über Konfliktvermeidung fortgesetzt wurde. In der FactFinding-Deklaration blieb es jedoch nicht nur bei einem Aufruf an den Sicherheitsrat, die Generalversammlung und an den Generalsekretär verstärkt von ihren Fact-Finding-Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Vielmehr gibt die Deklaration Politikempfehlungen zum Umgang mit Fact-Finding-Missionen an die verschiedenen Organe der Vereinten Nationen, aber auch an die Mitgliedstaaten der Weltorganisation,4277 und ist damit mehr, als eine bloße Beschreibung des zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung gültigen Rechtszustandes. Ideen aus der Deklaration gingen bereits kurze Zeit nach ihrer Verabschiedung in ein prominentes Dokument der Vereinten Nationen ein, nämlich in die Agenda für den Frieden4278 des Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali. Mit diesem Bericht an den Sicherheitsrat aus dem Jahr 1992 reagierte der Generalsekretär auf die durch das Ende des Kalten Krieges bedingte neue Sicherheitslage in der Welt und rückte die Konfliktverhütung als zentrales Anliegen in den Fokus der Tätigkeit der Vereinten Nationen. In der Agenda finden sich unter anderem für den Bereich der präventiven Diplomatie, welche in dem Dokument definiert ist als „action to prevent disputes from arising between parties, to prevent existing disputes from escalating into 4276 Vgl. Yoshifumi Tanaka, The Peaceful Settlement of International Disputes, S. 24; auch Ian Brownlie, Recueil des Cours 255 (1995), S. 21 (114 ff.). 4277 Axel Berg, European Journal of International Law 4 (1993), S. 107 (113). 4278 An Agenda for Peace: Preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping – Report of the Secretary-General pursuant to the statement adopted by the Summit Meeting of the Security Council on 31 January 1992, UN Doc. A/47/277-S/24111 vom 17. Juni 1992. Siehe hierzu auch Boutros Boutros-Ghali, Obris 37 (1993), S. 323 ff.
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conflicts and to limit the spread of the latter when they occur“4279, eine Reihe von Bemerkungen zum Fact-Finding.4280 Der Generalsekretär bemerkte dabei zunächst, dass präventive Diplomatie auf zeitnahem und genauem Wissen über Tatsachen basiere. In Übereinstimmung mit der Fact-Finding-Deklaration wies er darauf hin, dass eine verstärkte Inanspruchnahme von Fact-Finding durch die Organe der Vereinten Nationen notwendig sei, und dass das Ersuchen an einen Staat bezüglich der Zulassung einer entsprechenden Mission auf seinem Gebiet von diesem ohne unangemessene Verzögerung bedacht werden solle. Zusätzlich zu Informationssammlungen, könnte eine Fact-Finding-Mission – durch eine Präsenz vor Ort – helfen, einen Konflikt einzudämmen, da durch die Entsendung der Mission die Besorgnis der Vereinten Nationen über den Konflikt zum Ausdruck komme und die aktive Befassung mit der Thematik angezeigt werde. Als weitere Idee wies der Generalsekretär zudem auf die Möglichkeit hin, dass der Sicherheitsrat auch außerhalb des Hauptquartiers der Vereinten Nationen in New York zusammentreten könne,4281 um sich in einer gegebenen Situation selbst einen Überblick über die Lage zu verschaffen sowie dadurch die Autorität der Vereinten Nationen zu unterstreichen. Die Deklaration vom 9. Dezember 1991 ist bisher das wohl bedeutendste Dokument im Rahmen der Vereinten Nationen zu Fragen des Fact-Finding. Durch den breiten Ansatz, der allerdings gleichzeitig auf Detailfragen von Untersuchungen eingeht, und die verschiedenen Politikempfehlungen wird die Deklaration ein Schlüsseldokument im Bereich des Fact-Finding durch die Vereinten Nationen bleiben.
F. Weitere Bekenntnisse zur Bedeutung von Untersuchungen innerhalb der Vereinten Nationen Auch nach der Fact-Finding-Deklaration von 1991 und der Agenda für den Frieden wurde im Rahmen der Vereinten Nationen die Wichtigkeit von Untersuchungen in verschiedenen Dokumenten hervorgehoben. Ein Beispiel bildet der Bericht des Generalsekretärs über präventive Diplomatie vom 26. August 2011.4282 In dem Bericht wird die Untersuchungsrolle der Vereinten Nationen wie folgt zusammengefasst: „Member States faced with situations of politically sensitive crimes, violent incidents or alleged grave human rights violations have increasingly turned to the Organization to conduct impartial inquiries. Some of these have been mandated by the Security Council or 4279
UN Doc. A/47/277-S/24111 vom 17. Juni 1992, Rn. 20. UN Doc. A/47/277-S/24111 vom 17. Juni 1992, Rn. 25. 4281 Diese Möglichkeit ist auch in Artikel 28 Abs. 3 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehen: „The Security Council may hold meetings at such places other than the seat of the Organization as in its judgement will best facilitate its work.“ 4282 Preventive Diplomacy: Presenting Results, UN Doc. S/2011/552 vom 26. August 2011. 4280
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by the Human Rights Council, while others have been established by the Secretary-General. The entities created are as diverse as the situations and requests they respond to. Though not part of the traditional conflict prevention toolkit, these mechanisms have, in recent years, been effectively leveraged to support preventive diplomacy efforts, helping to shift the calculations of the parties, defuse tensions and build confidence.“4283
Zudem hat der Sicherheitsrat sich in seiner Resolution 2171 (2014) vom 21. August 20144284 zum systemweiten Ansatz zur Konfliktverhütung innerhalb der Vereinten Nationen nochmals zur Bedeutung der Mittel der friedlichen Streitbeilegung nach Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen – und damit auch zur Untersuchung – geäußert: „Recognizes that some of the tools in Chapter VI of the Charter of the United Nations, which can be used for conflict prevention, have not been fully utilized, including negotiation, enquiry4285, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement and resort to regional and subregional organizations and arrangements, as well as the good offices of the SecretaryGeneral, and stresses its determination to make and call for the greater and more effective use of such tools.“4286
G. Schlussbetrachtung Durch die Organe und Nebenorgane der Vereinten Nationen wurden seit der Gründung der Organisation immer wieder Gremien eingesetzt, die Untersuchungen in internationalen Problemlagen – viele dabei von hoher Prominenz – durchführten.4287 Während des Kalten Krieges standen dabei zwischenstaatliche Konfliktlagen im Fokus der Weltorganisation, oftmals solche, bei denen starke ideologische und geopolitische Faktoren eine Rolle spielten.4288 Dies zeigte sich bereits kurz nach Errichtung der Vereinten Nationen, etwa in Bezug auf die Untersuchung in der Streitigkeit zwischen dem im kommunistischen Staatenlager stehenden Albanien und dem Vereinigten Königreich im Rahmen des Korfu-Kanal-Zwischenfalls4289 und besonders deutlich bei der Untersuchung des Ungarn-Aufstandes von 1956.4290 Aber auch seit dem Ende des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Überwindung des ideologischen Ost-West-Gegensatzes wurden Untersuchungskommissionen durch die Vereinten Nationen sehr oft eingesetzt, um auf Problemlagen zu reagieren, 4283
UN Doc. S/2011/552 vom 26. August 2011, Rn. 32. UN Doc. S/RES/2171 (2014) vom 21. August 2014. 4285 Hervorhebung durch den Verfasser. 4286 UN Doc. S/RES/2171 (2014) vom 21. August 2014, Abs. 6 des operativen Teils der Resolution. 4287 Vgl. schon Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (432 ff.). 4288 Edwin Brown Firmage, Utah Law Review 1971, S. 421 (423 f.). 4289 3. Teil § 2 B. I. 3. 4290 3. Teil § 2 B. I. 4. 4284
§ 2 Die Vereinten Nationen
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in deren Rahmen die Besorgnis einer Vielzahl von Verletzungen der Menschenrechte und/oder des humanitären Völkerrechts in Rede stand. Untersuchungskommissionen mit einer internationalen Besetzung sind ein wichtiges Mittel der Information für die Vereinten Nationen und durch die in vielen Fällen abgegebenen Empfehlungen auch eine Quelle der Inspiration für weiteres Vorgehen hinsichtlich der Situation, in der durch die Kommission ermittelt wurde. Dies zeigt, dass es im Rahmen der Vereinten Nationen ein Bedürfnis für Informationsbeschaffung durch objektive, unparteiische und unabhängige Tatsachenfeststellungen gibt. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass Voraussetzung hierfür ein entsprechendes Mandat ist, welches ein unparteiisches und unabhängiges Untersuchungsverfahren ermöglicht. Wird ein solches Mandat – wie in einigen Fällen geschehen – nicht erteilt, so ist die Glaubwürdigkeit der Kommission von Beginn an beschädigt und die Untersuchungsergebnisse büßen einen Großteil ihres Wertes ein. Trotz verschiedener Versuche, dem Fact-Finding der Vereinten Nationen einen Rahmen zu geben, wurden Untersuchungskommissionen immer wieder ad hoc auf einer Fall-zu-Fall-Basis eingesetzt. Jede der Kommissionen stand dabei bisher für sich allein und musste ihre jeweiligen Operationsbedingungen, die in vielen Fällen maßgeblich von der Kooperation beziehungsweise Nichtkooperation der Staaten abhingen, auf deren Staatsgebiet beziehungsweise bezüglich deren Verhaltens die Untersuchung durchgeführt werden sollte, neu einschätzen, darauf aufbauend das erteilte Mandat auslegen und selbst die Details des Verfahrens festlegen. Den sich im Falle der Nichtkooperation stellenden Problemlagen begegneten die Untersuchungskommissionen in vielen Fällen mit bemerkenswerten Konzepten, um doch an die für die Implementierung ihres Mandates nötigen Beweismittel und Informationen zu gelangen. Daher stellt die relative rechtliche Freiheit, welche den Untersuchungskommissionen bei ihrer Tätigkeit zukommt, einen notwendigen Ausgleich für die oftmals feststellbare Reserviertheit der Staaten gegenüber solchen Kommissionen dar. Die Wirkungsweise der Abschlussberichts einer Untersuchung geht über ein rein organisationsinternes Dokument hinaus. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die Empfehlungen in den Abschlussberichten von Untersuchungskommissionen regelmäßig nicht nur an die Vereinten Nationen selbst richten, sondern auch an eine Mehrzahl von anderen Akteuren, die in der untersuchten Situation von Bedeutung sind. Bei der Vielzahl der heutigen Akteure in den internationalen Beziehungen und der Möglichkeit der schnellen Verbreitung der Ergebnisse der Untersuchungstätigkeit durch das Internet werden die Berichte der Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen zu einem wichtigen Informationsmittel für all diejenigen, die an der jeweiligen Situation, hinsichtlich derer eine Kommission Untersuchungen durchgeführt hat, interessiert sind. Die genaue Wirkungsweise der Ergebnisse, welche eine Untersuchungskommission zu Tage fördert, lässt sich nur im Ansatz bestimmen. Regelmäßig werden die
