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German Pages 334 Year 1987
DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG HEFT 92/II · 1987
Fritz Franzmeyer, Siegfried Schultz, Bernhard Seidel, Eirik Svindland und Joachim Volz
Industriepolitik im westlichen Ausland – Rahmenbedingungen, Strategien, Außenhandelsaspekte Band II: Länderberichte.
DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN
D E U T S C H E S I N S T I T U T FÜR
WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
gegründet 1925 als INSTITUT FÜR KONJUNKTURFORSCHUNG von Prof. Dr. Ernst Wagemann 1000 Berlin 33 (-Dahlem), Königin-Luise-Straße 5
VORSTAND Präsident Prof. Dr. Hans-Jürgen Krupp (Vorsitzender) Dr. h. c. Peter Lorenz • Dr. Siegfried Mann • Alois Pfeiffer Elmar Pieroth (stellvertr. Vorsitzender) • Dr. Otto Schlecht Kollegium der Abteilungsleiter* Dr. Oskar de la Chevallerie • Dr. Doris Cornelsen • Dr. Fritz Franzmeyer Prof. Dr. Wolfgang Kirner • Dr. Frieder Meyer-Krahmer • Dr. Reinhard Pohl • Dr. Peter Ring Prof. Dr. Werner Rothengatter • Dr. Horst Seidler • Dr. Hans-Joachim Ziesing KURATORIUM Vorsitzender: Dr. Dieter Hiss Stellvertretender Vorsitzender: Dr. Günter Braun Mitglieder Der Bundespräsident Bundesrepublik Deutschland Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bundesministerium für Forschung und Technologie Land Berlin Senator für Wissenschaft und Forschung Senator für Wirtschaft und Arbeit Senator für Verkehr und Betriebe Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Deutsche Bundesbank Deutsche Bundesbahn Bundesanstalt für Arbeit Wirtschaftsvereinigung Bergbau Christlich-Demokratische Union Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Freie Demokratische Partei Deutscher Gewerkschaftsbund, Düsseldorf Industriegewerkschaft Metall, Frankfurt a.M. Berliner Bank Aktiengesellschaft Berliner Pfandbrief-Bank Industriekreditbank Aktiengesellschaft — Deutsche Industriebank Berliner Industriebank Aktiengesellschaft Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft Elektrowerke Aktiengesellschaft Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Persönliche Mitglieder Dr. Karl-Heinz Narjes Werner Alfred Zehden * Präsident und Abteilungsleiter sind gemeinsam für die wissenschaftliche Leitung verantwortlich.
DEUTSCHES INSTITUT
FÜR
WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG
HEFT 92/11 • 1987
Fritz Frenzmeyer, Siegfried Schultz, Bernhard Seidel, Eirik Svindland und Joachim Volz
Industriepolitik im westlichen Ausland Rahmenbedingungen, Strategien, Außenhandelsaspekte Band II: Länderberichte
I
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DUNCKER & HUMBLOT • BERLIN
Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Königin-Luise-Str. 5, D-1000 Berlin 33 Telefon (0 30) 82 99 10 — Telefax (0 30) 82 99 12 00 BTX-Systemnummer * 2 99 11 # Schriftleitung: Dr. Reinhard Pohl Verlag Duncker & Humblot GmbH, Dietrich-Schäfer-Weg 9, D-1000 Berlin 41. Alle Rechte vorbehalten. Druck: 1987 bei ZIPPEL-Druck, Oranienburger Str. 170, D-1000 Berlin 26. Printed in Germany. ISBN 3-428-06143-8 (Gesamtausgabe) • 3-428-06144-6 (Band II)
Verzeichnis der Mitarbeiter (Länderberichte)
Verfasser: Fritz Franzmeyer (USA, Großbritannien) Bernhard Seidel (Japan, Italien) Eirik Svindland (Norwegen, Schweden) Joachim Volz (Frankreich, Belgien) Statistik: Christel Kumitz Inge Schweiger Willi Verkamp Text Verarbeitung: Heidrun Becker Michaela Engelmann Sibylle Kremser Technische Redaktion: Peter Engelbrecht Willi Verkamp Lektor: Reinhard Pohl
Dieses Buch basiert auf einem Forschungsauftrag des Bundesministers für Wirtschaft zum Thema: Strukturpolitische Konzeptionen für die Industrie im internationalen Vergleich - Auswirkungen auf Wirtschaftsstruktur und Außenhandel, Probleme einer kompensatorischen Subventionierung einzelner Wirtschaftszweige; Schwerpunktthema im Rahmen der Strukturberichterstattung. Das Forschungsvorhaben wurde im April 1986 abgeschlossen. Band I der Buchfassung enthält den Allgemeinen Teil der Forschungsergebnisse sowie einen Anhang mit den zugehörigen Tabellen und Übersichten. Band II umfaßt acht Länderberichte. Er wird zur besseren Einordnung der Länderkapitel mit einem Überblick über die wichtigsten Ergebnisse des Allgemeinen Teils eingeleitet.
3
Inhalt
Seite Band I (Allgemeiner Teil) im Überblick
5
Länderberichte USA
25
Japan
71
Vereinigtes Königreich
107
Frankreich
145
Italien
191
Belgien
225
Norwegen
253
Schweden
293
Sachwortverzeichnis
4
325
Band I (Allgemeiner Teil) im Uberblick
5
1. Der Begriff Industriepolitik wird entsprechend einem weit gefächerten Zielkatalog unterschiedlich verwendet. So kann es darum gehen, den Anteil eines Sektors - auch mit Hilfe gezielter Technologiepolitik - zu erhöhen, ihn am - zu raschen - Sinken zu hindern oder die Branchen besser aufeinander abzustimmen. In diesem Sinne ist Industriepolitik identisch mit einem Segment sektoraler Strukturpolitik. Industriepolitik gibt es aber auch ohne spezifisches Instrumentarium selektiver Steuerung. Angestrebt werden dabei die Verbesserung der Voraussetzungen für Innovation, Qualität und Service sowie Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Produktionsstruktur. Eine dritte Interpretation stellt auf die zentrale Rolle des Staates an den Faktor- und Gütermärkten ab. Daraus leiten sich Wirkungen auf die Struktur von Produktion und Beschäftigung her. Diese Untersuchung legt sich auf keine der Interpretationen von Industriepolitik fest, da das Anliegen darin besteht, die industriepolitischen Wirkungen möglichst vieler industrierelevanter Maßnahmen und Regelungen, unabhängig von Motivation und industriepolitischem Selbstverständnis, zu erfassen. 2. In der Debatte über Industriepolitik geht es neben der binnenwirtschaftlichen Rolle des Staates vor allem um deren Konsequenzen für das internationale Handelssystem. Häufig reagieren von ausländischer Industriepolitik betroffene Länder mit kompensierenden Maßnahmen. Dabei kann es zu einem eskalierenden Prozeß kommen. So wird Industriepolitik zu einem Gegenstand internationaler Verhandlungen. Absprachen haben meist nur empfehlenden Charakter. Selbst bindende Vereinbarungen auf EG-Ebene müssen nationalen Spielraum belassen, um Bestand zu haben. 3. Ob eine die heimische Industrie begünstigende Maßnahme wirklich einen Wettbewerbsvorteil begründet, hängt von den Reaktionen dieser Industrie ab. Dauerhafter Schutz kann die Vitalität eines Unternehmens entscheidend schwächen (Beispiele: US-Schiffbau, britische Automobilproduktion). Diese "Neutralisierung" von diskriminierenden Maßnahmen zur Erhaltung traditioneller Industrien in einer Welt der Konkurrenz wirkt bremsend auf den Subventionswettlauf. Anders ist es bei den wachstumsträchtigen
Hochtechnologiebereichen
- der
staatliche
Mitteleinsatz
nimmt hier meist stark zu; denn die komparativen Vorteile unterscheiden sich nur wenig. Zudem wird der Lebenszyklus vieler Hochtechnologieprodukte immer kürzer. Nur wer als erster am Markt ist, hat die Chance, den "pay-off 11 der hohen FuE-Investitionen über Monopolpreise zu schaffen.
6
Schließlich wird via Hochtechnologie Wissen angesammelt, das die Innovationskraft einer Volkswirtschaft hebt. 4. Auf Industriepolitik beruhende handelspolitische Spannungen treten vor allem im Verhältnis USA-Japan-Westeuropa auf. Die USA und Europa werfen Japan vor allem hohen informellen Einfuhrschutz sowie "industrial targeting 11 vor. Die USA werfen Europa wettbewerbsverzerrende Subventionierung und regulierungsbedingten Protektionismus vor. Europa wirft den USA vor, den Import von Stahl und Textilprodukten zu behindern und gleichzeitig diese Sektoren zu subventionieren. Überdies werde der Transfer hochwertiger Technologie, bis hin zur exterritorialen Rechtsanwendung, kontrolliert. Auch laufe das "public procurement 11 im militärischen Sektor auf eine interne Subventionierung ziviler Produktion hinaus. Japan wirft den USA sowie der EG vor allem mengenmäßige Beschränkungen vor. 5. Andererseits gelten Japan und die USA den Europäern, Europa und Japan den Amerikanern in vieler Hinsicht als Vorbild. So blickt Europa gebannt auf die wiedergewonnene Dynamik und überaus positive Beschäftigungsentwicklung der amerikanischen Wirtschaft. Kritiker eines marktwirtschaftlichen Radikalismus in den USA verweisen auf die stabilisierende Wirkung des Sozialschutzes in Europa sowie der guten ArbeitnehmerArbeitgeberbeziehungen in einigen Ländern Westeuropas und in Japan. Besonders in der Rezession zu Beginn der 80er Jahre galt amerikanischen Wirtschaftsforschern auch die konsensgetragene Unternehmenspolitik "aus einem Guß" ä la Japan als vorbildlich. 6. Die Bewertung der wechselseitigen Vorwürfe und Lobesbekundungen setzt eine genauere Kenntnis des jeweiligen wirtschafts-, industrie- und handelspolitischen Umfeldes und der Probleme in den drei Regionen voraus. In den Vergleich wurden die vier großen EG-Länder und Belgien sowie die USA, Japan, Norwegen und Schweden einbezogen. Im Hinblick auf das Gewicht des "modernen" Sektors bot nach Japan die Bundesrepublik das günstigste Strukturbild. Freilich ergeben sich wegen des hohen Aggregationsniveaus international vergleichbarer Zahlen hier Unschärfen. Eine differenziertere
Betrachtung anhand der ESVG-Daten für die EG-
Länder zeigt, daß in der Bundesrepublik und in Frankreich die "traditionelleren" Bereiche, insbesondere der Fahrzeugbau, im Vergleich zu den neuen High-tech-Bereichen, noch vergleichsweise kräftig expandiert haben. Hin7
gegen sind in Italien und Belgien gerade bei chemischen Erzeugnissen, der Produktion von Büromaschinen und EDV-Geräten sowie Kunststoffen starke Zuwächse zu verzeichnen. In Großbritannien waren die Chemie und der Büromaschinenbau neben der Nahrungs- und Genußmittelproduktion die einzigen Bereiche des verarbeitenden Gewerbes, deren Wertschöpfung im längerfristigen Durchschnitt überhaupt im Volumen zugenommen hat. 7. Im Zweifel dominiert bei "alten" Industrien die Verfahrensinnovation gegenüber der Produktentwicklung, und das Wachstumspotential ist bei traditionellen Verbrauchsgütern in Anbetracht nur verlangsamt steigender oder rückläufiger Bevölkerungszahlen begrenzt. Mit Ausnahme Japans ist daher die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in allen Ländern zurückgegangen, auch wenn vielfach die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt stieg. Die Beschäftigungseinbußen beschleunigten sich in der zweiten Hälfte der betrachteten Periode (1976-83) meist noch deutlich. Insgesamt ist der Anteil der alten Industrien an der Beschäftigung im verarbeitenden Sektor meist höher als bei der Produktion - Ausdruck der unterdurchschnittlichen Produktivität dieser Sektoren. In Japan ist die Beschäftigungsstruktur nach diesem groben Raster erstaunlich stabil geblieben; dies hebt sich krass gegen die Strukturdynamik bei der Produktion ab: zugunsten der modernen Industrien fand eine dramatische Verschiebung im Produktivitätsgefüge statt. Umgekehrt nahm in Italien im Vergleich zu der Stagnationstendenz
des Produktionsanteils der Altindustrie
Beschäftigungsanteil aufgrund erfolgreicher
deren
Rationalisierungsanstrengun-
gen deutlich ab. Im Unterschied zu den alten Industrien liegen bei den modernen Sektoren die Beschäftigungsanteile überall unter denen der Produktion. 8. Die Länder unterscheiden sich erheblich in ihrem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsniveau. Großbritannien, Italien und Japan waren 1983 (bei Preisen und Wechselkursen von 1975) gegenüber Norwegen, Belgien, Bundesrepublik, USA und Frankreich um etwa ein Drittel bis die Hälfte im Rückstand. Die USA rangieren erst an vierter Stelle. Bei diesem Niveauvergleich ist jedoch aus statistischen Gründen Vorsicht geboten. Aussagekräftiger für die Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist die Produktivität in der gewerblichen Erzeugung. Hier rangieren die USA hinter Belgien auf dem zweiten Platz, und Frankreich und Schweden übertreffen noch die Bundesrepublik, während sich der Rückstand Japans merklich, 8
derjenige Italiens leicht
verringert. Nur in Norwegen und
Großbritannien liegt die Produktivität des verarbeitenden Gewerbes noch unter der gesamtwirtschaftlichen. In beiden Ländern, vor allem aber in Norwegen, kommt hier die produktive Erdölförderung zum Tragen. Der große Vorsprung des verarbeitenden Gewerbes in Japan spiegelt dagegen die Konzentration aller Anstrengungen auf handelbare Industrieprodukte wider. 9. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes differiert die Sektorproduktivität in allen Ländern erheblich, am ausgeprägtesten in Japan und Belgien, am geringsten in Italien und den USA. Die Exportanstrengungen Japans konzentrieren sich auf wenige hochwettbewerbsfähige Produkte mittlerer und höherer Technologien, während die übrigen Bereiche im wesentlichen den heimischen Markt versorgen. Hier hat es die Auslandskonkurrenz vielfach auch bei geringen Zöllen schwer, Fuß zu fassen, da u.a. Distributionswege, Verbraucherpräferenzen, Qualitätsnormen, Serviceerfordernisse den Zugang beschränken. In den USA wurde trotz partieller Verkrustungen eine überdurchschnittlich hohe Produktivität bei geringer sektoraler Streuung erreicht. Im internationalen Vergleich ist aber das sektorale Einkommensniveau relativ zur Produktivität hoch und zeigt den starken externen Wettbewerbsdruck an. Die geringen sektoralen Unterschiede in Italien zeigen bei außerordentlich niedriger Produktivität einen erheblichen Umstrukturierungsbedarf, zumal das Lohnniveau weniger hinter dem der übrigen Länder zurücksteht als die Produktivität. In Norwegen dagegen sind die beobachteten Produktivitätsdiskrepanzen eher Ausdruck eines nicht gedeckten Umstrukturierungsbedarfs. Die Industrie Schwedens hat mit Wohlfahrtsstaat- und Lohnniveauproblemen zu kämpfen. In den Sektoren mit geringer Produktivität erfährt sie keine Erleichterung von der Lohnkostenseite. Zum Teil sind die Löhne dort sogar am stärksten gestiegen, wo die Produktivitätsfortschritte am geringsten waren. 10. Im Hinblick auf das sektorale Produktivitätsgefälle innerhalb des verarbeitenden Gewerbes rangiert die Chemische Industrie stets auf den vordersten Plätzen, mehrheitlich auch die Nahrungs- und Genußmittelindustrie; letzteres ist freilich im wesentlichen Ausdruck für die überall hohe Verbrauchsteuerbelastung der Bruttowertschöpfung. Die Textilindustrie, die Holzindustrie und die "sonstige" verarbeitende Industrie finden sich meist auf den hintersten Rängen. Die hohe Aggregation verbirgt mögliche Unausgewogenheiten innerhalb der Sektoren. Anhaltspunkte dafür liefern die Produktivitäts- und Einkommensgrößen, die für einzelne 9
EG-Länder aus der ESVG-Statistik ermittelt werden können. Für Italien sind die Produktivitätsunterschiede zwischen den einzelnen Zweigen des metallverarbeitenden Gewerbes recht beachtlich. 11. Empirisch ließ sich auf dem unumgänglich hohen Aggregationsniveau für den Zeitraum 1976 bis 1983 nicht bestätigen, daß rasche Produktivitätsfortschritte in einem Sektor dessen Wettbewerbsfähigkeit über Wachstumsimpulse besonders beschäftigungsfördernd stärken. In einzelnen Ländern war der Zusammenhang zwischen Produktivitäts- und Beschäftigtenentwicklung sogar eindeutig negativ. 12. In beschränktem Maße können die Subventionen Aufschluß über die sektorspezifische Interventionsintensität geben. Besonders hoch ist (1984) das Subventionsniveau mit 6 vH des BIP in Norwegen und mit 5 vH in Schweden, sehr niedrig ist es in den USA (0,6 vH). Allgemein erhält das verarbeitende Gewerbe nur einen kleineren Teil. In Japan sowie in Norwegen wurde mit der Nahrungs- und Genußmittelindustrie fast ausschließlich ein der Landwirtschaft nachgelagerter Bereich begünstigt. In Norwegen war aber trotz absolut geringer Beträge die Förderintensität auch in anderen wirtschaftsschwachen Bereichen relativ hoch. Breit gestreut ist die Subventionierung per Saldo in Belgien und Italien, wobei die Stützung in den Wachstumsbereichen oft höher ausfällt als in den von Schrumpfung bedrohten Bereichen. Dies gilt zum Teil auch für Großbritannien, hier sind aber die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Papiererzeugung und -Verarbeitung ebenfalls relativ hoch begünstigt. Am stärksten sektoral konzentriert sind die Subventionen in den USA, Japan und Schweden. Für das verarbeitende Gewerbe werden in den USA nur - geringe - Subventionen an die Metallverarbeitung (Schiffbau!) nachgewiesen. Besonders in Japan werden - außer der Nahrungs- und Genußmittelproduktion - mit dem Elektronikbereich und dem Luftfahrzeugbau gezielt Wachstumsbereiche unterstützt. Die Subventionsintensität ist freilich vergleichbar gering wie in den USA. In Schweden werden die Papiererzeugung und »Verarbeitung, mit geringen Beträgen auch die Metallverarbeitung und die Textilindustrie unterstützt. 13. Die Sektorstruktur
der Subventionszahlungen läßt insgesamt eine
Abstufung nach Ländern zwischen strukturkonservierenden, breit gestreuten und wachstumsorientierten Tendenzen erkennen. Dies korrespondiert nur zum Teil mit dem Umfang staatlicher Vermögensübertragungen an die 10
Unternehmen insgesamt oder mit den staatlichen Ausgaben für die FuEFörderung. Der Streubreite sektoraler Subventionierung entspricht insbesondere in Italien ein beachtlicher Umfang an Investitionszuschüssen - wichtigstes Instrument staatlicher Sektor- und Regionalpolitik. Aber auch in den übrigen EG-Ländern mit Ausnahme Frankreichs sind die Investitionszuschüsse nicht unbedeutend; für die anderen Länder liegen keine vergleichbaren Informationen vor. Die staatlichen FuE-Ausgaben fallen in den USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch in der Bundesrepublik vergleichsweise hoch aus. In Italien sind kräftig
sie besonders
gewachsen. In Japan zeigt der eher bescheidene öffentliche
Beitrag bei insgesamt hohen FuE-Aufwendungen die Zurückhaltung in bezug auf direkte fiskalische Incentives. Dafür sind in Japan die staatlichen Investitionen vergleichsweise hoch. Offenbar wird hier der Infrastruktur mehr Gewicht beigemessen als in anderen Ländern. 14. Für die industriepolitische Fragestellung erweisen sich viele Interventionsindikatoren als zu grob und hochaggregiert, und die Strukturindikatoren sind oft unscharf abgegrenzt, so daß entweder die Dynamik wichtiger Wachstumsbereiche verdeckt wird (z.B. Elektronikbereich in der Elektroindustrie oder im metallverarbeitenden Gewerbe) oder die Strukturprobleme bzw. die Anpassungsleistung schrumpfender Bereiche nicht zu erkennen sind. Die Analyse muß daher durch eine Untersuchung der industriepolitischen Ansätze und Strategien der einzelnen Länder ergänzt werden. Dem dienten industriepolitische Länderprofile für acht Konkurrenzländer der Bundesrepublik. In den USA gibt es keine Industriepolitik im engeren Sinne. Die Steuerung ist primär makroökonomisch. Unter der Administration Reagan soll vor allem die Privatinitiative gestärkt werden (Entregulierung). Starke technologische Innovationsschübe und sektorale Wirkungen ergeben sich aber aus den "major programs" und dem militärischen Beschaffungswesen. Die Firmen in diesem Bereich sind international hoch wettbewerbsfähig. Traditionelle Bereiche haben lange die Modernisierung versäumt. Das hohe Außenhandelsdefizit ist primär Ergebnis hohen Dollarkurses und konjunkturellen Vorlaufs. In Japan werden systematisch im Rahmen eines konsistenten Informations-
und Planungswesens, in das
Staat, Wirtschaft, Banken und Gewerkschaften eingebunden sind, sektorale Exportstrategien für standardisierte Hochtechnologieprodukte verfolgt. Der hohe informelle Einfuhrschutz bricht nur langsam auf. Der interne Technologietransfer ist gut organisiert. Die Konzentration der Exportdynamik auf bestimmte Bereiche macht Japan stark verwundbar gegenüber 11
bilateraler Retorsion, bei der jedoch großenteils Wettbewerbsstärke der japanischen Industrie mit diskriminierendem Verhalten verwechselt
wird.
In Großbritannien scheiterte die Erarbeitung und Umsetzung einer industriepolitischen Konzeption stets an erheblichen politisch-institutionellen und wirtschaftlichen Diskontinuitäten (scharfer wirtschaftspolitischer Gegensatz zwischen Labour und Konservativen, Wechsel zwischen Verstaatlichung und Privatisierung,
Wechselkurs-
und Strukturproblematik
des
Nordseeöls, Einbindung in das EG-Außenhandelsregime erst 1973). Die Industriepolitik war meist defensiv und führte zu erheblichen einzelwirtschaftlichen Wettbewerbsverzerrungen. Dies gilt zum Teil auch für Frankreich. Hier spielt im Rahmen des "Fili&re"-Konzepts die Hochtechnologieförderung staatlich gelenkter Konzerne eine besondere Rolle. Frankreich sucht hier stark die Kooperation auf europäischer Ebene - nicht ohne Führungsanspruch. Institutionell scheint das sehr komplexe System dem Ziel einer effizienten Verbindung aus Markt und Staat eher abträglich zu sein. In Italien war Industriepolitik jahrzehntelang vor allem defensive Beschäftigungspolitik, in deren Dienst die Konzernpolitik der beherrschenden Staatsholdings gestellt wurde. Das größte handicap war das starke Entwicklungsgefälle zwischen Nord und Süd, so daß Industriepolitik primär Regionalpolitik zu sein hatte. Die hohen Subventionen wirkten im Kontext des internationalen Handels stark diskriminierend. In jüngerer Zeit versucht Italien aber, durch intensivierte Technologieförderung die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. In Schweden war Industriepolitik ebenfalls überwiegend Beschäftigungspolitik - bei gleichzeitigem Versuch, den Wohlfahrtsstaat auch unter den ungünstiger gewordenen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erhalten. In einzelnen Sektoren (Schiffbau) reduzierte Schweden die Kapazitäten allerdings weit stärker als andere Länder. Die Mittel der schwedischen Industriepolitik waren vor allem die Regulierung der Gewinnverwendung, eine gut funktionierende Verzahnung von Industrie- und Regionalpolitik und die Steigerung der Exportkraft über reale Abwertungen der Schwedenkrone. Die abwertungsbedingte Diskriminierung der Auslandskonkurrenz war nur in einem kleinen Land möglich. In jüngerer Zeit betreibt auch Schweden eine offensivere, innovationsorientierte Strukturpolitik. In Belgien haben der starke Einfluß der multinationalen Unternehmen sowie die regionalen und gesellschaftspolitischen Probleme die Entwicklung einer kohärenten Strategie erschwert. Wichtigstes Merkmal der Industriepolitik, vor allem seit der Mitte der siebziger Jahre, sind die Beteiligungen des Staates an den Unternehmen in den sogenannten nationalen Sektoren (Stahl, Kohle, Textilien), jedoch dienten 12
die so erbrachten Subventionen zunehmend dem Abdecken von Defiziten, wobei Überkapazitäten nur langsam abgebaut wurden (Ausnahme Textilindustrie). In den letzten Jahren haben FuE-Investitionen deutlich zugenommen. In Norwegen war die Industriepolitik
wegen des Ölbooms von
dualistischem Charakter: Einerseits wurden inländische Zulieferer durch vielfältige staatliche Förderung am Ölboom beteiligt - eine High-techOffshore-Industrie entstand. Andererseits wurde ein Teil des Einkommens aus der Öl- und Gasgewinnung für die Erhaltung der schon vor dem Ölboom strukturschwachen, alten Industrien verwendet. Der Ölpreisverfall zieht ein ernstes Beschäftigungs- und Zahlungsbilanzproblem nach sich. 15. In bezug auf den Strukturwandel sind Hersteller von Investitionsgütern der Hochtechnologie mit vielseitiger Verwendbarkeit in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Nutzen sie ihre Wachstumschancen, so schaffen sie für freigesetzte Arbeitskräfte neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Zugleich ermöglichen sie den Anwendern Prozeßinnovationen oder eröffnen neue Tätigkeitsfelder. Der Elektronikbereich gehört dazu. Rasch wuchsen vor allem die informationstechnischen
Bereiche
- Datenverarbeitung,
Telekommunikation und elektronische Bauelemente - , und es ist zu erwarten, daß die Nachfrage hier weiter stark steigt. 16. Für die Innovationskonkurrenz sind Investitionen in die Forschung und Entwicklung unabdingbar. Tatsächlich sind sie im Hochtechnologiebereich besonders hoch. Sie entsprachen bei US-Herstellern von Büromaschinen und EDV-Geräten beispielsweise knapp 12 vH der Verkäufe, bei Herstellern von Fernmeldegeräten und elektronischen Bauteilen zusammen rd. 11 vH, während die Relation im Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes nur 2,4 vH, im Nahrungsmittelbereich sogar nur 0,2 vH betrug. Auch in Japan wurden 1983 in der Elektrotechnik sowie in der Elektronik und EDV mit 4,2 bzw. 4,7 vH des Umsatzes im Vergleich zum gesamten Unternehmensbereich (1,8 vH) überdurchschnittlich hohe FuE-Ausgaben gemacht. Für die Halbleiterproduktion reichten sie in Japan sogar bis zu 20 vH, was die amerikanischen Hersteller Ende der 70er Jahre veranlaßte, ihre Ausgaben bis 1982 auf mehr als 12 vH zu steigern. Auch in den europäischen
Ländern
wurde
in
den
technologieintensiven
Branchen
- Elektrotechnik, Fahrzeugbau sowie Büromaschinen und EDV - überdurchschnittlich
viel für
FuE-Aufwendungen
ausgegeben, die
Quoten
waren Anfang der 80er Jahre durchaus mit denen der USA vergleichbar und übertrafen im Branchendurchschnitt in der Regel jene Japans. 13
17. Lizenzverträge erlauben i.d.R. nur die Versorgung eines regional und mengenmäßig begrenzten Marktes, wenn sie nicht ohnehin der
Eigenver-
sorgung dienen. Die Expansionsmöglichkeiten sind insofern bei Eigenentwicklungen größer. Gerade in der Mikroelektronik ist mit den hochintegrierten Chips, die sehr viele Funktionen zusammenfassen oder hohe Speicherkapazität haben, die Produktion von Bauelementen stärker anwendungs- bzw. kundenorientiert geworden. Dies hat die vertikale Integration von Chip-Herstellern und Anwendern gefördert. Für unabhängige Produzenten elektronischer Bauteile sowie für bloße Anwender könnten sich daraus Nachteile ergeben: Es wird schwieriger, im so begrenzten Markt Losgrößenvorteile zu realisieren. Nachfrageschwankungen wie starke Preisbewegungen treffen sie härter; das finanzielle Risiko von FuE ist höher. So haben die führenden Chip-Hersteller in den Jahren 1984 und 1985 unter Absatzeinbußen und starkem Preisverfall leiden müssen. 18. Die Elektronik wird in den meisten Industrieländern staatlich gefördert. Für Japan resultiert die FuE-Politik aus der konsequenten Verlagerung des industriepolitischen Schwergewichts auf Bereiche mit geringem spezifischen
Rohstoffeinsatz
und hohem Anteil an hochqualifizierten
Arbeitskräften. Die unternehmerische Konzeption besteht ähnlich wie bei anderen Produkten in der Vergangenheit bislang darin, sich auf die großen Marktsegmente für standardisierte Produkte zu konzentrieren. In den USA stehen bei der Hochtechnologieförderung verteidigungspolitische Aspekte im Vordergrund. Miniaturisierung der Bauelemente, Steigerung der Speicherfähigkeit und der Geschwindigkeit bei der Informationsverarbeitung dienen der Raumfahrt sowie der Entwicklung von militärischen Systemen. Zudem strengen sich die USA heute an, ihre Hersteller gegenüber der japanischen Konkurrenz, die sie bei vielen Elektronikprodukten in den achtziger Jahren aus der Führungsposition verdrängt hat, zur Rückeroberung von Marktanteilen zu befähigen. In Europa, insbesondere in Frankreich und - zeitweise - in Großbritannien, wird in der Dominanz der USHersteller ein Versagen des heimischen Marktes gesehen; sie habe verhindert, daß eine wettbewerbsfähige Elektronikindustrie entstehen konnte, weil die Risiken für Newcomer bei eigener technologischer Entwicklung unkalkulierbar hoch gewesen seien. Aufgrund schlechter Erfahrungen mit Lieferbeschränkungen seitens der USA wurde die Abhängigkeit vom Ausland nicht akzeptiert. Die Förderung des EDV-Bereichs sollte den Herstellern ermöglichen, die Basis für eine effiziente Produktion zu finden und ihren Rückstand aufzuholen. Aus EG-Sicht werden vor allem die Koordi14
nierung der Förderung, die Kooperation von Herstellern verschiedener Länder und die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für erforderlich gehalten. 19. Es ist nicht möglich, die staatliche Förderung der jeweiligen Elektronikindustrie vollständig zu erfassen und einheitlich zu bewerten. Der Umfang der Grundlagenforschung und angewandten Forschung in staatlichen oder unabhängigen, staatlich finanzierten Institutionen oder in der militärischen Forschung spielt hier sicherlich eine ebenso wichtige Rolle wie die staatliche Beschaffungspolitik, wie Regulierungen, Konzentrations-, Wettbewerbs- oder Außenhandelspolitik. 20. In den USA hatten die staatliche Nachfrage - im wesentlichen aus militärischen Gesichtspunkten - sowie die entsprechende FuE-Förderung in der Nachkriegszeit den entscheidenden Einfluß auf den frühzeitigen, raschen Aufbau einer Datenverarbeitungsindustrie.
Durch diesen Vor-
sprung wurde die weltweite Marktführerposition amerikanischer Computerhersteller begründet, die zumindest bei Mainframes auch heute noch besteht. Die Halbleiterindustrie wurde in gleicher Weise stimuliert. Inzwischen ist die japanische Konkurrenz hier groß geworden. Erhebliche stimulierende Wirkungen auf den Elektronikbereich dürften vom SDIProgramm zu erwarten sein, für das von 1986 bis 1990 rd. 26 Mrd. US-$ zur Verfügung gestellt werden und in dessen Rahmen auch Hochleistungscomputer entwickelt werden sollen. Wettbewerbspolitisch war die Förderung der Elektronikindustrie eher darauf angelegt, die Konkurrenz
im
Inland zu beleben. Zum Schutz der heimischen Elektronikindustrie gegenüber ausländischen Anbietern wurde in Einzelfällen zu Außenhandelsrestriktionen gegriffen. Darüber hinaus drängt die amerikanische Regierung andere Länder zum Abbau von Einfuhrbeschränkungen. 21. Die Importsteuerung war in Japan bis Mitte der 60er Jahre der Kern des industriepolitischen Instrumentariums. Das öffentliche Auftragswesen spielt hier kaum eine Rolle. Das Hauptgewicht der Maßnahmen zugunsten der Elektronikindustrie liegt auf einer breit gefächerten FuE-Förderung und auf der Unterstützung von Mikroelektronikanwendungen.
Zu den
laufenden Projekten zählen sowohl die Entwicklung der fünften Computergeneration, von Höchstgeschwindigkeitscomputern für wissenschaftliche Zwecke, von Halbleiterelementen mit hoher Speicherkapazität sowie von opto-elektronischen Meß- und Kontrollsystemen. Wichtige Impulse für die 15
heimische Markterschließung gehen von den Maßnahmen zur Verbreitung der neuen Technologien aus. Wenn auch das Förderspektrum breit ist, so ist doch der finanzielle Umfang insgesamt geringer als häufig im Ausland beargwöhnt. 22. Die Verbreitung der Mikroelektronik im Unternehmensbereich wird auch in der Bundesrepublik gefördert. Der Schwerpunkt liegt auf der Anwendung dieser Technologie bei FuE-Vorhaben für neue oder verbesserte Produkte, womit vor allem das Innovationspotential kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden soll. Darüber hinaus werden FuEProjekte in der Herstellung elektronischer Bauelemente, der elektronischen Datenverarbeitung sowie der industriellen Automation finanziell unterstützt. Die Programme sind für die Zeit von 1984 bis 1988 angelegt und haben einen - geplanten - Gesamtumfang von rd. 2,5 Mrd. DM. Die Fördermittel kommen freilich nicht alle direkt den Unternehmen zugute, sondern dienen auch der Projektforschung in unabhängigen Forschungseinrichtungen, zum Teil ist auch die Kooperation zwischen Industrie und Forschungsinstitutionen vorgesehen. 23. Konzeptionell und instrumenten geht die Förderung der Elektronik in Frankreich über den in der Bundesrepublik verfolgten Ansatz hinaus. Charakteristisch für das französische Programm ist der integrative Ansatz (''filière électronique"). Dieser Ansatz ergibt sich nach französischer Auffassung zwingend aus der Schlüsselfunktion der vielseitig verwendbaren, indes weitgehend homogenen Mikroelektronik-Technologie
selbst,
deren zentraler Bestandteil die elektronischen Bauelemente bilden. Sowohl die Entwicklung von Gütern der Haushaltselektronik - insbesondere Videogeräte, elektronische Spiele, Heiminformationssysteme - als auch FuE von elektronischen Bauelementen (einschließlich neuen Fertigungstechniken) sowie von Zentraleinheiten für mittlere oder kleine Computer sollen vorangetrieben werden; darüber hinaus ist der Ausbau der Kommunikationsnetze ebenso einzubeziehen wie software-intensive Projekte von rechnergestütztem
Lernen, Übersetzen und Entwerfen.
Bestandteil im Instrumentarium Umstrukturierung schlagkräftige
Ein wichtiger
für das Elektronik-Programm
der Industrie mit dem Ziel, einzelne
Unternehmenseinheiten
- nationale
spezialisierte
"Champions" -
schaffen, die der ausländischen Konkurrenz standhalten können.
16
ist die zu
24. Die Philosophie der nationalen Champions lag eine Zeitlang auch der Förderung in Großbritannien zugrunde. Hier wurde vor allem International Computers Ltd. unterstützt, und zwar durch FuE-Förderung, öffentliche Beschaffung und andere Maßnahmen. Die britische Industriepolitik der achtziger Jahre ist freilich
weniger "aus einem Guß", sondern eher
diskretionär und unkoordiniert. Dabei lassen sich gleichwohl vier Schwerpunkte erkennen: Die Unterstützung von FuE sowie der Herstellung von elektronischen Bauelementen, das Programm zur industriellen Anwendung von Mikroelektronik (MAP-Microprocessor Applications Project), die Förderung von CAD/CAM-Entwicklungen und schließlich die Förderung der Roboterproduktion. Insgesamt wurden die industriepolitischen Bemühungen zum Aufbau einer konkurrenzfähigen britischen Elektronikindustrie eher zu spät ergriffen und zu knapp dosiert. 25. In Italien waren die öffentlichen
Aufwendungen für
FuE-Zwecke
zunächst ähnlich unbedeutend. Eine deutliche Steigerung seit Ende der 70er Jahre und der konzentrierte Einsatz zur Verbesserung der industriellen Produktivität und Technologie - insbesondere in den Bereichen der Elektronikanwendung - haben jedoch dazu geführt, daß die italienische Forschungsförderung eine Größenordnung erreicht hat, die mit Frankreich und der Bundesrepublik durchaus vergleichbar ist. Die Existenz eines Plans zur Entwicklung und Umstrukturierung der Elektronikindustrie als Folge der auf dem Gesetz 675/77 basierenden Strukturpolitik darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Maßnahmen nach wie vor
vielfach
unabgestimmt und diskretionär sind. Für einzelne Projekte der Halbleiterindustrie und der EDV wurden Fördermittel vom Innovationsfonds bereitgestellt. Für die Mikroelektronik
wurde
im Oktober 1985 ein FuE-
Förderprogramm verabschiedet, das mit 96 Mrd. Lire für 7 Jahre ausgestattet werden soll. Zur nationalen Förderung der Elektronikindustrie kommt auf europäischer Ebene noch eine supranationale
Komponente
hinzu (in der EG: ESPRIT, RACE, BRITE; in weiterem Rahmen auch Eureka). 26. Die warengruppenspezifischen Außenhandelsströme und Salden offenbaren
länderspezifische
Probleme
im
Industriegüterhandel.
Mit
den
schärfsten Problemen haben zur Zeit die USA zu kämpfen. Sie haben sich nur bei chemischen Erzeugnissen, Maschinenbauerzeugnissen sowie Büromaschinen und EDV-Geräten als Nettoexporteure behaupten können. Bei Textilien wurden sie von Japan und den Schwellenländern, aber auch von 17
einigen europäischen Ländern bedrängt, bei Automobilen von Japan und der Bundesrepublik, bei Eisen und Stahl nach wie vor von Japan, europäischen Anbietern sowie einigen Schwellenländern. Während aber in diesen Produktgruppen eine defensive Einfuhrpolitik nicht mit eigenem starken Exportehrgeiz kollidiert, muß das Land zögern, dem mittlerweile starken japanischen Druck bei Maschinen, EDV- und nachrichtentechnischen Geräten entsprechend zu begegnen, da es hier selber als Exporteur auf die liberale Einfuhrpolitik anderer Länder angewiesen ist. Daß die Europäer im Bereich Büromaschinen und Datentechnik trotz enorm hoher Einfuhrsteigerung noch nicht protektionistischer vorgegangen sind, hängt einmal damit zusammen, daß sie hier durchaus - wenngleich z.T. durch Kredithilfen unterstützt - auch Exporterfolge
haben, zum anderen aber auch
damit, daß sie auf der Anwenderseite zur Verbesserung ihrer Produktivität und zur Unterstützung ihrer Innovationsbemühungen auf den technisch hohen Standard der Importe aus den USA und Japan angewiesen sind. Maßnahmen haben die westeuropäischen Industrieländer
vor allem in
schrumpfenden oder schwach expandierenden Bereichen ergriffen,
wo
Einfuhr und dadurch erzwungene Rationalisierung zu starkem Beschäftigungsabbau geführt haben. Mit besonderen Problemen haben Großbritannien und Norwegen zu kämpfen, wo der ölbedingt überhöhte Wechselkurs fast alle Bereiche des verarbeitenden Gewerbes in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt hat, so daß mit spezifischen handelspolitischen Maßnahmen wenig auszurichten wäre. 27. Die Reduzierung von Zöllen gab den nicht-tarifären Handelshemmnissen automatisch mehr Gewicht. Deren Vielfalt leistete - insbesondere in den USA - zudem der Sorge Vorschub, ausländische Konkurrenten erlangten unangemessene Vorteile. Die Stahlindustrie in alten Industrieländern ist seit längerem unter erhöhtem Druck. Die EG präferiert Produktionsquoten, Preisvorgaben und bilaterale Selbstbeschränkungsabkommen. Das damit kontrollierte Importvolumen beträgt derzeit etwa vier Fünftel der EG-Stahleinfuhr. In den USA wurden ab 1982 insbesondere Wünsche nach Kompensationsmechanismen gegenüber der EG laut. Die Entwicklung der Kraftfahrzeugindustrie
wird aufgrund ihres Gewichts in den größeren
Industrieländern in aller Regel durch Abwehr japanischer Importe im Kleinwagen- und Mittelklassebereich handelspolitisch flankiert. In der EG werden Kraftfahrzeugimporte aus Japan nach mehrjähriger Überwachung seit 1983 im Rahmen eines Exportselbstbeschränkungsabkommens gedrosselt. In den USA entsprach die Trade Commission dem bereits Mitte 1980 18
vorgebrachten Ruf der Hersteller nach mehr AuGenschutz nicht. Der Kongreß schuf aber schließlich doch die legislative Grundlage für eine offizielle Importdrosselung, auf die die japanische Regierung im Frühjahr 1981 mit 'freiwilliger' Selbstbeschränkung für vier Jahre antwortete. In Japan veranlaßten die Beschränkungsabkommen die Hersteller, sich auf höherwertige Produktgruppen zu verlegen. Eine andere Form der Anpassung bestand in verstärkten japanischen Direktinvestitionen in den betreffenden Absatzgebieten. Im Bereich Textil und Bekleidung unterwarf die EG
während
der
Ausgestaltung
des
jüngsten
Multifaserabkommens
(MFA III) herausragende Anbieter zusätzlichen Beschränkungen. Auch traf sie Vorkehrungen für den Fall rascher Importzunahme im Rahmen unausgenutzter Quoten ("anti-surge mechanism11). Auch für die USA ist der Trend unverkennbar, daß bilaterale Abkommen unter dem Schirm von MFA III weiter reichen als bei dem Vorläufer. Anders ist die Ausgangslage in der Elektronikindustrie. Die bevorzugten protektionistischen Instrumente sind Exportselbstbeschränkungen (Unterhaltungselektronik) sowie diskriminierende Vergabe öffentlicher Aufträge (Telecom-Ausrüstung). Im Rahmen des jüngsten von der EG mit Japan ausgehandelten Exportbeschränkungsabkommens unterliegen Videorecorder einer mengenmäßigen Beschränkung und einem Mindestpreisregime; die Einfuhr von Farbfernseher-Röhren wird im Wege der Kontingentierung kontrolliert. 28. Im Rahmen der COCOM-Regelung gibt es von amerikanischer Seite in letzter Zeit verstärkte Anstrengungen, die Ausfuhrkontrollen für strategisch wichtige Erzeugnisse zu verschärfen. Auch wurden die COCOMListen revidiert und der Druck auf westliche Nicht-COCOM-Staaten mit dem Ziel verschärft, den Transfer von US-Technologie deutlicher einzugrenzen. Anfänglich bezog sich diese Erweiterung auf Hochleistungscomputer und Roboter. Neu ist der Einschluß von Informationen über Fertigungsprozesse bei sensiblen Erzeugnissen, von bestimmten
Software-
Paketen, Technologien zur Herstellung integrierter Schaltkreise sowie digitalen Kommunikationssystemen. Die handelspolitischen Interessen der Partnerländer werden vor allem berührt, wo zwischen ziviler und militärischer Verwendung objektiv keine klare Linie gezogen werden kann und wo die Benutzung von als strategisch relevant eingestuften Bauelementen in komplexen Anlagen automatisch den Zwang zur Erlangung von Reexportlizenzen seitens des US-Handelsministeriums für die komplette Anlage auslöst.
19
29. Im Rahmen ihrer Exportförderung kennen alle wichtigen Industrieländer staatliche Garantie- und Versicherungssysteme. Ein Vergleich von sechs wichtigen Exportländern zeigt starke Übereinstimmung.. Differenziert ist nur die Deckung des Wechselkursrisikos. Ein gewisses Konditionengefälle zugunsten der Bundesrepublik besteht bei der Behandlung von veränderten Länderrisiken und von Kostensteigerungen, beim "protracted default" sowie bei der Höhe der Prämien und des Selbstbehalts. Im Rahmen der Gewährung von Exportfinanzierungshilfen zeigen Japan und die USA eine deutliche Präferenz für direkte Kreditgewährung aus öffentlichen Mitteln. Mischformen finden sich in der Bundesrepublik, Frankreich, Italien und Großbritannien. Die durchgreifende Finanzierung von Exportgeschäften konzentriert sich auf Entwicklungs- und Staatshandelsländer. Eine spezielle amerikanische Variante der Ausfuhrförderung, die partielle Körperschaftsteuerbefreiung im Rahmen einer "Domestic International Sales Corporation 11 (DISC) ist im GATT auf Widerspruch gestoßen. Inzwischen hat die US-Regierung die Regelung modifiziert, indem sie "Foreign Sales Corporations" mit Sitz im Ausland begünstigt. 30. Auch im Zeichen der weltwirtschaftlichen Erholung der letzten Jahre hat der GATT-inkonforme Protektionismus
nicht an Stärke verloren.
Allerdings gab es auch erfolgreiche gegenläufige Anstrengungen. Dazu zählt in den USA die Zurückweisung neuer Schutzbegehren (z.B. bei Werkzeugmaschinen) wie die Abschaffung bzw. Senkung von Importbarrieren (z.B. für Farbfernseher, Fußbekleidung und CB-Radios). Die EG lehnte neue Begehren zum Schutz vor Schuhimporten ab, und sie hat vereinbarte Zollsenkungen ein Jahr vor der Zeit verwirklicht. Japan überraschte mit immer neuen Liberalisierungsofferten.
Der wichtigste Schritt war die
Vereinfachung von technischen Anforderungen im Rahmen der Tests, denen ein neu eingeführtes Produkt unterzogen werden muß. Die Öffnung des japanischen Marktes ist aber nach wie vor sehr begrenzt. Die GATTRegeln verbieten protektionistische Maßnahmen nicht kategorisch. Die Ausnahmeregelungen sollen dem System Elastizität verschaffen, die allerdings im Falle des MFA ins Gegenteil umschlug. Der gravierendste Verfall des Regelwerks ist die zunehmende Umdeutung von "Reziprozität". Entworfen zur gegenseitigen Marktöffnung, ist dieses Prinzip im Begriff, zu einem Instrument der Vergeltung transformiert zu werden. Vor allem die USA sehen in ihrer weit entwickelten Reziprozitäts-Gesetzgebung einen Hebel, auswärtiger Industriepolitik wirksam zu begegnen.
20
31. Versucht man, Lehren aus der Industriepolitik des Auslandes für die Bundesrepublik und die EG zu ziehen, so ist zunächst festzuhalten, daß es einen industriepolitischen "Königsweg" nicht zu geben scheint. Vielfach sind die einzelnen Politikelemente schlecht miteinander verzahnt. Mitentscheidend ist auch das Maß an gesellschaftlichem Konsens. Der Mangel an schlüssigen Wirkungsanalysen ermöglicht es, Erfolge
im Ausland und
eigene Schwächen vor allem dortigen Maßnahmen und Regelungen zuzuschreiben. Freilich gibt es auch Autoren, die die Wirkungen von Industriepolitik auf die binnenwirtschaftliche Leistung und die Außenwirtschaft durch selektive Darstellung von "failure stories" pessimistisch einfärben. Angesichts historischer, gesellschaftlicher, institutioneller und politischer Bedingtheit der nationalen Industriepolitiken sind nicht komplette "Erfolgsrezepte", sondern allenfalls Einzelelemente übertragbar. Für die Beurteilung eines derartigen Elementes ist es wichtig zu beachten, daß eine nationale Industriepolitik im europäischen Rahmen manchmal den Versuch darstellt, die multinationale Handelspolitik der EG zu ersetzen bzw. zu umgehen. 32. Der amerikanische Weg ist kein "industriepolitischer" Weg im engeren Sinne. Beachtlich ist vor allem die beschäftigungspolitische Absorptionskraft der US-Wirtschaft. In den 70er Jahren war sie z.T. die Kehrseite relativ langsamen Produktivitätsfortschritts.
Aber auch die Gründung
neuer, meist kleiner Unternehmen spielt eine große Rolle. Der Drang zur Selbständigkeit entspringt zum Teil dem geringen
Arbeitslosenschutz.
Hinzu kommen weitere, kaum übertragbare Determinanten in den USA: die positive Einstellung zu persönlichem Wagemut und dessen Honorierung durch Risikokapitalgeber. In der Regulierungsfrage bestehen zwischen beiden Kontinenten erhebliche institutionelle Unterschiede. Dies schließt nicht aus, hierzulande in vielen regulierten Bereichen mehr Marktelemente einzuführen: Verkehr, Versorgungs- und Entsorgungsbetriebe, Post und Telekommunikation. Zum Teil kann der Wettbewerb durch Liberalisierung im EG-Rahmen intensiviert werden: Versicherungswirtschaft, freie Berufe, Verkehr und Kommunikation. Im Umweltschutz wird der Regulierungsbedarf noch zunehmen. Dem Verursacherprinzip sollte mehr Rechnung getragen werden. Dabei können nach US-Vorbild verstärkte Anreize, verbunden mit einer Politik vorab verkündeter Verschärfung der Standards, wirtschaftlich, technisch und ökologisch sinnvoll sein. Nicht nachahmenswert ist die amerikanische Kompetenzzersplitterung und Ad-hocVorgehensweise in der Subventionspolitik, wenngleich sie in Europa z.T. 21
auf höherem Ausgabenniveau ihre Parallele hat. Sie begünstigt Interessenpolitik und macht unternehmerischen Bürokratieaufwand so unverzichtbar wie lohnend. 33. Dagegen muß sich die Bundesrepublik bemühen, in der Effektivität ihrer Forschung und Entwicklung mit den USA gleichzuziehen. Mangel herrscht noch an einer den Technologietransfer beschleunigenden Kommunikations- und Informationsstruktur, an hochentwickelten Techniken der Risikoevaluierung sowie an Fachkräften. Da eine Standardisierungsstrategie nach japanischem Vorbild weder der Nachfragestruktur
noch der
Unternehmensstruktur noch dem gesamten Entwicklungsstand der Bundesrepublik entspricht, ist im Mikroelektronikbereich einerseits die Ausrichtung
auf
CAD/CAM-Anwendungen
zur
individuellen
und
gleichwohl
kostengünstigen Produktentwicklung konsequent und dem französischen Konzept der "filières électroniques" überlegen, das strengere Festlegungen und die Minderung des internen Wettbewerbs impliziert. Andererseits ermöglicht das französische Konzept einen besseren Dialog zwischen Herstellern, Anwendern, Wissenschaft und staatlichen Planungsinstanzen. In den USA ist dieser Dialog vor allem durch die Zusammenarbeit im Rahmen großer, meist militärischer
Programme gewährleistet. Dabei
fallen zivile Anwendungen ab. In der Bundesrepublik sind diese Möglichkeiten begrenzt. Deshalb sollten von vornherein bedarfsorientierte zivile Programme aufgelegt
werden. Auch sind der Technologiezugang und
Technologieexport bei zivilen Projekten keinen Beschränkungen unterworfen. Schließlich kann über höhere innereuropäische Zielkonkordanz mehr Kooperationspotential erschlossen werden. 34. Bei Großprojekten müßten die FuE-Ressourcen mehr auf europäischer Ebene gebündelt werden. Allerdings funktioniert die marktnahe Zusammenarbeit hier nach aller Erfahrung nur, wenn kein Inter-Firmen-Wettbewerb der Beteiligten stattfindet und die Erträge damit annähernd gleich auf die beteiligten Länder verteilt sind. Bei marktnahen "single-source"Großprojekten dieser Art besteht die Gefahr der Fehlbeurteilung. Es ist nicht ausgemacht, daß sich bisher als positiv geltende Beispiele auf längere Frist nicht ebenfalls als Fehlplanungen erweisen, weil in Anbetracht hoher mindestoptimalen Betriebsgrößen der Weltmarkt schon bei wenigen Anbietern äußerst eng wird. Sicherer ist es, sich auf Produkte zu konzentrieren, für die bereits der EG-Binnenmarkt ergiebig genug wäre. Dies setzt indes weitestgehende Integration der öffentlichen Beschaf22
fungsmärkte in der EG voraus. Das gilt vor allem für den Telekommunikationsbereich, das Verkehrswesen und den Rüstungskomplex. Mit ihrem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes (1985) strebt die EG-Kommission die Integration dieser Märkte bis 1992 an. Als Begründung eines "europäischen Technologieraums" reicht es jedoch nicht aus. U.a. müßte man sich auch auf gemeinsame technische Normen, Meß- und Prüfverfahren, insbesondere für neue Produkte, einigen. Die EG-Kommission setzt nunmehr vor allem auf eine gegenseitige Anerkennung nationaler Normen, wobei sich die besseren schon durchsetzen würden. Soweit es sich indes um Kompatibilitätsprobleme handelt, muß eine integrierte Entscheidungsstruktur entstehen, die gemeinschaftsweit geltende Resultate Allerdings
zeitigt.
würde in einem echten EG-Binnenmarkt die Marktauslese
stimuliert. Dies führte zugleich zu erhöhter Unternehmenskonzentration. Das muß jedoch keine verschärften Abhängigkeiten der Konsumenten begründen: Je wettbewerbsstärker europäische Unternehmen sind, desto liberaler ist im Zweifel die Einfuhrpolitik. Die Käufer erhalten also zum Teil erst dann Wahlmöglichkeiten, wenn wettbewerbsfähige europäische Unternehmensstrukturen vorliegen. Jüngste Erfahrungen im Bereich Elektronik (4 Megabit-Speicher) lassen erkennen, daß die Förderung auf einer noch weiter
vorgelagerten Stufe ansetzen sollte. Auch muß sie auf
Bereiche konzentriert werden, in denen Westeuropa entweder führend ist oder nicht weit zurückliegt. Dazu zählen z.B. die Opto-Elektronik, Software-Entwicklungen, erneuerbare Energiequellen oder Nischen in Bereichen, in denen die Entwicklungsstränge weniger "hierarchisch" sind, wie Biotechnologie und neue Werkstoffe. 35. Nur in Einzelelementen übertragbar ist das japanische Erfolgsrezept: innerbetriebliche
Schwachstellenanalyse
(Qualitätszirkel),
Verbreitung
neuer Technologien, gründliche Analyse der Auslandsmärkte, intensive Vorbereitung auf die "after-sale"-Phase, Produktqualität als vorrangiger Wettbewerbsparameter,
rechtzeitige
Kapazitätsanpassung.
Gefährlich
wäre hingegen die Festlegung auf eine kleine Zahl besonders zu fördernder Exportprodukte. Dies erhöht die Branchenkonjunkturanfälligkeit und die Verwundbarkeit durch bilaterale Vergeltungsmaßnahmen. Es entspräche auch nicht der vorherrschenden Unternehmensstruktur der Bundesrepublik. Lehrreich an der britischen Industriepolitik sind die negativen Erfahrungen mit der Allgegenwart des Staates im produktiven Sektor, mit einem zersplitterten Gewerkschaftswesen und einem elitären Bildungssystem. Positiv zu werten ist die bewußte technologische Kooperation mit D r i t t 23
ländern, die die britische Regierung nicht im Widerspruch
zu einer
europäischen Zusammenarbeit im Unternehmensbereich sieht. Die Franzosen scheinen sich des Potentials europäischer Zusammenarbeit stärker bewußt zu sein als die Deutschen. Im Technologiebereich kommt es Frankreich vor allem auf eine "verhandelte" Beteiligung an. Vom französischen Modell ist speziell die Konzentration auf wenige Hochtechnologiebereiche nicht nachahmenswert für die Bundesrepublik mit ihren innovativen Mittelbetrieben und ihrem breiten Fächer an "Mechatronik"-Produkten. Ausgesprochene Negativbeispiele sind die italienische und die belgische Industriepolitik. In Belgien ging die - durchaus erfolgreiche - Umstrukturierung der Textilindustrie letztlich zu Lasten der europäischen Konkurrenten. An der norwegischen Industriepolitik werden vor allem die Gefahren der "Subventionierung" einer ganzen Volkswirtschaft aus Zufallserträgen von begrenzter Reichweite (Ölgewinnung) deutlich, die durch starke Interessenverflechtung von Politik, Wirtschaft und Arbeitnehmerverbänden (Mischverwaltung, korporativer Pluralismus, Verhandlungswirtschaft) noch begünstigt wurde. Aufmerksam beobachtet werden sollte, ob die staatliche Forschung zugunsten von Klein- und Mittelunternehmen die ausgeprägte Monostruktur mildern wird. Am schwedischen Modell beeindruckt, daß die Unternehmen bereit sind, für ihre eigene Belegschaft individuell beschäftigungspolitische Verantwortung zu übernehmen, aber sicher sein können, daß ihnen der Staat Wettbewerbsnachteile weitgehend ausgleicht. Kaum vorbildlich ist aber das hohe Maß an Regulierung der Gewinnverwendung. 36. Ob die Bundesregierung auf Subventionsmaßnahmen des Auslandes mit Gegensubventionen und/oder einfuhrhemmenden/ausfuhrfordernden
Maß-
nahmen reagieren sollte, läßt sich nicht ein für allemal beantworten. Generelle Maßnahmen sind speziellen vorzuziehen. Transparenz erhöht die Glaubwürdigkeit. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ist unerläßlich. Angesichts der Bewertungsschwierigkeiten ist es ratsam, nur in drastischen Fällen einzelwirtschaftlicher Wettbewerbsverletzung Gegenmaßnahmen zu erwägen. Bevor man sie ergreift,
sollten alle
Verhandlungsmöglichkeiten
ausgeschöpft werden. Zudem ist die eigene Verhandlungsstärke unter Berücksichtigung von Koalitionsmöglichkeiten sorgfältig abzuwägen.
24
Länderbericht USA
25
Inhalt
Seite 1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
27
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12-
Instrumente Institutionelle Rahmenbedingungen Notenbanksystem und Bankwesen Monopolkontrolle Umweltschutz Steuern Staatswirtschaft und regulierte Sektoren Öffentliche Beschaffung und Forschungsförderung Technologieparks und Risikokapital Patentwesen Management, Industrial Relations und Sozialschutz Umstrukturierungshilfen und Subventionen Handelspolitik
29 29 30 33 34 35 39 41 45 47 48 49 54
3.
Stand der industriepolitischen Diskussion
57
4.
Zusammenfassende Wertung
61
Literaturverzeichnis
26
64
1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
Die USA sind ein gigantischer Binnenmarkt, der nicht weniger als 45 vH des Sozialprodukts der westlichen Welt auf sich vereinigt. Die Größe dieses Marktes bedingt, daß die USA in absoluten Ziffern sehr stark, in Relation zu den Inlandsumsätzen aber recht schwach rtiit dem Ausland verflochten sind. Allerdings ist auf der Einfuhrseite eine starke Intensivierung der Auslandsverflechtung zu beobachten: Von 1975 bis 1984 stieg die Einfuhrquote (Güter und Dienste, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt) von knapp 8 auf 13 vH, während die Ausfuhrquote von 8,5 auf 8,1 vH sank. Auch geben diese Zahlen den Beitrag von US-Unternehmen zum Welthandel zu schwach wieder, da die USA erheblich mehr Direktinvestitionen bereitstellen als auf sich gezogen haben (Ende 1984: 233 vs. 159 Mrd. US-$; vgl. Survey of Current Business, Juni 1985, S. 27). Machten gegen Ende der 70er Jahre die Exporte von Erzeugnissen des verarbeitenden Gewerbes aus den USA nur reichlich 12 vH der entsprechenden Weltexporte aus, so betrugen die Exporte aller US-Unternehmen einschließlich solcher Auslandsfirmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt waren, nicht weniger als 20 vH (Lipsey/Cravis 1985, S. 130). Nach dieser Analyse haben die USA als geographischer Produktionsstandort
an Wettbewerbskraft
verloren, während die unter US-Kontrolle befindliche Wirtschaft
ihre
Wettbewerbsposition mindestens behaupten konnte (Lipsey/Cravis 1985, S. 135 u. 145). Dennoch existieren nebeneinander ein hochproduktiver, meist von multinationalen
Unternehmen
dominierter
internationaler
Sektor
(Lawrence 1983, S. 147 ff.) und ein wenig produktiver, binnenorientierter, aber in weiten Teilen einfuhrbedrohter Sektor. Die innovativen Unternehmen des modernen Sektors haben den USA auf zahlreichen Gebieten der Hochtechnologie die Führung verschafft: Neue Rechnersprachen, selbstlernende Systeme, Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitsrechner, Sensor-Miniaturisierung, Korpuskularstrahlung, militärischer
Triebwerksbau,
Fertigungsautomation, Roboteranwendung und optimale
CAD/CAM-Lö-
sungen (Bittner 1985, S. 104-106). Der Anteil der Hochtechnologie an der Wertschöpfung der verarbeitenden Industrie nahm im Zeitraum 1960-1980 von 27 vH auf 38 vH zu (Lawrence 1983, S. 140). Davon profitieren zahlreiche Produktions-
und Dienstleistungsbereiche. Weniger wettbe-
werbsfähig sind dagegen Teile - aber eben durchaus nicht die Gesamtheit (Branson 1984, S. 21) - der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie, der Schiffbau, Teile der Unterhaltungselektronik
sowie der Stahlindustrie. 27
Die Automobijjndustrie hat sich in den letzten Jahren generell wieder gefangen. Der gesamtwirtschaftliche Produktivitätszuwachs am Produktionsstandort USA war in den 70er Jahren schwach und hat sich erst in der Wachstumsphase der letzten Jahre deutlich verbessert. Dies liegt nur zum Teil an der Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe. Hinzu kommt jedoch eine drastische Umstrukturierung der Produktion, mehr noch der Beschäftigung, zugunsten des Dienstleistungssektors; er absorbierte von 1970 bis 1984 über neun Zehntel des Beschäftigungszuwachses. Positive Kehrseite des relativ schwachen Produktivitätsfortschritts war eine starke Zunahme der Beschäftigtenzahl um rund 25 Mill. Personen (OECD-Economic Surveys 1985, S. 105, 107). Der Veränderung der US-amerikanischen Wettbewerbsposition liegen nicht nur endogene ökonomische Prozesse in ihrer Relation zum konkurrierenden Ausland zugrunde. Der US-Dollar ist die Leitwährung im westlichen Währungssystem. Etwa von Ende 1983 bis Herbst 1985 galt der Kurs des US-Dollars als stark
überhöht. Dies hat die US-Wirtschaft
in ihrer
Preiswettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigt, mit der Folge, daß sich ein extrem hohes Leistungsbilanzdefizit
herausgebildet hat. Einerseits
wurden dadurch der Weltwirtschaft Nachfrageimpulse vermittelt, andererseits sind in den USA starke protektionistische Bestrebungen heraufbeschworen worden. Mit der raschen Abwertung seit Frühjahr 1985 hat sich die Situation entspannt, und es ist zu erwarten, daß im Zuge der wechselkursbedingten Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit die liberalistischen Kräfte wieder stärker an Gewicht gewinnen. Die USA sind eine in vieler Hinsicht radikale Marktwirtschaft. Der Staat enthält sich weitgehend eines direkten Einflusses auf die Wirtschaft; einen Sektor staatseigener Unternehmen von Bedeutung gibt es nicht. Sozialer Schutz ist weniger ausgeprägt als in Europa. Die Mobilität des Produktivkapitals erzeugte extreme regionale Ungleichgewichte in raschem Wechsel, gewährleistet aber auch die Überlebensfähigkeit vieler Unternehmen.
28
2.
Instrumente
2.1
Institutionelle Rahmenbedingungen
Eine ausgesprochene Industriepolitik oder Strukturpolitik, in deren Rahmen die Industrie und ihre Sektoren einen bestimmten Stellenwert hätten, gibt es in den USA nicht. Dies kommt bereits in einer
erheblichen
Kompetenzzersplitterung zum Ausdruck. Der Präsident bestimmt die Grundlinien der Wirtschaftspolitik und wird dabei innerhalb seines Exekutivbüros vom Council of Economic Advisors (CEA) und dem Office of Management and Budget (OMB), darüber hinaus von den Chefs des Finanzministeriums (Treasury) und des Notenbanksystems (Federal Reserve Board) beraten. Da der Präsident unabhängig gewählt wird, kann es zu schwerwiegenden Konflikten mit dem nach der Verfassung scharf von der "executive branch 11 getrennten Legislativorgan, dem Kongreß, kommen, selbst wenn hier eine Partei des Präsidenten die Mehrheit hat (OECD 1983, S. 211). Der Kongreß hat seine eigenen gewichtigen Analyse-, Beratungs- und Kontrollgremien, vor allem das Congressional Budget Office
(CBO), das Joint Economic
(JEC), das Government Accounting Office
Committee
(GAO) und das Office
of
Technology Assessment (OTA). Das Konfliktpotential betrifft nicht zuletzt die Etatansätze in den verschiedenen Politikbereichen. Obwohl es ein eigenständiges Handelsministerium gibt, hat der Präsident seinen eigenen Handelsbeauftragten. Nach dem Völkerrecht abgeschlossene Handelsverträge müssen vom Kongreß ratifiziert
werden, doch kann der
Präsident unterhalb der Ratifizierungsschwelle informelle, aber nichtsdestoweniger handelspolitisch äußerst wichtige Absprachen mit den Regierungen von Drittstaaten treffen - etwa Export-Selbstbeschränkungsabkommen. Die Macht zum Eingriff in den freien Außenhandel teilt sich der Präsident mit dem Kongreß und der unabhängigen International Trade Commission (ITC). Auf der Ausfuhrseite hat vor allem das Verteidigungsministerium restringierenden Einfluß (Hein 1984; Jacobsen 1985). In die Monopolkontrolle teilen sich das Justizministerium (Grundstoff-, Produktions- und Investitionsgüterbereiche) und die im Kongreß verankerte Federal Trade Commission (konsumnahe Bereiche), unter starker Einbindung der Gerichte (Shepherd 1975, S. 141 f.). Gleichwohl prägt die Haltung des Präsidenten die jeweilige Generallinie der Konzentrationskontrolle. 29
In sektoraler Hinsicht gibt es einige Ministerien mit spezifischer Zuständigkeit (Landwirtschaft, Energie, Wohnungswirtschaft und Stadtentwicklung, Verkehr), jedoch kein Industrieministerium. Ebenso wenig existiert ein Ministerium für Forschung und Technologie nach Art des BMFT in der Bundesrepublik oder eine Nationale Entwicklungsbank nach Art der Japan Development Bank. Subventionsersuchen und Bewilligung von FuE-Mitteln laufen sektoral weitgehend unkoordiniert und folgen eher politischen bzw. wahltaktischen Erwägungen (Behrman 1984, S. 220, 222, 224); Anpassungsoder Umstrukturierungsauflagen
wurden i.d.R. nicht erteilt, zumal es
hierfür keine Konzeption gibt (ebenda, S. 220 ff.). Die Kompetenzzersplitterung wird noch dadurch gesteigert, daß wichtige administrative Funktionen an mehr als 60 eigenständige Körperschaften (Agenturen) delegiert worden sind, die zumal meist unterschiedliche Wählerpotentiale repräsentieren (OECD 1983, S. 211). Trotz gewisser horizontaler Kooperation auf der Exekutivebene im Rahmen von "Inter-Agency Groups" mangelt es alles in allem an koordinierenden Strukturen, die eine Beurteilung der Anforderungen im Lichte des politisch-ökonomischen
Gesamtzusammenhanges
gewährleisten würden. Andererseits produziert das System ein Maximum an Transparenz bei den Einzelvorhaben (ebenda, S. 211). 2.2 Die
Notenbanksystem und Bankwesen - globalen -
Ziele
des unabhängigen Notenbanksystems
(Federal
Reserve System, FRS) waren vielfach nicht deckungsgleich mit denen des Finanzministeriums. Der Präsident hat nur über die abgestufte Neuwahl der 7 Board-Mitglieder (14jährige Amtszeit) die Möglichkeit, Einfluß zu nehmen, bedarf dabei aber der Zustimmung des Senats (Paxton 1982/83, S. 1401). Allerdings wird, wie die Personalpolitik Präsident Reagans zeigt, diese Möglichkeit auch durchaus mit langem Atem genutzt. Rediskontund Mindestreservepolitik kann der Board nur gegenüber den dem FRS zwangsweise angegliederten "national commercial banks" und den freiwilligen Mitgliedern unter den - einzelstaatlich konzessionierten - "state banks" betreiben. Einmal ist damit jedoch weit mehr als die Hälfte aller Banken erfaßt. Zum anderen ist in den USA die Offenmarktpolitik ein ungleich wichtigeres Instrument der Geldpolitik als etwa in der Bundesrepublik. Die 12 Federal Reserve Banks sind (neben dem jeweiligen Einzelstaat) Aufsichtsbehörden für die freiwilligen Mitglieder in ihrem Zuständigkeitsbereich. Die bundesstaatlich konzessionierten Mitgliedsbanken im FRS unterliegen der Kontrolle durch den Comptroller of the Currency. 30
Eine dritte Aufsichtsbehörde für Handelsbanken, mit z.T. überlappender, subsidiärer Zuständigkeit, ist die Federal Deposit Insurance Corporation, an der fast alle Banken zwangsweise oder freiwillig beteiligt sind. Die Spar- und Darlehnskassen sowie die Investitionsbanken haben jeweils ihre eigene, analoge Aufsichtsstruktur (Scheffer 1984, S. 5, 8, 9, 12). Die Anforderungen der Bankenaufsicht an die Kreditvergabe sind streng, aber angesichts der Risikofreudigkeit der Banken nicht streng genug, als daß sie ein Überengagement und den Zusammenbruch zahlreicher Banken im Zuge der Verschärfung der Schuldenkrise in Lateinamerika sowie der bäuerlichen Existenzkrise hätten verhindern können. Infolgedessen kündigte der Federal Reserve Board im Herbst 1985 sowohl umfangreichere Kontrollen als auch höhere Anforderungen an das Eigenkapital der Banken an (Handelsblatt vom 10. Okt. 1985). Ein Übergreifen der Zusammenbrüche auf Großbanken und damit das Zerreißen ganzer Kreditketten zu verhindern, ist der Board inzwischen gut gerüstet: 1980 erhielt er die Funktion eines Versicherers gegen Serien-Bankrotte - nicht zuletzt mit der Befugnis, ausländische Staatspapiere zu kaufen und zu monetisieren. Dieses neue Recht wird mit der Befürchtung kritisiert, daß der Board in die Rolle des stillen Partners des Außenministeriums geraten könne, wenn dieses bemüht sei, ausländischen Regierungen mit nicht mehr zu regelnden Schulden gegenüber amerikanischen Großbanken aus ihren Schwierigkeiten zu helfen (Timberlake 1985, S. 101). Die neue Regelung kommt aber sicher den Exportinteressen der US-amerikanischen Industrie entgegen. Aus politischer Sorge um zuviel Macht großer Banken ist der finanzielle Sektor in den USA traditionell durch strenge Beschränkungen charakterisiert. So waren bis in die jüngste Zeit die Habenzinsen plafondiert. Der Aktionsradius eines Instituts ist auf den jeweiligen Bundesstaat begrenzt. Fast die Hälfte aller Staaten hat allerdings inzwischen den Verbund mit Instituten zumindest aus dem jeweiligen Nachbarstaat zugelassen. Ausgenommen sind bisher Fusionen mit den Großbanken, die meist in New York und Kalifornien ansässig sind. Diese Diskriminierung ist vom obersten amerikanischen Gerichtshof für zulässig erklärt worden. Beschränkungen gibt es aber auch im Hinblick auf die Geschäftssparten. So sind den Depositenbanken und Sparkassen der Wertpapierhandel und das Immobiliengeschäft verschlossen; diese Sparten sind den Investitionsbanken vorbehalten.
31
Die Rigiditäten riefen einerseits Umgehungspraktiken und Finanzinnovationen hervor, sie verzerrten andererseits den Wettbewerb zugunsten von Quasibanken. Beides erschwerte die bundesweite Kontrolle und provozierte den Ruf nach Entregulierung. Mit dem Depository Institutions Deregulation and Monetary Control Act von 1980 wurde in der Tat endlich für mehr Wettbewerb und Flexibilität im finanziellen Sektor gesorgt. Über die Ausdehnung des Geschäftsbereichs wie über die generelle Zulassung des Regionalverbunds ist es 1985 zum wiederholten Male zu Initiativen im Kongreß gekommen. Sie werden freilich sehr kontrovers diskutiert und dürften vorerst nicht zur Verabschiedungsreife gelangen. Daher werden die Finanzinstitute vorerst weiterhin auf die Nutzung der von ihnen geschaffenen Ausweichstruktur - Gründung von Holdinggesellschaften und Akquisitionsrepräsentanzen,
Rechtsstatus
als
Nicht-Bank,
zahlreiche
Finanzinnovationen mit bundesweitem Zugang (Scheffer 1984, S. 15 ff.) angewiesen bzw. dem massiven Wettbewerb der vom Nicht-Bankensektor angebotenen Finanzdienste ausgesetzt sein. Damit bleiben nach wie vor die Transaktionskosten hoch und die Bedingungen für Kreditnehmer relativ ungünstig. Ähnlich wirkt die Tatsache, daß die Banken, wie in Frankreich und Großbritannien, aber im Unterschied zu Japan und der Bundesrepublik, keine Anteile an Industrieunternehmen halten. In Krisenzeiten fördern solche Beteiligungen die Inter-Bankenkooperation und stabilisieren den Mittelfluß, da die Banken weniger interessiert sind als in den USA, die Anpassungslast auf die Anteilseigner abzuwälzen (Wellons 1985, S. 370 f.). Als Instrument zur industriepolitisch motivierten, selektiven Kanalisierung umfangreicher Mittel nach Art Japans ist das US-amerikanische Bankensystem infolge seiner Fragmentierung (ca. 25 000 Institute) nicht geeignet. Selbst die größten Banken kontrollieren trotz weltweiter Spitzenstellung nur einen jeweils äußerst geringen Anteil an den gesamten Beständen (Wellons 1985, S. 373-376). Allenfalls die Rolle der Federal Reserve Banken als Agenten und Darlehnsgaranten bei öffentlichen Beschaffungsaufträgen ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen (Paxton 1982/83, S. 1401).
