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German Pages 468 [470] Year 2011
JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 160
Lars Leuschner
Das Konzernrecht des Vereins
Mohr Siebeck
Lars Leuschner, geboren 1971; Studium der Rechtswissenschaft in Trier und London; 2002– 04 Rechtsanwalt in Frankfurt a. M.; 2004 Promotion; 2005 Richter am Landgericht Wiesbaden; 2006–11 Akademischer Rat an der Universität Mainz; 2011 Habilitation; derzeit Lehrstuhlvertretung an der Universität Osnabrück.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151760-0 ISBN 978-3-16-150827-1 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Sylvia, Nikolai und Aurelia
Vorwort Vereine sind im Zuge ihrer gestiegenen unternehmerischen Bedeutung vielfach in ähnlicher Weise wie Handelsgesellschaften in Unternehmensgruppen eingebunden. Die bei solchen Strukturen auftretenden Rechtsfragen sind nicht weniger umfangreich und vielschichtig als im Fall von Handelsgesellschaften. Ein Höchstmaß an Satzungsdisposivität und die Vielfalt vereinrechtlicher Zielsetzungen geben dem Vereinskonzernrecht sogar eine besondere Komplexität. Zusätzliche Attraktivität gewinnt das Vereinskonzernrecht dadurch, dass der Verein systematisch nicht neben der Aktiengesellschaft und der GmbH steht, sondern die Grundform aller privatrechtlichen Körperschaften bildet. Die Arbeit hat im Wintersemester 2010/11 dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Habilitationsschrift vorgelegen. Sie befindet sich auf dem Stand Ende Juli 2011. Mein Dank gilt in erster Linie meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Peter O. Mülbert, der mir alle Freiheiten gelassen und stets die erforderlichen Hilfestellungen geleistet hat. Großen Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Walther Hadding. Er hat nicht nur die Last des Zweitgutachtens auf sich genommen, sondern mich stets in jeder Hinsicht nicht nur fachlich, sondern auch moralisch unterstützt. Danken möchte ich ferner den Mitarbeitern des Lehrstuhls, die mich über die Jahre begleitet und mir vielfältige Hilfestellungen geleistet haben. Neben der Sekretärin des Lehrstuhls, Frau Marianne Lindlahr, gilt dies insbesondere für Sandra Auer, Eva Bernauer, Tobias Gerigk, Michael Herwig, Dr. Andreas Hoger, Henrik Humrich, Andreas Küppers, Isabelle Sanio, Dr. Thomas Schneider, Steffen Steup, Alexander Wilhelm und Dr. Dirk Wünschig. Für ihre Geduld bedanke ich mich bei meiner Frau und meinen beiden Kindern. Mehr als einmal wurde die Frage gestellt, wann das »verdammte Buch« endlich fertig sei, und mehr als einmal konnte der zugesagte Termin nicht eingehalten werden. Ihnen ist das Buch gewidmet. Mainz, im Juli 2011
Lars Leuschner
Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Teil 1
Grundlagen § 2 Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Gegenstand und Funktion des Konzernrechts. . . . . . . . . . . . .
6 17
Teil 2
Der Verein als Obergesellschaft § 4 Vereinsinterne Zuständigkeit für gruppenspezifische Maßnahmen § 5 Vereinsrechtliche Grenzen externer wirtschaftlicher Betätigung . § 6 Einfluss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Gruppenspezifische Leitungspflichten des Vorstandes . . . . . . . § 8 Gruppenspezifische Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten § 9 Gruppenspezifische Informationsrechte der Mitglieder . . . . . .
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78 126
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198 217 222 232
§ 10 Abhängigkeitsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Im Interesse der außenstehenden Mitglieder bestehende Grenzen der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Im Interesse der Gläubiger bestehende Grenzen der Einflussnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244
Teil 3
Der abhängige Verein
296 344
X
Inhaltsübersicht
Teil 4
Der Verein im Gleichordnungskonzern § 13 Der Verein als Spitze eines Gleichordnungskonzerns . . . . . . . . . § 14 Der Verein als gleichgeordneter Verband . . . . . . . . . . . . . . . .