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Berichte einer Untersuchungskommission von dem Organ oder dem Nebenorgan, welches sie eingesetzt hat, formell an- und zur Kenntnis genommen und haben damit ihren Hauptzweck, nämlich den einer reinen Informationszusammenstellung, die in das System der Vereinten Nationen eingespeist wird, erfüllt. Im welcher Weise die einzelnen Organe beziehungsweise Nebenorgane mit den Informationen dann weiter verfahren, bleibt ihnen überlassen. Dies gilt gleichsam für die Empfehlungen, die sich zudem noch an weitere Akteure richten. Eine Detailevaluation der Wirkungsweise der Berichte aller untersuchten Kommissionen auf alle jeweils maßgeblichen Akteure würde wohl jeden Rahmen sprengen. Aus der Praxis der Vereinten Nationen lassen sich jedoch einige prägnante Beispiele dafür anführen, in welcher Weise die Ergebnisse von Untersuchungskommissionen weitere Handlungen durch die Organe veranlassten, wenn den Kommissionsempfehlungen gefolgt wurde.4291 So folgte etwa die Generalversammlung bei der Entscheidung über das politische Schicksal Eritreas nach dem Zweiten Weltkrieg4292 in Resolution 390 (V), ausweislich ihrer Präambel, den Empfehlungen in dem Bericht der Untersuchungskommission.4293 Insbesondere im Bereich des Völkerstrafrechts zeigte die Berichterstattung von Untersuchungskommissionen, die durch den Sicherheitsrat eingesetzt wurden, konkrete Ergebnisse.4294 Die Berichte der Expertenkommission für das ehemalige Jugoslawien4295 und der Expertenkommission für Ruanda4296 brachten entscheidende Impulse für die Errichtung der für das Völkerstrafrecht richtungsweisenden beiden internationalen ad-hoc-Straftribunale für die jeweiligen Konflikte.4297 Sowohl in der Präambel der Resolution 808 (1993) als auch in der Präambel der Resolution 955 (1994) wird dies eindeutig zum Ausdruck gebracht.4298 Auf der Grundlage des Be4291 Vgl. Rosalyn Higgins/Philippa Webb/Dapo Akande/Sandesh Sivakumaran/James Solan, Oppenheim’s International Law: United Nations Bd. II, S. 748 Fn. 119. 4292 3. Teil § 2 B. II. 1. d). 4293 UN Doc. A/RES/390 (V) vom 2. Dezember 1950: „The General Assembly, in the light of the reports of the United Nations Commission for Eritrea and of the Interim Committee, (…)“. 4294 Vgl. hierzu auch Patrick Butchard/Christian Henderson, in: Christian Henderson (Hrsg.), Commissions of Inquiry: Problems and Prospects, S. 11 (27 ff.). 4295 3. Teil § 2 B. IV. 3. d). 4296 3. Teil § 2 B. IV. 7. d). 4297 Vgl. Robert Cryer/Håkan Friman/Darryl Robinson/Elizabeth Wilmshurst, An Introduction to International Criminal Law and Procedure, S. 3. 4298 UN Doc. S/RES/808 (1993) vom 22. Februar 1993: „Having considered the interim report of the Commission of Experts established by resolution 780 (1992) (S/25274), in which the Commission observed that a decision to establish an ad hoc international tribunal in relation to events in the territory of the former Yugoslavia consistent with the direction of its work, (…)“. UN Doc. S/RES/955 (1994) vom 8. November 1994: „Expressing appreciation for the work of the Commission of Experts established pursuant to resolution 935 (1994), in particular its preliminary report on violations of international humanitarian law in Rwanda transmitted by the Secretary-General’s letter of 1 October 1994 (S/1994/1125), (…)“; „Considering that the Commission of Experts established pursuant to resolution 935 (1994) should continue on an urgent basis the collection of information relating to evidence of grave violations of interna-
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richts der Untersuchungskommission für die Menschenrechtslage in Darfur4299 wurde die dortige Situation vom Sicherheitsrat durch Resolution 1593 (2005) an den Internationalen Strafgerichtshof überweisen; es war das erste Mal, dass der Sicherheitsrat von diesem Mittel Gebrauch machte, vgl. Artikel 13 lit. b) des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.4300 Aufgrund der Wichtigkeit dieser Fälle wird man durchaus festzuhalten haben, dass Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des Völkerstrafrechts zukam. Wirft man einen Blick in Richtung der Zukunft, wird man prognostizieren können, dass internationale Untersuchungskommissionen weiterhin ein wichtiges Mittel der Informationsbeschaffung für die Vereinten Nationen, ihre Organe und Nebenorgane bleiben werden. Hierfür spricht, dass die Mandate solcher Kommissionen flexibel gestaltet werden können, dass jedes Organ der Vereinten Nationen, entweder aus den ihm zustehenden implied powers oder im Falle des Internationalen Gerichtshofs aus der in seinem Statut explizit verankerten Kompetenz, Untersuchungskommissionen einsetzen kann, und dass ein Mandat unkompliziert durch einen entsprechenden Beschluss herbeigeführt werden kann. So hat allein der Menschenrechtsrat im Sommer 2018 sechs Kommissionen mandatiert, die ihm entweder noch keinen Bericht vorgelegt haben oder die bereits seit einer längeren Zeit aktiv sind und deren Arbeit noch nicht beendet wurde. Neben der bereits weiter oben erwähnten Untersuchungskommission zur Lage der Menschenrechte in Burundi4301 und der ebenfalls weiter oben erwähnten Group of Eminent Experts on Yemen4302 sind dies die Menschenrechtskommission für den Südsudan,4303 das Team of International Experts on the Situation in Karsaï4304 sowie die Fact-Finding-Mission zur Lage der Menschenrechte in Myanmar, vor allem in dem Bundesstaat Rakhing, aus dem über eine extrem gewalttätige Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohingya berichtet wurde.4305 Bereits sehr lange besteht schließlich die Unabhängige tional humanitarian law committed in the territory of Rwanda and should submit its final report to the Secretary-General by 30 November 1994, (…)“. 4299 3. Teil § 2 B. IV. 12. d). 4300 UN Doc. S/RES/1593 (2005) vom 31. März 2005: „Taking note of the report of the International Commission of Inquiry on violations of international humanitarian law and human rights law in Darfur (S/2005/60), (…)“. 4301 3. Teil § 2 B. IV. 28.; das Mandat wurde mit der Resolution 36/19 des Menschenrechtsrates vom 4. Oktober 2017 verlängert (UN Doc. A/HRC/RES/36/19 vom 4. Oktober 2017, Abs. 4 des operativen Teils der Resolution). 4302 Vgl. 3. Teil § 2 C. XI. 2. 4303 Einsetzungsresolution in: UN Doc. A/HRC/RES/31/20 vom 27. April 2016, Abs. 18 ff. des operativen Teils der Resolution; Resolution mit Mandatsverlängerung in: UN Doc. A/HRC/ RES/34/25 vom 5. April 2017, Abs. 16 ff. des operativen Teils der Resolution. 4304 Einsetzungsresolution in: UN Doc. A/HRC/RES/35/33 vom 29. Juni 2017, Abs. 10 des operativen Teils der Resolution. Das Expertenteam soll Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen im Karsaï-Gebiet in der Demokratischen Republik Kongo seit dem Jahr 2016 untersuchen. 4305 Einsetzungsresolution in: UN Doc. A/HRC/RES/34/22 vom 3. April 2017, Abs. 11 ff. des operativen Teils der Resolution.
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3. Teil: Int. Untersuchungskommissionen im Rahmen Int. Organisationen
Internationale Untersuchungskommission für die Syrische Arabische Republik.4306 Die Kommission wurde bereits in März 2011, also unmittelbar nach dem Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad, vom Menschenrechtsrat mit der Resolution S/17 – 1 ins Leben gerufen, um über Menschenrechtsverletzungen in Syrien Bericht zu erstatten.4307 Seither wurde das Mandat, mit Blick auf die Entwicklung der Situation in Syrien hin zu einem bewaffneten Konflikt, und den Wandlungen, denen dieser im Laufe der Zeit unterworfen war, angepasst,4308 und mit fortschreitender Dauer der Kampfhandlungen regelmäßig um ein Jahr verlängert.4309 Die Kommission legte zudem eine Vielzahl von Berichten über die Lage in Syrien sowie zu einzelnen Aspekten des Konflikts und der Menschenrechtssituation, wie den Angriffen auf die medizinische Versorgung, der Herrschaft des sog. Islamischen Staates in Syrien und dem Irak oder zu sexueller Gewalt, vor.4310 Da ein Ende des Konflikts in Syrien wohl noch in weiter Ferne liegt, wird man annehmen können, dass der Menschenrechtsrat das Mandat der Untersuchungskommission weiter 4306 Hierzu auch Thilo Marauhn, California Western International Law Journal 43 (2013), S. 401 ff. 4307 Die Resolution ist wiedergegeben in: UN Doc. A/HRC/S-17/2 vom 18. Oktober 2011, S. 3 ff., Abs. 13 ff. des operativen Teils der Resolution. 4308 UN Doc. A/HRC/RES/S-19/1 vom 4. Juni 2012, Abs. 8 des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/21/26 vom 17. Oktober 2012, Abs. 10 und 17 f. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/31/17 vom 8. April 2016, Abs. 4 ff. des operativen Teils der Resolution. 4309 UN Doc. A/HRC/RES/19/22 vom 10. April 2012, Abs. 14 ff. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/21/26 vom 17. Oktober 2012, Abs. 17 f. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/22/24 vom 12. April 2013, Abs. 28 ff. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/25/23 vom 9. April 2014, Abs. 2 f. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/28/20 vom 8. April 2015, Abs. 3 ff. des operativen Teils der Resolution; A/HRC/RES/31/17 vom 8. April 2016, Abs. 4 ff. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/34/26 vom 5. April 2017, Abs. 3 ff. des operativen Teils der Resolution; UN Doc. A/HRC/RES/37/29 vom 9. April 2018, Abs. 45 ff. des operativen Teils der Resolution. Die Besetzung der Untersuchungskommission wechselte im Laufe dieses Zeitraums. Früherer Mitglieder waren Carla del Ponte aus der Schweiz, Vitit Muntarbhorn aus Thailand und Yakin Erturk aus der Türkei; der Kommission gehören nunmehr Paulo Sérgio Pinheiro aus Brasilien als Kommissionsvorsitzender sowie Karen Koning AbuZayad aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Hanny Megally aus Ägypten an. 4310 UN Doc. A/HRC/S-17/2/Add. 1 vom 23. November 2011; UN Doc. A/HRC/19/69 vom 22. Februar 2012; UN Doc. A/HRC/21/50 vom 16. August 2012; UN Doc. A/HRC/22/59 vom 5. Februar 2013; UN Doc. A/HRC/23/58 vom 18. Juli 2013; UN Doc. A/HRC/24/46 vom 16. August 2013; UN Doc. A/HRC/24/CRP.2 vom 13. September 2013; UN Doc. UN Doc. A/ HRC/25/65 vom 12. Februar 2014; UN Doc. A/HRC/27/60 vom 13. August 2014; UN Doc. A/ HRC/27/CRP.1 vom 16. September 2014; UN Doc. A/HRC/27/CRP.3 vom 19. November 2014; UN Doc. A/HRC/28/69 vom 5. Februar 2015; UN Doc. A/HRC/30/48 vom 13. August 2015; UN Doc. A/HRC/31/CRP.1 vom 3. Februar 2016; UN Doc. A/HRC/31/68 vom 11. Februar 2016; UN Doc. A/HRC/32/CRP.2 vom 15. Juni 2016; UN Doc. A/HRC/33/55 vom 11. August 2016; UN Doc. A/HRC/34/64 vom 2. Februar 2017; UN Doc. A/HRC/34/CRP.3 vom 10. März 2017; UN Doc. A/HRC/36/55 vom 8. August 2017; UN Doc. A/HRC/37/72 vom 1. Februar 2018; UN Doc. A/HRC/37/CRP.3 vom 8. März 2018; UN Doc. A/HRC/38/CRP.3 vom 20. Juni 2018.