32
2.3
Monopolkontrolle
Die US- und weltweit operierenden Firmen unterliegen im Rahmen der Anti-Trust-Gesetzgebung
(Singer 1981, Appendix A) der Kontrolle
in
bezug auf Monopole, Fusionen und wettbewerbsbeschränkendes Handeln. Gegen Monopole gehen Behörden und Gerichte streng vor. So wurde die Abspaltung
der
lokalen Bell-Telefongesellschaften
vom
Monopolisten
AT&T bei gleichzeitiger Aufhebung von Marktzutritts- und -austrittsbeschränkungen
zum
1. Januar
1984 gerichtlich
durchgesetzt
(OECD-
Economic Surveys 1985, S. 70 f.). Die Gesetze verbieten dagegen nicht per se die Erlangung hoher Marktanteile via Fusion oder Übernahme. Die Rechtslage ist vielfach unklar. Prozesse sind häufig und langwierig. So haben die Behörden 12 Jahre lang versucht, IBM in kleinere Unternehmen aufzuspalten (Wescott 1983, S. 128). Wenngleich diese Politik inzwischen aufgegeben wurde, scheint Unsicherheit die Unternehmen daran zu hindern, das Potential an Kooperation, etwa in Form von FuE-joint ventures, auszuloten (OTA-Report 1983, S. 390). Andererseits belegt das AntiTrust-Verbot gegenüber den großen Endgeräteherstellern, im Komponentenbereich mit den kommerziellen Vertreibern zu konkurrieren, daß eine rigorose Spruch-Praxis zu einem wechselseitig befruchtenden Technologietransfer in vertikaler Richtung führen kann (Borrus et al. 1983, S. 145; Franzmeyer 1985, S. 265). Die Abwesenheit eines wesentlich an der Marktstruktur ansetzenden Vermutungstatbestandes im US-amerikanischen Anti-Trust-Recht (von Monopolsituationen abgesehen) beläßt der Administration bei der Fusionskontrolle - die Kontrolle wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens gilt dagegen als die strengste in der Welt (Wescott 1984, S. 8) - großen Ermessensspielraum. Je nach wirtschaftspolitischer Ausrichtung des Präsidenten wurde die Fusionskontrolle mehr oder weniger streng gehandhabt. Seit einigen Jahren besteht die Tendenz einer starken Begünstigung des Konzentrationsprozesses (Wirtschaftswoche 1985a, S. 22 f.; auch: OECD 1984a, S. 94 u. 96). Die Beendigung des IBM-Verfahrens wird als Wendepunkt gesehen (Wescott 1983, S. 128). Nach Liberalisierung der Verwaltungspraxis für die Fusionskontrolle im Jahre 1984 ist jetzt sogar eine gesetzliche Neuregelung ins Auge gefaßt, die dem Bedürfnis der Wirtschaft nach mehr Spielraum in der Unternehmenspolitik weit entgegenkommt (Lange/Campbell 1986). Die Kooperation konkurrierender
Firmen zur Erschließung
ausländischer Märkte ist nach dem Export Trade Act ausdrücklich von der 33
Kontrolle ausgenommen (Walter/Murray 1982, S. 32.18). Die Regierung Reagan dehnte diese Freistellungspolitik mit dem National Cooperative Research Act von 1984 auch auf vorwettbewerbliche FuE-Kooperationen aus (Merrifield 1985, S. 36), was eine Lawine von Unternehmenskooperationen ausgelöst hat. Andererseits werden Maßnahmen amerikanischer Firmen im Ausland von der Kontrolle erfaßt, soweit Auswirkungen auf dem amerikanischen Markt zu erwarten sind. 2.4
Umweltschutz
Seit Anfang der 60er Jahre werden den Dispositionen der Unternehmen zunehmend auch Grenzen aus der Umweltschutzgesetzgebung gesteckt. Auf vielen Gebieten werden dabei die Standards in periodischen Abständen systematisch verschärft. Dabei wird auf zweifache Weise versucht, diese Grenzen weniger spürbar zu machen. Zum einen wird nach den Vorschriften über die "Amortisation of Pollution Control Facilities" jedermann steuerlich begünstigt, der durch Anlagenersatz oder neu eingeführte Verfahren dazu beiträgt, Wasser- und Luftverschmutzung sowie Kontamination zu verringern oder zu verhindern (OECD 1978, S. 154). Zum anderen wurden Ende der 70er Jahre in Orientierung an den jeweils geltenden Standards handelbare, befristete "Verschmutzungsrechte" eingeführt ("Emission Trading Program"), die eine unternehmensspezifische Wirtschaftlichkeitsrechnung
für
alternative zeitliche Verteilungen von
Umweltschutzinvestitionen ermöglichen, je nach Höhe der Grenzkosten für die Beseitigung oder Entschärfung der einzelnen Verschmutzungsquellen. Nach dem "bubble"-Konzept darf in präzise abgegrenzten Arealen (Werksanlagen, aber auch Gebiete mit mehreren Unternehmen) die Summe der Einzelemissionen einen festgesetzten Wert nicht überschreiten. Dies ist ein Anreiz, bei den Quellen mit niedrigen Grenzkosten anzusetzen. Nach dem "offset"-Programm ist Neubelastung in bereits stark belasteten Gebieten/Werksanlagen
dann erlaubt, wenn die neue Emission durch
Reduzierung alter mehr als kompensiert wird. Nach dem "emissions bank"Programm können Übersoll-Reduzierungen auf einer Clearing-Bank zum Zwecke zukünftigen Angebots auf dem Markt für Verschmutzungsrechte in Reserve gehalten werden (Crone/DeFina 1984, S. 75 ff.). Hier wird zwar einerseits die Bevorzugung indirekter, auf "incentives" setzender Lenkungsmethoden durch die Umweltbehörden sichtbar, andererseits aber nicht auf die Definition strenger Maßstäbe verzichtet. Die Standards
34
werden als Instrument zur Stimulierung technologischer
Innovationen
begriffen. Soweit vor allem Unternehmen von der Regulierung betroffen sind, mußte der Staat freilich durch harte Rückschläge erst dazu gebracht werden, weichere, auf Anreize bauende Lösungen anzubieten und damit die Kooperationsbereitschaft der Wirtschaft zu gewinnen. Diese ist, entsprechend ihrem Verständnis von der Rollenaufteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor, in scharfer Oppositionshaltung gegen jede Regulierungspolitik. Es gibt Untersuchungen, die zu belegen versuchen, daß nicht weniger als 8 bis 12 vH der Abflachung des Produktivitätswachstums nach 1965 auf den Umweltschutz zurückzuführen sei (Haveman/Christainsen 1981, S. 508). Jede Gesetzesinitiative muß daher durch eine KostenNutzen-Analyse flankiert werden. Sehr häufig wird der Streit vor Gericht ausgetragen. 1981 erreichte die US-Automobilindustrie so, daß 34 Sicherheits- und Umweltauflagen eingezogen oder modifiziert werden mußten (OECD 1985, S. 28 u. 40). Weil dies ökologisch wie technologiepolitisch gleichermaßen ineffizient
ist, bemüht sich die Umweltschutzbehörde,
abgesehen von ihrer generell flexibleren, anreiz-betonten Strategie, heute bei neuen Initiativen um den frühzeitigen Dialog mit der Wirtschaft. 2.5
Steuern
Im Unterschied zu Japan und der Bundesrepublik Deutschland begünstigt das amerikanische Steuersystem (Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen) den Konsum und nicht das Sparen. Hierin wird ein Grund dafür gesehen, daß die Kapitalkosten in den USA erheblich höher und die Investitionsbedingungen entsprechend ungünstiger sind als in den anderen zwei Ländern (Wellons 1985, S. 36 ff.) - mit der in den USA oft hervorgehobenen Folge, daß die Japaner, nach Erarbeitung der Basiserfindungen in den USA, den amerikanischen Unternehmen in der kapitalkostenintensiven Innovationsphase bei weitem den Rang ablaufen können (Merrifield 1985, S. 37). Andererseits werden, nachdem unter der Administration
Reagan die
direkten Steuern in mehreren Schritten beträchlich gesenkt worden sind, die Gewinne von US-Unternehmen durch sämtliche von ihnen aufzubringenden Steuern mit durchschnittlich rci. 54 vH im internationalen Vergleich (Bundesrepublik knapp 70, Frankreich 64, Japan 60, Großbritannien 45 vH) nur noch relativ gering belastet (Fuest/Kroker 1985, S. 23). Dies begünstigt die Selbstfinanzierung und soll die Investitionstätigkeit anre35
Tabelle US.l
USA
Umfang von Steuervergünstigungen nach Funktionsbereichen, 1984 Mill. US-$ Gesellschaften
Einzelpersonen
Insgesamt
Domestic International Sales Corporations (DISC)
1 420
-
1 420
Forschung und Entwicklung
3 190
145
3 335
Ol- und Gas-Exploration
620
975
1 595
Zusatzabschreibungen Energieträger
995
1 195
2 190
Steuerbefreiung auf Staatspapiere für bestimmte Energiefazilitäten
145
Zusatzabschreibungen, nichtenergetische Mineralien
465
Zinseinkommen aus Staatspapieren für Umweltschutz und Entsorgung
975
-
975
Kapitaleinkommen Bauholz
375
110
485
Landwirtschaft
110
1 185
1 295
_
1 875
145
-
15
480
Zinseinkommen aus Staatspapieren für kleine industrielle Entwicklungsvorhaben
1 875
Sonstige Kapitaleinkommen (außer Landwirtschaft, Bauholz, Eisenerz, Kohle)
1 430
27 580
29 010
Beschleunigte Abschreibung auf Gebäude (außer Mietshäuser)
4 295
2 195
6 490
Beschleunigte Abschreibung auf Maschinen und Ausrüstungen
13 080
1 550
14 630
30
260
290
Abschreibung auf Existenzgründungskosten Steuervorteil für erste 100 000 $ Unternehmereinkommen
8 860
Steuervorteil auf Gewinne von Lebensversicherungsgesellschaften
950
Verkehr
190
Quelle: Special Analyses 1986, S. G - l , G-38 - 42.
8 860
-
950 5
195
gen. Anregende Wirkungen, jedoch selektiver, gehen auch von den steuerlichen Abschreibungsregeln aus. 1981 wurden mit dem Economic Recovery Tax Act die Abschreibungsmöglichkeiten erheblich großzügiger bemessen. Die Differenz gegenüber der alten Regelung entsprach 1984 einer Steuerstundung von 30 Mrd. $; z.T. wird der Betrag noch höher eingeschätzt (Pechman 1985). Der effektive Marginalsatz der Körperschaftsteuer sank zunächst von 35 auf 16 vH (OECD-Economic
Surveys 1985, S. 118).
Gleichzeitig wurde die Steuergutschrift auf Investitionen erweitert. Insbesondere FuE-Aktivitäten wurden begünstigt. Alles zusammen hatte zur Folge, daß sich der Beitrag der Unternehmen zur Finanzierung des Staatshaushalts stark zurückbildete, wenngleich die Erleichterungen 1982 und 1984 zum geringerem Teil wieder kompensiert wurden. Berücksichtigt man die kombinierte Wirkung aus Höhe der Anfangsabschreibung und Länge der steuerlichen Nutzungsdauer, so ergeben sich für die USUnternehmen erheblich mehr Möglichkeiten zur steuerlichen Gewinnminderung als in der Bundesrepublik. Die Nutzungsdauer für Betriebsgebäude liegt mit 18 Jahren im internationalen Vergleich (Bundesrepublik 50, Frankreich 20, Japan 65, Großbritannien ab April 1986 25 Jahre) extrem niedrig (Fuest/Kroker 1985, S. 25). Durch die Abschreibungserleichterungen werden generell kapitalintensive Sektoren (Maschinen- und Anlagenbau, Stahl) und/oder Produktionsverfahren begünstigt. Außerdem werden bestimmte Sektoren direkt (Ölexploration, Telekommunikationsausrüstungen) oder indirekt (Pkw, Stahl) begünstigt (Wescott 1983, S. 119). Allerdings weisen zahlreiche empirische Untersuchungen über die Abschreibungserleichterungen von 1954, 1962 und 1971 nur auf eine relativ geringe längerfristig stimulierende Wirkung auf die Investitionen hin (Wescott 1983, S. 117-119). Selektive Wirkungen können auch die unterschiedliche Besteuerung von Einkommen und Kapitalgewinnen (Abzugsfähigkeit von 60 vH) sowie die zahlreichen steuerlichen Subventionsmöglichkeiten haben. Eine wichtige Möglichkeit dieser Art besteht seit 1978 für
außenhandelsorientierte
Unternehmen mit der Gründung einer Domestic International Sales Corporation (DISC) - heute Foreign Sales Corporation (FSC) - , auf deren im Auslandsgeschäft
erzielte
Gewinne
ein
Steuernachlaß
gewährt
wird
(Walter/Murray, Hrsg., 1982, S. 32.19; vgl. auch Kapitel 6). Andererseits unterliegt das "transfer pricing" bei Eigengeschäften multinationaler USKonzerne der Kontrolle, so daß die Möglichkeit, auf diesem Wege steuer-
37
relevante Gewinne in "Oasen"-Ländern anfallen zu lassen, sehr begrenzt ist (Walter/Murray 1982, S. 32.18). Regionale Differenzierungen innerhalb der USA können sich einmal aus der geplanten extensiveren Zulassung steuerlich bevorzugter "Enterprise Zones", zum anderen daraus ergeben, daß die Bundesstaaten und Kommunen eigene Finanzhoheit haben - ihr Einnahmevolumen zusammengenommen liegt in der Größenordnung der Bundeseinnahmen aus Steuern, Zöllen und fonds-gebundenen Einnahmen - und insbesondere Grundbesitz- und Vermögensteuer erheben können. Mit wenigen Ausnahmen können die Bundesstaaten auch das Einkommen von Unternehmen besteuern (Paxton 1982/83, S. 1396 f.). Durch Abzugsfähigkeit der Länder- und Gemeindesteuern auf Bundesebene werden die regionalen Wirkungen allerdings erheblich
gemildert.
Gleichwohl setzten die Steuerzahler
Ende der
70er/Anfang der 80er Jahre durch Abwanderungsdrohung und ähnlichem Druck z.T. deutliche Steuersenkungen auf regionaler Ebene durch. Hinzu kommt seit 1982 eine Senkung der Bundeszuschüsse im Rahmen des "fiscal federalism" (OECD-Economic Surveys 1983, S. 19). Dies verschärft tendenziell die regionale Differenzierung. Eine allgemeine Umsatzsteuer gibt es in den USA nicht. Die bei weitem wichtigste Bundessteuer ist die Einkommensteuer, mit einem Anteil an den gesamten ordentlichen Einnahmen (ohne Sozialbeiträge) von etwa der Hälfte. Das Einkommensteuersystem ist mit seinen zahlreichen Progressionsstufen und Ausnahmeregelungen kompliziert und in seinen marginalen Wirkungen unberechenbar geworden. Auch das Körperschaftsteuerrecht bietet geschickten und juristisch gut ausgestatteten Firmen extreme Möglichkeiten zur legalen Steuervermeidung. Nicht zuletzt wegen dieser strukturellen Begünstigung von Großkonzernen wird das Steuersystem als stark reformbedürftig empfunden. Dazu liegen umfassende Entwürfe vor. Die "President^ Tax Proposais to the Congress for Fairness, Growth, and Simplicity" (1985) zielen - bei Aufkommensneutralität - auf Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch Abschaffung tausender von Steuerprivilegien, auf drastische Reduzierung der Progressionsstufen bei Senkung der Grenz- und Durchschnittsbelastung sowie des Spitzensteuersatzes und schließlich auf eine ausgeglichenere Verteilung des verfügbaren Einkommens durch Entlastung niedriger Einkommen.
38
Im Bereich der Unternehmensbesteuerung sollen die Abschreibungsregeln über eine Verlängerung der steuerlich relevanten Nutzungsdauer - allerdings bei Berechnung auf der Basis von Wiederbeschaffungspreisen (Indexierung) - wieder restriktiver gestaltet werden. Insgesamt wäre mit einer Steuerumschichtung zulasten der Unternehmen, besonders der großen Immobiliengesellschaften, Versicherungen, Banken, Ölgesellschaften und Stahlerzeuger zu rechnen. Profitieren dürften von der Reform dagegen die nicht so kapitalintensiven Dienstleistungs- und Technologieunternehmen. Der ursprüngliche Treasury-Vorschlag vom November 1984 legte im Bereich der Unternehmensbesteuerung noch strengere Maßstäbe an als die revidierte Präsidentenversion vom Mai 1985. Den Unternehmen mußten erhebliche
Zugeständnisse gemacht werden, nachdem die Erstvorlage
"großen Aufruhr" (Pechman) hervorgerufen hatte. Die revidierte Version des Reformvorhabens
konnte Präsident Reagan Ende 1985 nur unter
Aufbietung seines ganzen Prestiges gegen den anfänglich heftigen Widerstand seiner eigenen Partei im Repräsentantenhaus durchsetzen. Dennoch blieben die scharfen Reformkonturen erhalten: In dem endgültigen, für Herbst 1986 zur Verabschiedung anstehenden "Internal Revenue Code of 1986" sind voraussichtlich nur noch zwei Einkommensteuersätze, von 15 und 28 vH, enthalten. Der Spitzensteuersatz der Körperschaftsteuer dürfte von 46 auf 34 vH gesenkt werden, und das Gros der
speziellen
Vergünstigungen wird entfallen (Wirtschaftswoche 38/1986, S. 14). 2.6
Staatswirtschaft und regulierte Sektoren
Auf direkte Weise ist der Staat nur wenig in der Wirtschaft engagiert. Auf Bundesebene gibt es neben einigen staatlich geführten Spezialfinanzierungsinstituten und einem zugehörigen Refinanzierungsfonds (Stille 1985, S. 8) einige öffentliche Körperschaften, die infrastruktur- oder rohstoffnah operieren oder versorgungswirtschaftliche Aufgaben haben. Die wichtigste ist die Tennessee Valley Authority (TVA), deren Aufgaben von der Fluß- und Schiffahrtsregulierung über die Düngemittelproduktion bis zur Erzeugung und Verteilung von Elektrizität reicht. Auch Rekultivierungsmaßnahmen und Umweltschutz zählen zu ihren Aktivitäten. Während die Elektrizitätsversorgung
sich über spezielle Entgelte
finanziell
selbst
trägt, basieren die übrigen Aktivitäten weitestgehend auf Bundeszuschüssen. Insgesamt sind bei der TVA etwa 50 000 Personen beschäftigt. Forstwirtschaft betreibt der Bund nicht nur im Rahmen der TVA. Er ist 39
Eigentümer erheblicher Ländereien, auf denen sich Staatsforsten befinden, die regelmäßiger Bewirtschaftung bedürfen. Im Schienenverkehr hat der Staat kein Monopol; Flugverkehr, Gasversorgung und Fernmeldewesen - in anderen Ländern meist in Staatshand werden privat betrieben, ebenso die Industrie selbst in Grundstoffbereichen wie Kohle und Stahl. Beobachter argwöhnen freilich, daß mit der Gründung der staatlichen "Synthetic Fuels Corporation" zur Kohlevergasung und -hydrierung ein erster entscheidender Schritt in Richtung auf eine industriepolitisch motivierte Staatspräsenz in der Wirtschaft getan worden sei (Wescott 1983, S. 104). Privates Betreiben der Unternehmen schließt Regulierung nicht aus, wenn Marktversagen droht oder externe Effekte Gewicht haben. Folgende Konstellation ist kennzeichnend: Die Dienste werden privaten Gesellschaften übertragen, die Regulierung des Marktzu- oder -austritts sowie der Tarifgestaltung wird auf einzel- oder bundesstaatlicher Ebene durch öffentliche, aber von Exekutive und Kongreß unabhängige "Regulierungskommissionen" wahrgenommen (Müller/Vogelsang
1979, S. 7-14). In anderen
Ländern, etwa der Bundesrepublik, sind dagegen aufgrund der öffentlichrechtlichen Trägerschaft
beide Funktionen unter einem Dach vereint
(Müller 1985, S. 33). Nicht erst seit dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten, jedoch unter seiner Administration in verstärktem Maße, wird in den USA über "Entregulierung" nachgedacht. Insbesondere wird geprüft, ob durch mehr Wettbewerb in dem jeweiligen regulierten Bereich die allokative Effizienz verbessert und gegebenenfalls auch Politikversagen vermieden werden kann. So wurden bereits im Flugverkehr sowie im Endgerätebereich des Telekommunikationssektors die Marktzutrittsbarrieren, die Preisregulierung und der Kontrahierungszwang beseitigt bzw. durch allokativ effizientere Formen der Regulierung ersetzt (Müller 1985, S. 8 ff.). Im Netzbereich des Telekommunikationssektors ist der Prozeß der Einführung von mehr Wettbewerb (Zulassung konkurrierender Dienste im vorhandenen Netz, Erstellung konkurrierender
Netze) noch nicht
abgeschlossen (Müller 1985, S. 15 ff.). Zuvor waren auch im erdgebundenen Verkehr
Zugangs- und preisregulierende
Vorschriften
aufgehoben
worden, und 1980/1982 wurde auch im Finanzsektor mit der Aufhebung von Zinsplafonds und der Zulassung erweiterter
Kreditvergabe
durch
Sparkassen mehr Wettbewerb eingeführt (Phillips 1986, S. 74 f.). Generell betont die US-Administration, daß sie die Flut regulierender Vorschriften 40
in den letzten Jahren drastisch eingedämmt habe (Budget in Brief 1986, S. 5). Dabei hat das Office of Management and Budget seit 1981 eine zentrale Koordinierungs-, Überwachungs- und
fl
Durchforstungs ll -Funktion.
Aber auch die Federal Trade Commission sorgen in ihren Zuständigkeitsbereichen für die Durchsetzung der Entregulierung
(OECD-Economic
Surveys 1985, S. 124 f.). Der Zwang zur rechtzeitigen Vorlage neuer Regulierungspläne sowie zur Kosten-Nutzen-Analyse sollen der schleichenden Re-Regulierung vorbeugen. Die OECD (Economic Surveys 1985, S. 71, 85) bescheinigt der US-amerikanischen Deregulierung
deutliche
Produktivitäts- und Kostensenkungseffekte, läßt aber offen, ob als Folge des verschärften Wettbewerbs sich nicht auch der Konzentrationsprozeß in den betroffenen Sektoren beschleunigen wird. Positiv werden auch die Beschäftigungswirkungen gesehen. Vor allem der Aufhebung von Marktzugangsbeschränkungen wird ein erheblicher Beschäftigungseffekt
zuge-
schrieben, da vor allem Kleinunternehmen über individuellen ServiceZuschnitt und Nischenstrategie eine Chance erhalten: Von den rd. 725 000 neuen Arbeitsplätzen, die von 1980 bis 1982 in entregulierten Bereichen geschaffen wurden, entfielen mehr als vier Fünftel auf Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten (Phillips 1986, S. 73). 2.7
Öffentliche Beschaffung und Forschungsförderung
Erhebliche sektorale Wirkungen auf Produktion, Absatzsicherheit, Investitionsrisiko, Produktivität,
Rentabilität
und Beschäftigung erzielt der
Staat - ohne zusammenhängende Strategie - über das öffentliche
Auf-
tragswesen sowie seine Forschungsförderung. Motor ist das militärische Sicherheitsdenken. Bei Flugzeugen bestreitet der Staat die Hälfte, bei unternehmensnahen Diensten mehr als 40 vH, bei chemischen Produkten ein gutes Drittel sowie bei Kommunikationsausrüstungen rund ein Viertel der gesamten Endnachfrage. Bei Flugzeugen und Kommunikation ist der Bund, genauer das Verteidigungsministerium fast alleiniger Auftraggeber. Im Durchschnitt entfiel 1977 ein Viertel der Endnachfrage auf den Staat, zwar überwiegend auf der Ebene der Einzelstaaten und Kommunen, doch der bei weitem dominante Auftraggeber war das Verteidigungsministerium (Survey of Current Business, Mai 1984, S. 42-84). Schlüsselt man die Gesamtausgaben des Verteidigungsministeriums näher auf, so zeigt sich in realer Rechnung eine deutliche Zunahme des Anteils der Käufe
von
langlebigen Gütern und Diensten zulasten der Löhne und Gehälter, während das Gewicht der FuE-Ausgaben in den 70er Jahren sank, danach aber 41
42
_
73.10
1.90 1.80 0.70 1.00
Raketen
Schiffe
Fahrzeuge
Elektronik
15.70
1.50
5.80
13.60 4.90
15.60
32.20
1.30 32.90
1.30
0.90
19B0
2.20
1.90
1.40
2.70
3.20
7.10
5.10
21.00
34.60
1983
3.40
.
6.60
22.80
35.00
.
.
.
.
.
.
2.68
-0.28
1.0
2.5
2.6
7.9
4.22
20.5
1.18
21.5
48.8
1.9
7.9
20.5
49.5
2.3
0.6
2.4
3.8
7.B
17.1
7.4
22.3
46.0
3.1
2.2
1.3
2.9
3.0
8.1
18.2
26.0
7.3
24.8
40.9
4.0
1.7
3.2
3.8
8.4
20.3
;
1983
7.8
25.4
39.1
23.3
30.0
100.0
1980
28.6
100.0
1975
Struktur in vH
100.0
1972
23.2
100.0
1.4 •7.88 " 1.8
1.4
6.50
3.75
4.85
1.86
.
4.44
100.0
Burchsch. -iaehrl. Veraend. 19B4 in vH 1983/72 1.35
19.70
26.90
B9.60
14.20
24.20
84.70
2.00
2.10
5.70
12.10
18.20
70.00
1975
in Mrd. US-f
0.90
0.40
1.60
2.50
5.20
12.50
15.40
66.40
1972
ft
Ausgaben des Bundes für Verteidigung :u Preisen yon 1972
y g
1984
Quellen: Karl D. Galbraith and Joseoh C. Wakefield: National Defense Soendino: A Review of Aoorooriations and Real Purchases. In: Survev of Current Business. No.11/1984. 0.11-16: hier Tabelle 2: National incoie and Product Account Tables.ln: Survey of Current Business. No.7/1985. Tabelle 3.7 B - 3.8 B .
darunter: Forschung u. Entwicklung
Sonstige Dienste
Löhne und Gehaeiter 35.70
Sonst. Ausrüstungen
5.80
Flugzeuge
Hilitaer. Ausrüstungen
darunter:
Langlebige Güter 15.00
darunter:
Insgesa«t
Tabelle US.2
wieder stieg und 1983 knapp 8 vH erreichte (Galbraith/Wakefield 1984, Tab. 3.7 B-3.8 B). Für das Fiskaljahr 1984 wurden knapp 28 Mrd. $ bewilligt (Commission on Competitiveness 1985, Band II, S. 99). Das vorübergehende Sinken des FuE-Anteils hängt damit zusammen, daß nach dem staatlich geförderten Innovationsschub der 50er und 60er Jahre im Bereich Mikroelektronik/Computer
dieser Sektor sich zunehmend auf
privater kommerzieller Basis entfaltete und staatliche Förderung zunächst hier eher entbehrlich schien. Diese zeitweilige Entkoppelung von militärischem Anliegen und Produktinnovation bewirkte indes eine sehr schleppende Einführung fortgeschrittener Mikroelektronik in militärische Ausrüstungsgüter (OTA-Report 1983, S. 391), so daß 1979 das militärspezifische
FuE-Programm
Very High Speed Integrated Circuit
mit
in-
zwischen 680 Mill. $ (1980-1988) (Jacobsen 1985, S. 402) aufgelegt wurde. Auch von diesem Programm werden hohe zivile spill-overs erwartet (Yoshino/Fong 1985, S. 183 f.; OTA-Report 1983, S. 391), doch wird dies z.T. auch kritischer gesehen (Borrus et al. 1983, S. 145; Magaziner/Reich 1982, S. 231 ff.). Die Militärforschung steht jedoch erst am Anfang ihrer Renaissance: Mit dem Forschungsprogramm für eine "strategische Verteidigungsinitiative" (SDI) wird für den Zeitraum 1985-1989 ein Finanzrahmen von 26 Mrd. $ anvisiert (Jacobsen 1985, S. 402) und zugleich eine enge Verbindung mit einem zweiten bisherigen Forschungsschwerpunkt der Weltraumforschung - ein dritter, rückläufiger Schwerpunkt ist die Energieforschung (OECD 1984b, S. 23) - hergestellt. Insgesamt ist im militärischen Bereich ein Anstieg der öffentlichen Forschungsaufwendungen von 23,1 Mrd. $ (1984) auf 42 Mrd. $ (1988) vorgesehen. Die militärischen Beschaffungen sollen sogar von 61,9 Mrd. $ (1984) auf 109,9 Mrd. $ (1988) steigen (Budget in Brief 1986, S. 68). Dies entspricht der Projektion einer realen Steigerung um knapp 34 vH, der nur eine Rate von 9 vH für die gesamten Realausgaben des Bundes gegenübersteht (Budget in Brief 1986, S. 65). Die von 1965 bis 1980 annähernd stabile Relation zwischen zivilen und militärischen FuE-Aufwendungen hat sich seitdem wieder drastisch zugunsten der letzeren verschoben. Vor allem in dieser Entwicklung dürfte die Ursache dafür zu suchen sein, daß der kontinuierliche Anstieg des Anteils der Grundlagenforschung zum Stillstand gekommen ist. Es ist indes wahrscheinlich, daß die Ausgabensteigerungen nicht wie geplant verwirklicht werden. Denn in Anbetracht des hohen Haushaltsdefizits ist es zu einem schwerwiegenden Haushaltskonflikt zwischen Präsident und Kongreß gekommen. Da der Präsident Steuererhöhungen ablehnt 43
Tabelle US.3
USA Ausgaben des Bundes für FuE und ihre Struktur
Ausgaben in Mrd. US-$
Anteil Verteidigung in vH
Anteil Grundlagenforschung 1) in vH
i960
7,6
80,3
7,9
1965
14,6
50,0
9,6
1970
15,3
52,3
12,4
1975
19,0
51,1
13,7
29,8
50,7
15,8
51,8
69,3
15,3
1980 1985
2)
1) Einschließlich der Grundlagenforschung für Verteidigungszwecke, daher keine Addition zu 100. - 2) Vorläufig. Quelle:
44
Special Analyses 1985, S. K-30.
und der vorgesehene Verkauf von Bundesvermögen zu geringe Erträge bringt, setzte der Kongreß mit dem Gramm-Rudman-Gesetz für den Fall der Nicht-Einigung automatische lineare Budgetkürzungen (außer Sozialhilfe) bis zum vollen Ausgleich im Jahre 1991 durch. Für Pentagon und NASA zusammen würde dies einen absoluten Ausgabenrückgang um 9 vH von 1986 bis 1988 bedeuten. Derzeit wird die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gerichtlich geprüft (Economist vom 15.2.1986, S. 41; Wirtschaftswoche 7/1986, S. 28 ff.). Technisch werden die Major Programs wie folgt abgewickelt. Die zuständigen Ministerien oder Behörden schließen nach Bewilligung der politisch vorgebenen Rahmenprogramme durch den Kongreß FuE-Verträge mit Unternehmen und garantieren zugleich den Erwerb des serienreifen Ergebnisses (guaranteed first use). Sie stellen technische Hilfe bereit, auch in Form staatseigener Ausrüstungen (GOCO's = Government Owned Company Operated Facilities), vergeben öffentliche und garantieren private Darlehen. Die Komplexität der zu entwickelnden Systeme gewährleistet, daß praktisch alle Bereiche moderner Technologie tangiert sind. Dabei werden die Erfindungen bei weitem nicht alle in den Labors und Entwicklungsbüros der großen Konzerne oder der staatlichen Agenturen gemacht. Vielmehr werden im Rahmen der Programme auch FuE-Verträge mit bestimmten Universitäten - dies nicht zuletzt unter regionalem Aspekt - oder mit kleinen Unternehmen abgeschlossen (Norris 1985, S. 76 f.). Agenturen und Konzerne nutzen auch häufig ihre guten personellen, finanziellen und organisatorischen Beziehungen zu den industrienah forschenden Universitäten, um die dort in intensivem Forschungswettbewerb
entwickelten
Ideen in konkrete Produkte und Verfahren umzusetzen und so rasch wie möglich großtechnisch einzuführen. Nicht selten entwickeln sich in bestimmten Technologienischen auch aus kleinen Anfängen heraus leistungsfähige, weltweit operierende Unternehmen. 2.8
Technologieparks und Risikokapital
Begünstigt wird diese Art der Forschung und ihrer raschen Umsetzung in neue Produkte durch zwei Faktoren, die inzwischen weltweit Schule gemacht haben. Einmal existieren universitätsnahe sogenannte Technologieparks, bei denen Einzelstaaten oder Kommunen Gelände, Labors oder 45
Fabrikhallen bereitstellen, wo in branchenhomogener Agglomeration neuer Unternehmen Einzeltüftler oder Teams mit ihrem in irgendeinem Großkonzern erworbenen spezifischen Ingenieurswissen unter Nutzung der universitären Infrastruktur und Wissensvermittlung und meist in Kenntnis potentieller Nachfrage ihre Ideen bis zur kommerziellen
Nutzbarkeit
weiterentwickeln können. Beispiele sind der Research Triangle Park, North Carolina; das Silicon Valley, Kalifornien, oder die Elektronikindustrie in Massachusetts. Mit der Miniaturisierung der Hardware-Produktion und der Dezentralisierung technischer Lösungen gewinnen in diesem Prozeß Kleinunternehmen wachsende Bedeutung, und industriepolitische Aktivitäten stehen mehr und mehr auch den Staaten wie den Gemeinden offen (Babbitt 1986, S. 54 f.). Zum anderen müssen diese Unternehmen Geldgeber finden, die bei Befähigung, die Chancen einer Idee fachgerecht zu beurteilen, auch bereit sind, ein im Zweifel hohes Risiko einzugehen. Es entspricht dem traditionellen amerikanischen "Pioniergeist" mit seiner Honorierung individualistischen Unabhängigkeitsdranges, daß schon frühzeitig zahlreiche Risikokapitalgesellschaften gegründet worden sind (Stand 1985: über 500; zum Vergleich: Japan 30, Großbritannien 84, Frankreich 33, Bundesrepublik 6) (Wellons 1985, S. 389), die - aufgeschlossen für neue Ideen - sich in der Startphase an erfolgversprechenden Unternehmen und Projekten minderheitlich und mithaftend beteiligen. Die Kapitalbeteiligungsgesellschaften
sind seit
Ende der 50er Jahre durch ein von der "Small Business Administration" (SBA) verwaltetes finanzielles Hilfeprogramm für "Small Business Investment Companies" gefördert
worden, das u.a. die Vermittlung bedingt
rückzahlbarer staatlicher Darlehen einschließt (OECD 1978, S. 167). Auch hat die Bildung von Risikokapital 1978 einen starken Impuls erhalten, als der Grenzsteuersatz auf Kapitalgewinne drastisch - von 49 auf 28 vH zurückgenommen wurden (Wellons 1985, S. 390). Die weitere Senkung des Steuersatzes auf 20 vH, 1981, trug wesentlich dazu bei, daß weitere 16 Mrd. $ Venture capital mobilisiert wurden (Merrifield 1981, S. 36). Hinzu kommt, daß institutionelle Faktoren (Kapitalmarkt) sowie das Sparverhalten der Privaten die Rekrutierung von Risikokapital begünstigen (Wellons 1985, S. 389 f.). So konnten im Durchschnitt der Jahre 1983/84 rund 625 000 Unternehmen neu gegründet werden, denen - freilich dank der extrem günstigen Konjunktur - lediglich jeweils durchschnittlich 25 000 Schließungen gegenüberstanden. Da diese Unternehmen vielfach technologieorientiert sind, erhalten sie auch vielfach Risikokapital von Großunter46
nehmen, die an bestimmten Innovationen interessiert und zu deren Evaluierung auch besonders gut gerüstet sind (Merrifield 1985, S. 35). Der Hang zur Selbständigkeit wird aber überwiegend als ein kulturelles Phänomen und nicht als das Ergebnis steuerlicher und finanzieller Vergünstigungen interpretiert. Großkonzerne wie IBM, GM, HP, TI oder Xerox machen sich bereits die Innovationskraft kleiner, unabhängig und unhierarchisch arbeitender Einheiten zunutze, indem sie unter Vermeidung von Ausgründungen (spin-offs) ideenreichen Mitarbeitern außerhalb der
Unternehmenshierar-
chie ein quasi-selbständiges Arbeiten ermöglichen (Eckart 1985; Wilson 1986, S. 67f.). 2.9
Patentwesen
Ein möglichst innovatives Klima versucht die US-Regierung auch über ihre Patentpolitik zu verzielen. Im Falle regierungs- oder NASA-geförderter FuE geht i.d.R. das Verfügungsrecht an den Staat über. Eignet sich die Erfindung zur kommerziellen Nutzung, so ist der Staat an möglichst breitem Technologietransfer
interessiert. Dem dient der Regelfall der
Vergabe gebührenfreier, nicht-exklusiver Verwertungslizenzen, bei der NASA auch die "New Technology Reporting Clause", nach der ein Vertragnehmer alle Erfindungen unverzüglich für die Dokumentation in der NASA-Datenbank zur Verfügung stellen muß. Garantiert indes die allgemeine Lizenzvergabe durch den Staat keine rasche kommerzielle Umsetzung, weil die Unternehmen in Anbetracht der potentiellen Konkurrenz das Investitionsrisiko scheuen, so kann die Regierung auch befristet eine Exklusiv-Lizenz
erteilen,
die NASA
auch einen
Verwertungsverzicht
(waiver) leisten. Letzteres ist besonders dann der Fall, wenn patentsensible Vertragsnehmer anderenfalls nicht für eine Zusammenarbeit mit der NASA gewonnen werden können. Exklusivlizenzen werden vor allem auch dann gewährt, wenn die neue Entwicklung auf
akkumuliertem,
spezifischem Firmenwissen aufbaut und wenn der Kontrahent auf dem betreffenden Gebiet fest am Markt etabliert ist (OECD 1978, S. 159 ff.). Von den rd. 20 000 regierungseigenen Patenten wurden indes bisher nur 4 vH in Lizenz vergeben. Soweit nicht Sicherheitsaspekte dem entgegenstehen, soll die Lizenzvergabe nunmehr auf gesetzlichem Wege begünstigt werden (Merrifield 1985, S. 37). Unabhängig von der Patentpolitik des Staates findet ein erheblicher Technologietransfer innerhalb des privaten Sektors statt, einmal im Rahmen 47
des Patenthandels sowie im vertikalen Konzernverbund, aber auch im Wege des sogenannten Second sourcing, wonach sich im Prinzip konkurrierende Firmen wechselseitig komplette Imitationen einschließlich des Herstellungsverfahrens einräumen, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden bzw. Kunden entgegenzukommen, die sich nicht in einseitige Abhängigkeiten begeben möchten. Wo in der amerikanischen Industrie die beschriebenen innovativen Triebkräfte fehlen, kommen hingegen vielfach Faktoren zum Tragen, die einer zukunftsorientierten Modernisierung abträglich sind. So waren viele Bereiche, die zudem ihrer Natur nach keine technologischen Impulse aus dem öffentlichen Forschungs- und Beschaffungswesen erhielten, jahrzehntelang allzu sehr auf den großen Binnenmarkt
hin orientiert,
wo die
Verbrauchergewohnheiten es erlaubten, den Wettbewerb nicht bei Kosten und Preisen,
sondern
über
Image-Werbung
und Design
auszutragen
(Hayes/Wheelwright 1984, S. 20). Die Wettbewerbsverluste wurzeln aber auch in einer traditionell kurzfristigen Sichtweise des Unternehmensmanagements und den unterentwickelten Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen. 2.10
Management, Industrial Relations und Sozialschutz
Viele Manager fassen die Leitung eines Unternehmens nur als Sprosse in ihrer Karriereleiter auf. In dem Bestreben, kurzfristige Erfolge vorweisen zu können - vor allem sie zählen in den USA, etwa im Gegensatz zu Japan - versäumten sie eine langfristig orientierte
Investitionspolitik,
zugunsten einer optimalen Nutzung der vorhandenen Kapazitäten. Statt Aufwendungen für Ausbildungsmaßnahmen sowie für die Markteinführung und den Aufbau von Verteiler- und Service-Netzen im Ausland als langfristig ertragreiche Investition zu aktivieren, werden sie als laufende Kosten verbucht, die den Gegenwartsertrag mindern - mit der Folge, daß aussichtsreiche Investitionen unterbleiben (Magaziner/Reich 1982, S. 114 f.). Statt das schöpferische und kooperative Potential der Belegschaften zu nutzen, schauten die Manager vor allem auf die Lohnkosten. Teils wichen sie durch Standortverlagerung in Staaten mit weniger gewerkschaftsfreundlicher
Gesetzgebung und/oder geringerem Organisationsgrad der
Unselbständigen der Herausbildung von organisierten
Interessenvertre-
tungen in ihren Unternehmen aus, teils verhinderten sie über die Politik des "hire and fire 11 , daß sich die Arbeiter und Angestellten mit "ihrem" 48
Unternehmen identifizierten (Bluestone/Harrison 1984, S. 165 ff,). Der vergleichsweise schlechte Kündigungsschutz, auch im Falle von Massenentlassungen, sowie die relativ kurze und gering dotierte Gewährung staatlicher Arbeitslosenhilfe üben starken Druck dahingehend aus, daß der nach einer Entlassung Wiederbeschäftigte eine Bezahlung nach dem staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn akzeptiert. So soll die auf der Ebene der Bundesstaaten im Rahmen von Bundesrichtlinien verwaltete Arbeitslosenversicherung (UI) i.d.R. für 26 Wochen die Hälfte des Verdienstausfalls ersetzen, wobei ein kleiner Teil der Staaten hiervon nach unten, der größere allerdings nach oben abweicht (Congress Report 1979, S. 2) - bei strengen Voraussetzungen für die Berechtigung überhaupt. Nach dem Comprehensive Employment and Training Act von 1973 (CETA) werden Umschulungswillige und besonders benachteiligte Gruppen zusätzlich unterstützt und mit öffentlichen Dienstleistungen versorgt. 2.11
Umstrukturierunqshilfen und Subventionen
Nur bei Nachweis, daß die Arbeitslosigkeit wesentlich mit auf erhöhte Einfuhrkonkurrenz zurückzuführen ist, konnten nach dem "special workers adjustment assistance program" des Handelsgesetzes von 1974 aus Bundesmitteln (Department of Labor) unter Anrechnung der Arbeitslosenhilfe für ein volles Jahr 70 vH des durchschnittlichen Wochenlohnausfalls erstattet werden. An umschulungsbereite Arbeiter und solche über 60 Jahre werden diese Leistungen für ein weiteres halbes Jahr gewährt. Eingeführt wurde solche "trade adjustment assistance" (TAA) bereits mit dem Handelsförderungsgesetz von 1962 - als Zugeständnis, mit dem den Gewerkschaften die "Kennedy"-Zollsenkungsrunde
schmackhaft
gemacht
werden
sollte
(Aho/Aronson 1985, S. 69). Nicht nur Arbeiter und Angestellte, auch Firmen und Kommunen wurden nach dem Handelsgesetz von 1974 speziell begünstigt, wenn sie harte Betroffenheit durch Einfuhrkonkurrenz nachwiesen und einen erfolgversprechenden Umstrukturierungsplan vorlegten. Für die besonders notleidende Schuhindustrie gab es ein spezielles Hilfeprogramm. Zusätzliche Umstrukturierungshilfe konnte - neben den allgemeinen Regionalhilfemitteln nach dem "Public Works and Economic Development Act" von 1965 über Gemeinden oder Gemeindeverbände geschleust werden, die einen "Trade-Impacted Area Council for Adjustment Assistance" aus Vertretern aller maßgeblichen Gruppen bildeten, wenn dieser ebenfalls einen koordi49
Tabelle US.4
USA
Durch "Bundesunternehmen" gezahlte Subventionen Mrd. US-$
1975
1980
1983
1984
1985
Landwirtschaft"^
1,2
1,4
6,1
2) Wohnungswirtschaft Schiffbau und -fahrt
2,1
5,1
9,5
10,2
0,5
0,6
9,1 0,5
0,4
0,4
Eisenbahnen, Massentransporte
0,5
2,0
1,7
1,8
1,3
Sonstige
0,1
0,5
0,1
0,1
0,1
Insgesamt
4,4
9,6
17,5
25,4
18,0
Nachr.: Subventionen l t . VGR
5,1
10,7
22,2
22,2
1 3 , 6 3 ) 6,0
1) Commodity Credit Corporation, Rural housing insurance fund, other Department of Agriculture. - 2) Hauptsächlich Zuschüsse an Familien mit bescheidenem und niederem Einkommen. - 3) Der scharfe Anstieg resultiert aus "payment in kind" (gleich Subvention für Produktionsverzicht aufgrund hoher Angebotsüberschüsse) in Höhe von 9,4 Mrd. $. Quellen:
50
Special Analyses 1985, S. B-18 bis B-20; OECD, National Accounts, Survey of Current Business 9/195, S. 8.
Tabelle US.5
USA
Subventionswerte von Direktdarlehen und Darlehensgarantien der Bundesregierung nach ausgewählten Vergabeagenturen 1984 Mill. US-$
Subventionswerte Direkt. , . darlehen
Darlehens.. garantien
. Insgesamt *
T
4 487
155
4 642
Bildungsfonds
719
3 948
4 667
Wohnen und Stadtentwicklung
254
648
902
22
14
36
Landwirtschaftsfonds
Verkehrsfonds NASA
6
-
6
Exim-Bank
237
294
531
Hilfefonds für kleine und mittlere Unternehmen
263
687
950
Tennessee-Valley-Authority
18
.
-
18
Sonstige ausgewählte Agenturen
2 306
1 640
3 946
Ausgewählte Agenturen insgesamt
8 312
7 386
15 698
Quelle:
Special Analyses 1986, S. F-33 f., F-36, F-50.
51
Tabelle US.6
USA
Einzelposten des Bundeshaushalts mit Subventionscharakter und sektoraler bzw. unternehmensfunktionsspezifischer Zuordnungsfähigkeit Mill. US-$
1984 Ist
1985 Geschätzt
1986 Geschätzt
Subventionen für nichtkonventionelle Herstellung flüssiger Brennstoffe
433
512
332
Zuwendung für Energieeinsparung und FuE 1)
430
459
436
2 435
2 400
2 520
Farmpreisstützung und verbundene Programme
210
13 048
11 536
Ernteversicherung
360
311
321
1 024
1 404
1 524
Hilfen an Luftfahrtunternehmen
46
49
53
Zuwendungen für Stadtentwicklung 1)
440
440
440
Regionale Entwicklungshilfe für die Wirtschaft 1)
294
228
239
Subventionen für Wohnungswirtschaft 1)
11 398
12 057
11 535
Summe
16 640
30 449
28 500
Baukostenzuschuß für Abwasserreinigungsanlagen 1)
Hilfen an Klein- und Minderheitsunternehmen
1) Nicht eindeutig dem Unternehmenssektor zuzurechnen. Quelle:
52
Special Analyses 1986, S. A-20 bis A-31.
nierten, tragfähigen Restrukturierungsplan dem Handelsministerium vorlegte. Das Anpassungsprogramm gilt als wenig erfolgreich: Das Umschulungsangebot wurde kaum in Anspruch genommen, Mobilität und Wiederbeschäftigungschancen blieben gering (Baldwin et al. 1982, S. 29). Das Handelsgesetz von 1974 ist inzwischen mehrfach ergänzt und modifiziert worden, zuletzt und vor allem durch den "Trade and Tariff Act" von 1984 (Committee on Ways and Means 1984). Dabei hat es im Bereich der Finanzhilfen vor allem seit 1981 drastische Einschränkungen gegeben, insbesondere ist seitdem keine Kumulation mit dem Arbeitslosengeld mehr möglich, Ende 1985 lief das Programm der Anpassungshilfe für einfuhrgeschädigte Arbeitnehmer vollends aus (Major themes 1985, S. 48 f.). Ebenfalls neu ist die Einrichtung eines "Remedy Assistance Office" bei der Internationalen Handelskommission. Es soll kleine Unternehmen über die nach den Handelsgesetzen verfügbaren Hilfen informieren. Auch jede andere mit der Abwicklung von Handelspolitik befaßte Agentur muß ähnliche Technische Hilfe leisten. Allerdings spiegelt diese Vorschrift vor allem die Absicht, die bisher selbständige "Small Business Administration" aufzulösen - schon für 1987 sind für sie keine Mittel mehr vorgesehen (Budget in Brief 1986, S. 75 f.) - und ihre Funktionen bei reduziertem Aufwand vor allem dem Handelsministerium zuzuweisen. Statt dessen setzt die Reagan-Administration darauf, daß die* Wirtschaft
sich der
Einfuhrkonkurrenz durch Restrukturierung der betroffenen Unternehmen stellt: Im Entwurf zur Reform des Antitrust-Rechts ist vorgesehen, daß importbedrohte Branchen von allen Beschränkungen befreit werden - ein Vorhaben, gegen das vor allem die übernahmegefährdeten Kleinunternehmen, aber auch viele Kongreßabgeordnete erheblichen Widerstand mobilisiert haben (Wirtschaftswoche 1-2/1986, S. 23). Wenngleich insgesamt die der Wirtschaft aus sektorspezifischen Maßnahmen zufließenden Finanzhilfen gering sind, so haben die spektakulären Fälle
staatlicher
Sanierungshilfe
- Lockheed, General Dynamics und
Chrysler - doch die Brüchigkeit der Anti-Interventions-Philosophie selbst in den Vereinigten Staaten gezeigt, wenn "nationale Anliegen" auf dem Spiel stehen oder unabsehbare Konflikte drohen.
53
2.12
Handelspolitik
Das neue Handelsgesetz brachte wesentliche Änderungen in der Handelspolitik selbst. Bemerkenswert ist das neue Gesetz weniger wegen des mit ihm verschärften Einfuhrschutzes bei Textilien, Bekleidung und vor allem Stahl. Seine Bedeutung erlangt es vielmehr durch grundsätzliche Weichenstellungen in handels- und industriepolitischer Perspektive. Einmal wird die Entscheidungsbefugnis des Präsidenten in der Handelspolitik erheblich gestärkt. Nicht nur hat es der Kongreß jetzt noch schwerer, den Präsidenten zu korrigieren, wenn er den Empfehlungen der International Trade Commission zur Anwendung bestimmter Entlastungen vom Einfuhrdruck nicht folgt - schon zuvor war er häufig in der Form der Maßnahmen vom Votum der ITC abgewichen (Behrman 1984, S. 223). Der Präsident ist auch mit erweiterten Vollmachten zur Aushandlung bilateraler Abmachungen zur Handelsregulierung mit anderen Staaten ausgestattet worden. Sie können sich auf Exportselbstbeschränkungen,
den
Handel mit Dienstleistungen, Direktinvestition, Handel und Investitionen im Hochtechnologiesektor und gewerbliche Schutzrechte beziehen. Zweitens schreibt das Gesetz die Errichtung einer institutionellen Struktur vor, die eine bessere Information und Kommunikation zwischen allen von der Handelspolitik Betroffenen und an ihr Beteiligten,-damit also auch eine insgesamt systematischere, industriepolitisch einsetzbare Handelspolitik gewährleistet. Und drittens verschärft das Gesetz die Anforderungen an einen "fairen Handel" und ermöglicht, wie bisher auf der Grundlage von Reziprozität - d.h. in der Form von Gegenrestriktionen, Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen - , einmal schneller und gezielter zu reagieren, wenn der US-Handelsbeauftragte eine Behinderung US-amerikanischer Exporte bzw. das Handelsministerium eine durch unfaire Exportbegünstigung bedingte Wettbewerbsverzerrung zulasten der USA diagnostiziert und die Internationale Handelskommission einen darauf zurückzuführenden schweren Schaden für amerikanische Unternehmen feststellt, und zum anderen den Diagnoseprozeß überhaupt in Gang zu setzen bzw. zu perpetuieren. Allerdings schafft das Gesetz zugleich durch Klärung unscharfer Begriffe in den Basisregeln des Handelsgesetzes von 1974 für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit. Auch ist die ITC nun gehalten, umfassendere Analyse-Kriterien anzuwenden, u.a. also die Verbraucherinteressen stärker zu berücksichtigen, freilich bei gleichzeitiger definitorischer Erweiterung der betroffenen Industrie (Vorproduzenten). 54
Im Kongreß wird eine Verschärfung des Gesetzes erwogen. Die Frage ist freilich, inwieweit der Präsident seinen Machtzuwachs im Sinne einer restriktiveren Handelspolitik ausschöpfen wird. Das Weiße Haus gilt als im Prinzip freihändlerisch gesinnt, im Gegensatz zu starken Kräften
im
Kongreß. Zwar hat die Regierung unter dem Eindruck des überhöhten Dollarkurses
und des extrem
hohen Außenhandelsdefizits
zahlreiche
Selbstbeschränkungsabkommen abgeschlossen und viele Antidumping-Antisubventionsverfahren eingeleitet. Gemessen an der Fülle von Protektionsersuchen an den Kongreß und den dort diskutierten Alternativen einer allgemeinen "import surcharge" von 20 vH, für die sich der ElektronikKonzern Motorola einsetzte (Financial Times vom 13. März 1985), bzw. einer 25prozentigen Zollerhöhung auf Importe aus Ländern mit stark überschüssigem US-Handel, für die demokratische Kongreßführer plädieren (Cargill Bulletin, Sept. 1985, S. 1), gemessen auch an den Forderungen nach durchschlagenden quantitativen Einfuhrbeschränkungen
etwa bei
Textilien, ist die faktische Restriktionspolitik der Administration aber - noch - durchaus gemäßigt, z.T. wird sie sogar als "kaum ernsthaft ins Gewicht" fallend eingestuft (Scherpenberg 1985, hier S. 248). Unter dem Einfluß der Dollarabwertung seit Herbst 1985 ("G 5"-agreement über koordinierte Wechselkurspflege) beginnt sich der Druck zu mildern. Eine "omnibus trade bill" soll nun allen Initiativen in einem Interessenausgleich gerecht werden (Hardt 1985). Auf der Exportseite ist die handelspolitische Aktivität ambivalent. Restringierend wirkt insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe das System durchgängigen Lizenzzwanges, wenngleich die Lizenzen großenteils automatisch vergeben werden. Exporteure sicherheitssensibler Produkte beklagen zudem mehr und mehr den restringierenden Einfluß des Verteidigungsministeriums. So legen die USA die COCOM-Embargoliste
besonders
streng aus, und selbst bei Lieferung an Empfänger in Partnerländern müssen heute Vertrauenswürdigkeitsbeweise erbracht werden. Andererseits begünstigt der Staat stark exportorientierte Unternehmen steuerlich im Rahmen des Systems der Domestic International Sales Corporations, DISC (Steuerfreiheit für ein Viertel der aus Exporten erzielten Gewinne; das System wurde 1985 durch das GATT-konformere System der Foreign Sales Corporations, FSC, abgelöst; vgl. den Abschnitt über DISC in Kapitel 6). Er gibt militärisch befreundeten Regierungen Kredithilfe zum Erwerb militärischer Ausrüstungsgüter aus den USA - ein Haushaltsposten von immerhin ca. 6 Mrd. $ (Major themes 1985, S. 537 f.)
stellt diverse 55
Beratungsdienste (z.B. Trade Opportunities Program, World Traders Data Report) bereit (Wescott 1983, S. 137) und vergibt Exportkredite über die Export-Import-Bank. Diese gelten indes als wenig effizient: Einmal werden
die
ohnehin
wettbewerbsfähigen
Großunternehmen
begünstigt
(Baldwin et al. 1982, S. 27), zum anderen wird auf die geringe Intensität der "export promotion" im internationalen Vergleich sowie darauf verwiesen, daß die US-amerikanische Eximbank wohl als einzige staatliche Exportkreditagentur in der Welt kein Subventionsempfänger sei (Wescott 1984, S. 9). Freilich sind die Kredite und Garantien in den letzten Jahren sehr stark ausgeweitet worden (Budget in Brief 1986, S. 76). Eher von strategischer Bedeutung sind neue Initiativen der Regierung im Bereich internationaler Kooperation. Ausgehend von einem enorm großen Zukunftsbedarf an FuE-intensiven Gütern in Entwicklungsländern sowie einem unvermeidbaren, aber global auch erwünschten technologischen Aufholprozeß dieser Länder, propagiert das Handelsministerium Binational Industry R&D (BIRD)-Kooperationen (erster Fall: Israel) mit 15 bis 20 Ländern (Merrifield 1985, S. 38 f.). So sehr die staatliche Begünstigung derartiger Joint ventures die handelspolitische Weltoffenheit der Administration betont, so sehr stehen sie in der Tradition der "Reziprozität 11 und sind - von der im Zweifel ungleichen Machtverteilung abgesehen - der Multilateralisierung von Handelsvorteilen eher abträglich.
56
3.
Stand der industriepolitischen Diskussion
Vor dem Hintergrund der Diagnose struktureller Schwächen und außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts hat sich in den USA eine Diskussion neuen Typs entwickelt, wobei die dazu veröffentlichte Literatur freilich noch stark unter dem Eindruck der Rezession 1981/82 entstanden ist. Es geht dabei um die Frage, ob die US-Wirtschaft einer systematischen staatlichen Industriepolitik bedürfe. Die Befürworter setzen dabei die unterschiedlichsten Akzente. Einer der Ansatzpunkte sind die schlechten "industrial relations". Produktivitätsreserven sollen danach über mehr Wirtschaftsdemokratie erschlossen werden. Der Vorschlag schließt auch Verstaatlichungen in hochkapitalintensiven Bereichen, belegschaftsorientierte Umwidmungspläne in "sunset industries", treuhänderisch verwaltete Arbeiterfonds und genossenschaftliche Organisationsformen auf kommunaler Ebene ein (Bluestone/Harrison 1984, S. 246 ff.). Ein anderer Akzent ist die Klage über einen Mangel an systematischer Information und Analyse, das Fehlen klarer Investitionsprioritäten und dazu passender selektiver Instrumente, sowie das Zuständigkeitschaos, das dazu führe, daß die US-Industriepolitik weitgehend in den Händen der 94 Federal District Courts und der Konkursverwalter liege (Magaziner/Reich, S. 371). Freilich wird diesem Ansatz von liberalen Ökonomen vorgeworfen, daß er einmal die grundsätzliche Ignoranz von Bürokraten im Hinblick auf Zukunftsprodukte und -technologien übersehe (Merrifield 1985, S. 38), und daß er gerade über das zentrale eigene Postulat einer effizienten Organisationsstruktur
für
staatliches Management keine präzisen
Aussagen
mache - auch gar nicht machen könne (McCracken 1984, S. 10 f.). Gerade dieses versucht Rohatyn. Ausgehend von der These, daß sich die USA unvertretbar zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickeln und die Basisindustrien einen Niedergang erleiden, mit der Folge schwerwiegender Regionalprobleme, empfiehlt er eine an die Zeit des New Deal anknüpfende Reconstruction Finance Corporation (RFC) (von der es im übrigen auch heute noch große spezialisierte Nachfolgeinstitute gibt; Stille 1985, S. 8) als Kernzelle für eine Industrie-, Regional- und Einkommenspolitik unter Beteiligung - aber auch Selbstbescheidung - der Belegschaften (Rohatyn 1983, S. 123 f.). Die Revitalisierung der RFC ist als vorübergehende Maßnahme zur Krisenbewältigung gedacht; sie könnte daran anknüpfen, daß Darlehen und Bürgschaften, on- oder off-budget, heute die dominie57
rende Subventionsform sind. Dem halten Kritiker entgegen, die Geschichte der RFC sei eine solche der Fehlallokation, der politischen Willfährigkeit
und
des Beharrungsstrebens
über
die
Zeit
der
Krise
hinaus
(Weidenbaum/Athey 1985, S. 65). Andere Autoren heben darauf ab, daß die USA vor allem auf die Industriepolitik anderer Länder reagieren müsse (z.B. Zysman/Tyson 1983, S. 423). Gestützt wird dieses Postulat einmal durch eine in den USA weit verbreitete Perzeptionsschwäche im Hinblick auf derartige industriepolitische "Sündenfälle" im Lande selbst: So werden etwa die hohen Rüstungsaufträge mit ihren binnenwirtschaftlichen spillovers und außenwirtschaftlichen Restriktionen als aliud angesehen (Baldwin et al. 1982, S. 9). Hinzu kommt
der Einfluß
einer Forschungsrichtung
(Brander/Spencer
1984;
Spencer/Brander 1983), die - in der Interpretation von Krugman (1984, S. 97 f.) - nachzuweisen sucht, daß fremdes "industrial targeting" Entmutigungseffekte
für heimische Investoren auslöse, so daß sinnvolle For-
schungen und Investitionen unterbleiben, somit der technische Fortschritt gebremst und gesamtwirtschaftliche Zukunftserträge verhindert werden. In einer Analyse dieses Ansatzes untersucht Krugman zunächst systematisch die Schädigung, die sich für die USA daraus ergeben kann, daß ausländisches targeting (Subventionen, Marktabschottung als Sprungbrett für künftige Exportoffensiven, staatsverordnete Fusionen und Kartelle, präferenzierte Beschaffungspolitik, FuE-Kollaboration zwischen Staat und Wirtschaft)
mit
inländischen Marktunvollkommenheiten
(institutionelle
Verzerrungen der Lohnstruktur, mangelnder Wettbewerb, Extemalitäten) zusammenspielen. Sein wichtigstes Ergebnis ist, daß targeting zwar erhebliche Strukturveränderungen
in Produktion, Handel und Beschäftigung
bewirkt, die US-amerikanische Wohlfahrt mit wenigen Ausnahmen aber kaum beeinträchtigt habe, und zwar weder in Form einer Verschlechterung der US-terms of trade, noch in Form von mehr Arbeitslosigkeit, Lohneinbußen oder einer
Unterhöhlung
des technischen
Fortschritts
(Krugman 1984). An dieser Analyse bemängelt Lawrence (Diskussion zu Krugman 1984, S. 125-127) zwar eine zu starke Verallgemeinerung von Fallstudienergebnissen, eine Bagatellisierung von kurzfristigen Negativwirkungen, eine zu geringe Zukunftsbezogenheit der Analyse und eine zu geringe Unterscheidung nach der Art der vom targeting betroffenen Güter (Export- vs. Importüberschußgüter der USA, weltweite Überschußprodukte). Er teilt aber das Urteil, daß das traditionelle Abwehrinstrumentarium ausreiche und die USA überhaupt nur dann tätig werden sollten, wenn von 58
diesem Handeln eine Wohlfahrtsverbesserung zu erwarten sei, indem das Ausland die inkriminierten Praktiken einstellt (Diskussion zu Krugman 1984, S. 129). Im übrigen befürwortet Lawrence den Ersatz von Quoten durch Zölle, wobei das Zolläquivalent der Quoten durch Versteigerung von Einfuhrlizenzen ermittelt werden soll. Auch seien die Zölle, um als Anreiz zur Umstrukturierung zu dienen, ex ante degressiv zu staffeln (Lawrence 1984, S. 130). Flankiert wird diese Mahnung zu einer enthaltsamen Restriktionspolitik im Außenhandel durch Analysen, die die außenwirtschaftlichen Mißerfolge vieler US-Unternehmen in fundamentalen Fehlorientierungen und Anpassungsversäumnissen der US-Manager sehen, ein Prozeß, der nicht durch Staatsintervention, sondern nur durch stärkere Rezeption japanischer und in der Bundesrepublik Deutschland geläufiger Managementmethoden umgekehrt
werden
könne;
dies
setze
offeneren
Wettbewerb
voraus
(Hayes/Wheelwright 1984, S. 19 f., 300 ff., 389). Freilich stimmt gerade Lawrence dieser Analyse nicht zu. Er stellt im Gegenteil dem Management positive Zeugnisse aus. Die US-Manager werden für ihn mehr und mehr zum Vorbild für Europa, da eine schnell sich verändernde Weltwirtschaft auch eine kurzfristige Orientierung des Managements geradezu voraussetze - im Unterschied zu den Erfordernissen in Entwicklungsländern (Lawrence 1984, S. 130). Damit hält Lawrence nicht nur in der gegenwärtigen Situation Industriepolitik für überflüssig, sondern er bezweifelt angesichts des Fehlens eines breiten gesellschaftlichen Konsenses auch grundsätzlich die Möglichkeit kontinuierlicher Implementierung einer an Selektivität orientierten, systematischen Industriepolitik in den USA (so auch andere Autoren, z.B. Eberle/Moller 1984, S. 30, die auch auf die hohe Anfälligkeit der US-Regierung gegenüber Interessengruppen hinweisen). Bei der gegebenen und wohl wenig modifizierbaren Verwaltungsstruktur werde eine solche Industriepolitik durch hohe Mitnahmeeffekte, Kartellbildung und Marktzutrittsbarrieren gekennzeichnet sein (Lawrence 1984, S. 11 f.). Er empfiehlt statt dessen - dies hat er mit Apologeten einer Industriepolitik durchaus gemeinsam - eine neue Analyse-Agentur der Regierung zur besseren Evaluierung der laufenden Programme, dazu mehr staatlich finanzierte Grundlagenforschung, die - inzwischen gesetzlich geregelte - Zulassung von Forschungskooperations-Ventures, staatliche Bildungs- und Umschulungsdarlehen sowie eine sektorneutralere Investitionsbesteuerung (Lawrence 1984, S. 13).
59
Positiv wertet die heutige Managementleistung von US-Unternehmen auch Drucker (1984, S. 56). Anknüpfend an den unternehmerischen Wagemut und Ideenreichtum, der sich in dem Boom von Neugründungen manifestiert, ist sein industriepolitischer Vorschlag, dem klassischen Engpaß in neugegründeten Unternehmen - dem Liquiditätsmangel - durch Verzicht auf Besteuerung nicht-ausgeschütteter Gewinne in den ersten fünf bis sieben Jahren zu begegnen (Drucker 1984, S. 58).
60
4.
Zusammenfassende Wertung
Insgesamt präsentieren sich die USA heute als eine vitale, rigorose, in vielen Bereichen durch oligopolistische Strukturen gekennzeichnete Wettbewerbswirtschaft
mit erheblichen sektoralen, regionalen und sozialen
Ungleichgewichten. In sektoraler Hinsicht ergeben sich diese - bei Dominanz makroökonomischer Steuerungsmethoden - nicht zuletzt aus einer asymmetrischen Interventionspolitik des Staates: langfristige, strategische, weltwirtschaftliche Förderstrategie im Hochtechnologiesektor; im übrigen opportunistische, punktuelle und unkoordinierte Intervention, vor allem in Form von Einfuhrschutz. Hinzu kommen die Einflüsse aus einer verzerrenden Abschreibungsregelung, einer sektoral extrem ungleichen Gewerkschaftsmacht und einer komplizierten Steuergesetzgebung, deren Schlupflöcher vor allem Großunternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen nutzen können. Gelingt die geplante Steuerreform, wird ein Teil dieser verzerrenden Kräfte gemildert. Es bleiben jedoch Widersprüche, die sich aus der industriepolitischen Kompetenzzersplitterung und dem Mangel an Koordinierungsstrukturen ergeben. So setzt etwa die Environmental Protection Agency strengere Maßstäbe, während das Energieministerium gleichzeitig Importöl durch Kohle ersetzen will (Rothwell 1984, S. 325). Widersprüche ergeben sich auch aus dem hohen Stellenwert* sicherheitspolitischer Überlegungen. So fördert das militärische Beschaffungswesen das Entstehen größter Konzerne, während die Monopolabteilung des Justizministeriums diese bekämpft. Oder die Eximbank fördert Hochtechnologieexporte, während das Verteidigungsministerium sie restringiert (Wescott 1983, S. 146). Schließlich sorgen die Pentagon-Planer mit umfangreichen Langfristprojekten für stabile Nachfrageperspektiven in ihrem Bereich, während einerseits unklare Verantwortlichkeiten
für
das militärische
Beschaffungswesen zu Wucherprofiten und deren inkonsequenter Ahndung führen (Münster 1986), andererseits die unsichere Kongreßbasis des Präsidenten und die kurze Periodizität der Mittelbewilligung (jährliche "appropriations 11 ) bewirken können, daß die Gelder sehr unregelmäßig abfließen oder gar - wie möglicherweise nach dem Gramm-Rudman-Gesetz über den automatischen Haushaltsausgleich - die Ansätze in extremem Maße gegenstandslos werden. In regionaler
Hinsicht wird das Ungleichgewicht der
amerikanischen
Volkswirtschaft einmal dadurch bedingt, daß das öffentliche Finanzwesen auf allen drei staatlichen Ebenen zusammengenommen nur relativ schwa61
che Umverteilungseffekte zeitigt (McDougall-Bericht 1977, S. 131). Hinzu kommt, daß mit der Senkung der Steuersätze unter der Administration Reagan, bei gleichzeitiger kräftiger Entfaltung der privaten Einkommensbildung, in Relation zur Wertschöpfung weniger Finanzausgleichsmittel zur Verfügung stehen. Die regionale Differenzierung der Privatwirtschaft ergibt sich großenteils aus der "Wanderung 11 von Alt-Industrien (z.B. Textilien, Bekleidung, Schuhe von Neu-England zum Süden), der Herausbildung neuer Schwerpunkte im Finanzsektor und im Bereich anderer Unternehmensdienste (z.B. New York, New Jersey), der
Umstrukturierung
zugunsten technologiebezogener Dienste (z.B. Kalifornien) und seit zwei Jahren auch aus dem Rückschlag, den der Ölpreisverfall für die Ölfördergebiete in Texas bedeutet. Insbesondere wird die Nähe der führenden Universitäten und Forschungszentren bevorzugt, ein Prozeß, der durch die Beschaffungspolitik des Staates noch begünstigt wird. Mit der Sanierung und der erfolgreichen Diversifizierung alter Zentren im Zuge der Dezentralisierung technologischer Lösungen wie technologiepolitischer Aktivitäten haben sich also auch einige ehedem verödende Gebiete neu belebt. Gleichwohl bleiben die regionalen Prosperitätsunterschiede
erheblich
(Bluestone 1985, S. 69). Die Arbeitslosenquoten differierten 1984 zwischen 4,9 vH (1975: 10,2 vH!) in New-England und 9,5 bis 10 vH in Ost-SüdMitte/Ost-Nord-Mitte (OECD-Economic Surveys 1985, S. 113). In sozialer Hinsicht entspringt das Ungleichgewicht einmal dem insgesamt relativ schwachen Sozialschutz und der verhältnismäßig schlecht ausgebildeten Kooperation zwischen den sozialen Parteien. So hat sich, nach unten allerdings abgesichert durch einen staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn, eine starke Lohndifferenzierung ergeben. Die dahinterstehende wirtschaftspolitische Philosophie zielt auf dreierlei: erhöhte Mobilität am Arbeitsmarkt, dadurch bedingte ökonomisch sinnvollere Allokation der Produktionsfaktoren, dadurch bedingtes höheres gesamtwirtschaftliches Wachstum, das auch den ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommt. Die hohe Mobilität schlägt sich auch in der großen Zahl von Existenzgründungen nieder, ein Prozeß, der amerikanischer Tradition, Lebensanschauung und Geschichte entspricht und durch institutionelle (Steuern auf Kapitalgewinne) wie habituelle (kein Negativimage eines Scheiternden; Risikobereitschaft von Kapitalbeteiligungsgesellschaften)
Gegebenheiten
begünstigt wird. Die Überlebenschancen neuer Kleinunternehmen dürften indes stark bildungsabhängig ("neue Dienste") oder konjunkturabhängig (Gaststättengewerbe, Einzelhandel) sein. 62
Trotz der hohen Mobilität der Produktionsfaktoren sowie der günstigen Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung haben die USA als Produktionsstandort stark an internationaler Wettbewerbskraft verloren. Dies zeigt sich nicht nur am hohen Leistungsbilanzdefizit, sondern auch an den Verlusten von Marktanteilen und der überdurchschnittlichen Entwicklung der Lohnstückkosten im gewerblichen Sektor, gemessen in der internationalen Recheneinheit f fSonderziehungsrecht ,f. Diese Diagnose wird von den meisten Beobachtern geteilt (u.a. Commission on Competitiveness 1985, Vol. I, S. 11 ff.; DIW-Wochenberichte zur Wirtschaftslage). In erster Linie spielte dafür die Überbewertung des Dollars eine Rolle. Konsequenterweise wurde in der Forcierung des Einfuhrschutzes nicht die richtige, zumindest nicht die einzig richtige Gegenstrategie gesehen. Es werden aber auch Schwächen des industriellen Sektors überhaupt wahrgenommen: Es mangele diesem zwar nicht an Produkt- und Verfahrensinnovation, wohl aber an der Fähigkeit zur Umsetzung in standardisierte, preisgünstig und in großer Zahl vermarktungsfähige Produkte. Insgesamt sei die USWirtschaft von der Absorptionskraft des Binnenmarktes verwöhnt worden. Mit dem jüngsten Konjunkturboom, ausländischen Direktinvestitionen und Kooperationen mit dem Ausland sind die sektoralen Strukturschwächen, wie sie sich unter "normalen" Wechselkursbedingungen darstellen würderi, erheblich gemildert worden; sie werden heute z.T. als lediglich konjunkturbedingt beurteilt (Weidenbaum/Athey 1985). Im Stahlbereich wurden UberschuGkapazitäten stillgelegt, in der Automobilbranche wird kräftig modernisiert. Insgesamt sind die Investitionen stark gestiegen; dies hat den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt
beschleunigt. Mit
der Fortsetzung dieses Trends wird auch aus demographischen Gründen (Abschluß der Ausbildungsphase der stark besetzten Jahrgänge sowie der Absorption von Abwanderern aus der Landwirtschaft), wegen der stark steigenden FuE-Aufwendungen sowie der Entlastung der Unternehmen durch kostengünstigere Umweltauflagen gerechnet (Kendrick 1984, S. 64). Mit dem Abklingen des Booms hat sich indes gezeigt, daß mittlerweile auch in einigen "Zukunftsbranchen" (u.a. Personalcomputer) erhebliche Überkapazitäten entstanden sind.
63
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70
Länderbericht Japan
71
Inhalt
Seite 1.
Wirtschaftsstruktur und industriepolitische Ziele im überblick
73
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.7
Struktur-, insbesondere industriepolitische Instrumente Wettbewerbsordnung Planungswesen Steuersystem Finanzhilfen und Steuervergünstigungen Bankensystem Technologiepolitik Institutionelle Aspekte FuE-Programme Patentwesen
77 77 78 80 81 84 87 87 88 93
2.8
Management, Industrial Relations, Sozialschutz
95
3.
Zusammenfassende Wertung
98
Literaturverzeichnis
72
101
1.
Wirtschaftsstruktur und industriepolitische Ziele im Überblick
Japan ist unter den westlichen Industrieländern eine der dynamischsten Volkswirtschaften. Lag das Leistungsniveau Anfang der siebziger Jahre noch deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder, so hat Japan mittels eines raschen und vergleichsweise stetigen Wachstums des Sozialproduktes inzwischen den Anschluß gefunden. Das japanische Pro-KopfEinkommen entspricht heute nahezu dem Durchschnittseinkommen der westlichen Industrieländer
insgesamt, der Abstand zu den führenden
Ländern ist deutlich verringert. Heute werden rd. 15 vH des Sozialproduktes der westlichen Industrieländer in Japan erstellt, mehr als 11 vH ihrer Exporte sind japanischen Ursprungs und knapp 10 vH ihrer Einfuhren werden von Japan gekauft. Der Überschuß aus dem Handel mit Waren und Dienstleistungen war im Jahre 1983 mit mehr als 22 Mrd. US-$ größer als jener, den die zusammengenommen mehr als doppelt so großen Volkswirtschaften der Europäischen Gemeinschaften hatten. Dies ist für
viele
westliche Industrieländer - in besonderem Maße für die USA - zu einem handelspolitischen Problem geworden. Denn deren Handelsbilanzdefizite gegenüber Japan sind außerordentlich hoch. Die EG-Länder importierten im Jahre 1983 für rd. 12 Mrd. US-$ mehr Waren aus Japan als sie dorthin ausführten, das Handelsbilanzdefizit der USA mit Japan betrug im selben Jahr fast 20 Mrd. US-$, 1984 sogar fast 34 Mrd. US-$. (Vgl. Laumer 1985, S. 3 ff.) Diese Entwicklung belegt die ausgeprägte Wettbewerbsfähigkeit Japans, in den letzten Jahren zusätzlich begünstigt durch den niedrigen Wechselkurs des Yen im Verhältnis zum (überbewerteten) Dollar. Sie steht im Zusammenhang mit der überdurchschnittlich hohen Investitionsneigung der japanischen Wirtschaft. Im langjährigen Durchschnitt wurden hier mehr als 30 vH des Bruttoinlandsprodukts für Bruttoanlageinvestitionen verwendet, während die EG-Länder nur gut ein Fünftel, die USA sogar nur ein Sechstel ihres Inlandsproduktes wieder investierten. Die Exportstärke Japans wird zunehmend als Bedrohung empfunden, weil sie sich im Schwerpunkt auf wenige Produktgruppen stützt, die entweder dem Hochtechnologiebereich (im wesentlichen Elektronik, Informatik u.ä.) zuzurechnen sind oder - wie bei elektrischen Geräten, Straßenfahrzeugen und feinmechanischen und optischen Produkten - aus Produktionsbereichen stammen, in denen die übrigen Industrieländer traditionell Wettbewerbsvorteile hatten. Zum Teil werden die japanischen Erfolge einer rigorosen diskretionären Industriepolitik (industrial targeting) zugeschrie73
ben, zum Teil werden Vorwürfe des Dumping erhoben, und zum Teil wurde durch restriktive handelspolitische Maßnahmen - auch im Wege freiwilliger bilateraler Vereinbarungen, wie z.B. Selbstbeschränkungsabkommen der Entwicklung entgegengesteuert.
Auch werden als Grund für
die
Unausgewogenheit des gegenseitigen Handels die faktischen Beschränkungen im Zugang zum japanischen Binnenmarkt genannt, die es ausländischen Lieferanten trotz eines vergleichsweise niedrigen tarifären Außenschutzes schwer machen, auf dem japanischen Markt Fuß zu fassen. Die starke Stellung der horizontal und vertikal stark konzentrierten wirtschaftlichen Verbundgruppen (Kigyo Keiretsu), von denen die 16 größten etwa ein Viertel des Jahresumsatzes aller japanischen
Unternehmen
tätigen und ein Zehntel aller Erwerbstätigen beschäftigen und die über die mit ihnen eng verbundenen Universalhandelshäuser (Sogo Shosha) rund die Hälfte des japanischen Exportgeschäfts und etwa 60 vH aller Importe Japans abwickeln (vgl. Eli 1985, S. 40, 46), bildet sicherlich ein japanspezifisches Hindernis für Exportgeschäfte, soweit wirtschaftliche Interessen der Unternehmen, die den Verbundgruppen angehören, berührt sind und die großen Handelshäuser an der Erschließung des Marktes beteiligt werden sollen (vgl. auch Japaninfo 3/1985, S. 7 f.). Vielfach dürfte der Hinweis auf die besondere Unternehmensstruktur aber als Exkulpation dienen für Versäumnisse der Unternehmen anderer westlicher Industrieländer, sich auf die Besonderheiten des japanischen Marktes auch im Hinblick auf die Mentalität der asiatischen Geschäftspartner, auf Kunden/Verbraucherpräferenzen in bezug auf Qualitätsanforderungen, Kundendienst und andere Serviceleistungen oder auf die Analyse der spezifischen Entwicklungen und Strukturen der jeweiligen Marktsegmente einzustellen. Von besonderem Interesse für die hier durchgeführte Untersuchung ist freilich, in welchem Maße Konzept und Ausgestaltung der japanischen Industriepolitik die Entwicklung der japanischen Wirtschaft wirksam unterstützt hat. Für die Nachkriegszeit sind grosso modo vier Perioden zu erkennen, in denen sich die Anforderungen an eine industriepolitische Beeinflussung unterschiedlich stellten. In der Aufbauphase bis zum Ende der fünfziger Jahre waren vor allem die Schlüsselindustrien (Elektrizitätswirtschaft, Stahlbereich, chemische Industrie) zu entwickeln. In der Wachstumsphase der sechziger Jahre ging es um den Ausbau von Industriezweigen, deren Produktivität
einerseits kräftig
gesteigert
werden konnte, für
deren
Produkte andererseits infolge hoher Einkommenselastizität eine zunehmende inländische und ausländische Nachfrage bestand. Zu den Wachs74
tumsbereichen zählten vor allem die Schwerindustrie und die chemische Industrie. Die siebziger Jahre standen im Zeichen der Konsolidierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür wurden Schwerpunkte in den Wirtschaftsbereichen gesetzt, in denen durch den Einsatz von qualifizierter Arbeitskraft Wettbewerbsvorteile gehalten oder ausgebaut werden konnten ( M High-tech lf -Industrien). In den achtziger Jahren wiederum soll die Entwicklung moderner Technologien vorangetrieben werden, damit die erreichte starke Weltmarktposition behauptet werden kann. Die Strategie der japanischen Entwicklung bis in die siebziger Jahre hinein wird vielfach in der Nachahmung bis dahin jeweils führender Produzenten anderer Länder bei gleichzeitiger Vervollkommnung von Gestaltung und Verarbeitung des Produkts sowie von Produktionsverfahren gesehen, was unter Ausnutzung von höchstmöglichen economies-of-scale oft eine Vorrangstellung bei bestimmten Gütern begründete. Dies basierte auf der Kumulation von kleineren Innovationsschritten, Lernprozessen im Zusammenhang mit Massenproduktion sowie breiter
Diffusion
und raschem Transfer
der
Technologie, wofür die japanische Kombination von Marktelementen und Organisationsstrukturen als besonders geeignet angesehen wird (Imai 1984, S. 53). Gegenwärtig und künftig gilt es verstärkt, an der technologischen Front mit Produkt- und Verfahrensinnovationen neue Märkte zu erschließen. Inwieweit die vorhandenen Strukturen hierfür genügend leistungsfähig sind, wird teilweise in Frage gestellt, und Defizite in der SoftwareEntwicklung, im Energiebereich, bei Biotechnologien und in der Chemischen Industrie werden als Argumente angeführt (vgl. u.a. Imai 1984, S. 54). Die wirtschaftliche Entwicklung war immer exportorientiert. Da eine eigene Rohstoffbasis weitgehend fehlt, ist die Güterproduktion in großem Maße von Rohstoffimporten abhängig, die durch Exporterlöse zu finanzieren sind. Eine überlegene Wettbewerbsposition am Weltmarkt gewährleistete hinreichend stetige Exporterlöse, die Bezug und Finanzierung der nötigen Rohstoffe aus dem Ausland sicherstellten. Der vorrangige Ausbau einer Exportwirtschaft
hatte allerdings Unausgewogenheiten der Wirt-
schaftsstruktur zur Folge, deren Beseitigung zum Teil bereits Gegenstand der Strukturpolitik der achtziger Jahre ist. Vielfach wurde die Entwicklung von wenigen großen, vertikal sowie horizontal stark konzentrierten Unternehmen getragen. Die mittleren und kleinen Unternehmen, die in Japan noch in großer Zahl existieren, befinden sich als Zulieferbetriebe in großer Abhängigkeit zu den Großunternehmen und tragen zu deren Flexi75
bilität bei (vgl. Gibbs 1980, S. 31; Lipp 1982, S. 183). In Einzelfällen stehen sie allerdings auch mit einem stark spezialisierten Produktionsprogramm in Konkurrenz zu den großen Firmen (vgl. Zysman 1983, S. 244; Lipp 1982, S. 182). Das rasche Wachstum ging mit starker räumlicher Ballung einher, was einerseits Umweltprobleme verstärkte und anderseits einen großen Infrastrukturbedarf entstehen ließ. Insbesondere im haushaltsnahen Infrastrukturbereich - z.B. Wohnungsversorgung - bestehen erhebliche Defizite, da Investitionen zunächst vorrangig in den warenproduzierenden Sektor gelenkt wurden. Obwohl bereits verstärkt
regional-,
infrastruktur-, sozial- und mittelstandspolitische Anstrengungen gemacht worden sind, besteht in diesen Bereichen noch politischer Handlungsbedarf. Die Einflußmöglichkeiten der wirtschaftspolitischen Instanzen sind durchaus groß und wurden in der Vergangenheit vielfältig genutzt. Das Spektrum reicht von der ordnungspolitischen Rahmengesetzgebung über eine bis Mitte der sechziger Jahre ausgesprochen protektionistische außenwirtschaftliche Absicherung und eine indikative Planung von Gesamtwirtschaft und Branchenentwicklung, die als Orientierungsmaßstab für den koordinierten Instrumenteneinsatz globaler und selektiver Wirtschaftssteuerung einerseits, für Unternehmensentscheidungen andererseits dient, bis zur konsensualen Lenkung bzw. Beeinflussung mittels vielfältiger institutioneller Verflechtungen von Staat und Wirtschaft, begünstigt auch durch sozio-kulturelle Faktoren (Konfuzianismus, Herkunft der Führungseliten, u.a.) (vgl. auch Haasch 1983, S. 150).
