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German Pages 386 [388] Year 1993
Konzernrecht im Ausland ZGR-Sonderheft 11
Zeitschrift fur Unternehmens^ und Gesellschaftsrecht herausgegeben von Reinhard Goerdeler, Peter Hommelhoff, Marcus Lutter, Walter Odersky, Herbert Wiedemann
Sonderheft 11
W
DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York
Konzernrecht im Ausland herausgegeben von Marcus Lutter
W DE G Walter de Gruyter • Berlin • New York • 1994
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
Die Deutsche Bibliothek -
ClP-Einheitsaufnahme
Konzernrecht im Ausland / hrsg. von Marcus Lutter. Berlin ; New York : de Gruyter, 1994 (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht : Sonderheft 11) ISBN 3-11-014107-8 NE: Lutter, Marcus [Hrsg.]; Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht / Sonderheft
© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck G m b H & Co. KG, Berlin. Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe G m b H , Berlin.
Vorwort Das Recht der verbundenen Unternehmen, verkürzt und schlagwortartig als Konzernrecht bezeichnet, gehört fast in allen Ländern der Welt zu den theoretisch, konzeptionell und praktisch am stärksten umstrittenen Rechtsgebieten des Zivilrechts. Das verhindert auch immer wieder seine Kodifikation: In den letzten 20 Jahren sind berühmte Ansätze verschiedener Gesetzgeber gescheitert - vom deutschen Gesetzgeber der GmbH-Novelle 1 über den französischen Gesetzgeber beim Vorschlag des Abgeordneten Couste2 bis zum europäischen Gesetzgeber einer 9. Rechtsangleichungs-Richtlinie3 und des Statuts für Europäische Aktiengesellschaften4. Um so wichtiger ist es, das geltende Konzernrecht in den wichtigsten Industrieländern zu kennen oder jedenfalls kennen zu können. Denn ein solches Konzernrecht gibt es natürlich, wenn auch bis auf wenige Ausnahmen5 nicht als systematisch kodifiziertes Recht, sondern als unkoordiniertes Recht in vielfältigen Einzelvorschriften (Italien) oder als ein von der Rechtsprechung entwickeltes case-law (USA) oder als Mischung von beidem (Frankreich). Die Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR) hat daher in den vergangenen Jahren immer wieder „Länderberichte" angeregt und veröffentlicht. In aktualisierter Form sind diese Einzeldarstellungen hier zusammengefaßt. Hinzu kommen eine erstmals hier veröffentlichte Darstellung von Prentice (Großbritannien) und ein für den 59. Deutschen Juristentag erstattetes rechtsvergleichendes Gutachten von Druey. Zusammen geben diese Darstellungen dem Leser einen breiten Uberblick nicht nur hinsichtlich des geltenden Konzernrechts in vielen unserer wichtigsten Partnerländer, sie zeigen auch die großen Unterschiede im Konzept: Systematische Ordnungen wechseln mit eklektischen Lösungen und Einzelfall-Entscheidungen. Das zu erkennen ist erste Voraussetzung für alle Überlegungen, die auf eine internationale und insbesondere europäische Lösung zielen: Von deren Notwendigkeit sind nach wie vor viele
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Regierungsentwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 5.11.1971, BT-Drucksache 595/71, §§234ff. ZGR 1972, 76 ff; zur weiteren Entwicklung dieses Vorschlags vgl. BRACHVOGEL, Die neuere Entwicklung des Konzernrechts in Frankreich, ZGR 1980, 486 ff. Vgl. dazu LUTTER, Europäisches Unternehmensrecht, 3. Aufl., 1991, S.57ff und 279ff. Vgl. dazu GESSLER, Das Konzernrecht der S. E., in: Lutter (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl., 1978, S. 275 ff; zum „Untergang" dieses Vorschlags LUTTER, aaO (Fn. 3 ) , S. 1 3 0 ff und S. 5 6 1 ff. Außer Deutschland mit seiner auf die Aktiengesellschaft beschränkten Lösung der §§291 ff AktG nur noch Brasilien und Portugal (je in diesem Band).
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Vorwort
ü b e r z e u g t 6 . D e s h a l b m a g diese Z u s a m m e n s t e l l u n g auch der wissenschaftlichen D i s k u s s i o n zwischen den Mitgliedstaaten d e r E G u n d anderen L ä n d e r n , wie sie n u n in G a n g k o m m t , als G r u n d l a g e dienen. A u t o r e n u n d H e r a u s g e b e r d a n k e n Frau R e f e r e n d a r i n Irnke
Ossenbühl
sehr f ü r
die m ü h e v o l l e O r d n u n g der Beiträge u n d die sorgfältige H e r s t e l l u n g des M a n u skripts. A u t o r e n , H e r a u s g e b e r und Verlag w ü n s c h e n sich einen lebendigen F o r t g a n g der D i s k u s s i o n u m ein o d e r gar „das" richtige K o n z e r n r e c h t .
B o n n , September 1993
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Marcus Lutter
Vgl. nur HOMMELHOFF (in diesem Band) und WYMEERSCH, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/ Hopt (Hrsg.), European Business Law, Berlin und New York 1991, S. 227 ff sowie LUTTER, Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Europa, ZGR 1987, 324 ff.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Belgien KOKN G E E N S :
Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Belgien
1
Brasilien F A B I O KONDER C O M P A R A T O :
Die Konzerne im brasilianischen Aktienge-
setz
32
Europa PETER H O M M E L H O F F :
Frankreich
YVES G U Y O N :
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt . . .
Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich
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Großbritannien DAN D. PRENTICE: Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien . .
93
Italien PAOLO SPADA:
Neuere handelsrechtliche Gesetzgebung und Konzernrecht
in Italien CARLO
115
BRUNO
VANETTI:
Die Diskussion über die Konzerne und ihre
Regelung in Italien
126
Japan KORESUKE Y A M A U C H I :
Internationales Konzernrecht in Japan
154
Niederlande W . J . SLAGTER: Der heutige Stand des Konzernrechts in den Niederlanden . 171 Österreich PETER D O R A L T :
Zur Entwicklung eines österreichischen Konzernrechts . . . 192
Portugal MARCUS LUTTER / HANS-PETER OVERRATH:
Das portugiesische Konzern-
recht von 1986 Spanien JOSÉ MIGUEL EMBID I R U J O :
Recht
229 Die Rechtslage der Konzerne im spanischen 247
VIII
Inhaltsverzeichnis
USA PHILLIP
I. BLUMBERG: Amerikanisches Konzernrecht
264
Rechtsvergleichender Überblick N I C O L A S D R U E Y : Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen Europa 310
JEAN
Sachregister
375
ECLR Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Belgien"* von Professor DR. KOEN GEENS, K. U . Leuven Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Maßnahmen in Gesetzgebung und Lehre zur Abwehr des Mißbrauchs von Unternehmensgruppen 1. Gesetzliche Anti-Mißbrauchs-Bestimmungen a) Pflicht zur Offenlegung erheblicher Beteiligungen b) Reglementierung öffentlicher Ubernahmeangebote c) Verteidigungsmaßnahmen 2. Von Rechtsprechung und Lehre entwickelte Anti-MißbrauchsBestimmungen a) Schutz der Minderheitsgesellschafter b) Schutz der Gläubiger III. Die Organisation verbundener Unternehmen 1. Informationspflichten 2. Konsolidierte Rechnungslegung a) Vertikale Beteiligung (Unterordnungskonzern) b) Horizontale Beteiligung (Gleichordnungskonzern) IV. Gegenseitige Beteiligungen Anhang I.
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Einleitung
1. Die belgische Gesetzgebung befaßt sich erst seit kurzem mit dem Problem von Unternehmensgruppen, und auch dies in einem wesentlich geringeren Ausmaß als die deutsche Gesetzgebung. Man kann sagen, daß das Echo, das der Konzern in Belgien gefunden hat, eher auf das Steuerrecht, das Bilanzrecht' und das Bankrecht 2 zurückzuführen ist. Auch der Ebene des Gesellschaftsrechts gab es bis vor kurzem den Konzernbegriff nicht. * Autor und Herausgeber danken Frau Referendarin BARBARA BRENNER, Bonn, für die sorgfältige Überarbeitung des Textes. 1 Siehe unten III. 1., Nr. 35 ff. 2 E. WYMEERSCH, De houding van de Bankcommissie tegenover het groepsverschijnsel, in: Rechten en plichten van moeder- en dochtervennootschappen, edit. Studiecentrum voor Ondememingsgroepen, Antwerpen 1986, S. 392—444; DERS., La Commission bancaire belge et le droit des groupes de sociétés, Rivista delle Società, 1986, 207-267.
Koen Geens
In diesem Beitrag wird denn auch - entsprechend den deutschen Verhältnissen - den einschlägigen Normen nach belgischem Recht besondere Beachtung geschenkt. Hierzu zählen auch solche Bestimmungen, die nur im weitesten Sinne zum Konzernrecht gerechnet werden können, aber aus belgischer Sicht schon als große Weiterentwicklung zu werten sind. Es ist unverkennbar, daß sich Belgien, ebenso wie viele andere EG-Mitgliedstaaten, in deutsche Richtung wird entwikkeln müssen; dies gilt spätestens dann, wenn die einschlägigen EG-Initiativen, wie der Vorentwurf einer Neunten EG-Richtlinie 3 oder der Entwurf der Verordnung einer Europäischen 4 Aktiengesellschaft treten wird 5 . Es ist unverkennbar, daß sich die Lehre in Belgien seit Jahren darauf vorbereitet hat 6 . So wurde z. B. ein interdisziplinäres Studienzentrum für Unternehmensgruppen errichtet, in dem jeweils Mitglieder der Wirtschaft, der Verwaltung und der Anwaltschaft vertreten sind und das schon mehrere bedeutende Kolloquien zum Konzernrecht veranstaltet hat 7 . Unter der Leitung des Studienzentrums wurden ferner mehrere Bücher zum Konzernrecht publiziert 8 . 2. Anfang der sechziger Jahre wurden verbundene Unternehmen im Steuerrecht zwar schon erwähnt, jedoch ausschließlich zu Sanktionszwecken: Wenn ein Unternehmen seine Verbindung zu anderen Unternehmen dazu benutzte, um dem belgischen Fiskus zu versteuernde Einnahmen zu entziehen (z. B. transfer pricing), konnten die gezogenen Gewinne dennoch unter bestimmten Voraussetzungen der belgischen Einkommensteuer unterworfen werden (Art. 24 Einkommensteuergesetz).
3 L. DABIN, Evolutions doctrinales dans le cadre du „ K o n z c r n r e c h t " , in: Aspecten van de ondernemingsgroepen, Antwerpen 1989, S. 195; S. VAN CROMBRUGGE, Het voorontwerp van negende richtlijn, ibidem, S. 435. 4 Vgl. den letzten Vorschlag vom 16.Mai 1991, F.G Abi. vom 8 . J u l i 1991, C 176/1. 5 Vgl. M . LUTTER, Z G R
1 9 8 7 , 3 2 4 ff.
6 Vgl. z . B . die großen Studien, hier in chronologischer Reihenfolge: P.VAN OMMESLAGHE, Les groupes de sociétés, Rev. Prat. Soc. 1965, N r . 5280, 1 5 3 - 2 5 2 ; G . KEUTGEN, Le droit des groupes de société dans la C E E , Brüssel 1973, S. 315 ff; S. VAN CROMBRUGGE, D e juridische en fiscale eenheidsbehandeling van vennootschapsgroepen, A n t werpen 1984, S. 543 ff; vgl. auch die P r o t o k o l l e der großen Kolloquien, hier in c h r o n o l o gischer Reihenfolge: «Le séminaire postdoctoral de l'Université Catholique de Louvain» 1971, Rev. Prat. Soc. 1972, 1 - 1 0 2 ; Les groupes des sociétés, Séminaire de la Commission de Droit et Vie des Affaires, organisé à Liège les 1 9 / 2 0 / 2 1 o c t o b r e 1972, Liège-La H a y e 1973, S. 545 ff; Modes de rapprochement structurel des entreprises: tendances actuelles en droit des affaires, Séminaire de la C o m m i s s i o n de D r o i t et Vie des Affaires, organisé à Liège les 1 9 - 2 0 novembre 1986, Brüssel 1988, S. 3 0 0 ff. 7 Z. B. Kolloquium in Brüssel vom 11. und 12. D e z e m b e r 1980: Juridische aspecten van de geconsolideerde jaarrekening, Antwerpen (Kluwer), 1984, S. 3 5 6 ff; Kolloquium in Brüssel vom 7. und 8. März 1985: Rechten en plichten van moeder- en dochtervennootschappen, Antwerpen (Kluwer), 1985, S. 501 ff. 8 Aspecten van de ondernemingsgroepen, Antwerpen, 1989.
Konzernrecht in Belgien
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Seitdem hat sich im S t e u e r r e c h t nicht viel verändert, w e d e r zum Positiven noch z u m N e g a t i v e n . O b w o h l s o w o h l die Fachliteratur als auch die Wirtschaft auf steuerliche K o n s o l i d i e r u n g gedrängt h a b e n , ist diese bisher nicht erreicht w o r d e n , im G e g e n t e i l .
Demgegenüber ist in Gesetzgebung und Rechtsprechung eine zunehmende Strenge in bezug auf Verschmelzungen durch Übernahme zu verzeichnen, sofern die übernehmende Gesellschaft eine negative Bilanz aufweist, und zwar auch dann, wenn zwei von der Verschmelzung betroffene Unternehmen der gleichen Gruppe angehören. Die erste Voraussetzung zur Übertragung solcher Verluste wurde von der Rechtsprechurfg entwickelt und stützt sich auf rein juristische Aspekte: Weil übertragene Verluste grundsätzlich nur von demjenigen Unternehmen in Abzug gebracht werden können, das die Verluste auch gemacht hat, soll die Übernahme grundsätzlich nur in der Weise erfolgen, daß die verlustbringende Gesellschaft die gewinnbringende aufnimmt. Solche umgekehrten Übernahmen werden meist als unnatürlich empfunden. Deshalb hat der fiskalische Gesetzgeber jüngst durch Gesetz vom 20. Juli 1991 eine andere Voraussetzung entwickelt: Nur solche Verschmelzungen, die auf rechtmäßigen Bedürfnissen finanzieller oder wirtschaftlicher Art beruhen, geben künftig noch ein Recht auf Übertragung von Verlusten auf die übernehmende Gesellschaft; auch dies freilich nur im Verhältnis zum Nettovermögen der übernehmenden Gesellschaft vor der Übernahme zu ihrem Anteil am Nettovermögen nach der Übernahme. Es ist dies ein Beispiel für die übrigens sehr atypische wirtschaftliche Betrachtungsweise des belgischen Steuerrechts. Darüber hinaus hat das Steuerrecht in Belgien aber auch einen sehr positiven Beitrag zum Problem des Konzerns geleistet, nämlich durch die steuerliche Begünstigung sogenannter „coordination centers", die auf ihre Befreiung von der Gesellschaftsteuer hinausläuft 9, , 0 . Die wichtigsten Voraussetzungen für die Anerkennung einer Firmengruppe als „coordination center" durch die Finanzverwaltung sind zum einen, daß eine bestimmte Anzahl von Betätigungen der Gruppe von Belgien aus entwickelt und gesteuert werden. Gleichzeitig muß es sich um eine multinationale Gruppe handeln, die einen Jahresumsatz von mehr als zehn Milliarden hat, verbunden mit einem eigenen Vermögen von mehr als einer Milliarde.
9 Arrêté Royal Nr. 187 vom 30. Dezember 1982. 10 J . MEYERS, Coordination centers in Belgium, in: Droit et pratique du Commerce international, 1985, S. 459-477; DERS., The special tax treatment of group finance and service companies in Belgium, in: Modes de rapprochement structurel des entreprises: tendances actuelles en droit des affaires, C D V A , 1988; J . P. LAGAE, Coordination Centers, in: Bulletin for international fiscal documentation, 1987, S. 359ff.
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Für diese steuerlichen Belange wurde die Gruppe definiert als eine Gesamtheit miteinander verbundener Gesellschaften, die infolge der mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung einer oder mehrerer von ihnen an einer oder mehreren anderen Gesellschaften unter einheitlicher Leitung stehen". AJs Unternehmensgruppe in diesem Sinne werden zum Beispiel zwei Gesellschaften anerkannt, wenn eine von beiden direkt oder indirekt mindestens 2 0 % des Kapitals der anderen besitzt oder, verbunden mit den entsprechend ausgegebenen Aktien, mindestens 20 % der Stimmrechte ausüben kann. Der große Anklang, den die „coordination centers" in Belgien gefunden haben, ist auch der fiktiven Quellensteuer zu verdanken, die die Mitglieder der Unternehmensgruppe bislang auf Dividenden und Zinsen einbehalten durften, die von dem Zentrum an sie ausgeschüttet wurden. Aufgrund der EG-Richtlinie über Mutter- und Tochterunternehmen von 1990 ist diese fiktive Quellensteuer aber zusammen mit der Quellensteuer aufgehoben worden, die eine Tochtergesellschaft von der an sie ausgeschütteten Dividende der Muttergesellschaft einbehalten durfte. 3. Ebenso wie im Steuerrecht kann das Problem der Konzernbildung aber auch im Rahmen des Handels- und Gesellschaftsrechts behandelt werden, und zwar unter zwei Aspekten: a) Zunächst wurde das Problem der Konzernbildung nur aufgegriffen, um es zu verneinen 12 . Tatsächlich aber kann eine Gruppe ein ausgezeichnetes Mittel sein, zwingende gesetzliche Vorschriften, die sich an die einzelnen Gesellschaften richten, zu umgehen. Sowohl Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung werden diese Umgehungsmöglichkeiten allerdings unter Hinweis auf gesetzliche Anti-Mißbrauchsbestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelte Abwehrmaßnahmen verhindern können. Bedient sich zum Beispiel eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft, um sich dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien zu entziehen, so sollen auf diese Fälle die gesetzlichen Verbotsbestimmungen ausgedehnt werden 13 , die sich eigentlich nur an die einzelne Gesellschaft richten. Eine Muttergesellschaft kann sich ferner ihrer Haftung dadurch entziehen, daß sie sich insolventer Tochtergesellschaften bedient. Zum Schutz der Gläubiger haben Rechtsprechung und Lehre die Theorie des Haftungsdurchgriffs entwickelt 14 . b) Ferner ist der Gesetzgeber aufgerufen, einschlägige Maßnahmen zu ergreifen. Dabei geht es im folgenden nicht so sehr darum, die Einhaltung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu sichern, sondern vielmehr darum, Verbindungen mehrerer Unternehmen untereinander nach außen erkennbar zu machen und so
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A n 2 Arrêté Royal, aaO (Fn.9). P. VAN OMMESLAGHE, Les groupes de sociétés, Rev. Prat. Soc. 1965, Nr. 5280, 153 ff. Siehe unten II. l . c ) , Nr. 17. Siehe unten I I . 2 . b ) , Nr. 31.
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den Handelsverkehr zu schützen. Hier ist z. B. daran zu denken, das Interesse der gesamten Gruppe gegenüber dem des einzelnen Unternehmens abzugrenzen und selbständig zu definieren. Von solchen gesetzgeberischen Maßnahmen finden sich im belgischen Recht Spuren seit 1975. In den späteren, der Vierten EG-Bilanzierungs-Richtlinie angeglichenen Buchführungsgesetzen vom 17. Juli 1975 und 8. Oktober 1976 wurden zum ersten Mal „Anteile an verbundenen Unternehmen und andere Beteiligungen" erwähnt15. Aber auch dabei handelte es sich um eine eher zurückhaltende Behandlung des Problems auf der Ebene des Handels- und Gesellschaftsrechts. Der Gesetzgeber zielte dabei ausschließlich darauf ab, die Aktionäre, die Arbeitnehmer und das breite Publikum durch einen korrekten Jahresabschluß über die Verbindungen des Unternehmens mit anderen Firmen zu informieren. Erst durch den Arrêté Royal vom 6. März 1990 wurde - in Ubereinstimmung mit der Siebten EG-Richtlinie - die Verpflichtung begründet, einen konsolidierten Abschluß aufzustellen und zu veröffentlichen16. 4. Im folgenden sollen zunächst - wie oben bei Nr. 3 unter a) schon erwähnt eine Anzahl von Anti-Mißbrauchsvorschlägen, die von der neueren Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre entwickelt wurden, vorgestellt werden (II). Sodann soll dem oben bei Nr. 3 unter b) erwähnten Maßnahmenkatalog von Gesetzgebung und Jurisprudenz Aufmerksamkeit geschenkt werden (III). Zum Schluß werden dann die gegenseitigen Beteiligungen von Unternehmen behandelt (IV). Es ist ganz offensichtlich, daß ein Gesetzgeber, der sich mit dem Konzernrecht auseinanderzusetzen hat, ständig bemüht sein muß, eindeutige Definitionen zu geben für Begriffe wie „Kontrolle", „Verbundenheit", „einheitliche Leitung", „konzertierte Aktion" etc. Diese Definitionen haben sowohl für die Rechtsvergleichung als auch für die Überprüfung des belgischen Rechts im Hinblick auf die Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinien der EG eine tiefgreifende Bedeutung. Deshalb findet sich im Anhang zu diesem Beitrag eine Aufzählung der wichtigsten Definitionen.
II. Maßnahmen in Gesetzgebung und Lehre zur Abwehr des Mißbrauchs von Unternehmensgruppen 5. Ungeachtet der Anstöße aus den Reihen der Lehre17 hat der belgische Gesetzgeber im Rahmen des Handels- und Gesellschaftsrechts dem Problem der Konzernbildung keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Zwingende gesetzliche 15 Siehe unten III. 1., Nr. 35. 16 Siehe unten III. 2., Nr. 36 ff. 1 7 V g l . n u r P . VAN OMMESLAGHE, a a O ( F n . 1 2 ) , 1 6 6 .
Koen Geens
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Bestimmungen richteten sich traditionell ausschließlich an einzelne Gesellschaften ohne Rücksicht auf deren Gruppenzugehörigkeit. Dieses Versäumnis wurde offensichtlich, als die „Generale Maatschappij" mitten in ihrem Übernahmekampf gegen C. De Benedetti
das gesetzliche Verbot 1 8 , eigene Aktien zu zeich-
nen, dadurch umging, daß sie die im Rahmen einer genehmigten Kapitalerhöhung ausgegebenen Aktien bei einer lOOprozentigen Tochtergesellschaft, der Firma Sodecom, unterbrachte. Der Gesetzgeber hatte zwar den Erwerb von Aktien durch Strohmänner der eigenhändigen
Zeichnung
gleichgestellt;
das
Berufungsgericht
in
Brüssel
erkannte jedoch, daß die Tochterfirma prinzipiell juristisch selbständig gewesen sei und allein ihre wirtschaftliche Abhängigkeit somit nicht ausreiche, um sie als Strohmann im Sinne dieser Vorschriften zu qualifizieren 19 . Durch die Zeichnung der Aktien der „Generale Maatschappij" war die Firma Sodecom als lOOprozentige Tochter übrigens gleichzeitig die SOprozentige Muttergesellschaft geworden. Auch dies war kein unüberwindliches Problem, da es im belgischen Aktiengesetz kein Verbot gegenseitiger Beteiligungen gab 20 . 6. Es ist daher nicht verwunderlich, daß jedenfalls die recht ausführliche Finanzgesetzgebung aus den Jahren 1989 bis 1991 als Reaktion auf den Wirbel um die „Generale Maatschappij" dem Konzernproblem nunmehr umfassend Beachtung schenkte. Viele neue Entwicklungen lassen dies auch tatsächlich notwendig erscheinen, weil sowohl potentiellen Ubernehmern als auch potentiellen „target companies" Verpflichtungen 21 und Verbote 2 2 auferlegt werden, die durch die geschickte Handhabung von Tochterfirmen umgangen werden können.
1. Gesetzliche
Anti-Mißbrauchs-Bestimmungen
a) Pflicht zur Offenlegung
erheblicher
Beteiligungen
7. Die erste gesetzliche Maßnahme in dieser Richtung war die zügige Anpassung des belgischen Rechts an die Transparenz-Richtlinie 88/627 der E G vom 12. Dezember 1988 durch Gesetz vom 2. März 1989 und den Arrêté Royal vom 10. Mai 1989 2 3 - 2 4 . Diese neue Regelung umfaßt zwar nur Beteiligungen an 18 19 20 21 22 23 24
Vgl. Art. 29, §6 sowie Art. 35 bis Aktiengesetz. Urt. v. 1.März 1988, T . R . V . 1988, 115; J . T . 1988, 232. Siehe unten IV., Nr. 41. Z. B. Mitteilungspflicht bei Beteiligungen von 5 % oder mehr. Z. B. der Erwerb eigener Aktien. Abi. EG, L348 vom 17. Dezember 1988. D. Meulemans, De invoering van een wettelijke regeling inzake transparantie en
openbare ovemame-aanbiedingen, T . R . V . 1989, 239 (I) und 373 (II); G. K e u t g e n /
G.A. Dal, La transparence de l'actionnariat, J . T . 1989, 449ff; De Bauw, La déclaration des participations importantes dans les sociétés cotées en bourse, T. B.H. 1990,
2 7 6 FF.
Konzernrecht in Belgien
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börsennotierten U n t e r n e h m e n , jedoch können auch nicht börsennotierte Unternehmen in ihren Statuten die Anwendung des „Transparenzgesetzes" für sich bestimmen, was im R a h m e n von feindlichen U b e r n a h m e n als A b w e h r m a ß n a h m e dienen kann 2 5 . Eine Mitteilungspflicht besteht im belgischen Recht beim Besitz von Aktien, mit welchen 5 % oder mehr der Stimmrechte verbunden sind oder verbunden sein können oder bei Überschreitung der 5 % - G r e n z e in überordnender oder unterordnender Richtung. Durch Satzung kann diese Grenze auf minimal 3 % oder mehr herabgesetzt werden 2 6 . A b einer Beteiligung oder eines Aktienbesitzes von 2 0 % oder mehr besteht neben der einfachen Mitteilungspflicht eine Pflicht zur Offenlegung der mit diesem E r w e r b verfolgten Politik 2 7 . Jede Überschreitung dieser G r e n z w e r t e muß binnen zwei Tagen gemeldet werden, und zwar sowohl der Gesellschaft selbst als auch der Kommission für Bank- und Finanzwesen (K. B. F . ) , die jeweils ihrerseits für eine Veröffentlichung zu sorgen haben. 8. Bekanntlich enthält die EG-Richtlinie 8 8 / 6 2 7 verschiedene Definitionen, mit welchen versucht wird, das Problem der verbundenen Unternehmen soweit in den Griff zu bekommen, als es um die Bekanntmachung von Beteiligungen geht, die über einer gewissen Grenze liegen. Die durch Art. 6 der oben genannten Richtlinie eröffnete Möglichkeit, das übernehmende Unternehmen von seiner Meldepflicht zu befreien, sofern die Mutterfirma selbst dieser Pflicht an seiner Stelle nachkommt, hat der belgische Gesetzgeber ohne Weiteres übernommen 2 8 . Ebenfalls sehr genau hat der belgische Gesetzgeber die Regelung der Artt. 7 und 8 der Richtlinie umgesetzt, die im Rahmen der Festlegung des Stimmenprozentsatzes einer Person den Gesetzgeber verpflichtet, auch diejenigen stimmberechtigten Aktien zu berücksichtigen, die Tochterfirmen und eventuelle Strohmänner besitzen sowie diejenigen, welche von Personen gehalten werden, zwischen denen ein Stimmbindungsvertrag besteht 2 9 . Eine Mitteilungspflicht besteht darüber hinaus auch dann, wenn mehrere Personen einverständlich einen Aktienanteil erwerben, der jeder für sich genommen, eine Meldepflicht noch nicht auslösen würde, wohl aber alle Übernahmen gemeinsam 3 0 . Voraussetzung dafür ist jedoch ein gegenseitiges Einvernehmen, das zum Beispiel dann vorliegen soll, wenn zwischen den beteiligten Parteien ein Vorkaufsrecht vereinbart wurde, dessen Ziel oder zumindest Konsequenz es ist, ein paralleles Verhalten für das Erwerben oder Übertragen zu ziehen (Art. 7 Arrêté Royal v o m 10. Mai 1989).
25 26 27 28 29 30
Art. 14 des Gesetzes vom 2. März 1989. Art. 2 des oben genannten Gesetzes. Art. 8, § 3 des Arrêté Royal vom 10. Mai 1989. Art. 2, § 3 des oben genannten Gesetzes. Art. 2 des o. g. Gesetzes, aaO (Fn. 25); Art. 5 und 6 des Arrêté Royal, aaO (Fn. 27). Art. 5, § 3 des o. g. Gesetzes, aaO (Fn. 25).
Koen Geens
8
9. Zur Vermeidung von Übernahmen durch Strohmanngesellschaften soll ferner nicht nur die Gesellschaft (A), die durch eine direkte Beteiligung an einer anderen Gesellschaft (B) eine Beteiligungsgrenze in überordnender oder unterordnender Richtung überschreitet, meldepflichtig sein; vielmehr ist auch eine Drittfirma, die allein oder mit mehreren gemeinsam die Kontrolle über die übernehmende Gesellschaft (A) erwirbt oder überträgt, diesbezüglich meldepflichtig, und zwar sowohl gegenüber der Zielgesellschaft (B) selbst, als auch gegenüber der Kommission für das Bank- und Finanzwesen. Es muß nicht erwähnt werden, daß diese Definition in der Praxis auf große Schwierigkeiten gestoßen ist. Viele belgische Aktionäre verstecken sich zum Beispiel hinter einer anonymen Holdinggesellschaft in Luxemburg, die zwar ihre Beteiligung an den entsprechenden belgischen Firmen meldet, jedoch andererseits behauptet, ihre Aktionäre nicht zu kennen.
b) Reglementierung
öffentlicher
Übemahmeangebote
10. In einem zweiten Maßnahmenpaket wurde durch den Arrêté Royal vom 8. November 1989 - den sogenannten „De-Benedetti-Arrêté" - das öffentliche Ubernahmeangebot geregelt (Kauf und Umtausch) und den heutigen Erfordernissen angepaßt 31 . Von diesen Maßnahmen sind nunmehr alle Gesellschaften betroffen, die Aktien an das breite Publikum ausgeben, nicht nur börsennotierte Unternehmen. Schon vorzeitig hat man damit auf die damals erst im Entwurfsstadium befindliche Dreizehnte EG-Richtlinie reagiert 32 . 11. Die Regierung hat bei der Ausarbeitung dieser Maßnahmen denjenigen Personen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, die in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Bieter auftreten. Unter dem Druck der belgischen Unternehmerorganisationen, die hofften, sogenannte „raider" damit zur Raison zu bringen, soll sich jedes öffendiche Ubernahmeangebot zwingend auf 1 0 0 % der stimmberechtigten Wertpapiere der „target Company" beziehen 33 . Von dieser Regel wird aber dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Bieter sein Angebot beschränkt auf ein Aktienpaket, das ihm zusammen mit den Aktien, die er schon besitzt, nicht mehr als 10 %
der Stimmrechte bringen wird 34 . Wenn aber
vermieden werden soll, daß diese Ausnahme zur Regel wird, so müssen bei der 31 A.BRUYNEEL, Les offres publiques d'acquisition, J. T. 1990, 141 ff (I) und 165 ff (II); D. VAN GERVEN, Het openbaar bod op stemrechtverlenende effecten en daarmee gelijkgestelde effecten: de nieuwe procédure doorgelicht, T. R. V. 1990, 141 ff; J. M. NELISSEN GRADE, Het openbaar bod en de beursoverval na het De Benedetti K. B., Jan-RonseInstituut (ed.) 1990, S. 11 ff. 32 Letzter Vorschlag vom 14. September 1990, Abi. EG C 240, 7 vom 26. September 1990. 33 Art. 3, Abs. 1, 1° des Arrêté Royal vom 8.11.1989. 34 AaO (Fn. 33), Art. 3, Abs. 2.
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Berechnung der genannten 1 0 % im Hinblick auf die Konzernbildung auch diejenigen Aktien mitgerechnet werden, die sich im Besitz von mit dem Bieter verbundenen Unternehmen befinden, ferner solche, die von den Vorständen des Bieters oder von Personen gehalten werden, die im Einvernehmen mit dem Bieter handeln. 12. Um die Durchsichtigkeit des Marktes nach Angebotsabgabe zu gewährleisten, wurde es vom Gesetzgeber verboten, daß außerhalb der Börse Verhandlungen stattfinden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die „target Company" börsennotiert ist 35 . Geht das Angebot insgesamt aber nur auf 10 % der Aktien, so sind alle Transaktionen verboten. Sowohl Bieter als auch „target Company" sowie alle Anteilseigner von mehr als 1 % sollen jeweils innerhalb von zwei Tagen der Kommission für Bank- und Finanzwesen melden, welche Transaktionen sie nach Abgabe des Angebots durchgeführt haben 3 4 . Zwei Voraussetzungen müssen gegeben sein, um die Erfüllung der genannten Verpflichtung zu gewährleisten; sie sind im Gesetz fixiert: Die erste Voraussetzung ist die, daß die vorbenannten Vorschriften auf solche Personen ausgedehnt werden, die mit dem Bieter oder der „Zielgesellschaft" im Einvernehmen auftreten. Die zweite Voraussetzung ist, daß das Berufsgeheimnis der Börsenmakler insoweit aufgehoben wird, als sie der Kommission für Bank- und Finanzwesen Auskunft erteilen müssen über die Identität von Auftraggebern, die in dem Zeitraum nach Abgabe des Angebots ohne Mitteilung an die Behörde An- und Verkäufe getätigt haben. 13. Das Verbot zum Beispiel, nach der öffentlichen Abgabe des Angebots weitere Verhandlungen außerhalb der Börse zu führen und dadurch das Publikum in die Irre zu führen (Art. 23 des Arrêté Royal vom 8. November 1989), wurde auf den oben genannten Personenkreis ausgedehnt. 14. In den Artt. 38—44 des De-Benedetti-Beschlusses wurde die Gelegenheit genutzt, die belgische Version des „mandatory takeover bid", die sich bis dahin ausschließlich auf Maßnahmen der Kommission für Bank- und Finanzwesen (K. B. F.) stützte 3 7 , auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen 38 . Erwirbt jemand z. B. im Rahmen einer privaten Ubernahmeaktion, d. h. in einer anders als durch öffentliches Angebot oder durch Kapitalerhöhung erfolg35 AaO (Fn. 33), Art. 11. 36 AaO (Fn. 33), Art. 11. 37 P. VAN OMMESLAGHE, Les devoirs des administrateurs et des actionnaires prépondérants envers les actionnaires d'une société en cas de cession du contrôle de cette société en droit belge et en droit comparé, in: Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, FS für Johannes Bärmann, München 1975, S. 995 ff; K. B. F., Jahresbericht 1 9 7 8 - 7 9 , S. 103.
38 K. GEENS, De wijziging van controle in een vennootschap die een openbaar beroep op het spaarwezen gedaan heeft, T.R.V. 1990, 102 ff.
Koen Geens
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ten Ü b e r n a h m e , ein Aktienpaket mit einem entsprechenden Paketzuschlag, das ihm die K o n t r o l l e über die F i r m a sichert, so m u ß er n u n m e h r den Minderheitsgesellschaftern
die C h a n c e geben, zu demselben
Preis aus der
Gesellschaft
auszusteigen. Dies gilt j e d o c h nur, w e n n die Gesellschaft öffentlich an das Sparwesen appelliert hat, was nicht notwendig bedeutet, daß die Firma börsennotiert ist, w o h l aber, daß ihre Aktien unter dem Publikum breit gestreut sind 3 9 . In der Lehre wird bezweifelt, o b eine Kapitalerhöhung
im Rahmen des
genehmigten Kapitals und eine F u s i o n durch Ü b e r n a h m e in Anbetracht der Regelung der A r n . 38—41 des A r r ê t é R o y a l v o m 8. N o v e m b e r 1989 eine solche Errichtung auf W e r t p a p i e r e ausmachen k ö n n e 4 0 . D e r Ü b e r n e h m e r kann dieser Verpflichtung den verbliebenen Minderheitsaktionen gegenüber auch dadurch n a c h k o m m e n , daß er ein A n g e b o t öffentlich
abgibt oder daß er, falls die
ü b e r n o m m e n e Gesellschaft b ö r s e n n o t i e r t ist, den Ü b e r n a h m e p r e i s an den B ö r senkurs koppelt ( „ k o e r s h a n d h a v i n g " , „maintien des c o u r s " ) . D e r E r w e r b der K o n t r o l l e über ein U n t e r n e h m e n m u ß auch außerhalb der Fälle, in denen ein Paketzuschlag bezahlt wird, im voraus der K . B . F . gemeldet werden, die dann unter U m s t ä n d e n die A b g a b e eines öffentlichen A n g e b o t e s oder eine K u r s b i n d u n g empfehlen wird 4 1 . N a t ü r l i c h ist es auch m ö g l i c h , daß mehrere Personen gemeinsam die K o n t r o l l e ü b e r ein U n t e r n e h m e n e r w e r b e n 4 2 . Darin zeigt sich aufs N e u e der U n t e r s c h i e d zwischen Mittel und Z w e c k , nämlich der Vorgang des E r w e r b s der gesamten K o n t r o l l e (Mittel) und das Ergebnis dessen, die gesamte K o n t r o l l a u s ü b u n g ( Z w e c k ) . D a b e i m u ß b e m e r k t werden, daß der Z w e c k , die gesamte K o n t r o l l e auszuüben, auch auf andere Weise erreicht werden kann als durch den E r w e r b einzelner Aktien oder Aktienpakete. Dies würde nämlich praktisch eine „konzertierte A k t i o n " voraussetzen. D i e G e s a m t k o n t r o l l e kann aber auch o h n e Z u s t i m m u n g eines Mitstreiters, und zwar durch Stimmbindungsverträge einer einzelnen Partei, im W e g e der rein additionalen
Partizipation
e r w o r b e n werden. c)
Verteidigungsmaßnahmen
15. D i e dritte M a ß n a h m e im R a h m e n der Finanzgesetzgebung bestand in einer Änderung des Aktiengesetzes selbst. Dieses Änderungsgesetz zum Aktiengesetz datiert erst v o m 18. Juli 1991 und trat am 5. August diesen Jahres in 39 Arrêté Royal vom 9.Januar 1991. 40 Pro: E.WYMEERSCH, Cessions de contrôle et offres publiques obligatoires, in: En hommage au Professeur L. Dabin, Int. Fin. Law Review 1991, Nr. 9-12; Contra: K. Geens, T . R . V . 1990, 108-112.
41 Art. 39 Arrêté Royal vom 8. November 1989. 42 J. M. GOLLIER/P. VANDEPITTE, Les notions d'action de concert, de contrôle et de contrôle conjoint dans le cadre de la loi du 2 mars 1989 tendant à assurer la transparence de l'actionnariat, Rev. Prat. Soc. 1990, 81.
Konzernrecht in Belgien
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Kraft. Seinem Titel nach befaßt es sich mit der durchsichtigen Organisation sowohl des Marktes als auch der öffentlichen Übernahmeangebote. Demnach war es die Absicht des Gesetzgebers, ein sinnvolles Gleichgewicht herzustellen zwischen der Kontinuität der Unternehmen 43 und den Interessen der Minderheitsaktionäre 44 . Insgesamt ist das Gesellschaftsrecht durch dieses Gesetz modernisiert worden. Obschon die Erneuerung seit langem in Aussicht gestellt wurde, war sie bis heute ausgeblieben, weil der Gesetzgeber seit 1973 sein ganzes Augenmerk darauf gerichtet hatte, das belgische Recht den EG-Richtlinien auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts anzupassen. Die Gelegenheit wurde jetzt genutzt, eine Anzahl von Ge- und Verboten zu formulieren, die einen Mißbrauch der Gruppenstruktur nach Möglichkeit verhindern sollen. 16. Eine erste, schon genannte Bestimmung 45 ist das Verbot für das Unternehmen, nach dem Gründungsakt bzw. einer Kapitalerhöhungsmaßnahme eigene Aktien zu zeichnen 46 . Vorher war dieses Verbot aufgrund des Art. 18 der zweiten EG-Richtlinie schon ausgedehnt worden auf Strohmänner, d. h. auf Personen, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handeln. Mit dem Gesetz vom 18. Juli 1991 gilt dies nunmehr auch für Tochtergesellschaften und für Strohmänner, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Tochtergesellschaften handeln. Der Strohmann, der entweder für die Mutter- oder die Tochtergesellschaft aufgetreten ist, wird nunmehr so behandelt, als habe er für eigene Rechnung gehandelt. Außerdem sind im Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen in der Muttergesellschaft, sofern ein Strohmann oder eine Tochterfirma Aktien gezeichnet haben, die Vorstände der Muttergesellschaft namentlich mit den Einlegern zur Volleinzahlung verpflichtet 47 . Weder aus Art. 18, 9° der Zweiten EG-Richtlinie, noch aus Art. 35 bis des belgischen Aktiengesetzes geht hervor, ob diese Sanktion auch die Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaften betrifft. Dies erscheint jedoch angemessen, um die Vorstände auf ihre selbständige Verantwortlichkeit festzulegen. Es bliebe lediglich zu überlegen, ob ihnen aufgrund des Art. 18, 3°, 2. Absatz der zweiten EG-Richtlinie eine Exkulpationsmöglichkeit gegeben werden kann. Die Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft können sich ihrer selbständigen Haftung dann entziehen, wenn sie nachweisen, daß sie persönlich kein Verschulden trifft. Die Strenge dieses oben genannten Verbotes ist erstaunlich, und zwar um so mehr, als die Tochtergesellschaft jederzeit auf dem Sekundärmarkt Aktien wird erwerben können 48 .
43 44 45 46 47 48
Z. B. durch Stimmbindungsverträge. Z. B. durch besondere Rechte der Minderheitsaktionäre (vgl. unten II. 2. a), N r . 26. Siehe oben II., N r . 6. A r t . 2 9 , § 6 , 120 quinquies; Art. 142, § 2 Aktiengesetz. Art. 35 bis AktienG. Vgl. dazu unten IV., N r . 43.
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17. Durch das Gesetz vom 18. Juli 1991 wurde auch die Zeichnung eigener Aktien durch die emittierende Gesellschaft selbst und damit die Verteidigungsmöglichkeit der Gesellschaft gegenüber gesellschaftsfremden Unternehmen geregelt. Um die Verteidigungsmaßnahmen, die den belgischen Unternehmen zur Verfügung stehen, auszudehnen, hat man die in A n . 19, 2° der zweiten EGRichtlinie schon eröffnete Möglichkeit übernommen: durch Satzung kann bestimmt werden, daß der Vorstand im Namen der Gesellschaft gesellschaftseigene Aktien zeichnen darf, und zwar ohne Mitwirkung der Hauptversammlung, wenn die Gesellschaft dadurch vor ernsthaft drohenden Schäden bewahrt werden soll. Diese Befugnis des Vorstandes ist jedoch auf einen Zeitraum von maximal 3 Jahren zu beschränken49. Daneben gilt nach wie vor ein grundsätzliches Zeichnungsverbot für eigene Aktien. Dieses wurde allerdings nicht über die Gesellschaft selbst und ihre Strohmänner hinaus auch auf Tochtergesellschaften und deren Strohmänner ausgedehnt 50 . Die Tochtergesellschaft wird jedoch in ihrer Möglichkeit, Aktien der Muttergesellschaft zu zeichnen, durch die Regelung über gegenseitige Beteiligungen beschränkt51. 18. Durch das Gesetz vom 18. Juli 1991 wurde auch das „Management Buy Out" geregelt und erleichtert. In Ubereinstimmung mit Art. 23, §2, 2C der Zweiten EG-Richtlinie hat der belgische Gesetzgeber in diesem Zusammenhang eine Ausnahme gemacht von dem Verbot für Aktiengesellschaften und andere Gesellschaften, Dritten im Hinblick auf deren Erwerb von gesellschaftseigenen Aktien Vorschüsse, Darlehen und Sicherheiten zu gewähren (Art. 52 Na, § 1 und 206 AktienG). Dieses Verbot ist nunmehr aufgehoben für Angestellte der Gesellschaft. Es gilt ferner dann nicht, wenn dieser Dritte ein verbundenes Unternehmen ist, dessen Stimmrechte mindestens zur Hälfte im Besitz des Personals der emittierenden Gesellschaft sind und der Aktienerwerb mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat. Das Verbot kann aber auch hier wiederum dadurch umgangen werden, daß man sich zur Gewährung des Darlehens eines Strohmannes oder einer Tochtergesellschaft bedient. 19. Der Gesetzgeber konnte nicht umhin, auch den Problemkreis des genehmigten Kapitals zu regeln, nachdem dieser in der „Generale"-Affäre so lebhaft diskutiert worden ist 52 . 49 Art. 52 bis, § 1 , 3 ° AktienG. 50 Art. 52 bis, § 1 , 1 ° AktienG; siehe auch den Entwurf einer Richtlinie zur Änderung der Zweiten Richtlinie, Com. (90), 631 fin. - Syn. 317. 51 Siehe unten IV., Nr. 43. 5 2 K . GEENS, H e t t o e g e s t a a n k a p i t a a l als a f w e e r m e c h a n i s m e t e g e n o v e r v a l l e n : het Wetting
belang van de ,bieder' (Cerus), en het vennootschapsbelang van de .doelwitvennootschap' (Gmb), T . R . V . 1988, 133 ff.
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Zunächst hat der Gesetzgeber nach dem Beispiel der deutschen Rechtsprechung dem Vorstand auferlegt, beim Vorschlag zur Aufnahme einer Kapitalerhöhungsbefugnis im Rahmen des genehmigten Kapitals in die Satzung die Verpflichtung aufzunehmen, unverzüglich mitzuteilen, unter welchen besonderen Bedingungen der Vorstand seine Befugnis ausübt und welche Ziele er dabei verfolgt. Auf diese Weise kann die effektive Ausübung der Befugnis jederzeit von der satzunggebenden Versammlung nachvollzogen und überprüft werden53. Dies wird um so notwendiger, als die Hauptversammlung dem Vorstand daneben auch die Befugnis geben kann, das Bezugsrecht gänzlich auszuschließen. Ein solcher Ausschluß des Bezugsrechts durch den Vorstand im Rahmen des genehmigten Kapitals ist nach der Abgabe eines öffentlichen Angebots allerdings nur noch möglich, wenn die Satzung hierfür eine besondere Ermächtigung vorsieht und diese Regelung nicht mehr als drei Jahre alt ist54. In der Regel sollte eine Ermächtigung zur Kapitalerhöhung im Rahmen des genehmigten Kapitals nur alle fünf Jahre erneuert werden. Im übrigen kann der Vorstand nach Bekanntgabe eines öffentlichen Ubernahmeangebotes das Kapital nur um maximal 10% erhöhen. Die ausgegebenen Aktien müssen unmittelbar voll eingezahlt werden. Auch außerhalb eines öffentlichen Angebots kann der Vorstand nur dann eine Kapitalerhöhung durch Inkorporation von Rücklagen oder Sacheinlagen vornehmen, wenn er von der Hauptversammlung dazu ausdrücklich ermächtigt wurde. Besonders die Sacheinlage, die mit Ausschluß des Bezugsrechts erfolgt, ist eine Art der Kapitalerhöhung, die man umfangreich abzusichern versucht. Zunächst sollen bei jeder Sacheinlage zwei Sonderberichte eingereicht werden, und zwar der eine von dem Vorstand der Gesellschaft, der andere von einem Wirtschaftsprüfer. Erfolgt die Sacheinlage im Rahmen des genehmigten Kapital, so müssen die Statuten der Gesellschaft garantieren, daß der Einleger als Aktionär nicht schon 10 % der Stimmrechte besitzt 55 . Auf diese Weise, nämlich durch Einbringung eines großen Aktienpaketes, konnte es zum Beispiel einem Großaktionär seinerzeit gelingen, die belgische Versicherungsgesellschaft „Royale Beige" vor der Übernahme durch die französische „AXA" zu retten 56 . Natürlich müssen auch in die Berechnung dieser 10-%-Quote all diejenigen stimmberechtigten Aktien eingehen, die von Strohmännern, verbundenen Unternehmen und von im Einvernehmen auftretenden Personen gehalten werden 57 .
53 54 55 56
Art. 33 bis AktienG. Art. 34 bis AktienG. Art. 33 bis, § 1 AktienG. Vgl. Jahresbericht der Kommission für das Bank- und Finanzwesen (KBF), 1987-88, S. 93. 57 Art. 33 bis, § 2 AktienG.
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20. Nachdem der Kassationshof mit Urteil vom 13. Februar 1989 schon entschieden hatte, daß Stimmbindungsverträge grundsätzlich gültig sind 58 , hat auch der Gesetzgeber im Gesetz vom 18. Juli 1991 in diesem Sinne entschieden. Die Gültigkeit eines solchen Vertrages ist dabei auf eine Dauer von fünf Jahren beschränkt worden 59 ; der Vertrag kann jedoch nach Ablauf dieser Frist erneuert werden. Nichtig sind dagegen Stimmbindungsverträge, die den Aktionär verpflichten, im Sinne der Gesellschaft oder den Vorstellungen des Vorstandes entsprechend abzustimmen. Das gleiche gilt für Stimmbindungsverträge, die den Aktionär verpflichten, im Rahmen von Abstimmungen, die die Muttergesellschaft betreffen, im Sinne der Interessen der Tochtergesellschaft oder deren Vorstand abzustimmen 60 . Stimmen, die aufgrund eines nichtigen Stimmbindungsvertrages im Rahmen der Hauptversammlung abgegeben worden sind, sind damit nichtig. 21. Bis vor kurzem galt für alle belgischen Gesellschaften eine gesetzliche Stimmenbeschränkung, kraft derer eine einzelne Person niemals mehr als 20 % der insgesamt vorhandenen Stimmen abgeben konnte. Diese Beschränkung konnte aber allzu leicht umgangen werden durch Einschaltung von Strohmännern und durch einvernehmliches Vorgehen. Durch Gesetz vom 18. Juli 1991 ist diese Stimmbeschränkung aufgehoben worden. Sie ist nunmehr fakultativ ins Belieben der Gesellschaft gestellt 61 . Es ist dann aber die Aufgabe der Gesellschaft, dafür zu sorgen, daß eine in die Gesellschaftsstatuten aufgenommene Stimmenbeschränkungsklausel nicht umgangen werden kann. 2. Von Rechtsprechung
und Lehre entwickelte
a) Schutz der
Anti-Mißbrauchs-Bestimmungen
Minderheitsgesellschafter
22. Den Schutz der Minderheitsgesellschafter hat zum Beispiel die Maßnahme zum Ziel, die den öffentlichen Bieter dazu zwingt, sein Angebot auf 100% der stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft zu richten 62 . Ferner wird der Minderheitenschutz dadurch gewährleistet, daß private Übernehmer, die nur einen Teil der Gesamtkontrolle erwerben, verpflichtet sind, den verbleibenden Minderheitsaktionären den Ausstieg zu demselben Preis zu garantieren, der für die übernommenen Aktien unter Berücksichtigung des Paketzuschlages gezahlt worden ist 63 . Im Parlament wird im übrigen für Herbst/Winter 1992 eine Abstimmung über die sogenannte „Ausstiegsregelung" erwartet, die z. B. in den Niederlanden schon 58 Kass., Urt. v. 13. April 1989, T. R . V . 1989,321, mit Anm. M.WYCKAERT; R.C.J.B. 1991, 214 mit Anm. J . M . NELISSEN GRADE. 59 Art. 74 AktienG. 60 Art. 74 AktienG; cfr. Art. 35 des Entwurfs der 5. EG-Richtlinie. 61 Art. 76 AktienG. 62 Vgl. oben H . l . b ) , Nr. 11. 63 Vgl. oben I l . l . b ) , Nr. 14.
K o n z e r n r e c h t in Belgien
existiert 6 4 :
Ein
Minderheitsaktionär,
der durch
15
das Verhalten
eines
oder
mehrerer Mitaktionäre in seinen Interessen oder seinen Rechten derart verletzt worden ist, daß von ihm die Fortsetzung seiner Beteiligung billigerweise nicht erwartet werden kann, kann von den anderen Aktionären verlangen, daß diese seine Anteile übernehmen. Diese Regelung wird selbstverständlich nur für die G m b H ( S . P . R . L . ) gelten und für diejenigen Aktiengesellschaften (S.A.), die ihre Anteile nicht an ein breit gestreutes Anlagepublikum veräußert haben. 23. Minderheitsaktionäre, die von dieser Ausstiegsmöglichkeit keinen G e brauch
gemacht haben, können
einen für sie nachteiligen Beschluß
eines
Gesellschaftsorgans stets gerichtlich anfechten, sei es mit der Begründung des Machtmißbrauchs durch den Vorstand (détournement de pouvoir), oder des Mißbrauchs von Mehrheiten in der Hauptversammlung (abus de majorité) 6 5 . Der Richter wird die Nichtigkeit eines solchen angefochtenen Beschlusses jedoch nur dann feststellen können, wenn der Beschluß offensichtlich im Widerspruch zu dem Gesellschaftsinteresse steht (sogenannte marginale Prüfung, „appréciation marginale") 6 6 . Der Richter wird bei der Prüfung von Beschlüssen des Vorstandes strenger sein als bei der Prüfung von Beschlüssen der Hauptversammlung: nach belgischem Recht geht man davon aus, daß der Mehrheitsaktionär neben dem Gesellschaftsinteresse mit Fug und Recht auch sein eigenes Vermögensinteresse wahrnehmen darf, wohingegen der Vorstand der Gesellschaft lediglich das Gesellschaftsinteresse berücksichtigen darf 6 7 . Durch den rein marginalen Charakter der gerichtlichen Uberprüfung von Beschlüssen auf die Wahrung des Gruppeninteresses hin und das anerkannte Recht des Mehrheitsaktionärs, eigene Vermögensinteressen bei seiner Stimmabgabe in der Hauptversammlung zu berücksichtigen 6 8 , wird es dem anfechtenden Minderheitsaktionär schwerfallen, den behaupteten
Mißbrauch
nachzuweisen.
Die Nichtigkeitserklärung
von
Mehrheitsbeschlüssen, die eine vollständige Rücklage des Gewinns zum Gegenstand haben, wird also nicht leicht zu erreichen sein. Die einzige Waffe, die einer systematisch ausgehungerten Sperrminorität dann eventuell noch zur Verfügung steht, ist die Boykottierung des Beschlusses, um die satzungsmäßige Dauer der Gesellschaft zu verlängern; dies jedoch auf die Gefahr hin, ihrerseits wegen Minderheitsmißbrauchs („abus de minorité") sanktioniert zu werden 6 9 . 6 4 Pari. St., K a m e r , 1 9 9 0 - 9 1 , N r . 1 2 1 4 / 1 . 6 5 J . RONSE, D e nietigheid van besluiten, in: Vereniging v o o r de verglijkende Studie van het Belgisch enhet Nederlans recht, 1 9 6 5 - 1 9 6 6 , S . 3 7 2 . 6 6 J . RONSE, Marginale toetsing in het privaatrecht, T . P. R . 1977, 2 0 7 . 6 7 P . COPPENS, L'abus de majorité, 1 9 4 7 , 4 9 ; K. GEENS, D e jurisprudentiële bescherming van de minderheidsaandeelhouder, T . P. R . 1989, 4 3 . 6 8 Vgl. dazu auch S.VAN CROMBRUGGE, D e juridische en fiscale eenheidsbehandeling van vennootschapsgroepen, 1 9 8 4 , 9 6 , N r . 8 2 . 6 9 J . RONSE / K . GEENS, H e t misbruik van minderheidspositie, in: Van vennootschappelijk belang ( L i b e r A m i c o n i m J . M . M .
Maeijer), Deventer 1 9 8 8 ; L . SIMONT, L ' a b u s de
minorité, in: Liber A m i c o r u m J a n R o n s e , Gent 1986, S. 307.
16
Koen Geens D a z u muß verdeutlicht werden, daß das belgische Recht die im Konzernrecht
allgemein bekannte Dividendengarantie nicht kennt. Wurde jedoch z u m Beispiel ein Mehrheitsbeschluß einer Tochtergesellschaft unter deutlicher Mißachtung der Interessen sämtlicher Aktionäre im alleinigen Interesse der Muttergesellschaft gefaßt, und zwar ohne finanziellen Ausgleich f ü r die Aktionäre der Tochtergesellschaft, so wird das Gericht nicht zögern, diesen Beschluß für nichtig zu erklären. Als Beispiele dafür mögen dienen: - der Beschluß einer Tochter, ihre wichtigsten Aktiva auf eine andere Tochter zu übertragen, deren 1 0 0 % Anteilseignerin die Muttergesellschaft ist 7 0 ; - der Beschluß, eine Schadensersatzforderung, die ihr gegenüber einer anderen Tochtergesellschaft zustand, nicht einzufordern 7 1 ; - der Beschluß, Aktivitäten von einer anderen Gesellschaft der G r u p p e zu übernehmen, die nicht rentabel sind oder werden können 7 2 . 24. Auf Verträge jedoch, die die Gesellschaft aufgrund eines
nichtigen
Beschlusses mit einem Dritten geschlossen hat, hat die Nichtigkeit keine Auswirkung, sofern der Dritte beim Abschluß des Vertrages in bezug auf die Wirksamkeit des Beschlusses gutgläubig war 7 3 . Manchmal liegt die Bösgläubigkeit des Dritten jedoch auf der H a n d . S o sind ein Beherrschungsvertrag mit einer solchen Drittfirma oder ein G e w i n n a b f ü h rungsvertrag sowie die Rechtshandlungen, die in Ausführung dieser Verträge vorgenommen werden, nach der herrschenden Meinung nichtig 7 4 : eine belgische Gesellschaft kann sich weder satzungsgemäß noch vertraglich mit einer anderen Gesellschaft verbinden, um sich blindlings dieser anderen Gesellschaft zu unterwerfen, da der letzteren, die ja zu derselben Unternehmensgruppe gehört, in der Regel der gute G l a u b e fehlen wird. 25. N a c h belgischem Recht kann eine juristische Person die Stellung eines Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft einnehmen. In einer G m b H dagegen können nur natürliche Personen Vorstandsmitglieder sein 7 5 . E s k o m m t jedoch nur selten vor, daß eine Muttergesellschaft sich zum Vorstandsmitglied einer T o c h t e r - A G ernennen läßt. D i e einzige Möglichkeit für eine Muttergesellschaft, an den Vorstandssitzungen der T o c h t e r - A G teilzunehmen, ist die Entsendung jeweils ein und desselben ständigen Vertreters, denn man kann sich doch
70 Kass., fr., 8.Januar 1973, Rev. Prat. Soc. 1974, 166. 71 Brüssel, 7. Februar 1939, Rev. Prat. Soc. 1939, 157; Brüssel, 27. Juni 1973, Rev. Prat. Soc. 1974, 164. 72 K.B. F., Jahresbericht 1981-82, S.96. 73 Art. 190 bis (n.F.), §4 AktienG (Pari. St., Kamer 1990-91, Nr. 1214/1). 74 L. CORNELIS, De aansprakelijkeid van bestuurders van vennootschappen in groepsverband, in: Aspecten van de ondernemingsgroepen, edit. Studiecentrum voor ondernemingsgroepen, Antwerpen, 1989, (S. 109 ff), S. 171; P. VAN OMMESLAGHE, Unternehmenskonzentrationen und Rechtsangleichung in der EWG, ZHR 132 (1969), 201, 219. 75 Art. 129 AktienG.
Konzernrecht in Belgien
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nur schwierig vorstellen, daß bei jeder dieser Vorstandssitzungen der gesamte Vorstand der Muttergesellschaft auftritt. Es gibt - zum Teil infolge des Prokurasystems - nur zwei Möglichkeiten, eine solche ständige Vertretung durchzuführen: Entweder enthält die Satzung der Muttergesellschaft eine Klausel, aufgrund derer ein namentlich oder sonst bezeichnetes Vorstandsmitglied die Gesellschaft als Vorstandsmitglied der Tochter-AG vertreten kann. Allerdings kann eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit dieses Vorstandsmitglieds auf die Vertretung in der T o c h t e r - A G Dritten nicht entgegengehalten werden, so daß das betreffende Vorstandsmitglied die Gesellschaft automatisch auch in allen anderen Angelegenheiten nach außen wirksam vertreten kann 76 . Oder der Vorstand der Muttergesellschaft muß ein und demselben Vorstandsmitglied für die Vertretung in Vorstandssitzungen der Tochter-AG jeweils erneut Sondervollmacht erteilen, weil er seine Befugnisse ja nicht mit allgemeiner Vollmacht delegieren kann. In den meisten Fällen wird die Muttergesellschaft selber also nicht zum Vorstandsmitglied der Tochter-AG ernannt; sie läßt vielmehr eines ihrer eigenen Vorstandsmitglieder dazu ernennen. In diesem Moment stellt sich das Problem der Geheimhaltung: das Vorstandsmitglied der Tochterfirma kann zwar de facto die Muttergesellschaft vertreten; de jure hat er jedoch die Stellung eines Vorstandsmitgliedes intuitu personae. Er soll deshalb alle Maßnahmen, die bei der Tochtergesellschaft
beschlossen
werden,
der
Muttergesellschaft
gegenüber
geheimhalten 77 . Dies ist eine Grundsatzregel, die mit einer Haftung des Vorstandsmitglieds sanktioniert werden kann. In der Praxis scheint diese Regelung aber auf wenig Probleme zu stoßen, da die Tochtergesellschaft das Vorstandsmitglied in der Regel von seiner Geheimhaltungspflicht entbinden wird. Der indirekte Interessenkonflikt, der dabei auftreten kann 7 8 , wurde durch das Gesetz vom 18. Juli 1991 vom Regelungsgehalt der gesetzlichen Bestimmungen über Interessenkonflikte ausgenommen. Ein Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft darf demnach weiterhin an Beratungen des Vorstands einer Tochtergesellschaft teilnehmen, auch wenn es dabei um Transaktionen zwischen beiden Gesellschaften geht 79 . Er soll dann aber der nächsten Hauptversammlung einen Sonderbericht erstatten. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Vorstandsmitglied ein persönliches Interesse an einer bestimmten Maßnahme hat: in diesem Falle muß er sich enthalten. Ansonsten könnte eine Gesellschaft die Wirksamkeit dieser Maßnahme angreifen mit Ausnahme derjenigen Rechte, die Dritte darauf-
76 Art. 54 AktienG. 77 J . RONSE / J . LIEVENS, D e doorbraakprobiematiek, in: Rechten en plichten van moeder-
en dochtervennootschappen, Antwerpen 1986, Nr. 20 ff, 151 ff.
78 H.LAGA, Artikel 60 van de vennootschappenwet T R V 1989, 138.
79 Art. 60 AktienG.
Koen Geens
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hin schon im guten Glauben erworben haben. Es liegt auf der H a n d , daß im Gegensatz zu einem ihrer Vorstandsmitglieder die Muttergesellschaft, die als solche selber Vorstandsmitglied einer ihrer T o c h t e r - A G s werden könnte, stets diesem persönlichen Interessenkonflikt und damit ihrer
Handlungsbeschrän-
kung unterliegen würde. 26. J e d e r Minderheitsaktionär, der auf seine Rechte noch nicht verzichtet hat, kann die Nichtigkeit eines Gesellschaftsbeschlusses feststellen lassen. D i e Sache liegt jedoch völlig anders, wenn es sich darum handelt, Schadensersatzansprüche gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend zu machen, mit der Begründung, sie haben gegen das Interesse der (Tochter)gesellschaft gehandelt, etwa indem sie solche Anweisungen streng befolgt haben, die ausschließlich das Interesse der Unternehmensgruppe im Auge hatten 8 0 . Bisher ging man davon aus, daß ein A k t i o n ä r einem Vorstandsmitglied nur eine persönliche Forderung entgegenhalten konnte; er m u ß t e dazu nachweisen k ö n n e n , daß der von ihm erlittene Nachteil nicht identisch war mit dem Nachteil, den die Gesellschaft erlitten hatte. Waren alle A k t i o n ä r e gleichermaßen zu Schaden g e k o m m e n , so k o n n t e nur durch Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g eine Schadensersatzforderung geltend gemacht werden. Zu einer derartigen actio mandati kam es aber nur selten, weil die Mehrheit der Aktionäre in der Regel die von ihnen eingesetzten Vorstandsmitglieder unterstützte. Ebensowenig war es aber auch möglich, eine Schadensersatzforderung
im
Zusammenhang mit der Unternehmensgruppe geltend zu m a c h e n , da die M u t t e r gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin der Tochtergesellschaft von der angegriffenen M a ß n a h m e theoretisch ebensosehr geschädigt wird wie der einzelne Minderheitsaktionär. D a ß dieser Schaden jedoch an einer anderen Stelle innerhalb der G r u p p e ausgeglichen wird, fand dabei keine Beachtung" 1 . Seit dem G e s e t z vom 18. Juli 1991 hat der Minderheitsaktionär jedoch erstmalig die Möglichkeit, eine Schadensersatzforderung der (Tochter)gesellschaft für diese gegen
deren Vorstandsmitglieder
geltend
zu machen
(Art. 6 6
bis
ff
A k t i e n G ) . Dies gilt jedoch nur für einen Minderheitsaktionär, der Wertpapiere besitzt, mit denen mindestens 1 % der Stimmrechte der Gesellschaft verbunden sind, oder der Wertpapiere im W e r t e von mindestens fünfzig Millionen B F r .
80 Uns ist bisher kein Fall bekannt, in dem ein Vorstandsmitglied von der Muttergesellschaft haftbar gemacht wurde, weil er - im Interesse der Tochtergesellschaft handelnd Interessen der Muttergesellschaft verletzt hätte. Zu einer solchen Konstellation vgl. L.CORNELIS,
aaO
(Fn. 74),
S. 1 6 8 ff;
S.VAN
CROMBRUGGE,
aaO
(Fn.68),
Nr. 216,
S. 264; Kassationsgericht, Urt. v. 12. Februar 1981, U N A C , Pas. 1981 I, 639; R.C.J.B. 1983, 5 mit Anm. J. HEENEN; siehe auch Rev. Prat. Soc. 1981, Nr. 6133, 166 mit Anm. P. COPPENS; J.RONSE, Overzicht van rechtpraak (1978-85) Vennootschappen T P R 1986, 1286, Nr. 269; J . HEENEN, Prejudice collectif et action individuelle, Liber amicorum Jan Ronse, Brüssel 1986, S.227. 81 S. VAN CROMBRUGGE, aaO (Fn.68), S.96ff.
K o n z e r n r e c h t in Belgien
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besitzt. E r darf darüber hinaus weder explizit noch implizit auf das Recht verzichtet haben, derartige Forderungen geltend zu machen. Ein solcher Verzicht wird z. B . darin gesehen, daß der Aktionär dem Vorstand eine gültige Quittung ausgestellt und übergeben hat. Diese Möglichkeit des Minderheitsaktionärs, schadlos gestellt zu werden, ist jedoch noch keine perfekte Lösung: wenn der Richter die Forderung anerkennt, k o m m t nur die Gesellschaft in den G e n u ß der Schadlosstellung; weist er sie dagegen ab, so trägt der klagende Minderheitsaktionär die Kosten und kann sogar noch z u m Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft verurteilt werden 8 2 . 2 7 . Es bedarf keiner Diskussion, daß die legendäre Trägheit des belgischen Rechtsweges dazu geführt hat, daß sowohl die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses als auch die Schadensersatzforderungen gegen Vorstandsmitglieder im W e g e der einstweiligen Verfügung verfolgt werden. O b w o h l dieses Rechtsmittel eigentlich nur für dringende Fälle geschaffen wurde und nie m e h r sein kann als eine vorläufige Entscheidung, kann man seine Bedeutung für das Gesellschaftsrecht nur schwerlich überschätzen 8 3 , insbesondere im H i n b l i c k auf den Suspensiveffekt des Beschlusses in Erwartung einer Entscheidung. A u c h die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters kann dazu dienen, die für die Gesellschaft sehr nachteiligen Folgen einer Streitigkeit aufzufangen.
b) Schutz der Gläubiger 2 8 . D i e meisten Tochtergesellschaften, die einer belgischen oder internationalen Gruppe angehören, bestehen in der F o r m einer S. A . (Société A n o n y m e = Aktiengesellschaft). A n sich gibt es, was das Kapital, die Offenlegung des Jahresabschlusses oder die Konzernbildung angeht, nichts, was ein größeres Interesse an einer S.A. gegenüber einer Société Privée à Responsabilité Limitée ( S . P . E . L . =
GmbH)
rechtfertigen würde. D i e S . A . ist, was die oben genannten Bereiche angeht, nicht oder kaum strengeren Regelungen unterworfen als die S . P . R . L . D e n n o c h bietet die S.A. gegenüber der S . P . R . L . unverkennbare Vorteile: In einer S . A . k ö n n e n die Anteile z. B . auf den Inhaber lauten, bei der S . P . R . L . dagegen nicht. E s bedarf keiner Erläuterung, daß Inhaberpapiere den Zugang der Gesellschaft zur B ö r s e erleichtern, da die Ubertragbarkeit eines Mehrheitspakets durch einen außerhalb der Satzung geschlossenen Aktionärsvertrag geregelt und beschränkt werden kann. 82 Art. 66 quater AktienG. 83 S.RAES, Het kort geding in vennootschapszaken, T.R.V. 1988, 327; G.HORSMANNS,
De bescherming van de Minderheidsaandeelhouder en het kort geding, T.R.V. Sonderheft 1988, V.
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Koen Geens
Was die beschränkte Haftung der durch Aktien an einer Gesellschaft beteiligten juristischen Personen für Schulden der S.A. und der S.P.R.L. angeht, so stimmen beide Rechtsformen darin überein, daß keine von beiden sich wirklich dazu eignet, die Rolle einer 100 %igen Tochtergesellschaft zu spielen. Zwar kann nur die S.P.R.L. von einer einzigen Person unter Aufrechterhaltung der beschränkten Haftung gegründet werden, wogegen eine S.A. im gleichen Falle nichtig wäre* 4 ; jedoch wird deren Haftung zu einer unbeschränkten Haftung, wenn es sich dabei um eine juristische Person handelt85. Werden dagegen alle Anteile einer ursprünglich von mehreren Personen gegründeten S.A. oder S.P.R.L. plötzlich in der Hand einer einzelnen juristischen Person vereinigt, so hat diese ein Jahr Bedenkzeit, um sich entweder einen neuen Partner zu suchen, oder die Gesellschaft aufzulösen. Tut sie keines von beiden, so haftet der Einzelaktionär nach Ablauf dieses Jahres für alle Schulden der Gesellschaft, die diese seit dem Zeitpunkt der Verschmelzung der Anteile gemacht hat 84 . 29. Die Muttergesellschaft haftet jedoch nur beschränkt für Verpflichtungen der Tochter, wenn sie weniger als 100 % der Anteile hält. Für diesen Fall kennt aber auch das belgische Recht das Institut des Haftungsdurchgriffs. Zunächst sei hier das Institut der freiwilligen Durchgriffshaftung genannt: die Muttergesellschaft haftet freiwillig, meist unter dem Druck der Umstände, für eine bestimmte Verbindlichkeit der Tochter (z. B. in Form einer Bürgschaft oder einer Patronatserklärung). In Art. 57 der 4. EG-Richtlinie, später geändert durch Art. 43 der 7. EG-Richtlinie, wurden die EG-Mitgliedstaaten ermächtigt, Tochterunternehmen von den strengen Regeln über die Veröffentlichung und Kontrolle von Jahresabschlüssen zu befreien, sofern die Muttergesellschaft sich für sie verbürgt. Belgien hat diese Möglichkeit nicht genutzt. Neben dem freiwilligen Haftungsdurchgriff wird in der Hauptsache unterschieden zwischen dem gesetzlichen87 und dem gerichtlichen88 Haftungsdurchgriff30. Die wichtigsten Beispiele für eine gesetzliche Durchgriffshaftung sind die, daß eine Gesellschaft unterkapitalisiert ist, daß sie ausgebeutet wird und, daß sie in einer konkursfördernden Weise verwaltet wird. Die Gründungsmitglieder einer S.A. oder einer S.P.R.L. können persönlich haftbar gemacht werden, wenn das Kapital, das zur Gründung der Gesellschaft aufgebracht worden war, offensichtlich nicht ausreichte, um die Geschäfte der Gesellschaft über einen
84 85 86 87 88
Art. 13, 4° AktienG. Art. 123, 8° AktienG. Art. 104 bis und 140 bis AktienG. Dazu im Nachfolgenden, Nr. 30-32. Dazu unten Nr. 33.
Konzernrecht in Belgien
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Zeitraum von zwei Jahren führen zu können 89 . Der Konkursverwalter, der die ausstehenden Forderungen im Namen aller Gläubiger anmelden muß, braucht dann keinen Kausalzusammenhang aufzuzeigen zwischen dem Konkurs und der unzureichenden Menge an Gründungskapital. Erforderlich ist lediglich, daß der Konkurs innerhalb von drei Jahren nach der Gründung eröffnet wird. Bei einem späteren Konkurs einer unterkapitalisierten Gesellschaft kann lediglich noch versucht werden, die Gründungsmitglieder für einen Teil der Passiva wegen unerlaubter Handlung haftbar zu machen: es kann in der Tat ein Handeln entgegen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne dieser Vorschriften sein, wenn man eine Gesellschaft ohne ausreichendes Kapital am Wirtschaftsverkehr teilnehmen läßt. In diesem Falle wird aber wohl der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem Konkurs und der Unterkapitalisierung zu führen sein90. Es reicht jedoch nicht aus, daß die Gesellschaft mit einem ausreichenden Gründungskapital versehen war, sie muß auch ausreichend kapitalisiert bleiben. Hat sie die Hälfte ihres Kapitals verloren, so muß der Vorstand binnen zwei Monaten eine Hauptversammlung einberufen 91 . Diese entscheidet dann darüber, ob die Gesellschaft aufgelöst oder die vom Vorstand vorgeschlagene Sanierungsmaßnahme ergriffen wird. Schlimmer ist es, wenn die Gesellschaft drei Viertel ihres Kapitals verloren hat: die Hauptversammlung kann dann mit einer Stimmenzahl von einem Viertel der abgegebenen Stimmen die Auflösung der Gesellschaft beschließen. Beruft der Vorstand die Hauptversammlung dagegen nicht ein, so wird vermutet, daß er den Kapitalverlust fraudulös verursacht hat. Eine Muttergesellschaft, die als Mehrheitsaktionärin der Tochtergesellschaft entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes weder die Auflösung der Tochtergesellschaft herbeiführt, noch Sanierungsmaßnahmen beschließt und durchführt, kann für die Schulden der Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden, da es unrechtmäßig erscheint, ein defizitäres Unternehmen aufrechtzuerhalten und dennoch den Schein der Kreditwürdigkeit aufrechtzuerhalten 92 . 31. Aber auch dann, wenn die Gesellschaft an sich über genügend Kapital verfügt hatte, kann sie von der Muttergesellschaft ausgebeutet werden, z. B. durch den Verkauf wertvoller Aktiva ohne gleichwertige Gegenleistung. Der Gläubiger der Tochtergesellschaft, dem auf diese Weise seine Schuldnermasse 89 Art. 35, 6° sowie 123, T AktienG, J. RONSE, La responsabilité facultative des administrateurs gérants en cas de faillite avec insuffisance d'actif, Rev. Prat. Soc. 1979, 292. 90 J . RONSE / J . LIEVENS, De doorbraakproblematiek, in: Rechten en plichten van moederen dochtervennootschappen, Antwerpen 1986, S. 178 ff. 91 An. 103 AktienG. 9 2 S . VAN C R O M B R U G G E , a a O ( F n . 6 8 ) , S . 2 9 9 f f , N r . 2 4 4 f f ; P . VAN OMMESLAGHE,
La
responsabilité du banquier dispensateur de crédit en droit belge, Revue de la banque 1979, S. 41 ff; ZENNER/HENRION, La responsabilité du banquier dispensateur de crédit en droit belge, J T 1984, 469 ff, 474 ff.
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entzogen wird, kann sich mit der sog. „actio pauliana" dagegen verwahren 9 3 - 9 4 . Er erreicht dadurch, daß ihm die Übertragung der veräußerten Aktiva nicht entgegengehalten wird, wenn er seine Forderung geltend macht. Er muß allerdings die betrügerische Absicht und die subjektive Verarmung der Tochtergesellschaft nachweisen. Ebenso muß er anzeigen, daß derjenige, an den die Aktiva veräußert und übertragen wurden, z. B. eine Schwestergesellschaft,
„conscius
fraudis" ist. Hat die verdächtige Transaktion im übrigen in einer bestimmten Zeitspanne vor der Konkurseröffnung und nach Einstellung der Zahlungen stattgefunden, so stehen dem Konkursverwalter zusätzliche Mittel zur Verfügung, um sie anzufechten 9 5 . 32. Unter Umständen kann der Haftungsdurchgriff auf die Muttergesellschaft auch indirekt erfolgen, und zwar, wenn der Vorstand der Muttergesellschaft gleichzeitig Vorstandsmitglied der Tochtergesellschaft ist. Ein Teil der Passiva kann dann auf die Muttergesellschaft abgewälzt werden, wenn sie als Vorstandsmitglied der Tochtergesellschaft in Anspruch genommen wird. Zwar wird die Muttergesellschaft in der Regel de jure nicht zum Vorstandsmitglied der T o c h tergesellschaft ernannt werden, de facto jedoch als solches in Erscheinung treten, z. B . wenn die Vorstandsmitglieder sämtlich Angestellte der Muttergesellschaft sind und eine Hauptversammlung nicht zusammenkäme. Sowohl die juristischen als auch die tatsächlichen Vorstandsmitglieder können dann für einen Konkurs haftbar gemacht werden, sofern sie den Konkurs durch einen groben Pflichtver stoß mitverursacht haben 9 6 . A b e r auch dann, wenn kein Fall des groben Pflichtverstoßes vorliegt, kann die Muttergesellschaft für einen Fehler des Vorstandsmitgliedes der Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden, sofern festgestellt wird, daß das Vorstandsmitglied der Tochter gleichzeitig Angestellter der Muttergesellschaft war 9 7 . Dazu muß kein schriftlicher Dienstvertrag zwischen beiden bestehen; es genügt, wenn ein rein faktisches Weisungsverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und dem Vorstandsmitglied der Tochtergesellschaft besteht. 33. Die Rechtsprechung hat ihrerseits, um den gerichtlichen Haftungsdurchgriff zu verwirklichen, die Lehre vom Mißbrauch einer Rechtpersönlichkeit entwickelt. Damit gelingt es, den „corporate veil" von Gesellschaften zu „liften", deren Teilhaber, seien es natürliche oder juristische Personen, sich der Gesell-
93 Art. 1167 B . W . 94 K. GEENS, Simulatie, doorbraak, de fiscus, en de eenpersoons-B.V.B.A., in: De ikvennootschap, Leuven 1987; J.MEIJERS, Misbruik van recht en wetsontduiking, Ann. Dr. Soc. Pol. 1936-37, 722; P. VAM OMMESLAGHE, Abus de droit, fraude ä la loi et fraude aux droit des teirs, R.C.J.B. 1976, 303. 95 Art. 444-449 KonkursG. 96 Art. 63 und 133 bis AktienG; Rb. Koophandel Brüssel, 22. Oktober 1982, Bodart Fittings, R D C 1982, S.574; Brüssel, 14. Sept. 1988, Bodart Fittings, Anm. J. LIEVENS, Artikel 63 en de aansprakelijkheid van de feitelijke bestuurder, T.R.V. 1989, 55. 97 Art. 1384 B . W . , J . RONSE/J. LIEVENS, a a O ( F n . 90), N r . 27.
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K o n z e r n r e c h t in Belgien
schaft ausschließlich bedienen, um in den Genuß der damit verbundenen Haftungsbeschränkungen zu kommen, ohne jedoch die fundamentalen Bedingungen erfüllen zu wollen, die sie voraussetzt. Die wichtigsten Anzeichen eines solchen Mißbrauchs einer Rechtspersönlichkeit sind: - die vollständige Vermischung der Vermögen der Hauptgesellschafter, in casu der MuttergeselJschaft, - die dauernde Mißachtung der Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten, - die dauernde Umgehung von Organkompetenzen 9 8 . Früher galt auch die übermäßige Beherrschung eines Unternehmens durch einen einzelnen Großaktionär, der z. B. über Strohmänner bis zu 99 % der Anteile erwerben konnte, als Zeichen für den Mißbrauch eines Unternehmens. In Anbetracht der Tatsache jedoch, daß die Einmann-GmbH inzwischen anerkannt ist, und auch die Anteile an einer A G nach deren Gründung in einer Hand zusammenfallen k ö n n e n " , kann dies heute nicht mehr gelten. Zum Teil wird auch ein umgekehrter Durchbruch versucht: eine Muttergesellschaft hat ihre Tochter unterkapitalisiert, finanziert sie jedoch über Anleihen. In einem Konkurs der Tochter können diese Anleihen jedoch zurückgestellt werden, wenn die Mutter für den Konkurs mitverantwortlich ist 1 0 0 .
III.
Die Organisation verbundener
Unternehmen
34. Im Konzernrecht stricto sensu wird in der Regel unterschieden zwischen den Regeln über Buchführung und Publizität einerseits und den Normen über den Konzern an sich andererseits. In Belgien existieren mit Ausnahme einer Vorschrift über das Rücktrittsrecht von Minderheitsaktionären, die jedoch erst de lege ferenda zu erwarten ist 101 , lediglich Vorschriften des erstgenannten Typs.
1.
Informationspflichten
35. U b e r die bilanzrechtliche Offenlegungspflicht bezüglich der Beteiligungen an anderen und Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen hinaus 98 Kassationsurteil v. 26. Mai 1978, Rechtskundig Weekblad 1977-78, S.846 m.Anm. H. BRAECKMANNS; J.RONSE, Waarheid en leugen omtrent de onderneming met beperkte aanspraakelijkheid, Mededelingen van de Koninklijke Academie, Klasse der Letteren, X L (1978), Nr. 2. 99 Vgl. oben II.2.b), Nr. 28. 100 H.LAGA, Rechtsvordering van de persoonlijke schuldeisers bij frauduleuze inbreng van hun schuldenaar in een vennootschap, Jura Falconis 1978-79, 237 ff. 101 Siehe oben II. 2. a), Nr. 22.
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unterliegen börsennotierte Unternehmen und Holdinggesellschaften weiteren periodischen Informations- und Publikationspflichten102. Für letztere wurde schon 1986 eine Pflicht zur Konsolidierung eingeführt103. Darüber hinaus unterliegen sie einer permanenten Kontrolle durch die Kommission für das Bank- und Finanzwesen (K.B.F.), die der Bankenaufsicht sehr ähnlich ist und durch eigens dafür bestellte und anerkannte Wirtschaftsprüfer erfolgt 104 . Die K. B. F. legt dabei besonderes Augenmerk auf den Schutz der Minderheitsgesellschafter in den Holdinggesellschaften105. Der Kontrolle durch die K.B.F. unterliegen allerdings nur solche Holdings, die in Belgien öffentlich an das Sparwesen appelliert haben bzw., wenn die Holding ihren Sitz im Ausland hat, dies durch eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Belgien vermittelt worden ist. Der Wert aller Beteiligungen, die die Holding besitzt, muß darüber hinaus bei über 500 Mio. BFrs. liegen, mindestens aber die Hälfte des eigenen Vermögens der Gesellschaft betragen. Bei ausländischen Holdings wird dabei nur das Vermögen der belgischen Beteiligungen berücksichtigt.
2. Konsolidierte
Rechnungslegung
36. Der belgische Gesetzgeber hat das Anwendungsgebiet der 7. EG-Richtlinie Nr. 83/349 vom 13. Juni 1983 über den konsolidierten Jahresabschluß erheblich ausgedehnt, und zwar auf alle belgischen Gesellschaften sowie alle Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die die Rechtsform einer Handelsgesellschaft angenommen haben 106 . Eine Ausnahme gilt jedoch für Versicherungsunternehmen, für die im Gegensatz zu Holdinggesellschaften107 keine spezielle Konsolidierungsregelung geschaffen wurde108. Gemäß Art. 6 der 7. EG-Richtlinie sind Unternehmen lediglich dann von der Konsolidierungspflicht befreit, wenn deren verbundene Unternehmen gemeinsam folgende Kriterien erfüllen, von denen insgesamt höchstens eines überschritten werden darf: a) die Bilanzsumme darf höchstens 280 Mio. BFrs. betragen, b) der Nettoumsatzerlös höchstens 580 Mio. BFrs. und 102 Für börsennotierte Unternehmen: Arrêté Royal vom 18. September 1990, entsprechend der EG-Richtlinie 82/121 vom 15. Februar 1982. 103 Arrêté Royal vom l.Sept. 1986 und Arrêté Royal vom 25.Nov. 1991. 104 Arrêté Royal Nr. 64 vom 10. Nov. 1967. 105 Vgl. K.B.F.-Jahresberichte 1988-89, S. 91-92 und 1989-90, S. 132-133. 106 Art. 1 des Arrêté Royal vom 6. März 1990. 107 Siehe oben III. 1., Nr. 35. 108 Siehe aber die Richtlinie 91/674 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen vom 19. Dezember 1991, ABl. E G vom 31. Dezember 1991, L 3 4 7 .
Konzernrecht in Belgien
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c) die durchschnittliche Anzahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten höchstens 250. Als Ubergangsregelung werden diese Zahlen für die Geschäftsjahre vor 1999 erhöht, und zwar ad a) auf 700 Mio. BFrs., ad b) auf 1,45 Mrd. BFrs. und ad c) auf 500, so daß bis dahin weniger Unternehmen der Pflicht zur Konsolidierung unterworfen sein werden. Eine Überschreitung dieser Obergrenzen löst allerdings auch wiederum nur dann Konsequenzen aus, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren in Folge festgestellt werden kann. Andererseits gilt die Befreiung von der Konsolidierungspflicht nicht, wenn eines der konsolidierungsbezogenen Unternehmen in einem EG-Mitgliedstaat börsennotiert ist.
a) Vertikale Beteiligung
(Unterordnungskonzem)
37. Belgische Gesellschaften sind verpflichtet, einen konsolidierten Jahresabschluß aufzustellen, wenn sie eine oder mehrere in- oder ausländische Gesellschaften kontrollieren. Eine Tochtergesellschaft muß dagegen nur konsolidiert werden, wenn die Muttergesellschaft die Kontrolle über sie ausüben kann, d. h., wenn diese de jure oder de facto auf die Besetzung der Organe oder auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft entscheidenden Einfluß nehmen kann. Bei der Beurteilung dieser Möglichkeit zur Einflußnahme bleiben satzungsgemäße Stimmrechtsbeschränkungen allerdings außer Betracht. Der belgische Gesetzgeber hat die dejure-Indizien einer solchen Beherrschung, die von Art. 1, Abs. 1 der 7. E G Richtlinie umfaßt sind, in Form einer Vermutung juris de jure übernommen109. Daran wird die Vermutung der Gesamtkontrolle geknüpft. Diese soll nämlich dann gegeben sein, wenn eine begrenzte Anzahl von Gesellschaftern dahingehend übereinkommt, daß Entscheidungen, die die Geschäftsführung betreffen, nicht ohne ihr Einverständnis getroffen werden können. Davon wird der Fall unterschieden, daß eine Muttergesellschaft zusammen mit Tochtergesellschaften und Strohmännern die Alleinkontrolle über ein Unternehmen ausübt110. 38. Die Pflicht, einen konsolidierten Jahresabschluß aufzustellen, besteht aber auch im Falle einer reinen de-facto-Kontrolle. Der belgische Gesetzgeber hat für diesen Fall eine Vermutung juris tantum aufgestellt: die tatsächliche Kontrolle 109 Art.2, §2 des Arrêté Royal vom 6. März 1990. 110 An. 3 Arrêté Royal vom 6. März 1990.
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wird vermutet, wenn ein Gesellschafter bei den letzten beiden aufeinanderfolgenden Hauptversammlungen dieses Unternehmens Stimmrechte ausgeübt hat, die die Mehrheit derjenigen Stimmrechte darstellen, die mit den auf der Hauptversammlung jeweils repräsentierten Anteilen verbunden sind 111 . 39. Eine Muttergesellschaft ist dann von ihrer Pflicht zur Konsolidierung befreit, wenn sie selbst ein Tochterunternehmen eines in- oder ausländischen Unternehmens ist, das seinerseits verpflichtet ist, einen konsolidierten Jahresabschluß aufzustellen und zu publizieren 112 . Allerdings soll diese Gesellschaft, die gleichzeitig Mutter- und Tochtergesellschaft ist, die Befreiung von der Pflicht zur Konsolidierung durch die Hauptversammlung bestätigen lassen, und zwar per Beschluß, der zum Schutze der Minderheitsaktionäre mit einer Stimmenmehrheit von 90 % aller mit Stimmrecht verbundenen Aktien bei S.A. und Soc. Comm.Act und von 80 % bei Unternehmen anderer Rechtsformen gefaßt werden muß. Hat die übergeordnete Muttergesellschaft ihren Sitz jedoch nicht in einem EG-Mitgliedstaat, so ist das belgische Mutter-/Tochterunternehmen von seiner Pflicht zur Konsolidierung nur dann befreit, wenn die einschlägigen ausländischen Regeln über die Rechnungslegung den belgischen entsprechen. In dem Arrêté Royal vom 6. März 1991 sind noch eine Reihe weiterer Ausnahmen von der Pflicht zur Rechnungslegung genannt 113 , Beispielsweise der Fall, daß gerade durch die Aufstellung des Konzernabschlusses der Uberblick über das Gesamtvermögen verwischt würde.
b) Horizontale
Beteiligung
(Gleichordnungskonzem)
40. Unternehmen, die zwar nicht von außen kontrolliert werden, aber unter einer einheitlichen Geschäftsführung stehen, sind dagegen der Pflicht zur Konsolidierung unterworfen 114 . Die zentrale Leitung solcher Unternehmen wird juris und de jure vermutet, wenn sie sich entweder aus Verträgen zwischen den betroffenen Unternehmen oder aus deren Satzungen ergibt, oder wenn ihre Organe mehrheitlich mit denselben Personen besetzt sind. Sie wird im übrigen juris tantum vermutet wenn ihre Anteile mehrheitlich von ein und derselben juristischen oder natürlichen Person gehalten werden. Im Falle der horizontal integrierten Unternehmen ist also jedes einzelne Unternehmen verpflichtet, konsolidierte Abschlüsse zu veröffentlichen, wogegen bei vertikal verbundenen Unternehmen diese Pflicht nur die Muttergesellschaft trifft.
111 112 113 114
Art. 3, §2 Arrêté Royal vom 6. März 1990. Art. 8 Arrêté Royal vom 6. März 1990. Siehe dort Art. 14, 15 und 62, entsprechend Art. 14 und 33 der 7. EG-Richtlinie. Art. 4 Arrêté Royal vom 6. März 1990.
Konzernrecht in Belgien IV. Gegenseitige
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Beteiligungen
41. Gegenseitige Beteiligungen von Unternehmen waren bis zu der Verabschiedung des Gesetzes vom 18. Juli 1991 nicht gesetzlich geregelt; lediglich die Kommission für das Bank- und Finanzwesen (K.B.F.) hatte im Laufe der Zeit eine eigene Auffassung entwickelt: ihre Kritik an Beteiligungen im Uber-/ Unterordnungsverhältnis richtete sich vor allem dagegen, daß die Aktionäre der Tochtergesellschaften immer dadurch benachteiligt würden, daß das handelnde Organ der Tochtergesellschaft in der Regel im Sinne des Mehrheitsaktionärs handeln werde115. Diese Kritik ist aber gegenstandslos, wenn es sich um einen Alleinaktionär und folglich bei dem Tochterunternehmen um eine 1 0 0 % ige Tochter handelt. Zum anderen richtet sich die Kritik der K.B.F. dagegen, daß die Unternehmensbilanzen jeweils auch die gegenseitigen Beteiligungen als Aktiva aufweisen können und der Jahresabschluß insofern u. U. nur ein verzerrtes Bild von den tatsächlichen Vermögensverhältnissen wiedergibt116. Es wird deshalb empfohlen, zu prüfen, ob das Nettovermögen der beteiligten Gesellschaften, vermindert um den Wert der beiderseitigen Beteiligungen, größer ist als das Gesellschaftskapital117. Ein dritter Grund zur Kritik bestand darin, daß die normale Funktion einer Hauptversammlung durch gegenseitige Beteiligungen unterlaufen wird: gegenseitige Beteiligungen führen im Extremfall zur Auto-Kontrolle 118 . Schließlich ging die K.B.F. avant la lettre zu der Empfehlung über, die gegenseitigen Beteiligungen zwischen nicht verbundenen Unternehmen auf 10 % zu beschränken. Demnach könnte eine Tochtergesellschaft mengenmäßig nicht mehr Anteile an der Muttergesellschaft besitzen als diese an sich selbst besitzen dürfte 119 . Daß diese Empfehlung der K.B.F. juristisch keine Bindungswirkung hatte, hatte der „Generale Maatschappij" seinerzeit die Möglichkeit gegeben, sich erfolgreich gegen den „raid" von Carlo De Benedetti zu verteidigen120. Eine gesetzliche Regelung tat also not und kam mit dem Gesetz vom 18. Juli 1991. Der Gesetzgeber war dabei weniger streng als die K.B.F.: Beteiligungen zwischen nicht verbundenen Unternehmen sind nunmehr nur auf einer Seite auf maximal 1 0 % beschränkt und nicht auf beiden Seiten. Im Detail sieht das Gesetz wie folgt aus: 42. In den durch das Gesetz vom 18.Juli 1991 in das Aktiengesetz neu aufgenommen Artikeln 52 quinquies bis sexies wird unterschieden zwischen 115 K.B.F.-Jahresberichte 1950-51, S. 70-71 und 1966, S.13. 116 K.B.F.-Jahresberichte 1946-47, S.70 und 1950-51, S.70.
117 P. VAN OMMESLAGHE, Les groupes de sociétés, Rev. Prat. Soc. 1965, 153 ff, 251.
118 K.B.F.-Jahresbericht 1986-87, S. 93 ff. 119 Siehe dazu oben II. l.c), Nr. 17. 120 Vgl. dazu oben II., Nr. 5.
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Koen Geens
gegenseitigen Beteiligungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften und gegenseitigen Beteiligungen zwischen unabhängigen Unternehmen. 43. Die Mutter-/Tochter-Regelung gilt nur dann, wenn die Mutter eine Aktiengesellschaft ist (Art. 52 quinquies AktienG) 121 . Mehrere Tochtergesellschaften ein und derselben Muttergesellschaft dürfen zusammengenommen nicht mehr als 10% aller Stimmrechtsaktien der Muttergesellschaft halten. Bei der Berechnung werden alle Anteile berücksichtigt, die von Strohmännern oder Strohfirmen der Tochtergesellschaften gehalten werden, sowie alle Anteile, die die Mutter an sich selber hält. Auch werden diejenigen Anteile mitgerechnet, die von Gesellschaften gehalten werden, an denen die Muttergesellschaft selbst mehr als 10% der Stimmrechtsaktien besitzt. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Grenzen macht es erforderlich, daß die Tochtergesellschaften ihre Muttergesellschaften ständig über Beteiligungen auf dem Laufenden halten, und zwar auch dann, wenn die Mutter nicht dem Publizitätsgebot unterliegt. Die Mutter muß die Beteiligung dann ihrerseits innerhalb von zwei Tagen bekanntgeben, nachdem sie von der Tochter darüber informiert worden ist, daß diese entweder die Kontrolle erworben hat oder aber kontrolliert wird, oder, daß die Kontrolle in andere Hände übergegangen ist. Danach soll die Tochtergesellschaft jede Transaktion im Hinblick auf Stimmrechtsaktien der Muttergesellschaft melden. Die Muttergesellschaft muß im Anhang zum Konzemabschluß ihre Gesellschaftsstruktur darlegen. Hat die Tochter den oberen Grenzwert von 10 % überschritten, so ist sie gehalten, die überschießenden Anteile zu veräußern. Werden die überschießenden Anteile von mehreren Tochtergesellschaften gehalten, so sind diese, sofern keine einvernehmliche Regelung getroffen wird, im Verhältnis ihrer Anteile abzustoßen, und zwar so lange, bis der obere Grenzwert erreicht ist. Die Stimmrechte, die mit diesen überzähligen Aktien verbunden sind, werden bis zu deren Veräußerung ausgesetzt. 44. Die Regelung über die gegenseitigen Beteiligungen von unabhängigen Unternehmen kommt nur dann zur Anwendung, wenn mindestens eines der betroffenen Unternehmen eine Aktiengesellschaft ist (Art. 52 sexies AktienG). Der Tenor dieser Regelung ist der, daß nur eine von zwei beteiligten Gesellschaften einer Beschränkung auf 10 % aller mit Stimmrecht verbundenen Anteile an der anderen Gesellschaft unterworfen ist. Damit diese Vorschrift kontrollierbar wird, hat der Gesetzgeber wiederum gegenseitige Informationspflichten vorgesehen. Jede Gesellschaft, die mehr als 10 % des stimmberechtigten Kapitals einer anderen Gesellschaft hält, ist gehalten, dieser Mitteilung zu machen, und zwar über die Anzahl der Aktien oder Genußscheine, die sie hält und der damit verbundenen Stimmrechte. Diese Pflicht zur Bekanntgabe kann u . U . auch schon aufgrund der Publizitätsvor121 Art. 1 Arrêté Royal vom H.Oktober 1991.
Konzernrecht in Belgien
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Schriften bestehen 122 ; kommt das Unternehmen ihr nach, so hat es damit natürlich beide Gesetzesgrundlagen erfüllt. Sinkt die Beteiligung wieder unter 1 0 % ab, so ist auch darüber Meldung zu machen. Meldepflichtig, und zwar im Anhang zu ihrem Jahresabschluß, ist auch hier wiederum die jeweilige Beteiligungsstruktur einer Gesellschaft, soweit diese ihr bekannt ist. Zur Berechnung der 10-%-Schwelle werden auch hier wiederum diejenigen Beteiligungen berücksichtigt, die von Strohmännern oder von weiteren Tochtergesellschaften der Tochter gehalten werden. Diejenige Gesellschaft, die von einer anderen Gesellschaft erfahren hat, daß diese mehr als 1 0 % ihrer Stimmrechte erworben hat, darf ihrerseits nicht mehr als 10% der Stimmrechte dieser Gesellschaft erwerben. Tut sie dies dennoch, so hat sie die Anteile, mit denen die Stimmrechte verbunden sind, binnen eines Jahres wieder abzustoßen, wenn nicht die ersterwerbende Gesellschaft ihre Anteile selbst wieder abstößt.
Anhang 1. Mit einem Unternehmen verbunden sind solche Unternehmen, a) die das andere Unternehmen kontrollieren; b) die von dem anderen Unternehmen kontrolliert werden; c) die miteinander ein Konsortium bilden; d) andere Unternehmen, die mit Wissen ihres Verwaltungsorgans von Unternehmen der Gruppen a)-c) kontrolliert werden 123 . 2. Die Kontrolle über ein Unternehmen ist die Möglichkeit, allein oder gemeinsam mit einem Tochterunternehmen de facto oder de jure entscheidenden Einfluß auf die Besetzung der Organe oder auf die Geschäftsführung eines Drittunternehmens zu nehmen 124 . Die juristische Kontrolle über ein Unternehmen wird juris et de jure vermutet a) aus dem Besitz der Mehrheit aller stimmberechtigten Anteile, ferner, wenn b) ein Gesellschafter berechtigt ist, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsorgans zu bestellen und abzuberufen, c) wenn zwischen einem Gesellschafter oder Aktionär und dem Unternehmen ein Beherrschungsvertrag oder eine satzungsgemäße Kontrollkompetenz besteht,
122 Siehe oben II. l . a ) , Nr. 7ff. 123 Anhang III zum Arrêté Royal über die Buchhaltung von Unternehmen vom 8. O k t . 1976, IV. A., § 1 . 124 Wie vor, § 2 .
Koen Geens
30
d) wenn ein Gesellschafter oder Aktionär allein aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern oder Aktionären die Mehrheit aller Stimmrechte ausübt, und e) im Falle der Gesamtkontrolle 125 . Die tatsächliche Kontrolle wird vermutet juris tantum, wenn ein Gesellschafter oder Aktionär in den letzten beiden aufeinanderfolgenden Hauptversammlungen des Unternehmens die Mehrheit der jeweils vertretenen Stimmrechte ausgeübt hat 126 . 3. Als Tochtergesellschaft wird dasjenige Unternehmen bezeichnet, das von einem anderen Unternehmen kontrolliert wird 127 . 4. Gesamtkontrolle ist diejenige Kontrolle, die von einer begrenzten Anzahl von Gesellschaftern gemeinsam ausgeübt wird, wenn diese vorher übereingekommen sind, daß Entscheidungen innerhalb der Geschäftsführung des Unternehmens nicht ohne ihre Zustimmung getroffen werden dürfen 128 . 5. Als Gesamttochtergesellschaft wird ein Unternehmen bezeichnet, über das diese Gesamtkontrolle ausgeübt wird 129 . 6. Unter einem Konsortium versteht man eine Mehrzahl von Unternehmen, die ohne von außen kontrolliert zu werden unter einer einheitlichen Leitung stehen. Diese einheitliche Leitung wird juris et de jure vermutet, a) wenn diese sich aus Satzungsbestimmungen oder bilateralen Verträgen ergibt oder/und, b) wenn ihre Verwaltungsorgane mehrheitlich jeweils mit denselben Personen besetzt sind. Die einheitliche Leitung wird juris tantum vermutet, wenn die Anteile an den betroffenen Unternehmen mehrheitlich von ein- und denselben natürlichen oder juristischen Personen gehalten werden 130 . 7. Wie Beteiligungen werden behandelt gesellschaftliche Rechte an anderen Unternehmen, die es einem Dritten ermöglichen, Einfluß auf die Geschäftsführung zu nehmen ohne Anteilseigner zu sein. So werden qua Vermutung juris tantum als Beteiligungen behandelt a) Gesellschaftsrechte, die ein Zehntel des Gesellschaftskapitals oder eine Kategorie von Anteilen dieses Unternehmens repräsentieren; b) Gesellschaftsrechte, die diese Quote allein nicht erreichen, aber aa) gemeinsam mit Gesellschaftsrechten anderer (Tochter-)Unternehmen diese Quote erreichen oder
125 126 127 128 129 130
Wie Wie Wie Wie Wie Wie
vor, vor, vor, vor, vor, vor,
§ 3 ; Definition siehe unten 4. §4. §2. §2. §2. §6.
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bb) die Verfügungsbefugnis über diese Rechte oder deren Ausübung aufgrund von Verträgen oder einseitigen Verbindlichkeiten des Unternehmens Dritten gegenüber beschränkt ist' 31 . 8. Als nicht verbundene Unternehmen, zwischen denen gleichwohl ein Beteiligungsverhältnis besteht, gelten solche Unternehmen, a) die unmittelbar oder über Tochtergesellschaften gegenseitige Beteiligungen halten; b) die mit Wissen des Verwaltungsorgans des Unternehmens unmittelbar oder über eine Tochtergesellschaft an dem Kapital des Unternehmens beteiligt sind; c) die mit Wissen ihres Verwaltungsorgans Tochterunternehmen der oben unter b) bezeichneten Unternehmen sind 132 . 9. Im gegenseitigen Einvernehmen handeln Personen, die sich über gemeinsame Voraussetzungen über den Besitz, den Erwerb oder die Übertragung von Gesellschaftsanteilen verständigt haben. Das Handeln im gegenseitigen Einvernehmen wird juris tantum vermutet für Personen, a) die Verträge über die Sperrung oder die Genehmigungspflicht zum Erwerb, Besitz oder zur Übertragung von Wertpapieren geschlossen haben; ferner für Personen, die b) Verträge über Vorkaufsrechte, Optionen oder andere Verpflichtungen zum An- oder Verkauf von Wertpapieren geschlossen haben, sowie für Personen, die c) gemeinsam die Kontrolle über eine Gesellschaft ausüben, die ihrerseits eine meldepflichtige Anzahl von Wertpapieren besitzt 133 .
131 Wie vor, IV. B, 1. 132 Wie vor. 133 Art. 2, § 5 , 5° Arrêté Royal vom 5. Nov. 1989 über die offenbare Übernahme von Gesellschaften.
Die Konzerne im brasilianischen Aktiengesetz
von Professor
FÄBIO K O N D E R COMPARATO,
Säo Paulo
Inhaltsübersicht I. Einleitung
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II. Systematik der konzernrechtlichen Regelung des brasilianischen Gesetzes
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III. Regelung der faktischen Konzerne A. Geltungsvoraussetzungen B. Besondere Vorschriften
38 38 40
IV. Regelung der Vertragskonzerne A. Unterordnungskonzerne B. Konsortium
42 42 45
V. Gemeinsame Vorschriften und Institutionen für alle Konzerne A. Die im Alleineigentum stehende Tochtergesellschaft B. Verbot wechselseitiger Beteiligung C. Rechnungslegung D. Erwerb der Leitungsmacht an einer Handelsgesellschaft durch eine Gesellschaft, die ihre Wertpapiere öffentlich den Sparern anbietet E. Fusion zwischen M u t t e r - u n d Tochtergesellschaft F. Fehlen einer Konzernhaftung f ü r Schulden einer Konzerngesellschaft VI. Schlußbemerkung
46 47 48 49 50 51 51 53
I. Einleitung Die industrielle Revolution, die Mitte des 18.Jahrhundens in Westeuropa einsetzte, stellt ein geschichtliches Phänomen ohne Vorgang dar und änderte radikal die Lebensform der Gesellschaft. Bis dahin waren die Unterschiede der Kulturen und Lebensauffassungen unvergleichlich viel ausgeprägter als das wirtschaftliche Niveau zwischen den Nationen. Man schätzt, daß bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts das höchste Gefälle des Prokopfeinkommens zwischen den Ländern oder Gebieten zwischen 1,0 und 1,6 lag. Seitdem, in weniger als zwei Jahrhunderten, hat sich der Lebensstandard der Länder, in denen sich die industrielle Revolution vollzog, um das 15fache erhöht, der Umfang des internationalen Austauschs um das lOOfache und der der industriellen Produktion in der Welt um das 2000fache. So rechnet man, daß sich der durchschnittliche Lebensstandard seit den Anfängen der Zivilisation bis 1750, d. h. während etwa hundert Jahrhunderten, um 30-60 % erhöht hat. Aber in weniger als drei Jahrhunderten,
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d.h. zwischen 1700 und 1980, hat sich der Lebensstandard des Durchschnitteuropäers um 1300% und der Lebensstandard in der Welt um 500% erhöht. Brasilien stand nicht abseits dieses allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums. Prof. Angus Maddison, der Universität Groningen, Holland, hat aufgezeigt, daß in der jüngsten Vergangenheit, genauer von 1870 bis 1987, Brasilien das Land mit dem größten Zuwachs des internen Brutto-Sozialproduktes (4,4 %, mit einem Vervielfältigungsfaktor von 157) war, gefolgt von Japan (3,9% mit einem Vervielfältigungsfaktor von 84). Zugleich als Ursache und als Wirkung dieses scheinbar unkontrollierbaren Wirtschaftswachstums finden wir einen gewaltigen Prozeß der Kapitalakkumulierung und der Unternehmenskonzentration. Die Ansicht von Adam Smith, die große Aktiengesellschaft werde im Wettbewerb mit den klassischen Personalgesellschaften zwangsläufig unterliegen, beruhte darauf, daß die echte Funktion der ersteren - die Konzentration des Risikokapitals - im vorindustriellen Zeitalter tatsächlich sekundär war. Der Fabrikant des 18. Jahrhunderts in Europa brauchte umfangreiche Betriebsmittel zur Beschaffung von Rohstoffen und zur Zahlung der Arbeiterlöhne, aber er hatte keinen großen Bedarf an festem Kapital, da das Maschinenzeitalter noch in seinen Anfängen steckte. Der Bank- oder Handelskredit verschaffte ihm die Betriebsmittel, und die Unternehmen übernahmen häufig Verbindlichkeiten, die sieben- oder achtmal so hoch waren wie das Volumen ihrer ständigen Investitionen. Hundert Jahre danach ist die Lage umgekehrt. Die Maschine herrscht überall. Die zahlreichen großen Kanal-, Hafen- und Eisenbahnbauvorhaben, die für das 19. Jahrhundert charakteristisch waren, erforderten gewaltige Investitionsmittel, zu deren Aufbringung nur die Aktiengesellschaft in der Lage war. Nun hat dieser gewaltige Prozeß der Kapitalkonzentration, der Karl Marx so sehr beeindruckt hat, schließlich von einem bestimmten Niveau an ein Phänomen qualitativen Wandels hervorgebracht, das dem Denken der damaligen Zeit völlig fremd war. Im Universum der Unternehmen sind die großen Massen zu Satelliten zerborsten, die um den ursprünglichen Kern kreisen. Hinfort wurde das Großunternehmen durch die Unternehmensgruppe ersetzt, die, wie beim Mysterium der Heiligen Dreifaltigkeit, die Einheit in der Vielheit sicherstellte. Die Zentralisierung der Leitungsmacht erwies sich als durchaus vereinbar mit der administrativen Dezentralisierung; die letztere schaffte es sogar, die erstere zu stärken. Die Rechtstechnik hat mit der Rechtspersönlichkeit und der Kapitalbeteiligung die Instrumente geliefert, die für die Erzielung dieses Ergebnisses unerläßlich waren. Mit Hilfe der Rechtspersönlichkeit hat man die Vermögensautonomie geschaffen und die Zentren für die Zuordnung der Rechtsverhältnisse vervielfacht. Mit der Kapitalbeteiligung hat man die Einheit der Leitung für die verschiedenen Vermögen gewährleistet. So ist es dann gelungen, die Kontrolle ohne die Lasten des Eigentums und die Herrschaftsmacht ohne die Risiken der Betriebsführung aufrechtzuerhalten.
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Nun existierten aber in Brasilien die reinen Holding-Gesellschaften, deren Zweck ausschließlich auf Kapitalbeteiligung an anderen Gesellschaften gerichtet ist, bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes Nr. 6.404 vom 15.12.1976 zur Regelung des Aktienrechts (Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien) eigentlich praeter legem. Das neue Gesetz hat diese Praxis durch die Bestimmung (Art. 2 Abs. 3) legitimiert, daß „der Gesellschaftszweck die Beteiligung an anderen Gesellschaften sein kann", wobei zusätzlich noch folgendes bestimmt wird: „Die Beteiligung ist auch dann, wenn sie im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen ist, als Mittel zur Erreichung des Gesellschaftszwecks oder zur Erlangung steuerlicher Vergünstigungen (incentivos fiscais) zulässig 1 ." Es ist daher nicht überraschend, daß die Aktiengesellschaft zur Schlüsselinstitution der Unternehmensgruppen geworden ist. Mit Hilfe der beiden Instrumente der Rechtspersönlichkeit und der Kapitalbeteiligung, welche dieser Gesellschaftstyp maximal entwickelt hat, wurde es möglich, eine Reihe wichtiger wirtschaftlicher Ziele zu erreichen: Zunächst die Ausdehnung wirtschaftlicher Herrschaftsmacht mit verhältnismäßig bescheidenen Investitionen durch Kettenbeteiligungen oder „pyramidale Kontrolle" und die Anwendung des Mehrheitsprinzips. Zweitens die Perfektionierung der Betriebsführung, wobei jeder Betrieb in ein gesondertes Kosten- und Gewinnzentrum verwandelt wird. Sodann die Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Unternehmen und Unternehmensgruppen im Rahmen von gesonderten „joint ventures" mit leicht mobilisierbarer Investition. Last not least die gleichzeitige wirtschaftliche Tätigkeit in verschiedenen Ländern bei einheitlicher Leitung und formeller Anpassung an die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen. Das multinationale Unternehmen ist somit aus struktureller Sicht nichts weiter als ein Konzern 2 . Gleichwohl stellt man aufgrund weltweiter Erfahrung fest, daß das Prinzip der einheitlichen Leitung einer Mehrheit von Gesellschaften, die formell autonom sind, drei wohlbekannte Gefahrenquellen erzeugt: Unterdrückung derjenigen Gesellschafter oder Aktionäre, die - unabhängig davon, ob sie am Gesellschaftskapital einen Minderheitsanteil haben oder nicht - an der Leitungsmacht
1 Es handelt sich dabei um steuersenkende Maßnahmen zugunsten von Unternehmen, die entsprechende Mittel in Gesellschaften anlegen, die in den armen Regionen Brasiliens, wie z. B. im Norden und im Nordosten, oder in für förderungswürdig erklärten Sektoren, wie z. B. in der Fischereiindustrie und im Fremdenverkehrsgewerbe, tätig sind. 2 Wie ich schon Gelegenheit hatte, zu betonen (Direito Empresarial, Säo Paulo, Verlag Saraiva, 1990, S.261), stellt die Bank Medici, Florenz, während des ganzen 15. Jahrhunderts, das erste bekannte historische Beispiel einer multinationalen Gruppe dar (RAYMOND DE ROOVER, The Rise and Decline of the Medici Bank [1397-1494], Harvard University Press, 1963).
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keinen Anteil haben; Schädigung der Gläubiger, und zwar sowohl privater als auch öffentlich-rechtlicher Gläubiger, insbesondere des Fiskus; mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Zur Ausschaltung dieser Risiken genügt es nicht, isolierte gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen. Vielmehr m u ß man die Gesellschafts- oder Unternehmensgruppen als eine neue Gesellschaftsform, eine Art Gesellschaft zweiten Grades, ansehen und auf dieser begrifflichen Grundlage eine vollständige und in sich geschlossene Regelung aufbauen. Eine solche systematische Regelung der Konzerne gab es bis 1976 nur in der Bundesrepublik Deutschland. Das neue brasilianische Aktiengesetz ist das zweite in der Welt, das die Struktur (d. h. die innere Organisation) des Konzernphänomens als Ganzes regelt. Deshalb erscheint es wichtig, es rechtstheoretisch zu untersuchen, und interessant, seine Anwendung in der Unternehmenspraxis zu analysieren. Die folgende Darstellung wird zunächst die allgemeine Systematik des brasilianischen Konzernrechts aufzeigen, u m sodann seine Hauptmerkmale zu untersuchen.
II. Systematik der konzernrechtlichen des brasilianischen Gesetzes
Regelung
1. Die Regelung des brasilianischen Aktiengesetzes bezieht sich nur auf die Gesellschaftsgruppen, nicht auf Unternehmensgruppen im allgemeinen. In dieser Hinsicht weicht die brasilianische Regelung also von der Regelung des deutschen Aktiengesetzes von 1965 ab, nach dem einem Konzern nicht nur Gesellschaften, sondern auch Einzelunternehmer und der Staat selbst angehören können 3 . D a h e r
3 Im brasilianischen Arbeitsrecht ist der Begriff der „Gruppe" weitläufiger und schließt alle Unternehmen ein - Einzelfirmen und Gesellschaften. Nach Art. 2, § 2 des Arbeitsgesetzes „sind immer, wenn ein oder mehrere Unternehmen, obwohl jedes einzelne rechtlich selbständig, unter der Leitung, Kontrolle oder Verwaltung eines anderen stehen und so eine Industrie-, Handels- oder sonstige Wirtschafts-Gruppe bilden, für die arbeitsrechtlichen Beziehungen das Hauptuntemehmen und jedes einzelne der abhängigen Unternehmen gesamtschuldnerisch haftbar". In der Lehre diskutiert man noch, ob diese Gemeinsamkeit auch aktiv ist, d. h., ob jedes einzelne der mit der Gruppe verbundenen Unternehmen Anweisungsbefugnisse über die Angestellten der anderen hat. Die Betrachtung der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft als Wirtschaftskonzern ist aus praktischer Sicht nur dann sinnvoll, wenn die Rechtsordnung die Gesellschafterpflichten des Inhabers der Leitungs- und Herrschaftsmacht in der einzelnen Aktiengesellschaft nicht in adäquater Weise mit Sanktionen bewehrt. Dies ist in Brasilien nicht der Fall, wo Artikel 116 und 117 des neuen Aktiengesetzes die Natur dieser Macht eindeutig als ein Funktionsrecht festlegen. Hinsichtlich der gemischtwirtschaftlichen
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liegt in Brasilien, wenn die Verbindung zwischen mehreren Gesellschaften ausschließlich durch natürliche Personen hergestellt wird, ohne daß die Gesellschaften aneinander beteiligt sind und ohne daß ein Konsortium gebildet wird 4 , kein Konzern vor, auf den die besonderen Vorschriften der Kapitel X X , X X I und X X I I des Gesetzes Nr. 6.404 Anwendung finden. So ist es z. B., wenn mehrere Gesellschaften von derselben natürlichen Person beherrscht werden, ohne daß eine dieser Gesellschaften an der anderen beteiligt ist. In dem neuen brasilianischen Gesetz findet sich auch kein ausdrücklicher Hinweis auf die behauptete „Personalunion" oder „interlocking directorate" des amerikanischen Rechts, die darin liegt, daß die Verwaltungsorgane mehrerer Gesellschaften ganz oder teilweise aus denselben natürlichen Personen bestehen5. Im übrigen ist in der Systematik des brasilianischen Gesetzes das Konzernphänomen nur dann Regelungsgegenstand, wenn es sich mindestens bei einer der verbundenen Gesellschaften um eine Aktiengesellschaft handelt. Zweifellos stellt die Aktiengesellschaft, worauf ich schon hingewiesen habe, das große Instrument der Konzernbildung dar. Man muß sich jedoch fragen, ob der Ausschluß der nicht aus Aktiengesellschaften bestehenden Konzerne aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eine schwerwiegende Lücke des neuen Systems bildet 6 ; diese Lücke können sicherlich alle diejenigen ausnützen, die die Anwendung der konzernrechtlichen Regelung umgehen wollen. Insbesondere kann man sich fragen, worin eigentlich ein wesentlicher Unterschied zwischen einem ausschließlich aus Nichtaktiengesellschaften bestehenden Konzern und einem Konzern liegt, dem nur eine einzige Aktiengesellschaft angehört, die - so wollen wir einmal annehmen - das schwächste der verbundenen Unternehmen ist. 2. Bisher haben wir die sozusagen eingrenzenden Merkmale des brasilianischen Konzernrechts gesehen. Wenden wir uns nun seinem positiven Merkmal zu. Es handelt sich um die in gewisser Weise radikale Unterscheidung zwischen faktischen Konzernen und Vertragskonzernen. Diese von der Rechtslehre geprägten Ausdrücke kommen zwar im Gesetz nicht vor. Sie erscheinen aber als sehr einprägsam und zum besseren Verständnis der Gesetzessystematik geeignet.
Gesellschaft ordnet Artikel 238 zwar der sie beherrschenden juristischen Person des öffentlichen Rechts die Rechte und Pflichten des Aktionärs zu, der die Leitungsmacht ausübt (acionista controlador), bestimmt aber weiter, daß der Staat „die Tätigkeit der Gesellschaft in der Weise lenken kann, daß das ihrer Errichtung zugrundeliegende öffentliche Interesse gewahrt wird". Diese Vorschrift legitimiert es, das Eigeninteresse der Gesellschaft als juristischer Person dem Staatsinteresse zu opfern, und sie verschärft den unvermeidlichen Widerspruch, der im Funktionsmechanismus solcher Gesellschaft angelegt ist. 4 Vgl. unten S. 45. 5 Vgl. z . B . Artikel 92, 151 und 152 des französischen Gesetzes vom 24.Juli 1966. 6 Vgl. dazu aus deutscher Sicht LUTTER, Schweiz. A G 1976, 152 ff = N . V. (De Naamlooze Vennootschap) 1975, 117ff.
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In diesem Punkt hat sich das brasilianische Aktiengesetz grosso modo an das im Aktiengesetz von 1965 verankerte deutsche Vorbild angelehnt. Das deutsche Gesetz regelt außer den regulär durch Abschluß von Unternehmensverträgen gebildeten Konzernen, die Gegenstand seines Dritten Buches ( § § 2 9 1 ff) sind, auch die verbundenen Unternehmen, die miteinander keinen Beherrschungsvertrag abgeschlossen haben. Im ersteren Falle ist es gestattet, die beherrschten Unternehmen zu verpflichten, zum Nutzen der herrschenden Unternehmen zu handeln, sofern bestimmte Garantien für die Bildung von Rücklagen gegeben werden und ein Ausgleich für verursachte Nachteile gezahlt wird; besteht aber kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen
„seinen
Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden" (§311). Tatsächlich gehören diese Vorschriften wegen ihrer mangelnden Klarheit zu den weniger glücklichen des deutschen Gesetzes von 1965, was auch die deutschen Autoren selbst anerkennen 7 . Aus diesem Grunde ist die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen sehr gering. D e r Gesetzgeber war der Ansicht, daß bestimmte Verpflichtungen, die einem faktischen Konzern angehörenden Gesellschaften auferlegt wurden - wie die Verpflichtung des Vorstandes, der Hauptversammlung alljährlich einen detaillierten Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen vorzulegen ( § 3 1 2 ) ; die Prüfung dieser Beziehungen durch die Abschlußprüfer und den Aufsichtsrat ( § § 3 1 3 und 314); die Möglichkeit der Prüfung der geschäftlichen Beziehungen durch einen Sonderprüfer auf Antrag der Minderheitsaktionäre ( § 3 1 5 ) ; die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens für den Schaden, der dem beherrschten Unternehmen infolge der Beherrschungssituation zugefügt worden ist ( § § 3 1 7 und 318) - , geeignet wären, die Unternehmer zum Abschluß eines ins Handelsregister einzutragenden Unternehmensvertrags zu veranlassen. Daraus ist nichts geworden. Die Vertragskonzerne sind auch heute, über zehn Jahre nach Verkündung des Gesetzes, wesentlich weniger zahlreich als die faktischen Konzerne. Nach dem neuen brasilianischen Gesetz liegt ein Konzern, der als solcher bezeichnet wird, nur dann vor, wenn eine herrschende Gesellschaft und ihre Tochtergesellschaften eine „Vereinbarung geschlossen haben, in der sie sich verpflichten, ihre Mittel und ihre Bemühungen zur Erreichung ihrer jeweiligen Ziele miteinander zu verbinden oder sich an gemeinsamen Tätigkeiten oder Geschäften zu beteiligen" (Art. 265), und wenn diese Vereinbarung ins Handels-
7 Vgl. die kritischen Bemerkungen von HANS WÜRDINGER in seinem Aktienrecht und Recht der verbundenen Unternehmen, 1981, §63, sowie LUTTER, Schweiz. AG 176, 156ff = N . V . (De Naamlooze Vennootschap) 1975, 117FF; vgl. aber auch WALTHER, Z G R 1974, 2 0 8
ff.
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register eingetragen ist (Art. 271). Nur eine darf sich als „Gesellschaftsgruppe" oder Außerdem läßt das Gesetz die Bildung von führung eines bestimmten Werkes" zu (Art.
solche Gruppe von Gesellschaften „Konzern" bezeichnen (An. 267). Gesellschaftskonsortien „zur Aus278).
Bei den Vertragskonzernen in Brasilien ist somit scharf zwischen denjenigen Konzernen, die im deutschen Recht als Unterordnungskonzerne bezeichnet werden, und den Gleichordnungskonzernen zu unterscheiden. 3. Außer diesen Fällen finden wir im Gesetz die Ausdrücke „verbundene Gesellschaften", „herrschende Gesellschaften" (sociedades controladoras) und „beherrschte Gesellschaften" (sociedades controladas) ohne Hinweis auf Konzerne und ohne Hinweis darauf, daß jede dieser Gesellschaften im Interesse der anderen handeln oder sich den Weisungen der anderen unterwerfen kann. Anders ausgedrückt: Das Gesetz ignoriert hinsichtlich dieser tatsächlichen Situation die technischen oder wirtschaftlichen Gründe, die die Unternehmer zur Konzernbildung veranlaßt haben. Sehen wir uns jetzt die Regelung dieser einzelnen Konzernarten näher an, wobei wir bei den Vorschriften über die faktischen Konzerne beginnen. III. Regelung der faktischen A.
Konzerne
Geltungsvoraussetzungen
1. Bevor wir die besonderen Vorschriften über die faktischen Konzerne untersuchen, ist es zweckmäßig, die condicio juris ihrer Anwendung zu bestimmen. Denn wenn das Gesetz den Begriff „Konzern" nicht einmal verwendet, so muß man sich fragen, welches Kriterium als gesetzliches Tatbestandsmerkmal oder, wie man im internationalen Privatrecht sagen würde, als Anknüpfungsgrund in Betracht kommt. Diese Kriterien sind die Begriffe der Leitungsmacht (poder de controle) 8 und der Gesellschaftsverbindung (coligaçâo). 2. Die Leitungsmacht ist in Artikel 243 Abs. 2 e) definiert, wo als Tochtergesellschaft (sociedade controlada) eine Gesellschaft angesehen wird, „in der die herrschende Gesellschaft (sociedade controladora) unmittelbar oder über andere beherrschte Gesellschaften Inhaberin von Gesellschaftsrechten ist, die ihr ständig das Stimmenübergewicht bei den Gesellschaftsbeschlüssen und die Befugnis zur Wahl der Vorstandsmehrheit sichern". Es handelt sich hier in der Tat um einen 8 In der brasilianischen Rechtssprache wird das Wort „controle" immer mehr im englischen Sinne von Herrschaftsmacht und nicht in der ursprünglichen Bedeutung des französischen Worts „contrôle" = Prüfung, Nachprüfung oder Tadel gebraucht. In diesem ersteren Sinne von Herrschafts- oder Leitungsmacht verwendet das Gesetz Nr. 6.404 das Wort „controle"; das Gesetz verwendet auch die Variante „controlador" (Inhaber der Herrschaftsmacht) und „sociedade controlada" (beherrschte Gesellschaft).
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Konzernrecht in Brasilien besonderen
Anwendungsfall
der allgemeinen
Definition
des
herrschenden
Aktionärs (acionista controlador) in Art. 116. Hinsichtlich der abhängigen Gesellschaft wiederholt jedoch das Gesetz eine Voraussetzung nicht, die für die Anerkennung der von einer natürlichen Person ausgeübten Leitungsmacht aufgestellt wurde, nämlich diejenige, daß die natürliche Person „ihre Macht tatsächlich zu dem Zweck benutzen muß, die Tätigkeit der Gesellschaft zu leiten und den Betrieb der Gesellschaft zu lenken". Die Weglassung dieses Satzes ist nach unserer Auffassung unerheblich, da eine solche tatsächliche Ausübung der Leitungsmacht immer anzunehmen ist, nämlich als notwendige Folge des Stimmenübergewichts bei den Gesellschaftsbeschlüssen. Es ist jedoch hervorzuheben, daß, im Fall einer stufenweisen Kontrolle, das Gesetz nur das Hauptunternehmen der Gruppe und nicht die verbundenen Unternehmen als kontrollierende Gesellschaft ansieht. Damit sind, wie schon gerichtlich entschieden wurde 9 , diese von einer anderen Gesellschaft kontrollierten Zwischengesellschaften nicht passiv legitimiert hinsichtlich der Haftung für Schadenersatz wegen Mißbrauchs der Entscheidungsgewalt (Artikel 246). Es muß auch berücksichtigt werden, daß nach brasilianischem Recht die Kontrolle einer Aktiengesellschaft sich nicht ausschließlich nach dem Aktienbesitz richtet, sondern nach den Rechten, die die Gesellschafter innehaben. So kann z. B . eine Gesellschaft, die den das Stimmrecht einschließenden Nießbrauch an Aktien einer anderen hat, als kontrollierende Gesellschaft angesehen werden, wenn dieses Stimmrecht „die Stimmenmehrheit bei der Beschlußfassung der Hauptversammlung und die Befugnis, die Mehrheit der Verwalter der Gesellschaft zu wählen, sichert". Jedenfalls läßt die weite Fassung des Gesetzes die Existenz einer „Minderheitskontrolle" zu, bei der die kontrollierende Gesellschaft weniger als die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals der kontrollierten Gesellschaft hält. D e r brasilianische Gesetzgeber hat damit bei dem Begriff der Kontroll-Position das strenge Prozentualmerkmal des französischen Gesetzes N r . 66-536 (Artikel 354) über Handelsgesellschaften beiseite gelassen. Das „Stimmenübergewicht bei den Gesellschaftsbeschlüssen" darf nicht das Ergebnis einer bloß gelegentlichen oder vorübergehenden Situation sein; es muß vielmehr auf einer ständigen Position in der Gesellschaft beruhen. Mit anderen Worten: Die Aktien oder Geschäftsanteile, auf denen die herrschende Stellung beruht, müssen als „Investition" in den Aktiva der herrschenden Gesellschaft zu Buch stehen (Art. 179 Abs. 3). 3. U m als herrschend anerkannt zu werden, muß außerdem die Gesellschaft, die infolge der Zahl ihrer Aktien oder Geschäftsanteile diese Vormachtstellung einnimmt, noch die Macht haben, die Mehrheit der Vorstandsmitglieder der 9 Urteil vom 9.11.1983 des Amtsgerichts Rio de Janeiro, in der Revista dos Tribunais, Band 584, 190.
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anderen Gesellschaft zu wählen. Diesen „Test" für das Vorhandensein der Leitungsmacht, der in der britischen und amerikanischen Rechtsprechung eine sehr große praktische Bedeutung hat, finden wir in Art. 154 des britischen Companies Act von 1948, allerdings in alternativer Form 1 0 . Ein solches kumulatives Erfordernis erschien in den Augen der brasilianischen Juristen zunächst inkongruent, da kraft Herkommens die Mehrheit in der Hauptversammlung die Befugnis hatte, alle Vorstandmitglieder zu wählen. Nach der neuen gesetzlichen Regelung ist es jedoch möglich, die Befugnis zur Wahl der Vorstandsmehrheit von dem Stimmenübergewicht bei den übrigen Gesellschaftsbeschlüssen zu trennen, und zwar deswegen, weil bestimmten Arten von Aktien Sonderrechte zuerkannt werden (Art. 16 IV und 18) und weil Vereinbarungen über die Ausübung des Stimmrechts, die jetzt ausdrücklich für zulässig erklärt werden (Art. 118), zum Tragen kommen. Eine „Gesellschaftsverbindung" (coliga^äo) liegt nach dem Gesetz vor, wenn eine Gesellschaft an einer anderen einen Kapitalanteil von mindestens 1 0 % besitzt, ohne die Leitungsmacht zu haben (Art. 243 Abs. 1). Dieser prozentuale Mindestanteil war schon im Bankrecht als Indikator eines wichtigen Gesellschaftsinteresses vorgesehen, das die Gewährung von Bankfinanzierungen an so „verbundene" Gesellschaften verhinderte. Wir wollen jetzt die besonderen Vorschriften über die faktischen Konzerne untersuchen.
B. Besondere
Vorschriften
Das Gesetz enthält nur wenige besondere Vorschriften, da der größte Teil der Bestimmungen von Kapitel X X des neuen Gesetzes sowohl auf die faktischen Konzerne als auch auf die Vertragskonzerne anwendbar ist. 1. Die erste dieser besonderen Vorschriften betrifft die Information über die Beteiligungen einer Gesellschaft an verbundenen Gesellschaften und Tochtergesellschaften. Diese Information ist in den Jahresbericht des Vorstands an die Hauptversammlung aufzunehmen und muß die im Laufe des Geschäftsjahres eingetretenen Veränderungen enthalten. Bei „offenen" Gesellschaften, d. h. solchen, die Wertpapiere ausgegeben haben, die offiziell an einer Börse gehandelt werden oder am offiziellen freien Markt (over the counter market) gehandelt 10 F o r the purposes of this Act, a Company shall ( . . . ) be deemed to be a subsidiary of another, but only if (a) that other either (i) is a member of it and controls the composition of its board of directors; or (ii) holds more than half in nominal value of its equity share capital; or (b) the first-mentioned company is a subsidiary of any company which is that other's subsidiary.