§ 2 Die Vereinten Nationen
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verlängern wird. Das Beispiel dieser Untersuchungskommission zeigt zudem, dass solche Gremien durchaus geeignet sind, Fact-Finding über einen langen Zeitraum zu betreiben und somit beinahe wie ein permanent eingesetztes Gremium agieren können. Die Vereinten Nationen können inzwischen auf einen großen Fundus an Erfahrungen zurückgreifen, wenn es um die Einsetzung, Organisation und Durchführung von Untersuchungen durch international besetzte Kommissionen geht. Letzteres wird von allem deutlich, wenn man etwa bedenkt, dass das Büro der Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Arbeit einer Vielzahl von Untersuchungskommissionen begleitet und unterstützt hat, die mit einem menschenrechtlichen und/oder humanitär-völkerrechtlichen Mandat ausgestattet waren. Das vorhandene institutionelle Wissen steht also für weitere Untersuchungskommissionen zur Verfügung. All dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Probleme, denen die Einsetzung und die Arbeit von Untersuchungskommissionen unterworfen sind, auch in Zukunft vorhanden sein werden. Hierzu zählt etwa die Möglichkeit der von einer Untersuchung betroffenen Staaten, den entsprechenden Kommissionen, zum Beispiel durch Einreiseverbote, die Arbeit zu erschweren. Zudem ist zu bedenken, dass Untersuchungskommissionen in der Vergangenheit über eine unzureichende Ressourcenausstattung geklagt haben. Hier wird im Rahmen des Möglichen auch in Zukunft die Herausforderung bestehen, die Kommissionen für eine effektive Aufgabenwahrnehmung mit ausreichenden Personal-, Finanz- und Sachmitteln auszustatten. Letztlich ist noch zu bemerken, dass eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Gewährleistung der gebotenen Verfahrensgerechtigkeit stets eines unparteiischen Mandats und ebensolcher Mitglieder bedarf.
Ergebnisse der Untersuchung Internationale Untersuchungskommissionen stellen eine bedeutende Informationsbeschaffungsquelle in den internationalen Beziehungen dar. Die hier untersuchten Beispiele haben gezeigt, dass sowohl Staaten auf der Grundlage von zwischenstaatlichen Vereinbarungen als auch Internationale Organisationen von solchen Kommissionen Gebrauch machen beziehungsweise Gebrauch gemacht haben. Hierin spiegelt sich ein Bedürfnis nach objektiver, unabhängiger und unparteilicher Tatsachenuntersuchung wider. Ursprünglich als Mechanismus zur Verhinderung zwischenstaatlicher Gewalt durch bloße Sachverhaltserhellung konzipiert, nahmen internationale Untersuchungskommissionen später auch verstärkt Aufgaben der völkerrechtlichen Bewertung von Sachverhalten sowie der Abgabe von politischen Empfehlungen in Bezug auf diese Sachverhalte wahr. Grundlegend für die Einsetzung und die Tätigkeit internationaler Untersuchungskommissionen im 20. und frühen 21. Jahrhundert waren die Verhandlungen auf der ersten Haager Friedenskonferenz im Jahr 1899, auf welcher solchen Kommissionen erstmalig ein völkerrechtlicher Rahmen gegeben wurde, sowie die zweite Friedenskonferenz von 1907, auf der, basierend auf den Erfahrungen der Kommission zur Untersuchung des Dogger-Bank-Zwischenfalls, ein echtes Kommissionsverfahrensrecht etabliert wurde. Auch wenn die Haager Konzeption internationaler Untersuchungskommissionen als Grundlage für die Bereinigung zwischenstaatlicher Streitfälle nur wenige Anwendungsfälle erlebte, und diese auch nur auf Dispute beschränkt blieben, deren Gegenstände maritime Zwischenfälle waren, so hat die Idee, dass international relevante Problemlagen Ermittlungen durch mehrköpfige, international besetzte Gremien zur Erhellung von Tatsachen bedürfen, schnell Anklang sowohl in der Praxis Internationaler Organisationen als auch in der völkerrechtlichen Vertragspraxis gefunden. Dabei hat die Aufgabenbreite internationaler Untersuchungskommissionen erheblich zugenommen. Anfänglich auf reine Sachverhaltserhebung und -darstellung beschränkt, gaben spätere Untersuchungskommissionen oftmals, auf der Grundlage des ihnen erteilten Arbeitsauftrages, auch politische Empfehlungen für den Umgang mit einer gegebenen Problemlage ab und wurden, insbesondere bei Fragen der Verletzung von international garantierten Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts, zu einem Instrument der völkerrechtlichen Bewertung von Verletzungshandlungen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind die Unterschiede zwischen internationalen Untersuchungskommissionen, die auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen beruhen, und internationalen Untersuchungskommissionen, die im Rahmen von Internatio-
Ergebnisse der Untersuchung
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nalen Organisationen eingesetzt werden, beachtlich. Im ersten Fall wird durch Regelungen in den entsprechenden völkerrechtlichen Verträgen oft ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Verfahrensrecht geschaffen, wobei jeweils noch entweder die Möglichkeit oder sogar die Verpflichtung besteht, weitere, die Einzelheiten des Untersuchungsverfahrens regelnde Vereinbarungen zwischen den Staaten zu schließen oder Verfahrensordnungen durch die jeweilige Kommission zu erlassen. Im zweiten Fall wurde das jeweilige Untersuchungsverfahren bislang stärker von einer Fall-zu-Fall-Lösung bestimmt, bei der Faktoren wie die Reichweite des erteilten Mandats und die Kooperationsbereitschaft der durch die Untersuchung betroffenen Staaten sowie allgemein der Zugang zu Informationsquellen und Beweisen eine bedeutsame Rolle spielten. Im Falle der Vereinten Nationen wurden einige Dokumente entwickelt, die das Verhalten der Kommissionen sowie zum Teil den Umgang der Mitgliedstaaten mit solchen Kommissionen steuern sollen oder das Potenzial haben, dies zu tun. Ein durchgängiges Motiv der verschiedenen Verfahrensregeln und der Verfahrensdurchführung ist dabei stets das Bemühen um die Schaffung für die Voraussetzungen für ein unabhängiges und unparteiisches Verfahren und damit letztlich für eine objektive Mandatserfüllung; dies manchmal auch dann, wenn das Mandat selbst nicht die Anforderungen eines neutralen Arbeitsauftrages erfüllt hat. Die Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen stieß in der Vergangenheit oftmals auf den Widerstand der von der Untersuchung betroffenen Staaten, und dies, obwohl Untersuchungen von ihrer Eingriffsintensität ein eher niederschwelliges Mittel sind. Die Untersuchungskommissionen wurden in vielen Fällen von Staaten als unerwünscht angesehen, da diese aus den verschiedensten Gründen eine Offenlegung bestimmter Tatsachen verhindern wollten. Diese kritische Haltung zieht sich als wiederkehrendes Motiv durch die Geschichte der Entwicklung internationaler Untersuchungskommissionen. Sie lässt sich von der Ablehnung der Verrechtlichung der internationalen Untersuchungskommissionen durch die Balkanstaaten auf der ersten Haager Friedenskonferenz von 1899 bis hin zur Verweigerung der Zusammenarbeit durch die Regierung von Burundi mit der vom Menschenrechtsrat eingesetzten Untersuchungskommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in dem afrikanischen Staat immer wieder beobachten. Aus völkerrechtlicher Sicht wird dem Interesse der Staaten an der Geheimhaltung beziehungsweise der Nichtoffenlegung bestimmter Vorgänge durch die geltenden internationalrechtlichen Regelungen in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Im Rahmen von internationalen Untersuchungskommissionen, welche durch zwischenstaatliche Vereinbarung eingesetzt werden können, schützt die Staaten ihre allgemeine Souveränität, da sie nicht gezwungen sind, sich etwa einer Kommission auf der Grundlage der Haager Abkommen von 1899 und 1907 zu unterwerfen. Falls ein Staat doch bereit ist, dies zu tun, hat er im Rahmen der Aushandlung des Untersuchungsabkommens mit dem anderen Staat zudem Gelegenheit, seine Interessen durchzusetzen. Im Rahmen von Untersuchungskommissionen, welche durch Internationale Organisationen, hier namentlich durch die Vereinten Nationen, eingesetzt
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Ergebnisse der Untersuchung
werden, schützt die von der Untersuchung betroffenen Staaten, dass es regelmäßig keine Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Kommissionen gibt und die Staaten rechtlich regelmäßig nicht gehalten sind, solchen Kommissionen ihr Territorium zu öffnen. Zudem ist es keinem Staat völkerrechtlich verwehrt, zur Einsetzung, Tätigkeit oder den gefundenen Ergebnissen zu jedem Zeitpunkt Stellung zu nehmen und seine Sicht der Dinge darzutun. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die internationalen Untersuchungskommissionen, gleich ob ihre Einsetzung und ihre Tätigkeit auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung beruht, oder ob ihr Lebenszyklus im Rahmen einer Internationalen Organisation stattfindet, einen entscheidenden Beitrag zum Narrativ der internationalen Beziehungen leisten. Die in ihren Berichten niederlegten Informationen über die Ereignisse, die sich nach den Erkenntnissen der jeweiligen Kommission tatsächlich zugetragen haben, sowie die von Seiten einer Kommission gegebenenfalls vorgenommenen völkerrechtlichen Bewertungen und abgegebenen Empfehlungen werden zu öffentlich zugänglichen Informationsquellen für Staaten und staatliche Behörden, Internationale Organisationen, nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen, nationale und internationale Gerichte und an den jeweils untersuchten Vorgängen interessierte Einzelpersonen und Personengruppen wie Journalisten, Wissenschaftler aus Bereichen wie der Rechtswissenschaft und den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, Aktivisten, Publizisten, Radikale und weitere Akteure. Da die Untersuchungsberichte das Geschehene oft in sehr detailreicher Weise perpetuieren, werden diese Berichte so zu wichtigen zeithistorischen Dokumenten im Hinblick auf die Befassung mit dem der Untersuchung zugrundeliegenden Sachverhalt. Da internationale Untersuchungskommissionen dabei gerade als objektive, unabhängige und unparteiische Gremien fungieren sollen, wird der gerade beschriebene Wert ihrer Berichte sogar noch erhöht. Vor diesem Hintergrund stehen die Kommissionen in der besonderen Verantwortung, Gründlichkeit und Sorgfalt bei der Erhebung ihrer Beweise, deren Auswertung, dem Ziehen ihrer Schlussfolgerungen und der Darstellung ihrer Ergebnisse in den Berichten walten zu lassen.
Abschließende Thesen der Untersuchung 1.
Die Regelungen über internationale Untersuchungskommissionen in den I. Haager Abkommen über die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 und 1907 haben den Grundstein für die weitergehende Praxis der Einsetzung und der Tätigkeit solcher Kommissionen im Rahmen Internationaler Organisationen gelegt.
2.
Obschon internationale Untersuchungskommissionen auf der Grundlage der I. Haager Abkommen über die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 und 1907 in der internationalen Praxis heute keine Rolle mehr spielen, bleiben die Regelungen in diesen Verträgen weiterhin als ein veritables Instrument für Tatsachenuntersuchungen für geeignete Situationen potenziell relevant.