76
2.
Struktur-, insbesondere industriepolitische Instrumente
2.1
Wettbewerbsordnunq
Der rechtliche Rahmen für die Wettbewerbspolitik hat seinen Ursprung im Antimonopol-Gesetz von 1947, das ein Verbot gegen private Monopole, gegen Kartelle sowie gegen Preisabsprachen aussprach und eine Reihe von Beschränkungen in bezug auf Unternehmenszusammenschlüsse, den Erwerb von Beteiligungen, die Leitung von mehreren Unternehmen sowie die Lagerhaltung vorsah. Diese Beschränkungen sind in der Neufassung des Gesetzes von 1953 gelockert worden, und seitdem besteht auch grundsätzlich die Möglichkeit, daß bei Überschußkapazitäten und Rationalisierungszwängen Krisenkartelle gebildet werden. Von dieser Möglichkeit ist in den siebziger Jahren intensiv Gebrauch gemacht worden. Das Kartellverbot ist zusätzlich dadurch durchlöchert,
daß einmal das Außenhandelsgesetz
Importkartelle erlaubt, zum anderen das Ministerium*für Außenhandel und Industrie (MITI; Ministry of International Trade and Industry) in Rezessionsperioden die Produktion bestimmter Problembereiche im Rahmen von beaufsichtigten Kartellen ("guidance-cartel") lenken kann, so beispielsweise im Stahlbereich 1957. Die ordnungspolitische Grundkonzeption basiert infolgedessen zwar auf marktwirtschaftlichem Wettbewerb. Der Konkurrenzdruck ist wegen der Dominanz weniger, sehr wettbewerbsfähiger Unternehmen in der Regel sowohl auf den Binnenmärkten als auch im internationalen Rahmen groß. Die diskretionäre industriepolitische Steuerung besteht aber in gewichtigen Fällen einmal darin, den Anpassungsdruck zu mildern und den Übergang zu dem marktkonformen (niedrigeren) Produktionsniveau - auch aus beschäftigungspolitischer
Rücksichtnahme -
zu
erleichtern.
Beispiele
hierfür sind die gebildeten Krisenkartelle für die Chemiefaserproduktion (1978), den Schiffbau (1979) oder die Elektrostahlindustrie (1981) (vgl. Laumer/Ochel 1985, S. 19 ff.; Gibbs 1980, S. 48 f.; Joint Economic Committee 1982, S. 91 ff.). Nach Zysman gab es im Jahre 1973 neben einer großen Zahl von Exportkartellen sowie Kartellen von Klein- und Mittelbetrieben (787) immerhin rd. ein Dutzend genehmigte Krisenkartelle (vgl. Zysman 1983, S. 244). Ende 1984 gab es noch 104 genehmigte Kartelle, davon waren 64 Exportkartelle, die infolge der freiwilligen Exportbeschränkungen aufgrund von Regierungsvereinbarungen
gebildet
worden waren (vgl. Uesugi 1985, S. 15). Bei den Krisenkartellen dominiert freilich die Strukturanpassung gegenüber dem Erhaltungsziel (vgl. Magazi77
ner/Reich 1982). Zum anderen wurden aber auch Zusammenschlüsse von Unternehmen ermutigt, um Unternehmenseinheiten zu schaffen, die mögliche economies-of-scale weitestgehend ausschöpfen können (vgl. Kraus 1982, S. 42; Gibbs 1980, S. 48). Dafür gibt es Beispiele aus den sechziger Jahren für die elektronische Industrie und den Maschinenbau (vgl. OECD 1978a) und aus jüngerer Zeit in bezug auf die Zusammenarbeit von Unternehmen der Informationsindustrien in den achtziger Jahren (Joint Economic Committee 1982, S. 75 f.). Die vom MITI geplante Fusionierung der Automobilindustrie zu drei großen Unternehmen in den sechziger Jahren stieß allerdings
auf
erheblichen Widerstand und schlug fehl
(Trezise 1982, S. 192). Alle diese politischen Maßnahmen, die letztlich auf eine tendenzielle Beschränkung des Wettbewerbs hinauslaufen, erfordern die Zustimmung der Fair Trade Commission (FTC), der japanischen Kartellbehörde. 2.2
Planunqswesen
Das japanische Planungswesen hat im Rahmen der Struktur- und Industriepolitik eine zentrale Stellung inne. Die Economic Planning Agency (EPA), angesiedelt beim Premierminister, ist für die Ausarbeitung der (mittelund langfristigen) nationalen Pläne zuständig, die Projektionen für die künftige Entwicklung der Volkswirtschaft insgesamt und wichtiger Teilsektoren enthalten. Das Planungsamt wird bei dieser Arbeit unterstützt einmal von einem Aufsichtsrat, dem Politiker, Vertreter sozialer Gruppen und unabhängige Wissenschaftler angehören, zum anderen von Mitarbeitern zuständiger Ministerien und anderer Institutionen, und es bedient sich dabei seit der Mitte der sechziger Jahre ökonometrischer Modelle und Input-Output-Techniken. Die nationalen Pläne werden vom Kabinett verabschiedet, laufend überprüft und gegebenenfalls revidiert und bilden eine Richtschnur für politische Entscheidungen für die jeweilige Planungsperiode. Von den nationalen Plänen zu unterscheiden sind die "Visions11, die das MITI speziell für den industriellen Sektor erarbeitet. Grundsätzlich kompatibel mit den nationalen Plänen, zeichnen die Visionen die Entwicklungslinien im industriellen Bereich auf, vielfach werden sie durch spezifische Sektorstudien ergänzt. Ähnlich wie bei den Nationalplänen werden auch bei den Visionen Interessenvertreter und andere Institutionen am Planungsprozeß beteiligt, so daß das Ergebnis, das wiederum dem MITI als 78
79
Ubersicht J.1
Wachstum vorgegeben
6,1 10,6
9,4 6,2
1979-05
Februar 1975
6,0 5,7
5,7 6,5 " n
Mal 1976 August 1979
Okonometrlschoottkanometrleches dkonometrisches Modell Modell Modell Mode« Modell
10,6 5,9
1976-00
April 1970
ökonometrUche«
ÖkonomotHschos
Okonometrlachae
Nauar wirtecheftBcher und «oz toter
Korrektur von Aueywogene, Aufbeu einer Forderung nationaler Htahor Lebensstenderdt Stetige WlrtscheftsUngleichgewichten stetige Wirtscheftestabilen QesellWohjfshrtf internestetig« Wirtscheft»entwlckkmg; Vsfbee«ntwickkmg scheftsordnung durch tlonale Kooperetkm entwickjung sertmg der lebenet*»euegewogenes WirtHtöti Beitrog zur sch«ftsw«ch*tum InUmetlonelen Wirtechefts«ntwlcMung
Modell
0,2
1975-77
10,9
1970-75
Mftrz 1967
Wachstumsmaulmlerung; Verbessert^ der Lebensbedingungen; VollbeschSftigung
Annehmen über eingewogene sektorsie Entwicklung
7,8 10,7
1967-71
Jen. 1965
Plan zur VerdoppMittelfristig Plan für dl« wlrtNmt Plan fOr dto WlrtactwftHchar Wlrtschsttaplen fOr lung da* NationalWirttchoftsplan scheftllche und wirtschaftliche »«1 und eoztelor dto zweite Hilfta eozlele Entwlckturq sozial« Entwicklung Bedspton der alehzigar Mm Sl«borijshtoqil«n
1) Vorläufig. Quellet Economic Plennlng Agency, Obersetzt nacht Shinohere, Miyohei; Venogihere, Tom, Jopen*s Experience In Menoglng Development. Int World Bank Steff Working Pspers, Mo. 574, Weshlngton 1983.
Modernlsisnng Verbesserung der Verbesserung des Modernisierung Prelsstebilisierungt Effizienzsteigerung Sicherung und V«rStsbilWerung dar VoHbeschöfti^aigi des Produktion«Infrastruktur; Sozielkepltelbe- von Sektoren mit Verbesserung der eus internettoneler beeserung der Preisentwlcklungf Prelsstabllltöt; potentIsis; FördeForderung von stends; Verbe««erisig niedriger Produktlwirtecheftlichen Sicht» PreisstebillLebena-und UmweltSlchen*ig dsr VollVerbenerung der rung des Internet. Schwerindustrien; der Industriestrukvit»t| ret ioneilen Effizlenzi Fördesi er ««ig; Förderung bedingungen; Preisbeschlftlgung; VorLebend* «ttngungen» Handel«} Verringerung E spart fördertvtg; tur; Korrektur der Einsetz de» Arbelt»- rung der sozieien der sozieien Entwlckatebllisierungt besseumg der LebeneBeitrag für dl« der ImportabhftngigSperfördsrung duelen WirtscheftskrBftepotentielsi Entwicklung Wicklung» Erhellung Förderung der und Umwoltbedtngunweltweite wlrtkeltf Sparförderung struktur; StebillsieVerbesserte^ der des sngemeswnen Internetionolen gent Vorstirkung der schoftliche teef sorung der sozieien LebensquoHtttt Wirtschaftswachstums; Kooperation Entwicklungshilfe! ziele Entwlekkmg; Lege Verbesserung der EntSicherung der wlrtSicherung ctor wlrtwlcklungshilfe scheftlichen Beels« echeftlichen Best«; Stärkung der VoreueStiftung der Voroueeetzungen für die eetxungen Für die lengfristlge Wirtkünftige Entwicklung; seheftsentwkrklung Wiederherstellung des Gleichgewichts der Öffentlichen Flnenzeni Lötung monetärer
Erstarkung dar Velkiwlrtechofti VoUbeschiftigwtg
6,5 9,9
Wichtigst«, Obergeordhete Ziele
Einzelziele und Instrumente
Dez. 1960
Neuer lengfrtetlger Wlrtscheftspton ekikommene
1956-60 1958-62 1961-70 1964-68
Dez. 1957
Annahmen über Entwicklung von Arbeitskräften und Produktlvltit gegeben
5,0 0,7
Dez. 1955
Fünfj**e«plen zur Selbstkrilfttgung der Wirtschaft
Projektlonomethode
Plonprojektion Effektiv
durchschnittlich Jährlich, In vH
Gs samt Wirtschaft liehet Wachstum,
Plonperlode (Heutheltejahte)
Zeitpunkt der Veröffentlichung
CharakterlatIka
Plöns
Owwktsrhtlke dmr Vufrs«lrtacheft«pllnB Jap»
Orientierung für die Ausgestaltung der Industriepolitik dient, auf einem hohen Grad an Übereinstimmung zwischen dem politischen Entscheidungsträger und den übrigen gesellschaftlichen Kräften beruht, so daß für die daran ausgerichteten politischen Maßnahmen eine breite Akzeptanz zu erwarten ist. Andererseits erklärt dies auch, daß die Visionen vielfach als Orientierungshilfen bei den Investitionsentscheidungen der Unternehmen dienen, zumal sie zumindest mittelfristig auch den politischen Entscheidungsprozeß transparent und kalkulierbar machen. Dennoch gab es zwischen der projektierten wirtschaftlichen Entwicklung und dem tatsächlich erreichten Wachstum immer wieder zum Teil erhebliche Unterschiede. Während bis zum Ende der sechziger Jahre das Ergebnis immer den Plan übertraf, konnten danach die im Rahmenplan zugrunde gelegten Wachstumsraten nicht mehr erreicht werden (vgl. Shinohara/Yanagihara 1983, S. 10 f.). 2.3
Steuersystem
Die gesamtwirtschaftliche Abgabenquote ist in Japan im Vergleich zu anderen Industrieländern trotz deutlicher Steigerung in den siebziger Jahren mit knapp 28 vH des Bruttoinlandsprodukts (1982) noch außerordentlich niedrig. Auch die eigentliche Steuerquote liegt mit knapp 20 vH unter derjenigen aller anderen Länder. Dies ist vor allem Ausdruck einer niedrigen Besteuerung der Produktion. Die laufenden Einkommen- und Vermögensteuern sind in Relation zum Bruttoinlandsprodukt mit rd. 12 vH ähnlich hoch wie etwa in der Bundesrepublik. Während aber beispielsweise in der Bundesrepublik und in den USA mehr als vier Fünftel der direkten Steuern von den privaten Haushalten gezahlt werden, ist der Unternehmenssektor in Japan zu mehr als 40 vH am Aufkommen an Einkommenund Vermögensteuern beteiligt. Neben der nationalen Körperschaftsteuer müssen aus dem Ertrag Unternehmensteuern an die Präfekturen und Einwohnersteuern an Präfekturen und Gemeinden gezahlt werden (vgl. Eßer 1983, S. 15 ff.). Von den indirekten Steuern haben die umsatzabhängigen Steuern (Warenumsatzsteuer, Monopolsteuer) sowie die verkehrsabhängigen Steuern (Kfz-Steuer, Stempelsteuer, Motor-Tonnage-Steuer) das geringere Gewicht gegenüber den Verbrauchsteuern. Mit etwa zwei Dritteln geht der größte Teil des gesamten Steueraufkommens an die zentralstaatliche Ebene, den Rest teilen sich die Präfekturen (ca. 15 vH) und die Gemeinden (ca. 20 vH) (vgl. Eßer 1983, S. 45). 80
Insgesamt ist das System der Einkommensbesteuerung auf die Förderung von Sparen und Investieren angelegt. Für Einkommen aus Zinsen und Dividenden gelten ermäßigte Steuersätze (vgl. Gibbs 1980, S. 44). Daneben gibt es Freibeträge, so daß die Vermögenseinkommen der kleinen Sparer weitgehend nicht besteuert werden; darüber hinaus wurde die Doppelbesteuerung von Dividenden - als Unternehmensertrag und als Einkommen privater Personen - abgebaut (vgl. Joint Economic Committee 1982, S. 40 f.). Zur Förderung der Investitionsneigung wurden zahlreiche steuerliche Anreize eingesetzt. Sie zählen zu den wichtigsten finanziellen Instrumenten der diskretionären industriepolitischen Steuerung. Das eingesetzte Maßnahmenbündel reicht von Sonderabschreibungen, Freibeträgen bzw. Steuerbefreiungen
für Einkommen aus bestimmten Exporterlösen und der
besonderen steuerlichen Behandlung von Verlusten * aus Exportgeschäften über Steuerbefreiungen von bestimmten Rücklagen oder Buchgewinnen beim Anlagevermögen bis zum begrenzten Abzug von Investitionsausgaben im FuE-Bereich von der Körperschaftsteuerschuld (vgl. Joint Economic Committee 1982, S. 64 ff.; OECD 1978a, S. 12 ff.). 2.4
Finanzhilfen und Steuervergünstigungen
Das Subventionsniveau liegt in Japan bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt mit rd. 1,3 vH nicht wesentlich unter dem anderer
westlicher
Industriestaaten. Auch hier wird der Agrarkomplex noch subventioniert. Im Jahre 1980 ging mehr als ein Drittel der Subventionen an die Landwirtschaft und ihr nachgelagerte Bereiche der Ernährungsindustrie. Andere Schwerpunkte sind die Energiewirtschaft (einschließlich die Gewinnung von energetischen Rohstoffen), die Bauwirtschaft sowie eine Reihe
von Dienstleistungsbereichen
(Handel, Banken, Versicherungen,
Transport). Es fällt auf, daß im industriellen Sektor nur wenige Bereiche sehr selektiv gefördert
werden (EDV, Flugzeugbau, Textil und Leder,
Papiererzeugung), wobei die Subventionierung 1980 nur im Flugzeugbau mit 6 vH der Bruttowertschöpfung relativ hoch ausfiel (zu den Angaben vgl. im einzelnen Tabelle A.4.18 im Tabellenteil des Anlagenbandes). Eine größere Bedeutung bzw. eine stärkere Breitenwirkung haben die Abschreibungserleichterungen (zur ausführlichen Darstellung vgl. Eßer 1983, S. 76 ff.). Sie dienen einmal der - selektiven - Investitionsförderung, 81
werden zum anderen auch zur Stimulierung von FuE-Aufwendungen oder eines bestimmten Anbieterverhaltens (Exportorientierung,
Kooperation
zwischen Unternehmen bis hin zur Fusion o.a.) eingesetzt. Insbesondere in der Aufbauphase der japanischen Nachkriegswirtschaft fiel die Kombinationsmöglichkeit von normaler Abschreibung und beschleunigter Abschreibung - insbesondere im Exportgeschäft - durchaus ins Gewicht. "The net effect
of these depreciation allowances - Standard depreciation plus
rationalization
allowance,
and
basic
accelerated
and
supplemental
accelerated depreciations - was to give growing industries a tremendous cash flow advantage. In some cases ... companies could depreciate up to 52.5 percent of their equipment in one year." (Joint Economic Committee 1982, S. 65). Auch zur Einführung umweltschonender und ressourcensparender Verfahren werden im ersten Jahr der Anschaffung Sonderabschreibungen für Ausrüstungsgüter gewährt, wobei Investitionsgütern zur Vermeidung von Umweltverschmutzung mit 27 vH der höchste Sonderabschreibungssatz eingeräumt wird (vgl. Trezise 1982, S. 189 f.). Im einzelnen sind dies durchaus kräftige Incentives, auch wenn die Maßnahmen zusammengenommen nicht dazu führen, daß über den Anschaffungswert hinaus abgeschrieben werden kann und es sich bei Abschreibungserleichterungen nur um eine zeitliche Verlagerung der Besteuerung und insoweit um einen Liquiditäts- und Zinsvorteil handelt. Dies gilt auch für Maßnahmen, die der Computerisierung und Automatisierung dienen. Für die Installation von elektronisch gesteuerten Robotern können Sonderabschreibungen geltend gemacht werden. Weiterhin können Einnahmen aus dem Verkauf von Software zu einem Teil steuerbefreit werden, wenn sie zur Entwicklung neuer Software wiederverwandt werden, ähnliches gilt etwa für Erlöse aus dem Export von Technologien und entsprechenden Dienstleistungen. Über den Umfang, den diese Finanzhilfen in Form von Steuerausfällen insgesamt ausmachen, gibt es allerdings wenige, allenfalls rudimentäre Angaben. Im Maschinenbau und der Elektronischen Industrie machten die Abschreibungserleichterungen jährlich etwa 10 Mill. US-$ aus (vgl. MITI 1981), ein Betrag, der im Verhältnis zum Investitionsumfang dieser Bereiche mit nicht einmal 0,2 vH insgesamt eher als vernachlässigenswert gering anzusehen ist. Wheeler beziffert die Steuerersparnisse der Unternehmen im Zusammenhang mit zusätzlichen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auf 14 Mrd. Yen (1976) bzw. 27 Mrd. Yen (1981), dies entspricht einer Verminderung des Steueraufkommens aus Körperschaft82
steuern von nicht einmal 0,3 vH (vgl. Pugel 1984, S. 425). Nach Berechnungen von Eßer waren die Sachabschreibungen der japanischen Aktiengesellschaften insgesamt - bezogen auf den Umsatz - niedriger als in der Bundesrepublik Deutschland. Von den Branchenbeispielen lagen die Abschreibungen nur in der Stahlindustrie und der Textilindustrie in Japan über denen der Bundesrepublik (vgl. Eßer 1983, S. 48 und S. 55 ff.). Insgesamt hat es den Anschein, daß mit zunehmender Verflechtung der japanischen Wirtschaft mit der übrigen Welt der Umfang der finanziellen Anreize nicht zuletzt auf Druck der Handelspartner tendenziell abgenommen hat (vgl. auch Joint Economic Committee 1982, S. 64 ff.). Eine dritte Art von Vergünstigungen stellt die Bereitstellung an Finanzierungsmitteln als Risikokapital einerseits, als zinsverbilligtem Kredit andererseits dar. Ein großer Teil dieser Mittel ist indessen in Investitionsbereiche gelenkt worden, die zu den klassischen Aufgaben staatlicher bzw. staatlich unterstützter Investitionen gehören (Infrastruktur, Regionalförderung, Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen). Das industriepolitische Ziel - etwa die Stimulation des Wachstums technologisch vielversprechender oder bereits führender Bereiche - stand hierbei nicht an erster Stelle (vgl. Trezise 1982, S. 186 f.). Die industriebezogenen Kredite - rd. 300 Mill. US-$ jährlich, vorzugsweise für Zwecke der Förderung und Verbreitung von Technologien gewährt - haben dagegen eher einen bescheidenen Umfang. Ihr Subventionswert ist - insbesondere gemessen an dem hohen Investitions- und Forschungsaufwand der privaten Unternehmen - nicht zu überschätzen, selbst wenn man die Signalfunktion dieser Förderung mit in Rechnung stellt. Denn die Bereitstellung von Krediten mit günstigen Konditionen etwa von Seiten der JDB dient vielfach den City-Banken als Zeichen, ihrerseits Kreditmittel bereitzustellen, weil die Bonität des Schuldners nicht mehr im Zweifel steht und auch die Refinanzierung bei der Notenbank wegen der Konformität der Mittelbindung mit der staatlichen Industriepolitik nicht behindert scheint. Die Einflußmöglichkeiten der Banken haben freilich im Zuge der Liberalisierung des Güter- und Kapitalverkehrs mit dem Wachstum von Finanzinstitutionen, die auf den ausländischen Kapitalmärkten tätig sind, einerseits, der Verbesserung der Liquiditäts- und Gewinnsituation der großen Verbundgruppen andererseits deutlich abgenommen.
83
2.5
Bankensystem
Das japanische Bankensystem erlaubte insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren, in denen der Güter- und Kapitalverkehr
mit dem
Ausland stark kontrolliert, die Unternehmensfinanzierung - bei großem Kreditbedarf - fast ausschließlich auf inländische Quellen angewiesen war, eine erhebliche Einflußnahme der geldpolitischen Instanzen auf die Investitionsentscheidungen der Unternehmen, zumal infolge eines - mit Hilfe von Regulierungen (Postal Savings Bureau 1985, S. 14) - niedrig gehaltenen Zinsniveaus einerseits, eines geringen Verschuldungsbedarfs der öffentlichen Hand andererseits der Wertpapiermarkt unterentwickelt blieb. Das niedrige Zinsniveau bot einen hohen Investitionsanreiz, und die Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen ist groß. Insbesondere in der Phase sehr rascher wirtschaftlicher Expansion war die Eigenkapitalquote der Unternehmen in Japan kaum halb so groß wie in wichtigen anderen westlichen Industrieländern (vgl. Gibbs 1980, S. 32). Die Bank of Japan, durch Gesetz unabhängige Körperschaft, versorgt im wesentlichen die 13 City-Banken mit Zentralbankgeld. Dabei dominiert die Geldmengensteuerung vor der Diskont- und Offenmarktpolitik. Da die Geldnachfrage infolge des niedrig gehaltenen Zinssatzes das verfügbare Angebot meist überstieg, konnte die Geldversorgung mit Hilfe der Kreditrationierung flexibel gesteuert werden (vgl. Zysman 1983, S. 247 ff.). Der Rahmen für Kredite zu normalem Diskontsatz wird durchaus diskretionär für die einzelnen Banken umrissen und zusätzliche Kredite werden nur zu schlechteren Konditionen eingeräumt (vgl. Joint Economic Committee 1982, S. 34; Lipp 1982, S. 182). Die City-Banken finanzieren hauptsächlich den Kreditbedarf der großen Kapitalgesellschaften, teils gibt es enge Verflechtungen zwischen den einzelnen Banken und den großen Verbundgruppen. Dies trägt zur finanziellen Stabilität der Unternehmen trotz hohen Verschuldungsgrades bei. Denn bei Liquiditätsengpässen einzelner Unternehmen sind Hilfestellungen innerhalb der Gruppen sowie von Seiten der Bank, der Lieferanten durch die Gewährung von Lieferantenkrediten sowie von Seiten der Kunden mittels Anzahlungen oder beschleunigter Begleichung von Rechnungen zu erwarten (vgl. auch Gibbs 1980, S. 33). Die mittleren und kleinen Unternehmen wiederum sind auf regionale und lokale Banken angewiesen, deren Finanzierungsmöglichkeiten durch Einlagen des privaten Sektors unter Beachtung der gesetzlichen Mindestreser84
vevorschriften recht beschränkt sind. Dies um so mehr, als die steuerlichen Vorschriften es für die privaten Haushalte attraktiver werden lassen, ihre Ersparnisse anstelle bei Privatbanken auf Postsparkonten zu halten. Diese Mittel werden unmittelbar durch das Postministerium und das Finanzministerium verwaltet und fließen zusammen mit den Überschüssen aus der Sozialversicherung und anderen Geldquellen vor allem in das Fiscal Investment and Loan Program (FILP). Ende März 1985 machten diese Spareinlagen mit mehr als 450 Mrd. $ rd. ein Fünftel der privaten Ersparnisse aus (vgl. Postal Savings Bureau 1985, Annex 9). Sie sind also eine bedeutende Manövriermasse
außerhalb des normalen
monetären
Systems, und im Zusammenhang mit einer generellen Entregulierungsdebatte wird auch hier über eine Veränderung nachgedacht (vgl. ebenda, S. 17; The Study Group on Postal Savings 1984). Das FILP finanziert zu einem großen Teil (1981 waren es etwa die Hälfte der Mittel insgesamt) die zentralstaatlichen und lokalen öffentlichen Investitionen. Der andere Teil dient der Refinanzierung der staatlichen Finanzinstitutionen, die in Übereinstimmung mit den industrie- und strukturpolitischen Zielen der Regierung dem privaten Sektor für bestimmte Investitionsvorhaben Kredite zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen. Die wichtigsten dieser Institutionen sind einmal die Japan Development Bank (JDB), zum anderen die Japan Export-Import Bank (JEIB). Die Verwendungsstruktur der JDB-Kredite zeigt indessen, daß der Akzent weniger auf den industriepolitisch als auf mehr infrastruktur- und regionalpolitisch motivierten Kreditvergaben liegt, wenn man einmal von den Energie- und Rohstoffvorhaben absieht, für die 1979 gut ein Viertel der neuen Kredite gewährt wurden. Auf Projekte zur Technologieentwicklung entfielen im gleichen Zeitraum nur 13 vH der Kredite, aber mehr als die Hälfte
auf Vorhaben zur Stadt- und Regionalentwicklung sowie zur
Verbesserung der Lebensbedingungen. In weiter zurückliegenden Jahren hatten die letzteren Aktivitätsbereiche bei der Kreditvergabe sogar einen weitaus höheren Stellenwert (vgl. Trezise 1982, S. 188). Weitere, im Zuge der Liberalisierung des Güter- und Kapitalverkehrs zunehmend wichtigere Finanzierungsquellen sind zum einen Direktinvestitionen, für die es inzwischen nur noch wenige Beschränkungen gibt, zum anderen die Verschuldung auf internationalen Kapitalmärkten,
mittels
derer sich spezielle Finanzierungsinstitute refinanzieren, was den CityBanks untersagt ist. Auch die Kapazität der Unternehmen zur Selbstfinan85
86
6,4
4,4
Landschaftspflege
Straßenbau
99,5
7,8
10,6
100,0
8,5
Quelle: Joint Economic Committee (1982).
Insgesamt
Zusammenarbeit
Handel und Wirtschaft
9,4
2,3
3,9
14,8
4,6
3,9
11,4
100,0
8,9
.3,5
15,4
5,0
4,0
13,1
8,6
1,6
5,0
98,9
8,2
2,8
16,6
4,8
2,8
8,4
7,6
1,1
6,1
12,4
23,0
15,9
22,7
16,4
18,1
4,9
2,6
8,5
87,7
4,4
2,6
16,6
4,0
1,9
5,1
1,2
6,4
20 679,9
1981
11,8
100,0
4,3
2,3
5,0
1,5
6,9
22,2
12 403,1
16,4
1980
7 413,4
1973 1976
3 799,0
5,7
8,9
13,4
Basisindustrien
5,8
6,4 12,5 12,8
7,0
Landwirtschaft
13,2
11,6
Klein-und Mittelbetriebe
7,0
Regionalentwicklung
Kommunikation
8,0
3,8
6,0
11,5
14,6 13,9
5,1
Sozialeinrichtungen
Transport und
9,1
19,3
1 776,4
12,6 14,4
625,1
1960 1965 1970
Das japanische Investitions- und Kreditprogramm (FILP) nach Umfang und Verwendungsstruktur, 1960 - 1981
Umweltverbesserung
Wohnungsbau
Verwendung in vH
Umfang in Mrd. Yen
Tabelle J.l
84,7
22 989,7
zierung ist gegenüber der Aufbauphase der japanischen Wirtschaft erheblich gewachsen. Insgesamt wird daher die Einflußmöglichkeit der Zentralbank sowie der Administration zur industriepolitischen Steuerung über eine diskretionäre Geldversorgung bei Kreditrationierung heute als sehr viel geringer angesehen (vgl. Harada 1985, S. 1 ff.; Joint Economic Committee 1982, S. 36 ff.). 2.6
Technoloqiepolitik
2.6.1
Institutionelle Aspekte
Die Verwaltungen bedienen sich verschiedener Institutionen, um sich sowohl bei der Planung und Ausarbeitung als auch bei der Durchführung der Programme zur Technologieförderung unterstützen zu lassen. Der Council for Science and Technology, dem der Finanzminister, Erziehungsminister, Leiter der EPA, Leiter der Agency for Industrial Science and Technology (AIST), Vorsitzender
des Wissenschaftsrats
und fünf
namhafte Wissenschaftler angehören, erarbeitet seit 1959 für den Ministerpräsidenten Empfehlungen in bezug auf staatliche Förderungsprogramme. Der Science Council of Japan wiederum vertritt die Belange der wissenschaftlichen Einrichtungen (einschl. Universitäten) und berät das Kabinett in Fragen von Forschung und Lehre sowie von Beziehungen zwischen wissenschaftlicher Ausbildung und industriellen Bedarfs. Daneben besteht der Council of Industrial Science and Technology, der die Probleme der Umsetzung von Ergebnissen industrietechnischer Forschung eingehender untersucht, und zwar im Dienste des Amtes für Industriewissenschaft und -technologie. Die drei genannten Institutionen haben vor allem die Aufgabe, die politischen Instanzen bzw. deren nachgeordnete Behörden bei der Entwicklung und Ausarbeitung der verschiedenen Aspekte einer Technologiepolitik beratend zu unterstützen. An der Umsetzung der erarbeiteten Programme sind wieder andere Institutionen beteiligt.
87
Das Amt für
Industrie Wissenschaft
und -technologie (AIST) soll die
experimentelle Forschung und Entwicklung im Hinblick auf Produkt- und Prozeßinnovationen fördern. Dazu wird in 16 Forschungsinstituten
in
eigener Regie geforscht. Bei nationalen Großprojekten und im Rahmen der Energieforschungsprogramme wird die Kooperation mit privaten Unternehmen gesucht. Darüber hinaus wird die industrie-technologische Forschung des privaten Sektors gefördert. Ebenso wie das AIST ist das Amt für Klein- und Mittelbetriebe (Small and Medium Enterprise Agency, SMEA) beim MITI angesiedelt. Es fördert die Umsetzung von Forschungsergebnissen zu neuen Produkten und Produktionsverfahren
speziell in
kleinen und mittleren Betrieben. Soweit der Zuständigkeitsbereich der Forschungsförderung nicht unmittelbar beim MITI liegt, ist das Amt für Wissenschaft und Technologie (Science and Technology Agency, STA) angesprochen, das einmal die Forschungsaktivitäten der übrigen Ministerien koordinieren soll, zum anderen selbst sechs Forschungslabors vorsteht. Dieser kurze Abriß zeigt, daß die institutionelle Struktur der Technologiepolitik Japans äußerst vielschichtig ist und Zuständigkeiten nicht immer klar geregelt sein können. Es wird allgemein für ein Zeichen der typisch hohen Kooperationsfähigkeit auch auf administrativer Ebene angesehen, daß die Technologiepolitik dennoch durchaus als effizient
eingeschätzt
werden muß (vgl. Kraus 1982, S. 40 f.; OECD 1978b, S. 297 ff.). 2.6.2
FuE-Proqramme
In der heutigen japanischen Technologiepolitik sind drei verschiedene Aspekte zu unterscheiden: einmal die Förderung von Hochtechnologiebereichen, wobei der Schwerpunkt hier immer mehr auf der Grundlagenforschung liegt, zum anderen die Kombination von Strukturanpassung und "Revitalisierung" (Laumer/Ochel 1985, S. 18) durch die Förderung der Entwicklung von neuen Technologien und Produkten in schrumpfenden Bereichen, sowie die Unterstützung der Verbreitung von technologischen Entwicklungen in der heimischen Industrie. Grundlage der Industriepolitik sind für die Schwerpunkte der FuE-Förderung Gesetze, die zeitlich begrenzt gültig sind und im wesentlichen die technologischen Ziele der jeweiligen Programme, die Zuständigkeiten der 88
Administration sowie Art und Umfang der Finanzierung regeln. Daneben haben die Ministerien aber auch Spielraum und Kompetenz zu weiteren Förderungsaktivitäten. Im Hochtechnologiebereich werden Vorhaben unterstützt, die dem Ziel dienen, die Energie- und Rohstoffabhängigkeit der japanischen Wirtschaft zu vermindern. Dazu gehören im Energiebereich nicht nur die Nuklearforschung, sondern auch eine Reihe von "sunshine"- und "moonlight"-Projekten zur alternativen Energienutzung und -einsparung (vgl. MITI 1981, S. 12 ff.). Im Rohstoffbereich sind es Forschungsvorhaben für Biotechnologien sowie für
"neue" Materialien
wie Verbundwerkstoffe
und hochfeste
Leichtmaterialien (vgl. Abegglen/Etori 1985, S. J20 ff.; Kimura 1984, S. 1 ff.) oder die Meeresforschung (vgl. Aoki 1985, S. 2 ff.). Von besonderem Stellenwert ist aber auch die Entwicklung von Produkten mit flexiblen, breiten Anwendungsmöglichkeiten aus der Informationsindustrie und aus speziellen Bereichen des Maschinenbaus, beispielsweise der Roboterentwicklung. Für entsprechende Fördermaßnahmen im Zeitraum von 1978 bis 1985 wurde ein Gesetz erlassen (Law on Extraordinary Measures for the Promotion of Specific Machinery and Information Industries - Kijoho), das ein ähnliches Gesetz
für
den vorangegangenen
Acht-Jahreszeitraum
(Kidenho von 1971 bis 1978) ablöste. Im Rahmen dieser Gesetze führte das MITI in Abstimmung mit dem "Electronic and Machinery Industry Council" mehrere Programme zur Forschung und zur Entwicklung von Prototypen für die kommerzielle Produktion durch, wobei die Grenze zwischen - marktferner - Forschungsförderung und unmittelbaren Vorteilen für die Vermarktung nicht mehr eindeutig zu ziehen ist (vgl. Joint Economic Committee 1982, S. 75). Bei größeren Projekten wird die Kooperation von mehreren Unternehmen angestrebt. Teilweise werden für einzelne Forschungsprojekte von den zusammenarbeitenden Unternehmen eigens Trägergesellschaften gegründet, denen der Staat Fördermittel bereitstellt. Zu den wichtigsten Förderbereichen im Informatik-Bereich zählen derzeit: Die Entwicklung von Höchstgeschwindigkeitscomputern für wissenschaftliche Anwendungen,
89
die Forschung in Funktionsbereichen, deren Ausbau für die fünfte Computergeneration notwendig ist, wie Aspekte künstlicher Intelligenz, die Forschung und Entwicklung von Halbleiterelementen noch größerer Speicherkapazität und die Entwicklung von optoelektronischen Meß- und Kontrollsystemen. Die wichtigsten Programme im Luftfahrzeugbau sind neben der Entwicklung von Basistechnologien einmal die Konstruktion eines Flugzeuges mit kurzen Start- und Landewegen (Short-take-off-and-landing, STOL), zum anderen die Entwicklung neuartiger Flugzeugmotoren, Materialien sowie elektronischer Steuersysteme. Erhebliche FuE-Impulse im Elektronik-Bereich gehen auch von dem ehemals öffentlich-rechtlichen, seit Frühjahr 1985 privatisierten Fernmeldeunternehmen NTT aus, das einen hohen Forschungsetat verwaltet und selbst auch ein wichtiger Anwendung neuer Technologien ist. Die Privatisierung von NTT ist zunächst nur formal erfolgt, da der Staat das Aktienkapital noch gänzlich selbst hält, und die Verantwortung für FuE ist in den betreffenden Privatisierungsgesetzen (NTT Company Law, Telecommunications Business Law) festgeschrieben (vgl. Neumann 1985, S. 6 f.). Die Hilfe für schrumpfende Sektoren umfaßte ursprünglich nur Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung an die gesunkene Nachfrage; dazu gehörten sowohl Hilfen für den Kapazitätsabbau und für Stillegungen als auch flankierende soziale Maßnahmen wie Umschulungen, Umsetzungsbeihilfen u.ä. für die in den Krisenbranchen beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. im einzelnen Laumer/Ochel 1985, S. 12 ff.). Die Neuauflage des Gesetzes zur Stabilisierung der Krisenbranchen von 1983 sieht über die bis dahin gegebenen Möglichkeiten hinaus auch die Förderung der technologischen Erneuerung dieser Wirtschaftsbereiche hinsichtlich der Produktpalette und der Produktionsverfahren vor (vgl. ebenda, S. 18). Denn die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen - insbesondere im Vergleich zu den Schwellenländern - ist mit dem Abbau der Überkapazitäten allein noch nicht wieder erreicht, u.U. sogar noch mehr in Frage gestellt, wenn die produktionstechnisch vorhandenen economies-of-scale nicht mehr ge90
nutzt werden können. Die Strukturanpassungsmaßnahmen in Japan waren insofern auch nur bedingt erfolgreich
(vgl. ebenda, S. 16 f.). Eine
nachhaltige Gesundung der gefährdeten Bereiche setzt voraus, daß mit dem Kapazitätsabbau zugleich eine Änderung der Produktionsstruktur erfolgt, wobei im besten Fall die Produktion in nachfrageträchtige Bereiche verlagert wird. Um die Verbreitung des Einsatzes technologischer Neuerungen zu fördern, unterstützt die japanische Regierung Unternehmen, die im LeasingGeschäft für Datenverarbeitungsanlagen sowie für Roboter - vorzugsweise für Kunden aus kleinen und mittleren Betrieben - tätig sind. Inzwischen wird die Japan Electronic Computer Corporation, an der sieben führende japanische Hersteller beteiligt waren und die anfangs von der JDB zinsverbilligte Kredite mit langer Laufzeit erhielt, heute nur noch unbedeutend gefördert. Die Robot Leasing Company wiederum wurde erst 1980 mit staatlicher Hilfe gegründet, indem knapp zwei Drittel ihres Finanzbedarfes zu vergünstigten Konditionen bereitgestellt wurden. Insgesamt erweist sich die japanische FuE-Politik als ein Konzept, das den Schwerpunkt gerade auch auf die Anwendung technologischer Neuerungen in Wirtschaft und Gesellschaft legt. Die finanziellen Anreize werden freilich eher als gering eingeschätzt. Generell sind wohl die finanziellen staatlichen Hilfen oder auch die Aktivitäten in staatlichen Forschungseinrichtungen um so höher, je mehr es sich um Grundlagenforschung handelt, je länger die Entwicklungsperioden sind, je größer infolgedessen das damit verbundene finanzielle Risiko ist oder je mehr auch aus makroökonomischer und gesellschaftspolitischer Sicht ein Bedarf an den Forschungsergebnissen besteht (vgl. MITI 1983). So wurden nach Angaben des MITI von den gesamten Forschungs- und Entwicklungskosten für den VLSI (Very Large Scale Integrated Circuit) zwischen 1976 und 1979 mit rd. 150 Mill. $ etwa die Hälfte vom Staat getragen; die staatlichen Hilfen für den Maschinenbau und die elektronische Industrie insgesamt machten indessen in den sechziger Jahren nur rd. 2,5 vH der Investitionssumme, in den späten siebziger Jahren sogar nur noch 0,8 vH aus (vgl. MITI 1981). Im Vergleich zu anderen Industrieländern zählt Japan zwar zu den Ländern mit hohen Finanzierungsbeiträgen des Staates zu Forschungs- und Entwicklungskosten. Im Energiebereich wird Japan aber deutlich durch die USA und die Bundesrepublik Deutschland übertroffen, in der staatlichen Finanzierung von industrieller Forschung und Entwicklung rangiert Japan 91
Tabelle J.2 Japan Forschungs-und Entaicklungsausgaben und ihre Finanzierung,1980
Traeger
Hirtschaft
Staat
Finanzgeber
HochInsgesamt uebrige schulen Forschungseinricht. in Hrd.Yen
Hirtschaft Staat Ausland
3085 ¿0 5
360
545 795
150 250
3780 1465 5
Insgesamt
3150
360
1340
400
5250
Finanzierungsstruktur, vH Hirtschaft Staat Ausland
97.9 1.9 0.2
100.0
40.7 59.3
37.5 62.5
72.0 27.9 0.1
Insgesant
100.0
100.0
100.0
100.0
100.0
Traegerstruktur,vH Wirtschaft Staat Ausland
81.6 4.1 100.0
24.6
14.4 54.3
4.0 17.1
100.0 100.0 100.0
Insgesamt
¿0.8
6.9
25.5
7.6
100.0
Quelle: Hissenschaft^irtschaft,Politik (HHP) 17/1985,8.7.
92
hinter der Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien (vgl. OECD 1983, S. 6 f.). Der Teil aller Forschungsaufwendungen, den die Unternehmen selbst finanzieren, ist in Japan deutlicher größer als in den meisten übrigen großen Industrieländern (vgl. ebenda; Scholz 1984, S. 28 f.). Auch sind die Forschungsaktivitäten hier in den siebziger und achtziger Jahren sehr rasch angestiegen (vgl. Abegglen/Etori 1985, S. J6 ff.; Reinhard 1984, S. 29 f.), so daß die autonome Dynamik der japanischen Wirtschaft vor der gezielten industriepolitischen Steuerung mit Hilfe finanzieller Incentives das Übergewicht haben dürfte. 2.7
Patentwesen
Im Zuge der raschen Ausweitung der FuE-Aktivitäten der Unternehmen ist auch die Zahl der Patentanmeldungen und deren Anwendung sehr rasch gestiegen. Generell sind damit die industriellen Verwertungsrechte für die Dauer von 15 Jahren gesichert. Während 1960 nur etwa 11 000 Patente registriert
worden waren, stieg diese Zahl bis 1983 auf das knapp
Fünfache, davon entfielen
mehr als achtzig Prozent
auf
japanische
Entwicklungen. Auch die Zahl der Auslandspatentanmeldungen Japans hat schnell zugenommen; nach Berechnungen des Ifo-Institutes entfielen Anfang der achtziger Jahre rd. 10 vH der Weltpatente insgesamt auf Japan, allerdings nur 3,1 vH der Schlüsselpatente (vgl. Faust 1984, S. 46 f.). Im Handel mit industrieller Technologie hat Japan freilich noch einen deutlichen Passivsaldo. Es zahlte im Jahre 1982 an ausländische Inhaber von Patenten und Lizenzen etwa 1,8 Mrd. US-$ für Nutzungsrechte, während es nur gut 0,5 Mrd. US-$ für die Gewährung von Verwertungsrechten von ausländischen Lizenznehmern erhielt. Ein großer Teil der japanischen Zahlungen sind allerdings "Altlasten 11 aus noch laufenden, langfristigen Verträgen früherer Jahre, während bei neuen Abschlüssen von Nutzungsverträgen bereits Überschüsse erzielt werden (vgl. Abegglen/Etori 1985, S. J8). Zum Teil hängt dies mit der Vergabe von Lizenzen und Patenten an Unternehmen in Schwellenländern zusammen, was oft nur Ausdruck der Verlagerung von Produktionsstätten aus Japan an kostengünstigere Standorte ist. Die Zahl der Patentanmeldungen japanischer Unternehmen in den übrigen westlichen Industrieländern ist aber auch kräftig gestiegen und hat bereits ein beachtliches Niveau erreicht. Im Jahr 1982 hatten beispielsweise die großen japanischen Firmen Hitachi und Toshiba in den Vereinigten Staaten in vergleichbarer Größenordnung Patente angemeldet wie etwa IBM, Philips oder Siemens (vgl. ebenda, S. J10). 93
Die hohen Zahlungsverpflichtungen aus früheren Verträgen sind auf die japanische Entwicklungsstrategie zurückzuführen, die bis in die siebziger Jahre darauf ausgerichtet war, die Industrialisierung durch den gezielten Technologietransfer aus den weiter entwickelten Industrieländern - vornehmlich den USA - schneller voranzutreiben als auf dem Wege einer völlig eigenen Forschung und Entwicklung. Aus Gründen der Devisenknappheit, und um einer Überfremdung der Unternehmen vorzubeugen sowie um die Auslandsabhängigkeit im Technologiebereich so gering wie möglich zu halten, wurden die wirtschaftlichen Außenbeziehungen anfangs mittels des Foreign Exchange and Foreign Trade Control Law von 1949 und des Foreign Investment Law von 1950 sehr stark gelenkt. Zugleich wurde verhindert, daß die japanischen Unternehmen auf den heimischen Märkten einem harten ausländischen Konkurrenzdruck unterlagen. Die Nachahmung ausländischer Produkte auf der Basis ausländischer Technologie hatte vor allem für die Aufbauphase der japanischen Industrie einen hohen Stellenwert. Dies wurde auch durch eine intensive Information japanischer Unternehmen über die technologische Entwicklung in den führenden Industriestaaten durch amtliche oder halbamtliche japanische Institutionen - beispielsweise die Japanese External Trade Organization (JETRO) mit über 100 Auslandsvertretungen - sowie durch die großen Handelshäuser unterstützt. Gleichzeitig war aber das MITI bestrebt zu verhindern, daß die Unternehmen im Zuge der exklusiven Nutzung der erworbenen Patente und Lizenzen dauerhafte Monopolstellungen erlangen. Es achtete beispielsweise auf eine kurze Laufzeit von Lizenzverträgen und erleichterte die Verbreitung von Technologien auf dem Binnenmarkt (vgl. Abegglen/Etori 1985, S. J12). Scholz ist freilich der Ansicht, daß gerade die Regulierung des Technologieimports das Wachstum und die Machtstellung weniger, großer Unternehmen sehr begünstigt hat (vgl. Scholz 1985, S. 53). Die industrielle Produktion Japans blieb freilich nicht auf eine bloße Nachahmung beschränkt. Der japanische Erfolg gerade auf Märkten der Industrieländer ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Produkte auf der Grundlage importierter Technologie weiterentwickelt und mit hohen Qualitätsstandards angeboten werden und sich infolgedessen nicht nur in preislicher Hinsicht dem Wettbewerb stellen können (vgl. McMillan 1984, S. 105).
94
Der Technologietransfer unterliegt inzwischen - wie auch andere Bereiche der Außenwirtschaftsbeziehungen - keiner strengen Kontrolle des MITI mehr. Eine Liberalisierung des Handels und Kapitalverkehrs wurde Mitte der sechziger Jahre eingeleitet, und die legalen Beschränkungen sind inzwischen weitgehend abgebaut. Dies hat in der Neufassung der Gesetze zur Kontrolle des Handels und der Direktinvestitionen von 1980 seinen Niederschlag gefunden* Bei der Bedrohung der japanischen Wirtschaft oder aus Sicherheitsgründen kann freilich das Finanzministerium restringierend in die Außenwirtschaftsbeziehungen eingreifen. In bezug auf den Technologieimport
bestehen Beschränkungen nur noch in den hochsensiblen
Bereichen wie der Waffenproduktion,
dem Luftfahrzeugbau
oder der
Nukleartechnik (vgl» Joint Economic Committee 1982, S. 69). Freilich hat der Technologietransfer nach Japan nicht mehr den wirtschaftspolitischen Stellenwert, da der Rückstand Japans aufgeholt ist und es jetzt darauf ankommt, die starke Stellung in Konkurrenz mit den übrigen Industrieländern zu behaupten oder auszubauen. Dafür ist verstärkt die Entwicklung neuer Produkte erforderlich, die auf eigener Grundlagenforschung aufbaut (vgl. McMUlan 1984, S. 113 ff.). 2.8
Management, Industrial Relations, Sozialschutz
Eine Besonderheit des japanischen Wirtschaftssystems ist die Dominanz konsensualer Lösungen in wirtschaftspolitischen und einzelbetrieblichen Entscheidungen. Sie hat ihre Wurzeln im Konfuzianismus, der durch die Idee von der Einordnung des Einzelnen in ein - festgefügtes - System sozialer und gesellschaftlicher Beziehungen geprägt ist; die Harmonie dieses Systems ist zu schaffen und zu wahren, Konflikte müssen gemeinsam durch Schlichten und Nachgeben bewältigt werden (vgl. Rahn 1981, S. 12; Mechel 1981, S. 16). Das Streben nach Harmonie hat einmal im Wirtschaftssystem zu einem Netz institutioneller und informeller Beziehungen zwischen den wirtschaftspolitischen Akteuren und deren Beratern geführt, zum anderen prägt es das Verhalten von Regierungsvertretern und Repräsentanten der Wirtschaftsverbände und sozialen Gruppen und fördert es die Zusammenarbeit zwischen Administration, Wirtschaft und Wissenschaft. Das japanische Planungswesen ist ein Beispiel für dieses Zusammenspiel der verschiedenen sozialen Gruppen (vgl. Gliederungspunkt 2.2). Aber auch das Verhalten einzelner Unternehmen im Verband der großen Verbundgruppen 95
und der Sozialpartner innerhalb der Unternehmen ist davon geprägt, daß die gemeinsamen, akzeptierten Ziele - seien es nationale Unabhängigkeit, Bestand oder Ausweitung des Gruppenverbandes, Behauptung der erreichten Marktposition o.a. - Vorrang haben vor Einzelinteressen. Unternehmen einer Verbundgruppe, die in Schwierigkeiten geraten, erhalten Hilfestellungen etwa im Wege von Beratungen, der Gewährung von Krediten bzw. Liquiditätsvorteilen über längere Zahlungsziele oder die raschere Begleichung von Außenständen - auch von Seiten der kleinen Zulieferbetriebe oder der Übernahme von überzähligen Arbeitskräften. Die Gewerkschaftsarbeit wiederum ist weitgehend auf die Betriebe beschränkt, und Tarifverhandlungen werden mit Blick auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Betriebs geführt - auch hier dominiert der Ausgleich zwischen dem Nutzen für das Unternehmen und den unmittelbaren Einkommensvorteilen der Arbeitnehmer vor Konfliktstrategien (vgl. Meid 1981, S. 26). Die Identifikation des japanischen Arbeitnehmers mit seiner Arbeitswelt ist auch besonders stark (vgl. Rahn 1981, S. 16). Umgekehrt empfindet der Unternehmer seiner Stammbelegschaft gegenüber eine patriarchalisch
geprägte Fürsorgepflicht.
Dieser
- größere - Teil der
Belegschaft in großen Unternehmen verfügt über Arbeitsverträge
auf
Dauerbeschäftigung bis zum betrieblichen Pensionsalter (im Durchschnitt etwa 58 Jahre, Ernst 1981, S. 87), und Kündigungen aus Gründen der Rationalisierung oder Produktionsumstellung werden kaum ausgesprochen. Sollten
bestimmte
Produktionsbereiche
aus
Rentabilitätsgründen
schrumpfen und entsprechend Arbeitsplätze entfallen, so sind Unternehmer und Gewerkschaft bemüht, an anderer Stelle im Unternehmen - notfalls auch bei Geschäftspartnern - für andere angemessene Arbeitsmöglichkeiten zu sorgen. Ein hochrangiges Mitglied von Honda vertrat beispielsweise die Ansicht, daß Automatisierung und Roboterisierung der Produktion kein Selbstzweck sei, der durch Lohnkostendruck entstehen könne, und daß man diesen - arbeitsparenden - Prozeß verlangsamen müsse, wenn das Unternehmenswachstum nicht mehr so dynamisch wäre, die freigesetzten Arbeitskräfte anderweitig zu beschäftigen (vgl. Mondo Economico 42/1985, S. 42). Im System der "lebenslangen" Arbeitsverträge ist ein Arbeitsplatzwechsel - in anderen Ländern eher ein Stimulus für das individuelle berufliche Fortkommen - heute noch eher die Ausnahme, gilt sogar vielfach als unschicklich und als Karrierehindernis (vgl. Asher/Inoue 1985, S. 25). Bei Beförderungen innerhalb des Unternehmens herrscht das Senioritätsprinzip vor; es wird allerdings dort durchbrochen, wo infolge 96
technologischer Entwicklungen Spezialwissen gebraucht wird und gefördert werden soll. Die Sicherheit des einzelnen Arbeitnehmers im Unternehmen ist einer der wichtigsten Gründe dafür, daß es an Vorbehalten gegenüber dem Einsatz von arbeitsparenden modernen Technologien weitgehend fehlt. Vielmehr gibt es die aktive Beteiligung an der Entwicklung von Verbesserungen für das Produkt oder das Produktionsverfahren ohne die Angst vor möglichen Rationalisierungseffekten. Den aus Arbeitnehmern gebildeten Qualitätszirkeln wird eine wichtige Funktion für die hohe international
wettbewerbsfähige
Wirtschaftsleistung
zugemessen
(vgl.
ebenda, S. 26; McMillan 1984, S. 162 ff.). Zu der Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen kommt eine hohe Motivation
für
berufliche Weiterbildung und eine große Mobilitätsbereitschaft hinzu, so daß das Beschäftigungssystem trotz der beharrenden Elemente sehr flexibel ist. Ein Problem des japanischen Arbeitsmarktes bleibt freilich, daß es neben den privilegierten
Dauerbeschäftigten
vor allem
in den Klein-
und
Kleinstbetrieben und unter den weiblichen Arbeitnehmern eine außerordentlich große Zahl an weniger privilegierten Beschäftigungsverhältnissen gibt, die in hohem Maße konjunkturelle und strukturelle Risiken tragen. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind weitgehend palliativ eingesetzt und konnten die Ungleichbehandlung und ihre Ursachen bislang nicht einschränken (vgl. Ernst 1981, S. 95).
97
3.
Zusammenfassende Wertung
Trotz der Wachstumsabschwächung in der letzten Zeit ist die japanische Wirtschaft im Vergleich mit den übrigen westlichen Industriestaaten noch immer als vital und dynamisch anzusehen. Günstige Ausgangs- und Rahmenbedingungen haben dies unterstützt: Die Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen und die konfliktarme, auf Konsens ausgerichtete Haltung der sozialen und gesellschaftlichen Gruppen erleichterten die Einführung von Produkt- und Verfahrensinnovationen; die Wettbewerbsordnung ließ das Wachstum großer Unternehmen zu, die die economies-of-scale weitgehend ausschöpfen konnten und deshalb international konkurrenzfähig wurden; das Bildungssystem setzte sehr frühzeitig auf einen hohen Standard von allgemeiner und beruflicher Qualifikation; der Rückstand der japanischen Industrie erlaubte es, mit
Nachahmungs-
strategien ohne hohen eigenen Forschungsaufwand und ohne die entsprechend langen Fristen bis zur Produktionsreife heimischer Entwicklungen zügig die Wirtschaft an den Stand der entwickelteren Länder heranzuführen; eine vergleichsweise günstige Altersstruktur der Bevölkerung trug dazu bei, Anforderungen in bezug auf haushaltsnahe Infrastruktur - insbesondere soziale Einrichtungen - und auf das System der sozialen Sicherung zunächst nur in bescheidenem Umfang erfüllen zu müssen, was sich in einem niedrigen Staatsanteil und entsprechend geringer Steuerbelastung von Arbeitnehmern und Unternehmen niederschlug. Günstig wirkte sich auch die Niedrigzinspolitik aus, die zu hoher Investitionsneigung und großer Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen führte. Zugleich sorgte die protektionistische Abschottung vor Auslandskonkurrenz in der unmittelbaren Nachkriegszeit für eine ungehinderte Entfaltung der heimischen Industrien. Einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Japans leistete auch die gezielte industriepolitische Steuerung. In erster Linie gilt dies allerdings für die fünfziger und den Anfang der sechziger Jahre. Mit den sozialen Gruppen abgestimmte Volkswirtschaftspläne und sektorale Pläne bildeten die Basis für die Lenkung rationierter Kredite einerseits, die Kontrolle von internationalen Handels-, Kapital- und Dienstleistungsströmen andererseits, um die Entwicklung bestimmter Wirtschaftsbereiche - z.B. Schwerindustrien, Grundstoffindustrie, Energiebereich, High-TechBereich - zu begünstigen. Seit der stärkeren Öffnung der japanischen 98
Wirtschaft im Zuge des Beitritts zum GATT und zur OECD sind einmal die protektionistischen Praktiken weitgehend abgebaut worden, die Einflußmöglichkeiten zu sektoraler Steuerung erheblich geringer. Der staatliche Einfluß sollte ohnehin nicht überschätzt werden. Denn die Pläne als Rahmen für den politischen Instrumenteneinsatzes waren zum Teil in sich nicht konsistent. Die sektorspezifischen "Visions" ließen sich nicht immer in den makroökonomischen Rahmen einfügen, und der inländische Bedarf, auf den sich die Produktionsziele ausrichteten, wurde teilweise überschätzt, zum Beispiel für die Schwerindustrie und die chemische Industrie (vgl. Shinohara/Yanagihura 1983, S. 12). Die Industrieunternehmen orientierten sich dennoch an den Plänen und investierten entsprechend. Strukturelle Anspannungen, Überkapazitäten und Fehlinvestitionen größeren Ausmaßes konnten zunächst jedoch vermieden werden, weil der Weltmarkt aufnahmefähig war und die japanischen Unternehmen zusätzliche Marktanteile erobern konnten. Externen Schocks wie den beiden Erdölpreiskrisen standen die japanischen Planer und Politiker ähnlich unvorbereitet gegenüber, wie dies in anderen Ländern der Fall war, und es entstanden Anpassungsprobleme in denselben Problembereichen. Ein großer Teil dieser Wirtschaftsbereiche war in der Aufbauphase Japans besonders begünstigt worden. Die institutionellen Rahmenbedingungen erlaubten in Japan eine durchaus effiziente,
vom
Konsens aller Beteiligten getragenen Anpassungspolitik; der geplante Abbau der Produktionskapazitäten wurde weitestgehend realisiert. Es zeigt sich freilich, daß damit die Strukturprobleme nur zu einem kleinen Teil auch bewältigt wurden, denn die Marktentwicklung war zum Zeitpunkt der Aufstellung der Anpassungsziele zu optimistisch eingeschätzt worden. Der Kapazitätsabbau hätte demnach größer ausfallen müssen, und die meisten Industriebereiche zählen nach wie vor zu den Krisenbranchen (vgl. Laumer/Ochel 1985, S. 16 ff.). Gegenwärtig werden Planungsdefizite im Bereich der software-Entwicklung gesehen (vgl. Wirtschaftswoche 13/1985, S. 108), und es bestehen Zweifel, ob die mit der Entwicklung des Mikrochips im Zusammenhang stehenden Entwicklungskosten wieder eingespielt werden können, da inzwischen weltweit in bestimmten Produktionssparten
Überkapazitäten
aufgebaut wurden und ein beträchtlicher Preisverfall eingesetzt hat.
99
Es darf auch nicht übersehen werden, daß die japanische Regierung nur vergleichsweise geringe finanzielle Vorteile als Steuerungsinstrument einsetzt. Das Subventionsniveau ist insgesamt in Japan niedrig, und auch die spezifische Förderung einzelner Projekte dürfte - soweit hier Transparenz herrscht - nicht höher, sondern eher niedriger sein als in anderen Industriestaaten. Ein großer Teil staatlicher Finanzierungsmittel fließt in Bereiche traditioneller staatlicher Aufgaben oder dient regional-, sozialoder mittelstandspolitischen Zielen, also nicht vorrangig als industriepolitischer Stimulus für Wachstumsindustrien. Die nationalen Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind zwar hoch, den überwiegenden Teil finanziert freilich die Industrie selbst. Allenfalls ist in Japan die Abstinenz vor der Förderung einer Entwicklung bis hin zur Produktreife weniger stark ausgeprägt als - zumindest deklaratorisch - in anderen Ländern. Beispielhaft für die Industriepolitik anderer Staaten könnten die Bemühungen Japans zur Verbreitung neuer Technologien sein. Dies fördert den technologischen Wandel der Produktionsverfahren auf breiter Front und stärkt dadurch die Konkurrenzfähigkeit vieler Wirtschaftsbereiche. Auch die Bereitstellung von Informationen über die weltweite wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Entwicklung durch amtliche und halbamtliche Institutionen hilft den Unternehmen, Trends künftiger Entwicklungen oder Marktnischen zu erkennen und entsprechend langfristig zu disponieren. Auf diese Weise ist freilich "das Erfolgsrezept 11 Japans nicht bereits auf andere Staaten übertragen, zu verschieden sind vor allem die sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen von denen, die das japanische Wirtschaftssystem maßgeblich stützen. Es ist aber nicht zu vergessen, daß es zur Erschließung neuer Wachstumsfelder in allen Industrieländern auf Anstrengungen im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie der Umsetzung der Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte oder Dienste ankommt. Hier haben die "alten" Industrienationen
trotz
Schwächen
wirtschaftlicher Performance der letzten Jahre durchaus noch eine starke Wettbewerbsposition inne, sie gilt es weiter zu stärken und auszubauen.
100
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105
Länderbericht Vereinigtes Königreich
107
Inhalt
Seite 1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Instrumente Institutionelle Rahmenbedingungen Notenbanksystem und Bankwesen Monopolkontrolle Umweltschutz Steuern Staatswirtschaft, Regulierung, Privatisierung Subventionen, Forschungsförderung und Öffentliche Beschaffung Unternehmensgründungen, Risikokapital Industrial Relations und Sozialschutz Handelspolitik Zusammenfassende Wertung
2.8 2.9 2.10 2.11
Literaturverzeichnis
108
109 113 113 115 116 118 120 121 124 133 134 137 137 140
1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
Großbritannien ist während der letzten Jahrzehnte in seinem Lebensstandard kontinuierlich hinter seine Konkurrenten zurückgefallen. Die gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik war deutlich schwächer als dort. Die gesamte Faktorproduktivität in der Industrie, aber auch in jedem ihrer wichtigsten Bereiche außer dem Energiesektor, machte erheblich geringere Fortschritte als in der Bundesrepublik, Frankreich oder Italien (vgl. Todd 1984, S. 25). Schon seit Anfang der 60er Jahre sinkt tendenziell die Kapitalrentabilität der Industrie. Dies ist - bei bis zu Anfang der 80er Jahre hoher Inflationsrate - nicht auf den gewiß hohen Druck der Löhne zurückzuführen, sondern auf Ineffizienz in der Struktur der Anlagevermögensbildung: Die Kapitalintensität stieg im Industriedurchschnitt rascher als durch die Intensivierung an Produktivität gewonnen wurde (Reati 1984, S. 57). Bei schwachem Wachstum stieg die Kapitalintensität
in der
Industrie vor allem aufgrund von Entlassungen. Da die Expansion des Dienstleistungssektors weniger auf eine Mengenausweitung als auf Preiseffekte zurückzuführen ist, entstanden dort nicht genügend zusätzliche Arbeitsplätze - lediglich in den Bereichen Banken und Versicherungen, Handel und Staat wurden überhaupt mehr Kräfte benötigt - , um einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die Arbeitslosenquote liegt deutlich über dem EG-Durchschnitt; die stille Reserve gilt als besonders hoch, der "harte Kern" der Arbeitslosen infolge von Rigiditäten des Arbeitsmarktes als besonders groß. Schon in den ersten Nachkriegsjahrzehnten war die britische Wirtschaft stark inflationsanfällig gewesen. Jeder Versuch einer expansiven Wirtschaftspolitik mündete bald in eine Beschleunigung des Preisanstiegs. Die Importneigung wuchs. Wegen der außenwirtschaftlichen Schwierigkeiten nahm die britische Regierung alsbald ihren expansiven Kurs zurück. Auf diese Weise schwankte die globale Wirtschaftspolitik zwischen "stop and go". Einkommenspolitische Einflußnahme der Regierung verschärfte oft nur die sozialen Spannungen, ohne die Inflation zu stoppen (Seidel 1983, S. 91 ff.). Daneben sind Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in Großbritannien durch weitere Diskontinuitäten gekennzeichnet. Zum einen kam es zu einem häufigen politischen Machtwechsel. Bei den starken Gegensätzen zwischen 109
Konservativen und Labours hatte dies abrupte Wechsel zwischen Verstaatlichung und Privatisierung, sektoraler Planung und primärer Betonung der gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen
zur Folge.
Auch
wurden
struktur- und industriepolitische Einrichtungen in rascher Folge gegründet, geschlossen, mit neuen Zwecken versehen oder als institutionelle "Hülsen11 weitergeführt. Zweitens trat Großbritannien 1973 der Europäischen Gemeinschaft bei. Danach änderten sich die Handelsströme erheblich. Hatte sich das Land vor allem einen vermehrten Absatz seiner Industrieprodukte in den Partnerländern erhofft, so wuchsen die Importe rascher als die Exporte. Dies beschleunigte den relativen Rückschritt der verarbeitenden Industrie. Der EG-Beitritt bewirkte im übrigen, daß die hochproduktive britische Landwirtschaft als Folge der Preis- und Absatzgarantien von niedrigem Niveau aus ihren Anteil wieder erhöhen konnte - ein Prozeß, der in seinem Ausmaß nirgendwo in der EG eine Parallele hatte. Der "Deindustrialisierungsprozeß" wurde durch eine dritte Diskontinuität noch verschärft. Mitte der 70er Jahre begann die Förderung des britischen Nordseeöls. Sie nahm rasch zu und hatte schon bald einen positiven Nettoeffekt auf die britische Zahlungsbilanz. Dieser wurde noch verstärkt durch die Umorientierung europäischer Verbraucherländer auf das versorgungssichere britische Öl nach dem zweiten Ölpreis-Schock von 1979 und dürfte im Bereich der laufenden Transaktionen 1979 bei 7,5 Mrd., 1982 bei knapp 10 Mrd. L gelegen haben (vgl. Atkinson et al. 1983, S. 42). Dieser Prozeß trieb, unterstützt von der nun straffen Geldpolitik unter der Regierung Thatcher, den Kurs des Pfundes aus stark gedrückter Lage nach oben, wo er bis zum Verfall
der Rohölpreise verharrte.
einhergehende Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
Der damit
für die verarbeitende
Industrie insgesamt beschleunigte deren Gewichtsverlust in der volkswirtschaftlichen Produktionsstruktur. Die Zahl der Insolvenzen stieg sprunghaft. Durch das Ausscheiden von Grenzanbietern und Rationalisierungsbestrebungen der überlebenden Unternehmen zur Anpassung an die verschärften Wettbewerbsbedingungen wurde allerdings die Arbeitsproduktivität im verarbeitenden Gewerbe nun kräftig erhöht. Dies bedeutete weitere Entlassungen. Dem standen aber keine nennenswerten Arbeitsplatzgewinne in der Erdölförderung gegenüber. Hier ist die Kapitalintensität so hoch, daß die Zahl der zusätzlich benötigten Personen geringer war als die der gleichzeitig im Kohlenbergbau Entlassenen; in der Rohstoffgewinnung insgesamt nahm die Lohnquote von 78 vH im Jahre 1970 auf rd. 110
18 vH 1983 ab. Allerdings hatte die Nordseeölförderung über indirekte Wirkungszusammenhänge einen positiven Effekt auch auf das Aktivitätsund Beschäftigungsniveau anderer Sektoren. Es wird geschätzt, daß das reale Bruttoinlandsprodukt von 1979 bis 1982 ohne das Öl um knapp 7 vH statt der tatsächlichen 4,2 vH zurückgegangen wäre (Atkinson et al. 1983, S. 42). Neben den politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Diskontinuitäten haben auch einige dauerhafte Strukturschwächen zu der unbefriedigenden Gesamtentwicklung beigetragen. Sie betreffen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen
vor allem die
und das Bildungswesen. Ähnlich
wie in den USA erschöpfen sich die gewerkschaftlichen Aktivitäten zu sehr im Kampf um Lohndifferentiale (Magaziner/Reich 1982, S. 154), die Kooperationsbereitschaft
ist auf beiden Seiten gering, die Zahl der
Arbeitskämpfe hoch, der dämpfende Einfluß hoher Arbeitslosigkeit auf die Nominallohnentwicklung gering (OECD-Economic Surveys 1986, S. 21 f.). Im Bildungswesen mangelt es stark an Praxisbezogenheit. Die Eliteschulen bereiten auf politische, wissenschaftliche, allenfalls noch Finanzkarrieren vor (OTA-Report 1983, S. 403), nicht aber auf leitende Funktionen in Industrieunternehmen. Infolgedessen mangelt es zwar nicht an hervorragenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, wohl aber an deren kommerzieller Umsetzung. Beispiele dafür sind die Glasfasertechnik, Sichtgeräte, Schaltkreise, Telecom-Netz-Übertragungen sowie die Funk- und Satellitentechnik. Dagegen hinkt Großbritannien bei Robotern, Büromaschinen, CAD/CAM-Systemen sowie in der Videotechnik klar nach (NEDC 1981, S. 7). Die durchschnittliche Unternehmensgröße ist in Großbritannien relativ hoch. Zugleich haben sich aufgrund der zentralistischen Verwaltungsstruktur nur wenige Industriezentren herausgebildet. Die Deindustrialisierung traf also industrielle Großstrukturen in regionaler Konzentration. Dem versuchen Regierung und EG-Kommission durch aktive Regionalpolitik entgegenzusteuern, früher vor allem durch regionale Beschäftigungsprämien, hohe Investitionszuschüsse, kostengünstige Anlagenbereitstellung und selbst Einengung der freien Standortwahl mittels "Industrial Development Certificates" (Davenport 1983, S. 334), seit 1981 - nach Reduzierung der Fördergebiete und Neufassung der Förderrichtlinien (OECD 1983, S. 195) - vor allem in der Form von 28 "enterprise zones", in denen die
111
Unternehmen von bestimmten Steuern und Auflagen befreit werden sowie finanzielle Zuschüsse erhalten (Husain et ah 1985).
2.
Instrumente
2.1
Institutionelle Rahmenbedinqunqen
Die institutionelle Struktur mit Bezug auf Entwurf und Ausführung von Industriepolitik änderte sich stark mit der jeweiligen politischen Konstellation. 1964 löste die Labour Partei die Konservativen in der Regierung ab, wobei sich in der Verantwortung mit der Zeit der rechte, eher kooperative Parteiflügel durchsetzte. Er schuf 1966 die "Industrial Reorganisation Corporation" (IRC), die in relativer Unabhängigkeit von der Regierung (Young/Hood 1984, S. 203) industriepolitisch wichtige Fusionen betreiben und damit die private Unternehmenswirtschaft durch Effizienzsteigerung stärken sollte. 1968 wurde mit dem Industrial Expansion Act die Grundlage für staatliche Verlustübernahmen und Kapitalbeteiligungen sowie für andere Formen erweiterter Subventionierung geschaffen. 1970 gewannen die Konservativen die Wahl und schafften die IRC wieder ab. Statt dessen setzten sie mehr auf die mittelständische Wirtschaft und richteten 1971 beim Industrieministerium eine Abteilung für kleine Unternehmen ein. Auch versuchten sie, auf der Basis des Industry Act von 1972 die Unternehmenshilfen auf besonders wichtige Fälle, Unternehmen mit hohen Überlebenschancen aus eigener Kraft sowie solche Fälle zu begrenzen, in denen schon eine geringe Liquiditätshilfe den Zusammenbruch verhindern kann (ebenda, S. 201 f.). Diese Kriterien blieben Papierform. 1974 kehrte Labour an die Macht zurück. Bis dahin hatte sich zwar der linke, fundamentalistische Parteiflügel deutlich artikuliert und insbesondere die Konturen eines machtvollen zentralen Planungsinstruments entworfen. Der dann schließlich mit dem Industry Act 1975 gegründete "National Enterprise Board" (NEB) hatte mit dem radikalen Entwurf aber nichts mehr gemein, sondern war halb Staatsholding nach italienischem Vorbild, halb Investitionsbank (Hindley/Richardson 1984b, S. 264 ff.). 1976 übernahm der NEB die bis dahin vom Industrieministerium gehaltenen Unternehmensanteile.
Die IRC wurde aber nicht wiederbelebt.
dessen wurden nach französischem Vorbild triparitätische
Statt
"Planungsver-
einbarungen" zwischen Regierung, Gewerkschaften und zumindest den 100 wichtigsten Verarbeitungsunternehmen, aber auch den großen Gesellschaften in Staatseigentum vorgesehen. Nach dem erneuten Regierungswechsel 1979 blieb der NEB zunächst bestehen, wurde aber allmählich seiner Funktion als Holding beraubt (Hindley/Richardson 1984b, S. 271). Insbesondere übernahm nun wieder das Industrieministerium die mittelaufwendigen Sanierungsfälle Rolls-Royce und British Leyland. 1981 schließlich 113
wurde er mit der "National Research Development Corporation" (NRDC) vereinigt, die schon seit 1948 bestanden hatte, unter der Ägide des Technologieministeriums finanzielle Hilfe für Joint ventures im Bereich der Forschung bereitstellen sollte (OTA-Report 1983, S. 402) und selber mehrere FuE-Zentren sowie Labors für Grundlagen-
und angewandte
Forschung unterhielt (Magaziner/Reich 1982, S. 285). Das frühere Technologieministerium seinerseits war 1971 von den Konservativen in das "Ministerium für Handel und Industrie" integriert worden, das selbst später in ein Ministerium für Handel und eines für Industrie aufgespalten wurde. Aus der Fusion von NEB und NRDC ging die Körperschaft "British Technology Group" hervor. Sie bedeutet wohl de facto das Ende der NEBAktivitäten (Hindley/Richardson 1984b, S. 280), da in der neuen Körperschaft im wesentlichen die Aufgaben des früheren NRDC wahrgenommen werden, die letztlich denen einer staatlich gestützten Venture capitalGesellschaft entsprechen. Eine der wenigen industriepolitisch relevanten Einrichtung von hoher Kontinuität ist der National Economic Development Council (NEDC, populär: Neddy) mit
seinen zeitweilige 61 sektoralen
Gruppierungen
(Economic Development Committees, EDCs, auch little Neddies, sowie einzelne Sector Working Parties, SWPs). Der NEDC, der 1962 errichtet wurde, ist ein triparitätisch besetztes Konsultativgremium, in dem allmonatlich Spitzenvertreter des Unternehmerverbandes CBI, des Gewerkschaftsdachverbandes TUC und der verstaatlichten Industrien sowie unabhängige Sachverständige informellen Meinungsaustausch mit der Regierung pflegen, und zwar auf der Basis von Papieren, die unter der Ägide des Generalsekretariats, NEDO, von einzelnen Teilnehmern erstellt werden und sich mit den mittelfristigen Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung sowie den Möglichkeiten zu deren globaler oder sektorspezifischer Verbesserung befassen (Paxton 1982, S. 1312 f.; Young/Hood 1984, S. 203). Der NEDC identifizierte mehrere "Zukunftsbereiche" zur speziellen Förderung: "industrial engines", Baumaschinen, Büromaschinen, elektronische Komponenten und "domestic electrical appliances" - ohne daß sich hier freilich in allen Fällen die internationale Wettbewerbsfähigkeit für Großbritannien verbessert hätte (Saunders 1977, S. 71 f.). Bei aller Überstrapazierung dieses Dialog-Instruments (sofortiger Fehlschlag des ersten und einzigen "Nationalen Plans" 1965) regte der NEDC eine Reihe von "schemes" an, denen es dann freilich vielfach an "follow-up" mangelte. Ein gerade in Großbritannien erforderliches stärkeres Aufeinanderzu114
gehen der sozialen Gruppen in vielen fundamentalen Fragen wie der Akzeptanz technischen Wandels und der Stillegung veralteter, redundanter Kapazitäten konnte der NEDC nicht bewirken (Davenport 1983, S. 341 f.). Seit 1973 versuchte die Regierung aber auch auf der Basis des Science and Technology Act von 1965 und des Industry Act von 1972, mit eigeninitiierten Sectoral Schemes in einfuhrbedrohten bzw. technologieorientierten Bereichen (Textilien, Schuhe, Bekleidung, Werkzeugmaschinen, Mikroelektronik), aber auch generell die Innovation anzuregen und die Anpassung zu fördern. Dabei berät der Analysestab des Industrial Development Unit (IDU) den Industrial Advisory Board (IDAB) beim Industrieministerium (OECD 1983, S. 196). 2.2
Notenbanksystem und Bankwesen
Mehr als in anderen Ländern kann sich der Staat in Großbritannien der Notenbank bedienen, um industriepolitische Ziele durchzusetzen. Dies hängt damit zusammen, daß die Notenbank seit dem Bank of England Act von 1946 vollständig gegenüber dem Schatzamt weisungsgebunden ist. Bis 1971 stellte sie ihre Offenmarktpolitik direkt in den Dienst der Kurspflege für Staatspapiere. Bis dahin bediente sich die Notenbank auch vorzugsweise der direkten Kreditplafondierung; sie erstreckte sich jedoch bezeichnenderweise nicht auf die Kredite an verstaaatlichte Industrien wie an die öffentliche
Hand überhaupt (vgl. Stoffers
1974, S. 130 f.). Mit
der
liberalen Reform des Kreditwesens von 1971 gerieten die Zinsen stark in Bewegung. 1980 folgten weitere Entregulierungsschritte.
Als Abschluß
dieser Maßnahmen wird 1986 der Wertpapierhandel liberalisiert.