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werden dürfen, kann die Wertpapierkommission, die gleichzeitig mit der Verkündung des neuen Aktiengesetzes als amtliches Organ geschaffen wurde und hinsichtlich ihrer Befugnisse der amerikanischen Securities and Exchange Commission, der französischen C O B und der italienischen C O N S O B ähnelt, weitere Informationen verlangen. 2. Die übrigen besonderen Vorschriften für die faktischen Konzerne betreffen den Schutz der Tochtergesellschaften und verbundenen Gesellschaften gegen Machtmißbrauch. Dieser Schutz gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für Aktiengesellschaften. Man muß sich jedoch fragen, ob die Schutzbestimmungen nicht analog auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung angewandt werden müssen". Nach der neuen gesetzlichen Regelung erscheint es grundsätzlich unmöglich, daß eine Tochtergesellschaft außerhalb eines Vertragskonzerns im Interesse der Muttergesellschaft handelt. Das Gesetz betont, daß jede Gesellschaft trotz des Vorhandenseins einer Beteiligung oder Beherrschung wirtschaftlich - und nicht nur rechtlich - autonom ist; es bestimmt nämlich: „Der Vorstand darf nicht zum Schaden der Gesellschaft eine verbundene Gesellschaft, eine herrschende Gesellschaft oder eine Tochtergesellschaft begünstigen; er muß darüber wachen, daß bei Geschäften, die zwischen den Gesellschaften geschlossen werden, genau gleichwertige Leistungen erbracht bzw. angemessene Ausgleichszahlungen geleistet werden" (Art. 245). Die Vorschrift bestimmt weiter, daß Vorstandsmitglieder, die diese N o r m schuldhaft verletzen, der Gesellschaft haften. Aber die Verwirklichung dieser Haftung erscheint praktisch unmöglich, wenn den Minderheitsaktionären nicht das Recht eingeräumt wird, im Namen der Gesellschaft zu klagen (Gesellschaftsklage ut singuli). Außerdem löst der Machtmißbrauch in einem faktischen Konzern auch die Haftung der herrschenden Gesellschaft nach Art. 117 aus. Die Haftung der herrschenden Gesellschaft für Machtmißbrauch gegenüber ihrer Tochtergesellschaft ist in Art. 246 vorgesehen, der auf die Artikel 116 und 117 verweist, die die Frage für die einzelne Aktiengesellschaft regeln. Auch hier hängt die Wirksamkeit der Gesetzesvorschriften entscheidend davon ab, daß den Minderheitsaktionären die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Gesellschaftsklage ut singuli zu erheben. Das Gesetz sieht hier die Klage ut singuli ausdrücklich vor, wobei der klagende Aktionär im Falle der Verurteilung der herrschenden Gesellschaft eine Prämie von 5 % erhält; damit wird klar der Zweck verfolgt, den Aktionären einen Anreiz zu bieten, zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen zu klagen.
11 Das aus dem Jahre 1919 stammende GmbH-Gesetz enthält nämlich eine ausdrückliche Vorschrift, wonach „auf alle Fragen, die im Gesellschaftsvertrag nicht geregelt sind, das Aktiengesetz Anwendung findet". Die Auslegung dieser Verweisungsnorm ist nicht sehr einfach.
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Aber das Gesetz erwähnt mit keinem Wort die Individualhaftungsklage, deren Zulässigkeit nach meiner Auffassung unbestreitbar ist. Es muß jedoch anerkannt werden, daß dieser Begriff des Machtmißbrauchs, sowohl bei den einzelnen Aktiengesellschaften wie bei den Gruppen (Konzernen), obwohl er einen Schlüsselpunkt in der Systematik des Gesetzes darstellt, noch nicht effektiv in das Rechtsleben eingedrungen ist. Bis heute, mehr als 15 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, wurden sehr wenige gerichtliche Klagen auf Schadenersatz wegen Machtmißbrauch erhoben.
IV. Regelung der
Vertragskonzerne
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das brasilianische Gesetz zwei Arten von Vertragskonzernen kennt: Unterordnungskonzerne und Gleichordnungskonzerne. Bei den ersteren ist das einigende Element die Leitungs- oder Beherrschungsmacht, bei den letzteren ist es die Leitung oder Geschäftsführung. In beiden Fällen tritt jedoch zu diesem Element noch eine ins Handelsregister einzutragende Vereinbarung hinzu, in der die Konzernbildung irgendwie formalisiert wird.
A. Unterordnungskonzerne
(Kapitel XXI)
1. Der Unterordnungskonzern wird von der „Muttergesellschaft und ihren Tochtergesellschaften" gebildet (An. 265). Es handelt sich dabei nach meinem Verständnis um eine echte Rechtsbedingung für die Anwendung dieser Gesetzesvorschriften. Besteht kein Verhältnis Muttergesellschaft - Tochtergesellschaft, sondern nur eine einfache Gesellschaftsverbindung (coligaqäo) in dem oben 12 dargelegten Sinne, so scheint es nicht möglich, einen „Konzern" vertraglich, d. h. durch die ins Handelsregister einzutragende Vereinbarung, zu begründen. Der einzige Vertragskonzern, der möglich ist, wenn es an einem Verhältnis Muttergesellschaft - Tochtergesellschaft fehlt, ist das Konsortium, von dem später die Rede sein wird. Der brasilianische Gesetzgeber wollte also nicht dem deutschen Gesetz von 1965 folgen, das den Abschluß eines Beherrschungsvertrags auch zwischen Gesellschaften gestattet, die nicht durch Beteiligungen verbunden sind. Die Entscheidung des brasilianischen Gesetzgebers erscheint mir realistisch, denn die Unterordnung einer Gesellschaft unter eine andere setzt stets ein Beherrschungs- oder Leitungsmachtverhältnis voraus. 2. Die Konzernvereinbarung ist ein echter Gesellschaftsvertrag. Als Definition der Konzernvereinbarung verwendet das neue Gesetz übrigens eine 12 Sub III. A.
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Formulierung, die der Definition des Gesellschaftsvertrags in An. 1363 des brasilianischen Zivilgesetzbuches entspricht; das neue Gesetz bestimmt, daß die konzemverbundenen Gesellschaften sich verpflichten, „ihre Bemühungen oder Mittel zur Erreichung der jeweiligen Zwecke zu verbinden oder sich an gemeinsamen Tätigkeiten oder Geschäften zu beteiligen" (Art. 265). Zwar verlangt das Gesetz nicht ausdrücklich, daß diese Zusammenfassung der Tätigkeiten oder Bemühungen ausschließlich auf die Erreichung gemeinsamer Ziele gerichtet ist, denn die Alternative dazu besteht in der „Erreichung der jeweiligen (Gesellschafts-)Zwecke" oder in der Beteiligung an gemeinsamen Geschäften. Doch ist klar, daß in einem Unterordnungskonzern die Tätigkeit der Tochtergesellschaft stets am Interesse des Gesamtkonzerns oder an demjenigen der Muttergesellschaft ausgerichtet ist. Der in Kapitel XXI des brasilianischen Gesetzes geregelte Konzern erscheint somit als eine Art Gesellschaft von Gesellschaften oder Gesellschaft zweiten Grades. Aber er erzeugt keine juristische Person zweiten Grades. Art. 266 verwirft diese Lösung ausdrücklich, indem er bestimmt, daß „jede Gesellschaft ihre eigene Rechtspersönlichkeit und ihr eigenes Vermögen behält". 3. Die Muttergesellschaft „muß als Aktionärin oder Inhaberin von Gesellschaftsrechten oder durch Vereinbarung mit anderen Teilhabern oder Aktionären über die Ausübung des Stimmrechts unmittelbar oder mittelbar ständig die Herrschaft über die Tochtergesellschaft ausüben". Der letzte Teil dieser Vorschrift scheint im Widerspruch zum Beginn der Bestimmung zu stehen, denn wenn eine Gesellschaft die Tochtergesellschaften nur durch eine Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern oder Aktionären über die Stimmrechtsausübung beherrschen kann, so bedeutet dies, daß nicht eine Muttergesellschaft, sondern mehrere Inhaber der Leitungsmacht vorhanden sind; in diesem Falle liegt also eine gemeinschaftliche Beherrschung und nicht die Herrschaft einer einzigen Gesellschaft vor, so daß man nicht von einer einzigen „herrschenden Gesellschaft" (sociedade controladora) sprechen kann. 4. Eine weitere Frage, die zu divergierenden Auslegungen führen kann, betrifft das Erfordernis, daß die Konzernmutter die brasilianische Staatszugehörigkeit besitzen muß (Art. 265 Abs. 1). Soll das heißen, daß die Inhaber der Leitungsmacht Brasilianer sein müssen? In diesem Falle wären multinationale Gesellschaften daran gehindert, in Brasilien Unterordnungskonzerne durch eine ins Handelsregister einzutragende Vereinbarung zu bilden, wie dies in Kapitel XXI des neuen Gesetzes vorgesehen ist. Nach allgemeinem brasilianischem Gesellschaftsrecht folgt die Staatszugehörigkeit einer Gesellschaft dem Recht des Staates, nach dessen Gesetzen sie errichtet wurde, und dem Ort des Gesellschaftssitzes. Eine Gesellschaft ist also brasilianisch, wenn sie nach den brasilianischen Gesetzen errichtet wurde und ihr Sitz sich in Brasilien befindet, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Gesellschafter. Nun verlangt aber Art. 269 Abs. VII des Gesetzes Nr. 6.404 in einer doppeldeutigen Formulierung,
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daß in der Konzernvereinbarung die „Staatszugehörigkeit der Leitungsmacht (controle) des K o n z e r n s " anzugeben ist; und der Paragraph dieses Artikels präzisiert, wann eine Gesellschaft sich unter brasilianischer Leitungsmacht befindet. N a c h meiner Auffassung handelt es sich u m zwei verschiedene Herrschaftsebenen: Im K o n z e r n und innerhalb der Muttergesellschaft. D a s in A r t . 2 6 5 A b s . 1 enthaltene Erfordernis der brasilianischen Staatszugehörigkeit betrifft die Herrschaftsebene im K o n z e r n , so daß die Muttergesellschaft nach dem allgemeinen G r u n d s a t z der Unterwerfung unter die brasilianischen G e s e t z e und infolge der Sitzbegründung in Brasilien als brasilianische Gesellschaft anzuerkennen ist. D i e Regel des Art. 2 6 9 A b s . V I I stellt keine A u s n a h m e von diesem allgemeinen Kriterium dar; sie stellt einfach das Erfordernis einer „disclosure" hinsichtlich der zweiten Herrschaftsebene innerhalb der Muttergesellschaft auf. 5. D i e Konzernvereinbarung bedarf der Z u s t i m m u n g der Gesellschafter oder A k t i o n ä r e der konzernverbundenen
Gesellschafter.
Es handelt sich um die
Anwendung der amerikanischen „ p a s s - t h r o u g h " - T h e o r i e . Das G e s e t z verlangt, daß der Vereinbarung Gesellschafter oder A k t i o n ä r e , die mindestens die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals vertreten, z u s t i m m e n ; ein höherer Prozentsatz kann in der Satzung einer „geschlossenen" Gesellschaft, d. h. einer Gesellschaft, die ihre Wertpapiere nicht öffentlich den Sparern z u m Kauf anbieten, vorgeschrieben werden. D i e überstimmten A k t i o n ä r e und Gesellschafter haben das R e c h t , aus der Gesellschaft auszuscheiden. W e n n sich an der Konzernvereinbarung Gesellschaften beteiligen wollen, die einer staatlichen Betriebsgenehmigung bedürfen, so m u ß die Konzernvereinbarung auch von der zuständigen V e r w a l tungsbehörde genehmigt werden. 6. D e r K o n z e r n m u ß über Verwaltungsorgane verfügen, die von den V e r w a l tungsorganen der konzernverbundenen
Gesellschaften verschieden sind und
Anspruch auf gesonderte Vergütung haben. D i e s e Konzernverwaltung
kann
nach dem Vorbild der Aktiengesellschaften in Aufsichtsrat und Vorstand gegliedert werden. D a der K o n z e r n aber keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, gibt es grundsätzlich keine Konzernvertretung. Ich sage „grundsätzlich", da das Gesetz
zuläßt, daß die Vertretung der k o n z e r n v e r b u n d e n e n
Gesellschaften
Mitgliedern der Konzernverwaltung übertragen werden kann. In jedem Fall sind die Verwaltungsorgane der Tochtergesellschaften
der
Konzernverwaltung untergeordnet, soweit dies nicht dem G e s e t z oder
der
Konzernvereinbarung widerspricht. D i e mangelnde A u t o n o m i e der T o c h t e r g e sellschaften, die sich daraus ergibt, daß diese ihre Tätigkeit im fremden Interesse ausüben, wird damit vom Gesetz legitimiert. 7. All dies macht die Frage des Schutzes der Minderheitsaktionäre
und
Gesellschafter der konzernverbundenen Gesellschaften sehr heikel. N a c h der ursprünglichen Systematik des Gesetzes erscheint dieser Schutz ausdrücklich nur bei der Errichtung des K o n z e r n s , mit der A n e r k e n n u n g des Rechtes, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Ein G e s e t z v o m D e z e m b e r 1989 ( G e s e t z 7 . 9 5 8 )
Konzernrecht in Brasilien
45
hat jedoch ziemliche Verwirrung bezüglich der Auslegung des Gesetzes hervorgerufen. Bezeichnend für die bedauerliche Art der Gesetzgebung in Brasilien, hat sie aus dem Kreis der Fälle des Ausscheidens, die umfassend in Artikel 137 vorgesehen sind, u. a. „die Beteiligung an einem Konzern" gestrichen. Der Gesetzgeber hat jedoch übersehen, daß eine andere Bestimmung, nämlich Artikel 270, einziger Paragraph, in Kraft geblieben ist; und diese Bestimmung besagt: „die dem Anschluß an den Konzern nicht zustimmenden Gesellschafter oder Aktionäre haben das Recht auf Rückerstattung ihrer Aktien oder Gesellschaftsanteile gemäß den Bestimmungen des Artikels 137". Die Rechtsprechung hatte noch keine Gelegenheit, diese starken Auslegungszweifel zu klären. Gleichwohl dürfte klar sein, daß die Konzernvereinbarung nicht dadurch gegen das Gesetz verstoßen darf, daß sie die Natur des Gesellschaftsvertrags entstellt. Infolgedessen darf, da Handelsgesellschaften notwendigerweise die Verteilung des Gewinns auf die Gesellschafter zum Zweck haben, die Konzernvereinbarung keine „clausula leonina" zum Inhalt haben, nach der etwa eine Tochtergesellschaft auf alle Ewigkeit dazu verurteilt wäre, zum Vorteil der Muttergesellschaft ohne Gewinn zu arbeiten, oder etwa verpflichtet wäre, ihren Gewinn vollständig an diese abzuführen.
B.
Konsortium
1. Der andere Typ des Vertragskonzerns, der im neuen brasilianischen Aktiengesetz geregelt ist, ist das Konsortium (Kapitel XXII). Es handelt sich dabei um einen Gleichordnungskonzern in dem Sinne, daß seine Geschlossenheit und innere Einheit nicht auf einem Beherrschungsverhältnis zwischen einer Gesellschaft und den übrigen Gesellschaften beruht, sondern ausschließlich darauf, daß die Leistung hinsichtlich der gemeinsamen Tätigkeit vergemeinschaftet wird 13 . Die Unternehmenskonzentration ist daher weniger ausgeprägt als beim Unterordnungskonzern, aber stärker akzentuiert als beim bloßen Kartell. Das Gesetz gestattet die Bildung eines Konsortiums zwischen „Kapitalgesellschaften und Gesellschaften jeder anderen Art". Soll das heißen, daß mindestens eine der beteiligten Gesellschaften eine Aktiengesellschaft sein muß? Dies scheint sich daraus zu ergeben, daß dieser Konzerntyp in einem Aktiengesetz geregelt ist. Diese Einschränkung scheint mir bedauerlich, denn sie hat keinen tieferen rechtlichen Sinn. 2. Gegenstand des Konsortiums ist die Durchführung eines „bestimmten Geschäfts". Dieser Ausdruck ist im Portugiesischen („determinado empreendi-
13 Vgl. dazu vor allem L Ü T T E R , Gutachten 1970, S. 38 ff, 91 ff und 140 ff.
H
zum 48. Deutschen Juristentag, München
46
Fabio Kontier Comparato
memo") nicht frei von Doppeldeutigkeit; er scheint eine Operation von begrenzter Dauer, d. h. das Gegenteil einer zeitlich unbegrenzten Tätigkeit, zu bezeichnen. Das Konsortium im Sinne des neuen Gesetzes würde somit als eine echte „societas alicuius negotiationis" erscheinen, was eine Einschränkung dieser Form der Unternehmenskooperation bedeutete. Ich darf jedoch an den Präzedenzfall der stillen Gesellschaft des brasilianischen Rechts erinnern, die schließlich als rechtlicher Rahmen für eine ständige wirtschaftliche Tätigkeit verwendet wurde, obwohl das Handelsgesetzbuch ihr als Gegenstand „eines oder mehrere bestimmte Handelsgeschäfte" zuweist. Ich sehe im übrigen kein Hindernis gegen die Bildung von Konsortien zur Ausübung von Tätigkeiten, die nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sind, wie Marktforschung, technologische Forschung oder unentgeltliche Serviceleistungen für die verbundenen Unternehmen. 3. Das Gesetz schließt die Rechtspersönlichkeit des Konsortiums aus, schreibt aber die Eintragung des Konsortialvertrags ins Handelsregister zwingend vor. Dieser Vertrag muß nach Art. 279 „von dem Gesellschaftsorgan, das für die Genehmigung der Veräußerung von Vermögenswerten, die zum ständigen Gesellschaftsvermögen gehören, zuständig ist", genehmigt werden. Bei Gesellschaften mit Aufsichtsrat und Vorstand ist der Aufsichtsrat das zuständige Organ. Bei allen übrigen Gesellschaften ist die Hauptversammlung zuständig. Ausdrücklich ausgeschlossen ist jede gesamtschuldnerische oder sekundäre Haftung der verbundenen Gesellschaften für Verbindlichkeiten, die bei Durchführung des gemeinsamen Geschäfts übernommen werden, und zwar auch dann, wenn eine dieser Gesellschaften in Konkurs gerät. Doch können sich die Gläubiger die gesamtschuldnerische Haftung natürlich nach den allgemeinen Vorschriften ausbedingen.
V. Gemeinsame
Vorschriften und Institutionen für alle
Konzerne
Außer den Sondervorschriften für die einzelnen Konzernarten, faktische und Vertragskonzerne, enthält das Gesetz Nr. 6.404 in seinem Kapitel X X auch mehrere Vorschriften und Institutionen, die für alle Konzernarten von Bedeutung sind. In dieser Darstellung lasse ich die ebenfalls in Kapitel X X enthaltenen Vorschriften beiseite, die die Veräußerung der Aktien, mit denen die Leitungsmacht verbunden ist, und die auf den Erwerb der Leitungsmacht abzielenden öffentlichen Kauf- und Tauschangebote betreffen, weil sie keine Sondervorschriften für Konzerne sind.
Konzernrecht in Brasilien
A. Die im Alleineigentum stehende („subsididria integralArt.
47
Tochtergesellschaft 251-253)
Es handelt sich um eine der bedeutsamsten Neuerungen, die das Gesetz Nr. 6.404 eingeführt hat. Hinfort brauchen die Unternehmer nicht mehr zu frommen Scheinkonstruktionen Zuflucht zu nehmen, um die Tatsache zu verschleiern, daß die Gesellschaft nur einen einzigen Gesellschafter hat. Aber dieser einzige Gesellschafter darf nach dem neuen Gesetz nur eine andere Gesellschaft sein. Brasilien hat also die „wholly-owned subsidiary", aber nicht die „one-man Company" übernommen. Die im Alleineigentum stehende Tochtergesellschaft hat stets die Form einer Aktiengesellschaft und kann auf zweierlei Weise errichtet werden. Einmal in notariell beurkundeter Form. In diesem Falle muß der Alleinaktionär eine brasilianische Gesellschaft sein (Art. 251), aber nicht unbedingt eine Kapitalgesellschaft. Die brasilianische Staatszugehörigkeit wird unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Gesellschafter nach dem allgemeinen Grundsatz des Gründungs- und Sitzstatus beurteilt. Interessanter ist die derivative Bildung einer „subsidiäria integral", die auf zwei Wegen bewerkstelligt werden kann: Durch Erwerb der Aktiengesamtheit oder ihre Eingliederung in das Kapital einer anderen Gesellschaft. Auch hier muß die Alleinaktionärin die brasilianische Staatszugehörigkeit besitzen. Aber während das Gesetz für den Fall des Aktienerwerbs nicht verlangt, daß die Erwerberin eine Kapitalgesellschaft ist, ist dies für den Fall der Eingliederung zwingend vorgeschrieben (Art. 252), zweifellos deswegen, weil der Gesetzgeber verhindern wollte, daß den Minderheitsaktionären ein Wechsel der Gesellschaftsform aufgezwungen werden könnte. Das Verfahren der Eingliederung zur Bildung einer in Alleineigentum stehenden Tochtergesellschaft ist eine der verführerischen Lösungen des neuen Gesetzes. Es handelt sich nicht um eine einfache Zeichnung einer Erhöhung des Kapitals der Alleinaktionärin durch die Aktionäre der Tochtergesellschaft, da die Eingliederung von der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft beschlossen werden muß. Das Gesetz verlangt hierfür eine qualifizierte Mehrheit (mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Aktien), aber nicht Einstimmigkeit, und es räumt den überstimmten Aktionären das Recht des Ausscheidens ein. Ferner haben die Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft kein Vorzugsrecht für die Zeichnung dieser Kapitalerhöhung, aber auch sie können gegen Erstattung des Werts ihrer Aktien aus der Gesellschaft ausscheiden. Nach Abschluß des Vorgangs tauschen die Aktionäre der Tochtergesellschaft ihre Aktien gegen Aktien der übernehmenden Gesellschaft aus, die im Wege der Kapitalerhöhung ausgegeben werden. Wird die Gesellschaft durch Verkauf oder Zeichnung neuer Aktien wieder zu einer Gesellschaft mit mehreren Aktionären, so räumt das Gesetz den Aktionä-
48
Fabio Konder Comparato
ren der herrschenden Gesellschaft ein Vorzugsrecht ein. Doch ist nicht recht einzusehen, warum diese heilsame Vorschrift nur dann gelten soll, wenn die Alleinaktionärin eine Kapitalgesellschaft ist.
B. Verbot wechselseitiger Beteiligungen (Art. 244) 1. Das Gesetz Nr. 6.404 hat ein - vom früheren Recht ungelöst gelassenes schwieriges Problem gelöst, indem es wechselseitige Kapitalbeteiligungen zwischen verbundenen Gesellschaften (sociedades coligadas) und zwischen einer herrschenden Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft für unzulässig erklärt hat (Art. 244). Doch gilt das Verbot nicht für alle Gesellschaften, die sich in dieser Lage befinden. Bei verbundenen Gesellschaften in dem oben 14 dargelegten Sinne gilt es nur für Kapitalgesellschaften. Liegt der Tatbestand der Beherrschung einer Gesellschaft durch eine andere vor, so verbietet das Gesetz die wechselseitige Kapitalbeteiligung nur dann, wenn die Muttergesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist. Man fragt sich übrigens, ob diese Einschränkungen vom Gesetzgeber gewollt sind, oder ob es sich nur um ein Redaktionsversehen handelt, das den wirklichen Willen des Gesetzgebers entstellt. Vorstandsmitglieder, die diesem Verbot zuwiderhandeln, sind zivil- und strafrechtlich verantwortlich. Aber die Vorstandsmitglieder welcher Gesellschaft? Meines Erachtens die Vorstandsmitglieder derjenigen Gesellschaft, die die Aktien ihrer Aktionäre erworben oder gezeichnet hat, auch wenn es sich um eine Tochtergesellschaft handelt; denn der Vorstand einer Gesellschaft, die der Leitungsmacht einer anderen Gesellschaft unterworfen ist, kann sich bei Verletzung zwingender Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht mit dem Hinweis exkulpieren, er sei an Weisungen oder Richtlinien der Aktionäre gebunden. 2. Das Verbot der wechselseitigen Beteiligung wird von zwei Ausnahmen durchbrochen. a) Als erste Ausnahme ist die wechselseitige Beteiligung in den Grenzen und unter den Voraussetzungen zulässig, die für den Erwerb eigener Aktien durch eine Gesellschaft gelten; dieser Erwerb ist zulässig bis zur Höhe des nicht ausgeschütteten Gewinns oder der Rücklagen (abzüglich der gesetzlichen Rücklagen) sowie bei Kapitalherabsetzung und schenkungshalber. In diesem Fall, so bestimmt das Gesetz, muß „die Gesellschaft" - gleichgültig, welche von beiden „innerhalb von sechs Monaten die Aktien oder Geschäftsanteile, die den Wert der nicht ausgeschütteten Gewinne oder der Rücklagen übersteigen, veräußern, sofern diese Gewinne oder Rücklagen eine Verminderung erfahren". b) Die zweite Ausnahme betrifft den Fall der wechselseitigen Beteiligung, der sich aus einer Verschmelzung oder Spaltung oder daraus ergibt, daß die Gesell14 Siehe sub III. A .
Konzernrecht in Brasilien
49
schaft eine beherrschende Stellung in einer anderen Gesellschaft erwirbt. Tritt einer dieser Fälle ein, so muß er in den Jahresberichten und Bilanzen beider Gesellschaften festgehalten werden; die wechselseitige Beteiligung muß spätestens innerhalb eines Jahres beseitigt werden. Bei verbundenen Gesellschaften (sociedades coligadas) müssen die zuletzt erworbenen Aktien oder Geschäftsanteile bzw., wenn es sich um gleichzeitig erworbene Aktien oder Geschäftsanteile handelt, diejenigen, die den geringeren Anteil am Gesellschaftskapital darstellen, veräußert werden, es sei denn, daß vertraglich etwas anderes vereinbart ist. Diese letztere Lösung entspricht der Regelung von Art. 358 des französischen Gesetzes vom 24. Juli 1966. In jedem Fall, auch wenn die wechselseitige Beteiligung zulässig ist, weil eine der dargelegten Ausnahmen vorliegt, suspendiert das Gesetz das Stimmrecht, das mit den im Besitz der Tochtergesellschaft befindlichen Aktien der Muttergesellschaft verbunden ist.
C. Rechnungslegung
(Art. 247-250)
Das Gesetz Nr. 6.404 stellt zwei Gruppen von Vorschriften für die Rechnungslegung der Konzerne auf: Vorschriften über Beteiligungen, die als „wichtige Investitionen" gelten, und Bestimmungen über die Konzernbilanz. 1. Eine Beteiligung gilt als „wichtige Investition": bei jeder verbundenen Gesellschaft (sociedade coligada) und bei jeder Tochtergesellschaft, wenn der Bilanzwert mindestens 10 % des Werts der nicht fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft beträgt; bei der Gesamtheit der verbundenen Gesellschaften und Tochtergesellschaften, wenn der Bilanzwert mindestens 1 5 % des Werts der nicht fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft beträgt. Sind „wichtige Investitionen" in diesem Sinne vorhanden, so muß der Vorstand den zur Veröffentlichung bestimmten Rechnungsbelegen entsprechende Erläuterungen sowie eine Bewertung der Beteiligung nach der „equity-value"Methode beifügen, d. h. die Beteiligung wird in der Weise bewertet, daß bei der Ermittlung des Werts der nicht fälligen Passiva der verbundenen Gesellschaft oder Tochtergesellschaft diese Beteiligung am Kapital der anderen Gesellschaft prozentual berücksichtigt wird. 2. Vertragskonzerne im Sinne von Kapitel XXI 1 5 sowie faktische Konzerne, an denen eine Gesellschaft, die ihre Wertpapiere öffentlich den Sparern anbietet (companhia aberta), über 30 % der aus Beteiligungen an Tochtergesellschaften bestehenden nicht fälligen Passiva besitzt, müssen gleichzeitig mit den Bilanzen der einbezogenen Gesellschaften eine Konzernbilanz erstellen und veröffentlichen. Hinsichtlich der Vertragskonzerne im Sinne von Kapitel X X I ist 15 Oben sub IV. A.
50
Fäbio Konder Comparato
darauf hinzuweisen, daß die Muttergesellschaft ihre eigene Bilanz nach den gesetzlichen Bestimmungen auch dann veröffentlichen muß, wenn sie keine Aktiengesellschaft ist. Bei faktischen Konzernen kann die Wertpapierkommission bestimmen, daß Einzelbilanzen von Gesellschaften, die, „obwohl sie nicht Tochtergesellschaften einer anderen Gesellschaft sind, von dieser (Konzernführerin) in finanzieller oder administrativer Hinsicht tatsächlich abhängig sind", in die Konzernbilanz einzubeziehen sind. Damit weist das Gesetz klar auf das Phänomen der Fremdleitungsmacht und der administrativen Leitungsmacht hin. Die Wertpapierkommission kann außerdem in besonderen Fällen den Ausschluß bestimmter Tochtergesellschaften aus der Konzernbilanz gestatten. Das Gesetz sieht vor, daß folgende Posten in der Konzernbilanz wegzulassen sind: a) Gesellschaftsbeteiligungen; b) Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den einbezogenen Gesellschaften; c) Teilergebnisse des Geschäftsjahres, aufgelaufene Gewinne oder Verluste und Kosten der Vorratshaltung oder des Anlagevermögens, die auf Ergebnisse von abgeschlossenen oder nicht abgeschlossenen Geschäftsvorfällen zwischen den einbezogenen Gesellschaften entfallen.
D. Erwerb der Leitungsmacht an einer Handelsgesellschaft durch eine Gesellschaft, die ihre 'Wertpapiere öffentlich den Sparern anbietet („companhia abertaArt. 2S6) Die Übertragung der Leitungsmacht ist im Gesetz Nr. 6.404 lediglich für Gesellschaften geregelt, die ihre Wertpapiere öffentlich den Sparern anbieten (companhias abertas). Zweck der gesetzlichen Regelung ist der Schutz der Minderheitsaktionäre. Die Veräußerung der Leitungsmacht einer Gesellschaft, die ihre Wertpapiere öffentlich den Sparern anbietet, ist eigentlich kein speziell konzernrechdiches Rechtsgeschäft, da der Erwerber ja auch eine natürliche Person sein kann. Anders ist es aber, wenn eine solche „companhia aberta" die Leitungsmacht an einer anderen Handelsgesellschaft erwirbt. In diesem letzteren Falle bedarf das Ubertragungsgeschäft dann der vorherigen Zustimmung oder der Genehmigung der Hauptversammlung der Gesellschaft, die die beherrschende Stellung erwirbt, wenn der Kaufpreis der Aktien oder Geschäftsanteile eine „wichtige Investition" im oben" dargelegten Sinne darstellt, oder wenn der Durchschnittspreis der einzelnen Aktien bzw. Geschäftsanteile den höchsten der drei in Art. 256 Abs. 2 bezeichneten Werte (Börsenwert, Vermögenswert, Gewinnwert) um das Anderthalbfache übersteigt. Auch hier haben wir wieder einen Anwendungsfall der „pass-through"-Theorie vor uns, die den überstimmten Aktionären das Recht des Ausscheidens ein16 Sub V. B.
Konzernrecht in Brasilien
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räumt, jedoch nur in dem genannten Fall des Art.256 Abs.2. Für den Fall, daß der Erwerb der Leitungsmacht für die erwerbende Gesellschaft eine wichtige Investition darstellt, scheint sich der Ausschluß des Rechts auf Ausscheiden daraus zu ergeben, daß das Gesetz für solche Investitionen und ihre Bewertung besondere Auskunftspflichten vorsieht. Es dürfte jedoch nicht zu bestreiten sein, daß die Auskunftspflicht einen andersartigen und weniger bedeutsamen Schutz der Minderheitsaktionäre darstellt. E. Fusion zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft (Art. 264) Auch hier geht es wieder um den Schutz der Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaft. Leider hat der Gesetzgeber, der den Ausdruck „Minderheitsaktionäre" durch einen weiteren Begriff (acionistas näo-controladores = nichtbeherrschende Aktionäre) ersetzen wollte, den Worteil „nicht-" ausgelassen und daher in die endgültige Fassung des Gesetzes genau das Gegenteil dessen hineingeschrieben hat, was er eigentlich zum Ausdruck bringen wollte (acionistas controladores). Daraus ergibt sich hier die schwierige Frage, ob man ein Gesetz in einem Sinne auslegen darf, der dem Gesetzeswortlaut diametral entgegengesetzt ist. Die folgenden Darlegungen stütze ich eigenwillig auf die anfechtbare Annahme, daß diese Frage zu bejahen ist. Das Gesetz schreibt zwingend vor, daß zur Festlegung des Umtauschkurses sowohl die von der Mutter- als auch die von der Tochtergesellschaft ausgegebenen Aktien auf der Grundlage des Handelswertes der Bestandteile des Gesellschaftsvermögens zu bewerten sind. Ergibt die so vorgenommene Bewertung der Aktien der Minderheitsaktionäre einen Umtauschkurs, der günstiger ist als der im Fusionsprotokoll festgelegte, so haben die Minderheitsaktionäre das Recht des Ausscheidens. Bei Ausübung dieses Rechts können sie zur Berechnung des zu erstattenden Werts ihrer Aktien wählen zwischen dem Bilanzwert, dem durchschnittlichen Börsentageskurs der letzten 30 Tage vor der Hauptversammlung (bei Gesellschaften, die ihre Wertpapiere öffentlich den Sparern anbieten) bzw. dem Handelswert der Vermögenswerte, die das Gesellschaftsvermögen bilden (Fall der Gesellschaften, die ihre Wertpapiere nicht öffentlich den Sparern anbieten). Diese Vorschriften gelten jedoch nicht für von der Tochtergesellschaft ausgegebene Aktien, die von der Muttergesellschaft an der Börse oder vermittels eines öffentlichen Kauf- oder Tauschangebots gekauft wurden. F. Fehlen einer Konzernhaftung für Schulden einer Konzerngesellschaft Das neue brasilianische Aktiengesetz enthält zwar eine eingehende Regelung der Konzerne, deren Inhalt im allgemeinen fortschrittlich und ausgewogen ist;
52
Fäbio Konder Comparato
doch hat es keine gesetzliche Haftung einer Konzemgesellschaft für die Schulden einer anderen Konzerngesellschaft anerkannt. Die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs hat versucht, diese Haltung des Gesetzgebers hinsichtlich der Unterordnungskonzerne des Kapitels XXI 17 mit dem Hinweis zu begründen, man wolle nicht „eine Vermutung gesamtschuldnerischer Haftung der Konzerngesellschaften begründen, die ihre gesonderten Vermögen als autonome Haftungs- und Risikoeinheiten behalten, denn die Erfahrung zeigt, daß der Gläubiger den Schutz seiner Rechte im allgemeinen auf vertraglichem Wege erlangt und sich die gesamtschuldnerische Haftung ausbedingen kann, wenn er dies wünscht. Außerdem würde die gesetzliche Festlegung einer solchen gesamtschuldnerischen Haftung die Konzerngesellschaften in bloße Abteilungen ein und derselben Gesellschaft verwandeln, wodurch die Natur des Konzerns als eines Vereins von Gesellschaften mit jeweils gesonderter Rechtspersönlichkeit und gesondertem Vermögen verzerrt würde." Dieser Begründung vermag ich keineswegs zu folgen. Zunächst einmal geht es nicht darum, unbedingt eine gesamtschuldnerische Haftung innerhalb des Konzerns zu begründen; vielmehr geht es eher um eine subsidiäre oder sekundäre Haftung. Im Gegensatz zur amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs ist der Konzern kein Verein und kann dies rechtlich niemals sein, weil sein Zweck auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Er stellt faktisch eine Gesellschaft dar, obwohl er keine juristische Person ist. Und weil es sich um eine Gesellschaft handelt, ist es nicht gewagt, den Grundsatz anzuerkennen, den das alte Handelsgesetzbuch schon 1850 in das brasilianische Recht eingefügt hat, wonach „die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen der Gesellschafter wegen der Gesellschaftsschulden erst dann zulässig ist, wenn das gesamte Gesellschaftsvermögen bereits Gegenstand der Zwangsvollstreckung war" (Art. 350). Bei Konzernen fällt die Rolle des Privatvermögens der Gesellschafter denjenigen Vermögenswerten zu, die das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften, insbesondere der Muttergesellschaft bilden. Was die „Verwandlung der Konzerngesellschaften in bloße Abteilungen ein und derselben Gesellschaft" betrifft, so muß man zugeben, daß diese in der Praxis schon in mehrfacher Hinsicht existiert. Es ist nicht recht einzusehen, warum diese tatsächliche Situation rechtlich nur dann anerkannt werden soll, wenn sie die Konzernbildung begünstigt, und nicht auch dann, wenn sie eine Konzernhaftung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger schafft. Im übrigen lehrt die Praxis auch reichlich, daß diejenigen Gläubiger, denen es gelingt, zusätzliche Sicherheiten für ihre Forderungen zu erlangen, im allgemeinen die Banken sind; Lieferanten, insbesondere Kleinlieferanten, gelingt dies selten. Diese bilden in Konkurs- und Vergleichsverfahren die Legion der nicht-
17 Oben sub IV. A.
Konzernrecht in Brasilien
53
bevorrechtigten Gläubiger; ihnen sollte der Gesetzgeber daher seinen besonderen Schutz angedeihen lassen. Im übrigen erweist sich gerade bei den „im Alleineigentum stehenden Tochtergesellschaften" 18 der Ausschluß der Haftung einer Konzerngesellschaft für die Verbindlichkeiten der übrigen Konzerngesellschaften als unhaltbar. Ist denn etwa keine Vermögensverwechslung zu befürchten, die den Gläubigern abträglich sein kann? Soll man den Formalismus der Trennung der Gesellschaftsvermögen soweit treiben, daß die Muttergesellschaft vom Konkurs ihrer Tochtergesellschaft, deren Alleinaktionärin sie ist, berührt werden kann? Es ist wirklich schade, daß das neue Aktiengesetz, das so umfangreiche zeitgemäße Reformen des brasilianischen Rechts gebracht hat, in diesem Punkt eine Haltung eingenommen hat, die einen offensichtlichen Rückschritt bedeutet, wenn man sie mit gewissen ausländischen Rechtsordnungen, die noch gar keine entwickelte Regelung des Konzernrechts enthalten 19 , oder auch nur mit dem brasilianischen Arbeitsrecht 20 vergleicht.
VI.
Schlußbemerkung
Aufgrund dieser Darlegung wird der Leser keine Schwierigkeiten haben, den offensichtlichen Irrtum in der Fassung des brasilianischen Aktiengesetzes festzustellen. In der Tat erscheint ein spezielles Gesetz dieser Art nicht das geeignetste zu sein, Konzernbeziehungen zu regeln. Gewiß sind die Aktiengesellschaften, wie bereits ausgeführt, überall das große Instrument der Konzernbildung. Auch kann das vorangegangene deutsche Aktiengesetz mit seiner Gesamtregelung der Konzerne nicht außer Betracht gelassen werden. Doch kann man sich fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, das Konzernrecht zusammen mit der so ersehnten Neuregelung des aus dem Jahre 1919 stammenden brasilianischen GmbH-Rechts im Rahmen eines allgemeinen Gesellschaftsrechtsgesetzes zu regeln und damit die Unsicherheiten zu beseitigen, die mit einer analogen Anwendung des Aktiengesetzes zur Lösung der bei anderen Gesellschaftsformen bestehenden Probleme verbunden sind.
18 Oben sub V. A. 19 Hierzu sei nur auf Art. 101 des französischen Gesetzes vom 13.Juli 1967 über die Haftung des „maitre d'affaire" im Falle des Konkurses einer juristischen Person und auf Art. 332 des englischen Companies Act von 1948, der eine entsprechende Vorschrift enthält, verwiesen. 20 Seit etwa fünfzig Jahren kennt das brasilianische Recht die gesamtschuldnerische Haftung der Konzernunternehmen (nicht nur der Konzerngesellschaften) für Verbindlichkeiten aus Arbeitsverträgen zwischen einem Konzernunternehmen und seinen Arbeitnehmern.
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Fabio Konder Comparato
Jedenfalls stellt die konzernrechtliche Regelung des brasilianischen Gesetzes unbestreitbar einen Fortschritt dar. Man kann zweifellos einige gesetzliche Bestimmungen als zu vorsichtig kritisieren oder manche Vorschriften, die den heutigen Gegebenheiten zu sehr vorauszueilen scheinen, mit einer gewissen Skepsis betrachten. Aber im ganzen liefert das brasilianische Konzernrecht einen weiteren Beweis für die weitgehende Tendenz zur Vergemeinschaftung der wirtschaftlichen Beziehungen, die die Menschheit an der Schwelle des 21. Jahrhunderts erfaßt hat.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
von Professor
D R . PETER HOMMELHOFF,
Heidelberg
Inhaltsübersicht I. Konzernrecht in der Gemeinschaft 1. Qualitatives Wachstum europäischer Konzernverbindungen 2. Reaktionen der nationalen Rechtsordnungen 3. Die SE als Konzemglied 4. Zwischenergebnis II. Zur Notwendigkeit eines europäischen Konzernrechts 1. Der Standpunkt der EG-Kommission 2. Weitere Legitimationsansätze 3. Insbesondere: Präjudizierung künftigen Konzemrechts 4. Die Konsequenz
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III. Konzernrechts-Aversionen 1. Negation des Konzemkonflikts 2. Konzeminteresse und Eigeninteresse 3. Verrechtlichung von Unternehmensstrukturen 4. Import deutschen Unternehmensrechts
68 68 70 71 72
IV. Folgerungen 1. Gemeineuropäisches Konzernrecht 2. Ziele rechtswissenschaftlicher Vorarbeiten 3. Organisatorische Verfestigung
73 73 74 75
I. Konzemrecht
in der
Gemeinschaft
Europa 1992: Der Gemeinsame Markt von Skagen bis Gibraltar und Kreta, von den Hebriden bis an die Oder, die Elbe und an den Inn beflügelt die unternehmerische Phantasie. Daß sich die deutsche Unterhaltungselektronik mittlerweile fest in französischer Hand befindet, gehört ebenso in das Bild des einen Binnenmarkts ohne Grenzen wie die Übernahme der spanischen S E A T durch VW. Aber all dies ist keineswegs neu: Schon vor mehr als zwei Jahrzehnten übernahm die britische ICI den rheinischen Farbenhersteller Wiederhold,
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Peter Hommelhoff
und noch länger liegt der Erwerb der italienischen Zanussi-Gruppe durch die AEG zurück. Bringt das Europa 1992 für Wirtschaft und Unternehmen also wirklich etwas Neues? Oder erschöpft sich dies Programm nicht vielmehr in seiner politisch-psychologischen Wirkung - verbunden mit einem weiteren Abbau EG-interner Marktschranken? 1. Qualitatives
Wachstum europäischer
Konzemverbindungen
Indes - so kurzsichtig läßt sich die Vollendung des Binnenmarkts nicht begreifen. Denn aus dem einheitlichen Absatzmarkt in Europa entwickelt sich zusehends ein gemeinschaftsweiter Produktionsraum und Raum für Dienstleistungen in grenzüberschreitender Kooperation. Jenen Trend zu länderübergreifenden Unternehmens- und Konzernverbindungen wird der Gemeinsame Markt 1992 weiter verstärken - nicht lediglich in quantitativer Hinsicht, sondern in Richtung auf eine qualitativ neue Stufe. Vor allem drei Gründe sind hierfür bestimmend: - Die Unternehmenspraxis wird sich nicht länger auf bloße VertriehstochterGesellschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten beschränken. Die Zukunft gehört dem EG-weiten Produktionsverbund. Jüngstes Beispiel ist die Kooperation zwischen VW und Ford, die im portugiesischen Palmela die Produktionsstätte für den Bau einer Großraumlimousine errichten. - Europaweite Kooperationen in Produktion und Vertrieb sind keine Domäne der Großunternehmen mehr, sondern erfassen zunehmend den Bereich der mittelständischen Wirtschaft: Wer Lenkräder für den Polo nach Wolfsburg geliefert hatte, mußte sich schon vor geraumer Zeit in Spanien engagieren; andernfalls hätte er seine Zulieferer-Position verloren. - Und das bedeutet in summa: Die EG-weiten Aktivitäten nationaler Unternehmen werden in zunehmendem Maße zu einem Massenphänomen. Dies unternehmerische Engagement in anderen EG-Mitgliedstaaten läßt sich auf verschiedene Weise organisieren: In der Form eigener Zweigniederlassungen, also als rechtlich unselbständige Untereinheiten, als eigene Tochtergesellschaften oder schließlich als joint ventures mit einem ausländischen Teilhaber. Die Unternehmenspraxis bevorzugt aus vielen Gründen die rechtlich selbständige Gesellschaft. Auf diese Weise entstehen innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitende Unternehmensverbindungen zwischen herrschenden Unternehmen, zumeist Muttergesellschaften auf der einen Seite und konzernabhängigen Tochtergesellschaften auf der anderen - nicht selten als Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Mütter. Wie aber reagiert das Gesellschafts- und Unternehmensrecht der einzelnen EG-Mitgliedstaaten auf jenes Wachstum europäischer Konzern Verbindungen?
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt 2. Reaktionen
der nationalen
57
Rechtsordnungen
Wer das kodifizierte Konzernrecht des deutschen Aktiengesetzes vor Augen hat, wird nach Parallelen in den anderen Rechtsordnungen der Gemeinschaft fragen. - Die Antwort ist ernüchternd: Obwohl die konzernrechtlichen Bestimmungen des Aktiengesetzes (§§ 15 ff, 291 ff) seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Deutschland in Kraft sind und mit ihnen in dieser Zeit reiche Erfahrungen gesammelt werden konnten, hat sich dennoch erst ein Land, nämlich Portugal, im Jahre 1986 entschlossen, ein Recht der verbundenen Unternehmen zu kodifizieren 1 - angeregt auf dem Umweg über Brasilien und sein Konzernrecht von 1976 2 . In allen anderen Mitgliedstaaten fehlt jede Bereitschaft, ein Konzerngesellschaftsrecht zu dekretieren. So ist namentlich in Frankreich der Vorschlag des Abgeordneten Consté,
nach deut-
schem Vorbild ein Konzernrecht zu schaffen, in der Nationalversammlung noch nicht einmal behandelt worden 3 . Folgerichtig waren denn auch alle bisherigen Bemühungen der EG-Kommission zur Verabschiedung einer Konzernrechtsrichtlinie 4 zum Scheitern verurteilt. Und selbst für das kodifizierte Konzernrecht der Bundesrepublik ist sein doppelt fragmentarischer Charakter nicht zu übersehen: Materielle Regelungen enthält es allein für die abhängige Aktiengesellschaft; nicht aber für die abhängige G m b H , die in der Praxis viel verbreiteter ist, und auch nicht für die abhängigen Personenhandelsgesellschaften. Zudem läßt es all jene Probleme ungeregelt, die Konzernverbindungen auf der Ebene des konzernherrschenden Unternehmens aufwerfen; hier geht es, wie wir seit dem „Holzmüller"-Urteil des Bundesgerichtshofs 5 wissen, vor allem um die Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand und Hauptversammlung in der konzernherrschenden Aktiengesellschaft. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, daß dem kodifizierten Konzernrecht des deutschen A k t G von Wissenschaft und Rechtsprechung in den 1 Arn. 481-508 des portugiesischen Gesetzbuches über Handelsgesellschaften, übersetzter Text bei LUTTER/OVERRATH, S.U. S.236ff; die Bestimmungen werden kritisch analysiert v o n PINTO R I B E I R O , i n : M e s t m ä c k e r / B e h r e n s ( H r s g . ) , D a s G e s e l l s c h a f t s r e c h t d e r K o n -
zerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 203 ff. 2 Ü b e r s e t z t e r T e x t a b g e d r u c k t in Z G R
1 9 7 9 , 6 0 8 f f ; d a z u K O N D E R COMPARATO,
ZGR
1979, 583 ff; ROTHMANNS, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S.217ff.
3 S i e h e BRACHVOGEL, Z G R 1 9 8 0 , 4 8 6 , 5 0 7 .
4 (Zweiter) Vorentwurf einer neunten Richtlinie (Konzernrechtsrichtlinie) von 1984, abgedruckt bei LÜTTER, Europäisches Unternehmensrecht, 3. Aufl., 1991, S. 279ff. 5 BGHZ 83, 122 - zu dem reichen Schrifttum im Gefolge dieser Entscheidung siehe die Nachweise bei KOPPENSTEINER, Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., 1987, vor §291 Rdn. 17 ff; KRIEGER, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4: Aktiengesellschaft, 1988, §69 Anm. 6.
Peter Hommelhoff
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letzten 15 Jahren das in sich nahezu geschlossene System eines GmbH-Konzernrechts an die Seite gestellt worden ist6. Die überwiegend zu Recht gerühmten, zumindest jedoch sämtlich berühmten BGH-Entscheide sind durch die Stichworte „ITT" 7 , „Süssen" 8 , „Autokran" 9 , „Tiefbau" 1 0 , „Video"" und „Supermarkt" 1 2 gekennzeichnet. Paralleles wurde mittlerweile für das Konzernrecht der Personengesellschaft unternommen 13 . Und auch in unserem Nachbarstaat Frankreich gibt es nach der Aussage eines Pariser Universitätslehrers ein geschlossenes System von Richterrecht für Konzerne 14 - durchzogen von einzelnen Regelungssträngen des Gesetzgebers. In anderen EG-Mitgliedstaaten dagegen ist Konzernrecht nur unter bestimmten Aspekten und in bestimmten Richtungen entwickelt worden: So finden sich ausgebaute Kautelen zum Minderheitenschutz bei der Bildung eines Konzerns namentlich in Belgien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Portugal, Spanien und vereinzelt in Italien 15 . Aber diese auf unterschiedlichen Rechtsquellen beruhenden „take over"-Regelungen sind in doppelter Weise beschränkt: Sie erfassen lediglich die Aktiengesellschaft und als Instrumentarium des Kapitalmarktrechts zudem nur die börsennotierte. Ein zweiter Bereich konzernrelevanter Rechtsgrundsätze hat sich zur Haftung des konzernherrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten der konzernabhängigen Tochtergesellschaften herausgebildet: Uber die Figur des „dirigeant de fait" im französischen, belgischen und niederländischen Recht sowie die Figur der „agency" im britischen kann das herrschende Unternehmen (allerdings nur 6 Überblick bei ZÖLLNER, in: Baumbach/Hueck, K o m m . z. G m b H G , 15. Aufl., 1988, Schlußanh. 1; EMMERICH/SONNENSCHEIN, Konzernrecht, 4. Aufl., 1992, S. 365 ff; LUTTER/HOMMELHOFF, Komm. z. G m b H G , 13. Aufl., 1991, Anh. § 1 3 ; ROWEDDER/ KOPPENSTEINER, Komm. z. G m b H G , 2. Aufl., 1990, Anh. § 5 2 . 7 B G H Z 6 5 , 1 5 ; d a z u u . a . REHBINDER, Z G R 1 9 7 6 , 3 8 6 f f .
8 B G H Z 80, 69; dazu u.a. LUTTER/TIMM, N J W 1982, 4 0 9 f f . 9 B G H Z 95, 330; Ubersicht über die nahezu unüberschaubare Zahl der Stellungnahmen b e i EMMERICH, G m b H - R d s c h . 1 9 8 7 , 2 1 3 F n . 2 .
10 B G H Z 107, 7; dazu u.a. STIMPEL, Z G R 1991, 144ff. 11 B G H Z I P 1 9 9 1 , 1 3 5 4 ; d a z u u . a . ALTMEPPEN, D B 1 9 9 1 , 2 2 2 5 f f ; F L U M E , D B 1 9 9 2 , 2 5 f f ; H O M M E L H O F F , D B 1 9 9 2 , 3 0 9 f f ; KLEINDIEK, Z I P 1 9 9 1 , 1 3 3 0 f f ; KARSTEN SCHMIDT, Z I P 1 9 9 1 , 1 3 2 5 ff. 12 B G H Z 105, 324; hierzu die Beiträge in: U ^ E H.SCHNEIDER (Hrsg.), Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge in der Praxis der G m b H , 1989. 13 ULMER, in: G r o ß k o m m , zum H G B , 4. Aufl., 1989, Anh. § 1 0 5 ; zuletzt KLEINDIEK, Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991. 14 TUNC, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), European Business Law, 1991, S. 244 f; zu konzernrechtlichen Regelungen im französischen Recht siehe im übrigen auch B i j O T , in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), D a s Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 169 ff; GUYON, Z G R 1991, 218 ff.
15 Näher ASSMANN/BOZENHARDT, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote,
1644, 1649 ff.
1 9 9 0 , S . 1, 2 2 f f ; BASALDUA, e b e n d a , S . 1 5 7 , 1 6 0 f f ; B E R G E R , Z I P
1991,
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt unter engen Voraussetzungen)
von den Tochter-Gläubigern
59
in
Anspruch
genommen werden 1 6 . Dieser Ansatz deckt sich in vielem mit der deutschen Lehre vom qualifizierten faktischen Konzern 1 7 , die der Bundesgerichtshof im „Autokran"-Urteil begründet und in späteren Entscheidungen präzisiert und gefestigt hat. Freilich bestehen gewichtige Unterschiede in den Rechtsfolgen: Während die deutsche Lösung primär einen konzerninternen Ausgleich während bestehender Konzernverbindung ansteuert, setzt das „dirigeant"-Modell erst im Tochter-Konkurs, also im nachhinein mit der Außenhaftung des herrschenden Unternehmens ein 18 .
3. Die SE als
Konzernglied
Oberhalb der nationalen Rechtsformen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird es auf der europäischen Ebene neben der einen bereits eingeführten supranationalen Gesellschaft „EWTV" (hoffentlich)" bald eine zweite, bei weitem bedeutsamere Rechtsform geben: die Europäische Aktiengesellschaft, Societas Europea (SE) 2 0 . Da an der Gründung einer S E im Regelfall Gründer aus mindestens zwei Mitgliedstaaten beteiligt und sie überdies Unternehmensträger sein müssen 21 , wird die S E in den meisten Fällen als Konzerngesellschaft in einen europäischen Unternehmensverbund verflochten sein: sei es als konzernherrschendes Unternehmen in einem Euro-Konzern oder als Konzerntochtergesellschaft unterhalb nationaler Mutterunternehmen oder unterhalb einer ihrerseits herrschenden SE. Theoretisch konzernfrei ist allein jene SE, die aus der Verschmelzung nationaler Aktiengesellschaften hervorgegangen ist; in der Wirtschaftspraxis jedoch wird auch eine solche S E an der Spitze einer Vielzahl von Tochter- und Enkelgesellschaften stehen.
16 Siehe dazu den Überblick bei LÜTTER, ZGR 1987, 324, 357ff. 17 Im einzelnen LUTTER/HOMMELHOFF, aaO (Fn.6), Anh. § 13 Rdn. 16ff m. w.N. 18 Unter bestimmten Voraussetzungen bejaht auch der Bundesgerichtshof eine Ausfallhaftung des konzernherrschenden Unternehmens in Analogie zu $ 303 Abs. 1 AktG; siehe BGHZ 95, 303, 346 f (.Autokran"); BGH ZIP 1991, 1354, 1358 ff (»Video'); Näheres zur dogmatischen Durchdringung dieser konzernspezifischen Ausfallhaftung steht noch aus. 19 Siehe aber jüngst die Stellungnahme des EG-Kommissars BANGEMANN, FAZ V. 6.1.1992, S. 9: der europäische Raum ohne Binnengrenzen lasse sich auch ohne die SE verwirklichen. 20 Aktuelle Fassung: Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft vom 16.5.1991, KOM (91) 174 endg. - SYN 218, ABl. Nr. C176 vom 8.7.1991, S. 1 ff. - Vorherige Fassung vom 16.10.1989 abgedruckt bei LÜTTER, aaO (Fn.4), S. 561 ff. 21 Dazu HOMMELHOFF, Die AG 1990, 422, 423f; LÜTTER, aaO (Fn.4), S. 130ff; zuletzt E B E N R O T H / W ILKEN, J Z 1 9 9 1 , 1 0 1 4 , 1 0 1 6 .
60
Peter Hommelhoff Von ihren Voraussetzungen her geschaut ist die SE mithin rechtsqualitativ
genuine Konzerngesellschaft. Trotz dieser Tatsache hat die EG-Kommission in Abweichung vom ersten Entwurf eines SE-Statuts aus 1975 2 2 im geänderten Vorschlag 1989/91 auf die Kodifikation konzernrechtlicher Bestimmungen ausdrücklich verzichtet. Bloß zum Konzernabschluß der SE finden sich eine Reihe von Bestimmungen (Artt. 106 ff) 2 3 . Ihren Grund hat diese Enthaltsamkeit des europäischen Gesetzgebers in der Tatsache, daß sich der EG-Ministerrat bisher nicht auf ein europäisches Konzernrecht verständigen konnte und dies auch in absehbarer Zukunft nicht kann. An diesem Unvermögen wollte die E G - K o m mission das Projekt einer Europäischen Aktiengesellschaft nicht scheitern lassen und sparte das Konzernrecht konsequent aus. Im Ergebnis wird dies dazu führen, daß die Aktionäre einer in Deutschland domizilierenden S E nach ganz anderen Regeln geschützt werden als die einer Mailänder, Londoner oder Amsterdamer SE. Vor allem im Konzemrecht wird es sich ausprägen, daß wir keine einheitliche, wirklich europäische Aktiengesellschaft bekommen, sondern eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich geformte 2 4 .
4.
Zwischenergebnis
Insgesamt gelangen wir damit zu diesem Befund: In den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gibt es kein einheitliches Konzernrecht und auch kein angeglichenes Konzernrecht, das in seinem wesentlichen Regelungsgehalt wenigstens harmonisiert wäre. Deshalb muß sich etwa der dänische Spielwarenhersteller, der über Vertriebs- und Tochtergesellschaften in den anderen Mitgliedstaaten aktiv werden will, damit abfinden, daß für seine griechische Vertriebsgesellschaft ein ganz anderes Gesellschaftsrecht gilt als für seine spanische Produktionsgesellschaft - und dies alles trotz des Gemeinsamen Binnenmarkts 1992 ohne Grenzen. Steht dieser konzernrechtliche Befund im Einklang mit der Einheitlichen Europäischen Akte und ihrem Schub zur Integration der Gemeinschaft mit dem Fernziel einer politischen Union in Europa? Immerhin stellt Art. 8 a des E W G Vertrages der Gemeinschaft die Aufgabe, all jene Maßnahmen zu treffen, die 22 Zum SE-Konzemrecht nach dem ersten Statuts-Entwurf siehe GESSLER, in: Lutter (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl., 1978, S. 275 ff. 23 Art. 114 des SE-Statuts 1989 (oben Fn. 20) verwies für den konzernrechtlichen Außenseiterschutz noch auf das nationale Recht des Sitzstaates der SE. In der jüngsten Entwurfs-Fassung 1991 (oben Fn. 20) ist dieser Verweis mit der Begründung gestrichen worden, die ergänzende Geltung des nationalen Rechts ergebe sich bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. 24 Hierzu im einzelnen LÜTTER, Die AG 1990, 413 ff - speziell zum Konzernrecht, 418 f; siehe jüngst auch KOLVENBACH, FS Heinsius, 1991, S. 379, 386 ff.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
61
erforderlich sind, um bis zum 31. Dezember 1992 den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen. Und diesen Binnenmarkt 2 5 definiert dieselbe Norm als Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. - Wirkt es da nicht hemmend 26 für die europaweiten Aktivitäten unseres dänischen Spielwarenherstellers, wenn er das, was er in seiner deutschen Tochtergesellschaft sanktionslos veranlassen darf etwa den verzugslosen Transfer der erwirtschafteten Liquidität nach Dänemark - , in Frankreich nur unter der Drohung und auf die Gefahr nachträglicher Haftung im Konkurs und strafrechtlicher Verfolgung seiner dortigen Repräsentanten sicherstellen darf? Deshalb spricht zunächst alles dafür, daß der Binnenmarkt-Auftrag des EWG-Vertrages die Organe der Gemeinschaft verpflichtet, für ein Konzernrecht innerhalb der Mitgliedstaaten zu sorgen, das auf einheitlichen Grundwertungen beruht und mit angepaßten Instrumenten gegenüber den Unternehmen arbeitet. Allerdings bedarf dies Postulat noch in zweifacher Richtung der näheren Analyse: - Zum einen sind die Argumente, die für die Notwendigkeit eines europäisch harmonisierten Konzernrechts streiten, im einzelnen noch herauszuarbeiten, zu überprüfen und zu gewichten. - Und zum anderen ist in gleicher Weise mit den Gegenargumenten zu verfahren, die der Konzernrechtsaversion in den meisten Nachbarstaaten der Bundesrepublik zugrunde liegen.
II. Zur Notwendigkeit
eines europäischen
Konzemrechts
Das deutsche Recht der verbundenen Unternehmen - ein wenig unpräzise: das deutsche Konzernrecht - beruht auf dem Gedanken, daß die Beherrschung einer Aktiengesellschaft durch einen Unternehmensaktionär die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger der Untergesellschaft Gefahren aussetzt, denen mit dem überkommenen Instrumentarium des allgemeinen Gesellschaftsrechts nicht mehr effektiv genug begegnet werden kann. Für diese besonderen Gefahren ist vielmehr ein rechtsqualitativ eigenständiges Konzernrecht erforderlich. Diesen Grundgedanken hat der Bundesgerichtshof in seinem erhellenden
„VEBA/
Gelsenberg"-Urteil 2 7 mit bewundernswerter Schärfe herausgearbeitet. Konzernrecht zielt also zunächst auf den Schutz der außenstehenden Aktionäre und 25 Zum Ursprung dieses Begriffs und zu seinem Sinngehalt in Abgrenzung gegenüber dem des „Gemeinsamen Marktes": DAUSES, EuZW 1990, 8, 9f. 26 Siehe aber auch REICH, EUZW 1991, 203, der davor warnt, nationale Rechtsregeln ausschließlich unter dem Aspekt zu würdigen, ob sie die Verwirklichung des Binnenmarktes „hemmen". 27 B G H Z 69, 334, 337; dazu KOPPENSTEINER, Z G R 1979, 91 ff; LUTTER/TIMM, B B 1978, 836
ff.
62
Peter Hommelhoff
Gläubiger in der abhängigen Aktiengesellschaft vor den besonderen, aus der Konzernverbindung herrührenden Gefahren; es geht um konzernspezifischen Außenseiterschutz. 1. Der Standpunkt der
EG-Kommission
a) Außenseiterschutz im Konzern war von Anbeginn an auch für die EGKommission eine der Regelungsmaximen28. Die gesellschaftsrechtlichen Schutzvorschriften für außenstehende Minderheits-Aktionäre sowie für Dritte sollten an die durch die Konzerneinbindung geänderte Situation angepaßt werden. Dabei verstand und versteht die Kommission unter den „sonstigen Dritten" nicht nur die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, sondern auch deren Arbeitnehmer29. - Diese Grundgedanken haben zwei Wissenschaftler der Kommission vermittelt: der Belgier van Ommeslaghei0 und aus Deutschland Hans Würdinger31. Aber noch vor dem Außenseiterschutz steuerte und steuert die Kommission bis heute ein weitergehendes Ziel an: Sie will dem Konzern und seiner Rechtsform-übersteigenden Organisationsstruktur eine rechtliche Grundlage geben. Das schließt die Fremdbestimmung des Tochtervorstands ebenso mit ein wie ein gelockertes Recht der Kapitalerhaltung in der abhängigen Aktiengesellschaft32. In den europäischen Entwürfen zum Konzernrecht ist somit das Konzept eines Konzernorganisationsrechts verwirklicht, mit dessen Mitteln dann auch die Außenseiter vor den Konzerngefahren geschützt werden sollten; darin zeigen sich auffällige Parallelen zum Aktienkonzernrecht in Deutschland33. Schließlich klingt zum Plan, ein EG-weit harmonisiertes Konzernrecht zu schaffen, in den Erwägungen zum Vorentwurf einer Konzernrechtsrichtlinie von 198434 noch ein dritter Gedanke an: die konsequente Abrundung des Anglei28 Zum Vorentwurf einer neunten Richtlinie (Konzernrechtsrichtlinie) von 1984 siehe oben Fn. 4. 29 Siehe GLEICHMANN, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 581, 587; HOMMELHOFF, F S Fleck, 1988, S. 125, 127 ff. 30 Berichtet bei GLEICHMANN, aaO ( F n . 2 9 ) , S. 581, 583 mit F n . 6. 31 Berichtet bei IMMENGA, RabelsZ 1984, 48, 49. 32 Siehe GLEICHMANN, aaO ( F n . 2 9 ) , S . 5 8 1 , 587. 33 Vgl. die Begründung R e g E A k t G 1965, Vorbemerkung zum Dritten Buch, bei KROPFF, Textausgabe A k t G 1965, S. 374: „Grundzüge einer Konzernverfassung". - Zur Aufgabe des Konzernrechts als Schutzrecht und Organisationsrecht vgl. schon LUTTER, in: Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988, S. 225 ff; siehe auch HOMMELHOFF, ebenda, S. 107ff; DERS., in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 91 ff. 34 Abgedruckt bei LUTTER, aaO ( F n . 4 ) , S. 279; siehe auch WYMEERSCH, in: B u x b a u m / Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), European Business Law, 1991, S . 2 2 7 , 229.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
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chungs-Programms für Aktiengesellschaften. Die EG-Richtlinien zur Publizität, zum Kapitalschutz und zum Einzelabschluß blieben Regelungstorsi, falls sie (was die große Zahl konzernverbundener Aktiengesellschaften gebietet) nicht um konzernspezifische Richtlinien ergänzt würden. b) Indes - außerhalb Deutschlands haben diese Begründungsansätze weder die Unternehmenspraxis, noch die nationalen Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten von der Notwendigkeit überzeugen können, zusätzlich zum Gesellschaftsrecht ein Konzernrecht zu schaffen. Nur in Osterreich schickt man sich an, ein eigenständiges Konzernrecht in Fortentwicklung des deutschen Rechts zu schaffen - übrigens u. a. mit dem interessanten Argument, auf diesem Wege Einfluß auf die EG-Lösung nehmen zu wollen 35 . In Großbritannien 36 jedoch, in Frankreich37 und in den Niederlanden 38 , aber wohl auch in den übrigen EG-Mitgliedstaaten39 glaubt man, auf ein spezielles Konzernrecht verzichten zu können: Außenseiterschutz lasse sich hinlänglich mit dem allgemeinen Instrumentarium des Zivil- und Gesellschaftsrechts sicherstellen. Und für ein Konzernorganisationsrecht sieht man erst recht keinen Bedarf. Da kaum zu erwarten steht, daß der bevorstehende Binnenmarkt allein zu einer neuen Beurteilung dieser überkommenen Regelungsmaximen führen wird, ist nach weiteren Ansätzen Ausschau zu halten, um die Notwendigkeit europäischen Konzernrechts zu belegen.
2. Weitere Legitimationsansätze Geringe Uberzeugungskraft ist von dem Argument zu erwarten, der Konzern müsse europaweit geregelt werden, um ihn als gebräuchliche Organisationsform der Wirtschaftspraxis nun auch rechtlich zu legitimieren. Denn auch ohne Hinweis auf eine gewisse Robustheit mancher Unternehmen gegenüber den Anforderungen des Rechts ist die isolierte Legitimation des Konzernrechts wenig sinnvoll: Zum einen würde sie nicht die Regelung konzernrechtlicher Folgeprobleme ersparen und zum anderen ist der Konzern auch auf der europäi35 Siehe DORALT, S. U. S. 192 f m. w. N . zur konzernrechtlichen Diskussion im österreichischen Schrifttum; zu den rechtspolitischen Vorarbeiten vgl. auch noch KOPPENSTEINER. FS Steindorff, 1990, S. 79 ff. 36 Zuletzt HADDEN, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S.329. 37 Zuletzt B i j o T , aaO (Fn. 14), S. 169ff; GUYON, S.U. S. 76ff. 38 Siehe SLAGTER, Enkele rechtsvergelijkende beschouwingen over moeder-dochterverhondingen, 1988, S. 137ff (zusammenfassend); DERS., Z G R 1992, 1 ff. 39 Zu ersten Regelungsansätzen in Belgien jüngst GEENS, Z G R 1992, 142 ff; zur Sichtweise des italienischen Rechts zuletzt RESCIGNO, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 339 ff; zuvor VANTTTI, s . u . S . 1 2 6 f f .
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Peter Hommelhoff
sehen Ebene des Rechts längst anerkannt: Wenn die siebte Richtlinie über den konsolidierten Jahresabschluß40 bestimmten Gesellschaften vorgibt, einen Konzernabschluß aufzustellen, und wenn die Mutter/Tochter-Steuerrichdinie darauf abzielt, bei grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen innerhalb der Gemeinschaft die Mehrfachbesteuerung von Dividenden zu vermeiden41, dann kann auch im Gesellschafts- und Konzernrecht über die Legitimität des Konzerns nicht mehr ernsthaft gestritten werden. Für ein europäisches Konzernrecht sprechen denn auch eher andere Erwägungen. Aus unserer Sicht stehen drei im Vordergrund: a) Zum ersten: Es scheint nicht ausgeschlossen, daß die konzernrechtliche Enthaltsamkeit mancher Mitgliedstaaten im Ergebnis dort zu einem verminderten Schutz außenstehender Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger, eventuell auch zu einem geringeren Arbeitnehmerschutz führt. Umgekehrt könnten diese nationalen Rechtsordnungen den Konzernunternehmen, namentlich den Gesellschaften an der Spitze eines Konzerns im Ergebnis ein Weniger an Verhaltens- und Organisationspflichten auferlegen. Das wiederum führt nicht bloß zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern mag zudem manches Unternehmen auch unter konzernrechtlichen Aspekten veranlassen, sich gezielt einen Sitzstaat mit möglichst geringem Anforderungsprofil auszusuchen42. Ob die Vorliebe der Japaner für Absiedlungen in Großbritannien auch hierin ihre Erklärung findet, wäre gewiß interessant zu eruieren. - Somit muß allen Konzernen in der Gemeinschaft nicht zuletzt im für sie geltenden Untemehmensrecht ein unverzichtbares Minimum gleicher Wettbewerbsbedingungen geboten werden. Ohne ein in sämtlichen Mitgliedstaaten harmonisiertes Recht der verbundenen Unternehmen droht auf längere Sicht ein konzernrechtliches „race down to the bottom". b) Zum zweiten: Die in den einzelnen Mitgliedstaaten je unterschiedlichen Rechtsbedingungen für Konzernunternehmen führen zu Rechtsunsicherheit: Unternehmen, die grenzüberschreitend in anderen Mitgliedstaaten über Konzerntochtergesellschaften aktiv werden wollen, wissen nicht (oder auch zumindest nicht ohne weiteres), nach welchen Regeln sie selbst und ihre Repräsentanten vor Ort tätig werden dürfen. Das ist besonders einschneidend in jenen Ländern, in denen die bestehende Konzernverbindung so lange rechtlich unkon40 Vom 13.6. 1983, abgedruckt bei LÜTTER, aaO (Fn.4), S. 257 ff. 41 Siehe die Erwägungen zur Konzernbesteuerungsrichtlinie vom 23. 7.1990, abgedruckt bei LUTTER, aaO (Fn.4), S . 6 2 3 ; dazu etwa DEBATIN, B B 1991, 947, 950; KREBS, B B 1990, 1945, 1946. 42 Siehe GÄBELEIN, FS Quack, 1991, S.211, 212; WYMEERSCH, aaO (Fn.34), S.230; allgemein zum Ziel der System-Konvergenz siehe „Vollendung des Binnenmarktes", Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat vom 14.6.1985, KOM (85) 310 endg., Rdn. 133 ff; hierzu auch GOERDELER, FS Steindorff, 1990, S. 1211, 1217 ff; G R A B I T Z , FS Steindorff, 1990, S. 1229, 1241 ff.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
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trolliert bleibt, wie alles gut geht, sie sich aber von dem Augenblick an als Falle erweist, da die Konzerntochtergesellschaft in Konkurs fällt. Wenn in diesem Moment der konzerninterne Lieferungs- und Leistungsverkehr Anlaß gibt, die Beteiligten strafrechtlich zu verfolgen, dann droht in solchen Mitgliedstaaten die Tochtergeschäftsleitung zu einer Aufgabe zu werden, die allein Hartgesottene und Hazardeure übernehmen können43. Nun ist allerdings geltend gemacht worden, die Unternehmen seien wohl bereit, eine gewisse Rechtsunsicherheit in Kauf zu nehmen44. Das mag durchaus so sein; denn bisher ging das Gros der grenzüberschreitenden Aktivitäten wohl in erster Linie von den Großunternehmen aus. Diese können sich auch über fremde Rechtsordnungen schnell und hinreichend gewiß Uberblick verschaffen: sei es mit Hilfe ihrer eigenen höchst fachkundig besetzten Rechtsabteilung, sei es über den Rat ihrer externen Berater. - Für den Gemeinsamen Markt des Europa 1992 jedoch reicht dies Modell nicht länger aus: Im Europäischen Binnemarkt sollen sich auch und vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen bewegen. Für sie ist Rechtsrat über andere Mitgliedstaaten nicht nur eine Kostenfrage, sondern noch vor allem anderen ein Problem knapper Personalressourcen: In Heilbronn oder Paderborn steht dem Zulieferunternehmen, das über eine spanische Tochtergesellschaft VW und SEAT beliefern will, nicht ohne weiteres ein Fachmann des spanischen Gesellschafts- und Konzernrechts zur Verfügung. Dies Recht wird allein schon deshalb zum nichttarifären Handels- und Niederlassungs-Hemmnis, weil es unbekannt ist oder nur mit großen Kosten und Mühen erschlossen werden kann.
3. Insbesondere: Präjudizierung künftigen
Konzemrechts
Zum dritten und vor allem: Auf der europäischen Ebene wird der Konzernverbund unter dem Aspekt benachbarter Rechtsmaterien in einer Weise geregelt, die wichtige Prinzipien des Konzerngesellschaftsrechts präjudiziell*5 - und zwar ohne daß dies bislang recht bemerkt worden wäre. Die Zusammenhänge seien an zwei Beispielen erläutert: dem „take over"-Recht und dem Konzernbilanzrecht.
a) Take over-Richtlinie Welche tiefgreifenden Friktionen aus dem unbeobachteten Nebeneinander mehrerer konzernrelevanter Rechtsmaterien drohen, zeigt schlagend das Projekt 43 Hierzu schon LÜTTER, Z G R 1987, 324, 342 f. 44 Siehe GLEICHMANN, aaO (Fn.29), S.581, 589. 45 Siehe hierzu schon LUTTER, Z G R 1987, 324, 336 f.
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der sogenannten take Over-Richtlinie46. Art. 4 des Richtlinienvorschlags bestimmt 47 : Wer ein Drittel aller Aktien einer Aktiengesellschaft erwerben will, hat auch allen übrigen Aktionären dieser Gesellschaft anzubieten, ihre Aktien zu übernehmen. Dies Zwangsangebot zur Vollübernahme kommt selbst dann zum Zuge, wenn ein Aktionär seinen vorhandenen Aktienbestand lediglich auf ein Drittel aller Aktien aufstocken will. Gedacht vom Kapitalmarkt her und vom Schutz der Kapitalanleger erstreckt sich das öffentliche Übernahmeangebot zugleich und vor allem in das Gebiet des Konzernrechts hinein 48 : in verschiedene Richtungen und auf jeden Fall tief. Denn der Erwerb von einem Drittel der Aktien verbunden mit dem Übernahmeangebot auf die restlichen Aktien stempelt den Erwerbsvorgang insgesamt zu einem Akt der Konzernbildung, mithin das Zwangsangebot auf Vollübernahme zu einem Instrument des Konzerneingangsschutzes. Aber unter diesen Aspekten wirft die take over-Richtlinie eine Fülle unbeantworteter Folgefragen im Konzernrecht auf: - Ist mit der Einbindung in einen Unterordnungskonzern zwangsläufig verbunden, daß das Eigeninteresse der konzernabhängigen Tochtergesellschaft im Konfliktfall hinter dem Konzerninteresse zurücksteht? Schon innerhalb des Heidelberger Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht ist diese Frage umstritten 49 . - Wie verträgt sich das Leitbild der take over-Richtlinie, die „wholly owned Company" mit dem anderen Konzept der konzernabhängigen Gesellschaft, an der trotz Konzernverflechtung außenstehende Gesellschafter beteiligt sind - so wie es vor allem das deutsche Konzernrecht verfolgt und zu stabilisieren versucht? - Und noch grundsätzlicher: Worauf sollte der Gesetzgeber abzielen - auf die Einheitsform des zentralistisch strukturierten Konzerns oder auf die breite Palette vom zentralistischen Eingliederungskonzern über den facettenreichen Vertragskonzern bis hin zum faktischen Konzern mit zwingend dezentraler Organisationsstruktur - so wie er in Deutschland und auch in anderen Ländern
46 Geänderter Vorschlag für eine dreizehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie über Übernahmeangebote vom 10.9.1990, KOM (90) 416 endg. - SYN 186; ABl. Nr. C 240 vom 26.9.1990, S.7. 47 Zu seiner Auslegung siehe näher ASSMANN/BOZENHARDT, aaO (Fn. 15), S. 1, 55; BASALDUA, a a O ( F n . 15), S. 157, 170 f f ; BAUMS, Z I P WM
1989, 1376, 1377;
1989, 1233, 1234; HOMMELHOFF/KLEINDIEK, D i e A G
Die A G
GRUNEWALD,
1990, 106, 107; MERTENS,
1990, 252, 2 5 6 f; STOLL, B B 1989, 1489, 1490.
48 Eingehend hierzu schon HOMMELHOFF/KLEINDIEK, Die AG 1990, 106 ff. 49 HOMMELHOFF, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 248 (für die faktisch konzernierte GmbH) einerseits; ULMER, aaO (Fn. 13), Anh. § 105 H G B Rdn. 29, 33, 36, 59 (für die konzernierte Personengesellschaft) andererseits. - Eingehend dazu jüngst KLEINDIEK, aaO (Fn. 1 3 ) , S. 37 ff.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
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aus guten Gründen tausendfach praktiziert wird und nicht zuletzt mit den Mitteln der Rechtswissenschaft verteidigt werden sollte. Diese und weitere Fragen zur take over-Richtlinie demonstrieren bereits, wie gefährlich es für das Konzernrecht in der Gemeinschaft und in ihren Mitgliedstaaten wäre, wenn im Umfeld jener Rechtsmaterie Regelungen getroffen werden, das Zentrum jedoch (das Konzerngesellschaftsrecht) auf längere Sicht völlig ungeregelt bliebe und deshalb auch die konzernrelevanten Randmaterien nicht mit dem eigentlichen Konzernrecht abgeglichen werden könnten.
b)
Konzernbilanzrecht
Ein Blick auf das Konzernbilanzrecht mag die Problematik zusätzlich erhellen: Wenn eine Gesellschaft in einen Konzern eingebunden ist, so haben die Aussagen im Jahresabschluß dieser Gesellschaft bekanntlich nur begrenzten Informationswert und müssen deshalb (nach näherer Bestimmung der siebten Richtlinie 50 und der zu ihr ergangenen Transformationsgesetze) im Konzernabschluß kompensiert werden. Freilich: gezielt kompensiert werden die Aussagen der Einzelabschlüsse lediglich auf der Ebene des Mutterunternehmens an der Spitze des Konzerns 51 , aber nicht auf den nachgeordneten Ebenen, also nicht für die einzelnen Tochter- und Enkelgesellschaften. Dieser Mangel ist namentlich für konzernabhängige Tochtergesellschaften mit außenstehenden Gesellschaftern oder Aktionären bedeutsam: Sie haben allenfalls über ihr IndividualAuskunftsrecht die Möglichkeit, für punktuelle Kompensation der vielleicht konzernverzerrten Abschluß-Informationen zu sorgen. Das Gesetz jedoch hat für eine breitflächige, systematische und umfassende Korrektur in den einzelnen abhängigen Gesellschaften keinerlei Vorsorge getroffen. Das ist besonders mißlich in den börsennotierten Tochteraktiengesellschaften mit außenstehenden Publikumsaktionären. Insoweit ist eine mangelnde Abstimmung zwischen Konzerngesellschaftsrecht und Konzernbilanzrecht zu konstatieren. Vom deutschen Recht her geschaut: Während das Gesellschaftsrecht die außenstehenden Gesellschafter und die Aktionäre zu schützen versucht, verweigert ihnen das Bilanzrecht, über die 7. Richtlinie europäisch geprägt, die für ihren Eigenschutz notwendigen Informationen. Allein weil es an einer vom Gesellschaftsrecht ausgehenden systematischen Gesamtschau des Konzerns fehlt und konsequent an Entwicklungen, die unter anderem zwischen dem Konzernbilanz- und dem Gesellschaftsrecht koordiniert sind - allein deshalb kann es zu derartigen Regelungslücken kommen. 5 0 Siehe F n . 4 0 . 51 Sogar für diese Ebene sind jüngst gewichtige Informationsdefizite konstatiert worden: PELLENS, zfbf 1991, 490 ff.
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4. Die
Konsequenz
Die Beispiele mangelnder Abgleichung konzernrechtsrelevanter Nachbarmaterien ließen sich fortsetzen: etwa mit dem Hinweis auf das europäische Konzernsteuerrecht 5 2 oder auf das Recht der Europäischen Fusionskontrolle 5 3 . Sie alle legen diese Schlußfolgerung nahe: Ein gemeinschaftsweiter Binnenmarkt ohne ein in sämtlichen Mitgliedstaaten harmonisiertes
Konzerngesellschafts-
recht scheint bei Lichte besehen undenkbar. Dabei geht es nicht allein um die Revitalisierung von Argumenten, die schon vor knapp 30 Jahren vorgetragen worden sind und bis heute unverändert ihre Gültigkeit behalten haben. Vielmehr sind mit den konzernrelevanten Umfeldregelungen einerseits und mit dem Europäischen Binnenmarkt andererseits neue Daten gesetzt worden, die es ausschließen, das Konzernrecht in den Mitgliedstaaten unharmonisiert und ohne Zielkonzeption weiter vor sich hindümpeln zu lassen. Die Konsequenz ist eindeutig: In der Gemeinschaft tut Konzernrecht not.
III.
Konzernrechts-Aversionen
Und dennoch: Eine solche Feststellung allein genügt nicht. Besteht doch in den meisten EG-Mitgliedstaaten eine ausgesprochene Aversion gegen ein kodifiziertes und EG-weit harmonisiertes Konzernrecht. Deshalb muß, wer ein europäisches Konzernrecht fordert, die Gründe für diese verbreiteten Konzernrechts-Aversionen zur Kenntnis nehmen und sich mit ihnen näher auseinandersetzen.
1. Negation
des
Konzernkonßikts
Eine nicht unbeträchtliche Anzahl literarischer und rechtspolitischer Stimmen verneint schlicht die besondere Qualität des Konzernkonflikts oder hält
52 Nach Art. 3 Abs. 1 der Konzernbesteuerungsrichtlinie (Fn.41) setzt schon bei einer lediglich 25% igen Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft die Rechtswohltat vermiedener Mehrfachbesteuerung ein. Hingegen greift das konzernspezifische Schutzinstrumentarium des deutschen Konzernrechts nach der Vermutungskette der §§ 16 ff AktG im Regelfall erst bei einer mehr als 50% igen Beteiligung. - Könnte aus dieser Diskrepanz nicht ein Sog für die Unternehmen entstehen, sich steuerliche Erleichterungen bei geflissentlicher Vermeidung verschärften Außenseiterschutzes zu verschaffen? 53 Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 21.12.1989, abgedruckt bei LUTTER, aaO (Fn. 4), S. 603 ff; zum Verhältnis zwischen Kartellrecht und Gesellschaftsrecht siehe RITTNER, ZGR 1990, 203, 206.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
69
diesen Konflikt wenigstens nicht für derart ausgeprägt, als daß er sich nicht mit dem normalen Instrumentarium des Gesellschaftsrechts bewältigen ließe. Dies ist namentlich der in Frankreich verbreitete Standpunkt: a) Zwar verfügten die konzernabhängigen Gesellschaften über keine unbegrenzte Freiheit in der Unternehmensführung, aber - so sehen es die einen - auch für die konzernfreien Gesellschaften dürfe man doch nicht von einer unbegrenzten Entscheidungsfreiheit der Geschäftsleitung ausgehen 54 . Andere hingegen negieren nicht den spezifischen Konzernkonflikt, meinen jedoch, ihm mit den Regeln des allgemeinen Gesellschaftsrechts begegnen zu können, wenn man diese nur konzernspezifisch zum Schutze der abhängigen Gesellschaft und ihrer Außenseiter fortentwickele 55 . Und zum dritten schließlich wird der Standpunkt vertreten, ein eigenständiges Konzernrecht sei in seinen Regeln weithin rhetorisch und nicht geeignet, gezielt den konkreten Problemen und Konflikten in konzernverbundenen Unternehmen entgegenzuwirken 56 . Dabei beruft man sich offenbar gern auf die zum deutschen Recht des faktischen Aktienkonzerns vertretene Behauptung 57 , das System des Nachteils-Ausgleichs in §§ 311 ff AktG sei eine rechtspolitische Fehlleistung, die in der Konzernpraxis nicht effektiv funktioniere. b) Was ist hierauf zu erwidern? Bei Lichte besehen nicht sehr viel. Was die völlige Negation des Konzernkonflikts angeht, so wird man sich auch in Frankreich der Frage stellen müssen, wie sich dieser Standpunkt mit der Figur des „abus des biens" und der darauf abzielenden Spruchpraxis französischer Strafgerichte nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen konzernabhängiger Tochtergesellschaften vereinbaren läßt. Sehr viel schwieriger ist zum gesellschaftsrechtlichen Regelungskonzept, das in Antithese zum deutschen Konzept eines eigenständigen Konzernrechts in Frankreich favorisiert wird, Stellung zu beziehen. Beruht doch auch das Recht des faktischen GmbH-Konzerns in Deutschland auf dem gesellschaftsrechtlichen Prinzip der Gesellschaftertreuepflicht und auf dem aus ihm abgeleiteten Schädigungsverbot 58 . O b mit jenem Konzept - ergänzt um die Regeln zum qualifizierten faktischen Konzern - bereits das für den Außenseiterschutz in der
54 In diesem Sinne etwa RODI^RE, zitiert bei LUTTER, Z G R 1987, 324, 327 m. F n . 2 2 . 55 Siehe den Bericht von BRACHVOGEL, Z G R 1980, 486, 505 sowie die Summe von BIJOT, aaO (Fn. 14), S. 169, 173; speziell zum Außenseiterschutz vgl. auch GUYON, S.U. S . 7 6 , 88. 56 RoDifeRE, aaO ( F n . 5 4 ) . 57 Vgl. die Nachweise bei EMMERICH/SONNENSCHEIN, a a O (Fn. 6), S. 321 F n . 3 f; anders aber noch jüngst die mit der Prüfung des Abhängigkeitsberichts betraute Praxis der Wirtschaftsprüfer: FORSTER, in: WP-Handbuch 1992, Band I, Abschnitt F , T z . 676. 58 Siehe nur die Übersichten bei EMMERICH/SONNENSCHEIN, a a O ( F n . 6 ) , S. 3 7 6 ff; LUTTER/HOMMELHOFF, aaO ( F n . 6 ) , Anh. § 1 3 G m b H G Rdn. 1 2 f f ; WINTER, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im G m b H - R e c h t , 1988, S. 43 ff, 95 ff, j e m. w. N .
70
Peter Hommelhoff
GmbH unverzichtbar notwendige Optimum erreicht ist oder ob in diesem Bereich des deutschen Konzernrechts bloß die Grenzen zum Ausdruck kommen, die einer Rechtsfortbildung durch Richterspruch gezogen sind - diese dann auch und vor allem rechtspolitische Frage ist trotz intensiver Diskussion im deutschen Schrifttum wohl doch noch nicht abschließend geklärt. Daher haben wir allen Anlaß, hierzu das Gespräch mit den Kollegen aus Frankreich und den anderen Mitgliedstaaten zu suchen. Zum aktienrechtlichen System des Nachteilsausgleichs schließlich haben die deutschen Konzernrechder (zusammen mit dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und der Unternehmenspraxis) eine argumentative Bringschuld: Was sagt die Praxis zum Abhängigkeitsbericht und zu seiner Uberprüfung durch den Abschlußprüfer? Ist das System grundsätzlich geeignet, die Eigeninteressen der konzemabhängigen Gesellschaft zu wahren? Wo liegen nach den praktischen Erfahrungen die Schwachpunkte des Systems? Wie können diese Schwachstellen ausgebessert werden? Empfehlen sich Ergänzungen zum System des Nachteilsausgleichs oder sollte man von ihm vollständig abrücken?59 - Solange hierauf keine detaillierten Antworten aus der Konzernpraxis vorliegen, werden wir nicht damit rechnen dürfen, für das System des faktischen Aktienkonzerns Gehör außerhalb Deutschlands zu finden.
2. Konzeminteresse und Eigeninteresse Lange Zeit stieß das Konzept des deutschen Konzernrechts, daß das Eigeninteresse der konzernabhängigen Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen vom Interesse des konzernherrschenden Unternehmens und vom Interesse des Gesamtkonzerns überlagert werden könnte, in den ausländischen Rechtsordnungen auf strikte Ablehnung. Konzerninteresse vor Tochtereigeninteresse: ein insbesondere für französische Gesellschaftsrechtler unvorstellbarer Gedanke. Sie halten das Eigeninteresse der Tochtergesellschaft als Leitmaxime trotz der Konzernverflechtung hoch60. Nach ihrer Ansicht führt Konzernrecht zu einem Verstoß gegen zentrale Prinzipien des Gesellschaftsrechts. Dem ist schon beizeiten entgegengehalten worden, in der Praxis französischer Konzerne werde das Tochtereigeninteresse ebensowenig durchgängig respektiert wie in anderen Ländern; insoweit halte man an einem Phantom fest61. Ob das 59 Hierüber wird die wirtschaftsrechtliche Abteilung des 59. Deutschen Juristentages 1992 in Hannover unter der Fragestellung „Empfiehlt es sich, das Recht faktischer Unternehmensverbindungen - auch im Hinblick auf das Recht anderer EG-Staaten - neu zu regeln?" beraten. 60 Siehe nur B i j o T , aaO (Fn. 14), S. 169, 170. 61 Siehe GESSLER, in: Lutter (Hrsg.), Recht und Steuer der internationalen Unternehmensverbindungen, 1972, S. 12, 20 f.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
71
wirklich so ist, mag dahinstehen. Denn die Strafkammer der französischen Cour de Cassation hat schon 1985 im Fall Rozenblum, der jüngst der deutschen Öffentlichkeit eingehend vorgestellt wurde 62 , dem Konzerninteresse (dem intérêt d'un groupe) unter bestimmten Voraussetzungen den Vorrang gegenüber dem Tochterinteresse eingeräumt. Damit steht freilich noch die Übernahme dieser strafrechtlichen Erkenntnis ins Zivil- und Gesellschaftsrecht aus 63 . Vom deutschen Recht des faktischen Konzerns her geschaut, greift diese Rechtsprechung der französischen Cour de Cassation weit über den deutschen Ansatz hinaus: In faktischen Konzernverhältnissen (also: nach deutschem Recht) darf das Konzerninteresse auf der Ebene der Tochtergesellschaft nämlich nur innerhalb jener Grenzen verfolgt werden, die das Eigeninteresse der Konzerntochter zieht; das konzemherrschende Unternehmen handelt verbotswidrig, wenn es dem Konzerninteresse Vorrang vor dem konfligierenden Tochtereigeninteresse einräumt. Zu diesem Grundsatz gibt es nur zwei rechtsformspezifische Ausnahmen: In der faktisch konzernierten G m b H darf das Konzerninteresse dem Eigeninteresse vorangestellt werden, wenn alle Gesellschafter dieser Vorrangstellung zustimmen und dabei nicht das statutarische Stammkapital verletzt wird 64 . In der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft ist die Durchbrechung des Eigeninteresses erlaubt, wenn der dadurch hervorgerufene Nachteil innerhalb desselben Geschäftsjahres effektiv ausgeglichen wird ( § 3 1 1 AktG). - Im übrigen gehen die Konzerninteressen lediglich im Vertrags- und im Eingliederungskonzern den Tochtereigeninteressen vor ( § § 2 9 1 Abs. 3, 308 Abs. 1, 323 AktG). Im Fall Rozenblum indes kommt die französische Rechtsprechung zu einem Vorrang der Konzerninteressen sogar ohne Abschluß eines Unternehmensvertrages. Das französische Recht stellt auf die einheitliche Konzernpolitik ab und auf die Ausgewogenheit der einzelnen, das Eigeninteresse durchbrechenden Maßnahmen. Diese Konzeption unterscheidet sich von allen in Deutschland entwickelten Konzern-Konzepten. Auf die Analyse und Diskussion dieses französischen Konzepts sollte sich auch die Konzernrechtswissenschaft in Deutschland einlassen 65 .
3. Verrechtlichung
von
Unternehmensstrukturen
Andere Mitgliedstaaten befürchten von einem Konzernrecht offenbar noch stärkere rechtliche Fesseln für die Organisation der komplexen Wirtschaftsein62 LUTTER, FS Kellermann, 1991, S.257ff; siehe auch BÉJOT, aaO (Fn. 14), S. 169, 179f.
63 Siehe LUTTER, FS Kellermann, 1991, S.257, 264 m.w.N.
64 Siehe etwa FLECK, Z G R 1990, 31, 46; LUTTER/HOMMELHOFF, aaO (Fn. 6), Anh. § 1 3
GmbHG Rdn. 13; ZÖLLNER, aaO (Fn.6), Schlußanh. I, Rdn. 8 und 33.
65 Zutreffend LUTTER, FS Kellermann, 1991, S.257, 266.
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72
heiten. N i c h t anders als manche Betriebswirte und U n t e r n e h m e n s p r a k t i k e r auch in Deutschland sieht man die Organisationsfreiheit als solche bedroht und die im W e t t b e w e r b unverzichtbare Flexibilität. D e m ist, wie schon andernorts 6 6 , erneut entgegenzuhalten: Das R e c h t hat auch die Aufgabe, die im U n t e r n e h m e n
und im K o n z e r n
konfligierenden
Interessen zu schützen und zum Ausgleich zu bringen. A u f Rechtsregeln im K o n z e r n vollständig verzichten zu wollen, hieße b e s t i m m t e Interessen, v o r nehmlich die der Außenseiter in konzernabhängigen Gesellschaften, ungeschützt zu lassen. Das geht nicht an. Akzeptabel ist die Scheu vor verrechtlichten K o n z e r n s t r u k t u r e n n u r insofern, als sie zu R e c h t mahnt, bei der Ausgestaltung des K o n z e r n r e c h t s das rechte M a ß zu finden. Seine Regeln dürfen nicht dermaßen kompliziert ausgestaltet werden, daß sich die unternehmerische Praxis nicht auf sie einlassen kann und will 6 7 . U n t e r diesem Aspekt müssen wir nicht nur das geschriebene deutsche Aktienrecht kritisch überprüfen, sondern auch das N e b e n e i n a n d e r von aktien- und G m b H - r e c h t l i c h e m K o n z e r n r e c h t sowie den E i n b a u des qualifizierten faktischen K o n z e r n s als weiterer F o r m der U n t e r n e h m e n s v e r b i n d u n g . - D e n anderen Mitgliedstaaten der E G ist eine solche Vielzahl fein ausziselierter Regelungssysteme wohl nicht vermittelbar.
4. Import
deutschen
Unternehmensrechts
Einer der gewichtigsten G r ü n d e , warum es bisher n o c h nicht zu einem E G weit harmonisierten K o n z e r n r e c h t gekommen ist, liegt w o h l im P s y c h o l o g i schen 6 8 : M i t ihren Vorschlägen für eine K o n z e r n r e c h t s - R i c h t l i n i e hat sich die E G - K o m m i s s i o n stets mehr oder minder weit am deutschen Vorbild orientiert: D i e anderen Mitgliedstaaten sollten kurzer H a n d ein ihnen und ihrer Tradition ganz fremdes Teilrechtssystem übernehmen. U m sich als D e u t s c h e r ein ungefähr vergleichbares Bild von der Gemütslage in den anderen Mitgliedstaaten
zu
machen, brauchen wir uns nur vor Augen zu führen, welche Ü b e r w i n d u n g es hierzulande kostet, sich mit den „take o v e r " - R e g e l n anzufreunden 6 9 . H i n z u k o m m t ein ganz unzureichendes procedere in Brüssel: Soweit e r k e n n bar, sind die Rechtstatsachen zu den K o n z e r n e n in der Gemeinschaft kaum aufbereitet, wurden keinerlei G r u n d k o n z e p t e für das K o n z e r n r e c h t zur D i s k u s sion gestellt und suchte man auch nicht breitflächig und intensiv das Gespräch mit Praxis und Wissenschaft. Statt dessen zog man einzelne Berater hinzu, gab 66 Siehe HOMMELHOFF, a a O ( F n . 3 3 ) , S. 107, 108 f; LUTTER, a a O ( F n . 3 3 ) , S. 2 2 5 ff. 67 Siehe GÄBELEIN, FS Q u a c k , 1991, S . 2 1 1 , 212. 68 S o schon LUTTER, a a O ( F n . 4 ) , S. 5 9 .
69 Vgl. die Beschlußempfehlung des Bundestagsrechtsausschusses zum geänderten Vorschlag für eine 13. EG-Richtlinie (BT-Drucks. 12/1465): keine Notwendigkeit.
Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt
73
ihnen konkrete Forschungsaufträge, hält deren Forschungsergebnisse nun aber strikt geheim und kontaktiert im übrigen die Verbände. IV.
Folgerungen
Welche Folgerungen sind aus alledem zu ziehen? - Konzernrecht für den Europäischen Binnenmarkt darf nicht länger allein vom guten Willen und vom Geschick einiger Beamter in der Brüsseler Ministerialbürokratie abhängen. Die unmittelbar Betroffenen und die Interessierten sollten das Projekt „EG-Konzernrecht" selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung voranbringen. Und das heißt im Klartext: Die Rechtswissenschaft in den zwölf Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sollte sich selbst die Aufgabe stellen, im Gespräch der europäischen Gesellschaftsrechtler untereinander, mit erfahrenen Unternehmenspraktikern und ihren Ratgebern aus allen Mitgliedstaaten, mit Richtern und nationalen Ministerialbeamten und einigen Repräsentanten der Betriebswirtschaftslehre Grundlagen und Konzepte für ein europäisches Konzernrecht zu schaffen. 1. Gemeineuropäisches
Konzernrecht
Damit greife ich einen Vorschlag auf, den vor einigen Jahren schon Lütter unterbreitet hatte: Konzernrecht als Aufgabe der europäischen Rechtswissenschaft 70 mit dem Ziel, den Grund für eine gemeineuropäische Lösung, ein Jus Commune Europae zu legen. Allerdings sollten Adressat dieser Bemühungen nicht so sehr die nationalen und europäischen Gerichte sein, sondern zunächst die Fachöffentlichkeit in den Mitgliedstaaten und alsdann die EG-Kommission: Akzeptanz durch Debatten, Vorklärungen und schließlich möglichst breit getragene Empfehlungen. Der andere Weg, der Rechtsprechung Argumente vorzulegen, ist damit nicht ausgeschlossen; aber dieser Weg allein reicht für ein angeglichenes gemeineuropäisches Konzernrecht nicht aus. Abgesehen von den Zweifeln, ob die obersten Gerichtshöfe in den zwölf Mitgliedstaaten eine solche Leistung überhaupt erbringen könnten, ist wohl auch ihre Bereitschaft hierzu ganz unterschiedlich ausgeprägt. Nicht alle Gerichte sind dem Gespräch mit Wissenschaft und Unternehmenspraxis so aufgeschlossen und bereit, auf neue oder neu entdeckte Probleme mit Rechtsfortbildung zu reagieren wie der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der hierzu eine gute und über Jahrzehnte zurückreichende Tradition pflegt 71 . Aber selbst wenn die Gerichte könnten und wollten: Ein gemeineuropäisches Konzernrecht durch Richterspruch allein zu schaffen, würde dermaßen lange Zeit beanspruchen, daß die wirtschaftliche Entwicklung im Binnen7 0 LÜTTER, Z G R 1 9 8 7 , 3 2 4 , 3 3 0 , 3 4 2 F ; s i e h e a u c h U L M E R , J Z 1 9 9 2 , 1, 7 f .
71 Dazu ULMER, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1971-1985, 1986.
Peter Hommelhoff
74
markt die rechtliche weit hinter sich lassen würde. Deshalb ist für das Konzernrecht in Europa vordringlich auf den europäischen Gesetzgeber zu setzen.
2. Ziele rechtswissenschaftlicher
Vorarbeiten
Also: die weitere Arbeit am europäischen Konzernrecht muß zunächst in die eigene Verantwortung der Rechtswissenschaft innerhalb der Gemeinschaft genommen werden. Erkenntnisfortschritte sollten nicht länger von den Absichten und Initiativen der EG-Kommission und ihrer Ministerialbürokratie (im wesentlichen allein) abhängen. Dabei muß sich die Wissenschaft freilich bescheiden: a) Ihr Ziel kann es nicht sein, den Brüsseler Stellen die Arbeit abzunehmen und den ausformulierten dritten Entwurf für eine Konzernrechts-Richtlinie vorzulegen. Ein solches Ziel wäre angesichts des gewachsenen Selbstverständnisses der Kommission ebenfalls Akzeptanz-widrig. Die Rechtswissenschaft sollte sich vielmehr auf die rechtspolitischen Eckwerte, auf die Konzepte für ein europäisches Konzernrecht und deren Diskussion beschränken72. Denn auch darin wird man einen gewissen Mangel des zweiten Richtlinien-Entwurfs von 198473 und seiner Präsentation sehen müssen: Seine konzeptionellen Grundlinien und seine Eckwerte treten nicht deutlich genug hervor, der Blick des Betrachters wird zu schnell auf die Details gelenkt. Das erschwert das Verständnis des Richtlinien-Vorschlags und die Auseinandersetzung mit ihm. Die Konsequenz ein weitverbreitetes Schweigen - kann deshalb nicht sonderlich überraschen. b) Konzernrechtliche Grundkonzepte und Eckwerte sind zunächst und mit Intensität zu diskutieren. In wie starkem Maße dies notwendig, aber zugleich lohnend ist, mögen hier vorerst drei Fragen zu belegen versuchen: - Inwieweit ist das Gesellschaftsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten in der Lage, Konzernkonflikte rechtsgewiß und befriedigend zu bewältigen? Wo liegen die Wirkungsgrenzen des konzernfrei konzipierten Gesellschaftsrechts? - Sollten die Außenseiter in der konzernabhängigen Gesellschaft schon vor der Begründung der Konzernverbindung geschützt werden oder erst innerhalb der bestehenden Verbindung oder gar erst im nachhinein nach Auflösung der Konzernverbindung? Oder sollten diese drei Schutzansätze - sinnvoll miteinander verknüpft - nebeneinander zum Zuge kommen? - Sollte zwischen verschiedenen Erscheinungsformen des Konzerns unterschieden werden? Und wenn ja: nach welchen Kriterien: rechtsformspezifisch nach der Gesellschaftsform der eingebundenen Tochter oder Enkelin oder 72 Dazu jüngst auch HOPT, in: Schmitthoff/Wooldridge (Hrsg.), Groups of Companies, 1991, S. 97 ff. 73 Siehe Fn. 4. - D i e Reaktionen im Schrifttum auf jenen Vorentwurf sind dokumentiert bei LUTTER, a a O ( F n . 4 ) , S. 5 7 f.
Konzemrecht für den Europäischen Binnenmarkt
75
konzernspezifisch nach dem Intensitätsgrad der Konzern Verbindung? Oder wäre für die besonderen Bedürfnisse der Wirtschaftspraxis gar eine Kombination der Unterscheidungskriterien angezeigt? Oder (umgekehrt gefragt): würde das nicht zu inakzeptabel übersteigerter Komplexität führen? Dieser Fragenkatalog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; er kann und muß noch erheblich ausgebaut werden. Hier gilt es, zunächst das Ziel der rechts wissenschaftlichen Vorarbeiten festzuhalten: die intensive Diskussion konzernrechtlicher Grundkonzepte unter Einbeziehung aller EG-Mitgliedstaaten, als deren Ergebnis konkrete Empfehlungen zu formulieren wären, die von einem möglichst breiten Konsens getragen werden.
3. Organisatorische
Verfestigung
Allerdings: mit einer solchen Zielsetzung allein ist es nicht getan. Hinzukommen muß ein hinreichend verfestigter Organisationsrahmen für ein derartiges Projekt mehrerer Universitäten in der Europäischen Gemeinschaft 74 . Denn es ist ja nicht so, als ob bisher keine Forschungen zum europäischen Konzernrecht durch einzelne und auf Symposien stattgefunden hätten 75 . Sie waren jedoch nur von begrenzter Wirkung - sei es wegen des punktuellen Ansatzes, der zeitlichen Verflüchtigung, wegen sprachlicher Probleme oder wegen ihrer regionalen Begrenztheit. Mittlerweile wissen wir: Das europäische Konzernrecht ist ein besonders dickes Brett, in das bloß mit langem Atem Löcher gebohrt werden können; dies deshalb, weil in zehn Mitgliedstaaten für die Notwendigkeit von Konzernrecht geworben und in zwölf Mitgliedstaaten breitflächig die Bereitschaft geweckt werden muß, über Grundfragen und Konzepte für Konzernrecht zu debattieren. In Deutschland muß das die Bereitschaft einschließen, Vertrautes und Bewährtes eventuell auf dem Altar europäischer Harmonisierung zu opfern. An dieser auf einige Dauer angelegten Konzernrechtsdebatte innerhalb der Gemeinschaft sollten sich möglichst viele Diskussionsteilnehmer aus und in den Mitgliedstaaten beteiligen. Das erfordert unter anderem nationale Multiplikatoren und einen Austausch übersetzter Argumente über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg. All dies macht eine darauf angepaßte Wissenschaftsorganisation notwendig; sich an ihr zu beteiligen, könnte vielleicht auch für Heidelberg reizvoll sein. 74 Bemerkenswert die jüngst von GEENS, S. o. S. 1 ff der deutschen Öffentlichkeit vorgestellte belgische Initiative: In Belgien ist schon vor Jahren ein interdisziplinäres Studienzentrum für Unternehmensverbindungen gegründet worden, in dem Wissenschaftler, Unternehmenspraktiker, Unternehmensberater und Verwaltungsbeamte zusammenarbeiten. 75 Nachweise bei LUTTER, Z G R 1987, 324, 326 f; siehe seither noch die Tagungsbände, h e r a u s g e g e b e n v o n DRUEY, a a O ( F n . 3 3 ) u n d MESTMÄCKER/BEHRENS, a a O ( F n . 1).
Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich*
von YVES GUYON, Professor an der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne) Inhaltsübersicht I. Einleitung
76
II. Vorteile einer Gruppenorganisation A. Flexible Organisation durch Tochtergesellschaften a) Die rechtliche Selbständigkeit gruppeneingebundener Tochtergesellschaften b) Die gruppenorientierte Leitung der Tochtergesellschaften B. Umsetzung der Fusionsrichtlinie C. Erleichterung der Finanzierungsmöglichkeiten in der Gruppe a) Anerkennung eines gemeinsamen Finanzmanagements b) Ausgabe von Schuldverschreibungen durch eine Tochtergesellschaft . . . . D. Die Reform des Steuerrechts III. Beschränkungen, die sich aus der Gruppenorganisation ergeben A. Kontrolle von Verträgen zwischen Gesellschaften mit gemeinsamen Geschäftsleitern B. Die gruppenspezifischen Rechnungslegungsvorschriften C. Minderheitenschutz D. Schutz der Arbeitnehmer E. Haftung bei Insolvenz einer Gesellschaft der Gruppe IV. Schlußbemerkung
I. - 1-
79 79 79 80 81 82 82 83 83 84 85 86 87 89 90 92
Einleitung
Gesellschaftsgruppen sind in Frankreich ebenso verbreitet und mächtig
wie in allen anderen Ländern mit entwickelter Wirtschaftsordnung 1 . Sie sind allerdings nicht Gegenstand einer speziellen und in sich geschlossenen Gesetzgebung. D e n n o c h gibt es ein Recht der Gesellschaftsgruppe, das aber eher auf Richterrecht als auf Gesetz beruht, selbst wenn relativ viele Einzelaspekte der
* Autor und Herausgeber danken Frau Referendarin Christine Ullrich, Bonn, für die Übersetzung. Das Manuskript in der Originalfassung kann gegen einen Unkostenbeitrag von 25,- DM bei der Schriftleitung angefordert werden. 1 Vgl. die ein wenig veraltete, aber sehr umfassende Untersuchung des Centre de Recherche sur le Droit des Affaires (C. R. E. D. A.), Les groupes de sociétés, une politique législative, Paris 1975.
77
Konzernrecht in Frankreich
Gruppe in Spezialgesetzen geregelt sind 2 . Diese ungeklärte Lage, die den Unternehmen anscheinend sehr gelegen k o m m t , hat mehrere Ursachen. Zunächst ist der Begriff der G r u p p e (groupe) selbst noch nicht wirklich geklärt. Natürlich sind sich alle oder fast alle im Ausgangspunkt einig: D i e G r u p p e ist eine Gesamtheit von rechtlich selbständigen Gesellschaften, die tatsächlich einheitlichen wirtschaftlichen Entscheidungen unterworfen sind. Dies ist jedoch eine zu allgemeine Definition, um der außerordentlichen Vielfalt der Gruppenstrukturen gerecht zu werden 3 . N e b e n den G r u p p e n , die über Kapitalbeteiligungen gebildet werden, gibt es auch solche, die ihren Zusammenhalt in gemeinschaftlichen Geschäftsleitern finden. D i e G r u p p e kann sogar aus Gesellschaften bestehen, deren Zusammenhalt nur aus engen vertraglichen Beziehungen, die einer Gesellschaft beherrschenden wirtschaftlichen Einfluß einräumen, resultiert. Beispiele für eine so geartete G r u p p e n s t r u k t u r lassen sich insbesondere in Industriezweigen mit Zulieferern o d e r Subunternehmern, sowie beim Franchising finden. Allerdings ist die Beherrschung einer Gesellschaft o h n e mehrheitliche Beteiligung an ihrem Kapital nie gesichert 4 . Folglich m u ß zwischen der G r u p p e im engeren Sinne -
gebildet über mehrheitliche
Kapitalbeteiligung -
und
der
G r u p p e im weiteren Sinn - die durch jegliches Beherrschungsinstrumentarium gebildet werden kann - unterschieden werden. D i e Gruppen sind vielschichtige Gebilde von variablem Zuschnitt und variabler G r ö ß e . Es gibt keine Gemeinsamkeit zwischen einem mittelständischen Familienunternehmen, das - oft aus steuertechnischen Gründen - in eine Besitzgesellschaft (société civile immobilière) und eine oder mehrere Betriebsgesellschaften aufgespalten wird und dadurch eine Gruppenstruktur erhalten hat, und dem transnationalen K o n z e r n , dessen Organisation weltweit ist. D e n n je mächtiger und diversifizierter die G r u p p e , desto schneller ist ihre Entwicklung. Fast jeden
Augenblick
werden
Tochtergesellschaften
oder andere
Beteiligungen
erworben oder wieder veräußert. Endlich ist auch der Begriff der G r u p p e im G e s e t z nicht einheitlich definiert. J e nachdem, o b es u m die A n w e n d u n g von Bestimmungen aus dem Gesellschafts-, Steuer-, B i l a n z - oder Sozialrecht geht, werden die Gesellschaften als Teile einer G r u p p e angesehen oder nicht. Es gibt nicht ein R e c h t der Gesell-
2 P. BÉZARD, Les groupes de sociétés, évolution récente et perspectives: Cahiers droit de l'entreprise 1990, Nr. 1, S. 15; P. FONTBRESSIN, La volonté indviduelle à l'épreuve du droit des groupes: Rev. juris, com. 1988, 285; C. FREYRIA, Le droit des groupes sous les feux de l'actualité: Rev. jurisp. corn. 1987, 121; GUYON, Droit des Affaires, Bd. 1, 6. Aufl., Rdn.580ff.; RIPERT/ROBLOT, Droit commercial, Bd. 1, 13. Aufl., Rdn.711. 3 BON, La notion de groupe: Rev. soc. 1980, 661; CHAMPAUD, Les méthodes de groupement des sociétés: Rev. trim. dr. com. 1967, 1003. 4 Vgl. Art. 354 des Gesetzes über die Handelsgesellschaften vom 24.7.1966, im folgenden G. 1966.
78
Yves Guyon
schaftsgruppe, sondern vielerlei Regeln, die auf unterschiedlichen Gebieten Anwendung finden. - 2 - Die Vielgestaltigkeit der Regelungen müßte entmutigen, fände man nicht wenigstens zwei Angelpunkte. Den ersten bietet der in seiner Bedeutung immer gewichtigere Begriff der Kontrolle (contrôle), der vor allem durch die Gesetze vom 3. Januar 1983 und vom 12. Juli 1985 5 zentrale Bedeutung erlangt hat. Laut Gesetz kontrolliert eine Gesellschaft eine andere, wenn sie mehrheitlich an deren stimmberechtigtem Kapital beteiligt ist oder die Möglichkeit hat, deren Geschäftsleiter zu ernennen, oder über andere Mittel verfügt, die es ihr erlauben, bestimmenden Einfluß auf die Geschäftsführung oder die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auszuüben 6 . Sicherlich ist der Begriff der Kontrolle nicht dem Recht der Gesellschaftsgruppe eigentümlich, denn Kontrolle kann auch durch natürliche Personen ausgeübt werden. Dennoch wird rechtstatsächlich in den großen Unternehmen die Kontrolle fast immer von einer Gesellschaft ausgeübt. Manchmal führt das, wenn die Minderheitsgesellschafter noch nicht einmal genügend Stimmen haben, um Satzungsänderungen zu verhindern, zur fast vollständigen Beherrschung der Tochter. Es kommt auch vor, daß die Kontrolle ausschließlich von der Muttergesellschaft als alleiniger Gesellschafterin der Tochter ausgeübt wird. Diese Organisationsform ist nur für Tochtergesellschaften in der Rechtsform der EinmannGmbH 7 ausdrücklich erlaubt, sie wird praktisch aber auch für Aktiengesellschaften (société anonyme) unter Zuhilfenahme von Umgehungskonstruktionen gewählt. Den zweiten Angelpunkt bietet das Erfordernis eines Zusammenhalts. Die beherrschte Gesellschaft unterliegt differenzierten rechtlichen Regeln, weil sie sowohl rechtlich selbständig als auch wirtschaftlich abhängig ist. Ihre Geschäftsleiter und ihre Vertragspartner müssen wählen, ob sie sich das eine oder das andere dieser beiden Merkmale zunutze machen. Sicherlich muß diese Wahl nicht allumfassend sein, da dies den Gruppen ihre Flexibilität, der ihr größter Vorzug ist, nehmen würde. Jedoch wäre es unlogisch und ungerecht, die Gruppe, z. B. bei der Darlehnsaufnahme, als Einheit zu behandeln, aber jede (Tochter-)Gesellschaft als selbständig anzusehen, sobald es um die Kreditrückzahlung geht. Das Maß der Unabhängigkeit und der Beherrschung muß daher wohl dosiert sein, um einen Interessenausgleich zwischen den Mehrheits- und den Minderheitsgesellschaftern, den Vertragspartnern, den Gläubigern und den Arbeitneh5 H. LE NABASQUE, Contrôle, pouvoir de direction et d'organisation et droit de propriété dans l'entreprise sociale: L'entreprise nouveaux apports, S. 111, Paris 1987; M . STORCK, La définition légale du contrôle d'une société en droit français: Rev. soc. 1986, 385. 6 Art. 355-1 und 357-1 G. 1966. 7 E U R L , Entreprise unipersonnelle à responsabilité privé, vgl. Art. 34 G . 1966, eingefügt durch G. vom 11.7.1985; auch GUYON, Z G R 1988, 240, 257f.
Konzernrecht in Frankreich
79
mern der Gesellschaft zu gewährleisten. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn man die Vorteile wie die Nachteile, die aus der Nutzung einer Gruppenorganisation resultieren, berücksichtigt.
II. Vorteile einer
Gruppenorganisation
- 3 - Die Gesellschaftsgruppe hat im Vergleich zur traditionellen Unternehmensorganisation mit einem Rechtsträger und mehreren unselbständigen Zweigniederlassungen vielfältige Vorteile. Ihr Erfolg in der Praxis rührt daher, daß die Errichtung von Tochtergesellschaften mehr den Anforderungen an Flexibilität und wirtschaftliche Effektivität entspricht 8 . Die Obergesellschaft bestimmt die Organisationsstruktur der Gruppe, die von ihr kontrolliert wird. Sie hat die Wahl, selbst ein Unternehmen zu betreiben oder eine Holding ohne eigene wirtschaftliche Aktivität zu werden. Unabhängig von dieser Entscheidung sind alle Gesellschaften der Gruppe - mit Ausnahme der »société en participation« (stillen Gesellschaft) 9 - ebenso wie selbständige Gesellschaften rechts- und geschäftsfähig. Die Gruppe erleichtert so die Konzentration der Unternehmensziele - dies geschieht über die Muttergesellschaft - bei gleichzeitiger Dezentralisation der Entscheidungsträger in den abhängigen Gesellschaften. Die Unternehmensführung profitiert dadurch gleich in dreifacher Hinsicht.
A. Flexible Organisation durch
Tochtergesellschaften
a) Die rechtliche Selbständigkeit gruppeneingebundener
Tochtergesellschaften
- 4 - Die ersten Vorteile sind rechtlicher Art. Sie sind die wichtigsten, aber auch die offensichtlichsten, so daß es nicht notwendig erscheint, hierauf ausführlich einzugehen. Alle Vorteile resultieren daraus, daß die Gesellschaften in der Gruppe, ungeachtet des Grades ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Muttergesellschaft, rechtlich selbständig sind. Sie haben insbesondere eine eigene Firma, einen eigenen Sitz und ihre eigene Nationalität. Was den Gesellschaftssitz angeht, gelten im Gegensatz zum allgemeinen Gesellschaftsrecht für Tochtergesellschaften sogar gewisse Erleichterungen: Ihr Sitz kann sich am selben Ort befinden wie der einer anderen Gesellschaft der Gruppe, d. h. normalerweise am Sitz der Mutter 10 . Das vermeidet Kosten, die sonst durch den Ankauf oder die Pacht eines eigenen Geschäftslokals bzw. durch 8 S. LACHAT, La filialisation des services: Rev. soc. 1977, 43. 9 Vgl. Art. 1871 C. Civ. 10 Gesetz vom 21.12.1984; Dekret vom 5.12.1985.
80
Yves Guyon
einen Domizilierungsvertrag (contract de domiciliation)" entstunden. Die Tochtergesellschaft kann so die Vorteile der rechtlichen Selbständigkeit mit denen der Gruppenzugehörigkeit verbinden. Dasselbe gilt in erhöhtem Maß in Hinblick auf die Nationalität der Töchter, also für die Frage des anwendbaren Rechts. Grundsätzlich bestimmt Art. 1837 C. Civ., daß für jede Gesellschaft, deren Sitz sich auf französischem Territorium befindet, französisches Recht gilt. Folglich ist eine in Frankreich ansässige Gesellschaft französisch, auch wenn sie von einer ausländischen Mutter kontrolliert wird. Die Gleichstellung mit nationalen Gesellschaften ist unleugbar ein Vorteil. Die Gleichstellung wird nur in seltenen Fällen durch die Anwendung der Figur der sog. „Kontrolle" verweigert; diese stützt sich auf die Ausländereigenschaft der Geschäftsleiter und Gesellschafter, um der in Frankreich ansässigen Tochtergesellschaft einer ausländischen Mutter dieses oder jenes Recht vorzuenthalten. Allerdings findet diese Rechtsfigur nur noch in den wenigen Gebieten Anwendung, in denen nationale Interessen besonders geschützt werden müssen' 2 .
b) Die gruppenorientierte -5-
Leitung von
Tochtergesellschaften
Die Tochtergesellschaften verfügen auch über alle notwendigen Gesell-
schaftsorgane:
Hauptversammlung,
Geschäftsführungsorgan,
Vertretungs-
sowie, falls notwendig, Kontrollorgane. Nach dem äußeren Erscheinungsbild ist die abhängige Gesellschaft also genauso organisiert und funktioniert genauso wie eine unabhängige. Dies gilt selbst für die E U R L (Einmann-GmbH) 1 3 . Tatsächlich ist die E U R L nämlich keine eigene Gesellschaftsform, sondern eine bloße Spielart der S A R L ( G m b H ) . Die Tochtergesellschaft kann so rechtlich selbständig tätig werden. Dies ist vorteilhaft, insbesondere, wenn die Mutter - um ihren wirtschaftlichen Ruf zu wahren - nicht offen hinter der abhängigen Gesellschaft in Erscheinung treten will. Allerdings bildet die formale Selbständigkeit auch ein
11 N o r m a l e r w e i s e müssen Gesellschaften z u r Eintragung im Handelsregister nachweisen, daß sie e n t w e d e r E i g e n t ü m e r oder P ä c h t e r des G e s c h ä f t s l o k a l s sind, an dem sich der Gesellschaftssitz befindet. D u r c h Neuregelung des A r t . 2 6 - 1 Dekret N r . 8 4 - 4 0 6 vom 30. 5 . 1 9 8 4 wird unter b e s t i m m t e n Voraussetzungen erlaubt, daß mehrere Gesellschaften ihren S i t z in demselben G e s c h ä f t s l o k a l haben, sofern sie einen . D o m i z i l i e r u n g s v e r t r a g " schließen. F ü r kapitalmäßig verbundene Gesellschaften m u ß der A b s c h l u ß eines solchen Vertrages zur E i n t r a g u n g nicht nachgewiesen werden. Vgl. dazu F . PASQUALINI, L a d o m i c i l i a t i o n des sociétés, un espace de liberté placé sous surveillance: Rev. soc. 1 9 8 7 , 5 6 9 . 12 GUYON, D r o i t des Affaires, B d . 1, R d n . 182. 13 V g l . dazu auch GUYON, Z G R 1988, 2 4 1 , 2 5 7 .
Konzernrecht in Frankreich
81
Hindernis, denn die Obergesellschaft ist bei Weisungen an ihre Töchter gezwungen, sozusagen den „Dienstweg" einzuhalten. Der Präsident der Muttergesellschaft kann nicht unmittelbar die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft anweisen. Er muß über die Organe der Tochter handeln. Jedoch ist dieses Hindernis nur ein scheinbares. Die Geschäftsleitung der Muttergesellschaft verfügt nicht nur rechtlich über die Möglichkeit, sich gegenüber den Geschäftsleitungsmitgliedern der abhängigen Gesellschaft, insbesondere durch die Drohung mit Abberufung' 4 , durchzusetzen. O f t ist auch die Besetzung der Leitungsorgane in Mutterund Tochtergesellschaft identisch. Denn die gesetzliche Begrenzung der Zahl der Verwaltungs- und Geschäftsführungsmandate für natürliche Personen gilt nicht, soweit sie bei Gesellschaften derselben Gruppe wahrgenommen werden 1 5 . Die Bestimmung wird durch andere, flexiblere ersetzt, die, ohne gleich die Wahrnehmung einer unbegrenzten Zahl von Mandaten zu gestatten, den Geschäftsleitungsmitgliedern der Mutter die Geschäftsführung in den abhängigen Gesellschaften sowie deren Vertretung erlauben 16 . -6-
Die Leitung der Gruppe kann auch, indem der Vorteil mal in der
Unabhängigkeit der Tochter, mal in den Bindungen an die Muttergesellschaft gesucht wird, flexibler und effektiver gestaltet werden, als das im Rahmen einer einzelnen juristischen Person möglich wäre. Es besteht die Möglichkeit, den Gesellschaftern in jeder Gesellschaft der Gruppe verschiedene Beteiligungen einzuräumen. So sind in den Familienunternehmen diejenigen, die mit der Geschäftsleitung befaßt sind, auch oft mehrheitlich an der Betriebsgesellschaft beteiligt, während die anderen Familienmitglieder die Besitzgesellschaft kontrollieren.
B. Umsetzung r7-
der
Fusionsrichtlinie
Ein anderer rechtlicher Vorteil besteht seit Umsetzung der dritten E G -
Richtlinie durch Gesetz vom 5. Januar 1988 1 7 .
Bei der Fusion mit
einer
100%igen Tochter muß die Muttergesellschaft nicht mehr die komplizierten Formalien beobachten, die für eine echte Verschmelzung durch Aufnahme gelten. Der Vorgang ist nämlich nur buchhalterisch von Bedeutung: In der Bilanz der Obergesellschaft erscheint statt dem Wert der Beteiligung nun der der Aktiva der Gesellschaft 1 8 .
14 Com, 2.7.1973: Bull. civ. IV, Nr. 232 S.211. 15 Art. 92, 111, 127, 136 G. 1966. 16 ROBLOT, aaO ( F n . 2 ) , Rdn. 1270.
17 A. LEFÈVRE, Le nouveau régime des fusions et des scissions de sociétés commerciales, Nr. 16: Rev. soc. 1 9 8 8 , 2 1 7 . 18 Art. 378-1 n.F. G. 1966.
82
Yves Guyon C. Erleichterung a) Anerkennung -8-
der Finanzierungsmöglichkeiten eines gemeinsamen
in der
Gruppe
Finanzmanagements
Mit einer Gruppenorganisation sind nicht nur rechtliche, sondern auch
finanzielle Vorteile verbunden. Einer dieser Vorteile ist offensichtlich:
Die
Errichtung von Tochtergesellschaften in Form der S A R L oder SA erlaubt eine Risikoverteilung, denn - abgesehen von einigen Ausnahmen - haftet die Mutter nicht für die Schulden der T o c h t e r " . Die Gruppe macht aber auch ein gemeinsames Finanzmanagement möglich, was die Notwendigkeit des Rückgriffs auf kostspielige Bankkredite vermeidet 20 . O f t verfügt eine Gesellschaft der Gruppe über ausreichende Finanzmittel, während eine andere liquide Mittel benötigt. Hielte man strikt am Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit der gruppenzugehörigen Gesellschaften fest, müßte man verlangen, daß eine Gesellschaft einer anderen ein Darlehn nur zu den am Kapitalmarkt üblichen Zinsen gewähren darf. Dann würde jede günstigere Finanzhilfe an die vertraglich oder faktisch herrschende Gesellschaft das Delikt des »abus des biens sociaux« (Mißbrauch von Gesellschaftsmitteln) erfüllen. Jeglicher finanzielle Transfer innerhalb der Gruppe würde also entweder unnötig - weil zu denselben Bedingungen auch mit Dritten abgeschlossen werden könnte - oder gefährlich - weil die Gruppenstruktur verwendet würde, um Marktgesetze außer Kraft zu setzen. Diese Barriere wäre um so hinderlicher, als das Bankgesetz vom 24. Januar 1984 in Art. 12-3 vorsieht, daß das für kurzfristige Kreditgeschäfte geltende Monopol der Banken nicht für Finanzierungsgeschäfte zwischen Gesellschaften einer Gruppe gilt 21 . Der Strafsenat der Cour de Cassation hat folglich - in Bestätigung der von der Cour d'Appel von Paris in Sachen Willot vertretenen Auffassung - entschieden, daß die Geschäftsleiter der Obergesellschaft keinen „abus des biens sociaux" begehen, wenn sie die liquiden Mittel einer abhängigen Gesellschaft nutzen. Dies gilt jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, daß die Finanzhilfe im Interesse der Gruppe gewährt wird, nicht ohne Ausgleich erfolgt und die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft nicht überfordert 2 2 . Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Eine Schwierigkeit bleibt allerdings bestehen. Man weiß nicht genau, was unter dem Begriff des „Gruppeninteresses" zu verstehen ist - was im übrigen nicht verwunderlich ist, da schon keine allgemein anerkannte Definition für den 19 Vgl. unten Ziff.-16-, 20 D.OHL, Les prêts et avances entre les sociétés d'un même groupe, Paris 1982.
21 RIVES-LANGES/OHL, Monopole bancaire et liberté: Banque 1985, 439. 22 Crim., 4 . 2 . 1 9 8 5 , D. 1985, 478, Anm. OHL; J. C. P. 1986, II, 20585, Anm.JEANDIDIER;
Rev. soc. 1985, 648, Anm.BouLOC, 13.2.1989, Rev. soc. 1989, 692, Anm.BouLoe; a u c h GUYON, Z G R 1 9 8 8 , 2 4 0 , 2 5 5 ; LUTTER, F S K e l l e r m a n n , 1 9 9 1 , S. 2 5 7 ff.
Konzernrecht in Frankreich
83
Begriff des Gesellschaftsinteresses existiert. D i e C o u r de Cassation weist jedoch darauf hin, daß das Gruppeninteresse wirtschaftlicher, sozialer oder finanzieller Art sein kann. E s scheint, als seien die R i c h t e r insoweit zu einer großzügigen Auslegung aufgerufen 2 3 . O b w o h l die Entscheidung auf dem G e b i e t des Strafrechts ergangen ist, kann sie auf das Zivilrecht übertragen werden. D e r Geschäftsführer einer Gesellschaft macht sich also nicht schadensersatzpflichtig, wenn er akzeptiert, daß dem Gruppeninteresse zeitweise Vorrang vor dem Eigeninteresse seiner Gesellschaft eingeräumt wird.
b) Ausgabe von Schuldverschreibungen -9-
durch eine
Tochtergesellschaft
Weiter kann eine abhängige Gesellschaft mit Erlaubnis der O b e r g e s e l l -
schaft Schuldverschreibungen
ausgeben, die ein Bezugsrecht auf A k t i e n
der
Muttergesellschaft gewähren 2 4 . E i n e Forderung gegen die T o c h t e r wandelt sich so in ein verbrieftes R e c h t am Kapital der M u t t e r . D a s dokumentiert die enge V e r b i n d u n g der beiden juristischen Personen und bietet den G r u p p e n neuartige Finanzierungsmöglichkeiten, deren K o n s e q u e n z e n noch nicht völlig überschaubar sind. W a s für den Bereich der unmittelbaren Finanzierung gilt, gilt auch für die Sicherungsgeschäfte. D i e Zugehörigkeit zu derselben G r u p p e kann die Leistung von Sicherheiten einer Gesellschaft für Verbindlichkeiten einer anderen rechtfertigen, während o h n e eine solche Verbindung die W i r k s a m k e i t des Sicherungsgeschäfts fraglich wäre 2 5 . Dies dürfte den R ü c k g r i f f auf Patronatserklärungen erübrigen, deren Auslegung i m m e r Schwierigkeiten aufwirft 2 6 . D i e Zugehörigkeit zu einer G r u p p e erleichtert so spürbar die Finanzierung. D i e s e Tatsache ist nicht außer acht zu lassen, w e n n man die K o s t e n
der
Inanspruchnahme von Bankkrediten und das A u s m a ß der Verschuldung n u r allzuvieler Gesellschaften berücksichtigt.
D. Die Reform des Steuerrechts -10 -
Schließlich bietet auch ein dritter Bereich - das Steuerrecht -
G r u p p e n Vorteile. D a s gilt v o r allem seit Inkrafttreten des G e s e t z e s
den vom
23 B.BOULOC, Droit penal et groupes d'entreprises: Rev. soc. 1988, 181. 24 Art. 339-3 G. 1966, eingefügt durch Gesetz vom 14.12.1985. 25 Civ.,
6.3.1979:
Rev.
trim.
dr.
com.
1979,
753,
mit
A n m . ALFANDARI/JEANTIN;
1 9 . 5 . 1 9 8 7 : R e v . s o c . 1 9 8 8 , 4 1 7 , m i t A n m . GUYON.
26 I.NAJJAR, L'autonomie de la lettre de confort: D. 1989, 217.
Yves Guyon
84
30. D e z e m b e r 1 9 8 7 2 7 . Bis zu diesem Zeitpunkt konnte eine steuerliche Veranlagung der G r u p p e als G a n z e m nur erfolgen, wenn diese international tätig war. Ü b e r d i e s bedurfte es einer G e n e h m i g u n g der Finanzverwaltung, um in den G e n u ß der Regelung des sog. „bénéfice mondial" zu gelangen 2 8 . Seit Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes von 1987 ist die Regelung sowohl sachgerechter als auch großzügiger. N u n kann jede Gesellschaft dafür optieren, in bezug auf die gesamte G r u p p e veranlagt zu w e r d e n ; die Genehmigung der Finanzverwaltung ist jetzt entbehrlich. D e r Begriff der G r u p p e ist hier allerdings enger: Es muß eine Kapitalbeteiligung von mindestens 95 % bestehen. Das Gesamtergebnis der Muttergesellschaft wird unter Einbeziehung des Jahresgewinns oder -verlusts jeder der Gruppengesellschaften festgestellt. Folglich hat das Steuerrecht, das sich immer den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt hat, die G r u p p e fast als juristische Person anerkannt, zumindest was die Körperschaftsteuer angeht. D i e übrigen Steuern werden weiterhin von jeder einzelnen Gesellschaft entrichtet. D i e Regelung wird nur nach entsprechender O p t i o n angewendet, und sie wird natürlich nur gewählt, wenn sie für die G r u p p e vorteilhaft ist. Sie kann allerdings zu Anwendungsschwierigkeiten führen, wenn es darum geht, die so erlangte Steuerersparnis auf die einzelnen Gesellschaften der Gruppen zu verteilen 2 '.