402 406
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII IX
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Teil 1
Grundlagen § 2 Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
A. Herrschende Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
I. Zur Entstehung von Holdingvereinen. . . . . . . II. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ADAC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Profifußball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachverständigenorganisationen . . . . . . . . 4. Freie Wohlfahrtspflege. . . . . . . . . . . . . . 5. GfK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Familienkonzerne . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge
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B. Fremdeinfluss ausgesetzte Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
I. Dachverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesamtvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Statutarische Einwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
§ 3 Gegenstand und Funktion des Konzernrechts . . . . . . . . . . . . .
17
A. Regelungsgegenstand des Konzernrechts . . . . . . . . . . . . . . . .
18
I. Bilaterales Verhältnis zwischen Rechtsträgern als Gegenstand des Konzernrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisationsrechtlich begründete Abhängigkeit von Rechtsträgern als konzernrechtliches Kernproblem . . . . . . . 1. Zentrale Rolle des Abhängigkeitstatbestandes in den §§ 291 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das abhängigkeitsspezifische Regelungsproblem. . . . . . . 3. Einordnung der nicht abhängigkeitsspezifischen Unternehmensverbindungen der §§ 291 ff. AktG . . . . . . . a) Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensverträge des § 292 AktG . . . . . . . . . . c) Einfache wechselseitige Beteiligung . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkung auf organisationsrechtlich begründete Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Beschränkung auf die Beherrschung durch Unternehmensgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konzernrecht der Obergesellschaft und Gläubigerschutzproblematik kein Konzernrecht im engeren Sinn . . . . . . . .
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B. Konzernrechtliche Regelungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
I. Verbandszweck des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB als archimedischer Punkt des Konzernrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahrung vs. Überwindung des Verbandszwecks als gegensätzliche Regelungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Elemente des normtypischen Verbandszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formalziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellung der Mitgliedervertretung als oberstes Willensbildungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzrechtliches Regelungskonzept des allgemeinen Verbandsrechts: Wahrung des Verbandszwecks zu Gunsten der außenstehenden Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durch herrschenden Einfluss begründete Gefährdungslage. a) Traditionelle Vorstellung vom Konzernkonflikt . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Geringe Überzeugungskraft der Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern . . . . . . . . . . (2) Fehlende Abhängigkeitsspezifik der Gläubigerschutzproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Schutzrechtliches Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . .
39 41 42
XIII
Inhaltsverzeichnis
a) Präventiver Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Repressiver Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privilegierungsrechtliches Regelungskonzept des AktG: Überwindung des Verbandszwecks zugunsten des herrschenden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Modifikationen zugunsten des herrschenden Aktionärs. . . . a) Änderung des normtypischen Verbandszwecks. . . . . . . (1) Normtypischer Verbandszweck der Aktiengesellschaft . . . (2) Beherrschungsvertrag und Eingliederung . . . . . . . . . . (3) §§ 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gewinnabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Exkurs: Unternehmensverträge des § 292 AktG . . . . . . . b) Ablösung des Normalstatuts durch ein Sonderstatut. . . . (1) Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Treupflicht, Gleichbehandlungsgrundsatz und § 117 AktG . (3) Rechte und Pflichten der Verwaltungsorgane . . . . . . . . 2. Überwindung der Grenzen privatautonomer Gestaltbarkeit a) Einstimmigkeitserfordernis des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . b) Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalerhaltungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung des Außenseiterschutzes in den §§ 291 ff. AktG . . a) Vertrags- und Eingliederungskonzern . . . . . . . . . . . . b) §§ 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtfertigung des privilegierungsrechtlichen Konzepts . . . a) Wohlfahrtsökonomische Motivation des privilegierungsrechtlichen Konzepts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorteile der polykorporativen Organisation: Die Überlegenheit des faktischen Konzerns . . . . . . . . . 5. Förderung der Entstehung herrschenden Einflusses? . . . . .