Die
private Industriefinanzierung einschließlich der Kapitalbeschaffung, Börseneinführung,
des Betreibens von Übernahmen und Fusionen lag in
Großbritannien traditionell in den Händen der renommierten, wenig publizitätspflichtigen Handelsbanken (merchant banks). Diese erhielten aber seit etwa Anfang der 70er Jahre zunehmend Konkurrenz von den "vier großen" Depositenbanken (Clearing banks) und den Auslandsbanken. Etwa zur gleichen Zeit begannen die Banken verstärkt, eigene Anteile an Industrieunternehmen zu erwerben (vgl. Campbell 1974, S. 309, 312 ff.). Mit
zunehmender
Entregulierung
verschärfte
sich
der
Wettbewerb
zwischen den verschiedenen Finanz- und Börseninstituten zunehmend, und die Grenzen werden immer fließender.
115
Nachdem die Regierung Ende der 60er Jahre grünes Licht für Zusammenschlüsse im Bankensektor gegeben und sich der Wettbewerb nach der Reform von 1971 intensivierte hatte, kam es im Finanzsektor zu einer starken Konzentration, eine Tendenz, die bis in die jüngere Vergangenheit angehalten hat (OECD 1984, S. 54). Diese Konzentrationswelle hängt u.a. damit zusammen, daß Finanzierungspakete heute immer differenzierter zusammengestellt werden müssen (Franzmeyer 1982, S. 51), so daß Bestrebungen ausgelöst werden, neben der Verbreiterung der Eigenkapitalbasis auch die Kenntnisse und Verbindungen traditionell
spezialisierter
Einzelhäuser zusammenzuführen. Nicht zuletzt resultiert die Konzentration aber auch aus der über das Engagement in den Xeno-Märkten ins Land gekommenen Auslandskonkurrenz
(Dicken 1981, S. 76 f.) - die große
Mehrzahl der Banken in der Londoner City sind heute Auslandsbanken. Mit der verschärften Konkurrenz nahm freilich auch die Zahl der riskanten Geschäfte zu, eine Tendenz, der durch die publizitäts- und aufsichtsarme, kodexgebundene "Selbstregulierung" des Bankensektors Vorschub geleistet wird. Der Zusammenbruch eines Londoner Bankhauses im Herbst 1984 war denn auch nicht nur Anlaß für das Schatzamt, die Notenbank mangelhafter Aufsicht zu bezichtigen, sondern ein neues Bankengesetz - es soll das Gesetz von 1979 ablösen, das erste in Großbritannien überhaupt - mit strengeren Vorschriften über Meldepflicht, Obergrenzen für das Verhältnis Ausleihungen/Eigenkapital und Nachschuß-Selbstverpflichtung für Bankaktionäre in Aussicht zu stellen (Wirtschaftswoche 28/1985, S. 84 ff.). 2.3
Monopolkontrolle
Industriepolitik im Sinne einer Erhöhung der Innovations- und Wettbewerbskraft der Unternehmen wurde in Großbritannien bis in die frühen 70er Jahre nicht zuletzt als unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik betrieben, sei es in der Form der Begünstigung internen Wachstums, sei es durch Förderung von oder permissive Haltung gegenüber Übernahmen und Fusionen. Dem dienten in einer frühen Phase das Verstaatlichungsprogramm, später die IRC und der NEB. Z.B. wurden mit dem Iron and Steel Act von 1967 nicht weniger als die 14 größten Stahlkonzerne einschließlich ihrer Tochtergesellschaften zur "British Steel Corporation" fusioniert (Paxton 1982, S. 1318). Aber auch das Wettbewerbsrecht und seine Handhabung sind hier relevant. Es entspricht dem industriestrategischen Be116
dürfnis der Regierung, daß weder der Monopolies and Mergers Act von 1965 noch dessen Nachfolger, der Fair Trading Act von 1973 auf dem Prinzip des Fusionsverbots bei Verletzung eines streng definierten Wettbewerbskriteriums
basiert, wie es etwa im deutschen Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen der Fall ist. Vielmehr haben die involvierten Instanzen - das den Verfahrensanstoß gebende Office of Fair Trade (OFT), das von ihm konsultierte interministerielle "Mergers Panel", die empfehlende Monopolies and Mergers Commission (MMC) und der die Entscheidung treffende zuständige Staatsminister - primär das öffentliche Interesse zu berücksichtigen. Dabei sind industriepolitisch wichtige Kriterien wie Effizienzsteigerung, Innovationstempo, Beschäftigungssicherung, Verbesserung des Managements und Positionsverbesserung auf Auslandsmärkten heranzuziehen (OECD 1984, S. 11). Wissenschaftliche Analysen bescheinigen dieser Politik im Hinblick auf ihr Marktergebnis nur geringen Erfolg oder gar schädliche Wirkungen (Hindley/Richardson 1984a, S. 143 ff.). Aber auch der Regierung selbst - und zwar einer Labour-geführten waren unter dem Eindruck hoher Einfuhrdurchdringung
und schlechter
Ausfuhrleistungen der britischen Wirtschaft Zweifel gekommen, daß die zugelassene, bis zur Rezession gestiegene
Unternehmenskonzentration
(OECD 1984, S. 88) den Verfall der Wettbewerbskraft
Großbritanniens
tatsächlich aufgehalten oder gar umgekehrt habe. Sie beauftragte eine interministerielle Arbeitsgruppe mit einer umfassenden Überprüfung der britischen Wettbewerbspolitik und ihres Verhältnisses zur Industriepolitik. Zunächst
blieb
dies ohne Konsequenzen
für
die Gesetzgebung.
Sie
empfahl, von der bisherigen, einseitig permissiven Haltung in der Fusionskontrolle abzurücken. Nur scheinbar hatte sich schon in den Jahren zuvor die neue skeptische Regierungshaltung in konkrete Politik umgesetzt: Der scharfe Rückgang der Zahl von Übernahmen und Fusionen in den Jahren 1974 und 1975 dürfte ausschließlich rezessionsbedingt gewesen sein. Denn im gesamten Zeitraum von 1969 bis 1982 ist eine deutliche Parallelentwicklung von Konjunktur und Zahl der Fusionen zu beobachten, und im Bereich der Großfusionen, die ja überhaupt nur der Überwachung unterliegen, nahm die Konzentration noch zu (OECD 1984, S. 89). Unter der Regierung Thatcher wandelte sich die unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik jedoch. Zwar war noch 1980 eines der Eingreifkriterien, der Übernahmebetrag, von 5 Mill. auf 15 Mill. L erhöht worden (OECD 1984, S. 37). Zugleich wurde aber mit dem Competition Act von 1980 die Kontrolle auch auf die staatlichen Unternehmen ausgedehnt (z.B. 117
wurde 1983 mehr Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft
durchge-
setzt), und bei der Beurteilung von Fusionsvorhaben wurde generell dem Wettbewerbskriterium
Vorrang
eingeräumt
(OECD-Economic
Surveys
1985, S. 21). Daneben wurden verschiedene Programme zur Förderung von Klein- und Mittelunternehmen aufgelegt (OECD 1985b, S. 28), nicht nur in der Form steuerlicher Erleichterungen und von Krediten zu Vorzugsbedingungen, sondern auch über verbesserte Risikokapitalbeschaffung und Kooperation zwischen Industrieministerium, Kommunalverwaltungen und der ortsansässigen Wirtschaft im Rahmen sogenannter Local Enterprise Agencies (LEA). Vor allem aber ist eine Gesetzesinitiative zur "Vereinfachung oder gar Abschaffung tausender von Vorschriften und Regeln" in Vorbereitung, "die dem kleinen Unternehmer das Geschäft erschweren" (Wirtschaftswoche 12/1985, S. 46-48). Schon zuvor hatte sich die Regierungshaltung im Hinblick auf die Kooperation britischer mit ausländischen Unternehmen gewandelt. Dies zeigt sich an der Zahl der Übernahmen: Hatten Auslandsfirmen im Zeitraum 1970-1980 jeweils nur wenige britische Unternehmen pro Jahr erworben, so stieg der Anteil der Auslandsübernahmen 1981 sprunghaft an, von 4,9 auf 15,9 vH (OECD 1984, S. 91). Dahinter steht eine Politik der massiven Begünstigung von ausländischen Direktinvestitionen in Großbritannien, insbesondere aus Japan und den USA, mit deren Hilfe die technologische Lücke gegenüber den USA, Japan, aber auch den führenden Konkurrenten in der EG geschlossen werden soll. Diese Politik ist in Parlament und Bevölkerung stark umstritten. 2.4
Umweltschutz
Umweltschutzbezogene Regulierung hat als Kosten- und damit Wettbewerbsfaktor für die britische Industrie bei weitem nicht den Stellenwert wie für die US-amerikanische oder auch die deutsche und die niederländische. Zwar ist Großbritannien in das Rahmenrecht der EG eingebunden und hat demzufolge auch das Verursacherprinzip anerkannt. Doch dieses Recht beläßt großen nationalen Spielraum, den die Briten voll nutzen, ja sie haben am Beispiel
der
Gewässerschutzrichtlinie
von 1976 (RL
76/464/EWG) sogar durchgesetzt, daß in Großbritannien Belastungsstandards (Qualitätsstandards) statt der auf dem Kontinent vorgeschriebenen Emissionsstandards angewendet werden dürfen (Weinstock 1984, S. 322). Dies bedeutet auf kurze Frist einen Wettbewerbsvorteil, der einer laufen118
den Betriebsbeihilfe gleichkommt. Diese permissive Haltung kam auch 1985 zum Ausdruck, als die Briten in der Frage der Abgasentgiftung für Pkw längere Fristen, vor allem aber geringere Emissionsstandards durchsetzen. Dabei wird in Großbritannien im Bereich Umwelt intensiv geforscht. Dies geschieht einmal im Rahmen von über 40 industriellen Forschungsvereinigungen, die zu einem knappen Drittel vom Staat finanziert werden (OECD 1985a, S. 65). Vor allem aber sind staatliche Spezialeinrichtungen wie die Regional Water Authorities und das Warren Spring Laboratory (WSL) u.a. mit Umweltforschung befaßt, letzteres vor allem im Bereich Luft und Prävention von Ölverschmutzung im Meer (OECD 1978a, S. 380 ff.). Der Umweltminister ist Kabinettsmitglied (Paxton 1982, S. 1300), so daß eine straffe Organisation und kurze Entscheidungswege gewährleistet scheinen. Offensichtlich nimmt aber die Regierung in ihrer konkreten Auflagenpolitik stark Rücksicht auf die rückständige Wirtschaftskraft des Landes und lenkt damit die Forschung z.T. in eine ineffiziente Richtung. So wurde z.B. in der "metal-plating" Industrie als Schadstoffausstoßbegrenzung ein Konzentrationsmaß (Schadstoff je durchlaufende Wassermenge) ausgehandelt, mit der Folge, daß nicht absolut weniger Schadstoff ausgestoßen, sondern mehr Wasser verbraucht wurde (OECD 1985a, S. 78). Die "paper pulp" Industrie ist ein weiteres Beispiel für verzögerte technologische Innovation bei zu pragmatischer und flexibler Auflagenpolitik der Behörden. Andererseits nimmt es nicht wunder, daß zwischen umweltbefaßten Regierungsbehörden
und
Unternehmen
ein
recht
kooperatives
Klima
herrscht. Zwar gibt es inzwischen ein relativ komplexes Gesetzeswerk, doch handelt es sich meist um vage formuliertes Rahmenrecht, bei dem die eigentliche Vorschriftenkompetenz auf nachgeordnete Körperschaften delegiert ist, die zudem im Unterschied zu den USA die Auflagen mit den Unternehmen "aushandeln", so daß diese zwar im Zweifel weniger stark belastet werden, als es den ökologischen Gegebenheiten im dicht besetzten Großraum London oder den Midlands entspräche, andererseits aber vielleicht auch die Regulierungskosten weniger explizit wahrnehmen (vgl. Peacock 1985, S. 157 ff.).
119
2.5
Steuern
Bis zum Antritt der Regierung Thatcher basierten die britischen Staatseinnahmen besonders stark auf der direkten Besteuerung. Im Juli 1979 wurde dann der Normalsatz der Mehrwertsteuer von 8 auf 15 vH) heraufgesetzt und mit dem früheren Sondersatz von 12,5 vH vereinigt. Dies sollte den Staatshaushalt entlasten, ohne daß die relative Abgabenlast der Unternehmen erhöht werden mußte. Dennoch nahm der Beitrag der Unternehmen zum gesamten Steueraufkommen in den Folgejahren leicht zu. Die Unternehmen profitieren aber seit Anfang der 70er Jahre - davor i.d.R. nur in Phasen konjunkturbedingt expansiver Fiskalpolitik (Davenport 1983, S. 333) - vor allem durch eine äußerst großzügig bemessene steuerliche Abschreibungsregelung: Seit 1971 wird bei Industriegebäuden eine Nutzungsdauer von lediglich 25 Jahren unterstellt, für ab 1975 fertiggestellte Gebäude konnte im ersten Jahre zusätzlich eine Sonderabschreibung von 50 vH (1972 bis 1974: 40 vH, davor 15 vH) vorgenommen werden. Bei Maschinen und anderen beweglichen Anlagen (nicht jedoch bei Pkw) war eine noch größere Steuerstundung möglich: Seit März 1972 konnten die Anschaffungs-
bzw. Herstellungskosten zu 100 vH (zuvor 80 bzw.
60 vH) im ersten Jahr abgeschrieben werden. Für strukturschwache Gebiete, Schiffe und andere Sonderfälle war die Erstjahressonderabschreibung speziell geregelt. Abschreibungsbedingter Verlustvortrag war unbegrenzt gestattet, und auch Verlustrücktrag
war möglich. Insgesamt war es
"weitgehend in das Ermessen des Steuerpflichtigen gestellt, ob und wann er eine Abschreibung vornimmt" (Fuest 1979, S. 30; vgl. auch OECD 1975, S. 198-207). Die mit diesem Instrument erzielbare Steuerersparnis wurde in keinem anderen Land erreicht. Die effektive Belastung des Kapitals ging von 1970 bis 1980 - bei außerordentlich starker Streuung - von 33,6 vH auf sage und schreibe 3,7 vH zurück (King/Fullerton 1984, S. 301). Gleichwohl waren die Wirkungen auf das Investitionsverhalten unbefriedigend. Nicht nur blieb das Wachstum der britischen Unternehmensinvestitionen im internationalen Vergleich schwach, es kam auch zu zahlreichen Strukturverzerrungen, auf die die oben zitierte Ineffizienz des Investitionswachstums (Reati 1984, S. 57) mit zurückzuführen sein dürfte. Insbesondere wurden kapitalintensive Verfahren gegenüber arbeitsintensiven, schuldenfinanzierte gegenüber eigenfinanzierten Investitionen, industrielle gegenüber Handelsunternehmen begünstigt, und es lohnten auch Investitionen mit einer niedrigen Vor-Steuer-Rendite, die bei einer neutraleren 120
Unternehmensbesteuerung u.U. zugunsten ertragreicherer zurückgestellt
worden wären (OECD-Economic
Investitionen
Surveys 1985, S. 20,
52 ff.). Mit dem Budgetgesetz 1984 ist aus diesem Grunde auch eine Reform der Unternehmensbesteuerung verabschiedet worden (ebenda). So soll die überhöhte Abschreibung innerhalb von drei Jahren auslaufen. Sofort abgeschafft wurde der steuerliche Ausgleich für inflationsbedingten Wertzuwachs des Vermögensbestandes sowie die Sonderabgabe zur Sozialversicherung (National Insurance Surchage). Ab April 1986 soll dafür Körperschaftsteuer
die
nach jährlichen Senkungen um 5 Punkte nur noch
35 vH betragen, wovon man sich eine breitenwirksame, nicht-diskriminatorische und aufkommensneutrale Investitionsanregung erhofft. Mit diesem Konzept der "steuerlichen Neutralität" der Investitionsanregung liegt Großbritannien auf der Linie der US-Steuerreform. Letztere geht indes noch einen Schritt weiter, indem sie vorsieht, Kapitalgewinne wie normales Einkommen zu besteuern, dabei aber der Inflation durch Indexierung Rechnung zu tragen (vgl. den Länderbericht über die USA). Das britische Budgetgesetz 1984 sieht derartiges nicht nur nicht in verstärktem Maße vor, sondern hob obendrein die seit 1974 gültig gewesene "stock relief" auf. Dies erhöht die Sensitivität der effektiven Unternehmensbesteuerung bei neuerlichen Inflationsschüben, da der reale Wert der Abschreibungen auf den Anschaffungspreis sinkt. (Allerdings entfällt mit dem Wegfall dieser Indexbindung auch eine der früheren Ursachen für die Inflationsbeschleunigung). Berechnungen lassen vermuten, daß die Unternehmensbesteuerung nach dem neuen System bereits bei einer Inflationsrate von 7 vH höher ausfallen wird als nach dem alten System (OECD-Economic Surveys 1985, S. 53 f.). Dies widerspräche dem wirtschaftspolitischen Anliegen der Regierung. Vielmehr hat sie generelle
Steuersenkungen
angekündigt. Dem dürften vorerst die massiven Steuerausfälle entgegenstehen, die der Ölpreisverfall bewirkt. In der Tat mußte das mit der Budgetvorlage für 1986/87 erwartete Steuersenkungsprogramm vorerst im wesentlichen zurückggestellt werden. 2.6
Staatswirtschaft, Regulierung, Privatisierung
In Großbritannien ist die öffentliche Hand seit vielen Jahrzehnten stark, und bis 1979 mit zunehmender Tendenz, als Unternehmer in der Wirtschaft vertreten. Ihr Engagement beschränkt sich nicht nur auf "klassi121
sehe" Felder für öffentlich-rechtliche Gesellschaften wie Post, Eisenbahn, Wasser-, Gas- und Elektrizitätswirtschaft - hier ersetzt die Staatswirtschaft die Regulierung, wie sie anderenfalls wegen der Nähe zur natürlichen Monopolsituation erforderlich wäre - , sondern auch auf die gewerbliche Wirtschaft
sowie Dienstleistungen. Dabei dominierte
keineswegs
immer eine industriepolitische Motivation nach heutigem Verständnis. Die großen, unter Labour-Regie zustande gekommenen Verstaatlichungen der Jahre 1945 bis 1951 - Kohle, Stahl, Gas und Eisenbahn - waren nur in zweiter Linie industriepolitisch begründet, indem sie auf Rationalisierung und Herstellung schlagkräftiger Unternehmensgrößen zielten. In erster Linie waren sie teils gesellschaftspolitisch (Neuverteilung wirtschaftlicher Macht, Beseitigung von Streikanlässen), teils sicherheitspolitisch (Versorgungssicherheit bei Produkten von Basisindustrien) motiviert. In die letztgenannte Motivgruppe fällt sicher auch die spätere Verstaatlichung der Schiffbau- und der Flugzeugindustrie. In den 60er und 70er Jahren kamen makroökonomische Ziele hinzu, die einander ablösten. So bediente sich der Staat in den späten 60er und frühen 70er Jahren einer zurückhaltenden Tarif- und Preispolitik im verstaatlichten Sektor zur Inflationsdämpfung. Es konnte nicht ausbleiben, daß die öffentlichen Unternehmen bald fast alle mit hohen Verlusten abschlossen. Mitte der 70er Jahre erhielten sie - zu Preisen von 1985 - Subventionen und staatliche Darlehen von nicht weniger als 8 Mrd. L (Economist vom 12.10.1985, S. 40). Im Gegensatz dazu setzte der Staat 1975 External Financing Limits (EFLs), um den öffentlichen Haushalt, dessen Defizit bedrohlich anstieg, zu entlasten (CEEP 1984, S. 100). Diese makroökonomischen Ziele überdeckten klar alle mit Hilfe von drei "Weißbüchern" (1961, 1967, 1978) angestellten Bestrebungen, mehr Elemente kaufmännischen, renditeorientierten Wirtschaftens einzuführen. Erst in den 70er Jahren kam verstärkt die industriepolitische Motivation hinzu. Die spektakulären staatlichen Übernahmen von Rolls-Royce und British Leyland, aber auch die sonstigen Übernahmen und Beteiligungen des NEB sollten der Intention nach der internen Umstrukturierung und Revitalisierung dienen; de facto verhinderten sie den fälligen Konkurs vieler dieser Unternehmen, ohne entscheidend zu ihrer Gesundung beizutragen (Hindley/Richardson 1984b). Somit verkümmerte hier industriepolitische Absicht zur bloßen Strukturkonservierung mit freilich zumindest auf kürzere Frist positiver beschäftigungspolitischer Nebenwirkung.
122
Die konservative Regierung Thatcher, insbesondere nach ihrer Wiederwahl 1983, führte auch in der Frage des "staatlichen Unternehmertums" eine Wende herbei. Das neue Programm hieß einmal Deregulierung: Aufgehoben wurden inzwischen u.a. die Kontrollen für Löhne, Preise, Dividenden, Devisentransaktionen, Bank- und Börsengeschäfte (OECD-Economic Surveys 1985, S. 21). Das Programm hieß zum anderen Privatisierung. Dieser Teil fußte auf den Zielkonflikten beim instrumenteilen Einsatz der Staatsunternehmen, auf der schlechten Leistung vieler von ihnen in der Vergangenheit sowie auf einem starken Glauben an die prinzipielle Überlegenheit der Privatinitiative für eine effiziente Allokation. Bis Ende 1985 wurden veräußert: British Aerospace zu 100 vH in zwei Raten; die National Freight Corporation zu 100 vH (als "buy-out" durch
Belegschaft und
Manager); die Erdölerzeugungs- und Explorationsgesellschaft Britoil zu 51 vH, Verkauf der zweiten Hälfte ist vorgesehen; der British Transport Docks Board zu 51 vH; daneben u.a. bestimmte spezielle Sparten von British Steel (Cable and Wireless), British Rail und der Atomic Energy Authority (Allen 1984, S. 100; Economist
vom 19.10.1985a); British
Telecom - besonders spektakulär - zu 51 vH; die BL-Tochter Jaguar sowie die British Technology Group. Auf der Liste standen 1985 u.a. noch: British Airways, British Shipbuilders' warship yards, British Gas, Royal Ordnance Factory, National Bus Company, Rolls-Royce, Short Brothers (Flugzeugbau in Nordirland), Flughäfen sowie weitere Teile von British Steel und British Leyland. Daneben hat sich der Staat in großem Maßstab von Sozialwohnungen (Council Houses und Council Fiats) getrennt, mit hohen Rabattangeboten und Vorkaufsrecht für den jeweiligen Mieter. Die Verkäufe haben dem Staat bis Anfang 1985 über 17 Mrd. L eingebracht (davon rd. 12 Mrd. aus dem Wohnungsverkauf, rd. 5 Mrd. aus Industrieanteilen)
(Handelsblatt
vom
22.5.1985;
Wirtschaftswoche
22/1985, S. 30-32). Trotz dieses gigantischen Reprivatisierungsprogramms, das bereits aus Gründen der Absorptionsfähigkeit des Kapitalmarktes und des begrenzten Abwicklungsvermögens der Verwaltung noch über mehrere Jahre gestreckt werden muß, hat die Regierung nicht vorgesehen, sich vollends aus der Unternehmenswirtschaft zurückzuziehen. Vor der Privatisierung wurden in öffentlichen Unternehmen 11 vH des BIP erwirtschaftet und 8 vH der Arbeitskräfte beschäftigt. Nach Abwicklung des angekündigten Gesamtprogramms sollen 6,5 vH des Sozialprodukts und 5 vH der Arbeitskräfte 123
unter der Regie staatlicher Unternehmen verbleiben (Economist vom 12.10.1985, S. 39). Nach dem statistisch bisher belegbaren Zwischenstand von 1983 waren noch 6,3 vH der Erwerbstätigen dort beschäftigt (CEEP o.J., S. 151-154). Zum Teil ist der Verbleib im staatlichen Eigentum sicher unfreiwillig: Große Unternehmen wie der National Coal Board und British Rail lassen sich nicht veräußern. Zum Teil wird aber auch das von früheren konservativen Regierungen mitgetragene Konzept der "gemischten Wirtschaft" explizit beibehalten. In den veräußerten Unternehmen, die in den Bereich der gewerblichen Wirtschaft fallen, kann sich die Wettbewerbsfähigkeit unter privatem Management nur verbessern - oder die Unternehmen können nun definitiv fallieren. In den monopolnahen Sektoren ist es dagegen mit der Privatisierung allein nicht getan. Hier muß der Staat regulieren. Er setzt dabei auf ein effektives Zusammenwirken von spezifischen Regulierungsbehörden, Monopolkommission, Begünstigung von Konkurrenzunternehmen und Klagerecht. Im Telecom-Bereich wurde inzwischen die Regulierungsbehörde OFTEL geschaffen und die private Firma Mercury mit Staatshilfe ins Leben gerufen. In der Elektrizitätswirtschaft wurde 1983 Privatfirmen erlaubt, Strom zu verkaufen (Economist vom 19.10.1985a, S. 43). Der Beweis für die Überlegenheit der privatwirtschaftlichen Alternative steht indes noch aus. 2.7
Subventionen, Forschungsförderung und Öffentliche Beschaffung
Zur ökonomischen und sozialen Bewältigung des Strukturwandels werden auch in Großbritannien umfangreiche Mittel an die Wirtschaft übertragen. 1984 betrugen die ausgewiesenen Subventionen an den Unternehmenssektor knapp 7,8 Mrd. L, davon ging etwa die Hälfte an öffentliche Unternehmen (ohne solche mit Staatsbeteiligung wie Rolls-Royce oder BL). Der weitaus überwiegende Teil entfiel auf die vier Bereiche Wohnungswirtschaft, Energie, Landwirtschaft und Verkehr, das produzierende Gewerbe erhielt mit 276 Mili. L nur einen bescheidenen Anteil. Allerdings schlagen hier mit einem knapp doppelten Betrag die Vermögensübertragungen des Staates relativ stark zu Buche, die außer in der Wohnungswirtschaft sonst in Relation zu den Subventionen ein viel geringeres Gewicht haben. Dahinter dürften sich außer den Investitionszuschüssen, die im Rahmen der verschiedenen regionalen und sektoralen "schemes" - etwa des Product and Process Development Scheme, PPDS, im gesamten Hochtechnologiebereich oder des Micro-electronics Industry Support Scheme, MISP (OECD 1983, S. 196) - bewilligt werden (z.B. OECD 1978b, S. 102), auch 124
Tabelle GB.l Vereinigtes Königreich Subventionen, Kapitalzuschüsse und Netto-Darlehen des Staates an öffentliche Unternehmen 1) Mill. L
Subventionen 2) Kapitaltransfers Dar.: Zentralstaat Nettokreditaufnahme bei Zentralstaat
1977
1980
1984
1 037
1 744
3 985
377
425
480
272
343
337
-54
1 948
-349
1) Ohne British Leyland und Rolls Royce. - 2) Ohne Transfers von privatem Sektor. Quelle:
CSO, United Kingdom National Accounts, 1985 Edition.
125
Tabelle GBJ
Vereinigte« Königreich Staatliche Subventionen und Kapitaltransfers 1 *
Miii. L
Struktur in vH
1977
1980
1984
Insgesamt^
3 194
5 590
7 797
Wohnen, GameinachafUdianete
1 403
2 586
1 410
Kraftstoffe» Energie
118
304
Land- und Forstwirtschaft
551
Bergbau, Verarbeitende« Gewerbe, Bau
107
Transport, Kommunikation
721
1977
1980
1984
100,0
100,0
100,0
43,9
46,3
18,1
1 964
3,7
5,4
25,2
699
1 465
17,3
12,5
18,8
201
276
3,4
3,6
3,5
1 156
1 724
22,6
20,7
22,1
Subventionen
Kapitalzuschüsse3* Insgesamt2^
1 534
2 226
3 982
100,0
100,0
100,0
618
879
2 467
40,3
39,5
62,0
KrafUtoff«, Energie
24
3
5
1,6
0,1
0,1
Land- und Forstwirtschaft
89
229
277
5,8
10,3
7,0
643
665
16,7
148
127
23,8 3,8
28,9
Oer.) Öffentliche Unternehmen
365 59
6,6
3,2
Tranaport, Kommunikation
190
168
252
12,4
6,3
bar.) Öffentliche Unternehmen
186
156
245
12,1
7,5 7,0
insgesamt^
4 728
7 816
11 779
100,0
100,0
100,0
Wohnen, Gemeinschaftsdienste
2 021
3 465
3 877
42,7
44,3
32,9
Kraftstoffe, Energie
142
307
1 969
3,0
3,9
16,7
Land» und For«twirt«chaft
640
928
1 742
13,5
11,9
I M
Bergbau, Verarbeitende« Gewerbe, Bau
472
844
941
10,0
10,8
8,0
1 976
19,3
16,9
16,8
Wohnen, GemeinschafUdlenate
Bergbau, Verarbeitende« Gewerbe, Bau
6,2
Subventionen und Kapltalzuachüsse
Transport, Kommunikation
911
1 324
1) Gesamtstaat, ohne Ausleihungen. - 2) EinschlieOlich nicht aufgeschlüsselter Posten. - 3) Einschließlich personeller Sektor. Quelle) CSO, United Kingdom National Account*, 1985 Edition.
126
Verlustabdeckungen an British Steel und andere verbergen. Die Hilfen an Einzelfirmen haben z.T. immense Beträge erreicht. So zahlte der Staat etwa an British Leyland im Zeitraum 1974-1984 (einschließlich Darlehen) ca. 3 Mrd. L (Young/Hood 1984, S. 202). Dem starken Akzent, den die Regierung auf die Privatinitiative legt, entspricht nicht etwa ein Rückgang der Subventionen. Im Gegenteil: Sie sind von 1980 bis 1984 um nicht weniger als 40 vH - 10 Punkte mehr als das nominale Bruttoinlandsprodukt - gestiegen. Die Kapitalzuschüsse haben sich sogar fast verdreifacht, doch ist dies im wesentlichen auf die Rabatte beim Verkauf der in öffentlichem Eigentum befindlichen Häuser und Wohnungen zurückzuführen; im Bereich Wohnungswirtschaft gab es denn auch eine drastische Umschichtung zwischen Subventionen und Kapitalzuschüssen. Den Unternehmen fließen aber vor allem über das öffentliche Beschaffungswesen erhebliche Mittel zu. 1984 kauften Zentralstaat und lokale Gebietskörperschaften Waren und Dienste (ohne Gehälter) einschließlich der Aufwendungen für Investitionen in Höhe von 32 Mrd. L, wovon allein 65 vH auf die drei Bereiche Verteidigung, Gesundheit und Verkehr entfielen. Besonders in den Erlösen für militärische Güter dürfte wegen der Abnahmegarantie des Staates eine nicht unerhebliche Subvention versteckt sein. Einen relativ großen Betrag gibt der Staat für Forschung und Entwicklung aus: 1984 waren es 4,6 Mrd. L. Zu einem kleinen Teil fließen die Mittel an zahlreiche
- darunter
hochrenommierte -
sektorspezifische
Research
Associations (RA$), teils traditionsreiche, teils neuartige ( tf clubs M ) Einrichtungen, die sich u.a. im Hinblick auf Materialeigenschaften, Produktivitäts- und Sicherheitsverbesserungen, Verfahrensoptimierung, Testmethoden, Minimierung von Schadstoffausstoß und Entwicklung von Standards mit der Verbreitung technischen Wissens unter ihren Mitgliedern befassen (OECD 1978a, S. 354 ff.; Fishlock 1984, S. 16). Ein erheblich größerer Teil der Mittel wird vom Staat "intramural" in industrienahe Forschung umgesetzt.
Zu den wichtigsten
Forschungseinrichtungen
zählen hier
das
National Physical Laboratory (NPC), das National Engineering Laboratory (NEC), das Warren Spring Laboratory (WSL), aber auch der zivile Zweig der Atomic Energy Authority (UKAEA) (OECD 1978a, S. 376 ff.). Daneben gibt es ausgeprägt fachbezogene Forschungseinrichungen
(Gesundheit, 127
Tabelle GB.3
Vereinigtes Königreich
Indikatoren zur Intensität von Forschung und Entwicklung nach verschiedenen Kriterien
1972
1978
1983
1984 3 )
Gesamtausgaben, lfd. Preise
Mill. L
1 313
3 510
6 583
Davon: Staatsfinanziert
vH
48,9
47,0
48,9
vH
43,6
44,2
43,6
vH
7,8
8,7
7,5
2 242
2 365
2 486
2,07
2,14
2,19
2 222
4 285
4 606
34,4
35,0
33,6
Industriefinanziert Sonstige Finanzierungsquellen Gesamtausgaben, Preise von 1975
Mill. L
Gesamtausgaben, Anteil am BIP
vH
Bruttoausgaben Zentralstaat,
^
lfd. Preise 1) Dar.: "Intramural' Nettoausgaben Zentralstaat, lfd. Preise Dar.: für Verteidigung FuE-Beschäftigte
Mill. L 1
vH Mill. L
1 000
128
36,5
2)
964
;
42,1¿;
vH
Dar.: In Industrie vH 1) Fiskaljahre, beginnend im res. - 2) 1973. - 3) Vorläufig. Quelle:
1 009
z;
259,0 April
2 097
3 987
4 308
49,0
49,8
50,5
261,4
244,7
70,8 72,7 76,0 des angegebenen Kalenderjah-
Bowles (1983), Auszüge aus und Berechnungen nach Tabelle 1 und 2.
Bau, Landwirtschaft) des Staates. Der Auswertung der hier erarbeiteten Patente in Form von Lizenzvergabe an die private Wirtschaft, aber auch der Zusammenführung staatlicher und privatwirtschaftlicher Forschung im Rahmen von FuE-Joint ventures diente die frühere NRDC, heutige British Technology Group. Die NRDC war hauptsächlich mit industrieller Großforschung befaßt; für Kleinunternehmen standen andere Einrichtungen des Technologietransfers zur Verfügung. Anfang der 70er Jahre kam unter französischem Einfluß das Instrument der Forschungs- und Entwicklungsverträge in Mode. Das Industrieministerium richtete zahlreiche, mehrheitlich mit Industrievertretern besetzte R&D Requirement Boards ein zur Identifizierung von Forschungsaktivitäten, zu denen der Staat mit hohem Nutzen beisteuern kann. Vertragspartner waren die staatlichen Agenturen, aber auch Unternehmen, RAs und Universitäten (OECD 1978a, S. 386 f.). Die massivste Hilfe läßt der Staat der Wirtschaft jedoch im Rahmen von "Government Programmes" zuteil werden, bei denen der FuE-Zuschuß nur eines von zahlreichen Förderelementen einer umfassenden
sektoralen
Entwicklungsstrategie ist. Solche Programme gab bzw. gibt es in den Bereichen
Flugzeugbau,
Raumfahrt,
Computer-Technologie,
Hochlei-
stungsinstrumente und Werkzeugmaschinen. Am Beispiel der Computerindustrie läßt sich zeigen, in welcher Weise der Staat versucht, die FuE-Förderung hier u.a. durch Beeinflussung der Marktstruktur und gezieltes Public Procurement besser zu fundieren. In den 60er Jahren hatten die ersten Bemühungen eingesetzt, eine leistungsfähige und eigenständige Computerindustrie aufzubauen. 1968 betrieb das Technologieministerium die Zusammenführung mehrerer Unternehmen zur International Computers Ltd. (ICL). Dem Konzern floß nicht nur erhebliche öffentliche Starthilfe zu, sondern er wurde auch im FuE-Bereich massiv begünstigt. Außerdem vergab die Central Computers Agency anfangs fast alle ihre Aufträge an ICL (OTA-Report 1983, S. 402). Wenn das Unternehmen dennoch an den Weltmärkten nicht fußfassen konnte und schließlich nur durch umfangreiche
zusätzliche Staatsdarlehen
sowie
durch staatlichen Wiederaufkauf des von der Regierung Thatcher zuvor veräußerten 25 vH-Anteils vorerst gerettet werden konnte, so vor allem, weil es an fähigen Ingenieuren, an einer komplementären Mikroelektronikindustrie und an Impulse vermittelnden Anwendern im eigenen Lande mangelt. Schon Ende der 70er Jahre wurden daher im Rahmen verschiedener Programme zusätzliche Mittel bereitgestellt, die diesen Mängeln abhelfen sollten. Vor allem aber wurde unter Beteiligung des NEB ein 129
130 3 689,8
Insgesamt
Quelle:
634,0
3 987,1
4 307,8
82/83
Struktur in vH
2 378,9
16,3
2,0
1,2
3,0
0,7
47,7
15,4
100,0
49,6
14,7
0,9
7,1
5,0
5,1
3,6
1,2
83/84
1,9 1,8
0,8
6,5
5,2
4,1
5,5
3,8
100,0
0,7
3,0
0,6
0,7
5,9
5,5
4,6
6,1
3,8
1,3 1,1 1,2
85/86
4 605,3
66,2
44,8
0,5
651,0
.
. 2,7
.
336,3 1,0
5,2
222,4
.
213,0
162,2
53,8
84/85
2 169,3
79,1
37,5
51,5
129,5
29,9
306,9
214,8
176,6
218,6
156,8
50,8
83/84
1 976,5
Bowles (1983), Auszug aus und Berechnungen nach Tabelle 10.
1) Vorläufig. - 2) Geschätzt.
1 758,2
616,0
74,1
33,0
29,4
119,5
22,4
257,9
206,9
184,9
220,6
151,9
44,0
Verteidigung
600,0
73,2
Raumfahrt
Universitätsforschung
25,9
Soziales
18,5
Elektrotechnik und Elektronik
218,1
Industrie und Technologie 97,8
202,0
Landwirtschaft
Motorfahrzeuge und andere Transportmittel
191,1
Dar.: Kernenergie
35,8
224,2
Energie
Dar.: Produktionsverfahren und Materialforschung
141,7
49,0
82/83
Mili. L
Höhe und Struktur der Netto-FuE-Ausgaben des Zentralstaates nach Funktionsbereichen und Fiskaljahren
Vereinigtes Königreich
Gesundheit
Umwelt
Tabelle GB.4
100,0
50,4
14,1
1,4
1,0
7,3
4,8
4,6
3,5
100,0
51,7
84/8585/862)
131
0,99
1,83
2 324,3
7,8
6,3
4 163,3
14,3
18,3
7,0
4,8
100,0
406,6 15,4
720,0 25,1
239,5
117,7
.
100,0
5,4
18,4
5,8
.
.
.
20,7
-5,9
-34,0
100,0
-30,9
-25,7
75,3 2,8
18,3
9,8
17,3
5,6
4,3
1 390,9 21,6 27,9 33,4
6,6
765,9 16,6
10,3
Reale
Quelle:
Bowles (1983), Auszüge aus und Umrechnungen nach Tabelle 1 und 12.
1) Nicht identisch mit der Finanzierungsstruktur; vgl. die letzte Zeile der Tabelle. - 2) Einschließlich sonstiger Produkte.
nachrichtlich: Relation industriefinanzierte zu von Industrie durchgeführte FuE 0,40
830,5
332,6
Sonstige verarbeitete Produkte 127,9
Insgesamt2*
424,6
129,7
100,8
649,6
260,3
424,7
1983/1972
1972 1978 1983 1972 1978 1983 137,8
Struktur in vH
Mill. L zu lfd. Preisen
208,3
58,1
Motorfahrzeuge und Teile
Raumfahrt
40,1
179,0
Vereinigtes Königreich Von der Industrie durchgeführte^ FuE nach Produktgruppen
54,8 181,1
Sonstige Elektrotechnik
Elektronik
Maschinenbau
Chemische und verbundene Produkte
Tabelle GB.5
Veränderung
neues Mikroelektronikunternehmen, Inmos, gegründet, das unter Nutzung amerikanischen Know-how f s geführt wird und inzwischen die Produktion von 64 K RAM-Chips aufgenommen hat (OTA-Report 1983, S. 403 f.). Trotz erster Erfolgszeichen muß abgewartet werden, ob die neuen Initiativen den britischen "brain-drain" auf diesem Felde, das zur Zeit fest von den USA und Japan besetzt ist, umkehren und die erhofften Synergien in der britischen Unternehmenswirtschaft
freisetzen können. (Zu diesem
Abschnitt im einzelnen vgl. Kapitel 5). Ein Spezifikum der britischen FuE-Politik ist ihre Verteidigungslastigkeit: Fast die Hälfte aller Mittel entfiel 1984 auf diesen Bereich. Mit einem Aufwand von militärischer FuE in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von 0,66 vH lag Großbritannien 1983 unmittelbar hinter den USA (0,76 vH), aber noch vor Frankreich (0,46 vH) und weit vor allen übrigen größeren westlichen Industrieländern.
Der Anteil dieses Forschungszweiges am
gesamten öffentlichen FuE-Aufwand hat seit 1973 kontinuierlich zugenommen (Bowles 1985). An der insgesamt schlechten Wirtschaftsleistung Großbritanniens in den letzten Jahrzehnten läßt sich ablesen, daß die britische FuE-Politik trotz hohen Aufwandes und trotz der Tatsache, daß ihr die Konturen einer längerfristigen Konzeption in vieler Hinsicht nicht abgesprochen werden können, alles in allem wenig erfolgreich gewesen ist. Dies dürfte einmal mit den oben beschriebenen institutionellen Diskontinuitäten zusammenhängen, die Brüche in der Programmatik und im Mittelfluß verursachten. Auch wurde dadurch die Zusammenarbeit zwischen forschungsrelevanten Einrichtungen gestört. Hinzu kamen Verstrickungen in unwirtschaftliche Prestigeprojekte (Concorde) oder zum Scheitern verurteilte Entwicklungslinien (z.B. im Reaktorbau). Der hohe Militäranteil an den FuE-Ausgaben kommt der zivilen, kommerziell orientierten Industrie zudem nur indirekt zugute. Hinzu kommt, daß hier die USA mit ihrem nicht-aufholbaren Vorsprung die Märkte für kommerziell nutzbare Nebenprodukte der Militärforschung weitgehend besetzt haben. Sicher haben auch Mängel im Bildungswesen eine Rolle gespielt. Bis Mitte
der 70er Jahre war das
Bildungssystem extrem undurchlässig und klassenbetont (Davenport 1983, S. 335 f.). Wegen zu geringer Praxisorientierung in den schulischen Ausbildungsgängen (vgl. Prais/Wagner 1985, S. 68 f.) gelang es auch nicht, die hervorragenden Leistungen in der universitären industrienahen Grundlagenforschung innovativ umzusetzen und kommerziell zu nutzen. Auch die 132
höheren privaten Eliteschulen (public schools) bereiten nicht auf Management«, geschweige denn Unternehmer-Karrieren in industrienahen Bereichen vor. Selbst im Universitätsbereich wurden erst in den 60er Jahren, unter dem Einfluß erfolgreichen
US-Managements, "Business Schools"
eingerichtet. 2.8
Unternehmensgründungen, Risikokapital
Um so mehr setzt es in Erstaunen, daß sich in den letzten Jahren ausgerechnet in der Umgebung einer der zwei britischen Eliteuniversitäten mit eher geisteswissenschaftlicher Reputation ein dynamisches Zentrum von über 300 jungen, technologieorientierten Unternehmen gebildet hat, die mit jährlichen Wachstumsraten von real ca. 25 vH auf vielen modernen Gebieten, von der Mikroelektronik bis zur Biotechnologie, tätig sind (Wirtschaftswoche 20/1985, S. 63). Dies hat verschiedene Ursachen. Einmal hat die konservative Regierung nach den vielen verfehlten, öffentlich geförderten Großfusionen aus den 60er und 70er Jahren die kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt erst neu entdeckt, denen von wissenschaftlicher Seite eine eminent wichtige Funktion im Suchmechanismus für die Bestimmung technologischer Entwicklungsrichtungen beigemessen wird (Jones 1981, S. 53). So fördert die Regierung Neugründungen durch steuerliche und finanzielle Anreize ebenso wie durch den Abbau von Verwaltungsbürokratie gerade diesem Firmenkreis gegenüber. Ein LoanGuarantee
Scheme
(verbürgte
Bankkredite),
ein Business
Expansion
Scheme (steuerfreie Privatanlage in nicht-börsennotierten Unternehmen für
mindestens fünf
Jahre), komplementär dazu die Zulassung eines
Unlisted Securities Market, vor allem aber die regional dezentralisierte, dialogbetonte
Förderung
im Rahmen von Local Enterprise
Agencies
(LEAs) sind Elemente dieser neuen Politik (Wirtschaftswoche 12/1985, S. 46-48). Ein zweiter Grund ist die traditionell intensive Wirtschaftsausrichtung Großbritanniens auf die USA. Um erfolgreich zu sein, muß aber ein auf Hochtechnologie spezialisiertes Jungunternehmen von vornherein in der Lage sein, auch auf dem US-Markt Fuß zu fassen (Fanselow 1984, S. 4). Dies wurde in den letzten Jahren durch die Hochkonjunktur in den USA sowie den hohen Dollarkurs begünstigt. Jedoch fühlen sich britische technologieorientierte Kleinunternehmen offenbar von geldgebenden Wagnisfinanzierungsgesellschaften und -fonds besser betreut als etwa in der Bundesrepublik und damit auch für eine schlechtere Konjunktur gerüstet. Nicht nur ist die Zahl solcher Gesellschaften in Großbritannien ungleich 133
höher, ihre Finanzierungspolitik ist auch weniger konservativ, die Beratung gut und die Akzeptanz höher als bei den verschuldungsscheuen deutschen Mittelstandsunternehmen (Wirtschaftswoche
20/1985, S. 64).
Hinzu kommt, daß die britischen Venture capital-Gesellschaften
von
vornherein, sowohl zur Markterweiterung als auch zur regionalen Diversifizierung und damit zur Erlangung von mehr Unabhängigkeit ihrer Clientele von den USA die europäische Dimension stärker berücksichtigen: Von den Gründungsmitgliedern
der European Venture Capital
Association
(EVCA) stammten nur drei aus der Bundesrepublik, aber 17 aus Großbritannien (EVCA 1984, Anhang 2). Der Unternehmensgründungsboom in Großbritannien beschränkt sich nicht auf den Hochtechnologiesektor. Dafür gibt es auch eine kritischer zu wertende Ursache: Die extrem hohe Arbeitslosigkeit treibt immer mehr junge Menschen in den Versuch, eine eigene Existenz aufzubauen. Begünstigt wird dies durch die gesetzliche Lockerung des Kündigungsschutzes in mehreren Schritten seit 1980 (OECD-Economic Surveys 1986, S. 33). Entsprechend hoch ist die Rate der Insolvenzen bald nach dem Start. Einer konjunkturbedingten Stabilisierungstendenz steht hier die Gefahr gegenüber, daß neue Regierungsüberlegungen über die Abschaffung von bestimmten
Mindestlöhnen für
Jugendliche
(Wirtschaftswoche
12/1985,
S. 48; OECD-Economic Surveys 1986, S. 31) die Einstiegsschwelle für risikoreiche Unternehmensgründungen weiter herabsetzen. 2.9
Industrial Relations und Sozialschutz
Dieses Vorhaben fügt sich konsequent ein in die Suspendierung jeder staatlichen Verantwortung für die Einkommensentwicklung und den Arbeitsmarkt (Wegner 1986, S. 4). Das Vehikel ist in diesem Falle eine weitere Funktionsenthebung der sogenannten Wages Councils, in denen Vertreter der Tarifparteien zusammen mit unabhängigen Sachverständigen Mindestlöhne und arbeitsrechtlichen Mindestschutz für knapp 3 Mill. gewerkschaftlich schlecht organisierte Arbeitnehmer festlegen (OECDEconomic Surveys 1986, S. 31). Da sich diese Kräfte auf das Hotel- und Gaststättengewerbe und den Einzelhandel konzentrieren
(Wirtschafts-
woche 17/1985, S. 47), könnte die von der britischen Regierung als Ausweg aus der Massenarbeitslosigkeit angestrebte Umstrukturierung zugunsten des Dienstleistungssektors auf der Basis von Selbständigkeit eine ökonomisch wie sozial wenig perspektivenreiche Richtung annehmen. In diese 134
Richtung dürfte jedenfalls die Aufnahme von Arbeitslosen in das mit je 40 L pro Woche dotierte Enterprise Allowance Scheme (OECD-Economic Surveys 1985, S. 22) wirken. Die Abschaffung der Mindestlöhne soll - wie die verschiedenen Qualifizierungsprogramme - nicht nur die Flexibilität des Arbeitsmarktes erhöhen, sondern auch die "Angebotsbedingungen11 im Unternehmenssektor verbessern. Letzterem dient auch die Senkung der Lohnnebenkosten: Bei etwa gleichgebliebenem Anteil der Sozialversicherungsbeiträge an den Gesamtabgaben hat sich in den ersten vier Jahren der Regierung Thatcher der Arbeitgeberanteil verringert (Newman 1985, S. 92). Es sind vor allem die Klein- und Mittelbetriebe, deren Kosten und Abgabenlast mit diesen Maßnahmen gesunken sind bzw. weiter sinken dürften - ein von der Regierung gewolltes Ergebnis. Daß die Kleinunternehmen Umfrageergebnissen zufolge von Herbst 1985 bis Herbst 1987 etwa 750.000 neue Arbeitsplätze anbieten wollen, dürfte freilich mehr mit der generellen Konjunktureinschätzung als mit der Mittelstandspolitik der Regierung zusammenhängen, mit der die Mehrheit der befragten Unternehmen unzufrieden ist (Economist vom 19.10.1985b, S. 40). Je mehr Erwerbstätige selbständig oder in Kleinunternehmen tätig sind, desto mehr sieht sich die Regierung ihrem erklärten Ziel näherkommen, die große Macht der Gewerkschaften
zu brechen. Da sie deren oft
militante Haltung (Seidel 1983, S. 152 ff.) vor allem auf einen Mangel an innergewerkschaftlicher Demokratie zurückführt, hat sie seit 1980 in drei Gesetzen die zivil- wie strafrechtliche Immunität von Gewerkschaftsfunktionären (immunities) eingeschränkt, geheime Abstimmungsverfahren (ballots) eingeführt und finanziell begünstigt sowie die Zwangsmitgliedschaft in einer Betriebsgewerkschaft
(closed shop) aufgeweicht, ohne
freilich dieses traditionelle Element in den britischen "Industrial
Rela-
tions", das einer wechselvollen Rechtsgeschichte unterliegt (Davenport 1983, S. 33), heute aber auch von vielen Arbeitgebern
letztlich
im
Interesse des Arbeitsfriedens akzeptiert wird, prinzipiell in Frage zu stellen. (Ihre Position in der Frage der Gewerkschaftsreform
legte die
Regierung 1980 umfassend in einem "Grünbuch" über "Trade Union Immunities" dar. Vgl. Cmnd 8128, HMSO) (Employment Gazette 1/1981, S. 41; vgl. auch OECD-Economic
Surveys 1985, S. 26 ff.;
OECD-Economic
Surveys 1986, S. 30).
135
Die Durchsetzung der Gewerkschaftsgesetze ist zweifellos vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit zu sehen. Einmal ist die Zahl der Mitglieder im TUC von 1980 bis 1984 um über 2 Millionen gesunken. Zweitens nahm insgesamt die Konfliktbereitschaft der Gewerkschaften seit Ende der 70er Jahre deutlich ab. Zwar erreichte mit dem langanhaltenden Bergarbeiterstreik
die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage nach
dem Metallarbeiterstreik von 1979 einen neuerlichen Höhepunkt, die Zahl der Arbeitsniederlegungen sank aber deutlich (Employment Gazette, lfd. Ausgaben, Labour Market Data, Industrial Disputes), und der Mißerfolg des Bergarbeiterstreiks dürfte zusätzlich demoralisierend gewirkt haben. Einer ähnlichen Entwicklung unterliegt derzeit die in einem veränderten technologischen Arbeitsumfeld um ihren Einfluß kämpfende Druckergewerkschaft. Und drittens hat innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ein Spaltungsprozeß eingesetzt. Auf der einen Seite formiert
sich neuer
fundamentalistischer Widerstand gegen die Regierung, auf der anderen Seite spalten sich - wie im Herbst 1985 bei den Bergarbeitern - kooperative Gruppierungen ab (Handelsblatt vom 20.10.1985) und haben solche Gewerkschaften raschen Zulauf, die die neuen Gesetze akzeptieren bzw. deren Mitglieder durch die tarifvertragliche Akzeptanz von Einschränkungen im Streikrecht bekunden, daß ihnen die Sicherheit des Arbeitsplatzes mehr wert ist als die Höhe des Lohnes (Wirtschaftswoche 36/1985, S. 21). Derzeit muß insgesamt offen bleiben, ob die Regierung weitere angestammte gewerkschaftliche Rechte legislativ einschränken wird. In der Diskussion sind ein Streikverbot im Bereich lebenswichtiger öffentlicher Dienste sowie ein gesetzlicher Individualschutz vor gewerkschaftlichen Disziplinierungsmaßnahmen (Wirtschaftswoche 36/1985, S. 22). Die Bedenken innerhalb der konservativen Partei selbst wie auch im CBI nehmen jedenfalls zu. Im Frühjahr formierte
sich unter dem Dach eines neu
gegründeten "Employment Institute" eine sich aus allen Parteien sowie aus Gewerkschafts- und Arbeitgeberkreisen rekrutierende Sammelbewegung gegen
die
Arbeitsmarktpolitik
der
Regierung
(Handelsblatt
vom
23.4.1985). Zudem wird der Widerstand des linken Flügels im TUC härter, auch im Zusammenhang mit anderen, den sozialen Bereich betreffenden Regierungsvorhaben wie die Abschaffung der erst vor 10 Jahren eingeführten dynamischen Rente zugunsten der privaten Alterssicherung.
136
2.10
Handelspolitik
Die konservative Regierung hat zu Beginn ihrer Amtszeit im Zeichen hoher Zahlungsbilanzüberschüsse (Nordseeöl!) alle restlichen Beschränkungen des Devisen- und Kapitalverkehrs aufgehoben. In der Handelspolitik ist Großbritannien dem Gemeinschaftsregime nach Art. 113 EWGV unterworfen. Die verbliebenen Möglichkeiten für bilaterale Einfuhrbeschränkungen werden nur noch bei wenigen Produkten - z.B. Offshore-Ausrüstungen und -dienste, wo die seit 10 Jahren praktizierte Diskriminierung ausländischer Firmen Anfang 1985 sogar verschärft wurde (U.S. Trade Representative 1985, S. 213) - , die Möglichkeit zur Ausfuhrförderung über begünstigte Exportkredite im Rahmen des OECD-Konsenses von 1983 dagegen extensiv genutzt. Die Selbstbeschränkungsabkommen, vor allem mit Japan, über Fernsehgeräte, Automobile, Kugellager, Bestecke, Textilien, Leder und Schuhe gingen im wesentlichen auf das Konto der EGKommission oder früherer
Regierungen (Young/Hood 1984, S. 211). In
letzter Zeit hat die Bank von England ihre Geldpolitik stärker an der Wechselkursentwicklung ausgerichtet, mit dem Ziel, einerseits durchaus über eine gewisse dauerhafte Abwertung den Export zu begünstigen, andererseits aber einen Kurssturz des Pfundes im Gefolge des Preisverfalls beim Erdöl zu verhindern. Sollte die Labour-Partei die nächste Wahl gewinnen und der linke Flügel die Politik maßgeblich mit bestimmen, so wäre
mit
einer erneuten Wende in der britischen Handelspolitik
zu
rechnen, soweit die EG-Einbindung dies zuließe. Diskutiert werden vor allem Ideen der Cambridge Economic Policy Group. Danach soll ein höherer Außenschutz mehr Spielraum für eine beschäftigungsorientierte Reflationspolitik bieten (Godley 1985). Labour denkt aber auch an eine Foreign Investment Unit, die die nach innen wie nach außen gerichteten Direktinvestitionen
vor allem unter beschäftigungspolitischem
Aspekt
kontrollieren soll (Young/Hood 1984, S. 198). 2.11
Zusammenfassende Wertung
Mit dem Regierungswechsel von 1979 wandelte sich auch die britische Industriepolitik. Hatte man vorher versucht, auf der Grundlage mittelfristiger, sektorbezogener Marktprojektionen leistungsfähige Großkonzerne sozusagen aus der Retorte zu schaffen und deren
Investitionspolitik
entweder in direkter staatlicher Regie oder mit Hilfe gezielter Beteiligungen oder Darlehen des Staates zu steuern, so setzte nach dem Wechsel 137
eine umfangreiche Privatisierung ein, und der Förderungsakzent wurde von den Großunternehmen auf Klein- und Mittelbetriebe verlagert. Dem liegt einerseits die Erfahrung zugrunde, daß die Dominanz von Großunternehmen noch keine internationale Wettbewerbsfähigkeit garantiert, sondern im Gegenteil die Volkswirtschaft verwundbarer macht, wenn einige Große wettbewerbsunfähig sind. Zudem war die Versuchung für den Staat groß gewesen, in staatlicher Regie befindliche, verlustreiche Großunternehmen wegen der unmittelbaren beschäftigungspolitischen Verantwortung dauerhaft hoch zu subventionieren, unabhängig von den eigenen Sanierungsanstrengungen
des Unternehmens.
Dies galt vor allem für
British Leyland, British Steel, British Shipbuilders und
Rolls-Royce.
Außerdem waren die staatlichen Unternehmen allzu oft Spielball politischer Auseinandersetzungen gewesen. Hinter dem Wechsel steht aber vor allem ein ordnungspolitisches Bekenntnis zum freien Unternehmertum, das zwar die spontane Herausbildung privater Großkonzerne nicht behindert (Handelsblatt vom 25./26.10.1985, S. 17), dem sich aber auch möglichst viele Menschen zuwenden sollen. Dies setzt die Schaffung auch kleinteiligerer Strukturen und eine verstärkte Hinwendung zum Dienstleistungssektor voraus. Fehlende Basis an moderner Technologie und hohe Arbeitslosigkeit beschwören allerdings die Gefahr herauf, daß sich die "Tertiarisierung" der britischen Wirtschaft vor allem in den Bereichen vollzieht, die nicht im Zusammenhang mit modernen Produktionsverfahren stehen und damit auch nicht komplementär zur Industrie sind. Gleichwohl haben sich, begünstigt durch gute Universitätskontakte, Affinitäten zu den USA und dynamische Risikokapitalrekrutierung, einige
M
greenfield lf -Zellen techno-
logieorientierter Dienstleistungsunternehmen herausgebildet. In der grundlegenden Wirtschaftsphilosophie unterscheidet sich - bei aller Diskrepanz in der systemimmanenten Dynamik - die britische wenig von der US-amerikanischen Regierung, wenngleich die angebotsorientierte Linie in Großbritannien rigoroser verfolgt wird. Es gibt jedoch einige andere, industriepolitisch relevante Unterschiede. Einmal hatte Großbritannien als Folge hoher Ölexporte und hoher Dienstleistungsüberschüsse im Bereich Finanzen und Versicherungen von 1980 bis 1982 keine, danach keine gravierenden Leistungsbilanzprobleme, die zu selektiven Einfuhrbeschränkungen ermuntert hätten, und der Wechselkurs steht in höherem Maße als generelles Korrektiv zur Verfügung. Zweitens hat, bei aller Verteidigungslastigkeit der Staatsausgaben insgesamt wie der staatlichen Forschungsaufwendungen, dieser Sektor ungleich geringere Bedeutung für 138
das Innovationstempo als in den USA. Drittens wird auch nach Abschluß der Privatisierung der Staat in Großbritannien stärker in der Wirtschaft vertreten sein. Viertens entwickeln in Großbritannien mit seinem eher industriekarrierenfeindlichen Bildungssystem viel weniger Menschen hohe Empfänglichkeit für staatliche Signale zur Mobilisierung unternehmerischer Eigeninitiative, so daß die Arbeitslosigkeit unter dem Einfluß der scharfen Deflationspolitik drastisch zunahm, während in den USA sehr viele neue Arbeitsplätze entstanden - die Nutzung der hohen Arbeitslosigkeit zur Reformierung des britischen Gewerkschaftswesens, dessen innere Verfassung als produktivitäts- und innovationsfeindlich angesehen wurde, war sicher kein primäres Politikanliegen, sondern Sinn für die "Gunst der Stunde". Und schließlich ist bei aller institutionellen Diskontinuität und aller Fehlleistung auf diesem Gebiet das weltmarktorientierte, industriestrategische Denken in Großbritannien viel stärker ausgeprägt als in den USA; der Computer-
und Mikroelektroniksektor
ist ein Beispiel für
hartnäckiges, Regierungen verschiedener Couleurs überdauerndes Festhalten an vorgefaßten Zielen trotz erheblicher Rückschläge.
139
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144
Driscoll/Behrman
Länderbericht Frankreich
145
Inhalt
Seite 1. 2. 2.1
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
147
2.2 2.3 2.4 2.41 2.4.2 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9
Instrumente Zur aktuellen Konzeption der französischen Industriepolitik Institutionelle Rahmenbedingungen Banken- und Finanzwesen Steuerliche und finanzielle Anreize Steuerliche Anreize Subventionen und sonstige öffentliche Hilfen Ziele und Mittel der Nationalisierungspolitik Unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik Regionalpolitik und Dezentralisierung Technologie- und Innovationspolitik Industrial Relations
151 152 155 157 157 158 165 169 171 173 177
3.
Zusammenfassende Wertung
180
Literaturverzeichnis
146
151
185
1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
Frankreich gehört seiner Wirtschaftskraft nach zu den großen Industrieländern der westlichen Welt. Sein Bruttosozialprodukt folgt an vierter Stelle nach den USA, Japan und der Bundesrepublik Deutschland. Zugleich ist Frankreich auch der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch leidet die Außenwirtschaft Frankreichs in mehreren Bereichen an einer unzureichenden Wettbewerbsfähigkeit gerade gegenüber den genannten größeren Industrieländern. Die Zwitterstellung Frankreichs wird in einer häufig benutzten Formulierung so charakterisiert, daß es das stärkste der schwachen Länder und das schwächste der stärkeren Länder sei (z.B. Cheval 1985, S. 2). Die Schwächen und Stärken der französischen Wirtschaft im Außenhandel lassen sich anhand verschiedener Kriterien nachweisen. So nahmen die realen Exporte der verarbeitenden Industrie von 1963 bis 1974 jahresdurchschnittlich um 11,2 vH zu, der Welthandel wuchs dagegen um nur 9,4 vH. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre kehrte sich diese Entwicklung um: Die Exporte stiegen von 1974 bis 1980 mit durchschnittlich 4,9 vH wesentlich langsamer als der Welthandel mit 6,1 vH. Auch der Anteil der Importe am Inlandsverbrauch nahm kräftig zu, er betrug für den Bereich der verarbeitenden Industrie 1980 rund 45 vH. Mit dieser Entwicklung konnten in verschiedenen Sektoren die Exportquoten nicht schritthalten. Dies gilt insbesondere für die Elektronik, aber auch für dauerhafte Konsumgüter und die meisten anderen Konsumgüter (OECD 1982c, S. 32 ff.). Die Defizite im Warenaustausch Frankreichs ergeben sich vor allem bei industriellen Produkten im Handel mit den OECDLändern. Die wichtigsten Exportüberschüsse fallen im landwirtschaftlichen und Nahrungsmittelbereich gegenüber den Partnerländern in der Europäischen Gemeinschaft, im Handel mit Gütern der verarbeitenden Industrien gegenüber den Entwicklungs-
und Staatshandelsländern an.
Nach einer Untersuchung (Delattre 1983, S. 15 ff.) entfallen von den Industrieprodukten mit einer "starken Außenhandelsposition" von 97 Produkten allein 18 auf die Lebensmittelindustrie, 13 auf den Maschinenbau (z.B. schwere Ausrüstungsgüter und Rüstungsgüter), 11 auf den Textilbereich, 10 auf die Elektronik, 9 auf die Chemie sowie je 6 auf die Flugzeugindustrie, die Automobilindustrie und die Werften. Von 90 Produkten mit relativ "schwacher Außenhandelsposition" sind Elektrohaus147
haltsgeräte, Lederwaren und Schuhe, Papier, Holz, Pappe, Druckereierzeugnisse und Textilprodukte von besonderer Bedeutung. Sehr schwache Positionen bestehen allerdings auch bei Produkten der verarbeitenden Industrie, die häufig ausgereifte Technologien erfordern: z.B. Ton- und Videobandgeräte, Fotoapparate, optische Instrumente, Büromaschinen und medizinische Apparate. Die Faktoren, die in Frankreich den Aufbau einer modernen Industrie mittels einer entsprechend effizienten Industriepolitik erschwert haben und sich bis heute in einer unzureichenden Wettbewerbsfähigkeit niederschlagen, sind zahlreich. Sie haben ihren Ursprung häufig in der speziellen historischen Entwicklung Frankreichs. Zu ihnen gehören etwa das bis heute geringe Sozialprestige aller industriellen Aktivitäten im Vergleich etwa zum öffentlichen Dienst und zur akademischen Karriere, der historisch (Colbert) begründete Schutz zahlreicher Industrien vor ausländischem Wettbewerb sowie eine deutliche Vorliebe der französischen Oberklasse, ihr Vermögen in Grund und Boden statt in industriellen Unternehmungen anzulegen. Eine unternehmerische Mentalität war so nur wenig ausgeprägt, und die Industrialisierung setzte verhältnismäßig spät ein. Auch das Fehlen des protestantischen Elements nach der Vertreibung der Hugenotten wird von vielen französischen Autoren (z.B. Cheval, a.a.O.) für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Obwohl die genannten Faktoren teilweise noch heute wirksam sind, hat die wirtschaftspolitische
Philosophie nach dem zweiten Weltkrieg - nicht
zuletzt aus der Erkenntnis über die Bedeutung der Wirtschaft auch im Rüstungsbereich nach dem Debakel des Krieges - eine grundlegend neue, industrie-
und wachstumsorientierte
Richtung eingeschlagen. Mit der
neuentwickelten Planification sollte der Aufbau einer modernen Wirtschaft, erreicht werden. Die Industriepolitik der Nachkriegszeit kann überwiegend als Teil der Planification gesehen werden. Der Gesamtkomplex der Planification und der Industriepolitik
ist heute äußerst
kompliziert, insbesondere, was das formelle und informelle Zusammenspiel der verschiedensten Institutionen und Lobby-Gruppen betrifft. Vier große Perioden lassen sich in der Nachkriegszeit unterscheiden: Die erste dauerte bis etwa 1969 und war durch einen andauernden Wirtschaftsaufschwung geprägt. In dieser Zeit wurde das Planungsinstrumentarium entwickelt und verfeinert. Während der erste Plan (1947-53) lediglich 148
einige einfache Ziele für die Produktion sechs wichtiger Industrien (Kohle, Elektrizität, Stahl, Transport, Zement und Landwirtschaftsmaschinen) enthielt, wurden in den 60er Jahren schließlich im Detail Vorgaben für die einzelnen Sektoren der Industrie gemacht. Dem fünften Plan (1966-70) wurden bereits umfangreiche ökonometrische Modelle zugrunde gelegt. Gleichzeitig nahmen jedoch auch die Wirtschaftsprobleme zu. Schon mit den Ereignissen des Mai 1968 war der fünfte Plan hinfällig geworden. Auch die immer stärkere ökonomische Verflechtung mit den anderen Industrieländern, insbesondere in der Europäischen Gemeinschaft, beeinträchtigte
die Realisierungschancen
einer
national angelegten
Wirt-
schaftsplanung zusehends. Die zweite Periode der Industriepolitik (19691974) ist durch immer stärkere Zweifel an den Möglichkeiten einer detaillierten Wirtschaftsplanung einerseits, durch aktive wirtschaftspolitische Maßnahmen im Rahmen der "großen Industriepolitik" George Pompidous andererseits geprägt. Zentrales Ziel der Industriepolitik in dieser Zeit war die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie gegenüber den anderen Industrieländern und insbesondere gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Schon Ende der 60er Jahre gab es die sogenannten "grands projets" als Antwort auf die "amerikanische Herausforderung", die Frankreich nationale Unabhängigkeit in bestimmten Technologien (insbesondere Luftfahrt, Raumfahrt, Atomwaffen,
Atom-
energie, Ölverarbeitung, Computer und Elektronik) sichern sollten. Unter Pompidou wurde dieses Konzept zum Konzept der nationalen "Champions" weiter entwickelt. Nach diesem Konzept sollten in jedem der wichtigen Industriesektoren ein oder zwei Industriegruppen entstehen, Gruppen, deren Größe und Dynamik ihnen erlauben sollte, gleichberechtigt gegenüber den Konkurrenten auf dem Weltmarkt anzutreten. Unter dem Schutz dieser großen Gruppen sollten die kleinen und mittleren Unternehmen dann allmählich ebenfalls der internationalen Konkurrenz ausgesetzt werden. Tatsächlich ist die Bildung der geplanten Industriegruppen auch vielfach gelungen. Die erwünschten Resultate trafen jedoch nicht immer ein. Einige Gruppen, wie etwa die C.G.E. (Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft), haben sich dynamisch entwickelt und gute Ergebnisse erzielt, andere Gruppen, z.B. im Stahlbereich, haben das angestrebte Ziel nicht erreicht und ihre Schwierigkeiten sind im Laufe der Jahre eher noch größer gewesen. In der dritten Periode der Industriepolitik
unter der Präsidentschaft
Giscard d'Estaings (1974-1981) wurde diese Politik trotz mancher anderer 149
Akzente (z.B. Verminderung der Ölabhängigkeit Frankreichs) im wesentlichen fortgesetzt:
Mit finanzieller
Förderung des Staates sollten die
großen französischen Unternehmen wettbewerbsfähig in der Reihe der großen multinationalen Konzerne werden. Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Enttäuschungen mit der Planification haben nach 1974 aber auch zu einer Beschränkung der Industriepolitik geführt. Bei insgesamt stärkerer makroökonomischer Ausrichtung der Wirtschaftspolitik gab es für verschiedene Branchen Hilfspläne (Schuh-, Leder-, Uhren- und Werkzeugmaschinenindustrie). Die relativ strikte Politik des Premierministers Barre schien zunächst zu einem gewissen Erfolg zu führen, jedoch kam es im Zusammenhang mit dem zweiten Ölschock 1980 zu einer Verstärkung der Schwierigkeiten der französischen Industrie. Die immer stärker konzentrierte Förderung einiger weniger
Produktionen
modernster Technologie (z.B. Kernenergie, Luftfahrt, Telekommunikation) brachte zwar in Teilbereichen Erfolge. Die sogenannte "Schießschartenpolitik" (politique de créneaux), nach der insbesondere eine kleine Palette exportfähiger Güter gefördert werden sollte, hat jedoch u.a. dazu geführt, daß traditionelle Industrien wie die Chemie und der Textilbereich sowie konsumnahe Industrien stark vernachlässigt wurden. Andere, zukunftsträchtige Industrien, etwa im Bereich der Automatisierung oder Elektronik, wurden nicht oder unzureichend gefördert. Den Exporterfolgen bei wenigen Produkten stand daher bei den meisten anderen eine verstärkte Importkonkurrenz gegenüber. Die vierte Phase der Industriepolitik reicht von 1981 bis zur Wahl der neuen Regierung 1986. Mit der Regierungsübernahme durch die Sozialisten im Jahre 1981 wurde auch die Industriepolitik neu konzipiert. Neu war diese Politik vielleicht nicht unbedingt hinsichtlich ihrer Ziele, ohne Zweifel aber hinsichtlich ihrer Mittel: der Nationalisierung des Bankenwesens und der großen französischen Industriegruppen. Mit der gleichzeitig eingeleiteten Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse wurde auch ein größerer Teil der Industriepolitik in die Hände der verschiedenen regionalen Verantwortungsträger (Abgeordnete, Gewerkschaften, diverse Vereinigungen usw.) gelegt. Die im bisherigen Verlauf der Planification und der Industriepolitik tendenziell ständig gewachsene Macht der zentralen Pariser Bürokratie und Technokratie wird damit erstmals wieder zugunsten der Regionen geschwächt.
150
2.
Instrumente
2.1
Zur aktuellen Konzeption der französischen Industriepolitik
Die neue Konzeption der französischen Industriepolitik ist z.B. von der Industrieministerin Edith Cresson dargestellt worden (Cresson 1984). Danach ist die gegenwärtige Wirtschaftskrise vor allem eine Investitionsund Rentabilitätskrise, aber keine Nachfragekrise. Auch aus der Sicht der sozialistischen Regierung haben damit keynesianische Instrumente einen Teil ihrer Wirksamkeit verloren. Bei wichtigen Konsumgütern sind Sättigungserscheinungen zu beobachten, der technologische Fortschritt kommt vor allem aus Japan und den Vereinigten Staaten. Die im Rahmen der Planification in den 70er Jahren verfolgte
Schießschartenpolitik
hat
insofern versagt. Im Gegenteil hat diese Politik teilweise zur Deindustrialisierung beigetragen. Die von 1981 an mit Priorität verfolgte Politik der Wiedereroberung des nationalen Marktes war aus beschäftigungspolitischen Gründen verständlich.
Unterschätzt
wurden jedoch die
"Con-
straints", die sich aus der starken Verflechtung der französischen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft ergeben und die ohne eine von Grund auf umstrukturierte und modernisierte Industrie kaum zu bewältigen sind. An dem Vorhaben, zugleich die Beschäftigung in möglichst allen Unternehmen mit Schwierigkeiten zu erhalten und die Entstehung neuer Industrien zu unterstützen, mußte die Regierung schon aus finanziellen Gründen scheitern. Für die Industriepolitik werden vor diesem Hintergrund seit 1983 vier Strategien herausgestellt. Erstens soll angesichts der starken Konkurrenz der amerikanischen und japanischen Firmen auf dem Weltmarkt
die
europäische Kooperation forciert werden, nicht zuletzt um größere Unternehmenseinheiten zu schaffen, sei es in Industrien der Spitzentechnologie, sei es in Industrien, die um das Überleben kämpfen. Zweitens und hierzu nicht unbedingt im Gegensatz stehend wird aber auch eine Dezentralisierung im Sinne der Schaffung kleinerer und flexiblerer Produktionseinheiten gefordert. Drittens sollen die Forschungsinvestitionen (matière grise) stimuliert werden. Die Fortbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmer ebenso wie die erfolgreiche Entwicklung von Spitzentechnologien erfordern eine ständige staatliche Intervention. Viertens sollen neue Wege gesucht werden, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dies soll vor allem auf mikroökonomischer Ebene und nicht mehr allein im Rahmen der Planification geschehen. Die Relation Qualität/Kosten wird 151
danach nur noch als eine von mehreren die Wettbewerbsfähigkeit kennzeichnenden Größen gesehen. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit ist der synergetische Mitteleinsatz von Verwaltung, Industrie, Dienstleistungssektor, Forschung, Banken und Universitäten. Die neue Konzeption der Industriepolitik ist im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik seit Mitte 1983 zu sehen, mit der sich Frankreich dem Trend in den meisten westeuropäischen Ländern angenähert hat: finanzpolitische Konsolidierung, Vorrang für Geldwertstabilität, staatliche Deregulierung, "Gesundschrumpfen" von Krisenbranchen (insbesondere Stahlindustrie), Verbesserung
der Rahmenbedingungen für
die
Unternehmen
(Steuerlasterleichterungen sowie Erleichterungen bei den Lohn- und Lohnnebenkosten), forcierte Förderung neuer Technologien. Dabei scheint es in gewisser Weise eine Ironie der Geschichte zu sein, daß gerade eine sozialistische Regierung zum ersten Mal seit langer Zeit eine Politik durchsetzte, die den Investitionen Priorität vor dem Konsum gab, die Unternehmensgewinne begünstigte und in Krisenindustrien Rationalisierungen und Sanierungen eingeleitet hat. 2.2
Institutionelle Rahmenbedingungen
Frankreich war in Europa einer der ersten Einheitsstaaten mit einer zentralisierten Verwaltung. Diese hat bis heute größten Einfluß in allen Bereichen der Wirtschaft. Der Verwaltungsapparat ist extrem komplex und umfaßt u.a. eine Vielzahl von Ministerien, Institutionen und Kommissionen. So verteilt sich auch die Verantwortung für alle Maßnahmen, die in den Bereich der gegebenen pragmatischen Definition von Industriepolitik fallen, auf Dutzende unterschiedliche Institutionen, deren industriepolitische Philosophie durchaus nicht immer gleich ist. Entsprechend ist der Entscheidungsprozeß, bis es zu einer konkreten Problemlösung kommt, im Einzelfall häufig langwierig und kompliziert. Der industriepolitische Interventionsapparat ist zweigeteilt in funktional und sektoral spezialisierte Verwaltungseinheiten. Die sektoralen Aufsichtsbehörden, die in den industriepolitischen
Entscheidungsprozessen
meistens eine beratende Funktion haben, sind zum Teil formal-organisatorisch im Industrieministerium zusammengeschlossen. Kompetenzen für wichtige Teile der französischen Industrie fallen allerdings auch in spezialisierte Abteilungen anderer Fachministerien (Verteidigungsministerium, 152
Wohnbauministerium, Postministerium, Transportministerium). In der Praxis ist die Entscheidungsbefugnis des Industrieministers zudem durch den vom Wirtschafts- und Finanzministerium vorgegebenen Rahmen begrenzt, ebenso wie durch spezifische Kompetenzen der genannten anderen Ministerien. Die funktional, d.h. nach Politikbereichen gegliederten Institutionen liegen außerhalb des Industrieministeriums. Hierzu gehört das Plankommissariat, zuständige und koordinierende Stelle für die Ausarbeitung der französischen Wirtschaftspläne, diverse Abteilungen des Wirtschaftsund Finanzministeriums, die Generaldelegation für wissenschaftliche und technische Forschung (DGRST) und die Delegation für Raumordnung und Regionalförderung
(DATAR). De facto kommt dem Wirtschafts-
und
Finanzministerium im industriepolitischen Prozeß eine dominierende Rolle zu. Dies gilt um so mehr, als die Schatzabteilung (Direction du trésor) des Ministeriums den staatlichen Entwicklungsfonds FDES koordiniert
und
damit eine weitgehende Kontrolle über die Vergabe der meisten staatlichen Finanzhilfen an die Privatindustrie hat. In dem Komplex dieser sektoral und funktional gegliederten Verwaltungsinstitutionen hat sich im Zeitablauf eine gewisse Kohärenz und eine subtil ausgeklügelte Entscheidungsstruktur zwischen den Institutionen mit stärkerem und schwächerem Einfluß auf den Entscheidungsprozeß herausgebildet. So sind etwa auch innerhalb des Industrieministeriums die einzelnen technischen Abteilungen von durchaus unterschiedlichem Gewicht (Friedberg 1979, S. 32 ff.). Das Geflecht von Beziehungen, auf das sich die einflußreichen Abteilungen des Industrieministeriums stützen können, beruht nicht zuletzt auf persönlichen Bindungen in einer durch gemeinsame Ausbildung in einer der Eliteschulen geeinten Gruppe von Spitzenbeamten, die sich sowohl an der Spitze von Unternehmen der betroffenen Industrien als auch an den relevanten Stellen des Ministeriums befinden. Eines der besonderen Merkmale der französischen Industriepolitik Verwaltungsapparates
- und auch des französischen
im allgemeinen - ist nämlich die Herausbildung
einer spezifischen politischen und administrativen Elite über eine der sogenannten "großen Schulen", deren bekannteste die "Ecole nationale d'administration" ist. Eine hochqualifizierte Ausbildung und ein spezifisches Auslesesystem haben dafür gesorgt, daß die Absolventen dieser Schule in fast allen wichtigen Positionen des Staates und der Verwaltung, der nationalisierten
Industrien und der großen Forschungszentren
zu
finden sind. Nicht einmal in Japan dürfte es eine derart enge Durchdringung von Verwaltungs- und Industrietechnokratie geben. Auch die relativ
153
große Akzeptanz der französischen Planification von Seiten der Industrie kann durch diesen Faktor erklärt werden. Die große Anzahl der der französischen Industriepolitik zur Verfügung stehenden Instrumente und die Vielfalt der zuständigen Verwaltungsbereiche bedingen ein komplexes Entscheidungssystem. Zur gegenseitigen Abstimmung sind vor allem die zahlreichen Koordinationsausschüsse von großer Bedeutung, in denen die Vertreter der verschiedenen Institutionen de facto häufig über die Maßnahmen entscheiden. Als Beispiel sei hier lediglich der interministerielle Ausschuß für die industrielle Restrukturierung (CIRI) genannt, der 1982 geschaffen wurde und dem außer dem Wirtschafts- und Finanzminister als Vorsitzenden zahlreiche Abteilungsleiter verschiedener Ministerien, der DATAR und der Banque de France angehören. Im einzelnen verteilen sich die Zuständigkeiten der zentralen Verwaltungen wie folgt (Rapport au parlement 1984, S. 12 ff.): (1) Die Dienststellen des Ministeriums für Wirtschaft, Finanzen und Budget sind zuständig für einen bestimmten Teil von Anträgen auf öffentliche Hilfen. Sie bereiten die Entscheidungen vor, welche Hilfen in den Budgets der einzelnen Abteilungen vorzusehen sind und in welcher Höhe die betroffenen Fonds Mittel erhalten sollen (insbesondere die Mittel des Entwicklungsfonds FDES zur Gewährung von Krediten, Zuschüssen oder Garantien), und sie kontrollieren die Verwendung der öffentlichen Hilfen an die Industrie im allgemeinen. Von zentraler Bedeutung ist die Schatzabteilung (Trésor), die für die interne Geld- und Finanzpolitik, insbesondere die Aufsicht über den Banksektor sowie über den Kapitalmarkt, für Interventionen, d.h. alle Eingriffe des Staates zugunsten der langfristigen Finanzierung von Unternehmen (auch über den FDES) sowie für internationale Angelegenheiten (Währungspolitik und Entwicklungshilfe) zuständig ist. Im allgemeinen sind die dem Trésor zugehenden Entscheidungsvorlagen schon gefiltert, sei es durch die zuständigen Ministerien, sei es durch einen der zahlreichen Ausschüsse. Dennoch gerät der Trésor in immer direkteren Kontakt mit den Forderungen der Industrie, ist aber weder in seiner Struktur noch in seiner Funktionsweise auf diese neue Rolle zugeschnitten (Friedberg 1979, S. 270). (2) Die Dienststellen des Industrie- und Forschungsministeriums sind ebenfalls in vielen Ausschüssen vertreten und bereiten insbesondere die Kreditgewährung im Rahmen der Industriepolitik, die Hilfen für die Elektronik- und Informatikindustrie sowie die Hilfen für den Forschungs154
bereich vor. (3) Unmittelbar dem Premierminister zugeordnet sind das Planungskommissariat und die DATAR (Délégation à l'aménagement du territoire et à l'action régionale). (4) Neben den genannten Institutionen sind eine Reihe anderer Ministerien für bestimmte öffentliche
Hilfen
zuständig, insbesondere das Ministerium für Handel und Handwerk, das Transportministerium, das Verteidigungsministerium, das Arbeitsministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Staatssekretariat für Umweltfragen und Lebensqualität. Bei der Gewährung öffentlicher Hilfen arbeitet der Staat in vielen Fällen mit entsprechend spezialisierten Kreditinstituten zusammen. Dabei geht es vor allem um die langfristige Kreditgewährung zu günstigen Bedingungen. Die wichtigsten Kreditinstitute sind die Caisse centrale de crédit coopérative, der Crédit d'equipement des petites et moyennes entreprises, der Crédit national, die Sociétés de développement régional. Die Institute arbeiten im allgemeinen auch mit dem Entwicklungsfonds FDES eng zusammen. Die regionalen Entwicklungsgesellschaften
können darüber
hinaus Beteiligungen an Unternehmen eingehen, die vom Staat Zuschüsse erhalten. Im Zuge der von der gegenwärtigen Regierung nach 1981 angestrebten Dezentralisierung wurde 1982 den Regionen und in bestimmten Fällen auch den Kommunen und Départements die Möglichkeit gegeben, öffentliche Hilfen an Unternehmen zu vergeben. Diese Hilfen werden im allgemeinen nicht
in den zentralen Budgets erfaßt
(Rapport
au
parlement 1984, S. 15). 2.3
Banken und Finanzwesen
Mit Gesetz vom 2. Dezember 1945 wurde die Bank von Frankreich (Banque de France) nationalisiert und gleichzeitig der nationale Kreditrat geschaffen, dessen 45 Mitglieder von der Regierung ernannt und dessen Vorsitz der Wirtschafts- und Finanzminister inne hat. Die Unabhängigkeit der Bank von Frankreich, die die üblichen Zentralbankaufgaben einschließlich der Geld- und Kreditpolitik durchzuführen und zu überwachen hat, ist damit stark eingeschränkt. In bezug auf ihre Kompetenzen hat es in den letzten Jahren eine Reihe von Veränderungen gegeben. So wurden mit Gesetz vom 24. Januar 1984 alle Kreditinstitutionen einem einzigen Kontrollapparat
unterstellt, wobei der Bank von Frankreich weitreichen-
de Vollmachten gegeben wurden, um diese Kontrolle durchzuführen.