3.
Obwohl die Untersuchung zu den völkerrechtlich akzeptieren Mitteln der friedlichen Streitbeilegung gezählt wird, ist sie selbst nicht geeignet, einen internationalen Disput zu beenden. Vielmehr kann sie hierfür nur die Voraussetzungen schaffen.
4.
Auf internationaler Ebene bestand und besteht ein Bedürfnis für objektive, unabhängige und unparteiische Tatsachenermittlung.
5.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Untersuchung sind ein faires Mandat für die Kommission sowie unparteiische, unabhängige, objektive und fachlich versierte Kommissionsmitglieder.
6.
Die Entsendung von Untersuchungskommissionen durch Internationale Organisationen stellt für diese ein bedeutendes Informationsbeschaffungsmittel dar.
7.
Der Vorteil des Einsatzes moderner internationaler Untersuchungskommissionen liegt in ihrer geringen rechtlichen Einhegung und der damit einhergehenden großen Freiheit bei der Tatsachenermittlung.
8.
Im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts haben sich die Abschlussberichte internationaler Untersuchungskommissionen nicht nur zu einem wichtigen Informationsmittel, sondern auch zu einem Mittel der rechtlichen Bewertung von einschlägigen Situationen und zur Feststellung individueller Verantwortlichkeiten für Rechtsverletzungen entwickelt.
9.
Dem Interesse der Staaten, sich selbst und damit ihre Souveränität gegebenenfalls vor einer Untersuchung durch eine internationale Kommission zu schützen, wird dadurch Rechnung getragen, dass es regelmäßig keine Pflicht für
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Abschließende Thesen der Untersuchung
den von einer Untersuchung betroffenen Staat zur Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommission gibt. 10. Durch die in ihren Berichten niedergelegten Informationen und Ergebnisse tragen internationale Untersuchungskommissionen entscheidend zum Narrativ der internationalen Beziehungen bei. Daher stehen diese Kommissionen in der besonderen Verantwortung, Gründlichkeit und Sorgfalt bei der Erhebung ihrer Beweise, deren Auswertung, dem Ziehen ihrer Schlussfolgerungen und der Darstellung ihrer Ergebnisse in den Berichten walten zu lassen.
Anlagen Die Reihenfolge der präsentierten Texte entspricht ihrer Behandlung in der Hauptschrift. I Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 29. Juli 1899 (deutsche Fassung in: Reichsgesetzblatt 1901, S. 393 ff.) Dritter Titel. Internationale Untersuchungskommissionen. Artikel 9. Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch wesentliche Interessen berühren und einer verschiedenen Würdigung von Thatsachen entspringen, erachten die Signatarmächte es für nützlich, daß die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen können, soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen mit dem Auftrage, die Lösung dieser Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung die Thatfragen aufklären. Artikel 10. Die internationalen Untersuchungskommissionen werden durch besonderes Abkommen der streitenden Theile gebildet. Das Untersuchungsabkommen bestimmt die zu untersuchenden Thatsachen und den Umfang der Befugnisse der Kommissare. Es regelt das Verfahren. Die Untersuchung erfolgt kontradiktorisch. Die zu wahrenden Formen und Fristen werden, soweit sie nicht durch das Untersuchungsabkommen festgesetzt sind, durch die Kommission selbst bestimmt. Artikel 11. Die internationalen Untersuchungskommissionen werden, sofern nicht ein Anderes verabredet ist, in der im Artikel 32 dieses Abkommens bezeichneten Weise gebildet. Artikel 12. Die streitenden Mächte verpflichten sich, der internationalen Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle zur vollständigen Kenntniß und genauen Würdigung der in Frage kommenden Thatsachen nothwendigen Mittel und Erleichterungen zu gewähren.
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Anlagen Artikel 13.
Die internationale Untersuchungskommission legt den streitenden Mächten ihren von allen Mitgliedern der Kommission unterzeichneten Bericht vor. Artikel 14. Der Bericht der internationalen Untersuchungskommission, der sich auf die Feststellung der Thatsachen beschränkt, hat in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruchs. Er läßt den streitenden Mächten volle Freiheit in Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist. II Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 (deutsche Fassung in: Reichsgesetzblatt 1910, S. 5 ff.) Dritter Titel. Internationale Untersuchungskommissionen. Artikel 9. Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch wesentliche Interessen berühren und einer verschiedenen Würdigung von Tatsachen entspringen, erachten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, daß die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen könne, soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen mit dem Auftrage, die Lösung dieser Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie durch eine unparteische und gewissenhafte Prüfung die Tatfragen aufklären. Artikel 10. Die internationalen Untersuchungskommissionen werden durch besonderes Abkommen der streitenden Teile gebildet. Das Untersuchungsabkommen gibt die zu untersuchenden Tatsachen an; es bestimmt die Art und die Frist, in denen die Kommission gebildet wird, sowie den Umfang der Befugnisse der Kommissare. Es bestimmt gegebenen Falles ferner den Sitz der Kommission und die Befugnis, ihn zu verlegen, die Sprache, deren die Kommission sich bedienen wird, und die Sprachen, deren Gebrauch vor ihr gestattet sein soll, den Tag, bis zu dem jede Partei ihre Darstellung des Tatbestandes einzureichen hat, sowie überhaupt alle Punkte, worüber die Parteien sich geeinigt haben. Erachten die Parteien die Ernennung von Beisitzern für nötig, so bestimmt das Untersuchungsabkommen die Art ihrer Bestellung und den Umfang ihrer Befugnisse. Artikel 11. Hat das Untersuchungsabkommen den Sitz der Kommission nicht bezeichnet, so hat diese ihren Sitz im Haag. Der einmal bestimmte Sitz kann von der Kommission nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
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Hat das Untersuchungsabkommen die zu gebrauchenden Sprachen nicht bestimmt, so wird darüber von der Kommission entschieden. Artikel 12. Sofern nicht ein anderes verabredet ist, werden die Untersuchungskommissionen in der in den Artikeln 45, 57 dieses Abkommens bezeichneten Weise gebildet. Artikel 13. Im Falle des Todes, des Rücktritts oder der aus irgend einem Grunde stattfindenden Verhinderung eines Kommissars oder eines etwaigen Beisitzers erfolgt sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise. Artikel 14. Die Parteien haben das Recht, bei der Untersuchungskommission besondere Agenten zu bestellen mit der Aufgabe, sie zu vertreten und zwischen ihnen un der Kommission als Mittelspersonen zu dienen. Sie sind außerdem berechtigt, Rechtsbeistände oder Anwälte, die sie ernennen, mit der Darlegung und Wahrnehmung ihrer Interessen vor der Kommission zu beauftragen. Artikel 15. Das International Bureau des Ständigen Schiedshofs dient den Kommissionen, die ihren Sitz im Haag haben, für die Bureaugeschäfte und hat sein Geschäftslokal und seine Geschäftseinrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit der Untersuchungskommission zur Verfügung zu stellen. Artikel 16. Hat die Kommission ihren Sitz anderswo als im Haag, so ernennt sie einen Generalsekretär, dessen Bureau ihr für die Bureaugeschäfte dient. Dem Bureauvorstande liegt es ob, unter der Leitung des Vorsitzenden die äußeren Vorkehrungen für die Sitzungen der Kommission zu treffen, die Protokolle abzufassen und während der Dauer der Untersuchung das Archiv aufzubewahren, das später an der Internationale Bureau im Haag abzugeben ist. Artikel 17. Um die Einsetzung und die Tätigkeit der Untersuchungskommissionen zu erleichtern, empfehlen die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln, die auf das Untersuchungsverfahren Anwendung finden, soweit die Parteien nicht andere Regeln angenommen haben. Artikel 18. Die Kommission soll die Einzelheiten des Verfahrens bestimmen, die weder in dem Untersuchungsabkommen noch in dem vorliegenden Abkommen geregelt sind; sie soll zu allen Förmlichkeiten schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt. Artikel 19. Die Untersuchung erfolgt kontradiktorisch.
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Zu den vorgesehenen Zeiten übermittelt jede Partei der Kommission und der Gegenpartei gegebenen Falles die Darlegungen über den Tatbestand und in jedem Falle die Akten, Schriftstücke und Urkunden, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich erachtet, sowie eine Liste der Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung sie wünscht. Artikel 20. Die Kommission ist befugt, mit Zustimmung der Parteien sich zeitweilig an Orte zu begeben, wo sie dieses Aufklärungsmittel anzuwenden für nützlich erachtet, oder dorthin eins oder mehrere ihrer Mitglieder abzuordnen. Die Erlaubnis des Staates, auf dessen Gebiete zu der Aufklärung geschritten werden soll, ist einzuholen. Artikel 21. Alle tatsächlichen Feststellungen und Augenscheinseinnahmen müssen in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien erfolgen. Artikel 22. Die Kommission hat das Recht, von beiden Parteien alle Auskünfte oder Aufklärungen zu verlangen, die sie für nützlich erachtet. Artikel 23. Die Parteien verpflichten sich, der Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle zur vollständigen Kenntnis und genauen Würdigung der in frage kommenden Tatsachen notwendigen Mittel und Erleichterungen zu gewähren. Sie verpflichten sich, diejenigen Mittel, über welche sie nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügen, anzuwenden, um das Erscheinen der vor die Kommission geladenen Zeugen und Sachverständigen, die sich auf ihrem Gebiete befinden, herbeizuführen. Sie werden, wenn diese nicht vor der Kommission erscheinen können, deren Vernehmung durch ihre zuständigen Behörden veranlassen. Artikel 24. Die Kommission wird sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die sie im Gebiet einer dritten Vertragsmacht herbeizuführen hat, unmittelbar an die Regierung dieser Macht wenden. Das gleiche gilt, wenn es sich um die Herbeiführung irgendwelcher Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt. Die zu diesem Zweck erlassenen Ersuchen sind nach Maßgabe derjenigen Mittel zu erledigen, über welche die ersuchte Macht nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügt. Sie können nur abgelehnt werden, wenn diese Macht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden. Auch steht der Kommission stets frei, die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, in deren Gebiete sie ihren Sitz hat. Artikel 25. Die Zeugen und die Sachverständigen werden durch die Kommission auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen geladen, und zwar in allen Fällen durch Vermittlung der Regierung des Staates, in dem sie sich befinden.