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C. Konzernrechtlicher Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Vertretene Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des übergeordneten Unternehmens . . . . . . . . . . a) Schutzrechtlicher Unternehmensbegriff der h. M. . . . . b) Organisationsrechtlicher Gegenentwurf von Mülbert . . 2. Begriff des untergeordneten Unternehmens. . . . . . . . . . II. Die Vorzugswürdigkeit eines relativen Unternehmensbegriffs. 1. Unmöglichkeit eines einheitlichen Begriffs des übergeordneten Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmöglichkeit eines einheitlichen Begriffs des untergeordneten Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmensbegriff als teleologisches Korrektiv . . . . . .
43 44
45 45 46 46 46 48 48 50 51 51 52 54 55 56 56 57 58 58 59 62 63
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66 67 67 68 69 70
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D. Zusammenfassung und Festlegung des Untersuchungsprogramms . .
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XIV
Inhaltsverzeichnis
Teil 2
Der Verein als Obergesellschaft § 4 Vereinsinterne Zuständigkeit für gruppenspezifische Maßnahmen
78
A. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Entwicklung der Holzmüller-Grundsätze im Aktienrecht . 1. Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erklärungskonzepte der Literatur . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf den Verein. . III. Exkurs: Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Rechtsformübergreifende Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . 1. Kategorisierung gruppenspezifischer Maßnahmen. . . . . . . a) Traditionelle Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problemorientierte Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . 2. Faktische Auswirkungen gruppenspezifischer Maßnahmen auf die Mitgliedschaft in der Obergesellschaft . . . . . . . . . a) Zusammenhang zwischen Recht und faktischem Substrat b) Ausgliederungsmaßnahmen: Mediatisierungseffekt . . . . c) Drittbeteiligungsmaßnahmen: Verwässerungseffekt . . . . d) Risikomaßnahmen: Vermögensverkürzungen. . . . . . . . 3. Relativierung der faktischen Beeinträchtigung aufgrund gruppenspezifischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinsrechtliche Kompetenzordnung. . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinsrechtliche Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtvermögensrechtliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückwirkung des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Vorlagepflicht des Vorstandes bei gruppenspezifischen Maßnahmen I. Zum Begriff der Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorlagepflichten aufgrund Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckänderung (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). . . . . . . . . . . . . 2. Betroffenheit des statutarischen Gegenstandes der Vereinstätigkeit (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . .
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98
Inhaltsverzeichnis
a) Gruppenweite Geltung des Verbots gegenstandswidriger Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Erfordernis einer Beteiligungsklausel . . . . . . . . . 3. Ausgliederung nach dem UmwG. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 293 Abs. 2 AktG analog) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesamtvermögensübertragung (§ 179a AktG analog) . . . . . a) Meinungsstand zum Schutzzweck des § 179a AktG . . . . b) Meinungsstand zur Analogiefähigkeit des § 179a AktG . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begründung und Reichweite einer nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herkömmliche Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . b) Ableitung aus dem Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mutmaßlicher Wille als maßgebliches Kriterium . . . . . . b) Konkretisierung für den Bereich gruppenspezifischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgliederungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drittbeteiligungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Risikomaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Flankierende Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss . . . . . . . . . . . . .
117
I. Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 117
F. Abbedingung von Vorlagepflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
I. Dispositivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anforderungen an die Abbedingung . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Rechtsfolgen und Rechtsschutz bei Verletzung der Vorlagepflicht . .
121
I. Wirksamkeit der gruppenspezifischen Maßnahme . . . . . . . . II. Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzanspruch . . . III. Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . .
121 121 122
H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
XVI
Inhaltsverzeichnis
§ 5 Vereinsrechtliche Grenzen externer wirtschaftlicher Betätigung . .