155
Im Vergleich zur Deutschen Bundesbank können die französischen Kontrollbehörden sehr viel stärkeren Einfluß auf die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Aktivgeschäftes der Banken nehmen. Wenn etwa Kredite und Kreditlinien eines Kreditnehmers bei verschiedenen Banken bestimmte Grenzen überschreiten, so sind sie bei der Banque de France genehmigungspflichtig. Die Notenbank prüft den Antrag nicht nur unter dem Blickwinkel der Bonität, sondern auch hinsichtlich einer Übereinstimmung der Kreditverwendung mit den wirtschaftlichen Zielen der nationalen Wirtschaftspläne. Ähnliche Kriterien werden auch bei den staatlichen Kreditinstituten, wie dem Crédit national angewandt. Außerdem hat die Notenbank das Mittel der Kreditplafondierung zur Verfügung, sie kann aber auch den Banken auferlegen, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen in normalerweise rediskontfähigen Investitions- oder Exportfinanzierungswechseln anzulegen. In den letzten zwei bis drei Jahren wurden allerdings verschiedene Reglementierungen aufgehoben oder erleichtert, während gleichzeitig die Banque de France gewisse neue Befugnisse erhielt. So wurden am 1.1.1985 die 1972 eingeführten
Kredit-
kontingentierungen aufgehoben. Während bisher die Regierung für verschiedene Kreditgruppen (Industrie, Export, Wohnungsbau, Haushalte usw.) jedes Jahr genaue Quoten festsetzte, wird in Zukunft nur noch die zulässige Ausweitung des globalen Kreditvolumens bestimmt, die 1985 zwischen 4 und 6 vH schwankte. Über die Möglichkeit, unterschiedliche Mindestreservesätze
festzulegen, kann der Staat jedoch einen Druck
zugunsten der von ihm festgelegten Prioritäten ausüben (Nachrichten für Außenhandel vom 31.10.1984). Anfang 1986 hat die Banque de France vom Wirtschaftsministerium neue Befugnisse übertragen erhalten, die es ihr gestatten, eine effizientere Offenmarktpolitik durchzuführen und damit einen stärkeren Einfluß auf das Zinsniveau auszuüben (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.2.1986). In Bewegung waren in letzter Zeit auch die Regelungen für die Gewährung von Subventionen für Exportkredite sowie für Exportkreditgarantien. Die staatliche französische Exportkreditbehörde COFACE (Compagnie française d'assurance pour le commerce extérieur) kann künftig auch Garantien für Exportfinanzierungen in Fremdwährungen erlauben. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß sich ausländische Banken an ihren Heimatmärkten teilweise zu sehr viel günstigeren Konditionen refinanzieren können, als dies französischen Instituten möglich ist. Mit der Bereitstellung günstiger Fremdwährungskredite an die Exporteure hofft man, die französischen Erzeugnisse im Ausland zu verbilligen. Andererseits sollen die Zinsbegünstigungen für 156
Exportkredite im Zuge des Zinsrückgangs von 5,2 Mrd. FF (1985) auf 3,8 Mrd. FF (1986) verringert
werden (Nachrichten für Außenhandel vom
11.10.1985), Das Volumen von langfristigen Krediten zu niedrigem Zinssatz an Entwicklungsländer für den Erwerb von Ausrüstungsgütern soll von 5,0 Mrd. FF auf 2,7 Mrd. FF herabgesetzt werden. Eine wesentlich neue Qualität erhielt das französische Bankensystem mit den Nationalisierungen seit 1981. Zwei Ziele standen hierbei im Vordergrund. Einmal sollte das traditionelle Desinteresse der französischen Banken bei der Finanzierung
industrieller
Investitionen
durchbrochen
werden, zum anderen sollte das Bankensystem als Ganzes effizienter in den Dienst der nationalen Wirtschaftsplanung gestellt werden. Das Nationalisierungsgesetz betraf zwei Finanzierungsgesellschaften und 36 Banken. Akkumuliert mit den Beteiligungen der bereits früher verstaatlichten Banken (Crédit lyonnais, Société générale, Banque national de Paris) verschafften die Beteiligungen der neunationalisierten Institute eine Kapitalmehrheit an weiteren Instituten. Der Anteil der so de facto 132 öffentlichen Banken an den gesamten Sichteinlagen sowie sonstigen flüssigen und kurzfristigen Mitteln der börsennotierten Banken beträgt etwa 90 vH gegenüber 63 vH vor der Nationalisierung (CEEP 1984, S. 79). Nimmt man die Gesamtheit des öffentlichen Bankensystems sowie der zahlreichen staatlichen Institutionen zur Subventionsvergabe, so sind die Grenzen zwischen Subventions- und allgemeiner Geld- und Kreditpolitik kaum deutlich zu ziehen. Der Staat hat mit diesem ihm zur Verfügung stehenden Apparat große Möglichkeiten, seine spezifischen - insbesondere auch industriepolitischen - Ziele zu verfolgen. 2.4
Steuerliche und finanzielle Anreize
2.4.1
Steuerliche Anreize
Nur etwa ein Zehntel der Finanzhilfen an die Industrie wird in Frankreich in Form von Steuervergünstigungen gewährt. Die industriepolitisch wichtigsten steuerlichen Anreize umfassen die Abschreibungsregeln einerseits, Steuererleichterungen oder -ausnahmen andererseits. Schon in den 70er Jahren gab es in vielen Regionen Frankreichs die Möglichkeit, Gebäude mit 30 vH statt normalerweise 5 vH im ersten Jahr und dann 14 Jahre zu 5 vH abzuschreiben. Von Januar 1983 bis Dezember 1985 konnten neuerworbene Ausrüstungsgüter je nach Amortisationsdauer
im ersten Jahr
mehr oder weniger verstärkt abgeschrieben werden. Ab Januar 1986 t r i t t 157
an die Stelle der außergewöhnlichen Abschreibung die Verringerung der Körperschaftsteuer von 50 auf 45 vH für die nichtausgeschütteten Gewinne. FuE-Investitionen sowie Umweltinvestitionen in Gebäude dürfen weiterhin im ersten Jahr zu 50 vH abgeschrieben werden, bestimmte Aufwendungen für Forschung und Computerprogramme sogar zu 100 vH. Zudem gibt es bei gegenüber dem Vorjahr zusätzlich aufgewendeten Forschungsmitteln eine Erhöhung der Steuergutschrift von 25 auf 50 vH, um die sich die jeweils fällige Körperschaftsteuer verringert. Die Abschreibungssätze sind degressiv gestaffelt. Für industrielle Ausrüstungen beträgt der Abschreibungssatz bei einer fünfjährigen Abschreibungsdauer im ersten Jahr 40 vH. Unter bestimmten Bedingungen werden Unternehmen Steuererleichterungen oder Befreiungen von Steuern gewährt. Hierbei ist die Befreiung von der "taxe professionelle 11 (früher "Patente 11 , am ehesten vergleichbar mit der deutschen Gewerbesteuer) von besonderer Bedeutung. Sie wird für höchstens vier Jahre gewährt. Heute sind aber auch Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer
möglich. Diese können einmal in einer
völligen
Befreiung bestehen. So kann beim Kauf eines Ausrüstungsgutes die bezahlte Mehrwertsteuer sofort vollständig von dem monatlich zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag des Unternehmens abgezogen werden. Damit verringert sich die finanzielle Belastung durch den Kauf einer Maschine um 18,6 vH (Nachrichten für Außenhandel vom 6.9.1985). Es kann aber auch ein Teil der Mehrwertsteuer erstattet werden. Soweit die Steuer zuvor voll überwälzbar war, profitieren die Unternehmen hiervon zwar nicht direkt, gegebenenfalls jedoch von der Möglichkeit einer Preissenkung und damit von einem vergrößerten Markt. Unter den sonstigen Steuervergünstigungen seien hier noch bestimmte Regelungen genannt, die Unternehmensgründungen und Investitionen im Ausland begünstigen (OECD 1978a, S. 175). Bei einem Gesamtbetrag der Steuervergünstigungen im Jahre 1982 von etwas über 26 Mrd. FF entfielen auf die Industrie lediglich etwas über 5 Mrd. FF (Dutailly 1984, S. 9), im Vergleich zu den Subventionen eine nur geringe Summe. 2.4.2
Subventionen und sonstige öffentliche Hilfen
Im Gegensatz zur Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland, wo der Abbau von Subventionen zumindest theoretisch als eines der wichtigsten Ziele der Wirtschaftspolitik deklariert wird, sind staatliche Subventionen 158
in Frankreich von jeher ein unumstrittener fester Bestandteil der Industrie- und Strukturpolitik. Dabei haben sich die grundlegenden wirtschaftspolitischen Ziele, wie sie in den jährlichen Berichten der Regierung über die öffentlichen Hilfen an Unternehmen festgehalten sind, in den letzten Jahren - auch nach dem politischen Wechsel von 1981 - kaum verändert. Fünf Hauptziele werden genannt (Rapport au parlement 1984, S. 5 ff.): (1)
Die Regionalförderung, vor allem die Neuansiedlung von Industrieunternehmen.
(2)
Umstrukturierung und Umstellung (Unternehmenszusammenschlüsse, Investitions- und Forschungsprogramme). Spezielle umfangreiche Hilfen sind seit 1977 für den gesamten Stahlsektor gewährt worden.
(3)
Exportförderung.
(4)
"Qualitative Ziele" wie Entwicklung der Forschung, Schutz der Umwelt, Energieeinsparung, Humanisierung der Arbeitsbedingungen und Modernisierung des Produktionsapparates.
(5)
Entwicklung "strategischer" Branchen, sei es der Hochtechnologien (z.B. Informatik und wissenschaftliche Geräte), sei es in den der internationalen Konkurrenz besonders ausgesetzten Bereichen (z.B. Schiffbau- und Luftfahrtindustrie). Diese Hilfen können im Gegensatz zu
den
vorhergenannten
allgemeinen
Umstrukturierungsbeihilfen
durchaus auch dauerhafter angelegt sein. Die Finanzhilfen wurden vor allem gewährt als Investitionszuschüsse, Zuschüsse zur Beteiligung an Unternehmen (die an die regionalen Entwicklungsgesellschaften gezahlt werden, um deren Interventionsmöglichkeiten zu verbessern, normalerweise in Höhe von 50 oder 25 vH der Höhe der Beteiligung), bedingte oder bedingt rückzahlbare Kredite, spezielle Kredite an Unternehmen (denen z.B. aus Gründen der Risikobeurteilung vom Bankenapparat unmittelbar keine ausreichenden Kreditmittel zur Verfügung gestellt werden; die direkten Kredite des Staates werden insbesondere aus den Mitteln des FDES bereitgestellt), schließlich noch als Zinsvergünstigungen.
159
Tabelle F . l
Frankreich
Finanzhilfen an private industrielle Unternehmen 1981 und 1982 in Mrd. F F 1 )
Art der Hilfe
1981
1982
Subventionen
6,9
9,3
Bedingt rückzahlbare Kredite
0,7
0,7
Beteiligungsdarlehen (FDES)
4,0
4,2
Sonstige Darlehen (FDES)
5,1
0,3
Steuer- und Abschreibungsvergünstigungen
1,7
1,3
Kreditversicherungen und Risikogarantien (Trésor und COFACE)
1,2
1,3
Zinsvergünstigungen
1,3
1,5
20,9
18,6
Insgesamt 1) Abgerundete Zahlen. Quelle:
160
Rapport au parlement 1984.
Die Gesamthöhe der Finanzhilfen an private industrielle Unternehmen lag nach der Abgrenzung des Subventionsberichts 1984 für das Jahr 1982 bei etwas unter 19 Mrd. FF. Knapp die Hälfte hiervon entfällt auf Subventionen, ein weiteres knappes Viertel auf vom FDES gewährte Kredite. Der Rest der Summe entfällt auf verschiedene Steuervergünstigungen, teilweise rückzahlbare Kredite, Kreditversicherungen, Risikogarantien und sonstige Bonifikationen. Zusammen ein Drittel der erwähnten Subventionen - über 3 Mrd. FF - standen für die Schiffbauindustrie und die Entwicklung der Luftfahrt
zur Verfügung. Andere Studien kommen zu wesentlich
höheren Ergebnissen. So beziffert eine Studie des INSEE, die auch die nationalisierten und nichtindustriellen Unternehmen berücksichtigt, die Hilfen im Jahre 1982 auf 134 Mrd. FF, zu denen noch Steuervergünstigungen in Höhe von 26 Mrd. FF hinzuzurechnen wären (Dutailly 1984, S. 3 ff.). Nimmt man hier den Sektor
ff
Agro-alimentaire M heraus, so bleiben
immer noch fast 100 Mrd. FF öffentliche Finanzhilfen. Gewährt wurden die Hilfen zu 78 vH vom Staat oder zentralen Verwaltungsinstitutionen, zu 14 vH von der Europäischen Gemeinschaft (überwiegend Landwirtschaftsund Ernährungssektor), zu 6 vH von den lokalen Gebietskörperschaften und zu 2 vH von der Sozialversicherung. Das Verhältnis der Finanzhilfen zur Bruttowertschöpfung betrug 1981 für die Industrie 6 vH (Dutailly 1984, S. 6). Für die Stahlindustrie sind es sogar 75 vH, für den Kohlebergbau 43 vH und für das industrielle Konglomerat Schiffbau/Luftfahrt/Rüstung immerhin noch 19 vH. Die Konzentration der Hilfen auf einige Bereiche innerhalb der Industrie ist also ebenfalls beträchtlich. Am auffälligsten war die Vervielfachung der Hilfen an die Stahlindustrie im Jahre 1981 gegenüber den Vorjahren. Eine neuere Untersuchung in wiederum anderer Abgrenzung kommt für 1986 auf einen Gesamtsubventionsbetrag von 77 Mrd. FF, ohne daß hierbei bereits die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen ausreichend berücksichtigt sind (Avouyi-Dovi 1986, S. 29). Im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Hilfen sind einige Fonds bzw. Institutionen und Ausschüsse von besonderer Bedeutung. Die bei weitem wichtigste interministerielle Institution ist der FDES, der Kredite an Industrieunternehmen vergeben kann. Er wurde 1982 im Zusammenhang mit der Nationalisierung des größten Teils des Bankenapparats grundlegend reformiert. Bis dahin wurden die Kredite unmittelbar aus Budgetmitteln, seit der Reform werden sie jedoch aus eigenen Mitteln von Kreditinstitutionen gewährt, so daß sie im wesentlichen auch nicht mehr im Budget erscheinen. Die Kredite werden jedoch weiterhin durch die Schatz161
Tabelle F.2
Frankreich Staatliche Hilfen nach Wirtschaftssektoren 1979 - 1982 in Mill. FF
Sektor
1980
1981
1982
4 077
29 548 4 070
35 566 4 347
35 667 6 246
479
746
1 161
1 435
Elektrizität, Wasser, Gas
2 588
14 781
1 209
2 112
Stahl
3 079
3 518
18 490
11 201
232
329
534
1 072
95
174
250
237
Glas
138
164
239
294
Chemie
635
537
777
1 305
Pharmazeutik
109
291
269
614
Metallverarbeitung
275
349
575
601
Mechanik
1 104
1 258
1 860
2 156
Elektrogeräte
1 861
1 871
2 584
4 076
115
187
293
347
Kraftfahrzeuge
1 119
1 154
1 243
2 690
Schiffbau, Raumfahrt, Rüstung
4 295
3 769
4 923
5 008
417
548
1 086
1 752
67
124
235
227
Möbel und Holzverarbeitung
236
359
733
615
Papier und Verpackung
157
269
546
597
Gedruckte Erzeugnisse
290
454
618
646
Gummi und Kunststoffe
148
242
392
455
Hoch- und Tiefbau
1 328
1 619
2 708
2 720
Handel
1 118
1 714
3 101
3 108
88
140
234
137
115
156
318
177
16 332
17 360
21 428
22 814
93
153
171
65
Dienstleistungen für Unternehmen
3 033
3 945
6 042
7 271
Dienstleistungen für Haushalte
5 294
5 913
7 697
7 964
Wohnungsvermietung
7 633
6 376
8 183
9 378
438
676
809
962
42
547
35
1
Landwirtschaft und Nahrungsmittel Kohle öl
NE-Metalle Baustoffe
Haushaltsgeräte
Textil und Bekleidung Schuhe und Leder
Kfz-Werkstätten Gaststätten und Restaurants Transportwesen Post- und Fernmeldewesen
Versicherungen Finanzinstitutionen Insgesamt Quelle: Dutailly 1984. 162
1979 25 905
82 935 103 340 126 658 133 949
Tabelle F.3 Frankreich Steuerliche Vergünstigungen in den einzelnen Wirtschaftsbereichen 1979 - 1982 in Mill. FF
Wirtschaftsbereiche
1979
1980
1981
1982
Landwirtschaft
7 711
6 587
8 436
8 361
385
321
360
668
91
80
100
315
Industrie
3 120
2 940
3 232
5 036
Bau
2 202
2 202
1 986
2 415
Transportwesen
1 258
1 374
1 411
2 244
Handel und Dienstleistungen
3 748
3 948
4 258
5 796
19 060
18 018
20 973
26 175
Nahrungsmittelindustrie Energie
Insgesamt Quelle: Dutailly 1984.
163
abteilung (Trésor) garantiert. Die wichtigsten Kreditinstitutionen sind: Crédit national, Crédit d'équipement de petites et moyennes entreprises, Société de développement régional, Caisse centrale de crédit coopérative, die Bonifikationen erhalten, um günstigere Kredite mit Zustimmung der verschiedenen interministeriellen Ausschüsse vergeben zu können. Das CIRI (Comité interministériel de réstructuration industrielle; seit 1982 Nachfolgeorganisation des CIASI) soll Unternehmen, die aufgrund kurzfristiger konjunktureller Entwicklungen in Schwierigkeiten geraten sind, flexibel helfen können. Insbesondere die Bekleidungsindustrie wurde durch diesen Ausschuß gefördert. Das CIALA (Comité interministériel des aides à la localisation des activités; seit 1982 als Nachfolgeorganisation für den FSAI) soll Gründungen und Erweiterungen von Unternehmen vor allem unterstützen, um Arbeitsplätze in bestimmten Krisenregionen zu schaffen bzw. zu retten. Das CIDISE (Comité interministériel pour le développement des investissements et le soutien de l'emploi) soll kleinen und mittleren Unternehmen mit unzureichender Eigenkapitalausstattung, aber ausreichender Wettbewerbsfähigkeit, helfen, die notwendigen Investitionen vorzunehmen.
Die Kreditmittel des CIDISE flössen überwiegend der
Textil- und Bekleidungsindustrie einerseits, der Ernährungs- und Nahrungsmittelindustrie andererseits zu. Als vierter wichtiger Ausschuß ist das CODIS (Comité interministériel d'orientation pour le développement des industries stratégiques)
zu nennen, das gezielt Finanzhilfen
bestimmte Bereiche (Industrieroboter,
Energiesparausrüstungen,
für
Büro-
technik, Erdölförderung und -Verarbeitung, Biotechnologie, Textil- und Bekleidungsindustrie) gibt. Neben den unmittelbar zum FDES gehörenden Institutionen sind noch einige andere von herausragender Bedeutung. Nicht erwähnt im Subventionsbericht wird das IDI (Institut pour le développement industriel), das 1970 gegründet wurde, um Subventionen an private Unternehmen zu vergeben, um deren Eigenkapitalausstattung zu verbessern, um Fusionen zu fördern und Holdinggesellschaften für kleinere Firmen zu bilden. Das Kapital des IDI liegt zu über zwei Dritteln beim Staat bzw. bei den nationalisierten Bankengruppen; der Rest entfällt
auf die regionalen
Entwicklungsgesellschaften und einige private Banken. Die Aktivitäten des IDI waren teilweise umstritten, jedoch konnte es häufig flexibler agieren als die großen Kreditinstitutionen, insbesondere im Bereich der kleinen Familienunternehmen (Green 1983, S. 198 ff.). Weniger als die meisten anderen Institutionen steht das IDI auch unter unmittelbarer 164
staatlicher Kontrolle. Seine Aufgaben überschneiden sich zum Teil mit denen einer anderen wichtigen Institutionengruppe, den SDR (Sociétés de développement régional). Im Unterschied zu den SDR sind die Aktivitäten des IDI nicht regional begrenzt. In der Praxis verwischen sich allerdings die Unterschiede vor allem durch die Tätigkeit der ANSDER, die die Aktionen der verschiedenen SDR einschließlich möglicher Fusionen interregional koordiniert. Neben dem IDI von großer Bedeutung ist die ANVAR (Agence national pour la valorisation de la recherche), deren Hilfen darauf abzielen, die Innovationen und den technologischen Fortschritt auf allen Stufen zu fördern, die der industriellen Fertigung vorangehen. Die Subvention kann bis zu 50 vH des Innovationsprogrammes betragen. Zwischen der ANVAR und dem Empfänger
der Subvention wird eine Vereinbarung
getroffen, die die näheren Bedingungen der Subventionsgewährung und der eventuellen Rückzahlbarkeit
im Erfolgsfall
regelt. Seit 1983 ist die
ANVAR auch zuständig für die Vergabe von Hilfen des neugeschaffenen industriellen Modernisierungsfonds FIM. Die Vielzahl der Instrumente und Institutionen im Subventions-
und
Finanzierungsbereich macht es nicht gerade leicht zu beurteilen, ob es sich jeweils um gezielte Subvention oder eher um Maßnahmen zur allgemeinen wirtschaftlichen Anregung handelt. Die spezifischen Maßnahmen - seien sie für Problembereiche (Schiffbau, Kohle, Stahl), seien sie für
Zukunftsbereiche
(Robotertechnik,
Raumfahrt,
Flugzeugindustrie,
Kernenergie) bestimmt - konzentrieren sich auf nur wenige Sektoren. In ihnen dominieren wiederum einige wenige Großunternehmen - dies gilt auch und gerade für den nationalisierten Bereich - , so daß der überwiegende Teil der Finanzhilfen auf nur wenige Unternehmen entfällt. 2.5
Ziele und Mittel der Nationalisierunqspolitik
Die Neuformulierung
der Industriepolitik seit 1981 ging u.a. von der
Erkenntnis aus, daß es nicht bestimmte zum Untergang verurteilte Branchen, sondern nur überholte Technologien gibt. Damit rückte man von der einseitigen Spezialisierung der Industrie auf bestimmte Branchen (vgl. die erwähnte "Schießschartenpolitik") ab und begann, die Aufmerksamkeit verstärkt auf einzelne Unternehmen zu richten. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, wurde eine neue Politik, die Politik der "Filières" konzipiert. Die Wirtschaft wird nicht mehr als eine Addition von Unternehmen, sondern als ein integriertes System gesehen, in dem jedes 165
Tabelle F.4
Frankreich Anteil des erweiterten öffentlichen Sektors an den Beschäftigten, Umsätzen und Investitionen in den einzelnen Industriezweigen 1982 in vH
Beschäftigte
Umsätze
Investitionen
Feste mineralische Brennstoffe
99,5
97,0
99,2
Erdöl und Naturgas
37,8
29,2
35,8
Elektrizität-, Gas- und Wasserversorgung
82,3
85,6
97,1
Eisen und Stahl
51,0
61,0
62,6
Nichteisenmetalle
64,3
57,2
32,7
Gas
29,5
33,2
40,6
Grundstoff chemie
52,8
43,3
50,3
Chemische Weiterverarbeitung und Pharmazeutik
13,1
13,8
12,7
Maschinenbau
13,0
13,0
12,9
Eisenindustrie und Elektronik
26,8
29,3
20,9
Erdgebundene Verkehrsmittel
26,8
37,0
38,7
Schiffbau, Luftverkehr, Rüstung
63,6
73,4
81,8
Papier und Verpackung
5,4
7,9
5,4
Kunststoffe, Kautschuk
5,6
6,9
6,0
Industriezweig
Quelle:
166
Delion 1983.
Produkt einen bestimmten Weg von der Produktion über die Verteilung bis hin zum Verbraucher nimmt, die Fähigkeit des Systems, ein Produkt zu vermarkten, also auch eine besondere Rolle spielt. Hatte die bisherige Industriepolitik sich z.B. im Bereich der Elektronik auf die Anwendungsbereiche konzentriert und dabei die Produktion der notwendigen Komponenten und der Informatik vernachlässigt, so werden beide Aspekte nun im integrativen Konzept der "Filières 11 hinsichtlich möglicher Kredite, möglicher Forschungsprogramme usw. zusammengefaßt. Um stärkeren direkten Einfluß auf die Produktion und die Investitionen ausüben zu können, waren zusätzliche Nationalisierungen eines der ersten Ziele der neuen Regierung. Zu den Unternehmen, die schon vor 1982 zum öffentlichen Sektor gehörten, zählen die Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaften EDF und GDF, die Charbonages, das Entreprise Minière et Chimique, Renault, die Flugzeug- und Raumfahrtunternehmensgruppen SNIAS und SNECMA, die Erdölgesellschaft ERAP sowie die industriellen Aktivitäten des Atomenergiekommissariats CEA und des Bergbauforschungsbüros
BRGM. Zusätzlich nationalisiert
wurden 1982
insgesamt 47 Unternehmen, davon 36 Banken, die Finanzholdings der beiden Finanzgruppen Paribas und Suez sowie 9 industrielle Gruppen (die Elektrizitätsgesellschaft CGE, Saint-Gobain, Péchiney Ugine Kuhlmann, Thomson, Rhone-Poulenc, die Konzerne Matra - Rüstung, EDV, Automobilzubehör - und Dassault, die Handels- und Finanzierungsgesellschaft CGCT sowie die bereits vorher vom Staat kontrollierten
Stahlwerke
Usinor und Sacilor). Weitere Einflußbereiche des Staates sind öffentliche Unternehmen im Bereich der lokalen Gebietskörperschaften sowie zahlreiche Minderheitsbeteiligungen. Die Schätzungen über den Anteil des erweiterten öffentlichen Sektors an der Gesamtwirtschaft schwanken daher. Nach Berechnungen des INSEE betrug er 1982 beim Umsatz 21 vH, bei den Beschäftigten 23 vH, bei der Wertschöpfung 28 vH, bei den Investitionen 49 vH und beim Anlagevermögen 53 vH. Der Anteil des im Export realisierten Umsatzes machte nun 19,5 vH aus gegenüber nur 1 vH im bereits früher nationalisierten Sektor (Vassille 1982, S. 5). Die neu nationalisierten Unternehmen haben damit in den öffentlichen Sektor eine deutliche Orientierung auf den Auslandsabsatz gebracht. Neben traditionellen
Industrien (Stahl, Kohle, Textil,
Automobile) beherrschen die öffentlichen Unternehmen nach der Neuordnung vier Sektoren, die strategisch von besonderer Bedeutung für die 167
moderne Industriegesellschaft sind: das öffentliche Verkehrs- und Kommunikationswesen; die Energiewirtschaft und Energieressourcen; den Banken- und Kreditsektor; die wichtigsten Wachstumssektoren mit hohem Technologieaufwand (u.a. Raum- und Luftfahrt, Atomwirtschaft, Elektronik, Informatik, alternative Energien und Rohstoffe, Biochemie). In der Gesamtkonzeption der neuen Industriepolitik sollen die nationalisierten Industrien die Rolle einer "Speerspitze" zur Erreichung der vorgegebenen Ziele spielen. Die Wiederherstellung der Rentabilität der Basisindustrien (z.B. Chemie, Stahl), die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
in der
weiterverarbeitenden Industrie durch Modernisierung der Produktionsanlagen und verstärkten Einsatz von Robotern (z.B. Textil- und Werkzeugmaschinenbereich), die beschleunigte Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie und der Kernenergieindustrie (Verminderung der nationalen Energieabhängigkeit) sowie die Förderung zukunftsträchtiger Branchen (Elektronik, Biotechnologien, Kommunikationsindustrien) gehören zu den vorrangigen industriepolitischen Strategien. Im Rahmen einer "synergetischen Entwicklung" sollen die industriellen Erfordernisse
mit Forschung und
Unterrichtswesen, Handel und Banken abgestimmt werden. Bei Konflikten zwischen der Erhaltung von Arbeitsplätzen und industriepolitischer Umstrukturierung sollen längerfristig unrentable Unternehmen nur noch degressiv subventioniert und der Einrichtung neuer Arbeitsplätze Vorrang gewährt werden, eine Maxime, die allerdings nicht immer eingehalten wurde. Auch die sogenannten "Planverträge 11 (Contrats de plan), die die Beziehungen zwischen Regierung und nationalisierten Industrien regeln sollen, sind immer noch nicht befriedigend gelöst. Sie beschreiben einerseits die Grundlinien der Investitions-, Produktions-, Arbeitsplatz-, Ausbildungs- und Forschungspolitik des jeweiligen nationalisierten Unternehmens, andererseits bestimmte finanzielle Verpflichtungen der Regierung. Konflikte ergaben sich vor allem aus dem Anspruch, grundsätzlich die Autonomie in der Unternehmensführung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Konsistenz mit der Industriepolitik zu gewährleisten. In der Diskussion vor den Wahlen zur neuen französischen Nationalversammlung hat die Frage der nationalisierten Industrien wiederum eine wichtige Rolle gespielt. Die Forderung der Opposition, einen größeren Bereich des nationalisierten Sektors wieder zu reprivatisieren, gründete sich auf dessen hohen Subventionierungsbedarf einerseits und die umfangreichen Verluste bestimmter Unternehmen und Branchen in diesem Sektor andererseits. Von 1982 bis 1985 stieg der Gesamtbetrag von Subventionen 168
und Eigenkapitalersatzdarlehen des Staates an den nationalisierten Sektor von etwa 49 Mrd. FF auf etwa 75 Mrd. FF; davon entfielen auf den industriellen Bereich im engeren Sinne, d.h. ohne Energie- und Transportwesen, 1982 etwa 6 Mrd., 1985 dagegen etwa 16 Mrd. FF. Von den etwa 16 Mrd. FF entfielen allein fast 6 Mrd. auf die Stahlunternehmen Sacilor und Usinor, über 3 Mrd. auf Renault, fast 2 Mrd. auf Thomson und über 1 Mrd. FF auf Pechiney Ugine-Kuhlmann (Angaben für 1985 nach dem vorläufigen
M
Loi de Finances 1985"). Wie hoch die Verluste im nationali-
sierten Sektor sind, ist umstritten, da die Bilanzen nach Angaben der Opposition stark manipuliert wurden. Für 1984 errechnete der "Hohe Rat für den öffentlichen Sektor" unter Ausschluß der größten Verlustbereiche Stahl und Renault für die anderen Staatsbetriebe einen Gewinn von etwa 5 Mrd. FF, während der Oppositionspolitiker Barre unter Ausklammerung des Banken- und Versicherungsbereichs zu einem Verlust von 36,7 Mrd. FF kommt (Tagesspiegel vom 14.7.1985). Insgesamt stieg die Verschuldung der öffentlichen Unternehmen trotz kräftig erhöhter Subventionen in den letzten Jahren drastisch, wenn auch jüngste Daten für 1985 eine deutliche Verbesserung der Situation zeigen (Le Monde vom 28.2.1986). Allerdings wäre - unabhängig von der Frage der Nationalisierung - wohl auch eine andere Regierung aus sozialpolitischen Gründen gezwungen worden, zugunsten der Krisenbranchen zu intervenieren. 2.6
Unternehmensqrößenbezoqene Strukturpolitik
Über die Nationalisierungspolitik hat ein hochgradiger Konzentrationsprozeß stattgefunden und findet im Rahmen der nationalen Umstrukturierungs- und Modernisierungspolitik weiterhin statt. In Frankreich wurde fast immer der industriellen Kooperation der Vorrang vor dem Wettbewerb gegeben. Unter dem Eindruck der "amerikanischen Herausforderung" galt dies insbesondere für die späten 60er und die 70er Jahre, und zwar vor allem in den Bereichen Telekommunikation, Atomkraftwerke, Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie (Airbus, Ariane) und Verkehrswesen (TGV). Während hier mehr oder weniger rentable Industrien geschaffen werden konnten, gab es andere kostspielige Großprojekte ohne ausreichende Rentabilität (Concorde, Versuch des SECAM-Marketings, Computerherstellung). Die Konzentration auf Großprojekte der Spitzentechnologie unter Vernachlässigung der kommerziellen Aspekte dürfte mit der eher technisch 169
und administrativ statt kommerziell ausgerichteten Führungselite zusammenhängen. Unter dem vermeintlichen Schutz der Planification haben sich die französischen Unternehmen zu lange vom internationalen Wettbewerb ferngehalten. Mit dem zunehmendem Bewußtsein einer unzureichenden französischen Wettbewerbsfähigkeit wandelte sich Mitte der 70er Jahre auch die Haltung gegenüber der Konzentration. Nicht zuletzt um den auch aus vielen binnenwirtschaftlichen Monopolen resultierenden Preisanstieg zu dämpfen und die administrativen Preiskontrollen allmählich aufheben zu können, kam es Mitte 1977 zu einer Wettbewerbsgesetzgebung, die zum ersten Mal in Frankreich die Prozeduren für eine Fusionskontrolle festlegte (OECD 1984b, S. 20 ff.). Der "Commission de la concurrence" wurden weitreichende Vollmachten zur Fusionskontrolle und zur Untersuchung von Marktmißbräuchen übertragen. Die Kommission kann allerdings nur Vorschläge machen, während die Entscheidung über Sanktionen beim Wirtschafts- und Finanzminister verbleibt. Im Gegensatz zur deutschen Kartellgesetzgebung stehen allerdings weniger objektive Kriterien wie der Marktanteil als eine Abwägung der Vor- und Nachteile einer möglichen Fusion im Mittelpunkt. Eine automatische Fusionskontrolle
ist nicht
vorgesehen, vielmehr bedarf es der Initiative entweder aus dem Unternehmenssektor oder der Administration. Zwar ist die Zahl der Fusionen seit Mitte der 70er Jahre rückläufig, jedoch scheinen hierfür weniger die Initiativen des Wirtschaftsministerium verantwortlich zu sein. Mit der Erweiterung des nationalisierten Sektors 1981 wurde ohnehin ein Teil der in Frage kommenden Unternehmen der Fusionsproblematik
bzw. der
gesetzlichen Fusionskontrolle entzogen (Jenny 1984, S. 22 ff.). In dem Maße, in dem der Staat zunehmend intervenierte und ausgewählte Industriegruppen mit der Reorganisierung ganzer Industriesektoren beauftragte, wobei er ihnen als Gegenleistung eine Reihe von Privilegien gewährt, wurde er zunehmend direkt verantwortlich für die sozialen Folgen der Umstrukturierung. Gleichzeitig sahen sich die kleinen und mittleren Unternehmen durch das politische und wirtschaftliche Potential der Großunternehmen bedroht. Da sich der Staat immer stärker in die Marktstrukturen des Industriesektors eingebunden hat und seine Rechtfertigung immer mehr im Erfolg der von ihm geförderten Projekte oder Programme finden muß, wird er zudem verleitet, eine dauernde Flucht nach vorne zu betreiben, wobei es - wie z.B. bei der Entwicklung der Concorde - zu einem immer stärkeren Subventionszwang kommen kann (Friedberg 1979, S. 276 ff.). 170
In den letzten Jahren hat man in Frankreich aber zunehmend erkannt, daß auch die Klein- und Mittelbetriebe eine bedeutsame Rolle in der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung spielen können, zumal hier ein Großteil der Arbeitsplätze angesiedelt ist. Verglichen mit den Großbetrieben ist die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe allerdings bescheiden. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf Vergünstigungen und Garantien. Nach den Vorstellungen der Regierung sollen sich kleine und mittlere private Unternehmen vor allem in Verbindung mit größeren industriellen Zentren entwickeln. Dem entspricht neuerdings - nicht zuletzt mit Blick auf die Konzeption der "Filières" - die Politik einer Reihe verstaatlichter, aber auch privater großer Industriegruppen und Banken, die kleinen und mittleren Unternehmen technisch, finanziell oder organisatorisch zu unterstützen oder mit ihnen zu kooperieren. Dies gilt insbesondere für den Außenhandelsbereich, wo die großen Konzerne bereits über ein international verzweigtes Handelsnetz verfügen, das auch für kleinere Unternehmen die Funktionen einer- Außenhandelsgesellschaft übernehmen kann. Allein die staatliche Chemiegruppe Rhone-Poulenc förderte 1984 für Klein- und Mittelbetriebe Exporttransaktionen von über 470 Mill. FF. Dabei werden Produkte, die das Angebot des eigenen Unternehmens ergänzen, bevorzugt (Nachrichten für Außenhandel vom 17.12.1985). 2.7
Reqionalpolitik und Dezentralisierung
Industriepolitik in Frankreich wird heute z.T. auch auf regionaler Ebene betrieben. Bestimmte Vergünstigungen können im Rahmen der nationalen Planification auch von den Regionen z.B. zur Gründung industrieller Unternehmen, zur Entwicklung bestimmter Dienstleistungen oder auch der Forschung in den Regionen, die besondere Beschäftigungsprobleme aufwiesen, oder wo sich Krisen in alten Industrien ergaben (Kohle, Stahl, Schiffbau, Textil), eingesetzt werden. 1982 wurden die verschiedenen Prämien durch eine einzige Raumordnungsprämie (Prime d'aménagement du territoire) abgelöst und die zahlreichen Konditionen für die Gewährung durch ein einfaches System ersetzt, das vor allem an den Arbeitsplatzeffekten ansetzt (Schaffung von mindestens 20 Arbeitsplätzen bei Untemehmensgründung, von mindestens 10 Arbeitsplätzen bei einer Unternehmenserweiterung). Daneben können die Regionen allerdings auch noch spezifisch regionale Prämien, Kredite oder Zinsvergünstigungen gewähren, ebenso verbilligte Grundstücke oder Gebäude. Von finanziell
größter
Bedeutung waren 1982 die Raumordnungsprämien mit etwa 0,8 Mrd. FF 171
und die Gewerbesteuerbefreiung
mit
etwa 0,5 Mrd. FF (Rapport
au
parlement 1984, S. 21 ff.). Das regionalpolitische Instrumentarium im einzelnen ist nicht Gegenstand dieses Berichts. Im Zuge der Dezentralisierung wurden aber im Rahmen der Planification mit dem 9. Plan (1984-88) die sogenannten Planverträge (Contrats de plan) geschaffen,
die die Beziehungen zwischen Staat,
Regionen und Unternehmen regeln sollen. In einem komplizierten Abstimmungsverfahren stellen die Regionalräte die regionalen Pläne auf, die dann im Rahmen der nationalen Planification kohärent gemacht werden sollen. Auf die Finanzzuweisungen im Rahmen der Planverträge entfielen 1984 etwa 6 vH der gesamten Staatsausgaben (Cazes 1983). Die Planverträge tragen sicher dazu bei, daß die Regionen jetzt eine aktivere Rolle in der Industriepolitik des Landes spielen. Allerdings sind die finanziellen Mittel weiterhin begrenzt. In wichtigen Bereichen bleibt die Entscheidungsgewalt weiter beim Zentralstaat, und insbesondere die großen und nationalisierten Industrien bieten den Regionen kaum Zugriffsmöglichkeiten. Auch müssen sich die regionalen Planungsinstitutionen noch entwickeln. Erst in 5 bis 10 Jahren dürften
die Regionen ihre neuen
Kompetenzen voll ausschöpfen können (Aujac 1984, S. 45). Allerdings gibt es schon heute Anhaltspunkte dafür, daß die lokalen Körperschaften ihre neuen Möglichkeiten nutzen werden, zumal auch sie von der Bevölkerung in erster Linie im Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg beurteilt werden. Nicht mehr alle wirtschaftlich
bedeutsamen
Entscheidungen werden in Paris getroffen, die regionalen Börsen gewinnen an Bedeutung, ab März 1986 werden die politischen Gremien der Gemeinden, der Départements und der Regionen jeweils direkt gewählt, die regionalen Entwicklungsgesellschaften nehmen zunehmend die regionalen Finanzinstitute in Anspruch, und auch die regionalen Industrie-
und
Handelskammern werden immer aktiver. So gibt es inzwischen zahlreiche internationale Kontakte der Regionen, so etwa ein Technologie-Abkommen zwischen der Region Champagne-Ardennes und dem US-Bundesstaat Kansas, eine Zusammenarbeit der Regionen Lothringen, Saarbrücken und Luxemburg, Werbung mehrerer Regionen im Ausland unter Hervorhebung ihrer spezifischen Vorzüge (z.B. Konzentration von US-Firmen in Orléans) etc. (Nachrichten für Außenhandel vom 11.2.1986).
172
2.8
Technologie- und Innovationspolitik
Der Technologiepolitik kommt im Rahmen der französischen Industriepolitik schon seit langem eine besondere Rolle zu. Ein Schwerpunkt der Ausgaben lag dabei stets auf den Ausgaben für Forschung und Entwicklung für den Bereich der Spitzentechnologien. Ein Blick auf die Struktur dieser Ausgaben zeigt allerdings immer noch bestimmte Schwächen. Ein großer Teil der Gelder geht in die militärische Forschung, das Niveau der Ausgaben ist im Vergleich zu den wichtigsten großen Handelspartnern noch zu niedrig. Auch die neueste OECD-Studie weist auf Schwächen der französischen Technologie- und Innovationspolitik hin (Neue Zürcher Zeitung vom 19.2.1986). Zwar wird dort anerkannt, daß die Forschung durchaus auch Erfolge erzielen konnte. Kritisiert werden aber vor allem die Konzentration der Mittel auf einige Großunternehmen in bestimmten Branchen, die unzureichende organisatorische und kaufmännische Infrastruktur und ganz allgemein eine Vernachlässigung der Absatzmärkte. Allerdings wurde die Forschungs- und Technologiepolitik seit 1981 beträchtlich verändert. Vorrangiges Ziel sollte es sein, den Anteil der FuEMittel am Bruttosozialprodukt
von 1,8 vH 1981 auf 2,5 vH 1985 zu
erhöhen. Dieses Ziel ist nach den letzten verfügbaren
Informationen
(OECD 1986, S. 15) wohl nicht ganz erreicht worden. Das Forschungsgesetz vom 15. Juli 1982, in dem die langfristigen Ziele der Forschungspolitik definiert
wurden, enthielt zwar nur wenige präzise
quantitative
Zielvorgaben, war aber bereits Ausdruck einer umfassenderen nationalen Diskussion über Forschung und Technologie, in der alle sozialen Gruppen und der Staat (Wissenschaftler, Unternehmer, Gewerkschaften, Regierungsmitglieder etc.) vertreten waren. Um das genannte Ziel einer relativen Erhöhung der Forschungsausgaben zu erreichen, war u.a. für das zivile Forschungsbudget ein durchschnittlicher jährlicher Zuwachs von 17,8 vH bis 1985 vorgesehen, um die Modernisierung des industriellen Produktionsapparates zu beschleunigen (OECD 1984a, S. 139). Die schon bestehenden "technologischen
Entwicklungsprogramme"
(Kernenergie,
Luft-
und
Raumfahrt, Meeresforschung) wurden durch die sogenannten "Programmes mobilisateurs" ergänzt und inzwischen an Bedeutung übertroffen
(8,6
gegenüber 8,1 Mrd. FF im Jahre 1983). Die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung im Rahmen dieser Programme betreffen die Bereiche Mikroelektronik, Biotechnologie, Energieeinsparung und Solarenergie, technologische Entwicklung der Industriestruktur, aber auch die Koopera173
tion mit der Dritten Welt, die Förderung der französischen Sprache etc. Die sonstigen Mittel für die angewandte Forschung (4,5 Mrd. FF 1983) fielen auf die traditionellen Wirtschaftsbereiche (z.B. Landwirtschaft, Werkzeugmaschinenbau, Chemie, Automobile, Stahl). Auch hier werden neben den industriepolitischen soziale, kulturelle und wirtschaftliche Ziele verfolgt. Die sonstigen Mittel für die zivile Forschung, die auch die Mittel für die Grundlagenforschung und indirekte Aufwendungen umfassen, betragen 11,3 Mrd. FF im Jahre 1983. Für das gesamte zivile Forschungsund Entwicklungsbudget ergaben sich damit 1983 Mittel in Höhe von 32,5 Mrd. FF (OECD 1984a, S. 140). Ein wichtiges Ziel der neuen Forschungsprogramme und vor allem der Mobilisierungsprogramme ist die Förderung der Technologie und insbesondere der Schlüsseltechnologien durch alle Produktionsstufen hindurch nach dem Konzept der "Filières". Besonders deutlich wird dies z.B. für die "Filière électronique", wo die horizontale und vertikale Verflechtung der einzelnen Elektronikbereiche durch eine integrative Förderung optimiert werden soll. Die "Filière électronique" soll in der 5-Jahresperiode 1983 bis 1987 durch ein Forschungs- und Investitionsprogramm mit einer realen Wachstumsrate von 9 vH pro Jahr wachsen, wobei das Gesamtprogramm auf 140 Mrd. FF (zu 1982er Preisen) geschätzt wird. Die vier größten französischen Elektronikfirmen (Thomson-CSF, CIT-Alcatel, Matra, Bull) sollen dies Programm mit staatlicher Unterstützung durchziehen (Stoffaes 1984, S. 289). Seit 1981 wurden die institutionellen Zuständigkeiten für die Forschungs-, Technologie- und Industriepolitik mehrfach neu geordnet. So wurde zunächst ein Ministerium für Forschung und Technologie geschaffen, wobei besonders die Kompetenzen gegenüber den staatlichen Großforschungseinrichtungen (z.B. CNRS), die zuvor unterschiedlichen Ministerien unterstanden, erweitert wurden. 1982 wurde dem Forschungsministerium auch noch das Industrieministerium angegliedert, eine Maßnahme, die 1984 - allerdings wohl auch aus politisch-personellen Gründen - wieder rückgängig gemacht wurde. Bei allen Umstrukturierungen blieben allerdings die erweiterten Kompetenzen des Ministers für Forschung und Technologie erhalten. 1982 war das Ministerium für mehr als 40 vH der öffentlich unterstützten Forschungs- und Technologieaufwendungen zuständig, während die frühere Forschungsabteilung lediglich eine Kompetenz für 2,4 vH dieser Aufwendungen hatte (OECD 1984a, S. 141). Am bedeutsamsten 174
waren die neuen Kompetenzen gegenüber den öffentlichen Unternehmen und gegenüber dem CNRS (Centre national de recherche scientifique). Von den zahlreichen institutionellen Möglichkeiten, die Forschung und Innovation zu fördern, seien hier die drei wichtigsten erwähnt. Erstens kann der Forschungs- und Technologiefonds (Fonds de développement de la recherche scientifique et technique) sich an Forschungsaufwendungen mit seinen Mitteln in Höhe von 50 vH (Unternehmen) bis zu 100 vH (öffentliche Organisationen) beteiligen. Mit Ausnahme bestimmter Fälle sind die Hilfen nicht rückzahlbar; ihre Überwachung geschieht im Rahmen der zahlreichen Förderungsprogramme, für die jeweils ein Beauftragter zuständig ist. Zu den wichtigsten Programmen gehörten in den letzten Jahren die Forschungsförderungen
in den Bereichen Chemie,
Transport, Rohstoffe und Kohle, Elektronik und Informatik,
Mechanik,
Biotechnologie, Genforschung und verschiedene Bereiche der Sozialwissenschaften. 1982 wurden 313 Projekte mit insgesamt 150 Mill. FF gefördert. Von diesem Betrag entfiel zwar immer noch mehr als die Hälfte auf die großen Unternehmensgruppen, jedoch stieg die Zahl der geförderten Klein- und Mittelunternehmen gegenüber 1981 bereits stark an. Immer noch geht jedoch der weitaus größte Teil der Fördermittel an zwei Regionen: die Ile-de-France mit 91 Mill. FF und die Region Rhone-Alpes mit 26 Mill. FF. Zweitens gibt es die Innovationshilfen, die die Innovation und den technischen Fortschritt in allen Bereichen fördern sollen, die der eigentlichen Industrialisierung und Verwertung vorausgehen. Die Hilfen werden durch die Forschungsorganisation ANVAR gewährt und können bis zu 50 vH der Forschungsaufwendungen betragen. Auch hier konzentrieren sich die Forschungsmittel auf einige Regionen, jedoch ist die Verteilung insgesamt etwas breiter
gestreut. 1982 wurden 629 Projekte mit 245 Mill. FF
gefördert. Drittens ist die Innovationsprämie zu nennen, die den kleinen und mittleren Unternehmen eine besondere Forschungsförderung geben soll. Auch hier ist vor allem ANVAR zuständig. Da die kleinen und mittleren Unternehmen zumeist keine eigene Forschung durchführen,
wird die
Innovationsprämie in Höhe von 25 vH zumeist für Forschungsaufträge gewährt, die diese Unternehmen an Forschungsorganisationen erteilen.
175
Zwar sind die Mittel (1982 nur 35 Mill. FF) noch relativ gering, jedoch wurden 1982 mit 4 367 Prämien einige tausend Unternehmen gefördert. Überhaupt ist die Forschungsförderung für Klein- und Mittelunternehmen in Frankreich lange vernachlässigt worden. Erst seit Ende der 70er Jahre, vor allem aber nach 1981 hat man die Bedeutung dieser Unternehmen für eine effiziente
Industriestruktur,
aber auch für die Schaffung neuer
Arbeitsplätze erkannt. Inzwischen wurden nicht nur die Forschungsmittel der kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt. Erweitert wurden auch Hilfen für Existenzgründungen, Modernisierungsvorhaben, Wagnisfinanzierungen, Markterschließung etc. Nach Angaben des Wirtschaftsministers Bérégovoy hat der französische Kreditapparat mit staatlicher Unterstützung 1985 mehr als 5 Mrd. FF gegenüber kaum 1 Mrd. FF im Vorjahr an Risikokapital für die Klein- und Mittelunternehmen zur Verfügung gestellt (Le Monde vom 17.12.1985). Von besonderer Bedeutung ist auch der verstärkte Technologietransfer von den nationalisierten Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen, um das umfassende technologische Forschungspotential dieser Unternehmen auch für die kleineren Unternehmen zu nutzen. Die großen Unternehmen müssen im Rahmen der erwähnten "Contrats de plan" Vorschläge machen, wie ihre eigenen Forschungsergebnisse in kleine und mittlere Unternehmen transferiert werden können, und hierzu einen Verantwortlichen benennen. Für Kooperationen werden auch regionale Technologiezentren entwickelt. Darüber hinaus können die großen Unternehmen weitere ihrer Dienstleistungsbereiche zur Verfügung stellen, z.B. für den Export, für die Außenhandelsfinanzierung und für internationale Verhandlungen und Technologietransfers (ANRT 1984). Eine besondere Rolle spielen in Frankreich die Aufwendungen für militärische Forschung, wobei die technologischen Anstoßwirkungen auf den privaten Sektor nicht zu vernachlässigen sind; hierüber sind allerdings nur wenige verläßliche Informationen verfügbar. Im Jahre 1980 betrugen die gesamten FuE-Ausgaben nur 1,8 vH des BIP bzw. 50 Mrd. FF (OECD 1985, S. 17). Der staatliche Anteil an den FuE-Ausgaben belief sich auf knapp 29 Mrd. FF. Hiervon entfielen allein 36,5 vH auf die militärische Forschung, eine Größenordnung, die nur noch von Großbritannien und den USA übertroffen wird (OECD 1985, S. 16). Dabei werden die Aufwendungen für Raumfahrt (6,2 vH) noch getrennt aufgeführt. Die allgemeine Forschungsförderung schlägt mit weiteren 22,2 vH zu Buche. Die Förderung der industriellen Entwicklung (9,3 vH) und des Energiesektors (7,5 vH) sind, 176
ebenso wie die meisten anderen Bereiche (z.B. Stadtplanung, Umweltschutz, Gesundheit, soziale Dienste) im internationalen Vergleich allenfalls durchschnittlich gefördert. Zwar haben sich die Forschungsaufgaben in den letzten Jahren zugunsten des zivilen Sektors verschoben, jedoch betragen die Forschungsausgaben für den militärischen Sektor immer noch etwa ein Dritteln (OECD 1986, S. 17). Der Anteil der staatlichen Förderung ist naturgemäß in der Luft- und Raumfahrt mit mehr als zwei Drittel der Aufwendungen in diesen Bereichen am höchsten, gefolgt von der Elektro- und Elektronikindustrie mit etwa 25 vH Anteil staatlicher Subventionen, dem Maschinenbau mit rund 6 vH und der Chemie mit rund 5 vH. So wenig, wie die Franzosen - etwa im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland - ordnungspolitische Vorbehalte gegenüber staatlichen Interventionen für die Industrie haben, so wenig sind sie es auch gegenüber einer internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Industrie- und Forschungspolitik, insbesondere in der Europäischen Gemeinschaft. Zwar ist die Überzeugung, daß Europa nur durch Zusammenarbeit der japanischen und amerikanischen Herausforderung begegnen kann, wohl auch deshalb stärker als in der Bundesrepublik Deutschland, weil die außenwirtschaftliche Situation Frankreichs schwächer ist. Da aber eine stärkere Zusammenarbeit
im europäischen Raum, wie sie von den Franzosen
angestrebt wird (Frankreich-Info 46/1983; Commissariat Général du Plan 1983), grundsätzlich auch für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse ist, ist zu überdenken, welche Ansatzpunkte hierfür trotz unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Philosophien vorhanden wären. Viele Kooperationsprojekte laufen bereits bilateral oder multilateral (Airbus, Ariane, Columbus) oder werden angestrebt (Hermes), für andere bieten die europäischen Programme
wie ESPRIT oder EUREKA den geeigneten
Rahmen. 2.9
Industrial Relations
Die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern selbst, aber auch zwischen den Sozialpartnern und dem Staat können nicht allein aus industriepolitischer Perspektive dargestellt werden. Vielmehr ist gerade auf diesem Gebiet das gesellschaftspolitische und historische Umfeld prägend. Dennoch lassen sich in Grundzügen einige Charakteristika dieser Beziehungen, insbesondere aber auch einige spezifische Entwicklungen hinsichtlich der 177
industriepolitischen Neuorientierungen und der Rolle des Staates in diesem Zusammenhang skizzieren. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gehört Frankreich zu den Ländern mit einem besonders niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad: nur etwa 25 vH gegenüber 40 bis 70 vH der Arbeitnehmer in den meisten anderen Ländern. Während die großen Gewerkschaften
(CGT, CFDT, CGT-FO, CFTC) einen allgemeineren,
konföderativen Charakter aufweisen, sind andere nach Berufskategorien (CGC, FEN) oder autonom organisiert, z.B. im Rahmen eines Unternehmens. Pluralismus führt dabei auch zu einer gewissen Konkurrenz der Gewerkschaften untereinander. Den Gewerkschaften stehen zwei große Arbeitgeberorganisationen (CNPF, CGPME) gegenüber. In der Regel finden die Lohnverhandlungen dezentralisiert auf Ebene der Wirtschaftszweige oder Unternehmen statt (Paricard 1983, S. 2 ff.). Der Regierungswechsel von 1981 hat für die Stellung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften verschiedene Veränderungen mit sich gebracht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Mitbestimmung und der Demokratisierung in den Unternehmen. Man war sich darüber klar geworden, daß Modernisierung und der Einsatz neuer Technologien auf kooperatives Verhalten der Beschäftigten angewiesen sind. In der Reformphase der neuen Linksregierung wurden 1982 die neuen Mitbestimmungsregelungen gesetzlich (in den sog. Lois Auroux) festgelegt. Die Gesetze sichern ein kollektives und direktes Mitspracherecht der Arbeitenden über ihre Arbeitsbedingungen in allen Betrieben im Rahmen homogener Arbeitsgruppen (Lecher 1985, S. 346 f.). Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten können hier nicht erörtert werden. Es ist jedoch zu erwähnen, daß die Gewerkschaften in Frankreich jeder Art von Mitbestimmung grundsätzlich kritisch gegenüberstehen und daß der Gedanke des Klassenkampfes noch sehr ausgeprägt ist. Das Mißtrauen der Gewerkschaften gegenüber dem "Patronat" ist so tief, daß auch in jedem Ansatz zur "Humanisierung der Arbeitsplätze" lediglich ein Versuch der Arbeitgeber zur Verführung der Arbeitnehmer gesehen wird (Acquaviva 1986). Allerdings dürften die Gewerkschaften eher die klassenbewußte Minderheit der Arbeitnehmer repräsentieren. Ein besonderes Gesetz zur Demokratisierung des öffentlichen Sektors wurde am 26.7.1983 verabschiedet (CEEP 1984, S. 72 ff.). Neben einem Mitbestimmungsrecht wie im privaten Sektor wird vor allem der Grundsatz der Drittelparität für jeden Verwaltungs- oder Aufsichtsrat festge178
legt (Vertreter des Staates, Persönlichkeiten mit besonderer fachlicher Kompetenz oder bestimmten anderen besonderen Kenntnissen, gewählte Arbeitnehmervertreter). Alle Beschlüsse, die die wirtschaftliche, finanzielle oder technologische Ausrichtung des Unternehmens betreffen, müssen in diesen Gremien beraten werden. Die Demokratisierung der Unternehmen hat bisher vor allem dort zu Schwierigkeiten geführt, wo von den Gewerkschaften geforderte kostspielige Erhaltungsstrategien von der jeweiligen Unternehmensleitung nicht ausreichend unterstützt wurden. Der zunehmende Ersatz der Tarifautonomie durch staatliche Regulierungen, wie er etwa in den Demokratisierungsgesetzen deutlich wird, führt allerdings auch zu Problemen hinsichtlich des Konflikts zwischen staatlicher Kontrolle und privatwirtschaftlicher Verantwortung. Ein gutes Beispiel ist der Fall Peugeot, wo es 1983/84 zu Streiks und Betriebsbesetzungen kam. Zwar gelang es der Regierung, die vorgesehenen Massenentlassungen eine Weile zu verzögern und durch verschiedene
Maßnahmen
(vorzeitige Verrentung, Umschulungen, Prämien) in ihrem Umfang zu verringern, jedoch geriet aufgrund der direkten Verhandlungen der Regierung mit der Unternehmensleitung die Gewerkschaft CGT zunehmend in Verdacht, lediglich Erfüllungsgehilfe staatlicher Sanierungspolitik zu sein. So stand die sozialistische Regierung schon bald vor dem Problem, einen gesetzlichen Rahmen teilweise revidieren zu müssen, mit dem gerade erst wichtige Forderungen der Gewerkschaften und der sozialistischen Partei erfüllt worden waren. Solange jede der am Konflikt beteiligten Gruppen ein Vetorecht besitzt, ist bei den starren Fronten dieser Gruppen vielfach eine Durchsetzung der angestrebten industriepolitischen Neuerungen kaum möglich. Eine Konfliktlösung dadurch, daß erworbene Arbeitsplatzansprüche im Betrieb im Austausch gegen Sozialleistungen, die auf staatlicher Ebene ausgehandelt werden, aufgegeben werden, ist in jedem Falle äußerst kostspielig (Windolf 1985).
179
3.
Zusammenfassende Wertung
Die Industriepolitik in Frankreich befindet sich noch im Umbruch. Insgesamt waren die Jahre seit dem Amtsantritt der sozialistischen Regierung 1981 durch einen recht umfassenden industriepolitischen Ansatz geprägt, wobei "sozialistische" Ambitionen immer weniger erkennbar wurden. Maßnahmen von nationaler und historischer Bedeutung waren die Nationalisierungen im Industrie- und Bankensektor einerseits, die in Gang gesetzte Dezentralisierung der politischen Entscheidungsgewalt andererseits. Dem Zuwachs der staatlichen Einflußmöglichkeiten steht damit ein Abbau der zentralstaatlichen Kompetenzen gegenüber. Die industriepolitischen Ziele im Rahmen der neuen Strategien waren freilich nicht immer ganz klar. Die Dezentralisierung war zunächst regionalpolitisch begründet. Sie ist industriepolitisch deshalb von Bedeutung, weil der Abbau des extremen Regionalgefälles z.T. im Konflikt mit dem Anspruch auf Entwicklung einer effizienten Industriestruktur auf nationaler Ebene steht. Oberstes Ziel aller industriepolitischen Bemühungen war stets die Sicherung der Beschäftigung; wegen des zunehmenden internationalen Wettbewerbsdrucks standen dabei die Notwendigkeit der Modernisierung und Rationalisierung der französischen Industrie im Vordergrund. Bei allen politischen Differenzen in den Anschauungen über Strategien und Maßnahmen besteht heute weitgehend Übereinstimmung darin, daß sich die Industriepolitik nicht mehr auf wenige Großunternehmen in ausgewählten Industriesektoren (Schießschartenpolitik) zu konzentrieren habe, sondern sich auf breiterer Ebene unter Zuhilfenahme integrativer Ansätze (Konzept der "Filières") um eine nicht mehr nur produktions- und forschungsorientierte, sondern auch anwendungs- und verwertungsorientierte Neuausrichtung der französischen Industrie bemühen müsse. Die zukünftige Rolle der nationalisierten Industrien ist noch nicht ganz klar. Viele Illusionen haben sich inzwischen verflüchtigt.
In der industrie-
politischen Diskussion der letzten zwei Jahre wurde die Rolle der Nationalisierungen kaum noch hervorgehoben. Auch ist bemerkenswert, daß ein Teil der nationalisierten Industrien - quasi über die Hintertreppe der Beteiligungsfinanzierung - (Handelsblatt vom 27.2.1986) wieder "privatisiert" wurde. Mit der neuen Regierung nach den Wahlen vom März 1986 hat sich dieser Trend fortgesetzt, auch wenn die Denationalisierungen bzw. Reprivatisierungen kaum im angekündigten Tempo und Umfang 180
durchgeführt werden können. Wohl keine der politischen Parteien wird aber die zentrale Rolle des Staates in der Industriepolitik und damit auch den hohen Anteil des öffentlichen Sektors grundlegend in Frage stellen. Allerdings ist man sich über die Grenzen und Probleme der staatlichen Einflußnahme auch in den nationalisierten Industrien in den letzten Jahren klarer geworden. Immer wieder standen von der Basis geforderte, auf Dauer kostspielige Erhaltungsstrategien für die industriellen Unternehmen im Konflikt mit der Forderung nach Modernisierung und Rationalisierung. Und während die Linkssozialisten in den Nationalisierungen vor allem ein Mittel zum Bruch mit dem Kapitalismus sahen, wollte der Mehrheitsflügel der Sozialisten die Verstaatlichung zur Versöhnung von Arbeitnehmeransprüchen mit dem Postulat marktwirtschaftlichen Wettbewerbs benutzen. So ist in den ersten Jahren der neuen Nationalisierungswelle gefragt worden, ob diese nicht eher Sozialpolitik als Industriepolitik bedeute. Tatsächlich haben sich bei einer annähernden Verdoppelung der Subventionen des Staates an die neu nationalisierten Unternehmen von 1980 bis 1983 deren Verluste zunächst noch beträchtlich erhöht (Balassa 1984, S. 318). Neuere und jüngste Zahlen über die Gewinnentwicklung und die staatlichen Subventionen im Bereich der nationalisierten Unternehmen zeigen allerdings, daß sich die Situation in den letzten zwei Jahren verbessert hat (Le Monde vom 28.2.1986), so daß diese Scherenbewegung auch konjunkturell bedingt gewesen sein dürfte. Seit 1983 hat sich mit der Wende in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik aber auch eine grundsätzliche Veränderung im industriepolitischen Verhalten der Regierung durchgesetzt. Die wachsenden Defizite der nationalisierten Unternehmen haben die Einsicht gefördert, daß umfassende Umstrukturierungen und Modernisierungen ohne Entlassungen in Teilbereichen auf Dauer nicht zu bewerkstelligen sind. Allmählich begann man, sich stärker auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Branchen und Unternehmen als auf die Erhaltung der Arbeitsplätze in den traditionellen Branchen bzw. in veralteten Unternehmen zu konzentrieren. Gefahren drohten dem industriepolitischen Erfolg allerdings auch von der Aufblähung der Bürokratie und dem Risiko, neue Technologien am Markt vorbei zu entwickeln. Die Vielzahl neuer Kommissionen, Institutionen und Fonds hat die Entscheidungsfindung eher erschwert. Hohe Subventionen und "Verwaltungsneutralität"
könnte die nationalisierten Unternehmen
dazu verführen, sich stärker an vordergründigen Eigeninteressen als an den Marktgegebenheiten zu orientieren. So sind z.B. kleinere, gewinn181
trächtige und exportorientierte Unternehmen aufgekauft worden, um die eigene Gewinn- und Außenhandelsbilanz zu verbessern. Die Alternative zum verstärkten Engagement des Staates in den nationalisierten Industrien, nämlich eine verstärkte Förderung der privaten Investitionen, verspräche allerdings auch nicht unbedingt Erfolg. Wie schon früher, so konnte auch in den letzten Jahren beobachtet werden, daß die Investitionslethargie im Bereich der privaten Unternehmen weder durch eine verstärkte Expansion des privaten Verbrauchs noch durch eine deutliche Verbesserung der Gewinnlage ausreichend verbessert werden konnte. Das "Sich verlassen auf den Staat" dürfte allerdings auch darin begründet sein, daß die französischen Unternehmen schon lange zu sehr am staatlichen Gängelband liegen. Auch das traditionell geringe gesellschaftliche Prestige der Arbeit in den Produktionsbereichen - insbesondere bei den sogenannten Elitegruppen hat zur Ineffizienz des industriellen Sektors beigetragen. Hinzu kam im Bereich der nationalisierten Unternehmen, daß zu Beginn der neuen Nationalisierungswelle Führungspositionen eher nach parteipolitischen als nach sachlichen Gesichtspunkten vergeben wurden. Die Qualität
der
Unternehmensführung wird aber mit darüber entscheiden, ob die Unternehmensentwicklung eher dem japanischen Vorbild folgt oder ob es zu einem Niedergang der Staatsunternehmen wie in Großbritannien kommt. Während die französische Industriepolitik darauf abzielt, die Spitzenposition Frankreichs in einigen Bereichen der Großtechnologie zu halten, hat sie aber zunehmend berücksichtigt, daß die Wettbewerbsfähigkeit
der
französischen Wirtschaft insgesamt in mindestens gleichem Maße von der Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen abhängt. Dabei versucht man etwa, die Dezentralisierung mit einer Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen zu verbinden. Die Ziele der Industriepolitik für die einzelnen Regionen in einen sinnvollen Zusammenhang mit dem nationalen oder sogar europäischen Rahmen zu bringen, ist allerdings nicht einfach; die regionale Planification und Industriepolitik befinden sich praktisch noch im Versuchsstadium. Der Widerspruch, daß der überwiegende Teil der Subventionen an einige wenige Großunternehmen geht, wird noch dadurch verstärkt, daß es sich auch bei der Förderung der kleineren Unternehmen auf regionaler Ebene häufig um regionale Filialen von Großunternehmen handelte (Aujac 1984, S. 53).
182
Trotz aller Probleme stehen die meisten Franzosen den Zielen der Industriepolitik, insbesondere, soweit diese mit dem Begriff der nationalen Größe und der Förderung neuer Technologien in Zusammenhang gebracht werden, positiv gegenüber. Der im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland höhere Grad an gesellschaftlicher Akzeptanz der neuen Technologien erleichtert deren industriepolitische Umsetzung. Die Fortschrittsgläubigkeit und die Begeisterungsfähigkeit für große technologische Entwürfe und Innovationen sind in Frankreich trotz aller Mängel in der tatsächlichen Performance wesentlich größer. Die Angst vieler Deutscher z.B. vor Kernkraftwerken oder Datenmißbrauch wird in Frankreich bis heute kaum geteilt. Bei allem politischen Dissens sind sich die großen politischen Gruppierungen doch über Stoßrichtung und Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik weitgehend einig. Dabei hat die Diskussion über die nationale Forschungspolitik in den letzten Jahren an Breite gewonnen und wurde in den sogenannten Gruppen für industrielle Strategie seit 1982 institutionalisiert. Tatsächlich kann Frankreich in Teilgebieten seiner Industriepolitik - auch in internationalen Kooperationen - mit technologischen Erfolgen (Concorde,
Airbus,
TGV,
Nuklearforschung,
Ariane)
beeindrucken.
Die
Schwächen der französischen Industriestruktur, die insbesondere noch in den marktnäheren und exportorientierten Bereichen, aber auch generell im Investitionsverhalten der privaten Unternehmer zu suchen sind, haben sich seit den 70er Jahren etwas verringert. Vor allem aus deutscher Sicht dürfte sich dagegen die Frage aufdrängen, ob die forcierte Politik der umfangreichen neuen Nationalisierungen in jedem Fall dazu beitrug, eine wettbewerbsfähigere französische Wirtschaftsstruktur zu schaffen oder ob sie nicht eher (vgl. den Eklat Thomson-Grundig) das Kooperationspotential auf europäischer Ebene vermindert hat. Die staatlichen Subventionen sind in Frankreich durchaus nicht ungewöhnlich hoch. Hinsichtlich der hohen Investitions- und Forschungsintensität in den zukunftsträchtigen Bereichen des nationalisierten Sektors erscheint es nur natürlich, daß der Staat hohe Mittel zur Verfügung
stellt.
Die
französischen Erfolge in der Forschung, auch in einigen Bereichen der Spitzentechnologien, lassen sich nicht ohne weiteres von anderen westeuropäischen Länder nachahmen, auch wenn Frankreichs kulturelle und industrielle Organisation diesen sicherlich immer noch näher steht als etwa diejenige Japans. Technologische Spitzenleistungen haben ihre Inspi183
ration gerade in Frankreich immer wieder im Zeichen des Strebens nach "nationaler Größe" und Sicherheit gefunden. Auch die tendenziell eher protektionistische Haltung Frankreichs im Bereich der Handels- und Energiepolitik wird nicht von allen EG-Partnern geteilt. Allerdings bestehen, wie schon die letzten Jahre zeigen, durchaus Chancen, daß Frankreich mit der allmählichen Überwindung seiner Außenwirtschaftsprobleme auch zu einer offeneren Volkswirtschaft wird. Frankreich ist besonders an einer verstärkten industriepolitischen Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland interessiert. Es hat in den letzten Jahren aber auch immer wieder auf die Notwendigkeit einer verstärkten industriellen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene hingewiesen (Frankreich-Info 46/1983). Bisher gibt es mehr Kooperationen mit Industrieunternehmen in Übersee als innerhalb Europas. Die multinationalen amerikanischen und japanischen Unternehmen nutzen die Möglichkeit des europäischen Marktes effizienter als die europäischen Unternehmen selbst. Allerdings soll die erfolgreiche europäische Kooperation auf einigen Gebieten (Airbus, Ariane, Kernforschung, Tornado) durch weitere Kooperationen im Bereich der Elektronik, des Kommunikationswesens, der Biotechnologie und der Nutzung der Meere ergänzt werden. Mit dem Eureka-Programm kam gerade aus Frankreich ein neuer Impuls für die europäische Forschungspolitik. Darin spiegeln sich sicher auch die Ziele der neuen Industriepolitik: internationaler Kooperation.
184
Wettbewerb bei verstärkter
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189
Länderbericht Italien
191
Inhalt
Seite 1.
Wirtschaftsstruktur und industriepolitische Ziele
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
195 195 195 196 198
2.6 2.7 2.8 2.9
Struktur- und industriepolitische Instrumente Wettbewerbsordnung Planungswesen Steuersystem Subventionen und Vermögensübertragungen Öffentlicher und öffentlich kontrollierter Sektor - Staatliche Unternehmen Bankensystem Zentralismus vs. Föderalismus Industrial Relations und Sozialschutz Technologiepolitik
2.10
Unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik
214
3.
Zusammenfassende Wertung
217
Literaturverzeichnis
192
193
201 204 208 208 211
221
1.
Wirtschaftsstruktur und industriepolitische Ziele
Italien zählt nach wie vor zu den EG-Ländern mit
vergleichsweise
schwächerer Wirtschaftskraft, gemessen an der Produktivität oder am Pro-Kopf-Einkommen. Seit dem Beginn der Wachstumsabschwächung in der Mitte der siebziger Jahre, die alle europäischen Länder betroffen hat, ist es Italien nicht gelungen, den Rückstand noch nennenswert zu verkleinern, zu den führenden Industrienationen der Gemeinschaft hat er sogar noch zugenommen. Mit der Wachstumsschwäche ging ein kräftiger Rückgang der Investitionsneigung einher, die Investitionsnachfrage hatte im langjährigen Durchschnitt eher Stagnationstendenz. Stabilisierend wirkte sich einerseits die private Konsumnachfrage aus, gestützt durch eine kontinuierliche Zunahme der Masseneinkommen zu Lasten der Unternehmensgewinne. Dies ist im wesentlichen Folge geltender Lohnindexklauseln, deren Wirksamkeit jedoch - wie schon in den letzten Jahren - weiter eingeschränkt werden soll. Auch der Staatsverbrauch expandierte vergleichsweise kräftig und stützte auf diese Weise die Inlandsnachfrage. Dafür wurden rasch zunehmende Defizite in Kauf genommen, so daß die Konsolidierung der Staatsfinanzen heute als eines der dringendsten wirtschaftspolitischen Probleme angesehen wird. Aus beschäftigungspolitischen Rücksichten wurde auch nur ein moderater eingeschlagen.