III. -11 -
Beschränkungen,
die sich aus der Gruppenorganisation
ergeben
Rechtspolitisch wird in regelmäßigen Abständen die Frage gestellt, o b
die derzeitigen gruppenspezifischen Regelungen noch ausreichen. Einige befürw o r t e n weitere Erleichterungen, insbesondere für die Struktur der T o c h t e r g e sellschaften und für die Verträge zwischen Gesellschaften einer G r u p p e . D i e derzeitige Regelung zu beiden Fragen kann sicherlich exzessiv formalistisch erscheinen, weil für die selbständigen Gesellschaften dieselben Regeln wie für die gelten, die sich vollständig o d e r fast vollständig in der Hand einer Obergesellschaft befinden. W e d e r das Interesse der Minderheitsgesellschafter - weil es keine m e h r
gibt -
noch
das der Gesellschaftsgläubiger
rechtfertigen
diese
B e s c h r ä n k u n g e n . D e n n o c h ist V o r s i c h t geboten, denn gerade in den G r u p p e n k ö n n e n sich die schädlichen F o l g e n mancher Mißbräuche verstärken. D a s französische R e c h t scheint die schrittweise Entwicklung eines Rechts der Gesellschaftsgruppe und damit eine flexible Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung für vorteilhafter zu halten als eine Novellierung des Gesetzes.
27 P. SERLOOTEN, Droit fiscal de l'entreprise, Nr. 567.
28 Vgl. Art. 209 quinquies Code général des impôts. 2 9 Vgl. die A n m . von D.LEDOUBLE: J . C . P . 1990, E , II, 15743.
K o n z e r n r e c h t in F r a n k r e i c h
85
So scheinen die Gerichte Verträge anzuerkennen, die die Errichtung eines Konzerns auf vertraglicher Grundlage erlauben, damit so Gesetzeslücken ausgefüllt werden können. In diesem Sinne kann das Urteil der C o u r de Cassation in Sachen Rivoire und Carret-Lustucru verstanden werden 3 0 . Allerdings ist diese Art der Rechtsfortbildung nur begrenzt möglich, denn die Obergesellschaft muß sich, wie hoch auch immer ihre Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft ist, darauf beschränken, die Rechte eines Mehrheitsgesellschafters auszuüben. Sie kann sich nicht als Geschäftsführer und noch weniger als Vertreter der Tochtergesellschaft gerieren 31 . Den Gruppen ist es nämlich nicht erlaubt, die Regeln des zwingenden Rechts zu umgehen. Mehr noch, sie unterliegen ganz spezifischen Beschränkungen.
A. Kontrolle von Verträgen zwischen Gesellschaften mit gemeinsamen Geschäftsleitern - 1 2 - Der französische Gesetzgeber hat - wie auch die übrigen europäischen Gesetzgeber - bis jetzt vorsichtig vermieden, den Gruppen zu viele Beschränkungen aufzuerlegen. Denn das würde die Bildung von Gruppen herausfordern, die nur faktisch bestehen, deren Existenz praktisch nicht nachweisbar wäre und deren einziges Ziel es wäre, die Bestimmungen des Konzernrechts zu umgehen. Es gibt daher wenige Beschränkungen, die speziell an die Zugehörigkeit der Gesellschaft zu einer Gruppe anknüpfen. Dagegen kommt es häufiger vor, daß die Gruppenanbindung - verstanden im weiteren Sinne - die Anwendung dieser oder jener Regeln nach sich zieht, die im übrigen auch für unabhängige Gesellschaften gelten. So werden die Geschäfte, die zwischen Gesellschaften einer Gruppe getätigt werden, oft dem Kontrollverfahren der Art. 101 ff des Gesetzes vom 24. Juli 1966 unterliegen, weil die Gesellschaften gemeinsame Geschäftsleiter haben und die Geschäfte nicht zu den üblichen Bedingungen abgeschlossen wurden 3 2 . Das Verfahren, obwohl in der Praxis gerade für die Gruppen belastend, setzt nicht die Existenz einer Gruppe voraus. Die Art. 101 ff gelten auch für unabhängige Gesellschaften, die Verträge mit einem ihrer Geschäftsleiter schließen, oder für Vertragsabschlüsse von gruppenzugehörigen Gesellschaften mit einer Gesellschaft, die trotz eines gemeinsamen Leitungsmitglieds nicht der Gruppe angehört. Wenden wir uns nun den Beschränkungen zu, die spezifisch auf den Gruppen lasten. Man kann sie in zwei Kategorien einordnen: Zum einen
30 C o m . , 2 4 . 2 . 1 9 8 7 : D . 1987, 599, mit A n m . H . HONORAT; a u c h GUYON, Z G R 1 9 8 8 , 2 4 0 , 255. 31 C o m . , 1 2 . 5 . 1 9 8 1 : R e v . s o c . 1982, 3 1 8 , mit A n m . CHARTIER. 32 GUYON, a a O ( F n . 2 ) , R d n . 4 2 0 u n d 4 8 7 .
86
Yves Guyon
resultieren sie bereits unmittelbar aus dem Gesetz, zum andern auf Rechtsfortbildung durch die R e c h t s p r e c h u n g .
B. Die gruppenspezifischen -13-
Rechnungslegungsvorschriften
D i e wichtigste allgemein geltende Beschränkung betrifft die Informa-
t i o n . D i e B e s t i m m u n g e n stammen aus dem Gemeinschaftsrecht. Sie wurden hauptsächlich durch U m s e t z u n g der siebten Richtlinie vom 13. Juni 1983 ins französische R e c h t eingeführt 3 3 . D i e Regelung ist wichtiger als es auf den ersten B l i c k erscheint, denn I n f o r m a t i o n genügt oft, um Mißbräuche zu verhindern. D i e s e nur für die G r u p p e geltenden Bestimmungen überlagern diejenigen, mehr allgemeinen C h a r a k t e r s , die das G e s e t z vom 12. Juli 1966 vorsah. Das hat in diesem Bereich, in dem F r a n k r e i c h auf G r u n d einer übertriebenen A c h t u n g vor dem
Geschäftsgeheimnis
sehr
zurückgeblieben
war,
bemerkenswerte
Fort-
schritte gebracht. D r e i I n f o r m a t i o n e n sollen hier besonders erwähnt werden: Z u m einen m u ß der Lagebericht (rapport de gestion), der der Hauptversammlung anläßlich der Feststellung des Jahresabschlusses vorgelegt wird, nicht nur das (Jahres)ergebnis der Gesellschaft, sondern auch das ihrer T ö c h t e r enthalten 3 4 . Zweitens müssen im B e r i c h t auch die im L a u f e des Geschäftsjahres erworbenen, bedeutenden Beteiligungen aufgeführt w e r d e n 3 5 . Diese Information ist natürlich nicht vollständig, denn sie erfolgt verspätet, erfaßt nur den Beteiligungserwerb und nicht die V e r ä u ß e r u n g von Beteiligungen, und schließlich erfolgt sie nicht in der Gesellschaft, deren Aktien e r w o r b e n wurden. D i e Regelung wurde daher durch eine weitergehende B e s t i m m u n g ergänzt, die allerdings nur für die börsennotierten Gesellschaften gilt. In börsennotierten Gesellschaften muß sofort angezeigt werden, wenn die H ö h e der Beteiligung gewisse Schwellen überschreitet 3 6 . Man hofft auf diese A r t und W e i s e , wie es auch schon die Überschrift über dem G e s e t z vom 2. August 1989 ankündigt, „die Transparenz und die Sicherheit des K a p i t a l m a r k t s " zu gewährleisten 3 7 . In Wirklichkeit verfolgt das Gesetz aber ein zweifaches Ziel. E s sollen ebenso die Geschäftsleiter bei Ubernahmeversuchen in Alarm versetzt, wie die A k t i o n ä r e über die Verteilung der Kapitalanteile in ihrer Gesellschaft informiert werden. 33 P. FEUILLET, La consolidation des comptes: Rev. soc. 1983, 399; 1986, 173; sowie GUYON, Z G R 1 9 8 8 , 2 4 0 , 2 5 3 .
34 Art. 356 G. 1966, Art. 148 Dekret 1967. 35 Art. 356 G. 1966. 36 Art. 356-1 G. 1966. Auch M. GERMAIN, La déclaration de franchissement de seuil: Rev. dr. bancaire 1990, 20. 37 C. GAVALDA, Commentaire de la loi du 2 août 1989 concernant l'amélioration de la transparence et de la sécurité du marché financier Nr. 52: Rev. soc. 1990, 23.
87
Konzernrecht in Frankreich
Schließlich und endlich ist die Muttergesellschaft durch die Gesetze vom 30. April 1983 und vom 3.Januar 1985 zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet, der im Anhang die Erträge aller Gesellschaften der Gruppe enthalten muß 3 8 . Er wird durch den Abschlußprüfer (commissaire aux comptes) der Mutter testiert, weshalb diesem Abschluß ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit zuerkannt werden kann 39 . Allerdings beschränkt sich der konsolidierte Abschluß anders als die Einzelabschlüsse darauf, die Erträge aufzuführen, über deren Verwendung schon in jeder einzelnen Gesellschaft der Gruppe entschieden worden ist. Denn in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen der Töchter wird entschieden, ob der Gewinn ausgeschüttet oder den Rücklagen zugeführt wird. In der Muttergesellschaft kann diese Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses bringt gewisse Schwierigkeiten mit sich. So muß der Konsolidierungskreis bestimmt werden, also die Gesellschaften, deren Erträge in den konsolidierten Abschluß miteinbezogen werden sollen. Das Gesetz von 1983 schlägt insoweit eine sehr pragmatische Lösung vor: Kontrolle setzt keine Mehrheitsbeteiligung voraus. Ein erheblicher Einfluß (influence notable) genügt. Ein anderes Problem entsteht, wenn die Abschlüsse, die konsolidiert werden sollen, nicht nach vergleichbaren Methoden erstellt worden sind. Sie müssen dann vor der Einbeziehung nochmals überarbeitet werden. Der konsolidierte Abschluß ist ein wirksames Informationsmittel, denn ohne ihn könnten gute Erträge in der herrschenden Gesellschaft die desolate
Lage
einiger
Tochtergesellschaften
verschleiern.
Da
ein
solcher
Abschluß aber schwierig und kostspielig ist, sind nur Gruppen, die eine gewisse Größe erreicht haben, zur Konsolidierung verpflichtet 40 . O b diese Ausnahmeregelung gerechtfertigt ist, bleibt zweifelhaft, denn sie führt zu mangelnder Transparenz in den kleineren (Familien-)Gruppen. Alles in allem erscheint die Information der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft ausreichend gesichert. Dagegen ist die Situation der Gesellschafter in den abhängigen Gesellschaften, die kaum Informationen über die Lage der Mutter erhalten, anders zu beurteilen. In diesem Bereich könnten sicherlich noch Fortschritte erzielt werden.
C. -14 -
Minderheitenschutz
Wenn auch die Information der Gesellschafter umfassend und syste-
matisch erfolgt, bleibt ihr Schutz gegen in Gruppen besonders häufig vorkom38 Art. 357-1 G. 1966. 39 Art. 288 G. 1966. 40 Art. 357-2 G. 1966.
88
Yves G u y o n
mende Mißbräuche auf einzelne Bereiche beschränkt: Besonders zu erwähnen sind das auf die Gesamtheit der Gruppe erweiterte Verbot von Insider-Geschäften 41 und die häufige Anwendung des Kontrollverfahrens nach An. 101 ff G. 1966 auf Verträge zwischen Gesellschaften mit gemeinsamen Geschäftsleitern 42 . Es ist fraglich, ob über diese Einzelmaßnahmen hinaus ein spezieller Schutz für Minderheitsaktionäre gelten soll, wenn die Gesellschaft einer Gruppe angehört. Es handelt sich um ein schwieriges Problem 43 . Bis heute kennt das französische Recht keinen besonderen Minderheitenschutz, wenn man einmal von der allgemeinen und nicht scharf umrissenen Verpflichtung der Geschäftsleiter absieht, das Vermögen ihrer Gesellschaft nicht zugunsten einer anderen, und sei es einer gruppenzugehörigen Gesellschaft, zu mindern. Im übrigen dürften für die Minderheitsgesellschafter der Muttergesellschaft nicht dieselben Regeln gelten wie für die Minderheitsgesellschafter in den Töchtern. In Wirklichkeit ist gewöhnlich das Risiko letzterer beträchtlich größer als das ersterer, denn der Verlust der Unabhängigkeit geht oft Hand in Hand mit der Mißachtung der eigenen Interessen der Tochtergesellschaft. In Betracht zu ziehen wäre die Möglichkeit, den Minderheitsgesellschaftern einer abhängigen Gesellschaft das Recht einzuräumen, eine Sonderprüfung (expertise de gestion) bei der herrschenden Gesellschaft zu verlangen. Dies würde allerdings zu einer Schwierigkeit führen: Gem. Art. 226 G. 1966 kann nur der Aktionär, der mindestens 10% des Grundkapitals hält, die Bestellung eines Sonderprüfers verlangen. Diese Voraussetzung werden die Minderheitsgesellschafter in den Tochtergesellschaften fast nie erfüllen. Gäbe man ihnen dennoch das Recht, würde man sie besser stellen als die Minderheitsgesellschafter in der herrschenden Gesellschaft. Die Diskriminierung würde dann paradoxerweise auf einer anderen Ebene stattfinden. Eine Lösung dieses Problems, wie sie auch mehr oder minder von den Gerichten praktiziert wird, bestünde sicherlich darin, einen Sonderprüfer für die Tochtergesellschaft zu bestellen und dessen Prüfungszuständigkeit auf die Obergesellschaft zu ertrecken 44 . Sollte man noch weiter gehen? Natürlich wäre es vertretbar, die herrschende Gesellschaft zu verpflichten, auf Anforderung der Minderheitsgesellschafter deren Aktien zu erwerben, sobald die Mehrheitsgesellschafter einen sehr bedeu-
41 Art. 10-1 der O r d o n n a n c e vom 23. September 1967. 42 Vgl. oben Ziff. - 1 2 - , 43 P. B é z a r d / P . C h a p u t , La C O B et la protection des minoritaires dans les groupes de sociétés: Rev. soc. 1982, 481. 44 Vgl. C o m . , 10.5.1988: Bull. Civ. IV, N r . 160, S. 111; Rev. soc. 1988 somm. S.601; C o m . , 20.12.1988: Rev. soc. 1989, 55.
89
Konzernrecht in Frankreich
tenden Anteil - z. B . 90 % - am Kapital halten 4 5 . D i e Kehrseite dieser Verpflichtung wäre, daß die Muttergesellschaft ihrerseits berechtigt ist, die Beteiligung der Minderheit zu erwerben. Natürlich würde es sich insoweit um einen -
in
Hinblick auf die G r u n d s ä t z e des französischen R e c h t s ungewöhnlichen - A u s schluß oder eine Enteignung in privatnützigem Interesse handeln. J e d o c h wird das Management m a n c h e r abhängiger Gesellschaften unnötig durch das Bestehen einiger, manchmal
nur s y m b o l i s c h
zu nennender,
Minderheitsbeteiligungen
gehemmt. In diesen Fällen sollte ein A u f k a u f möglich sein. Natürlich w ü r d e dann, wenn zwischen den Parteien keine Einigung über den Kaufpreis erzielt werden kann, sowohl im Fall des E r w e r b s auf Verlangen der Minderheitsgesellschafter wie bei Veräußerung auf Verlangen der Muttergesellschaft, der Preis für die Aktien durch einen G u t a c h t e r festgelegt werden 4 6 .
D. Schutz der -15-
Arbeitnehmer
A u c h im Interesse der A r b e i t n e h m e r gelten für gruppenzugehörige
Gesellschaften einige spezielle Verpflichtungen. G r u n d s ä t z l i c h sind die P r o bleme dieselben. D e r A r b e i t n e h m e r ist nur bei einer Gesellschaft angestellt, denn die G r u p p e als solche ist nicht rechtsfähig. A b e r die Gesellschaft ist T e i l eines Ganzen,
was v o m Arbeitsrecht immer öfter berücksichtigt wird. D a
viele
arbeitsrechtliche B e s t i m m u n g e n nur für U n t e r n e h m e n gelten, die gewisse G r ö ßenschwellen überschreiten, würde man G e s e t z e s u m g e h u n g e n fördern, wenn nur auf die beschäftigende Gesellschaft abgestellt w ü r d e : B e i Beschäftigung von 10 A r b e i t n e h m e r n müssen Belegschaftsvertreter (représentants du personnel), ab 50 ein Betriebsrat (comité d'entreprise), etc. . . . , gewählt werden. D i e künstliche Aufspaltung eines U n t e r n e h m e n s
in mehrere Gesellschaften darf nicht
zur
U m g e h u n g dieser zwingenden Vorschriften führen 4 7 . D i e verschiedenen Gesellschaften einer G r u p p e werden daher als ein einziges U n t e r n e h m e n behandelt, wenn sie einheitlich geleitet werden und ihre Aktivitäten sich ergänzen, d . h . sobald sie eine wirtschaftliche und soziale Einheit bilden 4 8 .
45 Ähnliche Bestimmungen gibt es schon, allerdings nur für börsennotierte Gesellschaften, insbesondere anläßlich des Verfahrens zur Kurserhaltung bei Paketgeschäften (procédure de maintien des cours en cas de cession de bloc de contrôle) und anläßlich des Verfahrens beim öffentlichen Abgabeangebot (offre public de retrait), das auf Betreiben der Minderheitsgesellschafter eröffnet wird ( G u y o n , aaO [Fn.2], Rdn. 601, 603). 46 Art. 1843-4 C. Civ. 47 A . S u p i o t , Groupes de sociétés et paradigme de l'entreprise: Rev. trim. dr. com. 1985, 621. 48 Soc., 27.3.1985: Bull. civ. V., Nr.221, S. 158.
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Yves G u y o n
In anderen Fällen werden durch Einbeziehung der Gruppe Ungerechtigkeiten vermieden. So werden bei einer Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer der Gewinn und insbesondere die Gewinnzuwächse global, bezogen auf die Gruppe als Ganzes und nicht getrennt nach Gesellschaften berechnet 49 . Es kann nämlich vorkommen, daß einige Tochtergesellschaften überhaupt keinen Gewinn erwirtschaften, obwohl sie zum Wohlstand der Gruppe beigetragen haben, insbesondere wenn sie im Forschungsbereich und nicht in der Produktion tätig sind. In diesen Fällen wäre es ungerecht, ihre Arbeitnehmer an Gewinnzuwächsen nicht zu beteiligen. Desgleichen hat der Arbeitnehmer, der für die Tätigkeit in einer Tochtergesellschaft freigestellt, dann aber von dieser entlassen wird, normalerweise ein Recht auf Weiterbeschäftigung bei der Muttergesellschaft. Es ist nämlich davon auszugehen, daß der Vertrag mit dieser lediglich zeitweise ausgesetzt wurde50. Schließlich ist die Einbeziehung der Gruppe manchmal das beste Mittel, um eine Verständigung zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber sicherzustellen. Aus diesem Grund sieht die lex „Auroux" vom 28. Oktober 1982 die Gründung von „Gruppenbetriebsräten" (comités d'entreprise de groupes) vor. Der Gruppenbetriebsrat erfüllt auf dem Niveau der Gruppe dieselben Aufgaben wie der Betriebsrat innerhalb der einzelnen, selbständigen Gesellschaft 51 . Ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit wurde diesem Organismus dadurch garantiert, daß die Rechtsprechung ihm unverzüglich Rechtsfähigkeit zuerkannt hat, die sich aus dem Gesetz so nicht ausdrücklich ergibt 52 . Im Arbeitsrecht wird die Gruppe also fast so behandelt, als formten ihre Gesellschaften eine Gesamtheit. Die sich aus dem Gesetz ergebenden Beschränkungen können noch durch eine Rechtsprechung verschärft werden, die immer öfter unter Gesellschaften derselben Gruppe den Durchgriff zuläßt.
E. Haftung bei Insolvenz einer Gesellschaft der Gruppe - 1 6 - Die bloß scheinbare Selbständigkeit der Gesellschaften wird oft als Argument angeführt, um die zahlungskräftigen Gesellschaften der Gruppe zu verpflichten, die Schulden anderer Gesellschaften zu bezahlen. Das Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit jeder der gruppenzugehörigen Gesellschaften wird im Interesse der Gläubiger geopfert.
49 Art. 8-4, 12 Ordonnance vom 21. O k t o b e r 1986. 50 Soc., 2 5 . 2 . 1 9 8 8 : Rev. soc. 1988, 546, mit A n m . I. VACARIE. 51 G.LYON-CAEN, Concentration et institutions représentatives du personnel dans l'entreprise: Rev. soc. 1983, 21; auch GUYON, Z G R 1985, 74, 93. 52 Soc., 2 3 . 1 . 1 9 9 0 , J . C . P. 1990, ed. E . , I I , 15755 mit A n m . NEVOT: Dr. social 1990, 322 mit Anm.J.SAVATIER.
Konzernrecht in Frankreich
91
Dieses Ergebnis kann auf mehrfache Weise erreicht werden 53 . Manchmal ist die Insolvenzerstreckung die Folge einer nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehenden (unvollkommenen) Gesamtschuld, aus der sich eine gemeinsame Haftung ergibt. Die Muttergesellschaft haftet beispielsweise dann, wenn ihre Geschäftsleiter gegenüber gutgläubigen Gläubigern den Rechtsschein erweckt haben, die Tochtergesellschaft sei lediglich eine ihrer Betriebsabteilungen 54 . Manchmal wird die Muttergesellschaft im Insolvenzverfahren ihrer Tochter dazu verurteilt, einen Teil von deren Schulden zu übernehmen, weil sie als rechtmäßige oder faktische Geschäftsleiterin durch schuldhafte Pflichtverletzung zur Insolvenz beigetragen hat 55 . Diese Verpflichtung ist seit 1985 jedoch schwieriger zu begründen, da nun eine schuldhafte Pflichtverletzung bewiesen werden muß, während sie nach altem Recht vermutet wurde 54 . Schließlich - und dies ist der schlimmste aller Fälle - können alle Gesellschaften einer Gruppe einem gemeinsamen Insolvenzverfahren unterworfen werden, weil sie eine wirtschaftliche Einheit bilden 57 . Die Reichweite dieser Insolvenzausdehnung ist vom Grad der Vermögensvermischung (confusion de patrimoine) abhängig, der zwischen den Gesellschaften bestanden hat 58 . - 1 7 - Obwohl in der Sache oft berechtigt, bereitet eine Insolvenzausdehnung auf alle Gesellschaften der Gruppe auch Schwierigkeiten. Einmal ist der Begriff der „wirtschaftlichen Einheit", der von der Rechtsprechung als Grund für die Ausdehnung angeführt wird, ungenau. Dies gilt, obwohl sich die Gerichte um die Heranziehung objektiver Kriterien, wie identisches Tätigkeitsfeld (confusion d'activité), ähnliche Firma oder Bezeichnung, gemeinsame Arbeitnehmer, Produktionsmittel und Geschäftsleiter, etc., bemühen. Die Vorhersage, ob eine Tochtergesellschaft allein haftet oder ob diese oder jene Gesellschaft der Gruppe in die Haftung miteinbezogen wird, ist folglich schwierig. Zum anderen ändert sich die Zusammensetzung der Gruppen fortwährend59. Ist der Schuldenberg über einen langen Zeitraum hinweg entstanden, wird es schwierig abzuschätzen, ob die Insolvenzausdehnung auch auf eine Gesellschaft erfolgen kann, die der Gruppe nur kurze Zeit angehört hat. Schließlich kann durch die Aberkennung der rechtlichen Selbständigkeit einer Tochtergesellschaft eine Kettenreaktion ausgelöst werden, so daß man nicht mehr weiß,
53 Y . LOUSSOUARN, La responsabilité des groupes bancaires internationaux pour leurs filiales: Travaux Association H.Capitant, B d . 3 5 , S . 4 2 9 , Paris 1986; D.SCHMIDT, Zivilrechtliche Haftung in der Gruppe, Z G R 1982, 276. 54 Com., 2 7 . 4 . 1 9 7 0 : Bull. civ. IV., N r . 136, S. 124; 2 8 . 1 1 . 1 9 8 9 : Rev. soc. 1990, 240. 55 Art. 180 G . 2 5 . 1 . 1 9 8 5 . 56 A n . 99 G . 1 3 . 7 . 1 9 6 7 . 57 Art. 182 G . 2 5 . 1 . 1 9 8 5 . 58 Vgl. z . B . C o m . , 8 . 1 1 . 1 9 8 8 : Rev. soc. 1990, 71 mit Anm. A.HONORÂT; GUYON, Droit des Affaires, Bd. 2, 2. Aufl., Rdn. 1402. 59 Vgl. oben Ziff. - 1 -.
Yves Guyon
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v o r welcher juristischen o d e r natürlichen Person gerechterweise Halt zu machen ist. S o m i t ist der Tochtergesellschaft nicht in jedem Fall im Gläubigerinteresse die rechtliche Selbständigkeit a b z u e r k e n n e n :
Sie selbst bleibt -
abgesehen
von
außergewöhnlichen U m s t ä n d e n - Schuldnerin.
IV. -18-
Zusammenfassend
wird
Schlußbemerkung man
sagen
können,
daß eine
gesetzliche
Gesamtregelung der Gesellschaftsgruppe durchaus zweischneidig wäre. Dies gilt erst recht, wenn man die G r u p p e selbst als rechtsfähig anerkennen will. Die G r u p p e n o r g a n i s a t i o n k ö n n t e so ihren Z w e c k verlieren 6 0 . N i m m t man sie jedoch gar nicht zur K e n n t n i s , fördert man M i ß b r ä u c h e , deren O p f e r die Minderheitsgesellschafter, die A r b e i t n e h m e r und die Gläubiger sind. Zwischen diesen beiden T e n d e n z e n auszugleichen und zwischen der rechtlichen Selbständigkeit und der wirtschaftlichen E i n h e i t zu wählen, fällt nicht leicht. Zur Zeit herrscht noch nicht genügend Klarheit, u m eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu fällen. V o r z u g s w ü r d i g erscheint eine pragmatische Haltung, die je nach dem, um welches P r o b l e m es geht, verschiedene Lösungen zuläßt - selbst dann, wenn dies für J u r i s t e n , die ja i m m e r nach umfassenden Regeln suchen, unbefriedigend ist.
60 CONTIN/HOYASSE, L'autonomie patrimoniale des sociétés, réflexions sur la finalité
d'une organisation juridique des groupes: D. 1971, 191.
Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien
von Professor DAN D. PRENTICE, O x f o r d *
Inhaltsübersicht I. Das Phänomen der Gesellschaftsgruppe
93
II. Bildung und Funktionieren von Gruppen 1. Bildung einer Gruppe 2. Offenlegung von Beteiligungen 3. Funktionieren einer Gruppe
% % 97 98
III. Verschiedene Rechtsgebiete mit Bedeutung für Gruppen 1. Steuerrecht 2. Rechnungslegung 3. Geschäfte der Gesellschaft mit ihren Direktoren 4. Arbeitsrecht 5. Strafrecht 6. Verschiedenes IV. Gläubigerschutz 1. Haftung der Mutter für die Schulden der Tochter 2. Disability rules V. Schutz von Minderheitsgesellschaftern
100 100 100 101 101 102 102 103 104 108 111
VI. Zusammenfassung
114
I. Das Phänomen
der
Gesellschaftsgruppe
D a s britische Gesellschaftrecht kennt kein spezielles Recht der Gesellschaftsgruppe wie etwa das deutsche Aktienrecht f ü r verbundene Unternehmen. N a t ü r lich existiert auch in Großbritannien das Phänomen, daß wirtschaftliche Aktivitäten in einer G r u p p e von Gesellschaften ausgeübt werden; 1 diese Tatsache hat sich in einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen niedergeschlagen. D a aber ein übergreifendes gesetzliches Prinzip für Gesellschaftsgruppen fehlt, ist das Regelungssystem fragmentarisch und höchst komplex. * Autor und Herausgeber danken Herrn Referendar Carsten Jaeger für die sorgfältige Ubersetzung des Manuskripts. 1 Statistiken zeigen, daß die 50 größten börsennotierten Gesellschaften des industriellen Sektors jeweils zwischen 5 und 858, zusammen über 10000 Tochter- und Enkelgesellschaften haben.
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Dan D . Prentice
Von einer Gesellschaftsgruppe wird gesprochen, wenn zwischen zwei oder mehreren Gesellschaften 2 ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht. Das liegt nach section 736 des Companies Act 19853 vor, wenn eine Gesellschaft (1) eine Stimmenmehrheit in einer anderen Gesellschaft besitzt, (2) Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft ist und dort das Recht hat, eine Mehrheit der Mitglieder des board zu ernennen oder abzuberufen oder (3) Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft ist und dort - alleine oder durch Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern - eine Stimmenmehrheit kontrolliert. 4 Gruppenaktivitäten können aber auch auf andere Weise entfaltet werden: so durch Verflechtung von Verwaltungsmandaten oder durch Beteiligungen von unter 5 0 % , wenn ansonsten nur Streubesitz vorhanden ist; außerdem kann so die Verpflichtung zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses umgangen werden. Ahnliche Bedeutung haben wechselseitige Beteiligungen und Gemeinschaftsunternehmen. Wechselseitige Beteiligungen sind in zwei Formen gebräuchlich. Zum einen als sog. „cross-holdings": Jede der Gesellschaften A, B und C hält jeweils 26 % der Anteile an den beiden anderen Gesellschaften, wobei die Direktoren der drei Gesellschaften identisch sind oder ihr Verhalten abstimmen. Weiterhin bekannt sind sog. „circular-holdings": A hält 40 % der Anteile an B, B 40 % der Anteile an C und C 40 % der Anteile an A. Wenn die Direktoren ihr Verhalten abstimmen, können sie die Gesellschaften kontrollieren. 5 Schließlich ist zu beachten, daß die Effekte einer Gruppe auch erzielt werden können, wenn eine oder mehrere Gesellschaften nicht durch eine Gesellschaft, sondern durch natürliche Personen kontrolliert werden. In dieser Konstellation - meist unter Beteiligung von private companies - wird die Konstruktion der juristischen Person häufig mißbraucht, indem ein gemeinsamer herrschender Gesellschafter das Vermögen der einen Gesellschaft zugunsten einer anderen beeinträchtigt.6
2 Der Begriff „Gesellschaft" wird im folgenden im Sinne von „Company" gebraucht. 3 Im folgenden sind Zitate von sections ohne nähere Angaben solche des Companies Act 1985. 4 Für das Vorliegen von verbundenen Gesellschaften finden sich — worauf noch einzugehen sein wird - im Gesetz aber auch noch andere Definitionen. 5 Wechselseitige Beteiligungen werden benutzt, um der gesetzlichen Regelung über die Abberufung von Direktoren die Wirkung zu nehmen. Nach section 303 können Direktoren von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit abberufen werden. Die Direktoren üben für die Anteile, die ihre Gesellschaft an den anderen hält, das Stimmrecht aus; wenn sie übereinkommen, nicht für die Abberufung zu stimmen, sind Direktoren praktisch nicht abrufbar. Bedenken gegen wechselseitige Beteiligungen ergeben sich aus section 23, dazu unten II. 6 D i e Frage ist auch, ob eine staatliche Beteiligung („golden share") zur Bildung einer Gruppe führt, dazu EMMERSON, E C takeovers, golden shares and British control, Int. Fin. L. Rev., (1988) 7, 11.
Konzernrecht in Großbritannien
95
Bei der Feststellung der Existenz einer Gruppe kommen als weiterer komplizierender Faktor grenzüberschreitende Sachverhalte hinzu: britische Tochtergesellschaften, die von ausländischen Muttergesellschaften kontrolliert werden. Die Literatur zu Investitionen im Ausland unterscheidet im Zusammenhang mit Mutter-Tochter-Verhältnissen zwischen Kontrolle und gesetzlicher Eigentümerstellung ohne diese Begriffe gleichzusetzen; sie nimmt nicht an, daß eine ausländische Mutter notwendigerweise die ihr auf Grund ihrer beherrschenden Stellung zustehenden Kontrollmöglichkeiten ausnutzt. Es mag gute wirtschaftliche Gründe dafür geben, daß eine Muttergesellschaft ihren ausländischen T ö c h tern beachtlichen Handlungsspielraum läßt. Außerdem kann es sein, daß nicht alle Bereiche der Entscheidungsfindung in der Tochter in der gleichen Stärke kontrolliert werden. Möglich ist z. B . eine Aufteilung der Untemehmenspolitik in die folgenden Bereiche: (1) Finanzen, (2) Export, (3) Preise, (4) Produktion und (5) Personal. Es kann nicht von vorneherein angenommen werden, daß das Ausmaß an Kontrolle in allen diesen Bereichen gleich ist. Es sind Befürchtungen über einen möglichen Mißbrauch der Gesellschaftsgruppe laut geworden. Das C o r k Committee hat dann auch in seinem Bericht zur Insolvenzreform 7 Vorschläge zur Haftung der Gruppengesellschaften im Insolvenzfall
gemacht. 8 Trotzdem
besteht in Großbritannien
kein
großes
Bedürfnis, Regeln einzuführen, die sich umfassend mit den Fragen und Problemen einer Gesellschaftsgruppe beschäftigen. Das mag mit der britischen Rechtskultur zusammenhängen. Englisches Gesetzesrecht ist außerordentlich pragmatisch: anstatt allgemeine Prinzipien aufzustellen, die alle unvorhergesehenen Fälle erfassen, werden die sich stellenden Fragen individuell und ad hoc behandelt. Diese Betonung des Einzelfalls im gesetzgeberischen Konzept basiert auch auf dem Bedürfnis, ein großes Maß an Sicherheit hinsichtlich der Reichweite einer gesetzlichen Regelung zu erreichen. Es ist kennzeichnend für englische Gesetzeskultur, daß Anwälte — insbesondere im wirtschaftlichen Bereich - einer Wirtschaftsgesetzgebung mit weit formulierten Prinzipien feindlich gegenüberstehen. Ein gesetzgeberisches Konzept wie das der „Kontrolle" ohne nähere, detaillierte Bestimmung würde auf starken Widerstand stoßen. Außerdem wird noch zu zeigen sein, daß viele Probleme, die mit Gesellschaftsgruppen in Verbindung gebracht werden, keine speziellen Probleme der Gruppenform sind, 7 Report of the Review Committee on Insolvency Law and Practice, 1982, Kapitel 51 (im folgenden Cork Committee Report). Dieser Bericht führte zur umfassenden Reform des britischen Insolvenzrechts, wie es jetzt im Insolvency Act 1986 enthalten ist. 8 Alle Gesellschaften einer Gruppe sollten für die externen Verbindlichkeiten der Gruppe gesamtschuldnerisch haften, wenn eine entsprechende Anerkennung der Gruppenhaftung eingetragen und publiziert worden war. Die Gerichte sollten in der Insolvenz einer Gruppengesellschaft die Möglichkeit haben, eine andere Gruppengesellschaft für die Verbindlichkeiten der insolventen Gesellschaft haftbar zu machen, Cork Committee Report, Kapitel 51, para. 1934.
96
Dan D . Prentice
sondern allgemein auftreten, wenn die beschränkte Haftung einer Gesellschaft benutzt wird, um eine Geschäftstätigkeit auszuüben. Dementsprechend werden diese Probleme von den allgemein für companies geltenden Grundsätzen erfaßt, was wiederum das Bedürfnis für ein eigenes Recht der Gesellschaftsgruppe vermindert hat.
II. Bildung und Funktionieren von Gruppen Das englische Recht setzt dem Entstehen einer Gruppe keine wesentlichen Hindernisse entgegen, wenn auch - wie noch zu zeigen sein wird - im Hinblick auf das Funktionieren der Gruppe ein Spannungsverhältnis zwischen rechtlicher Theorie und Wirtschaftspraxis besteht. Außerdem besteht ein großes Maß an Transparenz, was die Angelegenheiten der Gruppe betrifft.
1. Bildung einer Gruppe Eine Gesellschaft darf Anteile an einer anderen Gesellschaft halten. Das Gesetz bestimmt, daß eine Gesellschaft mindestens zwei Gesellschafter haben muß. Doch das schließt auch die Möglichkeit einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft nicht aus, denn ein Gesellschafter kann seine Anteile als Strohmann (nominee) des anderen halten.9 Eine Tochter- oder Enkelgesellschaft darf keine Anteile an der Muttergesellschaft halten, section 23. Das Verbot gilt nicht, wenn die Tochter Anteile als Vertreter oder Treuhänder - also nicht eigennützig - hält. Mehrere Gründe sprechen für dieses Verbot: (1) es verhindert, daß die Mutter mit ihren eigenen Aktien handelt, (2) es verhindert eine Verwässerung des Kapitals der Mutter und (3) schließlich verhindert es, daß sich die Direktoren der Mutter mit Hilfe der Stimmen der Tochter selbst im Amt halten. Wenn eine Gesellschaft die Stellung einer Muttergesellschaft (im Sinne von section 736) gegenüber einer anderen Gesellschaft erlangt und diese (neue) Tochtergesellschaft schon vorher Anteile an der (jetzigen) Muttergesellschaft besaß, darf sie diese behalten; die Tochter kann auch an Kapitalmaßnahmen der Mutter teilnehmen, sie darf aber das Stimmrecht aus diesen Anteilen nicht ausüben. 9 Wenn die Anteile einer Tochter von der Mutter und einem Direktor der Mutter gehalten werden, kann daraus prima facie gefolgert werden, daß der Direktor seine Anteile als Strohmann für die Mutter hält, Re Exchange Control (Holdings) Travel Ltd [1991] B C L C 728. Das Erfordernis von mindestens zwei Gesellschaftern beruht nicht auf grundsätzlichen Bedenken gegen die Einmanngesellschaft, sondern soll nur die Schwierigkeiten verringern, die bei einer Einmanngesellschaft auftreten können, wenn der einzige Gesellschafter stirbt oder verschwindet. In Umsetzung der zwölften Richtlinie ( 8 9 / 6 6 7 / E W G ) muß aber auch in Großbritannien die Einmanngesellschaft eingeführt werden.
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97
Das englische Recht verlangt, daß eine public Company mindestens zwei, eine private Company mindestens einen Direktor hat; auch eine Company selbst kann
Direktor sein.' 0
2. Offenlegung
von
Beteiligungen
Das englische Recht verlangt weitgehende Offenlegung von Beteiligungen" an public companies. Wenn jemand ein „Interesse" von drei Prozent oder mehr am relevanten Aktienkapital einer public Company erwirbt oder ein entsprechendes „Interesse" aufhört fortzubestehen, muß er dieses „Interesse" oder etwaige Änderungen innerhalb von zwei Tagen aufdecken, sections 198, 199, 202, 208. „Relevantes Aktienkapital" meint solche Aktien, die unbeschränktes Stimmrecht gewähren. Diese Pflicht zur Aufdeckung erfaßt auch ein „Interesse" von Ehegatten, minderjährigen Kindern und companies, die der Betreffende kontrolliert. 12 Eine Offenlegung muß auch hinsichtlich der Aktien geschehen, die Personen auf Grund eines abgestimmten Verhaltens erworben haben. 13 Wenn eine public Company den begründeten Verdacht hat, daß jemand ein „Interesse" an ihren Aktien hat oder während der vergangenen drei Jahren hatte, kann sie ihn auffordern, dieses „Interesse" aufzudecken.14 Wenn die Gesellschaft keine zufriedenstellende Antwort erhält, kann sie eine gerichtliche Anordnung erwirken, durch die die Rechte aus den betreffenden Aktien suspendiert werden, bis die erwünschten Auskünfte erteilt worden sind oder die Anordnung aufgehoben wurde.15 Die Gerichte messen dem Recht der Gesellschaft und der Öffentlichkeit zu erfahren, wer tatsächlicher Inhaber der Aktien ist, große Bedeutung zu. 16 10 Siehe sections 2 8 2 , 2 8 9 (1) (b) und Re Bulawayo Market and Offices C o . [1907] 2 C h . 458. 11 Unter Beteiligung ist nicht nur die Inhaberschaft an Gesellschaftsanteilen zu verstehen, sondern jeder „interest in shares", also z. B. auch Anteile, die jemandem mittels eines Trusts zustehen; Anteile, auf deren Erwerb er ein Recht hat oder bei denen er die Ausübung des Stimmrechts kontrollieren kann, siehe im einzelnen section 208. 12 Section 203. Zu beachten ist, daß eine solche Kontrolle schon vorliegt, wenn der Betreffende die Kontrolle über ein Drittel der Stimmen in der Hauptversammlung innehat, section 203 (3). 13 Sections 204-206. Dadurch soll ein Anteilserwerb im Vorfeld eines Übernahmeangebots aufgedeckt werden. 14 Section 212. Eine Aktionärsminderheit, die zehn Prozent des stimmberechtigten Kapitals hält, kann von der Gesellschaft die Ausübung dieses Rechts verlangen, section 214. 15 Sections 216, 454. Die Gesellschaft muß die Informationen, die sie erhalten hat, aufzeichnen und offenlegen, sections 213, 219. Die Satzung der Gesellschaft kann auch vorsehen, daß die Gesellschaft selbst das Recht hat, die Rechte aus den Aktien zu suspendieren. Femer kann der Minister Prüfer einsetzen, um die Inhaberschaft von Aktien zu erforschen, section 442. 16 Re F H Holdings plc [1985] B C L C 293, 300. Für die Berechtigung des Auskunftsbegehrens spielen die Motive der Direktoren keine Rolle, Re T R Technology Investment plc [1988] B C L C 256.
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Die dargestellten Regeln sowie die Pflicht zur Offenlegung einer MutterTochter-Beziehung in den Jahresabschlüssen beider Gesellschaften führen zu einer weitgehenden Transparenz der Beteiligung an einer public Company.
3. Funktionieren
einer
Gruppe
a) Maßgebendes Prinzip des englischen Gesellschaftsrechts ist es, eine Gesellschaft - auch wenn es sich um eine hundertprozentige Tochter handelt - , als selbständige rechtliche Einheit zu behandeln. Ihre Interessen (welche auch immer das sein mögen) können durch die der Muttergesellschaft oder einer anderen Gesellschaft der Gruppe nicht überspielt werden; die Direktoren einer Gesellschaft dürfen die Interessen ihrer Gesellschaft nicht opfern. 17 So stehen Direktoren nicht - wie gegenüber ihrer eigenen Gesellschaft - in einem Treueverhältnis (fiduciary duty) zur Muttergesellschaft; dasselbe gilt für die Direktoren der Muttergesellschaft gegenüber der Tochter. Daraus folgt auch, daß die Muttergesellschaft mit der Tochtergesellschaft keinen rechtlich wirksamen Beherrschungsvertrag abschließen kann, denn das würde einen Verzicht der Direktoren der Tochter auf ihre Verantwortung bedeuten und eine Pflichtverletzung darstellen. M. E. hat sich daran auch nichts durch die neuen Vorschriften des Companies Act 1989 im Bereich des konsolidierten Abschlusses geändert, die die Zulässigkeit eines Beherrschungsvertrages anzuerkennen scheinen. 18 Das Erfordernis, daß jede Gesellschaft einer Gruppe als rechtlich selbständige Einheit zu behandeln ist, wirft folgende Probleme auf: (1) Vereinbarkeit von Rechtsdogmatik und Wirtschaftspraxis. (2) Außerdem stellt sich die Frage, was unter den Interessen einer Gesellschaft zu verstehen ist, insbesondere dann, wenn es sich um eine hundertprozentige Tochter handelt. Es besteht Ubereinstimmung darüber, daß - entgegen der rechtlichen Dogmatik - die Geschäfte einer gruppenzugehörigen Gesellschaft häufig tatsächlich im Gruppeninteresse geführt werden. Wirtschaftlich wird die Gruppe dann als Einheit behandelt. So kommt es vor, daß innerhalb der Gruppe Vermögensgegenstände unter Marktwert übertragen, Darlehen zinslos oder zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zins gewährt oder Dividenden von der Tochter an die Mutter ohne Rücksicht auf den Liquiditätsbedarf der Tochter ausgeschüttet werden. Üblich ist auch z. B., daß die jeweils anderen Gruppengesellschaften die Rückzahlung eines einer Gruppengesellschaft gewährten Kredits garantieren („cross-guarantees"). 19 17 Charterbridge Corporation Ltd. v. Lloyds Bank Ltd. [1970] Ch. 62, 74. 18 Dazu noch unten III. 2. 19 Charterbridge Corporation Ltd. v. Lloyds Bank Ltd. [1970] Ch. 62; Brown v. Cork [1985] B C L C 363. Eine Garantie der Mutter für die Schulden der Tochter ist leichter
Konzernrecht in Großbritannien
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Sind die verschiedenen Gruppengesellschaften solvent - und ist Gläubigerschutz daher kein Thema
erscheint es möglich, rechtliche Dogmatik und
wirtschaftliche Realität weitgehend miteinander in Einklang zu bringen, wenn die Geschäfte der Gruppengesellschaften im Gruppeninteresse geführt werden: Denn man kann sich auf den Standpunkt stellen, daß dann die Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder praktisch identisch sind mit dem Gruppeninteresse selbst; was im Interesse der Gruppe ist, ist auch im Interesse der einzelnen Gruppenmitglieder. 20 Natürlich werden Direktoren von Gruppengesellschaften häufig nach den Anweisungen ihrer Muttergesellschaft handeln und dabei die Interessen ihrer eigenen Gesellschaft außer acht lassen. Dieser Fehler stellt aber die Wirksamkeit eines Geschäfts zwischen der Gesellschaft und einem Dritten nicht in Frage, wenn die Gesellschaft solvent ist und „ein intelligenter und ehrlicher Mensch in der Lage eines Direktors der betroffenen Gesellschaft in Anbetracht
aller Umstände
vernünftigerweise
annehmen
konnte, daß
die
Geschäfte im Interesse der Gesellschaft lägen." 2 1 Wenn allerdings Situationen auftreten, in denen die Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder nicht mit dem Gruppeninteresse gleichgesetzt werden können, dürfen Direktoren das Gruppeninteresse nicht verfolgen, wenn das nicht auch gleichzeitig im Interesse der jeweiligen Gruppengesellschaft erfolgt. Solche Geschäfte wären anfechtbar (aber nicht nichtig); ein Dritter, der von dem Fehlverhalten der Direktoren keine Kenntnis hat, könnte von der Gesellschaft Erfüllung verlangen. 22 b) Wie schon erwähnt, dürfen Direktoren einer gruppenzugehörigen Gesellschaft nur Geschäfte abschließen, die im Interesse dieser Gesellschaft sind; sie dürfen das Gesellschaftsinteresse dem Interesse der Gesellschaftsgruppe nicht unterordnen. Dann stellt sich aber die Frage, was unter dem „Interesse der Gesellschaft" zu verstehen ist, insbesondere wenn es sich um eine hundertprozentige Tochter handelt. Das englische Recht gibt keine besonders klare Antwort, und sie wird von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. Wenn die Gesellschaft solvent ist, ist das Interesse der Gesellschaft das ihrer Gesellschafter. 2 3 Hat die Gesellschaft bedeutende Gläubiger, dann haben sie vorrangige Ansprüche und bestimmen im wesentlichen das Gesellschaftsinteresse; ist die Gesellschaft
20 21 22 23
zu rechtfertigen als der umgekehrte Fall, da die Mutter offensichtlich daran interessiert ist, ihre Investition in der Tochter zu schützen. Aber es kann auch sein, daß eine Tochter ein Interesse daran hat, eine Schwestergesellschaft zu unterstützen: so z.B. zwischen einer Produktions- und einer Vertriebsgesellschaft. Anders, wenn eine Gruppengesellschaft insolvent ist; dazu später. Charterbridge Corporation Ltd. v. Lloyds Bank Ltd. [1970] Ch. 62, 74. Allerdings begehen die Direktoren eine Pflichtverletzung. Roiled Steel Products (Holdings) Ltd. v. British Steel Corporation [1986] Ch.246. Brady v. Brady [1988] BCLC 20, 40; Multinational Gas and Petrochemical Co. Ltd. v. Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd. [1983] 2 All ER 563, 585.
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100
insolvent, bestimmt sich das Gesellschaftsinteresse ausschließlich nach den Gläubigerinteressen.24 c) Von Interesse für Gruppen mit hundertprozentigen Töchtern sind bestimmte Erleichterungen, die das Gesetz für private companies vorsieht. So können private companies Beschlüsse auch in einem schriftlichen Abstimmungsverfahren fassen, ohne daß eine Gesellschafterversammlung einberufen werden muß.25 Ferner kann eine private Company einstimmig beschließen, daß bestimmte gesetzliche Erfordernisse nicht eingehalten zu werden brauchen, wie z. B. das Abhalten von Gesellschafterversammlungen oder die jährliche Bestellung von Abschlußprüfern („elective regime", section 379 A).
III.
Verschiedene Rechtsgebiete
mit Bedeutung für
Gruppen
1. Steuerrecht Das Steuerrecht kennt eine Vielzahl von Vorschriften für die Gewinnbesteuerung von Gesellschaften einer Gruppe. Das zugrundeliegende Prinzip dieser Regelungen ist es, die Gesellschaftsgruppe für steuerliche Zwecke als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, damit die Verteilung der Steuerlast nicht davon abhängt, ob wirtschaftliche Aktivitäten durch eine Gesellschaft mit unselbständigen Abteilungen oder durch mehrere rechtlich selbständige Einheiten verfolgt werden.26 Das ist eine deutliche Abkehr von der rechtlich getrennten Behandlung von Gruppengesellschaften und eine klare Anerkennung der wirtschaftlichen Realität der Gruppe.
2.
Rechnungslegung
Eine Muttergesellschaft muß einen konsolidierten Jahresabschluß in bezug auf ihre Aktivitäten als „Mutterunternehmen" unter Einbeziehung ihrer „Tochterunternehmen" aufstellen, section 227. Zu beachten ist der Begriff „Unternehmen" anstelle von „Gesellschaft". Damit werden sowohl Körperschaften (body 24 Brady v. Brady [1988] B C L C 20, 40. Dies ist auch die Position des englischen Insolvenzrechts, Ayerst v. C & K . Construction Ltd. [1976] A . C . 167; Re Rica Gold Washing C o (1879) 11. Ch. D 346. 25 Section 381 A; Ausnahmen bestehend für die Abberufung von Direktoren und Abschlußprüfern. Schon immer war es möglich, wirksame Beschlüsse informell, aber einstimmig zu fassen, Re Duomatic Ltd. [1969] 2 Ch. 365 und jetzt section 381 C. 26 Zwei Beispiele: Innerhalb einer Gruppe - erforderlich ist hier eine Beteiligung von 75 % — können bestimmte Steuererleichterungen (z. B. Verluste) beliebig verschoben werden. Außerdem ist ein Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen innerhalb der Gruppe steuerneutral.
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101
corporate) als auch Personengesellschaften (partnership) und Vereine (unincorporated association), sofern sie ein Gewerbe betreiben, erfaßt, section 259 (1). Section 258 enthält eine ausführliche Definition, wann zwischen zwei Unternehmen ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht. Ein solches besteht neben den Fällen der section 736 u. a. auch dann, wenn ein Unternehmen einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes Unternehmen auf Grund von dessen Satzung oder auf Grund eines Beherrschungsvertrages (control contract) 27 ausüben kann. Erfaßt werden außerdem verschiedene Fälle faktischer Kontrolle. Mit dieser Definition der Gruppe im Zusammenhang mit dem konsolidierten Abschluß hat der englische Gesetzgeber zum ersten Mal versucht, das Phänomen der Gruppe nach wirtschaftlichen Realitäten zu erfassen. Es spricht nichts dagegen, diesen Gruppenbegriff gegebenenfalls auch auf andere Rechtsbereiche zu übertragen.
3. Geschäfte der Gesellschaft mit ihren Direktoren Eine Anzahl von Vorschriften des Companies Act 1985 regelt oder verbietet bestimmte Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Direktoren, die als Mißbrauch angesehen werden oder die Gefahr des Mißbrauchs schaffen. So verbieten sections 330 (2), (3), 331 (6), 346 einer public Company, ihren Direktoren oder mit ihnen verbundenen Personen Darlehen zu gewähren. Unter einer „verbundenen Person" wird u. a. eine Gesellschaft verstanden, an der der Direktor mehr als ein Fünftel der Stimmrechtsaktien - oder ein „Interesse" daran - hält.
4. Arbeitsrecht Früher durften Direktoren Arbeitnehmerinteressen nur insoweit berücksichtigen, als sie sich mit den Interessen der Gesellschaft deckten. Das hat sich 1980 27 Der Begriff „Beherrschungsvertrag'" ist in Schedule 10 A des Companies Act 1985 definiert. Dabei muß das Recht des Staates, in dem das beherrschte Unternehmen gegründet worden ist, einen solchen Beherrschungsvertrag erlauben (Schedule 10 A, para. 4 (2)). Nach der Definition in para. 4 (1) verpflichtet der Abschluß eines Beherrschungsvertrages die Direktoren des beherrschten Unternehmens, nach Weisungen des herrschenden Unternehmens zu handeln, unabhängig davon, ob ein solches Handeln im Interesse des beherrschten Unternehmens liegt. Eine solche Vereinbarung kann nach englischem Recht nicht wirksam getroffen werden, denn Direktoren können nicht vertraglich von ihren Pflichten gegenüber der Gesellschaft entbunden werden, section 310. Möglich wäre danach aber ein BeherTSchungsvertrag zwischen einer englischen Mutter und einer deutschen Tochter, sofern der Beherrschungsvertrag den Erfordernissen des deutschen Rechts genügt. Die siebente Richtlinie (83/349/EWG) verlangt von den Mitgliedstaaten nicht, Beherrschungsverträge zu erlauben.
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mit der Einführung einiger neuer Vorschriften geändert. Nach section 309 müssen die Direktoren bei der Erfüllung ihrer Aufgaben jetzt auch die Interessen der Arbeitnehmer im Ganzen berücksichtigen. Diese Pflicht besteht aber nur gegenüber der Gesellschaft; außerdem werden die Interessen der Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften nicht erfaßt. In einem Sonderfall finden aber auch deren Interessen Berücksichtigung: Nach section 719 kann die Gesellschaft aus verteilbaren Uberschüssen Ausgleichszahlungen an ihre Arbeitnehmer oder die einer Tochtergesellschaft leisten, wenn das Unternehmen der Gesellschaft oder einer Tochter ganz oder teilweise veräußert wird. Damit ist die Realität der Gruppe zumindest teilweise anerkannt. Weitergehende Vorschläge zur Anerkennung der Interessen der Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe finden sich im Bullock Committee Report von 1977. So sollte zum einen u. a. dann eine Vertretung der Arbeitnehmer im board der Muttergesellschaft vorgesehen werden, wenn die Gruppe mindestens 2000 Arbeitnehmer beschäftigte. Zum anderen sollten die Direktoren verpflichtet sein, die Interessen auch der Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften zu berücksichtigen. Gegenwärtig ist es aber unwahrscheinlich, daß die Stellung der Arbeitnehmer gesetzlich weiter verstärkt wird.28 5. Strafrecht Strafrechtliche Fälle im Zusammenhang mit Gesellschaftsgruppen sind nicht bekannt. Es steht aber nichts entgegen, die Muttergesellschaft u. U. haftbar zu machen wegen Diebstahls von Vermögen der Tochtergesellschaft, selbst wenn es sich um eine hundertprozentige Tochter handelt.29 6.
Verschiedenes
Die Existenz einer Gruppe ist noch in verschiedenen anderen Bereichen anerkannt. So haben z. B. Sonderprüfer das Recht, ihre Untersuchungen auch auf Tochter- oder Muttergesellschaften zu erstrecken.30 28 Für einen Fall, in dem den Arbeitnehmern Schaden zugefügt wurde, weil die Gruppe nicht als wirtschaftliche Einheit betrachtet wurde, siehe Thompson v. Asda-Mfi Group plc [1988] 2 W.L.R. 1093 (die Veräußerung einer Tochtergesellschaft durch die Mutter hatte zur Folge, daß die Arbeitnehmer der Tochter ihr Recht verloren, Optionen auf Aktien der Mutter auszuüben). 29 Ein Diebstahl wurde z. B. bejaht durch die beiden einzigen Gesellschafter und Direktoren; da sie unredlich gehandelt hatten, wurden ihre Kenntnis und Zustimmung der Gesellschaft nicht zugerechnet, Re Attorney-General's Reference (No.2 of 1982) [1984] B C L C 60. Siehe auch VIRGO, Stealing from the Small Family Business (1991) 50 C . L . J . 464.
30 Section 433. Ein Abwickler darf Informationen, die er im Rahmen seines Untersuchungsrechts erlangt hat, an andere Gesellschaften innerhalb der Gruppe weitergeben, sections 235-237 Insolvency Act 1986; Re Esal (Commodities) Ltd. [1989] B C L C 59.
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IV.
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Gläubigerschutz
In Großbritannien wird der Frage der Haftung der Mutter für die Schulden der Tochter einige Bedeutung zugemessen. Mehrere richterrechtliche und gesetzliche Prinzipien können fruchtbar gemacht werden, um eine Haftung der Mutter für die Schulden ihrer Tochter zu begründen. Diese Prinzipien werden durch zwei wichtige Gesichtspunkte gekennzeichnet. Zum einen begründen sie eine Haftung der Mutter nicht allein aus der Tatsache heraus, daß eine Gruppe besteht; erforderlich ist darüber hinaus, daß die Mutter in irgendeiner Form ihren Einfluß mißbraucht. Zum anderen gelten diese Prinzipien in der Regel nur im Zusammenhang mit einer Insolvenz. Außerdem gibt es Vorschriften, die einer Muttergesellschaft - oder anderen Gruppengesellschaften - verbieten, bei der Auflösung einer Gruppengesellschaft bestimmte Forderungen geltend zu machen (disability rules). Damit soll verhindert werden, daß Verbindlichkeiten aus dem Innenbereich der Gruppe gleichrangig mit oder bevorzugt vor Verbindlichkeiten von außenstehenden Gläubigern durchgesetzt werden können. 31 Bevor diese Regeln im einzelnen untersucht werden, soll auf die Gründe eingegangen werden, weshalb das britische Gesellschaftsrecht für die Haftung der Mutter verlangt, daß sie ihre Position mißbraucht hat, und nicht die bloße Existenz einer Gruppe genügen läßt. Erstens soll die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung durch den Gebrauch der Rechtsform der Company nicht nur natürlichen Personen, sondern auch einer Gesellschaft zugute kommen. Natürlich kann die Haftungsbeschränkung mißbraucht werden, doch die bloße Tatsache, daß das Haftungsrisiko abgekoppelt wird, ist für sich noch kein Beweis für einen Mißbrauch. Das Gesellschaftsrecht sollte so flexibel sein, einerseits zu erlauben, das Haftungsrisiko durch den Gebrauch von Tochtergesellschaften zu begrenzen, aber andererseits sicherzustellen, daß dies nicht zu unzumutbaren Gefahren für andere führt. 32 Eine Zustandshaftung würde die unternehmerische Initiative beeinträchtigen.33 Zweitens kann es zur Benachteiligung von Gläubigern kommen. Wird das gesamte Vermögen der Gruppe für die Schulden eines Gruppenmitglieds haftbar gemacht, so sind diejenigen Gläubiger benachteiligt, die nur mit einer solventen Gruppengesellschaft Geschäfte gemacht haben. U m diesem Risiko zu entgehen, müßten sich Personen, die mit einer Gruppengesellschaft Geschäfte tätigen 31 Allgemein dazu siehe PRENTICE, in: Schmithoff/Wooldridge (Hrsg.), Groups of C o m panies, Kapitel IV. 32 Die Schwierigkeit besteht dann natürlich darin, die Grenze festzustellen: Läge z. B. ein Mißbrauch der Haftungsbeschränkung vor, wenn eine Ölgesellschaft für jeden Öltransporter eine eigene Gesellschaft gründen würde, um so die Haftung für mögliche Umweltschäden zu begrenzen? 33 C o r k Committee Report, Cmnd. 8558, para. 1940.
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Dan D . Prentice
wollen, zunächst auf kostspielige Weise über die Kreditwürdigkeit jeder einzelnen Gruppengesellschaft informieren. Drittens würde eine Zustandshaftung zu einer Bevorzugung der Minderheitsgesellschafter der Tochter gegenüber den Gesellschaftern der Mutter führen: Die potentielle Haftung der Mutter ist praktisch eine kostenlose Garantie zugunsten der Tochter, ohne daß diese dafür zahlen müßte. Das würde zu einer Vermögensverschiebung von den Gesellschaftern der Mutter hin zu den Minderheitsgesellschaftern der Tochter führen, ohne daß die Gesellschafter der Mutter dafür einen Ausgleich erhielten. Schließlich würden bei einer allgemeinen Haftung der Mutter Probleme bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Haftung auftreten: Würde die Haftung der Mutter enden, wenn eine Gesellschaft die Gruppe verläßt, oder würde sie in irgendeiner Form fortdauern?34
1. Haftung
der Mutter für die Schulden der
a) Durchgriffshaftung
(„piercing the corporate
Tochter veil")
Es gibt eine Anzahl von Fällen, in denen die Gerichte eine Durchgriffshaftung angenommen und eine Muttergesellschaft für die Schulden ihrer Tochter haftbar gemacht haben. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei um Ausnahmefälle handelt; als Regel gilt die strikte Respektierung der rechtlichen Selbständigkeit jeder Gesellschaft. 35 Die Gerichte haben eine Haftung der Mutter angenommen, wenn die Tochter unterkapitalisiert war oder von der Mutter vollständig beherrscht wurde. Diese Fälle im einzelnen zu analysieren, würde wenig nützen, da sie keine allgemeinen Prinzipien aufstellen, auf Grund derer man vorhersagen könnte, wann die Gerichte einen Durchgriff annehmen wollen. Es gibt eine Reihe von praktisch identischen Fällen, in denen die Gerichte zu ganz anderen Ergebnissen gekommen sind.36 Klar ist nur, daß sie nicht bereit sind, die Gruppe als rechtliche Einheit zu behandeln.37 Insgesamt läßt sich sagen, daß im Bereich der Durchgriffshaftung von der Rechtsprechung wahrscheinlich nicht allzuviel Kreativität zu erwarten ist. Das liegt einmal an der Doktrin, die rechtliche Selbständigkeit jeder Gesellschaft zu respektieren, aber auch an richterlichem Konservatismus. Zudem erscheint es 34 C o r k Committee Report, Cmnd. 8558, para. 1944. 35 Siehe ROSKILL L.J. in T h e Albarzero [1975] 3 W . L . R . 491, 521. 36 Siehe z . B . D . H . N . Food Distributors Ltd. v. Tower Hamlets London Borough Council [1976] 1 W . L . R . 852; Woolfson v. Strathclyde Regional Council 1978 S.C. ( H . L . ) 90. 37 So jüngst wieder Adams v. capte Industries Plc [1990] B C L C 479 für eine Produktionsund eine Marketinggesellschaft.
Konzernrecht in Großbritannien
105
angesichts der Komplexität der Haftungsfragen in der G r u p p e angebracht, die Regelung dem Gesetzgeber zu überlassen. 38
b) Haftung
der
aa) Wrongful
Direktoren trading
Das englische Gesellschaftsrecht kennt seit 1929 Vorschriften, die eine persönliche H a f t u n g von Direktoren anordnen, die die Angelegenheiten der Gesellschaft mit der Absicht geführt haben, die Gesellschaftsgläubiger zu betrügen. Die gegenwärtig wichtigste Vorschrift ist section 214 des Insolvency Act 1986. Die Vorgängervorschrift der section 332 des Companies Act 1948 war aus mehreren Gründen nicht effektiv: Sie verlangte eine betrügerische Absicht, die schwer zu beweisen war. 39 Außerdem wurde auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Direktors abgestellt, so daß bloßes unvernünftiges Verhalten eine H a f t u n g nicht begründen konnte. Schließlich mußte bewiesen werden, daß die Person die Geschäfte der Gesellschaft geführt hatte; dies war nicht immer leicht. 40 Nach section 214 Insolvency Act 1986 kann ein Direktor f ü r die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden, w e n n die Gesellschaft wegen Insolvenz aufgelöst wird und wenn der Direktor einige Zeit vor der Insolvenz „wußte oder hätte wissen müssen, daß es keine vernünftige Aussicht gab, daß die Gesellschaft nicht insolvent werden würde". Dabei wird das „allgemeine Wissen, die Fähigkeiten und Erfahrung, die vernünftigerweise von einer Person erwartet werden können, die dieselben Funktionen wie der betreffende Direktor ausübt" zugrunde gelegt. 41 Hier wird also ein objektiver Maßstab gebraucht. Ein Direktor haftet nicht, wenn das Gericht überzeugt ist, daß er „jede erforderliche Maß-
38 Uberraschenderweise haben die Gerichte auch keine Grundsätze entwickelt, die einen besseren Schutz von unfreiwilligen Gläubigern gewährleisten, so z. B. wenn Dritte durch eine unerlaubte Handlung einer unterkapitalisierten Tochtergesellschaft geschädigt werden. 39 Derartiges Verhalten ist aber auch unter geltendem Recht sanktioniert: sections 458 Companies Act 1985 (Strafbarkeit unabhängig von einer möglichen Insolvenz), 213 Insolvency Act 1986. 40 Siehe z.B. Re Augustus Barnett & Son Ltd. [1986] BCLC 170 für einen Fall, wo die Mutter Beistandserklärungen (letter of comfort) zugunsten der Tochter abgegeben hatte. Das begründete keine Haftung nach section 332 Companies Act 1948. Vgl. auch Kleinwort Benson Ltd. v. Malaysia Mining Corp. Bhd. [1989] 1 W.L.R. 379 sowie PRENTICE, Parent Company's Liability For The Debts Of Its Subsidiary (1987) 103 L.Q.R. 11. 41 Section 214 (4) Insolvency Act 1986; der Direktor muß ferner die ihm eigenen Fähigkeiten anwenden.
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nähme unternommen hat, um den möglichen Verlust für die Gesellschaftsgläubiger zu minimieren", section 214 (3) Insolvency Act 1986. Ein bedeutsamer Gesichtspunkt dieser Haftung ist, daß sie auch faktische Direktoren („shadow directors") erfaßt. Faktische Geschäftsführung liegt vor, wenn Direktoren einer Gesellschaft gewöhnt sind, auf Anweisung bestimmter Personen zu handeln; bloße Ratschläge von Fachleuten fallen nicht darunter. Diese Regelung findet auch auf Muttergesellschaften Anwendung, wenn diese wie häufig der Fall - ihren Tochtergesellschaften Anweisungen erteilen/ 2 Im Zusammenhang mit section 214 Insolvency Act 1986 sind im Hinblick auf eine Haftung der Mutter für die Schulden der Tochter folgende Gesichtspunkte hervorzuheben: (1) Für die Anwendung der Vorschrift muß bewiesen werden, daß die Mutter als faktischer Direktor der Tochter gehandelt hat. Das wird z. B. nicht schon automatisch dann angenommen, wenn eine Gesellschaft mehrheitlich an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist und selbst dann nicht, wenn es sich um eine hundertprozentige Tochter handelt. Jedoch wird eine Muttergesellschaft häufig schwerlich leugnen können, daß sie die Geschäftsführung der Tochter kontrolliert, da ein solches Verhalten aus den Gesellschaftsunterlagen ersichtlich ist (Protokolle der Gesellschafterversammlung, Bilanzen). Bei einer hundertprozentigen Tochter oder wenn die Direktoren der Mutter und der Tochter identisch sind, wird die Annahme einer faktischen Geschäftsführung durch die Mutter praktisch unwiderlegbar sein. (2) Die Haftung ist beschränkt auf den Fall, daß die Gesellschaft wegen Insolvenz aufgelöst wird, und dient daher in erster Linie dem Schutz der Gläubiger und nicht dem der Minderheitsgesellschafter. Wenn die Mutter die Tochter zum Nachteil der Minderheitsgesellschafter schädigt und das nicht letztlich zur Auflösung der Tochter wegen Insolvenz führt, greift die Vorschrift nicht ein. (3) Greift die Vorschrift ein, müssen die betroffenen Direktoren einen Beitrag zum Gesellschaftsvermögen nach gerichtlicher Anordnung leisten. Das soll der Betrag sein, um den das Gesellschaftsvermögen erkennbar durch das in Rede stehende Verhalten der Direktoren vermindert worden ist. 43 Dieser Betrag kann mehr umfassen als die Ausfälle der Gläubiger; Direktoren können auch für die ihnen gezahlte Vergütung haftbar gemacht werden. Eine gerichtliche Anordnung kann nicht zugunsten nur einer bestimmten Gruppe von Gläubigern ergehen. 44 42 Es ist auch versucht worden, auf diese Weise die Haftung einer Bank zu begründen, die als gesicherter Gläubiger auf die Geschäftsführung eingewirkt hatte; das Gericht ist aber nicht auf die Begründetheit der Klage eingegangen, Re a Company (No 005009) ex parte Corp. [1989] BCLC 13. Allgemein siehe PRENTICE, Creditor's Interests and Director's Duties (1990) 10 O.J.L.S. 265. 43 KNOX, J „ in Re Produce Marketing Consortium Ltd. ( N o 2) [1989] B C L C 520. 44 Re Purpoint Ltd. [1991] B C L C 491.
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(4) Wenn ein Direktor durch gerichtliche Anordnung haftbar gemacht wird, kann dies ein Grund sein, ihm für einen Zeitraum bis zu fünfzehn Jahren die Ausübung des Amtes eines Direktors zu untersagen, section 10 Company Directors Disqualification Act 1986. Von der Möglichkeit, Direktoren Berufsverbot zu erteilen, wird umfänglich Gebrauch gemacht. Da section 214 Insolvency Act 1986 eine relativ junge Vorschrift ist, wird ihre Wirkung erst künftig zu spüren sein; man kann aber annehmen, daß die Wirkung beachtlich sein wird. Die Aussicht, persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften und außerdem Berufsverbot zu erhalten, wird ein starker Anreiz für Direktoren sein, eine Gesellschaft aufzulösen, wenn sie nicht mehr profitabel arbeitet. Obwohl section 214 Insolvency Act 1986 eine Mutter nicht direkt für die Schulden ihrer Tochter haftbar macht, bedeutet die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf faktische Direktoren, daß die Mutter vielfach ihre Tochter vor dem Zusammenbruch wird retten müssen. 45 Will die Mutter sonst der Haftung entgehen, muß sie peinlich genau jede Einmischung größerer Art in die Angelegenheiten ihrer Töchter vermeiden.
bb) Common Law Bis vor kurzem hatte ein Direktor nach common law keine Pflichten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. In der letzten Zeit hat sich diese Position verändert: Die Gerichte nehmen an, daß ein Direktor - vermittelt durch die Gesellschaft - Gesellschaftsgläubigern eine Pflicht treuhänderischer Art schuldet, wenn die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit weiterhin ausübt, obwohl sie insolvent ist.44 Die deutlichste Anerkennung hat diese Doktrin in einer neueren Entscheidung des Court of Appeal gefunden: Ein Direktor einer insolventen Gesellschaft wurde zur Rückzahlung von Beträgen verurteilt, mit denen er Schulden seiner
45 Siehe z . B . Re Tasbian ( N o 3) Ltd. [1991] B C L C 792 (Unternehmensberater kann faktischer Direktor sein). 46 Siehe LORD TEMPLEMAN, in: Winkworth v. Edward Baron Developments Ltd. [1987] 1 W.L.R. 1512, 1517 A - B : „ . . . eine Gesellschaft ist nicht verpflichtet, alle Unternehmungen zu unterlassen, die ein Risiko in sich tragen, aber die Gesellschaft ist den Gläubigern gegenüber verpflichtet, ihr Vermögen unangetastet und verfügbar für die Begleichung ihrer Schulden zu erhalten . . . Die Direktoren sind gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern verpflichtet sicherzustellen, daß die Geschäfte der Gesellschaft ordnungsgemäß geführt werden und ihr Vermögen nicht zugunsten der Direktoren und zum Schaden der Gläubiger ausgebeutet wird". Wenn die Gesellschaft solvent ist, bestehen keine Pflichten der Direktoren gegenüber den Gläubigern, Multinational Gas and Petrochemical Co. v. Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd. [1983] Ch. 258, 288.
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Gesellschaft gegenüber ihrer Muttergesellschaft beglichen hatte; damit hatte er seine Pflicht gegenüber der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger verletzt.47 Obwohl diese Doktrin noch in den Kinderschuhen steckt, können versuchsweise folgende Bemerkungen über ihre mögliche Wirkungsweise gemacht werden: (1) Sie findet nur Anwendung, wenn die Gesellschaft insolvent48 ist und dient nur dem Gläubigerschutz; eine entsprechende Doktrin zum Schutz von Gesellschaftern ist bisher nicht entwickelt worden. (2) Die Pflicht gegenüber den Gläubigern wird durch die Pflicht gegenüber der Gesellschaft vermittelt. Diese Kanalisierung hat den Vorteil, daß ein Direktor nicht zweimal zahlen muß, wenn außerdem eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft selbst vorliegt. Außerdem wird so sichergestellt, daß die Gläubiger gleichbehandelt werden und nicht einzelne Gläubiger durch direkte Inanspruchnahme eines Direktors Vorteile erlangen. Die Vermittlung der Pflicht durch die Gesellschaft hat aber wahrscheinlich auch zur Folge, daß ein Gläubiger keinen Anspruch mehr hat, wenn die Gesellschaft aufgehört hat zu existieren. (3) Gegenüber section 214 Insolvency Act 1986 wird diese Doktrin eine untergeordnete Rolle in den Randbereichen spielen. Ihre Hauptaufgabe wird wahrscheinlich sein, Direktoren davon abzuhalten, bei der Auflösung der Gesellschaft bestimmte Ansprüche zum Schaden der anderen Gläubiger geltend zu machen.4'' Die Folge dieser Entwicklung des common law ist, daß die Gläubiger einer Tochtergesellschaft einen Anspruch gegen die Muttergesellschaft haben, wenn die Mutter - rechtlich oder faktisch - Direktor der Tochter ist und als Direktor ihre Pflicht gegenüber den Gläubigern der Tochter verletzt.50 Außerdem wird die Mutter in der Insolvenz der Tochter bestimmte Ansprüche nicht in Konkurrenz mit den Gläubigern der Tochter geltend machen können. 2. Disability
rules
In diesem Bereich geht es um gesetzliche Vorschriften, die in der Liquidation der Gesellschaft die Geltendmachung bestimmter Ansprüche untersagen oder es 47 DILLON L . J . , in West Mercia Safetywear Ltd. v. Dodd [1988] B C L C 2509, der unter Berufung auf einen australischen Fall hervorhebt, daß im Insolvenzfall nicht mehr die Gesellschafter, sondern die Gläubiger die tatsächlich Berechtigten des Gesellschaftsvermögens sind. Der australische Fall ist Kinsela v. Russell Kinsela Pty. Ltd. (1986) 4 N.S.W.L.R. 722. 48 Die Gerichte haben Insolvenz in diesem Zusammenhang nicht definiert, aber sie ist wahrscheinlich wirtschaftlich zu verstehen als die Unfähigkeit, Verbindlichkeiten zu begleichen, wenn sie fällig werden. 49 Es scheint auch, daß die Gesellschafterversammlung eine Pflichtverletzung der Direktoren gegenüber Gläubigern nicht - wie sonst bei Pflichtverletzungen möglich - billigen und die Direktoren damit von der Haftung befreien kann. 50 Dasselbe dürfte gelten, wenn die Mutter einen Direktor ernennt und in eine Pflichtverletzung dieses Direktors gegenüber den Gesellschaftsgläubigern verwickelt ist.
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der Gesellschaft ermöglichen, bestimmte nachteilige Geschäfte rückgängig zu machen (disability rules). Davon sind Geschäfte betroffen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichheit besteht, daß sie entweder nicht im Interesse der Gesellschaft erfolgt sind oder um bestimmte Gläubiger zu bevorzugen. Diese Vorschriften gelten nicht speziell für Gruppen, aber sie erfassen auch „verbundene Personen", worunter auch Geschäfte zwischen einer Muttergesellschaft und ihren Töchtern fallen. Folgende Vorschriften sind zu nennen: (1) Section 74 (2) (f) Insolvency Act 1986 schreibt vor, daß Beträge, die die Gesellschaft ihren Gesellschaftern - in ihrer Funktion als Gesellschafter schuldet, sei es als Dividende, Gewinn oder in anderer Form, in der Liquidation nicht in Konkurrenz zu anderen Gläubigern ausgezahlt werden können. Damit wird erreicht, daß das Gesellschaftsvermögen bevorzugt den Drittgläubigern zur Verfügung steht. Diese Vorschrift betrifft natürlich auch - mitgliedschaftliche Ansprüche einer Muttergesellschaft in der Liquidation ihrer Tochter. So hatte z. B. eine hundertprozentige Tochter über mehrere Jahre hinweg jährlich die Ausschüttung einer Dividende beschlossen, diese Beträge aber nicht an die Mutter ausgezahlt. In der Liquidation der Tochter konnte die Mutter diese Dividendenansprüche erst geltend machen, nachdem alle anderen Gläubiger befriedigt waren. 51 (2) Nach section 238 Insolvency Act 1986 kann der Liquidator Geschäfte der Gesellschaft anfechten, die zu grob unangemessenen Bedingungen abgeschlossen wurden („transactions at an undervalue"). Ein solches Geschäft liegt vor, wenn die Gesellschaft entweder keine Gegenleistung erhalten hat oder nur eine solche, deren Wert deutlich niedriger ist als der Wert der Leistung der Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft während der „relevanten Zeitspanne" 52 ein derartiges Geschäft abgeschlossen hat und zu diesem Zeitpunkt insolvent war oder durch das Geschäft wurde, kann der Liquidator gerichtlich dessen Rückabwicklung erreichen. Wenn die Geschäfte mit einer „verbundenen Person" abgeschlossen wurden, wird widerleglich vermutet, daß die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt insolvent war. 53 Gesellschaften sind schon dann „verbunden", wenn eine Gesellschaft ein Drittel der Stimmrechtsmacht in einer anderen Gesellschaft kontrolliert, sections 250, 435 Insolvency Act 1986. Das Gericht ordnet keine Rückabwicklung an, wenn es überzeugt ist, daß das Geschäft im guten Glauben für die Zwecke des Geschäftsbetriebes abgeschlossen wurde und wenn es vernünftige Gründe gab anzunehmen, das Geschäft würde
51 Re L B Holliday & C o Ltd. [1986] B C L C 227. 52 Das ist eine Zeitspanne von zwei Jahren vor dem Beginn des Insolvenzverfahrens, section 240 (1) (a), (3) Insolvency Act 1986. 53 Section 240 (2) Insolvency Act 1986. Diese Vermutung trägt sehr zur Effektivität der Vorschrift bei.
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der Gesellschaft nützen. Die Regeln über Geschäfte zu unangemessenen Bedingungen erfassen offensichtlich nur Geschäfte, die in höchstem Maße unvernünftig sind. Trotzdem haben sie eine abschreckende Wirkung im Hinblick auf gruppeninterne Transaktionen, die die Gläubiger benachteiligen könnten. (3) Section 239 Insolvency Act 1986 sieht eine ähnliche Regelung für den Fall vor, daß die Gesellschaft während der „relevanten Zeitspanne" 54 irgend etwas unternimmt, das Gläubigem 55 eine bevorzugte Stellung verschafft, wenn die Gesellschaft wegen Insolvenz aufgelöst wird. Bei Vornahme der Handlung muß die Gesellschaft von dem Wunsch beeinflußt gewesen sein, dem Gläubiger diese Bevorzugung zu verschaffen. 56 Dies wird widerleglich vermutet, wenn die (objektive) Bevorzugung gegenüber einer „verbundenen Person" erfolgt. Diese Vermutung hat zur Folge, daß alle gruppeninternen Transaktionen innerhalb von zwei Jahren vor dem Beginn des Insolvenzverfahrens angreifbar sind. (4) Schließlich ist nach section 245 Insolvency Act die Bestellung bestimmter dinglicher Sicherheiten, der sog. „floating charges" 57 , unwirksam, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten vor Auflösung der Gesellschaft erfolgte und die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt insolvent war oder durch die Bestellung insolvent wurde. Wenn die Sicherheit einer „verbundenen Person" bestellt wurde, beträgt die relevante Zeitspanne zwei Jahre und die Insolvenz der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Bestellung wird widerleglich vermutet. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, daß derjenige, der die Gesellschaft beherrscht, sich - ohne der Gesellschaft neues Geld zuzuführen - für schon bestehende Forderungen eine dingliche Sicherheit und somit einen Vorteil in der Liquidation verschafft. Den vorstehend erläuterten Vorschriften ist das Anliegen gemeinsam, zu verhindern, daß das Gesellschaftsvermögen durch bestimmte Geschäfte zum Nachteil der Gläubiger vermindert wird oder daß bestimmte Gläubiger bevorzugt werden. Besondere Vorschriften gelten für Vereinbarungen mit „verbundenen Personen", womit auch Geschäfte innerhalb einer Gruppe erfaßt sind. Innerhalb dieses Schutzes besteht allerdings eine ernstzunehmende Lücke: Die erörterten Vorschriften behandeln nur Fälle während der Existenz der Gesellschaft; sie sehen keine Haftungsregelung für die anfängliche Kapitalausstattung vor. So kann eine Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft gründen und ihr oberhalb der Mindestkapitalziffer (50.000 Pfund bei public companies, section 54 Das sind bei Geschäften mit „verbundenen Personen" zwei Jahre vor Beginn des Insolvenzverfahrens, section 240 (1) (a), (b) Insolvency Act 1986. 55 Erfaßt werden auch Personen, die für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Sicherheit geleistet haben, was insbesondere innerhalb einer Gruppe von Bedeutung ist. 56 Entscheidend ist der Wunsch der Schuldnergesellschaft zur Bevorzugung eines Gläubigers, Re M C Bacon Ltd. [1990] BCLC 324. 57 Das ist eine dingliche Sicherheit am gegenwärtigen und künftigen Vermögen der Gesellschaft.
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11) das Betriebskapital in Form von gesicherten Darlehen verschaffen. So hat die Mutter in der Liquidation der Tochter eine bevorzugte Stellung.58 Section 214 Insolvency Act zügelt diesen Mißbrauch bis zu einem gewissen Grad.
V. Schutz von Minderheitsgesellschaftern Es ist klar, daß die Struktur einer Gruppe die Gefahr schafft, daß Interessen von Minderheitsgesellschaftern, insbesondere in Tochtergesellschaften, beeinträchtigt werden können. Die Mutter wird die Angelegenheiten der Töchter zum Wohle der Gruppe insgesamt betreiben; dies kann für Minderheitsgesellschafter in den Töchtern Nachteile mit sich bringen. So kann eine Tochter gezwungen werden, Güter unter Marktpreis an ein anderes Gruppenmitglied zu veräußern. Auch kann die Mutter bei der Verteilung von Geschäftschancen eine hundertprozentige Tochter zu Lasten einer anderen Tochter, in der noch Minderheitsgesellschafter existieren, bevorzugen. In der Regel wird die Mutter eine hundertprozentige Beteiligung anstreben und deshalb versuchen, die Anteile der Minderheitsgesellschafter zu erwerben. Außerhalb eines Ubernahmeangebotes kann die Mutter die Minderheitsgesellschafter aber nicht zur Veräußerung zwingen.59 Wenn bei einem Ubernahmeangebot der Ubernehmer 90 % der Anteile der Zielgesellschaft erwirbt, hat er das Recht - und, wenn die Minderheitsgesellschafter das verlangen, auch die Pflicht - , auch die restlichen Anteile zu erwerben.60 Ein Minderheitsaktionär in einer Tochtergesellschaft hat aber kein allgemeines Recht, die Übernahme seiner Anteile zu verlangen; er kann auch nicht die Ausschüttung einer Dividende verlangen, selbst wenn die Gesellschaft Gewinne macht.61 a) Der City Code on Take-overs and Mergers verhindert bis zu einem gewissen Grad das Entstehen von Minderheitspositionen. Die Regel 9.1 bewirkt für public companies, daß die Ubernehmergesellschaft ein Ubernahmeangebot 58 Ein Vorschlag des Cork Committee (Cmnd. 8558, para. 1964), bestimmte Verbindlichkeiten, die eigenkapitalersetzenden Charakter haben, mit Nachrang gegenüber den anderen Verbindlichkeiten auszustatten, wurde nicht umgesetzt. 59 Ein Mehrheitsgesellschafter kann auch durch Satzungsänderung keine Übertragungspflicht der Minderheitsgesellschafter begründen; selbst dann nicht, wenn ein angemessener Marktpreis gezahlt werden soll, Brown v. British Abrasive Wheel Co. Ltd. [1919] Ch. 290. 60 Companies Act 1985, Teil XVIIIA. 61 Die englischen Gerichte haben es bisher abgelehnt, die Dividendenpolitik einer Gesellschaft zu kontrollieren, da diese Entscheidung in den Beurteilungsspielraum der Geschäftsführung fällt. Zumindest für kleine, personalistisch strukturierte Gesellschaften scheint sich aber in letzter Zeit ein Wandel abzuzeichnen, siehe die Erörterungen zu section 459.
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für alle weiteren Anteile an der Zielgesellschaft machen muß, wenn sie 30 % der Anteile an der Zielgesellschaft erwirbt. 6 2 b) Sections 8 9 - 9 5 sehen ein Bezugsrecht der Gesellschafter bei Kapitalerhöhungen vor. D a m i t können Minderheitsgesellschafter ihre Beteiligungsquote aufrechterhalten. Allerdings kann das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, und die Gerichte greifen nicht ein, solange die Minderheitsgesellschafter
„fair"
behandelt werden. 6 3 c) D a s englische Recht erlaubt es einem Minderheitsgesellschafter,
einen
Schaden der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen („derivative action"). Wenn eine Muttergesellschaft ihren Einfluß auf die Tochter mißbraucht, kann ein Minderheitsgesellschafter im N a m e n der Gesellschaft klagen. D i e Regeln, die f ü r diese Klage gelten, sind höchst k o m p l e x und stellen keinen zufriedenstellenden und einfach zugänglichen Behelf für Minderheitsgesellschafter dar: 6 4 Wenn die Klage erforderlich ist, wird Abhilfe zugunsten der Gesellschaft geschaffen; der Minderheitsgesellschafter kann aber nicht erreichen, daß seine Verbindung zur Gesellschaft aufgelöst wird, was bei weitem die befriedigendste L ö s u n g wäre. D i e Zulässigkeit der K l a g e ist z u d e m von einem prozessualen Dickicht umgeben. O b w o h l die Gerichte versucht haben, Minderheitsgesellschaftem im Hinblick auf die Prozeßkosten Erleichterungen zu verschaffen, ist die K o s t e n frage immer noch ein wesentliches Abschreckungsmittel für derartige Klagen. d ) Section 459 enthält eine weitreichende Regelung im Hinblick auf die U n t e r d r ü c k u n g von Minderheitsgesellschaftern. Danach kann ein Gesellschafter das Gericht mit der B e g r ü n d u n g anrufen, die Angelegenheiten der Gesellschaft würden in einer Weise geführt, die die Interessen von Gesellschaftern unangemessen benachteiligt („unfairly prejudicial conduct"). 6 5 Diese Regelung wurde in ihrer heutigen F o r m 1980 eingeführt, und die Gerichte scheinen sie in einer Weise anzuwenden, die einen effektiveren Minderheitenschutz gewährleistet. D i e einschlägigen Fälle betrafen fast ausschließlich kleine, personalistisch strukturierte private companies; es spricht aber nichts dagegen, die Vorschriften unter entsprechenden U m s t ä n d e n auch auf public companies anzuwenden. 62 Der Effekt dieser Regel ist, daß viele potentielle Ubernehmer ihre Beteiligung knapp unter 30 % halten. Siehe auch Art. 4 des Entwurfs einer dreizehnten Richtlinie. 63 Zulässig ist z. B. der Ausschluß des Bezugsrechts für in Nordamerika ansässige Gesellschafter wegen der Kosten, die die Erfüllung nordamerikanischer Wertpapiervorschriften mit sich bringen würde, Mutual Life Insurance Co. of New York v. The Rank Organization Ltd. [1985] B C L C 11. Der Ausschluß von Bezugsrechten, die durch die Satzung gewährt werden, ist nicht zulässig. 64 Siehe z.B. unlängst Smith v. Croft (No.2) [1987] 3 W.L.R. 405; die Gerichtsverhandlung dauerte siebzehn Tage und die Kosten sollen über eine Million Pfund betragen haben. 65 Auch vergangene oder künftige Benachteiligungen können gerügt werden. Näher PRENTICE, The Theory Of The Firm: Minority Shareholder Oppression: Sections 459-461 Of The Companies Act 1985 (1988) 8 O.J.L.S. 55.
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Ein Fall unangemessener Benachteiligung von Gesellschaftern lag z. B. vor, als die Mutter den Betrieb der Tochter absichtlich herunterwirtschaftete, um die Minderheitsaktionäre zur Übertragung ihrer Anteile zu zwingen. Die von der Mutter eingesetzten Direktoren unternahmen nichts, um die Interessen der Tochter zu schützen; das stellte eine unangemessene Benachteiligung der Minderheitsgesellschafter im Sinne von section 459 dar. 66 Liegt eine unangemessene Benachteiligung vor, hat das Gericht eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Abhilfe zu schaffen. Das gebräuchlichste Mittel ist eine Anordnung, daß die Gesellschaft oder der beklagte Gesellschafter die Anteile des Minderheitsgesellschafters erwerben muß. Die Gerichte haben Bewertungsgrundsätze aufgestellt, damit die Minderheitsaktionäre nicht über den Erwerbspreis benachteiligt werden. 67 Folgende Gesichtspunkte sind im Zusammenhang mit sections 459 ff hervorzuheben: (1) Der Gesellschafter muß die unangemessene Benachteiligung beweisen; eine dahingehende Vermutung besteht - auch innerhalb einer Gruppe - nicht. Der Beweis dürfte leicht zu führen sein, wenn die Muttergesellschaft der Minderheit in der Tochter den „return on Investment" vorenthält. Für private companies ist schon entschieden worden, daß es eine unangemessene Benachteiligung darstellen kann, wenn eine sehr ertragreiche Gesesellschaft sich weigert. angemessene Dividenden auszuschütten. 68 Auch wenn die Gerichte sehr zurückhaltend sind, derartige Gedankengänge auf public companies zu übertragen, könnten sie es unter entsprechenden Umständen doch tun. Die Gefahr für die Minderheit in der Tochter ist nicht eine knauserige Dividendenpolitik, sondern eine übermäßig freizügige zugunsten der Mutter. Sections 459 ff bieten jedenfalls nur sehr unsicheren Schutz. Wenn die Benachteiligung auf subtilere Weise geschieht - eine nicht ganz optimale Leitung der Angelegenheiten in der Tochter - , wird es noch schwerer, eine unangemessene Benachteiligung zu beweisen. (2) Die Prozeßkosten trägt - zumindest anfänglich - der klagende Gesellschafter; die Kostenbarriere stellt ein wesentliches Hindernis für die Klage nach sections 459 ff dar. 69
66 Scottish Cooperative Wholesale Society Ltd. v. Meyer [1959] A . C . 324. Die Entscheidung erging noch zu der Vorgängervorschrift, würde aber heute nicht anders ausfallen. 67 Das ist ein problematischer Bereich, näher PRENTICE, Minority Shareholder Oppressioni Valuation of Shares (1986) 102 L . Q . R . 179. 68 Re Sam Weller & Sons Ltd. [1990] B C L C 80. 69 Das Kostenproblem taucht immer auf, wenn Minderheitenschutz durch Klagerechte gewährleistet werden soll. Hier kann nur eine Finanzierung durch öffentliche Gelder Abhilfe schaffen, was gegenwärtig aber unrealistisch ist.
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VI.
Zusammenfassung
Die Gesellschaftsgruppe ist ein weitverbreitetes Phänomen des englischen Wirtschaftslebens und das englische Gesellschaftsrecht setzt dieser Organisationsform keine bedeutenden Hindernisse entgegen. Allerdings besteht ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der rechtlichen Behandlung der Gruppe (jedes Gruppenmitglied wird als selbständiges rechtliches Subjekt betrachtet) und der wirtschaftlichen Realität der Gruppe, die häufig als wirtschaftliche Einheit geführt wird. Wenn man annimmt - was nicht unwahrscheinlich ist daß die Interessen der einzelnen Gruppengesellschaften systematisch dem Gruppeninteresse untergeordnet werden, folgt daraus aber nicht, daß die Geschäfte in den Gruppengesellschaften notwendigerweise anders geführt werden als in unabhängigen Gesellschaften. Selbst wenn die Geschäfte der Gruppengesellschaften mit dem Ziel geführt werden, das wirtschaftliche Wohlergehen der Gruppe insgesamt zu maximieren, kann diese Maximierung erreicht werden durch Maximierung der Gewinne der einzelnen Gruppenmitglieder. Anerkannt ist, daß die Gruppenform Probleme aufwerfen kann, insbesondere im Bereich des Minderheiten- und Gläubigerschutzes. Weniger Ubereinstimmung herrscht aber bei Beantwortung der Frage, ob diese Probleme typisch für eine Gruppe sind oder einfach aus dem Gebrauch der juristischen Person und dem Prinzip der Mehrheitskontrolle folgen. Geht man von letzterer These aus, werden mit einer Lösung der allgemeinen, nicht nur gruppenspezifischen Probleme gleichzeitig auch die sich im Gruppenzusammenhang stellenden Fragen beantwortet. Dies ist im wesentlichen der Standpunkt des englischen Rechts, so daß kein Bedürfnis für eine Beschäftigung mit den speziellen Problemen der Gruppe gesehen wird. So werden zwar die Probleme des Minderheiten- und Gläubigerschutzes erfaßt; rechtliche Strukturen, die die Leitung der Gruppe als Einheit ermöglichen, sind hingegen nicht geschaffen worden.
Neuere handelsrechtliche Gesetzgebung und Konzernrecht in Italien1 von Professor
D R . PAOLO SPADA,
Rom
Inhaltsübersicht I. II. III. IV.
Die Diskussion über das Konzernrecht in Italien Von gesetzgeberischer Untätigkeit zu legislatorischem Aktivismus „Scheinkonzernrecht" versus „echtes" Konzernrecht Ausblick: Der Konzerngesetzgeber im Tiefschlaf
I. Die Diskussion über das Konzemrecht
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in Italien
In Italien hat sich die juristische Debatte über das Konzernrecht bis zum Ende der achtziger Jahre vornehmlich im Bereich der Vorhaben abgespielt. Ausgedrückt hat sich dies in der Diskussion um den Entwurf einer 9. (Konzernrechts-) Richtlinie der EG oder um den Entwurf eines von Seiten der Wirtschaft unterstützten sogenannten „Unternehmensverfassungsgesetzes", das von einer hochrangigen Kommission unter dem Vorsitz von Giuseppe Ferri erarbeitet worden war.2 Obwohl schon das erklärte Ziel und der „Ton" der Debatte einen Erkenntnisgewinn erwarten ließen, stellte sich der Ertrag der Auseinandersetzung schließlich als Ergänzungsvorschläge eines nationalen Rechts dar, das - jedenfalls in seiner geschriebenen Form - das Phänomen des Konzerns ignorierte; diese Vorschläge können also - mit anderen Worten - als konsensfähige Entwürfe zur Kodifikation einer sozioökonomischen Wirklichkeit angesehen werden. Im Laufe der Debatte nahm der Konzern allmählich im Vergleich zu ähnlichen Phänomenen Gestalt an: vor allem (a) im Verhältnis zur Beherrschung (controllo) der Gesellschaft, die das italienische Zivilgesetzbuch bereits in seiner Ursprungsfassung erwähnte (Art. 2359 C.c.), und (b) zur Unternehmenskonzentration, ein Begriff, der gerade erst beginnt, gesetzlich erfaßt zu werden.3 Dieser gedankliche Prozeß führte zu einigen Aussagen, bei denen es schwierig war und schwierig ist, sie als kulturelle Errungenschaften zu bezeichnen: ich 1 Die Ubersetzung aus dem Italienischen besorgte Dr. Heribert Hirte, LL.M., Köln. Das italienische Originalmanuskript kann gegen einen Unkostenbeitrag von 25,- DM bei der Schriftleitung der ZGR angefordert werden. 2 Giur. comm. 1984, I, S. 150ff. 3 Siehe Gesetze vom 5. August 1981 Nr. 416, vom 30. April 1983 Nr. 137 und vom 25. Februar 1987 Nr. 67 über Verlage von Tageszeitungen.
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Paolo Spada
spiele vor allem an auf den umstrittenen Bezug zwischen den Begriffen Beherrschung (controllo) und Konzern (gruppo), der lediglich annäherungsweise als der Bezug zwischen einer - notwendigen, aber nicht genügenden - Bedingung und dem Bedingten dargestellt werden kann; zum zweiten spiele ich an auf die damit verbundenen Fragen, welche Rolle dem Begriff der „einheitlichen Leitung" in einem gesetzlichen Umfeld zukommt, das der Geschäftsführung einer Gesellschaft weitgehende Entscheidungsfreiheit einräumt, die zwar unter dem Risiko persönlicher Haftung steht, aber im übrigen vollständig frei von Weisungen der Gesellschafterversammlung ist. Die Unsicherheiten bei der Beschreibung des Phänomens der „Unternehmensgruppe" waren allerdings, dies muß hervorgehoben werden, kein Hindernis für Reichtum und Gewinn der juristischen Diskussion, vor allem, weil sich verhältnismäßig einfach Einigkeit darüber erzielen ließ, welches die im Hinblick auf den Konzern zu lösenden Einzelprobleme sind. Es läßt sich daher zwar sagen, daß die italienische Rechtswissenschaft - bis heute - nicht abstrakt sagen kann, was ein Konzern ist, daß sie aber sehr wohl wußte - und weiß - , welche Probleme der Konzern in der Rechtswirklichkeit mit sich bringt und daher immer den Konzern als ein „problematisches Feld" erkannt hat. Zu diesem Bereich gehören alle Probleme, die nicht nur, wie der Begriff der „einheitlichen Leitung" nahelegt, aus der einheitlichen Führung eines juristisch vielgestaltigen Unternehmens resultieren, sondern - allgemeiner - aus dem Spannungsverhältnis zwischen den institutionalisierten Entscheidungsträgern eines Verbandes und den Entscheidungen eines anderen Verbandes, der auf die eine oder andere Weise die Entscheidungsfähigkeit des ersten Verbandes beschränken kann. Es geht also nicht so sehr um die Probleme der wirtschaftlichen Einheit (die - wie bei Konglomeratkonzernen oder reinen Finanzbeteiligungen - auch fehlen kann) und der juristischen Vielfalt, sondern um das Verhältnis von Eigen- und Fremdbestimmung eines Verbandes im Verhältnis zu einem anderen. Zu diesem Bereich gehören andererseits nicht die Probleme, die sich aus der bloßen Zugehörigkeit eines Verbandes zu einem anderen ergeben, etwa, was die Fragen der Kapitalfähigkeit der Beteiligungen zu der herrschenden Gesellschaft oder der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises angeht. Während es bei den ersten Problemen um Fragen der Entscheidungsordnung geht (und daher natürlich auch, aber nicht notwendig, um unternehmerische Entscheidungen), betrifft die zweite Kategorie von Problemen solche der Vermögensordnung. Nachdem die Beherrschung Bezugspunkt für die zweite Gruppe (der vermögensbezogenen Probleme) geworden ist bzw. ist, erfaßt die Diskussion über Konzerne nunmehr vor allem die Fragen im Zusammenhang mit der Entscheidungsmacht. Dabei gehe es, wie jeder weiß, um mindestens zwei Fallgruppen: (a) den Schutz „außenstehender" Gesellschafter in abhängigen Gesellschaften, aber auch in herrschenden Unternehmen, gegenüber Entscheidungen der „Kon-
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zerngesamtheit", also der sogenannten Konzernspitze, ein Problemkreis, der bei uns vor allem mit Hilfe des Rechtsinstituts der Interessenkonflikt (Arn. 2373 und 2391 cc) gelöst wird; (b) die Frage der Haftung - im doppelten möglichen Sinn: einer Vermögensgarantie und einer Schadenersatzhaftung - der herrschenden Gesellschaft und ihrer Organmitglieder für die Schäden der abhängigen Gesellschaft oder die von dieser Dritten zugefügten Schäden. Dieser letzte Fragenkreis ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 95 vom 3. April 1979 besonders geregelt worden; dort heißt es, daß „bei Vorliegen einheitlicher Leitung" die Geschäftsführer der „herrschenden" (dirigente) Gesellschaft gesamtschuldnerisch mit den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft der letzteren gegenüber verantwortlich sind; vgl. Art. 3 letzter Absatz. Bei dem „Problemfeld", das wir Konzern nennen, handelt es sich damit also vor allem um Probleme des gemeinsamen Gesellschaftsrechts und dabei vornehmlich der Kapitalgesellschaften. Aber es handelt sich auch um Fragen des Unternehmensrechts in einem weiteren Sinne. So wurden in Italien etwa die Probleme der sogenannten Konzernmarke viel besprochen; dies hängt sicherlich damit zusammen, daß bei uns bis zur unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der EG-Richtlinie zur Vereinheitlichung des Markenrechts die Ubertragbarkeit des Warenzeichens mit der Übertragung des Unternehmens verbunden ist: Art. 15 italienisches Warenzeichengesetz. Zu erwähnen ist im übrigen die Frage nach Einheit oder Vielfalt der Rechtsbeziehungen von Arbeitnehmern mehrerer Konzernunternehmen für Zwecke des Arbeits- und Sozialrechts; und es ist unschwer vorherzusagen, daß die Frage der Anwendung des neuen italienischen Kartellgesetzes4 auf Absprachen zwischen Konzernunternehmen ein Problem werden wird. Sieht man einmal von den Fragen ab, die sich aus dem Verständnis des Konzerns als einem „Schauplatz" des Widerstreits selbst- und fremdbestimmter Entscheidungen ergibt, die aber nicht eindeutig dem Privatrecht zugeordnet werden können - hierbei spiele ich auf das Steuerrecht des Konzerns an verspüre ich eine gewisse Unsicherheit bei der Zuordnung der Fragen, die sich aus dem Konzernbilanzrecht ergeben. Dabei erscheint mir jedenfalls zunächst sicher, daß die Konsolidierung vor allem eine Technik der richtigen Wiedergabe der Vermögensverhältnisse ist; dabei ist es, glaube ich, kein Zufall, daß der Leitbegriff zur Bestimmung des Konsolidationskreises derjenige der Beherrschung ist und damit ein Begriff, der eine funktionell vermögensrechtliche Komponente zum Ausdruck brachte und bringt (Art. 25 des Gesetzesdekrets Nr. 127 vom 9. April 1991). Doch ist es korrekt, daß die Konsolidierung den Zweck hat, den Wirtschaftserfolg der herrschenden und abhängigen Unternehmen insgesamt darzustellen (Art. 29 d. lg. 127/1991); und daß aus dem Vermögensstatus der Folgejahre, aus dem 4 Gesetz Nr. 287 vom 10. Oktober 1990.
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Anhang und aus dem Zusammenhang mit den zu konsolidierenden und konsolidierten Bilanzen Informationen über Umfang und Ausmaß der von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr zwischen den Unternehmen fließenden Vermögensströme abgeleitet werden können. Diese Informationen tragen dazu bei, die Elemente zur Abgrenzung zwischen selbst- und fremdbestimmter Entscheidung offenzulegen; und je nach den Interessen, auf die sich die Offenlegung des Verhältnisses von Selbst- und Fremdbestimmung auswirkt, gewinnt das Konzernbilanzrecht eine Sonderrolle im Verhältnis zum übrigen Konzernrecht. Zu den Zielen der Konzernbilanz gehört also, anders gesagt, neben der korrekten Wiedergabe der Vermögensverhältnisse wahrscheinlich auch die Erweiterung und Verbesserung des Informationsflusses im Hinblick auf ein vernünftiges Verhältnis von Selbstund Fremdbestimmung bei den Mitgliedern einer Unternehmensgruppe. Daraus lassen sich zwei wichtige Schlußfolgerungen ableiten: (a) trotz fehlender gesetzgeberischer Aktivität hat die italienische Rechtswissenschaft den Konzern als Problem erkannt und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer wissenschaftlichen Theorie des Konzems geleistet; (b) denkt man an Rechtsprobleme und nicht an Rechtsereignisse, so scheint sich das noch umstrittene Verhältnis von Konzern und Beherrschung möglicherweise endgültig zu klären: es ist von grundlegender Bedeutung, die Probleme, die sich aus der bloßen Zugehörigkeit juristisch selbständiger Unternehmen zu anderen ergeben - insoweit könnte man von Vermögens- oder sachenrechtlichen Problemen sprechen - , von denjenigen zu unterscheiden, die sich aus den miteinander konkurrierenden Entscheidungszentren im herrschenden und beherrschten Unternehmen ergeben. Der zweite und nur dieser zweite Problemkreis wird bekanntlich von der Theorie des Konzernrechts behandelt und aus diesem Gesichtspunkt soll der Sprachgebrauch einer deutlich diffuseren Gesetzgebung, die von den verschiedenartigsten Interessen und Richtungen „geformt" wurde, nur willkürlich erfaßt werden.
II. Von gesetzgeberischer
Untätigkeit zu legislatorischem
Aktivismus
In den Jahren 1990/1991 sind wir, jedenfalls was die Aussagen des Gesetzgebers anbelangt, von einer Situation des Rechtsvakuums oder mindestens der nur geringfügigen Regulierung im Bereich der verbundenen Unternehmen übergegangen zu einer Uberregulierung. Dies äußert sich vor allem in einer Vervielfachung der vorgelegten Begriffsbestimmungen: die Definitionen von Abhängigkeit vervielfachen sich, und es erscheint auch manche Definition des Konzerns. Es ist hier nicht möglich, eine Ubersicht vorzunehmen; vielmehr soll nur darauf hingewiesen werden, daß sich Definitionen von „Beherrschung" (controllo) in für die unternehmerische Betätigung in unserem Land zentralen Gesetzen finden. Zu nennen sind das bereits zitierte Gesetz Nr. 287/1990 mit
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den Vorschriften zum Schutz von Wettbewerb und Markt; sein Art. 7 nimmt eine auf Zwecke des Wettbewerbsrechts beschränkte Begriffsbestimmung vor, während Art. 27 den Erwerb beherrschender Beteiligungen an Kreditinstituten einer Genehmigung durch die Zentralbank unterwirft. Zu nennen ist weiter das bereits erwähnte Gesetzesdekret N r . 127/1991 über die Konzernbilanz, das Gesetz N r . 20 vom 9. Januar 1991 mit Vorschriften zur Überwachung der Beteiligungen von oder an Versicherungsunternehmen (Art. 10 Abs. 2) und schließlich das Gesetz N r . 223 vom 6. August 1990 zur Regelung des öffentlichen und privaten R u n d f u n k s (Art. 37). Es handelt sich dabei um Definitionen, die darauf abzielen, sich in das System des Codice civile einzufügen, insbesondere in Form von Regelbeispielen, und die insoweit (vgl. etwa Art. 37 des Gesetzes 223/1990 und Art. 26 des Gesetzesdekretes N r . 356 vom 20. November 1990) als konkretisierende Vermutungen des von Art. 2359 C . c . verwendeten Begriffs der Beherrschung gelten können; im übrigen findet sich die Erläuterung, daß eine Beherrschung auch bei Absprachen zwischen Gesellschaftern vorliegen kann, die unabhängig voneinander zu einer Beherrschung nicht in der Lage sind (gemeinsame Beherrschung, insbesondere durch Stimmrechtsvereinbarungen), verbunden mit einer Aufteilung der „Eigenschaft" des herrschenden Unternehmens nach nicht einheitlichen Gesichtspunkten unter den Vertragschließenden (vgl. Art. 27 des Gesetzes 287/1990 und Art. 26 Abs. 2 b des Gesetzesdekretes N r . 127/1991). Aber der Gesetzgeber der neunziger Jahre geizt auch nicht mit Definitionen des Konzerns. Dabei läßt sich der Begriff bisweilen ohne Bedeutungsverlust durch den der Beherrschung ersetzen, so etwa wenn Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes N r . 1 vom 2. Januar 1991 den „Konzern von Anlagevermittlungsgesellschaften" 5 definiert, eine Definition, die auch Verwendung findet für den „Konzern, dem eine Kapitalanlagegesellschaft angehört" 6 und f ü r den von Treuhandgesellschaften gebildeten Konzern. 7 Ahnlich ist es, wenn das Gesetz N r . 83 vom 21. Februar 1989 Gesellschaften, die „auf Grund finanzieller Verflechtungen zu einer U n t e r nehmensgruppe zählen", von einer Beteiligung an Wirtschaftsvereinen (consorzi) kleiner und mittlerer Unternehmen, bevorzugte Adressaten von „Stützungsmaßnahmen", ausschließt. Andererseits erschöpft sich der Konzern, Beherrschung vorausgesetzt, nicht in der Beherrschung, sondern stellt sich als eine bunte Vielfalt juristisch unabhängiger, aber unternehmerisch integrierter und je nach Grad dieser Integration einheitlich geleiteter Unternehmen dar. Dies gilt etwa für die Kreditunternehmensgruppe, die von der Rechtsverordnung N r . 365 vom 20. November 1990 geregelt wird und darin als eine Mehrheit von „Gesellschaf-
5 SIM = Società di intermediazione mobiliare. 6 Art. 9 Abs. 13 des vorgenannten Gesetzes. 7 Art. 17 Abs. 1 desselben Gesetzes.
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ten und Kreditinstituten" dargestellt wird, die unter der Kontrolle eines Kreditinstitutes stehen, das „Bank- und Kreditgeschäfte sowie ausschließlich oder hauptsächlich finanzielle Tätigkeiten zum Nutzen der Gesellschaften oder Kreditinstitute des Konzerns" ausübt (Art. 24 Nr. 1 der Verordnung 365/1990). Art. 25 Abs. 4 dieser Rechtsverordnung setzt sogar voraus, daß dieses Kreditinstitut - sehr plastisch als „Chefunternehmen" bezeichnet - „Leitungs- und Koordinationsaufgaben" im Verhältnis zu den konzernangehörigen Gesellschaften und Kreditinstituten ausübt. Diese Zunahme von gesetzlichen Begriffsbestimmungen entspricht allerdings nach meinem Eindruck nicht einem gewachsenen Verständnis des italienischen Gesetzgebers für die Wirklichkeit der Konzerne; und weniger denn je vermag sie den Eindruck zu stützen, heute existiere in Italien anders als vor zwei oder drei Jahren ein geschlossenes Konzernrecht. Um Ihnen offen meine Meinung zu sagen, ich glaube, daß trotz des Sprießens von Begriffsbestimmungen für Beherrschung und Konzern der Konzern kulturell „tot" ist oder bestenfalls schläft.
III. „Scheinkonzernrecht"
versus „echtes"
Konzernrecht
Ich erinnere daran, daß der Konzern in der juristischen Auseinandersetzung zwar nicht als Gesamtphänomen begriffen wurde, wohl aber als „Problemfeld"; dies aber ist notwendig und genügend. Zum „Konzernrecht" zählten und zählen die Fragen des Verhältnisses von Selbst- zu Fremdbestimmung der verbundenen Unternehmen; demgegenüber ging es und geht es bei der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem anderen um Fragen der „Beherrschung". Die neuere italienische Gesetzgebung zum Handelsrecht gefällt sich heute darin, die Voraussetzungen des Unternehmensverbundes immer weiter aufzuspalten und die Begriffe Beherrschung, Konzern und manchmal auch Unternehmensverbund zusammenhanglos und nicht vorhersehbar zu nutzen. Damit greift sie rechtspolitische Schnittmuster auf, die für die Lösung von Entscheidungskonflikten und die Unternehmensführung von miteinander verbundenen Gebilden nichts hergeben; sie betreffen vielmehr allein die vermögensrechtliche Seite, die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem anderen. Die Zunahme der Begriffsbestimmungen, die einer gesetzgeberischen Entwicklung erwächst, die man nach politischer Uberzeugung begrüßen, aber auch ablehnen mag, deutet auf ein Ausufern einer wirtschaftspolizeilich, wirtschaftsverwaltungsrechtlich orientierten Gesetzgebung hin, für die der problematische Bereich des Konzerns vollständig ohne Interesse ist. Diese Entwicklung mag man je nach politischer Uberzeugung begrüßen oder kritisieren. Zu den wirtschaftspolizeilichen Maßnahmen - und nicht zum Konzernrecht gehören Gesetze, die eine Offenlegung der „Eigentumsstruktur" der Unterneh-
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121
men, also die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises, für verschiedene Zwekke verlangen: zur Förderung der Meinungsvielfalt in der Presse8, zur Sicherstellung eines „hohen Ansehens" (onorabilità) der Gesellschafter9 und vor allem zur Bekämpfung „verbrecherischer" Unterwanderungen von Unternehmen und zur Verhinderung der Geldwäsche aus Erträgen der organisierten Kriminalität.10 Zu den wirtschaftspolizeilichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Verbindungen, die aus volkswirtschafdichen Gründen nicht gebilligt werden können, weil man sie als riskant für die Stabilität ganzer Wirtschaftszweige ansieht, zählen auch die, die die Beteiligung von Nicht-Kreditinstituten an Kreditinstituten beschränken.11 Weiter gehören hierher die Bestimmungen, die den Erwerb beherrschender Beteiligungen an Versicherungsunternehmen der Genehmigung durch das Versicherungsaufsichtsamt (ISVAP ,2 ) unterstellen oder dieser Behörde die Befugnis einräumen, eine Verringerung beherrschender Beteiligungen an Gesellschaften zu verlangen, deren „Unternehmensgegenstand keinen Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft hat".13 Das Ziel einer Bekämpfung „typischer" Situationen von Interessenkonflikten mit volkswirtschaftlichem Bezug ist auch Gegenstand einiger neuerer Regelungen. So muß die Bankenaufsichtsbehörde Grenzen für die Kreditvergabe von Banken an „ihnen verbundene Unternehmen oder solche festlegen, an denen sie eine wesentliche Beteiligung halten".14 Versicherungen müssen gegenüber dem Versicherungsaufsichtsamt (ISVAP) Geschäfte mit sie beherrschenden oder von ihnen beherrschten Unternehmen offenlegen.'5 Zur Vermeidung von Interessenkonflikten mit den Kunden scheinen schließlich die Regelungen zu dienen, die von Anlagevermittlungsgesellschaften verlangen, dem einzelnen Kunden eine Liste aller zum Konzern gehörenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen16 und einen bestimmten Teil des im Namen und für Rechnung des Kunden verwalteten Vermögens in Titeln anzulegen, die von einem Kreis der durch die Gesellschafts- und Börsenaufsichtsbehörde (CON8 An. 4 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 223/1990 über Rundfunksendungen, der Art. 1 des Gesetzes Nr. 416/1981 über die Verlage von Tageszeitungen entspricht. 9 Art. 1 A b s . 2 c u n d Art. 7 des Präsidialdekrets Nr. 350 vom 27. Juni 1985; Art. 3 Abs. 2 e des Gesetzes 1/1991 über Anlagevermittlungsgesellschaften. 10 Dekret des Präsidenten des Ministerrates Nr. 187 vom 11. Mai 1991 und Gesetz Nr. 55 vom 19. März 1990 gegen die Mafia-Kriminalität und Art. 6 Abs. 6 des Gesetzesdekrets Nr. 143 vom 3. Mai 1991 in der Fassung des Gesetzes Nr. 197 vom 5. Juli 1991 zur Begrenzung der Benutzung von Bargeld und zur Unterbindung der Nutzung des Finanzsystems zu Zwecken der Geldwäsche. 11 Art. 27 Abs. 6 des Gesetzes Nr. 287/1990. 12 Istituto di vigilanza sulle assicurazioni private. 13 Art. 6 Abs. 1 und 4 des Gesetzes Nr. 20/1991. 14 Art. 30 des Gesetzes Nr. 287/1990. 15 Art. 15 des Gesetzes Nr. 20/1991. 16 Art. 6 Abs. 1 b des Gesetzes Nr. 1/1991.
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SOB) festgelegten Unternehmen ausgegeben oder plaziert wurde.17 Hierbei handelt es sich übrigens um einen typisch mikroökonomischen Konflikt; dies folgt meines Erachtens daraus, daß der Kunde schriftlich Anlageformen genehmigen kann, die sich objektiv wegen der Art des Papiers oder wegen Verflechtung von Emittent und Anlagevermittlungsgesellschaft als „konfliktbefangen" darstellen. Zu den Regeln, die nichts mit den eigentlichen Konzernproblemen zu tun haben, würde ich auch wagen, diejenigen über die Zusammenschlußkontrolle zu zählen, die in der Novelle zum Kartellgesetz enthalten sind: wenn es stimmt, daß der Konzern den Gegensatz von selbst- und fremdbestimmter Entscheidung im Unternehmen hervorruft18, dann gibt es im Kartellrecht keinen Konzern; denn dort fehlt es gerade an solchen Entscheidungsspannungen. Es geht vielmehr um eine vorweggenommene Unterordnung in bezug auf Entscheidungen und das Risiko, daß die entsprechende einheitliche Leitung die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung mit sich bringt. 1 ' Aber auch dort, wo offenbar alles - Sprachgebrauch und Begriffsbestimmungen - für eine Herausbildung eines echten italienischen Konzernrechts zu sprechen schiene, würde ich vor dem Hintergrund der neuesten italienischen Gesetzgebung eher von Wirtschaftsverwaltungs- als von Konzernrecht sprechen. Dabei spiele ich an auf die Regelungen zur sogenannten multifunktionalen Kreditinstitutsgruppe, die das italienische Gegenstück zur „Universalbank" ist. Der Bankenkonzern unterliegt sicher in besonderer Weise öffentlicher Aufsicht und muß dies auch, weil einerseits der Prozeß der Privatisierung der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute20, andererseits das Eindringen der Banken in den bankverwandten Sektor (Leasing, Factoring etc.) verlangen, daß die Aufsichtsbehörde auch Unternehmensbereiche überwacht, die sich nicht mit der Abwicklung von Kreditgeschäften befassen, und die deshalb keiner Überwachung auf der Grundlage von An. 2 des zugrundeliegenden Gesetzes unterliegen.21 Die gleiche Zielrichtung mit denselben Mitteln verfolgt auch die „Regelung über die Krise der Kreditinstitutsgruppen":22 es handelt sich mehr oder weniger um eine 17 Art. 8 Abs. l b und A n . 9 Abs. 6 b des Gesetzes Nr. 1/1991. 18 Dieser Gegensatz führt zur Beschäftigung der Rechtswissenschaft mit a) dem Verhältnis der von den Organen juristisch unabhängiger Personen getroffenen Entscheidungen zueinander, b) der Vereinbarkeit mit der rechtlichen Selbständigkeit und mit den Interessen, die diese vor einer möglichen Fremdbestimmung der Entscheidungsfindungsprozesse einer juristischen Person durch die einer anderen schützen soll, und schließlich c) dem juristischen „Preis" eines möglichen Vorrangs bestimmter Entscheidungen vor anderen. 19 Art. 6 des Gesetzes Nr. 287/1990. 20 Dieser wird nach Maßgabe des Gesetzes Nr. 218 vom 30. Juli 1990 in der Weise durchgeführt, daß ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut auf unterschiedlichen Wegen in eine Holdinggesellschaft in Form einer Aktiengesellschaft umgewandelt wird. 21 Gesetz Nr. 141 vom 7. März 1938. 22 A n . 32 ff des Gesetzesdekrets Nr. 356/1990.
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Konzernrecht in Italien
Regelung, die der schon verabschiedeten für die Bankenkrise entspricht, indem sie diese an eine aus vielen Elementen zusammengesetzte unternehmerische Wirklichkeit anpaßt (den multifunktionalen Konzern), in der nicht alle Konzernunternehmen Kreditgeschäfte tätigen und, zunächst und vor allem, das herrschende Unternehmen sie nicht ausüben kann. 23
IV. Ausblick: Der Konzerngesetzgeber
im Tiefschlaf
Die erreichte Schlußfolgerung, daß in Italien heute genausowenig ein allgemeines Konzernrecht existiert wie gestern, möchte ich mit einer vorsichtigen Vorhersage für die nahe Zukunft verbinden: die neuere Gesetzgebung zum Handelsrecht wird die juristische Erfassung der Konzerne eher verhindern denn fördern. Dabei sei „Konzern" hier als Feld von Einzelproblemen und nicht als Gesamtphänomen verstanden. Die Anwendung einer verworrenen Gesetzgebung, die sich u. a. vieler neuer Begriffe bedient - als Beispiel denke man an das Vordringen englischer Begriffe im Gesetz über die SIM 24 und an die Verwendung englischsprachiger Begriffe, die dem italienischen Juristen bereits vertraut sind, im gleichen Gesetz 25 - , wird die Gesetzeskommentatoren dazu zwingen, die Begriffe Beherrschung und Konzern lediglich im Kontext der vielen hinzugekommenen Regeln zu interpretieren, ohne zugleich die bekannte und schon früher als zukunftsweisend erkannte Verpflichtung einlösen zu können, einen vernünftigen und gerechten Ausgleich für den Widerstreit von Eigen- und Fremdbestimmung zu finden. Damit möchte ich nicht sagen, daß die neuere Gesetzgebung zum Handelsrecht keine Beiträge zur Debatte über den Konzern leisten könne - ich möchte die Debatte über den Konzern dabei aber in der zuvor beschriebenen umfassenden Dimension verstanden wissen. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern, daß man das neue italienische Konzernbilanzrecht als „konzernrechtlich orientiert" auslegen kann und soll, und erwähnen, daß nach meinem Eindruck das neuartige Instrument der sogenannten Unabhängigkeitserklärungen (protocolli di autonomiaJ26 genutzt werden kann, um den Nachweis der Kausalität zwischen 23 Art. 25 des Gesetzesdekrets Nr. 356/1990. 24 Art. 23 Abs. 2 erwähnt futures und options. 25 Die Verwendung des italienischen Begriffes transazione im Sinne eines Austauschvertrages über Wertpapiere entsprechend dem englischen transaction statt - dem historischen italienischen Wortsinn entsprechend - im Sinne eines außergerichtlichen Vergleichs. 26 Vgl. Art. 12 des Gesetzes 20/1991 über Versicherungsuntemehmen und Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes 1/1991 über die SIM: Erklärungen, - so scheint es - die die Inhaber wesentlicher Beteiligungen gegenüber dem Aktienamt, der Börsenaufsicht oder der Aufsichtsbehörde für einen bestimmten Wirtschaftszweig abgeben und nach denen sie nichts tun wollen, was einer „unabhängigen, ordentlichen und gewissenhaften" Geschäftsführung der Gesellschaft entgegenstehen könnte.
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Paolo Spada
Weisungen der herrschenden Gesellschaft und Schaden der abhängigen Gesellschaft zu erleichtern und damit eine Haftung der Geschäftsführer der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft und deren Geschäftsführern zu ermöglichen. Insgesamt aber läßt sich selbst bei wohlwollender Betrachtung nur sagen, daß der Konzern als Phänomen der Rechtswirklichkeit einen tiefen Schlaf schläft. Und ich glaube nicht, daß die Voraussetzungen für ein baldiges Aufwachen vorliegen. Wie eine von der EG-Kommission durchgeführte empirische Studie zu Fragen des Konzerns, an der ich als Vertreter Italiens mitwirken durfte, gezeigt hat, scheint das Konzernrecht mit Ausnahme der Juristen in Europa kein oder nur geringes Interesse auszulösen, und zwar auch in Deutschland: die Unternehmensleitungen sehnen es nicht herbei, fürchten es aber auch nicht. Aber auch die Kleinaktionäre, die in abhängige Gesellschaften investieren, empfinden sein Fehlen nicht als Mangel, wobei man allerdings richtiger sagen müßte: deren geschäftsmäßige Interessenvertreter. Die Zahl dieser Aktionäre ist zudem geringer, als man erwarten würde, weil, jedenfalls in den unternehmerisch straff geführten Konzernen, die 100%ige Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften die Regel ist. Sicherlich, im Falle schwerer Unglücke wie jenem von Bhopal gerät die Theorie des Konzerns mit dem Konflikt zwischen den Geschädigten, die eine Haftung des herrschenden Unternehmens erreichen wollen, und dem herrschenden Unternehmen, das sich hinter der juristischen Selbständigkeit der schädigenden Gesellschaft verschanzt, in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Mir scheint, daß ähnliche Ereignisse, die von den Medien weltweit ebenso dramatisch wie vergänglich in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gebracht werden, nicht ausreichen, die politischen Kräfte zu mobilisieren. Und dies gilt gleichermaßen für die Einzelstaaten wie für die Europäische Gemeinschaft. Dies zeigt sich deutlich daran, daß die letzte Version des Entwurfs eines Statuts für die Europäische Aktiengesellschaft27 keine Aussagen zum Konzernrecht mehr enthält und sich darauf beschränkt, allgemein für die ungeregelten Fragen auf das Recht des Staates zu verweisen, in dem die S. E. ihren Sitz hat (Art. 7); deutlich wird dies schließlich aus den Erwägungsgründen zu einem früheren Vorschlag, in denen es hieß, daß „die Kommission die Notwendigkeit einer Koordinierung der Rechte der Mitgliedstaaten in diesem Bereich überprüft". 28 Eine Überprüfung, die bis heute offensichtlich nur zum Vergessen des Projekts einer 9. Richtlinie geführt hat. Tatsache ist, daß diese Lage keineswegs Folge des Zeitalters der „Deregulierung" ist, wie die Presse dies Glauben machen will. Wir leben vielmehr ganz im 27 Vom 16. Mai 1991, ABl. E G Nr. C 176 v. 8. 7.1991, S. 1 ff. 28 Zu Art. 114 des Vorschlages vom 25. August 1989, Dok. K O M (89) 268 endg. - S Y N 218, insoweit in ABl. E G N r . C 263 v. 16.10.1989, S.41 ff, nicht abgedruckt.
Konzernrecht in Italien
125
Gegenteil in einer Zeit, in der die Maschen des Vorschriftenwerkes für die Wirtschaft und insbesondere für deren Finanzverfassung immer dichter geknüpft werden. Folge ist, daß man nicht oder allenfalls selten das Bedürfnis für ein Konzernrecht feststellt, weil dieses die unternehmerische Freiheit der Geschäftsleitung einschränkt. Weil sich diese Freiheit aber als immer kleiner erweist, wagt man es jedenfalls nicht, sie weiter zu beanspruchen.
Die Diskussion über die Konzerne und ihre Regelung in Italien von
P r o f e s s o r D R . C A R L O B R U N O VANETTI, M a i l a n d * Inhaltsübersicht I. E i n f ü h r u n g
126
1. D e r K o n z e r n in G e s e t z g e b u n g u n d R e c h t s p r e c h u n g
126
2 . S t a a t s k o n z e r n e («gruppi p u b b l i c i » ) und ihre jüngste E n t w i c k l u n g aus der Sicht der Lehre
129
I I . D e r K o n z e r n in d e r I n s o l v e n z
132
1. D i e « L e g g e P r o d i » als R e g e l u n g in der I n s o l v e n z 2. Die
Haftung
für Schäden
der abhängigen
132
Gesellschaft
bei
einheitlicher
Leitung
133
I I I . K o n z e r n b e g r i f f u n d G e s c h ä f t s f ü h r u n g s b e f u g n i s s e der Obergesellschaft
137
1. „ K o n z e r n " u n d „ K o n t r o l l e " - U n t e r s c h i e d e und ihre rechtliche B e d e u t u n g . .
137
2 . D i e s t r u k t u r e l l e n B e z i e h u n g e n in v e r b u n d e n e n Gesellschaften
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I V . D i e R e g e l u n g des K o n z e r n s in d e m E n t w u r f für ein U n t e r n e h m e n s s t a t u t («statuto dell'impresa»)
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1. G e g e n s t a n d u n d Inhalt des E n t w u r f s 2. Geschäftsfühlungsrechte
und
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Haftung
der O b e r g e s e l k c h a f t
füi
Schauen
und V e r b i n d l i c h k e i t e n d e r abhängigen G e s e l l s c h a f t
142
V . S t e l l u n g n a h m e ^ z u d e r im U n t e r n e h m e n s s t a t u t vorgesehenen Regelung
143
1. D i e K r i t i k d e r L e h r e
143
2. Eigene Bemerkungen
145
VI. Zusammenfassung
149
VII. Neuere Entwicklung
150
/. 1.
Der
Konzern
Einführung
in Gesetzgebung
und
Rechtsprechung
D i e d e r z e i t i g e w i r t s c h a f t l i c h e L a n d s c h a f t I t a l i e n s ist d u r c h e i n e V i e l z a h l Unternehmensgruppierungen
geprägt,
unter
denen
den
staatlichen
von
(«gruppi
pubblici»)1 und den multinationalen2 Konzernen zahlenmäßig besondere Bedeu-
* A u t o r und H e r a u s g e b e r d a n k e n H e r r n R e c h t s r e f e r e n d a r Frank
Diemer
für die Ü b e r s e t -
z u n g des M a n u s k r i p t s . 1 I m J a h r 1981 u m f a ß t e n allein die staatlich k o n t r o l l i e r t e n Gesellschaften ü b e r ein Drittel des G e s a m t u m s a t z e s
und d e r A n g e s t e l l t e n z a h l sämtlicher italienischer
Aktiengesell-
s c h a f t e n , vgl. GALGANO, L a società per a z i o n i , in: G a l g a n o , T r a t t a t o di diritto c o m m e r ciale, B d . V I I , P a d u a 1 9 8 4 , S. 4 0 9 f. 2 V g l . h i e r z u STOLFI, L e società m u l t i n a z i o n a l i nel diritto c o m u n i t a r i o , Mailand 1984, und die d o r t S. 2 a u f g e f ü h r t e L i t e r a t u r .