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Die Zeugen werden nacheinander und jeder für sich in Gegenwart der Agenten und Rechtsbeistände un in der von der Kommission bestimmten Reihenfolge vernommen. Artikel 26. Die Vernehmung der Zeugen erfolgt durch den Vorsitzenden. Doch dürfen die Mitglieder der Kommission an jeden Zeugen die Fragen richten, die sie zur Erläuterung oder Ergänzung seiner Aussage oder zu ihrer Aufklärung über alle den Zeugen betreffenden Umstände für zweckdienlich erachten, soweit es zur Ermittelung der Wahrheit notwendig ist. Die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien dürfen den Zeugen in seiner Aussage nicht unterbrechen, noch irgend eine unmittelbare Anfrage an ihn richten, sie können aber den Vorsitzenden bitten, ergänzende Fragen, die sie für nützlich halten, dem Zeugen vorzulegen. Artikel 27. Dem Zeugen ist es bei seiner Aussage nicht gestattet, einen geschriebenen Entwurf zu verlesen. Doch kann es von dem Vorsitzenden ermächtigt werden, Aufzeichnungen oder Urkunden zu benutzen, wenn die Natur der zu befindenden Tatsachen eine solche Benutzung erheischt. Artikel 28. Über die Aussage des Zeugen wird während der Sitzung ein Protokoll aufgenommen, das dem Zeugen vorgelesen wird. Der Zeuge darf dazu die ihm gut scheinenden Änderungen und Zusätze machen, die am Schlusse seiner Aussage vermerkt werden. Nachdem dem Zeugen seine ganze Aussage vorgelesen ist, wird er zur Unterzeichnung aufgefordert. Artikel 29. Die Agenten sind befugt, im Laufe oder am Schlusse der Untersuchung der Kommission und der Gegenpartei solche Ausführungen, Anträge oder Sachdarstellungen schriftlich vorzulegen, die sie zur Ermittelung der Wahrheit für nützlich halten. Artikel 30. Die Beratung der Kommission erfolgt nicht öffentlich und bleibt geheim. Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder der Kommission. Die Weigerung eines Mitglieds, an der Abstimmung teilzunehmen, muß im Protokolle festgestellt werden. Artikel 31. Die Sitzungen der Kommission sind nur öffentlich und die Protokolle und Urkunden der Untersuchung werden nur veröffentlicht auf Grund eines mit Zustimmung der Parteien gefaßten Kommissionsbeschlusses.
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Anlagen Artikel 32.
Nachdem die Parteien alle Aufklärungen und Beweise vorgetragen haben und nachdem alle Zeugen vernommen worden sind, spricht der Vorsitzende den Schluß der Untersuchung aus; die Kommission vertagt sich, um ihren Bericht zu beraten und abzufassen. Artikel 33. Der Bericht wird von allen Mitgliedern der Kommission unterzeichnet. Verweigert ein Mitglied seine Unterschrift, so wird dies vermerkt; der Bericht bleibt gleichwohl gültig. Artikel 34. Der Bericht der Kommission wird in öffentlicher Sitzung in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Agenten und Rechtsbeistände der Parteien verlesen. Jeder Partei wird eine Ausfertigung des Berichts zugestellt. Artikel 35. Der Bericht der Kommission, der sich auf die Feststellung der Tatsachen beschränkt, hat in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruchs. Er läßt den Parteien volle Freiheit in Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist. Artikel 36. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten der Kommission zu gleichem Anteile. III PERMANENT COURT OF ARBITRATION OPTIONAL RULES FOR FACT-FINDING COMMISSIONS OF INQUIRY Application of the Rules Article 1 1. These Rules shall apply when the parties have agreed to have recourse to a Fact-finding Commission of Inquiry (‘Commission’) pursuant to the Permanent Court of Arbitration (‘PCA’) Optional Rules for Fact-finding Commissions of Inquiry, to establish, by means of an impartial and independent investigation, facts with respect to which there is a difference of opinion between them. 2. The parties may agree to exclude or vary any of these Rules at any time. Initiation of Fact-finding Proceedings Article 2 1. The party initiating fact-finding shall send to the other party a written invitation to engage in fact-finding under these Rules, briefly identifying the facts to be established. A copy of the invitation shall also be sent to the International Bureau of the PCA(‘International Bureau’).
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2. If the other party rejects the invitation, there will be no fact-finding proceedings under these Rules. 3. If the party initiating fact-finding does not receive a reply within sixty days from the date on which the invitation was sent, or within such other period of time as specified in the invitation, it may elect to treat this as a rejection of the invitation to engage in fact-finding. If it so elects, it shall inform the other party accordingly. 4. The parties may also jointly request in writing, addressed to the Secretary-General of the Permanent Court of Arbitration (the ‘Secretary-General’), that a Commission be established. The request shall, to the extent possible, specify the facts to be established, without excluding any relevant new facts that may come up in the course of the fact-finding. Number of Commissioners Article 3 The Commission may consist of one, three, or five commissioners. Unless the parties agree otherwise there shall be one commissioner. Appointment of Commissioners Article 4 1. (a) In fact-finding proceedings with one commissioner, the parties shall endeavor to reach agreement on the name of a sole commissioner; (b) In fact-finding proceedings with three or five commissioners, each party shallappoint one or two commissioners, as the case may be. Within two months of the last appointment, the partyappointed commissioners shall designate a third or fifth commissioner, as the case may be, who will act as President of the Commission. 2. The parties may enlist the assistance of an appropriate institution or person in connection with the appointment of commissioners. In particular, (a) A party may request such an institution or person to recommend the names of suitable individuals to act as commissioner; or (b) The parties may agree that the appointment of one or more commissioners be made directly by such an institution or person. 3. The parties may also enlist the assistance of the Secretary-General in connection with the appointment of commissioners. In particular, (a) A party may request the Secretary-General to designate an institution or person to perform the function set forth in paragraph 2(a) of this article; (b) The parties may request the Secretary-General to designate an institution or person to perform the function set forth in paragraph 2(b) of this article; or (c) The Secretary-General may be the ‘person’ performing the functions set forth in paragraphs 2(a) and (b) of this article, pursuant to a request or agreement. 4. In recommending or appointing individuals to act as commissioners, the institution or person shall have regard to such considerations as are likely to secure the appointment of an independent and impartial commissioner, and, with respect to a sole, third or fifth commissioner,
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shall take into account the advisability of appointing a commissioner of a nationality other than the nationalities of the parties. 5. Any vacancy on the Commission shall be filled in the manner in which the original appointment of the commissioner being replaced was made. Independence of Commissioners Article 5 Commissioners shall act in strict conformity with their mandate and perform their task in an impartial manner. Upon accepting appointment, each commissioner shall submit to the International Bureau a declaration confirming his or her independence from the parties. Place of Meeting of the Commission Article 6 1. Unless the parties have agreed otherwise, the Commission shall meet in The Hague. The International Bureau shall act as Registry, keep the Commission’s archives, and place its offices and staff at the disposal of the Commission. 2. If the fact-finding proceedings are held at a place other than The Hague, the Commission may, in consultation with the International Bureau, appoint a secretary. 3. The Commission may determine the locale of the fact-finding proceedings within the country agreed upon by the parties. It may hold meetings for consultation among its members at any place it deems appropriate, having regard to the circumstances of the fact-finding. 4. The Commission may meet at any place it deems appropriate for the inspection of goods, property, documents, or sites, or for the interrogation of witnesses. The parties shall be given sufficient notice to enable them to be present at such inspection. 5. For purposes of the activities contemplated in paragraphs 2 – 4 of this article, the Commission or the International Bureau shall, where necessary, seek the permission of, and any requisite assistance from, the country in which these activities are to be undertaken. Representation and Assistance Article 7 The parties may be represented or assisted by persons of their choice. The names and addresses of such persons shall be communicated in writing to the other party and to the Commission; such communication shall specify whether the appointment is made for purposes of representation or of assistance. Language Article 8 Subject to an agreement by the parties, the Commission shall determine the language or languages to be used in the proceedings. The Commission may request that any documents submitted in the course of the proceedings be accompanied by a translation into the language or languages agreed upon by the parties or determined by the Commission.
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Co-operation of Parties with the Commission Article 9 1. The parties shall co-operate with the Commission in good faith and shall, in particular, comply with requests by the Commission to submit written materials, provide evidence and attend meetings. All such documents submitted to the Commission shall, at the same time, be transmitted to the other party and to the International Bureau. 2. The parties undertake to make use of all means at their disposal to insure the appearance of witnesses and experts before the Commission. If witnesses or experts are unable to appear before the Commission, the parties shall arrange for their evidence to be taken before qualified officials in the place where the witnesses or experts are located, and speedily transmit the evidence thus obtained to the Commission. 3. A State that agrees to engage in fact-finding pursuant to these Rules shall be deemed to have granted its permission for the conduct in its territory of any of the activities set forth in article 6, paragraphs 2 – 4, and further undertakes to use all means at its disposal to provide the Commission with whatever assistance it may require in the conduct of the fact-finding proceedings, including but not limited to, ensuring the appearance or written testimony of witnesses and experts, as contemplated in paragraph 1 of this article. 4. In the event that the Commission requires the permission or cooperation of a third State, for example, as contemplated in article 6 of these Rules, the parties shall use all reasonable means at their disposal to obtain such permission and/or co-operation. A State that is a party to factfinding undertakes to make the necessary request to the State concerned. Confidentiality Article 10 Unless the parties agree otherwise, or unless disclosure is required by the law applicable to a party, the members of the Commission and the parties shall keep confidential all matters relating to the fact-finding proceedings, including the investigations, hearings, deliberations and findings of the Commission. Unless the parties agree otherwise, the Commission shall meet in camera. Submission of Statements to the Commission Article 11 1. Upon its establishment, the Commission shall request each party to submit to it a brief written statement describing the general nature of the facts to be established and the points at issue. The Commission shall have the discretion to determine whether these statements are to be submitted simultaneously or responsively. 2. The Commission may request the parties to submit further written statements of their respective positions and the facts and grounds in support thereof, supplemented by any documents and other evidence that each party deems appropriate. 3. At any stage of the fact-finding proceedings, the Commission may request a party to submit such additional information as the Commission deems appropriate. 4. All documents, statements, information or evidence supplied by one party shall at the same time be provided to the other party, and a copy shall be filed with the International Bureau.
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Anlagen Conduct of the Fact-finding Proceedings Article 12
1. Subject to these Rules and the agreement of the parties, the Commission may conduct the factfinding proceedings in such manner as it considers appropriate, provided that the parties are treated with equality and that at any stage of the proceedings each party is given a full opportunity to present its case. 2. The Commission shall give the parties every opportunity to be present at hearings and investigations, and to submit documents, present evidence and have witnesses and experts called. The Commission may also take initiative in asking for documents and calling witnesses and experts. The method for obtaining oral testimony from witnesses and experts shall be determined by the Commission. 3. Unless the parties have decided otherwise, and having regard to the circumstances of the case, the Commission shall determine the scope and type of any record to be made of the hearings and other meetings of the Commission. Decision-making Article 13 When the Commission consists of three or five members, all decisions of the Commission shall be made by a majority of its members. Termination of Fact-finding Proceedings Article 14 1. Unless agreed otherwise, the fact-finding proceedings shall terminate upon the issuance of a written report by the Commission. 2. Unless the parties have agreed otherwise, the report of the Commission shall not be binding on the parties. Article 15 The report shall be signed by the sole commissioner or the President of the Commission, as the case may be, and signed for acknowledgment by the Secretary-General. Individual opinions may be attached to the report. The report shall state in detail the facts established by the Commission, and the reason why certain facts may not be considered as having been established. Unless the parties agree to make it public, the report shall remain confidential. Costs Article 16 1. Upon termination of the fact-finding proceedings, the Commission shall, in consultation with the International Bureau, fix the costs of the fact-finding and give written notice thereof to the parties. The term ‘costs’ shall include: (a) The fees of the commissioners, which shall be reasonable in amount; (b) The travel and other expenses of the commissioners; (c) The travel and other expenses of witnesses requested by the Commission;
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(d) The costs of any expert advice requested by the Commission; (e) The costs of any services of the Secretary-General and the International Bureau, including costs related to the holding of proceedings outside The Hague. 2. The costs, as defined above, shall be borne equally by the parties unless the Commission provides for a different apportionment. All other expenses incurred by a party, including those related to the written or oral testimony of any witnesses or experts that it presents, shall be borne by that party. Deposits Article 17 1. The Commission, on its establishment, may request the parties to deposit equal amounts as an advance for the costs referred to in article 16. All amounts deposited by the parties pursuant to this paragraph and paragraph 2 of this article shall be paid to the International Bureau, and shall be disbursed by it for such costs. 2. During the course of the fact-finding proceedings the Commission may request supplementary deposits from the parties. 3. If the required deposits under paragraphs 1 and 2 of this article are not paid in full by both parties within sixty days of a request therefor, the Commission may suspend the proceedings or may make a written declaration of termination to the parties, effective thirty days after the date of that declaration. 4. Upon termination of the fact-finding proceedings, the Commission shall render an accounting to the parties of the deposits received and amounts disbursed, and shall return any unexpended balance to the parties. IV Regulations for the Execution of Article 4 CHAPTER I. – CONSTITUTION OF COMMISSIONS OF INSPECTION Article 1. When there is occasion to constitute a Commission of Inspection, the commissioners shall be appointed by the Council of the League of Nations with the approval of the States of which such experts are nationals. The commissioners may not be nationals of the parties of the dispute. Article 2. The Council may request the Permanent Advisory Commission for Military, Naval and Air Questions to submit to it, according to the circumstances and the nature of the conservatory measures contemplated, proposals in regard to the exact composition of the Commission, its organisation and its working. Article 3. Unless otherwise decided by the Council, the Commission of Inspection shall include the same number of commissioners of each nationality represented on the commission.