Die
Inflationsrate
hat
Stabilisierungskurs
sich infolgedessen
seit
ihrem
Höchststand zwar weit mehr als halbiert, hat aber noch immer ein vergleichsweise hohes Niveau. Dafür hat die Zahl der Erwerbstätigen in Italien als einem der wenigen europäischen Länder kontinuierlich - wenn auch schwach - zugenommen. Infolge der demographischen Entwicklung und des Erwerbsverhaltens herrscht dennoch hohe Arbeitslosigkeit. Als strukturpolitisches Problem überwiegt das regionale Ungleichgewicht. Während der Norden Italiens mit den Wirtschaftszentren Mailand und Turin hochindustrialisiert ist und sich im östlichen Teil Mittelitaliens eine international wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur auf der Basis von kleinen und mittleren Betrieben herausgebildet hat, ist der Mezzogiorno trotz der regionalpolitischen Bemühungen seit den fünfziger Jahren weitgehend rückständig. Wenig wirksame entwicklungspolitische
Konzepte,
diskretionäre und kaum abgestimmte Interventionen sowie hohe Sickerverluste öffentlicher Finanzmittel dürften im wesentlichen diesen Mißerfolg begründet haben.
193
Neben der Regionalförderung hat die Förderung der Ausfuhren einen hohen politischen Stellenwert. Denn wegen geringer eigener Rohstoffvorkommen besteht ein hoher Importbedarf - insbesondere im Energiebereich - und die Notwendigkeit entsprechend stabiler Deviseneinnahmen aus Exporterlösen. Gefördert wurden hier in den letzten Jahren verstärkt die kleinen und mittleren Betriebe, deren Bedeutung für den Außenhandel deutlich zugenommen hat. Für die Industriepolitik
im engeren Sinne gibt es kein geschlossenes
Konzept. Es überwiegen diskretionär interventionistische Maßnahmen, an denen die 1977/78 eingeführte, dezidiertere globale, sektorale und regionale Programmierung der Wirtschaft wenig geändert hat. Eine wichtige industrie- und strukturpolitische Rolle spielen die staatlichen Unternehmen. Sie sind im Nachrichtenwesen, im Bereich der Energie- und Wasserversorgung (einschließlich der Mineralölwirtschaft),
im
Bergbau und im Verkehr dominierend und erstellen in der verarbeitenden Industrie mit 12 vH, im Baugewerbe mit 10 vH sowie im Handel jeweils einen ansehnlichen Teil der sektoralen Bruttowertschöpfung. Vor allem bei Entscheidungen über Investitionen, bei Beteiligungen und in der Beschaffungspolitik sollen bzw. müssen die staatlichen Unternehmen Rentabilitätsüberlegungen vielfach den industrie- und regionalpolitischen Zielen der Regierung unterordnen. Da zudem Erhaltungsmaßnahmen vor Vorhaben struktureller Anpassung dominieren und das beschäftigungspolitische Ziel Priorität
genießt, stellen die Verlustabdeckungen für
Unternehmen eine weitere finanzpolitische Belastung dar.
194
staatliche
2.
Struktur- und industriepolitische Instrumente
2.1
Wettbewerbsordnunq
Eine nationale gesetzliche Grundlage für einen ordnungspolitischen Rahmen, in dem sich eine amtliche Fusionskontrolle, Kartellaufsicht oder Unterbindung unlauteren Wettbewerbs bewegen könnte, gibt es in Italien nur rudimentär. Nach der Verfassung ist die Freiheit privater Initiativen innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems garantiert und nur soweit eingeschränkt, wie es das Gemeinwohl gefährdet (Art. 41 Costituzione della Repubblica Italiana). Der Codice civile (Art. 2595 ff.) wiederum verbietet betrügerischen und unlauteren Wettbewerb. Zu einer detaillierteren gesetzlichen Ausformung der Prinzipien von einer Abstimmung zwischen freier privater Wirtschaftstätigkeit
und sozialen Zielen und
entsprechenden Kontrollmöglichkeiten, wie es die Verfassung vorsieht, ist es allerdings nicht gekommen. Zwar gab es mehrfach Gesetzesentwürfe für
Wettbewerbsregeln,
Monopolkontrolle
sowie
Kartellaufsicht
(vgl.
Sacchi Morsiani 1973, S. 85 ff.). Diese Entwürfe sind aber über die parlamentarische Beratung nicht hinausgekommen (vgl. EG-Kommission, Berichte über die Wettbewerbspolitik, div. Jg.). Infolgedessen sind die im EWG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln (Art. 85 ff. EWGV) und die daraus abgeleiteten europäischen Verordnungen und Richtlinien die in Italien maßgeblichen Rechtsvorschriften. 2.2
Planunqswesen
Bereits seit 1967 (Gesetz 685/1967) ist ein Wirtschaftsplan als Rahmen für die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik erforderlich, in dem Sozialvorhaben, Förderprogramme und Maßnahmen allgemeiner Wirtschaftspolitik auf mittlere Frist vorgegeben sind. In der Mitte der siebziger Jahre wurden die geltenden Vorschriften neu gefaßt, dabei erweitert und stärker detailliert. Seitdem soll die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik, im besonderen auch die Industriepolitik innerhalb eines konsistenten Konzeptes durchgeführt werden, das auf nationalen Programmen für die Gesamtwirtschaft und einzelne Sektoren einerseits, andererseits auf regionalen Programmen aufbaut. Die nationalen Programme werden im wesentlichen beim Ministerium für Industrie, Handel und Handwerk in Abstimmung mit dem Ministerium für besondere Maßnahmen im Mezzogiorno entwickelt, und zwar nach Maßga195
be der entsprechenden Gesetze (vor allem 675/77) und der industriepolitischen Vorgaben des CIPI (Comitato di Ministri per il coordinamento della politica industriale), das beim CIPE (Comitato interministeriale per la programmazione economica) angesiedelt ist. Die regionalen Programme werden von den regionalen Verwaltungen bzw. besonderen regionalen Ausschüssen für die Programmierung oder von damit befaßten Instituten ausgearbeitet. Konflikte zwischen den verschiedenen Planungsinstanzen, die zugleich auch - im Rahmen ihrer Zuständigkeit - eigene wirtschafts- und finanzpolitische Ziele verfolgen, sind damit angelegt: Entweder werden die regionalen Programme autonom entwickelt, wie es dem Status und Anspruch der Regionen entspricht. In diesem Fall wäre es Aufgabe der zentralstaatlichen Ebene, die einzelnen regionalen Programme aus nationalstaatlicher Sicht zu koordinieren, mit nationalen und sektoralen Zielvorstellungen abzustimmen und auf Änderungen bzw. Interessenausgleich hinzuwirken. Oder die regionale Autonomie kommt zu wenig zum Tragen, weil der Staat in seiner finanziellen Präpotenz die Anpassung der Regionen an die zentralstaatlichen Vorgaben erzwingt. Tatsächlich werden teilweise der Verlust der regionalen Autonomie und der Mangel an ausgleichend wirkenden Koordinierungsmechanismen
beklagt (vgl. Pazienti 1981, S. 15),
gleichzeitig scheint es dennoch an Abstimmung zwischen nationalem Plan und sektoralen sowie regionalen Programmen zu fehlen (vgl. Momigliano 1979, S. 85 ff.). 2.3
Steuersystem
Das italienische Steuersystem wurde in den siebziger Jahren neu geordnet. Seit 1973 gibt es eine einheitliche Einkommensteuer, auch die Körperschaftsteuer wurde neu gefaßt und eine lokale Einkommensteuer eingeführt. Die heutigen Vermögensteuern und eine gemeindliche Wertzuwachssteuer für Immobilien gehen auf Dekrete von 1972 zurück, und auch die Mehrwertsteuer wurde 1972 im Zuge der Umsatzsteuerharmonisierung der Europäischen Gemeinschaften eingeführt. Dagegen sind die meisten Verbrauchsteuern älteren Ursprungs. Die Aufkommensstruktur hat sich seit dem Anfang der siebziger Jahre deutlich verändert. Zunächst war die gesamtwirtschaftliche Steuerquote noch gering, und es dominierten die indirekten Steuern. Zu den wichtig196
sten indirekten Steuern zählen Umsatz- und Mineralölsteuer, nachrangig sind Kfz-Steuern, Register- und Stempelsteuern, Tabak-, Alkohol- und Kaffeesteuern. Mit einem Drittel des Gesamtsteueraufkommens hatten die direkten Steuern die geringere Bedeutung, wobei ein Großteil auf Steuern von Arbeits- und Vermögenseinkommen privater Haushalte entfiel. Seitdem hat die Abgaben- und Steuerquote erheblich zugenommen, im wesentlichen verbunden mit einem überproportionalen Anstieg der direkten Steuern. Die Belastung mit indirekten Steuern ist dagegen - von Schwankungen abgesehen - ziemlich konstant geblieben. Neben den Steuern sind auch die Sozialbeiträge kräftig gestiegen. Dabei ging die Steigerung der Einnahmen aus Einkommen- und Vermögensteuern vornehmlich zu Lasten der privaten Haushalte, während die Unternehmen nach wie vor nur eine geringe Körperschaftsteuerbelastung zu tragen hatten, obwohl der Satz der zentralstaatlichen Körperschaftsteuer 1974 von 25 auf 35 vH heraufgesetzt wurde und die zusätzliche kommunale Körperschaftsteuer zwischen 8 und 15 vH der Bemessungsgrundlage beträgt. 1982 zahlten die Haushalte bereits 85 vH der Einkommen- und Vermögensteuern, 1970 waren es nur 75 vH. Dieses Ergebnis korrespondiert mit Berechnungen von Eßer für einzelne wichtige Wirtschaftsbereiche - untersucht wurden die Autoindustrie, die chemische Industrie, die Elektroindustrie, der Maschinenbau, die Stahlindustrie und die Textilindustrie. Danach waren Anfang der siebziger Jahre die Belastungen der Unternehmen mit Ertrags- und Vermögensteuern in Relation zum Handelsbilanzvermögen meist wesentlich niedriger als in der Bundesrepublik, in Frankreich und den Niederlanden (vgl. Eßer 1977, S. 80 f.). Unternehmen mit Staatsbeteiligungen unterliegen generell nur beschränkt der Steuerpflicht. Auch die steuerliche Behandlung von Investitionen ist in Italien vergleichsweise günstig. Steuerliche Abschreibungen sind zwar im Grundsatz linear vorzunehmen, und zwar nach amtlichen Abschreibungstabellen. In begrenztem Umfang sind aber bei Kapazitätserweiterungen
und/oder
Neugründungen von Unternehmen zeitlich beschränkt Sonderabschreibungen zugelassen (vgl. Eßer 1977, S. 80; OECD 1978, S. 18 f.; OECD 1975). Sie stehen unterschiedslos jedem Unternehmen zu. Darüber hinaus können Sachanlagen im Hinblick auf die Geldentwertung periodisch neubewertet 197
werden, so daß die steuerrelevanten Abschreibungen entsprechend höher ausfallen. Nach Kopits werden mit den Abschreibungsbedingungen
in
Italien höhere finanzielle Vorteile gewährt als in Frankreich, Belgien, Japan oder der Bundesrepublik Deutschland; günstigere Regelungen sind allerdings in Großbritannien, den USA und den Niederlanden anzutreffen (vgl. Leibfritz 1982, S. 26). Insgesamt sind also die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Italien vergleichsweise günstig. Als industrie- oder strukturpolitisches Instrument selektiver Steuerung werden steuerliche Maßnahmen allerdings kaum genutzt. Regionalpolitisch motiviert sind eine Reihe von Steuerbefreiungen für Investitionsprojekte im Mezzogiorno und in einigen unterentwickelten Gebieten des Centro-Nord: für die Dauer von zehn Jahren unterliegen die im Rahmen der Projekte erzielten Gewinne nicht der lokalen Einkommensteuer, und der Körperschaftsteuersatz wird auf die Hälfte ermäßigt. Darüber hinaus werden Gewinne, auch wenn sie anderweitig erzielt wurden, in bestimmten Umfang wiederum für zehn Jahre von der lokalen Einkommensteuer befreit (vgl. Yuill/AIlen 1980, S. 279 ff.). Die Befreiungen gelten unterschiedslos für alle industrielle Aktivitäten ebenso wie für Aktivitäten anderer Wirtschaftsbereiche - Landwirtschaft, Baugewerbe, Dienstleistungen - , soweit sie industriellen Charakter haben. Beispiele steuerlicher Erleichterungen gibt es auch für Fusionen und für Investitionen in Großprojekte aus der Mitte der sechziger Jahre und für die Bildung von Konsortien aus Klein- und Mittelbetrieben zur Förderung der regionalen Kooperation, die zu mehr Eigenständigkeit dieser Betriebe gegenüber den großen Unternehmen führen sollte. Auch die selektive Investitionssteuerung durch differenzierte
Abschrei-
bungsregeln nach Verwendungsbereich und -zweck ist in Italien wenig eingesetzt, es dominieren Investitionszuschüsse einerseits, Zinssubventionen bzw. zinsbegünstigte Kredite andererseits. 2.4
Subventionen und Vermögensübertragungen
Der italienische Staat zahlt im Ländervergleich vergleichsweise hohe Subventionen und Investitionszuschüsse (vgl. Seidel 1985, S. 284 f.). Seit Anfang der siebziger Jahre sind die Ausgaben dafür im Verhältnis zum 198
Tabelle L I Italien Subventionen und Investitionszuschüsse nach großen Wirtschaftsbereichen
1970 Mrd. Lire
1976 vH
Mrd. Lire
1983 vH
Mrd. Lire
vH
Subventionen Landwirtschaft
248
26,4
485
11,9
1 917
10,8
Energieerzeugnisse
27
2,9
48
1,2
76
0,4
Verarbeitendes Gewerbe
82
8,7
645
15,8
4 710
26,5
Baugewerbe
29
3,1
37
0,9
514
2,9
554
58,9
2 865
70,2
10 578
59,4
940
100,0
4 080
100,0
17 795
100,0
Marktbestimmte Dienstleistungen Insgesamt nachrichtlich: in vH des Bruttoinlandsprodukts
1,5
3,3
2,6
«
Investitionszuschüsse Unternehmenssektor
558
63,8
1 164
73,1
5 503
59,8
Private Haushalte
295
33,8
352
22,1
3 460
37,6
Öffentliche Verwaltung
394
.
7 193
.
21
Ausland Insgesamt konsolidiert nachrichtlich: in vH des Bruttoinlandsprodukts Quelle:
2,4
76
4,8
100,0
1,4
1 592
2,6
234 16 390
4 232
1 268 874
2 640
100,0
1,0
9 197
100,0
•
1,7
Istat, Annuario di Contabilità Nazionale 1984, Roma 1985.
199
Bruttoinlandsprodukt auch überproportional angestiegen. Ein großer Teil der staatlichen Subventionen (einschließlich Subventionen der Europäischen Gemeinschaft) wird an die Landwirtschaft und an die Verkehrsbereiche (Dienstleistungen des Inlands, See- und Luftverkehr) gezahlt, auch andere Dienstleistungsbereiche (Nachrichtenübermittlung,
Handel,
Banken, Versicherungen) haben einen größeren Anteil an den Subventionen als die meisten Bereiche des verarbeitenden Gewerbes. Neben der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, als der Landwirtschaft nachgelagerter Bereich vielfach gefördert, erhalten sowohl wirtschaftsschwache Bereiche (Schiffbau, Papiererzeugung, Leder) als auch stärkere Bereiche (Chemie, Büromaschinen, Elektroindustrie) Finanzhilfen. Insgesamt sind die Subventionen im verarbeitenden Gewerbe aber breit gestreut und - in Relation zur Bruttowertschöpfung - eher geringfügig (vgl. Tabelle A.4.14 im Tabellenanhang). Neben den laufenden Verlustabdeckungen öffentlicher Unternehmen durch den Staat oder andere staatliche Institutionen dürften Zinssubventionen die häufigste Form lfd. staatlicher Hilfen sein. Meist ist damit die Absicht verbunden, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu stärken, aber es werden auch Mittel für die Exportkreditfinanzierung bereitgestellt (vgl. Artori/Termini 1980, S. 10 ff.). In den siebziger Jahren ist allerdings eine Umschichtung der Förderung zu beobachten. Im Zuge der verstärkten Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und von mehr dezentraler räumlicher Allokation (decentramento) gegenüber der Förderung hoch kapitalintensiver
Schlüsselindustrien bzw. Basisindustrien werden
inzwischen mehr Kapitalzuschüsse gezahlt oder Beihilfen zur Senkung der Arbeitskosten gewährt (Fiskalisierung von Soziallasten u.ä.). Um diese Umorientierung zu beschleunigen, wurden sogar einige Bereiche
mit
hohem Konzentrationsgrad - Basischemie, Stahl, Maschinenbau - von der Förderung ausgeschlossen. Die rasche Zunahme der Investitionszuschüsse könnte mit dieser Umstellung zusammenhängen, gleichwohl sind auch die Subventionen weiter gestiegen. Über die sektorale Verteilung von Vermögensübertragungen gibt es nur vereinzelte, unvollständige Informationen. Auch hier gilt, daß der überwiegende Teil der Mittel den traditionellen industriepolitischen Zielen - vorrangig der Entwicklung des Mezzogiorno - zugute kommt, wobei hier 200
inzwischen kaum sektorale Schwerpunkte gesetzt werden. Auch die Unternehmen mit Staatsbeteiligungen und die ENEL erhalten einen beträchtlichen Teil der Übertragungen, teils zur Umstrukturierung und Umstellung der Produktion, teils aber zur Abdeckung der Verluste bzw. zur Verminderung der Bankschulden (vgl. Scognamiglio 1981, S. 167 ff.; ISCO 1981, S. 29*
ff.).
Demgegenüber dürfte
die gezielte Förderung des privaten
Sektors in wachstumsträchtigen Bereichen - ohne spezifisch regionalpolitische Ausrichtung - nur ein geringes Gewicht haben. 2.5
Öffentlicher
und öffentlich
kontrollierter Sektor - Staatliche
Unternehmen Der öffentliche Sektor hat eine erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Italiens. Unmittelbare staatliche Eingriffe oder Auflagen für die öffentlichen Unternehmen in bezug auf Investitions-, Beschaffungs-, Produktions- oder Finanzierungsentscheidungen spielten vielfach eine industriepolitisch größere Rolle als die indirekte Steuerung des privaten Sektors durch finanzielle Incentives. Ursprünge für das Entstehen eines großen staatlichen Unternehmensbereichs reichen zurück in die 30er Jahre. Um den Zusammenbruch der drei größten italienischen Banken zu verhindern, übernahm die eigens dafür gegründete Holding IRI (Istituto per la Ricostruzione Industriale) Industriebeteiligungen dieser Banken, hauptsächlich im Maschinenbau und im Stahlbereich. Versuche der Reprivatisierung schlugen fehl, nicht zuletzt mangels finanzkräftiger privater Unternehmen (vgl. Pontarollo 1983, S. 25 ff.). Die Umstellung der privaten Unternehmen des Maschinenbaus von Kriegsauf Zivilproduktion wurde mit Hilfe des 1947 gegründeten Fonds FIM (Fondo Industrie Meccaniche) finanziell gefördert. Unternehmen, welche die Kredite nicht zurückzahlen konnten, wurden vom FIM übernommen und bildeten den Kern einer weiteren Holding EFIM (Ente Autonomo di Gestione per il Finanziamento deü'Industria Meccanica), die 1962 gegründet wurde. Die Holding ENI (Ente Nazionale par gli Idrocarburi) entstand 1953 auf ähnliche Weise. Darüber hinaus wurde EGAM (Ente Autonomo di Gestione per le Aziende Mineralie) gegründet (1958), um die staatlichen Beteiligungen im Bergbau 201
zu verwalten, später auch jene der Metallurgischen Industrie. EGAM wurde 1977 nicht zuletzt wegen laufend hoher Verluste aufgelöst, die Unternehmen des Eisen- und Stahlbereichs wurden zur IRI, die des Bergbaus und Textilmaschinenbaus zur ENI zugeschlagen. Dies hat freilich an den strukturellen Problemen der einzelnen Unternehmen nichts geändert; die Verluste wurden infolgedessen verlagert. Ein Großteil der Verluste von IRI nach 1977 sind auf die Belastung mit
unrentablen
Unternehmen der früheren EGAM zurückzuführen. EFIM, IRI und ENI gründeten zusammen mit der staatlichen Investitionsbank IMI (Istituto Mobiliare Italiano) im Jahre 1971 wiederum eine Holding, GEPI (Gestioni e Partecipazioni Industriali), die mit Beteiligungen, Krediten und Zinssubventionen, aber auch mit Eingriffen in das Management Unternehmen helfen, die in vorübergehende Schwierigkeiten geraten sind, vor allem damit die Zahl der Arbeitsplätze erhalten oder sogar ausgebaut werden kann. Neben den genannten staatlichen Holdings gibt es eine Reihe von anderen Unternehmen in staatlicher Hand. Dazu zählen Banken, Versicherungesellschaften, Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen, Verkehrsunternehmen, Unternehmen des Nachrichtenwesens und weitere
Unternehmen
ähnlicher Aufgabenbereiche, die typischerweise in den meisten Ländern staatlich geführt oder kontrolliert werden. Sie werden in den weiteren Ausführungen vernachlässigt. Bei der Bewertung der Industriepolitik mittels staatlicher Unternehmen in Italien muß man zu unterschiedlichem Ergebnis kommen, je nach dem Maßstab für die Beurteilung. Sicher ist, daß insbesondere in den siebziger Jahren eine Reihe von Zielen, die mit den Maßnahmen verknüpft waren, nicht erreicht werden konnten. Dies gilt einmal für die Entwicklung des Mezzogiomo, die durch massive Investitionen staatlicher Unternehmen gestützt und vorangetrieben werden sollte. So besteht seit 1965 die Verpflichtung, einen bestimmten Anteil der gesamten Investitionssumme im Süden zu investieren. Zunächst waren dies 40 vH der Gesamtinvestitionen und 60 vH der Neuinvestitionen, ab 1971 sogar 60 bzw. 80 vH. Dies führte, gemäß der Unternehmensstruktur, zu kapitalintensiven Anlagen, für die das Material vielfach im Norden gekauft wurde und die nur wenige Arbeitsplätze schufen, wenn sie sich nicht ohnehin als gigantische Fehlinvestitionen erwiesen ("Kathedralen in der Wüste"). Insgesamt hat auf diese Weise zwar die Position der öffentlichen Unternehmen im Süden zugenom202
men, sowohl was den Investitions- als auch was den Beschäftigtenanteil angeht. Nach wie vor gibt es aber einen großen Entwicklungsrückstand. Die Regionalpolitik verfolgt deshalb den Ansatz der Entwicklungspole in Form von Großprojekten im wesentlichen öffentlicher Unternehmen, die ihr Umfeld sukzessive mitziehen, nicht mehr, sondern setzt inzwischen mehr auf die Unterstützung kleiner und mittlerer bodenständiger Unternehmen. Fehlgeschlagen ist vielfach auch die Absicht, notleidende Firmen unter staatlicher Aufsicht bei zeitweiser Subventionierung umzustrukturieren oder umzustellen und anschließend als gesunde, rentable Unternehmen - ggf. auch reprivatisiert - dem freien Spiel der Marktkräfte
wieder
überlassen zu können. Tatsächlich war die Übernahme in staatliche Obhut meist mit dauerhafter
- und steigender - Subventionierung verbunden,
ohne daß wirksame Strukturmaßnahmen durchgeführt werden konnten. Aus beschäftigungspolitischer Sicht ist freilich die Sicherung der Arbeitsplätze erreicht worden. Dies ist allerdings ein fragwürdiger Erfolg, wenn man einmal an die hohe Belastung des Staatshaushalts zur Verlustabdeckung, zum anderen daran denkt, daß der notwendige Strukturwandel nur aufgeschoben wurde. Umstritten bleibt, inwieweit die Tatsache, daß die Holdings IRI und ENI in den fünfziger und sechziger Jahren eine führende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung Italiens gespielt hatten, einer zunächst erfolgreichen Industrie- bzw. Strukturpolitik zuzuschreiben ist. Zwar gab es auch zu dieser Zeit politische Einflußnahmen über einen Ausschuß, in dem der Finanz-, der Schatz- und der Industrieminister vertreten waren und der allgemeine Richtlinien für die Führung der Holdings vorgab. Die Autonomie von IRI und ENI wird aber für diese Zeit noch als vergleichsweise hoch eingeschätzt (vgl. Bollino 1983, S. 267 f.; Pontarollo 1983, S. 25 ff.). Zum Ende der sechziger Jahre nahm der politische Einfluß zu, dies schlug sich auch in der Änderung der institutionellen Struktur der zuständigen Verwaltungen nieder. Es wurde ein interministerialer Ausschuß für die Wirtschaftspolitik (CIPE) eingerichtet, der auch für die staatlichen Beteiligungen zuständig wurde, darüber hinaus wurden dem Ministerium für Staatsbeteiligungen mehr Kompetenzen gegenüber den Unternehmen eingeräumt. Zeitlich fiel dies zusammen mit der Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung - seit den Rezessionsjahren 1963/64 - , der Er203
kenntnis, daß die Rückständigkeit des Mezzogiorno trotz
erheblicher
Anstrengungen manifest schien, sowie zunehmend ungünstigerer Ertragssituation der öffentlichen Unternehmen selbst. 2.6
Bankensystem
Die Kompetenz von Notenbank (Banca d'Italia) und interministeriellem Ausschuß für
das Kredit-
und Sparwesen ist durch das Bankgesetz
geregelt. Unabhängig ist die Zentralbank im Geldmengengeschäft, soweit es die Refinanzierung der Geschäftsbanken angeht. Der Diskontsatz wird aber - auf Vorschlag der Banca d f Italia - vom Schatzminister
durch
Dekret festgelegt. Über die Mindestreservesätze beschließt der Interministerielle Ausschuß. In bezug auf die Bankenaufsicht hat die Banca d'Italia weitreichende Kompetenzen, vielfach allerdings wird sie auf Weisung des Interministeriellen Ausschusses tätig. Die Zentralbank ist zuständig für Zulassungen neuer Kreditinstitute und neuer Filialen, muß Fusionen im Bankensektor genehmigen, kann Kreditbedingungen der Geschäftsbanken beeinflussen und kann den Kreditumfang begrenzen, der einzelnen Unternehmen eingeräumt werden soll. Die Bankenaufsicht stand jedoch weniger unter dem Vorzeichen, für Wettbewerb zwischen den Banken zu sorgen. Die Zentralbank hat vielmehr eher die Karteilabsprache zwischen den Banken zugelassen. Ursprünglich handelte es sich bei den Kreditinstituten um Spezialbanken mit dem Schwerpunkt auf dem Kurzfrist-
oder Langfristgeschäft
bei
vielfach regional oder sektoral begrenztem Tätigkeitsfeld. Die Praxis zeigt freilich eine weniger strikte Aufgabenteilung zwischen den Banken, als es das Bankgesetz vorsieht. Denn Ausnahmen waren von vornherein zugelassen. Seit 1983 sind die Bestimmungen weiter gelockert. Sparkassen dürfen inzwischen das volle Spektrum von Bankdienstleistungen anbieten, und die regionale Begrenzung der Banktätigkeit wurde aufgehoben (vgl. Economist vom 14.9.1985). Die Geschäftsbanken sind größtenteils öffentliche Unternehmen, meist gehören sie zur IRI-Gruppe, einige sind unabhängige Institutionen mit unmittelbaren staatlichen Beteiligungen. Vielfach unterstützen sie direkt die struktur- und regionalpolitischen Vorhaben des Staates. So sind die 204
Banco di Napoli, die Banco di Sicilia und die Banco di Sardegna in die Entwicklungspläne für den Mezzogiorno eingebunden, indem sie die staatlich begünstigten Kreditgeschäfte abwickeln. Ähnliche Bedeutung hat die Banca Nazionale del Lavoro sowie das Istituto Mobiiiare Italiano für Genossenschaften und für kleine und mittlere Unternehmen (vgl. Sacchi Morsiani 1973, S. 45 f.). Neben den Banken stellen aber auch eine Reihe von Spezialinstituten Unternehmen bestimmter Branchen oder für bestimmte Verwendungszwecke Kredite bereit, meist sogar zu Vorzugsbedingungen. Diese Spezialinstitute nehmen wiederum Kredite beim Bankenapparat auf und werden im übrigen von den öffentlichen Haushalten gespeist. Dazu zählen etwa die Casmez, Mediocredito centrale - vornehmlich zur Förderung von KMUs - , l'Artigian-Cassa zur Förderung von Handwerksbetrieben, die Fonds zur Verlustabdeckung der Unternehmen mit staatlicher Beteiligung und für die ENEL (Ente Nazionale per l'energia elettrica), Fonds zur Förderung des Strukturwandels, der angewandten Forschung oder zur Erschließung einzelner Regionen. Etwa vier Fünftel der Mittel der zentralstaatlich (teil-)finanzierten Fonds werden für den Mezzogiorno, die Exportförderung, die ENEL und die übrigen öffentlichen Unternehmen verwendet, für andere Verwendungszwecke - Strukturwandel im Norden, Incentives für Forschung und Entwicklung, sonstige Investitionsförderung - bleibt nur ein bescheidener Teil (vgl. Artori/Termini (1980), S. 16 ff.). Auch die Bereitstellung privaten Risikokapitals für junge innovative Unternehmen, die im hochtechnologischen Bereich tätig werden oder andere neue Produkte entwickeln, ist in Italien im Umfang noch bescheiden. Es gibt vier wichtigere Venture-Kapitalgesellschaften, deren Beteiligungsschwerpunkte in der Entwicklung von Telematikprodukten, Biotechnologien und Software, zum Teil auch von neuen Produkten des Freizeitbereichs liegen (vgl. Mondo Economico 39/1985, S. 66 ff.). Das herrschende hohe Zinsniveau, das für entsprechend hohe, noch dazu teils steuerbegünstigte oder steuerfreie Kapitalerträge von risikoarmen Kapitalanlagen - etwa staatlichen Wertpapieren - sorgt, erfordert sehr hohe Verzinsungsaussichten bei Risikokapitalanlagen. Dies bieten freilich - bei kalkulierbarem Risiko - nur wenige, erfolgversprechende Projekte, so daß die Tätigkeit der Venture-Kapitalgesellschaften
eingeschränkt ist (vgl. ebenda, 205
Tabelle 1.2 Italien Kreditvergabe der Spezialinstitute nach Verwendungszwecken Bestand 1975 und 1984
Verwendungszweck
1975 flrd.Lit vH
19B4 vH Hrd.Lit
Kredite zu Vorzugsbedingungen Kleine und mittlere Unternehmen Gesetz 949/1952 Gesetz 623/1959 Sueditalien NationaHonds Industrielle Umstrukturierung Gesetz 675/1977 Gesetz 1109/1971 u,464/1972 Esporte IHI-Sonderfonds Handel Bauten Landwirtschaft Uebrige Sektoren Normalkredite
12863 2792 466 2326 3638
112 2121 19Í 83 506 1852 1577 25464
0.3 5.5 0.5 0.2 1.3 4.8 4.1 66.4
42253 BB6 456 430 1574 4137 1540 830 710 10976 837 697 5324 8962 7320 87632
32.5 0.7 0.4 0.3 1.2 3.2 1.2 0.6 0.5 8.5 0.6 0.5 4.1 6.9 5.6 67.5
Insgesamt
38327
100.0
129885
100.0
-
112 -
33.6 7.3 1.2 6.1 9.5 -
0.3 -
Quelle: Banca d'Italia, Assemblea Generale Ordinaria dei Partecipanti, Anno 19B4, Appendice, Roma 19B5, S.17B
206
Tabelle 1.3
Italien Kreditvergabe der Spezialinstitute nach Wirtschaftszweigen Bestand 19B4
Wirtschaftszweig
Insgesamt Mrd.Lit
darunter zu Vorzugsbedingungen vH Mrd.Lit
vH
Land-u.Forst« rtschaft,Fi scherei Berqbau El ektrizitaet, Gaswasser Verarbeitendes 6e»erbe Nahrungs-u.6enuss»ittel Textilien Bekleidung Leder,Schuhe Holzbe-u.Verarbeitung Metallerzeugung Metallverarb.,Elektroindustrie Fahrzeugbau Nichtaetallische Mineralien Cheaische Erzeugnisse 6uaii,Kunststoffe Paoier,Druckerzeugnisse Sonst.gewerbl.Erzeugni sse Baugewerbe Harktbest.Dienstleistungen Verkehr u.Kachrichten Handel,Banken,Versicherungen Sonst.*arktbest.Di enstl. Nicht-aarktbest.Dienstleistungen Wohnungsbau
18553 1335 3753 32226 3451 1511 423 346 762 360B 10581 3792 1863 3651 844 989 485 6786 39874 19028 18852 9282 5588 26145
8.4 1.1 3.8 25.7 2.8 1.2 0.3 8.3 0.6 2.9 8.4 3.8 1.5 2.9 8.7 0.8 8.3 5.4 31.2 15.2 8.7 7.3 4.4 28.9
7987 284 147 17861 2017 698 160 153 419 2014 6650 1848 850 1258 358 463 181 2707 3697 1583 1073 1121 305 5931
21.0 0.5 B.4 44.9 5.3 1.8 0.4 0.4 1.1 5.3 17.5 4.B 2.2 3.3 0.9 1.2 8.5 7.1 9.7 4.8 2.8 2.9 8.8 15.6
Insgesamt
125388
188.8
38039
100.0
darunter Exportkredite Mrd.Lit vH
.
110 28 4869
-
1.6 e.3 72.0 -
-
14
8.2
-
-
5 44 717 3128 983 1 54
0.1 e.7 IB.6 46.3 13.4
-
-
3
.0
0.8 .0
-
-
16B4 79 32 48 7
24.9 1.2 0.5 0.6 0.1
-
-
-
-
6762
100.0
Quelle: Banca d'Italia, Assetbiea 6enerale Ordinaria dei Partecipanti, Anno 1984, Appendice,fioaa 1985, 5.176 i .
207
S. 69) und nicht den Umfang
erreicht
wie in anderen europäischen
Ländern, vornehmlich in Großbritannien, den Niederlanden und der Bundesrepublik, oder auch besonders in den USA. 2.7
Zentralismus vs. Föderalismus
Die Komplexität des italienischen industrie- und strukturpolitischen Steuerungssystems wird dadurch noch größer, daß neben den sich bereits auf zentralstaatlicher Ebene überschneidenden vielfältigen
Zuständigkeiten
und dem infolgedessen hohen Koordinierungsbedarf zusätzlich die regionale Ebene t r i t t , die nach der Verfassung für bestimmte öffentliche Aufgaben Autonomie besitzt. Abstimmungsprobleme gibt es daher nicht nur im bereits erwähnten Planungsprozeß zur Entwicklung von Sektor- und Regionalprogrammen - abgestimmt mit dem nationalen Rahmenplan - , sondern aus industriepolitischer Sicht auch etwa bei der Bereitstellung von industrienaher Infrastruktur, bei einer arbeitsmarktorientierten Ausrichtung der beruflichen Bildung, der Förderung von Landwirtschaft
und
Handwerk ebenso wie bei der Unterstützung von Tätigkeiten in Industrie, Handel und Tourismus (Art. 117 der Verfassung sowie Regionalstatuten, z.B. Art. 45 Statuto della Regione Lazio). Mit Effizienzverlusten bei der staatlichen Förderung ist infolgedessen durchaus zu rechnen. Die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zahlten beispielsweise 1981 und 1982 immerhin rd. 30 vH der staatlichen Subventionen und Investitionszuschüsse (in der Abgrenzung der VGR, vgl. SAEG, Aufgegliederte Tabellen nach Sektoren). Eine gewisse zentrale Einflußnahme müßte freilich dadurch gewährleistet sein, daß die Regionen und Kommunen nur in geringem Umfang über eigene Einnahmen aus Steuern und Abgaben verfügen und weitgehend auf Transfers vom Zentralstaat angewiesen sind. Die Transparenz des Abstimmungsprozesses in Planung und Durchführung industriepolitischer Maßnahmen zwischen den verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen ist allerdings nicht groß, und über die eigenständigen Aktivitäten der Regionen gibt es wenig Informationen, so daß hier im wesentlichen die zentralstaatliche Ebene im Blickpunkt steht. 2.8
Industrial Relations und Sozialschutz
Infolge großer Konfliktbereitschaft haben die Gewerkschaften traditionell eine starke gesellschaftspolitische Bedeutung - trotz der Dominanz der 208
Democrazia Cristiana in allen Regierungen der Nachkriegszeit. Gestützt auf die in der Verfassung verankerten Rechte auf Arbeit und zum Streik und getragen durch eine hoch organisierte Arbeitnehmerschaft gelang es, über die üblichen Lohnrunden hinaus vorteilhafte Regelungen durchzusetzen, die - um die wichtigsten zu nennen - den Einfluß der Geldentwertung auf die Lohneinkommen neutralisieren und den Arbeitsplatz absichern und die sozialen Folgen im Falle des Arbeitsplatzverlustes erträglicher gestalten sollten. Dies hat zum Teil Eingang in gesetzliche Regelungen gefunden - beispielsweise im Statuto dei lavoratori, das Kündigungsschutzbestimmungen und gewerkschaftliche Mitwirkungsrechte enthält - , zum Teil zu tarifvertraglichen
Vereinbarungen auch unter Beteiligung des Staates
geführt, wie bei der Einführung der Lohngleitklausel (Scala mobile). Diese gesetzlichen und (tarif-)vertraglichen Regelungen haben dazu geführt, daß der gewerkschaftliche
Einfluß latent vorhanden bleibt, auch wenn in
wirtschaftlichen Krisenzeiten die Konfliktbereitschaft geringer ist, so daß die wirtschaftliche und gesellschaftliche Position der Arbeitnehmerschaft nicht weiter ausgebaut werden kann oder sogar sich relativ verschlechtert. Der Zwang zu Zugeständnissen, aber auch die Einsicht in ökonomische Interdependenzen ist bei den Gewerkschaften heute größer als noch zum Anfang der siebziger Jahre. Umverteilungsforderungen werden inzwischen weniger vehement vertreten, und bereits Anfang 1982 wurde ein erster Schritt zur Entschärfung der Lohngleitklausel vereinbart, die sich nicht zuletzt infolge des Berechnungsmodus als Hindernis für die Preisstabilisierung und als erheblicher Kostensteigerungsfaktor für die Unternehmen erwiesen hatte. Ende 1985 wurde eine weitere Modifikation vereinbart, wiederum mit dem Ziel, die Preisdynamik zu verringern. Die Vereinbarung wurde freilich zunächst nur zwischen den Gewerkschaften und der Regierung getroffen, und es gilt nicht als sicher, daß die Arbeitgeberverbände, denen die Bestimmungen nicht weit genug gehen, letztlich das Abkommen mittragen. Zumindest dürfte sich jedoch der Unternehmensverband für staatliche Beteiligungen - Intersind - neben dem öffentlichen Dienst der neuen Regelung anschließen und damit wegen des großen Gewichts des öffentlichen Sektors eine gewisse Leitfunktion ausüben. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, unmittelbar auf den Tarifverhandlungsprozeß im industriellen Bereich Einfluß zu nehmen, hatten staatliche Instanzen für die Gründung eines eigenen Unternehmensverbandes für die 209
Unternehmen in staatlicher Regie oder mit staatlicher Beteiligung gesorgt. Indirekt konnte auf diese Weise auch die Position des großen Unternehmerverbandes für die Privatwirtschaft - Confindustria (Confederazione Generale delHndustria Italiana) - beeinflußt werden. Dies hat im Zweifel indessen zu einer Stärkung korporativistischer Strukturen beigetragen und der Dominanz großer Interessengruppen im politischen Willensbildungsprozeß Vorschub geleistet. Allerdings ging damit eine Verkrustung industrieller Strukturen einher. Auf dem Arbeitsmarkt führt dies dazu, daß Arbeitnehmer, die bereits über einen Arbeitsvertrag verfügen, durch bestehende soziale Regelungen wie Kündigungsschutzklausen oder die Lohnausgleichskasse (Cassa Integrazione Guadagni) unabhängig von der wirtschaftlichen Situation eine hohe Arbeitsplatz- bzw. Einkommenssicherheit besitzen, während insbesondere die Jugendlichen und andere Arbeitsuchende, die noch nicht
in den
Arbeitsprozeß integriert waren, erhebliche Zugangsbeschränkungen erfahren. Die industriepolitische Wertung der CIG hat allerdings zwei Aspekte. Ursprünglich zum Ausgleich konjunktureller Beschäftigungsschwankungen konzipiert, wurde die CIG als Instrument ausgebaut, um den Strukturwandel von der Beschäftigtenseite her zu erleichtern, indem (vorübergehend und teilweise) freigestellten Arbeitnehmern Lohnausfalleinkommen gezahlt werden, ohne daß sie Arbeitsvertrag und Arbeitsplatz verlieren. Zunächst wurden nur wenige Branchen (vor allem die Textilindustrie) gestützt, später wurde der Wirkungsbereich mehr und mehr ausgeweitet. Auf diese Weise konnten vielfach Umstellungs- und Umstrukturierungsvorhaben durchgeführt werden, auch wenn sie per Saldo zu Arbeitsplatzverminderung führten. Die Arbeitskräfte werden dann in Bereichen vorgehalten, die - wie die Textilwichtigsten
und Bekleidungsindustrie als einer der
Interventionsbereiche -
in
den
Industrieländern
zu
den
schrumpfenden zählen. Ein großer Teil der heute von der CIG unterstützten Arbeitnehmer dürfte folglich zu den dauerhaft Arbeitslosen gezählt werden. Insofern mildern die Interventionen die sozialen Folgen des strukturellen Wandels. Arbeitsmarktpolitisch effizient sind sie freilich nur, wenn es gelingt, die freigestellten Arbeitskräfte an Arbeitsplätze in anderen Unternehmen und Branchen zu vermitteln. Die entsprechenden Erfahrungen von Unternehmen und Arbeitsmarktverwaltungen waren oft wenig ermutigend. Einmal gab es Unterschiede zwischen Anforderungsprofil und den gegebenen Qualifikationen der Arbeitskräfte. Zum Teil lag dies allerdings auch daran, daß es an begleitenden Bildungsmaßnahmen fehlte. 210
Zum anderen war die Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer nur gering, da beim Arbeitsplatzwechsel eine Verschlechterung des eigenen beruflichen Status hätte in Kauf genommen werden müssen, sei es in bezug auf Kündigungsschutz, Mitwirkungsrechte in großen Unternehmen oder branchenspezifische Vorteile, die beim Wechsel in andere Bereiche verlorengehen könnten. So werden zwar mit Hilfe der Lohnausgleichskasse Produktionsumstellung und Umstrukturierung der Unternehmen unterstützt, die Anpassungsprobleme für den Arbeitsmarkt werden aber nicht gleichzeitig gelöst, sondern nur aufgeschoben, wobei die Mobilität
der Arbeitskräfte
wegen der
besonderen Form der sozialen Absicherung eher behindert ist. Dies hat möglicherweise auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen beeinflußt und zu dem unbefriedigend niedrigen Niveau an Investitionen geführt. 2.9
Technoloqiepolitik
Für Konzeption und Umsetzung der staatlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung Italiens sind im wesentlichen zwei Institutionen zuständig: Der Nationale Forschungsrat (Consiglio nazionale delle ricerche) entwickelt Forschungsprogramme, berät die Regierung hinsichtlich der politischen Implementation, koordiniert die Forschung zwischen staatlichen Labors, Hochschulen und privaten Institutionen und entwickelt technische Standards. Der Fonds für
die angewandte Forschung, verwaltet durch das IMI
(Ricerca applicata IMI), stellt dem privaten Sektor zur Forschungsförderung Kredite zu Vorzugsbedingungen, Kapitalzuschüsse oder Kapitalbeteiligungen zur Verfügung. Bei der Mittelvergabe ist der Fonds an Richtlinien der Regierung gehalten, und Projekte, die in den Rahmen der vom CNR entwickelten und betreuten Programme passen, erhalten günstigere Konditionen als die übrigen förderungswürdigen Projekte. Die Kapitalbeteiligungen selbst sind vor allem für Vorhaben mit hohem Risiko vorgesehen, Rückflüsse sind hier entsprechend unsicher (vgl. OECD 1982, S. 196; OECD 1978b, S. 268). Der Fonds wurde 1982 um 1 700 Mrd. L i t aufgestockt. Gleichzeitig wurde ein Sonderfonds für technologische Innovation geschaffen, der in Industrieunternehmen die technologische Entwicklung 211
neuer oder verbesserter Produkte und Produktionsverfahren
durch die
Gewährung zinsverbilligter Kredite fördern soll. Die Kredite, die zu einem Fünftel Klein- und Mittelbetrieben zugute kommen sollen, haben eine Laufzeit von 15 Jahren und sollen bis zu 55 vH, in Sonderfällen sogar bis zu 70 vH der Projektkosten decken (vgl. EG-Kommission 1984, S. 151 f.). Schwerpunkte für die Förderung sind Vorhaben im Kraftfahrzeug-
und
Luftfahrzeugbau, in der Elektroindustrie sowie in der chemischen Industrie. Im Jahr 1984 wurden aus dem Fonds Kredite mit einem Gesamtumfang von knapp 1 000 Mrd. Lit gewährt, wobei der EDV- und Telekommunikationsbereich und der Kraftfahrzeugbau mehr als vier Fünftel der Mittel erhielt (vgl. EG-Kommission 1985, S. 186). Insgesamt liegen im EG-Vergleich die Ausgaben des Staates für Forschung und Entwicklung sowohl je Einwohner als auch in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Italien deutlich hinter denen der anderen großen Industrieländer zurück. Seit 1975 sind die Ausgaben aber - in ECU zu Wechselkursen von 1975 - mehr als verdoppelt worden, zu laufenden Wechselkursen sogar vervierfacht worden, während die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in realer Rechnung in den meisten anderen EGLändern nahezu stagnierten oder sogar zurückgingen (Stand 1982). Die Mittel werden nahezu ausschließlich zur Finanzierung ziviler Forschungsvorhaben eingesetzt, die Schwerpunkte lagen Anfang der achtziger Jahre auf der allgemeinen Forschungsförderung (etwa ein Drittel der öffentlichen Ausgaben, vor allem Naturwissenschaften, aber auch medizinische, sozialwissenschaftliche
und ingenieurwissenschaftliche
Forschung),
im
Energiebereich (knapp ein Viertel, hauptsächlich für Nuklearforschung) sowie auf der Förderung von Produktivität
und Technologie in der
Industrie (weniger als ein Fünftel). Hier wird im wesentlichen die Forschung im Bereich Datenverarbeitung und Telekommunikation unterstützt, zu einem geringeren Teil auch die Forschung für Produkte der chemischen Industrie, des Maschinenbaus und des Luftfahrzeugbaus. Insgesamt zeigt sich in der italienischen Technologiepolitik
also ein
bemerkenswerter Wandel. Bis zur Mitte der siebziger Jahre hatten insbesondere die regionalpolitischen Maßnahmen Priorität, die Technologieförderung wurde demgegenüber soweit vernachlässigt, daß es den Anschein hatte, daß der Staat Forschung und Entwicklung nicht als Tätigkeiten von gesellschaftlichem Interesse ansah (vgl. Censis 1975 zitiert nach OECD 1982, S. 194). Das in dieser Zeit noch vergleichsweise rasche Wachstum 212
Tabelle 1.4 Italien Forschungs-u.Entaicklungsausgaben insgesamt und ihre Finanzierung,1983
Forschungstraeger
Finanzgeber
Oeffentlicher Sektor oeffentl. oeffentl. sonst. insgesaat Verwaltung Forschungs- oeffentl. traeger Einriebt.
Unternehaenssektor oeffentprivat insgesaat lieh
Insgesaat
in Hrd.Lit
569
1499624 35370 11263 24107 5398
2535630 440B9 11267 32822 6292
343130 878187 868613 9574 B5048
279691 1793227 67562 1725665 61711
622821 2671414 936175 1735239 146759
3158451 2715503 947442 1768061 153051
962626
1540392
2586011
1306365
2134629
3440994
6027005
962057
Ausland
73949 8719 4 6715 325
Insgesamt
82993
Oeffentliche Verwaltung Unternehien5sektor
oeffentlich privat
-
Finanzierungsstruktur,vH Oeffentliche Verwaltung Unternehaenssektor oeffentlich privat Ausland Insgesaat
0.1
97.4 2.3 0.7 1.6 0.4
98.1 1.7 0.4 1.3 0.2
26.3 67.2 66.5 B.7 6.5
13.1 84.0 3.2 80.8 2.9
18.1 77.6 27.2 50.4 4.3
52.4 45.1 15.7 29.3 2.5
100.0
100.0
100.0
100.0
100.0
100.0
100.0
89.1 10.5 .0 10.5 0.4
99.9
100.0
-
Traeger5truktur,vH
0.4
47.5 1.3 1.2 1.4 3.5
80.3 1.6 1.2 1.9 4.1
10.9 32.3 91.7 0.5 55.6
8.9 66.0 7.1 97.6 40.3
19.7 98.4 98.8 98.1 95.9
100.0 100.0 100.0 100.0 100.0
16.0
25.6
42.9
21.7
35.4
57.1
100.0
Oeffentliche Verwaltung Unternehaenssektor oeffentlich privat Ausland
2.3 0.3 .0 0.5 0.2
30.5
Insgesaat
1.4
-
Quelle: Istat, Annuario Statistico Italiano 1985.
213
der italienischen Volkswirtschaft, getragen durch die Ausweitung des industriellen Sektors, ließ möglicherweise staatliche Anstöße im FuEBereich entbehrlich erscheinen. Mit den Strukturproblemen, die im Gefolge der Ölpreiskrisen offenbar wurden, wuchs auch die Erkenntnis, daß die technologische Basis verstärkt werden muß. Denn einerseits erfordert die Verteuerung der Energieimporte bei sehr hoher
Auslandsabhängigkeit
Italiens zum Zahlungsbilanzausgleich verstärkte Exportanstrengungen. Andererseits schwächt die Produktionskostenerhöhung die Wettbewerbsposition auf den traditionellen Exportmärkten ebenso wie auf dem heimischen Markt gegenüber den lohnkostengünstigen Schwellenländern und den bei Produkt- und Verfahrensinnovationen führenden Industrieländern. Die gesetzlichen Grundlagen zur Förderung von Umstrukturierung und Produktionsumstellung der Industrie sehen infolgedessen einmal die Stärkung bzw. den Ausbau der Forschungskapazitäten - mit besonderem Schwerpunkt aus den südlichen Regionen - , zum anderen die Unterstützung der industriellen FuE-Aktivitäten zur Bewältigung der Strukturanpassung vor. Die Pläne für einzelne Wirtschaftssektoren, wie etwa im Elektronikbereich, hatten, neben der Neuordnung der Untemehmensstruktur, gerade im Forschungsbereich ihren Schwerpunkt (vgl. Dosi 1981, S. 38 f.). Die kräftige Zunahme der entsprechenden staatlichen Ausgaben spiegelt den veränderten Stellenwert der Technologieförderung innerhalb der Industrie- und Strukturpolitik wider. Im Mikroelektronikbereich wurde 1985 ein neues Forschungsprogramm
aufgelegt,
das in sieben Jahren mit
insgesamt
96 Mrd. Lire ausgestaltet sein wird (vgl. Monto Economico 40/1985, S. 9). Wegen der häufigen Inkonsequenz zwischen Plan und Realisierung sowie dem merklichen Rückgang bei den Forschungsaufwendungen im internationalen Vergleich sind Zweifel an der Wirksamkeit der italienischen Forschungspolitik angebracht (vgl. auch Dosi 1981, S. 39), wenn auch nicht zu übersehen ist, daß Italien in einzelnen Bereichen, etwa bei Büromaschinen, über hoch produktive Produktionskapazitäten verfügt, unabhängig von der Frage, inwieweit dies eine erfolgreiche Industriepolitik anzeigt oder auf ein überragendes Management zurückzuführen ist. 2.10
Unternehmensqrößenbezogene Strukturpolitik
Bis zur Mitte der siebziger Jahre baute das regional- und strukturpolitische Konzept im wesentlichen auf die großen Unternehmen auf, die mit ihren Investitionen und ihrer Nachfrage nach Arbeitskräften und Vorleistungen vor allem in den benachteiligten Gebieten Wachstumsimpulse 214
geben sollten. Die Unternehmen mit Staatsbeteiligungen - hauptsächlich kapitalintensive Schlüsselindustrien - sollten hier eine Führungsrolle übernehmen. Dieses Konzept, in der Nachkriegszeit für den Wiederaufbau der italienischen Volkswirtschaft
erfolgreich
angewandt, schlug allerdings
fehl. Einmal ist der Beschäftigungseffekt dieser Investitionen - verglichen mit arbeitsintensiven Produktionstechnologien - verhältnismäßig gering, zudem fehlten auf den lokalen Arbeitsmärkten vielfach Arbeitskräfte mit den erforderlichen Qualifikationen. Zum anderen mußten die Kapitalgüter mangels entsprechender lokaler Produktionskapazitäten aus den hochentwickelten nördlichen Industriegebieten bezogen werden. Darüber hinaus bestanden für die neu errichteten Produktionskapazitäten - beispielsweise für die Stahlwerke in der Region Campania - teilweise schlechte Absatz und Ertragsaussichten (vgl. Bollino 1983, S. 280 ff.), da es sich um Bereiche handelte, die ohnehin strukturelle Anpassungsprobleme aufwiesen. Infolgedessen wird dem regional ansässigen Wirtschaftspotential seit Mitte der siebziger Jahre in der Regionalförderung mehr Beachtung gegeben, wobei der Arbeitsplatzschaffung einerseits, der Exportorientiertheit der Produktion andererseits unter den Auswahlkriterien der Vorrang eingeräumt wird. Dies führt dazu, daß die Förderung stärker kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommt. Zwar hatte es auch in den fünfziger
und sechziger Jahren spezielle
Maßnahmen zur Förderung dieser Unternehmen gegeben, und zwar für Investitionen (Vorzugskredite, Investitionszuschüsse u.a.), für Exportgeschäfte, für Kooperations- und Konzentrationsvorhaben sowie für die Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte im Wege der Fiskalisierung der Soziallasten. Während auf diese Weise ursprünglich nur die besondere Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen hinsichtlich des Zugangs zum Geld- und Kapitalmarkt ausgeglichen werden sollte, spielt die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen nun im Regionalentwicklungskonzept der italienischen Regierung eine zentrale Rolle. Nach wie vor fließt freilich ein großer Teil der staatlichen Transfers an die Unternehmen mit Staatsbeteiligung - meist große Unternehmen - , und das Erfordernis der Umstellung und Umstrukturierung der Industrie, ein Schwerpunkt der Industriepolitik im engeren Sinne, besteht in ausgeprägtem Maß bei den traditionellen Industriezweigen mit hoher Untemehmens215
konzentration in den entwickelten norditalienischen und zentralen Regionen.
3.
Zusammenfassende Wertung
Die italienische Wirtschaft hat gravierende Strukturprobleme zu bewältigen: ein außerordentlich großes regionales Ungleichgewicht
zwischen
Norditalien und dem Mezzogiorno, die Notwendigkeit von Umstellung und Rationalisierung vor allem der traditionellen Industriebereiche, in denen die großen Unternehmen mit staatlichen Beteiligungen gut vertreten sind, Handelsbilanzprobleme nicht zuletzt infolge hoher Rohstoffabhängigkeit gerade im Energiebereich, die Verbreiterung der technologischen Basis der Wirtschaft sowie die Unterbeschäftigung mit starkem Gewicht auf bestimmten Gruppen des Arbeitsmarktes, im wesentlichen den Jugendlichen, infolge von Zugangsbeschränkungen. Teils bestehen die Probleme seit Jahrzehnten, teils sind sie im Zuge der Ölpreiskrisen der siebziger Jahre manifest geworden. Industrie- und strukturpolitische Ansätze zur Beeinflussung der Unternehmensentscheidungen lassen sich bereits in den ersten Nachkriegsjahren finden. Breitesten Raum nimmt die Förderung des Mezzogiorno ein, seit Ende der siebziger Jahre haben auch Bemühungen zur Förderung von Umstellung und Umstrukturierung in der Industrie und von industrieller Forschung und Entwicklung mehr Bedeutung. An Instrumenten werden vor allem finanzpolitische Anreize eingesetzt, wobei die Investitionsförderung
im Vordergrund steht. Dafür
werden
staatliche Kredite mit Vorzugsbedingungen in bezug auf Laufzeit und Kreditkonditionen, Zinssubventionen für normale Bankkredite und Investitionszuschüsse bereitgestellt. Die Zahlungen erfolgen teils unmittelbar an die begünstigten Projektträger, teils mittelbar über besondere Finanzierungsinstitutionen, die für einzelne Zwecke - z.B. Regionalförderung, Mittelstandsförderung, Forschung und Entwicklung - eigens eingerichtet wurden. Einen besonderen Stellenwert im industriepolitischen Konzept haben die Unternehmen mit Staatsbeteiligungen bzw. deren große Holding-Geseilschaften. Unternehmensentscheidungen in bezug auf Investitionen, Beschäftigung, Käufe von Vorleistungen oder Verlagerung von Betriebsstätten werden ebenso in regional-, struktur-
und industriepolitische
Überlegungen eingebunden wie die Übernahme weiterer Beteiligungen in
217
staatlichen Besitz oder die Veräußerung von Unternehmen bzw. Beteiligungen an den privaten Sektor. Trotz der begleitenden Planung, die zunächst nur wenige wirtschaftspolitische Zielgrößen setzte, seit Ende der siebziger Jahre jedoch regional und sektoral verfeinert wird, haben die staatlichen Interventionen wenig zur Lösung der Strukturprobleme beigetragen. Die Rückständigkeit des Mezzogiorno besteht nach wie vor. Ein falsches Entwicklungskonzept, das auf die Schaffung von kapitalintensiven - und energieintensiven - Großindustrien mit Hilfe der staatlichen Unternehmen noch in den Jahren setzte, als sich der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gerade dieser Bereiche - beispielsweise die Stahlindustrie oder Teilbereiche der chemischen Industrie - sich bereits abzeichnete, sorgte für eine wenig bedarfsgerechte Allokation der Produktionsfaktoren und hat seinerseits sogar noch Strukturprobleme geschaffen, zumal eine Korrektur der Faktorlenkung auf erhebliche politische Widerstände stößt. Nicht zuletzt beschäftigungspolitische Rücksichtnahmen haben es auch verhindert, daß die "fußkranken" Unternehmen mit staatlicher Beteiligung aus der Verlustzone herausfinden. Tiefgreifende staatliche Auflagen engen den unternehmerischen Entscheidungsspielraum ein, und notwendige Umstellungen und Umstrukturierungen unterbleiben vielfach oder greifen nicht weit
genug, wenn sie die Freisetzung von Arbeitskräften
zur
Konsequenz hätten. So bleibt eine hohe Belastung der ohnehin stark defizitären Staatshaushalte mit der Abdeckung von Verlusten staatlicher Unternehmen, was eher den Charakter von Erhaltungssubventionen trägt als der Strukturanpassung dient. Überhaupt fließt der größte Teil der finanziellen Anreize in den Ausgleich der wirtschaftlichen Schwäche und nicht in die Förderung wachstumsstarker oder wachstumsträchtiger Bereiche. Aber selbst bei den Projekten, die im Rahmen der Programme zur Umstellung und Umstrukturierung traditioneller, schrumpfender Industriezweige gefördert werden, ist den Strukturanpassungserfordernissen oft wenig Rechnung getragen. Die Investitionen ermöglichen dann zwar eine Modernisierung der Produktionsanlagen und eine entsprechende Rationalisierung der Produktion, sind aber mit Kapazitätserweiterungen verbunden, was die spezifischen Sektorprobleme zumindest aus europäischer Sicht nicht oder auf Kosten anderer Länder 218
löst. In den Augen der EG-Kommission war und ist die italienische Vergabepraxis in bezug auf die Umstrukturierungsbeihilfen in einer Reihe von Fällen zu großzügig oder zu wenig fest umrissen; dies führte zu Verzögerungen bei der Einführung des Programms und zu häufigeren Interventionen der EG-Kommission, die in den Investitionszuschüssen und anderen finanziellen Vergünstigungen mangels hinreichender Beachtung etwa des Zieles des Abbaus der gesamten Produktionskapazitäten oder mangels Bedürftigkeit des zu fördernden Unternehmens nach EWG-Vertrag unerlaubte Produktionsbeihilfen sah (vgl. etwa EG-Kommission, 14. und 15. Bericht über die Wettbewerbspolitik). Ein besonderes Problem ist in diesem Zusammenhang auch die wettbewerbsrechtliche Würdigung der Verlustabdeckung bei Unternehmen mit Staatsbeteiligungen, wenn diese in Konkurrenz zu Privatunternehmen produzieren. Im Fall eines Unternehmens der Herrenoberbekleidung sah die Kommission den Verlustausgleich durch den italienischen Staat als eine mit dem EWG-Vertrag
nicht
konforme Beihilfe an. Es ist zu fragen, welche Konseguenz diese Entscheidung für die Vielzahl der defizitären Unternehmen mit Staatsbeteiligungen hat. Zumindest dürfte der Zwang zu einer Umstrukturierung mit dem Ziel finanzieller Gesundung stärker werden. Doch selbst wenn die Umstrukturierung gelingt und mit
finanzieller
staatlicher Unterstützung leistungsfähige Produktionseinheiten entstehen, die der Auslandskonkurrenz standhalten können, bleibt im Bereich der Beschäftigung ein erheblicher Anpassungsstau. Denn die im Zuge dieser Maßnahmen freigestellten, aber nicht im arbeitsvertragsrechtlichen Sinne arbeitslosen Erwerbstätigen haben in ihren Unternehmen wenig Beschäftigungschancen, sind aber infolge der besonderen sozialen Absicherung einerseits, der ungünstigen globalen Arbeitsmarktsituation andererseits schwer umzusetzen. Die Technologieförderung spielte lange Zeit nur eine marginale Rolle in der italienischen Industrie- und Strukturpolitik. Inzwischen ist die Bedeutung der Forschung und Entwicklung für die Überlebensfähigkeit
der
Industrie und die Notwendigkeit einer entsprechenden staatlichen Unterstützung stärker ins Bewußtsein gerückt, und es wurden verstärkt Mittel bereitgestellt, auch indem neue Finanzierungsfonds geschaffen wurden. Die Förderung zielt nicht nur auf die Wachstumsbereiche bzw. Hochtechnologieindustrien, sondern auch darauf, zur Unterstützung der notwendigen Strukturanpassung der schrumpfenden Industrien Innovationen in be219
zug auf Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln. Der Umfang der Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist freilich absolut gesehen und in Relation zum Bruttosozialprodukt immer noch deutlich niedriger als in den führenden Industriestaaten. Zu fehlen scheint es an Risikokapital für junge dynamische Unternehmen. Private Risikokapitalgesellschaften haben es schwer, da ein hohes Zinsniveau für risikoarme Finanzanlagen - etwa in Staatsanleihen - die Ertragsanforderungen an Risikoanlagen so steigen läßt, daß der Kreis von Unternehmen, die solche Anforderungen zu erfüllen versprechen können, nur klein sein kann. Der übrige finanzielle Sektor finanziert zwar durchaus Vorhaben mit großen Risiken, das Schwergewicht liegt jedoch bei Projekten, die unter staatlicher Beteiligung und mit möglichst breit gestreuter Finanzierung durchgeführt werden und überdies bei einem Fehlschlag auf öffentliche Subventionierung hoffen dürfen (vgl. Filippi 1979, S. 74 f.). Ein Hemmnis für eine effizientere Industriepolitik dürfte auch in der institutionellen Struktur zu sehen sein. Für Konzipierung und Durchführung von industrie- und strukturpolitischen Programmen sind mehrere Ressorts gleichzeitig zuständig, dazu kommt die Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen. Insbesondere die Regionen haben mit der Einführung des Autonomiestatuts von 1970 erheblich erweiterte Betätigungsfelder,
wenn sie auch nach wie vor
finanziell stark vom Zentralstaat abhängig sind. Insgesamt gibt es infolgedessen erhebliche Abstimmungserfordernisse zwischen den einzelnen beteiligten Institutionen, damit die willkürlichen, diskretionären, in ihrer Gesamtheit inkonsistenten Eingriffe mit der Tendenz dauerhafter Subventionierung schwacher Unternehmen (vgl. Barcellona/Cantäro 1981, S. 361 ff.) zugunsten wirksamer Anpassungs- und Technologieförderung abgebaut werden.
220
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Länderbericht Belgien
225
Inhalt
Seite 1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
227
2. 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.5 2.6 2.7
Instrumente Institutionelle Rahmenbedingungen Banken und Finanzwesen Finanzielle und steuerliche Anreize Zinssubventionen Kapitalzuschüsse Abschreibungen Staatswirtschaft und staatliche Regulierungen Öffentliche Unternehmen Öffentliche Beteiligungen ("Interventionen") Exkurs: Claes-Plan Unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik Technologiepolitik Industrial Relations und Lohnpolitik
229 229 230 231 232 232 233 233 233 234 238 240 242 244
3.
Zusammenfassende Wertung
246
Literaturverzeichnis
226
249
1.
Strukturprobleme im gesamtwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Umfeld
Das Königreich Belgien ist mit seiner geringen Größe in zentraleuropäischer Lage ein gutes Beispiel für eine offene, extrem außenhandelsorientierte Volkswirtschaft. Schon seit 1921 ist Belgien mit Luxemburg in der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion, seit 1948 auch mit den Niederlanden in der Benelux Zoll- und Wirtschaftsunion verbunden. Der Außenhandelssektor hat in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg stark expandiert; die Relation der Exporte und der Importe zum Bruttosozialprodukt des Landes betrug schon Mitte der siebziger Jahre über 50 vH, nachdem sie noch zu Beginn der fünfziger Jahre jeweils deutlich unter 30 vH gelegen hatte. Bis in die siebziger Jahre gab es einen starken Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen in Belgien, die zu einer substantiellen Veränderung der Wirtschaftsstruktur führten. Schon 1968 war etwa ein Fünftel, zu Beginn der achtziger Jahre sogar mehr als ein Drittel der in der Industrie Beschäftigten in Tochterunternehmen ausländischer Gesellschaften tätig. In bestimmten Industrien (Elektronik, Automobilbau) erreichte dieser Anteil sogar 90 vH und mehr. Im Chemiesektor kommen bis zu 80 vH der Wertschöpfung und weit über die Hälfte der Exporte von Unternehmen unter ausländischer Kontrolle (Tharakan 1984, S. 6/1). Die belgische Wirtschaft steckt heute in einer Phase der grundlegenden Umstrukturierung.
Die Rezession von 1975 und die darauf
folgende
schwache Konjunktur haben bei einem großen Teil der traditionellen Industrien des Landes die Überalterung mancher Ausrüstungen und die geringe Wettbewerbsfähigkeit
mancher Produkte zutage treten lassen.
Insbesondere die Stahlindustrie und Teilbereiche des Maschinenbaus in Wallonien sowie die Textilindustrie insgesamt gerieten in eine immer tiefere Krise. Wie in anderen Ländern gelang es auch in Belgien nach der ersten starken Ölpreiserhöhung
nicht, die vom Ausland ausgehenden
Entzugseffekte abzufangen. Gleichzeitig beschleunigte sich der Preis- und Lohnanstieg erheblich. Die Regierung sah sich damit vor die schwierige Aufgabe gestellt, sowohl die Inflation als auch die Rezession bekämpfen zu müssen, zumal die Arbeitslosigkeit
während der Rezession stark
gestiegen war. Sie versuchte, diese Aufgabe zu lösen, indem sie einmal finanzpolitisch expansiv vorging, zum anderen zu den Mitteln des vorübergehenden Preisstopps griff, um damit zugleich die - indexgebundenen 227
Lohnerhöhungen zu verlangsamen. Diese Politik hatte zwar einen gewissen Erfolg, jedoch vergrößerten sich nun das Haushalts- und das Leistungsbilanzdefizit erheblich. Ähnlich wie in anderen Ländern sah sich nunmehr auch die belgische Regierung gezwungen, auf einen finanzpolitischen Konsolidierungskurs einzuschwenken, der zu Beginn der achtziger Jahre zu einer mehrjährigen Rezession beitrug. Dies beeinträchtigte neben den kräftig gestiegenen Produktionskosten die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Insbesondere setzten sich die Investitionen internationaler Gesellschaften nicht im erwarteten Maße fort. Teilweise zogen sich ausländische Investoren sogar aus Belgien zurück. Nur in wenigen Sektoren, so vor allem in der Herstellung von Büromaschinen und im Fahrzeugbau, blieb die Investitionstätigkeit lebhaft. Die strukturellen Probleme der Industrie wurden überlagert und verstärkt durch die sozio-kulturellen Probleme des Landes. Die harten innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem frankophonen Wallonien, dem zuerst industrialisierten und früher reichsten Teil des Landes, und Flandern, dem Landesteil, in dem sich die neuen Industrien bevorzugt angesiedelt haben, vergrößerten die Schwierigkeiten bei der Formulierung einer strukturadäquaten gesamtwirtschaftlichen Politik erheblich. Verfassungsänderungen haben seit Ende der siebziger Jahre zu einer
erheblich
größeren Autonomie der drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel geführt, die zudem nicht mit den Kultur- und Sprachgemeinschaften (Flämisch, Französisch, Deutsch) identisch sind. Dabei ging unter anderem die Zuständigkeit für die Verausgabung der über feste Finanzzuweisungen bereitgestellten Mittel für regionale Wirtschaftspolitik, für Stadtplanung, Landnutzung und Beschäftigungspolitik teilweise vom Zentralstaat auf die Regionen über. Gleichzeitig wurde von dem Ansatz globaler Investitionsförderung, der bis Mitte der siebziger
Jahre dominiert
hatte und inzwischen von den
politischen Entscheidungsträgern nicht mehr als geeignet angesehen wird, abgerückt, und es werden stärker selektive Politiken eingesetzt, die die Entwicklung neuer Industrien fördern und die Umstrukturierung der alten Industrien schneller voranbringen sollen. Als Folge der 1978 konzipierten "Neuen Industriepolitik" wurden zudem die Hilfen an die sogenannten "nationalen Wirtschaftsbereiche" beträchtlich verstärkt. 228
2.
Instrumente
2.1
Institutionelle Rahmenbedinqunqen
Die verfassungsmäßigen Institutionen Belgiens haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich weiter entwickelt. Kennzeichnend ist vor allem eine immer ausgeprägter
werdende politische,
wirtschaftliche,
kulturelle und regionale Dezentralisierung. An dieser Stelle können nur die wichtigsten, wirtschaftlich relevanten Änderungen erwähnt werden. Mit dem Gesetz vom 15. Juli 1970 bezüglich der Organisation der Planung und der wirtschaftlichen Dezentralisierung sind für jede Region ein regionaler Wirtschaftsrat sowie eine oder mehrere regionale Entwicklungsgesellschaften geschaffen worden. Die Wirtschaftsräte üben insbesondere im Rahmen der
regionalen wirtschaftlichen
Entwicklung eine beratende
Funktion aus, während die Entwicklungsgesellschaften den Rat mit den für seine Tätigkeit notwendigen Informationen versorgen und bestimmte Aufgaben im industriellen Bereich erfüllen. Am wichtigsten ist aber der 1970 geschaffene neue Artikel 107 c der Verfassung, wonach Belgien in drei Regionen aufgeteilt wird (Flandern, Wallonien, Brüssel). Jede Region hat ihre eigenen Institutionen mit
gewählten Vertretern. Für
bestimmte
Bereiche haben jeweils der Staat und die Regionen ebenso wie die Kulturund Sprachgemeinschaften eine ausschließliche Zuständigkeit. Im übrigen besitzen die nationalen und regionalen Behörden eine konkurrierende Zuständigkeit. Die Regionalräte sind unter anderem für folgende Angelegenheiten zuständig: Die regionalen Haushalte (die nach einem festen Schlüssel Finanzzuweisungen des Staates erhalten), Raumordnung und Bodenpolitik, Sanierung verlassener Industriegebäude und -gelände, regionale Industrie- und Energiepolitik (hierzu gehören auch regionale Planung, Investitionen, Suche nach Investoren, Hilfen für kleine und mittlere Betriebe) sowie Planung und Bau großer staatlicher Infrastrukturen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1979a, S. 21). Eine besondere Rolle spielen in Belgien auch die Zusammenschlüsse lokaler Behörden (Gemeindeverbände). Insgesamt lassen sich institutionell folgende Ebenen unterscheiden: 1. die Gemeinden und Provinzen mit bestimmten Zuständigkeiten, aber nur geringen finanziellen Mitteln; 2. lokale gemischte Zusammenschlüsse öffentlicher und privater Art mit Befugnissen für die Anregung, Durchführung und Prüfung von Projekten; 3. die nationalen und regionalen Regierungen, mit Initiativrecht und den größten Haushaltsmitteln sowie der Möglichkeit für Finanzübertragungen. Beihilfen für einen Teilbereich der nationalen Industrien (insbesondere Stahlindustrie) werden 229
dabei über das Wirtschaftsministerium durch den nationalen Haushalt, Beihilfen
für
wirtschaftliche
Investitionen
allgemeiner
Art
und für
Investitionen in kleinen Unternehmen dagegen von den Staatssekretären für regionale Wirtschaft aus den regionalen Haushalten finanziert. Das Image Belgiens als Staat des Freihandels, des Liberalismus und der Marktwirtschaft ist oft beschworen worden. Die ökonomische Wirklichkeit zeigt allerdings, daß dieses Bild nur sehr unvollkommen ist. Staatliche Unternehmen wie auch die Beteiligung des Staates an privaten Unternehmen haben in Belgien bereits eine lange Tradition. Lange Zeit haben sich allerdings die Beteiligungen des Staates, so etwa über Beteiligungsgesellschaften wie die S.N.I. (Société Nationale dfInvestissement) nur allmählich entwickelt. Seit Mitte der siebziger Jahre haben die staatlichen Hilfen und Beteiligungen allerdings rapide zugenommen. Als Folge der verschiedenen Steuererleichterungen, Zuschüsse, anderer Subventionen und Transfers hat sich nach einer Berechnung der OECD (OECD 1982c, S. 31) die "Nettoabgabenlast" der Unternehmen durchschnittlich von 55 vH im Jahre 1973 auf 39 vH im Jahre 1979 verringert. 2.2
Banken und Finanzwesen
Die belgische Nationalbank spielte lange Zeit industriepolitisch nur eine indirekte Rolle als Implementeur einer spezifischen Wechselkurspolitik. Von industriepolitischer Bedeutung ist indes die Möglichkeit der Einflußnahme über die große Anzahl öffentlicher Unternehmen im Finanzwesen. Im Rahmen dieser Untersuchung sind vier Unternehmen besonders hervorzuheben: Die Société Nationale dfInvestissement (S.N.I.) ist ein im öffentlichen Interesse tätiges Entwicklungsinstitut und für die öffentlichen Beteiligungen, sei es auf eigene Rechnung, sei es auf Rechnung des Staates, zusammen mit den regionalen Investitionsgesellschaften größter
Bedeutung.
Die
Caisse
Nationale
de
Crédit
von
Professionel
(C.N.C.P.) gibt Kredite an kleine und mittlere Unternehmen des Handwerks, des Handels und der Industrie sowie an freiberuflich Tätige. Die Kredite können auch für Unternehmensgründungen verwendet werden. Die Société Nationale de Crédit à l'Industrie (S.N.C.I.) gewährt in großem Umfang Kredite an die Industrie, die in den meisten Fällen zur Investitionsfinanzierung oder zur Aufstockung des Betriebskapitals verwendet werden. Die S.N.C.I. trug außerdem zur Finanzierung der staatlichen Pläne für die Textil- und die Eisen- und Stahlindustrie bei. Schließlich ist 230
noch die Caisse Générale d'Epargne et de Retraite (C.G.E.R.) zu nennen, die den Sparkassenbereich
stark beeinflußt und gleichzeitig für den
Postspardienst zuständig ist. Die Kasse besitzt einen bedeutenden Anteil an der gesamten Kreditvergabe, erfüllt jedoch keine spezielle industriepolitische Funktion (CEEP 1984, S. 8 ff.). 2.3
Finanzielle und steuerliche Anreize
Die finanziellen und steuerlichen Anreize der belgischen Industrie- und Regionalpolitik
gehen überwiegend auf die sogenannten "allgemeinen
Expansionsgesetze" von 1959, 1966 und 1970 zurück. Im Laufe
der
Gesetzgebung wurden vor allem spezifisch regionale Akzente gesetzt. Die Regionalisierung betrifft dabei allerdings eher die administrativen Regelungen als die Art der Fördermaßnahmen, die fast alle nationale Geltung haben. Die Gesamthöhe der Subventionen in Belgien läßt sich nicht genau ermitteln. Nach einer Untersuchung der Kredietbank in Brüssel (Blick durch die Wirtschaft vom 23.11.1984) hat die belgische Regierung 1983 Subventionen in Höhe von 332,3 Mrd. BFr gewährt
- etwa 8 vH des
Bruttosozialprodukts und gut 17 vH der Ausgaben der öffentlichen Hand. Die Subventionen sind etwa dreimal so hoch wie die Summe, die die Unternehmen dem Staat als Körperschaftsteuer abführen. Grosso modo werden etwa zwei Drittel der Subventionen an öffentliche Unternehmen gezahlt. Allerdings haben seit 1975 die Subventionen für Privatunternehmen stark zugenommen. Dabei sind Hilfen für Forschung und Exportförderung sowie die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen weniger wichtig. Dagegen gingen die meisten Subventionen an bestimmte Industriezweige, die "nationale Sektoren 11 genannt werden. Die Hilfe für diese Sektoren betrug 1983 insgesamt 124,5 Mrd. BFr, davon allein 105,3 Mrd. für die Stahlindustrie. Zwar weist eine andere Studie (Siaens 1978, S. 132) darauf hin, daß die Belastung der privaten und nationalen Industrien in den siebziger
Jahren mit
direkten
Steuern noch stärker anstieg als die
Subventionen. Der Beitrag der Unternehmen zum Gesamtaufkommen an direkten Steuern nahm jedoch deutlich ab. Die starke Ausweitung der Subventionen in den letzten Jahren wird vor allem dem Einfluß gut organisierter Interessengruppen zugeschrieben. Hierbei hat auch der Subventionskampf zwischen den Flamen und Wallonen bzw. den verschiedenen Unternehmen und Branchen dieser Regionen eine wichtige Rolle gespielt. 231
Die drei wichtigsten Subventionsformen sind Kreditverbilligungen, Kapitalzuschüsse und Abschreibungserleichterungen. 2.3.1
Zinssubventionen
Zinszuschüsse können von der staatlichen S.N.C.I. oder anderen Banken des Landes projektbezogen gewährt werden. Die maximale Förderung beträgt 5 Prozentpunkte (bei Technologieprojekten oder Abschluß spezieller Entwicklungsverträge auch 6 Prozentpunkte, unter besonderen konjunkturellen Bedingungen sogar 7 Prozentpunkte) für maximal fünf Jahre und höchstens 75 vH der Investitionskosten. In Nichtförderregionen ist die maximale Förderung einen Prozentpunkt niedriger und wird für höchstens 66 vH der Investitionskosten und für maximal vier Jahre gewährt. Die Zinszuschüsse beziehen sich auf ein zehnjähriges Darlehen, das zurückgezahlt werden muß. Zinszuschüsse sind zeitlich nicht begrenzt, werden in der überwiegenden Zahl der Anträge angenommen, begünstigen außer der Industrie auch andere gewerbliche Sektoren und werden bei kleineren Investitionsvorhaben nur kleineren Firmen gewährt, während bei Vorhaben von mehr als 100 Mill. BFr auch eine Gegenleistung des Unternehmens - z.B. die Überschreibung konvertibler Wertpapiere auf den Staat - verlangt werden kann; die Zuschüsse können ferner mit anderen Subventionen kumuliert werden. Die Zinssubvention wird besteuert, wenn durch sie die steuerpflichtigen Gewinne erhöht werden. 2.3.2
Kapitalzuschüsse
Die Kapitalzuschüsse sind mit der Zinsverbilligung eng verbunden, da sie diese teilweise oder ganz ersetzen können, und da die Berechnung der Höhe des Zuschusses insbesondere von dem Wert der Kreditverbilligung abhängt. Die Bedingungen für die Gewährung eines Kapitalzuschusses sind insofern strenger, als ein bestimmter Anteil der geförderten Investitionen eigenfinanziert sein muß. Insgesamt spielen die Kapitalzuschüsse eine relativ geringe Rolle.