Konzernrecht in Italien
127
t u n g z u k o m m t . D e n n o c h sieht d a s italienische R e c h t keine b e s o n d e r e R e g e l u n g d e s K o n z e r n s v o r . F ü r d a s P h ä n o m e n der w i r t s c h a f t l i c h e n K o n z e n t r a t i o n , d a s d a r a u s entsteht, d a ß m e h r e r e rechtlich v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g e W i r t s c h a f t s g e bilde einheitlicher L e i t u n g unterstellt w e r d e n , gibt es bisher k e i n e u m f a s s e n d e n Vorschriften. E r s t in j ü n g s t e r Zeit erfährt d e r K o n z e r n v o n Seiten d e r
gesetzgebenden
G e w a l t g e w i s s e B e a c h t u n g : W ä h r e n d sich d a s Z i v i l g e s e t z b u c h v o n 1942 - 1974 in dieser H i n s i c h t novelliert - auf einige w e n i g e H i n w e i s e z u r
gegenseitigen
K o n t r o l l e v o n G e s e l l s c h a f t e n beschränkt 5 , b e r ü c k s i c h t i g t m a n d a s „ K o n z e r n " n e u e r d i n g s i m m e r häufiger im R a h m e n der
Phänomen
Spezialgesetzgebung,
allerdings o h n e hier eine a u s d r ü c k l i c h e R e g e l u n g e i n z u f ü h r e n . D i e s g e s c h i e h t ebenso im R a h m e n des Handels- und Konkursrechts wie im Steuerrecht, d e m D e v i s e n r e c h t u n d bei d e r S c h a f f u n g v o n I n v e s t i t i o n s a n r e i z e n 4 . H i e r sei i n s b e s o n d e r e auf die in A r t . 3 A b s . 1 Z i f f e r a) des G e s e t z e s N r . 2 1 6 v o m
7.6.1974
3 Siehe hierzu GUERRA, Le società di partecipazione, Mailand 1957; PASTERIS, Il «controllo» nelle società collegate e le partecipazioni reciproche, Mailand 1957; AMATUCCI/ CANDI/D'ALESSANDRO/FANELLI, La disciplina dei gruppi di società nella «novella» del 1974, Mailand 1978; COLOMBO, Informazione societaria e gruppi di società, in: L'informazione societaria (Atti del Convegno internazionale di studi di Venezia, 5-7 novembre 1981), Mailand 1982, S.669. 4 Zur Spezialgesetzgebung betreffend die finanziellen Vergünstigungen für die Industrie vgl. ABBADESSA, I gruppi di società nel diritto italiano, in: Pavone la Rosa (Hrsg.), A A . W . , I gruppi di società, Bologna 1982, S. 103, insbesondere S. 134 ff. Zur Bedeutung des Konzemzusammenschlusses im Steuerrecht (im wesentlichen nur hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer anerkannt) siehe LOVISOLO, G r u p p o di imprese e imposizione tributaria, Padua 1985; PAVONE LA ROSA, I gruppi di società nel diritto tributario, in: Pavone la Rosa (Hrsg.), A A . W . , I gruppi di società, Bologna 1982, S. 203 ff; MAISTO, Il «transfer price» nel diritto tributario italiano e comparato, Padua 1985; vgl. auch das Gesetz N r . 487 vom 8. August 1986 über den Verlustvortrag bei Fusionen. Zum währungsrechtlichen Gesichtspunkt siehe z. B. LUPOI, La rilevanza valutaria del «transfer pricing», in: Foro it. 1983 (III), 361. Bei der Spezialgesetzgebung im Bereich des Handelsrechts ist vor allem auf das Gesetz über das Verlagswesen hinzuweisen (Gesetz N r . 416 vom 5. August 1981, ergänzt durch das Gesetz N r . 1 vom 10. Januar 1985), das um die Transparenz des Verlagsmarktes und die Begrenzung der Unternehmenskonzentration bemüht ist: siehe MARCHETTI/LIPARI, Commentario alla legge 5 agosto 1981, n. 416, «Disciplina delle imprese editrici e provvidenze per l'editoria», in: Nuove leggi Civ. Comm. 1983, S. 461 und BIANCHI, Il «controllo» nella legge sull'editoria, in: Dir. inf. 1986,15. Zur Konkursgesetzgebung schließlich vgl. das Gesetz Nr. 45 vom 3. April 1979 über die außerordentliche Zwangsverwaltung großer Unternehmen in Krisensituationen (der sogenannten «Legge Prodi»), und dazu insbesondere BONSIGNORI, L'amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi, Padua 1980; LIBONATI, Il gruppo insolvente, Florenz 1981; QUATRARO, L'amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi, 2 Bde., Mailand 1985; COLOMBO, Sanierung und außerordentliche Zwangsverwaltung der krisenbetroffenen Unternehmen in zwei neuen italienischen Gesetzen, in: Z G R 1982, 63, 73 ff. Vgl. auch das Gesetz N r . 430 vom 1. August 1986 über die verwaltungsbehördliche Zwangsliquidation der Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
128
Carlo Bruno Vinetti
e n t h a l t e n e R e g e l u n g h i n g e w i e s e n , nach d e r die nationale B ö r s e n a u f s i c h t s b e h ö r d e C o n s o b ( « C o m m i s s i o n e N a z i o n a l e p e r le S o c i e t à e la B o r s a » ) allen b ö r s e n n o t i e r ten G e s e l l s c h a f t e n d i e E r s t e l l u n g k o n s o l i d i e r t e r
Konzernbilanzen,
h o m o g e n e B e r e i c h e , v o r s c h r e i b e n k a n n ; eine B e f u g n i s , v o n d e r die
auch
für
Consob
w i e d e r h o l t G e b r a u c h g e m a c h t hat 5 . M i t d e m Ziel, d e n A n w e n d u n g s b e r e i c h der in d e m jeweiligen G e s e t z v o r g e s e h e n e n R e g e l u n g f e s t z u l e g e n , enthalten d i e genannten V o r s c h r i f t e n gelegentlich d e n V e r s u c h einer D e f i n i t i o n o d e r w e n i g s t e n s einer näheren U m s c h r e i b u n g des K o n z e r n b e g r i f f s 6 . A n d e r e w i e d e r u m g e h e n im w e s e n t l i c h e n v o m B e g r i f f der K o n t r o l l e a u s 7 , o d e r sie v e r w e n d e n die B e z e i c h n u n g „ K o n z e r n " ( « g r u p p o » ) a u c h o h n e n ä h e r e E r l ä u t e r u n g 8 . D i e s e n t s p r i c h t der in Italien z u n e h m e n d vertretenen „ s o z i a l e n " , m e t a j u r i s t i s c h e n B e g r i f f s b e s t i m m u n g des K o n z e r n s , auf die m a n - w i e w i r s e h e n w e r d e n - a u c h z u r A b l e i t u n g einiger ( b e g r e n z t e r ) rechtlicher K o n s e q u e n z e n z u r ü c k z u g r e i f e n geneigt ist. A u f d i e s e n u m f a s s e n d e n , d e r w i r t s c h a f t l i c h e n Realität n a h e k o m m e n d e n K o n z e r n b e g r i f f b e r u f t sich gelegentlich a u c h die R e c h t s p r e c h u n g . Sie tut dies e i n m a l , u m d e m P h ä n o m e n „ K o n z e r n " in b e g r e n z t e n Bereichen eine g e w i s s e B e d e u t u n g beizumessen (so im Bereich des Warenzeichenrechts, der H a n d e l s m a r k e n und der Arbeitsverhältnisse9), z u m anderen und insbesondere u m
auszuschließen,
5 CERA, La C o n s o b , Mailand 1986 (überarbeitete Aufl.), S. 51 ff. 6 In den Gesetzen zur Förderung der industriellen Entwicklung wird häufig der Ausdruck „Verbindungen technischen, finanziellen und organisatorischen Charakters, die die Zugehörigkeit zum gleichen Konzern gestalten" («collegamenti di carattere tecnico, finanziario e organizzativo che configurino l'appartenenza ad un medesimo gruppo», so wörtlich A n . 10 letzter Absatz des Gesetzes Nr. 183 vom 2. Mai 1976) gebraucht; das Gesetz vom S.August 1981 verwendet dagegen (u.a. zum Zweck der Aufstellung einer konsolidierten Konzernbilanz, Art. 7 Abs. 4) die Formel „solche Verbindungen finanziellen und organisatorischen Charakters, die es erlauben, den Gewinn- und Verlustausweis oder die Ausübung der jedem einzelnen Unternehmen eigenen unternehmerischen Befugnisse in Abhängigkeit von einem gemeinsamen Zweck darzustellen" («collegamenti di carattere finanziario e organizzativo tali da consentire la comunicazione degli utili e delle perdite o l'esercizio dei poteri imprenditoriali propri di ciascun soggetto in funzione di uno scopo comune», Art. 1 Abs. 8). 7 Vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes N r . 95 von 1979 und Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 430 von 1986 (beide mit dem Ziel der Ausdehnung des Konkursverfahrens). 8 Vgl. die bereits zitierte Vorschrift des Gesetzes N r . 216 von 1974. Es sei daran erinnert, daß die C o n s o b das Problem der Definition des Konzerns im Rahmen ihrer Arbeit dadurch gelöst hat, daß sie jeweils in Einzelfallentscheidungen die Gesellschaften bestimmt, von denen die Konsolidierung der Bilanz mit den Konten der kontrollierten Gesellschaften gefordert wird (wobei sie die Auswahl der entsprechenden Kriterien den jeweiligen Gesellschaften überläßt; diese sind lediglich der Kommission vorab zur Genehmigung vorzulegen): vgl. CERA, aaO (Fn. 5), S. 51 ff und COLOMBO, L'informazione di bilancio d o p o la legge 216, in: Colombo/Cesarini (Hrsg.), A A . W . , La legge 216 dieci anni dopo. Aspetti societari, Mailand 1985, S. 199 ff, 218 f. 9 Siehe die Hinweise bei ABBADESSA, aaO (Fn. 4), S. 134 Anm.69.
129
Konzernrecht in Italien
daß die Existenz eines Konzerns schon per se zu einer Haftungsausweitung führt 10 . In diesem Zusammenhang
ist wiederholt betont worden, daß man
bezüglich eines Konzerns „nicht von irgendeiner F o r m von Subjektsqualität sprechen kann oder von einem .Haftungszentrum'" 1 1 , und daß zwischen Muttergesellschaft und T o c h t e r
„eine wirtschaftliche Bindung entsteht, aber keine
rechtliche, die mit einer gemeinsamen Verantwortung den Gläubigern gegenüber verbunden wäre" 1 2 .
2. Staatskonzeme
("gruppi
pubblici»)
und ihre jüngste
aus der Sicht der In der Auseinandersetzung
Entwicklung
Lehre
der italienischen juristischen
Lehre mit
dem
Konzern spielen die staatlichen K o n z e r n e («gruppi pubblici») eine besondere Rolle. Diese bestehen aus Handelsgesellschaften, in denen der Staat die Beteiligungsmehrheit mittels sektoraler Holdinggesellschaften (öffentlichen Verwaltungskörperschaften, z. B. I R I , E N I , E F I M u. a.) und gegebenenfalls U n t e r h o l dinggesellschaften hält. Sie werden geleitet, indem man G e s a m t p r o g r a m m e für diese Zwischengesellschaften formuliert, die ihrerseits wiederum den tätigen Gesellschaften spezielle Anweisungen geben 1 3 . 10 Der Rechtsprechung kann auch eine Regel für den Fall entnommen werden, daß bestehende Vorgänge im Verhältnis zur kontrollierten Gesellschaft oder ganz allgemein zu anderen Gesellschaften des Konzerns Gegenstand von Hauptversammlungsbeschlüssen sind: Es handelt sich um den Ausschluß der automatischen Anwendbarkeit des Art. 2373 cod.civ. (Interessenkonflikte) auf solche Beschlüsse, und zwar auch da, wo eine vollständige Kontrolle besteht. Nach Art. 2373 cod.civ. kann das Stimmrecht vom Gesellschafter nicht ausgeübt werden „in den Beratungen, in denen er, für sich oder für Dritte, ein in Konflikt mit dem Interesse der Gesellschaft stehendes Interesse hat". Der hier erwähnten Rechtsprechung zufolge ist vielmehr im Gegenteil der Inhalt des jeweiligen Beschlusses konkret zu würdigen. Das Stimmrecht wird nur dann ausgeschlossen werden können, wenn sicher ist, daß andernfalls ein Schaden für die Gesellschaft entstehen wird: vgl. GRIPPO, L'assemblea nella società per azioni, in: Rescigno (Hrsg.), Trattato di diritto privato, Bd. 16, Turin 1985, S.387, 392 f. Eine Zusammenstellung der verschiedenen Positionen, auch im Verhältnis zu den den Verwaltungsrat betreffenden Interessenkonflikten, findet sich bei ABBADESSA, aaO (Fn. 4), S. 121 ff. 11 Cassazione, 29 aprile 1974, n. 1220, in: Dir. Lav. 1974 (II), 317. Im gleichen Sinne auch App. Roma, 1 luglio 1985, in: Fall. 1986, 971 m.w. N. aus der Rechtsprechung. 12 Trib. Firenze, 7 giugno 1954, in: Giur. Tose. 1954, 370 und 473. 13 Siehe insbesondere: Einführung des Ministeriums für Staatsbeteiligungen (Ministero delle Partecipazioni Statali) zum Gesetz Nr. 1589 vom 22. Dezember 1956; Verordnung des Präsidenten der Republik Nr. 554 vom 14. Juni 1967 (d. p. r. 14 giugno 1967, n. 554 = Decreto del Presidente della Repubblica), das die Einbeziehung der Staatsbeteiligungen in die nationale Wirtschaftsplanung vorsieht; Gesetz Nr. 675 vom 2. August 1977, das die parlamentarische Kontrolle über die Politik der Regierung bezüglich der Staatsbeteiligungen verfügt.
130
C a r l o B r u n o Vanetti
Dieses System der Staatsbeteiligungen war in den letzten Jahrzehnten Hauptanlaß für die Konzerndiskussion 1 4 . Der Grund dafür lag in der Schwierigkeit, diejenigen Vorschriften, die eine mit öffentlich-rechtlichen Mitteln und Zielsetzungen arbeitende Zentralverwaltung vorsehen, mit den Regeln des allgemeinen Gesellschaftsrechts in Einklang zu bringen, die ihrerseits die Respektierung von Entscheidungsautonomie und eigener Gewinnerzielungsabsicht jedes einzelnen Handelsunternehmens verlangen. Die Lehre hielt die allgemeinen Vorschriften für anwendbar auch auf Gesellschaften mit Staatsbeteiligung und folgerte daraus, daß die öffentlichen Direktiven, wenn sie dem Vermögensinteresse der einzelnen Gesellschaften zuwiderlaufen, deren Geschäftsführer nicht binden. Sie zog das in der Spezialgesetzgebung (Art. 3 des Gesetzes N r . 1589 von 1956 und spätere Vorschriften) berufene Wirtschaftlichkeitskriterium («criteri di economicità», «criteri imprenditoriali») als Maßstab für die Führung auch dieser Konzerne heran 1 5 . Die Diskussion über die öffentlichen Konzerne zielte ebenso wie die Spezialgesetzgebung vor allem darauf ab, die das Eingreifen der öffentlichen Hand begrenzenden und die es leitenden Kriterien zu bestimmen. Jeder Lösungsvorschlag wurde dabei entweder aus der Sicht der einzelnen Gesellschaft als solcher oder aber -
staatsrechtlich -
unter dem Blickwinkel des in die Wirtschaft
eingreifenden Staates betrachtet. Insbesondere die gerade dem Konzern eigenen, ihn kennzeichnenden Merkmale und die Berücksichtigung der Nachteile, die aufgrund der besonderen Geschäftsführungstechniken den Minderheitsgesellschaftern und den Gläubigern der beherrschten Gesellschaften entstehen können, wurden vernachlässigt. In den letzten Jahren hingegen hat sich die Diskussion zunehmend auch auf diese und weitere, den öffentlichen und privaten Konzernen gemeinsame Punkte erstreckt 1 6 .
14 Siehe die Hinweise bei PAVONE LA ROSA, Partecipazioni statali e gruppi di imprese, in: Pavone la Rosa (Hrsg.), A A . W . , I gruppi di società, B o l o g n a 1982, S. 4 0 9 ff. Siehe auch CIRENEI, Le imprese pubbliche, Mailand 1983. 15
S o n o c h P A V O N E LA R O S A , a a O ( F n . 1 4 ) u n d G A L G A N O , a a O ( F n . 1). S i e h e a u c h J A E G E R ,
La nozione d'impresa dal codice allo statuto, Mailand 1985, S . 9 3 f f , in Bezug auf das «Statuto dell'impresa» (vgl. hierzu unten I V ) . Es muß aber daran erinnert werden, daß die im Text gezogenen Schlußfolgerungen es nicht verhindern, daß in concreto die öffentlichen Konzerne unter dem Einfluß politischer Entscheidungen stehen, an die sich die Geschäftsführer der jeweiligen Gesellschaften in der Regel anpassen, auch wenn sie ganz offensichtlich unwirtschaftlich sind. 16 Siehe insbesondere A A . W . , Disciplina giuridica del gruppo di imprese (Atti del Convegno di studi svoltosi a Bellagio nei giorni 1 9 - 2 0 giugno 1981), Mailand 1982; C e n t r o nazionale di prevenzione e difesa sociale (Hrsg.), A A . W . , Il gruppo di società e il bilancio consolidato di gruppo, Mailand 1981; COLOMBO, a a O ( F n . 3 ) ; ABBADESSA, a a O (Fn. 4); CERRAI, I gruppi di società nel diritto comunitario, in: Pavone la Rosa
Konzernrecht in Italien
131
E i n e erste G e l e g e n h e i t e r g a b sich anläßlich der V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r
EG-
V o r s c h l ä g e z u r gesetzlichen R e g e l u n g d e s K o n z e r n r e c h t s ' 7 und z u r E i n f ü h r u n g einer k o n s o l i d i e r t e n K o n z e r n b i l a n z 1 8 . S o hat sich die A n s i c h t entwickelt, es sei a n g e b r a c h t , bei d e r gesetzlichen R e g e l u n g des K o n z e r n s je nach F a l l g e s t a l t u n g zu u n t e r s c h e i d e n z w i s c h e n „ p o t e n t i e l l e r " ( « c o n t r o l l o p o t e n z i a l e » ) und e f f e k t i v e r ( « c o n t r o l l o e f f e t t i v o » ) K o n t r o l l e , o d e r - anders f o r m u l i e r t - z w i s c h e n rechtlichen o d e r tatsächlichen B e z i e h u n g e n , d i e f ü r eine m ö g l i c h e E i n f l u ß n a h m e auf die w i r t s c h a f t l i c h e n E n t s c h e i d u n g e n eines anderen S u b j e k t s e m p f ä n g l i c h o d e r anfällig s i n d , u n d d e r tatsächlichen A u s ü b u n g eines derartigen E i n f l u s s e s . F o l g t m a n d e m , s o k ö n n e n die k o n k r e t e n R e g e l u n g e n verschiedene gesetzliche D e f i n i tionen d e s K o n z e r n s beinhalten, da d i e unterschiedlichen R e g e l u n g s z i e l e d e r einzelnen B e s t i m m u n g e n eine unterschiedliche A u s l e g u n g des jeweiligen S a c h verhalts
rechtfertigen
und
verlangen
können.
Eine
genaue
tatbestandliche
A b g r e n z u n g kann d a n a c h auch d u r c h einen m e h r o d e r w e n i g e r starken R ü c k g r i f f auf w i d e r l e g l i c h e o d e r u n w i d e r l e g l i c h e V e r m u t u n g e n e r f o l g e n 1 9 .
(Hrsg.), A A . W . , I gruppi di società, Bologna 1982, S. 451; JAEGER, I «gruppi» tra diritto interno e prospettive comunitarie, in: Giur. Comm. 1980 (I), 916; STOLFI, aaO (Fn. 2), S. 129 fi; CHIOMENTI, Osservazioni per una costruzione giuridica del rapporto di gruppo fra imprese, in: Riv.dir.comm. 1983 (I), 257; ABBADESSA, I gruppi di società nello «Statuto dell'impresa», in: L o Statuto dell'impresa - Atti del convegno, Mailand 1986, S. 177; DI SABATO, La disciplina dei «gruppi» nel progetto di statuto di impresa, in: Giur.comm. 1985 (I), 638; PAVONE LA ROSA, «Controllo» e «gruppo» nella fenomenologia dei collegamenti societari, in: Dir.fall. 1985 (I), 10. 17 Gemeint sind die im Rahmen der Vorarbeiten zur neunten Gesellschaftsrechtsrichtlinie erstellten Dokumente und Entwürfe, veröffentlicht in Riv. Soc. 1973, 884; 1977, 655 (vgl. hier auch die Darstellung von VANETTI zum 2. französischen Entwurf Cousté, S. 633 ff) und Riv. Soc. 1985, 1040. Vgl. auch den in L'informazione societaria (Atti del Convegno internazionale di studi di Venezia, 5-7 novembre 1981), Mailand 1982, S. 513 veröffentlichten Text (und d o n S. 505 die Kommentierung von BIAMONTI). Allgemeiner zum Thema siehe auch CERRAI, aaO (Fn. 16), S. 451; PAVONE LA ROSA, Osservazioni sulla proposta di nona direttiva sui gruppi di società, in: Giur. C o m m . 1986 (I), 831; IMMENGA, L'harmonisation du droit des groupes de sociétés. La proposition d'une Directive de la Commission de la C . E . E., in: Giur. Comm. 1986 (I), 846; MARZIALE, Considerazioni sul nuovo testo di proposta di IX direttiva C E E relativa ai gruppi di imprese, in: L o Statuto dell'impresa - Atti del convegno, Mailand 1986, S. 199. 18 Gemeint ist die siebte Richtlinie (zur konsolidierten Rechnungslegung), deren Entwurf abgedruckt ist in Riv. Soc. 1976, 1300 (dort S. 1297 ff die Vorstellung von LIGUORI), während der vom Rat angenommene Text in Riv. Soc. 1983, 1185 veröffentlicht ist. Vgl. die in Centro nazionale di prevenzione e difesa sociale (Hrsg.), A A . W . , aaO (Fn. 16) und in Brunetti (Hrsg.), A A . W . , Il bilancio consolidato - VII direttiva comunitaria e principi contabili, Padua 1985, enthaltenen Besprechungen. 19 JAEGER, Giur. C o m m . 1980 (I), 924; COLOMBO, aaO (Fn. 3), S. 670; FERRI, Concerto di controllo e di gruppo, in: A A . W . , Disciplina giuridica del gruppo di imprese (Atti del Convegno di studi svoltosi a Bellagio nei giorni 19-20 giugno 1981), Mailand 1982, S. 67, 72 f.
132
C a r l o B r u n o Vanetti
Maßgeblicher beeinflußt wurde die Diskussion dann jedoch von einer in der sogenannten «Legge Prodi» von 1979 2 0 enthaltenen Vorschrift zur Regelung der Vermögenshaftung, die den Anstoß gab für Überlegungen sowohl zum Konzernbegriff als auch zu den aktuellen Grundsätzen der Führung von Unternehmen in gesellschaftsrechtlicher Form und der daraus folgenden Haftung. Weiter belebt wurde die Diskussion in jüngster Zeit durch den Entwurf eines Unternehmensstatuts («statuto dell'impresa») 21 , und hier insbesondere durch seinen zweiten Teil, der eine umfassende Regelung des Konzerns vorsieht (zum ersten Mal in einem amtlichen Dokument) und der den notwendigen Bezugspunkt für eine zukünftige Reform darstellt. Zusammenfassend ist festzustellen, daß in den letzten Jahren in Italien die Diskussion über den Konzern deutlich lebhafter geworden ist und zunehmend mit der von der obengenannten «Legge Prodi» und dem Entwurf eines Unternehmensstatuts ausgelösten Debatte zusammenfällt. Mit diesen beiden beschäftigen sich daher die folgenden Ausführungen.
II. Der Konzern 1. Die «Legge
in der
Prodi» als Regelung
Insolvenz in der
Insolvenz
Das Gesetz Nr. 95 vom 3 . 4 . 1 9 7 9 («Legge Prodi») hat in die italienische Rechtsordnung ein als «amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi» (außerordentliche Verwaltung großer Unternehmen in der Krise) bezeichnetes Konkursverfahren eingeführt. Es sieht im wesentlichen eine verwaltungsbehördliche Zwangsliquidation vor 22 . Obwohl das Gesetz den Konzern weder definiert noch ausdrücklich erwähnt, will es unter anderem gerade den zahlungsunfähigen Konzern regeln 23 . Dies ergibt sich konkret aus der Bedeutung, die verschiedenen Faktoren beigemessen wird: So z. B. den verschiedenen Konstella2 0 G e s e t z N r . 9 5 v o m 3. April 1979, a a O ( F n . 4 ) . Siehe auch unten I I . 21 Siehe unten I V . 22 D i e v e r w a l t u n g s b e h ö r d l i c h e Zwangsliquidation ist ein im K o n k u r s g e s e t z und in S p e zialgesetzen vorgesehenes V e r f a h r e n ; es ist b e s t i m m t für U n t e r n e h m e n
besonderer
W i r t s c h a f t s z w e i g e mit ö f f e n t l i c h e r B e d e u t u n g ( V e r s i c h e r u n g e n , B a n k e n ,
Kooperati-
ven) o d e r unter staatlicher K o n t r o l l e , o d e r für U n t e r n e h m e n , die über ein b e s t i m m t e s M a ß hinaus g e g e n ü b e r dem Staat verschuldet sind b z w . staatliche G a r a n t i e n erhalten haben. Siehe BONSIGNORI, L a liquidazione coatta amministrativa, in: S c i a l o j a / B r a n c a ( H r s g . ) , C o m m e n t a r i o della legge fallimentare, B o l o g n a / R o m 1 9 7 4 . 23 D i e s e Z w e c k b e s t i m m u n g ist in der Literatur u n u m s t r i t t e n ; sie wird im B e r i c h t der R e g i e r u n g zu diesem G e s e t z ausdrücklich h e r v o r g e h o b e n : w i e d e r g e g e b e n bei QUATRARO, a a O ( F n . 4), B d . I, S. 5 2 7 f . D e r B e g r i f f „ K o n z e r n " ( « g r u p p o » ) erscheint auch in den das G e s e t z ergänzenden V o r s c h r i f t e n ; vgl. das im V e r o r d n u n g s w e g e G e s e t z ( « d e c r e t o legge» = d . i . ) N r . 4 1 1 v o m 2 8 . J u l i 1 9 8 6 .
erlassene
Konzernrecht in Italien
133
tionen der Unternehmensverbindung («controllo»), einschließlich der rein tatsächlichen, der indirekten und der Verbindung in Seitenlinie24; der teilweisen Identität der Geschäftsführer (was auf eine einheitliche Leitung schließen läßt); oder schließlich der Gewährung von Darlehen oder Garantien an ein dem Verfahren unterworfenes Unternehmen in Höhe eines Betrages, der ein Drittel des eigenen Aktivvermögens überschreitet (Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes). Die Bedeutung der aufgeführten „zwischengesellschaftlichen" Verbindungen liegt zum einen darin, daß sie die Anwendung des Verfahrens auch auf solche (zahlungsunfähigen) Unternehmen ermöglichen, die die normalerweise vom Gesetz geforderten größenmäßigen Voraussetzungen allein nicht erfüllen 25 . Zum anderen führen sie zu zahlreichen Auswirkungen im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit und bei Anfechtungs- und Haftungsklagen 26 . Bei letzteren ist beispielsweise die Ausdehnung der Haftung auf unerlaubte Handlungen der Geschäftsführer möglich.
2. Die Haftung für Schäden der abhängigen bei einheitlicher Leitung
Gesellschaft
Diesbezüglich bestimmt der zehnte und letzte Absatz des Art. 3 der Legge Prodi, daß „in den Fällen verbundener Gesellschaften im Sinne des Abs. 1 dieses Artikels, wenn der Tatbestand einer einheitlichen Leitung verwirklicht ist, die Geschäftsführer der Gesellschaften, die diese Leitung ausgeführt haben, mit den Geschäftsführern der sich in außerordentlicher Zwangsverwaltung befindlichen Gesellschaft gesamtschuldnerisch für die von letzteren der Gesellschaft zugefügten Schäden haften." 24 Das hat zur Folge, daß über die in Art. 2359 cod.civ. vorgesehenen Fälle hinaus auch die indirekte äußere Kontrolle und die Beziehungen der verschiedenen, von der gleichen Muttergesellschaft kontrollierten Tochtergesellschaften untereinander erfaßt werden; vgl. die Nachweise bei MAFFEI ALBERTI, Commentario breve alla legge fallimentare, 2. Aufl., Padua 1986, S. 640 ff und S. 661. Siehe auch SCOGNAMIGLIO, Società di persone e imprese individuali di gruppo nell'amministrazione straordinaria, Rom 1984, insbesondere S. 61 ff. 25 Gemäß Art. 1 des Gesetzes in der gegenwärtigen Fassung sind die Mindestanforderungen, um ein zahlungsunfähiges Wirtschaftsunternehmen (das weder klein noch öffentlich sein darf) unmittelbar der «amministrazione straordinaria» zu unterstellen, „eine Beschäftigtenzahl . . . nicht unter dreihundert" (seit mindestens einem Jahr) und eine Verschuldung (gegenüber Banken und Versorgungsansuiten) „von mehr als dem fünffachen des eingezahlten Kapitals, die in der letzten bestätigten Bilanz ausgewiesen ist" und die „nicht unter 35 Milliarden Lire" sein darf. Diese Grenze wird jährlich angepaßt; sie wurde durch ministeriellen Erlaß (decreto ministeriale = d. m.) vom 23. April 1986 auf 53,753 Milliarden Lire erhöht. 2 6 Vgl. d e n T e x t des A r t . 3 s o w i e MAFFEI ALBERTI, a a O ( F n . 24), S. 665 f f .
134
Carlo B r u n o Vanetti E s ist n i c h t leicht, die T r a g w e i t e dieser V o r s c h r i f t z u b e s t i m m e n ; dies nicht
zuletzt w e g e n ihrer übereilten F o r m u l i e r u n g ,
die F o l g e eines
Kompromisses
z w i s c h e n den im L a u f e der parlamentarischen Diskussion z u t a g e
getretenen,
w i d e r s p r ü c h l i c h e n A u f f a s s u n g e n ist 2 7 . B e i i h r e r A u s l e g u n g galt es i n s b e s o n d e r e z u b e s t i m m e n , w a s u n t e r „ e i n h e i t l i c h e r L e i t u n g " z u v e r s t e h e n i s t 2 8 , o b Kausalität zwischen der A u s ü b u n g der Leitung und den v o n der abhängigen Gesellschaft e r l i t t e n e n S c h ä d e n b e s t e h e n m u ß 2 9 , o b für diese S c h ä d e n alle G e s c h ä f t s f ü h r e r der G e s e l l s c h a f t , die die L e i t u n g ü b e r n o m m e n h a t , h a f t e n o d e r n u r d i e j e n i g e n , die die einzelnen schädigenden H a n d l u n g e n v o r g e n o m m e n haben30, o b die A n w e n d u n g d e r N o r m a u c h eine V e r m ö g e n s h a f t u n g d e r O b e r g e s e l l s c h a f t a u s l ö s t und n i c h t n u r die p e r s ö n l i c h e H a f t u n g i h r e r G e s c h ä f t s f ü h r e r 3 1 , u n d o b d i e H a f t u n g l e t z t e r e r ä q u i l i a n i s c h e r o d e r v e r t r a g l i c h e r 3 2 N a t u r ist 3 3 .
27 Vgl. MAFFEI ALBERTI, in: Colesanti/Maffei Alberti/Schlesinger, Provvedimenti urgenti per l'amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi, in: N u o v e leggi civ. c o m m . 1979, 705, 754 F n . 3 8 sowie ABBADESSA, a a O ( F n . 4 ) , S. 129 f F n . 6 0 . 28 Es ist einhellige Auffassung, daß dieser Begriff eine andere Bedeutung hat als der der «stessa direzione» („dieselbe Leitung") in Art. 3 Abs. 1 Buchst, c) des Gesetzes (die aus der „Zusammensetzung der entsprechenden Verwaltungsorgane" resultieren muß). Dessen ungeachtet ist jedoch strittig, welche Bedeutung er in c o n c r e t o hat; eine Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten findet sich bei JAEGER, «Direzione unitaria» di gruppo e responsabilità degli amministratori, in: Riv. S o c . 1985, 817, 822 ff. Siehe auch im T e x t weiter unten. 2 9 Nach herrschender Ansicht sind die zu ersetzenden Schäden beschränkt auf diejenigen, die mit der Ausübung der einheitlichen Leitung in Verbindung stehen, wobei jedoch über die Beweislastverteilung gestritten wird. Dies gilt auch hinsichtlich der Brauchbarkeit (widerleglicher) Vermutungen und der Rechtsnatur der Haftung (siehe dazu weiter unten). 30 Uberwiegend wird die allgemeine Regel des Art. 2392 cod.civ. für anwendbar gehalten, derzufolge sämtliche Geschäftsführer der kontrollierenden Obergesellschaft haften, sofern sie sich nicht exculpieren: vgl. JAEGER, Riv. Soc. 1985, 854; PAVONE LA ROSA, La responsabilità da «controllo» nei gruppi di società, in: Riv. Soc. 1984, 4 0 1 , 433; BONELLI, Imprese collegate (o di gruppo): La responsabilità di chi esercita la direzione unitaria (art. 3, decimo comma, della legge Prodi), in: Fall. 1984, 5 7 8 , 586. 31 D i e (auch hier vertretene) weitergehende Ansicht wird vertreten von JAEGER, Riv. Soc. 1985, 831; BONELLI, Fall. 1984, 5 8 7 f ; dagegen: LIBONATI, a a O ( F n . 4 ) , S. 122; PAVONE LA ROSA, a a O ( F n . 30), S. 434. Siehe auch unten F n . 50. 32 Anmerkung des Übersetzers: Hinsichtlich der vertraglichen Haftung («responsabilità contrattuale») der Geschäftsführer der kontrollierenden Obergesellschaft ist auf folgende Besonderheit des italienischen Rechts hinzuweisen: D e r C o d i c e Civile unterscheidet zwei Hauptquellen der Haftung («responsabilità»): 1. D i e Nichterfüllung («inadempimento») einer Verpflichtung Schuldverhältnisses (Artt. 1218 ff c. c.), und 2. die unerlaubte Handlung («fatto illecito», Artt. 2043 ff c. c.).
im
Rahmen
eines
Während letztere auch als außervertragliche oder äquilianische Haftung («responsabilità extracontrattuale o aquiliana») bezeichnet wird, fällt der gesamte Bereich der Nichterfüllung einer schuldrechtlichen Verpflichtung unter den Begriff der vertraglichen Haftung («responsabilità contrattuale»), unabhängig davon, o b das Schuldverhält-
Konzernrecht in Italien
135
Ü b e r die bloße A u s l e g u n g des Textes hinaus ist es wichtig h e r v o r z u h e b e n , daß die italienische Lehre in der Vorschrift keine einmalige, s y s t e m w i d r i g e A b w e i c h u n g gesehen, s o n d e r n - im Gegenteil - versucht hat, sie auf die allgemeinen Regeln z u r ü c k z u f ü h r e n und folglich auch außerhalb des G e s e t z e s N r . 95 v o n 1979 a n z u w e n d e n . D i e s w e r d e n wir im f o l g e n d e n sehen. D e r zuletzt a n g e s p r o c h e n e Punkt, die N a t u r der H a f t u n g der Geschäftsführer der kontrollierenden Obergesellschaft, bildete den A n l a ß für eine U n t e r s u c h u n g der G r e n z e n
der zulässigen
E i n f l u ß n a h m e auf die G e s c h ä f t s f ü h r u n g
einer
Gesellschaft ganz allgemein, unabhängig v o n ihrer Zahlungsunfähigkeit u n d der A n w e n d b a r k e i t der g e n a n n t e n Regeln über die «amministrazione straordinaria». So hat man überlegt, o b das Bestehen eines K o n z e r n s für die G e s c h ä f t s f ü h r e r der O b e r g e s e l l s c h a f t generell G e s c h ä f t s f ü h r u n g s - u n d Aufsichtspflichten g e g e n ü b e r d e n kontrollierten Gesellschaften mit sich bringt, aus d e n e n eine vertragliche H a f t u n g d e n abhängigen Gesellschaften gegenüber hergeleitet w e r d e n k ö n n t e 3 4 . Gleichzeitig ist der A u s d r u c k „einheitliche Leitung" in Art. 3, letzter A b s a t z der Legge Prodi - nach einigen anfänglichen Unsicherheiten - mit d e n f ü r d e n
nis auf Gesetz oder auf Vertrag beruht. Daher ist z. B. auch die Nichterfüllung der aus einer unerlaubten Handlung folgenden gesetzlichen Schadensersatzverpflichtung «responsabilità contrattuale», vgl. u.a. TRABUCCHI, Istituzioni di Diritto Civile, 29. Aufl., Padua 1988, S. 208. Von «responsabilità extracontrattuale» spricht man demnach immer dann, wenn eine absolut geschützte Rechtsposition verletzt ist, von •responsabilità contrattuale», also vertraglicher Haftung, dagegen in allen Fällen der Verletzung eines relativen Rechts. N u r in diesem weiten Sinne der H a f t u n g für Nichterfüllung kann die vorliegend diskutierte Geschäftsführerhaftung als vertraglich bezeichnet werden. 33 Die These von der vertraglichen (oder obligatorischen) Haftung wurde erstmals vertreten von ALLEGRI, Contributo allo studio della responsabilità civile degli amministratori, Mailand 1979, S. 188; zu ihren Hauptbefürwortern zählen ABBADESSA, aaO (Fn. 16), S. 144, BONELLI, Fall. 1984, 584 und insbesondere PAVONE LA ROSA, aaO (Fn. 30), S. 428 ff (siehe auch oben); zum Begriff der vertraglichen H a f t u n g - die die gesetzliche miteinschließt (oben Fn. 32) - siehe SCOGNAMIGLIO, Responsabilità contrattuale ed extracontrattuale, in: Noviss. Dig. It. (XV), 1968, 670 und VISINTINI, Responsabilità contrattuale ed extracontrattuale (Una distinzione in crisi?), in: Rass. dir. civ. 1983, 1077. Die entgegengesetzte Meinung - die mir vorzugswürdig erscheint - findet sich bei ALESSI, L'amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi, in: Fall. 1979, 315, 351 und LIBONATI, aaO (Fn.4), S. 120 ff und ist mit zusätzlichen Argumenten aufgegriffen worden von JAEGER, La responsabilità solidale degli amministratori della capogruppo nella legge sull'amministrazione straordinaria, in: Giur. comm. 1981 (I), 407, 418 ff sowie in späteren Veröffentlichungen. Ihr folgen auch GALGANO, a a O (Fn. 1), S. 188; BORGIOLI, Direzione unitaria e responsabilità nell'amministrazione straordinaria, in: Riv. Soc. 1982, 13, 29; SANDULLI, La responsabilità patrimoniale nell'ambito del gruppo in amministrazione straordinaria, in: Dir. Fall. 1984 (I), 39, 45; STOLFI, aaO (Fn.2), S.284ff; SCOGNAMIGLIO, aaO (Fn.24), S. 164 ff; ASTOLFI, La cessione del controllo azionario, Pavia (s.d.ma) 1985, S. 144ff und jetzt auch QUATRARO, aaO (Fn.4), Bd.II, S. 1190. 34 Siehe unten III 2.
136
Carlo Bruno Vanetti
K o n z e r n typischen Führungstechniken identifiziert worden und hat die weitere Herausarbeitung dereinen K o n z e r n qualifizierenden charakteristischen Merkmale in der wissenschaftlichen Diskussion ausgelöst 35 . Es ist jedoch bemerkenswert, daß in der Literatur eine kritische Bewertung der praktischen A n w e n d b a r k e i t der in Rede stehenden Vorschrift fehlt. So ist nicht beachtet w o r d e n , daß ihre konkrete Tragweite bedingt und begrenzt ist durch eben die Voraussetzung, die ihr zugrunde liegt, nämlich der Existenz einer (vertraglichen) Haftung der Geschäftsführer gegenüber der von ihnen geführten Gesellschaft aufgrund allgemeinen Gesellschaftsrechts ( A m . 2392 ff Codice Civile). Diese Voraussetzung macht es einerseits notwendig, auf den Begriff des «interesse sociale» einzugehen, überwiegend verstanden als «interesse comune dei soci in quanto soci» (gemeinsames Interesse der Gesellschafter als solcher) 36 , dem traditionellen Maßstab f ü r die Bewertung der Geschäftsführertätigkeit 3 7 . Andererseits schließt sie diejenigen Konzerne, in denen ein hoher Grad von Zentralisierung und Integration erreicht ist, tendenziell v o n der Anwendbarkeit der N o r m aus: In solchen Fällen w i r d es nämlich, wie überzeugend an anderer Stelle dargelegt wurde 3 8 , unmöglich, die Interessen der einzelnen Gesellschaft näher zu bestimmen ; der eine normale A u t o n o m i e voraussetzende Begriff «interesse sociale» verliert jegliche eigenständige Bedeutung.
35 Siehe unten III 1. 36 Zu den Varianten im Bereich der vertraglichen Lösung siehe GALGANO, aaO (Fn. 1 ), S. 63 ff. 37 Der Begriff des «interesse sociale» als Richtlinie für die Tätigkeit der Geschäftsführer ist vom Gesetzgeber ausdrücklich verwendet worden hinsichtlich der Informations- und Enthaltungspflichten sowie der zivil- (für Schäden) und strafrechtlichen Haftung im Falle einer Abstimmung trotz Interessenkonfliktes (Artt. 2391 und 2631 cod.civ.). Gedacht ist an den Fall des Geschäftsführers, der bei einer Abstimmung im Verwaltungsrat hinsichtlich eines bestimmten Vorgangs aufgrund eigener Interessen oder derjenigen Dritter in Konflikt gerät mit den Interessen der Gesellschaft. Es ist jedoch unzweifelhaft, daß der Systematik eine allgemeine Pflicht des Geschäftsführers zur Verfolgung des «interesse sociale» zu entnehmen ist, die unter die „vom Gesetz auferlegten Pflichten" («doveri imposti dalla legge») des Art. 2392 cod.civ. fällt. Letztere sind, sollten sie nicht beachtet werden, die Quelle der Haftung für bei der Gesellschaft (oder eventuell deren Gläubigern) verursachte Schäden, vgl. ALLEGRI, aaO (Fn.33), S. 131 ff. 38 Vgl. die Diskussion zum Begriff des qualifiziert faktischen Konzerns in Deutschland: HUECK/LUTTER/MERTENS/REHBINDER/ULMER/WIEDEMANN/ZÖLLNER,
Thesen
und
Vorschläge zur GmbH-Reform, Bd. 2, 1972, S. 47ff; EMMERICH/SONNENSCHEIN, Konz e r n r e c h t , 2 . A u f l . , 1 9 7 7 , S. 2 1 4 f f ; LÜTTER, Z G R 1982, 2 4 4 , 2 6 3 ff; SCHULZE-OSTERLOH,
ZGR 1983,123, 151 ff; außerdem FISCHER/LUTTER, Komm. z. GmbHG, 11. Aufl., 1985, Anh. § 1 3 S . 1 2 4 ff. Vgl. zur Ungeeignetheit der Verwendung des Begriffs «interesse sociale» in italienischen Konzernen: RULLANI, in: Mosconi/Rullani, Il gruppo nello sviluppo dell'impresa industriale, Mailand 1978, S. 46 ff. Siehe auch BUTTA', Una metodologia per l'approccio economico-aziendale allo studio dei gruppi di imprese, in: Pavone la Rosa (Hrsg.), A A . W . , I gruppi di società, Bologna 1982, S.29, 80 ff.
K o n z e r n r e c h t in Italien
HI.
Konzernbegriff
1. „Konzern"
137
und Geschäftsführungsbefugnisse
und „Kontrolle"
- Unterschiede
der
Obergesellschaft
und ihre rechtliche
Bedeutung
In der zitierten Vorschrift (Art. 3, letzter Absatz der Legge Prodi) finden sich die in der Betriebswirtschaftslehre 39 herausgearbeiteten, einen Konzern kennzeichnenden Merkmale wieder: Die Verbindung («collegamento») mehrerer juristisch
voneinander unabhängiger Gesellschaften
und
insbesondere
ihre
Unterordnung unter eine einheitliche Leitung («direzione unitaria»). Hinsichtlich des ersten Merkmals («collegamento») offerierte das Gesetz, wie bereits angedeutet, eine Definition, die den in A n . 2359 c. c. enthaltenen Begriff der Kontrolle grundsätzlich aufgreift, ihn aber ausdehnt auf die von außerhalb erfolgende, indirekte Kontrolle und ihn in mehrfacher Hinsicht ergänzt: Schwestergesellschaften («società sorellae»; von der gleichen Muttergesellschaft kontrolliert),
Gesellschaften
mit
überwiegend
gemeinsamen
Geschäftsführern,
Finanzierungs- und garantierende Gesellschaften wurden nun mit einbezogen. Daher brachte die Präzisierung der für das Vorliegen einer Verbindung notwendigen Voraussetzungen nur vergleichsweise geringe Probleme mit sich 40 . Im Gegensatz dazu war der Gebrauch des Begriffs „einheitliche Leitung" («direzione unitaria») in einem Gesetzestext ein Novum, das die Lehre dazu zwang, sich mit seiner Tragweite und dem Verhältnis zu den anderen im Text verwandten Begriffen auseinanderzusetzen. Dies galt insbesondere für den Begriff der „Kontrolle", der herkömmlicherweise von Rechtsprechung und Lehre als zur näheren Bestimmung eines Konzerns genügend angesehen wurde 4 1 . Die Frage nach der Notwendigkeit, den Begriff der „einheitlichen Leitung" von dem der „Kontrolle" und speziell von der „effektiven Kontrolle" («controllo
3 9 Siehe z . B . BUTTA', a a O ( F n . 3 8 ) , S . 6 1 , d e m z u f o l g e
„ein K o n z e r n
vorliegt,
wenn
mehrere rechtlich a u t o n o m e U n t e r n e h m e n v o m g l e i c h e n « s o g g e t t o e c o n o m i c o » , das sie direkt oder indirekt kontrolliert, A r t und W e i s e einheitlich
mit einem g e m e i n s a m e n Ziel in auf D a u e r angelegter
geleitet
werden" (Hervorhebung vom Verfasser). Weitere
H i n w e i s e auf die wirtschaftswissenschaftliche L e h r e f i n d e n sich bei PAVONE LA ROSA, a a O ( F n . 3 0 ) , S. 4 1 0 f f und VANETTI, L a responsabilità della c a p o g r u p p o in I n g h i l t e r r a , in: R i v . S o c . 1 9 8 0 , 1 0 8 9 , 1 0 9 4 f f . M a n k a n n feststellen, d a ß in d e r w i r t s c h a f t l i c h e n Realität der nicht hierarchisch strukturierte K o n z e r n als in c o n c r e t o irrelevant angesehen wird ( « g r u p p o paritario»), vgl. RULLANI, a a O ( F n . 3 8 ) , S. 4 6 ff. 4 0 Hinsichtlich einiger P u n k t e sind j e d o c h Z w e i f e l b e z ü g l i c h d e r A u s l e g u n g g e b l i e b e n : s i e h e d i e Z u s a m m e n s t e l l u n g v o n MAFFEI A L B E R T I , a a O ( F n . 2 4 ) , S . 6 6 2 f.
41 K e n n z e i c h n e n d
ist
der T i t e l
des
Werkes
von
AMATUCCI/CANDI/D'ALESSANDRO/
FANELLI, La disciplina dei gruppi di società nella « n o v e l l a » del 1 9 7 4 , w e l c h e s sich in W i r k l i c h k e i t mit der R e g e l u n g der K o n t r o l l e b e f a ß t . D i e A n s i c h t , das die e i n h e i t l i c h e L e i t u n g kein „über die K o n t r o l l e h i n a u s g e h e n d e r B e s t a n d t e i l des K o n z e r n b e g r i f f s " sei, wird bis heute vertreten von GALGANO, a a O ( F n . 1), S. 1 8 0 f. S i e h e a u c h o b e n T e x t u n d F n . 19.
138
Carlo B r u n o Vanetti
effettivo») oder dem „herrschenden Einfluß" («influenza dominante») abzugrenzen 4 2 , ist seither streitig. Es werden zwei Auffassungen vertreten, deren Hauptvertreter Jaeger Jaeger
einerseits und Pavone La Rosa andererseits sind.
verneint die Erheblichkeit dieser Unterscheidung für das geltende
Recht generell''3. Pavone La Rosa hingegen neigt dazu, nicht nur potentielle und effektive Kontrolle zu unterscheiden, sondern auch von letzterer die Fälle abzugrenzen, in denen die tatsächliche Ausübung der Kontrolle zu einer Integration der sich entsprechenden betrieblichen Funktionen geführt hat. Es bestehe die Notwendigkeit einer qualitativen, nicht bloß quantitativen, Abgrenzung von „Kontrolle" und „einheitlicher Leitung". Die einheitliche Leitung bringe nicht nur einen bestimmenden Einfluß auf die von den Organen des kontrollierten Unternehmens getroffenen Geschäftsführungsentscheidungen mit sich, wie für die effektive Kontrolle typisch, sondern gleichzeitig auch die Herausbildung besonderer Strukturen, in denen die alle angegliederten Unternehmenseinheiten gemeinsam betreffenden Verwaltungsfunktionen zentralisiert, die wirtschaftlichen Grundsatzentscheidungen des Konzerns erarbeitet und geplant werden. Nach Pavone
La Rosa ist die genannte Unterscheidung schon im geltenden
Recht von Bedeutung, insofern nämlich gerade der bereits erwähnte letzte Absatz des Art. 3 der Legge Prodi sich auf solche organisatorischen Strukturen beziehe, die zur Verwirklichung einer «direzione unitaria» notwendig seien 44 .
42 Z u r A n e r k e n n u n g der U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n potentieller und effektiver K o n t r o l l e ( « c o n t r o l l o P o t e n z i a l e » ed « e f f e t t i v o » ) in der italienischen L e h r e siehe o b e n 1 2. 43 Siehe JAEGER, G i u r . c o m m . 1981 (1), 4 1 4 f s o w i e DERS., Riv. S o c . 1985, 8 2 5 f. In diesem S i n n e auch ASTOLFI, a a O ( F n . 3 3 ) , S. 113 ff. 44 PAVONE LA ROSA, D i r . fall. 1985 ( I ) , 19 f und DERS., a a O ( F n . 3 0 ) , S. 4 0 7 ff, 421 f, 4 2 9 ff. D i e A n s i c h t Pavone
La Rosa's
e r s c h e i n t t h e o r e t i s c h richtig; begrifflich sind die e i n f a c h e
äußere W e i s u n g an ein anderes U n t e r n e h m e n - effektive K o n t r o l l e - und die einheitliche Leitung zweier oder mehr Unternehmensstrukturen
zu u n t e r s c h e i d e n . Sie e n t -
spricht auch d e m W i l l e n des G e s e t z g e b e r s , der sich bei dem G e b r a u c h des B e g r i f f s „einheitliche L e i t u n g " auf den bereits a n g e s p r o c h e n e n m e t a j u r i s t i s c h e n K o n z e r n b e g r i f f b e z o g e n hat. D i e s e r setzt s c h o n kraft D e f i n i t i o n eine g e m e i n s a m e u n t e r n e h m e r i s c h e O r g a n i s a t i o n v o r a u s . M e i n e s E r a c h t e n s b r i n g t die effektive K o n t r o l l e , w e n n sie von e i n e m T r ä g e r a n d e r e r U n t e r n e h m e n s a k t i v i t ä t e n ausgeübt wird, in d e r Praxis j e d o c h regelmäßig die H e r a u s b i l d u n g g e m e i n s a m e r o r g a n i s a t o r i s c h e r S t r u k t u r e n m i t sich, so d a ß sich in c o n c r e t o einheitliche L e i t u n g und e f f e k t i v e K o n t r o l l e nur dann u n t e r s c h e i den, wenn d e r j e n i g e , d e r die K o n t r o l l e ausübt, n i c h t bereits - direkt o d e r indirekt
-
U n t e r n e h m e r ist. D a b e i n e h m e n diese o r g a n i s a t o r i s c h e n S t r u k t u r e n die jeweils von d e r A r t der b e a b s i c h t i g t e n V e r w a l t u n g ( m e h r o d e r w e n i g e r d e z e n t r a l ) und der jeweiligen k o n k r e t e n U n t e r n e h m e n s a k t i v i t ä t g e f o r d e r t e n A u s m a ß e an. In E i n z e l f ä l l e n , z. B . bei gewissen F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a f t e n ,
k ö n n e n sie auf e l e m e n t a r e F o r m e n
reduziert
sein. V g l . z u m g a n z e n u . a . AZZINI, I gruppi aziendali, M a i l a n d 1 9 7 5 , S. 1 3 2 f f ; weitere N a c h w e i s e bei PAVONE LA ROSA, a a O ( F n . 3 0 ) , S. 4 1 1 f.
Konzernrecht in Italien
2. Die strukturellen
Beziehungen
in verbundenen
139
Gesellschaften
Die angedeuteten Diskussionen über die Unterscheidung zwischen Kontrolle und Konzern sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Einerseits zeugen sie von einem zunehmenden Wissen der italienischen Juristen um das ökonomische Phänomen „Konzern" und seiner konkreten Struktur; andererseits stellen sie den Versuch dar - oder fahren darin fort 45 - , sich auf den wirtschaftlichen Begriff des Konzerns zu besinnen, um so in seiner typischen Organisationsform die Rechtfertigung für eine differenzierte Behandlung in Abgrenzung zu den autonom tätigen Gesellschaften zu finden. Typisch ist dabei insbesondere diejenige Organisationsform, die zur Verwirklichung einer «direzione unitaria» notwendig ist. An dieser Stelle ist außer auf die bereits dargestellte Auslegung des Wortlauts von Art. 3, letzter Absatz der Legge Prodi auch auf die Ansicht Allegri's hinzuweisen, die jüngst Pavone La Rosa wieder aufgegriffen und fortentwickelt hat. Ihm zufolge findet die Vorschrift ihre innere Rechtfertigung darin, daß die Organisationsstruktur des Konzerns den Personen, die mit der Ausübung der einheitlichen Leitung befaßt sind, eigene Rechte - ein echtes und eigenes Weisungsrecht - und Pflichten beimißt 46 . Demgegenüber nimmt Ferri eine Art von stillschweigendem Vertragswillen an, welcher eine Bindung nicht zwischen der abhängigen Gesellschaft und den den Konzern führenden natürlichen Personen, sondern zwischen allen einer einheitlichen Leitung unterstellten Gesellschaften - Obergesellschaft inbegriffen - begründe 47 . Beiden Auffassungen widerspricht Jaeger, der - realistischerweise - auf der Grundlage des geltenden Rechts die Möglichkeit einer rechtsgültigen Ubertra45 Siehe oben I 1. 46 ALLEGRI, a a O ( F n . 33), S. 188; DALMATELLO/PORTALE, in: A A . W . ,
I p o t e r i di
con-
trollo degli amministratori «di minoranza», in: Giur. Comm. 1980 (I), 785, 805; BONELLI, Fall. 1984, 582; DERS., Gli amministratori di società per azioni, Mailand 1 9 8 5 , S . 2 6 9 f f ; A B B A D E S S A , a a O ( F n . 1 4 ) , S . 1 4 4 ; P A V O N E LA R O S A , a a O ( F n . 3 0 ) , S . 4 3 1 f
und DERS., Dir. fall. 1985 (I), 30. Die beiden zuletzt genannten Autoren berufen sich ausdrücklich auf einige in der deutschen Lehre vertretene Auffassungen, insbesondere PAVONE LA R O S A , aaO (Fn.30), S . 431 F n . 6 4 zitiert Kropff und Schneider. Diese Lösung bringt es mit sich, daß zu Lasten desjenigen, der die einheitliche Leitung ausübt, eine vertragliche Haftung («responsabilità contrattuale») entstehen kann (siehe oben Fn. 32). 47 FERRI, aaO (Fn. 19), S. 69 ff (sowie jetzt, wenn auch etwas unklar, DERS., in: Le società, 2. Aufl. und DERS., in: Trattato Vassalli, Turin 1985, S. 972 ff). Diese Ansicht wird auch von CHIOMENTI, Riv. dir. comm. 1983 (I), 257, vertreten, der annimmt, der Konzern führe zu einem atypischen Vertrag ähnlich dem Konsortialvertrag. Daraus folgert er dann allerdings nur, daß die Konzemmutter die für das Funktionieren des Konzerns nützlichen Informationen verlangen kann, sofern dies nicht schädlich für die einzelne Gesellschaft ist (CHIOMENTI, Riv. dir. comm. 1983 [I], 267 ff).
Carlo Bruno Valletti
140
gung von Geschäftsführungsbefugnissen der abhängigen Gesellschaft auf die Geschäftsführer der Obergesellschaft ebenso verneint wie die stillschweigende Ü b e r n a h m e (von Seiten der Gesellschaften) der Verpflichtung zu gegenseitiger Z u s a m m e n a r b e i t im gemeinsamen Interesse des Konzerns 4 8 . D i e aufgeführten Meinungen sind - wie schon erwähnt - überwiegend das Ergebnis des Versuchs, für eine in den Bereich der Schadensverantwortlichkeit einzuordnende N o r m
geeignete Auslegungskriterien
herauszuarbeiten 4 ''.
vertragliche L ö s u n g , nach der derjenige, der den K o n z e r n führt,
Die
bestimmte
R e c h t e und Pflichten ü b e r n i m m t , erleichtert dabei die Beweisführung hinsichtlich des Bestehens eventueller Unrechtmäßigkeiten 5 0 , während die entgegengesetzte L ö s u n g eine A u s d e h n u n g der Schadensersatzpflicht auf die Obergesellschaft begünstigt, w e n n das Bestehen derselben zu Lasten ihrer Geschäftsführer erst einmal nachgewiesen ist 5 1 . Wichtiger, als auf die häufig übereinstimmenden 5 2 praktischen
Ergebnisse
hinzuweisen, zu denen die beiden letztgenannten Ansichten führen können, ist
48 JAEGER, Riv. Soc. 1985, 826 ff. Dieser Ansicht stimmen ausdrücklich oder implizit die Befürworter der äquilianischen Natur der in Art. 3 der Legge Prodi vorgesehenen Haftung (siehe oben Fn. 33 am Ende) zu. Meines Erachtens orientiert sich diese Lösung eher an den von Rechtsprechung und herrschender Lehre zur Figur des faktischen Geschäftsführers («amministratore di fatto») und der Übertragung der Verwaltungsbefugnis («delega di potere amministrativo») entwickelten Grundsätzen. Während die Figur des «amministratore di fatto» normalerweise unzulässig ist, wird es im Falle der «delega di potere amministrativo» abgelehnt, daß der Beauftragte - in diesem Fall der Geschäftsführer der Obergesellschaft - seine Entscheidungen dem Delegierenden - hier also dem Geschäftsführer der kontrollierten Gesellschaft - aufzwingen kann. Siehe hierzu statt aller GALGANO, aaO (Fn. 1), S . 2 5 3 f , 270 f. 49 Siehe oben II 2. Ausnahmen stellen die Thesen von Ferri und Cbiomenti dar, die von einem unmittelbaren Auslegungsziel absehen. 50
P A V O N E LA R O S A , a a O ( F n . 3 0 ) , S . 4 3 2 f ; A B B A D E S S A , a a O ( F n . 1 4 ) , S . 1 4 4 f ;
BONELLI,
aaO (Fn.46), 275 f (die Erleichterung betrifft insbesondere das subjektive Element). 51 JAEGER, Riv. Soc. 1985, 830 f. Die Ausdehnung der Haftung der Geschäftsführer für Schäden Dritter auf die von ihnen geführte Gesellschaft wird nicht aus der unmittelbaren Zurechenbarkeit der Organtätigkeit abgeleitet, sondern beruht auf der extensiven Interpretation einer Vorschrift zur Haftung für Dritte. Es handelt sich um Art. 2049 c. c., der bestimmt: „Arbeitgeber und Auftraggeber haften für die Schäden, die durch unerlaubte Handlung ihrer Angestellten und Beauftragten in Ausführung der ihnen übertragenen Obliegenheiten verursacht werden" («I padroni e i committenti sono responsabili per i danni arrecati dal fatto illecito dei loro domestici e commessi nelPesercizio delle incombenze a cui sono adibiti»). 52 Die Haftungsausweitung auf die Obergesellschaft wird in der Tat gelegentlich auch im Rahmen der vertraglichen Ansätze vertreten (siehe BONELLI, aaO (Fn.46), 276ff), während Beweiserleichterungen (namentlich: praesumptiones hominis) auch bei den außervertraglichen Thesen zugelassen werden, BORGIOLI, Riv. Soc. 1982, 35 und JAEGER, Riv. Soc. 1985, 853. Diesbezüglich möchte ich noch einmal die von mir bereits vertretene (Comunicazione al Convegno di Firenze dell'A. I. D. C., 28-30 maggio 1981) Ansicht bekräftigen, daß Art. 3, letzter Absatz der Legge Prodi in der Art
141
Konzernrecht in Italien
es, hervorzuheben, daß sie den Übergang kennzeichnen von einer Phase, in der die Lehre noch mit dem Problem der Unterscheidung der Begriffe „Kontrolle" und „ K o n z e r n " beschäftigt war 5 5 , zu dem reiferen Stadium, in dem die Merkmale des Konzerns schon herausgearbeitet sind und in der die aus der A r t und Weise seiner Leitung resultierenden Probleme im Vordergrund stehen.
IV.
Die Regelung
des Konzerns
in dem
(«statuto 1. Gegenstand
Entwurf
für
ein
Untemehmensstatut
dell'impresa»)
und Inhalt des
Entwurfs
Das italienische Justizministerium hatte einen Ausschuß unter der Leitung von Professor Giuseppe
Ferri damit beauftragt, einen Gesetzentwurf auszuarbei-
ten, der die wichtigsten Aspekte von Unternehmenstätigkeit
berücksichtigen
und die sie regelnden Prinzipien systematisch ordnen sollte. Das Ergebnis ihrer Arbeit legte die Kommission 1985 vor: einen T e x t bestehend aus 38 Artikeln, die sich mit den öffentlichen und privaten Unternehmen, den Konzernen,
dem
Wettbewerb, der Haftung des Unternehmers und der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens befassen 54 . Im Unterschied zu vorhergehenden Vorschlägen zur Reform des Aktienrechts 5 5 enthält der Entwurf - wie schon angedeutet - auch formuliert ist, daß den Geschäftsführern aller Gesellschaften, die sich an der Führung des Konzerns beteiligt haben, im Vermutungswege jede unerlaubte Handlung zur Last gelegt wird, für die die Geschäftsführer der kontrollierten Gesellschaft einzustehen haben. Dies geschieht «a titolo di responsabilità per intervento nell'altrui attività gestoria», aufgrund der Haftung für den Eingriff in die Geschäftsführungstätigkeit eines anderen. 53 Siehe oben III 1. 54 Zur Struktur und Zielsetzung des Entwurfs siehe - über den einführenden Bericht zum Text selbst hinaus - JAEGER, aaO (Fn. 15), S. 84 ff und insbesondere FERRI, Relazione introduttiva, in: Lo Statuto dell'impresa-Atti del convegno, Mailand 1986, S. 13 ff. Vgl. auch den Text des Entwurfs im Anhang der beiden genannten Werke, abgedruckt auch in Giur. Comm. 1984 (I), 150. Man stellt fest, daß einige wichtige Bereiche von Unternehmenstätigkeit vom Statut nicht erfaßt werden, wie z. B. die Arbeitsverhältnisse (die allerdings bereits im «Statuto dei lavoratori», Gesetz Nr. 300 vom 20. Mai 1970, geregelt wurden) oder die Beziehung zu den Verbrauchern (abgesehen von Art. 33 des Entwurfs, der eine Haftung für durch die Produkte verursachten Schäden vorsieht). 55 Vgl. vor allem den Entwurf De Gregorio von 1965 und die 1979 von der C. G . I . L. (Confederazione Generale Italiana del Lavoro) und der Confindustria (Confederazione Generale dell'Industria Italiana) vorgelegten Dokumente, veröffentlicht bei JAEGER, aaO (Fn. 15), S. 147 ff. Einzige Ausnahme ist der Entwurf eines Ermächtigungsgesetzes (legge delega n. 250 del 1979), welches dem Senat am 24. September 1979 vorgelegt wurde: vgl. Text und Bericht in Riv. not. 1979, 1359.
142
Carlo Bruno Vinetti
eine allgemeine Regelung des Konzerns, oder besser: der Informationspflichten, der Geschäftsführungsbefugnisse und der Verantwortlichkeiten bei Bestehen einer Kontrollsituation. Dieser Punkt ist sicherlich bedeutungsvoll, auch wenn die Aussicht, daß der Text in der vorliegenden Fassung in absehbarer Zeit gebilligt wird, gering ist. Die dort vorgeschlagene, in den Arn. 14—20 enthaltene Regelung des Konzerns orientiert sich in einigen Vorschriften an den §§311 ff des deutschen Aktiengesetzes von 1965. Diesen Normen werden andere betreffend die konsolidierte Bilanz und die Leitung des Konzerns (Art. 14) zur Seite gestellt. Geregelt wird auch die konzerninterne Übertragung von technischem und Finanzanlagevermögen zwischen verschiedenen Gesellschaften (Art. 17, der auf Veräußererseite die Bildung einer zu passivierenden Rückstellung für den Fall eines den Buchwert möglicherweise übersteigenden Preises vorsieht). Das Statut sieht jedoch weder einen vertraglichen Unternehmenszusammenschluß vor noch den Fall einer Eingliederung («annessione»); auch mißt es dem Umstand, daß über eine reine Kontrollsituation hinaus u. U. auch die für eine einheitliche Leitung typischen Organisationsstrukturen vorliegen, keinerlei Bedeutung bei.
2. Geschäftsführungsrechte und Haftung der Obergesellschaft für Schäden und Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft Hinsichtlich der die Geschäftsführungsrechte und die Haftung betreffenden Vorschriften wird - wie schon erwähnt - die in § 311 des deutschen Aktiengesetzes enthaltene Regelung übernommen und weiterentwickelt. Art. 20 bestimmt, daß „die Obergesellschaft die Vornahme oder das Unterlassen von Handlungen in eigenem Interesse oder im Interesse anderer von ihr abhängiger Gesellschaften von der Tochtergesellschaft unter der Voraussetzung verlangen kann, daß diese von den Kosten und den nachteiligen Folgen, die durch das Geschäft verursacht werden, freigestellt wird". Information und Kontrolle über den auf die Tochtergesellschaft ausgeübten Einfluß sind dem traditionellen Instrumentarium der Berichte von Geschäftsführung und Wirtschaftsprüfern anvertraut (Art. 15). In deren Rahmen sind die konzerninternen Geschäfte und die, die in irgendeiner Weise auf Ersuchen oder im Interesse anderer Gesellschaften des Konzerns ausgeführt wurden, hervorzuheben. Im Falle schädigender Handlungen oder Unterlassungen, deren Folgen nicht bereinigt wurden, ist über die (normale) Haftung der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft (Art. 16 Abs. 1) hinaus eine Haftungsausdehnung auch auf die Obergesellschaft und ihre Geschäftsführer vorgesehen. Dies gilt jedoch nur, wenn die schädigenden Handlungen oder Unterlassungen „unter Leitung der
Konzernrecht in Italien
143
Obergesellschaft oder in ihrem Interesse oder im Interesse anderer von ihr abhängiger Gesellschaften" durchgeführt worden sind. Für die Geschäftsführer der Obergesellschaft besteht allerdings die Möglichkeit der Haftungsbefreiung, wenn sie nachweisen, daß die schädigende Handlung oder Unterlassung ihnen nicht zuzurechnen ist (Art. 16 Abs. 3). All dies gilt, wie bereits gesagt, unabhängig vom Erfordernis der „einheitlichen Leitung", wie es demgegenüber von Art. 3 Abs. 10 der Legge Prodi gefordert wird. Für den Fall, daß die von der abhängigen Gesellschaft erlittenen Schäden nicht nur zur Vermögensminderung beigetragen, sondern eine Insolvenzsituation verursacht oder verschlimmert haben mit der Folge, daß die Gesellschaft in Konkurs geht oder jedenfalls - im Rahmen eines anderen Verfahrens - förmlich für zahlungsunfähig erklärt wird, ist sogar eine Haftpflicht der Obergesellschaft und ihrer Geschäftsführer für die gesamten Schulden der Tochtergesellschaft vorgesehen (Art. 19).
V. Stellungnahmen
zu der im Untemehmensstatut 1. Die Kritik der
vorgesehenen
Regelung
Lehre
Die italienische Lehre hat die geplante Regelung mit erheblichen Vorbehalten aufgenommen: Der Verteidigung des Textes durch Jaegerib stehen die mehr oder weniger scharfen Kritiken von Ahhadessa, Pavone La Rosa und Di Sahato gegenüber. Abbadessa wirft dem Entwurf - abgesehen von einigen redaktionellen Ungenauigkeiten - insbesondere vor, er habe den §311 des deutschen Aktiengesetzes im wesentlichen kopiert, ohne dabei die in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland geführte Diskussion zu berücksichtigen: Vor allem sei nicht auf die Vollständigkeit und Objektivität der Informationen über die Abhängigkeitsverhältnisse eingegangen worden und es seien die Fälle nicht berücksichtigt, in
56 JAEGER, Riv. Soc. 1985, 858 ff. Dieser Autor, Mitglied der Kommission, die den Text verfaßt hat, verteidigt den Geist des Statuts, auch wenn er anerkennt, daß die ausgesprochenen Regelungen einer «precisazione tecnica», einer korrekteren Formulierung, bedürfen. Dies gelte insbesondere für die Vorschriften betreffend die Haftung für Schulden der kontrollierten Gesellschaft in der Insolvenz (Art. 19), die auf die Verwirklichung einer Form der par conditio creditorum, der Gleichstellung aller Gläubiger, abzielten. Die Kleingläubiger würden darin den immer durch Garantien seitens der Obergesellschaft abgesicherten institutionellen Gläubigern (Banken, Großlieferanten) gleichgestellt (JAEGER, R i v . S o c . 1 9 8 5 , 8 6 1 ) .
C a r l o B r u n o Vanetti
144
denen nachteilige Einflüsse und sie kompensierende Vorteile in concreto nicht feststellbar oder mengenmäßig nicht bestimmbar sind 57 . Andererseits hält Abbadessa den Entwurf für zu weitgehend, was die Ausdehnung der Haftung für Schäden und Verbindlichkeiten auf die Obergesellschaft anbelangt, insbesondere für die Handlungen, die lediglich im Interesse und nicht auf Anweisung der Muttergesellschaft vorgenommen wurden. Er schlägt vor, eine eventuelle Ausdehnung ausschließlich auf die Schadenshaftung und nur auf die Fälle, in denen die Obergesellschaft tatsächlich bestimmte betriebliche Funktionen zentralisiert hat, in denen also eine einheitliche Leitung besteht, zu beschränken. Das Vorliegen einer einheitlichen Leitung müsse jedoch als (widerlegliche) Verschuldensvermutung für den von der Tochtergesellschaft erlittenen Schaden bewertet werden 5 8 . Eine im wesentlichen ähnliche Ansicht vertritt Pavone La Rosa i9. Er hält die bloße Berichterstattung über die Beziehungen zur kontrollierenden Gesellschaft jedoch für ineffizient, da in den Vorschriften des «statuto» eine Möglichkeit zu externer Kontrolle und zur Verhinderung von Mißbrauch fehle. Die Verpflichtung dazu auch bei Nichtbestehen einer einheitlichen Leitung (oder eines Konzerns im engeren Sinne) sei zudem ungerechtfertigt. Grundsätzlich befürwortet er zwar eine Ausdehnung der Haftung der Geschäftsführer, so wie sie in Ubereinstimmung mit der Legge Prodi in Art. 16 Abs. 3 des Entwurfs vorgesehen ist, doch hält er die Erstreckung der Haftung auf die Schulden im Falle der Insolvenz, A n . 19 des Entwurfs, für ein «monstrum giuridico» 6 0 . Di Sabato schließlich ist trotz seiner den Gesamtansatz und verschiedene Einzelregelungen befürwortenden Äußerungen der Auffassung, die Gleichsetzung von Konzern und Kontrolle - wodurch die Koordinierungsgruppen («gruppi di coordinazione») von einer Regelung ausgeschlossen werden - sei wie die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf in Gesellschaftsform organisierte Unternehmen zu eng.
57 ABBADESSA, a a O (Fn. 16), S. 179 ff. D i e in der deutschen Lehre erhobene Kritik am Konzernrecht hat (über die direkte Verbreitung von Spezialliteratur hinaus) vor allem durch die Aufsätze Lutter % E i n g a n g in die italienische Diskussion gefunden; hervorzuheben sind insbesondere: LUTTER, Dieci anni di diritto tedesco dei gruppi: valutazione di un'esperienza, in: Riv. Soc. 1975, 1295 und DERS., L o sviluppo del diritto dei gruppi in Europa, in: Riv. Soc. 1981, 654. Siehe auch PIRAS, I gruppi di società nel diritto tedesco e brasiliano, in: Pavone la R o s a (Hrsg.), A A . W . , 1 gruppi di società, Bologna 1 9 8 2 , S. 2 3 9 . 58 ABBADESSA, a a O (Fn. 16), S. 183 ff. D i e s e L ö s u n g würde damit mit der „vertraglichen" übereinstimmen, die vom gleichen A u t o r zu Art. 3 A b s . 10 der L e g g e Prodi vertreten wird (zur L e g g e Prodi siehe ABBADESSA, a a O [ F n . 4 ] , S. 144 f; siehe auch oben II und III 2). 5 9 PAVONE LA R O S A , D i r . f a l l . 1 9 8 5 ( I ) , 2 7 f f . 6 0 PAVONE LA R O S A , D i r . f a l l . 1 9 8 5 ( I ) , 3 0 .
Konzernrecht in Italien
145
D a r ü b e r hinaus sei das Initiativrecht der G l ä u b i g e r nur unzureichend garantiert und der sich mit konzerninternen Transferleistungen befassende Art. 17 lückenhaft. E r lasse die immateriellen Anlagewerte und die aus anderen als Veräußerungsgeschäften
stammenden
(Buch-)
Gewinne
außer Betracht
und
präzisiere auch nicht die Grenzen der V e r w e n d b a r k e i t der aus dem erzielten Mehrerlös gebildeten Rücklagen 6 1 .
2. Eigene
Bemerkungen
Meiner Meinung nach weisen die im E n t w u r f des
Unternehmensstatuts
enthaltenen Bestimmungen über den K o n z e r n den gleichen wesentlichen Mangel auf, der schon bezüglich der Legge Prodi 6 2 aufgezeigt w u r d e : Sie gehen das P r o b l e m der Regelung des Konzerns an, indem sie das «interesse sociale» der einzelnen kontrollierten Gesellschaften zu schützen versuchen. D a b e i berücksichtigen sie nicht, daß, sobald die konzerninternen B i n d u n g e n eine gewisse Intensität erreichen, das «interesse sociale» der einzelnen zusammengefaßten
Gesellschaften
praktisch nicht m e h r zu individualisieren ist, jedenfalls nicht m e h r ihre Benachteiligung im einzelnen und der Kausalzusammenhang mit den Entscheidungen der Obergesellschaft. D a h e r kann das System: Abhängigkeitsverhältnis-Schadenskompensation angesichts der typischen Geschäftsführungstechniken zentralisierter K o n z e r n e n o t wendigerweise nicht funktionieren. Es ist ebensowenig möglich, die A u s w i r k u n gen der einheitlichen Leitung auf das «interesse sociale» der
kontrollierten
Gesellschaft näher zu bestimmen, wie zu präzisieren, wie dieses
Interesse
theoretisch festzustellen und zu realisieren gewesen wäre 6 3 . Zutreffend ist jedoch auch, daß das U n t e r n e h m e n s s t a t u t eine V o r s c h r i f t enthält, die die K o n s e q u e n z e n
der Unzulänglichkeit
des
Abhängigkeitsverhältnisses
mildern k ö n n t e . E s handelt sich um den bereits erwähnten A r t . 19 des Statuts, der im Falle der Insolvenz der kontrollierten Gesellschaft die H a f t u n g für deren Schulden auf die Obergesellschaft (und auf deren G e s c h ä f t s f ü h r e r persönlich) wenigstens dann ausdehnt, wenn die Insolvenz d u r c h ein H a n d e l n auf Weisung oder im
61 Di SABATO, Giur. comm. 1985 (I), 638. 62 Siehe oben II 2 am Ende. Dieselbe Kritik findet sich implizit auch in den oben angesprochenen Bemerkungen Abbadessa's, siehe oben Text und Fn. 57. 63 An dieser Stelle sei auf die in der deutschen Lehre geäußerte Kritik verwiesen; vgl. z. B. KROPFF, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm. z. AktG, 6. Lieferung, 1976, Vorbem. §§ 311-318, S. 275 f; MÜLLER, Z G R 1 9 7 7 , 1 , 2 0 f. Vgl. auch die neuere Diskussion zur Funktionsfähigkeit des Abhängigkeitsberichts bei HOMMELHOFF, FS Fleck, 1988, S . 134 ff; K R O P F F , Z G R 1 9 8 8 , 5 5 8 , 5 6 2 f ; L Ü T T E R , Z H R 1 5 1 ( 1 9 8 7 ) , 4 4 4 , 4 6 0 .
146
C a r l o B r u n o Vanetti
Interesse der kontrollierenden Gesellschaft64 ausgelöst o d e r v e r s c h l i m m e r t wurde. A u s dieser V o r s c h r i f t k ö n n t e tatsächlich die V e r m ö g e n s h a f t u n g d e r O b e r g e sellschaft in fast allen F ä l l e n v o n I n s o l v e n z d e r k o n t r o l l i e r t e n
Gesellschaften
a b g e l e i t e t w e r d e n : w e n n sie in g e e i g n e t e r W e i s e a u s g e l e g t w ü r d e , k ö n n t e
zur
B e g r ü n d u n g d e r H a f t u n g d e r O b e r g e s e l l s c h a f t die F e s t s t e l l u n g a u s r e i c h e n , d a ß die u n t e r n e h m e r i s c h e n E n t s c h e i d u n g e n d e r k o n t r o l l i e r t e n G e s e l l s c h a f t , d i e sich im N a c h h i n e i n als f a l s c h h e r a u s s t e l l t e n , a u f d a s I n t e r e s s e d e r
kontrollierenden
G e s e l l s c h a f t g e r i c h t e t w a r e n , u n d sei es n u r t e i l w e i s e . E i n e V o r s c h r i f t w i e d e r v o r g e s e h e n e A r t i k e l 19 d e s S t a t u t s k ö n n t e s o g a r a n t i e r e n , d a ß d e r j e n i g e , d e r d i e K o n t r o l l e ü b e r eine G e s e l l s c h a f t e r w i r b t u n d g e m e i n s a m m i t a n d e r e n in e i n e r U n t e r n e h m e n s g r u p p i e r u n g
einheitlicher
sie Lei-
t u n g u n t e r s t e l l t , sich w e n i g s t e n s d a r u m b e m ü h t , die Z a h l u n g s k o n t i n u i t ä t g e g e n über den Gläubigern
aufrechtzuerhalten65.
64 Siehe oben IV 2 am Ende. Im einzelnen bestimmt Art. 19: « Q u a n d o sia dichiarato il fallimento o lo stato di insolvenza della società controllata, la società controllante e i suoi amministratori rispondono solidalmente delle obbligazioni della società controllate se lo stato di insolvenza è provocato o aggravato da atti od omissioni pregiudizievoli alla società posti in essere dagli amministratori della controllata su richiesta o nell'interesse della società controllante» ( „ W e n n der K o n k u r s oder die Insolvenz der abhängigen Gesellschaft erklärt ist, haften die Obergesellschaft und ihre Geschäftsführer gesamtschuldnerisch [«solidalmente»] für die Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft, wenn die Insolvenz durch für die kontrollierte Gesellschaft nachteilige Handlungen oder Unterlassungen verursacht oder verschlimmert worden ist, die von den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft im Auftrage oder im Interesse der Obergesellschaft vorgenommen worden sind"). 65 Sicher trifft eine Vorschrift dieser A r t , wie auch jene über die Verschuldenshaftung (responsabilità «per colpa»), nicht den Kern des Problems. Dieses k ö n n t e vielmehr, wie auch die herrschende Lehre in Deutschland meint, nur dadurch gelöst werden, daß die Existenz des K o n z e r n s selbst (des mit spezifischen Geschäftsführungsstrukturen ausgestatteten sog. qualifizierten K o n z e r n s , «gruppo qualificato») mit geeigneten S c h u t z m a ß nahmen für Minderheiten und Gläubiger verknüpft wird; vgl. zu den Reformvorschlägen im deutschen R e c h t KROPFF, a a O ( F n . 6 3 ) , V o r b e m . § § 3 1 1 - 3 1 8 A k t G , S . 2 7 S f ; SCHILLING, Z G R 1 9 7 8 , 4 1 5 , 4 2 1 ff; GESSLER, F S Fiume, B d . II, 1978, S. 5 5 , 6 3 ff; siehe auch oben F n . 38. In c o n c r e t o erscheint eine derart strenge Reglementierung jedoch nicht praktikabel, zumindest nicht in der heutigen italienischen Realität. D i e einzige derzeit realisierbare Lösung könnte gerade die im Statut vorgesehene sein: die Haftungsbeteiligung der Obergesellschaft im Falle einer Insolvenz der kontrollierten Gesellschaft, die durch ein Agieren im Interesse des K o n z e r n s verursacht oder verschlimmert wurde. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß das italienische R e c h t in A r t . 2 3 6 2 cod. civ. bereits die Haftung des einzigen Aktionärs für Gesellschaftsverbindlichkeiten vorsieht, und das in der Lehre unermüdlich der weitergehende V e r s u c h u n t e r n o m m e n wird, auch das eine Gesellschaft beherrschende Subjekt in die Verantwortung zu n e h m e n ; vgl. GALGANO, a a O ( F n . 1), S. 121 ff sowie, bezugnehmend auf die E n t w i c k l u n g der Rechtsprechung, INZITARI, La «vulnerabile» persona giuridica, in: C o n t r a t t o e impresa, 1985, S. 6 7 9 . Vgl. in diesem Sinne auch die (später abgelehnten) Änderungen der Verordnung über die amministrazione straordinaria (die spätere «Legge P r o d i » , siehe oben F n . 27) und die Vorschläge zur R e f o r m des Konkursverfahrens (dazu unten F n . 68).
147
Konzernrecht in Italien Meines Erachtens könnte daher alles in allem als N o r m z w e c k
angesehen
werden, die Zahlungsfähigkeit der kontrollierten Gesellschaft zu garantieren und so das Risiko auszuschalten, daß die Schädlichkeit des Einflusses der Obergesellschaft allein durch die Feststellung der Existenz eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht zu verifizieren ist. In dieser Hinsicht erschiene die Vorschrift des Entwurfs, nach der die Verrichtung von Handlungen „im Interesse" der Obergesellschaft, und nicht notwendigerweise auf ihre spezielle Weisung, ausreicht, nicht nur völlig gerechtfertigt, sondern sogar wesentlich. Eine solche Regelung ist vorgesehen sowohl hinsichtlich der Schuldenhaftung, Art. 19, als auch hinsichtlich der H a f t u n g für Schädigungen am Gesellschaftsvermögen, Art. 16. D i e „im Interesse", aber nicht „auf Weisung" der Obergesellschaft abgewickelten Aktivitäten entsprächen so, in concreto, genau den Situationen, die sich mittels des Abhängigkeitsverhältnisses nicht nachprüfen lassen. Auf diese Art würden sowohl die Fälle eingeschlossen, in denen jeglicher Beweis für eine schädigende Weisung fehlt, als auch diejenigen, in denen sich zwar in concreto eine die kontrollierte Gesellschaft schädigende und die Obergesellschaft begünstigende Weisung feststellen läßt, diese aber nicht von der Obergesellschaft stammt, sondern direkt vom sogenannten «soggetto econom i c o » 6 6 , das den Konzern regieren kann ohne sich der kontrollierenden Gesellschaft zu bedienen. H i n z u z u f ü g e n ist noch, daß die oben angenommene Funktion des Art. 19 des E n t w u r f s des Unternehmensstatuts noch der weiteren Präzisierung
bedarf.
Insbesondere müßte eine ausdrückliche Vorschrift eingefügt werden, nach der die Vermögenshaftung sich auf die Fälle des effektiven und nachgewiesenen Eingriffs beschränkt. Dies ist notwendig um klarzustellen, daß beispielsweise in den Fällen, in denen bereits vor Entstehen der Kontrollsituation Passiva bestanden oder in denen diese gänzlich unabhängig davon sind, die kontrollierende Gesellschaft von der eigenen Vermögenshaftung befreit werden kann. Dies gilt auch, wenn die im Interesse der Obergesellschaft vorgenommenen Handlungen einer effektiven und integrierten Geschäftsführung des Konzerns nicht entsprechen.
66 Hiermit ist der betriebswirtschaftliche Begriff gemeint, der die natürliche Person (oder Personen bzw. - im Falle eines Staatskonzerns - die entsprechende juristische Person des öffentlichen Rechts) bezeichnet, die faktisch das höchstrangige Entscheidungsrecht innehat und davon zur Durchsetzung der gewünschten Wirtschaftspolitik Gebrauch macht; vgl. SARACENO, Il governo delle aziende, Venedig 1972, S. 5 ff; ONIDA, Economia d'azienda, Turin 1968 (unveränderter Nachdruck 1979), S. 21 ff.
148
C a r l o B r u n o Vanetti
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß die Vorschriften des Statuts präzisiert und auf ihre Vereinbarkeit mit den Harmonisierungsbestrebungen auf Gemeinschaftsebene 67 und den Vorschriften, die im Rahmen der Reform des Konkursrechts gerade ausgearbeitet werden, überprüft werden müssen. Bei den letzteren ist insbesondere die vorgesehene Revision der «amministrazione straordinaria» zu berücksichtigen, ein Verfahren, das den Großunternehmen vorbehalten ist 68 .
67 Zu den gemeinschaftsrechtlichen Entwürfen siehe schon oben F n . 17 und 18. Hier ¡st insbesondere auf Art. 9 der jüngsten Fassung des Entwurfs der neunten Richtlinie hinzuweisen. D o r t ist vorgesehen, daß dasjenige U n t e r n e h m e n , welches einen bestimmenden Einfluß («influenza determinante») auf ein anderes ausübt, für dieses faktischer Geschäftsführer («dirigente di fatto«) wird und aufgrund dessen für eventuelle Fehler in der Unternehmensführung einzustehen hat, und zwar unabhängig von einer einheitlichen Leitung (einem Begriff, der nicht einmal erwähnt wird). Dabei schließt die E G Richtlinie (abgesehen von ihrer eher unwahrscheinlichen U m s e t z u n g in naher Zukunft) eine weitergehende einzelstaatliche Regelung seitens der Mitgliedstaaten nicht nur nicht aus, sie befürwortet dies sogar ausdrücklich; vgl. den Bericht in Giur. C o m m . ! 9 8 5 (I), 5 2 9 f f , 545 sowie Art. 38 des Richtlinientextes. 68 Hinsichtlich der Vorschläge zur R e f o r m des gesamten italienischen Konkursrechts sei insbesondere auf Art. 28 des „Entwurfs eines Ermächtigungsgesetzes zur organischen Reform des Konkursgesetzes" («Disegno di legge delega per la riforma organica della legge fallimentare", abgedruckt in Giur. C o m m . 1985 [I], 154) hingewiesen. Dieser sieht in Abs. 2 die (Schulden-)Haftung des sog. „tyrannischen Gesellschafters" («socio tiranno») vor, der z . B . eigene G ü t e r und Transaktionen mit denen der beherrschten Gesellschaft vermengt. Art. 28 Abs. 3 des Entwurfs will darüberhinaus durch die „Definition des Konzerns anhand objektiver und genauer Kriterien" («identificazione della fattispecie di in base a criteri oggettivi e specifici») die gerichtliche Zuständigkeit vereinheitlichen. Es ist vorgesehen, die Reform der «amministrazione straordinaria» auch unabhängig von der R e f o r m der anderen Konkursverfahren durchzuführen. Während Art. 42 des zitierten Entwurfs eines Ermächtigungsgesetzes jedoch wie der aktuelle Art. 3 Abs. 10 der Legge Prodi bei der Behandlung der Schadensersatzklage den Begriff «direzione unitaria» („einheitliche Leitung") verwendet, ersetzt Art. 11 des jüngeren Gesetzentwurfs N r . 1665 vom 31. Januar 1986 (abgedruckt in Fall. 1986, 379) unter Rückgriff auf einen Text von 1983 diesen Begriff durch eine speziellere, untergliederte Beschreibung, wie sie bereits 1981 im Gesetz über das Verlagswesen Anwendung gefunden hat (siehe oben Fn. 6). Diese bezieht sich auf diejenigen Verbindungen, die einen gemeinsamen G e w i n n - und Verlustausweis und das Erreichen eines gemeinsamen Zweckes erlauben. D e m zuletzt genannten Entwurf zufolge führten solche Verbindungen nicht nur zu einer Schadenshaftung, sondern weitergehend zu einer Ausdehnung der Vermögenshaftung auch auf die anderen - nicht notwendig insolventen - Konzerngesellschaften, wobei die jeweiligen Gläubiger einer Gesellschaft vorrangig vor denen einer anderen zu befriedigen wären.
Konzernrecht in Italien
VI.
149
Zusammenfassung
Die vorliegende Übersieht hat einige neuere Entwicklungen im U m g a n g des italienischen Rechts mit dem Phänomen der Unternehmensgruppierungen aufgezeigt. So wird dem Konzern, obwohl eine generelle Regelung nicht besteht, in der Spezialgesetzgebung (Gesetz über das Verlagswesen, Normierung der börsennotierten Gesellschaften, Gesetze zur Schaffung von Investitionsanreizen, steuerliche Regelungen) und im Konkursrecht (insbesondere in der neuen außerordentlichen Zwangsverwaltung, «amministrazione straordinaria») eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet. Gleichzeitig beschäftigt sich auch die Lehre zunehmend mit dem Phänomen. Sie hat die Probleme seiner Definition wie auch der Anerkennung, auf der Basis des geltenden Rechts, der Existenz spezieller Rechte und Pflichten derer, die einen Konzern tatsächlich leiten, in Angriff genommen. Hinsichtlich der Definition des Konzerns ist die Bedeutung des Merkmals „einheitliche Leitung" neben der bloßen Kontrolle erkannt worden; was genau darunter zu verstehen ist, bleibt jedoch streitig. Einige sehen sie in jedem Fall tatsächlichen, dominierenden Einflusses verwirklicht, andere hingegen nur in den Fällen, in denen spezielle organisatorische Strukturen bestehen. Gleichermaßen geteilt sind die Meinungen in der Frage, ob an die rein tatsächliche Existenz eines Konzerns spezielle Rechte und Pflichten derer, die die einheitliche Leitung ausüben, geknüpft werden können. Hier scheint die T e n denz zu überwiegen, ein Weisungsrecht (und entsprechende Pflichten zur U b e r wachung und korrekten Geschäftsführung) gegenüber der abhängigen Gesellschaft zu verneinen. In den vergangenen Jahren ist erstmals versucht worden, eine gesetzliche Regelung des Konzerns (einschränkend als „Kontrolle" verstanden) abzufassen. Dies erfolgte im Rahmen des Entwurfs eines „Unternehmensstatuts" und bestätigt das wachsende Interesse am Phänomen „ K o n z e r n " und die Tendenz, die Haftung, insbesondere auch für Schulden, auf die kontrollierende Obergesellschaft auszudehnen. Dabei wurde, im ganzen gesehen, das v o m deutschen Aktiengesetz von 1965 vorgegebene Schema hinsichtlich des faktischen K o n zerns kopiert. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, daß das italienische Recht hinsichtlich der rechtlichen Probleme des Konzerns seine bisherige abwartende Haltung überwunden hat, die von den Schwierigkeiten, eine gemeinsame Sprache zu finden und die zu lösenden Fragen klar herauszuarbeiten, gekennzeichnet war. So zeigt sich immer deutlicher, daß der Konzern auch juristisch an Bedeutung gewinnt: Neben der Frage der gesellschaftlichen Information, hervorgerufen durch die Tätigkeit der C o n s o b und die gemeinschaftsrechtlichen Initiativen, ist vor allem das Problem der Haftungsbeteiligung der Obergesellschaft, das durch die zuletzt
150
C a r l o B r u n o Vanetti
zahlreichen Unternehmenskrisen ausgelöst wurde, in den Vordergrund gerückt. Hier scheint die Entwicklung zur Zeit am stärksten in Fluß zu sein; dieses Gebiet ist einer eigenständigen Lösung seitens des italienischen Rechts am ehesten zugänglich. Es ist nicht auszuschließen, daß man hier von der einfachen Ausdehnung der Haftung für bestimmte Mißbräuche der Geschäftsführer (wie es das geltende Recht vorsieht) zu einer Ausweitung der Vermögenshaftung Dritten gegenüber übergehen wird, zumindest in den Fällen stark integrierter Konzerne.
VII. Neuere
Entwicklung
In den vorstehenden Abschnitten wurde die Entwicklung auf dem Gebiet des Konzernrechts in Italien bis in die Mitte der achtziger Jahre beschrieben, und zwar sowohl was Gesetzgebung und Rechtsprechung als auch die Diskussion in der Lehre betrifft. Es bleibt nachzutragen, daß in den darauffolgenden Jahren die Bemühungen um eine allgemeingültige, umfassende Regelung des Problems vollständig aufgegeben wurden zugunsten einer bemerkenswerten Ausdehnung der Spezialgesetzgebung. In dieser wird der Konzern als solcher zum einen ausdrücklich erwähnt und geregelt, zum anderen wird nur indirekt auf ihn Bezug genommen, wenn Beherrschungsverhältnisse angesprochen werden. Dies sei im folgenden kurz erläutert. Was die Debatte um die Grundprobleme des Konzernrechts anbelangt (Konzernbegriff,
Geschäftsführungsbefugnisse
des herrschenden
Unternehmens,
Regelung des Konzernrechts), so ist inzwischen allgemein anerkannt, daß bei der Qualifizierung einer Mehrzahl von Unternehmen als Konzern auf die einheitliche Leitung abzustellen ist - und nicht etwa nur auf eine einfache oder „faktische" Beherrschung 69 . Dagegen stehen sich die Meinungen hinsichtlich der rechtmäßig ausübbaren Einflußnahme der herrschenden Gesellschaft und hinsichtlich der möglichen Haftung durchaus kontrovers gegenüber 70 . Auf einen Entwurf für eine allgemeingültige und umfassende Regelung ist bisher allerdings 6 9 Siehe o b e n I I I . 1.; vgl. in diesem S i n n e auch SCHIANO DI PEPE, II g r u p o di imprese, Mailand 1 9 9 0 , S. 1 7 f f und 7 7 f f ; PETRICCIONE, G r u p p i di società, in: D i g e s t o delle discipline privatistiche, S e z i o n e C o m m e r c i a l e V I , T u r i n 1 9 9 1 , S. 4 2 9 ff, 4 3 1 . D i e s c h o n m e h r m a l s dargestellte A u f f a s s u n g des A u t o r s selbst (vgl. o b e n I I I . l . ) wird j e t z t auch vertreten von PAVONE LA ROSA, L e società c o n t r o l l a t e -
I g r u p p i , in:
C o l o m b o und P o r t a l e ( H r s g . ) , T r a t t a t o delle società per azioni, B d . 2 . 2 , T u r i n
1991,
S. 5 7 9 ff (S. 6 0 0 ) . 7 0 Siehe o b e n I I I . 2 . D i e Auffassung von einer außervertraglichen N a t u r der B e z i e h u n g e n z w i s c h e n abhängiger und h e r r s c h e n d e r G e s e l l s c h a f t ist in der R e c h t s p r e c h u n g
z.B.
v o m G e r i c h t von O r v i e t o vertreten w o r d e n ( U r t . v. 4. N o v . 1987, G i u r . it. 1 9 8 8 , 1.2., S. 501 - „ A u t o v o x " - ) und in der L e h r e zuletzt von SCHIANO DI PEPE, a a O ( F n . 6 9 ) , S. 138 ff. I m gleichen Sinne hat sich m e h r m a l s Galgano
geäußert (die eigene A u f f a s s u n g
bekräftigend, F n . 4 7 und 3 2 ) , z u l e t z t : GALGANO, Il p u n t o sulla giurisprudenza in
Konzernrecht in Italien
151
verzichtet w o r d e n , da der italienische G e s e t z g e b e r o f f e n s i c h t l i c h die abschließende F a s s u n g d e r E G - R i c h t l i n i e z u m K o n z e r n r e c h t a b w a r t e n will 7 ', u m sich d e r w e i l mit der U m s e t z u n g der zahlreichen, mittlerweile fälligen E G - R i c h t l i n i e n und d e r D u r c h f ü h r u n g von nicht weiter a u f s c h i e b b a r e n R e f o r m e n in u n s e r e r R e c h t s o r d n u n g z u beschäftigen. A u c h in b e z u g auf d a s b e s o n d e r e T h e m a d e r H a f t u n g d e s Unternehmens
für Verpflichtungen
oder
herrschenden
fehlerhafte G e s c h ä f t s f ü h r u n g
von
a b h ä n g i g e n U n t e r n e h m e n läßt sich nichts N e u e s berichten. I n s b e s o n d e r e sind die E n t w ü r f e z u einer R e f o r m des K o n k u r s r e c h t s , in d e n e n allein eine s o l c h e H a f t u n g v o r g e s e h e n w a r 7 2 , w e d e r a n g e n o m m e n n o c h überarbeitet w o r d e n .
materia di gruppi di società, in: Contratto e impresa, 1991, S. 987 ff (909) mit Hinweis auf eine Reihe von Entscheidungen der letzten Jahre, in denen die Gerichte jeweils auf die Einflußnahmeverhältnisse abgestellt haben, wenn es darum ging, den Gesellschaftszweck einer Holding zu bestimmen und die Ursachen möglicher Interessenkonflikte herauszuarbeiten. Demgegenüber vertritt Pavone la Rosa die Auffassung von einer vertraglichen Natur der Beziehungen zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen in dem oben ausgeführten Sinne (aaO [Fn. 69], S. 626 ff) und erfährt Bestätigung durch die neuen Regelungen zum Kreditkonzern (dazu unten X X X ) . Vgl. zum Ganzen auch CAPRIGLIONE, Poteri della controllante e organizzazione interna di gruppo, in: Riv. Soc. 1990, 35. 71 Der Gesetzentwurf zum Unternehmensrecht ist dem Parlament bisher weder vorgelegt worden, noch ist er ergänzt oder aktualisiert worden. Die letzte Gesetzesinitiative diesbezüglich war der Gesetzesvorschlag N r . 522 vom 2. Juli 1987 von Minervini et al., in dem vorgeschlagen wird, die Regierung zu ermächtigen, innerhalb eines Jahres eine „Regelung der verbundenen Unternehmen" zu erlassen. Eine solche Regelung - für die allerdings nie ein Textvorschlag ausgearbeitet wurde - sollte entsprechend dem Vorschlag unterscheiden zwischen dezentralisierten Konzernen, in denen die einzelnen Unternehmen weitgehend selbständig bleiben, und zentralisierten Konzernen, in denen die Unternehmen völlig integriert werden. Weiterhin sollte die Anerkennung des jeweiligen Gesellschaftsinteresses der einzelnen Unternehmen im dezentralisierten Konzern gewährleistet werden, während dieses Interesse im zentralisierten Konzern zugunsten der Gesellschafter-, Gläubiger- und Angestellteninteressen zurücktreten könne. Letztere - zentralisierte - Konzerne sollten sowohl durch ausdrücklichen Beherrschungsvertrag als auch durch faktische Integration begründet werden können. Selbstverständlich hätte dabei geklärt werden müssen, durch welche Tatbestandsmerkmale diese faktische Integration gekennzeichnet würde (vgl. das ganz ähnliche Problem beim deutschen „qualifiziert faktischen Konzern"; siehe dazu bereits oben, Fn. 37 und 65). Der hier angesprochene Gesetzesvorschlag von Minervini et al. ist abgedruckt in: Società 1987, 1336-1337. 72 Siehe dazu oben Fn. 68. Vgl. zu diesem Thema auch PAVONE LA ROSA, L'insolvenza nelle aggregazioni societarie, in: Dir. Fall. 1987, Bd. I, 511. Eine einheitliche Regelung des insolventen Konzerns ist allein auf dem besonderen Gebiet des Bankrechts vorgesehen (Art.5 des Gesetzes Nr.218 vom 30.Juli 1990 sowie Artt.32ff der Verordnung N r . 356 vom 20. November 1990), ohne daß allerdings irgendeine Haftungserweiterung vorgesehen wäre. Siehe dazu CASTIELLO D'ANTONIO, La crisi del gruppo creditizio, in: Dir. della Banca e del Mercato Finanziario 1992, 3 f f .
152
Carlo Bruno Vanetti
Was die Spezialgesetzgebung auf dem Gebiet des Konzernrechts anbelangt, so ist vor allem auf ein Gesetz hinzuweisen, nämlich das Durchführungsgesetz Nr. 356 vom 20. November 1990 („Vorschriften zur Neuordnung und zur Regelung des Kreditkonzerns") zur Durchführung des Gesetzes Nr. 218 vom 30. Juli 1990 zur Neuordnung des öffentlichen Bankenwesens (sog. „Legge Amato"). Die Regelungen dieses Gesetzes sehen im einzelnen vor: die Bestimmung des Konzerns auf der Basis einer bestehenden Kontrolle oder einer einheitlichen Leitung (Art. 26), die Einführung eines Registers für Kreditkonzerne (Art. 27), die Aufsicht über den Kreditkonzern als Ganzes durch die Banca d'Italia (Art. 29 und 30) sowie das Recht des herrschenden Unternehmens, im Interesse der Stabilität des Konzerns von den untergeordneten Unternehmen Informationen zu erhalten und diesen Anweisungen zu erteilen (An. 25) 7 3 . Weiterhin sind diejenigen Vorschriften zu erwähnen, durch die in die italienische Rechtsordnung die Pflicht eingeführt wurde, einen konsolidierten Konzernabschluß abzufassen, und zwar für alle Aktiengesellschaften einschließlich der Banken und anderer Kreditinstitute. Es handelt sich hierbei insbesondere um die Vorschriften der Arn. 25 bis 43 der Verordnung Nr. 127 vom 9. April 1991 zur Durchführung der EG-Richtlinie Nr. 83/349 vom 13. Juni 1983 und der Art. 24 bis 39 der Verordnung Nr. 97 vom 27. Januar 1992 zur Durchführung der EG-Richtlinie Nr. 86/653 vom 8. Dezember 1986 7 4 : In diesen letzteren Vorschriften wird insoweit in besonderer Weise auf den Konzern Bezug genommen, als sie ausdrücklich die Begriffe „herrschendes Unternehmen" („capogruppo") und „einheitliche Leitung" („direzione unitaria") verwendet (s. die Artt.25 und 26)-
Darüber hinaus verwenden zahlreiche Normen den Begriff der „Beherrschung" („controllo"), der aber teilweise verschieden und von der Vorschrift des Art. 2359 des Codice Civile abweichend definiert wird 75 , und regeln so im
73 Zu diesen Informationsrechten siehe CAPRIGLIONE, aaO (Fn. 70), S. 59 f. Hervorzuheben ist, daß diese Regelung des Kreditkonzerns der Durchführung der 2. EG-Richtlinie auf dem Gebiet des Bankenwesens (EG-Richtlinie 89/646 vom 15. Dezember 1989) dienen soll. Der Begriff des Kreditkonzerns entspricht im wesentlichen dem der deutschen „Universalbank", so wie er in der deutschen Rechtsordnung verwandt wird: vgl. CASTIELLO D'ANTONIO, a a O , S . 5 f.
74 Zu den einzelnen Regelungen der Verordnung Nr. 127/91 s. Colombo, Libri sociali e bilancio, in: Rescigno (Hrsg.), Trattato di diritto privato, Bd. 22, Turin 1991, S. 537ff (564 ff). 75 Art. 2359 C. C . ist durch Art. der o. g. Verordnung Nr. 127/91 modifiziert worden. Die Veränderungen sind jedoch rein formeller Natur, so daß die Beherrschung nach wie vor definiert wird mit Hinblick sowohl auf die absolute Stimmenmehrheit (interne rechtliche Beherrschung) als auch auf die Stimmenmehrheit, die ausreicht, um auf der Hauptversammlung einen beherrschenden Einfluß auszuüben (interne faktische Beherrschung), oder auch mit Hinblick auf das Bestehen von Beherrschungsverträgen (Beherrschung von außen). Durch die Beherrschungsbegriffe, die in den neueren
Konzernrecht in Italien
153
Grunde, zumindest was einige Aspekte angeht, den Konzern („il gruppo di società") (vom Gesetzgeber wird denn auch häufig der Begriff „gruppo" im Sinne von herrschendem und beherrschtem Unternehmen verwandt). In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Begriff „Beherrschung" („controllo") in der Antitrust-Gesetzgebung (Gesetz Nr. 287 vom 10. Oktober 1990) zu verschiedenen Zwecken verwendet und auf zwei verschiedene Arten definiert wird. Im übrigen seien folgende Vorschriften genannt, in denen dieser Begriff ebenfalls verwendet wird: - Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 1 vom 2. Januar 1991 über die SIM („società di intermediazione mobiliare" = Wertpapiervermittlungsgesellschaften, Anm. d. Red.), - Art. 2 Abs. 3 und Art. 6 des Gesetzes N r . 157 vom 17. Mai 1991 über „Insider trading" sowie - Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 149 vom 18. Februar 1992 über öffentliche Übernahmeangebote 7 6 .
Diese Hinweise machen weitere Bemerkungen zu der möglichen zukünftigen Entwicklung der italienischen Gesetzgebung entbehrlich: An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung die Verzögerungen des Gesetzgebers, der weder eine allgemeingültige und umfassende Regelung des Konzerns in Betracht zieht, noch die vorgeschlagene Reform des Konkursrechts, durch die ein besserer Gläubigerschutz verwirklicht werden könnte, umsetzt, in gewisser Weise kompensiert. Und zwar neigt sie zum einen dazu, ein gewisses berechtigtes Konzerninteresse („interesse di gruppo") anzuerkennen 77 , zum anderen, einige Vorschriften und Grundsätze unserer Rechtsordnung sehr weit auszulegen. So wurde in den letzten Jahren der Art. 2362 des Codice Civile derart weit ausgelegt, daß eine Haftung des Alleinaktionärs für Schulden der Gesellschaft angenommen wurde: Die Norm wird auch angewendet, wenn zwar formell weitere Aktionäre existieren, diese jedoch nur Kleinstanteile besitzen und somit im Grunde nur als Strohmänner oder als Sachwalter des Mehrheitsaktionärs ohne Vertretungsmacht angesehen werden können 78 . Darüber hinaus gibt es in der Literatur eine Tendenz, die es ablehnt, Einlagen von Gesellschaftern an unterkapitalisierte Gesellschaften als Darlehen anzusehen 79 .
Spezialgesetzen verwendet werden, soll insbesondere dem Problem der Stimmkonsortien Rechnung getragen werden, wenn auch vielfältige Auslegungsprobleme ungelöst bleiben. Vgl. MINERVINI und COSTI, D u e pareri su come vada intenso il „rapporto di controllo" in presenza di sindacati di voto (art. 4, comma 3°, legge n. 1/1991), in: Contratto e Impresa, 1991, S. 1015 ff. 76 Zu weiteren Nachweisen siehe MARCHETTI, L'incognita del controllo nella Babele delle norme, in: Il Sole - 24 O r e vom 24. April 1992. 77 So z . B . Cass., Urt. N r . 1439 v. 2 6 . 2 . 1 9 9 0 , Giur. C o m m . 1991, B d . 2 , 360. 78 So z . B . Cass., Urt. N r . 7 3 v. 9 . 1 . 1 9 8 7 und Urt. N r . 7 0 6 4 v. 2 7 . 8 . 1 9 8 7 , Società 1987, S. 364 bzw. 1149; vgl. auch SCOTO CAMUZZI, L'unico azionista, in: C o l o m b o e Portale (Hrsg.), Trattato, s. o. Fn. 69, S. 665 ff. 79 So z . B . IRRERA, I „prestiti" dei soci alla società, Padua 1992, S. 154ff.
Internationales Konzernrecht in Japan
von Professor DR. KORESUKE YAMAUCHI, T o k y o
Inhaltsübersicht I. Einleitung
154
II. Bestandsaufnahme 1. Verbundene Unternehmen in Japan 2. Besonderheiten des japanischen Konzerns 3. Fremdkapital in Japan 4. Kapitalinvestitionen Japans im Ausland
155 155 156 15g 160
III. Rechtliche Gegebenheiten 1. Grundlagen 2. Wettbewerbsrecht 3. Gesellschaftsrecht 4. Ergebnis
160 160 ¡61 165 170
IV. Rechtsvergleichung
170
I. Einleitung Obwohl in Japan zahlreiche „Internationale Konzerne" existieren, gibt es auf diesem Gebiet nur wenige gesetzliche Regelungen 1 und keine Gerichtsentschei1 Es gibt jedoch Reformbestrebungen auf dem Gebiete des Handels- und Gesellschaftsrechts. Im Mai 1986 veröffentlichte das Justizministerium in Tokyo einen Entwurf über die Änderung des Handels- und GmbH-Gesetzes. Im Vorschlag 9 Nr. 4 wurde die fremdenrechtliche Frage aufgeworfen, ob ausländische Firmen, die der japanischen Aktiengesellschaft oder GmbH im Typ entsprechen, ihre jeweils nach ihrem Heimatrecht in obengenannter Form zu erstellenden Bilanzen ihrer japanischen Zweigniederlassungen beim japanischen Handelsbuchamt (Hömukyoku) vorlegen und dort öffentlich bekannt machen sollen. Der Zweck des Vorschlages liegt im Schutz der Gläubiger vor einem Informationsdefizit. Allerdings ist diese bemerkenswerte Veränderung noch kein geltendes Recht. Der Anderungsentwurf stellt eine Parallele zu Art. 48 des Bankgesetzes von 1981 und Art. 19 des Gesetzes betreffend ausländische Effektenfirmen von 1971 dar. Nach diesen beiden Regelungen kann der Finanzminister von den ausländischen Banken und Effektenfirmen verlangen, jährlich die Geschäftsberichte ihrer japanischen
Konzernrecht in Japan
155
düngen. U n t e r den Begriff des K o n z e r n s fallen nach deutschem R e c h t U n t e r n e h men, die unter „einheitlicher Leitung" zusammengefaßt sind ( § 1 8 A k t G 2 ) , ferner jene „verbundenen U n t e r n e h m e n " , die durch Beherrschungs-,
Gewinnabfüh-
rungs- und Geschäftsführungsverträge im Sinne der § § 2 9 1 ff A k t G entstehen. D e m g e g e n ü b e r ist der Begriff des K o n z e r n s nach japanischem R e c h t in einem weiteren Sinne zu verstehen. E r umfaßt alle unternehmerischen
Zusammen-
schlüsse zwischen U n t e r n e h m e n , die zwar rechtlich voneinander unabhängig, aber tatsächlich bei ihrer Willensbildung nicht selbständig sind 3 . Konzernverbindungen werden also nicht nur durch Kapitalbeteiligung, Finanzierung usw., sondern auch durch andere Elemente, wie Vorstandsmitgliederentsendungen, A n - und/oder Verkaufsverträge über R o h s t o f f e und/oder Produkte usw. konstituiert. Japanische internationale K o n z e r n e verbreiten sich von J a h r zu J a h r in zunehmendem M a ß e auch in Ubersee - Asien, Europa, in N o r d - und in Südamerika 4 . D e r nachfolgende Uberblick soll indes zunächst mit einigen statistischen Zahlen über internationale K o n z e r n e in Japan beginnen.
II.
Bestandsaufnahme
1. Verbundene
Unternehmen
in Japan
Eine genaue statistische Bestandsaufnahme über den internationalen K o n z e r n in Japan kann derzeit aus Gründen ungenügender Publizität zwar nicht geleistet
Zweigniederlassungen vorzulegen. Siehe dazu: EGASHIRA, Jurist Nr. 875 (1987), 86, 90; TAKEUCHI, Chüshö Kaisha Rippö (= Diskussionsberichte zum Entwurf eines Änderungsgesetzes des HGB), Teil I—III, Jurist Nr. 865, 10; 866, 86; 867, 88. Zum Text, siehe Jurist Nr. 865 (1986), 19ff u.a., insbesondere Jurist Nr.867 (1986), 108. Die grundlegende Frage, wie ein verbundenes Unternehmen in Japan eigentlich geregelt werden soll, bleibt im Entwurf jedoch noch offen. Überdies ist auch hier bei der Bestimmung des Heimatrechts zwischen den Vertretern der Sitz- und Gründungstheorie ein Streit entbrannt. Vgl.
GROSSFELD/YAMAUCHI,
Die
AG
1985,
229,
2 3 0 f;
OKAMOTO,
Chüshaku
Kaishahö (= Kommentar zum Gesellschaftsrecht), Bd. 8 - II, 2. Aufl., 1987, S. 352 f. Außerdem ist auch zu diskutieren, ob der Ausdruck „Heimatrecht" durch ein anderes Wort ersetzt werden soll. 2 BGBl. 1/1965, S. 1089 ff. 3 Vgl. UEYANAGI, in: Ueyanagi/Kawamoto (Hrsg.), Shinpan Kigyö Keiei to Hö (= Unternehmen, Management und Recht), 2. Aufl., 1983, S. 42, 43. 4 Vgl. '88 Kaigai Shinshutsu Kigyö Söran (= Monatsschrift für den Überblick eines überseeischen Geschäftsbetriebes der japanischen Unternehmen), Januar 1988, 6 ff; TATSUTA, in: Takeuchi/Tatsuta (Hrsg.) Gendai Kigyöhö Köza (= Schriftenreihe zum modernen Unternehmensrecht), Bd. 2 Kigyö Soshiki (= Unternehmensorganisationen), 1985, S. 261, 263.
156
Koresuke Yamauchi
werden, doch lassen sich mittelbar durch die Statistik der inländischen verbundenen Unternehmen Rückschlüsse auch auf die Zahl internationaler Konzerne ziehen. Das japanische Kartellamt (Kösei - Torihiki -
Iinkai) veröffentlichte im
Jahrbuch und in verschiedenen anderen Berichten Indizien, die auf die Verbundenheit mehrerer inländischer Firmen hinweisen. Ferner finden sich in den Geschäftsberichten der relativ großen Firmen, die ihre Aktien an den Effektenbörsen in T o k i o und/oder Osaka notieren, bezüglich der Wertpapiertransaktionen ebenfalls Informationen darüber, o b und inwieweit die Aktien anderer Unternehmen gehalten werden. Nach einer Analyse 5 beträgt die Gesamtsumme der Firmen 22 407. Vierhundert von ihnen besitzen 5 % des gesamten japanischen Aktienkapitals. Ferner läßt sich erkennen, daß bei etwa zwei Drittel dieser 22 407 Unternehmen die 400 größten jeweils einen Anteil am Aktienkapital von über 25 % halten. Sieht man noch näher hin, halten diese 400 Firmen die Aktien von (unter anderen Gesichtspunkten ausgewählten) 6650 Firmen, die jeweils eigenes Kapital und Vermögen in Höhe von 2000 Mio. Yen besitzen; das entspricht mehr als 1 0 % der insgesamt aufgelegten Aktien. Bei mehr als 80 % dieser 6650 Unternehmen sind Mitarbeiter der 400 Großunternehmen im Vorstand vertreten. Diese Untersuchung ergibt, daß ein Unternehmen das andere dann effektiv beherrscht, wenn es 25 % der Aktien des anderen Unternehmens besitzt 6 . Zwar zeigen diese Zahlen eigentlich nur die Verbundenheit im Inland, jedoch lassen sie auch Schlüsse auf die internationale Ebene zu, da diese 400 Großunternehmen auch im Ausland geschäftlich aktiv sind.
2. Besonderheiten
des japanischen
Konzerns
Aus den oben genannten statistischen Zahlen lassen sich typische juristische Merkmale ableiten 7 . a) Es tritt ein Beherrschungsverhältnis durch Aktienbesitz auf, wenn ein Mammutunternehmen - wie TOYOTA,
MATSUSHITA,
SONY
- mit mehre-
ren Tochtergesellschaften eine Unternehmensgruppe bildet. 5 MORIMOTO, in: T a k e u c h i / T a t s u t a ( H r s g . ) G e n d a i K i g y ö h ö K ö z a ( = S c h r i f t e n r e i h e z u m modernen Unternehmensrecht), Bd. 2 Kigyö Soshiki (= Unternehmensorganisationen), 1 9 8 5 , S . 9 7 , 102. D i e s e g r u n d l e g e n d e A n a l y s e s t a m m t eigentlich aus d e r F e d e r eines Praktikers:
SERINE,
Kabushiki
Hoyü
Kisei
no
Kaisetsu
(=
Erläuterungen
zu
den
R e g u l i e r u n g e n v o n A k t i e n b e s i t z ) , 1 9 8 2 , S. 14 f. 6 N a c h d e r A n a l y s e v o n SEKINE, a a O ( F n . 5 ) , S. 106 f, hat das K a r t e l l a m t die 2 5 - P r o z e n t G r e n z e als ein p r o v i s o r i s c h e s K r i t e r i u m für die B e h e r r s c h b a r k e i t e i n g e f ü h r t . 7 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 1 0 2 f .
Konzernrecht in Japan
157
Ein Beherrschungsverhältnis zwischen den Mitgliedsfirmen tritt (ohne Aktienbesitz) ferner auf, wenn große Banken - wie SANWA, DAIICHIKANGYÖ - die Bildung von Unternehmensgruppen aufgrund bereits bestehender oder zukünftiger Finanzierungsprojekte beeinflussen; oder wenn ein Beherrschungsverhältnis bereits dadurch entsteht, daß die Muttergesellschaft eigene Vorstandsmitglieder im Vorstand der Tochtergesellschaft einsetzt und dadurch Einfluß auf die Unternehmensführung nimmt. Beispiele bilden Unternehmensgruppen wie MITSUI, MITSUBISHI, SUMITOMO. Solche Beherrschungsverhältnisse traten insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten „Zaibatsu"8, einer Industriellengruppe auf. Diese Gruppe dominierte in Japan über Politik und Wirtschaft bis zum Beginn der 40er Jahre und wurde erst Ende des 2. Weltkrieges zwangsweise von der amerikanischen Besatzungsarmee aufgelöst. Diese Organisation war ein typisches Beispiel für Unternehmensverflechtungen durch personelle Besetzung, bei denen häufig auch familiäre Verbindungen eine größere Rolle spielen. b) In der Praxis führen oft mehrere der oben genannten Gründe nebeneinander zur Bildung von Beherrschungsverhältnissen. Ahnliche Beispiele lassen sich auch in Europa finden. c) In den drei genannten Fällen fassen die Beteiligungsunternehmen ihre Beschlüsse sehr oft einstimmig, auch wenn sie rechtlich voneinander unabhängig sind. Insbesondere im Fall der personellen Verflechtung wird die Gesamtpolitik in der Gruppe durch das chief-exekutive-officers-meeting namens Shachökai entwickelt und entschieden. In diesem Gremium, das im Normalfall wöchentlich zusammentritt, sind die Vorstandsvorsitzenden aller beteiligten Mitgliedsfirmen vertreten. Aktienbesitz spielt hier keine Rolle, vielmehr entscheiden die Vorstandsmitgliederentsendungen, Finanzierungsprojekte und Transaktionsmöglichkeiten. Diese Elemente führen in der Handelspraxis zu einer gewissen Ausschließlichkeit, die ihrerseits einer der Gründe für die wirtschaftspolitischen Spannungen zwischen Japan und Europa sein dürfte. Denn die typische Gewohnheit japanischer Unternehmen, langfristige Geschäftsbeziehungen höher zu bewerten als Qualität oder Preise von Rohstoffen oder Produkten, bildet für ausländische Firmen eine fast unüberwindbare Hürde. d) Die verschiedenen Unternehmen, die durch die genannten Gründe mehrfach miteinander und untereinander verbunden sind, bilden ein Netz von wirtschaftlich beherrschten und voneinander abhängigen Unternehmen, das sich juristisch nur schwer entwirren läßt.
8 IYORI/UESUGI, The Antimonopoly Laws of Japan, 1983, 6 ff; IYORI, Das japanische Kartellrecht, Entwicklungsgeschichte, Grundprinzipien und Praxis (FIW-Schriftenreihe, Heft 41), 1967, S. 21 f.
158
Koresuke Yamauchi
Ein typisches Beispiel dafür findet sich im Jahrbuch des Kartellamtes von 19839. Bei den drei bekanntesten Unternehmensgruppen - MITSUI, MITSUBISHI und SUMITOMO - sind die Mitgliedsfirmen miteinander noch stärker verbunden, als oben aufgezeigt. Die Methoden, konzernrechtliche Regelungen zu umgehen, haben sich mit der Zeit immer mehr verfeinert. Statistische Zahlen dieser drei Konzerne geben folgendes Bild: Abgesehen von den Fällen, in denen Konzerne durch die wirtschaftlichen Verflechtungen von Mutter- und Tochtergesellschaften bestehen, §211 a Abs. 1 H G B , besitzen die Mitgliedsfirmen untereinander einen Aktienanteil von weniger als 1 0 % der insgesamt aufgelegten Aktien. Der Durchschnittswert bei gegenseitigem Aktienbesitz beträgt jährlich nur 1,5 bzw. 2 % 1 0 . Der Anteil am gegenseitigen Aktienbesitz steigt in jeder Unternehmensgruppe auf ca. 32 % " . In 80 % der Fälle nehmen die beherrschten Unternehmen einen oder mehrere Mitarbeiter des beherrschenden Unternehmens in ihren Vorstand auf 12 . In diesen Fällen stammen jeweils 11 % der Vorstandsmitglieder in jeder Gruppe aus dem jeweiligen Vorstand der Beteiligungsunternehmen. Die Beteiligungsunternehmen finanzieren sich gegenseitig zu 23 % . Bei verarbeitenden Betrieben liegt die Beteiligung am Bezug bei jeder Unternehmensgruppe bei ca. 1 9 % , beim Ertrag bei 29 % 1 3 . e) Zu berücksichtigen sind ferner die wirtschaftlichen Verflechtungen von Unternehmen durch Informationsaustausch, Technologietransfer, Produktionsverteilungen, Vertrieb etc., wenn auch diese Art der Kontakte zwischen den Unternehmungen aus den Statistiken nicht entnommen werden kann. Die so entstehenden Unternehmensverknüpfungen verstärken - wenn auch versteckt die beherrschende Stellung einzelner Unternehmen immer mehr.
3. Fremdkapital
in Japan
Uber die Frage, in welchem Umfang ausländisches Kapital in Japan investiert wird, gibt es derzeit keine exakten Informationen, weil Kapitalinvestitionen nur in begrenztem Umfang beim Finanz- und Wirtschaftsminister anzugeben sind 14 .
9 Shöwa 58 Nenban Kösei Torihiki Iinkai Nenji Hökoku (= Jahrbuch des Kartellamtes 1983), 1983, S. 170 ff. 10 A a O (Fn.9), S. 172. 11 AaO ( F n . 9 ) , S. 173. 12 A a O (Fn.9), S. 173f. 13 AaO (Fn.9), S. 175f. 14 Die ausführlichen Voraussetzungen dafür schreiben §§21 und 24 des Devisen- und Kontrollgesetzes über Internationalen Handel vom 25. April 1958 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. September 1987, § § 1 0 , 14 und 15 der Devisenverordnung vom 11. Oktober 1980 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 5. November 1987 vor.
Konzernrecht in Japan
159
Immerhin läßt sich aber das Folgende sagen: Im Jahre 1983 wurden in Japan ca. 810 Mio. US-Dollar direkt investiert. Im Jahre 1988 waren es ca. 3 243 Mio., 1989 ungefähr 2 860 Mio. und 1990 2 778 Mio. Insgesamt sind von 1950 bis 1990 ca. 18.4 Mrd. US-Dollar nach Japan geflossen 15 . Die Hälfte der Investitionen stammt aus den USA und etwa ein Viertel aus Europa 16 . Juristisch gesehen kann in Japan seit Dezember 1980 frei investiert werden. Ausnahmen sieht lediglich das Devisengesetz von 1980 vor 17 . Zu nennen sind z. B. der ordre public und Ausnahmen in vier japanischen Industriezweigen (Landwirtschafts-, Forst- und Seefischereiwesen; Bergbauindustrie; Erdöl- und Petroleumindustrie und die lederverarbeitende Industrie). Drei Grundformen der Kapitalinvestition lassen sich unterscheiden: Das ausländische Unternehmen betreibt im Inland eine Filiale 18 (ca. 1500 Unternehmen); das ausländische Unternehmen besitzt mehr als 50 % des Kapitals einer inländischen Firma 19 (ca. 2300 Unternehmen); das ausländische Unternehmen hat weniger als 50 % Anteil am Kapital einer inländischen Firma 20 . Bei ca. 48 % dieser ausländischen (jedoch nach inländischem Recht gegründeten) Finnen liegt der Anteil des ausländischen Fremdkapitals bei 100 % . Bei 17 % der Finnen sind 5 0 - 1 0 0 % ausländisches Fremdkapital, bei ca. 21 % der Unternehmen sind es 50 % und ansonsten liegt der Anteil des Fremdkapitals bei ca. 14.5 An diesen Zahlen 22 läßt sich die Verbundenheit inländischen Kapitals mit ausländischein und der Einfluß des ausländischen Fremdkapitals auf dem Inlandsmarkt erkennen.
15 '92 Gaishikei Kigyö Söran (= Jahrbuch für Unternehmen mit ausländischem Kapital), Mai 1992, S. 149. 16 TATSUTA, aaO (Fn. 4), S. 262 f; '88 Gyöshubetsu Kaigai Sinshutsu Kigyö ( = Monatsschrift für Unternehmen mit überseeischer Aktivität in den verschiedenen Geschäftszweigen), Mai 1988, S. 776. 17 Art. 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Devisengesetz. Vgl. '92 Gaishikei Kigyö Söran, Mai 1992, S. 149. 18 TATSUTA, aaO (Fn. 4), S. 261 f. Diese Zahlen stammen aus der nach Art. 26 Abs. 2 Nr. 5 vorgenommenen Anmeldung. Aber die Filialen der Banken, Versicherungs- und Effektenfirmen werden in den oben genannten Zahlen nicht eingeschlossen. Der Grund dafür liegt darin, daß die Anmeldung der Eröffnung einer Filiale nach dem Devisengesetz nicht zwangsläufig erforderlich ist. Auf diese angemeldeten Filialen ausländischer Firmen werden die §§ 479 ff H G B fremdenrechtlich angewandt. 19 TATSUTA, aaO (Fn. 4), S.262; TSÜSANSHÖ ( = M I T I ) (Hrsg.), Gaishikei Kigyö no D ö k ö (= Trend der Unternehmen mit ausländischem Kapital), N r . 16 und 17, 1984, S. 21. 2 0 TATSUTA, a a O ( F n . 4 ) , S . 2 6 2 f .
21 '92 Gaishikei Kigyö Söran, Mai 1992, S. 103. 22 Diese Statistik wird vom Wirtschaftsministerium ( M I T I ) jährlich mit Hilfe eines Fragebogens aufgestellt. Der Antwortsatz beträgt fast jedes Jahr durchschnittlich ca. 50%.
Koresuke Yamauchi
160
4. Kapitalinvestitionen
Japans
im Ausland.
Auch der Anteil der japanischen Kapitalinvestitionen im Ausland ist interessant, da grenzüberschreitende und sich überschneidende Kapitalinvestitionen Elemente internationaler Konzernbildung sind. Nur diese wechselseitige Betrachtung führt zu einem Verständnis des internationalen Konzerns. Inländische und ausländische Statistiken stimmen dabei natürlich nicht miteinander überein, weil Methode und Zweck jeder Statistik in hohem Maße von der Handelspolitik des betreffenden Landes abhängen kann. Uber Kapitalbeteiligungen japanischer Unternehmen im Ausland findet sich in Japan statistisches Material, weil auch für diese Projekte zum Teil die Genehmigung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums eingeholt werden muß 23 . Im Dezember 1991 hatten sich in Ubersee insgesamt 13 522 Unternehmen niedergelassen, und zwar 3338 in Asien, 3791 in Nordamerika, 863 in Lateinamerika und 2877 in Europa, davon 560 in der Bundesrepublik 24 . Die meisten dieser Unternehmen haben ihre (ausländische) Rechtspersönlichkeit im jeweils betreffenden Land erworben. 33 364 Mrd. US-Dollar wurden 1985 von japanischen Unternehmen im Ausland investiert, und in der ersten Jahreshälfte 1988 bereits 22 857 Mrd. US-Dollar. In die Bundesrepublik flössen 1988, 1989 und 1990 jeweils 403, 410 und 400 Mio. US-Dollar 25 . Die Gesamtsumme der von japanischen Firmen im Ausland angelegten Gelder beträgt bis jetzt ca. 162 Mrd. US-Dollar. Die neuerliche Zunahme der Auslandsinvestitionen basiert auf den außenpolitischen Bemühungen der japanischen Regierung, extreme Unterschiede zwischen Japan und anderen Ländern auszugleichen26.
III.
Rechtliche 1.
Gegebenheiten
Grundlagen
O b und inwieweit es in Japan überhaupt Regelungen gibt, die den internationalen Konzern betreffen, ist bereits problematisch. Im japanischen IPR-Gesetz von 1898 (Horei) findet man keine diesbezüglichen Kollisionsnormen; es gibt jedoch in bestimmten Gesetzen (GWB, H G B
23 24 25 26
Art. 21 und 24 Devisengesetz. '92 Kaigai Shinshutsu Kigyö Söran, Januar 1992, S. 18 f. '92 Gyöshubetsu Kaigai Shinshutsu Kigyö, Mai 1992, S. 776. TATSUTA, aaO ( F n . 4 ) , S.264.
Konzemrecht in Japan
161
und andere) einige Vorschriften, die möglicherweise einen grenzüberschreitenden Anwendungsbereich haben können. Da es in Japan keine kodifizierten Kollisionsnormen und auch keine Gerichtsentscheidungen über den räumlichen Anwendungsbereich der Sachnormen gibt, ist immer noch in der Praxis unklar, welches Recht auf die Außen- und Innenbeziehungen von herrschenden und abhängigen Unternehmen anzuwenden ist 27 . Mehrere Autoren in der Bundesrepublik Deutschland haben die (allseitige) Anwendung des Personalstatuts des abhängigen Unternehmens auf die Innenbeziehungen einerseits und des Vertragsstatutes auf die Außenbeziehung andererseits bejaht (obwohl die theoretische Begründung umstritten ist: z. B. traditionelle gesellschaftsrechtliche Kollisionsnorm - Recht am Sitz der abhängigen Gesellschaft oder wirtschaftsrechtliche Sonderanknüpfung 28 ). Die Frage, ob diese Ansicht in Japan übernommen werden kann, und ob sie sich den japanischen Gegebenheiten anpassen läßt, wird eine entsprechende Diskussion auslösen und sich deshalb erst in der zukünftigen Entwicklung in Lehre und Praxis abschließend beurteilen lassen. Derzeit ist es nur möglich, einzelne japanische Sachnormen daraufhin zu untersuchen, ob hinter ihnen eine Kollisionsnorm versteckt ist, die durch richterliche Auslegung hermeneutisch 29 gefunden werden könnte, bzw. ob es sich bei ihnen um eine loi
d'application
immédiate30
handelt. Das soll im
folgenden geschehen.
2.
Wettbewerbsrecht
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( G W B ) von 1974 31 erlaubt die Entstehung und die Betriebstätigkeit eines internationalen Konzernes nur
27 YAMAUCHI, in: CHuo Daigaku Shakaikagaku Kenkyüjo Kenkyühökoku (= Veröffentlichungen des Institutes für Sozialwissenschaften an der Universität Chuo), Bd. 5 ( 1 9 8 5 ) , S . 75.
28 Siehe GROSSFELD, Internationales Unternehmensrecht, 1986, S. 73 unter anderem; zur weiteren Entwicklung dieses Bereiches EBENROTH, JZ 1988, 18, 75, insbesondere 75. 2 9 SIEHR, R a b e l s 7 . 36 ( 1 9 7 2 ) , 9 3 , 1 0 7 f f .
30 SCHWANDEK, Lois d'application immédiate, Sonderanknüpfung, IPR-Sachnormen und andere Ausnahmen von der gewöhnlichen Anknüpfung im internationalen Privatrecht (Schweizerische Studien zum Internationalen Recht, Bd. 1), 1975. 31 Shiteki Dokusen no Kinshi oyobi Kösei Torihiki no Kakuho ni kansaru Höritsu (= Gesetz über das Verbot privater Monopolisierung und die Sicherung des lauteren Handels) vom H.April 1947 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 4. Dezember 1986. Vgl. dazu im allgemeinen IYORI, aaO (Fn. 8); HWANG, Das japanische Antimonopolgesetz im Lichte des deutschen Kartellrechts/ 1968; PAPE, Gyöseishidö und das Anti-Monopol-Gesetz in Japan (Japanisches Recht, Bd. 7), 1980; IYORI/UESUGI, aaO (Fn.8).
162
Koresuke Yamauchi
dann, wenn kein Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz vorliegt. Fraglich ist, wann solche Verstöße gegeben sind: a) Zum
Aktienbesitz
In Japan dürfen Holdinggesellschaften nicht gegründet werden (Art. 9 Abs. 1 G W B ) . Unter dem Begriff Holdinggesellschaft versteht das Gesetz eine Gesellschaft, die in erster Linie den Zweck verfolgt, durch den Besitz von Aktien inländische Firmen zu beherrschen, Art. 9 Abs. 3 G W B . Dieses Verbot wird vom Gesetzgeber ausdrücklich auch auf ausländische Firmen ausgedehnt, Art. 9 Abs. 2 G W B « . Aktienbesitz
ist
auch
dann
nicht
erlaubt,
wenn
er
den
Wettbewerb
beschränkt. Besitzt ein ausländisches Unternehmen die Aktien inländischer Unternehmen mit einem wettbewerbsbeschränkenden Effekt auf dem Inlandsmarkt (Art. 10 Abs. 1 G W B ) , oder hält eine ausländische Finanzgesellschaft die Aktien inländischer Firmen über die vorgesehene 5 % - G r e n z e hinaus (Art. 11 Abs. 1 G W B ) , ist dieser Aktienbesitz in jedem Fall rechtswidrig 33 . Art. 9 a Abs. 1 G W B schreibt zudem vor, daß die sogenannten „großen Unternehmen" über eine bestimmte Grenze hinaus keine Aktien inländischer Firmen haben dürfen. Unter dem Begriff „große Unternehmen" im Sinne des Art. 9 a Abs. 1 G W B sind Aktiengesellschaften mit einem Kapital von mehr als 10 Mrd. Yen zu verstehen oder mit einem Vermögen in Höhe von mehr als 30 Mrd. Yen, die zugleich andere Geschäfte als Finanzgeschäfte (Bank-, Effekten-, Treuhand-, Versicherungsgeschäfte und andere) betreiben 34 . Erwirbt oder hält ein Unternehmen Aktien inländischer Gesellschaften über die oben genannte Grenze hinaus, ist der Erwerb oder Besitz der Überschußaktien rechtswidrig. Wird ein solcher rechtswidriger Aktienbesitz im Inland festgestellt, kann das Kartellamt das betreffende Unternehmen auffordern, diese Art von Geschäftspolitik zu unterlassen, Art. 45, 48 ff G W B . Diese vom Gesetz vorgesehene Gegenmaßnahme hat jedoch nur begrenzte Wirkung, weil der Gesetzgeber in diesem Bereich hinter der laufenden wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt. A n . 1 des Gesetzes 3 5 lautet: „ D u r c h das V e r b o t privater M o n o p o l i s i e r u n g , unbilliger H a n d e l s b e s c h r ä n k u n g e n und unlauterer H a n d e l s m e t h o d e n , durch die Verhinderung übermäßiger K o n z e n t r a t i o n von B e h e r r s c h u n g s m a c h t ü b e r U n t e r n e h m e n , durch den A u s s c h l u ß unbilliger B e s c h r ä n k u n g e n von P r o d u k t i o n , V e r k a u f , Preis, T e c h n o l o g i e usw., durch Z u s a m m e n s c h l ü s s e und V e r e i n barungen s o w i e sämtlicher sonstiger unbilliger E i n s c h r ä n k u n g e n der U n t e r n e h m e n s t ä t i g 32 IYORI, a a O ( F n . 8 ) , S . 6 2 ; IYORI/UESUGI, a a O ( F n . 8 ) , S . 7 9 F . 33 IYORI, a a O ( F n . 8), S. 62 f; IYORI/UESUGI, a a O ( F n . 8 ) , S. 81 ff. 3 4 IYORI/UESUGI, a a O ( F n . 8 ) , S . 8 0 F . 35 IYORI, a a O ( F n . 8 ) , S . 4 1 f; HVANG, a a O ( F n . 3 1 ) , S. 1 7 f f .