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Anlagen Article 4.
The Council shall appoint the President of the Commission. The latter shall organize the work of the Commission subject to the provisions of the Convention and of the present regulations. Article 5. The Commission may be divided into several sections. Each section shall consist of not less than three members. These shall be of different nationalities. Article 6. If a section consists entirely of officers, the senior member of the highest rank shall be president of the section. If a section consists of both civilians and officers, its President shall be appointed by the President of the Commission. However, the President of the Commission may not appoint an officer other than the senior member of the highest rank. If there are several sections, their Presidents shall as far as possible be of different nationalities. CHAPTER II. – WORK OF THE COMMISSIONS. Article 7. The rôle of the Commission of Inspection is defined and limited by Article 4 of the Conve tion (first and fourth paragraphs). The Commission shall also comply with the detailed instructions it may have received from the Council of the League of Nations. Article 8. In the event of the application of Article 2 of the Convention, the commissioners shall have, subject to the provisions contained in the fourth paragraph of the Article 4 of the Convention, the right to visit any point to which they may have to proceed in execution of their mission and to remain there as long as may be necessary for the purpose of verifying on the spot the execution of the conservatory measures recommended by the Council. In the event of the application of Article 3 of the Convention, the commissioners shall, for the performance of the mission entrusted to them by the Council, have the right to move about freely and to remain within the zone between the lines fixed by the Council in accordance with the said article. This right shall be guaranteed to them even if hostilities not creating a state of war should have occurred. On land, if the said zones determined with the consent of the parties concerned under the conditions laid down in the second paragraph of Article 3 include military establishments, the commissioners shall have the right to enter and remain in those establishments for the performance of their mission. On sea, in the case of warships of one of the parties being authorised to pass through one of the above mentioned zones, in order to ensure the necessary communications between the various territories of the said party, the President of the Commission may depute commissioners to go on board these warships. As regards the supervision of the movement of aircraft, the commissioners have the right to establish lookout posts either at the frontiers or in the zones referred to in the second paragraph
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of this article. If the Council has forbidden civil aircraft to approach the frontiers or the intermediate zone, the commissioners shall have the right to fix compulsory crossing points for civil aircraft. Should the Commission not have at its disposal the means required for supervising night flying this may be prohibited at the frontiers or in the said zones to all aircraft by the President of the Commission. If one of the parties so requests, the President of the Commission shall depute one or more commissioners to accompany any land, sea or air forces of the said party which, moving near one of the above-mentioned zones, might wish to prove that they have not entered that zone. Subject to arrangements to be concluded with the parties, enabling the commissioners to make themselves known, they shall comply as far as possible with the rules of international law on the employment of envoys, in so far as those rules do not impede the performance of their mission. Article 9. The commissioners shall enjoy all diplomatic privileges and immunities. They shall be provided as soon as possible, in addition to diplomatic passports or visas, with identity papers drawn up by the Secretary-General of the League of Nations in the name of the Council indicating the official status of the holder and the mission entrusted to him. CHAPTER III. – FACILITIES TO BE ACCORDED TO COMMISSIONS OF INSPECTIONS BY THE PARTIES TO THE DISPUTE: Article 10. The Governments parties to the Convention to which the Council shall have notified the dispatch of a Commission of Inspection shall take the necessary measures to enable the commissioners to discharge their duties. They shall see that the public authorities and the population place no obstacle of any kind in the way of the work of the Commission. They shall give the latter all assistance in their power in order to facilitate the accomplishment of its mission. They shall, more particularly, appoint one on [sic!]1 more officials who shall be at the constant disposal of the Commission. Such officials shall be provided with written instructions giving them full powers to call for the assistance of the civil and military authorities. During the execution of their mission, the commissioners may not refuse the company of officials of the State party to the dispute in whose territory their mission is being performed. Article 11. The Governments Parties to the Convention shall give instructions to the responsible authorities, with a view to ensuring that transport of persons belonging to the Commissions and communications of all kinds between the Commissions and the Council of the League of Nations shal [sic!]2 be effected as rapidly as possible.
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Bemerkung des Verfassers: Dort müsste wohl das Wort „or“ stehen. Bemerkung des Verfassers: Dort müsste wohl das Wort „shall“ stehen.
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Anlagen Article 12.
The Governments parties to the dispute shall give isntructions [sic!]3 to the responsible authorities to offer Commissioners any protection that may be asked for by them. Article 13. The Governments parties to the dispute shall on their respective territories provide the Commission with all facilities for transport and accommodation that might reasonably be requested. Article 14. The Governments parties to the dispute shall send to the Council of the League of Nations and the President of the Commission a copy of the orders, powers and instructions that thy may have given in conformity with the provisions of the present chapter. CHAPTER IV. – REPORTS Article 15. The President shall keep the Council informed of the activities of the Commission of Inspection. He shall in particular inform the Council immediately of any infraction of the conservatory measures recommended which might be committed by the parties. In order to permit of the application of the provisions of the second paragraph 4 of the Convention, the President of the Commission shall immediately inform the Council, under the conditions laid down in Article 11 of the present rules, of the arrival on the spot of the commissioners and of the precise time at which they will be in a position to perform their mission. Should any difficulty arise between the Commission and the authorities of any one of the parties to the parties to the dispute, the President shall immediately inform the Council. Pending the decision by the Council, the President of the Commission shall take the necessary steps to enable the commissioners to continue their mission under the most effective conditions possible. The Government of the party concerned shall instruct its responsible authorities to assist the commissioners for this purpose on all points not directly affecting the difficulty in question. Article 16. On the conclusion of the mission, the President of the Commission shall submit to the Council of the League of Nations the Commission’s report, and also, in the event of disagreement, any dissenting opinions. CHAPTER V. – SECRETARIAT AND FINANCIAL PROVISONS. Article 17. Should the Council consider it necessary, a secretariat for the Commission shall be organised by the Secretary-General of the League of Nations. The members of the secretariat shall enjoy the same diplomatic privileges and immunities as the commissioners.
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Bemerkung des Verfassers: Dort müsste wohl das Wort „instructions“ stehen.
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Article 18. The allowance granted to the commissioners shall be fixes by the Council on the advice of the Secretary-General of the League of Nations, and shall be calculated on the basis of those generally given for similar missions. Unless otherwise decided by the Council, the expenses attaching to such Commissions shall be borne by the parties to the dispute. Article 19. The necessary funds shall be advanced to persons belonging to the Commissions by the Secretariat of the League of Nations, under the conditions fixed by the Council in conformity with the regulations for the financial administration of the League of Nations. V Draft Model Rules of Procedure for ad hoc Bodies of the United Nations entrusted with Studies of particular Situations alleged to reveal a consistent Pattern of Violations of Human Rights 30. Oktober 1970 SECTION I: Applicability Rule 1 These model rules shall be applicable upon the decision of the competent organ to ad hoc bodies of the United Nations entrusted with studies of particular situations alleged to reveal a consistent pattern of violations of human rights. Rule 2 The organ which establishes the ad hoc body may authorize the ad hoc body to modify these rules or to add to these rules such further provisions as the ad hoc body may consider necessary for the performance of its functions, taking into account in particular the provisions of rule 10. SECTION II: Constitution of the ad hoc body Status of the ad hoc body and terms of reference Rule 3 The ad hoc body shall be considered as a subsidiary organ of the United Nations organ which established it and its terms of reference shall be those determined by the resolution or other decision of the organ which established it or any competent principal organ of the United Nations. Membership Rule 4 (a) Where the membership of the ad hoc body consists of States, each member shall be represented by an accredited representative who may be accompanied by such alternate representatives and advisers as may be required by the accredited representative or as the ad hoc body may determine. (b) Where the membership of the ad hoc body consists of individuals, the members shall be those designated in the manner decided upon by the organ establishing the ad hoc body.
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Anlagen Credentials Rule 5
[Only for ad hoc bodies consisting of representatives of Governments.] The credentials of the representatives of Governments members of the ad hoc body and the names of their alternates or advisers shall be submitted to the Secretary-General, if possible, not later than one week before the date fixed for the first meeting of the ad hoc body. Solemn declaration by members Rule 6 Upon assuming his duties, each member of the ad hoc body shall make the following solemn declaration in open meeting: “I solemnly declare that I will perform my duties and exercise my powers as a member of the ad hoc body honourably, faithfully, impartially and conscientiously.” Meetings Rule 7 (a) The Secretary-General shall notify the members of the ad hoc body of the date and place of the first meeting at least two weeks in advance of the meeting. (b) Further meetings of the ad hoc body shall be held, as circumstances may require, by decision of the ad hoc body or its Chairman, or at the request of a member of the ad hoc body, upon such dates as may be fixed by the Chairman after consultation with the Secretary-General and, when possible, with the other members of the ad hoc body. (c) Meetings shall normally be held at the United Nations Headquarters. Another place for a meeting may be designated by the ad hoc body in consultation with the Secretary-general, who shall furnish services and facilities within the limits of his administrative possibilities and in accordance with the regulations, rules, decisions and practices applicable to the United Nations. Quorum Rule 8 Unless otherwise decided by the ad hoc body, a majority of the members shall constitute a quorum; provided that the presence of a majority of the members shall be required for the adoption of the final conclusions, recommendations and the final report of the ad hoc body. Publicity of meetings Rule 9 The ad hoc body shall decide as to the public or private character of each of its meetings or parts of meetings. At the close of each private meeting, the ad hoc body may issue a communiqué through the Secretary-General. Expenditure of funds Rule 10 (a) No decision involving expenditure shall be made by the ad hoc body until the SecretaryGeneral has had an opportunity of stating the financial and administrative implications thereof.