232
2.3.3
Abschreibungen
Die beschleunigte lineare Abschreibung ist normalerweise eine Art Zusatzförderung für die Entwicklungsgebiete, wenn bereits Zins- oder Kapitalzuschüsse gewährt werden. Die normale Abschreibungsrate, jährlich 5 vH bei Industriegebäuden und 10 vH bei Maschinen und Anlagen, kann dabei für drei aufeinanderfolgende Jahre verdoppelt werden. Auch die beschleunigte lineare Abschreibung beruht auf den allgemeinen Expansionsgesetzen, die für die Fördergebiete in allen Regionen gelten. Für bestimmte Wirtschaftsgüter (z.B. Schiffe und wissenschaftliche Ausrüstungen) ist zudem eine Förderung nach einer noch günstigeren, beschleunigten Abschreibung über die regionale Förderung hinaus möglich. Die übrigen administrativen Regelungen für die regionale beschleunigte lineare Abschreibung entsprechen im großen und ganzen den Regelungen der Zinssubvention. 2.4
Staatswirtschaft und staatliche Regulierungen
In Belgien, wie in anderen Ländern, hat die Wirtschaftskrise nicht allein eine Verstärkung der öffentlichen Nachfrage - gemessen etwa am Anteil der öffentlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt - mit sich gebracht, sondern sie hat auch die Formen der staatlichen Intervention verändert. Zwar ist das "öffentliche Aktionariat" in Belgien schon früh Realität gewesen, zumindest insoweit es gewisse Unternehmen mit öffentlichen Dienstleistungsfunktionen betrifft. Dagegen ist die öffentliche Beteiligung an gewerblichen Unternehmen des privaten Rechts ein relativ junges Phänomen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst kurz auf die öffentlichen Unternehmen im engeren Sinne hingewiesen. Es folgt eine Darstellung des Systems der öffentlichen Beteiligungen ("Interventionen"), die in vielen Fällen auf mehr oder weniger versteckte Subventionen hinauslaufen. Schließlich ist noch exemplarisch auf ein spezielles Beispiel industriepolitisch relevanter staatlicher Interventionen mit ihren jeweiligen Implikationen und Problemen hinzuweisen. 2.4.1
Öffentliche Unternehmen
Die öffentlichen Unternehmen hatten zumindest in der Vergangenheit und haben überwiegend noch bis heute keine spezielle
industriepolitische
Funktion. Es soll jedoch nicht übersehen werden, daß die öffentliche 233
Wirtschaft
teilweise durch ihre Investitionen während der Krise
die
geringere Dynamik der privaten Wirtschaft kompensieren konnte. Zu den öffentlichen Unternehmen gehören zunächst vor allem Gesellschaften des städtischen und regionalen Verkehrs, die belgischen Eisenbahnen und die Fluggesellschaft Sabena, zahlreiche Schiffahrts- und Hafenunternehmen, die nationalen Baugesellschaften sowie der Wirtschaftsbereich Postwesen und Telekommunikation
einschließlich
Rundfunk
und
Fernsehen
der
Sprachgemeinschaften. Zum Bereich der öffentlichen Unternehmen gehören ebenfalls wichtige Wasserversorgungsunternehmen sowie einige Unternehmen aus dem Bereich der Elektrizitätserzeugung und der Gasversorgung, deren Anteil an der jeweiligen gesamten Versorgung jedoch relativ gering ist. Die meisten Unternehmen sind in den zuletzt genannten Bereichen privat oder mit überwiegend privater Beteiligung tätig. Daneben gibt es interkommunale Unternehmen in den Wirtschaftsbereichen Regionalentwicklung, Wohnungswesen, Domänenbetriebe, Müllabfuhr und Schlachthöfe. Der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen der öffentlichen Unternehmen insgesamt an den Investitionen der Gesamtwirtschaft lag in den letzten Jahren bei etwa 15 vH, wobei hier - wie bei der Wertschöpfung und der Beschäftigung - die öffentlichen Unternehmen der Wirtschaftsbereiche Verkehr und Telekommunikation dominieren (CEEP 1984). Bereits erwähnt wurden die öffentlichen Unternehmen des Wirtschaftsbereichs Finanzwesen. Allerdings ist hier noch auf die staatliche Exportkreditversicherung (Nationale Delcrederedienst) hinzuweisen, die 1984 bei einer Versicherungssumme von 151,4 Mrd. BFr Ausfälle in einer Gesamthöhe von 8,6 Mrd. BFr zu vergüten hatte (NfA vom 11.7.1985). 2.4.2
Öffentliche Beteiligungen ("Interventionen")
Die nationale Investitionsgesellschaft S.N*I. wurde durch das Gesetz vom 2. April 1962 geschaffen und sah schon damals die Errichtung regionaler Investitionsgesellschaften vor, die nach vielem Hin und Her aber erst 1979/1980 ins Leben gerufen wurden. Dies sind die S.R.I.W. (Société Régionale d'Investissement de Wallonie), die G.I.M.V. (Gewestelijke Investerings Maatschappij voor Viaanderen) und schließlich seit dem 15. Februar 1984, wenn auch bisher von geringerer Bedeutung, die S.R.I.B. (Société Régionale d'Investissement de Bruxelles).
234
Die Aufgaben dieser Holdinggesellschaften sind folgende: Erstens können sie die Investitionen des sogenannten "produktiven" Sektors in verschiedener Form unterstützen, unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche
Unternehmen handelt. Zweitens können die Holdinggesell-
schaften im Rahmen ihrer Aufgabe der industriepolitischen
Initiative
(Gesetze vom 30. März 1976, Artikel 13 und 4. August 1978, Artikel 75) allein oder in Kooperation jegliche ökonomische Aktivität des Produktions- und Distributionsbereichs
durch Forschung,
Vorbereitungsarbeit
oder Gründungshilfen unterstützen. Drittens können die Holdinggesellschaften und ihre Filialen auf Rechnung des Staates oder der Regionen intervenieren und dadurch spezifisch industriepolitische Missionen (sogenannte "missions déléguées") für diese durchführen (vgl. zu diesem Kapitel: de Grauwe/van de Velde 1983, S. 96 f.; Escarmelle 1985a und 1985b; OECD 1978, S. 88 f.). Von 1963 bis 1984 sind über die öffentlichen Holdinggesellschaften etwa 55 Mrd. BFr in mehr als 700 Unternehmen geflossen, davon etwa 45 vH auf eigene Rechnung und 55 vH auf Rechnung des Staates. Allein 43 Mrd. BFr entfielen auf die Krisenjahre 1975/76 und 1982/83. Dabei haben die Interventionen auf Rechnung des Staates und der Regionen, die dritte der obengenannten Holdingaufgaben, in den letzten Jahren stark zugenommen. Die beiden anderen Aufgaben der Investitionsförderung und der industriellen Initiative traten dagegen in den Hintergrund (Escarmelle 1985a, S. 6 f.). Dabei sind aus den eigenen Fonds der Gesellschaften, aber stärker noch bei den Interventionen auf Rechnung des Staates, die Gelder bevorzugt nach Wallonien und Brüssel geflossen. So sind von den regional zurechenbaren Ausgaben bis 1982 56,6 vH für Wallonien und 20,6 vH für Flandern eingesetzt worden. Dies hat sicher auch etwas damit zu tun, daß sich die strukturellen Probleme der Industrie stärker in Wallonien als in Flandern konzentrieren. Bedenklich könnte allerdings sein, daß sich mit der stärkeren Ausweitung der Staatswirtschaft in der einen großen Region des Landes die regionalen Differenzen nun auch in der de facto-Wirtschaftsverfassung verschärfen. Eine besondere Rolle spielen die sogenannten "nationalen" fünf
Wirt-
schaftsbereiche: die Stahlindustrie, die Textilindustrie, der Schiffbau, die Hohlglasindustrie (hier ist nur ein einziges Unternehmen betroffen) und traditionell seit dem zweiten Weltkrieg der Steinkohlenbergbau. Das öffentliche Engagement in diesen Bereichen geht in seiner Größenordnung 235
Tabelle B . l
Belgien Société Nationale d'Investissement (SNI) Beteiligungsübernahmen ("Interventionen")
Beteiligungsübernahmen der SNI Jahr
auf eigene Rechnung
Beteiligungsübernahmen . in Mill. BFr
Zahl der ... , Unternehmen
B^eiligungsübernahmen ..... r in Mill. oBFr
Zahl der .." u^ Unternehmen
1980
50
3 185,0
5
302,4
1981
31
2 557,7
9
1 661,0
1982
37
2 332,6
5
1 316,0
Quelle:
236
auf Rechnung des Staates
CEEP 1984, S. 9.
noch weit über die speziellen Beteiligungen der S.N.I. hinaus. Zum einen gibt es hier die Subventionen aus den durch den Staatshaushalt gespeisten diversen Fonds, zum anderen die Mittel der "Société Nationale pour la Restructuration des Secteurs Nationaux" (S.N.S.N.). Von großem Umfang sind aber auch staatliche Kreditgarantien, sei es direkt, sei es durch Institutionen des öffentlichen Finanzwesens; schließlich können unter bestimmten Umständen Kreditmittel auch durch Garantien aufgrund des Erbschaftsteueraufkommens abgesichert werden. Die gesamten eingegangenen öffentlichen Engagements für die nationalisierten Wirtschaftsbereiche, bei denen es sich teilweise um verlorene Zuschüsse u.ä., zum überwiegenden Teil aber um direkte und indirekte Beteiligungen des Staates handelt, betrugen von 1979 bis 1982 rund 279 Mrd. BFr. Hinzu kommen etwa 126 Mrd. BFr staatliche Kreditgarantien, von denen allein 93,6 vH auf die Stahlindustrie entfallen. Auch von den genannten öffentlichen Mitteln nimmt die Stahlindustrie deutlich über die Hälfte in Anspruch (58,5 vH bis Ende 1982), während auf den Steinkohlenbergbau 23,8 vH, auf den Schiffbau 13 vH und auf den Textilbereich nur 3,8 vH der tatsächlich getätigten Ausgaben entfielen. Über die Rentabilitätsentwicklung der nationalisierten Bereiche mit und ohne Subventionen gibt es kaum Angaben. Der Kohlesektor z.B. wäre ohne staatliche Hilfe in den letzten zwei Jahrzehnten ständig im Verlustbereich gewesen (Escarmelle 1985b, S. 21). Die vorläufigen Planungen für die Jahre 1983 bis 1987 zeigen, daß in dieser Zeit finanzielle Mittel in ähnlicher Größenordnung wie für die Jahre 1979 bis 1982 aufzubringen sein werden (Escarmelle 1985a, S. 17). Dabei ist noch ungewiß, in welcher Höhe die staatlichen Kreditgarantien in Anspruch genommen werden. Betrachtet man die öffentlichen Interventionen insgesamt, so fällt vor allem die enorme Bedeutung der Hilfen an die nationalen Wirtschaftsbereiche seit 1979 auf, Folge vor allem der 1978 definierten "Neuen Industriepolitik".
Die zunehmende Beteiligung des
Staates an dem Prozeß der Kapitalakkumulation stellt tatsächlich ein neues Instrument der Industriepolitik dar. Die mehr als 700 betroffenen Unternehmen, von denen nach den Gesetzen des Marktes viele nicht mehr existieren würden, repräsentierten nach einer Studie des flämischen Wirtschaftsverbands schon 1980 etwa ein Achtel des belgischen und etwa ein Drittel des wallonischen Industrieumsatzes (Vlaams Economisch Verbond 1980). Es ist allerdings fraglich, ob die Übernahme eines bedeutenden 237
Teils des belgischen Industrieapparates
ohne spezifische
öffentliche
Dienstleistungsfunktionen der ursprünglichen Idee der öffentlichen
In-
dustrieinitiative entspricht. Die Übernahme dieser Unternehmen dürfte oft eher aus der Not geboren bzw. dem Motiv entsprungen sein, den rasanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu dämpfen. Dennoch nahm die Beschäftigung zwischen 1976 und 1982 allein in den nationalen Sektoren um ein Drittel ab (Escarmelle 1985 b, S. 25). Die Interventionsproblematik, die sich zudem auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft ergeben kann, soll im folgenden Unterabschnitt anhand der Geschichte des sogenannten Claes-Planes kurz dargestellt werden. 2.4.2.1
Exkurs: Claes-Plan
Aufgrund eines königlichen Erlasses vom 20. November 1977 sollte die belgische Textil- und Bekleidungsindustrie erhebliche öffentliche Mittel in Form zinsloser Darlehen erhalten. Auf Bedenken der EG-Kommission hin hat die belgische Regierung dann im Sommer 1980 den sogenannten ClaesPlan als fünfjähriges Sanierungs- und Umstrukturierungsprogramm zugunsten der gesamten Textil- und Bekleidungsindustrie ausgearbeitet. Danach sollten bis 1985 öffentliche
Darlehen mit einem Zinszuschuß von 7
Prozentpunkten und mit einer Laufzeit von 5 bis 10 Jahren zur Finanzierung von bis zu 30 vH einer Investition und mehr gewährt werden. Die Modalitäten im einzelnen wurden auf Intervention der EG-Kommission mehrfach geändert. Es wurde auch bezweifelt, daß die Darlehen wirklich zurückgefordert würden. Nach einer Untersuchung (Börner 1983, S. 138) hätten, gemessen am Umsatz der Textil- und Bekleidungsindustrie, schon die ursprünglich veranschlagten 35 Mrd. BFr einer Subvention in der Bundesrepublik Deutschland von über 9 Mrd. DM entsprochen. Die Frage, ob die EG-Kommission die Durchführung des Claes-Plans verbieten mußte, ist lange diskutiert worden. Der Mangel an einer klaren industriepolitischen Konzeption der Europäischen Gemeinschaft hat diese Entscheidung nicht eben leichter gemacht. Sicher ist, daß Beihilfen in solcher Größenordnung die Wettbewerbsfähigkeit der Textil- und Bekleidungsindustrie der anderen Mitgliedstaaten der EG entsprechend schwächen. Staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, sind nach Artikel 92 Nr. 1 EWGV verboten. Da der Claes-Plan weder spezifisch regionalbezogen noch dazu konzipiert ist, eine "beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben" (Ausnahmeformel des EWG-Vertrages) zu beheben - im 238
Tabelle B.2
Belgien
Öffentliche Transfers an die nationalisierten Wirtschaftsbereiche (in Millionen BFr zu lfd. Preisen)
nationalisierte Wirtschaftsbereiche
1970-1978
1979-1982
1983-1987
Tatsächliche Ausgaben bis 31.12.78
Eingegangene Verpflichtungen bis 31.12.82
Geplante Ausgaben bis 31.12.87
86,7
Kohle
43,5
35,6
Glas
-
1,9
0,3
Textil
-
30,2
23,2
Stahl
18,4
177,7
147,9
Schiffbau
19,8
25,6
2,0
Insgesamt
124,9
278,9
209,0
Quelle:
Escarmelle 1985, S. 17.
239
gesamten Wirtschaftsbereich sind nicht einmal 3 vH der belgischen Erwerbstätigen beschäftigt - , könnten Beihilfen allenfalls zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zulässig sein. Tatsache ist, daß die belgische Textil- und Bekleidungsindustrie voll entwickelt ist und lediglich die notwendigen Modernisierungs- und Anpassungsmaßnahmen unterlassen hat: Die Unternehmen sind oft klein, der belgische Heimatmarkt ebenfalls, und die belgische Industrie stellt immer noch verhältnismäßig einfache Standardartikel her, die auch der Konkurrenz aus Entwicklungsländern ausgesetzt sind. Tatsächlich wollte der Claes-Plan auch gar nicht die Textilindustrie fördern, sondern lediglich den Verlust an Arbeitsplätzen verringern. Statt 45 000 Arbeitsplätzen sollten bis 1984 lediglich 20 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Die Fortführung des Claes-Planes hätte aber mit Sicherheit die belgischen Schwierigkeiten nur auf andere Länder und insbesondere auch auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen. Zwar wurde der Plan von der Kommission für 1982 und erneut für 1983 unter bestimmten Auflagen genehmigt. Die Fortsetzung des Claes-Plans für 1984 wurde im Sommer 1984 von der EG-Kommission aber endgültig untersagt, da die Situation der belgischen Textil- und Bekleidungsindustrie inzwischen besser als in den meisten übrigen EG-Ländern sei. Am Beispiel der Maßnahmen des Claes-Planes wird deutlich, daß die Beihilfen zur Modernisierung und Umstrukturierung zwar die belgischen Unternehmen wieder wettbewerbsfähig machten, letztlich aber auch dazu dienten, den Wirtschaftsbereich eines Mitgliedsstaates auf Kosten der Wirtschaft der anderen Mitgliedstaaten zu erhalten. 2.5
Unternehmensqrößenbezoqene Strukturpolitik
Ansätze zu einer unternehmensgrößenbezogenen Strukturpolitik sind im allgemeinen in Belgien nur wenig deutlich geworden. Eine effektive nationale Monopolkontrolle besteht nicht, jedoch hat die Konzentrationsproblematik
in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren an
Gewicht gewonnen, insbesondere dort, wo es um den Einfluß multinationaler Unternehmen geht. Tatsächlich ist eine starke Konzentration und Monopolisierung festzustellen. großen Teil
der belgischen
So kontrollieren sechs Konzerne Industrie.
Die
1822 gegründete
einen Société
Générale besitzt etwa 40 vH der Kohleindustrie, 50 vH der Stahlindustrie, 65 vH der nichteisenverarbeitenden Industrie und 35 vH des Elektrizitäts240
sektors; der Konzern Brufina-Confinindus operiert im Stahl-, Kohle- und Elektrizitätsbereich sowie im schweren Maschinenbau; die Gruppe Solvay beherrscht die chemische Industrie; die Gruppe Cop6e hat ebenfalls Interessen in der Stahl- und in der Kohleindustrie; der Empain-Konzern kontrolliert unter anderem Straßenbahnen und elektrische Ausrüstungen; die Bank Lambert ist vor allem in der Mineralölwirtschaft
engagiert
(Paxton 1982, S. 203). Das Vordringen der multinationalen Unternehmen hat die ohnehin hohe Konzentration vor allem in der Industrie beschleunigt. Da der Zugang für ausländische Direktinvestoren in Belgien so gut wie unbehindert war (mit Ausnahme weniger öffentlicher Monopole wie Luftfahrt, Eisenbahnen, Kanäle, Flughäfen u.ä.), war Belgien lange ein bevorzugtes Investitionsland (OECD 1982b, S. 18 ff., S. 27). Einige Untersuchungen (vgl. z.B. Martou 1977) kommen sogar zu der Schlußfolgerung, daß die belgische Industriepolitik mit ihren Incentives mehr zur Neugründung ausländischer als zur Erweiterung inländischer Unternehmen beigetragen hat. Aber auch die nationalen Beteiligungsgesellschaften sind in ihrer Politik, die sich zumeist auf die Sanierung der Krisenindustrien erstreckte, vor allem durch eine Politik der Rationalisierung, der Zusammenfassung von Unternehmen zu wettbewerbsfähigen Einheiten und durch Fusionen mit dem Ziel, überflüssige Kapazitäten abzubauen, hervorgetreten. Der zunächst formulierte Anspruch der öffentlichen Holdinggesellschaften, auch neue industrielle Initiativen zu ergreifen, ist lange vernachlässigt worden. Obwohl in den letzten Jahren die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen in vielen offiziellen Deklarationen hervorgehoben wurde, waren die meisten Maßnahmen doch eher auf eine Förderung von Fusionen gerichtet. Im übrigen wird von 1986 an die Gesellschaftsteuer bei der Gründung und der Kapitalerhöhung von Gesellschaften von 1 vH auf 0,5 vH gesenkt. Für Kapitalanlagen bei Fusionen und Übernahmen wird der bisherige Gesellschaftsteuersatz von 0,5 vH ab 1986 ganz ausgesetzt. Immerhin hat die Wirtschaftspolitik die kleinen und mittleren Unternehmen wenigstens nicht diskriminiert.
Die geld-
und finanzpolitischen
Fördermöglichkeiten standen ja prinzipiell auch diesen Unternehmen offen. Insbesondere die C.N.C.P. und die S.N.C.I. haben die Kreditvergabe für kleinere und mittlere Unternehmen des Handwerks, des Handels und der Industrie erleichtert. Bei der Gründung und Erweiterung sehr kleiner Unternehmen gab es schon in den 70er Jahren die Möglichkeit, Lohnkostenzuschüsse
für
zusätzlich
Beschäftigte
zu
erhalten
(Van
Rompuy/Donckels 1978). Nicht ganz ohne Bedeutung ist in Belgien auch 241
das sogenannte Mittelstandsministerium (Ministère des classes moyennes), dessen Stellungnahmen z.B. die Kreditgewährung erleichtern können und das sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt zugunsten der kleineren Unternehmen eingesetzt hat (Kumps/Wtterwulghe 1978, S. 97). Bei der Gewährung von Kreditbürgschaften hat man seit Ende der 70er Jahre auch verstärkt versucht, Risikokapital für die Gründung und Erweiterung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu erschließen. In jüngster Zeit ist diese Tendenz dadurch verstärkt worden, daß man auch im Bereich der Technologiepolitik die Rolle dieser Unternehmen für Forschung und Entwicklung erkannt hat. Zum Schluß sei auf einen wichtigen unternehmensstrukturbedingten regionalen Unterschied in Belgien hingewiesen. Nicht zuletzt, weil sich die traditionellen Industrien mit ihren Großunternehmen, die sich als besonders krisenanfällig erwiesen haben, überwiegend in Wallonien befanden, ist dort im allgemeinen die Unternehmenskonzentration auch größer. Dagegen haben in Flandern die kleinen und mittleren Unternehmen ein größeres Gewicht. Diese Tatsache, früher oft als Nachteil Flanderns betrachtet, erweist sich heute in mancher Hinsicht eher als Vorteil, da die Wirtschaftsstruktur in diesem Landesteil flexibler und den modernen Technologien in einem stärkeren Maße geöffnet ist. 2.6
Technoloqiepolitik
Ebenso wie in den anderen Politikbereichen ist es in den 80er Jahren auch in den Bereichen Forschung und Entwicklung zu einer Übertragung bestimmter Zuständigkeiten von der nationalen Regierung auf verschiedene regionale Institutionen gekommen. Obwohl es weiterhin eine nationale Grundlagenforschung und Wissenschaftspolitik gibt, werden nunmehr gewisse Projekte, insbesondere im anwendungsorientierten Bereich von FuE direkt durch bestimmte regionale Institutionen finanziert. Dies führt gemäß EG- und OECD-Vereinbarungen allerdings dazu, daß die aktuelle Entwicklung von FuE eher unterschätzt wird, da derartige Ausgaben nicht mehr direkt in den nationalen Budgets bzw. Statistiken
erscheinen.
Dennoch sind nach OECD-Angaben (OECD 1984a, S. 206) die realen Ausgaben für FuE seit Ende der 70er Jahre in Belgien deutlich gestiegen. Die Ausgaben des nationalen Wissenschaftsamtes lagen zu Beginn der 80er Jahre bei etwa 500 Millionen Dollar (errechnet nach de Young 1984, 242
S. 57), die nationalen Gesamtausgaben einschließlich des privaten Sektors sogar bei über 1 Mrd. Dollar bzw. bei etwa 1,5 vH des Bruttoinlandsprodukts (OECD 1984a, S. 154 ff.). Im Vordergrund standen dabei Programme für die Forschung im Energiebereich und für die Weiterentwicklung der Biotechnologie. Die industrielle Umsetzung der Forschungsergebnisse ist allerdings nach Einschätzung von Fachleuten noch unzureichend (NfA vom 4.11.1985). Während die Biotechnologie vor allem in Wallonien immer
stärkere
Beachtung findet, konzentriert sich Flandern mehr auf die Mikroelektronik. Daneben werden allerdings auch neue Werkstoffe, Roboter, Telematik, Raumfahrt, neue Energiequellen und medizinische Technologien gefördert. Zur Förderung wird das ganze industriepolitische Instrumentarium eingesetzt. Außerdem wurden einige "Beschäftigungszonen" für die Niederlassung bestimmter Zweige des Hochtechnologiebereichs eingerichtet, und zwar in Tessenderlo-Beringen (70 ha), Geel-Diest (50 ha) und Ieper (30 ha). Risikokapital für die technologische Innovation wird u.a. auch durch die
regionale
flämische
Beteiligungsgesellschaft
für
Investitionen
G.I.M.V., in zunehmendem Maße aber auch durch die Banken und Sparkassen des Landes oder durch speziell von ihnen gegründete Tochtergesellschaften bereitgestellt. Eine staatliche Stelle für den Technologietransfer, die TEV, stellt Kontakte zur Nutzung neuer Technologien für mittlere und kleinere flandrische Firmen her. Mehrere Universitäten Flanderns haben ein Zentrum für angewandte Mikroelektronik, das IMEC gegründet. Eine Spezialmesse, die Flanders Technology International (FTI) soll einen Gesamtüberblick über die technische Entwicklung bieten und die Herstellung von Kontakten
im
internationalen
Rahmen fördern
(NfA
vom
7.3.1985). Die Intentionen der 1978 von der belgischen Regierung verkündeten neuen Industriepolitik (Chambre des r6presentants 1978) waren auch hinsichtlich der Forschungs- und Technologiepolitik anspruchsvoll. Zahlreiche Maßnahmen, wenn auch ohne stringentes Konzept, waren angekündigt worden; sie sind zumeist nur teilweise oder unzureichend verwirklicht worden. Ein wichtiger Grund hierfür wird in der Schwerfälligkeit
der öffentlichen
Forschungsinstitutionen in Belgien gesehen, wobei auch auf die größere personelle Flexibilität entsprechender amerikanischer oder multinationaler Forschungsinstitutionen hingewiesen wird (Donnea 1978, S. 64). Dennoch ist es gelungen, einige - auch im internationalen Vergleich - markan243
te FuE-Schwerpunkte zu setzen. So ist etwa der Anteil an den FuEAusgaben für die Bereiche Umweltschutz und insbesondere Gesundheitsund Sozialdienste deutlich höher als in den meisten anderen Ländern, während die militärische Forschung nur eine sehr geringe Rolle spielt (OECD 1985, S. 16). Die Außenhandelsbilanz für Hochtechnologieprodukte ist allerdings defizitär, obwohl Belgien in Teilbereichen - z.B. als einer der
wichtigsten
Exporteure
von
Atomreaktoren -
Erfolge
erzielte
(Szuprowitz 1984, S. 60 f.). Im April 1985 haben die Wirtschafts- und Forschungsminister der BeneluxStaaten beschlossen, ihre Forschungspolitik in Zukunft vor allem in den internationalen Organisationen enger zu koordinieren. Eine Zusammenarbeit wird vor allem in den Bereichen Energieeinsparung und -substitution, in der Mikroelektronik
sowie im Rahmen der EG-Gemeinschaftspro-
gramme zur Grundlagenforschung auf dem Gebiet der industriellen Technologien für Europa (BRITE) angestrebt. Im Benelux-Rahmen sollen auch die sozioökonomischen Folgen des technologischen Wandels erörtert werden. 2.7
Industrial Relations und Lohnpolitik
Wie viele andere Politikbereiche stand auch die Entwicklung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern seit den 60er Jahren im Schatten der regionalen Auseinandersetzungen. Dies gilt aber auch, und insbesondere, für die Beziehungen der Gewerkschaften untereinander. Die größte
Einzelgewerkschaft,
die
christliche
Arbeitnehmerorganisation
ACV, hat ihre Anhängerschaft überwiegend im christlich-sozialen und flämischen Potential und neigte daher in den letzten Jahren auch politisch zur Unterstützung des Premierministers, während die zweite große Einzelgewerkschaft, die sozialistische FGTB, politisch eher in der Opposition steht. Spannungen bestanden allerdings nicht nur innerhalb der Gewerkschaftsbewegung, sondern auch zwischen den Tarifparteien und gegenüber dem Staat. In den 70er Jahren war der Regierungseinfluß auf die Einkommensbildung noch relativ gering. Die Lohnbildung vollzog sich bis Anfang der 80er Jahre im Zeichen einer starken Bindung der Lohnentwicklung an den Preisindex; insbesondere für den Fall der Arbeitslosigkeit gab es umfangreiche
Einkommensgarantien. Demgegenüber hat die Regierung
gegen den Widerstand der Gewerkschaften in den letzten Jahren versucht, einen direkten Einfluß auf die Preis- und Lohnbildung zu erlangen, mit 244
dem Ziel, vor allem eine Einkommensumverteilung zugunsten der Unternehmenserträge zu erreichen. Weitgehende Außerkraftsetzungen der Indexbindung, ja sogar ein Einfrieren der realen Löhne führten zu starken Spannungen mit den Gewerkschaften (OECD 1982c, S. 30 f.). Seit 1981/82 gibt es zudem Befreiungen von den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, aber auch eine Aussetzung der Indexierung der Löhne sowie Prämien, wenn eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichzeitiger Steigerung der Beschäftigung durchgeführt wurde. Angestrebt wurde eine Senkung der Kaufkraft der Arbeitnehmer um 5 vH durch zeitweisen Lohnstopp und Beschränkung des Indexsystems sowie eine Senkung der Arbeitszeit um 3 vH bei einer Steigerung der Beschäftigung um ebenfalls 3 vH. Unternehmen, die sich an diesen Maßnahmen nicht beteiligten, mußten die Einsparungen an Lohnkosten in einen staatlichen Beschäftigungsfonds zahlen. Die Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums durch den Nachfrageausfall dürfte allerdings mögliche Beschäftigungseffekte weitgehend kompensiert haben. 1984 versuchte die Regierung, die Tarifparteien zum Abschluß eines nationalen Rahmentarifabkommens zu bewegen. Als dies mißlang, setzte die Regierung Leitlinien für den Inhalt sektoraler Tarifverträge
mit
Regelungen für die Arbeitszeit und die Erhöhung der Lohnsumme. Maßgebend für die Erhöhung der Lohnsumme soll unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit die Lohnentwicklung bei den sieben wichtigsten Handelspartnern Belgiens sein (OECD 1984b, S. 10 f.).
245
3.
Zusammenfassende Wertung
In der Nachkriegszeit, insbesondere seit Ende der sechziger Jahre, sind zwei die Wirtschaftsstruktur in Belgien determinierende Faktoren immer wichtiger geworden. Mit zunehmender internationaler
wirtschaftlicher
Verflechtung, stimuliert durch die europäische Integration, hat sich einmal die Bedeutung der Außenwirtschaft für die belgische Wirtschaft stark erhöht. Damit rückten auch die Notwendigkeit und das Problem der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit
Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen
der belgischen Industrie in den Überlegungen. Andererseits
er-
zwang die innenpolitische Entwicklung, insbesondere die Verschärfung der Spannungen zwischen den verschiedenen Sprach- und Kulturgemeinschaften, eine stärkere Ausrichtung insbesondere der Wirtschaftspolitik auf die regionalen und strukturpolitischen Probleme des Landes. Von den mit der Verfassungsreform von 1980 gegebenen Möglichkeiten für die Regionen zur individuellen institutionellen Ausgestaltung des Verfassungsrahmens machten zudem Flandern und Wallonien unterschiedlichen
Gebrauch,
woraus sich eine im Vergleich mit anderen bundesstaatlichen Ordnungen ungewöhnliche institutionelle Asymmetrie ergab. Wegen der besseren ökonomischen Entwicklung Flanderns haben dessen Vertreter auch häufig gegen den zentralen Finanzausgleich opponiert. Die Tatsache, daß mehr als zwei Drittel der belgischen Exporte aus Flandern kommen und daß die Produktivität hier höher ist als in Wallonien, der Durchschnittslohn jedoch etwa 8 vH niedriger und die Streikfreudigkeit wesentlich geringer, trägt dazu bei, daß die Flamen nicht länger wirtschaftspolitische "Opfer" für Wallonien bringen wollen (Lepszy/Woyke 1984, S. 5 und 13). In diesem Spannungsfeld zwischen außenwirtschaftspolitischen Erfordernissen einerseits, regional- und gesellschaftspolitischen Forderungen andererseits war es für die Struktur- und Industriepolitik sicherlich nicht einfach, eine gesamtwirtschaftlich überzeugende und kohärente Strategie zu entwickeln. Traditionell hatten die Gesetze zur wirtschaftlichen Expansion zunächst die allgemeine Industrie- und Investitionsförderung zum Ziel. Hiervon profitierten
die multinationalen Unternehmen wohl am
stärksten. Da der Rest der Wirtschaft hinsichtlich der dringend erforderlichen Modernisierung zu zurückhaltend war, kam es zu einem gewissen "Dualismus" der Entwicklung, wobei in vielen Bereichen auch die bessere Exportperformance der multinationalen Unternehmen deutlich wurde.
246
Die eigentliche Wende der Industriepolitik kam nach der Rezession ab Mitte der siebziger Jahre. Die staatlichen Eingriffe
verstärkten sich
sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Wichtigstes Merkmal dieser neuen Industriepolitik waren die Beteiligungen des Staates an den Unternehmen in den sogenannten nationalen Sektoren. Dabei handelte es sich überwiegend um traditionelle industrielle Bereiche (insbesondere Stahlindustrie und Kohlenbergbau), deren Defizite in zum Teil beängstigendem Ausmaß zunahmen. Mit dem immer wieder erklärten Ziel der Umstrukturierung und Modernisierung hielt die tatsächliche Entwicklung allerdings häufig kaum Schritt. Zu schnell häuften und verschärften sich die Probleme, in immer stärkerem Ausmaß kam es auch zu Überkapazitäten, so daß die staatlichen Subventionen immer mehr lediglich dem Abdecken von Defiziten dienten. De facto hat sich die Umstrukturierung eher verlangsamt. Die regionale Konzentration der Probleme der besonders betroffenen Industrien hatte das politische Konfliktpotential insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zwischen Flamen und Wallonen deutlich erhöht und sollte durch großzügige öffentliche
Beteiligungen
entschärft werden. Statt Umstrukturierung standen hier tatsächlich Erhaltung und soziale Abfederung von Arbeitsmarktproblemen im Vordergrund. Bei der hohen Arbeitslosigkeit war eine solche Sozialkomponente der öffentlichen Subventionspolitik sicher von großer Bedeutung. Insgesamt aber wurden die Probleme eher verschleppt. Überkapazitäten wurden erhalten und der Blick mehr in die Vergangenheit als in die Zukunft gerichtet. Die Textilindustrie bildet hier eher die Ausnahme. Mit Hilfe massiver finanzieller Unterstützung durch den Staat wurden die Produktionsstrukturen
so weit umgestellt, daß die Arbeitsproduktivität
der
belgischen Textilindustrie (einschließlich Leder- und Bekleidungsgewerbe) heute im Vergleich der westlichen Industrieländer untereinander
am
höchsten ist.
Seit Beginn der achtziger Jahre werden die Akzente allmählich anders gesetzt. So hat das Interesse an FuE-Investitionen für die Zukunft der belgischen Wirtschaft deutlich zugenommen. Ferner werden nunmehr auch wieder verstärkt kleine und mittlere Unternehmen gefördert, zumal man hier am ehesten positive Arbeitsplatzeffekte
erwartet. Eine gewisse
Problematik könnte sich mittel- und längerfristig daraus ergeben, daß die neuen industriepolitischen Ansätze offensichtlich stärker in Flandern als in Wallonien verfolgt werden. Während die Flamen aus der Not eine Tugend machten, d.h. den lange empfundenen Mangel an traditionellen 247
Industrien in ihrem Landesteil durch den Aufbau neuer und moderner Industrien zu kompensieren suchten, ist dies in Wallonien - wohl auch wegen der stark strukturkonservierenden Industriepolitik - bisher weniger gelungen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Industrie ist heute besser als vor fünf Jahren. Sie wurde allerdings teuer erkämpft. Die restriktive Wirtschaftspolitik hat zwar den Kostendruck auf die belgische Wirtschaft gedämpft, sie wurde aber auch durch eine langanhaltende Rezession mit entsprechenden Produktionsausfällen und eine der höchsten Arbeitslosenquoten erkauft. Es kann allerdings erhofft werden, daß die konjunkturelle Erholung der Nachbarländer Belgiens, die zugleich die wichtigsten Handelspartner sind, auch der belgischen Wirtschaft allmählich wieder
in ein ruhigeres Fahrwasser
verhilft. Bei einer solchen
Entwicklung werden sich die Spielräume für die neuen industriepolitischen Akzente
vergrößern,
strukturkonservierende
Investitionen
allmählich
durch zukunftsgerichtete Investitionen ersetzen lassen. Wenn auch die schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen Belgiens nicht außer acht gelassen werden können, so kann doch die hier betriebene Industriepolitik kaum als Vorbild verstanden werden. Dies gilt um so mehr, als mit den umfangreicher
werdenden Interventionen des Staates im
allgemeinen keinerlei öffentliche (Dienstleistungs-)funktionen verbessert oder erfüllt werden konnten. Es ist allerdings nicht zu bezweifeln, daß die Probleme der bisherigen Politik in den letzten Jahren immer deutlicher erkannt wurden und daß neue Ansätze der Industriepolitik sichtbar werden. Die Regionalisierung des Landes, so negativ sie auch auf die gesamtwirtschaftlich erwünschte Kohärenz der industrie- und strukturpolitischen Maßnahmen gewirkt haben mag, hat jedoch auch das Selbstbewußtsein der Regionen erhöht und neue regionale und lokale Initiativen gefördert.
Am deutlichsten wird dies bisher in Flandern, wo es in
technologisch bedeutsamen Bereichen, etwa in der Elektronik, bereits zu zahlreichen Gründungen kleiner und mittlerer Firmen gekommen ist.
248
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252
Länderbericht Norwegen
253
Inhalt
Seite 1.
Demographische und geographische Gegebenheiten:
255
2.
"Weißes Gold" als Basis der Industrie
255
3.
Sozioökonomische Nebeneffekte der Industriepolitik
256
4.
Industriepolitik durch Verhandlungen
257
5.
Planungsverfahren und Dezentralisierung
260
6.
Hilfen für die Peripherie
262
7.
Arbeit durch "Schwarzes Gold"
263
8.
"Dutch Disease"
266
9.
Lohnpolitik - ein Organisationsproblem?
267
10.
Ein Bankwesen im Dienste der Gesellschaft?
269
11.
Staatliche Kontrolle der Expansion des Ölsektors
271
12.
Steuerbelastung und Subventionen
272
13.
Technologiepolitik
277
14.
Handelspolitik im Dienste der Industrie
279
15.
Kurswechsel erforderlich
281
16.
Zusammenfassende Wertung
287
Literaturverzeichnis
254
290
1.
Demographische und geographische Gegebenheiten:
Geographisch gesehen ist Norwegen ein relativ großes Land. Es hat eine große Nord-Süd-Ausdehnung (1 752 km), eine noch viel längere, von Fjorden und Buchten geprägte Küste (rund 21 000 km) aber eine kleine, geographisch sehr ungleichmäßig verteilte Bevölkerung (rund 4 Mill.). Nur 5 vH der Fläche sind besiedelt. Der weitaus größte Teil davon liegt im Südosten des Landes (um Oslo), in den anschließenden Tälern, entlang der Süd- und Südwestküste (bis Bergen) sowie um Trondheim. Rund 20 vH der Bevölkerung wohnen weniger als 15 km von der Küste entfernt. Auf der nördlichen Strecke von Trondheim bis Kirkenes (2 000 km Straße) wohnen nur rund 600 000 Menschen. Diese Daten sind für das Verständnis des folgenden Berichts wichtig. 2.
"Weißes Gold" als Basis der Industrie
Die Kombination aus gebirgiger Topographie und reichlichen, über das ganze Jahr verteilten Niederschlägen gibt Wasserläufe, die sich für eine Stromerzeugung eignen. Da Strom auf diese Weise zunächst zu einem vergleichsweise sehr niedrigen Kostenpreis geliefert werden konnte, bot es sich an, diese Naturressourcen für extrem energieintensive Produktionen zu nutzen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg fing die Salpeterproduktion (mittels Lichtbogen) an. Von 1923 an kamen Ferrosilicium, Zink und Aluminium dazu - auf private Initiative, mit vorwiegend ausländischem Kapital und für ausländische Abnehmer. Die rückläufige, depressive Entwicklung des Welthandels bremste zwar auch diese Exportgeschäfte. Dennoch hatten sie nach weiteren 15 Jahren, im Jahre 1938, einen größeren Umfang erreicht als die traditionellen Exporte von Fischen und Fischprodukten. Nur noch die holzverarbeitende
Industrie (vor
allem
Papierproduktion) und die Schiffahrt verdienten damals noch mehr Devisen. Als der Welthandel nach 1945 wieder wuchs und nach und nach liberalisiert wurde, wurden auf der Grundlage dieser Erfahrung politische Weichen für die strukturelle Entwicklung der Industrie gestellt. Denn die Fischexporte unterlagen natürlichen, mengenmäßigen Beschränkungen, auf den Märkten für norwegische Holzprodukte kam eine Konkurrenz durch Länder auf, die einen komparativen Vorteil besaßen, und hinsichtlich der Dienstleistungsexporte
der
Reeder
waren die
Wachstumserwartungen 255
nicht sehr optimistisch, da sowohl ausländische Flaggenprotektion (nach US-amerikanischem Muster) als auch Abwanderungen (Steuerpolitik der sozialdemokratischen Regierung) befürchtet
wurden. Folglich brauchte
man einen Ersatz für erwartete Industriegüterimporte und/oder ein kompensierendes Wachstum von Industriegüterexporten. Die Regierung entschied sich für eine internationale Arbeitsteilung entsprechend der traditionellen Außenhandelstheorie - Nutzung der komparativen Vorteile für Produktionen, die Importe nicht ersetzen - , d.h. für wasserkraftnutzende Produktionen. Mittels einer besonderen Behörde, "Norges Vassdragsvesen", wurde der Bau von Wasserkraftwerken forciert und Strom extrem billig an Großabnehmer (auch in Nachbarländer) abgegeben; die größten Verbraucher zahlten die niedrigsten Tarife. Dieser Ausbau fand vor allem in SüdNorwegen statt. Mit zunehmender Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten wurden immer größere und umfassendere Bauarbeiten erforderlich. Der Kostenpreis des "weißen Goldes" stieg rapide an, während die Eingriffe in die Natur zugleich die Naturschützer auf den Plan riefen. Bereits Ende der 60er Jahre waren weitere Wasserlaufregulierungen nur gegen massive Widerstände durchzusetzen. 3.
Sozioökonomische Nebeneffekte der Industriepolitik
Diese Strukturpolitik
zugunsten von strombrauchenden
Exportproduk-
tionen war eine aus politischer Sicht in zweierlei Hinsicht bequeme Lösung. Erstens: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit
schien lang-
fristig gesichert zu sein. Und zweitens: Von der Bevölkerung wurde weniger Leistung und Anpassung an technische Zwänge verlangt als im Falle der alternativen, international wettbewerbsfähigen Produktion von Importsubstituten. Sie hatte aber auch zwei weitere volkswirtschaftlich wichtige Konsequenzen, die vermutlich nicht eingeplant waren: Stärker als andere west-europäische Länder behielt Norwegen den Charakter einer dualistischen Ökonomie. Dualistisch heißt, daß die Wirtschaft im wesentlichen aus zwei Teilen besteht, die einander vergleichsweise wenig berühren - auf der einen Seite arbeiten Branchen, wie Schiffahrt und Aluminiumerzeugung, die gänzlich von der Entwicklung auf wohlorganisierten, transparenten internationalen Märkten abhängen, und auf der anderen Seite gibt es Aktivitäten wie öffentliche Dienste und Handwerk, 256
die nur auf den inländischen Bedarf zielen. Die Entwicklung und die politische Nutzung eines entsprechenden Inflationsmodells sind ein Indiz für den Grad an Dualität in der norwegischen Ökonomie (Aukrust, 1970 und 1977). Ein bemerkenswertes Merkmal dieses Inflationsmodells ist, daß die Inflationstendenzen nicht auf die Geldpolitik, sondern auf die Entwicklung des Inlandsangebots zurückgeführt werden - die Geldpolitik alimentiert lediglich diese Vorgänge. Die zweite Konsequenz der Strukturpolitik begründet diese Inflationshypothese. Sie bestand in einer Förderung der Politisierung wirtschaftlicher Allokationsentscheidungen: Wenn ein weiteres Wasserkraftwerk wird, dann müssen viele Grundeigentümer
gebaut
enteignet und entschädigt
werden, muß mit einer oder mehreren ländlichen Gemeinden Einigkeit über den Bau von Straßen, Führung von Stromleitungen, Unterbringung der Bauarbeiter etc. erzielt werden und muß - in der Regel - die industrielle Großabnahme durch analoge Voraussetzungen an einem anderen Standort gesichert werden. Es muß also eine gemeindeübergreifende Koordination mehrerer Investitionen geben. Da Alternativen (zum Beispiel hinsichtlich der
Allokation
der
industriellen
Produktionsanlagen)
zur
Diskussion
stehen, die sich hinsichtlich der Vor- und Nachteile, der Kosten und der zukünftigen Verteilung von Einkommen unterscheiden, versuchen Regierung, Parlamentarier, Vertreter der technischen Behörden, Investoren, Grundeigentümer, Lokalpolitiker, Gewerkschaften, Vertreter der vorhandenen Gewerbezweige etc., das Planungsverfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wegen der geringen Größe und der regionalen Verteilung der Bevölkerung ist die jeweilige Rollenverteilung sowohl leicht ersichtlich als auch ein Thema, über das in den Massenmedien berichtet und auf der Grundlage eines selbstbewußten Demokratieverständnisses diskutiert wird. Daraus bilden sich wiederum Erfahrungen und Spielregeln für ähnliche Fälle. 4.
Industriepolitik durch Verhandlungen
Es kamen Verhaltenskodizes sowie gesetzliche Regelungen für Planungsverfahren und organisierte Einflußnahmen auf, die in wesentlicher Hinsicht von den Spielregeln abweichen, die man gewöhnlich mit der Kombination aus demokratischer politischer Ordnung und marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung assoziiert. Selbst wenn die Aufrechterhaltung
von
industriellen Arbeitsplätzen in Frage gestellt ist, hängt das Ergebnis von 257
der entstandenen Mischung aus wirtschaftlichen, politischen und bürokratischen Entscheidungsmechanismen ab. In Norwegen selbst spricht man von Verhandlungswirtschaft (forhandlingstfkonomi), korporativem Pluralismus und Mischadministration (blandingsadministrasjon). In der industriepolitischen Praxis hat dieses System die Eigenschaft, daß die Verantwortungen und Zuständigkeiten auf mehrere Ministerien verteilt sind - nämlich diejenigen, die wegen der Thematik oder Zuständigkeit für die angesprochenen Interessengruppen betroffen sind. Zum Beispiel werden zumindest acht Ministerien (Premierminister, Industrie, Gemeinden und Arbeit, Verkehr, Finanzen, Milieuschutz, Fischerei sowie Landwirtschaft) fördernd oder bremsend aktiv, wenn jemand irgendwo an der Küste in einer bisher landwirtschafts-/fischereiorientierten
Gemeinde eine pe-
trochemische Anlage errichten möchte. Alle diese Ministerien sind wiederum nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, ehe sie sich (verbindlich)
mit
ihrer
Klientel (Interessenorganisationen)
verständigt
haben. Das Niederlassungsgesetz (Etableringsloven) ist die wesentliche Regelung derartiger Engagements. Ein weiteres Beispiel mag diese Verankerung der Industriepolitik durch die Rücksichtnahme auf organisierte Interessen zusätzlich beleuchten: Es betrifft Investoren. Eine Minderheitsbeteiligung an einem Mischkonzern soll erworben werden, der u. a. Eigentümer einer Papierfabrik mit eigenem Wasserkraftwerk Aktienpaketes
ist. Wegen dieses Kraftwerks
genehmigungspflichtig,
wenn die
ist der Kauf des
gesamte
Beteiligung
10 vH des Aktienkapitals übersteigt. Diesmal müssen sowohl das Gewässeramt (Vassdragsvesenet) als auch das vorgesetzte Öl- und Energieministerium eine Konzession erteilen. Das Ministerium entscheidet auf der Grundlage von Stellungnahmen der Politiker und der Wirtschaft am Orte der Papierfabrik.
Besonderes Gehör finden die Erwartungen, die die
Arbeiter der Fabrik mit dem neuen Mitbesitzer verbinden. Falls der Konzern mit weiteren Gewerbekonzessionen ausgestattet ist, hängt die Paketübernahme außerdem noch von den entsprechenden Genehmigungen der übrigen involvierten Behörden ab. Der Erwerb eines Anteils an einem Mischkonzern wird in der Bundesrepublik Deutschland allenfalls unter dem Wettbewerbsgesichtspunkt behördlich untersucht und mit der Aussicht auf Kammergerichtsprozesse gegebenenfalls vom Kartellamt 258
abgelehnt. Das norwegische Pendapt zum
Kartellamt, das Preisamt, hat sich bisher nicht mit der Verhinderung von monopolartigen Angebotsstrukturen befaßt, sondern lediglich ihre Entstehung und Wirkung analytisch verfolgt. Es vertraute vielmehr auf das Instrument der Preiskontrollen und auf die Möglichkeit, Benachteiligungen von potentiellen Lieferanten bzw. Kunden (Verweigerung von Lieferungen, Preisdifferenzierungen)
zu untersagen. Wettbewerbsbeschränkende
Ab-
sprachen sind meldepflichtig. Zwar werden seit langem umfassende Preisordnungen nicht mehr als Mittel der Inflationsbekämpfung genutzt, aber die rechtliche Möglichkeit, die auch auf einzelne Produkte anwendbar ist, besteht noch und reichte bisher anscheinend aus, unerwünschte Preiseffekte von Marktmacht - meistens auf dem Verhandlungswege - von vornherein zu unterbinden. Inzwischen hat sich der wirtschaftspolitische Stil etwas, in Richtung Marktwirtschaft, geändert, und zugleich fanden Investoren Gefallen an Unternehmensfusionen
und Mischkonzernbildungen.
Deshalb steht eine Kompetenzerweiterung des Preisamtes zur Diskussion. Monopolmachtmißbräuche sollen auch über eine Kontrolle der unternehmerischen Verflechtungsstruktur verhindert werden können. Vorerst kann man aber davon ausgehen, daß die norwegische Wettbewerbspolitik keine kartellartigen Kooperationsverträge oder Unternehmensfusionen verhindern wird, die versprechen, die technische Effizienz der Produktion - und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit - zu steigern. Die Vielfalt der Planungs- und Genehmigungsverfahren hat vielmehr eine gewisse - politische - Präferenz für "großindustrielle" Verhandlungspartner
ent-
stehen lassen. Es ist sogar vorgekommen, daß Großunternehmen in Zeitungsanzeigen mit ihrer Fähigkeit zur Lösung politisch bedingter Koordination» und Verhandlungsprobleme warben (Hernes 1978, S. 95). Mit derzeit 18 Ministerien (einschließlich des Büro des Premierministers) ist die norwegische Regierung - im Frühjahr 1986 - vergleichsweise stark zergliedert. Sich überschneidende bzw. konkurrierende Kompetenzen kommen entsprechend oft
vor. Es gibt jedoch ständig Bemühungen um
organisatorische Effizienzsteigerungen: Gegenwärtig steht der Vorschlag zur Diskussion, daß die Teile des Handelsministeriums, die sich mit dem Außenhandel beschäftigen, nach schwedischem Vorbild in die außenwirtschaftliche Abteilung des Außenministeriums zu überführen. Vor ein paar Jahren wurde die Forschungsadministration auf Anregung der
OECD
reorganisiert.
259
Nicht nur zentrale Verbände - wie die Industrie- und Handelskammer, der Industrieverband, der Arbeitgeberverband, der Gewerkschaftsbund (Landesorganisationen)
sondern auch spezielle Branchenorganisationen sind
in der wachsenden Anzahl permanenter Ausschüsse, Aufsichtsräte, Beiräte etc. vertreten, die auf der Ebene der Ministerien und Reichsbehörden Entscheidungsbefugnisse erhalten haben. Sonderkommissionen stellen ein beliebtes Mittel zur Lösung von Konflikten dar. Diese Mitsprache der Verbände in der Politik -
regt zur Bildung von neuen Verbänden an,
-
hat den angestellten und gewählten Vertretern der Verbände eine gewisse Autonomie gegeben, so daß die Zentrale gegenüber den einzelnen Verbandsmitgliedern die Rolle eines Pseudo-Ministeriums einnimmt und
-
führt schließlich zu einem Kollegialitätsverhältnis zwischen den gestaltenden Bürokraten (aus Ministerien und Verbänden).
Das ist ein Grund für die Charakterisierung der norwegischen Wirtschaftspolitik als "expertokratische Wirtschaftssteuerung 11 . Ein zweiter ist, daß "unabhängige Experten", mit Vorliebe Professoren, als Sachverständige in die Ausschüsse, Aufsichtsräte, Beiräte und besonderen Kommissionen berufen werden. 5.
Planungsverfahren und Dezentralisierung
In Verbindung mit der Nachkriegs-Industrialisierungspolitik kam der Gedanke einer landesweiten Industrieplanung auf. Die Ausgangspunkte waren die - damals - noch neuen und unausgereiften Instrumente der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Input-Output-Tabelle. Aufgrund der geschilderten Problematik der Nutzung von Wasserkraftressourcen konnte die norwegische Regierung sich nicht mit einer globalen Politik begnügen. Detaillierte Produktionspläne kamen wiederum aus konstitutionellen Gründen nicht in Betracht. Folglich mußte ein "Zwischending", die aktive Strukturpolitik, praktiziert werden. Ein damit betrauter Arbeitsstab wurde im Finanzministerium eingerichtet.
260
Ein zentrales Problem dieser Strukturpolitik ist, daß eine Optimierung der Branchenstruktur nicht ausreicht. Denn da die Investitionen und die daraus folgenden Arbeitsplätze eine geographische Verteilung haben, muß Strukturpolitik auch Regionalpolitik sein. Das ist in Norwegen wichtig. Auf der Grundlage der vorhandenen Siedlungsstruktur ist die optimale Branchenstruktur in Norwegen eine andere als in einer kontinentalen Provinz mit gleich großer Bevölkerung. Die Einwirkung der zentralen strukturpolitischen Willensbildung auf die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Gemeinden und die erwähnten Reaktionen und (versuchten) Einflußnahmen seitens der Betroffenen hatten zwei weitere institutionelle Effekte, die für die Organisation und Durchführung einer norwegischen Industriepolitik wichtig sind: Der Bedarf der Gemeinden an eigenen (Ziel-)Vorstellungen bezüglich der Gewerbeentwicklung und die Mitwirkung der Gemeinden in der Durchführung von zentral bestimmten Vorhaben gaben den Anstoß zu einer Gemeindereform - ländliche Großgemeinden mit einer eigenen Bürokratie wurden gebildet. Die erhöhten Aktivitäten auf Gemeindeebene verursachten
wiederum
einen Bedarf an Koordination und Kooperation von Nachbargemeinden. Daraus ist eine politische Stärkung der "Länder 11 (fylkene) hervorgegangen, die zuvor rein administrative Einheiten - mit deutschen Regierungsbezirken vergleichbar - waren. Auf Länderebene ist eine Bürokratie installiert worden, die durch gewählte politische Vertreter der jeweiligen Landesbevölkerung geleitet und kontrolliert werden soll. Es handelt sich also um einen Schritt in Richtung eines 'de facto-Föderalismus 1 . Da eine Länderadministration Pendants zu binnenpolitisch orientierten Ministerien hat, "mußten" auch Verbände auf Länderebene aktiv werden. Daraus ergab sich wiederum die Bildung von beratenden und de facto beschließenden Kommissionen - zum Beispiel ein korporativer Industrierat aus Vertretern des "Länderparlaments" (fylkesting), des Landesindustrieverbandes und des Landeskoordinationsausschusses der Gewerkschaften (Samorganisasjonens fylkesutvalg). Die industriepolitischen Aktivitäten auf Länderebene beinhalten einerseits eine gewissen Dezentralisierung und damit eine Behinderung der zentral entworfenen Strukturpolitik. Auf der anderen Seite kanalisieren sie Interessen und erleichtern damit die Berücksichtigung von regionalen Wünschen, wenn die Strukturpolitik zentral beraten wird. 261
6. Hilfen för die Peripherie Der Unterschied zwischen der norwegischen und der westdeutschen Kombination aus "Marktwirtschaft", "numerischer Demokratie" und "staatlicher Bürokratie" macht sich in den ländlichen Gemeinden stärker als in den städtischen, in den kleinen Städten stärker als in den "großen" und in der "Peripherie" stärker als in der Oslo-Region bemerkbar. Das rührt von der Homogenität und Übersichtlichkeit einer ländlichen Nachbarschaft her: Verwandtschaften,
lange Bekanntschaften und Ähnlichkeiten der
Erwerbsgrundlage (oft die Kombination aus Landwirtschaft und etwas anderem) sind Grundlagen, die hier mehr Vertrauen und Vertrautheit zwischen den Einwohnern bedingen als im heterogenen Stadtmilieu. Damit ist die funktionale Trennung zwischen "Wirtschaft", "Politik" und "Bürokratie" auf lokaler Ebene nicht existent, und folglich ist es aus der Sicht eine sowohl natürliche als auch zweckmäßige Ausprägung der Demokratie, daß man ein gemeinsames lokales Anliegen durch mehrere organisatorische Kanäle (von vergleichbarer Bedeutung) vertreten kann. Die norwegische Industriepolitik ist wesentlich von der Problematik der Homogenität und Übersichtlichkeit der ländlichen Nachbarschaft geprägt worden: Ein Element dieser Problematik ist die besondere Haltung gegenüber Mitbürgern, die Armut und Arbeitslosigkeit ausgesetzt werden können; es entspricht dem Wertesystem nicht, Arbeitsplätze in der Weise mit großen Einkommensunterschieden zu erhalten, wie es für die Marktwirtschaft charakteristisch sind. Ein anderes Element ist, daß die Homogenität der Wählerschaft weniger Raum für politische Experimente gibt als eine sozial und wirtschaftlich heterogene Stadtbevölkerung. Daraus folgt eine Tendenz zur konservierenden Wirtschaftspolitik - entsprechend der konservativen Grundhaltung der Landbevölkerung. Aus Solidarität mit der Bevölkerung in dünn besiedelten Provinzen erhielten die dortigen Wähler eine Überrepräsentation im Parlament, damit ihre Interessen besser gewahrt werden können. Diese Möglichkeit wird mit wenig Rücksichtnahme auf die Belange der Oslo-Region und anderer Zentren genutzt. Da die Regierungen an diesen überrepräsentierten Wählern ein besonderes Interesse zeigen, bemüht sich die norwegische Industriepolitik um die Erhaltung und Errichtung von Arbeitsplätzen an Orten, die nach allein marktwirtschaftlichen Effizienzkriterien
längst
entvölkerte, allenfalls für Erholungszwecke genutzte Natur wären. Sie hat 262
aber nicht verhindern können, daß die Arbeitslosenquote in den Randgebieten, insbesondere in Nord-Norwegen, wesentlich höher ist (1985: 6 vH in Finnmark) als in der Oslo-Region (unter 2 vH). Im Rahmen dieser Industriepolitik wird ein wesentlicher Teil des Volkswohlstandes an die Menschen an der Peripherie transferiert - oder besser: der Wohlstand des Volkes äußert sich in den Lebensbedingungen der periphären Bevölkerung. Noch in den 60er Jahren ging diese Erhaltungspolitik von der Vorstellung aus, daß aus subventionierten Industrieansiedlungen lokale Wachstumszentren werden würden. Später ist die Politik zusehends von Bemühungen um Milieu- und Umwelterhaltungen geprägt worden. Es gibt folglich auf der einen Seite industrielle Arbeitsplätze (insbesondere in Nord-Norwegen), für die die Subventionen höher sind als die Löhne der Arbeitnehmer, und auf der anderen Seite werden Industrieansiedlungen nicht genehmigt, weil sie unerwünschte Nebeneffekte haben würden. Infolge dieser Politik ist es zunehmend wieder attraktiv geworden, in der Peripherie zu leben. Es kam zu einer Eindämmung der Landflucht und zu einer Rückwanderung (Butzin 1985), die zusehends dem Bedarf an wirtschaftlicher Effizienz und Investitionen in Ballungsgebieten zuwiderläuft (Baldersheim 1983). In der Debatte und den Volksabstimmungen über den von der Regierung in die Wege geleiteten EG-Beitritt Norwegens kam der industriepolitische Interessenkonflikt zwischen Stadt und Land deutlich zum Vorschein. In Ballungsgebieten fand der Beitrittsplan Zuspruch, in den Randgebieten stieß er auf geballte Ablehnung. Die Sorge um die Bewahrung der Besonderheiten des sozio-ökonomischen Systems vor Einflußnahmen und Regeln aus der mitteleuropäischen Großstadtkultur wurde schließlich zu einer wesentlichen Ursache für den Volksentscheid gegen die EG-Mitgliedschaft. Das war im Jahre 1972. Heute würde die Entscheidung ebenso ausfallen. 7. Arbeit durch "Schwarzes Gold" Die Debatte über die EG-Mitgliedschaft war mit einer Diskussion über die Lösung eines strukturellen Handelsbilanzproblems verbunden. Denn das strukturelle Defizit war ständig gewachsen und größer geworden als die Nettodeviseneinnahmen aus der Schiffahrt, die im Jahre 1972 immerhin den Wert von 45 vH aller Güterimporte hatten. Das lag nicht nur am 263
Bremsen des Ausbaus der energieverbrauchenden Exportproduktion. Es hatte sich gezeigt, daß die Nachfragen nach derartigen Rohstoffen und Halbfabrikaten geringere Einkommenselastizität haben als Nachfragen nach importierten Industriewaren und daß der internationale Wettbewerb durch neue Anbieter verschärft wurde. Die Papierindustrie hatte zudem Absatzschwierigkeiten auf ihren traditionellen Auslandsmärkten bekommen. Einige Anhänger des EG-Beitritts erhofften sich deshalb nicht nur einen erleichterten Zugang zum EG-Markt, sondern Impulse und Zwänge zu Kostendisziplin und neuen wettbewerbsfähigen importsubstituierenden Produktionen. Gegner dagegen argumentierten, daß die im Jahre 1971 begonnene Förderung von Nordseeöl hinreichend wachsen werde, um noch größere Leistungsbilanzlücken zu schließen. Ehe der erste Ölschock Ende 1973 kam, hatte sich diese Erwartung durch neue lohnende Öl- und Gasfunde wesentlich erhärtet. Sie wurde vor allem von der Regierung geteilt, als es darum ging, auf die in West-Europa um sich greifende Arbeitslosigkeit und den von der Tankschiffahrtskrise verursachten Ausfall von Deviseneinnahmen politisch zu reagieren. Im Vorgriff auf die erwarteten Öl- und Gasverkäufe entschied die norwegische Regierung sich für eine konsequente expansive Vollbeschäftigungspolitik - oder besser: für eine Finanzierung der gefährdeten Arbeitsplätze - und nahm im Ausland die Kredite auf, die sie benötigte, um die begleitenden Leistungsbilanzdefizite zu kompensieren. So entging sie den außenwirtschaftlichen Konsolidierungszwängen. Die Rechnung der norwegischen Regierung ging auf: Die Vollbeschäftigung blieb weitgehend erhalten, ohne daß der Ausbau des Sozialstaates gestoppt oder gar rückgängig gemacht werden mußte. Bereits im Jahre 1979 schloß die Handelsbilanz mit einem kleinen Überschuß ab. Ein Jahr später war auch die Leistungsbilanz deutlich positiv. Danach stieg dieser Überschuß gewaltig so an, daß die aufgenommenen Kredite vorzeitig getilgt werden konnten. Der Wert der Öl- und Gasförderung auf dem norwegischen Kontinentalsockel wuchs um (nominal) das 1 OOOfache in den Jahren 1971 bis 1982 - von 62 Mill. Nkr auf 63 Mrd. Nkr. Dieses Wachstum hielt weitere drei Jahre an. Im Jahre 1985 erreichten die Exporte von Rohöl und Naturgas (einschließlich der Rohrleitungstransportdienste) den Wert von 88 Mrd. Nkr. Mit einem Anteil von 37 vH am Wert aller norwegischen Exporte erlangte die Öl- und Gasförderung eine Bedeutung wie die Schiffahrt in ihren Glanzzeiten. 264
Der Gesamtwert der Öl- und Gasförderung machte 1985 (nach eventuellen Bearbeitungen im Inland) fast ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus. Der direkte Beschäftigungseffekt ist hingegen bescheiden. Von 1977 bis 1985 kamen rund 15 000 der insgesamt 18 000 Offshore-Arbeitsplätze der Öl-
und Gasförderung
(Statistisk
manedshefte
12/1985) dazu - dies
entsprach rund 0,75 vH der arbeitenden Bevölkerung. Wenn man die sekundären Beschäftigungseffekte hinzuzählt, die insbesondere auf der Kostenseite (Konstruktionsarbeiten, Wartungen und Logistik) aber auch durch Petrochemie und Forschungsinvestitionen vorliegen, dann dürfte der Beschäftigungseffekt des Ölbooms sich allerdings auf rund 3,5 vH erhöhen - 63 700 im August 1985 (Aftenposten vom 27.01.1986). Ein wesentlicher Teil dieses sekundären Beschäftigungseffekts
entsteht in kleinen bis
mittelgroßen Unternehmen, die sich mit der Entwicklung und Lieferung von speziellen Produkten und Expertisen der
Unterwassertechnologie
beschäftigen. Im norwegischen Teil der Nordsee ist der Ausbau viel weniger mit Importen (von Dienstleistungen und Investitionsgütern) betrieben worden als im britischen Teil. Das war zunächst die Folge einer Kombination aus protektionistischer Politik der norwegischen Regierung (Abschnitt 14) und Standortvoreilen der norwegischen Anbieter. Inzwischen hat die norwegische "Offshore EngineeringMndustrie auch den Ruf erworben, weltführend auf dem Gebiet der Unterwassertechnologie zu sein; ihre Beschäftigung findet sie aber noch vor allem in Verbindung mit der norwegischen Öl- und Gasförderung: Im Jahre 1984 wurden zum Beispiel Dienstleistungen in Verbindung mit Ölbohrungen lediglich im Werte von 2,4 Mrd. Nkr (0,8 Mrd. DM) exportiert. Das entsprach lediglich 0,5 vH der Rohöl- und Gasexporte bzw. 7 vH der Ausgaben für neue Produktionsanlagen auf dem norwegischen Kontinentalsockel. Da jedoch der Bau dieser Anlagen wie der riesigen Plattformen für das Statfjordfeld und der zukünftigen Anlagen auf den Feldern Gullfaks, Oseberg, Troll usw. weitgehend
mit
technologischen Entwicklungsarbeiten verbunden ist und da die norwegischen Firmen ihren Anteil an den Arbeiten zumindest behalten werden, muß man mit einem weiteren Ausbau ihrer Marktposition und mit erhöhten Exporten rechnen. Vermutlich werden sie auch bedeutende technologische Spillovers nutzen können und Produktentwicklungen für andere Bereiche als die Erdöl- und Gasförderung durchführen. So gesehen kann man von einem industriepolitischen Erfolg der Ölpolitik sprechen.
265
8. "Dutch Disease" Diese zunehmende Beschäftigung in der Öl- und Gasförderung und in den Zulieferbetrieben stellt die Sonnenseite eines Rohstoffbooms dar. Die Schattenseite wird - nach den Auswirkungen der holländischen Gasfunde "Dutch disease" genannt. Es handelt sich um ein Strukturproblem, das mehr oder weniger ausgeprägt immer infolge eines nationalen Rohstoffbooms entsteht (Eastwood und Venables 1982; Endres und Herberg 1983; Endres 1984 a und b). Es rührt daher, daß die Rohstoffexporte nicht nur Devisenerlöse und einige Arbeitsplätze bringen, sondern auch Preiseffekte. Auf dem Devisenmarkt wird die nationale Währung gestärkt - aufgewertet oder weniger abgewertet, als es sonst der Fall gewesen wäre. Der analoge Effekt auf den Arbeitsmarkt rührt von der Absorption von Arbeitskräften her. Bei annähernder Vollbeschäftigung muß diese Zuwanderung mittels relativ hoher Löhne induziert werden. Nach diesen Löhnen richten sich die späteren Lohnforderungen in der gesamten Wirtschaft. In der Zange zwischen Lohnkostenerhöhungen und Höherbewertung der Währung verliert die nationale Industrie - ceteris paribus - ihre Wettbewerbsfähigkeit. Wachsende Industriegüterimporte, Exportprobleme, abnehmende Rentabilität und ein Abbau von alten Arbeitsplätzen sind die Folgen, die mit der Größe der induzierten Preiseffekte wachsen, und diese fallen wiederum umso stärker aus, je größer der neue Rohstoffsektor (im Verhältnis zur restlichen Wirtschaft) wird, je kapitalintensiver die Rohstoffgewinnung ist, je weniger die Lohnsteigerungen durch anfängliche Arbeitslosigkeit gebremst werden und je weniger das politökonomische System Lohndifferenzen zwischen Sektoren zuläßt. In der angeführten Literatur ist die Unwirksamkeit der traditionellen makroökonomischen Politik nachgewiesen worden: Lohnstopp, zusätzliche Importzölle, Subventionszahlungen an die benachteiligte Industrie und Wechselkursmanipulationen können das De-Industrialisierungsproblem nicht lösen, sondern nur zeitweilig mildem. Durch Abwanderung von Kapital und Arbeitskräften kann der Devisenmarkteffekt der Rohstoffexporte zwar kompensiert werden, aber mit dem Ergebnis, daß das Inland - zunächst - weniger Wohlstand aus der Rohstoffproduktion bezieht. Durch Verwendung von Einkommen aus der Rohstoffproduktion für die bisher angebotenen inländischen Güter und Dienste kann die induzierte De-Industrialisierung geschwächt - jedoch nicht verhindert werden. 266
Summa summarum gilt: In einer Gesellschaft mit beachtlicher Arbeitslosigkeit trägt die Entdeckung und Nutzung bedeutender Naturressourcen zur Lösung eines Strukturproblems bei, in einer vollbeschäftigten Gesellschaft dagegen zur Entstehung eines Strukturproblems - allerdings ein Wohlstandsproblem, das nur dann zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit führt, wenn notwendige Strukturänderungen durch Immobilität von Arbeit und Kapital wesentlich gebremst werden. Die Lohnpolitik, die Geld- und Währungspolitik, die Fiskalpolitik und die direkten Einflußnahmen auf die Angebotsstruktur bilden gemeinsam den staatlichen Betrag zum Strukturwandel. Hinsichtlich der Produktion bleibt der De-Industrialisierungseffekt in dem Maße aus, wie es durch Produktivitätsteigerungen (technische Fortschritte) und/oder den Wechsel zu neuen, nachgefragten und somit besser bezahlten Produkten gelingt, einerseits die Arbeitskkostenerhöhungen zu kompensieren und andererseits jene Arbeitskräfte freizusetzen, die für die neuen Arbeitsplätze nachgefragt werden. Demnach stellt die Entwicklung der norwegischen Ölwirtschaft auch eine industriepolitische Herausforderung dar: Möglichst ohne Reibungsverluste soll die Umstrukturierung der Wirtschaft herbeigeführt und die Einkommensgrundlage durch die kapitalintensive Ölförderung ergänzt anstatt ersetzt werden. 9•
Lohnpolitik - ein Organisationsproblem?
In Verbindung mit der staatlichen Kreditaufnahme im Ausland, die dem Zweck diente, Arbeitslosigkeit
mittels Staatsausgaben zu verhindern,
verstärkte die Regierung ihren Einfluß auf die Lohnentwicklung. Dieser Einfluß wurde in der Form einer zentralisierten Lohnfindung institutionalisiert: Im Frühjahr 1976 wurde zum ersten Male zwischen Vertretern der Regierung, der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, der Bauern, der Kleinbauern und der Fischer ausgehandelt, wie die Löhne der verschiedenen Arbeitnehmer und die garantierten Mindesteinkommen und sonstigen Subventionen an Landwirte und Fischer sich entwickeln sollten. Es mag sein, daß diese zentralisierte Lohnfindung einen dämpfenden Effekt auf das Wachstum der Nominallöhne hatte. Insofern wurde die Übertragung der "ungezügelten" "Offshore"-Lohnofferten
auf Festlands-
arbeitsplätzen gebremst. Insgesamt blieb aber der einkommenspolitische Erfolg
selbstverschuldet
aus. Denn anstatt jene
Lohndifferenzierung 267
gleich gutzuheißen, die zur Dämpfung der Inflation, zu mehr Mobilität der Arbeitskräfte und zur Sicherung der außenwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der norwegischen Industrie hätte beitragen können, stärkte die Regierung die soziale, egalitäre Komponente der Tarifänderungen. Da die so festgesetzten Mindestlöhne keine marktgerechte Struktur hatten, wurde die sogenannte Lohndrift
groß; das heißt: In den nach wie vor
stattfindenden Verhandlungen der einzelnen Arbeitgeber mit bisherigen und neuen Mitarbeitern erhielten gefragte Arbeitskräfte mehr als den Tariflohn und ließen die gutgehenden Unternehmen - darüber hinaus - alle Mitarbeiter am Erfolg partizipieren. So wurden zwar die Arbeitskräfte letztlich dort gehalten bzw. dorthin angezogen, wo ihre Beschäftigung relativ lohnend war, aber zugleich wurden Maßstäbe gesetzt, die in der nächsten zentralen Lohnrunde erneut eine egalisierende Anhebung der niedrigsten Mindestlöhne begründeten. Das Ergebnis waren Lohnerhöhungen, die inflationär wirkten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der norwegischen Wirtschaft beeinträchtigten. Während die Organisatoren der zentralisierten Lohnfindung eine Lösung auf die Weise suchten, daß sie politische Pakete schnürten, die auch Zusagen bezüglich Steueränderungen, Subventionen, Transferzahlungen, Beamtengehälter, Volkspensionen etc. - enthielten, wurde die Lonkostenproblematik auf dem Devisenmarkt entschärft. Erhebliche Kursverluste so sank der amtliche Kurs der norwegischen Krone z. B. in Frankfurt von durchschnittlich 0,462 DM im Jahre 1976 auf 0,362 im Jahre 1979 verhinderten
Erhöhungen des Außenwertes des durchschnittlichen
dustriellen Stundenlohns. Diese "Marktlösung
11
in-
der Lohnkostenproblematik
entfiel, als die Deviseneinnahmen aus Öl- und Gasexporten im Jahre 1979 - nach dem zweiten Ölpreisschock - stark anstiegen. Daraufhin wurde das Heil in einer erneuten Dezentralisierung und in einer zeitlichen Verteilung der korporativen Lohnverhandlungen gesucht. Dies geschah allerdings ohne wesentliche Einschränkung der organisatorischen und inhaltlichen Beteiligung der Regierung. In zentralen Vorverhandlungen wurden zunächst der Grad der Dezentralisierung sowie die Reihenfolge der Abschlüsse beschlossen. Das Argument
für eine erneute Dezentralisierung war, daß man die
Tariflohnänderungen auf diese Weise leichter, stetiger und dennoch insgesamt
- schneller an die Änderungen der
gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen anpassen kann. Es trat aber eher das Gegenteil ein 268
hohe Lohnerhöhungen zogen noch größere Forderungen nach sich, die zum Teil mit wilden Streikaktionen unterstrichen wurden. Das Ergebnis war eine Lohnkostenentwicklung, die dem n Dutch-Disease M -Modell entsprach: Wegen der Öl- und Gasexporterlöse fiel die induzierte Abwertung der norwegischen Krone klein aus (von durchschnittlich 0,394 DM/Nkr
im
Jahre 1981 auf 0,342 DM/Nkr im Jahre 1985) und zog der Außenwert des industriellen Stundenlohnes kräftig an (Abschnitt 15, Abbildung 2). Im Mai 1986 hatte die Regierung die norwegische Krone um weitere 12 vH abgewertet und damit auch die Ernsthaftigkeit
ihrer wirtschaftlichen
Probleme signalisiert. Kurz darauf wurden die öffentlichen Arbeitgeber zu großen, durch vergangene Einkommensbesserungen anderer Gruppen begründeten Lohnerhöhungen gezwungen, die weder dem Konsens der gesamtwirtschaftlichen Diagnosen noch den Ankündigungen der verantwortlichen Wirtschaftspolitiker entsprachen. Daraufhin ist die Organisation der
Tarifverhandlungen
erneut
Gegenstand einer
Debatte
geworden.
Sicherlich kann die Lohnfindungsproblematik organisatorisch nicht ohne eine Verhaltensänderung gelöst werden; es darf nicht weiterhin erwartet werden, daß die Regierung stets bereit und fähig ist, finanzielle Lücken so zu schließen, daß die jeweiligen Tarifpartner
einen Vorteil aus dem
Vertragsabschluß ziehen. Vermutlich kann auch eine Aufgabe der gesamtwirtschaftlichen Orientierung von Vorteil sein; die Verhandlungen und Kommentare dazu mußten stärker als bisher auf die regionalen und branchenmäßigen Besonderheiten bezug und Rücksicht nehmen. 10.
Ein Bankwesen im Dienste der Gesellschaft?