163
Konzernrecht in Japan
keit, verfolgt dieses Gesetz den Zweck, den lauteren und freien Wettbewerb zu fördern, die Initiative der Unternehmer anzuregen, die Unternehmenstätigkeit zu ermutigen, den Grad der Beschäftigung und das Niveau des Volksrealeinkommens zu erhöhen und damit zur Sicherung der Interessen der Verbraucher im allgemeinen die demokratische und gesunde Entwicklung der Volkswirtschaft zu fördern."
D e r Gesetzgeber hat damit auf Erfahrungen in der Vergangenheit reagiert, z. B . auf die Bildung von Industriellengruppen vor dem 2. Weltkrieg 3 6 (Zaibatsu), die damals durch den Erwerb von Aktien die gesamte Politik und Wirtschaft kontrollierten. Der Schwerpunkt dieser Regelung zielt hier daher nur auf die Sicherstellung des gerechten Wettbewerbs auf dem Inlandsmarkt - nämlich die Verhinderung eines Auflebens industrieller Gruppen im Inland. Daraus ergibt sich, daß sich mehrere Regelungen im G W B nur mit inländischen Unternehmen befassen. Fraglich ist, ob ein Aktienbesitz dann nicht rechtswidrig ist, wenn ein japanisches Unternehmen die Aktien ausländischer Unternehmen in der oben genannten F o r m erwirbt oder besitzt. W i e soll man die Fälle behandeln, in denen japanische Firmen Aktien eines ausländischen Unternehmens über die in Art. 9 a G W B vorgesehene Grenze hinaus erwerben oder besitzen? Durch die zunehmenden Unternehmenstätigkeiten werden die Fragen vermehrt aufgeworfen. In den letzten zehn Jahren hat es mehrere Fälle gegeben, in denen inländische Firmen Aktien ausländischer Firmen durch merger und acquisitions halten. Beispielsweise kauften die Bank of Tokio, Bridgestone Tire & Rubber und Paloma jeweils Aktien der Union Bank of Amerika, Fire Easton und Riem Manufacturing. Zu diesem Punkt schweigt das japanische G W B - im Gegensatz dazu beschäftigt sich das deutsche G W B ausdrücklich mit ausländischen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen, die Einfluß auf den deutschen Markt haben, Art. 98 Abs. 2 G W B . Aber auch in Japan wären diese wettbewerbsbeschränkenden ausländischen Unternehmenstätigkeiten nur dann rechtswidrig, wenn der Zweck des Gesetzes, effektiv wettbewerbsbeschränkende Folgen auf dem Inlandsmarkt auszuschließen, tatsächlich verletzt werden würde 3 7 .
b) Zur Beschränkung der Wahrnehmung mehrerer durch leitende Angestellte
Posten
Leitende und andere Angestellte einer Firma dürfen nicht gleichzeitig eine Stellung als leitende Angestellte in einer anderen Firma innehaben, wenn eine
36 IYORI, a a O ( F n . 8 ) , S. 21 ff; IYORI/UESUGI, a a O (Fn. 8), S . 6 f f . 37 TATSUTA, a a O ( F n . 4 ) , S . 3 1 3 .
Koresuke Yamauchi
164
solche Wahrnehmung mehrerer Posten den W e t t b e w e r b auf einem bestimmten Wirtschaftsgebiet tatsächlich beeinträchtigen könnte, Art. 13 A b s . 1 G W B . Jeder leitende Angestellte einer F i r m a , der gleichzeitig die Stellung eines leitenden Angestellten einer anderen konkurrierenden Firma in Japan innehat, soll nach den
Bestimmungen
des
Kartellgesetzes
innerhalb
von
dreißig
Tagen
seit
A n n a h m e der Stellung als leitender Angestellter diese Tätigkeit dem Kartellamt melden, und zwar dann, wenn der gesamte Vermögenswert einer der beiden Firmen 2 Mill. Y e n übersteigt, A r t . 13 A b s . 3 G W B 3 8 . Auch hier zielt das japanische G W B nur auf die W a h r n e h m u n g mehrerer Posten in einer inländischen F i r m a ab. E s findet sich aber eine weite Auslegung, die die Ausdehnung eines solchen Verbotes auch auf ausländische
Firmen
vorsieht 3 9 . Sie setzt voraus, daß das Kartellamt die internationale Zuständigkeit für die Eintragung ausländischer Firmen in das Handelsregister hat. D a s ist zur Zeit jedoch noch nicht der Fall.
c) 2.um Verbot und Verträge
internationaler
über unbillige
Vereinbarungen Handelsbeschränkungen
In der Praxis sind mehrere Vertragstypen verbreitet, z. B . Joint-Venture-,
F u s i o n s - , Geschäftsübertragungsverträge
Kooperations-,
etc. V o r
eines solchen Vertrages hat der japanische Handelspartner das
Abschluß
Kartellamt 4 0
vom vereinbarten Vertragsinhalt in Kenntnis zu setzen, A r t . 6 A b s . 2
GWB.
W e n n der japanische Vertragspartner diese Vorschrift verletzt, kann das Kartellamt eine Aufhebung des Vertrages verlangen und gegebenenfalls ein B u ß geld erheben 4 1 . In den oben erläuterten Bereichen ist den internationalen K o n z e r n e n ein recht großer Freiraum gegeben, da dem Kartellamt wenig Mittel zur
Verfügung
stehen, gegen diese Geschäftspraktiken im internationalen Handel vorzugehen.
3 8 I Y O R I , a a O ( F n . 8 ) , S . 6 4 ; I Y O R I / U E S U G I , a a O ( F n . 8 ) , S . 8 4 f.
39 TATSUTA, aaO (Fn.4), S.314. 40 Kokusaiteki Kyötei matawa Kokusaiteki Keiyaku no Todokeide ni kansuru Kisoku (= Regeln über die Anmeldung einer internationalen Vereinbarung oder eines internationalen Vertrages beim Kartellamt) vom 12. April 1971 in der Fassung der Änderungsregeln vom 2. Dezember 1985. Siehe in Einzelheiten dazu NAKAGAWA (Hrsg.), Antimonopoly Legislation of Japan, Kösei Torihiki Iinkai, 1984, S. 95 (Rules on Filing Notification of International Agreements or Contracts). 41 IYORI, a a O ( F n . 8 ) , S . 5 4 F F ; IYORI/UESUGI, a a O ( F n . 8 ) , S . 5 8 f f .
Konzernrecht in Japan
165
Die Generalklauseln, die im G W B zu finden sind 4 2 , lassen nur eine ungenügende wettbewerbsrechtliche Kontrolle zu. D a h e r steht dem internationalen K o n z e r n in Japan ein breiterer R a u m als in der Bundesrepublik zur Verfügung. D i e L ü c k e , die das Wettbewerbsrecht hier hinterlassen hat, muß also von anderen Rechtsgebieten geschlossen werden.
3.
Gesellschaftsrecht
Es stellt sich die Frage, o b diese L ü c k e mit E r f o l g durch das Gesellschaftsrecht geschlossen werden kann. Auch das Gesellschaftsrecht führt jedoch wenig effektive F o l g e n herbei, weil dem japanischen Gesellschaftsrecht immer noch ein konzernrechtlicher Aspekt im systematischen D e n k e n fehlt. D e r Schwerpunkt des Regelungsziels liegt im japanischen Gesellschaftsrecht im Interessenausgleich zwischen einzelnen unabhängigen U n t e r n e h m e n 4 3 . In den letzten Jahrzehnten nahm jedoch die wirtschaftliche Abhängigkeit der U n t e r n e h men untereinander immer m e h r zu, auch wenn rechtlich gesehen keine Abhängigkeit gegeben war. Inzwischen hat der Gesetzgeber das Gesellschaftsrecht reformiert und einige Regelungsmöglichkeiten geschaffen, die aber für die K o n t r o l l e von K o n z e r n e n noch immer unvollständig und nicht durchdringend genug sind. I m folgenden soll ein U b e r b l i c k über den Regelungskatalog gegeben werden.
a) Zum
Aktienbesitz
Aktienbesitz ist für die Konzernbildung ein besonders wichtiges Element, da viele U n t e r n e h m e n ihre herrschende Stellung durch den E r w e r b von Aktien
42 Unklar ist z . B . der Begriff „unbillig", der z . B . in den Art. 1, 2, 3, 6, 7a G W B verschieden ausgelegt wird. Art. 2 Abs. 4 G W B enthält zwar eine Legaldefinition des Begriffs „unbillige Handelsbeschränkungen": „Unbillige Handelsbeschränkungen liegen dann vor, wenn Unternehmer, egal ob durch Vertrag, Vereinbarung oder auf sonstige Weise gemeinsam mit anderen Unternehmern ihre Unternehmenstätigkeiten gegenseitig binden, Preise festsetzen, aufrechterhalten oder erhöhen oder Mengen, Technologien, Waren, Einrichtungen und Handelspartner beschränken usw. und dadurch im Widerspruch zum öffentlichen Interesse auf einem bestimmten Handelsgebiet den Wettbewerb wesentlich beschränken." (PAPE, aaO [Fn. 31], S. 103). Die Anwendung der Bestimmungen führt in der Praxis jedoch zu Schwierigkeiten, weil Vereinbarungen zwischen den Unternehmern nur schwer bewiesen werden können. IYORI (aaO [Fn. 8], S. 52) hat zwar eine rechtliche Möglichkeit gezeigt, jedoch birgt ein Indizienbeweis immer die Gefahr des Mißbrauchs in sich. 4 3 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 100.
166
Koresuke Yamauchi
erhalten. Der Aktienerwerb durch juristische Personen ist in Japan ziemlich hoch 4 4 . Eine Untersuchung zeigt, daß im Jahre 1985 Aktien in Höhe von 39,3 % von Finanzgesellschaften (die die Geldgeschäfte betreiben) und in Höhe von 25,6 % von Betriebsgesellschaften gehalten wurden, insgesamt 64,9 % 1 5 . Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß die zu einer Gruppe gehörenden Unternehmen ihre Aktien gegenseitig erwerben und besitzen können.
Ein
solcher gegenseitiger Aktienbesitz hat in Japan eine spezifische Bedeutung in der Struktur der Unternehmensbeherrschung 4 4 . Dieser gegenseitige Aktienbesitz war und ist eine wichtige Abwehrmaßnahme gegen nationale und internationale merger und acquisitions 4 7 . Jedes Unternehmen besitzt zwar nur zu einem geringen Prozentsatz Aktien von einem anderen Unternehmen, jedoch können sie dann ein anderes Unternehmen beherrschen, wenn mehrere Unternehmen einer Gruppe zusammenwirken und zusammen insgesamt 2 0 % der Aktien des beherrschten Unternehmens halten 4 8 . Das ist vor allem bei industriellen Gruppierungen - sogenannte Zaibatsu-Gruppen - der Fall, weil dort persönliche Beziehungen als gemeinsame Basis aller Mitgliedsfirmen bestehen. U m dem entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber in Art. 241 Abs. 3 H G B eine entsprechende Regelung vorgesehen. Danach hat eine Tochtergesellschaft kein Stimmrecht, auch wenn sie Aktien der Muttergesellschaft besitzt, wenn die Muttergesellschaft mehr als 25 % der Aktien der Tochtergesellschaft hält 4 9 . Das gilt nicht nur für die Aktiengesellschaft, sondern auch für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese Regelung entspricht in ihrem gesetzgeberischen Zweck dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien, das in Art. 210 H G B vorgesehen ist. Die in Art. 241 Abs. 3 H G B enthaltene Beschränkung ist jedoch nicht sinnvoll, weil das gesetzliche Maximum von 25 % bei gegenseitigem Aktienbesitz unrealistisch ist 5 0 . In dem ursprünglichen Entwurf gab es einen anderen Vorschlag, nachdem die Ausübung des Stimmrechts dann begrenzt werden sollte, wenn ein Unternehmen mehr als 5 % der Aktien eines anderen hielt. Würde dieser Vorschlag in das H G B aufgenommen, könnte das H G B diese Unternehmenstätigkeiten effektiver beschränken. Jedoch scheiterte dieser R e formentwurf am starken Widerstand der Wirtschaftsunternehmen.
4 4 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 1 0 3 , 108.
45 OKUMURA, Jurist Nr. 888 (1987), 44. Okumura hat festgestellt, daß die an der Börse notierten Aktien 1985 in Höhe von 64,9% von juristischen Personen gehalten wurden. 4 6 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 1 1 3 f . 4 7 OKUMURA, J u r i s t N r . 8 8 8 ( 1 9 8 7 ) , 4 4 . 4 8 OKUMURA, J u r i s t N r . 8 8 8 ( 1 9 8 7 ) , 4 4 . 4 9 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 113 f ; UEYAHAGI, a a O ( F n . 3), S. 4 8 f. 5 0 OKUMURA, J u r i s t N r . 8 8 8 ( 1 9 8 7 ) , 4 5 .
Konzernrecht in Japan
167
Durch das Änderungsgesetz von 1981 wurde eine Abwandlung des § 210 H G B neu hinzugefügt 51 . A n . 211 a Abs. 1 H G B enthält das Verbot des Erwerbs von Aktien der Muttergesellschaft durch die Tochtergesellschaft. In diesem Artikel werden „Muttergesellschaften" als Gesellschaften definiert, die Aktien einer anderen Gesellschaft zu mehr als 50 % der insgesamt aufgelegten Aktien besitzen. Aufmerksamkeit erregte ein Urteil des Landgerichts (LG) Tokio 52 . Die Klage war vor dem Inkrafttreten des Art. 211 a H G B (1978) eingebracht worden. In diesem Fall ging es um eine Tochtergesellschaft (MITSUI MIIKE KAIHATSU), die Aktien der Muttergesellschaft (MITSUI KÖZAN) in Höhe von 15,5 Millionen Aktien erworben hatte. Wegen Art. 210 H G B wurde dieser Aktienerwerb vom Gericht als illegal angesehen 53 . Dieses Urteil war ein Beispiel für die Kontrolltheorie oder die Durchgriffslehre. Art. 211 a H G B ist eine Konkretisierung dieser Entscheidung (1981), und danach ist der gegenseitige Aktienbesitz zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft verboten. Dadurch konnte der Konzernbildung ein wenig entgegengesteuert werden 54 .
b) Zur Beschränkung der "Wahrnehmung mehrerer Posten durch einen leitenden Angestellten Im H G B ist die mehrfache Wahrnehmung leitender Positionen für Vorstandsmitglieder nicht verboten. Vorstandsmitglieder sind nur verpflichtet, nach Treu und Glauben zu handeln (§ 254 b HGB). Im Gegensatz dazu dürfen Mitglieder des Aufsichtsrates nicht mehrere Amter gleichzeitig wahrnehmen (Art. 276 HGB). Dieses Verbot sollte auch auf ausländische Unternehmen ausgedehnt werden 55 .
51 MORIMOTO, a a O (Fn.5), S. 114; UEYANAGI, aaO (Fn.3), S. 48. 52 Urteil vom 29. Mai 1986, in: Shöji H ö m u (Zeitschrift f ü r Handelsrecht) N r . 1078 Juni 1986, S. 43 ff. 53 Das Gericht erklärt wie folgt: „Im Namen von MITSUI MIIKE KAIHATSU wurde zwar in diesem Fall ein Kaufvertrag mit einer anderen Partei abgeschlossen und auch das Geld bezahlt. Aber alle Aktien der MITSUI MIIKE KAIHATSU wurden nur von der MITSUI KÖZAN gehalten, das Interesse der beiden Firmen war übereinstimmend und MITSUI MIIKE KAIHATSU sollte als unselbständige Abteilung der MITSUI KÖZAN geführt werden." 54 Durch diese Entscheidung tritt die Frage auf, ob die Höchstgrenze von 5 0 % noch weiter reduziert werden sollte. Der Grund dafür liegt darin, daß ein Behrrschungsverhältnis auch dann entstehen kann, wenn eine Muttergesellschaft die Aktien ihrer Tochtergesellschaft in H ö h e von weniger als 25 % hält. Siehe OKUMURA, Jurist N r . 888 (1987), 47.
55 TATSUTA, a a O (Fn.4), S.309, 314.
168
Koresuke Yamauchi
c) Zur Erweiterung
eines Kontrollrechts
von Aktionär
und
Aufsichtsrat
Nach dem Änderungsgesetz von 1981 können Aktionäre von Mutter- und Tochtergesellschaften von den Vorstandsmitgliedern in der Hauptversammlung Auskunft über den Grad der Verbundenheit - einschließlich des Handels zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft - verlangen (Art. 237 b HGB) 5 6 . Ferner kann der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft Geschäfts- und Vermögensverhältnisse ihrer Tochtergesellschaft untersuchen, um die Geschäftsführung zu kontrollieren ( A n . 274 b H G B ) 5 7 . Jedoch ist nicht zu ermitteln, inwieweit die Aktionäre solche Möglichkeiten wahrnehmen.
d) Zur Kontrolle
des Handels
zwischen
Mutter-
und
Tochtergesellschaft
Der Handel zwischen einer Gesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied bedarf der Erlaubnis des Vorstandes (board of management) (Art. 265 Abs. 1 H G B ) . Fraglich ist, wann diese Erlaubnis erforderlich ist oder wann ein Vorstandsmitglied ein besonderes Interesse an einem solchen Handel hat. Wie Urteile zeigen, sind dies meistens Großaktionäre oder Vorstandsmitglieder, die Ämter mehrfach wahrnehmen. O b die Regelung des Art. 265 Abs. 1 H G B auch auf Fälle mit Auslandsberührung angewendet werden kann, ist jedoch zweifelhaft 58 .
e) Zur Offenlegung
der Verbundenheit
mehrerer
Gesellschaften
Mutter- und Tochtergesellschaften müssen Einblick in die Rechnungsbücher geben 59 . Die Muttergesellschaft muß offenlegen, wie groß ihr Anteil an den Aktien der Tochtergesellschaft ist 60 , inwieweit Kreditbeziehungen bestehen 61 und in welchem Rahmen sie Handel mit der Tochtergesellschaft treiben 62 usw. Die Tochtergesellschaft hat ihrerseits offenzulegen, in welchem Rahmen sie 56 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 115. 57 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 114f. 58 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 116. 59 MORIMOTO, a a O ( F n . 5 ) , S. 1 1 7 f .
60 Art. 47 Abs. 1 N r . 8 und 9, Art. 23 der Kabushikigaisha no Taishakutaishöhyö, Sonekikeisansho, Eigyö-hökokusho oyobi Fuzoku-meisaisho ni kansuru Kisoku (sogenannte Keisan-Kisoku) (= Regeln über Verleih- und Anleihlisten, Gewinn- und Verlust-Rechnung, Geschäftsberichte sowie sonstige Belege der Aktiengesellschaften — sogenannte Bilanz-Regeln) vom 30. März 1963 in der Fassung der Anderungsregeln vom 24. April 1982. Die Regeln sind vom Justizministerium bekanntgemacht. 61 Art. 9 Abs. 1, Art. 29 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1 N r . 3 H G B . 62 Art. 40 Abs. 1, Art. 48 Abs. 1 N r . 3 H G B .
Konzernrecht in Japan
169
H a n d e l mit der Muttergesellschaft treibt 4 3 und inwieweit H a n d e l s b e z i e h u n g e n mit einem G r o ß a k t i o n ä r u n d / o d e r einem Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft bestehen 6 4 etc. D i e O f f e n l e g u n g dient dem S c h u t z der T o c h t e r g e s e l l s c h a f ten v o r Fingriffen der Muttergesellschaften.
f ) Zur Kontrolle eines
Unternehmensvertrages
Um Aktionären Schutz zu gewähren, sieht das HGB vor, daß die Hauptversammlung dann einen Sonderbeschluß fassen muß, wenn eine Gesellschaft einen Unternehmensvertrag - z. B. Fusions-, Geschäftsübertragungsverträge und ähnliche - mit einer anderen Gesellschaft abschließen will (Art. 245, 408 HGB). Zur Fassung eines Sonderbeschlusses ist eine %-Mehrheit erforderlich (An. 343 HGB). Verweigert ein Aktionär seine Zustimmung, so kann er von der Gesellschaft den Rückkauf der Aktien fordern (Art. 245 a HGB) 65 . In diesen Regelungen ist leider keine Maßnahme zur Überprüfung des Vertragsinhaltes enthalten. Daher ist auch hier eine gesellschaftsrechtliche Kontrolle der Konzernbildung nicht gegeben.
g) Zum Erwerb oder Verkauf von
Massenaktien66
Hier ist auf ein Urteil des LG Tokyo 67 hinzuweisen. Eine japanische Elektrofirma namens AIWA hatte in ihrer Vorstandssitzung einen Beschluß gefaßt, nach dem sie ihr Kapital verdoppeln und der Firma SONY alle neu aufzulegenden Aktien zu einem Preis verkaufen wollte, der weniger als die Hälfte des am Tag der Beschlußfassung festgelegten Endmarktpreises ausmachte, um so mit der SONY zu kooperieren. Es erging kein Sonderbeschluß der Hauptversammlung. Art. 208 a Abs. 2 HGB verlangt einen solchen Sonderbeschluß, wenn eine Firma neu aufzulegende Aktien zu „einem besonders günstigen Preis" an einen Aktionär verkauft. Aufgrund des Art. 280 j HGB haben die Aktionäre gegen SONY Klage auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Marktpreis und dem Verkaufspreis erhoben, jedoch keinen Erfolg gehabt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß der Marktpreis an dem betreffenden Tag durch die Nachrichten über die Auflegung neuer Aktien beeinflußt war, und daß nur der frühere von dieser Transaktion noch unbeeinflußte 63 Art. 9 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 H G B . 64 Art. 29 Abs. 1, Art. 40 Abs. 2, Art. 47 Abs. 1 Nr. 7 und 10 H G B . 65
MORIMOTO, a a O (Fn. 5), S. 118.
66
M O R I M O T O , a a O ( F n . 5), S. 1 1 9 ; UEYANAGI, a a O ( F n . 3), S . 4 6 .
67 Urteil vom 27. April 1972, in: Hanrei-Jihö (= Entscheidungssammlungen) Nr. 679, S. 70.
170
Koresuke Yamauchi
Marktpreis einen A n h a l t s p u n k t f ü r einen billigen u n d gerechten Preis bilden könne 6 8 .
4.
Ergebnis
Wie bereits o b e n angedeutet, ergibt eine rechtliche B e s t a n d s a u f n a h m e n u r u n g e n ü g e n d e Möglichkeiten, den internationalen K o n z e r n zu
kontrollieren.
Das A u g e n m e r k ist daher auf e n t s p r e c h e n d e Reformvorschläge zu richten.
IV.
Rechtsvergleichung69
Z u n ä c h s t stellt sich die Frage, wie m a n einem beherrschten U n t e r n e h m e n ü b e r h a u p t Schutz gewähren k a n n . In d e m E n t w u r f über die Societas E u r o p a e k ö n n e n A k t i o n ä r u n d Gläubiger der beherrschten F i r m a gleiche Rechte wie bei Fusionen geltend m a c h e n , wenn ein Beherrschungsverhältnis zwischen den Gesellschaften existiert. Das deutsche Aktiengesetz enthält einige S c h u t z m a ß n a h m e n , z. B. Gewährleistung der Dividende, A n s p r u c h auf A n k a u f d e r Aktien u n d ähnliches. W u r d e kein Beherrschungsvertrag zwischen d e n beiden Gesellschaften abgeschlossen, m u ß das b e h e r r s c h e n d e U n t e r n e h m e n d e m abhängigen Schadensersatz leisten, es sei d e n n , die wirtschaftlichen Nachteile w u r d e n bereits ausgeglichen (§§311, 317, 318 A k t G ) . In d e n Vereinigten Staaten sind manche Streitpunkte (z. B. w a n n ein Handel als billig u n d gerecht zu bezeichnen ist u n d in welchem Fall ein V o r s t a n d s m i t glied seine T r e u e p f l i c h t erfüllen m u ß ) weitgehend d u r c h Gerichtsentscheidungen beigelegt. In Japan findet sich ein Vorschlag, nach d e m ein herrschendes U n t e r n e h m e n d a n n auf Schadensersatz haftet, w e n n es die Aktien einer anderen Gesellschaft m i t Stimmrecht in H ö h e v o n m e h r als 25 % hält und
in die
G e s c h ä f t s f ü h r u n g des abhängigen U n t e r n e h m e n s eingreift 7 0 . A u c h die E i n f ü h r u n g des v e r b u n d e n e n R e c h n u n g s s y s t e m s ( K o n z e r n b i l a n z , Konzernabschluß,
Konzernrechnungslegung),
das es in der
Bundesrepublik
Deutschland u n d in G r o ß b r i t a n n i e n gibt, ist zu diskutieren. 1979 hat das japanische J u s t i z m i n i s t e r i u m einen e n t s p r e c h e n d e n
Entwurf
veröffentlicht. E r sieht vor, d a ß die A k t i o n ä r e Berichte über die K o n z e r n r e c h nungslegung erhalten 7 1 . 68 Hanrei-Jihö Nr. 679, S. 72. 69 Siehe im allgemeinen IMMENGA, FS R . F i s c h e r , 1979, S.297, 298; DRUEY (Hrsg.), Das
St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988. 7 0 M O R I M O T O , a a O ( F n . 5 ) , S. 1 3 1 f . 71 M O R I M O T O , a a O ( F n . 5), S. 134.
Der heutige Stand des Konzernrechts in den Niederlanden"'
von Professor DR. W. J . SLAGTER, Rotterdam
Inhaltsübersicht I. Einleitung
171
II. Konzernbildung und ihre Hindernisse 1. Aktiengesellschaften 2. Gesellschaften mit beschränkter Haftung III. Die Entwicklung des Niederländischen Konzernrechts IV. Das Weisungsrecht
172 172 173 176 180
V. Konzernhaftung
183
VI. Der Konzern als Rechtsperson
184
VII. Konzerninteme Verrechnungspreise VIII. Rechtsprechung zum Konzemrecht IX. Schlußbetrachtung
188 189 191
I.
Einleitung
Das Konzernrecht in Europa ist zersplittert. Einerseits gibt es Mitgliedstaaten, wie z. B. Deutschland, die schon lange über ein ausgedehntes und systematisches Konzernrecht verfügen. Andererseits gibt es aber auch Länder, die ein kaum entwickeltes Konzernrecht besitzen. Die Niederlande befinden sich mit dem Stand ihres Konzernrechts zwischen diesen Extremen. Die konzernrechtlichen Unterschiede werden erst dann ein Ende finden, wenn die 9. EG-Richtlinie verabschiedet ist. Aber gerade diese Zersplitterung macht es schwierig, Ubereinstimmung hinsichtlich des Inhalts dieser Richtlinie zu erreichen, deren erster Vorentwurf viel Widerstand hervorgerufen hat. Die Unterschiede liegen nicht allein in Umfang und Maß an Detailliertheit, das durch die Richtlinie erreicht werden soll. Auch inhaltlich gibt es in Europa divergierende Meinungen zu einer
* Autor und Herausgeber danken Herrn stud. jur. Torsten Witz für die Übersetzung. Das Manuskript kann in der Originalfassung gegen einen Unkostenbeitrag von 25,- DM bei der Schriftleitung angefordert werden.
172
W . J . Slagter
Reihe grundlegender Fragen des Konzernrechts: Wie ist der Konzern rechtlich einzuordnen, welche gesetzlichen Bestimmungen sollen Anwendung finden, ist eine Tochtergesellschaft
in einem
Konzern
rechtlich
selbständig,
können
Ansprüche bei Verbindlichkeiten einer Tochter- gegen die Muttergesellschaft geltend gemacht werden, welche Rechte haben die Gläubiger, die Arbeitnehmer und die Minderheitsanteilseigner einer Tochtergesellschaft, welche Bestimmungen des Mitbestimmungsrechts finden im Konzern Anwendung?
II. Konzernbildung
und ihre
Hindemisse
Wie sehr sich die Auffassungen in diesen Fragen in Europa auch unterscheiden, es reift in zunehmendem Maße die Einsicht, daß wir uns nicht länger mit der klassischen Lehre von der traditionell selbständigen Handelsgesellschaft begnügen können. Die Handelsgesellschaft, deren Anteile von natürlichen Personen gehalten werden, tritt vermehrt in den Hintergrund. Immer häufiger kann man Verflechtungen zwischen Handelsgesellschaften feststellen, bei denen die Anteile der Handelsgesellschaft A ganz oder zum Teil von der Handelsgesellschaft B oder einer Reihe von Handelsgesellschaften gehalten werden, ohne daß ein joint venture besteht. In den Niederlanden erwecken viele dieser Gesellschaften nach außen den Eindruck, selbständig zu sein. Ihre Anteile werden aber in Wirklichkeit von einer anderen Handelsgesellschaft gehalten, so daß von einer Selbstän digkeit dieser Unternehmen nicht oder kaum mehr die Rede sein kann. Das Ausmaß dieser Entwicklung wird in dem Zahlenmaterial deutlich, das mir das Zentrale Niederländische Amt für Statistik vor einigen Monaten zur Verfügung gestellt hat. Es handelt sich hierbei um die Finanzstatistik des Jahres 1989 von Unternehmen (AG, G m b H und Genossenschaften) mit einer Gesamtbilanz von mindestens 10 Mio. Gulden. Unternehmen aus dem Bank- und Versicherungswesen sowie Immobiliengesellschaften wurden hierbei nicht berücksichtigt. Im Jahre 1989 existierten danach 3144 juristische Personen, die sich aus 370 A G , 2676 G m b H und 98 Genossenschaften zusammensetzten (Genossenschaften werden im folgenden nicht berücksichtigt).
1.
Aktiengesellschaften
Von 370 A G der Statistik des Jahres 1989 haben 74 eine Muttergesellschaft im Ausland. Von diesen 74 A G verfügen wiederum 59 Gesellschaften über Tochterunternehmen in den Niederlanden. 296 A G besitzen keine Muttergesellschaft. 73 dieser Gesellschaften sind nicht an einer niederländischen Gesellschaftsgruppe beteiligt. Sie sind vollkommen selbständig. 233 A G besitzen eine Mehrheitsbeteiligung an anderen niederländischen Unternehmen.
173
K o n z e r n r e c h t in d e n N i e d e r l a n d e n
2. Gesellschaften mit beschränkter
Haftung
1989 wurden 2676 G m b H von der Untersuchung erfaßt. Davon haben 776 eine ausländische Mutter, 1900 nicht. Von den 776 G m b H mit einer ausländischen Muttergesellschaft gehören 484 einer niederländischen Gesellschaftsgruppe an; für 292 trifft dies nicht zu. Von den 1900 GmbH, deren Muttergesellschaft in den Niederlanden ansässig ist, gehören 1621 einer niederländischen Gesellschaftsgruppe an, 279 nicht. Die 282 Aktiengesellschaften und 2105 G m b H mit Gesellschaftsgruppen besitzen zusammen 17 385 Unternehmen in einer niederländischen Rechtsform. Davon sind 16 923 als G m b H und 221 als AG tätig. In der folgenden Ubersicht sollen diese Angaben verdeutlicht werden:
Abbildung
1 370 AG
2676 G m b H 1
keine ausländische Muttergesellschaft: 1 %
i
1
ausländische Muttergesellschaft:
1
keine ausländische Muttergesellschaft: 1900
»
1
1
" i
1
1
keine
1
1
inländische inländische TochterTochtergesellgesellschaft: schaft:
keine inländische inländische TochterTochtergesellgesellschaft: schaft:
73
15
223
1
59
1
keine inländische inländische TochterTochtergesellgesellschaft: schaft: 279 1621
1
1
ausländische Muttergesellschaft:
1
inländische Tochtergesell-
keine inländische Tochtergesell-
schaft: 484
schaft: 292
1
17385 Tochtergesellschaften
Das Zahlenmaterial ist nicht vollständig, aber ausreichend, um hieraus schließen zu können, daß von den großen niederländischen G m b H nur ca. etwas mehr als 1 0 % vollkommen selbständig sind, d . h . weder eine Mutter- noch eine Tochtergesellschaft besitzen. Damit wurde noch nicht berücksichtigt, daß die übrigen 90 % der niederländischen G m b H Teil eines Konzerns in einer „Zwischenform" sind. Einerseits sind dies joint ventures, bei denen die Muttergesellschaften nur gemeinsam Einfluß auf die Gruppe ausüben können. Hierunter fallen Beteiligungen von maximal 50 % und weniger. Andererseits sind dies Fälle, in denen nur von Beteiligung und Anlage die Rede ist, ohne daß die
174
W . J . Slagter
betroffenen Handelsgesellschaften in die strategische Zielsetzung der Muttergesellschaft eingebunden werden. Die Unsicherheit über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ist bei der A G größer als bei der G m b H . Die A G hat meistens - soweit sie an der Amsterdamer Börse notiert ist immer - Inhaberaktien ausgegeben, deren Eigentümer unbekannt sind. Die G m b H veräußert demgegenüber nur Namensanteile. Zur Übertragung dieser Anteile ist ein Skripturakt erforderlich, der der Handelsgesellschaft bekanntgegeben werden muß. Jede Veränderung in der Gesellschafterzusammensetzung wird folglich erfaßt und kann auf eine etwaige Unwirksamkeit der Ubereignung hin überprüft werden 1 . Leider ist die Eintragung im Anteilsregister, das von der Gesellschaft geführt wird und in das nur die Anteilseigner Einsicht nehmen können, kein konstitutives Element einer rechtswirksamen Ubereignung. Dies hat dazu geführt, daß das Register (Art. 2: 194 BW) häufig schlecht geführt und deshalb zur Feststellung der Anteilseigner unbrauchbar ist. Die Unsicherheit über die Gesellschafterzusammensetzung, die vor allem bei der A G Sorge bereitet, soll mit Erlaß des Gesetzes zur Anzeige des Verfügungsrechts weitgehend beseitigt werden 2 . Sobald ein Anteilseigner zusammen mit anderen Anteilseignern, zu denen er in familiärer oder gesellschaftsrechtlicher Beziehung steht, ein Anteilspaket erwirbt oder veräußert und dadurch eine bestimmte Schwelle über- oder unterschreitet, ist er verpflichtet, dies der betreffenden Gesellschaft mitzuteilen. Diese Angabe muß veröffentlicht werden (Art. 8).
1 1986 wurde von der Zweiten Kammer die Gesetzesvorlage 21 155 zur Änderung der Regelung hinsichtlich der Übertragung von Namensaktien eingebracht. Die inzwischen geänderte Eingabe sieht vor, daß zur Übertragung eine notarielle Beurkundung notwendig sein soll, die registriert wird. Siehe W . J . SLAGTER, Levering van aandelen op naam, Maandblad D e N V 1989, 196-204 und die Sonderausgabe von W P N R , 5966 (1990), die ganz diesem Thema gewidmet ist. Die Verabschiedung dieser Gesetzesvorlage wird 1991 erwartet. 2 Siehe hierzu den Gesetzesvorschlag II 1989/1990, N r . 21 492, zur Anpassung an die E G Richtlinie vom 12. Dezember 1988 über die Angaben, die veröffentlicht werden müssen, wenn ein wichtiger Anteil einer an der Börse notierten Handelsgesellschaft erworben oder veräußert wird, ABl. E G N r . L 348 vom 17. Dezember 1988, S . 6 2 ; siehe auch die Richtlinie 79/279 vom 5. März 1979 zur Koordination der Bedingungen für eine Zulassung von Wertpapieren zur offiziellen Notierung an der Effektenbörse, ABl. E G N r . L 66 vom 16. März 1979, S . 2 1 , geändert durch die Richtlinie 8 2 / 1 4 8 / E E G , PB N r . L 6 2 vom 5. März 1982, S. 22; C . P. BIERHUIZE, Het voorstel van Wet Melding Zeggenschap in ter beurze genoteerde vennootschappen, Maandblad D e N V 1990, 145-151; P . J . DORTMOND, Enige kanttekeningen bij het Wetsontwerp melding, Maandblad D e N V 1990, 245-246; R. WILLEMSEN, Inzicht in zeggenschapsverhoudingen, T W S 1991, 81-85 und J . W . WINTER, Tweede Kamer neemt het wetsvoorstel melding zeggenschap aan, T W S 1991, 154-155.
Konzernrecht in den Niederlanden
175
Bei den Beratungen in der Zweiten Kammer im Mai 1991 sind zwei wichtige Änderungsanträge gestellt worden. Zum einen soll die Meldepflicht bei einer Anteilsstärke von 5 % zur Anwendung kommen. Das brächte folgende Stufen mit sich: 5 % , 10 %, 25 %, 50 % und 66% %. Durch den zweiten Änderungsantrag sollen die Sanktionen bei einer unterlassenen Anzeige erheblich verschärft werden. Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf war eine Mißachtung der Anzeigepflicht nur mit Strafsanktionen bewehrt. Diese werden in den Niederlanden auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet als wenig wirksam erachtet. Zum einen sind die Staatsanwälte, die mehr mit dem allgemeinen Strafrecht als mit dem Gesellschaftsrecht vertraut sind, nur selten geneigt, ein solches Verfahren einzustellen. Zum anderen sollte ein „raider", der eine Handelsgesellschaft zu übernehmen versucht, sollte er überhaupt strafrechtlich verfolgt werden, eine Summe von 1000,- Gulden übrig haben, um so lange wie möglich in Ruhe Anteile aufkaufen zu können, ohne daß die betreffende Handelsgesellschaft den Uberfall bemerkt. Durch den Änderungsantrag sollen einige gesellschaftsrechtliche Sanktionen eingeführt werden, wie z.B. die Aussetzung des Stimmrechts der nicht angemeldeten Anteile. Die Aussetzung dauert maximal drei Jahre und ist mit einer Verpflichtung des Anzeigenden verbunden, für maximal fünf Jahre weder unmittelbar noch mittelbar Anteile oder Bezugsrechte zu erwerben und sein Stimmrecht in der Gesellschaft nicht auszuüben. Es fällt hierbei auf, daß weder der Entzug des Dividendenrechts für die nicht angemeldeten Anteile noch ein Weiterveräußerungsverbot zu den zivilrechtlichen Sanktionen zählen. Die Aussetzung des Stimmrechts ist deshalb problematisch, weil die unter Verstoß gegen diese Sanktion getroffenen Beschlüsse der Anfechtung mit all ihren Folgen unterliegen. Nicht zu verkennen ist jedoch, daß das neue Gesetz, das wahrscheinlich am 1. Februar 1992 in Kraft treten wird, größere Klarheit schafft, in wessen Händen sich die an der Börse notierten Anteile befinden. Damit werden weitere Möglichkeiten geschaffen, sich rechtzeitig gegen eine drohende Übernahme zu wehren bevor der „raider" eine Mehrheitsposition in der Gesellschaft erlangt. Gleichzeitig trägt das Gesetz dazu bei, die Unabhängigkeit einer Handelsgesellschaft zu erhalten und eine Konzernbildung zu verhindern. Die Sicherheit, die börsennotierte Aktiengesellschaften diesem Gesetzentwurf entnehmen sollen, und die bei der G m b H aufgrund der notariell beurkundeten Anteilsübertragung und dem Anteilsregister bereits besteht, gilt nicht für A G mit Inhaberanteilen, die nicht an der Börse gehandelt werden. Diese AG können, soweit sich ihre Anteile nicht in festen Händen befinden, weiterhin das Ziel eines „raider" sein. Er kann nach und nach auf dem nicht notierten Markt Anteile aufkaufen, bis er der betreffenden Gesellschaft überraschend seine Machtposition zu erkennen gibt.
176
W . J . Slagter
III.
Die Entwicklung
des niederländischen
Konzernrechts
Das niederländische Konzernrecht, das zunehmend auch für „MittelstandsKonzerne" 3 Bedeutung erlangt, ist nur teilweise kodifiziert. Zu Recht bestreitet Raaijmakers* die Auffassung, daß die Niederlande kein gefestigtes Gesellschaftsrecht besitzen. Die großen Regelungslücken, die die gesetzlichen Bestimmungen lassen, werden zum Teil durch Rechtsprechung und Lehre geschlossen. Auf dem Gebiet der Rechtsprechung ist gerade die Sammlung „Jurisprudentse Concernrecht" 5 erschienen. Zum ersten Mal sind in dieser Sammlung die verstreuten Urteile zu Fragen des Konzernrechts zusammengetragen worden. Namentlich geht es hier um die Durchsetzung von Ansprüchen, die Selbständigkeit von Tochtergesellschaften, das Verhältnis zwischen dem zentralen Aufsichtsrat und den örtlichen Aufsichtsräten, die Ausübung des Beschwerderechts bei der Ernennung eines Aufsichtsratsmitglieds, die Anwendung des Untersuchungsrechts in Konzernangelegenheiten und die Abfindung von Minderheitsaktionären. Diese Sammlung bestätigt die Auffassung, daß, obwohl nur kleine Teile des Konzemrechts in den Niederlanden kodifiziert sind (Strukturregelung, Gesetz über die Unternehmensräte und die Konzern-Jahresabschlußrechnung), ein großer Teil der ungeregelten Bereiche durch die Rechtspraxis und ein anderer Teil durch die Lehre ausgefüllt sind. Vor allem das Anwachsen der juristischen Literatur auf dem Gebiet des Konzernrechts ist beachtlich. Nach der Dissertation von Sannes6 ist es in den Niederlanden auf diesem Gebiet lange recht still gewesen. In der Festschrift Sanders7 von 1972 wagte sich noch kein einziger Niederländer an dieses Thema, sondern nur ausländische Autoren (Biedenkopf, Dabin, Gleichmann, LyonCaen und Würdinger). Ein erstes Aufleben der Diskussion erfolgte nach den Dissertationen von Franken8 und Raaijmakers'' aus dem Jahre 1976 und den
3 D . A . M . MEELES, D e N V 1990, 1-2. 4 M.J.G.C.
RAAIJMAKERS, O v e r de samenhang tussen
normen
en definities
in
het
N e d e r l a n d s e groepsrecht, M a a n d b l a d D e N . V . 1990, 3. 5 F . J . P . VAN DEN INGH / L . TIMMERMAN, J u r i s p r u d e n c e c o n c e r n r e c h t m e t
annotaties,
Verlag W . E . J . T j e e n k W i l l i n k , Z w o l l e 1991. 6 D . J . SANNES, D e rechtsverhouding van m o e d e r e n d o c h t e r m a a r s c h a p p i j , diss. U t r e c h t
1926. 7 Q u o vadis, Ius societatem, L i b e r a m i c o r u m Pieter Sanders, Verlag K l u w e r , D e v e n t e r und M a r t i n u s N i j h o f f , ' s - G r a v e n h a g e 1 9 7 2 . 8 W . K . FRANKEN, A s p e c t e n van c o n c e r n r e c h t , diss. U t r e c h t , Verlag H . D . T j e e n k W i l l i n k , Groningen 1976. 9 M . J . G . C . RAAIJMAKERS, J o i n t ventures, E n k e l e b e s c h o u w i n g e n o m t r e n t het rechtskarakter en de c o n c e r n b e t r e k k i n g e n van de g e m e e n s c h a p p e l i j k e d o c h t e r o n d e r n e m i n g , diss. T i l b u r g 1 9 7 6 , Verlag K l u w e r , D e v e n t e r .
Konzernrecht in den Niederlanden Gutachten von Roelvink
und Raaijmakers
177
für den Niederländischen Juristenver-
ein 1977 1 C . Die Sammlung „Jurist in bedrijf" von 1980, die von der niederländischen Genossenschaft der Syndikus Anwälte herausgegeben wurde, enthält nur einen Aufsatz z u m Konzernrecht' 1 . In der Festschrift Van Oven ist lediglich der Aufsatz von Sanders12
dem Konzernrecht gewidmet. Danach nahm die wissenschaftliche
Tätigkeit auf dem Gebiet des Konzernrechts sprunghaft zu. Es erschienen vier Dissertationen zu Teilbereichen des Konzernrechts 1 3 ; zwei Kongresse wurden dem Konzernrecht gewidmet 1 4 ; es erschienen zwei Lehrbücher zum Konzernrecht 1 5 . In drei kürzlich veröffentlichten Festschriften, die sich ganz oder zum Teil mit dem Recht der Handelsgesellschaften befassen, sind insgesamt neun Artikel dem Konzernrecht gewidmet: in der Van der Grazien-Sammlung die Aufsätze von Rutten
und Solinge,
Plompen,
Storm
Roelvink,
Timmermans
in der 5/agier-Sammlung die Aufsätze von
und Vlas und in der Maeijer-Sammlung und
Löwensteyn,
die Aufsätze von
Wächter16.
10 H . L . J . ROELVINK, Door rechtspersonen heenkijken, und M.J. G . C . RAAIJMAKERS, Over verschuivingen in het toerekeningspatroon bij rechtspersonen, Handelingen NJV 1977, Verlag W . E . J . Tjeenk Willink, Zwolle 1977. 11 Jurist in bedrijf, N G B 1930-1980, Verlag Kluwer, 1980; zehn Jahre später, 1990, gab die N G B anläßlich ihres 60-jährigen Bestehens eine neue Sammlung heraus: Aansprakelijkheden (hrsg. KJu wer 1990), in der ein Aufsatz von R. van Rooij dem Konzernrecht gewidmet ist. 12 Gratia commercii, Opstellen aangeboden aan Prof. Mr. A. van Oven, Verlag W . E . J . Tjeenk Willink, Zwolle 1981. 13 H . J . M. N. HON£E, Concernrecht en medezeggenschapsregelingen, diss. Nijmegen 1991, Verlag Kluwer; L. TIMMERMAN, Over multinationale ondernemingen en medezeggenschap van werknemers, diss. Utrecht 1988, Verlag Kluwer; M. P. VAN ACHTERBERG, De juridische definitie van het economische verschijnsel concern in het ondernemingsrecht, diss. VU Amsterdam 1989, Verlag Kluwer; S. M. BAXTMAN, Concernbeleid en aansprakelijkheid, diss. Utrecht 1989, Teil 6 in den Ausgaben von Seiten des Instituts für Unternehmensrecht der Rijksuniversiteit Groningen, Verlag Kluwer 1989. 14 Concernverhoudingen, concernfinanciering, mededingingsrecht, Voordrachten, gehouden op het Eerste Nederlands Congres voor Bedrijfsjuristen en Directiesecretarissen, Verlag Kluwer 1984; Financiele kruisverbanden en andere aspecten van concernfinanciering (met de teksten van de voordrachten tijdens het congres van het Van der HeijdenInstituut te Nijmegen in 1986 van J. Lievens, H. J . M . N. Honee, W. C. L. van derGrinten, J. M. M. Maeijer, P. van Schilfgaarde, H. Langman, J . Bloemarts, en het verslag van G. Noordgraven en M. I. Zeldenrust-Visch), Serie Monografieen vanwege het Van der Heijden-Instituut, Teil 28, Verlag Kluwer 1987. 15 S. M. BARTMAN, Inleiding Concernrecht, Verlag Samson H. D. Tjeenk Willink, Alphen aan den Rijn 1986. S. M. BARTMAN und A. F. M. DORRESTEIJN, Van het Concern, Verlag Gouda Quint, Arnhem, 1991. 16 Goed en trouw, Opstellen aangeboden aan Prof. Mr. W. C. L. van der Grinten, Verlag W . E . J . Tjeenk Willink, Zwolle 1984; Tot vermaak van Slagter, Verlag Kluwer 1988; Van Vennootschappelijk belang, Opstellen aangeboden aan Prof. Mr. J . J . M . Maeijer, Verlag W . E . J . Tjeenk Willink, Zwolle 1988.
178
W . J . Slagter
Auch in wissenschaftlichen Zeitschriften nahm die Anzahl von Beiträgen zum Konzernrecht deutlich zu. Ich möchte hier auf die schöne Sonderausgabe des „Maandblad D e N V " vom Januar 1990 hinweisen, die ganz den verschiedenen Aspekten des Konzernrechts gewidmet ist 17 . Außer acht lasse ich bei dieser keineswegs erschöpfenden Aufzählung Bücher und Aufsätze zum Recht der Jahresabschlußrechnung (und der konsolidierten Jahresabschlußrechnung) sowie über Fusionen und Ubernahmen, die zur Konzernbildung oder zur Ausbreitung eines bestehenden Konzerns führen. Damit ist nicht gesagt, daß das niederländische Konzernrecht heute vollständig erfaßt ist. Das Interesse ist ein wenig ungleich verteilt. Während die Mitbestimmung im Konzern relativ viel Aufmerksamkeit findet, sind die Meinungen in anderen Bereichen noch sehr unterschiedlich oder haben in der juristischen Literatur bisher kaum Beachtung gefunden. Das Konzernrecht läßt sich in zwei Bereiche unterteilen:
Das innere
Konzernrecht:
- die Stellung der Minderheitsaktionäre - die Stellung der Arbeitnehmer -
Verrechnungspreise
-
Kapitalerhaltung
- die Stellung des Konzernbetriebsrats
Das äußere
Konzernrecht:
- die Haftung der Mutter- für Schulden der Tochtergesellschaft - die Vertretung. Es ist umstritten, ob es juristisch möglich und notwendig ist, zwischen einem zentralisierten (qualifizierten) und einem dezentralisierten Konzern zu unterscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang es ein Weisungsrecht der Muttergegenüber der Tochtergesellschaft gibt. Umstritten ist ferner, o b die Muttergesellschaft eines qualifizierten Konzerns eine Risikohaftung für Schulden der Tochtergesellschaft trägt. Darüber hinaus herrscht Uneinigkeit hinsichtlich einiger Fragen aus dem Grenzbereich zwischen Kapitalerhaltung und Jahresabschlußrechnung 18 .
17 M a a n b l a d D e N V , aflevering van januari 1 9 9 0 , 1 - 6 3 , ü b e r K o n z e r n s t r u k t u r e n ,
mit
D. A. M. Meeles, M.J. G. C . Raaijmakers, H. Langman, L. Timmerman, H.J. M. N. Honee, W.C.L. van der Grinten, J. C. K. W. Bartel, D.Juch, C. B. Bavinck, H. G. M. Dijstelbloem und C. van Raad. Beiträgen von
18 H.BECKMAN, H a n d e l s r e c h t e l i j k e waarderings en- en resultaatsbepalingsaspecten d e e l n e m i n g e n , in B e d r i j f s e c o n o m i e en fiscale j a a r w i n s t b e p a l i n g , N I V R A N r . 5 0 , V e r l a g K l u w e r 1 9 8 9 , S. 5 3 - 7 0 ; DERS., W i s s e l w e r k i n g
van
Geschriften
kapitaalbeschermings-
Konzernrecht in den Niederlanden
179
Ungeklärt sind ferner Probleme mit Konzernverrechnungspreisen, wenn ein Interessenkonflikt zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft besteht". Nur in einigen wenigen Bereichen haben sich die Probleme ein wenig geklärt. Zu nennen sind hier vor allem die Strukturregelung, das Verhältnis zwischen dem Konzernbetriebsrat und den einzelnen Betriebsräten, die gemeinsame Jahresabschlußrechnung (alles eine Folge gesetzlicher Regelungen), die Stellung der Minderheitsaktionäre (Art.2: 11-13 BW und A n . 2 : 335-343 BW) und die Vertretung. In den Niederlanden ist - in Abweichung von der Entwicklung in Deutschland - eine Abkehr von einer sehr ausführlichen gesetzlichen Regelung des Konzernrechts zu beobachten. Ich befürworte diese Abkehr ausdrücklich, bin aber der Auffassung, daß problematische Bereiche der Kodifizierung bedürfen 20 . Diesem Wunsch ist Bartman zum Teil gefolgt, der in seiner Dissertation einen möglichen Gesetzentwurf entwickelt hat. Dabei hat er sich auf zwei Aspekte beschränkt, nämlich das Weisungsrecht und die Haftung der Muttergesellschaft für Verbindlichkeiten der Tochter. Ich teile allerdings nicht seine Auffassung, daß die Muttergesellschaft eines qualifizierten Konzerns eine Risikohaftung für
recht en jaarrekeningenrecht: Aansluiting of kortsluiting, in: Kapitaalbescherming en jaarrekening, NIVRA Geschriften Nr. 48, Verlag Kluwer 1989, S. 31-79; H. BECKMAN / H . L . B R I N K / F . K R E N S / J . F . L E E U W E R I K / C . T . SCHOITWENBURG, C o n s o l i d a t i e w e t e n
jaarrekening, NIVRA Geschriften Nr. 51, Verlag Kluwer 1989; H. BECKMAN, Uitdelingsblokkade en wettelijke reserves, in Tot Vermaak van Slagter, Verlag Kluwer 1988, S. 13-28, besonders S. 27-28, Uitdelingsblokkade in groepsverhoudingen; DERS., Artikel 2: 403 (groepsregime), de instemmingsverklaring van aandeelhouders en enkele andere toepassingsvraagstukken, T W S 1990, 307-310. 19 L. TIMMERMAN ist meiner Ansicht nach in seinem oben erwähnten Artikel: De aansprakelijkheid van de moeder voor schulden van de dochter, De NV 1990, 15 zu optimistisch, wenn er annimmt, daß im allgemeinen der Gegensatz zwischen den Interessen des Konzerns und der Tochtergesellschaften nicht groß wäre. Man denke nur an die Fälle der abgenötigten Erklärung einer persönlichen Haftung (Amstelland), der Weisung, Geldmittel als zinsloses Darlehen der Muttergesellschaft zur Verfügung zu stellen (De Schelde-RSV), der Uberschreibung von Aktiva der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft, der Bestellung von Sicherheiten zugunsten der Muttergesellschaft (Osby), die Fälle, in denen die Tochtergesellschaft die Schulden der Muttergesellschaft übernimmt (Bouwfonds Limburgse Gemeenten); in diese Aufzählung gehören auch die Fälle der Verpflichtung zum Kauf zu hohen Preisen bei anderen Gesellschaften und zum Verkauf gegen zu niedrige Preise, die Fälle, in denen die Muttergesellschaft die Tochter in eine „Sterbehaussituation" führt (vgl. hierzu LUTTER, FS Werner, 1984, S. 477 ff), und sie nur dadurch in Konkurs gehen läßt und schließlich auch die Fälle, in denen zur Rettung des Konzerns die Tochter aufgeopfert wird. 20 W.J. SLAGTER, Enkele rechtsvergelijkende beschouwingen over moeder-dochterverhoudingen, preadvies voor de Nederlandse Vereniging voor Rechtsvergelijking, Nr. 40, Verlag Kluwer 1988 namentlich par. 1.4.
W . J . Slagter
180
Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft zu tragen habe und daß dies aus dem Urteil des H ö g e Raad v o m 19. Februar 1988 2 1 , abzuleiten sei 2 2 . Eine teilweise Kodifizierung des niederländischen K o n z e r n r e c h t s sollte jedenfalls einfach gestaltet sein, weil vereinzelt
auf die allgemeinen
Regeln
des
Schuldrechts und des Rechts der juristischen Personen zurückgegriffen werden kann 2 3 .
IV. 1. W i e Van
Achterberg
Das
Weisungsrecht
und Bartman
erachte ich das Weisungsrecht
als
notwendig für das Bestehen und gute Funktionieren eines K o n z e r n s 2 4 . Dagegen lehnt Timmerman
ein solches W e i s u n g s r e c h t der Muttergesellschaft
ab. Die Verhältnisse innerhalb eines K o n z e r n s lassen sich nach
Timmerman
nicht durch eine Befehlsstruktur kennzeichnen. W e n n dies der G r u n d ist, daß
21 NJ 1988, 487, in der Sache Albada Jelgersma II. 22 Siehe dazu meine Rezension der Dissertationen von Van Achterberg und Bartman in R. M. Themis 1991, S. 46-54. Ich schließe mich insoweit der Erörterung von
L . TIMMERMAN,
De
NV
1990,
16
an.
Auch
R.VAN
ROOIJ,
De
moeder,
de
dochter, het concern en de calamiteit, bundel Aansprakelijkheden, aaO (Fn. 11), S. 177-195, besonders S. 193, bestreitet, daß die Muttergesellschaft eine Art Risikohaftung trägt. 23 Vgl. W. WESTBROEK, Zijn wettelijke bepalingen gewenst in verband met concernverhoudingen, Preadvies Vereeniging „Handelsrecht", 1969, Verlag Tjeenk Willink, Z w o l l e ; M . J . G . C . RAAIJMAKERS, D e N V 1 9 9 0 , 3 ; L . TIMMERMAN, D e N V 1990, 16
und 19. 24 M. P. VAN ACHTERBERG, De juridische definitie van het economisch verschijnsel concern in het ondernemingsrecht, diss. VU, Verlag Kluwer, Deventer 1989, kommt zu folgender Definition: „Ein Konzern - oder eine Gruppe - ist eine ökonomische Einheit, in der juristische Personen und Gesellschaften zum Zwecke der Verfolgung einer gemeinsamen Strategie und der Koordinierung ihrer Interessen organisatorisch verbunden sind. Die organisatorisch verbundenen juristischen Personen und Handelsgesellschaften sind Gruppengesellschaften. Hinsichtlich der juristischen Personen und Handelsgesellschaften, die Tochtergesellschaften sind, wird widerleglich vermutet, daß sie Gruppengesellschaften sind." Auch S. M. BARTMAN, Concernbeleid en aansprakelijkheid, Ausgabe Nr. 6 des Instituts für Unternehmensrecht der Reichsuniversität Groningen, diss. Utrecht, Verlag Kluwer 1989, S. 107-120, begründet seine Erörterung (auf der Mutter einer qualifizierten Konzerns ruht eine Risikohaftung) mit dem Weisungsrecht. Siehe auch die übrigen Autoren, die ein Weisungsrecht mehr oder minder anerkennen, L. TIMMERMAN, Maandblad De N V 1990, 14 Fn. 5. Zum ganzen Thema sehr lehrreich H . J . C . VAN GEEL, Instructiebevoegdheid in concernverhoudingen, AA 39 (1990), 267-274 oder in A. G. VAN SOLINGE, Instructiebevoegdheid in concernverhoudingen, Sammlung Goed en trouw (Van der Grinten), S. 255-266.
Konzernrecht in den Niederlanden
181
Timmerman sich gegen ein Weisungsrecht wendet 25 , dann liegt vielleicht nur ein Mißverständnis vor und unsere Auffassungen bedürfen nur einer genaueren Auslegung. Das Weisungsrecht (die gemeinschaftliche Führung) gehört meines Erachtens zum Begriff des Konzerns, wie das Autoritätsverhältnis zur Erklärung des Dienstvertrages (Art. 1637 a BW: „in dienst van de andere partij") notwendig ist. Allerdings ist in der modernen Personalführung nirgends von einer straffen Befehlsstruktur die Rede, obwohl die Unterschiede in der Betriebsführung und dem Führungsstil der Direktoren groß sind. In beiden Fällen, sowohl im Konzern als auch in einem Dienstverhältnis, werden einem anderen Anweisungen in der Form einer Bitte, eines Rates oder einer Empfehlung erteilt. Die freundliche Verpackung verdeckt den juristischen Inhalt: Der Bitte muß nachgekommen werden, es sei denn, dem anderen kann klar gemacht werden, daß man der Bitte nicht nachkommen kann oder daß sie nicht im Interesse des Bittenden liegt; kann kein Grund dafür genannt werden, warum der Bitte nicht entsprochen wurde, dann sind aus dieser Weigerung Konsequenzen zu ziehen. Letzteres kommt selten vor. Aus diesem Grund bleibt die freundliche Verpackung auch innerhalb eines Konzerns durchgehend bestehen. Hat sich Timmerman, der jahrelang in einem Konzern gearbeitet hat, vielleicht durch die freundliche Verpackung in die Irre führen lassen? Soll es in diesem Zusammenhang keinen Unterschied machen, ob man in einem Stab oder hierarchisch strukturiert arbeitet? Auch der zweite Grund Timmermans kann in Frage gestellt werden. Ein Weisungsrecht der Muttergesellschaft bedeutet einen Eingriff in das Recht auf eigenverantwortliche Geschäftsführung der Tochtergesellschaft. Diese Eigenverantwortlichkeit, die zusätzlich durch die erschwerte Geschäftsführerhaftung aus Art. 2: 138/248 BW verstärkt wird, ist auch von der Rechtsprechung anerkannt 26 . 2. Die Eigenverantwortlichkeit des Geschäftsführers erkenne auch ich an. Will die Konzernführung hiervon abweichen, sollte sie nicht eine zusätzliche Gesellschaft gründen, sondern sich mit Zweigstellen und Filialen begnügen, die von unterwiesenen „Direktoren" oder Filialleitern geführt werden. D e m Weisungsrecht der Muttergesellschaft sind Grenzen gesetzt. In meinem Gutachten 2 7 zähle ich sechs mögliche Beschränkungen auf, deren erste - die Muttergesellschaft muß sich auf allgemeine Weisungen aus dem wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Bereich beschränken und darf keine konkreten Weisungen erteilen - ich für unzutreffend halte. Das Weisungsrecht findet seine 25 Ähnlich F . J . W . LOEWENSTEIJN, H e t uur der waarheid, L i d 7 van artikel 138 (248) B o e k 2 B W en de zelfstandigheid van het bestuur van d e dochtermaatschappij, in T o t vermaak van Slagter, Verlag Kluwer 1988, S. 127-145, der der A u f f a s s u n g ist, daß eine Anteilseignerversammlung dem Vorstand keine Weisungen erteilen kann. 26 L . TIMMERMAN, D e N V 1990, 15, verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf ein Urteil des Gerichtshofs im A m s t e r d a m ( O K ) v o m 23. Juni 1985, N J 1985, 471 (Hyster) mit Besprechung von J. M . M .
MAEIJER.
2 7 V g l . SLAGTER, a a O (Fn. 20), S. 92.
182
W . J . Slagter
Begrenzung in der eigenverantwortlichen Geschäftsführung der Tochtergesellschaft. Will die Muttergesellschaft dies nicht akzeptieren, dann muß der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft beizeiten durch einen der Muttergesellschaft ersetzt werden. Diese Situation tritt vor allem in den oben 2 8 genannten Fällen auf. Normalerweise entsteht ein solches Dilemma nicht. Die Tochtergesellschaft, die satzungsgemäß das Konzerninteresse zu wahren hat, muß ein Entgegenkommen zeigen, das einem Geschäftsführer einer selbständigen Handelsgesellschaft fremd ist. Nochmals: Es gibt große Unterschiede zwischen Konzernen. Es gibt solche, bei denen der Geschäftsführer der Muttergesellschaft im wesendichen auch der faktische Geschäftsführer der Tochtergesellschaft im Sinne des Art. 2: 138/248 BW ist. Darüber hinaus gibt es Konzerne, bei denen die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft nur aus der Ferne führt. Überspitzt läßt sich sagen: J e mehr das Weisungsrecht reglementiert wird - u. a. durch die Anti-Mißbrauchs-Gesetzgebung, das Kapitalerhaltungsrecht und das Recht der Jahresabschlußrechnung 29 - desto eher ist das Weisungsrecht zu akzeptieren. 3. Die Frage, ob es eine Verbindung zwischen dem Weisungsrecht der Muttergesellschaft und einer Haftung für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft geben soll, wird in den Niederlanden unterschiedlich beantwortet. Bartman, der durch die deutsche Rechtsprechung beeinflußt ist 30 , hat die Auffassung vertreten, daß die Muttergesellschaft in einem qualifizierten Konzern zwar ein Weisungsrecht hat, gleichzeitig aber für alle Schulden der Tochter haftet. Diese Meinung hat in den Niederlanden wenig Anklang gefunden. Man nimmt nur dann eine Haftung der Muttergesellschaft für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft an, wenn diese durch falsche Weisungen der Muttergesellschaft verursacht wurden. Dabei ist insbesondere an Weisungen zu denken, aufgrund derer Gelder ohne Rechtsgrund oder ohne ausreichende Deckung von der Tochter- an die Muttergesellschaft gegeben werden oder aufgrund derer die Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft vorgespiegelt wird. Schließlich ist auch an Weisungen zu denken, die der Tochter eine persönliche Haftung für Schulden der Muttergesellschaft auferlegen, die die Tochtergesellschaft abstrakt gefährden. Für Schulden der Tochter haftet zunächst die Muttergesellschaft, wenn im Rahmen einer gemeinsamen Jahresabschlußrechnung eine verminderte Einrichtungspflicht der Tochter und einer Freistellung von der Pflicht zur Veröffentli28 Vgl. hierzu Fn. 19. 29 So zu Recht M . J . G . C . RAAIJMAKERS, D e N V 1990, 8. Siehe auch H.LANGMAN, D e N V 1990, 12, der auf die Reserve bei Nichtausschüttung des Gewinns der Tochtergesellschaft hinweist. Anders als Langman erachte ich diese vielen, gesetzlichen Regelungen als notwendig, um eine doppelte Verwendung des Gewinns der Tochtergesellschaft zu vermeiden. 30 Namentlich die Autokran-Entscheidung des B G H vom 16. September 1985, Die A G 1986, 15 ff und die Tiefbau-Entscheidung des B G H vom 20. Februar 1989, Die A G 1989, 243 ff.
Konzernrecht in den Niederlanden
183
chung der Jahresabschlußbilanz der Tochter eine Erklärung der persönlichen Haftung der Mutter im Handelsregister eingetragen werden muß (Art. 2: 403 BW). Als Folge des dritten Anti-Mißbrauch-Gesetzes ist es möglich, die Muttergesellschaft aufgrund ihrer engen Beziehung zur Tochter als ihren faktischen Geschäftsführer zu behandeln. Dazu muß die Muttergesellschaft die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft bestimmt haben oder so aufgetreten sein, als wäre sie ihr Geschäftsführer. Eine Haftung des faktischen Geschäftsführers wird dann angenommen, wenn der Konkurs der Tochtergesellschaft die Folge der wissentlich schädigenden Geschäftsführung durch die Muttergesellschaft ist ( A n . 2: 138/248 BW). Daß in diesen Fällen die Muttergesellschaft für die Schulden der Tochter haftet, wird auch von Timmerman, der ein Weisungsrecht ablehnt, angenommen.
V.
Konzernhaftung
1. Die Konzernhaftung ist der Anti-Mißbrauchs-Gesetzgebung und Art. 1401 BW (unerlaubte Handlung) zu entnehmen. Wenn die Muttergesellschaft der Tochter eine Weisung erteilt, die diese schädigt, kann man von einer unerlaubten Handlung sprechen. Die Muttergesellschaft haftet in diesen Fällen für den aufgrund der Weisung entstandenen Schaden. Diese Haftung ist aber bei weitem beschränkter als die von Bartman vorgeschlagene Risikohaftung. Eine umfassende Haftung für alle Schäden entsteht immer dann, wenn der Art. 2: 138/248 BW zur Anwendung kommt; in diesem Fall muß der faktische Geschäftsführer für das gesamte Defizit im Konkurs einstehen. In der Tat bedeutet dies (nach Abzug der Vorteile) eine Haftung für alle Schulden. 2. Die Muttergesellschaft ist aber nicht per se faktischer Geschäftsführer der Tochtergesellschaft. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine personelle Einheit zwischen dem Geschäftsführer (nicht: Mitglied des Aufsichtsrates) der Mutterund dem der Tochtergesellschaft besteht 31 . Scheint sich meine Auffassung über den U m w e g des Art. 2: 138/248 BW vom Ergebnis her mit der Bartmans weitgehend zu decken, so gibt es dennoch drei Unterschiede: Zum einen begründet Bartman die Haftung der Muttergesellschaft mit dem Weisungsrecht, während ich mich auf die wissentlich schädigende Leitung der Muttergesellschaft stütze. Wenn die Muttergesellschaft wegen wissentlich schlechter Geschäftsführung als faktischer Geschäftsführer aus Art. 2: 138/248 BW haftet, fehlt es ja gerade an der Weisungsbefugnis. Zu den Grenzen der Weisungsbefugnis gehört doch, daß eine Weisung, die zu einer Schädigung der Tochtergesellschaft führen würde, vom Geschäftsführer der Muttergesell31 S o auch L . TIMMERMAN, D e N V 1990, 18. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer der Muttergesellschaft den Geschäftsführern und anderen Funktionären der Tochtergesellschaft gewöhnlich detaillierte Weisungen erteilt.
184
W.J. Slagter
schaft nicht erlassen und vom Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nicht befolgt werden darf. Aus diesem Grunde darf eine solche Weisung nicht erfolgen 32 . Folgt ihr der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft dennoch, so macht er sich der wissentlich falschen Geschäftsführung schuldig und hat dafür zu haften. Dies ist die Konsequenz der eigenverantwortlichen Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft. Eine Exkulpation des Geschäftsführers der Tochtergesellschaft sollte nur dann möglich sein, wenn nicht zu erkennen war, daß die Weisung der Muttergesellschaft a) unbefugterweise erteilt wurde oder b) es sich um eine wissendich falsche Geschäftsführung handelte. Zweitens gehe ich von der unbeschränkten Haftung des Geschäftsführers der Muttergesellschaft nur dann aus, wenn anzunehmen ist, daß durch wissentlich falsche Geschäftsführung die Tochtergesellschaft in Konkurs gefallen ist. Bartmatt nimmt demgegenüber auch ohne wissentlich falsche Geschäftsführung und ohne Konkurs eine umfassende Haftung an. Drittens führt die Konstruktion Bartmans zur umfassenden Haftung der Muttergesellschaft und die Anwendung von Art. 2: 138/248 BW zu einer zusätzlichen persönlichen Haftung des Geschäftsführers der Muttergesellschaft. Wird die Haftung auf Art. 6: 162 BW gestützt, soll diese in aller Regel nicht auf dem Geschäftsführer persönlich ruhen, sondern auf der Muttergesellschaft. Sie ist auf den Schaden begrenzt, den ein Gläubiger durch die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft erleidet. Die Muttergesellschaft, die den Anschein der Zahlungsfähigkeit erweckt hat, hat demgegenüber für den Schaden einzustehen, der durch ihre Entnahmen aus der Gesellschaftskasse der Tochtergesellschaft entstanden ist, sei es unter Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften oder durch die Kenntnis des drohenden Konkurses der Tochtergesellschaft 33 .
VI. Der Konzern als Rechtsperson 1. Mein Plädoyer für eine Kodifizierung bestimmter Teile des Konzernrechts ist auch Folge meines Vorschlags, den Konzern (die Gruppe aus Art. 2: 24 b, auf die Art. 2: 405-406 BW Anwendung findet) nicht allein als eine wirtschaftliche,
32 Grundlegend anders: S.M. BARTMAN, aaO (Fn. 13), S. 122-124 und S. 152. 33 Die Vorkenntnis besteht, ungeachtet der Veröffentlichung der Jahresabschlußbilanz, zum einen, weil sie viel später erstellt wird als die Tatsachen vorliegen, aus denen die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann; zum anderen, weil aus der Jahresabschlußbilanz nicht immer deutlich erkennbar ist, auf welche Aktiva, für welche Forderungen und zugunsten welcher Schuldner Sicherheiten bestehen. Die Unterstellung, von der L.TIMMERMAN, in: De NV 1990, 16, 17, ausgeht, muß nicht immer richtig sein.
Konzernrecht in den Niederlanden
185
sondern auch als eine juristische Einheit anzusehen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf mein oben 54 genanntes Gutachten von 1988 verweisen. Dieser Vorschlag hat bislang wenig Anklang gefunden. Langman}> verweist auf die „Kommission für Handelsgesellschaftsrecht", die im Gutachten die Frage, ob Kreuzverbindungen in Konzernverbänden verboten werden sollten, verneint hat, und führt u. a. aus: „Der Konzern ist nicht nur wirtschaftlich eine Einheit, sondern wird auch rechtlich mehr und mehr als Einheit angesehen." Hierzu ergänzt Langman: „Ich begrüße diese Feststellung. Sollte die juristische Einheit des Konzerns rechtlich nicht anerkannt werden, würde man sich zu weit von der gesellschaftsrechtlichen Realität entfernen." 2. Die Stellung des Konzerns als juristische Einheit und damit als Rechtsperson habe ich befürwortet, weil sich die juristische Form der wirtschaftlichen Realität anpassen muß, aber auch, weil mit der Anerkennung als Rechtsperson einige begrüßenswerte (dogmatische) Vorteile verbunden sind. Als eine dieser Konsequenzen sollten die Beziehungen zwischen der Muttergesellschaft zu ihren Töchtern durch Mitgliedschaftsverhältnisse bestimmt werden, deren Intensität unterschiedlich sein kann. An diesen könnte man dann erkennen, ob es sich um einen zentralisierten, qualifizierten oder einen eher dezentralisierten Konzern handelt. Aus dem Mitgliedschaftsverhältnis würde des weiteren ein Weisungsrecht der Geschäftsleitung der Muttergesellschaft gegenüber der Tochter fließen. Damit könnte die realitätsfremde Konstruktion verlassen werden, daß die Muttergesellschaft Weisungen nur über eine fiktive Gesellschafterversammlung erteilen könne (denn meistens ist die Muttergesellschaft der einzige Anteilseigner der Tochtergesellschaft). Darüber hinaus könnten Weisungen auf anderen Wegen erfolgen, nämlich nicht nur von Geschäftsführer zu Geschäftsführer, sondern auch von Gruppenmanager zu lokalem Manager. Die Weisungen sollten wegen der zunehmenden Automatisierung und dem computergesteuerten Management einerseits und der verstärkten Dezentralisation und Eigenverantwortlichkeit jeder Tochtergesellschaft andererseits eher auf die Tagesprobleme eingehen, wie z. B. auf die Produktion einzelner Abteilungen oder auf die Finanzverwaltung (zentrale Kassenverwaltung). Sie sollten nicht die allgemeinen Richtlinien der Geschäftsführung bestimmen. 3. Innerhalb eines Konzerns als einer juristischen Einheit und damit einer Rechtsperson sollten die Verhältnisse zwischen den Gruppengesellschaften nicht allein durch Anteilsbesitz, Satzungsbestimmungen (Konzernklausel) und ver-
34 Vgl. hierzu SLAGTER, a a O ( F n . 2 0 ) .
35 H. LANGMAN, Vermogensbescherming in concernverhoudingen, Maandblad De N V 1990, 9 - 1 3 , insbesondere 13.
186
W . J . Slagter
tragliche Regelungen (Zusammenarbeit, Finanzierung, Kosten, zentrale Kassenverwaltung usw.) 3 6 , sondern auch durch Mitgliedschaftsverhältnisse bestimmt werden. Von einem Mitgliedschaftsverhältnis spricht man, wenn die Beziehungen zwischen zwei Rechtssubjekten nicht oder nicht ausschließlich durch einen Vertrag, sondern durch eine mit qualifizierter Mehrheit beschlossene Satzungsbestimmung bindend festgestellt werden. Eine solche Bestimmung kann so ausgestaltet werden, daß auch Abwesende und diejenigen, die dagegen gestimmt haben, an sie gebunden sind. Derartige Mitgliedschaftsverhältnisse kommen nicht nur bei Vereinigungen vor, sondern spielen auch im gesamten Rechtspersonenrecht eine Rolle. 4. Zu den heute bekannten fünf juristischen Personen des Privatrechts: A G , G m b H , Verein, eingetragene Genossenschaft und Stiftung, sollte eine sechste hinzukommen, nämlich der Konzern. Der Konzern hat eine Geschäftsführung (nicht nur als Holding); er hat eine Satzung, die die Festigkeit oder Zentralisierung oder die Entflechtung und Dezentralisierung näher regeln kann; die Mitgliedschaftsbeziehungen zwischen den „Mitgliedern" (Gruppengesellschaften) des Konzerns können vertikaler, aber auch horizontaler Art sein; eine Matrix-Organisation, die jetzt der juristischen Struktur nicht entspricht, sollte damit parallel einhergehen können. Die Tatsache, daß der Konzern eine juristische Person sein soll, hat keinen Einfluß auf die Frage der Haftung der Muttergesellschaft für Schulden der Tochter 3 7 . Sie ist vielmehr von Bedeutung für das Weisungsrecht und für die Stellung
36 Neben der vertraglichen Regelung muß man auch an einseitige Rechtshandlungen denken, so z. B. an den umgekehrten Fall, daß nicht die Muttergesellschaft für Schulden der Tochter haftbar ist, sondern daß die Tochtergesellschaft persönlich haftbar gemacht werden kann für die Schulden der Muttergesellschaft. Siehe hierzu W. C . L . VAN DER GRINTEN, Aansprakelijkheid van onderhorige groepsmaatschappijen voor schulden van andere groepsmaatschappijen, D e N V 1990, 24-27. 37 Diese Konstruktion kann für die Anwendbarkeit der actio Pauliana von Bedeutung sein - und dadurch indirekt die Stellung der Gläubiger einer Gruppengesellschaft gegenüber dem Konzern stärken. N a c h heutigem Recht bietet Art. 3: 45-46 BW für einen Gläubiger nicht die Möglichkeit, sich auf die relative Nichtigkeit der Rechtshandlung eines anderen zu berufen, dessen Gläubiger er nicht ist (Gericht s'Gravenhage, 22. Februar 1985, N J 1987, 77). In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob ein Gläubiger der Holding die actio Pauliana gegen die Versicherung der persönlichen Haftung anwenden kann, die durch eine Tochter von Borkalis abgegeben worden war. Im übrigen kann man darüber streiten, ob es sich um eine freiwillige Rechtshandlung handelt, wenn eine Bank nur dann zur Fortsetzung eines Kredits des Konzerns (der Holding oder einer damit verknüpften Finanzierungsgesellschaft) bereit ist, wenn die Töchter die persönliche Haftung übernehmen. Siehe hierzu W. C . L. VAN DER GRINTEN, D e N V 1990, 26.
Konzernrecht in den Niederlanden
187
der Minderheitsanteilseigner und Arbeitnehmer, vielleicht auch für das internationale Privatrecht 3 8 und der internationalen Gerichtsbarkeit 3 9 . 5. Was die Stellung des Minderheitsanteilseigners anbelangt, kann m a n sich eine K o m b i n a t i o n
zwischen d e m Dreieckstausch
beim juristischen
Zusam-
menschluß ( A n . 2: 334 B W ) und der Abfindungsregelung vorstellen. D a s könnte z. B. beinhalten, daß die Anteilseigner, die z u s a m m e n weniger als 5 %
der
Anteile besitzen, mit Bargeld abgefunden werden könnten (Art. 2: 92 a / 2 0 1 a B W ) . Anteilseigner, die z u s a m m e n z . B . weniger als 1 0 % besitzen, könnten g e z w u n g e n werden, ihre Anteile an einer Tochtergesellschaft gegen Anteile der Muttergesellschaft zu tauschen. N u r die Art ihres Mitgliedschaftsverhältnisses sollte dadurch eine Ä n d e r u n g erfahren. D i e nützliche A n w e n d u n g des A n . 2: 234 B W ist heute auf juristische Zusammenschlüsse beschränkt; eine Rechtsfigur, von der nur noch sehr selten G e b r a u c h gemacht wird 4 0 . 6. Sie w ü r d e bei U m s e t z u n g dieses Vorschlages wieder einen breiten A n w e n dungsbereich
erhalten. D i e Stellung der Arbeitnehmer
w ü r d e durch
diese
Rechtsfigur darüber hinaus verstärkt. Was der E n t w u r f der „Vredeling Richtlijn" nicht erreichen k o n n t e - „qui trap embrasse mal étreint" - erhält einen Rechtsg r u n d , wenn man den K o n z e r n als juristische Person anerkennt; der K o n z e r n b e 38 Z. B. hinsichtlich der Frage, welches Recht auf die Rechtsverhältnisse zwischen der Muttergesellschaft und ihren Töchtern und zwischen den Gruppengesellschaften untereinander anwendbar ist. Siehe hierzu Centre d'études juridiques européennes, Genf, Ausgabe 14, Colloque international sur le droit international privé des groupes de sociétés, Ausgabe Genf 1973, mit Beiträgen von Lalive, Vischer, Goldman, Koppensteiner, Knapp, Mann, Schluep, Van Ommeslaghe, Dabin, Bär, Houin, Rehbinder und Loussouam. Siehe insbesondere auch zum Verhältnis der Minderheitsanteilseigner und Gläubiger des Konzerns die Beiträge von VAN OMMESLAGHE, S. 54 ff und REHBINDER, S. 1 2 6 ff. 39 Vgl. E u G H vom 9. Dezember 1987 in Sachen SAR Schotte GmbH X Parfums Rothschild Sari, T W S 1989, 182-183 mit der Anmerkung von P. VLAS. Der E u G H hat in diesem Urteil für Recht erkannt: „Art. 5 Abs. 5 EG-Vertrag muß so ausgelegt werden, daß er auf den Fall anwendbar ist, in dem eine in einem Vertragsstaat gegründete juristische Person in einem anderen Vertragsstaat zwar keine unselbständige Filiale, Agentur oder andere Niederlassung hat, aber Aktivitäten einer selbständigen Handelsgesellschaft mit demselben Namen und derselben Leitung entfaltet, die in ihrem Namen handelt und derer sie sich als verlängerter Arm bedient." P. Vlas hat dieses Urteil zu Recht einer kritischen Anmerkung unterzogen, die wie folgt endet: „Das Urteil Schotte gegen Rothschild kann als Schritt in Richtung eines Europäischen Konzernrechts angesehen werden. Auf der Ebene der Zuständigkeitsregelung des EG-Vertrages kann dieser Schritt aber nicht behagen. Zuerst sollte über die gesellschaftsrechtlichen Ausgangspunkte eines derartigen Konzernrechts Übereinstimmung bestehen. Der EG-Vertrag sollte für das Konzernrecht nicht zum Versuchsfeld werden!" Dem füge ich hinzu, daß wenn schon die Tochtergesellschaft nicht als ein verlängerter Arm der Muttergesellschaft und diese nicht als ein solcher der Tochter angesehen werden darf, die Muttergesellschaft ebensowenig als Vertreter der Tochter angesehen werden muß, und umgekehrt. 40 R. W. TH. NORBRUIS, Het failliet van de juridische fusie als overnemingsinstrument, T W S
1991, 2 9 - 3 4 .
W.J. Slagter
188
triebsrat hat nicht nur Befugnisse, die von den Betriebsräten der Konzerngesellschaften abgeleitet sind, sondern auch eigene. Sie wird nicht mit der Holding der (niederländischen) Subholding verknüpft, sondern mit dem Konzern oder dem (niederländischen)
Teilkonzern.
Unter
besonderen
Umständen
kann
ein
Beschluß der Muttergesellschaft der T o c h t e r zugerechnet werden, so daß bei einem
Anspruch
aus
A n . 26
WOR
die
OR
der
Tochtergesellschaft
der
Ansprechpartner sein kann 4 1 .
VII.
Konzerninterne
Verrechnungspreise
Z u m Schluß noch ein W o r t zu den internationalen Verrechnungspreisen. Die Preise werden formal vertraglich festgesetzt, aber in Wirklichkeit - so scheint es - nicht selten im K o n z e r n nahezu einseitig festgesetzt. Es existiert keine rechtliche Regelung, daß Verrechnungspreise unter Anwendung des „at arms length"-Grundsatzes festgesetzt werden müssen. T r o t z d e m sind viele K o n z e r n e geneigt,
die
gegenseitigen
Verrechnungspreise
marktkonform
festzusetzen.
D a m i t sind zwei Vorteile verbunden. J e d e Gruppengesellschaft ist dadurch in der Lage, eine richtige K o s t e n - N u t z e n - R e c h n u n g aufzustellen; die Kosten werden nicht verschleiert. Zweitens bestreitet man so die Bequemlichkeit
der
Lieferanten von Tochtergesellschaften, die ohne W e t t b e w e r b in der Lage sind, eine andere Tochtergesellschaft gegen zu h o h e Preise zu beliefern. Sollte eine Gruppengesellschaft außerhalb des K o n z e r n s einen billigen Lieferanten finden, so muß es auch im Interesse des gesamten K o n z e r n s liegen, daß dann statt teuer innerhalb billig außerhalb des K o n z e r n s bestellt oder eingekauft wird. T r o t z d e m wird man häufig mit zu niedrigen oder zu hohen Verrechnungspreisen konfrontiert. W e n n die Holding eine Tochtergesellschaft damit beauftragt, bei einer anderen Gruppengesellschaft gegen einen zu hohen Preis einzukaufen und gegen einen zu niedrigen Preis an eine andere Gruppengesellschaft zu verkaufen 4 2 , dann kann der K o n z e r n formal dazu berechtigt sein, die scheinbar Verluste machende T o c h t e r zu liquidieren, o b w o h l sie künstlich in die roten Zahlen gebracht wurde. G i b t es deshalb eine Möglichkeit, Verrechnungspreise juristisch zu überprüfen? Allein die Tatsache, daß die Muttergesellschaft eine T o c h t e r damit beauftragt, einen bestimmten für sie nachteiligen Vertrag mit 41 O K 2. Februar 1987, TVSS 1987, 155-156 mit Anmerkung M. G. R. 42 O K 22. Oktober 1981 in Sachen Ford Niederlande, T W S 1981, 294-295 und 1982, 42—43, Rechtspraak Medezeggenschapsrecht, unter der Redaktion von B. Geersing und P. F. van der Heijden, 1981-1982, Nr. 82; O K 7. Januar 1988 und 7. Dezember 1989 in Sachen Bredero, T W S 1988, 311-313 und 1990, 98-102 beide mit Anmerkung W.J.S. weder in der Ford-Sache noch in der Bredero-Sache hat das O K aber zur Feststellung der mangelhaften Geschäftsführung den nicht marktkonformen Verrechnungspreisen Bedeutung zugemessen.
Konzernrecht in den Niederlanden
189
nachteiligen Verrechnungspreisen abzuschließen, ist wahrscheinlich nicht ausreichend, um die Nichtigkeit des Vertrages wegen einer Bedrohung anzunehmen. Hierbei wurde bewußt außer acht gelassen, daß keine der beiden Vertragsparteien ein Interesse daran hat oder in der Lage ist, eine solche Forderung zu stellen. Muß der Betriebsrat also warten, bis als Folge jahrelanger Erfüllung von Verträgen mit unrichtigen Verrechnungspreisen die Tochtergesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist und kurz vor dem Konkurs noch eine Untersuchung in Auftrag gibt? Sollte man hier nicht viel eher eingreifen? Der Betriebsrat könnte z. B., wenn Art. 2: 7 BW im Rahmen der Anerkennung von Mitgliedschaftsverhältnissen zwischen Gruppengesellschaften zur Beachtung von Redlichkeit und Billigkeit untereinander zwingt, zu dem Schluß kommen, daß die vertragliche Verpflichtung zu unkorrekten Verrechnungspreisen diese Grundsätze verletzt.
VIII. Rechtsprechung zum
Konzemrecht
Es sei zunächst darauf hingewiesen, daß ein umfassender Uberblick über die niederländische Rechtsprechung zum Konzernrecht dem jüngst erschienenen Buch von van den Ingh und Timmerman4} entnommen werden kann. Die drei nachfolgenden Entscheidungen haben in den Niederlanden besonders große Beachtung gefunden: 1. Höge Raad vom 7. Juli 1982, N J 1982, 35 ( T W S 1982, S.231): - Entscheidung der Unternehmenskammer: Die Geschäftsleitung von Enka Breda hatte dem Konzernbetriebsrat das Fortbestehen der Spinnerei-Abteilung in Breda unter der Bedingung zugesichert, daß sich die Situation auf dem Absatzmarkt so entwickelte, daß Enka sich auf dem Sektor Polyestergarne behaupten könne. Nach dieser Zusage konnte die Geschäftsleitung von Enka Breda unter Abwägung aller betroffenen Belange redlicherweise nur zu dem umstrittenen Beschluß kommen, daß Enka, soweit ernsthafte Umstände dies erforderten, sich nach Treu und Glauben nicht nach dem zu richten hätte, was ihre Abteilung in Breda für die Zukunft an Erwartungen geweckt hatte. Solche Umstände waren nicht ersichtlich. Obwohl Enka bereits seit Jahren schwere Verluste im Bereich der synthetischen Garne und Fasern hinzunehmen hatte, sei es unwahrscheinlich, daß ihre augenblickliche und zukünftige finanzielle Situation gut ein halbes Jahr nach der Zusage so schlecht gewesen sei, daß dies eine Anweisung der Geschäftsleitung gerechtfertigt hätte, die Spinnerei-Abteilung zu schließen. - Der Höge Raad entschied demgegenüber: Die Unternehmenskammer habe einen falschen Prüfungsmaßstab gewählt. Es habe einer Interessenabwägung bedurft, ob Enka bei Berücksichtigung der durch 43 Jurisprudentie concernrecht met annotaties, aaO (Fn. 5).
190
W.J. Slagter
die frühere Zusicherung vorhandenen Interessen des Personals in Breda einerseits und sonstiger betroffener Interessen andererseits, wie z. B. der Kontinuität des Gesamtunternehmens (des Konzerns Akzo, zu dem Enka gehört) und damit der Interessen des übrigen Personals, redlicherweise den streitigen Beschluß hätte fassen dürfen. 2. Höge Raad vom 25. September 1991, NJ 1982, 443: - Wenn eine Muttergesellschaft alle Anteile einer Tochtergesellschaft hält und ihr Kredit gewährt, wobei gegenwärtige und zukünftige Aktiva der Tochter vollständig oder nahezu vollständig an sie so zur Sicherheit übertragen werden, mit der Folge, daß die Tochter neuen Gläubigern, die ihr nach der Sicherungsübereignung Kredit gewähren, praktisch keine Rückgriffsmöglichkeit mehr bietet, kann dies als unerlaubte Handlung der Muttergesellschaft gegenüber den Neugläubigern gewertet werden, wenn sie es unterläßt, sich der Belange der neuen Gläubiger anzunehmen. - Namentlich ist dies der Fall, wenn die Mutter einen solch starken Einfluß auf den Kurs der Geschäftsführung der Tochter hat, daß sie im Hinblick auf den Umfang ihrer Forderung und der Sicherungsübertragung und den sonstigen Geschäften der Tochter (...) von den genannten Schwierigkeiten wußte. In diesen Fällen ist es die Verpflichtung der Muttergesellschaft Vorkehrungen zu treffen, um neue Gläubiger nicht durch mangelnde Rückgriffsmöglichkeiten zu benachteiligen. 3. Gerichtshof Amsterdam (Unternehmenskammer) vom 23. Juni 1983, NJ 1984, 571: - Im Verhältnis zwischen einer Mutter- und einer Tochtergesellschaft, so wie es im zu entscheidenden Fall zwischen der in den USA ansässigen Hyster Company und der in den Niederlanden beheimateten Hyster B. V. besteht, kann die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft Richtlinien und Anweisungen erteilen, denen sich die Tochtergesellschaft durch ihre Abhängigkeit von der Mutter im allgemeinen zu unterwerfen hat. Dies berührt allerdings nicht die eigenen Rechte und Pflichten der Tochtergesellschaft nach niederländischem Recht. - Es muß bezweifelt werden, ob die Hyster B. V. unter Wahrung ihrer eigenen Verantwortlichkeit gehandelt hat. Dies gilt namentlich hinsichtlich der statutarisch verankerten Pflicht, bei Schließung einer Unternehmensabteilung und/oder einer in den Personalbestand eingreifenden Maßnahme, wie sie hier in Rede steht, mit den Genossenschaften Rücksprache zu nehmen. Der durch die Konzernführung getroffene und von der Direktion der Hyster B. V. übernommene Beschluß betrifft die Verringerung des Personalbestandes der Hyster B. V. von 167 auf 68 Arbeitsplätze. Es gibt demnach gute Gründe, um an einer richtigen Führung der Hyster B. V. zu zweifeln.
Konzernrecht in den Niederlanden
IX.
191
Schlußbetrachtung
W o das Vertragsrecht nicht ausreicht und auch nicht ausreichen kann, muß das K o n z e r n r e c h t der juristischen Person neue Perspektiven bieten. Auch in den k o m m e n d e n J a h r e n und in E r w a r t u n g einer neuen F a s s u n g des Vorentwurfs einer 9. E G - R i c h t l i n i e z u m Konzernrecht, stellt die Entwicklung dieses Teils des Handelsgesellschaftsrechts weiterhin eine H e r a u s f o r d e r u n g für die Juristen dar 4 4 '
45
.
44 M. LUTTER, The Law of Groups of Companies in Europe, A Challenge for Jurisprudence, Lecture for Forum Internationale, Vol. 1, Verlag Kluwer, Law and Taxation Publishers, Deventer 1983. 45 Mich erreichten gleichzeitig zwei Anfragen einen Aufsatz zum Stand des niederländischen Konzernrechts zu schreiben. Deshalb war es unvermeidlich, daß dieser Beitrag sich in großen Teilen mit meinem Festschriftbeitrag für H. Langman, De bankier als jurist, Verlag Kluwer und Deventer 1991, deckt.
Zur Entwicklung eines österreichischen Konzernrechts 1
von Professor D R . PETER DORALT, Wien
Inhaltsübersicht I. Zeitpunkt zur Konzerngesetzgebung in Österreich
192
II. Auslösende Kräfte für die Reformbemühung
194
III. Zu regelnde Sachverhalte
195
IV. Anzustrebender Regelungsumfang
196
V. Rechtstechnische Grundsatzfragen
200
VI. Konzerneingangskontrolle, konzernrechtlicher Präventivschutz 1. Der Mythos vom Vertragskonzern 2. Die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Konzerneingangskontrolle a) Grundlagenvertrag, Konzernvertrag b) Erwerb der Mehrheit c) Kapitalerhöhung d) Einführung eines gesetzlichen Wettbewerbsverbots für die Gesellschafter? e) Verdichtung der Konzernleitung zum qualifizierten Konzern VII. Minderheitsschutz bei bestehendem faktischen Konzern bei der G m b H VIII. Gläubigerschutz 1. Minderheitsgesellschafter im faktischen Konzern 2. Die Auffassungen in der wirtschaftlichen Praxis 3. Die Eumig-Entscheidung 4. H a f t u n g der Muttergesellschaft im einfachen faktischen Konzern 5. H a f t u n g gegenüber den Gläubigern im qualifizierten faktischen Konzern . . .
I. Zeitpunkt
zur Konzerngesetzgebung
in
201 202 203 204 204 208 2C8 210 217 221 221 222 223 224 226
Österreich
A u c h in O s t e r r e i c h ist die Zeit reif, das K o n z e r n r e c h t z u regeln. D a v o n sind heute die m a ß g e b l i c h e n p o l i t i s c h e n Kräfte überzeugt 2 . D i e s e U b e r z e u g u n g wird v o n der W i s s e n s c h a f t 3 u n d i m m e r m e h r auch v o n d e n Praktikern des Wirt-
1 Die Abhandlung beruht auf einem Vortrag des Verf. auf dem 10. Österreichischen Juristentag in Wien; seitherige Entwicklungen sind berücksichtigt. 2 Siehe Beilage 7 zum Koalitionsübereinkommen vom Jänner 1987; hierzu NOWOTNY, GesRZ 1987, 61, 64. 3 KASTNER, FS Broda, 1976, S. 91, 104 meinte schon 1975, daß das Konzernrecht bei der Reform des A k t G im Mittelpunkt stehen müßte.
Konzernrecht in Österreich
193
schaftslebens geteilt. Dadurch unterscheidet sich die österreichische Situation von der in vielen anderen ausländischen Staaten4. Beim Bundesministerium für Justiz war unter Vorsitz von Kastner eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nach Abschluß der Arbeiten über die Rechnungslegung (einschließlich der Konzernrechnungslegung) im Herbst 1988 die Beratungen über ein „materielles" Konzernrecht aufgenommen hatte5. Diese Arbeitsgruppe ist ausgewogen zusammengesetzt aus Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft, aber auch der zuständigen Ministerien und Sozialpartner, alle mit einschlägigen praktischen Erfahrungen. Es gehören ihr auch zwei in Osterreich tätige deutsche Professoren an, nämlich Koppensteiner*> und Roth, die mit dem deutschen Konzernrecht bestens vertraut sind, und die es der Arbeitsgruppe erleichtern, die deutschen Vorarbeiten zu nutzen. Die intensive wissenschaftliche Aufarbeitung des Konzernrechts des dAktG durch die deutsche Lehre und die wachsende Zahl deutscher Entscheidungen zum Konzernrecht werden von der österreichischen Fachwelt verfolgt. Durch die Einbeziehung dieser Erfahrungen kann Osterreich Fehler vermeiden7. Die EG-Entwicklung wird uns zwar früher oder später zur Anpassung unseres Gesellschaftsrechtes zwingen, es spricht aber trotzdem alles dafür, rasch eine eigene Lösung zu entwickeln, um die EGLösung zu beeinflussen8. In ähnlicher Weise verdienen die Vorarbeiten der EG Beachtung, Österreich sollte aber nicht die Erlassung einer Richtlinie abwarten (zur Begründung siehe unten IV.). Auch das der Regierungsbildung im Herbst 1990 zugrundeliegende Koalitionsabkommen hat ausdrücklich die Neuregelung des Konzernrechts in das Arbeitsprogramm aufgenommen. Allerdings ist damit zu rechnen, daß vorher im Anschluß an ein weitgehend fertiggestelltes steuerrechtliches Umwandlungs-
4 Vgl. z.B. die Hinweise bei LUTTER, ZGR 1987, 341. 5 Die Beratungen zum materiellen Konzernrecht wurden wegen der Endredaktion des Rechnungslegungsgesetzes (BGBl. 1990/475), das einen verbindlichen Konzernabschluß vorsieht (RdW 1989, 217ff; NOWOTNY, RdW 1990, 258ff), vorübergehend unterbrochen. Das RLG folgt weitgehend dem BiRiLiG. Der Text des RLG ist abgedruckt in W. Dorali (Hrsg.), Kodex Handelsrecht, 8. Aufl., 1990; Mohr (Hrsg.), Rechnungslegungsgesetz mit Erklärungen, 1990 (diese Ausgabe enthält auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage und den Bericht des Justizausschusses). Zum Inhalt: STEINER, Das neue Rechnungslegungsgesetz im Uberblick, ecolex 1990, 611 ff, 681 ff, 748 ff; SCHOLTISSEK, R I W 1 9 9 0 , 9 1 2 ff.
6 Die jüngsten Arbeiten KOPPENSTEINERS ZU rechtspolitischen Fragen des Konzernrechts, und zwar: Abhängige Aktiengesellschaften (eine Skizze), FS Steindorff, 1990, S. 79 ff; Unternehmensverträge de lege ferenda (eine Skizze), FS Ostheim, 1990, S. 403 ff, sind nach Abschluß dieser Arbeit erschienen. 7 KASTNER, F S B r o d a , 1 9 7 6 , S. 1 1 6 . 8 LÜTTER, Z G R
1 9 8 7 , 3 2 4 ff; H O M M E L H O F F , F S F l e c k , 1 9 8 8 , S. 1 2 5 .
Peter Dorait
194
gesetz -
auch handelsrechtliche Fragen der „Umgründungen"
neu geregelt
werden, insbesondere die Spaltung 9 .
II. Auslösende
Kräfte für die
Reformbemühung
Auch ohne eine systematische Regelung im österreichischen R e c h t gibt es aus der N a t u r der Sache konzernrechtliche Fragen, wie insbesondere die Probleme des konzernrechtlichen
Minderheiten- und Gläubigerschutzes 1 0 .
Das
früher
geringe Problembewußtsein 1 1 wurde durch eine Reihe von Anlässen gesteigert. G r o ß e Konzerninsolvenzen (Funder 1 2 , Klimatechnik 1 3 ) lassen den Ruf nach ihrer Bekämpfung laut werden. Die neue Situation im Bereich der O I A G 1 4 , die der Gesetzgeber
(ÖIAGG,
BGBl.
1986/204;
ÖIAG-FinanzierungsG
1987,
B G B l . 1987, 2 9 8 ) als Konzern definiert, ohne die Rechtsfolgen zu klären, und die Belebung des Kapitalmarktes 1 5 sind weitere Gründe für die Aktualisierung des Konzernrechts. Das wachsende Problembewußtsein ist jedoch mit unzureichenden und unsystematischen
gesetzlichen Bestimmungen
konfrontiert.
Immer
häufiger wird auch von der Praxis A n t w o r t auf eine konzernrechtliche Frage verlangt, und der Rechtsberater kann die A n t w o r t nicht mit Sicherheit geben, oder sie ist nicht stimmig und überzeugend (vgl. etwa §§ lOOf ö A k t G ) . 9 Kastner hat zwar 1990 aus Altersgründen den Vorsitz in der erwähnten Arbeitsgruppe niedergelegt, es ist aber damit zu rechnen, daß auch der neue Justizminister Dr. Michalek, der Präsident der Notariatskammer war, die Arbeitsgruppe wiederum mit den Vorarbeiten betrauen wird. 10 Vgl. die Eumig-Entscheidung, JB1. 1986, 713 und unter VI1I.3. 11 KASTNER, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 1983, S.29. 12 Vgl. profil 1982 Nr. 22, 29. 13 Vgl. profil 1981 Nr. 13 a, 15, 17. 14 Siehe dazu: Die Presse, 27.Juli 1988, 7. Die Ö I A G (Österreichische Industrieholding AG) ist die Muttergesellschaft eines Großteils der verstaatlichten Unternehmen in Osterreich; die im sog. 1. VerstaatlichungsG, BGBl. 1946/168 erfaßten Industriebeteiligungen (es wurden bewußt Beteiligungen verstaatlicht, nicht Betriebe) wurden erstmals 1956 einer Holding zunächst zur treuhändigen Verwaltung, 1970 ins Eigentum übertragen. Im Gefolge der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der 80er Jahre, insbesondere im Stahlbereich, und der 1985 erlittenen Verluste aus Rohölspekulationen der Handelstochtergesellschaften des Stahl- und Chemiebereichs, kam es mit BGBl. 1986/ 204 zur gesetzlichen Anordnung eines Konzerns. Dies bot die Basis zur branchenweisen Zusammenfassung der Unternehmen in die Hauptbereiche Voest-Alpine Stahl AG, Elektro- und Elektronik-Industrieholding AG, Maschinen- und Anlagenbau Holding AG, Ö M V AG (Teilkonzern auf dem Gebiet Mineralöl und Petrochemie, der mittlerweile zu 25 % privatisiert wurde und an der Börse notiert), Austria Metall AG (Aluminium) und Chemie Holding AG. 15 In den vergangenen Jahren kam es wieder häufiger zu Neueinführungen österreichischer Aktien an der Wiener Börse: Im Jahr 1986: 10; 1987: 4; 1988: 6; 1989: 7; 1990: 18 neue Aktiengesellschaften. Siehe dazu auch HASCHEK/WEISS/ZELNIK, Österr. BankArch., 1990, 196 ff; Swoboda/Zapotocky/Lucius (Hrsg.), Aktienemissionen, 1988.
195
K o n z e r n r e c h t in Österreich
III.
Zu regelnde
Sachverbalte
Den Überlegungen über ein zukünftiges österreichisches Konzernrecht sollte eine möglichst konkrete Vorstellung der zu regelnden Sachverhalte zugrunde liegen. Wer etwas regeln will, muß den Lebenssachverhalt kennen und sich darüber im klaren sein, was er erreichen will und wie er es erreichen will 16 . Dies gilt für die Abfassung eines Vertrages genauso wie für ein Gesetz. Wir müssen uns daher die österreichische Realität bei unseren Überlegungen immer vor Augen halten. Auf diesem Gebiet gibt es zwar kaum empirische Vorarbeiten, doch sind die Sachverhalte dem Fachmann einigermaßen vertraut. Hier mögen daher einige kurze Hinweise genügen. Die Aktiengesellschaft ist auch in Osterreich überwiegend die Rechtsform für Großunternehmen. Ihr kommt vor allem Bedeutung auf dem Gebiet des staatlichen Sektors (ÖIAG, Bankenkonzerne, Osterr. Elektrizitätswirtschafts AG, Austrian Airlines AG, Austria Tabak Werke AG, etc.), als Rechtsform für Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne (z. B. Siemens AG Osterreich, S T R A B A G [Allgem. Straßenbau AG]) und für in österreichischer privater Hand befindliche Industriebetriebe (z. B. Veitscher Magnesitwerke Actien-Gesellschaft, Osterr. Brau AG) zu. Es gibt heute in Österreich keine Publikumsaktiengesellschaft in anonymem Streubesitz, bei welcher nicht eine geschlossene Mehrheit - entweder ein Großaktionär oder ein Syndikat - vorhanden ist, weshalb die in Amerika weit verbreitete Praxis der Take-overs über die Börse in Österreich vorläufig nicht aktuell ist. Nach der letzten zuverlässigen Ermittlung (1985) betrug der Anteil von Kleinaktionären am gesamtösterreichischen Aktiennennkapital nur ca. 5 % ; der Paketbesitz österreichischer Privater und Industrieller betrug damals ungefähr 11 % 1 7 . Allerdings gab es in den letzten fünf Jahren insgesamt 45 Börsenneueinführungen. In allen Fällen blieb jedoch bisher die gesicherte Mehrheit des Großaktionärs oder eines Syndikats erhalten. Die GmbH ist die häufig gewählte Gesellschaftsform für 100%ige Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen (z.B. Österr. Philips Ind. GmbH, Renault Ind. Öst. GmbH, General Motors Austria GmbH), man findet sie aber auch in inländischen Konzernen. In jüngster Zeit ist die GmbH als Rechtsform von Tochtergesellschaften, z. B. im Bereich der Ö I A G , wegen der klaren Weisungsbefugnis und Herrschaftsmöglichkeit des Allein- bzw. Mehrheitseigentümers im Vordringen. Darüber hinaus ist sie die Rechtsform für österreichische Klein- und Mittelbetriebe, Familiengesellschaften und Familienkonzerne (z. B. Mayreder Bauholding, Plansee Metall AG mit GmbHs für die operativen
16 Vgl. auch BYDLINSKI, Methodenlehre, 1982, S. 6 1 8 ff; siehe die Einleitungsabschnitte bei K . S C H M I D T , Z G R
17 Q u e l l e :
1 9 8 1 , 4 5 6 f f u n d LÜTTER, Z G R 1 9 8 7 , 3 2 4 f f .
EDERER/GOLDMANN ( u . a . ) , Eigentumsverhältnisse
W i r t s c h a f t , 1985, S . 2 3 .
in der
österreichischen
1%
Peter Dorait
Tochtergesellschaften und für eine Familienholding). Die Zahl der GmbHs insgesamt wird in Osterreich auf ca. 6 0 0 0 0 1 8 geschätzt 19 . W o überhaupt in österreichischen Kapitalgesellschaften Minderheiten vorhanden sind, sind es nur selten Kleinanleger, die sich nur mit ihrem Kapital beteiligen. Wir finden nicht nur bei der G m b H , sondern auch bei der A G häufig Familiengesellschaften
mit dem Charakter einer Mitunternehmerschaft
der
Familienstämme oder mit wenigen Anlegergesellschaftern. Das Problem des Publikum-Kleinaktionärs nimmt also erst langsam zu. Unter Einbeziehung der Teilprivatisierung der Osterr. Elektrizitätswirtschafts A G
(„Verbundsgesell-
schaft") im Spätherbst 1988 dürfte sich jedoch das Nennkapital des an der Börse gehandelten Streubesitzes in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt haben 20 . Einen wichtigen Gesichtspunkt bildet auch die Tatsache, daß viele Konzerntochtergesellschaften ausländische Muttergesellschaften haben. Dies mag nicht nur bei der Interessenprüfung eine Rolle spielen (Bevorzugung einer „egoistischen" österreichischen Lösung versus Attraktivität für ausländische Investoren), sondern auch bei der Frage der Durchsetzbarkeit der Lösungen. Personengesellschaftskonzerne kommen in der Privatwirtschaft vor, hier besonders bei alten Unternehmen (z. B . Swarowski, ein weltweit tätiger Tiroler Konzern der Glas-, Schmuck- und Schleifmittelindustrie). Daneben entstanden konzernähnliche Phänomene bei Betriebsaufspaltungen 21 . IV. Anzustrebender
Regelungsumfang
1. D e r Regelungsumfang sollte nach meiner Meinung für AG und G m b H aus einem G u ß gelingen. Eine Teilregelung nur für die Aktiengesellschaft wie heute in Deutschland sollte vermieden werden. Dafür spricht der enge Systemzusammenhang zwischen A G und G m b H 2 2 , aber auch die generelle Zurückhaltung der österreichischen Gerichte gegenüber der Rechtsfortbildung 2 3 . Bei einer bloß 18 E i n e e x a k t e Z ä h l u n g des H G W i e n e r g a b f ü r den 1. 1 . 1 9 9 0 in W i e n 30 7 0 8 ; erfahrungsg e m ä ß e n t s p r i c h t die Z a h l d e r G r ü n d u n g e n in W i e n etwa der H ä l f t e der G e s a m t z a h l . 19 KASTNER, a a O ( F n . 11), S. 2 6 5 ; u n t e r B e r u f u n g auf eine S c h ä t z u n g der A r b e i t e r k a m mer: 35 000. 2 0 A u s k u n f t der W r . B ö r s e k a m m e r . D a s V o l u m e n des U m s a t z e s an der W i e n e r B ö r s e hat sich 1 9 8 9 ca. v e r z e h n f a c h t . V o n allen B ö r s e n d e r W e l t hatte die W i e n e r B ö r s e 1989 die g r ö ß t e I n d e x s t e i g e r u n g zu v e r z e i c h n e n . 21 Z u U r s a c h e n und R e c h t s f r a g e n siehe PLATZER, Betriebsaufspaltungen, 1984. 2 2 K . S C H M I D T , Z G R 1981, 4 7 0 - P o s t u l a t der E i n h e i t der R e c h t s o r d n u n g . 2 3 KOPPENSTEINER, E n t w i c k l u n g e n im G m b H - K o n z e r n r e c h t , Z G R Sonderheft 6, 1 9 8 6 , S . 102, m a c h t z u R e c h t auf den i m V e r g l e i c h z u deutschen G e r i c h t e n konservativen Stil der ö s t e r r e i c h i s c h e n R e c h t s p r e c h u n g auf d e m G e b i e t des Gesellschaftsrechts a u f m e r k s a m . Richterliche Rechtsfortbildung
findet z w a r auch in O s t e r r e i c h statt, die
Gerichte
b e k e n n e n sich j e d o c h n u r u n g e r n d a z u , s o n d e r n begründen im Stil der klassischen I n t e r p r e t a t i o n s l e h r e . S o hat z w a r d e r O G H k o n z e r n r e c h t l i c h bedeutende E n t s c h e i d u n gen g e t r o f f e n ( O G H J B 1 . 1 9 8 6 , 7 1 3 ; O G H G e s R Z 1984, 2 1 7 ) , dabei j e d o c h nicht das P r o b l e m d e r R e c h t s f o r t b i l d u n g reflektiert.
Konzernrecht in Österreich
197
aktienrechtlichen Regelung wäre nämlich zu befürchten, daß der OGH, anders als die deutsche Rechtsprechung, die auf diesem Gebiet mutig Rechtsfortbildung betreibt, den Analogiebeschluß nicht zieht, und dadurch die Verwerfungen und Spannungen zwischen Aktien- und GmbH-Recht noch größer würden. Man muß sich also vor Augen halten, daß unvollständige Lösungen mit bloß herausgearbeiteten Systemgesichtspunkten umso eher vertretbar sind, je mehr das Höchstgericht bereit ist, Rechtsfortbildung zu betreiben. Die Alternative, die Entwicklung des Konzernrechts in Osterreich der Rechtsfortbildung durch die Gerichte zu überlassen, wie dies in der Bundesrepublik Deutschland beim GmbH-Konzernrecht geschehen ist, scheidet aber mE auch deshalb aus, weil es in Osterreich an einem kodifizierten Konzernrecht als Analogiebasis für richterliche Rechtsfortbildung fehlt 24 . Schließlich zeigt gerade auch das deutsche Beispiel den Preis, den man für diese Methode bezahlen muß. Das Maß an Rechtsunsicherheit im GmbH-Konzernrecht war sehr groß und ist wohl noch immer beachtlich. Für eine einheitliche Regelung spricht auch die verhältnismäßig große Zahl von AGs mit einem oder wenigen Gesellschaftern, die nicht an der Börse notieren. Schließlich muß man einfach darauf hinweisen, daß bei unterschiedlicher Behandlung der einen und der anderen Gesellschaftsform die Gefahr von Fluchtbewegungen in die eine oder andere Richtung entsteht, also Umwandlung in AG oder GmbH, was immer der Wirtschaftspraxis als bequemer erscheint. Hingegen empfehle ich vorläufig, die Personengesellschaften (insbesondere GmbH & Co. KG, Betriebsaufspaltung) auszuklammern. Ganz pragmatisch ist die Personengesellschaft erst nach Abschluß der Arbeiten über die Kapitalgesellschaften zu behandeln, und dann sind auch die bis dahin wahrscheinlich in ein fortgeschrittenes Stadium getretenen EG-Bemühungen daraufhin zu prüfen, ob sie eine Revision des Konzernrechts der Kapitalgesellschaften rechtfertigen. Ebenso ist meiner Meinung nach die in Osterreich auch politisch heikle Frage 25 von Konzernelementen im genossenschaftlichen Verbund vorerst auszuklammern. Mein Vorschlag lautet daher: Erst nach Verabschiedung des Kapitalgesellschaftskonzernrechts ist die Diskussion zu den Personengesellschaften fortzusetzen und die Notwendigkeit einer Anpassung aufgrund der ersten Erfahrungen und der Entwicklungen in der EG zu diskutieren. In der EG sind zwar Vorarbeiten zu einem Konzernrecht vorhanden, nach dem derzeitigen Stand ist jedoch in nächster Zukunft nicht mit einer Richtlinie zu rechnen. Das hat meiner Meinung nach für Österreich einen Vorteil. Denn sofern Österreich der EG beitritt, wird anzunehmen sein, daß ein kleines Land 24 KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 3 ) , S . 1 0 2 ; K.SCHMIDT, Z G R 1 9 8 1 , 4 7 1 .
25 Inbesondere wegen des der SPO nahestehenden Konsum und des der OVP nahestehenden Raiffeisensektors.
198
Peter Dorait
wie Österreich keinen wesentlichen Einfluß auf den EG-Normenbildungsprozeß nehmen kann. Hier könnte es jedoch ausnahmsweise der Fall sein, daß wir Vorstellungen mit einer gewissen Beispielswirkung durchzusetzen in der Lage sind. Außer dem deutschen gibt es im EG-Raum nur in Portugal 26 ein eigenes gesetzlich geregeltes Konzernrecht. 2. Hinsichdich der anzustrebenden Ziele ist zunächst zu betonen, daß Konzerne und Konzernierungen möglichst nicht verhindert werden sollen. Denn der Konzern ist eine flexible und effiziente Organisationsform zur Herstellung von Verbundeffekten, die gerade in Osterreich, das mit seiner vielfältigen Kleinstruktur auf einem größeren Markt nicht überlebensfähig wäre, notwendig sind. Der Konzern ist zumindest potentiell ein Weg der Strukturverbesserung und -bereinigung (Herstellung von Synergieeffekten). Das Konzernrecht soll nicht zu kostenaufwendig sein. Daher sollen effiziente Lösungen ermöglicht werden; insbesondere sind niedrige Transaktionskosten und niedrige Organisationskosten der Strukturverbesserung der österreichischen Wirtschaft anzustreben. Andererseits soll der Kleinaktionär fair behandelt werden, damit der langsam in Österreich entstehende Kapitalmarkt für Beteiligungspapiere gefördert wird. Er wird allgemein als volkswirtschaftlich und politisch wünschenswert angesehen. Die Interessen der Kleinaktionäre dürfen also nicht mit dem Argument volkswirtschaftlich nützlicher Strukturbereinigung am „Altar" der Konzernierung geopfert, der Kleinaktionär darf nicht vom Kapitalmarkt abgeschreckt werden. Schon aus ökonomischen Gründen ist also eine „faire" Behandlung des Kleinaktionärs zu fordern. Unabhängig von derartigen ökonomischen Überlegungen sind schon aufgrund eines allgemeinen Gerechtigkeitspostulats die grundsätzliche Gleichbehandlung „der Minderheitsgesellschafter" (Kleinaktionäre) und die korrekte Behandlung der Gläubiger anzuerkennen. Eine Strukturanpassung soll daher zwar unter Umständen gegen den Willen, aber nicht auf Kosten der Minderheit möglich sein. Das Konzernrecht soll daher insbesondere nicht nur die Schädigung der Minderheit verhindern, sondern es soll die Aufteilung von Verbundeffekten (Synergieeffekte, Kooperationseffekte) zwischen Mehrheit und Minderheit vorsehen und fördern. Hier mache ich den vom geltenden deutschen Recht 27 deutlich abweichenden Vorschlag, die Beteiligung der Minderheit am Synergie26 Art. 481-508 des portugiesischen Gesetzes über Handelsgesellschaften vom 2 . 9 . 1 9 8 6 . 27 Für die A G KOPPENSTEINER, Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., 1987, § 3 0 5 Rdn.34 m. w. Nachw., vgl. aber die durchaus offene Diskussion über Takeovers in den USA, bei CLARK, Corporate Law, 1986, S. 487 ff. Für Verteilung des Verbundeffektes de lege ferenda KOPPENSTEINER, aaO (Fn.23), S. 114. Siehe auch die Entscheidung des O L G Celle W M 1984, 732, 735, die auf den Wertungswiderspruch zwischen Aktien- und Barabfindung hinweist, falls letztere ohne Berücksichtigung des zu erwartenden Konzerneffektes berechnet wird. Für eine Teilung der Verbundeffekte auch MEILICKE, Barabfindung, 1973, S . 7 8 f ; LÜTTER, Z G R 1979, 401, 418.
K o n z e r n r e c h t in Ö s t e r r e i c h
199
gewinn bei Konzernierungen auch gesetzlich zu verankern. Bemerkenswert ist, daß dies zwar nicht dem deutschen positiven Recht, wohl aber in vielen Fällen der deutschen Konzernpraxis entspricht 2 8 . Gegen eine Aufteilung von Verbundeffekten aus ökonomischer Sicht würde sprechen, daß der „Anreiz" zur Herbeiführung von Verbundeffekten sinkt, wenn eine Pflicht zur Aufteilung der Synergie-„Beute" besteht. Andererseits können dadurch gesamtwirtschaftlich „nutzlose und schädliche" Synergieeffekte vermieden werden, bei denen sich die Transaktion nur rechnet, weil die Minderheit vom Verbundgewinn ausgeschlossen wird (Paketzuschlag für das die K o n trolle verschaffende Paket) oder gar, weil die Minderheit geschädigt wird. Synergiegewinne und Verbundeffekte sind Erträge, die unter Einsatz des gesamten konzernierten Zielunternehmens geschaffen werden. Werden die Minderheitsaktionäre - im Prinzip - nach „alten" (Ertrags-)Werten abgefunden oder sonst beteiligt (Dividendengarantie, etc.), so ist nicht einzusehen, wieso der Ertragswert nur rückblickend ermittelt werden und der ohne die - auch von der Minderheit getätigten -
Investitionen
nicht erzielbare Synergieertrag
nicht
berücksichtigt werden soll. Das Konzernrecht muß in das System des Gesellschaftsrechts
und der
Gesamtrechtsordnung eingepaßt werden. Hier ist vor allem auf zwei Elemente besonders zu achten: das Fusions- und das Steuerrecht. Auch eine harmonisierte Abstimmung mit dem Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) halte ich für richtig. Es sollte aber das Konzernrecht nicht Werkzeug der Wettbewerbs- und Konzentrationspolitik sein. Das Gesellschaftsrecht soll sich also neutral zur marktkonformen Konzentration verhalten, es kann meines Erachtens die Aufgaben des Wettbewerbsrechts nicht „nebenbei" übernehmen. Das heißt nicht, daß rechtliche Maßnahmen gegen Konzentration abzulehnen sind, aber das soll nicht primär mit Mitteln des Gesellschaftsrechts geschehen, weil das Gesellschaftsrecht nicht wirtschaftspolitisch sinnvoll differenzieren kann 2 9 .
2 8 S o sind bei der 1988 zwischen der D a i m l e r - B e n z A G und der A E G
beschlossenen
K o n z e r n i e r u n g zwei angesehene Wirtschaftstreuhandgesellschaften zu dem E r g e b n i s g e k o m m e n , d a ß eine Dividendengarantie v o n 15 g e b o t e n wäre. V o r g e s c h l a g e n und fast e i n s t i m m i g b e s c h l o s s e n w u r d e allerdings eine Dividendengarantie von 2 0 . D i e E r k l ä rung für dieses D r i t t e l als „ D r a u f g a b e " scheint m i r die R e c h t s ü b e r z e u g u n g des K o n z e r n h e r r n z u sein, d a ß V e r b u n d e f f e k t e z u teilen sind, o d e r die wirtschaftliche U b e r z e u gung, d a ß ein o r d e n t l i c h e r K a u f m a n n o h n e h i n teilt. I m übrigen liegt das im T r e n d einer in den V e r e i n i g t e n Staaten und in anderen L ä n d e r n diskutierten E n t w i c k l u n g
im
Zusammenhang mit Ubernahmeangeboten. 2 9 V g l . etwa die gegenteilige G r u n d e i n s t e l l u n g von EMMERICH/SONNENSCHEIN, K o n z e r n recht, 3. Aufl.,
1 9 8 9 , S. 17 ff; siehe auch KÜBLER/SCHMIDT, Gesellschaftsrecht
Konzentration, 1988.
und
200
Peter D o r a i t
V. Rechtstechnische
Grundsatzfragen
Die rechtlichen Lösungen müssen die wirtschaftliche Realität des Konzerns als eines wesentlichen Phänomens unserer Wirtschaftsordnung und damit das einheitliche Unternehmensinteresse im Konzern (Konzernunternehmensinteresse) anerkennen. Es genügt nicht, den Konzern am Idealbild der isolierten Gesellschaft zu messen, dieser Lösungsansatz ist nur partial - im Bereich der einfachen (faktischen) Konzerne - brauchbar 30 . Zwischen personalistischer G m b H und personalistischer AG (mit wenigen Aktionären, insbesondere Familien-AG) einerseits und Aktiengesellschaft mit (an der Börse gehandeltem) Streubesitz andererseits (Schutz der freien Aktionäre, die bloße Anlegergesellschafter sind) ist zu unterscheiden 31 . Hier ist vor allem bei der Frage der Treuepflicht aller Gesellschafter, einer gesetzlichen Vinkulierung oder eines gesetzlichen Wettbewerbsverbotes zu differenzieren. Ebenso müssen die Unterschiede zwischen Ein-Mann-Konzerngesellschaften und Tochtergesellschaften mit Minderheitsaktionären beachtet werden. Die Tochtergesellschaft mit Minderheitsgesellschaftern erfordert zusätzliche und teilweise andere Schutzmechanismen als die Tochtergesellschaft ohne Minderheitsgesellschafter 32 . Dem Grundsatz der „Privatautonomie" kommt als Lösungsansatz besondere Bedeutung zu (Zustimmung der materiell Betroffenen, Sonderabstimmung der Minderheit oder Stimmrechtsverbot für die Mehrheit). Für die Auseinandersetzung zwischen der Mehrheit und Minderheit soll so weit wie möglich eine am Grundsatz der Privatautonomie orientierte Lösungstechnik eingesetzt werden (Konsensmodell). Daher müssen beim Konflikt Mehrheit-Minderheit beide Seiten in „verhandlungsfähige" Positionen gebracht werden. Interessenkollisionen durch gleichzeitige Wahrnehmung von Mehrheits- und Minderheitsinteressen sind soweit als möglich auszuschalten. Erpressungsversuche durch die Minderheit müssen jedoch verhindert werden 33 . „Richtige" Entscheidungen der Minderheit und der Gläubiger setzen allerdings Information voraus. Um auch der Minderheit sachgerechte Entscheidungen zu ermöglichen, sind ihr verbesserte Informationen zugänglich zu machen,
30 Vgl. § 3 0 8 Abs. 1 d A k t G ; KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 7 ) , § 3 0 8 A k t G R d n . 2 7 und 48 f; vgl. § 3 1 7 d A k t G ; nach LUTTER, Z G R 1987, 324 ff, 3 3 2 , ist der Konzern legale Realität. 31 Ähnlich ALBACH (U. a.), Deregulierung des Aktienrechts: Das Drei-Stufen-Modell, 1988. 32 LUTTER, Entwicklungen im G m b H - K o n z e r n r e c h t , Z G R Sonderheft 6, 1986, S. 210 Reflexwirkungen des Minderheitenschutzes auf die Position der Gläubiger. 33 KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 7 ) , § 2 9 3 A k t G R d n . 31 lehnt das Konsensmodell wegen der dadurch herbeigeführten Erpreßbarkeit der Mehrheit ab; a. A . für die G m b H : ZÖLLNER, Stimmrechtsschranken, 1963, S . 2 5 0 f und in: B a u m b a c h / H u e c k , K o m m . z. G m b H G , 15. Aufl., 1988, K o n z e r n R R d n . 12 und 17.
Konzernrecht in Österreich
201
wie dies in der Praxis vielfach freiwillig und ansatzweise auch gesetzlich (Prüfung bei der V e r s c h m e l z u n g ) anerkannt wird. Soweit als möglich sollen die Entscheidungskriterien für G e r i c h t e und Kautelarjuristen klar nachvollziehbar sein; dies ist allerdings kein durchschlagendes Argument gegen „bewegliche" und daher weniger scharfe L ö s u n g e n . G e n e r a l klauseln
(z.B.:
„wichtiger G r u n d "
und
„Sittenwidrigkeit")
sind auch
dem
Gesellschaftsrecht nicht fremd, insbesondere gehört schon bisher eine U n t e r n e h menswertermittlung im Gesellschaftsrecht (Personengesellschaft) zu den lösbaren Aufgaben. U m klare Linien zu finden, kann es im Einzelfall z w e c k m ä ß i g sein, „ g r ö b e r e " Maßstäbe anzulegen und Vermutungstatbestände einzusetzen. Z . B . (wie §§ 15 ff d A k t G ) kann die schlichte Mehrheitsbeteiligung als auslösender
Tatbestand
normiert werden, o b w o h l die spezifischen R e c h t s f o l g e n erst durch Abhängigkeit und einheitliche Leitung ( K o n z e r n ) gerechtfertigt sind (vgl. § § 1 5 ff, 291 ff, 311 d A k t G ) . Im folgenden werde ich mich auf das Verhältnis M u t t e r g e s e l l s c h a f t / T o c h t e r gesellschaft in einem U n t e r o r d n u n g s k o n z e r n , hier wieder im wesentlichen auf die Problemkreise - Schutz der Minderheit - Schutz der Gläubiger beschränken. Selbstverständlich darf nicht aus den A u g e n verloren werden, daß es die Sonderprobleme -
Gleichordnungskonzern
- arbeits- und mitbestimmungsrechtliche Fragen im K o n z e r n 3 4 -
Konzernbinnenorganisation35
gibt.
VI.
Konzerneingangskontrolle,
konzemrechtlicher
Präventivschutz
In den letzten J a h r e n wurde erkannt, daß hier zumindest für das G m b H R e c h t der „archimedische P u n k t " des Minderheitenschutzes im K o n z e r n liegt 3 6 . Im wesentlichen stehen zwei Bauelemente z u r V e r f ü g u n g : 34 Dazu grundlegend nun WINDBICHLER, Arbeitsrecht im Konzern, 1989. 35 Eine „Erfindung" der ¿«fffr-Schule, siehe insbesondere HOMMELHOFF, Die Konzernleitungspflicht, 1982; siehe dazu: KONZEN, Z H R 151, 566; SEMLER, in: Doralt (Hrsg.), Deutsches Konzernrecht, 1985, S. 163 ff; KOPPENSTEINER, Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., 1986, Vorb. § 15 Rdn. 11 ff. 36
LUTTER,
aaO
(Fn. 32),
S. 2 0 3 f;
ROWEDDER/KOPPENSTEINER,
2. A u f l . , 1990, A n h . § 5 2 R d n . 2 4 ff; LUTTER/TIMM, N J W
(Fn. 33), KonzernR Rdn. 19 m. w. Nachw.
Komm.
z.
GmbHG,
1 9 8 2 , 4 1 1 ; ZÖLLNER,
aaO
202
Peter D o r a i t
- Der Minderheit wird die Möglichkeit geboten, sich gegen das Entstehen von Abhängigkeits-, Konzern- und qualifizierten Konzernverhältnissen durch eine A n Vetorecht ( = Zustimmung der Minderheit erforderlich) zu schützen. - Das Stadium, in welchem der Minderheit diese Befugnis eingeräumt wird, wird vorverlegt auf den Punkt der Entstehung eines bloßen Abhängigkeitsverhältnisses ( = der archimedische Punkt). Durch dieses Zustimmungsrecht wird die Minderheit in die Lage versetzt, im Verhandlungsweg ihre Interessen durch einen echten Konzernvertrag zu wahren. Dieses Modell hat grundsätzlich den Vorteil privatautonomer Regelungen für sich: Die Lösung wird den Beteiligten überlassen. Die Stärke der Minderheit hängt im einzelnen davon ab, o b Einstimmigkeit, qualifizierte oder einfache Mehrheit verlangt wird und ob - bei Mehrheitsbeschlüssen - die Mehrheit vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. J e stärker die Minderheit ist, desto größer wird die Gefahr der schikanösen Erpressung durch die Minderheit 3 7 , im Extremfall versucht die Minderheit sich das Zustimmungsrecht sittenwidrig abkaufen zu lassen oder es schikanös zu verweigern 3 8 . Zur Bekämpfung solcher Erpressungen kann gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung sinnvoller Konzernierungen unter Wahrung von Rechten der Minderheit vorgesehen werden. Selbstverständlich wird durch solche gerichtliche Hilfestellung das Modell der Privatautonomie geschwächt; es bleibt aber immerhin prinzipiell erhalten, solange die Mehrheit entweder die Zustimmung der Minderheit oder - an deren Stelle - gerichtliche Zustimmung benötigt. Hier besteht Verhandlungsdruck und damit die Chance einer privatautonomen G e staltung. Wer hingegen die Konzernbildung wesentlich erleichtern will - z. B. aus der Sorge, daß bei Sanierungen häufig Eile geboten ist - wird der Mehrheit Handeln ohne aufschiebende Wirkung des Einspruchs der Minderheit gestatten und die Minderheit auf eine ex-post-Kontrolle der Konditionen beschränken. Damit fällt die Phantasie und Vielfalt der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten weg. Das ist im wesentlichen das Modell des deutschen Vertragskonzerns und der Eingliederung 3 9 .
1. Der Mythos vom
Vertragskonzem
Das Modell des deutschen Vertragskonzerns entspricht also nicht dem oben postulierten Primat von Lösungen nach dem Modell der „Privatautonomie". 37 Dazu: KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 7 ) , § § 2 9 3 , 2 8 9 A k t G R d n . 3 1 ; zur „erpresserischen" Aktionärsklage: MEYER-LANDRUT, F S Schilling, 1973, S . 2 3 5 ; MESTMÄCKER, B B 1961, 951 f. 38
A n s c h a u l i c h SCHLAUS, D i e A G
1 9 8 8 , 1 1 3 u n d L U T T E R , F S D e r B e t r i e b , 1 9 8 8 , S . 1 9 3 ff.
3 9 Siehe § § 3 0 4 Abs. 3 - 5 , 305 A b s . 5 und 3 2 0 Abs. 6 und 7 d A k t G .