126
A. Meinungsstand und Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . .
126
I. Meinungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die teleologisch-typologische Vereinsklassenabgrenzung. 2. Die Behandlung externer wirtschaftlicher Betätigungen . a) Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft . . . b) Minderheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft . . c) Sonstige Beteiligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . II. Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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126 127 129 129 131 132 132
B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die Besonderheiten des Vereins gegenüber den Handelsvereinen 1. Gläubigerschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschüttungssperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechnungslegung und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . d) Qualitätsanforderungen und Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verkehrsschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitgliederschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sozialschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Besonderheiten wirtschaftlicher Betätigung. . . . . . . . . . 1. Ursachen unternehmerischen Risikos . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten unentgeltlichen Anbietens von Leistungen . .
133 133 133 136 139
C. Zurechnung aufgrund Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die beschränkte Kompensationsfähigkeit gesetzlicher Defizite durch privatautonome Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . II. Interessen der Vereinsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleich der Auswirkungen unternehmerischen Risikos auf die Vereinsgläubiger bei eigener bzw. externer wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigene wirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . b) Externe wirtschaftliche Betätigung. . . . . . . . . . . . . . c) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenzen für die Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktivseite: Zurechnung aufgrund der Belastung einzelner Vermögensgegenstände mit unternehmerischem Risiko . . (1) Fremdfinanzierung unternehmerischer Eigenkapitalbeteiligungen als Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . (2) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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151 151 152 153 154 154 155 156
XVII
Inhaltsverzeichnis
b) Passivseite: Zurechnung aufgrund der Haftung für unternehmerisches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ablehnung einer »konzernrechtlichen Zurechnung« . . . . . (2) Verhaltensunabhängige unbegrenzte Haftung als Zurechnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Behandlung der verhaltensunabhängigen beschränkten Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Zurechnung aufgrund sonstiger Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . .
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I. Verkehrsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitgliederschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein zwingender Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Betätigung und den Vermögensinteressen der Mitglieder . . . 2. Mitgliederschutz durch Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . III. Sozialschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wohlfahrtsökonomische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Nebentätigkeitsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Interessen der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft. . . . . . 1. Schutz durch Normativsystem der Beteiligungsgesellschaft 2. Gläubigerschutz durch verhaltensabhängige Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompensationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs im Allgemeinen. . . . 1. Maßgeblichkeit der Relation von wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfordernis eines inhaltlichen Zusammenhangs . . . . . . . II. Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs bei der externen wirtschaftlichen Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Folgen der Rechtsformverfehlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Amtslöschung gemäß § 395 FamFG . . . . . . . . . . . . . 1. Erfassung der verdeckten Rechtsformverfehlung . . . . 2. Ermessensfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Liquidationszwang. . . . . . . . . . . . . . . . b) Entbehrlichkeit eines Fortsetzungsbeschlusses . . . c) Persönliche Haftung der Mitglieder . . . . . . . . . II. Handlungsoptionen des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formwechsel nach den §§ 272 ff. UmwG . . . . . . . . 2. Fortführung als nicht rechtsfähiger Wirtschaftsverein. III. Rechte der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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175 175 176 177 177 179 179 180 180 181 181
XVIII
Inhaltsverzeichnis
1. Erzwingung der Amtslöschung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche . . . . . . . . . a) Verdeckte Rechtsformverfehlung als satzungswidriger Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abwehrklage (actio negatoria) . . . . . . . . . . . . . . (2) Actio pro socio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Austrittsrecht wegen Rechtsformverfehlung . . . . . . . . IV. Rechte der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erzwingung des Löschungsverfahrens . . . . . . . . . . . 2. Ersatzansprüche gegenüber Vorstands- und Vereinsmitglieder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung der Vorstandsmitglieder. . . . . . . . . . . . . b) Haftung der Vereinsmitglieder . . . . . . . . . . . . . .
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181 182
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182 183 183 185 187 188 188
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188 188 189
(1) Haftung als Mitglieder eines nicht eingetragenen Wirtschaftsvereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Durchgriffshaftung wegen Missbrauch der Rechtsform . . .