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(b) The Secretry-General shall meet the expenses to be incurred in respect of the ad hoc body and furnish the services and facilities requested by it within the limits of his administrative and budgetary resources and in accordance with the regulations, rules, decisions and practices applicable to the United Nations organs and bodies. SECTION III: Agenda of meetings Rule 11 (a) The provisional agenda for the first meeting shall be drawn up by the Secretary-General. (b) The provisional agenda for the subsequent meetings shall be prepared by the SecretaryGeneral in consultation with the Chairman of the ad hoc body in conformity with the terms of reference of the body and shall include: (1) any matter arising from the previous meeting; (2) any item proposed by the Chairman of the ad hoc body; (3) any item proposed by another member of the ad hoc body; (4) any item proposed by the Secretary-General. (c) The provisional agenda for the meetings shall be communicated to the members of the ad hoc body, whenever practicable, in advance of the meeting. (d) The first item on the provisional agenda after the election of the officers, when required, shall be the adoption of the agenda. SECTION IV: Officers Rule 12 (a) Unless the organ which established the ad hoc body has decided otherwise, the ad hoc body shall elect by secret ballot from among its members a Chairman and such other officers as it may decide upon, including one or more Vice-Chairman and a Rapporteur. If only one candidate is presented for any office, the ad hoc body may decide to dispense with the secret ballot and the candidate shall be declared to be elected unanimously. (b) The Chairman shall declare the opening and closing of each meeting of the ad hoc body, direct its discussions, ensure observance of the rules of procedure accord the right to speak, but questions and announce decisions. The Chairman, subject to the rules of procedure, shall have control of the proceedings of the ad hoc body and over the maintenance of order at its meetings. Discussion shall be confined to the question before the ad hoc body, and the Chairman may call a speaker to order if his remarks are not relevant to the subject under discussion. (c) The Chairman, in exercise of his functions, shall remain under the authority of the ad hoc body. (d) If the Chairman is unable to be present at a meeting or any part thereof, he shall designate a Vice-Chairman to act in his place. (e) AVice-Chairman acting as Chairman shall have the same powers and duties as a Chairman. (f) If any of the offices of the ad hoc body ceases or, for any reason, is no longer able to act as an officer of the ad hoc body, a new officer shall be elected for the unexpired of his predecessor.
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Anlagen SECTION V: Secretariat Rule 13
(a) The secretariat of the ad hoc body shall be provided by the Secretary-General. (b) The Secretary-General or his representative may be present at the meetings of the ad hoc body. He or his representative may make either oral or written statements to the meetings of the ad hoc body. (c) The Secretary-General shall be responsible for keeping the members of the ad hoc body informed of any question which may be brought before it for consideration. SECTION VI: Languages Rule 14 (a) The working languages of the ad hoc body shall be determined by the ad hoc body or the organ which established it from among the working languages of the latter one. (b) Speeches made in any of the working languages shall be interpreted into the other working language. (c) Any members of the ad hoc body or a person appearing before the ad hoc body, may make a statement in a language other than the working languages. In this case, he shall himself provide for interpretation into one of the working languages. Exceptionally, when a person appearing before the ad hoc body is unable to employ any of the working languages, the ad hoc body may agree, when budgetary provisions permit, and in the light of practical possibilities to use an ad hoc interpreter. Interpretation into the working languages shall be based on the interpretation into the first working language. (d) An ad hoc interpreter who is not bound by an oath of office to the United Nations, shall be required to swear or declare solemnly that he will interpret honestly, faithfully and accurately that statements made at the meeting. SECTION VII: Voting and conduct of business Voting Rule 15 (a) Each member of the ad hoc body shall have one vote. (b) Except as otherwise provided in the terms of reference of the ad hoc body, decisions of the ad hoc body shall be made by a majority of the members present and voting. For the purpose of these rules, “members present and voting” means members casting an affirmative or negative vote. Members who abstain from voting shall be considered as not voting. (c) Subject to rule 12 (a), the ad hoc body normally shall vote by show of hands, except that any member requests a roll-call vote which shall be taken in the English alphabetical order of the names of the members of the ad hoc body. The vote of each member participating in any roll-call vote shall be inserted in the record. (d) If the vote is equally divided on matters other than elections, the proposal shall be regarded rejected.
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Conduct of business Rule 16 Any procedural matter arising out of the conduct of business at meetings of the ad hoc body shall be dealt with by the Chairman on the light of the rules of procedure of the General Assembly, subject to the provisions of rule 12 (c). SECTION VIII: Co-operation with Members States Rule 17 (a) The organ which establishes the ad hoc body or the ad hoc body itself may request any State to extend to the ad hoc body all assistance which may be necessary for the proper performance of the ad hoc body’s functions. Such assistance may consist in particular in: (i) Supplying the ad hoc body with relevant documents and informations; (ii) Allowing the ad hoc body to proceed in the territory of the State concerned and to call and hear witnesses or experts therein; (iii) Arranging that no obstacles are placed in the way of the attendance of representatives or witnesses and affording protection as appropriate to any witness or person appearing before the ad hoc body from any acts of violence, intimidation, threats, reprisals or any kind of discrimination on account of their attendance and testimony and from any legal action as a result of his testimony. (b) The ad hoc body shall be entitled to consult the representatives of any State in respect of any matter relevant to its terms of reference. (c) The ad hoc body shall have the right to request in particular the State directly concerned by the subject of study or investigation to communicate to it such statements and documents which that state may consider to be useful for the ascertaining the facts or as relevant to the issue referred to the ad hoc body may desire to hear. (d) The ad hoc body may invite the State directly concerned by the subject of the study or investigation to be represented by an accredited representative at one, several or all meetings of the ad hoc body or parts of such meetings. (e) States directly concerned by the subject of the study or investigation undertaken by the ad hoc body may at their request, or at the invitation of the ad hoc body make statements to it submit such written material as they may deem appropriate, and address written or oral evidence. They may in accordance with procedures adopted by the ad hoc body put questions to witnesses at hearings conducted by the ad hoc body subject to the provisions of rule 22 (e). (f) Subject to the provisions of rules 7 (c), the ad hoc body may, with the consent of the State concerned, move temporarily to any place in the territory of that State, where it considers it may be useful to gather information or hear witnesses or experts on issues arising out of its terms of reference.
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Anlagen SECTION IX: Oral and written testimony and other sources of information Rule 18
The ad hoc body shall as soon as practicable and, if possible, not later than one week before any testimony is taken, publicize by all available means its terms of reference, the methods it will adopt for collecting information and receiving documentary and oral testimony, the dates and places of its meetings and details, if any, concerning the particulars to be supplied by those wishing to offer testimony. Rule 19 The ad hoc body shall be entitled to receive oral and written testimony. Such testimony: 1. may be submitted by the State directly concerned by the study or investigation or any of its witnesses and experts; 2. may be received from any other sources at the invitation, or upon the decision, of the ad hoc body. Rule 20 (a) The ad hoc body shall decide on the admissibility and the relevance of and the weight to be attached to: (i) Anonymous communications; (ii) Written material and documentary evidence; (iii) Evidence submitted in the form of sound-recordings, films, photographs, drawings or other objects. (b) Written evidence may, at the discretion of the ad hoc body, be presented in such manner as not to disclose his identity and/or be made available only to the members of the ad hoc body and the Secretariat. Rule 21 (a) Requests by the representatives of a State for oral hearing shall include an indication of the subject or subjects on which the representative of the State desires to be heard. (b) Requests by an individual for oral hearings shall contain an indication of the subject or subjects on which the witness desires to testify, his full name, address, age, nationality, occupations and profession or calling. Rule 22 (a) (i) The ad hoc body shall require every witness appearing before it for the purpose of giving testimony to make the following solemn declaration: “I solemnly declare upon my honour and conscience that I will speak the truth, the whole truth and nothing but the truth.” (ii) In the case of persons appearing before the ad hoc body in an expert capacity, the following declaration shall be made:
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“I solemnly declare upon my honour and conscience that my statement will be in accordance with my sincere belief.” (b) After a declaration has been made, the ad hoc body shall inform the witness of its terms of reference and my put preliminary questions to the witness to ascertain his identity and his qualification to give evidence and to enable the ad hoc body to judge the nature of extend of information possessed by the witness on matters of concern to the ad hoc body. (c) Each witness shall then be given an opportunity to make a statement. Any of the members of the ad hoc body may then put questions to the witness. (d) The ad hoc body may decide that a person may not be present at its meetings except when giving evidence and that he may not consult any records of hearings until he himself has given evidence. (e) The ad hoc body may agree to hear a witness in a closed meeting and/or not to disclose his identity if the witness so requests. (f) The ad hoc body shall give a witness all reasonable latitude to furnish evidence and information, but statements or questions outside the ad hoc body’s terms of reference or issues connected therewith shall not be permitted. (g) All questioning of witnesses shall be subject to the direction of the Chairman acting under the authority of the ad hoc body. (h) The ad hoc body may limit the number of persons desiring to be heard and the time to be allowed to the hearing of any one person. Rule 23 Subject to the provision of rule 10 (b), the ad hoc body may authorize one or more of its members to conduct the hearing of a witness or witnesses and report to the ad hoc body thereon. The ad hoc body may also authorize one or more of its members to study, on its behalf, written testimony, documents and objects relevant to the ad hoc body’s terms of reference and to report to the ad hoc body thereon. SECTION X: Records Rule 24 (a) The form of records of the ad hoc body shall be determined by the organ which establishes it, subject to the provisions in force in the United Nations in this respect and the budgetary appropriations for the ad hoc body. (b) The ad hoc body may request that sound-recordings should be taken of the hearings of witnesses as a parts of its proceedings. Such sound-recordings shall be prepared by the Secretariat to the extent that available financial and administrative resources permit. (c) The ad hoc body shall, in the absence of any provisions on the matter in the resolution or decision which established it, decide on the manner in which its records may be distributed and made public.
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Anlagen SECTION XI: Reports Rule 25
(a) After the presentation of all information, explanations, evidence, and the hearing of all witnesses, the ad hoc body shall draw up its report in private including in it its conclusions and recommendations. (b) If a member abstains from voting on the report or dissents from the whole or any part of the report, the fact shall be recorded and any members may if he so wishes, have included in the report a statement of his spate position. (c) The report of the ad hoc body shall be submitted in accordance with its terms of reference to the appropriate body together with the observations and comments, in any, of the States directly concerned when such observations and comments are available. (d) In the absence of any provision to the contrary in the terms of reference of the ad hoc body, the publication of the report shall be decided upon the body to whom it is submitted. VI Declaration on Fact-finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security The General Assembly, Recalling its resolutions 43/170 of 9 December 1988, 44/37 of 4 December 1989 and 45/44 of 28 November 1990, Taking note of the report of the Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization, which met in New York from 4 to 22 February 1991 and completed a draft Declaration on Fact-finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security, Convinced that the adoption of the draft Declaration will contribute to strengthening the role of the United Nations and enhancing its effectiveness in maintaining international peace and security, Considering the need to ensure a wide dissemination of the text of the Declaration, Considering the Declaration to be an important and concrete contribution of the Special Committee to the United Nations Decade of International Law, 1. Approves the Declaration on Fact-finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security, the text of which is annexed to the present resolution; 2. Expresses its appreciation to the Special Committee on the Charte of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization for its important contribution to the elaboration of the text of the Declaration; 3. Requests the Secretary-General to inform the Governments of the States Members of the United Nations or members of specialized agencies, and the Security Council, of the adoption of the Declaration;
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4. Urges that all efforts be made so that the Declaration becomes generally known and fully implemented. ANNEX Declaration on Fact-finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security The General Assembly, Recalling the Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, the Manila Declaration on the Peaceful Settlement of International Disputes, the Declaration on the Enhancement of the Effectiveness of the Principle of Refraining from the Threat or Use of Force in International Relations, the Declaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role of the United Nations in this Field, and their provisions regarding fact-finding, Emphasizing that the ability of the United Nations to maintain international peace and security depends to a large extent on its acquiring detailed knowledge about the factual circumstances of any dispute or situation, the continuance of which might threaten the maintenance of international peace and security (hereinafter, ”disputes or situations”), Recognizing that the full use and further improvement of the means for fact-finding of the United Nations could contribute to the strengthening of the role of the United Nations in the maintenance of international peace and security and promote the peaceful settlement of disputes, as well as the prevention and removal of threats to peace, Desiring to encourage States to bear in mind the role that competent organs of the United Nations can play in ascertaining the facts in relation to disputes or situations, Recognizing the particular usefulness of fact-finding missions that the competent United Nations organs may undertake in this respect, Bearing in mind the experience and expertise acquired by the United Nations in the field of factfinding missions, Recognizing the need for States, in exercising their sovereignty, to cooperate with the relevant organs of the United Nations as regards fact-finding missions undertaken by them, Seeking to contribute to the effectiveness of the United Nations, with view to enhancing mutual understanding, trust and stability in the world, Solemnly declares that: I 1. In performing their functions in relation to the maintenance of international peace and security, the competent organs of the United Nations should endeavour to have full knowledge of all relevant facts. To this end they should consider undertaking fact-finding activities. 2. For the purpose of the present Declaration fact-finding means any activity designed to obtain detailed knowledge of the relevant facts of any dispute or situation which the competent United Nations organs need in order to exercise effectively their functions in relation to the maintenance of international peace and security.