203
Konzernrecht in Österreich
Der sogenannte Vertragskonzern ist eine „Mißgeburt des Steuerrechts". Der deutsche Gesetzgeber des AktG 1965 hat im Kern eine aus spezifisch steuerrechtlichen Gesichtspunkten entstandene Konstruktion übernommen 40 . Das macht auch den „Export" des Vertragskonzerns in Europa schwer. Im Steuerrecht ist die Notwendigkeit eines Konzernvertrags (Organschaftsvertrag) gerade nicht aus dem Modell der Privatautonomie heraus entstanden, sondern aus der Notwendigkeit der eindeutigen Dokumentation von Verträgen unter miteinander „verwandten" Rechtsträgern; dem Steuerrecht geht es hier hauptsächlich um denselben Gedanken wie bei der Frage der formlosen Verträge unter nahen Angehörigen. Der typische Organschaftsvertragsfall des Steuerrechts ist eher eine Perversion des Vertragsabschlußgedankens, denn insbesonders der im 100% igen Eigentum der Mutter stehenden Tochter bleibt überhaupt nichts anderes über, als den gewünschten Organschaftsvertrag abzuschließen; sie wird im Regelfall nicht erst „versklavt", sondern sie hat meist schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beherrschungsvertrages „keinen eigenen Willen" (d. h. keinen anderen Willen als den des Allein- oder Mehrheitsgesellschafters). Die Entwicklung des deutschen Steuerrechts hat - rechtspolitisch durchaus vertretbar - dem Wunsch der Wirtschaft entsprochen, den Vorteil dezentraler Organisation mit Hilfe von Tochtergesellschaften mit dem Vorteil der Besteuerung wie ein Einheitsunternehmen zu verbinden. Die dabei entstandene Rechtsfigur des Organschaftsvertrags zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft hat aber mit dem Modell des privatautonomen Vertrags zweier voneinander in ihrer Willensbildung wenigstens prinzipiell unabhängigen Vertragspartner nur den Namen gemeinsam. Das gilt - wenn auch abgeschwächt - selbst dann, wenn der Tochter Minderheitsgesellschafter angehören; denn sie sind ja gerade nicht Vertragspartner des Konzernvertrages. Wo der Vertragskonzern wirklich auf Minderheitsaktionäre stößt, sind die Regeln über den Vertragskonzern in der Regel auch kein wirksames Instrument der „Konzerneingangskontrolle": Sie werden vielmehr am Endpunkt einer meist längeren Entwicklung wirksam, die in steuerrechtlichen oder bilanzpolitischen Überlegungen des Gesamtkonzerns begründet liegen. Daß dies Anlaß gibt oder dazu nötigt, den Interessenausgleich mit der Minderheit herzustellen 41 , ist der gesellschaftsrechtliche Eintrittspreis für eine bestimmte Ausgestaltung des Konzerns. 2. Die unterschiedlichen
Möglichkeiten
einer
Konzerneingangskontrolle
Konzerneingangskontrolle kann in unterschiedlichen Phasen der Gesellschaft einsetzen. Die folgenden Fallgruppen und Probleme springen ins Auge: 40 Vgl. die Darstellung der Entwicklung bei EMMERICH/SONNENSCHEIN, aaO (Fn. 29), S. 28 ff. 41 WIEDEMANN, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S.58.
204
Peter Dorait
a) Grundlagenvertrag,
Konzernvertrag
Schon bei Gründung der Gesellschaft wird die Unterordnung der Konzerntochtergesellschaft unter ein Konzernunternehmensziel ausdrücklich vereinbart oder zugrunde gelegt. Der Minderheitsgesellschafter handelt mit der Mehrheit die Kautelen seines Schutzes aus, z. B. der Erfinder, der mit BMW eine Verwertungsgesellschaft gründet und eine 40%ige Beteiligung erhält 42 . Der G m b H Vertrag enthält vielleicht nicht einmal ausdrücklich die Ausrichtung am BMWKonzerninteresse, sie ist aber zwischen den Gründungsparteien vereinbart. Die Gründungsparteien werden neben dem GmbH-Gesellschaftsvertrag einen „Grundlagenvertrag" (Syndikatsvertrag, Rahmenvertrag oder ähnliches) vereinbaren, durch welchen Minderheitsinteressen des Erfinders adäquat gesichert werden. Eine ähnliche Situation finden wir bei Joint Ventures und Venture Kapitalgesellschaften.
b) Erwerb der
Mehrheit
Der „archimedische Punkt" der Konzerneingangskontrolle schafft zwar in der Regel bloße Abhängigkeit (= Möglichkeit zu Leitung, ist nicht unbedingt schon Konzernleitung), aber der Mehrheitserwerb ist ein klarer und kontrollierbarer Tatbestand. In der österreichischen Vertragspraxis ist bei der G m b H meist Vinkulierung vorgesehen, daher ist Zustimmung der Generalversammlung zur Übertragung erforderlich 43 . Mein Vorschlag de lege ferenda lautet daher: - Im Zweifel sollen GmbH-Anteile bereits ex lege vinkuliert sein: Das dispositive G m b H - R e c h t sollte der durchschnittlichen „Normalabsicht" der Parteien (nämlich einer personalistischen Struktur) entsprechen 44 .
42 Beispiel von LUTTER, a a O (Fn. 32), S.203. 43 Bei der Vertragsgestaltung wird allerdings häufig nicht berücksichtigt (wohl meist übersehen), daß die Rechtsprechung den betroffenen Gesellschafter mitstimmen läßt. O G H H S 9653 = SZ 47, 143; KASTNER, a a O (Fn. 11), S. 316; schreibt der Vertrag statt „ Z u s t i m m u n g der Gesellschaft" die „ Z u s t i m m u n g der Gesellschafter" vor, so verlangt REICH-ROHRWIG, Das österreichische G m b H - R e c h t in systematischer Darstellung, 1983, S.624 die Z u s t i m m u n g jedes einzelnen Gesellschafters, weil eine andere Auslegung „nicht zu vermuten ist" (a. A. SCHOLZ /K.SCHMIDT, K o m m . z. G m b H G , 6 . A u f l . , 1978, § 4 7 R d n . 106, 163; 7 . A u f l . , 1988, Rdn. 117; vgl. auch die Kritik der herrschenden Lehre bei ZÖLLNER, a a O [Fn. 33], § 4 7 G m b H G Rdn. 58 u n d K o n z e r n R Rdn. 20). 44 HANNAK, FS H ä m m e r l e , 1972, S. 132 f, berichtet, daß bei einer E r h e b u n g in Tirol und Vorarlberg 82 % der Gesellschaften Vinkulierung vereinbart hatten.
Konzernrecht in Österreich
205
- D e r abtretungswillige Gesellschafter ist im Zweifel vom Stimmrecht ausgeschlossen 4 5 . Diese L ö s u n g zwingt die Mehrheit zur Verhandlung über einen echten Interessenausgleich (Konzernierungsvertrag mit Minderheit): Die Minderheit b e k o m m t einen archimedischen Hebelpunkt, wenn die Mehrheit an einen potentiell beherrschenden anderen Gesellschafter verkaufen will 4 6 . - P r o b l e m der E r p r e s s u n g durch die Minderheit: § 77 ö G m b H G ermöglicht es dem Abtretungswilligen schon jetzt, die fehlende Z u s t i m m u n g der Gesellschaft durch gerichtliche Z u s t i m m u n g zu ersetzen, wenn -
„ausreichende G r ü n d e für die Verweigerung der Z u s t i m m u n g nicht vorliegen und
- wenn die Ü b e r t r a g u n g ohne Schädigung der Gesellschaft, der übrigen Gesellschafter und der Gläubiger erfolgen k a n n " 4 7 . In § 77 ö G m b H G
ist also bereits jetzt die gerichtliche Z u s t i m m u n g bei
sachlich nicht gerechtfertigter Weigerung der Minderheit angelegt, wenn bei der A b t r e t u n g sichergestellt wird, daß durch die Konzernierung (meines Erachtens 45 So bereits zum geltenden GmbH-Recht entgegen B G H Z 48, 167; ZÖLLNER, aaO (Fn. 33), KonzernR Rdn.20. Statt dessen will LÜTTER, aaO (Fn.32), S . 2 0 3 f , bei Stimmberechtigung des betroffenen Mehrheitsgesellschafters bleiben (Arg: die Minderheit darf die Mehrheit nicht einmauern) und schlägt die Möglichkeit zur ex postKontrolle durch Anfechtungsklage mit inhaltlicher Beschlußkontrolle vor. Die bei Lütter erwähnten Kriterien (Notwendigkeit der Anlehnung an das „starke" neueintretende Unternehmen, besonders hoher Synergieeffekt, Abfindungsangebot, Angebot zusätzlicher Sicherungen wie AR-Mitglied, Entsendungsrecht für einen Geschäftsführer, freiwilliger Abhängigkeitsbericht) sind meines Erachtens brauchbare Kriterien für gerichtliche Zustimmung, die bei Scheitern des privatautonomen Konsenses ersatzweise eingreifen sollen; siehe sogleich unten. 46 Der Stimmrechtsausschluß ist meines Erachtens auch bei Beibehaltung der bloßen Vinkulierungsmöglichkeit kraft Gesellschaftsvertrags und auch außerhalb des Konzerns gerechtfertigt, denn die jetzige Rechtsprechung führt dazu, daß die Vinkulierung im Ergebnis nur den Minderheitsgesellschafter belastet, der Mehrheitsgesellschafter ist wegen seiner Stimmberechtigung davon „befreit". Die Rechtsprechung steht meines Erachtens im Widerspruch zur ergänzenden Vertragsauslegung der Vinkulierungsklausel. Der gesetzlich angeordnete Stimmrechtsausschluß müßte wie ein Sonderrecht - satzungsfest sein. 47 Das Verfahren nach § 77 G m b H G ist ein Außerstreitverfahren (REICH-ROHRWIG, aaO [Fn. 43], S. 625), daher keine Kostenersatzpflicht für den unterlegenen Teil (siehe aber DOLINAR, Außerstreitverfahren, 1982, S. 69, der im Streitbereich für eine Analogie der Kostentragungsregeln des Streitverfahrens eintritt). Außerdem hat der Widerspruch im Ergebnis aufschiebende Wirkung. Will man die Erpreßbarkeit weiter verkleinern, wären daher Kostenersatz und die Möglichkeit eines Provisorialverfahrens vorzusehen. Weiters wäre zu erwägen, für den Widerspruch mindestens eine Beteiligung von z. B. 5 % oder einen Einheitsweit von 2,5 Mio. einzuführen. Zu erwägen wäre - analog zur deutschen Eingliederung - bei einer kleinen Beteiligungsquote ein Abfindungsangebot an den widersprechenden Gesellschafter (unter Berücksichtigung eines VerbundeffektAufgelds) genügen zu lassen: 1 0 % (vgl. unten bei Fn.78).
206
Peter Dorait
einschließlich des angebotenen Konzernierungsvertrags) die Schädigung der genannten Interessen, insbesondere der übrigen Gesellschafter
(Minderheit)
ausgeschlossen ist. § 7 7 ö G m b H G wäre klarstellend an den Konzernsachverhalt anzupassen 48 . Bei der A G ist die Einführung der Vinkulierung ex lege jedenfalls nicht generell gerechtfertigt. D i e Vinkulierung paßt vor allem nicht zum System der Inhaberaktien 4 9 . W o sie die Parteien wünschen, wird sie zusammen mit Namensaktien in der Satzung verankert, wahrscheinlich meist gerade um das Eindringen eines gesellschaftsfremden Konkurrenten oder eines potentiellen Konzernherrn zu verhindern. D i e Ausgabe von (vinkulierten) Namensaktien an die maßgeblichen Kerngesellschafter und von Inhaberaktien an börsennotierte Streubesitzer ist zwar zulässig 5 0 , wird allerdings in Osterreich kaum je gehandhabt. Bei „personalistischen Aktiengesellschaften" (insbesondere Familiengesellschaften) mit Inhaberaktien werden diese Fragen vielmehr häufig in einem Syndikatsvertrag geregelt: Regelmäßig enthält der Syndikatsvertrag Zustimmungs- und Aufgriffsrechte 5 1 , die ein Verkaufs williger Aktionär beachten muß. Nach geltendem Aktienrecht können - bei Inhaberaktien - solche Regelungen über die Veräußerung in der Satzung nicht getroffen werden. Überdies sind Syndikatsverträge zumindest aus wichtigem Grund kündbar, meist enthalten sie außerdem eine ordentliche Kündigung mit Frist und Terminen, wodurch der Wert der Bestimmungen als Konzernpräventivkontrolle geschwächt wird. D e m Kautelarjuristen könnte empfohlen werden, bei Syndikatsverträgen die Regelungen über Aufgriffs- und Veräußerungsrechte nur für den Fall einer sachlich gerechtfertigten Übertragung (analog zu § 7 7 ö G m b H G ) kündbar zu machen; der „wichtige G r u n d " zur Kündigung der syndikatsvertraglichen Regelung liegt dann in der
48 E i n t r i t t s b e r e c h t i g u n g der verbleibenden
G e s e l l s c h a f t e r m u ß subsidiär diesen,
nicht
„der G e s e l l s c h a f t " z u s t e h e n . I n ö s t e r r e i c h i s c h e n G m b H - V e r t r ä g e n w i r d statt o d e r n e b e n V i n k u l i e r u n g häufig ein A u f g r i f f s r e c h t v o r g e s e h e n . D a d u r c h w e r d e n die Mitgesellschafter bei
Veräußerung
eines G e s c h ä f t s a n t e i l s berechtigt, den A n t e i l z u einem von v o r n h e r e i n
vertraglich
b e s t i m m t e n o d e r b e s t i m m b a r e n P r e i s zu k a u f e n . D i e G e s e l l s c h a f t e r , welche das E i n dringen eines F r e m d e n verhindern w o l l e n , w e r d e n d u r c h das A u f g r i f f s r e c h t dagegen g e s c h ü t z t , einen aus ihrer Sicht ü b e r h ö h t e n Preis zu b e z a h l e n . D a s
Aufgriffsrecht
b l i e b e v o n d e r N e u e r u n g u n b e r ü h r t . F r a g l i c h ist, o b hier die P f l i c h t z u r Z u s t i m m u n g v o r g e s e h e n w e r d e n soll; weil damit o f f e n s i c h t l i c h n o c h stärker als d u r c h V i n k u l i e r u n g d e m E i n t r e t e n eines f r e m d e n G e s e l l s c h a f t e r s und damit der K o n z e r n i e r u n g e n t g e g e n g e w i r k t w e r d e n soll, halte ich es für v e r t r e t b a r , die Z u s t i m m u n g s p f l i c h t hier auf gravier e n d e Fälle, z . B . Sanierungsfälle e i n z u e n g e n . 4 9 KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 7 ) , V o r b . § 3 1 1 A k t G R d n . 2 7 . 5 0 KRAFT, K ö l n e r K o m m . z . A k t G , 2 . A u f l . , 1 9 8 6 , § 1 0 R d n . 12. 51 KASTNER, a a O ( F n . 11), S. 2 1 3 f; DERS., G e s a m m e l t e A u f s ä t z e , 1 9 8 2 , S. 108, 130 ff; z u m k a u t e l a r j u r i s t i s c h e n I n s t r u m e n t a r i u m d e r K o n z e r n e i n g a n g s k o n t r o l l e : KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn.27.
207
Konzernrecht in Österreich
besonderen Rechtfertigung des Abtretungswunsches entgegen dem Willen der Mitgesellschafter. Als kautelarjuristische
Konzernpräventivkontrolle
kann auch ein
Höchst-
stimmrecht, verbunden mit Ausschaltung von Sperrminoritätsrechten - soweit zulässig - d i e n e n ' 2 . M a n sollte aber über dieses Instrumentarium des bestehenden Rechts hinaus gerade bei nicht börsennotierten A G s erwägen, die Rechtslage an meine Vorschläge zur G m b H anzugleichen. D i e Interessenlage ist bei einer F a m i l i e n - A G hier ganz ähnlich wie bei einer G m b H . F ü r börsennotierte Aktiengesellschaften wäre meines Erachtens die E i n f ü h rung einer Meldepflicht für Beteiligungserwerb vorzusehen; fürs erste k ö n n t e man sich an den 2 5 % der § § 2 0 ff d A k t G orientieren 5 3 . - D a m i t würden die G l ä u b i g e r und Kleinaktionäre darüber informiert, w e r „ h i n t e r " der A G steht, und der „einschleichende" E r w e r b einer M e h r h e i t s b e teiligung o h n e Kenntnis der Ö f f e n t l i c h k e i t zumindest erschwert. D i e G r ü n d e , welche für die A n o n y m i t ä t des Aktienbesitzes sprechen, treffen n u r für die kapitalistische Aktiengesellschaft mit einer Vielzahl v o n kleinen A k t i o n ä r e n zu. B e i m G r o ß a k t i o n ä r liegen die Verhältnisse w o h l eher wie bei der G m b H , für welche in O s t e r r e i c h eine jährlich einzureichende Gesellschafterliste v o r geschrieben ist (§ 2 6 A b s . 3 ö G m b H G ) 5 4 . - A n der G r e n z e zwischen Gesellschaftsrecht und K a p i t a l m a r k t r e c h t liegt der folgende V o r s c h l a g : Bei b ö r s e n n o t i e r t e m Streubesitz sollte ein Gesellschafter, der die Ü b e r n a h m e der M e h r h e i t anstrebt ( K a u f eines Mehrheitspakets oder V e r g r ö ß e r u n g seines bestehenden Pakets, u m sich die M e h r h e i t zu verschaffen), den freien Aktionären ein öffentliches U b e r n a h m e a n g e b o t m a c h e n m ü s sen 5 5 . M i t dieser Frage hängt das allgemeine P r o b l e m des
angemessenen
Preises (Verteilung des Paketzuschlags) z u s a m m e n .
52 KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn.27. 53 Art. 4 des EG-Entwurfs der 9. (Konzernrechts-)Richtlinie sieht eine Offenlegung einer 10%-igen Beteiligung vor. 54 Gem. § 2 6 Abs. 1 ö G m b H G i.d. F. FirmenbuchG 1990 (das die Neuordnung des österreichischen Handelsregisters, insbesondere die Umstellung auf E D V enthält) sind nun Änderungen der Gesellschafter bzw. Beteiligungsverhältnisse unverzüglich zum Firmenbuch anzumelden. 55 Vgl. die Hinweise auf ausländische Vorbilder bei WIEDEMANN, aaO (Fn. 41), 1988, S. 58 f m . w . N . , S.66; LUTTER, Z G R 1987, 335, 339 mit Hinweis auf die Zuständigkeit der belgischen Commission Bancaire (hierzu VAN O M M E S L A G H E , in: Hopt (Hrsg.), Groups of Companies in European Laws, Bd. 11, 1982, S. 59ff und 347); KÜBLER/SCHMIDT, aaO (Fn. 29), mit Darstellung des englischen und US-amerikanischen Rechts; zur amerikanischen Praxis SÜNNER, Die A G 1987, 276; ZÄCH, Corporate Acquisitions und Takeovers in the USA (St. Galler Studien Bd. 13, 1987); CLARK, Corporate Law, 1986, S. 401 ff, 531 ff mit Darstellung der amerikanischen
208
Peter Dorait
Bei einer bloßen Kapitalanlagebeteiligung, insbesondere einer niederen Q u o t e von
Kleinaktionären
(z.B.
10%;
vgl. Umwandlungsrecht;
Eingliederung)
erscheint es vertretbar, als Konzerneingangskontrolle nur das Recht der Minderheit vorzusehen, zu einem angemessenen Preis aus der Gesellschaft auszuscheiden 5 6 .
c) Kapitalerhöhung
unter Ausschluß
des Bezugsrechts
(Mehrheits-)Gesellschafters
hei AG und
zugunsten
eines
neuen
GmbH
Im geltenden Recht ist die Kontrolle durch einen Beschluß, der zwingend mit qualifizierter Mehrheit gefaßt werden muß, und durch ein ex-post-Prüfungssystem etabliert, nämlich durch die Möglichkeit der Anfechtungsklage durch jeden einzelnen Gesellschafter oder Aktionär mit inhaltlicher Beschlußkontrolle; dies dürfte genügen 5 7 .
d) Empfiehlt
sich die Einführung für die
eines gesetzlichen
Wettbewerbsverbots
Gesellschafter?
Für die personalistische G m b H wird dies schon de lege lata aufgrund eines Analogieschlusses z u m Recht der O H G vielfach bejaht 5 8 . Meines Erachtens ist zu unterscheiden: Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot ist für den Mehrheitsgesellschafter, der faktisch in der Lage ist zu entscheiden, o b Geschäftschancen bei der Tochter oder der Mutter ausgenützt werden, gerechtfertigt, denn hier ist eine rationale und gerechte Aufteilung der Geschäftschancen schwierig und die Gefährdung der Minderheitsinteressen hoch: In der Regel wird jedenfalls bei einem Mehrheitsgesellschafter, der die Leitung ausübt, ein rational nicht mehr
Law and Economics Diskussion; zu dieser zuletzt SCHWARTZ, The Fairness of Tender Offer Prices in Utilitarian Theory, Journal of Legal Studies 1988, 165 ff. 56 FLUME, Juristische Person, 1983, S. 126 f schlägt als Mindestpreis den Höchstpreis vor, den der Großaktionär in den letzten beiden Jahren bezahlt hat. 57 Vgl. O G H GesRZ 1981, 44; hierzu NOWOTNY, GmbH-Rdsch. 1984, 235; DERS., RdW 1986, 326; umfassend aus der deutschen Literatur HIRTE, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, und zuletzt WINTER, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im G m b H - R e c h t , 1988, S . 2 6 2 .
58 So ZÖLLNER, aaO (Fn. 33), KonzernR Rdn.21 m . w . N . , für Gesellschaften „mit personalistischem Zuschnitt"; ausführlich WINTER, aaO (Fn. 57), S. 244 ff; B G H Z 80, 69 (Befreiung des Mehrheitsgesellschafters von einem vertraglichen Wettbewerbsverbot) und B G H Z 89, 165.
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lösbarer Interessenkonflikt eintreten 59 . Die typischerweise starke Abhängigkeit des Managements vom Mehrheitsgesellschafter, das Weisungsrecht der Generalversammlung und das typischerweise enge Naheverhältnis der Gesellschafter rechtfertigen meines Erachtens insgesamt ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für den Mehrheitsgesellschafter. Die bloßen Informationsmöglichkeiten jedes GmbH-Gesellschafters (Bucheinsichtsrecht, soweit ausgeschlossen, Recht auf Zusendung des Prüfungsberichts) dürften hingegen ein Wettbewerbsverbot nicht rechtfertigen. Es genügt hier ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch aufgrund der gesellschaftlichen Treuepflicht 6 0 ; denkbar erscheint mir eine Regel, nach welcher ein konkurrierender Minderheitsgesellschafter den Ausschluß von besonders „sensiblen" Informationen hinnehmen muß 6 1 , ähnlich der „Schutzklauselbestimmungen" im Aktienrecht (vgl. §§ 112 Abs. 3, 128 Abs. 3 öAktG). Im Ergebnis führt dieses Modell zu einem zusätzlichen Präventivschutz gegen Konzernbildung auch ohne Vinkulierung, wenn der Mehrheitsgesellschafter ein Konkurrenzunternehmen betreibt, und damit eine besondere Gefahr der Interessenkollision besteht 6 2 ; dieser Präventivschutz „greift" nicht bei einander ergänzenden Unternehmensgegenständen (z. B. im Verhältnis zwischen Hersteller und Zulieferer). Auch ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für den Mehrheitsgesellschafter verhindert nicht unbedingt Konzernbildungen, sondern versetzt die Minderheit in die Lage, über einen Konzernierungsvertrag zu „verhandeln". Zu erwägen ist auch hier ein Schutz gegen Erpressungen durch die Minderheit, wenn der Mehrheitsgesellschafter einen angemessenen Konzernierungsvertrag anbietet 43 . Zu erwägen wäre, auch für personalistische Aktiengesellschaften, insbesondere für die in Osterreich häufigen Familienaktiengesellschaften, ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für Aktionäre vorzusehen. Häufig finden wir in Österreich Familienaktiengesellschaften mit wenigen Stämmen, die alle in der Geschäftsführung oder doch wenigstens im Aufsichtsrat vertreten sind. In der Praxis wird es zumindest als anstößig empfunden, wenn in einer solchen Konstellation ein 59 Vgl. zur L ö s u n g dieses Problems durch die US-amerikanische „business-judgmentrule" CLARK, C o r p o r a t e L a w , 1986, S. 256; siehe auch B G H Z 89, 166 und die Diskussion über die G r e n z e n des Nachteilsausgleichs gem. § 3 1 1 d A k t G : A u f g r u n d des Mehrheitsbesitzes eines branchengleichen Gesellschafters ( = Abhängigkeit von diesem) ist hier nicht nur ein K o n z e r n , sondern ein qualifiziert faktischer Konzern zu vermuten; vgl. auch WINTER, a a O (Fn. 57), S. 245. 60 REICH-ROHRWIG, a a O (Fn. 43), S . 4 9 ; vgl. § 1 1 8 6 A B G B , eine Bestimmung, die bei ihrer Entstehung auch für kapitalistische Gesellschaften galt: „Kein Mitglied ist befugt, . . . ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen". 61 Vgl. auch WINTER, a a O ( F n . 5 7 ) , S . 2 6 1 . 62 Vgl. WINTER, a a O ( F n . 5 7 ) , S . 2 5 1 . 63 Vgl. die Kriterien oben in F n . 4 5 , 47 f.
Peter Dorait
210
Familiengesellschafter ein Konkurrenzunternehmen eröffnet oder erwirbt, und es besteht meist Einvernehmen darüber, daß er dann aus den O r g a n e n (auch aus dem Aufsichtsrat) auszuscheiden hat. In solchen Fällen gibt es meist einen Syndikatsvertrag, mit dessen ergänzender Auslegung man u. U . die A b b e r u f u n g aus der
Aufsichtsratsfunktion
rechtfertigen
kann.
Für
Vorstandsmitglieder
besteht ohnehin das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 7 9 A k t G . Hingegen scheint mir vertretbar, ein W e t t b e w e r b s v e r b o t für den Mehrheitsgesellschafter bei einer A G mit Börsenstreubesitz grundsätzlich erst anzunehmen, wenn ein qualifizierter K o n z e r n entsteht, also der konkurrierende M e h r heitsgesellschafter die Tochtergesellschaft in sein U n t e r n e h m e n integriert: D i e Konzernprävention qua Wettbewerbsverbot sollte hier w o h l erst gegen den qualifizierten K o n z e r n greifen; bis zu diesem Stadium kann in Anbetracht der Unabhängigkeit des Vorstands mit einigem G r u n d gehofft werden, daß die T o c h t e r im W e t t b e w e r b mit der M u t t e r ihre eigenen Geschäftschancen wahrt und den Streubesitzer nicht schädigt. Bei deutlich personalistischen (Familien-)Aktiengesellschaften erscheint mir hingegen (im Einzelfall schon de lege lata) ein W e t t b e w e r b s v e r b o t für maßgeblich beteiligte Gesellschafter vertretbar, insbesondere, wenn durch Satzungsgestaltung und durch begleitende Stimmbindungsverträge (Syndikatsverträge) eine personalistische Struktur deutlich ausgeprägt ist; ein solches W e t t b e w e r b s v e r b o t beruht aber wohl nicht nur auf der Mehrheitsherrschaft, sondern auch auf dem engen Näheverhältnis in der personalistischen Struktur (z. B . bei syndikatsvertraglich gesicherter Einflußnahme auf die Geschäftsführung) und würde daher auch - flexibel - die Einbeziehung des z. B . bloß mit 2 5 % beteiligten Aktionärs gestatten. Das Problem der Zusammenrechnung von Anteilen naher A n g e h ö r i ger bereitet hier - wie auch sonst - Schwierigkeiten. M e h r als konstruktive K r ü c k e denn als innere Begründung verweise ich darauf, daß der Syndikatsvertrag in Osterreich als bürgerlich-rechtliche Gesellschaft qualifiziert wird und das A B G B für diese ein Wettbewerbsverbot (§ 1186) enthält 6 4 .
e) Verdichtung
der Konzernleitung
zum qualifizierten
Konzern
D e r Begriff des qualifizierten K o n z e r n s geht auf die Arbeiten des deutschen Arbeitskreises zur G m b H - R e f o r m zurück 6 5 . 64 Vgl. zur deutschen Disk (Anwendung von B G H Z 89, 162, 165 ff „Herrmann/Ogilvy" auf die AG) KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn. 28 (skeptisch) sowie die Ü b e r l e g u n g e n bei LUTTER/TIMM, N J W 1 9 8 2 , 4 0 9 ff s o w i e LUTTER/HOMMF.LHOFF, S A G 1 9 8 6 , 3 1 . 6 5 Arbeitskreis G m b H - R e f o r m ( G . HUECK/LUTTER/MERTENS / E . REHBINDER / P. ULMER/
WIEDEMANN/ZÖLLNER), Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform, Bd. II, 1972, S. 66 ff; dazu GESSLER, FS Flume, 1978, bei Fn. 44. Ubersichten zum heutigen Diskus-
Konzernrecht in Österreich
211
Während beim einfachen Konzern 6 6 die Tätigkeitsbereiche und Interessen der einzelnen Konzerngesellschaften immerhin abgrenzbar, allfällige schädigende Eingriffe der Konzernleitung ziffernmäßig berechenbar sind und die Leitung nicht umfassend straff ist, hat beim qualifizierten Konzern „die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens eine derartige Breite, Intensität und Dauer gewonnen, daß schädigende Einzelmaßnahmen nicht mehr isoliert werden können" 67 . Einigkeit besteht im wesentlichen über zwei Elemente des qualifizierten Konzerns: - Das herrschende Unternehmen führt die abhängige Gesellschaft wie eine unselbständige Betriebsabteilung (dieses Element deutet auf strukturell weitreichende Arbeitsteilung, die die einzelnen Konzernunternehmen als isoliert nicht überlebensfähig erscheinen läßt; z. B. eine Konzernforschungsgesellschaft; betriebswirtschaftlich betrachtet handelt es sich bei diesem Kriterium um ein aufbauorganisatorisches Element). - Die Konzernleitung hat die Geschäftsführung in allen wesentlichen Entscheidungen dauernd und umfassend an sich gezogen 68 (ein ablauforganisatorisches Element). Ein drittes Element, nämlich - nachhaltige Beeinträchtigung der Gesellschaft wird nicht uneingeschränkt akzeptiert, weil damit die Abgrenzung von dem jeweiligen pauschal beurteilten Verhalten des Konzerns abhängig gemacht wird,
sionsstand: EMMERICH, Die AG 1987, 3, 5; KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn. 24 (skeptisch hinsichtlich des Begriffs „Subsumtionsfähige Schärfe"); KROPFF, FS G o e r d e l e r , 1987, S. 264 ff; SEMLER, FS Goerdeler, 1987, S. 551 ff.
66 Im allgemeinen wird die Unterscheidung in einfachen und qualifizierten Konzern nur im Bereich des faktischen Konzerns gemacht; die Vertragskonzeme werden sozusagen automatisch als qualifizierte Konzerne betrachtet; genaugenommen muß dies real nicht zutreffen. Beim deutschen aktienrechtlichen Vertragskonzern wird nur ein Rechtsfolgeninstrumentarium eingerichtet, das den Problemen des qualifizierten Konzerns nicht ausreichend Rechnung trägt. Beim faktischen Konzern wird überwiegend angenommen, daß das Regelungsgefüge der §§311 ff dAktG den Problemen des qualifizierten Konzerns nicht Rechnung trägt; vgl. dazu insbesondere GESSLER, FS Flume, 1978, S. 55 ff und KROPFF, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm. z. AktG, 1976, §311 Rdn. 40, 41, 182, und kritisch zu den bisherigen Definitionsversuchen: KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn.24, §317 AktG Rdn.40ff. 6 7 EMMERICH, D i e A G 1 9 8 7 , 3 .
68 Vgl. EMMERICH, D i e A G 1987, 5 F n . 4 2 ; ROWEDDER/KOPPENSTEINER, K o m m . z.
GmbHG, 1985, Anh. §52 Rdn. 16 formulieren in Anlehnung an LÜTTER, ZGR 1982, 264 unter anderem: „Wenn das herrschende Unternehmen die Konzernherrschaft derart intensiviert, daß sich die abhängige Gesellschaft betriebswirtschaftlich gesehen nicht mehr von einer unselbständigen Betriebsabteilung unterscheidet"; anders jetzt in der 2. Aufl.
212
Peter Dorait
o b w o h l an sich schon der Zustand der vollen Integration der Konzerngesellschaft die spezifischen Gefahren auslöst, welche Sonderrechtsfolgen rechtfertigen, außerdem wird gegen das dritte Element erschwerte Abgrenzbarkeit ins Treffen geführt 69 . 6 9 ROWEDDER/KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 3 6 ) , A n h . § 5 2 G m b H G R d n . 16, 29, 37; EMMERICH, D i e A G 1987, 5; FISCHER/LUTTER/HOMMELHOFF, K o m m . z. G m b H G , 12. A u f l . , 1 9 8 7 , A n h . § 1 3 R d n . 16; LUTTER, Z I P
1985,
1 4 2 5 f f ; DERS., a a O ( F n . 3 2 ) ,
S. 206 ff. Plastisch formuliert Emmerich: Durch das dritte Element wird zwischen „guten und bösen" qualifizierten Konzernen unterschieden. Wird die Relevanz des dritten Elementes für die Haftung der Muttergesellschaft (insbesondere im Zusammenhang mit Gläubigerschutz analog zu §302 dAktG) geleugnet, also schon bloß wegen der Einrichtung voll integrierter Konzernierung die Haftung der Muttergesellschaft angenommen, so spricht min in der deutschen Diskussion von Zustandshaftung (Strukturhaftung), wird zusätzlich der Eintritt eines durch fehlerhafte Geschäftsführung verursachten Schadens verlangt, von Verhaltenshaftung (Konzernleitungshaftung), Konzerngeschäftsführungshaftung; Anhänger der Zustandshaftung: z. B. ZÖLLNER, aaO (Fn.43), KonzernR Rdn.30a; K.SCHMIDT, ZIP 1986, 146ff; vgl. auch BGH ZIP 1989, 440 (Zustandshaftung mit Gegenbeweis mangelnder Ursächlichkeit); der Verhaltenshaftung: LUTTER, aaO (Fn. 32), S. 206 ff, der sich dabei - mit Abweichungen im Detail - auf die BGH-Rechtsprechung berufen kann. Wie Lütter klarmacht, bedeutet Verhaltenshaftung eine Einschränkung des Haftungstatbestandes, weil eben zu den strukturellen Zustandsvoraussetzungen noch ein Schaden und ein Fehlverhalten hinzutreten müssen; Lütter weist darauf hin, daß diese auch in der BGH Rechtsprechung prinzipiell gemachte Einschränkung de lege lata - als vorsichtige Rechtsfortbildung - geboten sei, während der Arbeitskreis GmbH-Reform das Modell der Zustandshaftung als ein de lege ferenda-Modell vorgestellt hat. Meines Erachtens verwässert das Verhaltenshaftungsmodell das Konzept des qualifizierten Konzerns in zwei Punkten: Es verlangt die Feststellung eines Schadens, obwohl das Konzept gerade aus dem Grundgedanken heraus entwickelt wurde, daß bei hochintegrierten Konzernen ein Schaden rational nicht mehr meßbar ist. Zudem zwingt es zur Einführung eines Rechtswidrigkeits-(Pflichten-)Maßstabs (das führt Lutter zu dem Konzept der „ordentlichen Konzerngeschäftsführung"). Worin anders aber soll dieser Maßstab, wenn er seine Funktion als Gläubigerschutzmittel erfüllen soll, bestehen, als daß eine ordentliche Konzernleitung ihre Tochtergesellschaften „über Wasser halten" muß. Wird der Muttergesellschaft in der Krise des Gesamtkonzerns gestattet, im Konzerninteresse die Töchter gleichmäßig oder ungleichmäßig zu schädigen, soweit dies einer ordentlichen Konzerngeschäftsführung entspricht (vgl. den bei LUTTER, ZGR 1987, 324 ff berichteten französischen Strafrechtsfall), so verliert die Verhaltenshaftung gerade ihre Schutzfunktion für die Gläubiger der Einzelgesellschaft. Auch KOPPENSTEINER, aaO (Fn. 27), Vorb. §311 AktG Rdn. 24, kritisiert, daß die Formel „eine nachhaltige Beeinträchtigung, also eine Schädigung voraussetzt, die andererseits im qualifizierten Konzern gerade nicht mehr feststellbar sein soll". Das Problem erkennt Lutter dem Prinzip nach auch, wenn er (aaO [Fn. 32], S. 200 und 212) der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft die Pflicht auferlegt, schädliche Weisungen und Weisungen mit dem Zweck der verdeckten Gewinnausschüttung, aber wohl auch Weisungen zur Verfügungstellung von Liquidität abzulehnen, wenn die Bonität der Muttergesellschaft nicht mehr ausreichend gesichert ist. In diesem Fall muß also wohl der Tochtergeschäftsführer nach Lutter den Gehorsam aufkündigen oder zumindest von der Mutter vorab für seinen Gehorsam Bargeld oder Sicherheit verlangen.
Konzernrecht in Österreich
213
T r o t z dieser schwierigen Abgrenzung nimmt heute die überwiegende deutsche Lehre an, daß die Einrichtung eines qualifiziert faktischen K o n z e r n s bei der G m b H o h n e Z u s t i m m u n g aller Gesellschafter unzulässig ist 7 0 . Konsequenterweise m u ß man dann auch dem einzelnen Gesellschafter rechtliche Möglichkeiten an die H a n d geben, die Entstehung des qualifiziert faktischen K o n z e r n s zu verhindern, insbesondere auch durch Unterlassungsklage gegen den Mehrheitsgesellschafter als herrschendes U n t e r n e h m e n 7 1 ; daneben wird ein Austrittsrecht Koppensteiner
des
Minderheitsgesellschafters
angenommen.
Hingegen
lehnt
ein V e r b o t qualifizierter Konzernierung ab 7 2 und hält die U n t e r -
lassungsklage sogar für rechtstechnisch undurchführbar 7 3 . N o c h strenger als die herrschende L e h r e ist Zöllner7*.
E r hält die These, „der einfache faktische
K o n z e r n sei zulässig, der qualifizierte unzulässig", für mißverständlich, da für ihn beide gleichermaßen unzulässig sind: J e d e M a ß n a h m e , die die Gesellschaft ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit beraubt oder diese erheblich beeinträchtigt, ist o h n e Z u s t i m m u n g der Minderheit unzulässig. Es besteht ein Unterlassungsanspruch gegen die Geschäftsführer und das herrschende U n t e r n e h m e n . F ü r das österreichische R e c h t liegt die derzeitige normative Ausgangslage noch deutlicher als in Deutschland, weil in Osterreich jede Änderung des Unternehmensgegenstandes der Einstimmigkeit bedarf (§ 5 0 A b s . 3 ö G m b H G ) ; überdies sieht das G m b H - R e c h t Einstimmigkeit bei Verschmelzung von zwei Gesellschaften m b H v o r ( § 9 6 Ö G m b H G ) . Daraus habe ich den G r ö ß e n s c h l u ß gezogen, daß qualifizierte Konzernierung nicht nur dann des einstimmigen Beschlusses bedarf, wenn formal der Unternehmensgegenstand zu ändern ist, sondern - erst recht - w e n n eben die gesamte unternehmerische Tätigkeit einem
7 0 F I S C H E R / L U T T E R / H O M M E L H O F F , a a O ( F n . 6 9 ) , A n h . § 1 3 G m b H G R d n . 1 6 ; LUTTER, a a O ( F n . 3 2 ) , S . 2 0 4 f f , 2 0 6 ; K.SCHMIDT, Gesellschaftsrecht, 1986, 915, 909, 889. 71 ZÖLLNER, a a O ( F n . 3 3 ) , K o n z e r n R R d n . 13 a; LUTTER, a a O ( F n . 3 2 ) , S . 2 0 5 : D o r t a u c h
ausdrücklich Anspruch auf Unterlassungsklage; vgl. aber FISCHER/LUTTER/HOMMELHOFF, a a O ( F n . 6 9 ) , A n h . § 13 G m b H G R d n . 16. 7 2 KOPPENSTEINER,
aaO
( F n . 2 3 ) , S. 1 0 6 f ; ROWEDDER/KOPPENSTEINER,
aaO (Fn. 68),
Anh. § 52 G m b H G Rdn. 37; abweichend jetzt in der 2. Aufl.; de lege lata nimmt Koppensteiner mit der herrschenden Lehre ein Austrittsrecht an, de lege ferenda empfiehlt er auch bei der GmbH Verlustübernahme. 73 Soweit sich die Minderheitsgesellschafter gegen konkrete einzelne Maßnahmen der qualifizierten Konzernierung wenden - und nur das kann Erfolg versprechen - halte ich den Einwand Koppensteiners, daß man das Klagebegehren nicht vollstreckungsfähig formulieren kann, für widerlegbar; schließlich geht auch das Recht der Personengesellschaften davon aus, daß jeder Gesellschafter bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen ein Zustimmungsrecht hat und sich dagegen mit Klage wehren kann. Das ist sicher auch bei komplexen Strukturentscheidungen der Personengesellschaft anzunehmen, also z. B. eben auch, wenn sie sich der qualifizierten Konzernierung durch einen Mitgesellschafter unterwirft. 74 ZÖLLNER, a a O ( F n . 3 3 ) , K o n z e r n R R d n . 10 a.
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Peter Dorait
übergeordneten Konzerninteresse untergeordnet wird; darin ist meines Erachtens eine Art Zweckänderung zu sehen75. Überdies ist heute meine Auffassung, daß ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen der Zustimmung der Generalversammlung bedürfen76, in Osterreich wohl herrschend geworden, so daß ganz unbestreitbar die schleichende Einrichtung eines qualifiziert faktischen Konzerns ohne Befassung der Generalversammlung im österreichischen GmbHRecht unzulässig ist. Krejci kommt in seinem Gutachten zum 1 0 . Ö J T zum selben Ergebnis 77 ; Koppensteiner lehnt diese Auffassung ab 78 . Bemerkenswert ist hier die Position Lutters und U. H. Schneiders, die den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern ohne Zustimmung aller Gesellschafter für verboten ansehen, aber dem „reuigen" Mehrheitsgesellschafter aus der „Ehe ohne Trauschein" den „Weg in die Legalität" durch %-Mehrheit bei Abschluß eines Konzernvertrages erleichtern wollen (ohne Stimmrechtsausschluß der Mehrheit, aber mit materieller ex post-Beschlußkontrolle durch Anfechtungsklage79). Für die Aktiengesellschaft wird in der deutschen Diskussion der qualifiziert faktische Konzern heute ebenfalls überwiegend für unzulässig angesehen80. Ich will jetzt hier nicht näher untersuchen, ob nach dem rudimentären geltenden österreichischen Aktien-Konzernrecht die Einrichtung eines qualifizierten Konzerns (mit oder ohne ausdrückliche Satzungsbestimmung bei der Tochtergesellschaft) zulässig ist, sondern mich dem Problem de lege ferenda zuwenden. Meine Vorschläge betreffen grundsätzlich AG und GmbH in der gleichen Weise; dafür spricht auch gerade hier, daß wohl kaum Vio der österreichischen Aktiengesellschaften börsennotiert sind und eine größere Zahl von Gesellschaftern haben. 75 DORALT, Entwicklungen im G m b H - K o n z e r n r e c h t , Z G R Sonderheft 6, 1986, S. 6 f. 76 PETER DORALT, in: Kastner/Stoll, l . A u f l . , 1970, S. 196; 2. Aufl., 1977, S. 273 m. w. N . ; ebenso
PAUL
DORALT,
WiPolBl
1/1974;
KASTNER, A u f s ä t z e ,
1982,
S. 4 7 9 ;
REICH-
ROHRWIG, a a O ( F n . 4 3 ) , S. 331 (der ausdrücklich auf Maßnahmen, welche „tief in die Struktur der G m b H eingreifen", wie etwa „Ausgründung" oder der Abschluß von „Organschaftsverträgen", verweist). 77
KREJCI, G u t a c h t e n z u m 1 0 . Ö J T , 1 9 8 8 , 3 8 4 .
78
K O P P E N S T E I N E R , a a O ( F n . 2 3 ) , S . 1 1 5 f ; DERS., R d W
1 9 8 5 , 175 ff.
79 LUTTER, a a O ( F n . 3 2 ) , S . 2 0 5 F n . 5 7 , S. 196; U . H . SCHNEIDER, Entwicklungen G m b H - K o n z e r n r e c h t , Z G R Sonderheft 6, 1986, S. 132. 80
Vgl. K.SCHMIDT, a a O ( F n . 7 0 ) , S . 7 2 8 ;
F L U M E , a a O ( F n . 5 6 ) , S. 1 2 6 f ;
im
HOMMELHOFF,
Konzernleitungspflicht, 1982, S. 123 ff; vgl auch GESSLER, FS Flume, S. 55 ff und in G e ß l e r / H e f e r m e h l / E c k a r d t / K r o p f f , K o m m . z. A k t G , 1976, § 311 Rdn. 39; O L G H a m m N J W 1 9 8 7 , 1 0 3 0 ; K R O P F F , FS Goerdeler, S. 265 meldet mit Koppensteiner Bedenken gegen die Bemerkung, qualifizierte Konzernbindung sei unzulässig, an. Zu beachten ist, daß jedenfalls mit der Einrichtung qualifizierter faktischer Konzernverhältnisse bei der Aktiengesellschaft Rechtsfolgen verbunden sein können, auch wenn dies als zulässig angesehen wird (vgl. zu den Rechtsfolgen K.SCHMIDT, a a O ; TIMM, N J W 1987, 9 7 7 f f ) . KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 2 7 ) , V o r b . § 3 1 1 A k t G R d n . 2 2 , § 3 1 1 A k t G R d n . 2 6 , 4 5 f , 104 unterscheidet: Verboten sei die Herbeiführung eines qualifizierten K o n z e r n s , nicht der einmal erreichte Zustand (daher auch kein Unterlassungsanspruch der Minderheit).
Konzernrecht in Österreich
215
- 5 % des Nennkapitals oder Gesellschafter, deren Anteile nach der letzten Einheitswertfeststellung mehr als 5 Mio. öS wert sind, können auf Unterlassung von strukturverändernden Maßnahmen, welche ohne gleichzeitigen Abschluß eines Konzernvertrags der qualifizierten Konzernierung dienen, klagen. - Bei festgestellter qualifizierter Konzernierung ohne Konzernvertrag hat jeder Minderheitsaktionär das Recht auf Barabfindung unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Synergieeffekte. - Wenn Minderheitsaktionäre vorhanden sind, so darf ein qualifiziert faktischer Konzern (intensive Leitung der Tochtergesellschaft, Dominanz der übergeordneten Konzern-Unternehmensinteressen, Aufteilung der betrieblichen Funktionen zwischen der Konzerngesellschaft und ihrer Muttergesellschaft, so daß die Konzerngesellschaft isoliert nicht lebensfähig ist, Abstimmung der Märkte) nur eingerichtet werden, wenn ein Konzernvertrag abgeschlossen wird. - Um sicherzustellen, daß beim Abschluß des Konzernvertrages die Interessen der Minderheit angemessen berücksichtigt werden, empfehle ich ein wirkungsvoll am Grundsatz des Vertragsrechts der Privatautonomie orientiertes Modell. Der Konzernvertrag bietet nur dann eine inhaltliche „Richtigkeitsgew ä h r w e n n die Minderheit getrennt von der Mehrheit und unabhängig von ihr, ausgestattet mit angemessener Information, ihren Willen bilden kann. O h n e solche Kautelen degeneriert der Konzernvertrag zu einer von der Mehrheit oktroyierten Enteignung mit gerichtlicher Kontrolle der Entschädigung. Das „Enteignungsmodell" erscheint mir nur dann vertretbar, wenn eine kleine, typischerweise nicht (nicht mehr) unternehmerisch, sondern bloß kapitalistisch interessierte Minderheit opponiert. Daher ist für die Zustimmung zum Konzernvertrag eine doppelte Beschlußfassung vorzusehen, und zwar - 3/4-Mehrheit aller bei der Beschlußfassung Abstimmenden und - %-Mehrheit der in einer Sonderabstimmung abstimmenden „freien Gesellschafter". - Erreicht die Beteiligung der Mehrheit 90 %, so ist diese berechtigt, die Minderheit zu einem Preis unter Berücksichtigung des wahrscheinlich erzielbaren Synergiegewinnes auszukaufen. Sowohl im Rahmen des Konzernvertrags als auch hier bleibt der Mehrheit die Möglichkeit offen, Aktien der Muttergesellschaft statt Bargeld anzubieten; die Minderheit soll aber nicht (wie nach dAktG) zur Aktie gezwungen werden können - obwohl dadurch die Finanzierung und manchmal auch die Berechnung leichter wäre; wenn die Mehrheit ein attraktives Angebot macht, wird die Minderheit ohnedies zugreifen 81 . 81 Harmonisierung zu den Fusionsregeln ist noch herbeizuführen. Der Mehrheit kann flexibel überlassen bleiben, ob sie statt Stammaktien Vorzugsaktien (stimmrechtslos), Gewinnschuldverschreibungen oder Partizipationsscheine (die auch außerhalb des K W G und VAG gesetzlich zu regeln wären) anbietet.
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Peter Dorait
- Zur Verbesserung der Informationslage der Minderheit soll schon bei bestehender Abhängigkeit, also auch ohne konzernmäßige Leitung, ein den Gesellschaftern zugänglicher Abhängigkeitsbericht des Managements vorgesehen werden; bei wichtigen Geheimhaltungsinteressen können Teile davon bei der A G bloß an den Aufsichtsrat erstattet werden, der Abhängigkeitsbericht ist bei der prüfungspflichtigen A G und G m b H von einem von der Minderheit bestellten Berichtsprüfer zu prüfen; wenn keine Abschlußprüfung vorgeschrieben ist, kann die Minderheit eine solche Prüfung verlangen (Ausbau der Sonderprüfung nach § 45 ö G m b H G ) . Der Abhängigkeitsprüfer ist zu entsprechenden Hinweisen verpflichtet, wenn er Anhaltspunkte für die Annahme eines qualifizierten Konzerns festgestellt hat 82 . - U m der Minderheit die Beurteilung des vorgeschlagenen Konzernvertrages zu erleichtern, ist sie berechtigt, zur Prüfung des vorgeschlagenen Konzernvertrages einen eigenen Prüfer zu bestellen (das kann, muß aber nicht dieselbe Person wie der Prüfer des Abhängigkeitsberichtes sein). Zu den Vorschlägen nur einige Bemerkungen: Die Anknüpfung von Minderheitsrechten an den Einheitswert erscheint mir rationaler als die Anknüpfung an den Nennwert. Während der Anspruch auf Unterlassung von Maßnahmen an einen Mindestbeteiligungsbesitz geknüpft wird, weil damit ein Eingriff in die Geschäftsführung eröffnet wird, der möglicherweise schikanös ausgenützt wird, soll hingegen der Abfindungsanspruch jedem Minderheitsgesellschafter offenstehen. Die Genehmigung des Konzernleitungsvertrages durch Sonderabstimmung der Minderheit führt zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Stimmrechtsausschluß des Mehrheitsgesellschafters; aber auch der Wille des Mehrheitsgesellschafters sollte dokumentiert sein. Doppelabstimmungen bei Interessenkollisionen sind im übrigen auch dem geltenden Aktienrecht bekannt (vgl. §§117 Abs. 3, 149 Abs. 2; §174 Abs. 1 ö A k t G ; getrennte Abstimmungen bei Vorzugsaktien und Aktiengattungen). Die Probleme der Definition der Mehrheit (verbundene Unternehmen, sonstige Näheverhältnisse durch Syndikatsverträge, aber auch Familienzugehörigkeit) müßten lösbar sein. Das Erfordernis einer %-Mehrheit der freien Gesellschafter läuft bei einer kleinen Gesellschafterzahl (personalistische Struktur) häufig praktisch auf Einstimmigkeit hinaus, bei einer größeren Gesellschafterzahl entfällt die Möglichkeit der Erpressung durch Zwerganteile. Durch die Möglichkeit des „Auskaufens" einer bloß 1 0 % igen Minderheit wird das Recht des „Beinahe-Alleingesellschafters" auf Entscheidung über die Umwidmung des Einsatzes seines Vermögens unter Wahrung der typischerweise rein kapitalistischen Interessen der Minderheit berücksichtigt, weiters ein 82 Vgl. hierzu KROPFF, FS Goerdeler, S. 259 ff. Vgl. auch bei Fn.94.
Konzernrecht in Österreich
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zusätzlicher Riegel gegen Erpressung durch eine Minderheit vorgeschoben. Im Zusammenhang mit dem Problem der Erpressung durch die Minderheit sollte generell erwogen werden, daß die Minderheit bei Erhebung einer Anfechtungsklage die aufschiebende Wirkung für die Registereintragung in einem Provisionsverfahren verlangen muß und der Richter Sicherheitsleistung vorzuschreiben hat (Ansätze dafür bestehen ja bereits im Aktiengesetz); damit soll dem Erpresser die Hebelwirkung des Verzögerungseffektes erschwert werden. Wenn die Mehrheit die Prüfung des Abhängigkeitsberichtes durch einen anderen Prüfer als den Abschlußprüfer vermeiden will, so kann sie das Einvernehmen mit der Minderheit suchen oder sich bei der Wahl des Abschlußprüfers der Entscheidung der Minderheit über den Abhängigkeitsberichtsprüfer anschließen. Die Einrichtung eines Konzernvertragsprüfers folgt im Grundgedanken dem Vorbild der EG-Fusionsrichtlinie (vgl. §§ 340 a und 340 b dAktG). Durch Sonderabstimmungen der Minderheit wird es in Osterreich erstmals eine echte Bedeutung des Depotstimmrechtes der Banken geben. Dies mag Anlaß geben, das Depotstimmrecht im Lichte der deutschen Erfahrungen zu überdenken. Die möglichen Nähebeziehungen der Bank zum Mehrheitsgesellschafter sind aber meines Erachtens viel weniger bedenklich als Beschlußfassung durch den Mehrheitsgesellschafter selbst; überdies spielt das Depotstimmrecht ja nur bei den börsennotierten Aktiengesellschaften eine Rolle. Näherer Prüfung bedarf noch, ob der Mehrheit - z. B. ausnahmsweise für den Fall notwendiger Sanierungs-Konzernierungen - eine Klage auf Zustimmung oder das Recht auf Auskaufen von mehr als 10 % der Minderheit zugestanden werden soll. Die Uberprüfbarkeit des Beschlusses über die Genehmigung des Konzernvertrages (durch Anfechtungsklage oder/und durch Uberprüfung der Wertansätze analog § 3 0 6 dAktG) müßte schon aus Systemgründen erhalten bleiben.
VII.
Minderheitsschutz
bei bestehendem
faktischen Konzern bei der
GmbH
1. Ein einfacher faktischer Konzern ist unter Kontrolle der allfälligen Minderheit ohne Konzernvertrag zulässig. Dabei sollte es auch de lege ferenda bleiben. Im übrigen erscheint mir der Befund gerechtfertigt: Das geltende österreichische G m b H - R e c h t ist bei entsprechender Auslegung und mit wenigen Anpassungen eher zur Lösung der konzernrechtlichen Fragen geeignet als das Vorbild des deutschen A k t G ; das hat ja auch in Deutschland zu bloß selektiver analoger Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften geführt. Rechtstechnisch dürfte hier vieles durch Sicherung der - allgemeinen - Minderheitsrechte erreichbar sein; das kommt eben auch der Konzernminderheit und den Konzerngläubigern zugute.
218
Peter Dorait
2. Solange eine Minderheit - ohne Schutz eines Konzernierungsvertrages vorhanden ist, sollte das strenge österreichische System des Verbots der verdeckten Gewinnausschüttung erhalten bleiben (nur offene Ausschüttungen, nur über ausgewiesenen Gewinn) 8 3 . Das K S t G 1988 84 hat auf die Pönalisierung verdeckter Gewinnausschüttungen verzichtet, daher ist ein mächtiger Bundesgenosse des gesellschaftsrechtlichen Verbots weggefallen. Steuerrechtlich ist sie zwar noch immer verboten 8 5 , aber nicht mehr mit dem Risiko der erhöhten Besteuerung belastet. 3. Daneben besteht - meines Erachtens schon nach geltendem österreichischen Recht - eine Verschuldenshaftung des Gesellschafters (nicht nur seines abhängigen Geschäftsführers), der Geschäftsführungsfragen außerhalb der Generalversammlung faktisch unter Umgehung der Minderheit entscheidet (faktischer Geschäftsführer, dirigeant en fait) und dabei die Gesellschaft schädigt 86 . Will die Mehrheit im Rahmen eines einfachen faktischen Konzerns ausnahmsweise eine nachteilige Weisung durchsetzen, so muß sie die Entschädigung mit der Minderheit aushandeln. Bei ungewöhnlichen Maßnahmen ist der Weg zu diesem Ergebnis schon de lege lata durch das Erfordernis eines Generalversammlungsbeschlusses vorgezeichnet 87 . Selbst ein sofortiger „Nachteilsausgleich" (also nicht wie nach §311 d A k t G bis zum Jahresende verschoben) ist nur bei eindeutigen Verhältnissen zulässig 8 8 .
83 §82 ö G m b H G ist bekanntlich strenger als § § 3 0 f d G m b H G ; dazu ARNOLD, G e s R Z 1985, 86 ff; REICH-ROHRWIG, a a O (Fn.43), S. 647 ff. Deshalb treffen die diesbezüglich zwischen A G und G m b H differenzierenden deutschen Auffassungen (LUTTER, a a O [Fn. 32], S. 211 ff; ZÖLLNER, a a O [Fn.33], KonzernR R d n . 3 5 f ) de lege lata in Österreich nicht zu. Zu den Parallelen zwischen Nachteilsausgleich gem. § 311 ff d A k t G und verdeckter Gewinnausschüttung vgl. KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), §311 A k t G Rdn.37. 84 W. DORALT/RUPPE, Grundriß des österreichischen Steuerrechts 1, 4. Aufl., 1989, S. 233 ff. 85 LAHODNY-KARNER (ZU den Verrechnungspreisen), Ö S t Z 1988, 264 mit Hinweisen auf ihr Buch; BERGMANN (zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter), Ö S t Z 1988, 272; zur deutschen Diskussion der Verrechnungspreise übersichtlich KOPPENSTEINER, a a O (Fn.27), §311 A k t G R d n . 3 8 f . 8 6 V g l . K O P P E N S T E I N E R , W B 1 . 1 9 8 8 , 3 ; DERS., a a O ( F n . 2 3 ) , S . 1 0 9 ;
ROWEDDER/KOPPEN-
STEINER, a a O (Fn. 36), §43 G m b H G R d n . 4 6 , Anh. § 5 2 G m b H G R d n . 4 9 f f ; FISCHER/ LUTTER/HOMMELHOFF, a a O (Fn. 69), A n h . § 1 3 G m b H G
R d n . 13 f; Z Ö L L N E R ,
aaO
(Fn. 33), KonzernR Rdn. 9 , 1 4 ; als Grundlage wird Treuepflicht gegenüber der Minderheit diskutiert; vgl. § 317 d A k t G , Art. 9, 9. RL-Entwurf; vgl. auch den Grundgedanken der E u m i g - E JB1. 1986, 713 = G e s R Z 1987, 46 und P. DORALT, G e s R Z 1982, 96. 87 Vgl. oben Fn. 76; der Beschluß, mit dem eine verdeckte Gewinnausschüttung ohne Nachteilsausgleich sanktioniert würde, ist schon nach geltendem Recht von jedem Gesellschafter bekämpfbar (vgl. REICH-ROHRWIG, a a O [Fn. 43], S. 650). 88 LÜTTER, a a O ( F n . 3 2 ) , S. 2 0 5 ; ROWEDDER/KOPPENSTEINER, a a O
G m b H G Rdn. 49.
(Fn.36), Anh.
§52
Konzernrecht in Österreich
219
Beide Ansprüche können schon nach geltendem österreichischen R e c h t von einer 1 0 % i g e n Minderheit verfolgt werden 8 9 . Zu erwägen wäre: - Absenkung der Schwelle auf 5 % , -
Erweiterung um Anfechtungsbefugnis ab z. B. 5 M i o . Einheitswert der Beteiligung oder
- eine echte actio p r o socio, wie sie in Deutschland im Vordringen ist. Klarzustellen wäre, daß eine gleiche (allenfalls höhere) Minderheit neben diesen Ansprüchen auf Rückgewähr der verdeckten Ausschüttung und auf Schadenersatz (actio pro socio) einen Anspruch auf Rückgängigmachung von Schritten zur qualifizierten Konzernierung und einzelner nachteiliger Konzerngeschäfte hat, ebenso einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch 9 0 . 4. Wird über ein Rechtsgeschäft mit dem Mehrheitsgesellschafter in der Generalversammlung abgestimmt, so ruht das Stimmrecht des Mehrheitsgesellschafters ( § 3 9 Abs. 4 ö G m b H G ) . Wird das Stimmverbot verletzt oder ordnet ein Generalversammlungsbeschluß
eine
Schädigung
ohne
Anwendbarkeit
des
Stimmverbots an, so entlastet das den Geschäftsführer zumindest im Konzern nicht, wenn Minderheitsgesellschafter widersprechen 9 1 . 5. F ü r vertretbar halte ich es, den Anspruch der Minderheit auf Abberufung des Geschäftsführers der G m b H , der nachhaltig die Interessen der Gesellschaft verletzt, zu verankern. Die Beschränkung der Abberufungsklage nach dem Wortlaut des § 16 G m b H G (seit N o v e m b e r 1980) auf einen GesellschafterGeschäftsführer halte ich schon nach geltendem G m b H - R e c h t für verfehlt 9 2 .
8 9 PETER D O R A L T , a a O ( F n . 7 6 ) , S . 2 4 8 ; R E I C H - R O H R W I G , a a O ( F n . 4 3 ) , S . 6 5 4 .
90 Vgl. ZÖLLNER, aaO (Fn. 33), KonzernR Rdn. 9, 13 a. Einen Anspruch auf Auflösung von nachteiligen Rechtsgeschäften mit dem Konzern unter Wahrung wohlerworbener Rechte Dritter sieht auch der EG-Richtlinien-Entwurf vor (Art. 11 Abs. 1 lit. b). Vgl. oben nach Fn. 80 und unten bei Fn. 100. 91 ROWEDDER/KOPPENSTEINER, aaO (Fn. 36), Anh. § 52 GmbHG Rdn. 49; meines Erachtens ist auch außerhalb des Konzems keine Entlastungswirkung anzunehmen, sondern der Geschäftsführer zur Aufklärung der Minderheitsgesellschafter verpflichtet (er darf sich nicht hinter dem formalen Schild eines GV-Beschlusses zum bloßen Vollstrecker von Sonderinteressen der Mehrheit machen); in bestimmten Konstellationen (z. B. bei Gesellschaften der öffentlichen Hand) halte ich ihn selbst bei der Einmann-GmbH zur Anfechtung verpflichtet (vgl. KASTNER, aaO [Fn. 11], S. 314). Für die Anfechtbarkeit bedarf es keines Nachweises einer Schädigungsabsicht (anders der Wortlaut von §195 Abs. 2 öAktG). 92 Vgl. ZÖLLNER, aaO (Fn.33), KonzernR Rdn. 8; siehe auch Art. 11, 9. EG-RichtlinienEntwurf. Zu erwägen wäre auch, den Geschäftsführer (nach englischem Vorbild) nur für eine bestimmte Zeit zu „disqualifizieren". Vgl. HICKS, Disqualification of Directors - Forty Years On, Journal of Business Law 1988, 27 ff.
220
Peter Dorait
6. Nach herrschender Lehre ist in Österreich eine verdeckte Gewinnausschüttung im Prüfungsbericht zu erwähnen; diese Information hilft schon nach geltendem Recht dem Minderheitsgesellschafter93, weil ihm der Prüfungsbericht zugänglich ist. In Fortentwicklung des geltenden Rechts94 sollte ein nach seinem Inhalt an den deutschen Vorschriften angelehnter Abhängigkeitsbericht über Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern (sowie mit deren nahen Angehörigen und den mit ihnen verbundenen Unternehmen) angeordnet werden, ebenso über Geschäfte und Maßnahmen, die auf Veranlassung oder im Interesse eines Gesellschafters (naher Angehöriger oder verbundener Unternehmen) abgeschlossen wurden. Diese Berichtspflicht sollte unabhängig davon bestehen, ob die Gesellschafter unternehmerisch tätig sind. Jedenfalls bei der GmbH sollte dieser Bericht an die Gesellschafter erstattet werden. Eine Minderheit95 sollte berechtigt sein, Prüfung durch einen von ihr gewählten Prüfer zu verlangen; wenn der Jahresabschluß prüfungspflichtig ist, sollte auch die Prüfung des Abhängigkeitsberichts vorgeschrieben sein 96 ; darauf könnten die Minderheitsgesellschafter aber auch von Jahr zu Jahr verzichten. Es handelt sich um eine Fortentwicklung der Sonderprüfung nach §45 öGmbHG, dessen zu enge Voraussetzungen (besonders die Beschränkung auf Prüfung des Jahresabschlusses) bei dieser Gelegenheit zu überprüfen sind. 7. Die Bestimmungen über den faktischen Konzern bei der AG könnten grundsätzlich den Regeln des GmbHG folgen; sie sollten gegenüber der GmbH im Zweifel nicht wesentlich leichter sein, da sonst das Problem der Umwandlung entsteht (Flucht in die billigere Rechtsform); dafür spricht wiederum die große Zahl der nicht börsennotierten AGs mit personalistischer Struktur. Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch einen von der Minderheit bestellten Abhängigkeitsprüfer wäre auch für die AG vorzusehen. Sowohl bei AG als auch bei GmbH sollen Abhängigkeits- und Abschlußprüfer verpflichtet sein, auf Anhaltspunkte für den Bestand eines qualifizierten Konzerns hinzuweisen. Wenn die Aktionäre nicht anonym, d. h. praktisch nicht börsennotiert sind, wäre ihnen meines Erachtens der Abhängigkeitsbericht und der Prüfungsbericht darüber zur Verfügung zu stellen97. Bei börsengängigen Aktien wäre ein öffent-
93
PLATZER, S W K
1985, A I 175; NOWOTNY, R d W
1 9 8 8 , 2 3 f; L A H O D N Y - K A R N E R ,
ÖStZ
1988, 265. 94 Vgl. oben bei F n . 82. KROPFF, F S Goerdeler, S . 2 5 9 , 271 ff begründet, inwieweit über Bestand und Rechtsgrundlagen von Konzernbeziehungen vor und nach dem B i R i L i G im Lagebericht zu informieren ist. Mangelhafte Berichterstattung k ö n n t e zu Einschränkung, Versagung oder Zusätzen des Bestätigungsvermerks führen. Das ist aber vom Inhalt des Abhängigkeitsverfahrens und seiner Prüfung zu unterscheiden. 95 Zur Berechnung siehe oben F n . 81, 82. % Vgl. oben die Ausführungen zum qualifizierten Konzern unter V I . 2. e). 97 Vgl. oben unter V I I . 6.
Konzernrecht in Österreich
221
lieh zugänglicher „abgemagerter" Abhängigkeits- und Prüfungsbericht vorzuschen , s . Sowohl für A G als auch für G m b H können alle Rechtsbehelfe der Minderheit konkurrierend geltend gemacht werden, insbesondere wird das Instrument der verdeckten Gewinnausschüttung nicht durch Schadenersatzpflicht verdrängt; das ist praktisch wichtig, weil bei der verdeckten Gewinnausschüttung ein Nachweis von Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden nicht erforderlich ist, dafür aber auch Folgeschäden nicht beansprucht werden können. Außerdem sind auch Schädigungen ohne verdeckte Gewinnausschüttung denkbar, insbesondere schlichte schuldhafte Fehlentscheidungen der Konzernführung, die außerhalb des kaufmännischen Ermessens bleiben. Die verdeckte Gewinnausschüttung muß nicht dem Mehrheitsgesellschafter selbst zufließen 9 9 . Nach hergebrachten Vorstellungen paßt es schlecht zur A G , der Minderheit einen
klagbaren
(gar
vorbeugenden)
Unterlasssungsanspruch
und
einen
Anspruch auf Rückgängigmachung einzelner Maßnahmen einzuräumen; andererseits ist die personalistische Struktur vieler österreichischer Aktiengesellschaften zu bedenken. Ich neige dazu, auf diese Rechtsbehelfe bei der A G zu verzichten, weil ja der Vorstand auch nicht den Weisungen der Hauptversammlungen unterworfen ist. Schadenersatzansprüche dürften genügen. Statt einer jedem Gesellschafter zustehenden actio pro socio wäre bei der A G wohl nur einer Minderheit das Klagerecht einzuräumen 1 0 0 , und zwar analog zum qualifiziert faktischen Konzern 5 % des Nennkapitals oder 5 Mio. öS Einheitswert 1 0 1 .
VIII.
Gläubigerschutz
1. Minderheitsgesellschafter
im faktischen
Konzern
Bei Vorhandensein von Minderheitsgesellschaftern im faktischen Konzern gibt es Gläubigerschutz - wirtschaftlich betrachtet - schon als faktische Reflexwirkung des Verhaltens der Minderheit.
98 Vgl. die Vorschläge des 9. EG-Richtlinienentwurfs, abgedruckt bei: LUTTER, Europäisches Unternehmensrecht, 1991. 99 Vgl. V w G H 1 5 . 3 . 1 9 8 8 , 8 7 / 1 4 / 0 0 7 2 und hierzu BERGMANN, Ö S t Z 1 9 8 8 , 2 7 2 ; vgl. auch CANARIS, F S Fischer, 1979, S . 3 1 .
100 Zum Problemkreis siehe KNOBBE-KEUK, FS Ballerstedt, 1975, S. 239 (actio negatoria des Einzelaktionärs gegen faktische Satzungsänderung); LUTTER, ACP 180 (1980), 84, 142; HOMMELHOFF, aaO (Fn. 80), S. 477 ff und die umfangreiche Literatur zu BGHZ 83, 122 („HolzmüUer"); für die GmbH & Co KG P.DORALT, aaO (Fn.76), S.248; WAHLE, in: Klang (Hrsg.), Komm. z. ABGB, Bd.V, 2.Aufl., 1954, S.518, hielt das Fehlen der actio pro socio noch für ein Wesensmerkmal der juristischen Person. 101 Vgl. oben bei Fn.89.
222
Peter Dorait
Bei der rechtspolitischen Diskussion ist im Vergleich zu 100% igen Tochtergesellschaften zu bedenken, daß erfahrungsgemäß gerade die selbständige GmbH konkursanfällig ist.
2. Die Auffassungen
in der wirtschaftlichen
Praxis
Bei der Konzerntochtergesellschaft, insbesondere der 100% igen Tochtergesellschaft, verläßt sich der Gläubiger häufig und meist mit Erfolg darauf, daß die Muttergesellschaft grundsätzlich die Tochtergesellschaft nicht in Konkurs gehen läßt. In der wirtschaftlichen Diskussion in Österreich wurde dieser Gedanke im besonderen in Fällen von Mehrheitseigentum des Staates und verstaatlichter Großbanken respektiert. Man sprach von „unsinkbaren Schiffen". Die Diskussion über die Haftung der Ol AG für die ihren Tochtergesellschaften gewährten Kredite ist noch nicht abgeschlossen. Es paßt ganz hierher, wenn Lutter in diesem Zusammenhang die OECD-Guidelines für multinationale Gesellschaften zitiert, die derartiges Verhalten "as a matter of good management practice" ansehen102. Allerdings gibt es in Österreich und in Deutschland auch gegenteilige Beispiele; so hat AEG im Ausgleichsverfahren einige Tochtergesellschaften (z. B. die bekannte Firma Neff) „ohne Quote" in Konkurs gehen lassen103. Bei der Krise der verstaatlichten Industrie im Gefolge von Ölspekulationen wurde auch in der juristischen Öffentlichkeit 104 - die Frage diskutiert, ob nicht die betroffenen Tochtergesellschaften der VOEST bzw. der Chemie Linz besser Konkurs anmelden sollten; ein Konkurs der Tochtergesellschaften wäre meines Erachtens - ganz abgesehen von der enormen Kreditschädigung für die gesamte verstaatlichte Wirtschaft und wohl auch für die Republik Österreich - schon wegen der bestehenden Gewinn- und Verlustausschließungsverträge - unzulässig gewesen. §15 Abs. 6 KWG 1979 (vor der Novelle 1986) enthielt eine - beschränkte Anerkennung der Praxis, da dort den Banken die Bonitätsprüfung für Gesellschaften mit direkter Staatsbeteiligung erleichtert wurde.
1 0 2 LUTTER, Z G R
1987, 355 Fn. 129 u n d
366.
103 LUTTER, ZGR 1987, Fn. 141 m . w . N.; dort auch Hinweise zum Fall Gerling (im Herstadt-Konkurs stellte der Großaktionär Gerling „freiwillig" die Hälfte seines sonstigen Vermögens zur Verfügung); die Deutsche Bank gibt in ihrem Geschäftsbericht öffentlich eine Art Verlustabdeckungserklärung für Beteiligungen an Verwaltungsgesellschaften ab, die als selbständige Hilfsbetriebe die Bank in nicht banktypischen Verwaltungsaufgaben entlasten: „Im Rahmen unserer Quote tragen wir in den vorgenannten Fällen dafür Sorge, daß die betreffenden Unternehmen ihre Verbindlichkeiten erfüllen können." 104 V g l . PASCHINGER, R Z 1986, 27.
Konzernrecht in Österreich 3. Die
223
Eumig-Entscheiäung
Einen wesentlichen Impuls brachte die Rechtsprechung des O G H , welche die in dem Krida-Delikt § 159 S t G B für den Geschäftsführer angelegte deliktstypische Sorgfaltspflicht auf den Einmann-Gesellschafter (die Bank) 1 0 5 ausdehnte, von dem feststand, daß seine O r g a n e und Funktionäre mit den Geschäftsführern „in engem K o n t a k t " standen und daß „die richtungsweisenden geschäftspolitischen Entscheidungen . . . im Einvernehmen mit den leitenden Repräsentanten" getroffen wurden 1 0 4 . Im Ergebnis halte ich die Entscheidung für richtig, aber vor allem deshalb, weil ich den gerichtlich festgestellten Sachverhalt anders als Koppensteiner
deute;
schon 1982 1 0 7 habe ich diese deliktstypische Sorgfaltspflicht auf den Fall eingeschränkt, daß der Geschäftsführer der G m b H
„an der kurzen Leine" eines
laufend in die Geschäftsführung eingreifenden Mehrheitsgesellschafters
liegt
oder daß dieser zumindest gerade die Entscheidung über die Konkurseröffnung trifft; ich sprach davon, daß der Gesellschafter seine Weisungsbefugnis mißbraucht haben m u ß ; ganz verkehrt erscheint es mir auch, aus der schlichten
105 JB1. 1986, 713. Im folgenden wird der Sachverhalt vereinfacht, die bankrotte GmbH war nicht Tochter-, sondern über eine 100%ige Zwischenholding Enkelgesellschaft der Bank. 106 KOPPENSTEINER, WB1. 1988, 10, knüpft in seiner Kritik der Entscheidung an diese Formulierung an, übersieht aber die reale Bedeutung des „engen Kontaktes" und des „Einvernehmens bei den richtungsweisenden geschäftspolitischen Entscheidungen" im Licht der festgestellten Tatsachen ( O G H JBi. 1986, 714); so hatte bei einer Besprechung zwischen den Geschäftsführern und weiteren Mitgliedern der GmbH einerseits und Vorstandsmitgliedern der Alleingesellschafterin andererseits der Generaldirektor der Gesellschafterin - offenbar unwidersprochen von seinen Vorstandskollegen - erklärt, „die Sicherstellung der Liquidität" . . . „sei eine Angelegenheit zwischen der Bank und dem Finanzchef der G m b H " . . . „Es würden jedenfalls von der Bank . . . im Rahmen des erarbeiteten Finanzplans ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt, um das Unternehmen liquid und in der Lage zu erhalten, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen." Aus der Darstellung der Entscheidung wird deutlich: Hier handelte es sich nicht um den Fall, „daß ein Alleingesellschafter vor wichtigen Maßnahmen der Geschäftsführung" von dieser „konsultiert werden wollte" (so KOPPENSTEINER, WB1. 1988, 10), sondern, daß die Entscheidung beim Vorstand der Bank lag; das entsprach der wirtschaftlichen Interessenlage, weil, wie die später notorisch gewordene Entwicklung zeigte, die Verluste aus diesem Kreditobligo einen wesentlichen Beitrag für die Notwendigkeit dieser Sanierung der Bank durch den Staat mit sich gebracht hat. Zur rechtlichen Analyse der Entscheidung siehe auch REICH-ROHRTIG, JBI. 1986, 716 (mit meines Erachtens zu weitreichenden Schlußfolgerungen); HONSELL, JBI. 1987,146 (dessen Kritik teilweise ebenfalls nicht gerechtfertigt ist); HOLESCHOFSKY, GesRZ 1987, 34 ff, der § 36 Abs. 2 öGmbHG zu Unrecht als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger ansieht; ebenso REICH-ROHRWIG, aaO (Fn. 43), S. 333 und ecolex 1990, 354. 107 DORALT, GesRZ 1982, 95 f.
Peter Dorait
224
Befassung der Generalversammlung, die durch §36 Abs. 2 ö G m b H G bei Verlust des halben Stammkapitals vorgeschrieben ist, schon „durch Deutung" dieser Vorschrift als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger eine Haftung zu begründen; mit Recht hat Koppensteiner diesen Ansatz 1 0 8 verworfen. Zu weitgehend erscheint mir, wenn er die Pflicht aus §159 StGB nur dann auf den Gesellschafter erweitern will, wenn der Gesellschafter dem Geschäftsführer die Wahrnehmung seines eigenen Verantwortungsbereiches durch entgegenstehende Weisung praktisch unmöglich macht, oder ihm die Informationen vorenthält, die nötig sind, „um die Aussichten des Sanierungsvorhabens und damit die Notwendigkeit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens abschließend beurteilen zu können". Die Forderung eines Mehrheitsgesellschafters gegenüber einem kreditnehmenden Tochterunternehmen kann sehr wohl ein erhebliches Interesse am Aufschub des Konkurses nach sich ziehen und dazu verleiten, daß u. U. auf einen guten Ausgang gehofft wird, obwohl dies bei fachmännischer Beurteilung nicht mehr zu erwarten ist. Die Frage ist nicht, o b der Gesellschafter, „der zusätzliche Mittel als Kapital oder Darlehen zur Verfügung stellt und sich gerade wegen seines hohen Kreditobligos die letzte Entscheidung über den Konkursantrag vorbehält, das Gelingen der Sanierung zumindest f ü r erheblich wahrscheinlicher hält als das Gegenteil" 1 °9, sondern, o b der Gesellschafter, der die Letztentscheidung über die Konkurseröffnung trifft, in dieser Situation das Gelingen der Sanierung bei Zugrundelegung vernünftiger kaufmännischer Wertung für wahrscheinlicher als das Gegenteil halten durfte. Die Sanierung braucht nicht einmal „erheblich" wahrscheinlicher als der Mißerfolg zu sein. Mit Koppensteiner halte ich die H a f t u n g der (des) Gesellschafter(s) f ü r nicht gegeben, wenn sie der Geschäftsführer bloß „konsultiert", wie das z. B. bei einem - im Einzelfall gar nicht sachkundigen - Alleingesellschafter häufig der Fall sein mag.
4. Haftung der Muttergesellschaft
im einfachen faktischen
Konzern
Grundsätzlich in Übereinstimmung mit der oben geschilderten Eumig-Entscheidung haftet der Gesellschafter, der die Entscheidung, den Konkurs verspätet anzumelden, an sich zieht, bei jedem Grad des Verschuldens" 0 .
108 KOPPENSTEINER, WB1. 1988, 4 bei F n . 2 1 u n d 10 F n . 5 6 . 109 KOPPENSTEINER, W B 1 . 1988,
11.
110 Zu dem Problem, daß nach der österreichischen Rechtsprechung dies eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern ist, vgl. meine - nicht weiter entwicklungsbedürftigen - Überlegungen GesRZ 1982, 96; die österreichische Praxis widerspricht dem Anliegen K.Schmidts, die Ansprüche gegen haftende Geschäftsführer und Gesellschafter über die Gesellschaft bzw. die Konkursmasse zu liquidieren.
Konzernrecht in Österreich
225
D i e Verpflichtung zur Rückgewähr empfangener verdeckter
Gewinnaus-
s c h ü t t u n g e n 1 " ist überhaupt verschuldensunabhängig. Dies gilt in Osterreich wegen § 8 2 G m b H G - selbst bei der G m b H auch für Ausschüttungen, die das Stammkapital nicht beeinträchtigen" 2 . Für diese L ö s u n g spricht - auch de lege ferenda
daß die für den Gläubiger nicht sichtbare verdeckte Ausschüttung
den Informationswert der Bilanz über das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters entwertet: D i e Gläubiger sollen sehen, wenn der Gesellschafter Rücklagen auflöst. Dasselbe gilt erst recht bei der A G ; hier ist übrigens bemerkenswert, daß auch der Vorstand nach § 84 A b s . 3 Z. 1 ö A k t G für die R ü c k g e w ä h r von Einlagen 1 1 3 haftet, und zwar bei jedem G r a d der Fahrlässigkeit auch gegenüber den Gläubigern (§ 84 A b s . 5 ö A k t G ) . Hingegen würde ich - jedenfalls de lege ferenda - mit Koppensteiner
(der
dies de lege lata z u m österreichischen G m b H - R e c h t im Falle einer Weisung an den Geschäftsführer darlegt) vorschlagen, die H a f t u n g des leitenden Mehrheitsgesellschafters
f ü r leicht fahrlässige, fehlerhafte „reine"
rungsentscheidungen
Geschäftsfüh-
bei der Tochtergesellschaft auszuschließen. Z u
diesem
Ergebnis führen mich die behutsamen Überlegungen, die in der Bundesrepublik Deutschland über das Recht auf „unternehmerischen I r r t u m " 1 1 4 angestellt wurden. D a z u veranlaßt mich weiters der Hinweis Koppensteiners
und
Harrers115
auf den Wertungsgesichtspunkt des § 8 4 A b s . 5 ö A k t G : D i e Gläubiger können den Vorstand bei Geschäftsführungsmaßnahmen, die nicht unter den K a t a l o g der kapitalgefährdenden Maßnahmen des § 84 A b s . 3 ö A k t G fallen, nur bei grober Fahrlässigkeit in A n s p r u c h n e h m e n " 6 . Derselbe Gesichtspunkt könnte - realitätsnah - auch auf eine Konzernleitung, die im einfachen faktischen Konzern
einzelne
Leitungsentscheidungen
trifft,
zutreffen.
Gegen
diese
L ö s u n g könnte v o m System des Aktienrechts allenfalls eingewendet werden, daß der Vorstand eben weisungsfrei sein soll und daß sich das ihm in § 8 4 A b s . 5 ö A k t G gewährte Privileg nicht auf die H a u p t v e r s a m m l u n g erstreckt, die ihm Weisungen erteilt. Bei der G m b H fällt dieser Gesichtspunkt allerdings weg.
111 Siehe hierzu oben VII. 2. 112 Siehe hierzu oben VII. 2. 113 In offener oder versteckter Form, so z.B. HEFERMEHL, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, Komm. z. AktG, 1974, §93 Rdn.38. 114 LUTTER, a a O (Fn. 32), S. 206; STIMPEL, E n t w i c k l u n g e n im
GmbH-Konzernrecht,
ZGR Sonderheft 6, 1976, S. 39 ff; vgl. auch die weitreichende Entlastungsmöglichkeit nach SEMLER, FS Goerdeler, S. 572 ff.
115 KOPPENSTEINER, WB1. 1988, 6 F n . 3 2 a .
116 Den Grund dafür sieht HEFERMEHL, aaO (Fn. 113), §93 AktG Rdn. 70 darin, daß „nicht die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit" der Vorstandsmitglieder Einbuße erleidet.
226
Peter Dorait
Das Ergebnis: - Strikte Haftung bei verdeckter Gewinnausschüttung; - Haftung für jeden Grad des Verschuldens, wenn der Gesellschafter auf die Verzögerung der Konkursanmeldung hinwirkt; - Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit, wenn eine sonstige geschäftliche Leitungsentscheidung fehlerhaft getroffen wird; scheint mir praktikabel. Zu betonen ist freilich, daß bei diesem System nachteilige Weisungen des Mehrheitsgesellschafters (mit und ohne Hauptversammlungsbeschluß), welche zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen, die Haftung stets begründen, also nicht unter das Privileg für leichte Fahrlässigkeit fallen würden; weiters ist zu betonen, daß dies nur im Verhältnis zu den Gläubigern gilt. Das bedeutet aber auch, daß bei leicht fahrlässigen Geschäftsführungsentscheidungen der Konzernleitung (die nicht gleichzeitig verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen) keine Ansprüche seitens der Gläubiger gegen die Konzernleitung bestehen, gleichgültig, ob es sich um eine 100 %ige Tochter oder um eine Gesellschaft mit Minderheitsgesellschaftern handelt. Wie nach § 84 Abs. 5 öAktG könnte Ansprüche wegen grob fehlerhafter Konzerngeschäftsführung während eines Konkursverfahrens nur der Masseverwalter geltend machen.
5. Haftung gegenüber den Gläubigern im qualifizierten faktischen
Konzern
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß ein qualifiziert faktischer Konzern bei der G m b H aus rechtlichen, wohl aber auch aus faktischen Gründen leichter entsteht: Aus rechtlichen Gründen wegen der Weisungsfreiheit des Vorstands bei der AG, aus faktischen Gründen, da Vorstandsdirektoren einer AG doch „hohe Herren" sind 117 . Ein Vorstandsmitglied einer AG ist nicht nur rechtlich gesehen unabhängiger als der Geschäftsführer einer G m b H , es erlebt seine Rolle auch unabhängiger. Daher spielt das Problem des qualifiziert faktischen Konzerns vor allem bei der G m b H eine Rolle, zum Verständnis der deutschen Diskussion ist aber zunächst ein Blick auf die AG erforderlich. Nach der heute wohl überwiegenden deutschen Auffassung ist - auch bei der Ein-Mann-Gesellschaft - ein qualifiziert faktischer Konzern unzulässig 1,8 ; eine Zustimmung der Minderheit kann sich nur in der Form des Vertragskonzerns abspielen.
117 Bei Umwandlung einer AG in eine G m b H nehmen es Vorstandsdirektoren gerne zur Kenntnis, daß nach der Oberschrift zu §15 G m b H G auch die Geschäftsführer einer G m b H den Titel Vorstand führen können. 118 Siehe oben bei Fn. 70, 80.
227
Konzernrecht in Österreich
Im Vordergrund steht aber die Frage, welche Rechtsfolgen insbesondere auf dem Gebiet des Gläubigerschutzes eintreten, wenn doch ein qualifiziert faktischer Konzern errichtet wird 1 1 9 . Dabei steht der Grundgedanke Pate, daß eben ein qualifiziert faktischer Konzern nur in der Rechtsform des Vertragskonzerns und der Eingliederung zulässig ist. Zum Gläubigerschutz sieht das Recht des Vertragskonzerns vor allem die Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft (§ 302 d A k t G , eine Art Innenhaftung, weil die Gläubiger nicht unmittelbar auf die Muttergesellschaft greifen können, sondern nur die Tochtergesellschaft einen Anspruch auf die Abdeckung des Verlustes hat) und bei der Eingliederung die gesamtschuldnerische H a f t u n g der Muttergesellschaft (Hauptgesellschaft, § 322 d A k t G ) vor. Diese Rechtslage hat - nicht bei der A G , sondern zunächst bei der G m b H zu der Diskussion geführt, o b diese Gläubigerschutzinstrumente, nämlich insbesondere Verlustübernahme nach §§ 302 ff d A k t G , in anderen Bereichen analogiefähig sind 1 2 0 . Ausgehend von der B G H - R e c h t s p r e c h u n g wird dies nun von einer wachsenden Zahl von Stimmen zunächst für die G m b H , konsequenterweise aber auch für die A G bejaht 1 2 1 . Ich schlage im Einklang mit dieser deutschen Entwicklung für den qualifizierten faktischen Konzern ebenfalls Verlustausgleichspflicht vor. Bemerkenswert ist allerdings, daß die grundlegende Autokran-Entscheidung des B G H 1 2 2 in Analogie zu §303 und § 3 2 2 d A k t G eine Außenhaftung postuliert hat. O b und inwieweit eine Einschränkung dieser H a f t u n g durch
Nachweis
haftungsausschließender U m s t ä n d e zulässig sein soll (reine Zustands- = Strukturhaftung oder Verhaltens- = Verschuldenshaftung 1 2 3 ), bedarf noch näherer Prüfung. Z u bedenken ist, daß bei aller Großzügigkeit der deutschen Rechtsfortbildung die vom B G H entwickelten Lösungen doch nicht mit derselben Freiheit gestaltet wurden, wie sie in der Rechtspolitik möglich sind. Jedenfalls kann der Gesellschafter die Vermutung widerlegen, seine von ihm geleitete Konzerngesellschaft sei Teil eines qualifizierten Konzerns gewesen 1 2 4 . Er kann nachweisen, daß es sich trotz 1 0 0 % i g e r G m b H - T o c h t e r und enger betriebswirtschaftlicher 119 Vgl. K.SCHMIDT, a a O (Fn.70), S.728.
120 Siehe die Darstellung der Entwicklung z.B. bei KOPPENSTEINER, aaO (Fn.27), Vorb. §311 AktG Rdn.21 ff. 121 K.SCHMIDT, a a O (Fn. 70), S. 700, 728 (für die A G ) , 9 1 2 f f (für die G m b H ) ; LÜTTER,
aaO (Fn. 32), S. 206 ff; B G H ZIP 1989, 440; ZÖLLNER, a a O ( F n . 3 3 ) , KonzernR Rdn. 30; SEMLER, F S Goerdeler, S. 551 ff, mit hypothetischen Fällen; a. A . KOPPENSTEINER, a a O (Fn.27), Vorb. §311 A k t G R d n . 2 4 und ROWEDDER/KOPPENSTEINER,
aaO (Fn. 36), Anh. § 52 GmbHG Rdn. 61 ff (rechtspolitisch dürfte aber den Verlustausgleich bejahen). 122 B G H Z 95, 330 ff. 123 Siehe oben Fn.69. 124 LÜTTER, aaO (Fn.32), S.207.
Koppensteiner
228
Peter Dorait
Beziehung doch nur um einen einfachen Konzern gehandelt hat 125 . Vielleicht kann man von der Verlustausgleichspflicht den Fall ausnehmen, daß eine Insolvenz ihren Grund in Umständen hatte, welche mit der Art der Konzernierung (qualifiziert oder nicht qualifiziert) überhaupt nichts zu tun hatte (z. B. das Beispiel Semlers, Devisenspekulationen des Geschäftsführers hinter dem Rücken des Gesellschafters 126 ). In diesem Zusammenhang wird natürlich alles auf die Definition der qualifiziert abhängigen Gesellschaft ankommen 127 . Die in Deutschland auf einer Analogie zu § 303 dAktG beruhende, von Lütter vorgeschlagene bloße Ausfallshaftung des Alleingesellschafters128 halte ich jedoch nicht für ausreichend 129 .
125 EMMERICH, D i e
AG
1987, 5; a . A .
scheinbar
ZÖLLNER,
aaO
(Fn. 33),
KonzernR
Rdn.30. 126 Vgl. auch B G H ZIP 1989, 440 („Tiefbau"-Entscheidung). 127 Zur Definition des qualifiziert faktischen Konzerns, oben bei Fn. 65 ff. 128 LÜTTER, a a O ( F n . 3 2 ) , S . 2 1 0 . 1 2 9 M i t K . S C H M I D T , Z I P 1 9 8 6 , 1 4 6 f f ; DERS., a a O ( F n . 7 0 ) , S . 9 1 4 f u n d Z Ö L L N E R ,
(Fn. 33), KonzernR Rdn.35.
aaO
Das portugiesische Konzernrecht von 1986
von Professor DR. MARCUS LUTTER, Bonn und D R . HANS-PETER OVERRATH, Frankfurt Inhaltsübersicht I. II. III. IV.
Überblick Wesentliche Entsprechungen im Regelungskonzept Wesentliche Unterschiede im Regelungskonzept Wichtige Regelungsunterschiede zwischen dem portugiesischen und dem deutschen Recht V. Weitere Einzelheiten VI. Zusätzliche Regelungen VII. Schlußbemerkungen Abdruck des Gesetzestextes I.
229 230 231 231 233 234 235 236
Überblick
Das portugiesische Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften 1 enthält in seinem Titel VI (Artikel 4 8 1 - 5 0 8 ) Bestimmungen über „Verbundene Gesellschaften" 2 . Damit ist Portugal nach Deutschland und Brasilien der dritte Staat 3 , dessen Rechtsordnung systematische Regeln zu diesem Problemkreis enthält. 4 Die formelle Gliederung dieses Titels V I entspricht weitgehend der inneren Systematik: A)
Kollisionsrecht: Die Anwendbarkeit des
portugiesischen
Artikel
Rechts der verbundenen Gesellschaften auf Tatbestände mit Auslandsberührung B)
481 (2)
Allgemeiner Teil des Rechts der verbundenen U n t e r nehmen: 1. „Konzernfähige" Gesellschaftsformen 2. Begriff der „verbundenen Gesellschaften"
481 (1) 482
1 Gesetzesdekret Nr. 262/86 vom 2. September 1986. 2 Text und Übersetzung unten auf Seite 236 ff. Der Gesetzestext in der Originalfassung kann gegen einen Unkostenbeitrag von D M 2 5 , - bei der Schriftleitung angefordert werden. 3 Zum brasilianischen Gesetz Nr. 6.404 vom 15. Dezember 1976 vgl. den Text und die Übersetzung in ZGR 1979, 608 sowie dazu COMPARATO, S.O. S.32ff. 4 Andere Rechtsordnungen besitzen allerdings einzelne Vorschriften oder von der Rechtsprechung entwickelte Regeln zum Konzernrecht, vgl. hierzu LÜTTER, Z G R 1987, 324 ff.
Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
230
C)
D)
Verbindungen, die keine Konzerne sind: 1. Einfache Beteiligung 2. Wechselseitige Beteiligung 3. Herrschende und abhängige Gesellschaften Konzerne: 1. Konzerne aufgrund völliger Beherrschung (sie entsprechen ungefähr den faktischen Unterordnungskonzernen des deutschen Rechts) 2. Vertragliche Gleichordnungskonzerne 3. Vertragliche Unterordnungskonzerne II. Wesentliche Entsprechungen
im
483-484 485 486
488-491 492 493-508
Regelungskonzept
1. Von herausragender Bedeutung ist hier die dem deutschen Recht und der deutschen Systematik entsprechende Unterscheidung zwischen dem Vertragskonzern und dem faktischen Verbund. Diese für unser systematisches Verständnis der Unternehmensverbindungen so wichtige Unterscheidung ist unseren europäischen Nachbarländern und insbesondere unseren Partnern in der EG ganz unbekannt und ist dort auch bisher auf völliges Unverständnis gestoßen. Das Konzept widerspricht dort ganz offenbar dem tradierten Gedanken der Autonomie jeder juristischen Person: Dieser Gedanke verbietet es offenbar, sich eine juristische Person und Gesellschaft de lege vorzustellen, die ex lege verpflichtet ist, den Weisungen einer anderen Gesellschaft zu folgen und ihren Gewinn an diese ohne weiteres und ohne besondere Entscheidung ihrer Organe abzuführen. Insofern ist es für die künftige Entwicklung und Gestaltung des Rechts der verbundenen Unternehmen in Europa wichtig, daß eine diesem Denkkreis zugehörige Rechtsordnung, eine der klassischen romanischen Rechtsordnungen, eben diesen Schritt vollzogen hat. 2. Weitere wichtige Übereinstimmungen: Die erste Ähnlichkeit - die dem deutschen Juristen das Verständnis sehr erleichtert - betrifft die Systematik: Wie das 3. Buch des AktG, so ist auch der VI. Titel des PortGHG als „Recht der verbundenen Gesellschaften" (AktG: „Unternehmen") und nicht nur der Konzerne angelegt. Die Konzerne sind in beiden Gesetzen ein Unterfall der verbundenen Gesellschaften, und zwar derjenige, der am ausführlichsten geregelt ist. Auch die einzelnen Tatbestände, die Art. 482 PortGHG unter dem Oberbegriff der „verbundenen Gesellschaften" zusammenfaßt, sind - mit zwei Abweichungen5 - die gleichen wie nach § 15 AktG. Weitere auffällige Ähnlichkeiten sind die Definition der herrschenden und der abhängigen Gesellschaft (Art. 486 Abs. 1), die Abhängigkeitsvermutung 5 Siehe Art. 482.
Konzernrecht in Portugal
231
(Art. 486 Abs. 2) und - allerdings nur bei Vertragskonzernen - die „einheitliche Leitung" als wesentliches Element des Konzernbegriffs (Art. 492, 493), ferner der „Unterordnungsvertrag" (Art. 493 ff), der dem Beherrschungsvertrag des §291 AktG entspricht, und der Gewinnabführungsvertrag, den das PortGHG allerdings nur als - fakultativen - Teil eines Unterordnungsvertrages vorsieht (Art. 508), nicht als selbständige Vertragsart neben jenem (vgl. demgegenüber §291 AktG). Wie die Tatbestände, so ähneln auch deren Rechtsfolgen sehr weitgehend denen des AktG. Wir finden z. B. die Mitteilungspflicht bei Erreichen einer bestimmten Beteiligungsquote (Art. 484), das Verbot des Erwerbs von Anteilen an einer herrschenden Gesellschaft durch die von ihr abhängige (Art. 485 Abs. 2, 3), im Falle eines Unterordnungsvertrags die Pflicht der herrschenden Gesellschaft zur Übernahme der Anteile der außenstehenden Gesellschafter oder zu einer Gewinngarantie (Art. 494; vgl. §§304, 305 AktG) und das Recht der Konzernspitze, der Geschäftsführung der vertraglich abhängigen Gesellschaft verbindliche Weisungen zu erteilen (Art. 503; vgl. §308 Abs. 1, 2 AktG); dem entspricht dann auch eine Haftung der Konzernspitze für die Schulden der vertraglich abhängigen Tochter und zusätzlich eine Verlustdeckungspflicht (Art.501, 502; vgl. §§302, 303 AktG).
III.
Wesentliche Unterschiede
im
Regelungskonzept
Schon aus der bisherigen Ubersicht wird deutlich, daß die portugiesischen Regeln über verbundene Unternehmen einerseits weiter gehen als die Regeln der §§ 291 ff AktG, andererseits diesen gegenüber deutlich zurückbleiben: 1. Die Regelungen gehen weiter a) durch Einbeziehung der GmbH; b) durch Sonderregelungen für 100%ige und 90%ige Beteiligungen und c) durch eine besondere Regelung auch der Gleichordnungskonzerne. 2. Die Regelungen bleiben gegenüber dem deutschen Recht zurück, weil a) sie keinerlei Spezialvorschriften für die faktisch abhängige oder faktisch konzernabhängige Gesellschaft enthalten, also keinen Versuch unternehmen, das Problem der §§311 ff AktG zu lösen; b) sie nur Gesellschaften erfassen, also nicht den weiten Unternehmensbegriff des deutschen Rechts rezipieren (dazu sofort unten IV.). IV. Wichtige Regelungsunterschiede zwischen dem portugiesischen dem deutschen Recht
und
1. Schlüsselbegriff des deutschen Konzernrechts ist das „Unternehmen", wie die §§ 15 ff AktG mit ihrer Bezeichnung „verbundene Unternehmen" signalisie-
232
Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
ren. Dieser Begriff dient bekanntlich dem Schutz der abhängigen Gesellschaft6, in dem es das Gesetz - vom Schutzgedanken her fraglos zutreffend - für irrelevant erklärt, welche Organisationsform der „Beherrscher" hat: herrschendes Unternehmen können daher nicht nur Gesellschaften, sondern auch einzelne natürliche Personen7 und sogar juristische Personen des öffentlichen Rechts sein8. Das portugiesische Recht folgt diesem Konzept nicht, sondern bezieht in seine Regelungen „aktiv" als Herrschaftsperson und „passiv" als abhängige Gesellschaft nur die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH ein. Insofern bleibt es scheinbar weit hinter dem Schutzkonzept des deutschen Rechts zurück; da das portugiesische Recht aber ohnehin keine Regeln zum Schutz der faktisch abhängigen Gesellschaft enthält, macht sich der Unterschied im Konzept nur bei der Frage bemerkbar, wer (herrschender) Partner eines Unterordnungsvertrages sein kann: In Portugal eben nur die genannten Rechtsformen, nicht etwa auch Personengesellschaften. 2. Sowohl die Pflicht der beteiligten Gesellschaft, der anderen die Beteiligung anzuzeigen, als auch der Tatbestand der wechselseitigen Beteiligung setzen nicht erst bei Überschreiten einer Beteiligungsquote von einem Viertel (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs.l, 21 Abs. 1 AktG) ein, sondern schon bei Erreichen einer Quote von nur 10 % (Art. 483—485). Hinsichtlich der Mitteilungspflicht antizipiert das portugiesische Recht damit heute schon die Vorgaben aus der sogenannten TransparenzRichtlinie vom 12. Dezember 19889. 3. Das portugiesische Recht kennt keine faktischen Gleichordnungskonzerne10. 4. Erhebliche Unterschiede bestehen auch bei den Rechtsfolgen des Unterordnungsvertrages (bei uns „Beherrschungsvertrag" genannt). Während die Minderheitsgesellschafter nach dem Vorbild des deutschen Rechts durch einen Abfindungsanspruch oder durch eine Dividendengarantie unter gerichtlicher Kontrolle geschützt sind, folgt der Gläubigerschutz nicht einfach dem Modell des §302 AktG, der berühmten Pflicht zum Verlustausgleich. Das portugiesische Modell folgt hier eher den Regeln zur Eingliederung (§§319-327 AktG), nämlich:
6 Dazu LUTTER/TIMM, BB 1978, 836, 837, sowie KOPPENSTEINER, Kölner K o m m . ?.. A k t G , 2. Aufl., 1986, § 17 Rdn. 2 9 ff. 7 KOPPENSTEINER, a a O ( F n . 6 ) , § 15 A k t G R d n . 31 ff.
8 B G H Z 69, 334 (VEBA/Gelsenberg) und dazu LUTTER/TIMM, B B 1978, 836. 9 Richtlinie vom 12. D e z e m b e r 1988 (88/627/EWG) über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, A B l . E G N r . L 3 4 8 vom 1 7 . 1 2 . 1 9 8 8 , S . 6 2 f f , abgedruckt auch bei LUTTER, Europäisches Untemehmensrecht, 3. Aufl., 1991, S. 84 ff und 377ff. 10 Art. 492 des portugiesischen Rechts der verbundenen Gesellschaften enthält lediglich Bestimmungen zum vertraglich begründeten Gleichordnungskonzern.
Konzernrecht in Portugal
233
a) Mithaft der Mutter für die Schulden der vertraglich abhängigen Tochter, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Tochter mit der Erfüllung ihrer Leistungspflicht seit mindestens 30 Tagen im Verzug ist (Art. 501), und zusätzlich b) Pflicht zum Ausgleich aller Verluste, allerdings nur auf Verlangen der Tochter und nur nach Auflösung des Unternehmensvertrages oder nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Tochter (Art. 502). Dieses Konzept sichert zwar die Gläubiger, garantiert die Existenz der Tochter aber gerade nicht während des Bestandes des Unternehmensvertrages, sondern erst nach dessen Ablauf, ist also keine Bestands-, sondern eine an die Auflösung des Unternehmensvertrages gebundene Liquidationsgarantie.
V. Weitere
Einzelheiten
1. Die Regeln zum Abschluß eines Unterordnungsvertrages (Beherrschungsvertrages) sind teilweise strenger als die entsprechenden Abschlußregeln des deutschen Rechts. Ist nämlich die künftig vertraglich abhängige Gesellschaft jetzt schon faktisch abhängig, so ist nicht nur ein Zustimmungsbeschluß mit qualifizierter Mehrheit erforderlich, sondern zusätzlich dürfen gegen diesen Beschluß nicht mehr als 50 % der außenstehenden Gesellschafter gestimmt haben (Art. 496 Abs. 2 mit Art. 494 Abs. 2). Das bedeutet: Hält die herrschende Gesellschaft 60 % der Anteile und ergibt die Auszählung eine Mehrheit von 78 % J A - und 22 % NEIN-Stimmen, so ist zwar die erste Voraussetzung der qualifizierten Mehrheit erfüllt, die zweite hingegen nicht; denn mehr als 50 % der außenstehenden Gesellschafter, nämlich 22 % von 40 % , haben gegen den Beschluß gestimmt: Je höher der eigene Besitz der Obergesellschaft ist, desto weniger außenstehende Gesellschafter können den Beschluß und mithin den Abschluß des Beherrschungsvertrages verhindern: Bei nur 20 % außenstehenden Gesellschaftern sind es 1 0 % plus eine Aktie, die den Unternehmensvertrag zum Scheitern bringen können. Das hat den Nachteil, daß eine Minorität über die Legitimierung des Verbundes entscheidet, und es hat den Vorteil, daß die Minderheit in eine Situation versetzt wird, in der sie die Bedingungen des Zusammenschlusses, also insbesondere die Höhe der Abfindung, mit der herrschenden Gesellschaft quasi vertraglich festlegen kann. 2. Die Abschlußregeln verweisen im übrigen auf die Bestimmungen zur Fusion. Damit sind vor allem die Bestimmungen der 3. EG-Richtlinie 11 einschlä11 Dritte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 9. O k t o b e r 1978 (78/855/EWG) Abi. E G Nr. L 2 9 5 vom 2 0 . 1 0 . 1 9 7 8 , S. 36 ff (sog. Fusionsrichtlinie), abgedrucktauch bei LUTTER, aaO (Fn. 9), S. 37 ff und 199 ff; umgesetzt durch das Durchführungsgesetz vom 25. O k t o b e r 1982, B G B l . 1/1982, S. 1425 ff; vgl. auf diesem Hintergrund heute insbesondere die §§ 340 bis 340 d A k t G und dazu etwa B G H Z 1 0 7 , 2 9 6 m. A n m . WERNER, WUB II, A. § 340 a A k t G ; O L G Karlsruhe W M 1989, 1134.
234
Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
gig und mit ihnen die zeitlich vorlaufenden Pflichten der beteiligten Geschäftsleitungen zu eingehender Information über die Gründe des Vertrages und die zugrundegelegten Wertrelationen. Das portugiesische Recht verwirklicht damit heute schon ein Anliegen, das auch zum deutschen Recht der Unternehmensverträge de lege ferenda immer wieder vorgetragen worden ist12. Tatsächlich läßt sich ja auch das Informationsgefälle zu Lasten der Minderheit zwischen Fusion und Unternehmensvertrag im deutschen Recht rational durch nichts erklären oder gar rechtfertigen. 3. Widerspricht ein Gesellschafter den angebotenen Bedingungen der Abfindung, so wird auch im portugiesischen Konzernrecht das Gericht zur Entscheidung eingeschaltet. Dieses aber bestimmt nicht nur den Preis, sondern führt rechtsgestaltend den Kaufvertrag zwischen dem Gesellschafter und der herrschenden Gesellschaft herbei und zugleich die Ubereignung der Aktien/ Geschäftsanteile: Die herrschende Gesellschaft verfügt also vor Abschluß des Verfahrens nicht über die betreffenden Mitgliedschaftsrechte.
VI. Zusätzliche
Regelungen
Das portugiesische Recht löst in seinen Vorschriften zu den verbundenen Gesellschaften zusätzlich einige Probleme, deren Lösung zum Teil auch bei uns als wünschenswert bezeichnet wird: 1. Zu erwähnen ist in erster Linie die Möglichkeit einer nur noch kleinen Minderheit, von der (faktisch) herrschenden Gesellschaft ihre Abfindung zu verlangen: Ist deren Mehrheit durch Überschreitung der 90%-Grenze erdrükkend geworden, so kann jeder Gesellschafter innerhalb bestimmter Fristen die Übernahme seiner Aktien/Geschäftsanteile gegen Abfindung verlangen; der Preis bestimmt sich nach den gleichen Regeln wie beim Abschluß eines Unterordnungsvertrages. Eine vergleichbare Regelung kennt das deutsche Recht nicht. 2. Das gleiche Recht hat aber auch die herrschende Gesellschaft: Diese kann ihrerseits den Erwerb von den Minderheitsgesellschaftern verlangen, kann diese also - wie bei uns nur im Falle der Umwandlung13 oder Eingliederung14 - aus der Gesellschaft „hinauswerfen". 3. Erwirbt eine Gesellschaft nachträglich 1 0 0 % der Anteile an einer anderen Gesellschaft, handelt es sich also nicht um eine originäre 100% ige Beteiligung durch Gründung, so muß nunmehr die Gesellschafterversammlung dieser herrschenden Gesellschaft über die Art der Führung der 100%igen Tochter bestim12 T I M M , B B
1 9 8 0 , 1 6 5 5 ff.
13 § § 9 ff A k t G . 14 § 3 2 0 A k t G .
Konzernrecht in Portugal
235
men: Sie, die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft, muß entscheiden, ob die 100%ige Tochter als Konzerngesellschaft unter der einheitlichen Leitung der Konzernspitze oder als „normale" abhängige Gesellschaft geführt wird (Art. 489). Damit verwirklicht das portugiesische Recht an einer überraschenden Stelle einen Gedanken, den für unser Recht bislang nur Hommelhoff15 unter erheblichem "Widerspruch vorgetragen hat.
VII.
Schlußbemerkungen
Die portugiesische Teilregelung zeigt insgesamt ein hohes Niveau und großes Verständnis - auch für manche Probleme des deutschen Konzernrechts, die das portugiesische Recht zu vermeiden sucht. Bemerkenswert, ja überraschend aus unserer Sicht ist der völlige Gleichlauf der Regelungen für Aktiengesellschaft und GmbH: Unser großes und bislang ungelöstes Problem der erforderlichen Mehrheit für den Abschluß eines Beherrschungsvertrages bei der (abhängigen) GmbH 1 6 scheint für den portugiesischen Gesetzgeber nicht weiter gravierend gewesen zu sein. Vielleicht kann das auch eines Tages die Entscheidung bei uns zwischen satzungsändernder Mehrheit und Einmütigkeit erleichtern. Es bleibt das „Loch" des faktischen Verbundes. Aber vielleicht war es sogar klug, den ersten Schritt im eher gesicherten Gelände des Unternehmensvertrages und seiner Folgerungen zu tun, um mit dieser Teilregelung Erfahrungen zu sammeln17 und erst eines späteren Tages den schwierigen zweiten Schritt zu unternehmen.
15 HOMMELHOFF, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 377 ff. 16 Zum Streitstand LUTTER, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, Z G R Sonderheft Nr. 6, 1985, S. 192, 196f; sowie zuletzt LUTTER/HOMMELHOFF, Komm. z. G m b H G , 13. Aufl., 1991, Anh. § 1 3 R d n . 3 6 f f . 17 Ober praktische Erfahrungen mit dem neuen Recht in Portugal ist dem Verfasser trotz vielfältiger Bemühungen nichts bekannt geworden.
236
Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
Gesetzbuch über Handelsgesellschaften (Gesetzesdekret Nr. 262/86 vom 2. September 1986) VI. Titel: Verbundene Gesellschaften I. Kapitel. Allgemeine Vorschriften Art. 481 (Anwendungsbereich dieses Titels) (1) Dieser Titel ist auf Verhältnisse anzuwenden, die zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien entstehen. (2) Dieser Titel ist nur auf Gesellschaften mit Sitz in Portugal anzuwenden. Jedoch bleiben die folgenden Bestimmungen unberührt: a) Das in Art. 4 8 7 ausgesprochene Verbot gilt [auch] 1 für den Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz im Ausland, die nach den in diesem Gesetz aufgestellten Kriterien als herrschende anzusehen sind. b) Die Pflichten von Gesellschaften mit Sitz in Portugal zur Veröffentlichung und zur Anzeige ihrer Beteiligungen erstrecken sich [auch] auf ihre Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz im Ausland und auf Beteiligungen dieser an jenen. c) Die Gesellschaft mit Sitz im Ausland, die nach den in diesem Gesetz aufgestellten Kriterien im Verhältnis zu einer Gesellschaft mit Sitz in Portugal als herrschende gilt, ist nach Art. 83 und ggf. nach Art. 84 gegenüber dieser Gesellschaft und deren Gesellschaftern verantwortlich. Art. 482 (Verbundene Gesellschaften). Als verbundene Gesellschaften im Sinne dieses Gesetzes gelten: a) Gesellschaften im Verhältnis einfacher Beteiligung; b) wechselseitig beteiligte Gesellschaften; c) herrschende und abhängige Gesellschaften; d) Konzerngesellschaften.
II. Kapitel. Gesellschaften im Verhältnis einfacher Beteiligung, wechselseitig beteiligte Gesellschaften, herrschende und abhängige Gesellschaften Art. 483 (Gesellschaften im Verhältnis einfacher Beteiligung). (1) Als zu einer anderen Gesellschaft im Verhältnis einfacher Beteiligung stehend gilt eine Gesellschaft dann, wenn einer der beiden Gesellschaften Geschäftsanteile oder Aktien an der anderen gehören, deren Betrag 1 0 % des Kapitals dieser anderen erreicht 1 Zwischen [ . . . ] stehen W o r t e , die aus sprachlichen Gründen in die Ubersetzung zusätzlich eingefügt worden sind.
237
Konzernrecht in Portugal
oder übersteigt, zwischen den beiden aber keines der anderen in Art. 482 vorgesehenen Verhältnisse besteht. (2) Für die Berechnung des in Absatz 1 genannten Betrages gelten als einer Gesellschaft gehörend auch solche Geschäftsanteile oder Aktien, die einer von ihr unmittelbar oder mittelbar abhängigen oder mit ihr demselben Konzern angehörenden Gesellschaft gehören, und Aktien, die jemandem für Rechnung einer dieser Gesellschaften gehören. Art. 484 (Mitteilungspflicht). (1) Unbeschadet der Pflichten zur Anzeige und zur Veröffentlichung von Beteiligungen bei der Rechnungslegung muß eine Gesellschaft
einer
anderen
Gesellschaft
alle
Erwerbe
und
Veräußerungen
von
Geschäftsanteilen oder Aktien an dieser anderen Gesellschaft schriftlich mitteilen, die sie in der Zeit von der Entstehung eines Verhältnisses einfacher Beteiligung zwischen ihr und der anderen Gesellschaft bis zu dem Zeitpunkt vornimmt, in dem die H ö h e ihrer Beteiligung an der anderen Gesellschaft die für dieses Verhältnis maßgebende H ö h e unterschreitet. (2) Die in Absatz 1 vorgeschriebene Mitteilung ist unabhängig von der nach A n . 228 Abs. 3 erforderlichen Anmeldung des Erwerbs von Geschäftsanteilen und von der in Art. 330 ff erwähnten Eintragung des Erwerbs von Aktien; jedoch kann sich eine Gesellschaft auf die Unkenntnis des Betrages, mit der eine andere Gesellschaft an ihr beteiligt ist, insoweit nicht berufen, als nach den oben erwähnten Bestimmungen bei ihr der Erwerb von Geschäftsanteilen angemeldet oder der Erwerb von Aktien eingetragen worden ist. Art. 48$ (Wechselseitig beteiligte Gesellschaften). (1) Gesellschaften, die aneinander wechselseitig beteiligt sind, unterliegen den Pflichten und Beschränkungen der folgenden Absätze von dem Zeitpunkt an, in dem beide Beteiligungen 10 % des Kapitals der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, erreichen. (2) Diejenige Gesellschaft, welche die in Art. 484 Abs. 1 vorgeschriebene Anzeige, aus der sich die Kenntnis des in Absatz 1 genannten Beteiligungsbetrages ergibt, später macht, darf keine weiteren Geschäftsanteile oder Aktien an der anderen Gesellschaft erwerben. (3) Ein Erwerb, der unter Verstoß gegen die Vorschrift des Absatzes 2 erfolgt, ist nicht unwirksam. Die erwerbende Gesellschaft kann jedoch die Rechte aus diesen Geschäftsanteilen oder Aktien - ausgenommen das Recht auf einen Anteil am Liquidationserlös - insoweit, als 1 0 % des Kapitals überschritten werden, nicht ausüben, bleibt aber den entsprechenden Pflichten unterworfen; die Mitglieder ihres Verwaltungsrats sind nach den allgemeinen Vorschriften für den Schaden verantwortlich, den die Gesellschaft infolge der Entstehung und der Aufrechterhaltung dieser Lage erleidet. (4) Bestehen gleichzeitig mehrere Verhältnisse, so geht die Vorschrift des Art. 489 Abs. 2 der Vorschrift des Absatzes 3 dieses Artikels vor.
Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
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(5) In allen Fällen, in denen das G e s e t z die Veröffentlichung oder die Anzeige von Beteiligungen vorschreibt, muß erwähnt werden, o b wechselseitige Beteiligungen bestehen, welchen Betrag sie haben, und, aus welchen Geschäftsanteilen oder Aktien die eine oder die andere Gesellschaft ihre Rechte nicht ausüben kann. Art. 486 (Herrschende umt abhängige Gesellschaften). (1) Als herrschend und abhängig gelten zwei Gesellschaften dann, wenn die eine (die herrschende) imstande ist, auf die andere (die abhängige) unmittelbar oder über Gesellschaften oder Personen, welche die in Art. 483 A b s . 2 genannten Voraussetzungen erfüllen, einen beherrschenden Einfluß auszuüben. (2) D a ß eine Gesellschaft von einer anderen abhängig ist, wird vermutet, wenn diese andere unmittelbar oder mittelbar a) eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital innehat; b) über mehr als die H ä l f t e der Stimmen verfügt; c) die Möglichkeit hat, mehr als die H ä l f t e der Mitglieder des Verwaltungsorgans oder des Aufsichtsorgans zu bestimmen. (3) In allen Fällen, in denen das G e s e t z die Veröffentlichung oder die Anzeige von Beteiligungen vorschreibt, muß sowohl für die vermutlich herrschende als auch für die vermutlich abhängige Gesellschaft erwähnt werden, o b einer der in den Unterabsätzen des A b s a t z e s 2 dieses Artikels erwähnten Tatbestände erfüllt ist. Art. 487 (Verbot des Erwerbs von Beteiligungen). (1) Einer Gesellschaft ist es verboten, Geschäftsanteile oder Aktien an den Gesellschaften zu erwerben, von denen sie unmittelbar oder über Gesellschaften oder Personen, welche die in Art. 483 A b s . 2 genannten Voraussetzungen erfüllen, beherrscht wird; das gilt nicht für den unentgeltlichen Erwerb, f ü r den Zuschlag in der Zwangsvollstrekkung gegen Schuldner oder in der Auseinandersetzung einer Gesellschaft, deren Gesellschafterin die erwerbende Gesellschaft ist. (2) D e r gegen A b s a t z 1 verstoßende E r w e r b von Geschäftsanteilen
oder
Aktien ist nichtig, es sei denn, daß sie an der Börse gekauft werden; in diesem Falle gilt jedoch f ü r alle so erworbenen Aktien die Vorschrift des Art. 485 A b s . 3.
III. Kapitel. Konzerngesellschaften I. Abschnitt. Konzerne aufgrund völliger Beherrschung Art. 488 (Anfängliche völlige Beherrschung). (1) Eine Gesellschaft mit Sitz in Portugal kann in einer von ihr errichteten öffentlichen U r k u n d e eine Aktiengesellschaft gründen, deren sämtliche Aktien zu Anfang ihr gehören.
Konzernrecht in Portugal
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(2) Alle Erfordernisse der Gründung von Aktiengesellschaften sind zu beachten. (3) Auf den so gebildeten Konzern sind die Vorschriften des Art. 489 Abs. 4, 5 und 6 anzuwenden. Art. 489 (Nachträgliche völlige Beherrschung). (1) Eine Gesellschaft, die unmittelbar oder über Gesellschaften oder Personen, welche die in An. 483 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllen, eine andere Gesellschaft völlig beherrscht, weil diese keine anderen Gesellschafter hat, bildet mit dieser kraft Gesetzes einen Konzern, es sei denn, daß die Hauptversammlung der ersteren einen der in den Unterabsätzen a) und b) des folgenden Absatzes vorgesehenen Beschlüsse faßt. (2) Innerhalb der sechs Monate, die auf den Eintritt des vorbezeichneten Tatbestandes folgen, hat die Verwaltung der herrschenden Gesellschaft deren Hauptversammlung einzuberufen, damit diese a) die Auflösung der abhängigen Gesellschaft oder b) die Veräußerung von Geschäftsanteilen oder Aktien an der abhängigen Gesellschaft oder c) die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes beschließt. (3) Falls der in Abs. 2 Unterabsatz c) vorgesehene Beschluß oder gar kein Beschluß gefaßt wird, gilt die abhängige Gesellschaft als zu der herrschenden in einem Konzern Verhältnis stehend; sie wird dann nicht aufgelöst, auch wenn sie nur einen einzigen Gesellschafter hat. (4) Das Konzernverhältnis endet, a) wenn die herrschende oder die abhängige Gesellschaft ihren Sitz nicht mehr in Portugal hat; b) wenn die herrschende Gesellschaft aufgelöst wird; c) wenn mehr als 10 % des Kapitals der abhängigen Gesellschaft nicht mehr der herrschenden Gesellschaft oder den in Art. 483 Abs. 2 genannten Gesellschaften oder Personen gehören. (5) Im Falle des Abs. 4 Unterabsatz c) muß die herrschende Gesellschaft diesen Tatbestand der abhängigen Gesellschaft sofort schriftlich anzeigen. (6) Die Verwaltung der abhängigen Gesellschaft muß die Eintragung des in Abs. 2 Unterabsatz c) genannten Beschlusses beantragen, desgleichen die Eintragung der Beendigung des Konzernverhältnisses. Art. 490 (Erwerbe, die auf die völlige Beherrschung abzielen). (1) Eine Gesellschaft, die - allein oder zusammen mit anderen Personen oder Gesellschaften der in Art. 483 Abs. 2 bezeichneten Art - über Geschäftsanteile oder Aktien verfügt, die mindestens 90 % des Kapitals einer anderen Gesellschaft ausmachen, muß der anderen Gesellschaft diese Tatsache innerhalb von 30 Tagen nach dem Tag, an dem die genannte Beteiligungsquote erreicht worden ist, mitteilen. (2) Innerhalb von sechs Monaten nach dem Datum der Mitteilung kann die herrschende Gesellschaft das Angebot machen, die Beteiligungen der übrigen
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Marcus Lutter und Hans-Peter Overrath
Gesellschafter gegen eine V e r g ü t u n g zu erwerben, die in Geld oder in Geschäftsanteilen,
Aktien
oder
Schuldverschreibungen
der
anbietenden
besteht und durch ein G u t a c h t e n eines von den betreffenden
Gesellschaft Gesellschaften
unabhängigen amtlichen A b s c h l u ß p r ü f e r s gerechtfertigt wird; das Gutachten wird beim Register eingereicht und am Sitz beider Gesellschaften für Interessierte zur Einsicht offengelegt. (3) D i e herrschende Gesellschaft kann die den außenstehenden 2 Aktionären der abhängigen Gesellschaft gehörenden Aktien oder Geschäftsanteile erwerben, indem sie dies in d e m V o r s c h l a g erklärt und innerhalb der folgenden 6 0 T a g e eine öffentliche U r k u n d e errichten läßt, in der sie erklärt, die Beteiligungen
zu
erwerben. D e r E r w e r b unterliegt der Eintragung und Veröffentlichung. (4) D i e U r k u n d e kann nur dann errichtet werden, wenn die Gesellschaft die Gegenleistung für den Beteiligungserwerb, die nach den höchsten aus dem G u t a c h t e n des Prüfers ersichtlichen W e r t e n berechnet ist, in G e l d , Aktien oder Schuldverschreibungen hinterlegt hat. (5) Falls die herrschende Gesellschaft das nach A b s a t z zulässige A n g e b o t
nicht
ordnungsgemäß
macht,
kann
1 dieses
jeder
Artikels
außenstehende
Gesellschafter oder A k t i o n ä r jederzeit schriftlich verlangen, daß die herrschende Gesellschaft ihm innerhalb einer F r i s t von mindestens 30 Tagen anbietet, seine Geschäftsanteile o d e r A k t i e n gegen eine Vergütung in G e l d , Geschäftsanteilen oder A k t i e n der herrschenden Gesellschaften 3 zu erwerben. (6) Falls kein A n g e b o t gemacht wird oder das A n g e b o t als unbefriedigend angesehen wird, kann der außenstehende A k t i o n ä r bei G e r i c h t beantragen, zu erklären, daß die herrschende Gesellschaft die Aktien o d e r Geschäftsanteile im Z e i t p u n k t der Klageerhebung e r w o r b e n hat, ihren G e l d w e r t festzusetzen und die herrschende Gesellschaft zu dessen Zahlung zu verurteilen. D i e Klage m u ß innerhalb von 3 0 T a g e n nach dem A b l a u f der im A b s a t z 5 bestimmten Frist oder nach dem E m p f a n g des A n g e b o t s - je nachdem, welches der Fall ist - erhoben werden. Art. 4 9 1 (Verweisung). A u f die durch völlige Beherrschung gebildeten K o n z e r n e sind die B e s t i m m u n g e n
der A r t . 501 bis 504 und die dort für
anwendbar
erklärten V o r s c h r i f t e n anzuwenden.
II. Abschnitt. Gleichordnungskonzernvertrag Art. 4 9 2 (Recht des Vertrages). (1) Zwei oder m e h r Gesellschaften, die weder voneinander n o c h von anderen Gesellschaften abhängig sind, k ö n n e n 2 Definiert in Art. 494 Abs. 2. 3 Mehrzahl auch im Original.
einen
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Konzern dadurch bilden, daß sie einen Vertrag schließen, in dem sie sich einer einheitlichen und gemeinsamen Leitung unterwerfen. (2) Der Vertrag, seine Abänderungen und Verlängerungen müssen öffentlich beurkundet werden; vorher müssen alle vertragschließenden Gesellschaften auf Vorschlag ihrer Verwaltungen und nach Einholung von Stellungnahmen ihrer Aufsichtsorgane mit der nach dem Gesetz für die Verschmelzung erforderlichen Mehrheit [entsprechende] Beschlüsse gefaßt haben. (3) Der Vertrag kann nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen werden; er kann aber verlängert werden. (4) Der Vertrag kann die gesetzliche Struktur der Verwaltung und der Aufsicht der Gesellschaften nicht abändern. Wenn der Vertrag ein gemeinsames Leitungs- oder Koordinierungsorgan schafft, müssen darin alle Gesellschaften in dem gleichen Maße vertreten sein. (5) Auf die Beendigung des Vertrages ist Art. 506 anzuwenden. (6) Unberührt bleiben die gesetzlichen Vorschriften, die den Wettbewerb zwischen Unternehmen regeln.
III. Abschnitt. Unterordnungsvertrag Art. 493 (Begriff). (1) Eine Gesellschaft kann durch Vertrag die Führung ihrer eigenen Geschäfte der Leitung durch eine andere Gesellschaft unterstellen, sei es, daß diese ihr gegenüber eine herrschende Gesellschaft ist, sei es, daß sie es nicht ist. (2) Die leitende Gesellschaft bildet zusammen mit allen von ihr aufgrund eines Unterordnungsvertrages geleiteten Gesellschaften und allen von ihr unmittelbar oder mittelbar - völlig beherrschten Gesellschaften einen Konzern. Art. 494 (Hauptpflichten der leitenden Gesellschaft). (1) In dem Unterordnungsvertrag muß die leitende Gesellschaft sich verpflichten, a) die Geschäftsanteile oder Aktien der außenstehenden Gesellschafter der untergeordneten gegen eine Vergütung zu erwerben, die entweder einvernehmlich oder nach den Vorschriften des Art. 497 festgesetzt wird; b) nach den Vorschriften des Art. 499 die Gewinnanteile der außenstehenden Gesellschafter der untergeordneten Gesellschaft zu garantieren. (2) Außenstehende Gesellschafter sind alle Gesellschafter der untergeordneten Gesellschaft, ausgenommen: a) die leitende Gesellschaft; b) die Gesellschaften oder Personen, die mit der leitenden Gesellschaft im Sinne des Art. 483 Abs. 2 verbunden sind, oder die Gesellschaften, die zu der leitenden Gesellschaft in einem Konzernverhältnis stehen;
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c) die Gesellschaft, die im Verhältnis zu der leitenden Gesellschaft eine herrschende Gesellschaft ist; d) die Personen, die mehr als 1 0 % des Kapitals der in den vorangehenden Unterabsätzen genannten Gesellschaften innehaben; e) die untergeordnete Gesellschaft; f) die von der untergeordneten Gesellschaft beherrschten Gesellschaften. Art. 49$ (Entwurf des Unterordnungsvertrages). Die Verwaltungen der Gesellschaften, die einen Unterordnungsvertrag schließen wollen, müssen gemeinsam einen Entwurf ausarbeiten, der neben anderen notwendigen Bestandteilen die Angaben enthält, die nützlich sind, um die beabsichtigte Maßnahme sowohl in juristischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht vollkommen zu verstehen: a) die Beweggründe, die Bedingungen und die Ziele des Vertrages, und zwar in bezug auf beide vertragschließenden Gesellschaften; b) die Firma, den Sitz, den Kapitalbetrag, die Nummer und das Datum der Eintragung im Handelsregister jeder der Gesellschaften sowie deren Gesellschaftsverträge in ihrer neuesten Fassung; c) die Beteiligung jeder der Gesellschaften am Kapital der anderen; d) den Geldwert, der den Geschäftsanteilen oder Aktien derjenigen Gesellschaft beigelegt wird, die nach dem Vertrag von der anderen geleitet werden soll; e) die Art der Gegenleistung, welche eine Gesellschaft den Gesellschaftern der anderen für den Fall anbietet, daß diese den Vorschlag des Erwerbs ihrer Geschäftsanteile oder Aktien durch die anbietende Gesellschaft annehmen; f) falls die in Unterabsatz e) erwähnte Gegenleistung in Aktien oder Schuldverschreibungen besteht, deren Wert und das Umtauschverhältnis; g) die Dauer des Unterordnungsvertrages; h) die mit dem Abschluß des Vertrages beginnende Frist, innerhalb derer die außenstehenden Gesellschafter der Gesellschaft, die geleitet werden soll, verlangen können, daß die andere Gesellschaft ihre Geschäftsanteile oder Aktien erwirbt; i) den Betrag, den die Gesellschaft, welche die leitende sein soll, alljährlich der anderen Gesellschaft wird zahlen müssen, um die Gewinnverteilung aufrechtzuerhalten, oder die Art und Weise der Berechnung dieses Betrages; j) ggf. den Gewinnabführungsvertrag 4 . Art. 496 (Verweisung). (1) Auf die Prüfung des Entwurfs, die Einberufung der Versammlungen, die Einsicht in die Unterlagen, den Zusammentritt der Versammlungen und die Erfordernisse für deren Beschlußfassung sind, soweit möglich, die Vorschriften über die Verschmelzung von Gesellschaften anzuwenden. 4 In Art. 508 geregelt.
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(2) Soll der Vertrag zwischen einer herrschenden und einer von ihr abhängigen Gesellschaft abgeschlossen oder ein solcher Vertrag abgeändert werden, dann ist außerdem erforderlich, daß nicht mehr als die Hälfte der außenstehenden Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft gegen den betreffenden Vorschlag gestimmt haben. (3) Die Beschlüsse der beiden Gesellschaften werden den jeweiligen Gesellschaftern durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt, wenn es sich um Gesellschafter einer G m b H oder um Namensaktionäre handelt; in den anderen Fällen erfolgt die Mitteilung durch öffentliche Bekanntmachung.
Art. 497 (Stellung der außenstehenden Gesellschafter). (1) Innerhalb von 90 Tagen seit der letzten öffentlichen Bekanntmachung der Beschlüsse oder seit Empfang des eingeschriebenen Briefes kann der außenstehende Gesellschafter dem Unterordnungsvertrag mit der Begründung widersprechen, eine gesetzliche Vorschrift sei verletzt, oder, die angebotene Gegenleistung sei unzureichend. (2) Der Widerspruch erfolgt in der Form, die für den Widerspruch von Gläubigern im Falle der Verschmelzung vorgesehen ist; der Richter ordnet stets an, daß die leitende Gesellschaft den Betrag der Gegenleistungen mitteilt, die sie anderen außenstehenden Gesellschaftern gezahlt oder mit ihnen vereinbart hat. (3) Den Verwaltungen der Gesellschaften ist es verboten, den Unterordnungsvertrag abzuschließen, bevor die in Absatz 1 genannte Frist abgelaufen ist oder über die Widersprüche entschieden ist, von denen sie, in welcher Weise auch immer, Kenntnis erlangt haben. (4) Die gerichtliche Entscheidung, in der die Gegenleistung für den Erwerb durch die leitende Gesellschaft oder die von ihr garantierten Gewinnanteile festgesetzt werden, kommt allen außenstehenden Gesellschaftern zugute, gleich, ob sie Widerspruch erhoben haben oder nicht.