Eine weitere wichtige institutionelle Änderung während der Zeit nach dem ersten Ölschock, die man den Bemühungen um eine effektive Strukturpolitik zuordnen kann, ist die sogenannte "Demokratisierung" der Banken, die das Parlament (Storting) - mittels einer Mehrheit aus Sozialdemokraten und Sozialisten - im Jahre 1977 durch Gesetz einführte. Das Gesetz sieht vor, daß 8 der 15 Mitglieder im Aufsichtsrat eines Kreditinstituts durch
das
Storting
und
durch
den
(die)
zuständigen
Landtag(e)
- fylkesting - ernannt werden. Weitere drei Aufsichtsratsmitglieder sind Vertreter der Belegschaft. Die Reduktion der Vertretung der "Eigentümer" auf 4 von 15 Aufsichtsratsmitgliedern faßten die nicht-sozialistischen Parteien als eine Soziali269
sierung des Bankwesens auf - zumal der Aufsichtsrat richtliniengebende Kompetenz in der Formulierung der Geschäftspolitik hat. Folglich stimmten diese Parteien gegen das Gesetz. Später, als sie die Mehrheit im Parlament erhielten und die Regierungsgeschäfte übernahmen, haben sie dieses Instrument der Strukturpolitik zum Teil wieder unbrauchbar gemacht, indem sie das Bankwesen als solches deregulierten: Unter anderem wurden Beschränkungen der Konvertibilität der Krone aufgehoben, erhielten norwegische Kreditinstitute das Recht, Filialen außerhalb des Stammplatzes zu eröffnen und wurde der Wettbewerb auf dem norwegischen Geld- und Kreditmarkt mittels einer Öffnung für ausländische Banken (die nun auch Filialen in Norwegen errichten dürfen) und mittels der Förderung von wettbewerbsfähigen Bankfusionen verstärkt. Außerdem sind unter ihrer Regie zusätzliche Beschränkungen der Finanzintermediäre
(wie
Kreditmakler und Kreditabteilungen der Versicherungen), die im letzten Jahrzehnt sehr an Bedeutung gewannen, ausgeblieben. Dennoch sollte man die Kreditinstitute zum Instrumentarium der Strukturpolitik zählen. Denn eine große parlamentarische Mehrheit könnte das Kreditwesen so einsetzen, ohne bestehende Gesetze ändern zu müssen. Durchgehend aber wurden die Dienste einer Reihe staatlicher Kreditinstitute nach politisch bestimmten Richtlinien ausgerichtet. Dazu gehören auch Instrumente der Industriepolitik - z. B.: Den Norske
Industrie-
bank A/s (Die norwegische Industriebank), Industriefondet (Der Industriefonds),
Smabedriftsfondet
(Der
Kleinbetriebfonds),
Distriktenes
utbyggingsfond (Der Fonds für Regionalentwicklung). Diese Institutionen gewähren Darlehen für Investitionsvorhaben, die von den üblichen Kreditinstituten wegen des Risikos nicht hinreichend vorfinanziert
werden.
Kredite werden außerdem zu günstigeren Konditionen als die üblichen Bankkredite gegeben. Die Tätigkeit dieser Staatsbanken wurde vielfach kritisiert. Eine Untersuchungskommission soll deshalb deren Aufgaben, Organisation und Zielorientierung überprüfen (Aftenposten 11.02.1986). Erwähnenswert
ist auch die Nordische Investitionsbank (Den nordiske
investeringsbanken). Denn diese Institution (nach einem EG-Vorbild) finanziert günstig Investitionen (insbesondere von kleinen bis mittelgroßen Betrieben), die aus skandinavischer Sicht wertvolle Beiträge zur Industriestruktur darstellen. Seit der Gründung im Jahre 1976 ist der Umfang der jährlichen Kreditgewährungen rapide gestiegen - im Jahre 1985 wurden neue Darlehen im Werte von 600 SDR bewilligt. 270
11.
Staatliche Kontrolle der Expansion des Ölsektors
Ein weiteres Instrument, das für die Bekämpfung der "Dutch disease" verwendet
werden
kann,
ist
das Gesetz
vom
22. März
1985 über
Petroleum-Aktivitäten. Das Gesetz legitimiert in verschärfter Form alle Elemente der Industrie-Strukturpolitik, die bisher hervorgehoben wurden - entsprechend viele Sondergesetze wurden durch dieses Gesetz ersetzt. Das Gesetz stellt zunächst den Anspruch des norwegischen Volkes auf die betreffenden Öl- und Gasressourcen fest und präzisiert, daß diese Ressourcen zum Wohle der gesamten Bevölkerung genutzt werden müssen und zwar entsprechend den hier schon erläuterten Richtlinien der Industriepolitik. Charakteristische kooperative Elemente der norwegischen Industriepolitik sind jedoch in Richtung staatlicher Anordnungen abgewandelt worden. Die Regierung darf sowohl eine Verzögerung als auch eine Beschleunigung des Ausbaus von neuen Öl- oder Gasfeldern anordnen. Außerdem kann eine Ölgesellschaft zu einer aktiven Zusammenarbeit mit der norwegischen Industrie verpflichtet werden. Ein Feldoperateur, der den politischen Erwartungen nicht entspricht, kann seiner Rolle enthoben werden. Zu den Erwartungen zählt, daß die zeitliche Verteilung der Produktion dem norwegischen Wirtschaftsplan entspricht und daß "Vorschläge" zur Sicherung eines optimalen Ausbaues der Felder befolgt werden. Ein wesentliches Element des Gesetzes ist, daß die Regierung Wirkungsanalysen durchführen muß, ehe sie neue Gebiete des Kontinentalsockels für die Ölsuche oder für die Ausbeutung bereits gefundener Reserven öffnet. Die Idee dahinter ist, daß die Interessen der Ölindustrie gegenüber der restlichen Wirtschaft abgewogen werden sollen. Im Bemühen um eine Optimierung zwischen den Wünschen der Ölindustrie, dem Bedarf der Küstengemeinden an neuen Arbeitsplätzen und Steuerzahler sowie dem Bedarf der Regierung an zusätzlichen Ölsteuereinnahmen und Exporten werden der Ausbau beschlossen und Standorte für die Landbasen bestimmt. Typisch ist in diesem Zusammenhang die Situation der Stadt Älesund. Seit längerem bewirbt sie sich (mit viel Aufwand) um die Landbasen für das Snorre-Feld. Der verantwortliche Operateur des Feldes, Saga Petrolium, möchte die technische Basis an einem günstiger gelegenen Ort, Floró, einrichten und das Management in Stavanger belassen, wo die erforderliche Infrastruktur und das entsprechende Milieu schon vor 271
handen sind (Aftenposten vom 11.02.1986). Die Entscheidung wird das Parlament aufgrund eines Vorschlages der Regierung treffen. 12.
Steuerbelastung und Subventionen
Ein industriepolitisch wichtiger
Aspekt des Ölbooms ist anhand der
Entwicklung des Staatshaushalts leicht zu entdecken: Neben ihrer Funktion als Devisenbringer hat die Öl- und Gasförderung vor allem den Vorteil für Norwegen, daß sie zur Finanzierung des norwegischen Staatshaushalts beiträgt. Angeblich hat kein Land seine Ölindustrie mit so hohen Steuern belegt wie Norwegen - neben den üblichen Körperschaftsteuern wurden im Jahre 1985 Sondersteuern und verschiedene Abgaben, die den Steuersatz auf über 85 vH der Gewinne brachten, erhoben. Die abzugsfähigen Posten in der Gewinnberechnung sind aber so groß und zahlreich, daß diese Steuerbelastung ganz anders wirkt, wenn die Steuern in Relation zum Beitrag der Branche zum Bruttosozialprodukt gesehen werden: Knapp 21 vH aller öffentlichen Einnahmen (einschließlich der Finanzierung der Sozialversicherung) wurden im Jahre 1985 von den Ölgesellschaften erbracht - ziemlich genau der Anteil ihrer Produktion am Bruttoinlandsprodukt. Gemessen an der geringen Beschäftigung der Ölfirmen sind ihre Steuerzahlungen jedoch für die Regierung sehr wertvolle Einnahmen, da sie weitgehend ohne demographische Zwänge verteilt werden können. Das schnelle Wachstum dieser Einnahmen, von 3,8 Mrd. Nkr im Jahre 1978 auf 27 Mrd. im Jahre 1981 und 51,5 Mrd. im Jahre 1985, machte sie zudem zu einer außerordentlich guten Grundlage für eine gestaltende Politik. Die Fiskalpolitik war also nicht mit dem üblichen Handikap belastet, nicht über eine hinreichende Manövriermasse zu verfügen. Im Prinzip standen zwei fiskalpolitische Alternativen zur Wahl: a) Entlastung der übrigen Steuerzahler und b) Expansion der Staatsausgaben. Für Steuersenkungen sprachen die positiven sekundären Effekte
einer
Erhöhung unmittelbar verfügbarer persönlicher Einkommen: Das Wachstum der Nominallöhne kann gebremst werden, und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie wird gestärkt. Die Relevanz dieser Effekte ergibt sich daraus, daß Norwegen auch sonst eine - im internationalen Vergleich - sehr hohe Steuerbelastung (OECD 1986, Tabelle E) hat. Im Jahre 1984 wurden insgesamt 211 Mrd. Nkr Steuern und Abgaben an den Staat gezahlt. Das entspricht 47,2 vH des Bruttoinlandsprodukts. Wegen der 272
Ölsteuer bildeten die direkten Steuern den größten Brocken (40 vH). Aus der Sicht der Bürger wogen aber die indirekten Steuern (36 vH) am schwersten; neben einer Mehrwertsteuer in Höhe von 20 vH werden eine Reihe zum Teil recht ergiebiger
Sondersteuern
- z. B. auf
Alkohol,
Tabakwaren, Autos und elektrischen Strom - erhoben. Die wie Steuern erhobenen
Beiträge
zu
Sozialversicherungen
betreffen
auch
die
Krankenversicherung. Die angegebene Steuerquote ist daher nicht unmittelbar mit den Daten für die Bundesrepublik Deutschland vergleichbar. Für Ausgabenerhöhungen sprach erstens, daß bisher ungestillte Nachfrage nach öffentlichen Diensten zusätzlich befriedigt und zweitens, daß man den Nutzen selektiv entsprechend den vorliegenden sozial- und strukturpolitischen Präferenzen auf die Bevölkerung verteilt werden konnte. Angesichts der beschriebenen Eigenarten des politischen Systems und der Prinzipien der Strukturpolitik ist es keineswegs verwunderlich, daß die Möglichkeiten für wettbewerbswirksame Steuersenkungen weitgehend ungenutzt blieben. Denn die in Frage kommenden Steuersenkungen würden zum Beispiel den Betrieben in Ballungsgebieten in der Regel mehr helfen als den ohnehin geförderten Betrieben in den Randgebieten. Von 1970 bis 1984, d.h. im Laufe des Ölbooms, wurden alle großen Haushaltsposten real stark erhöht. Insbesondere t r i f f t dies für die beschäftigungsintensiven
Bereiche
Gesundheitswesen,
Sozialwesen
und
Schulwesen zu. Im Jahrzehnt 1975 bis 1985 nahm die Beschäftigung in diesen drei Dienstleistungsbereichen um 260 000 Personen zu - fast so viel wie die gleichzeitige Zunahme der Erwerbsbevölkerung (+276 000) bzw. 13 vH der gegenwärtigen Erwerbsbevölkerung. Im Jahre 1984 machten diese und andere Elemente des öffentlichen
Verbrauchs 42 vH der
insgesamt 201 Mrd. laufenden Staatsausgaben aus - 12,5 vH wurden für Subventionen, 34 vH für Transfers an Haushalte, 10 vH für Zinsen und 1,5 vH für Sonstiges (z. B. Entwicklungshilfe) verwendet. Weitere 41 Mrd. Nkr wurden gespart. Davon wurden wiederum 67 vH ausgeliehen (OECD 1986). Die folgende Tabelle beschreibt, wie die norwegische Wirtschaft subventioniert wird: Teil A gibt die Verteilung der Subventionen zwischen den Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen wieder. Demnach ist der Anteil 273
der Industrie seit 1973 wesentlich gewachsen, allerdings naturgemäß mit starken Schwankungen - in Jahren mit schlechter Konjunktur werden mehr Mittel für Erhaltungssubventionen benötigt. Für ein solches Jahr, 1982, liegt eine Aufschlüsselung der Subventionen vor, die eine Vorstellung von der Bedeutung des Fonds für Regionalentwicklung vermittelt, der zwei Drittel
seiner
Mittel
wiederum
an die Landwirtschaft
vergibt.
Die
Industriehilfe wird also stark von besonderen Programmen und Hilfsaktionen geprägt. Das ist im Falle der Schiffbausubventionen besonders deutlich. Im Teil B der Tabelle werden nur die Zuwendungen an die Industrie betrachtet. Sie sind aus fiskalischer Sicht nach dem Verwendungszweck aufgeschlüsselt. Durch Vergleich mit den inflationierten Daten für das Jahr 1977 wird eine Änderung der politischen Strategie ersichtlich. Zur Erhaltung von Unternehmen wurden Zinsbeihilfen und kurzfristige Kredite durch finanzielle Beteiligungen und staatliche Garantien ersetzt. Dadurch gewann der Staat auch formal ein gesichertes Mitspracherecht. Der Teil C der Tabelle enthält nur Angaben für 1982. Daß die Primärinformationen (Budgetdaten) diesmal nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgewertet wurden, erklärt den Unterschied der Gesamtsumme zu der voranstehenden Aufschlüsselung. Eine Kapitalbeteiligung ist zum Beispiel nicht automatisch auch ein Verlust, der unter Hilfen verbucht wird. Die Hilfen
wurden sowohl nach der Art als auch nach der
Selektivität
geordnet. Es zeigt sich, daß die selektiven Hilfen bei weitem überwiegen und der Konservierung der Industriestruktur dienen. Mehr als 6 vH der gesamten industriellen Wertschöpfung wird über das Staatsbudget in Form von strukturerhaltenden Geschenken und Kompensationen für Kapitalverluste an die Industrie selektiv zurückgegeben. In einzelnen Fällen wäre es billiger, den Betrieb stillzulegen und die betroffenen Arbeitnehmer mit vollem Lohn zu entlassen. Daß dies nicht geschieht, kann man ökonomisch nur mit dem - oft ausgebliebenen - Nachweis von gewichtigen Sekundäreffekten begründen.
274
Norwegen Die Subventionierung der norwegischen Wirtschaft A. War erhält Subventionen - Verteilung In vH für dl» Jahr« 197), 1982 und 1983 1982" darunter: FfR- A Nord
FfRInsgesamt Süd Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft
74,4
61,3
36,5
10,6
14,2
68,3
Industrie und Bergbau
24,7
38,0
12,9
7,3
17,8
30,6
darunter! - Schiffbau 1* - Unternehmen Im Staatsbesitz
5,3 7,5
10,8 12,8
1,6 7,2
M
0,2
9,0 1,5
4,9 15,2
Private Dienstleistungen
0,9
0,8
0,6
0,2
0,0
0,8
100,0
100,0
50,0
18,0
32,0
100,0
1) Einschließlich Garantien für Schiffe und Bohrplattformen. 2) FfR * Fonds für Regionalentwicklung. Quellen) Central Bureau of Statisticsj Ministry of Finance, 1985j OECD 1983 und 1985. B. Verwendungszwecke der Industrlesubventlon in den Jrtren 1977 und 1982 (in Mill. 1982-Nkr, industrielle Erzeugerpreise) 1977
1982
Der Industriefonds Forschung und Entwicklung Zinsbeihilfen Kurzfristige Kredite Hilfe für besondere Industrien Exportbeihilfen Hilfen für Um well schütz maßnahmen Regional begrenzte Hilfen
158 64 141 370 1 288 24 67 440
71 64
Insgesamt (A)
2 552
2 016
8)6
2 312 658
3 388
4 976
Finanzielle Beteiligungen an Unternehmen (B) Staatliche Garantían (c)
Quellern
-
837 185 396 463
Central Bureau of Statistlcsi OECD 1983.
C. Art der Industries^vantlonan Im Jahr« 1982 (in Mili. Nkr) Netto-Kosten von beanspruchten Dariahen Garantien
Kapitalverluste (Ntitto)
Insgesamt
Allqemeine Subventionen (A) Export förderungen Forschung und Entwicklung Hilfe für Kleinunternehmen Regionaipolitik Insgesamt (A)
404
22 5 210
24
213 159 5 638
752
237
26
1 015
211 157
2
A in vH der WS J)
2,0
Selektive Subventionen (B) Sektorspezifische Subventionen Erhaltende Strukturpolitik
80 1 512
36 134
393
1 273
116 3 312
Insgesamt (B)
1 592
170
393
1 273
3 428
2 344
407
419
1 273
4 443
6.4
B in vH der WS Subventionen (A • B) A x B in vH der WS
8,4
1) WS s Wortschöpfung (Nettoproduktionswert) der gesamten Industrie. Quellet
Carlsson, 1984.
275
Die mittel- und langfristige Effizienz
der Industriehilfen soll erhöht
werden. Deshalb wird auch versucht, die naheliegende Koalition von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mittels Auflagen bezüglich der
be-
triebsinternen Vereinbarungen über Löhne und Zusatzleistungen zu entschärfen. Inzwischen ist es sogar vorgekommen, daß einem mittelständigen Schiffbauunternehmen
die Streichung der Subventionen angedroht
wurde, weil es sich nicht an die Auflagen gehalten hatte (Aftenposten vom 31.01.1986). Die Verwendung der Ölsteuereinnnahmen für zusätzliche Ausgaben anstatt für Reduktionen von sonstigen Steuern ist eine im Prinzip spekulative Strategie gewesen. Denn auf der einen Seite wurden langfristige finanzielle Verpflichtungen eingegangen - insbesondere in Verbindung mit der Expansion öffentlicher Dienste. Auf der anderen Seite wußte man, daß diese Einnahmen von Variablen abhängen, die sich jenseits der norwegischen Kontrolle befinden (Ölpreis, Dollarkurs, Nachfrage). Ein Rückgang des Ölpreises oder eine Aufwertung der Nkr gegenüber dem Dollar verursachen eine überproportionale
Reduktion der Ölsteuereinnahmen.
Beides trat im Sommer 1986 ein - mit dem nicht nur für die Regierung unangenehmen Ergebnis, daß eine Reduktion der Ölsteuereinnahmen von 51,5 Mrd. Nkr im Jahre 1985 auf unter 20 Mrd. im Jahre 1986 und auf unter 10 Mrd. im Jahre 1987 erwartet wird, daß die Regierung auf dem Eurodollarmarkt sich gleich wieder verschulden mußte, -
daß die Regierung mit den Ölfirmen über Steuerreduktionen verhandeln muß, um sie zu einem dem Plan entsprechenden Ausbau der Felder zu bewegen und daß die steuerliche Belastung sonstiger Einkommen und Umsätze größer wird.
Finanzielle Förderungen werden vermutlich erzwungenermaßen
einge-
schränkt. Für eine kreditfinanzierte Beschäftigungspolitik, wie Mitte der 70er Jahre, bestehen im Bedarfsfall stark reduzierte Erfolgsaussichten, da die Endnachfrage und das Angebot der norwegischen Festlandwirtschaft sich strukturell und kapazitätsmäßig weiter auseinander entwickelt haben (Abschnitt 15). 276
Angesichts solcher Zwänge kann man von einer politischen Fehlspekulation sprechen. Rückblickend werden die Entscheidungsträger sich vermutlich wünschen, daß sie damals die staatliche Expansion vorsichtiger und die Stärkung der industriellen Angebotsseite zielstrebiger betrieben hätten. Während der letzten Jahre ist zwar mehr Gewicht auf die Stärkung der Angebotsseite gelegt worden, aber ohne die nötige politische Planung; mit den 60 bis 70 ins Leben gerufenen Hilfsprogrammen ist die Vielfalt außerdem so groß, daß sie sicherlich die Effizienz stark beeinträchtigt. Es ist bezeichnend, daß selbst der zuständige Staatssekretär im Industrieministerium auf einer industriepolitischen Tagung Wissenslücken hinsichtlich der Zahl und Ausrichtung der Programme offenbarte und Interessenten auf Experten in den verschiedenen Behörden verwies (Aftenposten vom 10.02.1986). 13.
Technologiepolitik
Die größten norwegischen Unternehmen - Statoil, Norsk Hydro, Kvaerner Industrier, Eikern, Norcem, Borregaard, Elektrisk Bureau und Norgas können ihren Bedarf an FuE-Arbeiten weitgehend selbst decken. Für das repräsentative Unternehmen t r i f f t es aber, wie in anderen Ländern, nicht zu. In Norwegen kommt erschwerend hinzu, daß die über das Land verstreuten Unternehmen oft weit von Orten mit einer FuE-Infrastruktur entfernt sind. In einer Bestandsaufnahme im Jahre 1983 wurden 104 Gemeinden registriert, die jeweils nur einen Industriebetrieb hatten (Det Qikonomiske RSd 1984, S. 128). Unter solchen Umständen ist der Technologietransfer und der gezielte Rückgriff auf spezialisierte FuE-Institute besonders wichtig. Die norwegische Regierung ist bemüht, diesem Bedarf zu entsprechen. Denn angesichts der Tatsache, daß die sogenannten Hightech-Güter einen sehr bescheidenen Anteil an den norwegischen Exporten haben (5 vH), und angesichts des frühen Stadiums der Aquakulturindustrie ist die Technologiepolitik stark gefordert. Das Ziel ist eine Industrie, die den hohen Lebensstandard an Stelle der Ölförderung erhalten könnte. Das nationale Technologieinstitut (NIT) hat eine Schlüsselrolle im organisierten Technologietransfer. Es berät kleine und mittelgroße Unternehmen und vermittelt Kontakte zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen. In allen Regionen gibt es für diesen Zweck Informations-
und 277
Kontaktbüros. Die Erfolgsmeldungen sind aber bislang rar - insbesondere, weil viele Unternehmen den Bedarf an Technologietransfer zwar erkannt haben, aber wenig dafür unternehmen. In Forschungsinstituten, die mit öffentlichen Mitteln unterhalten werden, können Industrieunternehmen - gegen einen angemessenen finanziellen Beitrag - FuE-Arbeiten durchführen lassen. Dieses Angebot wird recht umfassend angenommen. Die Forschungsinstitute des Landes führen jährlich mehrere
Tausend Industrieaufträge
aus. Das Zentralinstitut des
Technisch-naturwissenschaftlichen Forschungsrates (NTNF), zum Beispiel, erledigte rund 300 Aufträge im Jahre 1983 (OECD 1985b, S. 106). Andere bedeutende Institute sind: SINTEF an der Technischen Universität Trondheim, das Christian Michelsen Institut in Bergen, Norske Veritas in Oslo, das Institut
für
Unterwassertechnologie
in Bergen sowie
Rogaland-
forskning in Stavanger. Die letztgenannten Institute sind wesentlich mit der Entwicklung von Offshore-technologie
befaßt. Derartige Arbeiten werden in Norwegen
auch in der Weise gefördert, daß Ölfirmen sich verpflichten müssen, gewisse - manchmal umfassende - Forschungsarbeiten in Norwegen durchzuführen, um eine Lizenz zu erhalten. 800 Mill. Nkr (rund 250 Mill. DMark) geben die drei norwegischen Gesellschaften Statoil, Norsk Hydro und Saga Petrolium in diesem Jahr für diese Arbeiten aus (Aftenposten vom 21.11.1985). Die Ausgaben des Staates für industrieorientierte FuE-Arbeiten sind eher bescheiden - rund 600 Mill. Nkr in 1985. Für die Verwendung dieser Mittel ist eine Prioritätenliste beschlossen worden (Ministry of Finance 1985, S. 177). Oben stehen Informationstechnologie Werkstoff technologie -
Offshore-technologie
-
Aquakultur.
Die Regierung interpretiert ihre Aufgabe dahingehend, daß sie sich um Grundlagenforschungen und Entwicklungsarbeiten kümmern soll, die einer seits einer ganzen Branche nutzen können, andererseits von einem Unternehmen alleine nicht unternommen werden. Gegenwärtig wird ein "na278
tionales Informationstechnologie-Programm 11 diskutiert, das Staatsausgaben in der Höhe von 2 Mrd. Nkr (625 Mill. D-Mark) vorsieht. Es würde insbesondere Firmen, wie Elektrisk Bureau und Norsk Data nutzen, die Nischen dieser Branchen schon recht erfolgreich besetzt haben. Holz, Aluminium und andere Metallprdoukte der traditionellen energieverbrauchenden Industrie bilden Problembereiche der Werkstofftechnologieforschung. Das erklärte, weitgehend erreichte Ziel hinsichtlich der Offshoretechnologie ist, daß norwegische Firmen weltführend werden sollen. Es handelt sich vielfach um ganz spezielle Produkte, die, wie Produktionsausrüstungen und Geräte im allgemeinen, von kleinen, spezialisierten technisch dynamische Unternehmen in naher Zusammenarbeit mit - oft großen - Kunden hergestellt werden (Pavitt 1983, S. 10). Auch hinsichtlich der Aquakultur liegen Erfolge vor. Angeregt durch den wirtschaftlichen Erfolg der privat entwickelten Lachszucht finanziert der Staat entsprechende Entwicklungsarbeiten für andere Fischarten. Die kommerzielle Produktion von Dorsch, Saibling, Seezunge und Flunder ist schon angelaufen. Auf Schellfisch und Katfisch konzentriert sich die gegenwärtige Forschung, die im Jahre 1985 rund 80 Mill. Nkr (25 Mill. D-Mark) kostete. Das ist nicht viel, wenn die bis zur Jahrtausendwende erwarteten 100 000 Arbeitsplätze in und um die Aquakultur (Aftenposten vom 16.11.1984) zu Stande kommen. Wichtig wird die Produktion von Zubehör sein. Die finanzielle staatliche FuE-Förderung geschieht außerdem in der Form von steuerlichen Investitionsanreizen sowie durch Darlehen für Entwicklungsarbeiten. Für die Darlehensgewährung ist der Industriefonds (Industrifondet) zuständig. 14.
Handelspolitik im Dienste der Industrie
Da Norwegen ein kleines Land ist, ist der Außenhandel relativ groß im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt: Viele Güter müssen importiert werden. Ebenso umfangreich müssen auf die Dauer die Exporte sein. Derartige Länder ziehen einen besonderen großen Nutzen aus der internationalen Arbeitsteilung. Sie sind deshalb (gewöhnlich) weltoffene Wirtschaften. Als EFTA-Mitglied, das mit der EG ein umfassendes Assoziationsabkommen hat, ist Norwegen im System des zollfreien intereuropäischen Handels fest eingebettet. Gleichwohl läßt sich auch im Falle Norwegens feststellen, daß die Handelspolitik des öfteren nicht im Geiste dieser Bestrebungen nach Freihandel betrieben wird. Es handelt sich um Behinderungen von 279
Importen, die inländische Produktionen ersetzen würden. Diese Behinderungen haben drei Formen: guantitative Beschränkungen, Auftragsprotektion, -
Protektion durch technische Standards,
wobei die guantitativen Importbeschränkungen im wesentlichen dieselben Güter betreffen wie in den meisten anderen wohlhabenden Industrieländern: Textilien und Bekleidung (bilaterale Abkommen mit einzelnen Exportländern), Eisen- und Stahlerzeugnisse, Lebensmittel. Die Auftragsprotektion hat die Form, daß inländische Lieferanten vorgezogen werden, ohne daß die ausländischen Konkurrenten offiziell vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Da sich stets eine "vernünftige" Begründung für die Wahl finden läßt, ist eine derartige Protektion sehr schwer mit Handelsabkommen zu verhindern; eine entsprechende Bevorzugung kommt tagtäglich in der privaten Wirtschaft vor. Im Falle der norwegischen Regierung sind drei Motive erkennbar: Arbeitsplatzsicherung, Verteidigungspolitik und Technologiepolitik. In Übereinstimmung mit der schwerpunktmäßigen Förderung von Entwicklungen im Bereich der Kommunikationstechnologie und der Offshore-Technologie haben norwegische Anbieter von derartigen Produkten eine erhöhte Erfolgschance, wenn die Regierung einen Einfluß auf die Kaufentscheidung hat. So wurde der international erfolgreichen Computerfirma Norsk Data in ihrer Anfangsphase sehr geholfen. Die ökonomisch wesentlich bedeutendere - von der Regierung bestrittene - Protektion in Verbindung mit der Öl- und Gasförderung hat viel Beachtung gefunden und offizielle Proteste ausgelöst. Denn im Petroleumgesetz ist festgehalten worden, daß ein Bauauftrag einem norwegischen Anbieter erteilt werden soll, wenn er hinsichtlich Preis, Qualität und Lieferfrist nicht wesentlich schlechter ist als seine ausländischen Konkurrenten. Norwegische Werften haben im Bedarfsfalle die Hilfe erhalten, die sie brauchen, um diese Bedingung zu erfüllen. Damit kamen viele Unterlieferanten zum Zuge, die einen Standortvorteil hatten. Insgesamt 61 vH aller Lieferungen an die norwegische Ölindustrie kamen in 1984 von norwegischen Firmen. Die Protektion mittels technischer Vorschriften gehört
- mehr oder
weniger beabsichtigt - ebenfalls zu den Problemen, die für Exporte in 280
Industrieländern typisch sind. Ein bemerkenswerter Fall, der sogar in Norwegen kritisiert und dem Preisamt als eine den Verbraucher schädigende Wettbewerbsbeschränkung angezeigt wurde (OECD 1983b, S. 74/75), ist die Aktivität von NEMKO (das Amt für die Kontrolle von elektrischen Ausrüstungen). Produkte, die an das Elektrizitätsnetz angeschlossen werden, dürfen ohne den Prüfstempel dieser Behörde nicht verwendet werden. Einfache Gegenstände, wie Verlängerungsschnüre und Stecker sind aber im Einzelhandel in Norwegen um das Vielfache teurer als z. B. in der Bundesrepublik Deutschland. Der dominierende Produzent dieser einfachen Waren (Elektrokontakt mit 75 vH Marktanteil) produziert aber mittels Robotern - so billig, daß seine Exporte sogar nach Japan gehen. Vom schwedischen Markt hält er 35 vH (Aftenposten vom 17.02.1986). Komplementär zu den Importbremsungen finden auch Exportförderungen statt. Gegenwärtig wird diskutiert, ob man die politische Zuständigkeit für derartige Aktivitäten vom Handelsministerium - nach schwedischem Vorbild - auf das Außenministerium übertragen soll. Die allgemeine Werbung für norwegische Waren obliegt dem Exportrat, der in mehreren Ländern ständig Vertretungen unterhält. Einzelfirmen steht auch der Industriefonds mit Rat und Tat zur Verfügung. Bis zu 50 vH der Kosten der Einführung einer Ware auf einem Auslandsmarkt werden ersetzt. Außerdem gewährt der Industriefonds Darlehen für Direktinvestitionen im Ausland, die voraussichtlich einen positiven Exporteffekt haben werden. 15.
Kurswechsel erforderlich
Die Vollbeschäftigung wurde weitgehend erhalten. Abbildung 1 gibt aber nicht
nur
einen
bemerkenswerten
Unterschied
zur
Bundesrepublik
Deutschland wieder. Erwartungsgemäß ist die Beschäftigung in der verarbeitenden Industrie zurückgegangen - jedoch nicht in der industriepolitisch wünschenswerten Weise. Abbildung 2 illustriert dieses Problem mittels eines Vergleichs von dänischer und norwegischer Industrie: Es wird auf Dänemark
Bezug
genommen, weil dieses Land am Anfang der Berichtsperiode das skandinavische Wohlfahrtsstaatexperiment ebenso repräsentierte wie Norwegen oder Schweden. Die erste Ölkrise im Winter 1973/74 war für die dänische Industrie existenzgefährdend: Ihre ohnehin hohen Kosten wurden wesentlich erhöht. Denn zuvor war die Energieproduktion stark auf Ölverbren281
Abbildung N.1
NORWEGEN BESCHÄFTIGUNG 1980=100
110
****
100
sggsss»*
Finnland 90 _ Schweden Bundesrepublik Deutschland Norwegen 80
1973
U
75 76 77 78 79
80 81 82 83
Ouetle: OE CD, Labour Force Statistics-
282
M
85
Abbildung N.2
NORWEGEN INDUSTRIEENTWICKLUNG (Index 1980=100)
Industrieproduktion 130 r -
Beschöftigung in der Industrie 125
Auftenwert des industriellen Stundenlohnes 150 Norwegen
H970 7 1 72 73 7 k 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 Quelle4- OECD
283
nung umgestellt worden. Ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechterte sich also gerade, als wegen der Ölrechnung zusätzliche Exporte (bzw. Importverdrängung) volkswirtschaftlich vonnöten waren. So wurde sie von der weltweiten Rezession besonders hart getroffen und zu einem Abbau von industriellen Arbeitsplätzen gezwungen, der relativ größer ausfiel als der Rückgang der Produktion - jeder sechste Arbeitsplatz ging verloren. Wie die Unternehmen, mußte auch der Staat einschneidende
Maßnahmen
treffen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der dänischen Wirtschaft wiederherzustellen und den privaten und öffentlichen Verbrauch auf eine Linie mit den realen außenwirtschaftlichen Restriktionen zu bringen. Das leitete die im oberen Teil der Abbildung 2 wiedergegebene Erfolgsgeschichte ein. Die norwegische Produktion hingegen ist nach 1974 leicht zurückgegangen, blieb fortan verhältnismäßig von Konjunkturen unbeeinflußt und hatte im Jahre 1984 dieselbe Größe wie in den Jahren 1980, 1978, 1977 und 1973. Infolge der Produktionsumstellungen ist die Produktivität der dänischen Industrie nach 1974 im Trend stark gewachsen - bei weitem nicht nur durch Elimination von vergleichsweise unproduktiven Arbeitsplätzen. Im Trend setzte sich der Abbau der Arbeitsplätze langsam fort, mußte aber im Zuge des zuletzt lange anhaltenden Aufschwungs nicht fortgeführt werden. Seit 1983 ließ die Produktionszunahme sich nicht mehr allein durch Produktivitätserhöhungen verwirklichen - auch die Beschäftigung ist stark gewachsen. In Norwegen dagegen konnte die Produktivität nach 1974 zunächst sinken: Die expansive Politik ermöglichte, daß die Zahl der Beschäftigten noch bis 1976 wuchs. Erst danach sank sie wieder und erreichte im Jahre 1976 das Niveau von 1974, während die Produktion deutlich unter dem Niveau von 1974 lag. Erst von 1981 an wurde die Beschäftigungsabnahme der norwegischen Industrie bedeutsam. Das hängt mit der Entwicklung zusammen, die in dem unteren Teil der Abbildung 2 wiedergegeben ist: Bis 1980 haben die Industrien beider Länder Stundenlohnerhöhungen bewältigt, die ungefähr im Gleichschritt verliefen, wenn sie am Außenwert der jeweiligen nationalen Währung - gegenüber der Währung der wichtigsten 14 Industrieländer
- gemessen werden. Die
Abwertungen der dänischen Krone bzw. die durch Energieexporte bedingte Stärke der norwegischen Krone sowie die durch die Ölwirtschaft bedingte Lohndrift in der norwegischen Industrie verschlechterten zusehends dieses Element der norwegischen Wettbewerbsposition - seit 1980 wächst die Stundenlohnlücke zwischen den beiden Ländern. 284
Die Folge davon ist - verkürzt zum Ausdruck gebracht - in der Abbildung 3 zu sehen. Sie zeigt die Entwicklung von Salden des norwegischen Außenhandels. Dazu sei rekapituliert: Anfang der 70er Jahre war ein Bedarf an neuer exportorientierter bzw. importsubstituierender Produktion ersichtlich geworden. Denn die konjunkturabhängige Schiffahrt erwirtschaftete in guten Jahren gerade genug Devisen, um das strukturelle Defizit der Handelsbilanz zu kompensieren. Es hatte sich gezeigt, daß die bisherige Nutzung der natürlichen Ressourcen (Erze, Fischerei, Wälder, Wasserkraft) auf die Dauer nicht ausreichte, um die wachsende Nachfrage nach den industriellen Fertigprodukten aus dem Ausland zu finanzieren. Die Frage lautete deshalb, ob bzw. wie stark die Entwicklung der Öl- und Gasexporte eine Industrieentwicklung entbehrlich machen würde, die stärker als zuvor die menschlichen Ressourcen nutzt. Die Erfahrungen, die in der Abbildung 3 in Verbindung mit den Abbildungen 1 und 2 wiedergegeben werden, deuten auf eine schwerwiegende Fehlentwicklung, die man nur mit einer Fehleinschätzung des Segens der zusätzlichen Rohstoffproduktion erklären kann. Denn die Vorwegnahme der erwarteten Ölexporterlöse, das heißt: der jahrelange
Ausgleich
von
Leistungsbilanzdefiziten
mittels
Auslands-
anleihen, eliminierte nur den unmittelbaren Anpassungszwang, wie ihm etwa Dänemark unterlag. Es war damals schon ersichtlich, daß solange das aufgestaute strukturelle Industrieproblem ungelöst bleibt, wie Einkommen aus der Öl- und Gasförderung in ständig zunehmendem Maße erforderlich werden, um den Verzicht auf die Beseitigung der Ursachen für das Defizit im restlichen Außenhandel noch finanzieren zu können. Dies gilt sowohl wegen der Einkommenselastizitäten der Nachfragen im internationalen Handel als auch wegen der Preiseffekte der "Dutch disease". Somit muß die norwegische Regierung sich nun verstärkt um eine Wiederherstellung der erodierten Wettbewerbsposition der norwegischen Wirtschaft bemühen und dies mittels Angebotsverbesserungen anstreben. Das Defizit der Leistungsbilanz ohne Öl und Schiffahrt hatte bereits im Jahre 1985 eine Größenordnung erreicht, die den Überschuß der Leistungsbilanz zu einer Frage des Ölpreises machte. Nach den ersten sieben Monaten des Jahres 1986 war dieses Defizit weiter auf 44,4 Mrd. Nkr angewachsen - 66 vH mehr als der entsprechende Vorjahreswert. In Verbindung mit
der Ölpreissenkung wurde ein großer Überschuß der
gesamten Handelsbilanz in ein 12 Mrd.-Defizit verwandelt. So gesehen 285
Abbildung S.3
SCHWEDEN LEISTUNGSBILANZ
Mrd.Nkr
100 90
80 Öl und Schiffahrt
70 60 50
4» Waren und Dienste insgesamt
10
\
30
K
L/»—
20 10
SSSSSSSSlSSSSSSSSSS.SSSss
0
\.
Leistunasbüanz
10
-20 -30
Î
\ s
-¿0
\
Waren und Dienste ohne Öl und Schiffahrt
-50
-60
A-
-70
-80
1970 71
72
73
74
75
Quelle: Central Bureau of Statistics.
286
76
77
78
79
80 81
82
83
84 85
kann man der Mitte der 70er Jahre gewählten industriepolitischen Strategie keinen Erfolg bescheinigen. Im wesentlichen wurde nicht mehr erreicht, als ein erkanntes Angebotsstrukturproblem zehn Jahre zu verschleppen. Die Offshore-Technologie,
Aquakultur und andere neue In-
dustrien befinden sich noch so sehr im Kindesalter, daß sie eine aktive Anpassung der traditionellen Industrien nicht entbehrlich machen. 16.
Zusammenfassende Wertung
Das Beispiel der norwegischen Industriepolitik läßt folgende allgemeine Rückschlüsse zu: 1. Um die Vollbeschäftigung langfristig zu sichern, müssen entweder die unsicheren Arbeitsplätze, die die Forderung nach arbeitsplatzerhaltenden Subventionen entstehen lassen durch neue Arbeitsplätze ersetzt werden, oder die Ursachen für den Subventionsbedarf müssen beseitigt werden. 2. Wenn das Beschäftigungsproblem aus mangelnder Wettbewerbsfähigkeit resultiert, die wiederum politisch - durch das System der Einkommensverteilung und sozialen Sicherung - begründet ist, dann kann das Problem nicht industriepolitisch, sondern nur mit weitreichenden sozioökonomischen Konsequenzen gelöst werden. Eine Lösung ist unvermeidlich, wenn strukturelle
Entwicklungen
bedingen, daß ständig
größere Teile der Wirtschaft unter Wettbewerbsdruck geraten. Denn mit wachsendem Anteil der notleidenden Arbeitsplätze wächst das erforderliche
Solidaritätsopfer
(Subventionen), und es erreicht eine
Restriktion in der Form von Opferbereitschaft
oder Fähigkeit der
subventionierenden Restbevölkerung - die Bevölkerung einer offenen Wirtschaft kann also nicht sich selbst, sondern nur einzelne Arbeitsplätze
gegen außenwirtschaftliche
Anpassungszwänge
abschirmen,
wenn sie nicht auf die Vorteile internationaler Arbeitsteilung, Kooperation und Konkurrenz verzichten will. Die verantwortlichen Politiker müssen zwischen Nachteilen - denen der bequemen Anpassungen und denen der materiellen Wohlstandsverluste - wählen. 3. In dem Grade, wie die Wirtschaft offen und intensiv am internationalen Handel teilnimmt, bestimmen weltweite Marktentwicklungen die Zukunftsaussichten
von
industriellen
Arbeitsplätzen.
Durch
die 287
Existenz einer ausländischen Konkurrenz werden Vorgaben hinsichtlich der Preise und Qualitäten der Produkte gesetzt, die nicht ignoriert werden können, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. 4. Die Umstellung auf neue Produkte ist im Einzelfalle zwar schwierig, aber auch erfolgversprechender als der Versuch, mit Produktivitätsbesserungen allein auszukommen - technischer Fortschritt
in der
Produktion wird von ausländischen Konkurrenten schnell erkannt und nachgeahmt. Außerdem gilt, daß Produktionsumstellungen auf die neue Nachfrage
aus dem Einkommenszuwachs und aus dem Bedarf
in
Verbindung mit den neuen Arbeitsplätzen ausgerichtet werden (müssen). So fällt der wohlstandserhöhende Effekt des gesamtwirtschaftlichen Strukturwandels stärker und gefestigter aus, als wenn einer DeIndustrialisierung nur mittels Produktivitätserhöhungen
entgegenge^-
wirkt wird. Die arbeitsplatzschaffenden neuen Produktionen, die Lieferungen von intermediären Produkten erfordern, können sich erstens in einer wachsenden Rohstoffproduktion
befinden, zweitens in der
Industrie selbst und drittens im Bereich der Dienstleistungen. Vom dritten Bereich weiß man, daß er mit der Produktivität der sonstigen Produktionen wachsen muß, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, und weil ein Wachstum der privaten Ausgaben vor allem die Nachfrage nach Dienstleistungen sowie nach den neuen Industrieprodukten erhöht. 5. Industrielle Diversifikation ist langfristig besser als konseguente Nutzung eines augenblicklichen komparativen Vorteils. So wird man nicht nur weniger von Konjunkturkrisen auf einzelnen Märkten betroffen, sondern auch vor Strukturkrisen geschützt, die daher rühren, daß die Nachfrage
nach den einzelnen Produkten sich mit
verschiedenen
Einkommenselastizitäten ändert und daß Produkte ersetzt werden. 6. Wo die Entstehung eines neuen Marktes ersichtlich ist, entwickelt die Industrie auch ein Angebot. Durch Abschirmung gegen ausländische Konkurrenz kann der inländischen Industrie eine wertvolle Starthilfe gegeben werden, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: Es muß sich um Produkte handeln, die in Verbindung mit technologischen Entwicklungsarbeiten eingeführt werden, es muß sich außerdem um Entwicklungsarbeiten handeln, die gegebenenfalls auch die ausländischen Konkurrenten durchführen müßten, und es muß schließlich gelten, daß die Entwicklung im Rahmen eines effizienten Anbieter 288
Wettbewerbs geschieht, der auch Verlierer ausscheidet. Die letzte Bedingung beinhaltet, daß es sich um Produktentwicklungen handelt, die keine "Großforschungsanlagen"
erfordern,
sondern kleinen, ge-
gebenenfalls neu gegründeten, Unternehmen eine Zukunft bieten können. Ohne diese drei Voraussetzungen würde die Abschirmung gegen ausländische Konkurrenz eine Monopolrente sichern, also lediglich eine Subvention darstellen. 7. Durch die gezielte Übernahme langwieriger und damit auch kostspieliger Forschungsarbeiten kann der Staat die Grundlagen für die Entstehung eines neuen Erwerbszweiges schaffen und damit eine extrem hohe Rendite ihrer Forschungsförderung erzielen. 8. Eine Verzahnung von partikulären
Interessenvertretungen
mit der
politischen Administration ("Verhandlungswirtschaft" auf der Grundlage eines "korporativen Pluralismus" mit "Mischadministration 11 ) beschränkt die politische Richtlinienkompentenz (und Verantwortung), die eine dafür gewählte Regierung tragen sollte. Koalitionen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhalten ein besonderes Gewicht und können die Regierung zu wirtschaftspolitischen
Handlungen wider
gesamtwritschaftliche Erfordernissen zwingen. Insbesondere handelt es sich um die Bewältigung von Lohnzusagen.
289
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291
Länderbericht Schweden
293
Inhalt
Seite 1.
Internationale Industrie mit nationalen Problemen
295
1.1
Die Jahre 1974 bis 1977: Politik gegen den Strom
295
1.2
Die Jahre 1978 bis 1981: Vergebliche Bemühungen um Strukturerhaltungen
298
1.3
Die Jahre 1982 bis 1985: Ein exportorientierter Neubeginn?
303
1.4
Die großen Industriekonzerne bleiben übrig
310
2.
Institutionelle Aspekte
313
2.1
Das "Schwedische Modell"
313
2.2
Die Fonds
316
3.
Zusammenfassende Wertung
319
Literaturverzeichnis
294
321
1.
Internationale Industrie mit nationalen Problemen
In Schweden hatte die Entwicklung der Industrieproduktion und Beschäftigung besondere Akzente, die in einem Vergleich mit Daten für die Bundesrepublik Deutschland deutlich werden. Einige dieser Besonderheiten gehen aus der nachstehenden Zahlenübersicht hervor. Sowohl aufgrund der industriellen Entwicklung als auch aufgrund der schwedischen "Industriepolitik 11 ist es naheliegend, die Jahre nach 1973 in drei Vierjahresperioden aufzuteilen. 1.1
Die Jahre 1974 bis 1977: Politik gegen den Strom
Zwei Jahre dauerte der Konjunkturabschwung
in der
Bundesrepublik
Deutschland, der besonders die industriellen Anlageinvestitionen erfaßte. In den darauffolgenden zwei Jahren stieg die Industrieproduktion wieder auf das anfängliche Niveau, während sich die Investitionstätigkeit nur halbwegs und die Beschäftigung nur marginal erholten. Am Ende dieser Vierjahresperiode hatte die Bundesrepublik Deutschland zehn Prozent weniger Beschäftigte in der Industrie. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote hatte sich vervierfacht. In Schweden dagegen war das Jahr 1974 durch einen Konjunkturaufschwung gekennzeichnet - die Beschäftigung in der Industrie, die Industrieproduktion und insbesondere die Anlageinvestitionen wuchsen, während die gesamtwirtschaftliche
Arbeitslosenquote
weniger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
zurückging, so daß
erforderlich wurden. Der Auf-
schwung wurde durch einen markanten Anstieg der Öffentlichen Ausgaben unterstützt. Verzögert, im Jahre 1975, setzten die Arbeitnehmer große Lohnerhöhungen durch. Die Konjunktur kulminierte. Jedoch wurde ein starker Abschwung durch eine weitere kräftige Steigerung der Staatsausgaben zunächst verhindert - die Staatsausgabenquote stieg auf fast 3 vH. Lediglich die Beschäftigung in der Industrie wurde um ungefähr 4 vH geringer, wobei die freigesetzten Arbeitskräfte überwiegend durch mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie eine weitere Erhöhung der Beschäftigung im Bereich öffentlicher Dienstleistungen aufgefangen wurden.
295
Tabelle S.l Schweden Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung In Schweden
1973
1974
1975
1976
1977
Handesbilanzsaldo (Mrd. Skr)
5,54
-3,44
-0,65
-5,20
-4,90
Leistungsbilanzsaldo (Mrd. Skr)
6,25
-2,44
-1,47
-7,12
-9,59
3
6+10
Abwertungen (vH)
1978
1981
1982
-1,99
-7,13
9,63
23,25
12,0
- 0 , 1 7 -10,14 - 1 8 , 8 2 - 1 4 , 1 8 -22,76
-7,03
3,32
-10,3
5,15
1979
1980
-5,06 -11,38
10
1983
1984
1985
16
Industrieproduktion (I.S.I.C. 3) 1980=100) - Schweden - Bundesrepublik Deutschland
100
104
102
102
96
95
100
100
98
97
102
109
113
93,3
91,2
85,1
91,0
93,6
95,1
100
100
98,3
95,4
96,3
99,5
105
Beschäftigung in Industrie (I.S.I.C. 3) 1980=100) - Schweden
104
109
111
107
104
100
100
100
96
90
86
88
89
- Bundesrepublik Deutschland
109
107
102
99
99
99
100
100
97
92
88
87
88
111
124
125
125
102
82
84
100
92
76
79
92
110
92
82
76
81
85
86
93
100
96
88
89
89
100
BruttoBniageinvestltlonen der Industrie (I.S.I.C. 3, 1980-Preise, 1980=100) - Schweden - Bundesrepublik Deutschland Arbeitsinsenquote (in vH der zivilen Erwerbspersonen) - Schweden
2,5
2,0
1,6
1,6
1,8
2,2
2,1
2,1
2,5
3,2
3,5
3,1
2,8
- Bundesrepublik Deutschland
1,0
2,2
4,1
4,1
4,0
3,8
3,3
3,3
4,7
6,8
8,4
8,4
8,6
109,8
99,4
90,9
105,1
119,6
139,5
149,3
121,4
115,3
142,5
163,4
190,1
180,6
3,1
2,8
2,5
2,8
3,2
3,7
3,9
3,1
3,0
3,7
4,2
4,8
4,6
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (Monatsdurchschnitte) - 1 000 Personen
*
- In vH der abhängig Beschäftigten Beschäftigung in Dienstleistungen für die Allgemeinheit, persönliche Dienstleistungen (l.S.i.C. 9; 1980=100) - Schweden
78
80
84
85
90
93
98
100
102
104
105
107
- Bundesrepublik Deutschland
84
87
88
90
93
95
98
100
101
102
102
104
45,,5
48,7
49,7
52,,4
58,,2
59,»9
61,,3
62,»3
65,>3
67,4
67,1
64,,5
65,7
>9
6,4
4,9
3,,0
3,0
6,9
7.)
7,»7
8,9
Öffentliche Haushalte - Ausgaben in vH des BIP - Nettokreditaufnahme ( • ) In vH des BIP - Schuldzinsen in vH des BIP Quellen:
1.,9
-2,0
-2,8
2,1
2,2
>5 2,,1
-1,,7
0,,5
3,»0
2,,5
2,,7
3,,1
OECD) Konjunkturinstitutet, Stockholm) DIW) Statistisches Bundesamt.
296
3,,7
5,
Die insgesamt gute Wirtschaftslage und die weiter zunehmende Steuerbelastung veranlaßten die Arbeitnehmer zu hohen Lohnforderungen, die sie weitgehend durchsetzten. (Das Wort "Steuer" ist hier, wie auch im restlichen Text, ein Kürzel für Steuern und andere Abgaben an staatliche Körperschaften und Sozialversicherungen). Bis zu 25 vH betrug die Zunahme der Stundenlöhne. Dies führte
dazu, daß sich die im Jahr 1975
begonnene Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der schwedischen Industrie fortsetzte - zumal diese Industrie im Gegensatz zur westdeutschen kein Produktivitätswachstum während der betrachteten Vierjahresperiode realisierte. Die Preise stiegen, und Marktanteile gingen im In- und Ausland verloren. Der relative Preis der schwedischen Exporte lag im Vergleich zu den wichtigsten Konkurrenten Mitte 1976 um mehr als 12 vH höher als zwei Jahre zuvor. Es ist geschätzt worden, daß die daraus folgenden Absatzprobleme einen Verlust jedes fünften industriellen Arbeitsplatzes impliziert hätten (Hamilton 1980). Um diese Katastrophe zu verhindern, wurde die außenwirtschaftliche Entwicklung mit drei Abwertungen der schwedischen Krone gebremst: -
im Oktober 1976 um 3 vH gegenüber der D-Mark, im April 1977 um 6 vH gegenüber den meisten Währungen in der europäischen "Währungsschlange" und im August 1977 um 10 vH gegenüber einem gewogenen Durchschnitt der für den schwedischen Außenhandel 15 wichtigsten Währungen, wobei die Krone zugleich aus der europäischen Währungsschlange herausgenommen wurde.
Außerdem versuchte die Regierung, die Rezession mit noch mehr Staatsausgaben zu verhindern. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte entsprachen im Jahre 1977 mehr als 58 vH des schwedischen Bruttoinlandsprodukts. Gegenüber dem Vorjahr war der Anteil um fast 6 Prozentpunkte höher. Ebenso schnell wuchs die Beschäftigung im Bereich der nicht-marktbestimmten Dienstleistungen. Außerdem
wurden
durch
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
zusätzlich
15 000 Personen beschäftigt. Unternehmen, die bereit waren, auf Halde zu produzieren, anstatt Arbeitskräfte
zu entlassen, erhielten Zinssubven-
tionen und Staatsgarantien. Die Ausgaben dafür waren im Fiskaljahr 297
1976/77 - mit 955 Mili. Skr - mehr als viermal so groß wie im Jahre davor. Noch größer waren die vom Staat abgedeckten Verluste der Staatsunternehmen. Auch die Hilfe für die Schiffbauindustrie nahm mit 1,5 Mrd. SKr (1977) eine beachtliche Größe an. Der Konjunkturaufschwung im Ausland war zu schwach, die Abwertungen der Krone kam zu spät, und die fiskalischen Mittel waren doch zu beschränkt, um eine Rezession zu verhindern. Es wurde aber erreicht, daß der Rückschlag für die Industrie kleiner ausfiel als erwartet und daß er weniger als in der Bundesrepublik Deutschland zu Lasten der Arbeitnehmer ging. Während die westdeutsche Industrie im Jahre 1977 mit einer um 10 vH reduzierten Arbeitskräftezahl ebensoviel produzierte wie vier Jahre zuvor, hatte die schwedische Industrie wieder so viele Beschäftigte wie im Jahre 1973, produzierte damit aber 4 vH weniger. Dieser Rückgang der Produktivität äußerte sich darin, daß 23 vH des zuvor stark erweiterten Kapitalstocks nicht genutzt wurden (OECD 1979, S. 36). Dies war, wie die folgenden Zahlen (OECD 1978, S. 16) zeigen, mit einer großen, stark differenzierten Senkung der Profitrate (Bruttogewinne vor Abschreibungen und Steuern in vH des Umsatzes) verbunden: 1973
1977
7,5
0,1
Holzschliff, Zellstoff, Papier und Pappe
18,7
5,5
Chemische Industrie
10,8
6,2
Eisen und Stahl
13,8
-6,7
Maschinenbau
10,3
7,4
Industrie insgesamt
11,4
4,7
Textilindustrie
1.2
Die Jahre 1978 bis 1981: Vergebliche Bemühungen um Strukturerhaltunqen
In den Jahren von 1978 bis 1981 wurde in der Bundesrepublik der Konjunkturaufschwung durch die zweite Ölkrise 1979/80 gebremst. Bis dahin war aber die Industrieproduktion so stark gewachsen, daß sich eine - sehr - leichte Zunahme der industriellen Beschäftigung ergab. Wegen der gleichzeitigen Expansion der Beschäftigung im Bereich der öffentli298
chen und privaten Dienstleistungen war die Erholung auch an der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosenguote deutlich ablesbar. Besonders vielversprechend war die - verzögerte - Intensivierung der Investitionstätigkeit. Infolge der erneuerten Konjunkturbremsung, die keineswegs nur der Ölverteuerung, sondern auch der Wirtschaftspolitik - darunter der monetären Entwicklung - zuzuschreiben war, ging die industrielle Produktion zurück, fand eine erneute umfangreiche
Elimination unrentabler
industrieller
Arbeitsplätze statt und sanken die jährlichen Anlageinvestitionen. Der industrielle Abschwung entsprach in seinem Ausmaß dem nach 1973. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenguote verdoppelt sich. In Schweden dagegen setzte sich der Konjunkturabschwung des Jahres 1978 fort. Es wurde, zumindest von den Unternehmen, erkannt, daß weitere Aufstockungen der Lager nicht sinnvoll waren - auch nicht, wenn der Staat zur Finanzierung beitrug. Folglich mußte ein neuer Weg gefunden werden. Die Neuorientierung beschränkte sich - vorerst - auf den Ubergang zu direkter Unterstützung von besonders notleidenden Branchen. Das bisherige Ziel, gefährdete
Arbeitsplätze zu bewahren,
wurde also beibehalten. Anscheinend war die Regierung nach wie vor der Ansicht, daß es sich nicht um strukturelle sondern um konjunkturelle und daher überbrückbare Absatzprobleme handelte. Die Entwicklung der Subventionen entsprach nicht dieser Vorstellung. Die folgende Tabelle (OECD 1982, S. 31) erfaßt die Jahre 1977 bis 1981. Aus ihr wird auch die Änderung der Unterstützungsmethode ersichtlich: Industriesubventionen (Mrd. Skr.) Empfänger/Jahr
1977
1978
1979
1980
1981
(ohne Schiffbau)
1,3
0,6
1,6
1,4
2,0
Schiffbau
1,5
1,6
5,1
3,4
3,0 1,2 0,5
Unternehmen des Staates
Stahlindustrie
-
1,8
1,7
Holz, Papier und Pappe
-
0,4
0,3
1,1 0,1
Andere Industrien
-
0,4
2,0
1,0
0,6
4,8
10,7
7,0
7,3
Insgesamt
2,8
Die nicht aufgeschlüsselten Subventionen der "anderen Industrien" kamen insbesondere der Textilindustrie zugute.
299
In der Zeit von Herbst 1976 bis Ende 1978 wurden der schwedischen Industrie 19,5 Mrd. SKr Darlehen und Zuschüsse gewährt, weitere 20 Mrd. SKr Darlehen wurden durch den Staat garantiert (OECD 1979, S. 32). 1979 kulminierte die Industriehilfe. Sie betrug insgesamt 22 Mrd. SKr - das heißt: 5 vH des damaligen Bruttoinlandsprodukts - wenn diejenigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dazugerechnet werden, die einzelnen Unternehmen direkt zugute kamen (OECD 1981, S. 23). Derartige Ausgaben konnten nicht durch Einsparungen im Bereich anderer Budgetposten finanziert werden. Die gesamten Ausgaben mußten zunehmen. Weitere Mittel wurden durch die unverminderte Expansion der Beschäftigung in öffentlichen Verwaltungen, im Gesundheits-, Schul- und Sozialwesen gebunden. Während der Jahre 1978 bis 1981 kamen in diesem Bereich ebenso viele Arbeitsplätze dazu wie in den vorangegangenen vier Jahren - jeweils 12 vH der Beschäftigung dieser Bereiche im Jahre 1980. Die Finanzierung mußte hauptsächlich durch Schuldenaufnahmen erfolgen, da die Steuern offenbar eine kritische Höhe ereicht hatten. Jahr um Jahr wurden die Ausgaben der öffentlichen Haushalte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt größer (59,9 vH in 1978; 65,3 vH in 1981), und fast alles geschah mit Krediten: Während die öffentlichen Haushalte noch im Jahre 1977 erheblich mehr an Kreditgewährung auswiesen als an eigener Kreditaufnahme,
war das Finanzierungssaldo ein Jahr später
leicht negativ. 1981 entsprach die Nettokreditaufnahme 4,9 vH des Bruttoinlandsprodukts. Der positive Aspekt dieser Entwicklung war, daß die Beschäftigung ihr hohes Niveau behielt. Die ausgewiesene Arbeitslosenquote ging im Aufschwung 1979/80 von 2,2 vH auf 2,1 zurück (in der Bundesrepublik Deutschland von 3,8 vH auf 3,3 vH), und im Abschwungsjahr 1981 war sie mit 2,5 vH ebenso groß wie im Jahre 1973 (in der Bundesrepublik Deutschland 4,7 vH gegenüber 1,0 vH in 1973). Die der Industrie zugerechnete Beschäftigung
blieb zunächst auf dem im Konjunkturtief
1978
erreichten Niveau. Dazu trugen sicherlich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei, die im Jahre 1979 als im Aufschwungsjahr
50 vH mehr Arbeitnehmer einschlossen
1974. Als die Konjunktur
1980/81 umkippte,
mußte die Beschäftigung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
wegen
Finanzierungsschwierigkeiten eingeschränkt werden. Es wurde "zugelassen", daß die Beschäftigung in der Industrie um 4 vH sank und daß die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote die erwähnte Höhe von 2,5 vH erreichte. 300
Ein Teil des Abbaus von industriellen Arbeitsplätzen traf die Krisenbranchen Schiffbau und Stahl, wo der Staat auch die Eigentümerverantwortung übernahm: Bereits 1976 war beschlossen worden, die Beschäftigung im Schiffbau bis 1979 um 30 vH gegenüber 1974 zu reduzieren. Das wurde mit der Schließung einer großen Werft und mit
Produktions-
umstellungen einer zweiten erreicht. 1979 wurde die letzte der großen - bisher privaten - Werften in die staatliche Auffanggesellschaft "Swedr yards" übernommen, die ihre Entlassungen und Produktionseinschränkungen bis heute weiterführen mußte. Die drei größten Stahlproduzenten gingen 1977 in einer neuen Gesellschaft "Swedish Steel" auf, wobei der Staat die Hälfte der Aktien übernahm. Schon bei der Gründung war der Plan gefaßt worden, innerhalb von fünf Jahren die Produktionskapazitäten einzuschränken und die Beschäftigung von 18 000 auf 14 500 Personen zu reduzieren. An dieser schwedischen Politik wurde wiederholt (z.B. OECD 1980, 1981, 1982) bemängelt, daß sie -
die Einschränkung von verlustbringender Produktion zu langsam vorantrieb,
-
durch Lohnbeihilfen allgemein den produktivitätssteigernden Arbeitsplatzwechsel bremste und
-
den öffentlichen Sektor der Wirtschaft zu groß werden ließ.
Das Argument lautete: Durch die kostspielige Expansion des öffentlichen Sektors könne das gesamtwirtschaftlich bedeutende Stagnationsproblem der Industrie nicht behoben werden. Vielmehr würden die Löhne in die Höhe getrieben und gualifizierte Arbeitskräfte würden zur Mangelware. Da die betroffenen Arbeitnehmer nichts davon hatten, wenn sie ohne Ersatzbeschäftigung "produktivitätsfördernd" freigesetzt würden, und da es den Unternehmen freigestellt
war, zu ihrem eigenen Vorteil
die
Produktion umzustellen und den Absatz zu erhöhen, ist diese Kritik nur haltbar, wenn sich nachweisen läßt, daß die ausgabenintensive Politik zum Scheitern verurteilt war. In der Tat spricht einiges dafür. Die Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen gibt die auffälligste Evidenz: Die Bruttoanlageinvestitionen reagieren in der Regel verzögert und 301
überproportional auf Schwankungen der Industrieproduktion. So war es im schwedischen Boom von 1975. Und aufgrund der erwähnten "Profitraten" für die Jahre 1977/78 konnte es keine Überraschung sein, daß die Industrieunternehmen sich nicht antizyklisch verhielten, sondern im Jahre 1978 rund 20 vH weniger investierten als im Vorjahr. Die anschließende Zunahme der Industrieproduktion um 5 vH hatte zunächst praktisch kein Investitionsecho. Ein weiteres Jahr später waren diese Investitionen immer noch geringer als im ersten Krisenjahr 1977. Damit blieben die geforderten produktivitätserhöhenden Umstellungen aus. Folglich konnte die schwedische Industrie, in Verbindung mit ihren relativ hohen Lohnund
Lohnnebenkosten,
nur
schlecht
im
internationalen
bestehen und Nutzen aus dem Konjunkturaufschwung
Wettbewerb
im Inland und
Ausland ziehen. Das ist an der Entwicklung der Handelsbilanz
gut
ersichtlich:
die
Nach den großen Abwertungen im Jahre 1977 war
Wettbewerbsfähigkeit
so
weit
wieder
hergestellt,
daß
der
Handelsbilanzsaldo innerhalb eines Jahres von einem Defizit in Höhe von 5 Mrd. SKr in einen ebenso großen Überschuß verwandelt wurde. Im Jahr darauf manifestierte
die alte ungünstige Entwicklung sich mit einem
neuen Defizit von 5 Mrd. SKr, und mit einem Minus von 11,4 Mrd. SKr schloß die Handelsbilanz 1980 ab, obwohl die Regierung im Frühjahr einen allgemeinen Preisstopp verfügt hatte. Die entscheidende Frage ist also, warum die Industrieunternehmen so wenig investierten. Die niedrige laufende Profitrate gehört sicherlich zu den Gründen, da sie die mögliche Eigenfinanzierung einschränkte. Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung und die geringe Aussicht, daß der Staat - in Finanznöten - den Unternehmen viel von ihren Gewinnen überlassen würde, ist ein anderer Teil der Antwort. Dafür spricht die Tatsache, daß die steuerlichen Investitionsanreize wenig fruchteten - die Guthaben auf den freigegebenen Investitionsfondskonten bei der Zentralbank (Abschnitt 2.2) wurden nicht kleiner. Man muß schließlich auch mit einem finanziellen
"Crowding-Out"
der
Realkapitalbildung
durch
die
staatlichen Kreditaufnahmen rechnen. Denn die Banken und Versicherungsgesellschaften übernahmen Staatsschuldenpapiere, weil sie dazu verpflichtet wurden und weil sie darüber hinaus durch eine hohe Rendite auch Anreize dazu hatten. Das stetige Wachstum dieser Rendite deutete eine Überschußnachfrage nach Krediten an. Unternehmen mit liquiden Mitteln wurden so zu Investitionen in diese sicheren Rentenwerte anstatt in unsichere Produktionsvorhaben angeregt. 302
Um die Anspannung des inländischen Kreditmarktes möglichst gering zu halten, deckte die Regierung einen großen Teil ihres Kreditbedarfes im Ausland. Durch den rapiden Anstieg der Auslandsschulden wuchsen aber auch die jährlichen Zinszahlungen an das Ausland, was die außenwirtschaftliche Problematik des Landes verschärfte. Der ohnehin negative Leistungsbilanzsaldo wuchs von 5 Mrd. SKr in den Jahren 1977, 1978 und 1979 auf 7,5 Mrd. 1980 und 12 Mrd. 1981. Es ist anzunehmen, daß diese Entwicklung von Unternehmen mitverursacht
wurde, die Gewinne im
Ausland beließen, anstatt sie in Schweden zu investieren. Die Folge war jedenfalls, daß die Regierung die Krone im September 1981 nochmals, um 10 vH, abwerten mußte. Die Überbrückungspolitik behinderte sich also selbst. Das an und für sich vernünftige Vorhaben, den Bürgern mit Staatsausgaben über eine Periode mangelnder privater Nachfrage hinwegzuhelfen, kann massiv nur kurzfristig verfolgt werden. Langfristig und teuer, schwächt es die Realkapitalbildung, was zur Folge hat, daß die Industrie auch strukturell geschwächt wird. Das Angebot, unrentable Arbeitsplätze mit staatlicher Hilfe aufrechtzuerhalten, wird dann als die beguemere Lösung gewählt. Auf die Dauer kann dies aber nur in einem gesamtwirtschaftlich recht begrenzten Umfang geschehen. Nennenswerte Strukturprobleme müssen durch den Verzicht auf strukturkonservierende
Politik gelöst werden.
Diese Erfahrung machten die Schweden. 1.3
Die Jahre 1982 bis 1985; Ein exportorientierter Neubeginn?
Durch den Rezessionsverlauf 1981/82 wurde die schwedische Regierung mit einem Finanzierungsproblem konfrontiert, das sie nicht ceteris paribus lösen konnte. Denn mit jährlichen Ausgaben in der Höhe von 65 vH des Bruttoinlandsprodukts, darunter 5,5 vH-Punkte für Schuldzinsen, die infolge der Kronenabwertung noch mehr Mittel erforderten als zuvor, und mit einer laufenden Nettokreditaufnahme von bereits 5 vH des Bruttoinlandsprodukts bestand wenig Spielraum für eine Fortführung der bisherigen, strukturerhaltenden Politik. Auch war die Erfahrung gemacht worden, daß die jährlichen Kosten dieser Politik mit Ausmaß und Dauer des Konjunkturabschwunges wuchsen. Die Konseguenz war zunächst ein Budget für 1982/83, das sowohl eine Reihe von Leistungen für private Haushalte einschränkte als auch Steuererhöhungen vorsah. Im Herbst 1982 war es so weit. Eine neue, sozialdemokratische Regierung war gewählt worden, die 303
als erstes ein wirtschaftspolitisches Krisenprogramm beschloß. Zu diesem Programm gehörten: die Verfügung eines allgemeinen Preisstopps, -
Modifikationen,
insbesondere Aufhebungen von Indexbindungen, im
Bereich der Leistungen für Familien und Einzelpersonen, die Erhöhung der Mehrwertsteuer
um 1,3 vH-Punkte auf 19 bzw.
23,46 vH, Investitionsprogramme für die Bereiche Energieversorgung, Transporte, Kommunikation und Wohnungsbau, -
eine Aufstockung der Mittel für den Ersatz von offener Arbeitslosigkeit durch Schulungsprogramme etc.,
-
restriktive Änderungen im Bereich der Besteuerung von Unternehmen und Vermögen
und - als Kompensation für die Unternehmen - : -
eine offensive Abwertung der Krone um weitere 16 vH gegenüber dem Währungskorb der wichtigsten Handelspartner.
Auch ohne dieses Krisenprogramm wäre eine erneute Abwertung erforderlich gewesen. Denn trotz der Abwertung im Vorjahr hatte sich die katastrophale Entwicklung der Leistungsbilanz fortgesetzt; mit einem Minus von fast 23 Mrd. SKr wurde das Jahr beendet
(Handelsbilanz:
-7 Mrd. SKr). Angesichts der Kombination aus Steuererhöhungen, Einschränkungen von Ausgaben und einer erlahmten Investitionstätigkeit (real 46 vH weniger Bruttoanlageinvestitionen als im Jahre 1973) mußte die Abwertung mehr bringen, als den Bedarf an Kapitalimporten zu adjustieren. Die Kombination aus Inlandsrestriktionen und außenwirtschaftlicher Industrieförderung war das Herzstück des Krisenprogramms, das dann im Budget für 1983/84 fortgeführt wurde. Unter dem Motto "Der dritte Weg" wurde versucht, eine Zunahme der Industrieproduktion und eine Reduktion 304
des außenwirtschaftlichen Defizits zu erreichen, die Beschäftigung zu erhalten und die Inflation zu bremsen (Ministry of Finance 1983, S. 114). So sollte Schweden seinen Weg aus der Krise sowohl erarbeiten als auch ersparen. Das neue Budget wurde dementsprechend mit weiteren Steuererhöhungen und Ausgabenbeschränkungen verabschiedet. Außerdem war es mit Absichtserklärungen verbunden, die dahin gingen, daß das Defizit langfristig insbesondere durch eine restriktive Ausgabenpolitik abgebaut werden sollte, daß die Arbeitsmarktpolitik nach wie vor vorrangig sei und daß sie und folglich auch die Industriepolitik einen offensiven, strukturwandelnden Charakter bekommen sollte. Die Abwertung kam zur rechten Zeit. Die Industrie konnte Nutzen aus dem Konjunkturaufschwung im Ausland ziehen: Die Handelsbilanz verbesserte sich 1983 gegenüber 1982 um fast 17 Mrd. SKr, und die industrielle Produktion wuchs um 5 vH. Im darauffolgenden Jahr wurde ein so großer Handelsbilanzüberschuß
erwirtschaftet
(23 Mrd. SKr),
Leistungsbilanz,
der
Schuldendienste,
trotz
immensen
daß
sogar
positiv
die blieb
(+3,3 Mrd. SKr). Anfang 1986 lag die Industrieproduktion um nicht weniger als 16 vH über dem Niveau von 1982. Im Vergleich zu 1973 schnitt die schwedische Industrie damit nicht schlechter ab als die westdeutsche. Kann Schweden seine wiedererreichte industrielle Wettbewerbsfähigkeit erhalten? Es gibt vier wichtige Imponderabilien: den Arbeitsmarkt, die neue "aktive" Industriepolitik, die Wechselkursentwicklung und die Realkapitalbildung. Die politische Krise von 1982 war mit einer wachsenden Arbeitslosigkeit verbunden. Die ausgewiesene Arbeitslosenguote erreichte
schon 1983
ihren Höchststand (3,5 vH). Danach sank sie, im wesentlichen wegen der zusätzlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
190 000 Personen (4,8 vH
der abhängig Beschäftigten) wurden 1984 auf diese Weise beschäftigt. Mehr als 120 000 befanden sich in einer Schulung. Aus dem öffentlichen Dienst kamen keine wesentlichen Impulse zur Entlastung des Arbeitsmarktes. Er mußte notgedrungen mit einer stagnierenden Beschäftigung auskommen. Der Aufschwung der Industrie brachte aber neue Arbeitsplätze - in der Industrie selbst und in der übrigen privaten Wirtschaft, so daß die ausgewiesene Arbeitslosenguote sich auf 2,8 vH (!) reduzierte; Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden für 180 000 Personen benötigt. Wenn man die ausgewiesene Arbeitslosenzahl und die durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Beschäftigten zusammenfaßt, kommt man auf eine Quote von 305
Erwerbspersonen ohne reguläre Arbeit, die um nur 1,5 vH unter der westdeutschen Arbeitslosenquote liegt. Es macht aber, aus der Sicht der Beschäftigten, einen wesentlichen Unterschied, ob man arbeitslos oder auch nur vorübergehend beschäftigt ist. Auch die Erwartungshaltung der Arbeitnehmer wird dadurch geprägt. Um Lohnerhöhungen zu verhindern, die die wiedergewonnene Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stark beeinträchtigt hätten, wurde im April 1984 ein - im Juli wieder aufgehobener Preisstopp verfügt; im Februar 1985 griff die Regierung erneut zu diesem Instrument. Es ist aber offenbar geworden, daß eine Tendenz zu starken Lohnerhöhungen sehr schwer zu brechen ist. Denn mit dem Wiederanstieg der industriellen Beschäftigung - inzwischen auf das Niveau von 1982 entstand ein Arbeitsmarktengpaß. Es wurden nun andere Qualifikationen benötigt, als sie diejenigen hatten, die zuvor entlassen worden waren. Facharbeiter, Ingenieure und andere technisch geschulte Menschen werden benötigt. Die Knappheit an derartigen Fachkräften behindert inzwischen die Umstrukturierung und Expansion der Industrie (Konjunkturinstitutet 1985, S. 62 ff). Die umfangreichen Beschäftigungsprogramme der vergangenen Jahre waren offensichtlich
zu wenig mit einer an modernen
Qualifikationen orientierten Umschulung verbunden worden. Wegen der großen Solidarität der verschiedenen Arbeitnehmergruppen in den zentralen Lohnverhandlungen ist die branchen- und berufsmäßige Differenzierung der Lohnänderungen zu gering, als daß sie zu einem Wechsel in produktivere Branchen und höhere Qualifikationen anreizen könnte (Calmfors 1985). Diese geringe Streuung der Lohnänderungen, die sich besonders in der zweiten Hälfte der 70er Jahre herausgebildet hat (OECD 1981, S. 43), verstärkt das Problem der speziellen Überschußnachfrage nach Arbeitskräften. Um Abhilfe für den Ingenieur- und Technikermangel zu schaffen, haben große Unternehmen eigene Ausbildungsprogramme gestartet. Der schwedische Reichstag hat den privaten Unternehmen zudem angeboten, durch den "Kauf" von Ausbildungsplätzen gezielt zur Expansion der staatlichen Lehranstalten beizutragen (Hoff 1985). Die neue aktive Industriepolitik ist seit dem Budget 1985/86 durch die folgenden Ziele charakterisiert (Ministry of Finance 1985, S. 128; 1986, S. 123): A. Mehr Gewicht offensiver Aspekte der Industriepolitik. B. Nutzung des Entwicklungspotentials in der Produktion von Rohstoffen. 306
C. Mehr Effizienz des öffentlichen Sektors im allgemeinen und als einer aktiven Kraft in der industriellen Entwicklung. D. Gesellschaftliche Förderung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Offenheit und Zusammenarbeit zwischen Staat, Unternehmen und Arbeitnehmern. E. Intensivere Koordination der Industriepolitik mit der Regionalpolitik. F. Beseitigung administrativer Hindernisse für die Industrieentwicklung. G. Mehr industriepolitische Kooperation der skandinavischen Länder untereinander. Das Ziel (B) ergab sich insbesondere wegen der seit Jahren ungenügenden Holzlieferungen an die Industrie. Die Relation zwischen den vom Weltmarkt bestimmten Holzpreisen und den Abholzkosten hat insbesondere bei Besitzern von kleinen und mittelgroßen Wäldern Zurückhaltung verursacht. Die allgemeine Mittelstandsförderung
(D) wurde vor allem zur
Kompensation wachsender Vorteile von Großunternehmen
erforderlich
(vgl. Abschnitt 1.4). Die Mittel für diesen Zweck kommen insbesondere aus den verschiedenen regionalpolitischen Fonds. Sie bilden seit Jahren den zweitgrößten Posten im Budget des Industrieministeriums, wobei sich die Relation zum größten Posten (Investitionen des nationalen Energieamtes) kräftig zugunsten der Regionalpolitik verschoben hat. Da Regionalhilfe vergeben wird, um neue Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo die ortsansässige Bevölkerung besondere Beschäftigungsprobleme hat, sollte sie per se dem Strukturwandel dienen, und es ist selbstverständlich, daß sie mit der "Industriepolitik" koordiniert werden muß. Für die "Industriepoiitik" im engeren Sinne, das heißt: insbesondere für die Unterstützung einzelner Branchen, sind die Bewilligungen stark zurückgegangen. Aus den zuletzt knapp 350 Mill. SKr - rund ein Viertel der regionalpolitischen Ausgaben - werden auch Beratungsdienste, Umstellungshilfen etc. finanziert, die insbesondere den kleinen und mittelgroßen Unternehmen sowie den Neugründungen zugedacht sind. Die kommenden, geplanten Einschränkungen der staatlichen Auffanggesellschaft für die schwedische Schiffbauindustrie (Swedyards) - die Schließung der Werft in Uddevalla und die Einstellung der zivilen Produktion der 307
Malmöer Werft Kockums, die 2 200 bis 2 300 von insgesamt 2 800 Beschäftigten den Arbeitsplatz kostet, ist das am meisten beachtete Beispiel für die angestrebte Kombination aus Industriestrukturwandel und Regionalpolitik. Der Volvo-Konzern ist für Uddevalla gewonnen worden. Eine Autofabrik, die 2 Mrd. SKr (635 Mill. DM) kostet und 1 000 Arbeitnehmer beschäftigt, soll dort im April 1988 die Produktion aufnehmen. Auch in Malmö soll die Automobilproduktion die alten Arbeitsplätze ersetzen. Der zweite schwedische Automobilproduzent, Saab-Scania, will dort eine noch größere Fabrik für 3 Mrd. SKr bauen, die ab 1989 betriebsbereit sein und 1992 im fertig ausgebauten Zustand 2 700 Beschäftigte haben soll. Diese Investition ist allerdings mit der Schließung eines kleineren Saab-Werkes in Arl