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3. Fact-finding should be comprehensive, objective, impartial and timely. 4. Unless a satisfactory knowledge of all relevant facts can be obtained through the use of the information-gathering capabilities of the Secretary- General or other existing means, the competent organ of the United Nations should consider resorting to a fact-finding mission. 5. In deciding if and when to undertake such a mission, the competent United Nations organs should bear in mind that the sending of a fact-finding mission can signal the concern of the Organization and should contribute to building confidence and defusing the dispute or situation while avoiding any aggravation of it. 6. The sending of a United Nations fact-finding mission to the territory of any State requires the prior consent of that State, subject to the relevant provisions of the Charter of the United Nations. II 7. Fact-finding missions may be undertaken by the Security Council, the General Assembly and the Secretary-General, in the context of their respective responsibilities for the maintenance of international peace and security in accordance with the Charter. 8. The Security Council should consider the possibility of undertaking fact-finding to discharge effectively its primary responsibility for the maintenance of international peace and security in accordance with the Charter. 9. The Security Council should, wherever appropriate, consider the possibility of providing in its resolutions for recourse to fact-finding. 10. The General Assembly should consider the possibility of undertaking fact-finding for exercising effectively its responsibilities under the Charter for the maintenance of international peace and security. 11. The General Assembly should, wherever appropriate, consider the possibility of providing for recourse to fact-finding in its resolutions relevant to the maintenance of international peace and security. 12. The Secretary-General should pay special attention to using the United Nations fact-finding capabilities at an early stage in order to contribute to the prevention of disputes and situations. 13. The Secretary-General, on his own initiative or at the request of the States concerned, should consider undertaking a fact-finding mission when a dispute or a situation exists. 14. The Secretary-General should prepare and update lists of experts in various fields who would be available for fact-finding missions. He should also maintain and develop, within existing resources, capabilities for mounting emergency fact-finding missions. 15. The Security Council and the General Assembly should, in deciding to whom to entrust the conduct of a fact-finding mission, give preference to the Secretary-General, who may, inter alia, designate a special representative or a group of experts reporting to him. Resort to an ad hoc subsidiary body of the Security Council or the General Assembly may also be considered. 16. In considering the possibility of undertaking a fact-finding mission, the competent United Nations organ should bear in mind other relevant fact-finding efforts, including those undertaken by the States concerned and in the framework of regional arrangements or agencies.
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17. The decision by the competent United Nations organ to undertake fact- finding should always contain a clear mandate for the fact-finding mission and precise requirements to be met by its report. The report should be limited to a presentation of findings of a factual nature. 18. Any request by a State to a competent organ of the United Nations for the sending of a United Nations fact-finding mission to its territory should be considered without undue delay. III 19. Any request by a competent organ of the United Nations for the consent of a State to receive a fact-finding mission within its territory should be given timely consideration by that State. That State should inform the organ of its decision without delay. 20. In the event a State decides not to admit a United Nations fact- finding mission to its territory, it should, if it deems it appropriate, indicate the reasons for its decision. It should also keep the possibility of admitting the fact-finding mission under review. 21. States should endeavour to follow a policy of admitting United Nations fact-finding missions to their territory. 22. States should cooperate with United Nations fact-finding missions and give them, within the limits of their capabilities, the full and prompt assistance necessary for the exercise of their functions and the fulfilment of their mandate. 23. Fact-finding missions should be accorded all immunities and facilities needed for discharging their mandate, in particular full confidentiality in their work and access to all relevant places and persons, it being understood that no harmful consequences will result to these persons. Fact- finding missions have an obligation to respect the laws and regulations of the State in which they exercise their functions; such laws and regulations should not however be applied in such a way as to hinder missions in the proper discharge of their functions. 24. The members of fact-finding missions, as a minimum, enjoy the privileges and immunities accorded to experts on missions by the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations. Without prejudice to their privileges and immunities, members of fact-finding missions have an obligation to respect the laws and regulations of the State in the territory in which they exercise their function. 25. Fact-finding missions have an obligation to act in strict conformity with their mandate and perform their task in an impartial way. Their members have an obligation not to seek or receive instructions from any Government or from any authority other than the competent United Nations organ. They should keep the information acquired in discharging their mandate confidential even after the mission has fulfilled its task. 26. The States directly concerned should be given an opportunity, at all stages of the fact-finding process, to express their views in respect of the facts the fact-finding mission has been entrusted to obtain. When the results of fact-finding are to be made public, the views expressed by the States directly concerned should, if they so wish, also be made public 27. Whenever fact-finding includes hearings, appropriate rules of procedure should ensure their fairness.
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28. The Secretary-General should monitor the state of international peace and security regularly and systematically in order to provide early warning of disputes or situations which might threaten international peace and security. The Secretary-General may bring relevant information to the attention of the Security Council and, where appropriate, of the General Assembly. 29. To this end, the Secretary-General should make full use of the information-gathering capabilities of the Secretariat and keep under review the improvement of these capabilities. V 30. The sending of a United Nations fact-finding mission is without prejudice to the use by the States concerned of inquiry or any similar procedure or of any means of peaceful settlement of disputes agreed by them. 31. Nothing in the present Declaration is to be construed as prejudicing in any manner the provisions of the Charter.
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Strupp, Karl (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts, Band II, Gotha 1911. Strupp, Karl (Hrsg.), Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts I. Ergänzungsheft, Gotha 1912. Triepel, Heinrich (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapport de Droit international, Serie III, Band 1, Leipzig 1908. Triepel, Heinrich (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapport de Droit international, Serie III, Band 2, Leipzig 1909. Triepel, Heinrich (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapport de Droit international, Serie III, Band 5, Leipzig 1911. Triepel, Heinrich (Hrsg.), Martens Nouveau recueil général de traités, conventions et autres transactions remarquables, servant à la connaissance des relations étrangères des puissances et états dans leurs rapports mutuels, Serie III, Band 10, Leipzig 1921. Triepel, Heinrich (Hrsg.), Martens Nouveau Recueil Général de Traités et autres Actes relatifs aux Rapport de Droit international, Serie III, Band 14, Leipzig 1925. Sonstige Primärquellennachweise sind ausschließlich in den Fußnoten zu finden.
Stichwortverzeichnis Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle – Abkommen von 1899 47 ff. – Abkommen von 1907 104 ff. Anwendbares Recht im Rahmen von Untersuchungen 941 ff. Auswahl von Tatsachen im Rahmen von Untersuchungen 953 ff. Bedeutende Persönlichkeiten, Untersuchung des unnatürlichen Todes von 506 ff. Berichte von Untersuchungskommissionen 1011 ff. Besetzung von Untersuchungskommissionen 203 ff., 342 ff., 906 ff. Beweisstandard im Rahmen von Untersuchungen 965 ff. Bryan-Verträge 224 ff. – Entstehung und Inhalt 224 ff. – Untersuchungspraxis 229 ff. Declaration on Fact-Finding by the United Nations in the Field of the Maintenance of International Peace and Security 1060 ff. Dekolonialisierung, Untersuchungen im Kontext der 481 ff. Empfehlungen von Untersuchungskommissionen 342 ff., 1018 ff. Expertenregister der Vereinten Nationen für internationale Untersuchungen 1054 ff. Follow-up-Mechanismen zu Untersuchungen 1027 ff. Generalsekretär der Vereinten Nationen 359 f. Generalversammlung der Vereinten Nationen 354 f. Gewinnung von Informationen durch Untersuchungskommissionen 956 ff.
Haager Friedenskonferenzen 47 ff. – Erste Konferenz (1899) 47 ff. – Zweite Konferenz (1907) 104 ff. Haager System für international Untersuchungskommissionen 47 ff. Implied-Powers-Doktrin 365 f. Internationaler Gerichtshof 360 ff. Internationale Streitbeilegung, Untersuchungen im Rahmen der 47 ff., 242 ff., 1048 ff. Interventionsverbot 366 ff. Kompetenz zur Einsetzung von Untersuchungskommissionen – Generalsekretär 359 f. – Generalversammlung 354 f. – Internationaler Gerichtshof 360 ff. – Menschenrechtsrat/Menschenrechtskommission 362 ff. – Organe des Völkerbundes 252 ff. – Sicherheitsrat 355 ff. Kooperation zwischen Untersuchungskommissionen und betroffenem Staat 396 ff. Mandate von Untersuchungskommissionen 342 ff., 891 ff. Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht 530 ff. – Untersuchungen 531 ff. – Verhältnis zwischen 530 f. Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen 362 ff. Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 362 ff. Optional Rules über internationale Untersuchungskommissionen des Ständigen Schiedshofes 212 ff.
Stichwortverzeichnis Panel für Untersuchung und Vermittlung der Vereinten Nationen 1049 ff. Politische Dimension der Einsetzung von Untersuchungskommissionen 1042 ff. Politische Streitigkeiten, Untersuchung von 73 ff., 155 ff., 254 ff., 370 ff. Prozessuale Fairness/Verfahrensgerechtigkeit im Rahmen von Untersuchungen 888 ff. Quellenschutz im Rahmen von Untersuchungen 961 ff. Sekretariate von Untersuchungskommission 203 ff., 342 ff., 922 ff. Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 355 ff. Taft/Know-Schiedsverträge
220 ff.
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Untersuchungspraxis – der Kommissionen auf Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarung 73 ff., 155 ff., 229 ff. – der Kommissionen des Völkerbundes 254 ff. – der Kommissionen der Vereinten Nationen 370 ff. Vereinte Nationen 352 ff. Verfahrensordnung/Verfahrensregeln 975 ff. Völkerbund 251 ff. Vorrechte und Immunitäten von Kommissionsmitgliedern 926 ff. Wirkungen der Ergebnisse von Untersuchungen 203 ff., 342 ff., 1076 ff. Zeitgleiche Untersuchungen verschiedener Akteure 1025 ff.