Art. 498 (Abschluß und Eintragung des Vertrages). Der Unterordnungsvertrag muß in einer von den Verwaltungsratsmitgliedern der beiden Gesellschaften errichteten öffentlichen Urkunde abgeschlossen werden, in das Register beider Gesellschaften eingetragen und veröffentlicht werden.
Art. 499 (Rechte der außenstehenden Gesellschafter). (1) Diejenigen außenstehenden Gesellschafter, die gegen den Unterordnungsvertrag keinen Widerspruch erhoben haben, sind berechtigt, zwischen der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile oder Aktien und der Gewinngarantie zu wählen, indem sie ihre Entscheidung beiden Gesellschaften innerhalb der für den Widerspruch festgesetzten Frist schriftlich mitteilen. (2) Das gleiche Recht steht denjenigen außenstehenden Gesellschaftern zu, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der betreffenden Urteile Widerspruch eingelegt haben.
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(3) Die Gesellschaft, die nach dem Vertrag die leitende sein würde, kann innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des letzten der Urteile über erhobene Widersprüche durch eine schriftliche Erklärung an die andere Gesellschaft vom Abschluß des Vertrages Abstand nehmen. Art. 500 (Owinngarantif). (1) Durch den Unterordnungsvertrag übernimmt die leitende Gesellschaft die Verpflichtung, den außenstehenden Gesellschaftern der untergeordneten Gesellschaft die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Gewinn und dem höheren der folgenden Beträge zu zahlen: a) dem Durchschnitt der an die außenstehenden Gesellschafter in den drei letzten Jahren vor dem Abschluß des Unterordnungsvertrages gezahlten Gewinnanteile, der in Prozent des Gesellschaftskapitals zu berechnen ist; b) dem Gewinn, der auf die Geschäftsanteile oder Aktien der leitenden Gesellschaft entfallen würde, wenn gegen sie die Geschäftsanteile oder Aktien jener Gesellschafter eingetauscht würden. (2) Die in Absatz 1 erteilte Garantie bleibt so lange bestehen, wie der Konzernvertrag in Kraft ist, und wird noch fünf Jahre nach Beendigung dieses Vertrages aufrechterhalten. Art. 501 (Haftung gegenüber den Gläubigern der untergeordneten Gesellschaft). (1) Die leitende Gesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten der untergeordneten Gesellschaft, die vor oder nach dem Abschluß des Unterordnungsvertrages und bis zu seiner Beendigung entstanden sind oder entstehen. (2) Die Haftung der leitenden Gesellschaft kann nicht vor Ablauf von 30 Tagen nach dem Zeitpunkt, in dem die untergeordnete Gesellschaft in Verzug geraten ist, geltend gemacht werden. (3) Aus einem gegen die untergeordnete Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Titel kann die Zwangsvollstreckung nicht gegen die leitende Gesellschaft betrieben werden. Art. 502 (Haftung für Verluste der untergeordneten Gesellschaft). (1) Die untergeordnete Gesellschaft hat das Recht, zu verlangen, daß die leitende Gesellschaft die jährlichen Verluste, die, aus welchem Grunde auch immer, während der Geltungsdauer des Unterordnungsvertrages entstehen, ausgleicht, soweit sie nicht durch die in demselben Zeitraum gebildeten Rücklagen ausgeglichen werden. (2) Der Anspruch aus Absatz 1 kann erst nach Beendigung des Unterordnungsvertrages geltend gemacht werden, während der Geltung des Vertrages aber dann, wenn über das Vermögen der untergeordneten Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet wird. Art. 503 (Weisungsrecht). (1) Von der Veröffentlichung des Unterordnungsvertrages an ist die leitende Gesellschaft berechtigt, der Verwaltung der untergeordneten Gesellschaft bindende Weisungen zu erteilen.
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(2) Wenn der Vertrag nichts Gegenteiliges bestimmt, können [auch] Weisungen, die für die untergeordnete Gesellschaft nachteilig sind, erteilt werden, sofern sie den Interessen der leitenden Gesellschaft oder der anderen Gesellschaften desselben Konzerns dienen. In keinem Falle erlaubt sind Weisungen zur Vornahme von Handlungen, die als solche durch gesetzliche Vorschriften verboten sind, die nicht das Funktionieren von Gesellschaften betreffen. (3) Wenn die Verwaltung der untergeordneten Gesellschaft angewiesen wird, ein Geschäft vorzunehmen, das nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag von einer Stellungnahme oder von der Zustimmung eines anderen Organs der untergeordneten Gesellschaft abhängt, und diese Stellungnahme oder Zustimmung nicht erteilt wird, muß die Weisung befolgt werden, falls sie nach erklärter Ablehnung wiederholt wird und ihr, falls die leitende Gesellschaft ein entsprechendes Organ hat, dessen Zustimmung oder befürwortende Stellungnahme beigefügt ist. (4) D e r leitenden Gesellschaft ist es verboten, die Übertragung des Vermögens der untergeordneten Gesellschaft auf andere Gesellschaften des Konzerns ohne angemessene Gegenleistung anzuordnen, es sei denn im Falle des Art. 502.
Art. $04 (Pflichten und Haftung). (1) Die Mitglieder des Verwaltungsorgans der leitenden
Gesellschaft
müssen
gegenüber dem Konzern
diejenige
Sorgfalt
anwenden, die das Gesetz für die Verwaltung ihrer eigenen Gesellschaft fordert. (2) D i e Mitglieder des Verwaltungsorgans der leitenden Gesellschaft sind nach Maßgabe der Vorschriften der Art. 98 ff dieses Gesetzes auch gegenüber der untergeordneten Gesellschaft verantwortlich; die Schadenersatzklage kann von jedem Gesellschafter oder Aktionär der untergeordneten Gesellschaft in deren Namen erhoben werden. (3) D i e Mitglieder des Verwaltungsorgans der untergeordneten Gesellschaft sind für die Handlungen oder Unterlassungen, mit denen sie zulässige Weisungen ausführen, nicht verantwortlich.
Art. $05 (Abänderung des Vertrages). Abänderungen des Unterordnungsvertrages werden von den Hauptversammlungen der beiden Gesellschaften unter Einhaltung der für den Abschluß des Vertrages geltenden Vorschriften beschlossen.
Art. $06 (Beendigung des Vertrages). (1) Die beiden Gesellschaften können den Unterordnungsvertrag
einvernehmlich
aufheben,
wenn
dieser
ein
ganzes
Geschäftsjahr lang in Kraft war. (2) D i e einvernehmliche Aufhebung wird von den Hauptversammlungen der beiden Gesellschaften unter Einhaltung der für den Abschluß des Vertrages geltenden Vorschriften beschlossen.
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(3) D e r U n t e r o r d n u n g s v e r t r a g endet a) durch die A u f l ö s u n g einer der beiden Gesellschaften; b ) durch A b l a u f der vereinbarten Dauer; c) durch Richterspruch
auf Klage einer der Gesellschaften
aus
wichtigem
Grund; d) durch Kündigung seitens einer der Gesellschaften gemäß den Vorschriften des A b s . 4 , falls der Vertrag nicht auf eine bestimmte Zeit geschlossen ist. (4) D i e Kündigung durch eine der Gesellschaften ist nicht m ö g l i c h , bevor der Vertrag fünf J a h r e lang in K r a f t w a r ; sie m u ß von der Hauptversammlung gemäß A b s . 2 gebilligt werden, wird der anderen Gesellschaft durch eingeschriebenen B r i e f mitgeteilt und wird erst z u m E n d e des folgenden Geschäftsjahres wirksam. (5) D i e in A b s . 3 U n t e r a b s a t z c ) vorgesehene Klage wird durch einen gemäß A b s . 2 gefaßten B e s c h l u ß zugelassen.
Art. $07 (Erwerb der völligen Herrschaft). (1) Wenn es kraft der Vorschrift des A r t . 4 9 8 oder durch E r w e r b s v o r g ä n g e , die während der G e l t u n g des U n t e r o r d nungsvertrages stattfinden, dazu k o m m t , daß die leitende Gesellschaft - für sich allein oder ü b e r P e r s o n e n o d e r Gesellschaften, welche die in A r t . 4 8 3 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllen - die untergeordnete Gesellschaft völlig beherrscht, werden die diesbezüglichen Vorschriften anwendbar und die gefaßten Beschlüsse hinfällig b z w . der Vertrag beendet. (2) D i e Existenz eines E n t w u r f s für einen Unterordnungsvertrag oder eines Unterordnungsvertrages steht der A n w e n d u n g des Art. 490 nicht entgegen. Art. 5 0 8 (Gewinnabführungsvertarag). (1) D e r Unterordnungsvertrag kann eine Vereinbarung enthalten, in der die untergeordnete Gesellschaft sich verpflichtet, ihren jährlichen
Gewinn
an die leitende Gesellschaft oder an eine
andere
Gesellschaft des K o n z e r n s abzuführen. (2) G e w i n n im Sinne des A b s . 1 ist höchstens der gemäß den gesetzlichen B e s t i m m u n g e n festgestellte G e w i n n des Geschäftsjahres, vermindert um die Beträge, die erforderlich sind, u m Verluste früherer Geschäftsjahre auszugleichen und die gesetzliche Reserve zu speisen.
Die Rechtslage der Konzerne im spanischen Recht"
von Professor
D R . JOSÉ MIGUEL EMBID IRUJO,
Castellón
Inhaltsübersicht I. Einführung II. Die Regelung der Konzerne außerhalb des Gesellschaftsrechts 1. Steuerrecht 2. Arbeitsrecht 3. Wertpapiermarkt 4. Andere gesetzliche Bezüge auf die Konzerne III. Die Konzerne im Bereich des Gesellschaftsrechts 1. Die Gesetzeslage 2. Die Rechtslage nach der Rechtsprechung IV. Schlußbemerkungen Abkürzungen
I.
247 249 250 251 253 255 256 256 260 262 263
Einführung
Jede Untersuchung der Rechtslage der Konzerne in Spanien muß davon ausgehen, daß keine gesellschaftsrechtliche Gesamtregelung über diese besteht. Sowohl das Aktiengesetz (Ley de sociedades anónimas) vom 17. Juli 1951, als auch die übrigen Grundnormen des spanischen Gesellschaftsrechts behandeln die Handelsgesellschaften als isolierte und unabhängige Körperschaften und das nicht nur vom juristischen, sondern auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus. Das Aktiengesetz selbst erkannte dessen ungeachtet die Existenz von Unternehmenszusammenschlüssen, die nicht zum Erlöschen der Rechtspersönlichkeit der beteiligten Unternehmen führen - wie im Falle der Fusion - ohne daß diese Anerkennung die Vorbestimmung der geeigneten Rechtsregeln bedeutete. In diesem Sinne beschränkte sich Art. 149 des erwähnten Gesetzes darauf, die gesetzlichen Bestimmungen über die Fusion von Gesellschaften „auf die Übereinkünfte über Zusammenschlüsse und andere Formen von Gesellschaftsvereinigungen, in denen die Gesellschaften weiterbestehen, ohne ihre Rechtspersönlichkeit zu verändern" für unanwendbar zu erklären1. * Autor und Herausgeber danken Herrn Referendar Georg Franzmann, Bonn, für die Ubersetzung. Das Manuskript in der Originalfassung kann gegen einen Unkostenbeitrag von DM 25,- bei der Schriftleitung der ZGR angefordert werden. 1 Diesbezüglich GARRIGUES, in: Garrigues, Comentarios a la Ley de sociedades anónimas, 3. Aufl., 1976.
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José Miguel Embid Irujo
Zur Zeit wird die Reform des spanischen Handelsgesellschaftsrechts - insbebesondere des der Kapitalgesellschaften - , die in Folge des Eintritts unseres Landes in die Europäischen Gemeinschaften notwendig war, abgeschlossen. Diese Tatsache ändert jedoch nicht bedeutend die Bemerkungen am Anfang dieser Arbeit, wenn man die Fragen der Konzernrechnungslegung ausnimmt. Das Gesetz über die teilweise Reform und die Angleichung bung an die gesellschaftsrechtlichen
der
Handelsgesetzge-
Richtlinien der Gemeinschaft
vom 12. Juli
1989 2 nimmt die Normen der Richtlinie 8 3 / 3 4 9 / E G vom 13. Juli in das Handelsgesetzbuch (Art. 42—49) auf. Außerhalb dieser rein bilanziellen Regelung der Konzerne existiert keine gesellschaftsrechtliche Normierung der Konzerne im neuen Aktiengesetz vom 22. Dezember 1989 (am 1 . 1 . 1 9 9 0 in Kraft getreten). Dieses Gesetz einerseits hat die Vorschriften der erwähnten Reformgesetze übernommen und andererseits das Aktiengesetz vom 17. Juli 1951 aufgehoben. Das ist darauf zurückzuführen, daß der spanische Gesetzgeber sich entschlossen hat, ausschließlich die geltenden
Richtlinien
in nationales Recht umzusetzen.
Darunter befindet sich bekanntermaßen nicht diejenige über die gesellschaftsrechtliche Regelung der Konzerne, deren Behandlung die Gemeinschaft mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Vor der jetzt abgeschlossenen Reform wurde im Jahre 1979 ein Vorprojekt eines Aktiengesetzes bekanntgemacht, das gesellschaftsrechtliche Regelungen über Unternehmensverbindungen enthielt. Diese waren vom Projekt des Statuts der Europäischen Aktiengesellschaft vom 30. April 1975 beeinflußt, was Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Kritik war 3 . Wenn man den Bereich des Gesellschaftsrechts im engeren Sinne verläßt, ist es möglich, eine stärkere gesetzliche Ausformung der Konzerne zu beobachten. Ohne den folgenden detaillierteren Ausführungen vorzugreifen, kann man feststellen, daß in den letzten Jahren verschiedene Konzepte über Konzerne als Folge der Anwendung derjenigen Normen, die in die Konzernsachverhalte Eingang gefunden haben, entstanden sind. So im Steuerrecht, über die Rechnungslegung
delsrechts im weiteren Sinne im Bereich der Wertpapiermärkte oder der Rentenfonds.
in den Gesetzen
bestimmter Einrichtungen oder innerhalb des Han(Börsenrecht)
In fast allen dieser Vorschriften zeichnet sich ein ähnliches
Verständnis der Konzerne ab, auch wenn sich einige Unterschiede und als Folge davon eine sicherlich unerwünschte Aufsplitterung der Vorstellungen über die Unternehmensverbindungen wahrnehmen lassen.
2 Über die vor kurzem abgeschlossene Reform, siehe die Bücher Rojo (Hrsg.), La reforma de la Ley de sociedades anónimas, 1987; AA. W . , La reforma del Derecho español de sociedades de capital, 1987; Quintana (Hrsg.), El nuevo Derecho de sociedades de capital, 1989. 3 Z. B. EMBID IRUJO, Algunas reflexiones sobre los grupos de sociedades y su regulación jurídica, RCASV 9 (1983), S. 29-30.
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Konzernrecht in Spanien
Außerhalb der gesetzlichen Ausgestaltung des Konzernrechts muß die Behandlung der Konzerne in der Praxis der Arbeitsgerichte hervorgehoben werden. Man kann ohne Scheu vom Bestehen einer arbeitsrechtlichen Konzernkonzeption im spanischen Recht sprechen, die nicht aus den Gesetzen, sondern vielmehr aus den in den Entscheidungen der Arbeitsgerichte enthaltenen Lehren hervorgeht. Vergleichbares ist in den übrigen Rechtsgebieten nicht geschehen. In ihnen hat die Existenz von Unternehmensverbindungen zu keiner bedeutenden Konzernrechtsprechung geführt. Außerhalb des Arbeitsrechts begnügen sich die Gerichte damit, das Bestehen einer Gesetzeslücke zu bescheinigen, ohne die notwendige Arbeit einer richterlichen Rechtsfortbildung in Angriff zu nehmen, die in der jüngsten Entwicklung des deutschen Konzernrechts so bedeutsam ist. Erwähnenswert ist nur die Häufigkeit, mit der man sich in unserem Land in den letzten Jahren gerichtlich mit Fällen von Einmanngesellschaften oder Gesellschaften, an denen andere mehrheitlich beteiligt sind - scheinbar ohne einen Konzern zu bilden - befaßt, auf die vielleicht mit zu großer Leichtfertigkeit die angelsächsische Lehre der Hebung des Schleiers der Rechtspersönlichkeit (lifting the corporate veil) angewandt wird. Die Beiträge der Lehre zur Erkenntnis der Konzerne und zur Lösung der durch sie aufgeworfenen Probleme sind vor allem bezüglich der spezifischen gesellschaftsrechtlichen Fragen noch immer ungenügend. Reichhaltiger sind die Studien über die Auswirkungen der Konzerne in anderen Bereichen der Rechtsordnung besonders im Arbeits- und im Steuerrecht. Zum Abschluß dieser Einführung ist auf die geringe Kenntnis der empirischen Realität der in Spanien arbeitenden Konzerne und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Unternehmensstruktur unseres Landes aufmerksam zu machen. Beide Umstände sind jedoch von großer Wichtigkeit bei der Planung eines Konzerngesellschaftsrechts. In Spanien fehlen den Arbeiten von Geßler* und Ordelheides für die AG und die GmbH in Deutschland vergleichbare quantitative Schätzungen über das Bestehen von Unternehmensverbindungen im Bereich der Handelsgesellschaften. Solche Studien erscheinen ohne Zweifel als notwendig, wenn man berücksichtigt, daß die Einführung einer gesellschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiete, die wirksam angewandt wird, tiefgreifende Rückwirkungen auf die Unternehmenswirklichkeit haben wird. II. Die Regelung
der Konzerne
außerhalb
des
Gesellschaftsrechts
Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung der Konzerne im spanischen Gesellschaftsrecht hat die Herausbildung von Kriterien ihrer Eingrenzung in anderen 4 Gessler, BB 1965, 672.
5 O r d e l h e i d e , BFuP 1986, 293 ff; zitiert bei L ü t t e r , ZGR 1987, 329 Fn.26.
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José Miguel Embid Irujo
Bereichen der Rechtsordnung nicht verhindert. Dabei handelt es sich um eine relativ neue Entwicklung, die zur Verbreitung verschiedener Konzeptionen mit der daraus resultierenden Zersplitterung der rechtlichen Behandlung der Konzerne führte. Dieses nicht ausschließlich spanische Phänomen6 bewirkt eine gewisse Vielschichtigkeit der Analyse der rechtlichen Situation der Konzerne, ohne daß dies bedeutet, die zwischen den verschiedenen Konzepten bestehenden Ähnlichkeiten zu verkennen. Andererseits ist die „plurale" Typifizierung in allen Fällen die ausschließliche Folge der Anwendung derjenigen Nonnen, die bei einem Konzernsachverhalt herangezogen werden, was auf den ersten Blick jede Verallgemeinerung auf andere Bereiche der Rechtsordnung verbietet. Im Folgenden werden wir zusammenfassend die verschiedenen Merkmale, die zur Beschreibung der Konzerne herausgearbeitet wurden, im Zusammenhang mit den jeweils betroffenen Rechtsgebieten untersuchen.
1. Steuerrecht Die ältesten gesetzlichen Bezüge auf die Verbindung von Gesellschaften sind steuerlicher Natur. Ohne die unverbesserliche Neigung der spanischen Lehre7 zu vergessen, das Steuerrecht als Wegbereiter der gesetzlichen Regelung zahlreicher handels- und gesellschaftsrechtlicher Institutionen anzusehen, kann die gesetzliche Tradition der ausschließlich steuerrechtlichen Typifizierung der Gesellschaftsverbindungen nicht übersehen werden8. Die Errichtung einer spezifischen steuerrechtlichen Regelung der Konzerne führt dazu, von der Rechtspersönlichkeit der in ihm integrierten Gesellschaften abzusehen und den Konzern als solchen zum Körperschaftsteuerschuldner (sujeto pasivo del impuesto de sociedades) zu erheben. Bei dieser Ausrichtung bestimmt man eine gemeinsame Besteuerungsgrundlage mittels der Technik der Bilanzkonsolidierung, mit der der zu versteuernde Gewinn ermittelt wird. 6 Ähnliches kann man in Frankreich beobachten (COZIAN/VIANDIER, Droit des sociétés, 1987, S.443), in Italien (ABBADESSA, in: Pavone la Rosa, [Hrsg.] I gruppi di società. Ricerche per un studio critico, 1982, S. 103 FF; VANETTI, Il gruppo nello statuto dell'impresa e nella Legge Prodi, RCDP 1986, S. 748 ff), und sogar in Deutschland (EMMERICH/ SONNENSCHEIN, Konzernrecht, 1 9 8 9 , S. 4 1 - 4 2 ) . 7 Siehe die schon klassische Arbeit von URIA, Derecho fiscal y Derecho mercantil, AAMN 1946, S. 2 5 7 ff. 8 Einen Abriß der Gesetzesentwicklung auf diesem Gebiet enthält E M B I D I R U J O , Grupos de sociedades y accionistas minoritarios. La tutela de la minoría en situaciones de dependencia societaria y grupo, 1987, S. 237-238. Mit dieser Frage hat sich besonders beschäftigt C A L V O O R T E G A , in: A A . W . , Grupos de sociedades. Su adaptación a las normas de Mercado Común, 1987, im besonderen S. 127-148. Ebenfalls DUQUE, Los grupos de sociedades y las cuentas consolidadas. Reforma pendiente del Derecho mercantil, HPE 94 (1985), S.212ff.
Konzernrecht in Spanien
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Die Begriffsbestimmung des Konzernes für diesen rechtlichen Sektor ist in der dritten Zusatzvorschrift des Gesetzes über die steuerrechtliche Regelung der zeitweiligen Unternehmenszusammenschlüsse und -Vereinigungen und der Gesellschaften zur Regionalentwicklung vom 26. Mai 1982 (Ley sobre régimen fiscal de las agrupaciones y uniones temporales de empresas y de sociedades de desarrollo regional) enthalten. Diese Vorschrift bestimmt, daß „unter Konzernen im Sinne der körperschaftsteuerlichen Regelungen über die Konsolidierung die Verbindung von in Spanien ansässigen Aktiengesellschaften verstanden wird, die durch eine herrschende Gesellschaft und alle von dieser abhängigen Gesellschaften gebildet wird". Um als herrschende Gesellschaft angesehen zu werden, ist die direkte oder indirekte Verfügungsgewalt über mehr als neunzig Prozent des Eigenkapitals einer oder mehrerer anderer Gesellschaften erforderlich, die ununterbrochen wenigstens seit zwei Jahren vor dem Antrag auf Zulassung der konsolidierten Steuererklärung besteht; außerdem muß diese Verfügungsgewalt während des gesamten Besteuerungszeitraumes bestehenbleiben. Andere, das erwähnte Gesetz hinsichtlich der Konzerne ergänzende Vorschriften sind das Real Decreto-Ley vom 25. Februar 1977, das Real Decreto vom 17. Juni 1977 und die Ministerialverordnung (orden ministerial) vom 13. März 1979. In diesen Rechtsnormen scheint man die konsolidierte Besteuerung als das Ergebnis einer einfachen Gewährung durch die öffentliche Verwaltung an die herrschende Gesellschaft zu gestalten (Art. 4, 5 und 6 des Real Decreto vom 17. Juni 1977). Tatsächlich lassen diese Bestimmungen keine Ermessensentscheidung zu, die dem Konzept der behördlichen Bewilligung eigen ist, da die jeder Ermessensausübung eigene Voraussetzung, daß beide Entscheidungsalternativen im konkreten Fall gleichermaßen gerechtfertigt sind, nicht vorliegt. In dem Sinne, behördliches Ermessen bei der Gewährung der konsolidierten Besteuerung auszuschließen, spricht sich das Urteil des Tribunal Supremo (T. S.) vom 18. September 1987 aus, das in bezug auf diese Materie die Staatsverwaltung und nicht die autonomen Regionen (Comunidades Autónomas) als zuständig ansieht9. 2.
Arbeitsrecht
In diesem Bereich der Rechtsordnung ist das Recht der Konzerne mehr das Ergebnis der gerichtlichen Aktivität als der Ausarbeitung spezifischer gesetzlicher Vorschriften. Schon seit einigen Jahren haben sich die spanischen Gerichte wiederholt mit den besonderen Wirkungen beschäftigt, die die Arbeitsweise der Konzerne bei der Anwendung arbeitsrechtlicher Nonnen erzeugt. Dies ist nicht der Augenblick, alle und jedes einzelne der vielen Probleme, die die Konzerne im Bereich des Arbeitsrechts aufwerfen, eingehend zu untersu9 S i e h e CALVO ORTEGA, a a O ( F n . 8 ) , S. 1 3 2 - 1 3 5 .
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José Miguel Embid Irujo
chen. Man kann jedoch feststellen, daß in der Lehre der spanischen Gerichte die Lösung des größten Teiles der Fälle durch die uneigennützige Zielsetzung angeregt wird, die dieses Rechtsgebiet von seinen Anfängen an kennzeichnet. Bei der uns beschäftigenden Thematik nutzt man diese Zielrichtung, um zu verhindern, daß die Bildung und die Tätigkeit der Konzerne die Ausübung der gesetzlich oder vertraglich anerkannten Rechte der Arbeitnehmer einschränkt oder ausschließt. Das Problem, das die spanische Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft vielleicht am meisten beschäftigt hat, kann man als die Bestimmung des haftenden Unternehmers in einem Konzernverhältnis in bezug auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen umschreiben, die jede einzelne dem Konzern angehörige Gesellschaft eingegangen ist. In dieser Frage hat die wenn auch nicht einheitliche so doch weit überwiegende spanische Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, daß man im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht die Gesellschaft, die formal die Verträge mit den Arbeitnehmern geschlossen hat, als das haftende Unternehmen ansehen darf, sondern den Konzern in seiner Gesamtheit. In der Praxis unserer Gerichte basiert die Feststellung der Existenz eines Konzerns auf die Anerkennung gewisser Indizien (undifferenzierte Arbeitsleistung, Vermischung von Gesellschaftsvermögen, einheitliches äußeres Auftreten, einheitliche Leitung), die nicht immer genau bestimmt und definiert werden. Nachdem der Konzern in seiner Gesamtheit mit dem Unternehmen gleichgesetzt worden ist, wirft dessen fehlende Rechtspersönlichkeit sofort das Problem der Zurechnung der vermögensrechtlichen Konsequenzen der arbeitsrechtlichen Beziehung auf. Formal kann der Konzern aus diesen Rechtsbeziehungen nicht haftbar sein; es bleibt der Zweifel, ob es die Konzerngesellschaft sein kann, die die Verträge mit den Arbeitnehmern geschlossen hat. Diese letzte Lösung zu akzeptieren, hieße, die Ansprüche der Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz dieser Gesellschaft möglicherweise unbefriedigt zu lassen. Aus diesem Grunde erachten die spanischen Gerichte alle einen Konzern bildenden Gesellschaften als gcsamtschuldnerisch haftbar für die aus Arbeitsverhältnissen herrührenden Verbindlichkeiten einer Konzerngesellschaft10. Die Einführung der gesamtschuldnerischen Haftung der Konzerngesellschaften für die arbeitsrechtlichen Schulden einer von ihnen ist von der Mehrheit der 10 Unter der Vielzahl der Entscheidungen, die diese Lehre vertreten, sind die folgenden zu zitieren: T C , 2 7 . 5 . 1 9 8 3 ; TS (6.Senat), 2 3 . 6 . 1 9 8 3 ; 4 . 3 . 1 9 8 5 ; 14.10.1985; 9 . 2 . 1 9 8 7 ; 10.11.1987; 8 . 6 . 1 9 8 8 ; T C T , 1 5 . 1 0 . 1 9 8 2 ; 4. 7.1984; 12.3.1986. Die Magistraturas de Trabajo haben diese gesamtschuldnerische Haftung ebenfalls anerkannt: M T (Malaga), 9 . 5 . 1 9 7 5 ; M T n. 5 (Vizcaya), 2 7 . 3 . 1 9 8 7 ; M T n. 15 (Barcelona), 23. 7.1980. Demgegenüber gibt es auch Entscheidungen, die die alleinige Haftung jeder einzelnen Konzerngesellschaft gegenüber den Arbeitnehmern aufrechterhalten: TS (6. Senat), 2 3 . 3 . 1 9 8 3 ; 1 3 . 3 . 1 9 8 6 ; T C T , 1 8 . 3 . 1 9 8 1 ; 4 . 1 1 . 1 9 8 1 ; 4 . 1 1 . 1 9 8 6 ; M T n. 18 (Madrid), 1 . 8 . 1 9 8 3 .
Konzernrecht in Spanien
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Lehre gutgeheißen worden, obwohl es nicht an Kritik fehlte 11 . Unserer Meinung nach müßte das Anknüpfungskriterium der Rechtsprechung nuanciert werden, indem man in erster Linie die Struktur des Konzerns berücksichtigt; das heißt, die größere oder geringere Zentralisierung und die tatsächliche Fähigkeit der Konzerngesellschaften, die Vermögensfolgen gewisser Rechtsverhältnisse eigenständig zu übernehmen. Bei Beachtung dieser Kriterien reichte es aus, in dezentralisierten Konzernen allein die direkt betroffene Gesellschaft den Arbeitnehmern gegenüber haften zu lassen; in den zentralisierten Konzernen müßte man, anstatt allen Konzerngesellschaften eine gesamtschuldnerische Haftung aufzuerlegen, auf die Hebung des Schleiers der Rechtspersönlichkeit der betroffenen Gesellschaft zurückgreifen und zulassen, daß die Arbeitnehmer deren Gesellschafter in Anspruch nehmen. Die jetzige, von der Mehrheit der spanischen Rechtsprechung akzeptierte Lösung gefährdet die Lebensfähigkeit der Konzerne übermäßig und geht von vornherein weit über das hinaus, was der Schutz der Arbeitnehmer im Konzern erfordert. 3.
Wertpapiermarkt
Das neue Gesetz 24/1988 vom 28. Juli über den Wertpapiermarkt, das sich mit der Bestimmung seines institutionellen Rahmens beschäftigt 12 , enthält in Art. 4 einen besonderen Konzernbegriff. Die angeführte Vorschrift sagt Folgendes: „Mit Wirkung für dieses Gesetz werden diejenigen Körperschaften als einem Konzern angehörig angesehen, die eine Entscheidungseinheit bilden, weil irgendeine von ihnen die Entscheidungen der übrigen direkt oder indirekt kontrolliert oder kontrollieren kann: Es wird in jedem Falle angenommen, daß die Kontrolle einer beherrschten Körperschaft durch eine andere herrschende besteht, wenn eines der folgenden Merkmale erfüllt ist: a) Die herrschende Körperschaft verfügt über die Mehrheit der Stimmrechte in der beherrschten Körperschaft, sei es direkt oder aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern der Letzteren. b) Die herrschende Körperschaft hat das Recht die Mehrheit der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der beherrschten Körperschaft zu benennen oder abzusetzen, sei es direkt oder mittels Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern der Letzteren. c) Wenigstens die Hälfte plus einen, der Verwaltungsräte der beherrschten Körperschaft sind Verwaltungsräte oder hohe leitende Angestellte der herrschenden Körperschaft oder anderer von ihr beherrschter Körperschaften. Mit Wirkung auf das in den vorstehenden Absätzen Vorgesehene, werden den in ihnen erwähnten Stimmrechten, den Rechten auf Benennung und Absetzung diejenigen hinzugefügt, die die herrschende Körperschaft mittels beherrschter Körperschaften oder mittels anderer Personen, die auf Rechnung der herrschenden Körperschaft handeln oder durch andere durch diese beherrschte Körperschaften besitzt." 11 Zustimmend CAMPS Ruiz, La problemática jurídico-laboral de los grupos de sociedades, 1986, m.w. N . ; kritisch EMBID IRUJO, Caracterización jurídica de los grupos de sociedades y su significado en Derecho del Trabajo, R L 5 (1985), S. 865. 12 Hierzu BERCOVITZ, El Derecho del mercado de capitales, R D B B 29 (1988), S.385ff.
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Die zitierte Vorschrift hebt Art. 4 par. 5 des Gesetzes über Gemeinschaftsanlagegesellschaften vom 26. Dezember 1984 auf, der einen besonderen für dieses Gesetz und später im durch das Real Decreto-Ley vom 14. März 1986 geregelten Bereich der Risikokapitalgesellschaften gültigen Konzernbegriff enthielt13. Im Gegensatz dazu wird der entsprechende Artikel des Gesetzes über Pensionsfonds vom 8. Juni 1987, der, der Bestimmung im Gesetz über die Gemeinschaftsanlagegesellschaften textlich folgend, ein entsprechendes Konzept des Konzerns eingeführt hatte, nicht ausdrücklich aufgehoben. Die zwischen diesem letzterwähnten und dem oben zitierten Gesetz bestehenden Unterschiede sowie Gründe der Gesetzesökonomie und -koordinierung zwingen zur Beschäftigung mit der Reichweite der generellen Verdrängungsklausel im Gesetz über den Wertpapiermarkt; dies bedeutet, ob man ausschließlich das im Gesetz über den Wertpapiermarkt enthaltene Konzept des Konzerns als geltend ansieht aufgrund des Kriteriums des lex posterior, oder ob vielmehr die Spezialität des im Gesetz über die Rentenfonds gebrauchten Konzepts seine Fortgeltung erlaubt, in diesem Fall mittels des Arguments der lex specialis. Aus der Lektüre des Art. 4 des Gesetzes über den Wertpapiermarkt kann man schließen, daß die „Einheit der Entscheidung", die jeden Konzern kennzeichnet, sich ausschließlich durch die Kontrolle einer „Körperschaft" über die Entscheidungen einer anderen oder anderer verwirklicht. Aus der Sicht des klassischen Gesellschaftsrechts werden durch diese Bestimmungen die Voraussetzungen für das Bestehen eines Konzernes verringert. In Ubereinstimmung mit den Erfahrungen des vergleichenden Rechts rechtfertigt, von dieser Warte aus gesehen, die Kontrolle einer Gesellschaft über andere Gesellschaften nicht die Ersetzung der Prinzipien des allgemeinen Gesellschaftsrechts durch andere, die die Unterwerfung des Gesellschaftsinteresses der beherrschten Gesellschaft unter das der herrschenden erlauben; für diese ist bekanntermaßen die Verwirklichung einer echten Unternehmensintegration notwendig, die ohne Zweifel durch das vorangehende Bestehen einer Situation der Kontrolle möglich ist, ohne jedoch vollständig mit jener identisch zu sein. Ein wenig überrascht die Verwendung des Begriffs „Körperschaften" (entidades) im Gesetz über den Wertpapiermarkt bei der Beschreibung der Konzerne und der Feststellung, wann eine Situation der Kontrolle besteht. Darüber hinaus erscheinen die drei Voraussetzungen, die diese auslösen, als eindeutige Fälle von Beherrschung oder Kontrolle einer Gesellschaft über andere. Man könnte sagen, daß der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des börsenrechtlichen Konzernkonzepts durch den Gebrauch des Begriffs „entidad", der allgemeiner aber auch
13 Über die Risikokapitalgesellschaften, siehe unsere Arbeit Aproximación al significado jurídico de las sociedades y fondos de capital riesgo, R D B B 22 (1986), S. 365 ff mit konkretem Bezug auf die Konzerne.
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K o n z e r n r e c h t ¡n Spanien
unbestimmter als der der Gesellschaft ist, zu erweitern versuchte, ohne bei der Charakterisierung der Kontrolle einer „Körperschaft" die Kriterien für die Beherrschung einer Gesellschaft vermeiden zu können. Auf der anderen Seite erschwert die Unbestimmtheit des benutzten Begriffs die Anwendung der angesprochenen Vorschrift erheblich. Das Gesetz selbst enthält keine geeigneten Kriterien für die Ermittlung, was eine „Körperschaft" ist, ein Ausdruck, den es gebraucht, um verschiedenartige Institutionen zu bezeichnen (siehe z. B. Art. 84). Im übrigen hat die tatbestandliche Beschreibung des Konzerns im Gesetz über den Wertpapiermarkt kaum Auswirkungen. Abgesehen von einer Vorschrift (Art. 68, 4C), die sich hinsichtlich der Zurechnung von Beteiligungen am Kapital von Gesellschaften und Agenturen des Wertpapiermarktes ausdrücklich auf sie bezieht, scheint das Gesetz die in der gesetzlichen Anerkennung der Rechtsfigur des Konzerns liegenden Möglichkeiten nicht zu erkennen.
4. Andere gesetzliche Bezüge auf die
Konzerne
Im Bereich der Rechnungslegung muß auf das Gesetz vom 25. Mai 1985 über „coeficientes de inversión, recursos propios y obligaciones de información de los intermediarios financieros" (Kreditwesengesetz) hingewiesen werden. Es begründet die Pflicht, die Jahresabschlüsse derjenigen Kredit- und Depotinstitute zu konsolidieren, die untereinander eine Entscheidungseinheit (unidad de decisión) bilden, „sei es, weil das Depotinstitut die direkte oder indirekte Kontrolle über die übrigen Institute ausübt, sei es, weil das Depotinstitut oder die anderen Kreditinstitute direkt oder indirekt von einer Person oder Körperschaft, deren Jahresabschluß nicht nach diesem Gesetz zu konsolidieren ist, kontrolliert wird" (Art. 8, I o ). Was unter Kontrolle eines Instituts über andere, die unausweichlich zur Pflicht, die Rechnungslegung zu konsolidieren, führt, zu verstehen ist, definiert Art. 8, 3° auf ähnliche Weise wie das Gesetz über den Wertpapiermarkt. Schießlich ordnet Art. 8, 4° an, daß „die Konsolidierung der Abschlüsse gemäß den Konsolidierungsvorschriften, die die Regierung auf Vorschlag der Bank von Spanien erläßt, durchzuführen ist". Unwichtigere Hinweise auf die Konzerne finden sich einerseits in der Privatversicherungsordnung (Reglamento de Ordenación del Seguro Privado), die durch das Real Decreto vom 1. August 1985 verabschiedet wurde, und andererseits im Gesetz über den Schutz der Verbraucher und Benutzer (Ley Genereal para la Defensa de los Consumidores y Usuarios) vom 19. Juli 1984. Art. 70 der Privatversicherungsordnung sagt, was im Zusammenhang mit der Begrenzung der Anlage technischer Deckungsmittel einer Versicherungsgesellschaft unter einem Konzern zu verstehen ist. Danach werden diejenigen Gesellschaften als einem Konzern zugehörig angesehen, die eine Entscheidungseinheit bilden,
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durch die eine von ihnen die übrigen direkt oder indirekt kontrolliert 14 . Demgegenüber ist das Verbraucherschutzgesetz weniger ausdrücklich und beschränkt sich auf die Bemerkung, daß die Unternehmensgruppen (grupo de empresas) Verfasser der allgemeinen Geschäftsbedingungen sein kann, die sie (sie !) in den von ihr geschlossenen Verträgen gebraucht 15 .
III.
Die Konzerne
im Bereich des
1. Die
Gesellschaftsrechts
Gesetzeslage
Wie wir in der Einführung dieser Arbeit festgestellt haben, wird das Bild der gesetzgeberischen Gleichgültigkeit gegenüber den Konzernen durch das jüngst verabschiedete Gesetz über die Reform des spanischen Gesellschaftsrechts in diesem Bereich der Rechtsordnung nicht entscheidend geändert. Wenn man die Rechnungslegung ausnimmt, der aufgrund der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich gesetzgeberische Aufmerksamkeit zukam, verschließt das spanische Gesellschaftsrecht weiterhin die Augen vor den vielfältigen praktischen Fragen, die die Konzerne in der Rechtsordnung aufwerfen. Dessen ungeachtet existieren innerhalb und außerhalb des Reformgesetzes einige Normen, die sich zwar nicht ausschließlich mit den Konzernen befassen, aber doch ihre Aufmerksamkeit einigen Fragen zuwenden, die mit jenen verbunden sind, wie die Erlangung der Kontrolle Uber eine Gesellschaft mittels bestimmter Verfahrensweisen (oferta pública de adquisición de acciones; O P A ; öffentliches Übernahmeangebot) oder die Auswirkung der Kontrolle einer Gesellschaft im Rahmen der besonderen Problematik der Rechtsgeschäfte mit eigenen Aktien. Von alledem wollen wir in dieser Arbeit einige Leitgedanken vermitteln.
a) Erwerb der Kontrolle
über
Gesellschaften
In den letzten Jahren hat sich innerhalb der spezialisierten Lehre die Auffassung vom Konzern als dem Resultat eines wirtschaftlichen Prozesses eingebür-
14 Über diese Verordnung und über das Gesetz über die Versicherungsaufsicht, auf dem sie basiert, siehe Verdera (Hrsg.), Comentarios a la ley de ordenación del seguro privado, 1988. Die konzernrechtliche Problematik in dieser Verordnung spricht DUQUE, in: A A . W . , Grupos de sociedades. Su adaptación a las normas del Mercado Común, 1987, S. 15 ff an. 15 Hierzu EMBID IRUJO, Regulación mercantil de los grupos de sociedades, La Ley 2158 (1989), S . 4 .
Konzernrecht in Spanien
257
gert, der im allgemeinen mittels verschiedener Techniken des Erwerbes der Kontrolle eingeleitet wurde16. Vielleicht das gebräuchlichste dieser Verfahren ist das öffentliche Ubernahmeangebot (oferta pública de adquisición de acciones; OPA), das seit einigen Jahren im Bereich des spanischen Rechts bekannt ist' 7 . Zur Zeit findet sich die grundlegende Regelung in dem Real Decreto vom 26. Juli 1991, wobei die Hauptlinien sich an den Entwurf des Gesetzes über den Wertpapiermarkt (Art. 60-61) anlehnen, sowie schon an die 13. Richtlinie der EG zu dieser Materie18. Die geltende Regelung hat dazu geführt, daß einige vorhandene Schwächen der vorangegangenen Gesetzgebung korrigiert worden sind. Sie hat in das spanische Recht eine ausführliche Regelung eingeführt, die gelegentlich nicht leicht auszulegen ist. In jedem Fall scheint das Real Decreto inspiriert zu sein von den zwei Grundprinzipien, die gewöhnlicherweise die gesetzgeberische Behandlung der öffentlichen Ubernahmeangebote (OPA) bestimmen: Eine umfassende und vergleichende Information und die Gleichbehandlung aller Gesellschaften der durch das Erwerbsangebot betroffenen Gesellschaft19. Kurz gesagt unterscheidet das Real Decreto zwischen verpflichtenden und freiwilligen öffentlichen Ubernahmeangeboten, nur hängt letzteres von dem Willen der (Übernahme)-Anbieter ab. Weiterhin kann innerhalb der erstgenannten Gruppe unterschieden werden zwischen den Erwerbsbestimmungen oder den Bestimmungen über den Zukauf der Anteile, bis eine bedeutende Beteiligung erreicht ist (Art. 1 bis 4), während für die andere Gruppe eine Satzungsänderung (Art. 5 bis 6) notwendig ist, wenn man vermeiden möchte, daß die Titel am Wertpapiermarkt gehandelt werden (Art. 7 bis 8).
16 Siehe in Deutschland die Auskünfte von BEHRENS, Z G R 1975, 433 ff; WIEDEMANN, Z G R 1978, 477ff; LUTTER/TIMM, NJW 1982, 409ff. Mit der rechtlichen Problematik der Konzembildung befaßt sich in jüngster Zeit WIEDEMANN, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 40 ff; EMMERICH/SONNENSCHEIN, aaO (Fn. 6), S. 93 ff; in Spanien siehe die Darlegung in EMBID IRUJO, aaO (Fn. 8), S. 24-26. 17 Im Zusammenhang mit dem geltenden Text sollte man die Dekrete vom 5 . 9 . 1 9 8 0 und 2 5 . 1 . 1 9 8 4 beachten. In der Literatur siehe die Studie von ZURITA, La oferta pública de adquisición de acciones (OPA), Madrid 1980, und von demselben Autor, Consideraciones para el estudio del régimen español de la oferta pública de adquisición de valores mobiliarios, R D B B , 1981, S . 5 7 3 f f . Bezüglich dem zweiten o.g. Dekret vgl. F. LOPEZ ANTÓN, Ofertas públicas de adquisición de valores mobiliarios (Algunas consideraciones sobre su régimen legal en Derecho español), R D M . 1985, S. 203 ff. 18 In diesem Sinne siehe A. RECALDE CASTELLS, El Derecho Communitario sobre OPAs (La propuesta modificada de 13 a directiva en materia de Derecho de sociedades), Derecho de los negocios 6 (1991), S. 14 ff. 1 9 In d i e s e m S i n n e , E M B I D I R U J O , a a O ( F n . 8 ) , S . 4 2 .
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J o s é Miguel E m b i d I r u j o
b) Regelung des Zustandes der Kontrolle: Zeichnung, Erwerb und Rechtsgeschäfte über Aktien der herrschenden Gesellschaft Das Aktiengesetz von 1951 berücksichtigte bei Aktienerwerbsgeschäften nicht eigens die Kontrolle einer Gesellschaft durch andere und begnügte sich damit, der Gesellschaft den Erwerb eigener Aktien zu verbieten20. Dagegen nimmt das jüngst verabschiedete Aktiengesetz als zwingende Folge der Umsetzung der zweiten EG-Richtlinie in das spanische Recht in diesem Bereich eine Reihe von Änderungen vor. An erster Stelle wird die Zeichnung von Aktien der herrschenden Gesellschaft verboten (Art. 74, I o ). Im Falle des Verstoßes gegen dieses Verbot erwirbt die zeichnende Gesellschaft aber nach Art. 74, 2° dennoch das Eigentum an den Aktien. Die Einlagen müssen jedoch von den die Gründung betreibenden Personen (promotores), den Gründungsgesellschaftern (fundadores) oder bei der Kapitalerhöhung von den Vorstandsmitgliedern (administradores) erbracht werden. Beim abgeleiteten Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft ist das überkommene Verbot, wenn auch nuanciert, erhalten geblieben. Art. 75 zeigt die Grenzen und Voraussetzungen auf, innerhalb derer ein solcher Erwerb als gültig angesehen wird. Unter diesen Schranken stechen die notwendige Ermächtigung durch die Hauptversammlung der Aktionäre (Junta General), die Begrenzung des Erwerbs auf maximal zehn Prozent des Grundkapitals (capital social) und die vollständige Einzahlung der erworbenen Aktien hervor. Bei Mißachtung dieser Grenzen müssen die erworbenen Aktien „im Zeitraum von höchstens einem Jahr seit dem ersten Erwerb" (Art. 76, 1°) veräußert werden. Ungeachtet der Bestimmungen in vorgenanntem Artikel läßt das Gesetz den Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft ohne die angegebenen Begrenzungen immer zu, wenn es sich um einen der folgenden, in Art. 77 genannten Fälle handelt: „a) W e n n die A k t i e n . . . in A u s f ü h r u n g eines Hauptversammlungsbeschlusses
zur
Kapitalherabsetzung e r w o r b e n werden. b) W e n n die A k t i e n T e i l eines durch G e s a m t r e c h t s n a c h f o l g e erworbenen V e r m ö g e n s sind. c ) W e n n die vollständig eingezahlten A k t i e n unentgeltlich erworben werden. d) W e n n die vollständig eingezahlten A k t i e n in F o l g e eines gerichtlichen Zuschlags zum Z w e c k e der Befriedigung einer Gesellschaftsforderung gegenüber dem I n h a b e r der Aktien erworben werden."
Wie man deutlich feststellen kann, ist der spanische Gesetzgeber hier mit großer Genauigkeit den Bestimmungen der zweiten EG-Richtlinie gefolgt. Eine
2 0 Sehr ausführlich über dieses T h e m a VELASCO SAN PEDRO, L a adquisición p o r la sociedad emisora de sus propias acciones, 1985.
Konzernrecht in Spanien
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Ausnahme von den Schranken des Erwerbes von Aktien der herrschenden Gesellschah hat er jedoch nicht in die Vorschrift aufgenommen. Diese Ausnahme betrifft die Situationen, in denen der Aktienerwerb durchgeführt wird, um die Aktionäre der verbundenen Gesellschaften zu entschädigen. Die Grenzen des Erwerbs von Aktien der herrschenden Gesellschaft finden gleichermaßen Anwendung auf deren Inpfandnahme oder Annahme als Garantie anderer Form durch die abhängige Gesellschaft (Art. 80). Schließlich weist das Gesetz darauf hin, daß es der Gesellschaft gleichermaßen unmöglich ist, einem Dritten für den Erwerb von Aktien der sie beherrschenden Gesellschaft Mittel vorzustrecken, Darlehen zu gewähren, Garantien zu geben oder irgendeine Art von finanzieller Unterstützung zur Verfügung zu stellen (Art. 81, I o ). Dieses Verbot „ist nicht anzuwenden auf die, mit dem Zweck, den Arbeitnehmern den Erwerb von Aktien ihres Unternehmens oder von Aktien einer Konzerngesellschaft zu ermöglichen, vorgenommenen Geschäfte" (Art. 81, 2°)21.
Dieser letzte Satz verursacht eine Ratlosigkeit, die durch andere Vorschriften des Reformgesetzes geschaffen wird, in denen man den Begriff „Konzern" (grupo) erwähnt, ohne zu sagen, was darunter zu verstehen ist. Diese Frage ist besonders bedeutsam im Bereich der Rechnungslegung der Aktiengesellschaft, der unter dem Einfluß der vierten EG-Richtinie analytisch aufgeschlüsselt zu sein scheint. In verschiedenen Teilen der Regelung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung gebraucht man die Begriffe „Ausleihungen an Konzerngesellschaften", „Anteile an Konzerngesellschaften", „schuldende Unternehmen des Konzerns" (Art. 1, 176-177), „Schulden gegenüber Konzerngesellschaften" (Art. 180, 6°), „Zinsen und vergleichbare Kosten unter gesondertem Ausweis derjenigen gegenüber Konzemgesellschaften" (Art. 189), etc. Diese Vorschriften werfen ein ernstes Problem der Interpretatoren auf, da der Konzern als solcher im Reformgesetz nicht definiert wird, und wenn doch, dann einzig zum Zwecke der Bilanzkonsolidierung, deren Voraussetzungen genau genommen nicht mit einer Konzernlage vergleichbar sind. Den Interpretatoren und Anwendern des Gesetzes bleibt es überlassen, zu klären, was unter „Konzern" im Anwendungsbereich der zitierten Vorschriften verstanden werden muß. Voraussetzung für die Anwendung der Normen über Zeichnung, Erwerb von und Rechtsgeschäfte mit Aktien der herrschenden Gesellschaft ist die Bestimmung des Konzeptes der „Beherrschung" (dominación). Art. 46 des Aktiengesetzes verweist auf Art. 42 des Codigo del comercio (Handelsgesetzbuch), der, wie
21 Über die von den hier untersuchten Vorschriften aufgeworfenen Fragen, siehe PAZARES, in: AA. W . , La reforma del Derecho español de sociedades de capital, 1987, S . 498 ff; Z U R I T A , in: Rojo (Hrsg.), La reforma de la ley de sociedades anónimas, 1987, S. 123; in letzter Zeit VELASCO SAN PEDRO, Uniones de empresas y tutela del capital social, JD 6 (1989), S. 19-30.
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José Miguel Embid Irujo
bekannt ist, die Bedingungen festsetzt, unter denen die konsolidierte Bilanzierung durchzuführen ist 22 . Diese Vorschrift bestimmt: J e d e Handelsgesellschaft ist verpflichtet, einen konsolidierten Jahresabschluß und Geschäftsbericht in der, in diesem Gesetz und im Gesetz über die rechtliche Ordnung der Aktiengesellschaften, vorgesehenen Form anzufertigen, wenn sie als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft im Verhältnis zu dieser einen der folgenden Fälle erfüllt: a) Sie die Mehrheit der Stimmrechte besitzt. b) Sie die Möglichkeit hat, die Mehrheit der Mitglieder des Geschäftsführerorgans zu benennen oder zu entlassen. c) Sie aufgrund von Vereinbarungen mit anderen Gesellschaftern über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen kann. d) Sie ausschließlich mit ihren Stimmen die Mehrheit der Mitglieder des Geschäftsführerorgans benannt hat, die ihr Amt zu dem Zeitpunkt ausüben, zu dem der konsolidierte Jahresabschluß aufgestellt werden muß und während der beiden vorangegangenen Geschäftsjahre. Diese Voraussetzung zwingt nicht zur Konsolidierung, wenn die Gesellschaft, deren Geschäftsführer benannt wurden, mit einer anderen Gesellschaft in einem der Fälle der ersten beiden Ziffern dieses Artikels verbunden ist".
2. Die Rechtslage nach der
Rechtsprechung
Es gibt sehr wenige Fälle, in denen die spanischen Gerichte Entscheidungen über konzernrechtliche Sachverhalte gefällt haben. Im Gegensatz zur Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, die bereits eine Lehre über die Bedeutung der Konzerne auf dem Gebiet des Arbeitsrechts herausgebildet hat, existiert Ahnliches im Bereich des Gesellschaftsrechts nicht. Der größte Teil der gewiß nicht vielen Entscheidungen, die Konzerne betreffen, beschränkt sich darauf, das Nichtbestehen einer angemessenen Konzernrechtsordnung in unserem Gesellschaftsrecht festzustellen, ohne daß diese Gesetzeslücke sie dazu brächte, spezifische Lösungen für den untersuchten Fall zu entwickeln. Erwähnt sei hier das in diese Richtung gehende Urteil des Tribunal Supremo (1. Senat) vom 29. April 1985, das sich auf die Erklärung beschränkt, daß unser Handelsrecht „keine Normen enthält, die das Phänomen betreffen, daß einige Unternehmungen strukturell durch eine veränderliche Zahl von Produktionseinheiten gebildet werden, von denen jede einzelne trotzdem ihre Rechtspersönlichkeit bewahrt, und die einer einheitlichen Entscheidungsgewalt unterworfen sind, so daß sie einen Konzern bilden".
22 Wie der deutsche hat der spanische Gesetzgeber die Normen über die Bilanzkonsolidierung in das Handelsgesetzbuch aufgenommen; hierzu FONT RIBAS, in: Rojo (Hrsg.), La reforma de la ley de sociedades anónimas, 1987, S. 293 ff; DUQUE, in: AA. W . , La reforma del Derecho español de sociedades de capital, 1987, S. 737 ff.
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Größere Beachtung gebührt der Entscheidung des Tribunal Supremo (1. Senat) vom 16. Dezember 1985, die sich auf die interessante Erscheinung der „Patronatserklärungen" (cartas de patrocinio, lettres de patronage) als Ausdruck des Bestehens eines Konzerns bezieht23. Obwohl es die vereinzelte Entscheidung eines Untergerichts ist, verdient das Urteil der Audiencia Provincial de Barcelona vom 22. Januar 1985, in dem die Haftung aller Konzerngesellschaften für die Verbindlichkeiten einer von ihnen anerkannt wird, besondere Aufmerksamkeit. Obwohl nicht direkt mit dem Konzern verbunden, verdient die Tätigkeit der spanischen Gerichte auf dem Gebiet der Einmann-Gesellschaften oder der weitgehend durch eine andere kontrollierten Gesellschaften, mit denen sich unsere Gerichte in den letzten Jahren sehr oft beschäftigt haben, größeres Interesse. Beide Situationen, besonders aber die der Einmann-Gesellschaft, werden von den spanischen Gerichten als Gefahrensituationen für die Gesellschaftsgläubiger angesehen. Zwar enthalten die geltenden Gesetze hierfür keine besonderen Vorkehrungen, oftmals ziehen die Gerichte aber zur Lösung dieser Fälle die Lehre von der Hebung des Schleiers (levantamiento del velo) der Rechtspersönlichkeit der vollständig oder teilweise beherrschten Gesellschaft heran. Die Anwendung dieses Kriteriums führt nicht in jedem Fall, wie es als zwingend erscheinen könnte, zur Verantwortlichkeit des Einmann-Gesellschafters oder des beherrschenden Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der beherrschten Gesellschaft; diese wird manchmal auferlegt, ist aber nicht die gewöhnliche Rechtsfolge, die unsere Gerichte der Hebung des Schleiers der Rechtspersönlichkeit entnehmen. Die angesprochene Lehre der Rechtsprechung wird nicht nur auf die Aktiengesellschaften mit privatem Kapital angewandt, sondern auch auf die mit öffentlichem Kapital. Zu den Letztgenannten muß man das Urteil des Tribunal Supremo (1. Senat) vom 28. Mai 1984 erwähnen, in dem das Gericht den Schleier einer gemeindlichen Aktiengesellschaft hob, ohne die Stadtverwaltung für die Schulden der Gesellschaft haftbar zu machen24. Bezüglich der Aktiengesellschaften privaten Kapitals muß man die Urteile des Tribunal Supremo (1. Senat) vom 27. November 1985", 9. Juli 1987 und 25. Januar 1988 aufführen. Auf Genossenschaften (sociedades cooperativas) wird die Hebung des Schleiers in den Urteilen des Tribunal Supremo (1. Senat) vom 16. Juli 1987 und 5. Oktober 1988 angewandt. Schließlich läßt die Entscheidung vom 2. Dezember 1988 den Einmann-
23 Siehe die Kommentierung dieses Urteils von LOPEZ URIEL, C C J C 1986, S.3317ff; sehr ausführlich über diese Frage VALENZUELA, La „seriedad" de las llamadas cartas de patrocinio, R D M 185-186 (1987), S. 347 ff. 24 Siehe die Kommentierung des Urteils von PANTALEON PRIETO, C C J C 1984, S. 1711 ff. 25 Hierzu AURIOLÉS, La sociedad anónima unipersonal en la reciente jurisprudencia, R D M 1986, S. 185 ff.
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José Miguel Embid Irujo
Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sociedad de responsabilidad limitada, SRL) für deren Schulden haften. Diese Entscheidungen wurden von der Rechtswissenschaft generell kritisch bewertet1''. Ohne ihren Wert als Ausdruck einer antiformalistischen Rechtsprechung außer acht zu lassen, kann die Verallgemeinerung des Rückgriffs auf ein Instrument wie die Hebung des Schleiers der Rechtspersönlichkeit, das im vergleichenden Recht als Ausnahme angesehen wird, Gegenstand der Kritik sein. Auf der anderen Seite erschwert der ständige Rückgriff auf den Gedanken der Täuschung oder des Betruges (fraude) in vielen Entscheidungen die Möglichkeit, die materielle Gerechtigkeit auf anderen weniger abstrakten Wegen, die in unserer Rechtsordnung angelegt sind, zu erreichen27. Schlußfolgernd muß man sagen, daß es notwendig wäre, die Anwendungsvoraussetzungen des Instruments der Hebung des Schleiers auf der Linie, die in den Rechtsordnungen des common law und im deutschen Recht bereits geklärt ist, genau zu bestimmen. Gleichzeitig wäre es ratsam, die exakten Rechtsfolgen dieses Instituts festzulegen; das spanische Recht hat es erlaubt, die Schulden der beherrschten Gesellschaft dem kontrollierenden bzw. Einmann-Gesellschafter zuzurechnen. Gleichzeitig sind aber aus der Hebung des Schleiers der Rechtspersönlichkeit Rechtsfolgen gezogen worden, die nichts mit ihr zu tun haben.
IV.
Schlußbemerkungen
In der vorliegenden Arbeit haben wir uns darauf beschränkt, einige Anmerkungen über die Rechtslage der Konzerne im spanischen Recht zu machen. Dabei sind wir immer vom Konzern als Unterordnungskonzern ausgegangen und haben die möglichen durch die sogenannte Gleichordnungskonzerne aufgeworfenen Probleme, die in Spanien noch immer wenig untersucht sind28, außer acht gelassen. Die in unserem Lande fehlende gesellschaftsrechtliche Typifizierung der Konzerne kann die Aufsplitterung in verschiedene Bereiche der Rechtsordnung erklären. Diese Situation kann nicht als glücklich angesehen werden, weil sie die Komplexität dieser Rechtsfigur vergrößert und die Erarbeitung einer einheitli26 Siehe hierzu BISBAI., in Rojo (Hrsg.), La reforma de la ley de sociedades anónimas, 1987, S. 89-90 und 102. Von Interesse ist die Arbeit von CAMARA/PRADA, Sociedades comerciales. El levantamiento del velo de la personalidad jurídica, RDN 1973, S.235ff. Mit der Unterkapitalisierung als einen Anwendungsfall der Hebung des Schleiers befaßt sich die Arbeit von PAZ-ARES, Sobre la infracapitalización de sociedades, ADC 1983, S. 1587 ff. 27 Z . B . BISBAL, a a O ( F n . 2 6 ) , S. 103.
28 Hierzu SACRISTAN, El grupo de estructura paritaria: Caracterización y problemas, RDM 165-166 (1982), S.375ff; ebenfalls DUQUE, FS Roca Sastre, 1976, S.550ff.
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chen Gesetzgebung erschwert, die angesichts der unterschiedlichen
Ansich-
ten, die die Konzerne auf den verschiedenen Feldern der Rechtsordnung hervorbringen, besonders notwendig ist. V o r dem Hintergrund der steigenden Bedeutung der Konzerne in der spanischen Unternehmenswirklichkeit und den dadurch hervorgerufenen rechtlichen Rückwirkungen ist es notwendig, ihre Untersuchung und Erforschung voranzutreiben, und das nicht nur im Bereich des Rechts, der bei uns noch immer wenig entwickelt ist, sondern auch auf rein unternehmerischem Gebiet. Es geht zusammenfassend gesagt darum, eine vielschichtige Wirklichkeit besser zu erkennen, um in einer gemeinsamen Gesetzgebungspolitik -
noch immer „frei" von
bindenden Vorgaben der europäischen Gemeinschaft - die beachtenswerten Schutzinteressen mit der angemessenen Sicherheit für das W i r k e n der wirtschaftlich Handelnden zu verbinden.
Abkürzungen AAMN ADC BB CCJC HPE JD MT OPA RCASV RCDP RDBB RDM RDN RL TC TCT TS
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Amerikanisches Konzernrecht"
von Professor PHILLIP I. BLUMBERG, University of Connecticut, Hartford""'1"
Inhaltsübersicht I. Das "entity law" und seine Ursprünge 1. Gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung 2. Anteilserwerb durch Gesellschaften 3. Die Muttergesellschaft: bloßer Kapitalanleger? II. Die Grenzen des "entity law" und ihre Überwindung 1. Konzernrelevante Bereiche 2. Wirkungsgrenzen des "entity law"
265 266 267 268 270 270 271
III. Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung 1. Traditionelle Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung 2. Die freiere Form der Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung
272 272 275
IV. Die Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit" in den Fällen einheitlicher Besteuerung 1. Voraussetzungen der „wirtschaftlichen Einheit" 2. Die Grenzen der Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit"
279 279 280
V. Gesetzesrecht: Einführung 1. Allgemeine Gesetze 2. Besondere Gesetze VI. Die Regelung von Konzernsachverhalten durch allgemeine Gesetze 1. Wahl zwischen "entity law" und "enterprise law" 2. Weite Gesetzesauslegung VII. Konzernsachverhalte in Spezialgesetzen: Einleitung 1. Die Gesetzesgruppen 2. Die Konzerndefinition in Spezialgesetzen 3. Das zentrale Merkmal der Kontrolle VIII. Zur Definition der „Kontrolle" in den Spezialgesetzen 1. Gesetze mit umfassend konzernbezogenem Regelungsansatz 2. Gesetze mit „selektivem", auf die einzelne Gesellschaft bezogenem Regelungsansatz 3. Steuergesetze 4. Kriterien außerhalb des „Kontroll"-Begriffs 5. Zusammenfassung
281 282 282 282 283 285 286 286 287 288 288 289 290 292 295 297
* Autor und Herausgeber danken Frau Referendarin Bettina Böcker, Bielefeld, und Frau stud. iur. Patricia Nacimiento, Heidelberg, für die Ubersetzung. Copyright by The Blumberg Trust 1991. * * Dekan und Professor für Recht und Wirtschaft, Emeritus, an der University of Connecticut School of Law. Das Manuskript in der Originalfassung kann gegen einen Unkostenbeitrag von 25,- DM bei der Schriftleitung der Z G R angefordert werden.
Konzernrecht in den USA
265
IX. Prozeßrecht
300
X. Konkursrecht 1. Rangfolge von Forderungen im Konkurs 2. Anfechtbare Gläubigerbegünstigung . . . 3. Konsolidierung
300 301 301 302
XI. Sonstige Problem kreise 1. Konglomerate 2. Tochtergesellschaften in bloßem Mitbesitz 3. Multinationale Unternehmen und Extraterritorialität
302 303 305 307
XII. Zusammenfassung
I. Das "entity law" und seine
308
Ursprünge
In der US-amerikanischen Rechtsprechung und Gesetzgebung finden sich Entwicklungen,
die ich als das amerikanische
Konzernrecht
im
Entstehen
bezeichnet habe. Hierüber möchte ich den europäischen Konzernrechtlern im folgenden einen zusammenfassenden Uberblick geben. F ü r weitere und nähere Einzelheiten sei auf mein fünfbändiges " T h e law of corporate groups" und andere Veröffentlichungen verwiesen 1 . Die Rechtssysteme der westlichen Welt unterscheiden sich mannigfach, aber dennoch weisen sie ohne Ausnahme die gleichen Grundprinzipien im Gesellschaftsrecht auf. Beruhend auf der gemeinsamen Wurzel des Römischen Rechts 2 liegt allen westlichen
Rechtssystemen
zugleich dieselbe Auffassung von der juristischen Persönlichkeit der Gesellschaft zugrunde. Sie ist eine eigenständige juristische Person mit eigenen Rechten und Pflichten; davon zu trennen sind die Rechte und Pflichten der Personen, die eine
1 Siehe The I.aw of Corporate Groups: Procedural Problems in the Law of Parent and Subsidiary Corporations (Little, Brown & Co. 1983); The Law of Corporate Groups: Problems in the Bankruptcy or Reorganization of Parent and Subsidiary Corporations, Including the Law of Corporate Guaranties (1985); The Law of Corporate Groups: Tort, Contract, and Other Common Law Problems in the Substantive Law of Parent and Subsidiary Corporations (1987); The Law of Corporate Groups: Problems of Parent and Subsidiary Corporations Under Statutory Law of General Application (1989); The Law of Corporate Groups: Problems of Parent and Subsidiary Corporations Under Statutory Law Specifically Applying Enterprise Principles (u. a. KURT A. STRASSER) im Druck; The Corporate Entity in an Area of Multinational Corporations, 15 Del. J. Corp. L.285 (1990); The Corporate Personality in American Law: A Summary Review, 38 Am. J. Comp. L. 49 (1990 Supp.); Limited Liability and Corporate Groups, 11 J. Corp. L.574 (1986). Vgl. zu den ersten drei Bänden von BLUMBERG'S "The Law of corporate groups" die Bsp. von LUTTER, Enterprise Law Corp. v. Entity Law, Inc. Phillip Blumberg's Book from the Point of View of an European Lawyer, 38 Am. J. Comp. L. 949 (1990). 2 Siehe W. BUCKLAND, Roman Law and Common Law 54 (F. Lawson ed. 2d ed. 1965); WILLISTON, History of the Law of Business Corporations Before 1800 (pt. 2), 2 Harv. L. R e v . 149, 164 ( 1 8 8 8 ) .
Phillip I. Blumberg
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Zeitlang Anteile an dieser Gesellschaft halten. Das ist " e n t i t y - l a w " , das R e c h t der Gesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit. Schon vor Jahrhunderten
wurde Gesellschaften
die Fähigkeit
zuerkannt,
V e r m ö g e n im eigenen N a m e n zu erwerben und zu besitzen, Verträge abzuschließen, vor G e r i c h t zu klagen und verklagt zu werden sowie in ihrer Existenz unabhängig von den P e r s o n e n ihrer Anteilsinhaber fortzubestehen. A u ß e r d e m gehörte jeder Gesellschaft ihr eigenes Siegel - im englischen C o m m o n
Law
S y m b o l ihres eigenständigen rechtlichen Status 3 .
1. Gesellschaftsrechtliche
Haftungsbeschränkung
S o w e i t herrscht Klarheit; etwas ganz anderes hingegen ist die H a f t u n g s b e schränkung. Z w a r betrachten es manche als essentielle Begleiterscheinung der Gesellschaft und ihrer eigenständigen Rechtspersönlichkeit, daß die Anteilsinhaber für die Verbindlichkeiten
ihrer Gesellschaft n u r beschränkt
einzustehen
haben. A b e r d e n n o c h zeigen die englische und die amerikanische
Rechtsge-
schichte, daß es sich bei der Haftungsbeschränkung um ein anderes, scharf abzutrennendes K o n z e p t handelt; zudem war dies K o n z e p t über längere Zeit hinweg h ö c h s t umstritten. N a c h d e m sich die Gesellschaft als eigenständige juristische Person herausgebildet hatte, wurde erst Jahrhunderte
später
die
H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g in den Vereinigten Staaten heftig rechtspolitisch diskutiert. Sogar als im J a h r e 1830 der damals größte Industriestaat Massachusetts die H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g einführte und damit, wie sich im nachhinein
heraus-
stellte, richtungsweisend handelte, ging dennoch der politische K a m p f um die Haftungsbeschränkung
noch
jahrzehntelang
weiter;
so
behielt
namentlich
R h o d e Island, der z w e i t g r ö ß t e Industriestaat, die unbeschränkte Gesellschafterhaftung noch bis z u m J a h r e 1 8 4 7 bei 4 . In diesem Zeitabschnitt war immer n o c h zweifelhaft geblieben, o b sich die D o k t r i n
von der
Haftungsbeschränkung
endgültig durchsetzen würde oder nicht 5 . In der T a t hielt Kalifornien an seiner ganz eigenen p r o r a t a - H a f t u n g der Anteilsinhaber bis in das 20. J a h r h u n d e r t 3 Siehe E. COKE, 3 First Part of the Institute of the Laws of England or a Commentary upon Littleton 6, 412 (1628); 2 ebenso auf 250 a; Case of Sutton's Hospital, 10 Coke 23 a, 77 Eng. R e p . % 0 , 970-71 (1612); 1 W. BLACKSTONE, Commentaries 470 (Ist ed. 1765); 2 S.Kyd, Corporations 103 (1793). 4 Mass. Act of Feb.23, 1830, ch. 53 § 8 , 1830 Mass. Acts 325; R . I . Act of June Session 1847, R . I . Acts and Resolves 30. 5 Die unbeschränkte Aktionärshaftung wurde von Michigan im Jahre 1837, von New Hampshire 1842, von Wisconsin 1848 und von Pennsylvania 1853 für kurze Zeit eingeführt; schließlich akzeptierten aber auch diese Staaten die beschränkte Gesellschafterhaftung. Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, ch. 1.
Konzernrecht in den U S A
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hinein fest*. Und betrachtet man für dieselbe Zeit die Vereinigten Staaten insgesamt, so überwogen damals in den Gesetzen und Gesellschaftsverträgen jene Bestimmungen, die den Anteilsinhabern das Doppelte oder gar Dreifache ihrer Einlage als Haftungsbeitrag auferlegten7.
2. Anteilserwerb
durch
Gesellschaften
In dieser Entwicklungsperiode sprachen die amerikanischen Gerichte ganz überwiegend den Gesellschaften die Fähigkeit ab, Anteile an anderen Gesellschaften zu erwerben und zu besitzen - es sei denn, Gesetz oder Satzung erlaubten dies ausdrücklich8. Einigen Eisenbahnen und der "Western Union Telegraph Company" war diese Befähigung eingeräumt worden; ganz offensichtlich, damit diese Unternehmen ihre Bahnlinien und Telegrafenleitungen erweitern konnten. Dagegen fanden sich solche Erlaubnisse in den Satzungen von Finanz-, Handels- oder Industrieunternehmen so gut wie nie9. Mithin waren die damaligen Gesellschaftsstrukturen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sehr einfach: Die Gesellschaft bildete das Unternehmen; dagegen waren die Anteilseigner lediglich Kapitalanleger und nicht an der Unternehmensführung beteiligt10. Rechtliche und wirtschaftliche Organisation waren identisch; Gesellschaft und Unternehmen waren eins. Das gesamte Unternehmensvermögen stand zur Verfügung, um die Geschäftsschulden zu bezahlen; andererseits schützte die Haftungsbeschränkung die Kapitalanleger vor Geschäftsverlusten, die ihre Kapitaleinlage überstiegen. Diese Situation veränderte sich in den Vereinigten Staaten zwischen 1888 und 1893 dramatisch: New Jersey erließ das erste Gesetz, das es Gesellschaften ganz allgemein erlaubte, Anteile an anderen Gesellschaften zu erwerben und zu
6 Siehe Cal. Const, of 1849, art. IV, § 3 6 ; Cal. Const, of 1879, art. X I I , § 3 (aufgehoben 1930); C a l . Civil C o d e § 3 2 2 ( a u f g e h o b e n 1 9 3 1 ) . Siehe auch BLUMBERG, T h e L a w
7
8
9 10
of
Corporate Groups: Substantive Common Law, §2.01.1. Siehe J . HURST, The Legitimacy of the Business Corporation in the Law of the United States - 1780-1970, 27 (1980); 1 W. COOK, Law of Corporations 675 n. 1 (8th ed. 1926). Siehe auch BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, §2.01.2. Z . B . De La Vergne Refrigerating Mach. C o . v. German Sav. Inst., 175 U.S. 40, 54-55 (1899); Louisville & N . R . R . v. Kentucky, 161 U.S. 577, 698 (1896). Siehe 6 A W. FLETCHER, Cyclopedia of the Law of Private Corporations § § 2 8 2 4 - 2 6 (rev. perm, ed. 1981). Siehe auch BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, §3.02.1. Siehe ROBINSON, The Holding Company (pt. 1), 18 Yale Rev. 390 (1910). Dies bezieht sich auf die Unternehmensführung hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung für eigene Rechnung und nicht auf die Teilnahme an der Geschäftsführung der Gesellschaft.
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Phillip I. Blumberg
besitzen 1 1 . A u f diese W e i s e führte N e w Jersey die „ H o l d i n g - G e s e l l s c h a f t " ein - ein Instrument des U n t e r n e h m e n s e r w e r b s , mit dessen H i l f e Finanzkreise das trustS y s t e m , das unter heftigen B e s c h u ß geraten war, ersetzen wollten.
Andere
Bundesstaaten folgten diesem Beispiel. I m m e r m e h r G r o ß u n t e r n e h m e n wurden in dieser neuen
F o r m organisiert;
es entstanden
Konzerne.
Man hat dies als
„ W e n d e p u n k t " der amerikanischen Wirtschaft und ihrer E n t w i c k l u n g bezeichnet. M i t der z u n e h m e n d e n G r ö ß e der K o n z e r n e entsprachen die großen U n t e r n e h men im L a n d e nicht länger jener simplen zweiteiligen Gesellschaftsstruktur zusammengesetzt aus der einzelnen Gesellschaft, die das U n t e r n e h m e n führte, und aus ihren Anteilseignern, die nichts anderes als Kapitalanleger waren. Statt dessen bildeten die großen Gesellschaften in z u n e h m e n d e m M a ß e k o m p l e x e Gesellschaftsstrukturen aus. Sie bestanden gewöhnlich aus einer Muttergesellschaft, häufig aus Zwischenholdings und aus vielen operativen Tochtergesellschaften; sie alle zusammen waren daran beteiligt, das U n t e r n e h m e n zu führen 1 2 .
3. Die Muttergesellschaft:
bloßer
Kapitalanleger?
Z u jener Zeit war schon seit J a h r z e h n t e n anerkannt, daß die Anteilseigner in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger in der vormals simplen Gesellschaft nur beschränkt für deren Verbindlichkeiten einzustehen haben. D i e s e
Haftungsbeschränkung
wurde mit der Herausbildung von K o n z e r n e n auf die Anteilseigner-Kapitalanleger in Muttergesellschaften dieser neuen K o n z e r n e übertragen. D i e Tatsache, daß zur Muttergesellschaft, an der sie Anteile hielten, noch Tochtergesellschaften h i n z u k a men, änderte nichts daran, daß sie mit dem U n t e r n e h m e n lediglich in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger verbunden waren 1 3 . Indes - wie stand es u m die neuen Muttergesellschaften? Wirtschaftlich gesehen führten diese zusammen
mit ihren Tochtergesellschaften
die Geschäfte
des
11 N . J . Act of Apr. 4, 1888, ch. 269, § 1, 1888 N . J . Laws385; Act of Apr. 17, 1888, ch. 295, § 1, 1888 N. J . Laws445-16; Actof May 9,1889, ch. 265, § 4 , 1 8 8 9 N . J . Laws412,414; Act of Mar. 14, 1893, ch. 171, § 2 , 1893 N . J . Laws 301. 12 Siehe A.CHANDLER, Strategy and Structure: Chapters in the History of the American Industrial Enterprise 30 (1962). 13 Es gibt keine amerikanische Entscheidung, die den Aktionären eine Haftung für das Unternehmen auferlegt hätte. Anderson v. Abbott bildet hier die einzige Ausnahme. Bei geteilter Auffassung des Supreme Court wurde eine Bestimmung des National Banking Act schließlich dahingehend ausgelegt, daß die Aktionäre nationaler Banken eine doppelte Haftung trifft, die Anwendung findet auf die Aktionäre einer Bank-Holding mit nationalen Tochterunternehmen. Es sei angemerkt, daß es keinerlei Anzeichen dafür gab, daß die betroffene Holding-Gesellschaft aus illegitimen geschäftlichen Erwägungen gegründet worden war oder daß die Absicht bestand, gesetzliche Vorschriften zu umgehen. Vgl. Andersen v. Abbott, 321 U.S. 349, Berufung abgelehnt, 321 U.S. 804 (1944).
Konzernrecht in den U S A
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Konzerns; sie waren Teil des Unternehmens. Auf der anderen, der rechtsdogmatischen Seite waren die Muttergesellschaften Anteilseigner in ihren Tochtergesellschaften. Und Anteilseigner haften nicht für die Schulden der Gesellschaften, an denen sie beteiligt sind; das war allgemein anerkannt. Was sollte nun den Ausschlag geben: wirtschaftliche Realitäten oder Rechtsdogmatik? Diese Problematik, heute eine der größten juristischen Herausforderungen, wurde zur damaligen Zeit (bemerkenswerterweise) kaum beachtet. Als sie noch vor dem ersten Weltkrieg zum erstenmal vor Gericht behandelt wurde, galten Formalismus und Rechtsdogmatik im amerikanischen Recht als die einzig legitimen Formen rechtlicher Analyse. Praxis und Wissenschaft untersuchten Rechtsprobleme zu jener Zeit noch rein rechtsdogmatisch. Vor diesem Hintergrund war die angemessene juristische Analyse ein Syllogismus: Anteilseigner hafteten nicht für die Verbindlichkeiten jener Gesellschaften, an denen sie beteiligt waren. Eine Muttergesellschaft war Anteilseignerin. Folglich konnte eine Muttergesellschaft nicht haftbar gemacht werden für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaften, an denen sie als Anteilseignerin beteiligt war. Im Wege einer derart formalistischen Analyse entschieden fast alle amerikanischen Gerichte in Rechtsfällen, die darauf abzielten, eine Muttergesellschaft aus unerlaubter Handlung oder aus einem Vertrag ihrer Tochtergesellschaft in Anspruch zu nehmen. Dabei setzten sich die Gerichte nicht näher damit auseinander und waren sich auch nicht bewußt, daß sie die überkommene Rechtsdogmatik auf völlig andersartige Wirtschaftsbeziehungen anwendeten. Rechtsprechung und Kommentatoren übersahen in gleicher Weise, wie sich die den Urteilen zugrundeliegenden Verhältnisse dramatisch verändert hatten. Zwar wurde während einer kurzen Zeitspanne von Gerichten befunden, in „Systemen" organisierte Eisenbahngesellschaften könnten auf der Grundlage des Gesamtunternehmens für unerlaubte Handlungen verantwortlich gemacht werden; dabei nahm man nicht auf die Rechtsfigur des Haftungsdurchgriffs Bezug. Aber diesen Entscheidungen (darunter eine bemerkenswerte Supreme CourtÄußerung von Justice Brandeis in der Sache „Davis./. Alexander" 14 ) gelang es nicht, eine rechtsdogmatische Grundlage zu entwickeln, die allgemeine Anerkennung fand15. Statt dessen fuhr man im amerikanischen Recht fort, "entity law" auf Konzerne anzuwenden, und folgte damit der höchst einflußreichen Ansicht von Chief Justice Cardozo in der Sache „Berkey./. Third Ave. Ry" 1 6 . 14 Davis v. Alexander, 269 U . S . 114 (1925). 15 Zum Beispiel Davis v. Alexander, 2 6 9 U.S. 114, 117 (1925) ("where one railroad Company actually controls another and operates both as a single system, the dominant Company will be liable for injuries due to the negligence of the subsidiary Company"); Lehigh Valley R. C o . v. Dupont, 128 F. 840, 8 4 5 - 4 6 (2d C i r 1904); Lehigh Valley R . C o v. Krysienski, 238 F. 617 (2d Cir. 1906). Siehe auch den Nachw. anderer Fälle bei BLUMBERG, T h e Law of Corporate Groups: Substantive C o m m o n Law § 12.02.1. 16 Berkey v. Third Ave. R y . , 244 N . Y . 84, 155 N . E . 58 (1926).
270
Phillip I. Blumberg
Was die Haftungsbeschränkung anlangte, so unterschied sich die Rechtsstellung einer Muttergesellschaft als Anteilseignerin nach der überkommenen Rechtsdogmatik in nichts von der jedes anderen individuellen Anteilsinhabers. Haftungsbeschränkung war usprünglich zum Schutze natürlicher Personen bestimmt gewesen, die lediglich Kapital anlegten, aber nicht selbst an der Unternehmensführung beteiligt waren. Diese Haftungsbeschränkung wurde mithin unkritisch auf Muttergesellschaften erstreckt - und dies, obwohl diese Muttergesellschaften ganz offensichtlich einen wichtigen Teil des Unternehmens darstellten und obwohl ihre Anteilseigner - die eigentlichen Kapitalanleger - in gleicher Weise durch die Haftungsbeschränkung geschützt waren.
II. Die Grenzen
des "entity law" und ihre
Überwindung
"Entity-law" in Verbindung mit dem Prinzip der Haftungsbeschränkung führte trotz seiner generellen Akzeptanz zu schwierigen Problemen für das gesamte Rechtssystem. Selbst in Fällen „einfacher" Gesellschaften, deren Aktienmehrheiten sich ausschließlich im Besitz natürlicher Personen befanden, führte die strikte Anwendung dieser Lehre gelegentlich zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen. Als amerikanische Gerichte diese Fälle nach "equity "-Recht, also nach Billigkeitsprinzipien lösten, entstand die Rechtsprechung der „traditionellen Durchgriffshaftung". Später entwickelte sich, auch aufgrund konzernrechtlicher Sachverhalte, eine freiere Form dieser Durchgriffshaftung.
1. Konzernrelevante
Bereiche
Die Entscheidungen zur Durchgriffshaftung sind eine wichtige Rechtsquelle des "enterprise law"; dies ist in Wissenschaft und Praxis weithin anerkannt. Ergänzt werden diese Urteile zudem durch eine beträchtliche Anzahl von Gesetzen, Verwaltungsverordnungen und -entscheiden, sowie durch Gerichtsurteile in benachbarten Rechtsgebieten - ein überraschend umfassender Beweis für die zunehmende Anwendung von Grundsätzen des "enterprise law" im amerikanischen Recht. Aus dieser Entwicklung geht das hervor, was ich als das amerikanische Konzernrecht bezeichnen möchte. Umfaßt werden dabei die folgenden Bereiche des amerikanischen Rechts: (1) Die Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung in der traditionellen und in der freieren Form: Dies sind die Prinzipien in der traditionellen Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung und insbesondere ihre Anwendung in freierer Form. Erfaßt werden privatrechtliche, insbesondere deliktsrechtliche Streitigkeiten des Common Law, an denen Konzerne beteiligt sind.
Konzernrecht in den USA
271
(2) Die Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit": Die richterrechtliche Entwicklung der Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit", um die Verfassungsmäßigkeit einer „einheitlichen Besteuerung" zu bestimmen. (3) Prozeßrecht: Richterrechtliche Entwicklungen im Verfahrensrecht, die häufig als Zivilprozeßrecht kodifiziert wurden. Deutlich werden sie vor allem in den Problemkreisen von Rechtskraft und "collateral estoppel" (Präklusionswirkung eines früheren Urteils), des "Statute of limitations" (Verjährungsgesetz), der Pflicht zur Offenlegung prozeßwichtiger Tatsachen und im Problemkreis, wie weit einstweilige Verfügungen reichen. (4) Konkursrecht: Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung auf bestimmten Feldern des Konkursrechts. Erfaßt werden insbesondere Fragen der nachrangigen, auf equity-Recht beruhenden Verbindlichkeiten, der Konsolidation und der anfechtbaren Gläubigerbegünstigung. (5) Allgemeine Gesetzgebung: Entwicklungen in Rechtsprechung und Verwaltung bei der Auslegung und A n w e n d u n g von Gesetzen, die nicht ausdrücklich auf Konzernsachverhalte oder Prinzipien des "enterprise law" Bezug nehmen. (6) Gesetze mit spezifischem Konzernrechtsbezug: Entwicklungen in Gesetzgebung und Verwaltung beim Erlaß von Gesetzen und Verordnungen mit ausdrücklichem Bezug auf Prinzipien des "enterprise law" und auf Konzernsachverhalte. Gelegentlich werden umfassende Regelungen f ü r die gesamte Industrie getroffen. Häufiger jedoch sollen bestimmte Zwecke eines Gesetzes verwirklicht werden, das im übrigen auf dem Prinzip des "entity-law" beruht.
2. Wirkungsgrenzen
des "entity law"
Diese umfassende Entwicklung von Grundsätzen des "enterprise law" im amerikanischen Recht zeigt, daß Gesetzgeber, Verwaltungsbehörden und die Gerichte gleichermaßen und in immer stärkerem Maße die Grenzen des "entity law" erkennen: Es verhindert eine stimmige Bewertung der sozialen Auswirkungen von Konzerntätigkeit. Die Prinzipien des "entity law" wurden vor J a h r h u n derten, also unter völlig anderen wirtschaftlichen Verhältnissen entwickelt. Sie entsprechen daher in keiner Weise der Wirtschaftswelt von heute. Damit Ziele der Gesetzgebung und des C o m m o n Law überhaupt verwirklicht werden können, weichen die überalterten Grundsätze des "entity law" immer häufiger dem "enterprise law". Dies vor allem in der Gesetzgebung, aber, wie in der folgenden Ubersicht deutlich wird, auch in allen anderen Bereichen. Aus Platzgründen sind Uberblick und Anmerkungen k u r z gehalten. Möglichkeit zur Vertiefung angesprochener Themenkreise bieten aber die Verweise auf frühere Werke des Verfassers, die diesem Aufsatz zugrunde liegen.
272
Phillip I. B l u m b e r g
III.
Rechtsprechung
zur
Durchgriffshaftung
In den Vereinigten Staaten sind die Prinzipien der Durchgriffshaftung in zwei Abschnitten entwickelt worden: zunächst in der traditionellen Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung, dann in ihrer modernen freieren Form, die vor allem in Fällen der unerlaubten Handlung und in der Auslegung allgemeiner Gesetze zum Ausdruck kommt.
/. Traditionelle
Rechtsprechung
zur
Durchgriffshaftung
Die traditionelle Lehre entwickelte sich anhand von Fällen, die Gesellschaften mit natürlichen Personen als Mehrheitsgesellschafter betrafen. Später übertrug man diese Grundsätze ohne wesentliche Änderung auf Konzernsachverhalte. Die Lehre geht zurück auf equity-Recht und sollte besonders unbillige Konsequenzen verhindern, die sich im Einzelfall aus der Anwendung des "entity law" ergeben hätten.
a) Mißbrauch
der
Rechtsform
Schon früh gaben die Gerichte Klagen statt, wenn die Gesellschaft als Rechtsform mißbraucht worden war und dies nachgewiesen werden konnte. Dies gelang insbesondere in Fällen, in denen falsche Tatsachen vorgespiegelt worden waren oder Betrug vorlag; in ihnen war die Möglichkeit, die gesetzlichen Konsequenzen mit Hilfe des equity-Rechts abzuwenden, seit langem anerkannt. Schon bei Ausbruch des ersten Weltkriegs gehörte diese Praxis zu den besonderen Merkmalen des amerikanischen Rechts und wurde allgemein als "piercing the veil" (wörtlich: den Schleier heben), also als Durchgriffshaftung bezeichnet 1 7 . Anhand zahlreicher Fälle, in denen es ganz überwiegend um natürliche Personen als Mehrheitsgesellschafter ging, bildete sich nach und nach die traditionelle Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung heraus 18 . Zwar wurden die unterschiedlichen Bezeichnungen „Institutions"-Lehre, „alter ego"-Grundsatz und „Identitäts"Lehre verwendet, inhaltlich jedoch handelte es sich stets um das gleiche Prinzip. 17 WORMSER, Piercing the Veil o f t h e C o r p o r a t e E n t i t y , 12 C o l u m . L . R e v . 4 9 6 ( 1 9 1 2 ) . 18 V e r s c h i e d e n e A b h a n d l u n g e n zu diesem T h e m a erschienen in den 3 0 e r J a h r e n . Z u m Beispiel F . POWELL, Parent and Subsidiary C o r p o r a t i o n s ( 1 9 3 1 ) ; E . LATTY, Subsidiary and Affiliated C o r p o r a t i o n s ( 1 9 3 6 ) ; I. WORMSER, T h e D i s r e g a r d o f the
Corporate
F i c t i o n and Allied C o r p o r a t e P r o b l e m s ( 1 9 2 7 ) . O b w o h l seither eine g r ö ß e r e A n z a h l von Aufsätzen in amerikanischen R e c h t s z e i t s c h r i f t e n e r s c h i e n , w u r d e z u diesem
Thema
keine umfassende A b h a n d l u n g verfaßt bis zur V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r B ä n d e in der R e i h e z u m R e c h t der v e r b u n d e n e n U n t e r n e h m e n .
Konzernrecht in den USA b) Nach
traditioneller
Voraussetzungen
Rechtsprechung
des zur
273
Durchgriffs Durchgriffshaftung
konnte
ein
Gesellschafter im Ausnahmefall für Schulden der Gesellschaft haftbar gemacht werden, wenn (1) der Gesellschafter einen so umfassenden Einfluß auf die Angelegenheiten der Gesellschaft ausgeübt hatte, daß diese nicht mehr als eigenständige rechtliche Einheit anzusehen war' 9 , (2) diese Gesellschaft benutzt wurde, um eine betrügerische, unrechtmäßige, ungerechte, „moralisch schuldhafte" oder grundsätzlich unangemessene H a n d lung zum Nachteil der Gläubiger zu begehen und (3) wenn diese Handlung die Gläubiger geschädigt hatte 2 0 . Die Gerichte untersuchten vorrangig, ob die Rechtsform der Gesellschaft beachtet oder ob gegen gesellschaftsrechtliche Formvorschriften verstoßen w o r den war. Bei einem Verstoß sah man die Geschäfte von Gesellschaft und Gesellschafter als so eng miteinander verknüpft, daß beide eine rechtliche Einheit bildeten. Die Gesellschaft war da nur „Teil", „Vertreter", „alter e g o " , „Leitstelle", Abteilung, Institution, Marionette oder ein Werkzeug des Gesellschafters, so daß er für ihre Verbindlichkeiten einzustehen hatte.
c)
Würdigung
Diese Rechtsprechung beruhte auf Metaphern und Bildern. Sie war eine geistige Konstruktion ohne Verbindung zur wirtschaftlichen Realität und konnte 19 Häufig wird folgender Standardsatz zitiert: "Control, not merely majority or complete stock control, but complete domination, not only of finances, but of policy and business practices in respect to the transaction attacked so that the corporate entity had at the time no separate mind, will, or existence, of its own." Siehe Lowendahl v. Baltimore & O.R.R., 247 A.D. 144, 157, 287 N.Y.S. 62, 76 (1st Dep't), bestätigt, 272 N.Y. 360, 6 N.E.2d 56 (1936). 20 Diese Formulierung entspricht den drei Elementen der „Institutions"-Lehre. Während die „alter ego"-Lehre typischerweise eine hiervon abweichende Formulierung wählt, wird sie von der Rechtsprechung und Wissenschaft im Kern als Äquivalent zur „Institutions"-Lehre angesehen. Nach der „alter ego"-Lehre kommt die Durchgriffshaftung dann zur Anwendung, wenn (1) eine solche Einheit zwischen Eigentum auf der einen und Kontrollausübung auf der anderen Seite besteht, daß die beiden verbundenen Unternehmen aufgehört haben, voneinander getrennt zu existieren und die Tochtergesellschaft sich von ihrem Status her darauf beschränkt, „alter ego", also „verändertes Ich", der Muttergesellschaft zu sein; und (2) wo die Anerkennung der rechtlichen Trennung beider Gesellschaften die Billigung betrügerischer Absichten bedeuten oder zu einem ansonsten unangemessenen Ergebnis führen würde. Die „Identitäts"-Lehre entspricht dem weitestgehend. Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, §§6.01 bis 6.04.
274
Phillip I. Blumberg
daher kaum zum juristischen Verständnis des P r o b l e m s beitragen. D i e Metaphern sind nur abschließende Bewertungen, geben also kaum A u f s c h l u ß über die Überlegungen und rechtspolitischen Ziele, die der R e c h t s p r e c h u n g
zugrunde
liegen. Mithin läßt sich auch die L ö s u n g zukünftiger Fälle nicht zuverlässig voraussagen. D i e Entscheidungsgründe sind sehr allgemein gehalten und geben keinen Aufschluß über generelle Leitlinien. Folglich werden
amerikanische
Juristen mit Hunderten von kontroversen und nicht i m m e r völlig verständlichen Entscheidungen konfrontiert. W e n i g e Bereiche des amerikanischen Rechts wurden im Schrifttum so heftig kritisiert. U m die Eigenständigkeit der Gesellschaft zu prüfen, bildete man fallspezifische Kriterien heraus; sie wurden mit der Zeit i m m e r k o m p l e x e r . I h r Fallbezug machte die Formulierung allgemeingültiger Prinzipien fast unmöglich. A n e r kannt war nur, daß das Ergebnis des Gerichts nicht auf einzelnen U m s t ä n d e n beruhte, sondern auf ihrer Gesamtheit. Einige G e r i c h t e haben die fallspezifischen Kriterien als "laundry-list" bezeichnet - ein deutliches Zeichen für das geringe Vertrauen der Gerichte in die juristische Analyse 2 1 .
d)
Gläubigerbenachteiligung
Zweites Tatbestandsmerkmal der traditionellen Durchgriffshaftung ist eine Handlung zum Nachteil des Gläubigers. Dies M e r k m a l ist weniger abstrakt. Konkretisiert wurde es bald durch die Begriffe der Vermögensverschiebung, der Vermögensminderung oder anderer F o r m e n der Manipulation am Gesellschaftsvermögen. Außerdem umfaßte es die Benutzung von Gesellschaftsvermögen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Gesellschafters oder auch eine völlig unzureichende
Kapitalausstattung.
In diesen Fällen wurde der Klage
eines
Gläubigers stattgegeben, wenn dieser zusätzlich nachweisen k o n n t e , daß die Gesellschaft nicht eigenständig gewesen war.
e) Grenzen der traditionellen
Rechtsprechung
D i e traditionelle Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung beruhte auf f o r m e l len Überlegungen. Durchgriffshaftung galt als ein generelles Rechtsprinzip; es 21 Z . B . Taylor v. Standard Gas & Elec. Co., 95 F.2d 693, 704-05 (lOth Cir. 1938), Wiederaufnahme aus anderen Gründen, 306 U.S. 307 (1939); Fish v. East, 114 F.2d 177 (lOth Cir. 1940). Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, §7.01. Vgl. auch Seeon Serv. Sys. v. St. Joseph Bank & Trust Co., 855 F.2d 406, 414 (7th Cir. 1988) (Die Anwendung einer vorgegebenen Metapher beruht regelmäßig auf der Prüfung einer langen Liste von Einzelfaktoren; im Ergebnis bedeutet eine solche Auflistung, daß es weder für Gerichte noch für Praktiker feste Entscheidungsgrundsätze oder Leidinien aus einem Präzedenzfall gibt.).
Konzernrecht in den USA
275
fand ohne Berücksichtigung des jeweils spezifischen Rechtsgebiets gleichförmig Anwendung. Folglich beriefen sich Gerichte in Fällen unerlaubter Handlung auf Prä)udize aus dem Vertragsrecht, in Fällen des Gesetzesrechts auf solche aus dem Bereich des C o m m o n L a w und zur Lösung verfahrensrechtlicher Probleme auf Entscheidungen
aus dem materiellen Recht. Unberücksichtigt blieben dabei
Überlegungen und rechtspolitische Ziele, die der Entscheidung des spezifischen Falls in diesem besonderen Rechtsgebiet zugrunde gelegen hatten. Auch diese undifferenzierte Anwendung der traditionellen Lehre wurde scharf kritisiert 22 .
2. Die freiere
Form der Rechtsprechung
zur
Durchgriffshaftung
Mit dem Rückgang des Formalismus als herrschendem Merkmal der amerikanischen Rechtsprechung verringerte sich allmählich auch der Einfluß des traditionellen "entity law" auf die Entscheidung konzernrechtlicher Sachverhalte. Statt undifferenziert starre Kriterien anzuwenden, versuchen nun die Gerichte immer häufiger, den Zielen des spezifischen Rechtsgebiets im jeweiligen Fall gerecht zu werden. Zunehmend erkennt man, daß in Fällen unerlaubter H a n d lung andere W e r t e und Interessen zu berücksichtigen sind als im Bereich des Vertragsrechts; daß materielles Recht andere Probleme aufwirft als Prozeßrecht; daß schließlich die Auslegung und Anwendung von Gesetzen eine ganz andere Prüfung erfordert als die Beilegung eines Streits zwischen privaten Parteien 2 3 . Eine wichtige Aufgabe ist es jetzt, Prinzipien des "enterprise law" zu definieren und diese den Anforderungen eines Rechtssystems anzupassen, das sich von Fall zu Fall weiterentwickelt. In diesem schwierigen Prozeß, feste Kriterien für die Anwendung des "enterprise law" zu entwickeln, haben die amerikanischen Gerichte bereits beachtliche Fortschritte gemacht. In eher zukunftsorientierten Entscheidungen sowohl im Bereich des C o m m o n L a w als auch bei der Auslegung allgemeiner Gesetze 2 4 wurden die rein formalistischen Kriterien der traditionellen Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung überwunden. Diese Entscheidungen
bilden
die
„freiere
Rechtsprechung
zur
Durchgriffshaftung".
Ihr
22 Siehe HAMILTON, The Corporate Entity, 49 Tex. L. Rev. 979, 985 (1971) (Erstaunen über die nicht getroffene Unterscheidung zwischen Vertragsrecht und unerlaubten Handlungen). 23 Vertragsrecht in Abgrenzung zu unerlaubten Handlungen: Vgl. z. B. Edwards Co. v. Mongram Indus., Inc., 730 F.2d 977 (5th Cir. 1984). Materielles Recht in Abgrenzung zum Prozeßrecht: Vgl. z.. B. Energy Reserves Group, Inc. v. Superior Oil Co., 460 F. Supp. 483 (D. Kon. 1978). Fragen der Gesetzesauslegung und -anwendung in Abgrenzung zum Common Law: Vgl. z. B. Town of Brookline v. Gorsuch, 667 F.2d 215, 220 (Ist Cir.). 24 Wie bereits erörtert, sind allgemeine Gesetze solche, die die Unternehmensführung ohne ausdrücklichen Bezug zur Gesellschaftsgruppe regeln. Demgegenüber nehmen spezielle Gesetze ausdrücklich auf die Gesellschaftsgruppe bezug.
276
Phillip I. B l u m b e r g
Schwerpunkt liegt in der Untersuchung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse: Werden die einzelnen Gesellschaften als Bestandteile eines Konzerns oder als voneinander unabhängige Unternehmen tätig?
a)
Abgrenzungskriterien
Inzwischen hat man die Wirtschafts- und Willensbildungsstruktur im jeweiligen Konzern als jene Merkmale erkannt, an denen sich die A n der Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften am besten ablesen läßt. Wirtschafts- und Willensbildungsstruktur werden durch folgende Faktoren bestimmt: (1) Kontrolle: Alle Urteile in diesem Bereich beruhen auf dem Gedanken, daß die bloße Möglichkeit der Muttergesellschaft, die Willensbildung in der Tochtergesellschaft zu kontrollieren, allein nicht entscheidend ist - und zwar selbst dann nicht, wenn Vorstand und Geschäftsführer in beiden Gesellschaften personengleich sind. Entscheidend soll vielmehr sein, inwieweit diese Kontrolle tatsächlich ausgeübt wurde. Die Gerichte untersuchen vor allem, ob es sich um einen besonders einschneidenden Eingriff in den Willensbildungsprozeß der Tochter handelt; hierbei liefert das „normale" Handeln einer Unternehmensleitung heute den Vergleichsmaßstab. Übt etwa die Muttergesellschaft die ständige Kontrolle über die laufenden Geschäftsangelegenheiten der Tochter aus, so führt dies nach überwiegender Ansicht zur Haftung der Muttergesellschaft 25 - teilweise aber auch zu anderen rechtlichen Konsequenzen 26 . Die Ausübung von Kontrolle in nur einigen Bereichen wurde bisher von einzelnen Gerichten unterschiedlich bewertet. So sind unter Kontroll-Aspekten untersucht worden: Unternehmenspolitik, Planung, Investitionen oder Gehaltsfragen, aber auch der Erlaß zwingender Konzernrichtlinien über Personalangelegenheiten, Sicherheitsvorschriften, Beziehungen zur Arbeitnehmerschaft, Öffentlichkeitsarbeit, Buchführung und Finanzen oder auch Standespflicht. Wie 25 Unternehmensgrundsätze haben vereinzelt im Bereich des Prozeßrechts aus unterschiedlichsten G r ü n d e n mit der Folge A n w e n d u n g gefunden, daß die rechtlichen Folgen des Handelns der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet wurden. Dies umfaßte Teilbereiche des Prozeßrechts, wie z. B. der Gerichtsstand, die Zustellung, die örtliche Zuständigkeit, Fragen der Gesellschaftszugehörigkeit, die Bekanntgabe von für den Rechtsstreit bedeutsamer Tatsachen und U r k u n d e n , Verjährungsvorschriften und Fragen der materiellen Rechtskraft. Keine dieser Entscheidungen betrifft unmittelbar Fragen der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g . Vgl. BLUMBERG, T h e Law of C o r p o r a t e G r o u p s : Procedure, passim. 26 Eine Ubersicht Entscheidungen bereit sind, die BLUMBERG, T h e
der besonderen Bedeutung von „ K o n t r o l l e " über die tagtäglichen im Bereich der Gerichtsbarkeit sogar durch Gerichte, die ansonsten traditionelle Lehre des "entity l a w " anzuwenden, ist zu finden bei L a w of C o r p o r a t e G r o u p s : Procedure, § 3 . 0 5 . 2 .
Konzernrecht in den USA hieran deutlich
wird, ist nur sehr schwer feststellbar, in w e l c h e m
277 Umfang
K o n t r o l l e tatsächlich ausgeübt worden ist. Dieser U m f a n g ausgeübter K o n t r o l l e ist z w a r nicht das allein ausschlaggebende Prüfungskriterium für die G e r i c h t e , aber d o c h eines der entscheidenden.
(2) Wirtschaftliche Verflechtung: Ein zweiter wesentlicher Punkt ist die wirtschaftliche Verflechtung von Mutter- und Tochtergesellschaft - dies insbesondere, wenn die einzelnen Gesellschaften nur Teile des gemeinsamen Konzerngeschäfts wahrnehmen. Wichtig ist der Umfang von An- und Verkäufen innerhalb des Konzerns selbst, weil hier die Verflechtung auf den verschiedenen Produktions- und Absatzstufen deutlich wird. Erfaßt werden aber auch Konzerngarantien, Konzernerwerbe, Lagerhaltung und Marketing, Konzernkredite und -eigentum sowie Schadensversicherungen. (3) Finanzielle Interdependenz: Ein wichtiger Faktor ist außerdem, in welchem Ausmaß die Konzernglieder in finanzieller und personeller Hinsicht wechselseitig voneinander abhängen. Sind die einzelnen Gesellschaften insoweit eigenständig oder funktionieren sie nur als Teil des Konzerns? Finanzielle Interdependenz entsteht, wenn sich eine Tochtergesellschaft durch direkte Konzerndarlehen finanziert. Dem ist der Fall eines Darlehens durch Dritte gleichzustellen, sofern sich die Mutter- oder andere Tochtergesellschaften für dessen Rückzahlung verbürgen. Diese Finanzierung mit Hilfe von Bürgschaften anderer Konzernglieder ist in den Vereinigten Staten inzwischen so verbreitet, daß sich hieraus ein eigenständiges Rechtsgebiet entwickelt hat27. (4) Interdependenz in der Verwaltung: Immer mehr Konzerne versuchen, Größenvorteile zu erzielen, indem sie die Verwaltung der Konzernglieder entweder bei der Mutter- oder bei eigens zu diesem Zweck gegründeten Tochtergesellschaften zentralisieren. Zentralisiert werden können etwa die Rechts-, Finanz- oder die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die Bereiche Versicherung, Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildung oder Sicherheitsvorschriften. (5) Gleichartige Beschäftigungsstruktur: Hiermit ist die Karriere von Beschäftigten im Konzern gemeint - wie etwa der berufliche Wechsel zu einer anderen Konzerngesellschaft, konzernweite Ausbildungsprogramme, Versicherungen gegen Schäden oder auch Pensionsberechtigungen, Gewinnbeteiligungen und ähnliche Vergünstigungen. (6) Einheitliches Auftreten im Geschäftsverkehr: Letzter bestimmender Faktor für die Wirtschaftsstruktur des Konzerns ist sein einheitliches Auftreten nach außen. Bei der Führung der Konzerngeschäfte verwenden die Konzernglieder weltweit gleiche Firmennamen, Warenzeichen und Farbzusammenstellungen, manchmal sogar eine einheitliche Arbeitskleidung. 27 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Bankruptcy, at § 7.13b (Supp. 1990); DERS., Intragroup (Upstream, Cross-Stream and Downstream Guaranties under the Uniform Fraudulent Transfer Act), 9 Cardozo L. Rev. 685 (1987).
278
Phillip I. Blumberg
b) Abgestimmte
Wirtschaftsstruktur im Konzern
All diese genannten F a k t o r e n bilden gegenwärtig die wesentlichen Bausteine für die F o r m u l i e r u n g
eines amerikanischen
"enterprise l a w " .
Immer
mehr
G e r i c h t e - z. Z . allerdings n o c h die Minderheit - prüfen anhand dieser F a k t o r e n , o b eine T o c h t e r s o vollständig mit ihrer Muttergesellschaft und mit dem K o n z e r n verknüpft ist, daß man von einem einheitlichen U n t e r n e h m e n sprechen kann. Vorliegen m u ß eine gänzlich aufeinander abgestimmte Wirtschaftsstruktur aller K o n z e r n g l i e d e r , die weit über die K o n t r o l l e und die sich überschneidenden Vermögensinteressen hinausgehen m u ß , wie sie jedes Verhältnis zwischen M u t ter- und Tochtergesellschaft im N o r m a l f a l l kennzeichnen. E r s t wenn eine solche intensivierte Wirtschaftsstruktur nachgewiesen werden kann, wenden die amerikanischen G e r i c h t e in ihrem - i m m e r n o c h eng an das " e n t i t y l a w " geknüpften R e c h t s s y s t e m Prinzipien des "enterprise l a w " an.
c) Zum Verzicht auf die traditionellen
Abgrenzungskriterien
I m amerikanischen R e c h t steht m a n somit bei der A n w e n d u n g der Regeln z u r Durchgriffshaftung auf K o n z e r n s a c h v e r h a l t e am Anfang einer neuen E n t w i c k lung. D i e starre traditionelle L e h r e wird immer weitergehender modifiziert, um sie den Bedürfnissen der m o d e r n e n W i r t s c h a f t anzupassen. O b w o h l diese A n p a s sung noch in ihren A n f ä n g e n steht, zeigt sie bereits deutliche Einflüsse auf das amerikanische
Rechtssystem.
Um
den
Rechtsgedanken,
die dem
speziellen
Rechtsgebiet des Einzelfalls zugrunde liegen, gerecht zu werden, lösen sich die G e r i c h t e z u n e h m e n d von den starren Kriterien der traditionellen
Rechtspre-
chung. D i e s zeigt sich etwa daran, wie die Gerichte die Erfüllung handelsrechtlicher Formalitäten würdigen o d e r eine eigenständige B u c h f ü h r u n g der T o c h t e r g e sellschaft, eigene B a n k k o n t e n o d e r B ü r o r ä u m e . D i e s e n Indizien für die w i r t schaftliche Eigenständigkeit der T o c h t e r wird heute oft keine wesentliche B e d e u tung m e h r beigemessen. E b e n s o w e n i g gilt die Angemessenheit ihres A n f a n g s k a p i tals als entscheidender F a k t o r . N a c h der traditionellen R e c h t s p r e c h u n g setzt eine Durchgriffshaftung gewöhnlich außerdem eine betrügerische, ungerechte oder sonst
für
„moralisch
schuldhafte" o d e r unangemessene H a n d l u n g zum Nachteil der G l ä u b i g e r voraus. D i e s Kriterium ist in einer großen Zahl neuerer Entscheidungen, selbst in solchen im Bereich des C o m m o n L a w , aufgegeben worden 2 8 . A u f diese W e i s e wird die M ö g l i c h k e i t eröffnet, E i n s c h r ä n k u n g e n aus dem " e n t i t y l a w " zu überwinden und die Ziele des jeweiligen Rechtsgebiets zu verwirklichen - eine E n t w i c k l u n g , die v o r allem bei der Auslegung und A n w e n d u n g von G e s e t z e n deutlich wird. 28 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law §9.03.
279
Konzernrecht in den USA IV.
Die Lehre
von der „wirtschaftlichen einheitlicher
Einheit"
in den
Fällen
Besteuerung
Zu den wesentlichen G r u n d s ä t z e n des "enterprise l a w " im amerikanischen Richterrecht gehört die Lehre von der „wirtschaftlichen E i n h e i t " . Diese wurde vom Supreme C o u r t in fünf Entscheidungen zwischen 1980 und 1983 entwikkelt 2 9 ; sie behandelten die Verfassungsmäßigkeit einer Steuererhebungspraxis gegenüber den lokalen
Konzerngliedern
multinationaler
Konzerne.
Bei
der
B e r e c h n u n g des Steuersatzes wurden sämtliche Tätigkeiten des K o n z e r n s weltweit mitberücksichtigt, an denen die lokale Gesellschaft teilgenommen hatte. Diese Praxis ist nach der L e h r e von der „wirtschaftlichen E i n h e i t " verfassungsgemäß,
wenn
die lokale
und
die übrigen
Konzerngesellschaften
nicht
getrennte U n t e r n e h m e n anzusehen sind, sondern als Wirtschaftseinheit.
als Das
G e r i c h t stellte hierbei auf Einheit o d e r Eigenständigkeit des jeweiligen K o n z e r n glieds sowie auf die Tatsache ab, daß es sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise u m ein „funktionell integriertes U n t e r n e h m e n " handelte 3 0 . Gleichzeitig b e t o n t e das G e r i c h t , daß die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend seien 3 1 .
1. Voraussetzungen
der „wirtschaftlichen
Einheit"
In A n w e n d u n g der L e h r e von der „wirtschaftlichen E i n h e i t " wird namentlich auf den E i n f l u ß abgestellt, den der K o n z e r n auf die G e s c h ä f t e der K o n z e r n g l i e d e r ausübt. Erforderlich ist der N a c h w e i s einer „erheblichen gegenseitigen Interdepend e n z " zwischen den Konzerngliedern und weiter der N a c h w e i s , daß die G e w i n n beiträge „aus der funktionellen Integration, der Zentralisierung des Managements und aus den besonderen G r ö ß e n v o r t e i l e n des K o n z e r n s h e r r ü h r e n " 3 2 . D i e formelle Aufspaltung in p r o f i t - c e n t e r 3 3 bleibt unberücksichtigt, wenn n u r die Gesellschaften „Teil eines integrierten W i r t s c h a f t s u n t e r n e h m e n s mit zentralem M a n a g e m e n t und internen Abhängigkeitsbeziehungen s i n d " 3 4 . Diese I n t e gration zeigt sich am A n g e b o t
„wesentlicher Leistungen
für den
gesamten
29 Mobil Oil Corp. v. Commissioner of Taxes, 445 U.S. 425 (1980); Exxon Corp. v. Wisconsin Dep't of Revenue, 447 U.S. 207 (1980); A S A R C O , Inc. v. Idaho State Tax Comm'n, 458 U.S. 307 (1982); F . W . Woolworth Co. v. Taxation & Revenue Dep't, 458 U.S. 454 (1982); and Container Corp. of Am. v. Franchise Tax Bd., 463 U.S. 159, Berufung abgelehnt, 464 U.S. 909 (1983). 30 445 U.S. 440-41. 31 Vgl. aaO 440-41. 32 463 U.S. 179. 33 447 U.S. 224-25. 34 Exxon Corp. v. Wisconsin Dep't of Revenue, 447 U.S. 207, 224 (1980).
Phillip I. B l u m b e r g
280
Konzern wie etwa der Koordinierung organisatorischer Funktionen" 3 ', aber auch an einem „zentral organisierten Einkauf" oder einem zentralen Marketingsystem mit „einheitlichen Kreditkarten, Warenzeichen, einheitlicher Verpackung und Werbung" 36 . Falls ein derart integriertes Unternehmen vorliegt 37 , überlagert die wirtschaftliche Betrachtungsweise die rechtliche Konstruktion aus eigenständigen Organisationseinheiten 38 oder aus funktionellen Verwaltungsabteilungen. Auf diese Weise wird verhindert, daß der Steuerpflichtige seine Steuerschuld durch die Wahl einer bestimmten rechtlichen oder organisatorischen Unternehmensstruktur selbst mitbestimmt - gewiß ein guter Grund, dieser einheitlichen Besteuerung den Vorzug vor anderen Methoden zu geben.
2. Die Grenzen
der Lehre von der „wirtschaftlichen
Einheit"
Die Theorie von der „wirtschaftlichen Einheit" unterliegt gewissen Einschränkungen. Zunächst entschied das Gericht im Fall F. W. Woolworth, es handele sich bei dieser wohl bekannten horizontalen Unternehmensverbindung nicht um eine „wirtschaftliche Einheit". Denn nach der Ansicht des Gerichts war der notwendige Grad an „funktioneller Integration" zwischen Tochtergesellschaften und Konzern nicht erreicht und auch das Management nicht genügend zentralisiert 39 : Die ausländischen Tochtergesellschaften nahmen selbständig und unabhängig voneinander wesentliche Funktionen wahr - wie die Auswahl von Waren und Ladenstandorten, die Werbung und Buchführung. Einen „zentralen Verkauf, zentrale Verarbeitung oder Lagerhaltung" oder eine „zentrale Personalausbildung" gab es nicht. Außerdem war die Finanzierung der Tochtergesellschaften unabhängig von der der Mutter, ein Austausch von Personal fand nicht statt, und jede Tochtergesellschaft verfügte über eine eigene Buchführung, Finanzabteilung und eigene Rechtsberater 40 . Danach judizierte das Gericht in der v4sdrco-Entscheidung, allein die Möglichkeit, daß die Muttergesellschaft kontrollieren könne, reiche nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, daß die Kontrolle auch tatsächlich ausgeübt werde 41 . Weil
3 5 Vgl. a a O 2 2 4 . 36 Vgl. a a O 2 2 4 . 3 7 E x x o n C o r p . v. W i s c o n s i n D e p ' t of R e v e n u e , 4 4 7 U . S . 2 0 7 , 44CMtl ( 1 9 8 0 ) ( " o n e must l o o k principally at t h e underlying activity n o t the f o r m o f i n v e s t m e n t . . . . t h e f o r m of business organization m a y have n o t h i n g t o d o with t h e underlying unity o r diversity of business e n t e r p r i s e " . ) 38 Vgl. E x x o n C o r p . v. D e p a r t m e n t of R e v e n u e of W i s c o n s i n , 4 4 7 U . S . 2 0 7 , 2 1 9 - 2 0 , 224-25. 3 9 F. W . W o o l w o r t h C o . v. T a x a t i o n & R e v e n u e D e p ' t , 4 5 8 U . S . 4 5 4 ( 1 9 8 2 ) . 4 0 Siehe F . W . W o o l w o r t h C o . v. T a x a t i o n & R e v e n u e D e p ' t , 4 5 8 U . S . 4 5 4 , 3 6 6 - 7 0 ( 1 9 8 2 ) . 41 ASARCO, I n c . v. I d a h o State T a x C o m m ' n , 4 5 8 U . S . 3 0 7 ( 1 9 8 2 ) .
Konzernrecht in den USA
281
aber bei fast jeder Konzerngründung der Gedanke im Vordergrund steht, die Möglichkeiten zu einheitlicher Unternehmensleitung auch tatsächlich auszunutzen, hat diese Einschränkung nur geringe Bedeutung. Die Art und Weise, wie die Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit" im Detail ausformuliert wird, ist eines der bedeutsamsten Beispiele für amerikanisches Richterrecht im Bereich des "enterprise law". Dieses soll an die Stelle des "entity law" treten, um das Rechtssystem den Erfordernissen einer wechselseitig abhängigen Weltwirtschaft anzupassen, in der multinationale Konzerne die wesentliche Rolle spielen. Die Lehre von der „wirtschaftlichen Einheit" ist jedoch, wie insbesondere die Entscheidung F. W. Woolworth
zeigt, außerhalb des Verfassungsrechts nicht
uneingeschränkt anwendbar. Diese Lehre läßt die beschriebene Art der Besteuerung nur bei wenigen multinationalen Unternehmen zu, um damit nämlich die Grenzen zu wahren, die das Verfassungsrecht der staatlichen Steuerhoheit zieht. Somit beschränkt sich die Anwendbarkeit der Lehre auf ganz bestimmte Modelle der Geschäftsführung und wirtschaftlichen Integration. Andere Faktoren, denen in
"enterprise
law"-Fällen
auf
anderen
Rechtsgebieten
große
Bedeutung
zukommt, werden kaum berücksichtigt. Dies sind insbesondere die Faktoren: wechselseitige Abhängigkeit in den Bereichen Finanzierung und Verwaltung sowie einheitliches Auftreten im Geschäftsverkehr 42 .
V. Gesetzesrecht:
Einführung
Wie bereits dargestellt, beruht das amerikanische Rechtssystem (in Ubereinstimmung mit allen westlichen Systemen) auf dem Prinzip des "entity law", also auf der Vorstellung, daß jede Gesellschaft eine eigenständige juristische Person ist - und zwar selbst dann, wenn sie im Besitz einer anderen Gesellschaft steht, gemeinsam mit dieser ein Unternehmen betreibt und von dieser kontrolliert wird. Dieses Prinzip spiegelt das Wirtschaftsleben der Zeit wider, in der es entwickelt wurde - das des 19. Jahrhunderts. Aber in der Epoche multinationaler Gesellschaften, in der die Wirtschaftssysteme der ganzen Welt eng miteinander verknüpft sind und in der zentralisierte Konzerne mit Dutzenden oder sogar Hunderten von Tochtergesellschaften in ganz verschiedenen Ländern die entscheidende wirtschaftliche Rolle spielen, muß das Prinzip des "entity law" als 42 In F. W. Woolworth, sah das Gericht im Fehlen dieser Faktoren einen Grund für die Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Steuerbestimmung. F . W . Woolworth Co. v. Taxation & Revenue Dep't, 458 U.S. 454, 365-66 (1982). Trotzdem wies das Gericht an keiner Stelle darauf hin, daß es Faktoren von besonderer Bedeutung gebe. Vgl. zu Blumberg's Sicht des Richterrechts LUTTER, Enterprise Law Corp. v. Entity Law, Inc. - Phillip Blumberg's Book from the Point of View of an European Lawyer, 38 Am. J . Comp. L. 959 (1991).
Phillip I. Blumberg
282
vollständig überholt angesehen werden. D a s K o n z e p t der eigenständigen juristischen Person entspricht nicht der wirtschaftlichen Realität der G e g e n w a r t . U m dieses P r o b l e m zu lösen, versucht man heute weltweit, neue K o n z e p t e
zur
Behandlung der Gesellschaft als juristische Person zu entwickeln. Betroffen sind alle Bereiche des amerikanischen R e c h t s , insbesondere aber das Gesetzesrecht. H i e r schicken sich G e s e t z g e b e r , G e r i c h t e und Verwaltungsbehörden an, die G r e n z e n der „ e n t i t y " - D o k t r i n zu überwinden, um Verordnungen und Steuergesetze wirkungsvoll ausführen zu k ö n n e n . W e n n die Prinzipien des "enterprise l a w " auf Konzernsachverhalte angewendet werden, so stößt dies im Bereich des amerikanischen Gesetzesrechts auf weit größere Z u s t i m m u n g als die E n t w i c k l u n g e n in vielen Rechtsgebieten des C o m m o n L a w , im Verfahrens- oder im K o n k u r s r e c h t . D i e E n t w i c k l u n g im G e s e t z e s recht kann folgendermaßen unterteilt werden:
1. Allgemeine
Gesetze
Zunächst gibt es die allgemeinen G e s e t z e , die bestimmte Handlungen verbieten oder regeln, o h n e sich ausdrücklich auf K o n z e r n e zu beziehen. Sobald die Gesetze
auf
Konzernsachverhalte
angewendet
werden
müssen,
stehen
die
G e r i c h t e (und die der gerichtlichen K o n t r o l l e unterliegenden V e r w a l t u n g s b e h ö r den) vor der schwierigen E n t s c h e i d u n g , o b die Auslegung eher den Prinzipien des "enterprise l a w " zu folgen hat oder denen des " e n t i t y l a w " . G e s e t z e in diesem Sinne sind z. B . Kartell- und Wettbewerbsgesetze,
arbeitsrechtliche,
R e n t e n - und U m w e l t g e s e t z e oder auch G e s e t z e des Patent-, U r h e b e r - oder Warenzeichenrechts.
2. Besondere
Gesetze
D a n e b e n sind die besonderen, ausdrücklich auf Konzernsachverhalte b e z o g e nen G e s e t z e entstanden. Bei diesen wurden Prinzipien des "enterprise l a w " schon in die F o r m u l i e r u n g der jeweiligen Verordnung oder des Steuergesetzes a u f g e n o m m e n . D a der K o n g r e ß selbst diese Prinzipien ausdrücklich einbezogen hat, wird die A u f g a b e der G e r i c h t e erheblich erleichtert. D i e s e G e s e t z e sind heute die wichtigste Q u e l l e des "enterprise law" im amerikanischen R e c h t .
VI. Die Regelung von Konzernsachverhalten
durch allgemeine
Gesetze
I m Bereich der allgemeinen G e s e t z g e b u n g hat sich der K o n g r e ß nicht ausdrücklich mit der F r a g e befaßt, wie die G e s e t z e auf Gesellschaften innerhalb eines K o n z e r n s anzuwenden sind. D a sich aus dem W o r t l a u t der G e s e t z e keine
283
Konzernrecht in den USA
eindeutigen Anhaltspunkte ergeben, m ü ß t e n die G e r i c h t e bei der Auslegung und Anwendung dieser allgemeinen G e s e t z e auf Konzernsachverhalte die E n t s c h e i dung zwischen "enterprise l a w " und " e n t i t y l a w " selbst treffen. I m G e g e n s a t z zu den Gerichten anderer Länder wie etwa denen in G r o ß b r i t a n n i e n 4 3 haben die amerikanischen G e r i c h t e insoweit einen weiten Beurteilungsspielraum.
1. Wahl
zwischen
"entity
law"
und
"enterprise
law"
Amerikanische Gerichte berufen sich bei der Erfüllung dieser Aufgabe auf mindestens drei verschiedene Theorien. Viele Gerichte sehen nach wie vor die traditionelle Rechtsprechung
zur
Durchgriffshaftung als eine umfassende, dem gesamten Rechtssystem zugrundeliegende Lehre an. N i c h t berücksichtigt wird insoweit, daß es hier nicht um private Streitigkeiten aus dem Bereich des C o m m o n L a w geht, sondern um gewichtige öffentliche Interessen. Immer mehr Gerichte lösen sich dagegen von der traditionellen, formalistischen Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung. Sie stellen die Gemeinwohlinteressen in den Vordergrund, die von der Auslegung und Durchsetzung
der
Gesetze betroffen sind. Die Urteile stützen sich sowohl auf eine gesetzlich festgeschriebene F o r m der freien Durchgriffshaftung als auch auf Theorien liberaler Gesetzesauslegung. Herausgestellt wird dabei, daß in Konzernfällen eine andere Verantwortlichkeit v o r Gericht besteht als bei natürlichen Personen als Mehrheitsgesellschafter. Aus der Sicht der Gerichte, die sich von der traditionellen Rechtsprechung lösen, stellt sich die Anwendung von allgemeinen Gesetzen auf M u t t e r - und Tochtergesellschaften als eine komplexe Frage dar, die mehrere miteinander verknüpfte Problemkreise umfaßt: Z u berücksichtigen sind etwa der Gesetzeswortlaut, die Bedeutung der Vorschrift im Hinblick auf ihren geschichtlichen 43 Deshalb hat der Supreme Court anerkannt, daß "silence in federal legislation is no reason for limiting the reach of federal l a w . . . The inevitable incompleteness presented by all legislation means that interstitial federal lawmaking is a basic responsibility of the federal courts." United States v. Little Lake Misere Land Co., 412 U.S. 580, 593 (1973). Siehe auch C . T . Carden v. Arkoma Assocs., 110 S.Ct. 1015, 1023 (1990) (a. A. Justice O'Connor) ("application of statutes to situations not anticipated by the legislature is a pre-eminently judical function"). Einige englische Entscheidungen lehnen es ab, die Prinzipien des "enterprise law" dann anzuwenden, wenn eine bestimmte Gesellschaftsstruktur bewußt gewählt wurde, um arbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Schutze der Arbeitnehmer aus dem Wege zu gehen, was ebenfalls mit dem amerikanischen Recht nicht in Einklang zu bringen wäre. Siehe z . B . Dimbleby & Sons Ltd. v. National Union Journalists, (1984) 1 W.L.R. 67 (H.L.) (secondary boycott); Diese Entscheidungen werden besprochen in BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: General Statutory Law, in den §§13.06, 14.13.6.
284
Phillip I. B l u m b e r g
Kontext sowie Sinn und Zweck des Gesetzes. Festzustellen ist aber auch, in welchem Umfang eine konzernrechtliche Auslegung der Vorschrift notwendig oder wünschenswert ist, um eine Mutter-, Tochter- oder auch Schwestergesellschaft mitzuerfassen und um so zu verhindern, daß der Gesetzeszweck scheitert oder das Gesetz umgangen wird. Zur Erfüllung dieser Aufgaben berücksichtigen die nicht an der traditionellen Rechtsprechung festhaltenden Gerichte für gewöhnlich die tatsächlichen wirtschaftlichen Umstände des betreffenden Unternehmens. Untersucht werden unter anderem also die bereits genannten Faktoren wie der Umfang der durch die Muttergesellschaft oder durch den Konzern ausgeübten Kontrolle, die wirtschaftliche Eingliederung, finanzielle und personelle Interdependenz, gleichartige Beschäftigungsstrukturen oder, ob der Konzern im Geschäftsverkehr gleich auftritt. Die Wahl zwischen der Anwendung von "enterprise law" oder der Beibehaltung des "entity law" mit seiner beschränkten Haftung 4 4 hängt notwendigerweise auch vom jeweiligen Gesetzgebungsbereich ab, da in den verschiedenen Bereichen unterschiedliche rechtspolitische Ziele verfolgt werden. Die mangelnde Eignung der traditionellen Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung ist offensichtlich. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs allgemeiner Gesetze berührt ganz andere Werte, Interessen und rechtspolitische Ziele. Die Gerichte müssen sich mit Fragen des "ordre public" und der öffentlichen Interessen befassen, die weit entfernt sind von den Werten und Interessen in privatrechtlichen Streitigkeiten nach dem C o m m o n Law. Eine anhand privatrechtlicher Fälle im C o m m o n Law entwickelte juristische Theorie, die sich auf Kriterien wie Gesellschaftsform und gläubigerschädigendes Verhalten gründet, sollte daher nicht verhindern, daß man die Reichweite eines Gesetzes nach Prinzipien des "enterprise law" bestimmt 4 5 . 44 E i n e der A n o m a l i e n des Ü b e r l e b e n s des " e n t i t y l a w " im Zeitalter Unternehmen
ist das V o r h a n d e n s e i n
mehrerer
multinationaler
„Haftungsbeschränkungsschichten"
innerhalb der U n t e r n e h m e n s g r u p p e . Zusätzlich z u m S c h u t z der K a p i t a l g e b e r in der Muttergesellschaft gilt die H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g für die M u t t e r g e s e l l s c h a f t selbst und jede ihr n a c h g e o r d n e t e G e s e l l s c h a f t des U n t e r n e h m e n s für V e r b i n d l i c h k e i t e n n a c h r a n giger G e s e l l s c h a f t e n . In Ü b e r l e g u n g e n zur B e h a n d l u n g einzelner T e i l e der U n t e r n e h m e n s g r u p p e als einer juristischen E i n h e i t in b e s t i m m t e n F a l l k o n s t e l l a t i o n e n ist bislang nicht vorgeschlagen w o r d e n , bei den A k t i o n ä r e n der Muttergesellschaft V e r ä n d e r u n g e n ihrer H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g v o r z u n e h m e n . W i e bereits festgestellt, gibt es bis heute k e i n e E n t s c h e i d u n g im amerikanischen R e c h t , die den A k t i o n ä r e n der Muttergesellschaft eine H a f t u n g auferlegt hätte, mit A u s n a h m e von A n d e r s o n v. A b b o t t , 321 U . S . 3 4 9 ,
Berufung
abgelehnt, 321 U . S . 8 0 4 ( 1 9 4 4 ) . V g l . bereits o b e n F n . 13. V g l . zur P o s i t i o n Blumberg's
aus europ. Sicht LUTTER, E n t e r p r i s e L a w C o r p . v.
E n t i t y L a w , I n c . - Phillip B l u m b e r g ' s B o o k f r o m the P o i n t o f V i e w o f an E u r o p e a n L a w y e r , 38 A m . J . C o m p . L . 9 5 0 ( 1 9 9 1 ) . 4 5 W e n n das U n t e r n e h m e n bereits von der traditionellen L e h r e nicht erfaßt wird, wird es a fortiori von d e r liberaleren F a s s u n g ebenfalls nicht erfaßt.
Konzernrecht in den USA
285
" E n t i t v l a w " t r e n n t die Muttergesellschaft rechtlich v o n den Verbindlichkeiten der T o c h t e r und gibt der M u t t e r die M ö g l i c h k e i t , d u r c h die G r ü n d u n g
von
T o c h t e r g e s e l l s c h a f t e n gesetzlichen Verpflichtungen a u s z u w e i c h e n . D a s gefährdet die e f f e k t i v e D u r c h s e t z u n g von G e s e t z e n , eröffnet w e i t e U m g e h u n g s m ö g l i c h k e i ten u n d kann z u m Scheitern der gesetzlichen Ziele führen. Seit den 3 0 e r J a h r e n v e r s u c h e n a m e r i k a n i s c h e G e r i c h t e und B e h ö r d e n daher, W e g e z u r U b e r w i n d u n g dieser G r e n z e n des " e n t i t y l a w " zu finden. So w u r d e n Prinzipien des " e n t e r p r i s e law " auch dann berücksichtigt, w e n n das G e s e t z keinen d a h i n g e h e n d e n ausdrücklic h e n Verweis enthielt. A u f diese W e i s e fanden G e s e t z e s v o r s c h r i f t e n n i c h t nur auf die unmittelbar betroffene T o c h t e r g e s e l l s c h a f t A n w e n d u n g , s o n d e r n auch auf die Muttergesellschaft ( o d e r den Mehrheitsgesellschafter), in m a n c h e n Fällen s o g a r auch auf Schwestergesellschaften. Dies geschah o h n e B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r engen G r e n z e n aus d e r traditionellen R e c h t s p r e c h u n g z u r D u r c h g r i f f s h a f t u n g 4 6 .
2. Weite
Gesetzesauslegung
In einigen Fällen dient die freiere F o r m d e r R e c h t s p r e c h u n g z u r D u r c h g r i f f s haftung als G r u n d l a g e für die G e s e t z e s a n w e n d u n g auf einen K o n z e r n
nach
G r u n d s ä t z e n des " e n t e r p r i s e l a w " . In a n d e r e n Fällen steht diese R e c h t s p r e c h u n g neben der weiten G e s e t z e s a u s l e g u n g und v e r s c h m i l z t fast u n m e r k l i c h m i t ihr. H i e r k o m m t m a n m i t H i l f e der traditionellen A u s l e g u n g s m e t h o d e n z u d e m Ergebnis,
d a ß ein G e s e t z
nicht
n u r auf die eigentliche b e t r o f f e n e
Tochter
a n w e n d b a r ist, s o n d e r n daneben auf die Muttergesellschaft, gelegentlich s o g a r auf andere K o n z e r n g l i e d e r . D i e s e weite G e s e t z e s a u s l e g u n g spiegelt die z u n e h m e n d e
Berücksichtigung
wirtschaftlicher U m s t ä n d e w i d e r . E r k a n n t w i r d m e h r u n d m e h r , daß
Wirt-
schaftsgesetze auf Gesellschaften a n g e w e n d e t w e r d e n m ü s s e n , die als K o n z e r n glieder gemeinschaftlich Teile des G e s a m t g e s c h ä f t s u n t e r einheitlicher L e i t u n g betreiben. In diesem Sinne stellen die G e r i c h t e d e n A n w e n d u n g s b e r e i c h
des
jeweiligen G e s e t z e s fest und b e r ü c k s i c h t i g e n in diesem Z u s a m m e n h a n g seinen Sinn und Z w e c k , die rechtspolitischen Ziele s o w i e die L ö s u n g s a n s ä t z e für soziale u n d wirtschaftliche P r o b l e m e . D e r G e s e t z e s w o r t l a u t m u ß dabei im L i c h t e seines 46 Z . B . Town of Brookline v. Gorsuch, 667 F.2d 215,221 (1 st Cir. 1981) ("federal courts will look closely at the purpose of the federal statute to determine whether the statute places importance on the corporate form, an inquiry that gives less respect to the corporate form than does the strict common law alter ego doctrine"); Capital Tel. C o . v. F C C , 498 F.2d 7 3 4 , 7 3 8 - 3 9 ( D . C . Cir. 1974); Kavanaugh v. Ford Motor C o . 353 F.2d 710 (7th Cir. 1965); SEC v. Elmas Trading Co., 620 F. Supp. 2 3 1 , 2 3 4 (D. Nev. 1985); United States v. Firestone Tire & Rubber Co., 518 F. Supp. 1 0 2 1 , 1 0 3 9 ( N . D . Ohio 1981); United Paperworks Int'l Union v. Penntech Papers, Inc., 439 F. Supp. 6 1 0 , 6 2 0 - 2 1 (D. Me. 1977), bestätigt inT.P. Property Corp., 583 F.2d 33 (1st Cir. 1978). Siehe BLUMBERG: The Law of Corporate Groups: General Statutory Law, § 2 . 0 5 . 3 .
Phillip I. Blumberg
286
historischen Hintergrunds betrachtet werden. Dieser Ansatz führt zu einer Auslegung, die die gesetzlichen Ziele und ihre Erreichung fordert und zugleich verhindert, daß das G e s e t z scheiten oder umgangen wird 4 7 .
VII. Konzemsachverhalte
in Spezialgesetzen:
Einleitung
Beim Erlaß anderer G e s e t z e hat sich der K o n g r e ß differenzierter mit den G r e n z e n des "entity l a w " auseinandergesetzt und versucht, diese G r e n z e n zu überwinden. Diese G e s e t z e sind ausdrücklich nicht nur auf die direkt angesprochene Gesellschaft anwendbar, sondern auch auf andere Gesellschaften
im
Konzernverbund. Sie können als „besondere G e s e t z e " (Spezialgesetze) bezeichnet und in drei G r u p p e n unterteilt werden:
1. Die
Gesetzesgruppen
D i e erste G r u p p e (die „Gesetze mit umfassender R e g e l u n g " ) erfaßt G e s e t z e , in denen Prinzipien des "enterprise l a w " verwendet werden, u m einige H a u p t i n dustriezweige umfassend zu regeln. Hierzu gehören G e s e t z e wie das
über
Bankholding-Gesellschaften, das G e s e t z über Sparkassen und Genossenschaftsbanken in F o r m von Holdinggesellschaften und das über die Versorgungsbetriebe in F o r m einer Holdinggesellschaft. Hauptadressat dieser G e s e t z e ist der K o n z e r n . Geregelt werden unter anderem der Zugang zum M a r k t und der Aktivitätsbereich
der U n t e r n e h m e n .
Um
ihre Regelungsziele
zu
erreichen,
beziehen sich diese Gesetze notwendigerweise auf den K o n z e r n als G a n z e s ; insgesamt liegen ihnen durchgängig Prinzipien des "enterprise l a w " zugrunde. D e r zweite T y p von Gesetzen (die „Gesetze mit speziellem R e g e l u n g s r e c h t " ) greift
mit
bestimmten
Einzelregelungen
ausdrücklich
auf
"enterprise
law"
zurück, während ansonsten die Regelungen überwiegend auf "entity l a w " beruhen. Zu dieser G r u p p e gehören G e s e t z e im B a h n - , Lastverkehr- und Lufttransportrecht, im Schiffahrts-
und Fernmeldewesen
sowie im
Wertpapierrecht.
Keines dieser Gesetze behandelt etwa den Aktivitätsbereich der U n t e r n e h m e n . Auch der Zugang zum M a r k t wird (mit Ausnahme im T r a n s p o r t w e s e n ) nicht beschränkt. Anders als bei den „Gesetzen mit umfassendem Regelungsbereich" ist Adressat der Regelung auch nicht der K o n z e r n , sondern allein die direkt angesprochene Gesellschaft. N u r in wenigen ausgewählten Bereichen richtet sich die Regelung ausdrücklich auch an andere Konzerngesellschaften. Die dritte G r u p p e von besonderen Gesetzen findet sich im Steuerrecht. Sie verfolgt andere Ziele als die Gesetze der beiden ersten G r u p p e n : H i e r geht es 47 Für eine vertiefte Auseinandersetzung wird auf die Darstellung bei BLUMBERG, T h e
Law of Corporate Groups: General Statutory Law, §2.05.04, verwiesen.
287
Konzernrecht in den USA
unmittelbar um die Probleme, die sich aus der Anwendung der Steuergesetze auf Konzernglieder (und andere mit diesen verbundene Steuerschuldner) ergeben. Insbesondere sollen Gesetzesumgehungen verhindert werden.
2. Die Konzerndefinition
in
Spezialgesetzen
All diese Gesetze versuchen, das Grundprinzip des "entity law" - jede G e sellschaft eine eigenständige juristische Person - zu überwinden. U b e r Prinzipien aus dem "enterprise l a w " wird der Anwendungsbereich von Gesetzen auch auf verbundene Gesellschaften erweitert, falls dies zur Erreichung des Gesetzeszwecks notwendig ist. Damit stellt sich ein grundsätzliches Definitionsproblem: Welche M e r k m a l e muß der K o n z e r n , m u ß das U n t e r n e h m e n aufweisen, um die verbundenen Gesellschaften in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbeziehen zu k ö n n e n ? Selbstverständlich m u ß jede Definition des K o n z e r n s oder Unternehmens den besonderen Zielen des einzelnen Gesetzes genau angepaßt werden. S o sind etwa im Bereich der Steuergesetzgebung Bestimmungen über Steuervergünstigungen sehr eng zu fassen, damit die Vergünstigungen wirklich nur jenem Adressatenkreis zugute k o m m e n , für den sie gedacht sind. Dagegen müssen Steuergesetze zur Erhebung von Steuern oder zur Verhinderung der Steuerhinterziehung weit gefaßt sein, um ihren Z w e c k zu erreichen. Es wäre daher ein großer Fehler, wenn man ein umfassendes und im gesamten Rechtssystem anwendbares K o n z e p t des "enterprise l a w " schüfe und dabei die ganz unterschiedlichen Gesetzeszwecke außer acht ließe 4 8 . Deshalb müssen die Definitionsmerkmale außer der betreffenden Tätigkeit oder dem jeweiligen Industriezweig zusätzlich die spezifischen Ziele des jeweiligen Gesetzgebungsprogramms
berücksichtigen.
Diese einzelnen
Programme
unterscheiden sich grundlegend voneinander - nicht nur mit B l i c k auf die zu lösenden P r o b l e m e , sondern eben auch hinsichtlich ihrer Ziele. G r u n d hierfür sind Faktoren wie etwa die N a t u r des regelungsbetroffenen
Industriezweigs,
seine charakteristischen Merkmale in Struktur und Organisation, seine Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und Gesellschaft sowie die bereits bekannten mißbräuchlichen Handlungsweisen. 48 Dies kann durch Erfahrungen der Rsp. mit der Haftungsbeschränkung weiter verdeutlicht werden. Die Anwendung der strengen Regeln der Durchgriffshaftung in einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgebiete ist der größte Schwachpunkt dieser Lehre. Die mangelnde Übertragbarkeit von Durchgriffshaftungsfällen im Bereich der unerlaubten Handlung, des Eigentums- und Prozeßrechts auf ganz andere Rechtsgebiete, in denen die jeweiligen Gesetze vollkommen abweichende Zielsetzungen verfolgen, ist häufig gerügt worden. Zu den europ. Erfahrungen mit geschriebenem Konzernrecht vgl. LUTTER, Enterprise Law Corp. v. Entity Law, Inc. - Phillip Blumberg's Book from the Point of View of an European Lawyer, 38 Am. J. Comp. L. 952 (1991).
Phillip I. Blumberg
288
Mit den je unterschiedlichen Problemen und gesetzlichen Zielen ändern sich auch die Reichweite der jeweiligen Gesetzgebung und die Kriterien der Konzerndefinition. Aus diesem Grund scheidet ein umfassendes, einheitliches Konzept des "enterprise law" aus; deshalb hat sich im amerikanischen Gesetzesrecht eine Vielzahl von alternativen, dem jeweiligen Gesetzeszweck angepaßten Definitionskriterien herausgebildet.
3. Das zentrale Merkmal
der
Kontrolle
Allerdings findet sich f ü r die Definition des „Unternehmens" oder Konzerns im nahezu 4 9 gesamten amerikanischen Recht ein ganz wesentliches, auf Vereinheitlichung hin angelegtes Kriterium: die „Kontrolle". Aber selbst f ü r dies fast universelle Kriterium der „Kontrolle" finden sich in den einzelnen Spezialgesetzen ganz unterschiedliche Bezeichnungen. Hierin liegt ein sehr gewichtiges Problem für die Rechtsvergleichung, das im bisherigen Schrifttum fast vollständig vernachlässigt worden ist. Wie wird also „Kontrolle" in den einzelnen Spezialgesetzen definiert und welche Kriterien haben gerade zur Wahl dieser bestimmten Formulierung geführt?
VIII.
Zur Definition
der „Kontrolle"
in den
Spezialgesetzen
Bei dem schwierigen Versuch, das vom Gesetz angesprochene „Unternehmen" durch den Begriff der „Kontrolle" zu bestimmen, ist zweierlei zu beachten: Zum einen sollte die gesetzliche Formulierung dazu beitragen, den Gesetzeszweck zu verwirklichen. U n d zum anderen muß sie den besonderen Anforderungen entsprechen, die die wirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Struktur des jeweiligen Industriezweigs stellt. Vor diesem Hintergrund lassen sich klare Muster erkennen; sie scheinen bei der Definition von „Kontrolle" in den einzelnen Gesetzen auf. Dabei wird deutlich, daß Regelungsgesetze einerseits und Steuergesetze andererseits ganz unterschiedliche Ansätze wählen. Zudem weichen die „Gesetze mit umfassendem Regelungsbereich" in ihren Formulierungen ab von denen in „Gesetzen mit speziellem Regelungsbereich". Hier spiegelt sich wider, daß die einzelnen Gesetze sich - trotz aller Ähnlichkeit - in ihren grundsätzlichen Zielen eben unterscheiden. 49 In speziellen Bereichen des Arbeitsrechts wird in amerikanischen Gesetzen die F o r m u lierung des "integrated enterprise" f ü r spezielle Zielsetzungen verwendet. D e m vergleichbar taucht der Begriff des "integrated enterprise" in bestimmten Bereichen des Steuerrechts auf. Es w u r d e aber bereits darauf hingewiesen, daß dies nicht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs ermöglicht.
Konzernrecht in den USA 1. Gesetze mit umfassend konzernbezogenem a) Gemeinsame
289 Regelungsansatz
Merkmale
Adressat der besonderen, eine industrieweite Regelung anstrebenden Gesetze ist der Konzern. All diese Gesetze verwenden zwei Definitionsmerkmale 5 0 , durch die sie sich von Gesetzen mit „selektivem" Regelungsansatz unterscheiden: (1) eine weite Ö f f n u n g des Kontroll-Begriffs durch seine Verbindung mit dem weniger engen Begriff des „beherrschenden Einflusses". Während der Kontroll-Begriff auch in vielen Gesetzen mit „selektivem" Regelungsansatz ähnlich definiert wird, findet sich der Begriff des „beherrschenden Einflusses" nur in den umfassenden Gesetzen. U n d (2) eine Vermutung für das Vorliegen von „Kontrolle"; sie stützt sich auf einen bestimmten Prozentsatz der gehaltenen oder kontrollierten Anteile mit Stimmberechtigung. Dieser Prozentsatz variiert von nur 10 % im Gesetz über die Versorgungsbetriebe in Form einer Holdinggesellschaft bis zu 25 % im Gesetz über Bankholding-Gesellschaften und im Gesetz über Sparkassen- und Genossenschaftsbanken in Form von Holdinggesellschaften 51 . Die wesentliche Bestimmung des § 2 (a) (7) im Gesetz über die Versorgungsbetriebe . . . zeigt deutlich den Aufbau, der diesen Gesetzen zugrunde liegt. Sie definiert eine Holdinggesellschaft generell als „jede Gesellschaft, die direkt oder indirekt mindestens 1 0 % der stimmberechtigten Anteile besitzt, kontrolliert oder insoweit zur Stimmabgabe ermächtigt ist". Erfaßt ist zudem jede Person, die „direkt oder indirekt (allein oder aufgrund einer Vereinbarung mit einer oder mehreren Personen) einen beherrschenden Einfluß auf Unternehmensleitung und Unternehmenspolitik ausübt" 5 2 . Diese Definition wird dann noch in den Gesetzen mit umfassendem Regelungsansatz, aber auch in vielen „selektiven" Gesetzen erweitert, um nicht nur die Mutter der einzelnen Konzerngesellschaft oder ihre Töchter zu erfassen, sondern auch ihre Schwestergesellschaften. Ausdrücklich wird jede Gesellschaft in den Regelungsbereich des Gesetzes einbezogen, die die betreffende Gesellschaft „beherrscht oder von ihr bzw. zusammen mit ihr beherrscht wird" - mit anderen Worten also der gesamte Konzern. 50 Bank Holding Company Act: 12 U.S.C.A. §1841 (1989); Savings and Loan Holding Company Act: 12 U.S.C.A. § 1467a (1989); Public Utility Holding Company Act, 15 U.S.C. §79a (1989). Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Specific Statutory Law, chs. 2, 3, 6. Der Investment Company Act ist eine Ausnahme; vgl. hierzu unten Fn. 53. 51 15 U.S.C. § 79b(a)(7)(A), (B) (1988); 12 U.S.C.A. §1841(a)(2) (1989): 12 U.S.C.A. § 1467a(a)(2) (Supp. 1990). 52 15 U.S.C. § 79b(a)(7)(A), (B) (1988).
290
Phillip I. B l u m b e r g
b) Gesetzgeberische
Ziele
An den gemeinsamen Merkmalen dieser drei Holding-Gesetze zeigt sich, daß die Aktivitäten des Konzerns insgesamt vom Gesetz erfaßt werden sollen' 3 . Dabei kommt einigen Gesetzeszielen besonderer Vorrang zu. Hierzu gehört die Frage nach dem Umfang zulässiger Konzerntätigkeit, also nach dem zulässigen Umfang des vom Konzern betriebenen Unternehmens. Dieses Problem zu betonen, kann verschiedene Gründe haben. Im Fall der kreditwirtschaftlichen Holding-Gesetze, die sich mit Finanzmarktregulationen befassen, zeigt die Umfangs-Frage die Sorge, daß sich die mangelnde finanzielle Stabilität und Bonität einer Tochtergesellschaft nachteilig auf andere Konzerngesellschaften auswirken könnte. Dagegen verfolgt man mit dem Gesetz über die Versorgungsbetriebe . . . das Ziel, die Strukturen dieser Industriezweige zu vereinfachen und räumlich verbundene Versorgungssysteme zu schaffen. Trotz aller Unterschiedlichkeit dieser Ziele erfordern sie doch allesamt Gesetze, die sich nicht auf die einzelne Gesellschaft beziehen, sondern auf den gesamten Industriezweig und auf die dort tätigen Konzerne. Dies erklärt die Verwendung gemeinsamer Definitionskriterien in den „umfassenden Gesetzen"; hierin unterscheiden sie sich gerade von den „selektiven" Gesetzen. 2. Gesetze mit „selektivem
auf die einzelne
Gesellschaft
bezogenem
Regelungsansatz Andere industrieweite Gesetzgebungsprogramme wie im Bereich des Bahn-, L K W - und Lufttransportwesens, der Schiffahrt sowie des Fernmeldewesens und 53 D e r Investment C o m p a n y A c t ( „ I C A " ) , 15 U . S . C . § 80a (1989), ist eine Anomalie. Siehe BLUMBERG, T h e L a w of C o r p o r a t e G r o u p s : Specific Statutory Law, ch. 18. Weil Investment-Gesellschaften natürlich Holding-Gesellschaften mit einem Portfolio von Wertpapieren eingeschlossen der stimmberechtigenden Anteile anderer Gesellschaften sind, sind sie an diesem Punkt nicht mehr mit den Holding-Gesellschaften vergleichbar, die gesetzlich erfaßt wurden. N a c h diesen Gesetzen „kontrolliert" die HoldingGesellschaft ihre Tochtergesellschaft. Sie zusammen bilden die Unternehmensgruppe, und kraft der gesetzlichen Bestimmungen kann Kontrolle über die Gruppe und den gesamten Unternehmensbereich ausgeübt werden. Demgegenüber kontrolliert die vom I C A erfaßte Investment-Gesellschaft gewöhnlich nicht ihre Portfolio-Gesellschaften, die typischerweise unabhängig und deren Anteile lediglich Investition ohne gleichzeitige Kontrollausübung repräsentieren. D i e Unterschiede zwischen dem I C A und der gesetzlich „durchdrungenen" Holding-Gesellschaft sind entsprechend weitreichend. O b w o h l sich der I C A auf die Regelung der Investment-Gesellschaft konzentriert, handelt es sich hierbei um eine ähnlich „durchdringende" Gesetzgebung. Dies erklärt sich zum einen daraus, daß die Gesetzesformulierungen zu den Holding-Gesellschaften denen des I C A insoweit gleichen, als das ergänzende K o n z e p t des „kontrollierenden Einflusses" benutzt wird und eine Kontrollvermutung bei Besitz von 25 % stimmberechtigender Anteile eingreift. Diesbezüglich unterscheidet es sich von jedem anderen G e s e t z .
Konzernrecht in den U S A
291
des Wertpapierrechts erfassen allein die einzelne Gesellschaft, dagegen nicht den Konzern. Obwohl diese Gesetze umfassende Regelungen zu Problemen des gesamten Industriezweiges treffen, befassen sie sich dennoch nicht mit dem Umfang des Unternehmens, das die einzelne Gesellschaft innerhalb des Konzernverbunds betreibt. Vielmehr ist Adressat der Vorschriften in der Hauptsache nur die einzelne Gesellschaft selbst. Geregelt werden etwa Fragen des Zugangs zum Markt, der Festlegung von Preisen und der Planung von Aktivitäten; denn diese Fragen sind für Verbraucher, Beschäftigte und für die Gemeinden von wesentlicher Bedeutung.
a) Verwendung
des
Kontroll-Begriffs
Zwar enthalten diese Gesetze keinen ausdrücklichen Bezug auf konzernrechtliche Sachverhalte. Da aber große amerikanische Gesellschaften typischerweise als bloße Konzernteile tätig sind, müssen auch insoweit die Beziehungen zu verbundenen Gesellschaften und zum Konzern in einzelnen Aspekten geregelt werden. Daher befassen sich alle „selektiven" Gesetze zur Regelung des Marktzugangs mit dem Erwerb von Kontrolle über die angesprochene Gesellschaft, die Gesetze zur Regelung von Preisen und Gewinnen mit Transaktionen innerhalb des Konzerns und schließlich die Gesetze zur Aufdeckung der rechtlichen Konzernstruktur mit der Prüfung seiner Rechnungslegung. Dennoch ist keines dieser Gesetze mit dem Umfang der gesamten Unternehmenstätigkeit befaßt. In ihnen bekommt der Kontroll-Begriff deshalb einen gänzlich anderen Sinngehalt. Anders als die „umfassenden Gesetze" mit ihrer Vermutungsregel oder die Steuergesetze mit der starren Anknüpfung an bestimmte Anteilsprozente definieren die „selektiven" Gesetze den KontrollBegriff lediglich ganz allgemein. Über den genauen Begriffsinhalt entscheiden dagegen die Verwaltungsbehörden im Einzelfall. Damit soll die Gesetzesumgehung, die durch feststehende Begriffsmerkmale erleichtert würde, verhindert werden. Man verzichtet insoweit nicht nur auf die Festlegung bestimmter Prozentsätze und Vermutungsregeln; ebensowenig wird der Kontroll-Begriff durch den Begriff des „beherrschenden Einflusses" und seine Ausformung erweitert. Hierin weichen die „selektiven" Gesetze von sämtlichen „umfassenden Gesetzen" ab.
b) Auslegung durch die
Verwaltungsbehörden
Bei der Prüfung, ob „Kontrolle" existiert, kommt den Verwaltungsbehörden eine wesentliche Rolle zu. Im Fall Rochester Telephone Corp../. United States legte der Supreme Court den Begriff der Kontrolle weit aus und vertrat dazu die
292
Phillip I. Blumberg
Ansicht, der Kontroll-Begriff folge einem „praxisorientierten
Konzept".
Er
müsse „mit Blick auf die tatsächlichen Beziehungen der verbundenen Unternehmen" definiert werden und „jede Form von Kontrolle erfassen". Mit dieser Formulierung erkannte das Gericht die wesentliche Rolle der Verwaltungsbehörden ausdrücklich an. Die Entscheidung einer Behörde über das Vorliegen von „Kontrolle" sei eine Tatsachenfeststellung und konsequent bindend, soweit dies durch die Unterlagen der Gesellschaft belegt sei 54 . Wird „Kontrolle" bejaht, so erfassen diese „selektiven" Gesetze in jenen Bereichen, die der Kongreß festgelegt hat, neben der Gesellschaft selbst zusätzlich (in der bereits bekannten Formulierung) alle Gesellschaften, die sie „beherrschen oder von bzw. mit ihr beherrscht werden". Anders als die Gesetze mit umfassendem Regelungsansatz werden die „selektiven" Gesetze jedoch nicht generell auf den Konzern angewendet, sondern nur zu bestimmten, eng begrenzten Zwecken.
3.
Steuergesetze
Die Steuergesetze unterscheiden sich wesentlich von den „umfassenden" und „selektiven" Gesetzen. Unabhängig davon, welches spezielle Ziel eine bestimmte Vorschrift verfolgt 5 5 , befaßt sich der "Internal Revenue C o d e " ("the C o d e " , das Bundessteuergesetz) nur mit steuerrechtlichen Fragen (sieht man dabei von unwesentlichen Ausnahmen ab). Diese Fragen sind: Steuererhebung, Steuervergünstigungen und andere steuerrechtliche Sonderbehandlungen, Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung. Diese Gesetzesziele erfordern in einer von Konzernen geprägten Wirtschaft zahlreiche Vorschriften zu den vielfältigen Problemen, die Konzerne und Konzernglieder in ihren Wirtschaftsbeziehungen aufwerfen 5 6 . In einem Steuersystem, das auf den Steuererklärungen der Steuerpflichtigen aufbaut, müssen Steuergesetze möglichst verständlich und einfach handhabbar sein. W e n n dies Ziel, wie jedem amerikanischen Steuerzahler bekannt sein dürfte, auch unter vielen Aspekten unerreichbar ist, so scheint es dennoch und 54 R o c h e s t e r T e l e p h o n e C o r p . v. United States, 307 Siehe auch Gilbertville T r u c k i u n g C o . v. United Alleghany C o r p . v. Bresnick & C o . , 353 U . S . 151, 9 8 9 (1957); U n i t e d States v. Marshall Transp. C o . ,
U . S . 125, 1 3 9 ^ 0 , 1 4 5 - 5 6 (1939). States, 371 U . S . 115, 125 (1962); 163, Berufung abgelehnt, 353 U . S . 322 U . S . 31, 38 (1944).
55 D e r Ertrag aus einer bestimmten Abgabenerhöhung dürfte z. B . eine zielgerichtete Antriebs- oder A b s c h r e c k u n g s m e t h o d e des Kongresses sein, um auf bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen E i n f l u ß zu nehmen. Aus welchen Gründen dies auch immer geschieht - letztendlich führen die gesetzlichen Bestimmungen entweder zur Auferlegung oder zur Befreiung oder Beschränkung einer bestimmten Steuer. 56 Das Bundessteuergesetz befaßt sich natürlich auch mit Fragen der Kontrolle einzelner Aktionäre oder anderer G r u p p e n .
Konzernrecht in den USA zumindest
bei der Formulierung konzernrechtlicher B e s t i m m u n g e n
293 verfolgt
worden zu sein. Die gesetzlichen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e entsprechen der F o r d e rung nach Klarheit und Einfachheit.
a) Bedeutung
des
„Kontroll"-Begriffs
Obwohl sich die Steuertatbestände im einzelnen stark voneinander unterscheiden, verwenden sie dennoch überwiegend den Begriff der „Kontrolle". Im Steuerrecht jedoch wird dieser Begriff ganz anders verstanden als in den „umfassenden" und „selektiven" Gesetzen. Statt wie in den „selektiven"
Gesetzen
allgemein zu definieren oder wie in den „umfassenden Gesetzen" mit V e r m u tungsregeln zu arbeiten 57 , beziehen sich die Steuergesetze (bis auf wenige A u s nahmen 5 8 ) nur auf die tatsächliche Anzahl der gehaltenen Mitgliedschaftsrechte. Mithin handelt es sich bei der „Kontrolle" nach dem Bundessteuergesetz trotz seiner durchgängigen Verwendung um eine häufig unzutreffende Bezeichnung. In den anderen Gesetzen des Lenkungsbereichs versteht man unter „Kontrolle" die Fähigkeit 5 9 , die Willensbildung in einer anderen Gesellschaft zu bestimmen oder zu beeinflussen. In den Steuergesetzen dagegen hat der Begriff keinerlei eigenständige Bedeutung. E r wird nur benutzt, um auf einen in dem jeweiligen Gesetzesabschnitt festgelegten Prozentsatz von Geschäftsanteilen oder Aktien zu verweisen, der für „Kontrolle" in diesem Sinne notwendig ist. In zahlreichen Fällen umfaßt dieser Prozentsatz auch Anteile ohne Stimmberechtigung, so daß er offensichtlich in keinem Zusammenhang mit tatsächlicher „Kontrolle" steht. Nach den verschiedenen Abschnitten des Bundessteuergesetzes liegt „ K o n trolle" bei Erreichen ganz unterschiedlicher Anteilssätze vor. Das Gesetz enthält insgesamt nicht weniger als neun verschiedene Maßstäbe. Damit nicht genug: Jedes dieser Modelle weist weitere Varianten auf, die ihrerseits noch untergliedert sind. In einigen Abschnitten wird ein Prozentsatz von mehr als der Hälfte der Anteile genannt 6 0 . Da hier einerseits auf die Anteilsmehrheit, andererseits aber
57 Weil einige spezielle Gesetze Kontrollvermutungen bei Erreichen einer bestimmten Anteilsstärke besitzen, ergänzen diese gesetzlichen Vermutungen die allgemeine gesetzliche Definition. Anders als beim Bundessteuergesetz kann die Kontrollerlangung nach diesen Bestimmungen bereits dann bejaht werden, wenn die von der Muttergesellschaft (oder einem Mehrheitsgesellschafter) gehaltene Anteilsstärke noch nicht den Prozentsatz erreicht hat, der die gesetzliche Kontrollvermutung auslöst. 58 Diese Ausnahmen sind jeweils in dem speziellen Kontext erklärt, in dem sie behandelt werden. 59 Siehe B. F. Goodrich Co. v. Northwest Indus., Inc., 303 F. Supp. 53, 57 (D. Del. 1969), bestätigt, 424 F.2d 1349 (3d Cir.), Revision abgelehnt, 400 U.S. 822 (1970). 60 Z. B. I.R.C. §§ 267(f), 954(d)(3), 957, 6038(1).
294
Phillip I. Blumberg
auch auf die S t i m m r e c h t e B e z u g g e n o m m e n wird, ist dies ein Kriterium, um die „ K o n t r o l l e " des Willensbildungsprozesses festzulegen. In diesem Punkt stimmt das Steuergesetz völlig mit den G e s e t z e n des Lenkungsbereichs überein. Dagegen enthält es in anderen Vorschriften P r o z e n t s ä t z e wie „mindestens 5 0 % " , „ 5 0 % oder w e n i g e r " 6 1 oder „mindestens 8 0 % " 6 2 . Sogar in den Fällen, in denen sich diese P r o z e n t s ä t z e nicht auf sämtliche Anteile, sondern bloß auf die stimmberechtigten beziehen, scheinen sie keine festen M a ß s t ä b e für das Vorliegen von „ K o n t r o l l e " setzen zu wollen. D i e erstgenannten Prozentsätze sind etwas zu niedrig, der letzte bei weitem zu h o c h 6 3 . A n d e r e zahlenmäßige M a ß s t ä b e , die keinen Anhalt für die tatsächliche „ K o n trolle" bieten, sind im Bundessteuergesetz noch verbreiteter. O h n e auf die stimmberechtigten Anteile B e z u g zu n e h m e n , wird hier vom „gesamten W e r t " 6 4 oder von der „gesamten Z a h l " 6 5 der Anteile gesprochen. O b w o h l das G e s e t z den Begriff der „ K o n t r o l l e " verwendet, geht es hier u m etwas ganz anderes. Gemeint ist der U m f a n g der Eigentumsinteressen o d e r der wirtschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft.
b) Belastende Die Vorschriften
und begünstigende
des Bundessteuergesetzes
Vorschriften lassen sich
in zwei
Gruppen
unterteilen: z u m einen in die zur Steuererhebung und zur Verhinderung der Steuerumgehung. D i e s e B e s t i m m u n g e n begründen oder erweitern die Steuerschuld („belastende V o r s c h r i f t e n " ) ; und z u m anderen in die über Steuerbefreiungen oder -Vergünstigungen, die die Steuerschuld mindern („begünstigende V o r schriften"). D e m e n t s p r e c h e n d lassen sich ebenfalls die Prozentsätze an „ K o n t r o l l e " , die für das Eingreifen der jeweiligen S t e u e r n o r m erreicht sein müssen, in zwei Arten untergliedern. E r w a r t u n g s g e m ä ß ist der Maßstab für begünstigende Vorschriften mit 80 % der Anteile sehr h o c h angesetzt, u m so die Zahl der Berechtigten klein zu halten 6 6 . U m g e k e h r t liegen den belastenden Vorschriften Prozentsätze von
61 Z . B . I.R.C. § § 2 4 6 A , 279(i). 62 Z . B . I.R.C. §§368(c), 582(b), 1504(a)(2), 1551, 1563. 63 Es ist natürlich eine Tatsache, daß sich die „Kontrolle" über Entscheidungsprozesse in einer großen Aktiengesellschaft mit tausenden von Aktionären bei einer deutlich geringeren Mehrheit der Stimmrechtsaktien befindet. Siehe 4 L. Loss & J. Seligman, Securities Regulation, ch.5 (3d ed. 1989). 64 Z . B . I.R.C. §§246A, 267(f), 382(1), 1504(a)(2), 1551, 1563. 65 Z . B . I.R.C. §368(c). 66 Z . B . I.R.C. §§368(c), 582(b), 1504(a)(2), 1551, 1563.
295
Konzernrecht in den USA
5 0 % und weniger zugrunde 6 7 , um so ihren A n w e n d u n g s b e r e i c h zu erweitern und die angestrebten Steuereinnahmen zu erzielen. V o n wenigen unwesentlichen Ausnahmen abgesehen, folgt die Steuererhebung diesem Muster. Charakteristisch für das Bundessteuergesetz ist, daß es fast ausschließlich auf starr numerischen Maßstäben beruht. N u r in wenigen B e s t i m m u n g e n werden generelle und weite Kriterien wie in den Spezialgesetzen verwendet. D i e wichtigste V o r s c h r i f t dieser A r t ist § 4 8 2 ; sie dient der A b w e h r von Steuermanipulationen bei Geschäften zwischen Vertragsparteien unter gemeinsamer
Kontrolle.
G e r a d e in diesem Fall erscheint es als außerordentlich sinnvoll, von der Regel prozentualer M a ß s t ä b e abzuweichen 6 8 . D i e beiden anderen A u s n a h m e n dagegen sind relativ unwichtig 6 9 . Offensichtlich zielt das Steuergesetz vor allem auf Klarheit und einfache A n w e n d b a r k e i t ab, um so die U n t e r n e h m e n s p l a n u n g und A b g a b e von Steuererklärungen zu erleichtern. In den Fällen weit gefaßter T a t b e s t ä n d e (wie in § 4 8 2 ) haben
die Steuerpflichtigen, die versuchen, Steuern zu vermeiden oder
zu
verringern, kaum das R e c h t , sich ü b e r die unklare F o r m u l i e r u n g zu beschweren.
c) Abschließende
Würdigung
Alles in allem hat der Begriff der „ K o n t r o l l e " im Steuerrecht einen anderen Inhalt als in den G e s e t z e n des Lenkungsbereichs. O b w o h l das Steuerrecht in dieser Darstellung herangezogen werden m u ß t e , um einen vollständigen Ü b e r blick ü b e r das amerikanische Gesetzesrecht zu geben, so läßt sich aus ihm d e n n o c h wenig für die D e f i n i t i o n von „ K o n t r o l l e " und damit wenig für die Prinzipien des "enterprise l a w " gewinnen.
4. Kriterien
außerhalb
des
„Kontroll"-Begriffs
U m zur A n w e n d u n g des "enterprise l a w " zu gelangen, werden im G e s e t z e s recht n o c h weitere Versuche u n t e r n o m m e n , den K o n z e r n anders als nur über den „ K o n t r o l l " - B e g r i f f zu bestimmen. Dies sind die wenigen T h e o r i e n , die sich 67 Diese Prozentsätze tauchen in drei Formen auf. Wie bereits erwähnt lautet die Formulierung z . B . „mindestens 5 0 % " , manchmal „ 5 0 % oder mehr", was bedeutet, daß 50,00 % erforderlich sind und manchmal lautet die Formulierung „mehr als 50 % " , was bedeutet, daß 50,01 % erforderlich sind. 68 Section 482 gibt der Bundesfinanzbehörde das Recht, Einkommen, abzugsfähige Aufwendungen und Kredite von "organization, trades or businesses . . . owned or controlled directly or indirectly by the same interests in order to prevent evasion of taxes or clearly to reflect their i n c o m e . . u m z u v e r t e i l e n . 69 Z . B . I.R.C. §267.
296
Phillip I. Blumberg
auf die Verflechtung der Geschäfte zwischen verbundenen Unternehmen stützen. Zu diesen neuen Lehren gehört die Theorie über „verbundene Unternehmen" 7 0 . Sie wurde v o m "National Labor Relations B o a r d " (Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen) entwickelt, um einen „einheitlichen Arbeitgeber" zu bestimmen und um auf diese Weise bestimmte Probleme des Gesetzes über die Arbeitsbeziehungen zu lösen. Ihr Ansatz wurde auch von der Rechtsprechung im Bereich des Arbeitsrechts und für das Recht gegen Diskriminierungen am Arbeitsplatz verwendet. Durch den " A g e Discrimination Amendments A c t " von 1984 wurde die Theorie über „verbundene Unternehmen" sogar zum Gesetz 7 1 . Ein anderes Beispiel für neue Ansätze sind die wenigen Bestimmungen im Bundessteuergesetz, die ebenfalls mit dem Begriff der „verbundenen Unternehmen" operieren. Diese Kriterien ähneln in gewisser Weise der Theorie von der „wirtschaftlichen Einheit", die, wie oben ausgeführt 7 2 , vom Supreme Court entwickelt worden war, um die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Steuererhebungen zu überprüfen. Außerhalb des engen Bereichs, aus dem sie entstammen, haben diese Lösungen jedoch nur geringe Bedeutung. So bezieht sich der Begriff des „verbundenen Unternehmens" im Arbeitsrecht und in den Gesetzen gegen Diskriminierung hauptsächlich auf Arbeitsverhältnisse. Andere Aspekte des Unternehmens bleiben dagegen unberücksichtigt. Auch im Bundessteuergesetz wird der Begriff nur in einigen wenigen Bestimmungen verwendet 73 und scheint für eine weitergehende Anwendung offensichtlich nicht geeignet. Dennoch ist der Grundgedanke, die Verflechtung der Geschäftstätigkeit als den entscheidenden Grund für eine Konzernhaftung anzusehen, für die Rechtsprechung hilfreich. Sie verwendet diese Überlegung als eine der Hauptbegründungen, um "enterprise law" in bestimmten Bereichen zum Zuge kommen zu lassen.
70 Der Begriff „verbundenes Unternehmen" setzt sich aus vier Einzelelementen zusammen: (a) gegenseitige Geschäftsbeziehungen; (b) zentralisierte Betriebsführung und Arbeitnehmerorganisation; (c) gemeinsames Management; und (d) gemeinsames Eigentum und gemeinsame finanzielle Kontrolle. 21 N . L . R . B . Ann. Rep. 14 (1956), übernommen in Radio & Television Broadcast Technicians Local Union v. Broadcast Serv. of Mobile, Inc., 380 U . S . 255 (1965) (durch das Gericht). 71 29 U . S . C . §623(h) (1988). Siehe auch BLUMBERG: The L a w of Corporate G r o u p s : General Statutory L a w , chs. 13 to 15. 72 Siehe T e m p . Treas. Reg. under I.R.C. §367(b), § 1.367(a)-3T(e) (3) (1990). Der Maßstab „verbundenes Unternehmen" wurde bereits im ersten Weltkrieg zum Zwecke der Erhebung einer Kriegsgewinnsteuer verwendet. Siehe Treas. Reg. 41, art. 77. 73 Siehe BLUMBERG, T h e Law of Corporate G r o u p s : Procedure, §22.03.5; BLUMBERG, The L a w of C o r p o r a t e G r o u p s : General Statutory L a w , §5.02.
297
Konzernrecht in den USA 5. Die
Spezialgesetze
geben
Zusammenfassung
mit
ihren
unterschiedlichen
Definitionen
gute
Anhaltspunkte zur Bestimmung dessen, was „Kontrolle" der Willensbildung in e i n e r Gesellschaft bedeutet. T r o t z ihrer unterschiedlichen
Formulierungen
ähneln sich diese Definitionen stark und führen nur in wenigen, relativ unbedeutenden Fällen zu abweichenden Ergebnissen.
a)
Bundeswertpapiergesetz
Bei der Untersuchung der zahlreichen untereinander sehr ähnlichen Gesetzesmodelle können amerikanische Juristen auf Studien des " A m e r i c a n L a w Institute" über die gleiche Problematik im Wertpapierrecht zurückgreifen. Diese Studien wurden von einer Gruppe herausragender Richter, Wissenschaftler und Praktiker unter Leitung eines in diesem Rechtsgebiet führenden
Experten,
Professor Louis Loss, zur Vorbereitung eines "Federal Securities C o d e " (Bundeswertpapiergesetz) durchgeführt. Sie wurden im wesentlichen in die „Prinzipien der C o r p o r a t e Governance: Analyse und Empfehlungen" aufgenommen 7 4 . § 2 0 2 (29) der Empfehlungen für ein Bundeswertpapiergesetz definiert Kontrolle so: (a) „Kontrolle ist die Fähigkeit, direkt oder indirekt einen beherrschenden Einfluß auf die Unternehmensleitung und Unternehmenspolitik auszuüben (dies entweder allein oder aufgrund von Vereinbarungen mit einer oder mehreren anderen Personen). Gleichgültig ist, ob dies durch den Besitz stimmberechtigter Anteile, durch eine oder mehrere Mittelspersonen, durch Vertrag oder auf eine andere Weise ermöglicht wird. ( b ) ( l ) Im Fall einer Person, die (allein oder aufgrund von Vereinbarungen mit einer oder mehreren anderen Personen) mehr als 2 5 % der stimmberechtigten Anteile im Besitz hat oder ausüben kann, . . . wird das Vorliegen von „Kontrolle" vermutet. (4) Diese Vermutung kann durch Gegenbeweis widerlegt w e r d e n 7 5 . " Die „Prinzipien der C o r p o r a t e G o v e r n a n c e " enthalten eine im wesentlichen gleiche Definition. Sie umfaßt sowohl den weiten Begriff des „beherrschenden Einflusses", als auch die bei 2 5 % der stimmberechtigten Anteile einsetzende 74 Die Bestimmungen unter § 367(b) befassen sich lediglich mit drittrangigen Problemen. Section 367(b) ist hier für einen sehr begrenzten Bereich eine Ausnahme. Die Formulierung „verbundenes Unternehmen" bildet wiederum in einem noch begrenzteren Bereich die Grundlage für die Ausnahme zur Ausnahme. 75 A.L.I., Federal Securities Code (1980); A.L.I., Principles of Corporate Governance: AnalySis and Recommendations §1.05 (Tent. Draft No. 5, 1986). Während dieses Gesetz wider Erwarten vom Kongreß nicht zum Gesetz erklärt wurde, beriefen sich die Gerichte aber bereits darauf. Siehe hierzu allgemein 1 L. Loss & J . Seligman, Securities Regulation 278-85 (3d ed. 1989).
298
Phillip I. Blumberg
Vermutungsregel. Damit folgt die Definition dem Modell der Gesetze mit umfassendem Konzernbezug. Wenn die widerlegbare Vermutung bei 25 % einsetzt, so spiegelt sie damit die tatsächlichen Verhältnisse der amerikanischen Wirtschaft genau wider. In großen Aktiengesellschaften, deren Aktien unter hunderten oder tausenden von Anteilseignern verstreut sind 76 , reichen nach allgemeiner Erfahrung bereits viel geringere Anteilsprozente als die mathematische Mehrheit aus, um die Gesellschaft effektiv zu kontrollieren. Und in Fällen, in denen kein weiterer Großaktionär vergleichbaren Zuschnitts existiert, wird bereits ein Anteilsbesitz von weniger als 25 % mit „effektiver Kontrolle" verbunden sein 77 . Die Empfehlung für das Bundeswertpapiergesetz hat diese Auffassung aufgegriffen und durch seine Vermutungsregel Beweisschwierigkeiten vermindert. Möglich bleibt allerdings weiterhin die Widerlegung der Vermutung 7 8 . Somit wird der „Kontroll"-Begriff durch die Merkmale des „beherrschenden Einflusses" und durch seine Vermutung bei bestimmten Anteilsprozenten unterstützt; dabei zeigt die amerikanische Erfahrung überdies, wie vorteilhaft es ist, den so ausgestalteten „Kontroll"-Begriff noch zu ergänzen. Mit Hilfe der für die Spezialgesetze typischen Formulierung wird nämlich der Anwendungsbereich des Gesetzes auf jede Person erstreckt, die direkt oder indirekt die sie betreffende Gesellschaft beherrscht oder von bzw. zusammen mit ihr direkt oder indirekt beherrscht wird 79 . 76 Federal Securities C o d e § 2 0 2 ( 2 9 ) ( A ) , ( B ) (1980). 77 A m 3 1 . 1 2 . 1 9 8 6 betrug die Zahl der verzeichneten Aktionäre der fünfzig größten, an der N e w Y o r k Stock Exchange eingetragenen Aktiengesellschaften von 124.000 bis zu 2 . 7 8 2 . 0 0 0 N . Y . S . E . Fact B o o k 26 (1987). Diese Zahlen fußen lediglich auf den verzeichneten Aktionären und lassen die wahren Eigentümer außer Betracht. Die tatsächlichen Aktionärszahlen werden daher noch höher sein. 78 Siehe Essex Universal C o r p . v. Yates, 3 0 5 F . 2 d 5 7 2 , 580 (2d C i r . 1962) (Justice Clark mit zustimmendem Votum). Siehe auch 4 L . Loss & J . S e l i g m a n , Securities Regulation ch. 5 (3d ed. 1990). Dies wird sich in der Zukunft mit größer werdenden Anteilspaketen in den Händen von Pensionsfunds und anderen institutionellen Anlegern ändern. Man hat geschätzt, daß institutionelle Anleger heute m e h r als 50 % der Gesellschaftsanteile halten, die an der N e w Y o r k Stock Exchange geführt werden, und mehr als 65 % des Marktwertes der Aktien, die im Standard & P o o r 5 0 0 Index geführt werden. Siehe R e p o r t of the Legal Advisory C o m m i t t e e to the N e w Y o r k Stock Exchange Board of Directors (1990). Unternehmensübernahmen können ebenfalls zu Besonderheiten führen. Das hat die Auseinandersetzung zwischen Bangor Punta C o r p . und C h r i s - C r a f t Industries, Inc., um die Kontrollerlangung von Piper Aircraft C o r p o r a t i o n gezeigt. C h r i s - C r a f t hatte 4 2 % der Piper-Aktien übernommen, k o n n t e aber aufgrund eines 5 0 % igen Erwerbs von Bangor Punta nicht die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben. Siehe Piper Aircraft C o r p . v. Chris-Craft Indust., Inc., 4 3 0 U . S . 1, 9 (1977). 79 Insbesondere spezielle Anwendungsbereiche und Regulierungssysteme, wie sie z. B . im B a n k Holding C o m p a n y Act, Savings & L o a n Holding C o m p a n y Act und dem Public Utility Holding C o m p a n y Act enthalten sind, geben neben manch anderen Schwierigkeiten bei der Anwendung gesetzlicher Kontrollbestimmungen Anlaß zu der Annahme, daß ihr Gebrauch zu unterschiedlichen Prozentsätzen führen kann.
Konzernrecht in den USA b)
"Enterprise
law"
in der
299
Rechtsprechung
D o r t , wo außerhalb der Spezialgesetze keine gesetzliche Definition formuliert worden ist, stellt sich das P r o b l e m , wie "enterprise l a w " anzuwenden ist, ganz anders dar. H i e r geht es um eine rechtliche, nicht um eine gesetzgeberische Frage. Zu lösen ist dann nämlich nicht m e h r nur das P r o b l e m , wie eine geeignete N o r m ausgearbeitet werden kann. Vielmehr stellt sich die viel komplexere Aufgabe, den Gerichten bestimmte M a ß s t ä b e für die Anwendung von " e n t e r prise law"-Prinzipien im Einzelfall zu geben; dabei sind die jeweiligen Gesetzesziele mitzuberücksichtigen. D i e G e r i c h t e müssen zwei grundsätzliche Fragen entscheiden. Zunächst geht es darum, welche Prinzipien den Zielen des jeweiligen Rechtsgebiets am nächsten k o m m e n : die des "enterprise l a w " oder die traditionellen des "entity
law".
Halten die G e r i c h t e zumindest in einigen Fällen die Anwendung von "enterprise l a w " für grundsätzlich angemessen, so folgt anschließend eine Untersuchung der K o n z e r n b e z i e h u n g . H i e r z u stellt sich die grundlegende Frage, wann die K o n zerngesellschaften so eng verbunden sind, daß auch im Einzelfall Prinzipien des "enterprise l a w " angewendet werden sollten. D i e Gerichte müssen also selbst bestimmen, nach welchen Kriterien "enterprise l a w " zum Zuge k o m m t . Z w a r ließe sich dies auf dem W e g e vermeiden, daß man "enterprise l a w " bei jeder Beziehung zwischen M u t t e r - und Tochtergesellschaft anwendet. A b e r selbst wenn man diesen weitreichenden Schritt für wünschenswert hielte, so ist er t r o t z d e m beim heutigen Stand des amerikanischen Rechts eindeutig nicht zu verwirklichen 8 0 . Ansätze zur Lösung der D e f i n i t i o n s p r o b l e m e bieten die jüngeren Erfahrungen, die in den Vereinigten Staaten bei der Entwicklung von
„enterprise"-
K o n z e p t e n zur Auslegung und A n w e n d u n g allgemeiner G e s e t z e
gesammelt
worden sind sowie im Bereich des C o m m o n L a w , insbesondere bei den unerlaubten Handlungen. D i e s e E n t w i c k l u n g e n konzentrieren sich nicht ausschließlich auf den Begriff der „ K o n t r o l l e " ;
zusätzlich werden Faktoren wie die
wirtschaftlichen Besonderheiten des K o n z e r n s berücksichtigt oder wie der G r a d wirtschaftlicher
Verflechtung,
finanzielle
und personelle
Interdependenzen,
gemeinsame Beschäftigungspolitik oder gleichartiges Auftreten im Geschäftsverkehr.
80 Siehe Securities Act von 1933, 15 U.S.C. §§ 77b(3), (11) (1988); Securities Exchange Act von 1934, 15 U.S.C. §§78c(a)(8) 781, 78m (1988); Investment Company Act von 1940 §2(a)(40), 15 U.S.C. §80a-2(a) (40) (1988); Trust Indenture Act, 15 U.S.C. §77jjjb 4 (1988); Federal Communications Act von 1934, 47 U.S.C. §219(a) (1988); Cable Communications Policy Act von 1984, 47 U.S.C. §533 (1988); Antidumping und Countervailing Duty Act von 1988, 19 U.S.C. §1677(13) (1988).
300
Phillip I. Blumberg
IX.
Prozeßrecht
Konzepte des "enterprise law" haben auch in das amerikanische Prozeßrecht Eingang gefunden, wenn auch hier (wie überall noch) "entity law" ganz allgemein überwiegt. Auf einigen Feldern, namentlich auf denen von Gerichtsstand und -Zuständigkeit sowie auf denen der Zustellung wird der zwischen den Theorien bestehende Konflikt ausnehmend deutlich. Das Prozeßrecht überstrahlt die Entscheidung des Supreme Court im Fall Cannon Mfg. Co./. Cudahy Packing Company, die durch "entity law" und damit von formalistischer Analyse geprägt ist 81 . Sogar viele Gerichte, die der „Cannon"-Entscheidung grundsätzlich folgen, wenden trotzdem "enterprise law" an, falls die Muttergesellschaft ständige Kontrolle über die Tochter ausübt. Andere Gerichte halten die Entscheidung mit Blick auf den späteren Fall International Shoe*2 für überholt; in ihm wurde ein „Mindestkontakt" zum Gerichtsstand als wesentlich für die gerichtliche Zuständigkeit angesehen. Zudem wird in einzelnen Rechtsgebieten wie in dem des Kartellrechts ganz weitgehend "enterprise law" angewendet. Im Bereich der Produkthaftung dagegen hat die Auseinandersetzung zwischen "enterprise law" und "entity law" inzwischen keine Bedeutung mehr; denn hier wird der Gerichtsstand nach der Theorie des Handelsweges (stream of commerce) bestimmt. Trotzdem bleibt das Problem der Gerichtsbarkeit die Frage, die mit Blick auf "enterprise law" oder "entity law" am stärksten umstritten ist. In zahlreichen Gebieten des Prozeßrechts gilt der „Kontroll"-Begriff als entscheidendes Kriterium. Das hat zur durchgehenden Anwendung von "enterprise law" geführt. Dies gilt insbesondere für die Rechtskraft, die Präklusionswirkung aufgrund eines früheren Urteils, die Verjährung und die Pflicht zur Offenlegung prozeßrelevanter Tatsachen. Auch bei einstweiligen Verfügungen greift man weitgehend auf "enterprise law" zurück. Gerichtsurteile zur Verjährung, zur Offenlegungspflicht und zu einstweiligen Verfügungen wurden in den bundesrechtlichen Regelungen zum Zivilprozeß auf der Grundlage von "enterprise law"-Prinzipien kodifiziert 83 . Dennoch werden andere Gebiete wie die der Widerklage, der Prozeßaufrechnung und der Klageverbindung auch weiterhin vom "entity law" geprägt.
X.
Konkursrecht
In einigen Bereichen des amerikanischen Konkursrechts haben sich die Prinzipien des "enterprise law" in beachtlichem Umfang durchgesetzt. Hierzu gehören 81 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Procedure, passim. 82 Cannon Mfg. Co. v. Cudahy Packing Co., 267 U.S. 333, 336 (1925). 83 International Shoe Co. v. Washington, 326 U.S. 310 (1945).
K o n z e r n r e c h t in den U S A
301
die Rangnachfolge nach equity-Recht, die anfechtbaren Gläubigerbegünstigungen sowie (zu einem gewissen Grad) die Konsolidierung von Schulden. Zwar werden die übrigen Gebiete des Konkursrechts noch überwiegend vom "entity law" geprägt, aber in bestimmten Fragen wie etwa denen zu anfechtbaren Vermcigensübertragungen zeichnet sich bereits ein Wandel ab.
1. Rangfolge von Forderungen
im Konkurs
Im Konkurs zeigt sich dies insbesondere daran, daß Forderungen einer Mutter-
oder Schwestergesellschaft
gegenüber denen anderer
ungesicherter
Gläubiger nach equity-Recht im Range nachstehen. In vier richtungsweisenden Urteilen lehnte es der Supreme Court ab, die traditionelle Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung anzuwenden, und nannte neue Kriterien zur Bewertung von konzerninternen und anderen „insider"-Forderungen. Statt nach den Theorien zur „wirtschaftlichen Einheit" und zur Durchgriffshaftung vorzugehen, werden die konzerninternen Forderungen zunächst genau überprüft. Ihre Bewertung folgt sodann den Prinzipien des equity-Rechts, die sonst für das Verhalten von Treuhändern gelten. Die Muttergesellschaft bzw. der sonstige „insider" müssen beweisen, daß sowohl das konzerninterne Geschäft, aus dem die Forderung herrührt, als auch die übrigen Beziehungen zur Tochter (oder abhängigen Gesellschaft) angemessen sind. Dies kann man nur als revolutionäre Neuerung bezeichnen 84 .
2. Anfechtbare
Gläubigerbegünstigung
U m die anfechtbare Gläubigerbegünstigung zu regeln, stützt sich § 5 4 7 des Konkursgesetzes ausschließlich auf Prinzipien des "enterprise law". Nach § 5 4 7 , der gewissen Einschränkungen unterliegt, ist jede Vermögensübertragung des zahlungsunfähigen Schuldners an einen Gläubiger mit „insider"-Position oder zu dessen Vorteil anfechtbar, wenn sie innerhalb des ersten Konkursjahres vorgenommen wird. „Insider" in diesem Sinne sind alle „Kontrolle ausübenden Personen" sowie „Beteiligte". Zu letzteren zählen erstens Personen, die mindestens 20 % der stimmberechtigten Anteile des Schuldners besitzen oder kontrollieren (also die Muttergesellschaften). Zweitens wird jede Gesellschaft erfaßt, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 2 0 % direkt oder indirekt im Besitz oder unter der Kontrolle des Schuldners stehen (Tochtergesellschaft). Und schließlich ist jede Gesellschaft „beteiligt", deren stimmberechtigte Anteile 84 Federal Rules of Civil Procedure 15 (Statute o f limitations), 33 and 3 4 , discovery, and 6 5 ( c ) (injunctions).
302
Phillip I. Blumberg
zu mindestens 2 0 % im Besitz oder unter der Kontrolle einer anderen Gesellschaft stehen, falls diese ihrerseits mindestens 2 0 % der Anteile an der SchuldnerGesellschaft hält (Schwestergesellschaft) 8 5 .
3.
Konsolidierung
Z u r Konsolidierung, die im Konkursgesetz nicht geregelt ist, greift man ebenfalls auf Prinzipien des "enterprise l a w " zurück. D e r K o n k u r s mehrerer verbundener Unternehmen wird in einem gemeinsamen Verfahren abgewickelt. D i e Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft werden zusammengefaßt. Konzerninterne Forderungen und Sicherheiten bleiben unberücksichtigt, soweit dies zum Schutz anderer ungesicherter Gläubiger notwendig ist. Dies entspricht dem europäischen K o n z e p t eines erweiterten K o n k u r s e s . Zur Entwicklung dieser Lösung haben die Gerichte betont, sie entspreche der Tatsache, daß M u t t e r - und Tochtergesellschaften „vorherrschten". F a k t o r e n , die zur Konsolidierung in diesem Sinne führen, sind: Gläubigeraussichten, wesentliche wirtschaftliche Verflechtung, konzerninterne Finanzierung und k o n z e r n i n terne Sicherheiten. Maßgeblich sind daneben Schwierigkeiten bei der Aufteilung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Vermögensvermischung sowie die Undurchsichtigkeit von konzerninternen Übertragungen; und schließlich spielen die verwaltungstechnische D u r c h f ü h r u n g und der U m s t a n d eine Rolle, o b die Schuldnergesellschaften saniert werden können. Selbst wenn einzelne Gläubiger durch die Konsolidierung benachteiligt werden, ist sie dennoch so lange rechtmäßig, wie sie der Gläubigergesamtheit zugute k o m m t 8 6 .
XI.
Sonstige
Problemkreise
U m sich einen vollständigen U b e r b l i c k über das "enterprise law" und seine Anwendung auf konzernrechtliche Sachverhalte zu verschaffen, sind noch weitere Problemkreise zu berücksichtigen. H i e r z u zählt die Frage, o b K o n g l o m e r a t e einerseits und nicht vollständig im Besitz der Mutter stehende Tochtergesellschaften andererseits Eigenheiten aufweisen, die eine besondere Regelung erfordern. N o c h komplexer ist das P r o b l e m der Extraterritorialität gelagert; dies resultiert daraus, daß nach den Grundsätzen des "enterprise l a w " auch die
85 Siehe Taylor v. Standard Gas & Elee. Co., 306 U.S. 307 (1939); Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939); Consolidated Rock Prods, v. Du Bois, 312 U.S. 510 (1941); Comstock V. Group of Inst'l Investors, 335 U.S. 211 (1948) 86 11 U . S . C . § § 1 0 1 ( 2 ) ,
1 0 1 ( 2 8 ) ( B ) , ( E ) , 5 4 7 (1988). Siehe BLUMBERG, T h e
Corporate Groups: Bankruptcy § 9 . 0 2 .
Law
of
Konzernrecht in den USA
303
ausländischen Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen mit einbezogen werden.
1.
Konglomerate
Bei der Ausarbeitung des "enterprise law" kam bisher der wirtschaftlichen Verflechtung unter den Konzerngliedern eine wesentliche Bedeutung zu. Gerade im Fall wirtschaftlicher Verflechtung läßt sich von einheitlicher Unternehmenstätigkeit des Konzerns sprechen, die auf die einzelnen Konzerngesellschaften aufgeteilt ist. Wendet man hier "enterprise law" an, so führt dies dazu, daß Regelungsadressat eben diese gesamte Wirtschaftseinheit ist. Rechtliche und wirtschaftliche Einheit entsprechen sich.
a) Geringerer
Grad wirtschaftlicher
Verflechtung
In konglomeraten Unternehmensverbindungen nimmt der Konzern verschiedene Geschäfte in meist unterschiedlichen Industriezweigen wahr. Sofern hier überhaupt eine wirtschaftliche Verflechtung vorliegt, ist ihr Grad jedenfalls sehr viel geringer. Entsprechend verringert sich auch der Umfang ausgeübter K o n trolle. Diese Konzerne entstehen selten durch die Ausgründung neuer, sondern durch den Erwerb schon bestehender, ehemals unabhängiger
Unternehmen.
Insbesondere dann, wenn das erworbene Unternehmen unter seiner bisherigen Leitung fortgeführt wird, ist diese Unternehmensleitung weniger zentralisiert und außerdem unabhängiger als die einer „gewöhnlichen" Tochtergesellschaft. Jedenfalls zu Beginn der Verbindung mag die Gesellschaft sogar als unabhängiges "profit center" erhalten bleiben. In diesem Fall ist die Holding-Gesellschaft nichts anderes als ein von der Unternehmensleitung getrennter Kapitalgeber. Allerdings darf man diesen Gedanken verminderter tatsächlicher Kontrolle nicht überbetonen. Denn vom Erwerbszeitpunkt an hat der Konzern die „Kontrollmöglichkeit"
über
die
Unternehmensleitung
und
wird
diese
„Kontrolle"
(namentlich in nicht mit der unmittelbaren Geschäftsführung zusammenhängenden
Bereichen)
auch
erwartungsgemäß
ausüben.
Dies
wird
z. B.
bei
der
Beschränkung von Investitionsausgaben, den Gehältern und beim Finanzplan deutlich, aber auch bei der Durchsetzung konzernweiter Strategien oder konzerneinheitlicher Verfahren. Überdies steht zu erwarten, daß die Einflußnahme des Konzerns auf die Geschäftspolitik des erworbenen Unternehmens mit der Zeit zunimmt. W a s die Finanzierung der erworbenen Gesellschaft angeht, so stellt sich die Situation in einem Konglomerat ähnlich dar wie in anderen Konzernen: D e r Konzern legt die Grundsätze der Finanzpolitik fest und dient als Kapitalgeber.
304
Phillip I. Blumberg
N a c h der Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern liegt ein wesentlicher G r u n d für die Schaffung dieser M i s c h k o n z e r n e in der Möglichkeit, die F u n k t i o n e n des Kapitalmarktes zu Finanzierungszwecken zu nutzen - die R o l l e des Marktes übernimmt der K o n z e r n 8 7 . A u ß e r durch ihre finanzielle Verflechtung zeichnen sich die Konglomerate (wie andere K o n z e r n e auch) durch personelle Interdependenz aus; gerade sie ermöglicht es, Größenvorteile und andere Vorteile einer Verflechtung wahrzunehmen, auf die M i s c h k o n z e r n e und K o n z e r n e mit „eingegliederten" Tochtergesellschaften gleichermaßen abzielen. Allerdings erkennt man bei Konglomeraten seltener gleiche Beschäftigungsstrukturen und einheitliches Auftreten im Geschäftsverkehr.
b) Folgen für die Anwendung
von "enterprise
law"
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß für gewöhnlich bedeutende
Unter-
schiede zwischen Konglomeraten und anderen Konzernen erkennbar sind. N i c h t nur sind die Geschäftsbereiche geringer verflochten
und wird
„Kontrolle"
insgesamt viel begrenzter ausgeübt; vielmehr fehlen ebenfalls das einheitliche Auftreten im Geschäftsverkehr und die einheitlichen Beschäftigungsstrukturen. Zwar m u ß auch in diesen M i s c h k o n z e r n e n "enterprise l a w " angewendet werden, weil „ K o n t r o l l e " tatsächlich ausgeübt und finanzielle und personelle Interdependenzen entwickelt werden; aber dies ist nicht mit der gleichen Dringlichkeit erforderlich wie in den Fällen „umfassender K o n t r o l l e " und „wirtschaftlicher Verflechtung". D i e Bewertung der oben genannten F a k t o r e n unterscheidet sich von Fall zu Fall. Insgesamt muß man jedoch zugeben, daß es sich weitaus schwieriger gestaltet als bei anderen K o n z e r n e n , "enterprise l a w " auf K o n g l o m e rate anzuwenden. Schließlich weichen Konglomerate von anderen K o n z e r n e n auch mit B l i c k auf die wirtschaftliche Bedeutung der Haftungsbeschränkung wesentlich ab. Einer der größten Vorteile der Haftungsbeschränkung ist es, die Ü b e r n a h m e unternehmerischer Risiken und neue Investitionen zu fördern. W e n d e t man H a f t u n g s prinzipien des "enterprise l a w " auf K o n g l o m e r a t e an, so kann dies die nachteilige Folge haben, daß ein Konzern davon abgehalten wird, in neue Industrien oder Handelszweige zu expandieren oder neue Produkte herzustellen. Diese Frage stellt sich bei anderen K o n z e r n e n , in denen die Konzernglieder unter einheitlicher Leitung Teile eines Gesamtgeschäfts wahrnehmen, nicht. H i e r läßt sich in weit geringerem M a ß e vom unternehmerischen Wagnis neuer wirtschaftlicher Betätigung sprechen.
87 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Bankruptcy ch. 10.
305
Konzernrecht in den U S A
c) Besonderheiten
deliktischer
Ansprüche
Wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen zeigen zudem noch ein weiteres Problem auf, das aus der Anwendung des "enterprise law" auf Konglomerate resultiert. Einige Rechtsgebiete weisen Merkmale auf, die zur Frage führen, ob es angemessen ist, "enterprise law" anzuwenden; hierzu zählt das Deliktsrecht. Speziell im Deliktsrecht scheint die Anwendung von "enterprise law" besonders sinnvoll: Die Kosten und Risiken eines Unternehmens werden den jeweiligen Geschäftsbereichen zugeordnet, wobei die letztendlich anfallenden sozialen und individuellen Kosten des Produkts vom Verbraucher getragen werden. Nach "enterprise law" haften sämtliche zum Geschäftsbereich gehörenden Konzernglieder mit ihrem Vermögen für die deliktsrechtlichen Verbindlichkeiten eines verbundenen Unternehmens. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß die Verluste aus den für sie ursächlichen Geschäftsbereichen ausgelagert werden. In Konglomeraten jedoch stellt sich dies Problem anders dar. Würde man die Haftungsbeschränkung in einem Konzern, der in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig ist, aufheben, so würde das dazu führen, daß Kosten aus dem erworbenen Unternehmen von ganz anderen Geschäftsbereichen aufgefangen werden müßten. Letztendlich würde dies heißen: Ein Teil der in einem Industriezweig mit bestimmten Produkten und Verbrauchern anfallenden Kosten muß von einer Schwestergesellschaft in einer ganz anderen Branche mit anderen Produkten und Verbrauchern getragen werden. In Konglomeraten bedeutet "enterprise law" daher nicht, die Externalisierung von Kosten zu verhindern, sondern gerade umgekehrt ihre Herbeiführung. Deshalb liegt jedenfalls im Bereich des Deliktsrechts ein weiterer Grund dafür, zwischen Konglomeraten und anderen Konzernen zu differenzieren, wenn über die Anwendung von "enterprise law" zu entscheiden ist. In vielen der genannten Gerichtsurteile wird die wirtschaftliche Verflechtung als ein entscheidendes Kriterium für die Anwendung von "enterprise law" auf Konzerne hervorgehoben. Dies spricht dafür, daß die Gerichte bei der weiteren Entwicklung des "enterprise law" die unterschiedlichen Konzerntypen berücksichtigen werden. Momentan jedoch gibt es einfach noch zu wenige Fälle, als daß hier generelle Leitlinien erkennbar wären.
2. Tochtergesellschaften
in bloßem
Mitbesitz
Wenn die Mutter nicht sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft (partly owned subsidiaries) hält, sondern bloß Teile, wenn also Minderheitsgesellschafter in der Tochter vorhanden sind, so bringt dies neue Probleme mit sich. Zwar werden die meisten amerikanischen Großkonzerne über Tochtergesellschaften
306
Phillip I. Blumberg
tätig, die vollständig in ihrem Besitz stehen 8 8 . A b e r nicht zuletzt infolge der " j o i n t ventures" bei Auslandsinvestitionen und deren Beliebtheit scheint der Zahl der "partly owned subsidiaries" anzusteigen. N a c h traditioneller Auffassung im amerikanischen Gesellschaftsrecht hat die Muttergesellschaft Treupflichten gegenüber den Minderheitsgesellschaften ihrer T ö c h t e r 8 9 . U m diesen Pflichten zu entsprechen, m u ß die T o c h t e r - G e s c h ä f t s l e i tung ausschließlich im Interesse dieser Gesellschaft und zur Gewinnerzielung in ihr handeln, darf sich also nicht von den Konzerninteressen leiten lassen. E b e n s o müssen alle Geschäfte zwischen T o c h t e r - und M u t t e r - b z w . Schwestergesellschaft diesem T r e u g e b o t auf beiden Seiten entsprechen; daran ist auch die Tochter-Geschäftsleitung gebunden. Ihrer Gesellschaft dürfen nicht M a ß n a h men auferlegt werden, die zwar für die M u t t e r vorteilhaft wirken, für sie selbst aber nachteilig. D u r c h diese Pflichten wird die Geschäftsführung in der T o c h t e r gesellschaft an sich also deutlich eingeschränkt;
sie aber sind wegen
ihrer
Unbestimmtheit nicht sonderlich effektiv 9 0 . Insoweit beeinflussen die Treupflichten zwar die Geschäftsführung in den Tochtergesellschaften. Sie berühren jedoch nur die interne
Unternehmenslei-
tung, nicht aber R e c h t e und Pflichten Dritter. D a f ü r , o b die Muttergesellschaft oder der K o n z e r n nach "enterprise l a w " für Verbindlichkeiten aus G e s c h ä f t s b e ziehungen einer Tochtergesellschaft zu Dritten haftet, sind die Treupflichten daher kaum von Bedeutung. D i e wenigen Gerichtsurteile, die sich mit "partly owned subsidiaries" (oder anderen beherrschten Gesellschaften) befassen, messen dieser Frage dementsprechend wenig Bedeutung zu 9 1 .
88 Siehe O.WILLIAMSON, Corporate Control and Business Behavior 141-50 (1970); J . V A N HÖRNE, Fundamentals of Financial M a n a g e m e n t 4 9 6 - 5 0 2 (2d ed.
1974).
89 Eine 1976 durchgeführte Umfrage bei 180 in den USA gegründeten multinationalen Unternehmen, die auf dem Harvard Multinational Enterprise Project beruhte, zeigte, daß 8.059 von 10.845 erfaßten Tochtergesellschaften (oder 74,3 % ) sich in 100%igem Eigentum der Mutter befanden. Siehe J. CURHAN, W. DAVIDSON, & R. SURI, Tracing the Multinationals 143 (1977). Eine von Professor Vernon früher durchgeführte Studie zeigte einen etwas geringeren Prozentsatz für in den USA gegründete Unternehmen (65,1 %), im ganzen niedrigere Werte für in Europa gegründete Unternehmen (48,9%) und sehr viel niedrigere Werte für in Japan gegründete Unternehmen. Siehe R. VERNON, Storm Over the Multinationals, 34 (1977). Siehe auch BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Procedure, Appendix on Data on Corporate Structure. 90 Siehe A.L.I., Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations §§5.01, 5.10 (Tent. Draft No. 5 1986); 13 W. FLETCHER, Cyclopedia of the Private Law of Corporations §§5810, 5811 (rev. ed. 1980). 91 Vorgehensweisen innerhalb der Unternehmensgruppe zum Vorteil der Muttergesellschaft, die bei der Tochtergesellschaft keinen Nachteil verursachen, verletzen nicht bestehende Treuepflichtmaßstäbe in Delaware und New York. Siehe z. B. Sinclair Oil Co. v. Levien, 280 A.2d 717 (Del. 1971); Case v. New York Central R. Co., 15 N.Y.2d 150, 204 N.E.2d 643 (1965). O b ein solch seltsames Ereignis einer genauen Prüfung in der Zukunft standhalten wird, bleibt abzuwarten. Das American Law Institute emp-
Konzernrecht in den USA 3. Multinationale
Unternehmen
und
307 Extraterritorialität
Bei multinationalen Unternehmen sind "enterprise law" und seine A n w e n dung mit Folgeproblemen verbunden, die sich bei „nationalen Konzernen" nicht stellen. Wenn man nämlich inländische und ausländische Konzernglieder in gleicher Weise den nationalen Prinzipien des "enterprise law" unterwirft, so führt dies unweigerlich zu Fragen der Extraterritorialität.
a) Internationale
Konflikte
Der Heimstaat der Muttergesellschaft, der "enterprise law" extraterritorial anwendet, bestimmt damit die Rechte und Pflichten von Tochtergesellschaften, die über die ganze Welt verteilt sind. U n d diese Anwendung dient oft dazu, rechtspolitische Ziele zu verwirklichen, die denen anderer Staaten vollständig widersprechen. In Fällen, in die auch Fragen des öffentlichen Rechts hineinspielen, können daraus internationale Konflikte hervorgehen. D i e amerikanischen Versuche, einen Wirtschaftsboykott gegen die Volksrepublik China und gegen die sowjetische Pipeline in Sibirien durchzusetzen, bieten insoweit beste Beispiele 92 . Aber auch umgekehrt führt es zu anderen, wenn auch ebenso gewichtigen Problemen rechtlicher und wirtschaftlicher Art, wenn das eigene Recht extraterritorial angewendet und auf diese Weise ausländischen Muttergesellschaften
fiehlt eine generelle Vorgehensweise über Fairness und Vernunft. A.L.I., Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations §5.10 (Tent. Draft. No. 5 1986). Siehe allgemein 13 W.FLETCHER, Cyclopedia of the Private Law of Corporations §§5810, 5811 (rev. ed. 1980). 92 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, §6.08. Für die spezielle Zielsetzung einzelner Gesetze müssen 100%ige Tochtergesellschaften u. U. anders behandelt werden als solche, die sich lediglich zum Teil im Besitz der Mutter befinden. Deshalb entschied der Supreme Court in der bereits vorgestellten Copperweld-Entscheidung, daß die Mutter- sich mit ihrer 100%igen Tochtergesellschaft nicht insoweit zusammenschließen dürfe, wie dies zu einer Verletzung von Vorschriften des Sherman Antitrust Acts führen würde, die eine derartige Monopolbildung für rechtswidrig erklären. Im Hinblick auf diese spezielle Zielsetzung hielt das Gericht an den allgemeinen Unternehmensgrundsätzen fest und erklärte, daß "a parent and a wholly owned subsidiary always have a 'unity of purpose' or a common design." Copperweld Corp. v. Independence Tube Corp., 467 U.S. 752, 771-72 (1984). COPPERWELD hat ausdrücklich die Fälle offengelassen, in die keine 100%igen Tochtergesellschaften verwickelt sind. Für solche Fallkonstellationen ist die Fragestellung noch komplexer und das Gesetz nach wie vor unklar. Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: General Statutory Law §7.02.3.
308
Phillip I. Blumberg
Pflichten auferlegt werden. Der Deltec-Prozeß in Argentinien 93 und zu einem gewissen Grad ebenso der indische Bhopal-Fall zeigen in dramatischer Weise die Schwierigkeiten auf, die aus dem Fehlen einer weltweiten Rechtsordnung herrühren. Falls ein Staat ausländische Mutter- und Schwestergesellschaften für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft, die dem Recht dieses Staates unterliegt, haften läßt, so wird dies in dem anderen Staat der Mutter unvermeidlich auf Ablehnung stoßen; insbesondere dann, wenn der Staat der Mutter selbst kein "enterprise law" anwendet.
b) Wirtschaftliche
Folgewirkungen
Daneben stellen sich wirtschaftliche Probleme. Jede Anwendung von "enterprise law" auf inländische Tochtergesellschaften läßt es multinationalen Unternehmen als weniger attraktiv erscheinen, in diesem Land wirtschaftliche Aktivitäten zu entfalten; damit wirkt "enterprise law" abschreckend auf mögliche Investoren. Konsequent sind unterentwickelte Länder dem Druck ausgesetzt, ihre Rechtssysteme möglichst „investitionsfreundlich" zu gestalten. Mithin strahlt "enterprise law" weltweit auf die multinationalen Unternehmen aller Industrienationen und auf ihre weitgestreuten ausländischen Tochtergesellschaften aus. Bis zur Schaffung einer Welt-Rechtsordnung wird die extraterritoriale Anwendung von "enterprise law" sicherlich noch mit großen Problemen verbunden bleiben.
XII.
Zusammenfassung
Die Frage, in welchen konzernrechtlichen Fällen "enterprise law" das "entity law" ablösen soll, geht über das relativ einfache Problem einer KonzernDefinition weit hinaus. Sie betrifft die eigentliche Natur des Rechtssystems; das amerikanische beruht (wie die westlichen Systeme allgemein) auf der traditionellen Theorie der Gesellschaft als juristischer Einheit, also auf einer Theorie, die dem Gedanken des "entity law" folgt. In den Jahrhunderten nach der Entwicklung des "entity law" und in der jüngeren Zeit, in der diese Lehre durch das Prinzip der Haftungsbeschränkung ergänzt und verstärkt wurde 94 , haben sich Größe, Tätigkeitsbereich sowie die 93 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Specific Statutory Law §§20.06.3, 21.05. 94 Z . B . S.A. Société Fruehauf Corp. v. Massardy, 1968 D.J.S. Jur. 147, [1967] J . C . P . II 14274, bis (Cour d'appel, Paris); Compagnie Européenne des Petroles S.A. v. Sensor Nederland B.V., 22 Int'l Legal Materials 66 (1983) (D. Ct. The Hague 1982). Siehe
Konzernrecht in den USA gesellschafts-
und wirtschaftsrechtlichen
Strukturen
309 der U n t e r n e h m e n
verändert. A n die Stelle einfacher, im Besitz natürlicher Personen Gesellschaften sind K o n z e r n e von
stark
stehender
„unvorstellbarer K o m p l e x i t ä t ' " ' 5
getreten.
Multinationale, in der ganzen W e l t tätige U n t e r n e h m e n haben die örtlichen Gesellschaften ersetzt. D e r aus der Zeit einfacher Gesellschaften
stammende
Begriff der Gesellschaft als Rechtseinheit entspricht nicht d e m heutigen G r o ß u n ternehmen mit Dutzenden o d e r gar H u n d e r t e n von Konzerngesellschaften, die ihr einheitliches Geschäft unter einheitlicher L e i t u n g betreiben. D a s nach den Bedürfnissen der Vergangenheit entwickelte " e n t i t y l a w " paßt nicht m e h r in die Welt multinationaler K o n z e r n e . Z u r L ö s u n g v o n R e c h t s p r o blemen im 19. Jahrhundert, also für eine Wirtschaftswelt ohne K o n z e r n e , mag sich
"entity
Bereichen
l a w " gut geeignet haben;
als Anachronismus.
Die
heute jedoch
Industrienationen
erscheint
es in
vielen
stehen daher v o r
der
H e r a u s f o r d e r u n g , ein veraltetes R e c h t s s y s t e m an die neuen Bedürfnisse a n z u passen. Bei dieser Entwicklung befindet sich amerikanisches R e c h t n o c h im A n f a n g s stadium. Z w a r werden die meisten Rechtsgebiete weiterhin d u r c h G r u n d s ä t z e des " e n t i t y l a w " bestimmt. D e n n o c h geraten amerikanische O r g a n e der G e s e t z gebung, Verwaltung und R e c h t s p r e c h u n g z u n e h m e n d unter den Z w a n g ,
in
vielen Bereichen Prinzipien des "enterprise l a w " formulieren und anwenden zu müssen. Betrachtet man die E n t w i c k l u n g des "enterprise l a w " , wie sie in der fünfbändigen Reihe " T h e L a w of C o r p o r a t e G r o u p s " beschrieben w i r d % , s o wird deutlich, daß sich Gerichte und G e s e t z g e b e r i m m e r häufiger dafür entscheiden, "entity l a w " durch "enterprise l a w " zu ersetzen - eben u m die rechtspolitischen Ziele zu erreichen. Solche A n s ä t z e sind heute in ganz unterschiedlichen Bereichen erkennbar. Besonders deutlich werden sie an der A u f n a h m e v o n "enterprise law " - P r i n z i p i e n in die wesentlichen Spezialgesetze und in der E n t w i c k l u n g neuer M e t h o d e n z u r Auslegung und Anwendung allgemeiner G e s e t z e d u r c h G e r i c h t e und B e h ö r d e n . Gleiches gilt für bestimmte A s p e k t e des P r o z e ß r e c h t s , des K o n k u r s r e c h t s sowie des materiellen C o m m o n L a w . Diese E n t w i c k l u n g läßt n a c h und nach ein amerikanisches K o n z e r n r e c h t entstehen 9 7 .
BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Bankruptcy §17.16, 17.23-26; ebenso Specific Statutory Law §§20.06.3, 21.05.4; GORDON, Argentine Jurisprudence: The Parke Davis and Deltec Cases, 6 Law. Am. 320 (1974) und DERS., Argentine Jurisprudence: Deltec Update, 11 Law. Am. 43 (1979). 95 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Substantive Common Law, chs. 1 to 5. Siehe auch DERS., Limited Liability and Corporate Groups, 11 J . Corp. L. 573. 96 Siehe BLUMBERG, The Law of Corporate Groups: Procedure, Appendix; Haddon, Inside Corporate Groups, 12 Int'l J . Soc. L. 271, 274 (1984). 97 Ein sechster Band, der die Position der Unternehmensgruppe im Lichte der staatlichen Gesetzgebung zum Gegenstand hat, ist in Vorbereitung.
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen Europa* von Professor
D R . J E A N N I C O L A S DRUEY,
St. Gallen
Inhaltsübersicht 1. Teil: I. II. III.
Die Lage in einzelnen Ländern Frankreich Italien England
2. Teil: I. II. III.
Die Position der anderen europäischen Staaten zum deutschen Konzemrecht 338 Die Herstellung des Bezugs 338 Das Konzernphänomen 344 Konzeptionelle Grundfragen 355
Einleitung:
312 312 320 327
Das
Vorgehen
Rechtsvergleichung ist ein langer Weg. Selten stehen sich die nationalen Rechtssätze thematisch gleichartig gegenüber. Ist dies nicht der Fall, so sind im Grund die ganzen Rechtsordnungen miteinander zu konfrontieren. Ja mehr noch: will man das, was fremde Rechtsordnungen zu sagen haben, ausschöpfen, so kann man nicht umhin, dem darin wirksamen Jhering'schen „Geist" nachzuspüren. Nicht nur ist dies Voraussetzung des Verständnisses im einzelnen, sondern es zeigt sich vielfach, daß schon die Problematisierung eine andere ist, daß die verschiedenen Länder verschiedene Sorgen haben. Es gilt, jene Rechtsvergleichung zu vermeiden, die man als „anekdotisch" bezeichnen könnte: fremde Rechtsordnungen als bloßen Steinbruch spezifischer Ideen zu benutzen, ohne die eigentliche Chance der Rechtsvergleichung wahrzunehmen, nämlich die Relativierung der eigenen Position, und dies heißt eben auch: der eigenen Sorgen. * Der Verfasser wurde unterstützt durch einen Beitrag aus dem Grundlagenforschungsfonds der Hochschule St. Gallen. Er dankt allen herzlich, die bei der Beschaffung des teilweise schwer greifbaren Materials mitgewirkt haben, und bedauert mit ihnen die Länge der Beschaffungs- und die Kürze der Ausleihfristen. Dank gebührt auch den tatkräftigen Helfern bei der Herstellung der Reinschrift. Herausgeber und Verlag danken dem C . H . Beck Verlag für die Genehmigung zum Nachdruck dieses erstmals in den Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages veröffentlichten Beitrages.
Das deutsche K o n z e r n r e c h t aus der Sicht des übrigen E u r o p a
311
Im Konzernrecht hat die Notwendigkeit, auf das Ganze zu flicken, außer diesen noch besondere Gründe. Ein internationalerer Sachverhalt als der Konzern läßt sich kaum denken. Das Zusammenrücken, das in Europa geschieht, ist längerfristig ohne eine Synthese im Konzernrecht kaum vorstellbar. Die Vorbereitung einer solchen Synthese verlangt aber, daß die nationalen Ordnungen an den Wurzeln, und nicht nur an den sichtbaren Spitzen erfaßt werden. Da tritt jedoch im Konzernrecht eine weitere Schwierigkeit auf: die Systeme in den Kollegialnationen weisen bei weitem nicht den Artikulationsgrad des deutschen auf. Die Gegenüberstellung bedarf darum erst recht nicht nur des Zusammenzugs aller einschlägigen Normen, sondern ihrer Interpretation zur Uberbrückung des ungesagt Gebliebenen. Die Weite dieser Aufgabe macht die Beschränkung des verfügbaren Raums sehr schmerzlich fühlbar. Trotzdem habe ich mich entschlossen, nicht direkt auf die einzelnen Sachfragen zu steuern, sondern den kostbaren Raum zunächst wenigstens knappen nationalen Porträts zu widmen, die eben über den Geist der jeweiligen Ordnung etwas aussagen können. Daran muß sich der eigentliche Vergleich anschliessen, wobei aus dem Material nur einiges und nur mit nachdrücklichem Vorbehalt bezüglich der Unwägbarkeiten einer solchen europäischen Synthese aufgenommen werden kann. D e r darstellende erste Teil behält seine alleinige Funktion als Anregung für zahlreiche nicht unmittelbar in der Konfrontation verwertbare Einzelheiten. Der Raum verlangt aber in der Erfüllung der großen Aufgabe noch radikalere Einschränkungen. Drei wichtige Länder - Frankreich, Italien, England - werden als Sprecher für das ganze Europa ausserhalb Deutschlands insgesamt auftreten müssen. Auch so ist die Aufgabe ungewöhnlich, daß vier Ordnungen zu betrachten sind, von denen keine die eigene des Verfassers ist. Das möge wenigstens die Gewähr einer gewissen Neutralität bieten. Die Aufgabe kann nur das Heranführen der „europäischen" G e sichtspunkte an die deutsche Diskussion, nicht die Teilnahme an dieser selbst sein. Erfüllungsort ist gleichsam der deutsche Grenzbahnhof. Die Bezugnahme geschieht also nicht zu den hier vertretenen Positionen, sie kann also keine Diskussion der in Deutschland vertretenen bieten, sondern bestenfalls einen Diskussionsbeitrag dazu - im Bild: der Blick nach Deutschland hinein kann nicht das Erreichen eines Ziels gewährleisten, sondern nur, daß die Schienen weiterlaufen.
312
1. Teil: Die Lage in einzelnen Ländern I. Frankreich
/.
Begriffe
Der A u s d r u c k „ K o n z e r n " hat in Frankreich kein etabliertes Äquivalent. Erst der Anlaß, angesichts des deutschen 1965er K o n z e r n rechts den Begriff ins Französische umzusetzen, brachte den Terminus „groupe de sociétés" in die Fachsprache,' wobei die so sprachbew u ß t e n Franzosen noch heute betonen, ihre Rechtssprache besitze (eigentlich) kein W o r t f ü r dieses Phänomen.* Wie immer k n ü p f t sich an die sprachliche Schwierigkeit eine juristische. Die U m s c h r e i b u n g e n zeigten ursprünglich eine enorme Weite und auch Unsicherheit. 3 H e u t e d ü r f t e allerdings feststehen, daß ein groupe d u r c h die wirtschaftliche Entscheidungseinheit („unité de décision é c o n o m i q u e " ) gekennzeichnet ist. 4 Gerichte und Lehre fühlen sich aber nicht mit der Konkretisierung dieser Umschreibung befaßt (s. auch 4 a.E.). Die gut etablierten Begriffe des „contrôle" (Beherrschung) u n d der „filiale" (beherrschte Gesellschaft; Gesetz v. 24. 7. 1966 Art. 354) helfen ebenfalls wenig. 5 D e n n - aus deutscher Sicht überraschend - die Beherrschung wird in vielen Situationen als zu eng z u r U m s c h r e i b u n g des G r u p p e n t a t b e s t a n d s e m p f u n d e n . Es gibt zahlreiche „rapports de structure fragiles" zwischen Gesellschaften eines „groupe", seien diese n u n durch Beteiligungen, Verträge oder persönliche Beziehungen konstituiert. 6 1 Das D o u c e t - R e c h t s w ö r t e r b u c h (Beck, München) von i960 bringt unter den zahlreichen Bedeutungen von „groupe" und seinen Zusammensetzungen den K o n z e r n noch ü b e r h a u p t nicht, dagegen Doucet-Fleck von 1988 (sogar ohne Zusatz „de sociétés") an erster Stelle. 2 G u y o n , D r o i t des affaires N r . 580: „ . . . une notion de p u r fait et donc difficile à cerner"; Chartier N r . 282-285 betont die wirtschaftliche Vielfalt und die Zwischenstellung zwischen Einheit und Vielheit. 5 C R E D A 19-22. 4 G u y o n , D r o i t des affaires, N r . 580, Chartier N r . 281, Merle N r . 641, ähnlich Rip e r t / R o b l o t N r . 712. 5 Bei U m s e t z u n g der 7. EG-Richtlinie hat Frankreich, anders als § 290 Abs. 1 H G B , f ü r die Konsolidierungspflicht auf die Beherrschung abgestellt und dabei den Begriff der einheitlichen Leitung just vermieden. Art. 357-1 des G v. 24. 7. 1966 (Fassung 1985) v e r k n ü p f t die potentiellen (Abs. 1) und die aktuellen (Abs. 2) Kriterien von Art. 1 der 7. R L so, daß neben die Beherrschung („lorsqu'elles contrôlent") alternativ gestellt w i r d : „ . . . ou qu'elles excercent une influence n o t a b l e . . . " . ' C R E D A 23, G u y o n , D r o i t des affaires N r . 588.
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen E u r o p a
2. Geschichte und
313
Stand
Eine Konzentrations- und Ausgliederungsbewegung großen Ausmaßes ist innerhalb des Landes erst nach dem zweiten Weltkrieg in Gang gekommen. 7 Typisch für die französische Wirtschaftsstruktur war aber zuvor schon das vielfältige Netz von Beteiligungen, welche einer Interessenkoordination dienten, ohne daß eine eigentliche einheitliche Leitung vorzuliegen brauchte. 8 Der erste prominente Gerichtsfall, der Entscheid Fruehauf von 1965,9 hatte eine nationalistische N o t e : die amerikanische Mutter verbot ihrer französischen Tochter die Ausfuhr von Lastwagenanhängern, was das Pariser Gericht auf Klage der Minderheitsaktionäre wegen Mißbrauchs der Mehrheitsmacht unterband. Die Negation des Konzernphänomens kennzeichnet gleichermassen den Entscheid Cassegrain von 1970,'° wo namentlich auch aus dem Motiv der Einschränkung richterlicher Kognition in Gesellschaftsangelegenheiten der Umstand als unbeachtlich bezeichnet wurde, daß ein transferiertes Aktienpaket die Herrschaft vermittelte. Diese einmal zugunsten, einmal zulasten der Minderheiten vom Konzernsachverhalt abstrahierende Tendenz ist gewiß Ausprägung der formalen Denkweise französischer Juristen, doch nur mit der Folge, daß das Problem - erstaunlich früh für das erst erwachte Konzernbewußtsein - beim Gesetzgeber hängig gemacht wurde. Erstmals 1970, dann wieder 1975 und 1978 hat der Abgeordnete Couste Vorschläge für ein Konzernrecht in jeweils veränderter Version ins Parlament eingebracht, welche stark vom Entwurf Sanders für eine societas europaea, später vom deutschen Konzernrecht inspiriert waren. Die Vorstöße führten indessen zu keinem Gesetz und wurden 1981 definitiv fallengelassen. Dieses Scheitern im Gesetzgebungsverfahren dürfte das markanteste Moment in der bisherigen Geschichte des französischen Konzernrechts sein. Darin drückt sich nicht nur die geschlossen ablehnende Haltung der Wirtschaftskreise,11 sondern auch eine wachsende Skepsis in der Literatur aus. Konzernrechtliche Literatur gab es in Frankreich wie in Deutschland schon zwischen den Weltkriegen. Verstärktes Interesse ist seit 7
H o u i n in: H o p t ed. 1982 45, Walch in Rennes 18. s. die Definitionsbemühungen in Rennes 17-75. ' T r i b . corr. Paris 2 2 . 5 . 1 9 6 5 J . C . P . 1965.2. 14274 6 ". 10 Cass.com. 21. 1. 1 9 7 0 J . C . P . 1970.2. 16541, s. auch Cass. com. 21. 6. 1982 rev.soc. 1982 852. " C R E D A 187. Konzernrecht nach deutsch/europäischem Muster w u r d e immer als Recht e m p f u n d e n , das den K o n z e r n unverdient „pönalisiert"; s. die A n t w o r t einer Konzernleitung in einer Befragung: „Was k ö n n e n wir dafür, daß wir ein K o n z e r n sind ?" 8
314
Jean Nicolas Druey
den 70 er Jahren 1 2 nicht abgebrochen, doch die Tendenz hat sich mit zunehmender Eindeutigkeit gewandelt. Die neuen Arbeiten widmen dem Konzern, nicht zuletzt auch in den Standardwerken, ganz beträchtlichen Raum, doch verweigern sie sich ebenso wie die Gesetzgebung einer synthetischen Betrachtung. „11 s'agit de légiférer à propos du groupe et non sur le groupe", formulierte die ausgezeichnete und einflußreiche C R E D A - S t u d i e 1975 1 3 und bahnte damit die Entwicklung von bereichsspezifischem Konzernrecht namentlich unter gesellschaftsrechtlichen Einzelaspekten 1 4 (Strukturtransparenz, 1 5 konsolidierte Jahresrechnung, 1 6 wechselseitige Beteiligungen, 1 7 usw. 1 8 ), im Arbeits-, 1 9 Steuer- , 2 0 Kapitalmarkt- und Bankrecht 2 1 u.a. 2 2 an bzw. bekräftigte schon vorhandene Ansätze. Zeugnis etwa die Kolloquien von Rennes 1971, Liège 1972, G e n f 1973. C R E D A 329 („Der Konzern soll Anlaß und nicht Gegenstand der Gesetzgebung sein", Ubers. Verf.). Zurückhaltung schon in den 70er Jahren etwa auch bei Paillusseau (Faut-il en France un droit des groupes de sociétés? J . C . P . 1971. 1. 2401 b "), Rodière (Dalloz Sirey 1977 C h r . 1 3 7 - 1 4 4 betr. 9. EG-Richtliriie, 137: „Was man als Angebot eines Statuts an die Konzerne bezeichnet, heißt eigentlich sie in Eisen zu legen", Ü b e r s . Verf.). I!
13
14 Deutschsprachige Darstellungen bei Béjot in: Mestmäcker/Behrens eds. 1991 1 6 9 201, und G u y o n Z G R 1991 2 1 8 - 2 3 4 . 15 Schon das Gesetz über die Handelsgesellschaften von 1966 sah für alle Kapitalgesellschaften eine Notifikation insb. an die Gesellschafter vor, wenn gewiße Schwellen, beginnend bei 5 % , in ihrem Beteiligungsbesitz über- oder unterschritten werden (Art. 356 mit Novellen v. 12. 7. 1985 und 2. 8. 1989). Eine entsprechende Pflicht trifft den einzelnen Aktionär bezüglich seiner Beteiligungen an einer Gesellschaft, deren Titel börsengehandelt werden (insb. Art 3 5 6 - 1 , Fassung 1985).
" G v. 24. 7. 1966 Art. 3 5 7 - 1 (Fassung von 1985) mit Ausnahmen für Klein- und Teilkonzerne in 3 5 7 - 2 . " Erstmals G v. 4. 3. 1943, heute Art. 3 5 8 f . des G v. 24. 7. 1966 mit Novellen vom 12. 7. 1985 und 2. 8. 1989. " Beispielsweise zählt das Gesellschaftsgesetz bei der Bemessung der zulässigen Höchstzahl von Verwaltungratsmandaten den Konzern insgesamt als Einheit ( G v. 24. 7. 1966 Art. 9 2 \ 1 2 7 \ 136 } ). " Die Arbeitnehmervertretung wird durch das G v. 28. 10. 1982 als comité de groupe auch auf Konzernstufe gewährleistet. Für Fragen der Gewinnbeteiligung, des Dienstalters, des Versetzungsrechts, des anwendbaren Rechts bei Beschäftigung in Auslandtöchtern französicher Konzerne u.a. tendiert die Praxis, teilweise auch gesetzlich festgehalten, zur Einheitsbehandlung des Konzerns (spez. Darstellung bei Rodière, G r o u p Enterprises in French Labour Law, in: Sugarman/Teubner eds. 1990, 3 0 5 - 3 1 6 ) . 2C In mehreren Schritten entwickelte sich in Frankreich ein fakultatives Konzernsteuerrecht (konsolidierte Besteuerung), das allerdings eine Beteiligung von mindestens 9 5 % voraussetzt (Code Général des Impôts 2 2 3 A - Q , Fassung per 1988). 21 Außer zahlreichen Regeln über die Zusammenrechnung in den Vorschriften und der Praxis der Commission des Opérations de Bourse ( C . O . B . ) etwa die Ausnahme vom Bankenmonopol für konzernintern wirkende Finanzgesellschaften ( G v. 24. 1. 1984 12-3). 22 In Anlehnung an die EG-Praxis, behandelt auch die französische Praxis gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Konzern sowohl bezüglich interner Vereinbarungen wie anderseits für die Berechnung des Marktanteils als Einheit (s. B é j o t in: M e s t m ä k ker/Behrens eds. 200).
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen Europa
3.
315
Ezngangsschutz2i
Frankreich besitzt eine Tradition in der Reglementierung der OPA (offre public d'achat) zum Schutz der Anteilseigner der Zielgesellschaft, sofern eine Ubernahmeaktion Börsenpapiere betrifft. Auf die ersten solchen Erscheinungen wurde schon 1966 mit einer offiziösen, 1970 einer offiziellen Ordnung geantwortet. 24 Diese will, unter starker Einschaltung der zuständigen Behörden, die Gleichheit der Chancen der Aktionäre hinsichtlich Information und Angebotspreisen gewährleisten. Eine Pflicht zur Übernahme aller Aktien durch einen Mehrheitsgesellschafter besteht indessen bis heute nicht, es sei denn, es wird zunächst ein Paket aufgekauft, welches als solches die Kontrolle vermittelt. 25 Für Nicht-Börsenpapiere besteht vorläufig kein Schutz gegen den Wechsel der Beherrschungsverhältnisse. 26 Ein solcher wird indessen vielfach gefordert. 27
4.
Durchgriff
Frankreich bleibt grundsätzlich geleitet vom Prinzip der getrennten Betrachtung der juristischen Einzeleinheiten. 28 Die Gerichte und an einer wichtigen Stelle auch der Gesetzgeber gestatten aber als Ausnahme die Durchbrechung auf andere Konzerneinheiten hin. Geahndet wird unter diesem Aspekt jeder „abus" (Mißbrauch). Etwa wird als „frauduleux" und damit mißbräuchlich bezeichnet die 23 Hiezu die deutschsprachige Darstellung von Karamarias, Präventivschutz der Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer beim Eintritt einer französischen Kapitalgesellschaft in einen Konzern, Frankfurt a.M./Bern 1986. 2< Revidiert 1973, 1978, 1986, nunmehr festgehalten im Règlement général du C o n seil des bourses de valeurs Art. 1 7 8 - 2 0 0 und in Décision générale de la C . O . B . (Commission des opérations de bourse) v. 25. 7. 1978 (dazu Viandier, Les offres publiques d'achat en droit français des marchés financiers, in: Kolloquium zum Erwerb von Beteiligungen, Bern 1990, 2 9 4 - 2 9 9 , G u y o n , Droit des affaires 1990 Nr. 592-604). 25 Règlement du Conseil des bourses de valeurs A r t . 5-4—1 und Règlement de la C . O . B . 89-03 Art. 20 gemäß Novelle v. 2. 8. 1989. 26 Maßgebend ist der vorerwähnte Cassegrain-Entscheid Cass. com. 2 1 . 1 . 1970 J . C . P . 1 9 7 0 . 2 . 16541. 27 Bézard/Chaput, La C . O . B , et la protection des actionnaires minoritaires dans les groupes de sociétés, rev. soc. 1982 4 8 1 - 5 0 7 , G u y o n , Droit des affaires 1990 Nr. 6 1 0 ; so schon Paillusseau/Contin, Note J . C . P . 1969 2.16122, Houin rev.trim. dr. com. 1970 N r . 16; zurückhaltender Chartier Nr. 289. Der Streit dreht dabei zentral um die Frage, o b die cession de contrôle etwas qualitativ anderes als ein sonstiger Anteilskauf sei. Die bejahende Position wird nun von den Gerichten insoweit bestätigt, als die Übertragung des Kontrollpakets, weil das Unternehmen selbst betreffend, prozeßual und anderweitig als handels- und nicht privatrechtliche Sache qualifiziert wird (Note rev.trim.dr. com. 1988 4 1 9 f. und 1989 2 4 9 - 2 5 2 , Merle Nr. 654). 28 A u s jüngster Zeit etwa Paris 4. 5. 1990, rev. soc. 1990 450.
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Jean Nicolas D r u e y
Umgehung einer Vinkulierungsklausel durch Übertragung auf eine Tochtergesellschaft, deren Aktien dann ihrerseits dem eigentlichen Kaufsinteressenten übertragen werden. 29 Der Fall illustriert die gänzlich an der umgangenen Norm orientierte Beurteilung. Ein Durchgriff zugunsten der Konzerngesellschaften ist ausgeschlossen. 3C Verhältnismäßig stärker institutionalisiert ist der Durchgriff zugunsten der Gläubiger von Untergesellschaften. Eine Bestimmung des Konkursgesetzes gestattet dem Konkursverwalter, die Zwangsliquidation auf die Obergesellschaft auszudehnen, u. a. wenn sie als faktisches Organ erscheint und in dieser Eigenschaft über das Tochtervermögen wie über ihr eigenes verfügt hat. 31 Die Praxis bildet daraus zwei Kriterien, deren alternatives oder kumulatives Verhältnis nicht völlig klar ist 32 und die ihrerseits eine Fülle von Einzelmerkmalen aufweisen. Einmal ist es der „fiktive" Charakter einer Gesellschaft, und sodann die „Vermögenvermischung" - beides Begriffe, die das Gesetz selber nicht verwendet und welche die Wurzeln in Konzepten des allgemeinen Rechts haben. „Fiktiv" ist das Gebilde, das nicht die notwendigen Elemente einer Gesellschaft, namentlich nicht die Mehrheit von Mitgliedern und den animus societatis aufweist. 33 Das liegt nach der Praxis vor, wo eine Gesellschaft ganz aus der anderen heraus und als Instrument „au mieux des intérêts propres" (zugunsten des Eigeninteresses) der Obergesellschaft betrieben wird, wofür die völlige organisatorische Eingliederung, das Steuerparadies-Domizil u.ä. Anzeichen sind. 34 „Vermögensvermischung" braucht keineswegs zu heißen, daß die Kassen oder Buchhaltungen zusammengelegt werden, sondern kann sich aus einer Vielzahl von andern Indizien wie gemeinsame Geschäftslokale, Verrechnungskonten, unpräzise Verteilung von Aufwand oder Erträgen, Unterkapitalisierung der Tochter, u.a. ergeben. 35 2 ' Cass. c o m . v. 2 7 . 6 . 1989 G - C . P . 1 9 8 9 . 2 . 2 1 3 9 0 ) in der Sache Cartier-Millon/ Rivoire und C a r r e t - L u s t u c r u . 3 0 Chartier N r . 298 m. Zit. ; vgl. aber die zum Teil konzernfreundliche Berücksichtigung der Verbundenheit unter andern Gesichtspunkten als dem Mißbrauch der juristischen Persönlichkeit, oben 2. und unten 6. 31 G v. 25. 1. 1985 A r t . 182' Zif. 1 (betr. Verfahren Dekret v. 27. 12. 1985 Art. 1 6 3 167). D i e Bestimmung nimmt diejenige in Art. 101 des K o n k u r s G von 1967 auf; die Praxis hiezu soll darum weiterhin maßgebend sein (Chartier N r . 299). 52 33
Eingehend Zahn insb. 1 6 3 - 1 6 9 . s. R i p e r t / R o b l o t N r . 7 2 0 , G u y o n , D r o i t des affaires N r . 1 2 4 - 1 2 7 , Zahn 1 6 3 - 1 6 6 .
34 Beispiele aus jüngerer Zeit C a s s . c o m . v. 8. 11. 1988 rev. soc. 1990 71 mit N o t i z H o n o r â t , C o u r d'Appel Paris v. 1 0 . 3 . 1987 rev.soc. 1987 2 7 6 (do.), Cass. c o m . v. 28. 11. 1989 rev. soc. 1990 2 4 0 , C a s s . c o m . v. 15. 1. 1991 rev.soc. 1991 386. 3 5 G u y o n , D r o i t des Affaires N r . 1402 ( B d . II), Stoufflet (zit. aus Zahn 166), Zahn 1 6 6 - 1 7 1 ; Beispiel aus jüngerer Zeit C o u r d'Appel Paris v. 15. 4. 1988 rev.soc. 1988 436 m. N o t i z H o n o r â t .
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen Europa
317
Sind darin konzernspezifische Kriterien zu finden? Verschiedentlich trifft man die Formulierung, die Konkursausdehnung (Mithaftung der Mutter) sei dadurch begründet, daß die Gesellschaften eine „entreprise unique" bildeten. Das hat offensichtlich in der Literatur und namentlich in der Praxis der Vorstellung Auftrieb gegeben, daß der Tatbestand mit der „unité économique de décision" und also mit der „einheitlichen Leitung" gleichzusetzen sei.36 Der Kassationshof ist dem aber, jedenfalls vorläufig, entgegengetreten und hat klargestellt, daß die Mithaftung nicht durch die bloße interdépendance économique, was der Zugehörigkeit zu einem groupe gleichgestellt wird, sondern nur aufgrund eben der Fiktivität oder Vermögensvermischung als Ausnahme gegeben sei und hat das Institut damit in den Durchgriff zurückgeführt. 37 Somit ist zur Zeit die organisatorische Einbeziehung im Sinne der einheitlichen Leitung kein hinreichender Tatbestand für die Mithaftung der Mutter. Die Kriterien dafür sind indessen typisch vor allem für den straff geführten Konzern, indem sie an die führungs- bzw. (bei der Vermögensvermischung) interessenmäßige Verflechtung anknüpfen.
5. Anschein Lebhafte Diskussion hat der Umstand hervorgerufen, daß die Durchgriffspraxis auch auf externe Momente abstellt, indem sie neben die tatsächliche Einheit die unité en apparence setzt. Merkmale dafür sind ähnliche Firmenbezeichungen, gleiche Lokale und Tätigkeitsbereiche, wechselweises Auftreten gegenüber Kunden. 38 CalaisAuloy dürfte eine zentrale Vorstellung der französischen Konzernrechtslehre zum Ausdruck bringen, wenn er feststellt, daß hier ein echtes Gegenstück zum Trennungsprinzip bestehe: im Grund erwecke der Konzern einen Anschein in zweierlei Richtung, die apparence de l'existence d'un groupe und die apparence d'unité des sociétés. 39 Auch wenn die Gerichte die Anscheinshaftung vom Durchgriff nicht deutlich trennen, tritt hier doch ein zusätzlicher Entwicklungsstrang für Konzernrecht zutage. Auch dazu gab vor allem die Haftungsfrage (nun aber nicht notwendig die Ausdehnung nur auf Ober-, 34 37
s. Notiz Honorât rev. soc. 1990 72-74, Zahn 175 f. Etwa Cass. com. v. 8. 11. 1988 rev.soc. 1990 72, Paris v. 20. 3. 1986 rev. soc. 1987
98. 38 Aix en Provence v. 11. 1. 1985 rev. soc. 1987 98, Cass. com. v. 15. 11. 1977 Bull, cass. IV Nr. 265 (aus D. Schmidt 732). 39 Calais-Auloy, Anm. zu Aix en Provence vom 18. 6. 1975, Revue de Jurisprudence commerciale 1976, 104; zustimmend D. Schmidt 733.
318
Jean Nicolas Druey
sondern auch auf andere verbundene Gesellschaften) Anlaß; andere Auswirkungen sind aber nicht ausgeschlossen.40 In das gleiche Bild gehört die Praxis zu den Patronatserklarungen. Sie zeigt Strenge, aber typischerweise in zwei Richtungen. Zum einen ist offensichtlich die Konzernverbindung ein Motiv, um trotz klaren NichtVorliegens einer Bürgschaft oder Garantie und ungeachtet der Bezeichnung als „lettre d'intention", also „Absichtserklärung", solchen Erklärungen allenfalls Rechtsverbindlichkeit zu verleihen.41 Zum andern verlangen die Gerichte aber, daß die Engagements für Tochtergesellschaften nicht anders als für Dritte vom Verwaltungsrat genehmigt seien,42 weil43 der Schutz von Gläubigern und Aktionären der Mutter es gebiete. 6. Schutz der
Tochter-Interessen
Das Konkursgesetz verankert die Figur des faktischen Organs (dirigeant de fait) und hält fest, daß es sich dabei auch um juristische Personen handeln kann.44 Es unterwirft diese Personen einer Haftung auf Ausgleichung der Uberschuldung bei Mängeln in der Geschäftsführung. Eine Durchsicht der Praxis läßt indessen annehmen, daß davon kaum zur Behaftung von Konzern-Obergesellschaften Gebrauch gemacht wird,45 und dies, obwohl bis 1985 das Fehlverhalten vermutet wurde. Ein wichtiger Grund dafür dürfte darin liegen, daß, nun gerade konzernspezifisch, die Pflichtenlage anders beurteilt und allenfalls das Interesse des Gesamtkonzerns als ein Orientierungspunkt anerkannt wird.46 Darin kann ein grundlegend neues Moment erkannt werden.47 40 Paris 30. 11. 1989 D . 1989 I. R.2 Ausdehnung einer Schiedsklausel auf eine formell nicht vertragsbeteiligte Tochter. 41 Bejaht in Cass.com. v. 21. 12. 1987 rev. soc. 1988 398, Paris v. 2. 6. 1986 rev. trim. dr. c o m . 1987 2 3 3 N r . 18, Paris v. 25. 4. 1979 D. 1980 I. R. 55. 42
Cass. c o m . 29. 11. 1982 rev. soc. 1983 615, Cass. comm. 23. 10. 1990 rev. soc. 1991
86. 43
Gemäß K u r z k o m m e n t a r in rev. soc. 1991 391.
G v. 25. 1. 1985 Art. 1 7 9 f . ; s o auch schon der vorangehende Erlaß G. v. 13..7. 1967 Art, 98 f. (aber U m k e h r der Beweislast betr. faute). 4 5 So auch D. Schmidt 729. 4 4 Cass. crim. v. 4. 2. 1985 rev. soc. 1985 648 ( = D. 1985 4 7 8 ; Fall Rozenblum) und frühere Entscheide (der Entscheid Willot Paris v. 16. 5. 1974 rev.soc. 1975 657 = D. 1975 37 und ansatzweise schon Paris v. 26. 11. 1968 rev. trim. dr. com. 1969 1080); seither Cass. crim. v. 1 3 . 2 . 1989 rev. soc. 1989 692, Cass. soc. v. 3 . 4 . 1990 rev. soc. 1990 625. Voraussetzungen sind: eine kohärente Konzernpolitik, welche per saldo auch der T o c h t e r zugute k o m m t , und die Belastung darf nicht „excessive" sein. - Die Übernahme dieser strafrechtlichen Praxis durch die kommerzielle Kammer des Kassationshofs wird erwartet (s. G u y o n Z G R 1991, 225). 44
Steuerlich wurde der Verzicht auf Verzinsung eines Darlehens zur Verhütung des 7
59. D J T I G / H
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen E u r o p a
319
Das beeinflußt natürlich auch die Position der Minderheitsaktionäre in der Tochtergesellschaft. Ihre actio pro socio 48 (institutionell ergänzt durch einen Expertisenanspruch ähnlich der Sonderprüfung 49 und die Einschaltung eines behördlichen Sonderverwalters 50 ) wird im Konzernfall somit nicht nur nicht verstärkt, sondern zurückgebunden. Das Gegenstück, wenn überhaupt, wird de lege ferenda im Eingangsschutz (Verkaufsrecht) gesehen. 51
7.
Gesamtbild
Derselbe Realismus, der in früheren Jahrzehnten die französische Jurisprudenz ähnlich der deutschen und andern veranlaßt hat, sich für das Konzernphänomen zu interessieren, führt heute zur Weigerung, in ihm ein eintypisches und damit statusfähiges Gebilde zu erkennen. Angesichts einer in Frankreich wohl besonders ausgeprägten Vielfalt der Verbindungen zwischen Gesellschaften ist das Bewußtsein stark, daß die Gesellschaftsgruppe nur als „décentralisation dans la concentration" 52 verstanden werden kann. Das französische Konzernrecht folgt in dem Sinn konsequent einer „Dialektik", welche intern das Trennungsprinzip und das Konzerninteresse und extern das Vertrauen auf die Teile und auf das Ganze gleichermaßen bejaht. Sie läßt in gewissen Gebieten eher eine „materielle" (Arbeitsrecht), in andern eine „formelle" (Gläubigerschutz) Betrachtungsweise walten, und differenziert je nach Kontext zwischen einem von sehr locker bis zu sehr eng reichenden Verbindungstatbestand. Das Spezifische des Konzerns, die Konvergenz der Interessen und damit der Vermögen sowie die Einheit der Organisation, wird dabei duchaus gesehen. Die „formelle" Wahrheit setzt jedoch diesen Aspekten Grenzen. Die Kriterien, nach welchen diese Grenzen gesetzt werden, machen einen unsicheren, weil zu sehr am Durchgriffsgedanken orientierten drohenden Konkurses an ein verbundenes U n t e r n e h m e n als „acte de gestion normale" angesehen (Conseil d'Etat v. 2. 6. 1986 rev. soc. 1986 620). Wiedemann 1988 8 0 f . , Lutter FS Kellermann 2 6 1 - 2 6 9 . G v. 2 4 . 7 . 1966 245. 4 9 Expert de minorité, G v. 24. 7. 1966 226. 50 Administrateur provisoire; im erwähnten Entscheid Fruehauf (oben F N 9) und späteren Fällen (s. R i p e r t / R o b l o t N r . 1265) wurde darin ein Instrument spezifisch zum Schutz von Konzerngesellschaften gesehen. 47
48
51 Bézard, Les groupes de sociétés, Sem.Jur. 1990 Sonderheft 1 17, G u y o n , Droit des affaires N r . 6 2 0 ; schon Entwurf Cousté in seiner ersten, der organischen Konzeption folgenden Version 1970 Art. 15. Kritik wegen U n z u m u t b a r k e i t etwa bei Rodière, rev. soc. 1970 2 4 3 - 2 6 5 , 2 6 4 .
' 2 Titel des Aufsatzes von Jacquemin in: Liège 1973 2 7 - 5 3 .
320
Jean Nicolas Druey
Eindruck. Der oberste Gerichtshof scheint aber jedenfalls darüber zu wachen, daß die Begriffe nicht ausufern. Die weitere, kaum in großen Schritten zu erwartende Entwicklung liegt somit für das Strukturrecht vor allem bei den Gerichten, für den Eingangsschutz allenfalls beim Gesetzgeber. II. I t a l i e n 5 3
1. Begriffe Wie in Frankreich ist der Begriff des controllo (Beherrschung) gesetzlich definiert. 54 „ G r u p p o " ist die in der Rechtssprache völlig etablierte Bezeichnung des Unternehmensverbunds als ganzen; das Gesetz55 meidet den Ausdruck aber vorläufig. Die sehr differenzierte literarische Diskussion bemüht sich um das Verhältnis des controlloBegriffs zu demjenigen des gruppo, angeregt auch durch die deutsche 56 Unterscheidung von Abhängigkeit und einheitlicher Leitung. 57 Ebenfalls nach deutschem Vorbild gilt die einheitliche Leitung (direzione unitaria) als definitorische Formel. Aber das Maß an Stringenz, das die direzione unitaria aufweisen soll, wird tendenziell verschieden angesetzt. Heute mag, wiederum ähnlich deutscher Konzeption, die Vorstellung überwiegen, daß auch die bloß strategische, ja nur koordinierende Tätigkeit des capogruppo (der obersten Gesellschaft) bereits einheitliche Leitung konstituiert. 58 Namentlich aber diejenigen, welche auf Durchgriffsdenken aufbauen, neigen dazu, nur in der organisatorischen Eingliederung die direzione unitaria zu erblicken, 59 und andere stellen die sich abzeichnende Spaltung des Kon55 Deutschsprachige Darstellungen bei Rescigno 1991, Vanetti 1989, Colombo in: Jura Europae, Gesellschaftsrecht II, München 1989, Ziff. 40.70 4 - 1 3 . 5< ccit 2359'. Ebenso wird der rechtlichen Beherrschung durch Mehrheitsbesitz eine „faktische" (kraft „influenza dominante") zur Seite gestellt. Für die faktische Beherrschung wird aber anders als in Frankreich keine gesetzliche Vermutung aufgestellt. Nach der Lehre muß es sich aber jedenfalls um eine „interne", d.h. kraft Beteiligung und nicht kraft Verträgen und wirtschaftlichen Beziehungen wirksame Verbindung handeln (s. Pavone La Rosa 1991 584). 55 Das gilt für den codice civile. In Spezialerlassen findet sich allerdings der Ausdruck, ohne daß ihm aber für sich all'in Kennzeichnungskraft gegeben zu werden scheint (s. Vanetti 398). 54 Insb. mittelbar über die Vorentwürfe zur 9. EG-Richtlinie (Vanetti 401). 57 S. Pavone La Rosa 1991 599f. Anm. 35, Rescigno 347. Man unterscheidet auch „controllo potenziale/controllo effettivo" (Vanetti 401). Die legge Prodi (unten b) enthält in Art. 3 nebeneinander die Verweisung auf den controllo (Abs. 1) und die einheitliche Leitung (direzione unitaria; Abs. 10). 58 Pavone La Rosa 1991 6 0 0 f . (m. Anm. 37), Rescigno 348 (m. Zit.). 59 Etwa Alessi 1988 276, Ammendola, Unitarietà direzionale, riv. soc. 1986 1262ff., Mangini 30 (Gleichsetzung von einheitlicher Leitung und Einheitsunternehmen).
Das deutsche Konzernrecht aus der Sicht des übrigen Europa
zernbegriffs fest.60 Wie in Frankreich beginnt sich der Verzicht eine einheitliche Konzerndefinition durchzusetzen.61 2. Geschichte
321
auf
und Stand
Das Konzernphänomen, das sich heute bekanntlich zu einigen riesigen staatlichen und privaten Gebilden fortentwickelt hat, 62 besitzt in Italien nicht weniger Tradition als anderswo. Auf Gesetzeszbtrie gibt es Vorschriften über wechselseitige Beteiligungen (ccit 2359 b,s ). Die Offenlegung von Konzernbeziehungen wurde schon vor der Umsetzung der 4. und 7. EG-Richtlinie von 1991 63 erstaunlich eingehend verlangt.64 1979 hat ein vielbeachtetes Gesetz über die Sachwalterschaft für überschuldete Großunternehmen eine Eingriffshaftung der Obergesellschaft ev. mit Beweislastumkehr sowie eine Art Konzernpauliana und eine Ausdehnung des Verfahrens auf andere verbundene Gesellschaften eingeführt.65 Im übrigen sind, wie in Frankreich, das Arbeits-, 66 Steuer- 67 und das Börsenaufsichtsrecht68 Wachstumszonen für konzernspezifisches Recht. Es fehlt somit an einer großflächigen Konzerngesetzgebung. Ist ein Wille dazu de lege ferenda vorhanden? Einige engagierte Äußerungen in diesem Sinn69 dürfen nicht über die politisch,70 aber auch wissenM
Rescigno 346.
" Dies drückt nicht einfach Resignation, sondern vor allem die Einsicht aus, daß eine Festlegung der Problemerkenntnis im Wege steht; Jaeger, N o z i o n e di gruppo in: I l gruppo di s o c i e t à . . . . , Mailand 1981, 51 ff., zust. zit. von Franceschelli/Lehmann 83; auch Rescigno 342, Pavone La Rosa 1991 600. 62 Die fünf Superkonzerne Fiat, I R I , Le Generali, Ferruzzi und D e Benedetti machen drei Viertel des italienischen Börsenumsatzes aus (Alessi in: Sugarman/Teubner eds. 1990 377). " G N r . 127 v. 9 . 4 . 1991. M Bisher (durch die Umsetzung aufgehoben) ccit 2 4 2 4 ' betr. Bilanz, 2 4 2 5 b " betr. Erfolgsrechnung, 2 4 2 9 b " A b s . 2 Zif. 7 betr. eine inhaltlich über den Abhängigkeitsbericht nach § 312 A k t G hinausgehende, den Aktionären verfügbare (aber offenbar kaum praktizierte) Ubersicht über'konzerninterne Transaktionen (s. C o l o m b o 1982 insb. 8 16). 65
Gesetz N r . 9 5 / 7 9 (legge Prodi) Art. 3 (dazu unten 6).
" Mazzotta, „Divide et impera": diritto del lavoro e gruppi di imprese, in: Il gruppo di società nella realtà giuridica -italiana (Convegno Verona 1987), Padua 1990, 1 2 0 - 1 3 5 , Sciarra, A Labour Law Perspective on G r o u p Enterprises in Italy: N e t w o r k s versus Hierarchies, in: Sugarman/Teubner eds. 4 1 3 - 4 3 1 . 67 Zit. bei Vanetti 397 N . 4. M Insb. das Gesetz N r . 2 1 6 / 7 4 mit Nachfolgeerlassen über die Errichtung der C O N S O B (Börsenkommission) und deren Praxis. Das erwähnte Gesetz sieht in Art. 3 für börsenkotierte Gesellschaften konsolidierte Rechnungslegung vor.
" Rescigno 3 8 4 - 3 8 9 , Minervini Schlußwort Verona 1 8 7 - 1 8 9 . 70 Die Staatseigentümerschaft an G r o ß k o n z e r n e n wirkt hier gewiß als zusätzliche Bremse.
322
Jean Nicolas Druey
schaftlich 71 wirksamen Befürchtungen eines „eccesso di tutela" (überschießenden Schutzes) hinwegsehen lassen. In den letzten Jahren haben verschiedene Gesetzesprojekte namentlich dem Schutz der abhängigen Gesellschaften und ihrer Gläubiger, bisher erfolglos, eine systematische Gestalt zu geben versucht. 72 Der bis vor kurzem 73 ganz konservativen Rechtsprechung steht eine erstaunliche Literatur gegenüber. Sie hat nicht nur äußerlich einen großen Umfang, sondern ist von einem Gedankenreichtum, welcher die Lektüre zum heißen Tip macht. Die neuere Literatur heftet sich nun allerdings, entgegen den Vordenkern der Frühzeit, 74 stark an die paar gesetzlich verankerten Bestimmungen, dies aber auch aus dem Bestreben, daraus allgemeinere Konzepte herzuleiten.
3.
Eingangsschutz
Ein Erlaß betreffend öffentliche Ubernahmeangebote ist erst in Vorbereitung; er soll eine Übernahmepflicht für Restaktien im übrigen erst ab 9 5 % Anteilsbesitz vorsehen. 75 Der Codice civile kennt, selbst bei Aktiengesellschaften, ein Austrittsrecht bei fundamentalen Statusveränderungen der Gesellschaft (Art. 2437). Der Gedanke, in der Konzernierung eine solche Veränderung zu erblicken, wird aber wegen der finanziellen Folgen für die Obergesellschaft gescheut und bringt dem Gesellschafter, u.a. wegen Abfindung zum Buchwert, auch nicht vollen Schutz. 76 7;
s. R e s c i g n o 3 5 7 , S p a d a 2 3 4 f . ; G u i d o R o s s i (riv. s o c . 1 9 8 6 4 5 3 ) spricht v o m „ M e h r -
heitsschutz". D u r c h einen V o r s c h l a g U s e l l i n i ( N r . 2 9 4 1 v. 3 0 . 6 . 1 9 8 8 ) w u r d e n f r ü h e r e V o r schläge ( M i n e r v i n i N r . 4 3 3 2 v .
16.1.
1 9 8 7 , M i n i s t e r p r ä s i d e n t A n d r e o t t i N r . 1 5 7 4 v.
3 1 . 1. 1 9 7 9 ) in die L e g i s l a t u r p e r i o d e e i n g e b r a c h t , w e l c h e auf eine G e s e t z g e b u n g im Sinn des A k t i e n g e s e t z e s b z w . des V E z u r 9. R L , e i n s c h l i e ß e n d des V e r t r a g s k o n z e r n s , zielen. Eine vom Justizministerium
eingesetzte Expertengruppe unter dem Vorsitz
von
G i u s e p p e F e r r i hat ein „ S t a t u t o d e l l ' i m p r e s a " , eine U n t e r n e h m e n s v e r f a s s u n g , e r a r b e i tet ( B e r i c h t und T e x t G i u r . c o m m .
1 9 8 4 1 5 0 - 1 7 2 ) , w e l c h e i m Sinn des d e u t s c h e n
R e c h t s z u m f a k t i s c h e n K o n z e r n e i n e n g e p r ü f t e n A b h ä n g i g k e i t s b e r i c h t der V e r w a l t u n g der a b h ä n g i g e n G e s e l l s c h a f t und die H a f t u n g der V e r w a l t u n g der O b e r g e s e l l s c h a f t s o w i e dieser selbst für v e r u r s a c h t e n S c h a d e n v o r s i e h t ( A r t . 15 f., 19). ' ' D a z u unten A n m . 90. 74
K e i n G r o ß e r des G e s e l l s c h a f t s r e c h t s , d e r n i c h t s e i n e n p r o f i l i e r t e n B e i t r a g geleistet
h ä t t e ; in den 3 0 e r J a h r e n s c h o n V i v a n t e , M o s s a , M e s s i n e o , F e r r i , nach d e m
Krieg
Bigiavi ( u n t e n F n . 7 7 ) , A s c a r e l l i , G a l g a n o , R o s s i (s. U b e r s i c h t F r a n c e s c h e l l i / I . e h m a n n 72). " E n t w u r f N r . 5 7 6 / 8 8 , zit. n a c h R e s c i g n o 3 5 1 . " R e s c i g n o 3 5 2 f.
Das deutsche K o n z e m r e c h t aus der Sicht des übrigen Europa
4.
323
Durchgriff
Die Theorie des Durchgriffs hat in Italien unter dem Stichwort des superamento della personalità giuridica intensive doktrinale Bearbeitung erfahren. Die Lehre rankt sich heute bezüglich Haftung vor allem um die Bestimmung des codice civile, wonach der 1 0 0 % - A n teilsbesitz die persönliche Haftung des Alleingesellschafters für die Schulden der juristischen Person zur Folge hat (ccit 2362 A G , 2478 G m b H ; Ausdehnung des Konkurses G 2 6 7 / 1 9 4 2 Art. 147). Gerade der Reichtum der Denkansätze und die Gefahr der gegenseitigen Neutralisierung, 77 welche die doktrinalen Hahnenkämpfe und die darin investierten Ideen laufen, 78 mögen ein Grund sein, der den obersten Gerichtshof zu seinem rigorosen Formalismus geführt hat. Lange Zeit hat er sich überhaupt geweigert, eine juristische Person als Alleinaktionär im Sinne der erwähnten Durchgriffsbestimmung anzuerkennen, 7 9 und auch danach verschloß er sich gegen jede „Analogie", 8 0 welche aus dem Sinn der Bestimmung heraus eine Ausdehnung über die formelle 100%-Beteiligung hinaus nahelegen könnte. 81 Gewiß wirken in diesen Urteilen auch Befürchtungen eines ' In einer berühmt gewordenen Auseinandersetzung der fünfziger Jahre hat Walter Bigiavi diesen durch Einschaltung von Strohmännern leicht umgehbaren Bestimmungen durch Rückführung auf einen Grundgedanken materielle Bedeutung zu geben gesucht. Nach ihm drückt sich darin aus, daß der Gesellschafter, der die Gesellschaft zur eigenen Sache („cosa propria") macht, die Haftungsbeschränkung der juristischen Person verwirkt (Bigiavi, l'imprenditore occulto, Padua 1954, 161 ff. und zahlreiche Folgepublikationen, s. Mangini A n m . 48). E r zielt dabei auf den „socio tiranno", auf den Allein-Herrscher, welchen er vom nur beherrschenden, aber nicht leitenden G e sellschafter („socio sovrano") abgrenzt. D e m ist Tullio Ascarelli entgegengetreten auch er auf der Suche nach einer breiteren Grundlage für die Behaftung der Obergesellschaft (s. F o r o it. 1956 I Sp. 4 0 5 , 1957 I Sp. 1442, 1959 I Sp. 1519; nach Mangini 49 A n m . 49). Die Basis sieht er indessen in einem allfälligen, in die Konzernstruktur zu interpretierenden Gesellschaftsverhältnis, sonst nur in den Sanktionen für Sorgfaltsverletzung der Organe. n Zum berichteten Streit (vorige A n m . ) schreibt Mangini 4 8 : „Es ist nicht auszuschließen, daß der kämpferische Geist, von dem die beiden unversöhnlichen Gegner erfüllt waren, im Ergebnis die positiven Wirkungen, auf die beide Meinungen gerichtet waren, zunichte machte und dazu beigetragen hat, daß sich die Aufnahme der innovativen Ideen um Jahrzehnte v e r z ö g e r t . . ( U b e r s , v. Verf.). 79 Erstmals im Entscheid Chocolat T o b l e r c. Banco Ambrosiano Cass. civ. v. 14. 12. 1981 N r . 6594 Giur. c o m m . 1982 II 614. 3 0 So Cass. civ. v. 9. 5. 1985 N r . 2879 Erw. 3 und 5 f . , Giur. c o m m . 1986 II 537, 5 4 9 f . , 554 f. 81 Das Gericht rechnet nur den „fiktiven" und damit den treuhänderischen Drittbesitz z u ; im erwähnten Fall Raytheon (vorige A n m . ) hatte die Muttergesellschaft aber 2 , 2 5 % der Aktien bei einer andern T o c h t e r untergebracht, was laut Urteil das Alleinaktionariat ausschloß. S. auch Cass. civ. v. 24. 2. 1986 N r . 1088 Giur. c o m m . 1986 II 564 und Mailand v. 18. 3. 1985 Giur. c o m m . 1986 II 581.
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Jean Nicolas Druey
„Dammbruchs"; die richterliche Zurückhaltung gegenüber wirtschaftlichen Sachverhalten allgemein kommt zur Unsicherheit über die von der Lehre angebotenen Kriterien hinzu. 5. Anschein Die konzernrechtliche Entwicklungslinie, welche vom Anschein der Einheit für Dritte ausgeht, wird in Italien wenig sichtbar. Patronatserklärungen sind offensichtlich sehr verbreitet, werden aber von den Gerichten nicht über ihren Wortlaut hinaus ausgelegt. 8 ' 6. Schutz der
Tocher-Interessen
Das italienische Gesellschaftsrecht kennt wie andere den Tatbestand des Mißbrauchs der Mehrheitsmacht. Dieser scheint sich im Konzernkontext im wesentlichen in zwei Spezialbestimmungen zu aktualisieren. Die sog. legge Prodi 83 enthält in ihrem Art. 3 Sonderbestimmungen zum Schutz der Gläubiger von Tochtergesellschaften. Die eine (Abs. 10), an den Tatbestand der einheitlichen Leitung anknüpfend, nimmt die Verwaltung der im Verfahren stehenden Tochter sowie ihrer Obergesellschaft(en) und, nach einer Auslegungsweise, 84 diese selbst in Pflicht für Ersatz des Gesellschaftsschadens. Die Doktrin streitet u.a. auch über die Beweislastumkehr zulasten der Pflichtigen; bejahendenfalls hätten diese ihrerseits nachzuweisen, daß der Schaden nicht auf ihr Verhalten zurückgeht. Die legge Prodi statuiert zudem in Art. 33 eine Art Konzernpauliana, indem die typischen konkursrechtlichen Anfechtungstatbestände wie nicht-marktgerecht entschädigte Leistungen, Erfüllung mit ungewöhnlichen Mitteln, Pfandbestellungen für laufende Schulden (Konkursgesetz Art. 67') auf eine weiter zurückreichende Frist (i.d.R. 5 Jahre) anfechtbar sind, wenn sie zugunsten verbundener Gesellschaften erfolgten. Außerdem kann das Verfahren auf solche verbundene (Ober-, Unter-, Schwester-) Gesellschaften ausgedehnt werden (Art. 3 Abs. 2 in Verb. m. Art. 1 Abs. 2). Als allgemeine Vorschrift gegen Ausbeutung durch Mehrheitsaktionäre sieht der codice civile eine Ausstandspflicht in der HauptverCass. civ. V. 9. 5. 1986 N r . 2879. G 9 5 / 1 9 7 9 ; dt. Übersetzung Z I P 1981 1395. Dazu G r u n s k y , Das italienische Sanierungsverfahren für G r o ß u n t e r n e h m e n , Z I P 1981 1 3 0 3 - 1 3 0 7 , C o l o m b o Z G R 1982 6 3 - 8 6 ; aus der immensen ital. Lit. insb. Jaeger 1985 und Pavone La Rosa 1984 sowie 1991 6 2 1 - 6 2 8 , Scognamiglio 1988 365. 8i
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