V. Rechte der Mitbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 190 192
G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
§ 6 Einfluss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG
198
A. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
B. Aktienkonzernrechtliche Privilegierungstatbestände . . . . . . . . .
200
I. Anwendbarkeit der aktienkonzernrechtlichen Privilegierungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingliederung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gestreckter Einzelausgleich (§ 311 Abs. 1 AktG) . . . . . . . 4. Gewinnabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen der zulässigen Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
200 200 200 203 203 204
C. Aktienkonzernrechtliche Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . .
207
I. Haftung gemäß den §§ 302 f. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung gemäß § 317 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmenseigenschaft aufgrund anderweitiger wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigene wirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . b) Externe wirtschaftliche Betätigung: Maßgeblichkeit der Gewinnbeteiligungsrelation. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmenseigenschaft aufgrund nichtwirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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208 209
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209 209
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210
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212
XIX
Inhaltsverzeichnis
3. Unternehmenseigenschaft aufgrund fremdnütziger Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung des Vereinsvorstandes gemäß §§ 309, 317 Abs. 3 AktG
213 214 214
D. Pflicht der abhängigen Aktiengesellschaft zur Erstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
§ 7 Gruppenspezifische Leitungspflichten des Vorstandes . . . . . . . .
217
A. Gruppenspezifische Leitungspflicht im Aktienrecht . . . . . . . . . .
217
I. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 218
B. Übertragbarkeit der aktienrechtlichen Grundsätze auf den Verein . .
219
I. Allgemeine Leitungspflicht des Vereinsvorstandes . . . . . . . . II. Gruppenspezifische Leitungspflicht des Vereinsvorstandes . . .
219 220
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
§ 8 Gruppenspezifische Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten . .
222
A. Verbundsunabhängige Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
I. II. III. IV. V.
Pflichten nach BGB . . . . . . Pflichten nach HGB. . . . . . Pflichten nach PublG . . . . . Steuerliche Pflichten. . . . . . Branchenspezifische Pflichten
. . . . .
222 223 224 225 225
B. Konzernrechnungslegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225
I. HGB . . . . . . . . . . . . . . II. § 11 Abs. 1 PublG . . . . . . . 1. Unternehmensbegriff . . . a) Meinungsstand . . . . . b) Stellungnahme . . . . . 2. Herrschender Einfluss . . . 3. Größenkriterien . . . . . . 4. Rechtsfolgen im Einzelnen
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225 226 226 226 228 230 230 230
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
XX
Inhaltsverzeichnis
§ 9 Gruppenspezifische Informationsrechte der Mitglieder. . . . . . . .
232
A. Informationsansprüche und -pflichten im Verein . . . . . . . . . . . .
232
I. Kollektiver Informationsanspruch der Mitgliederversammlung aus §§ 27 Abs. 3, 666 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Individuelle Informationsansprüche der Vereinsmitglieder. . . . 1. Allgemeiner Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bekanntmachungspflicht gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . .
232 233 233 234
B. Gruppenspezifische Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
I. Informationspflichten ohne Zusammenhang zu gruppenspezifischen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 1. Gruppenspezifische Reichweite des Anspruchs aus §§ 27 Abs. 3, 666 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gruppenspezifische Reichweite des Anspruchs analog § 131 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationspflichten im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehen einer Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Vorfeld der Mitgliederversammlung . . . . . . . b) In der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . 2. Nichtbestehen einer Vorlagepflicht. . . . . . . . . . . .
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235
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235
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238 238 238 240 241
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
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Teil 3
Der abhängige Verein § 10 Abhängigkeitsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244
A. Rechtsgeschäftlich-konstruktive Begründbarkeit herrschenden Einflusses über einen Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244
I. Herrschender Einfluss auf Grundlage des Normalstatuts . . II. Herrschender Einfluss aufgrund statutarischer Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung: Kategorisierung von Mitwirkungsrechten a) Entziehbarkeit vs. Unentziehbarkeit . . . . . . . . . . . b) Uneigennützigkeit vs. Eigennützigkeit . . . . . . . . . . 2. Begründbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte . . . . . a) Mitwirkungsrechte von Mitgliedern . . . . . . . . . . . b) Mitwirkungsrechte von Dritten. . . . . . . . . . . . . .
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244
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245 246 246 247 248 248 249
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XXI
Inhaltsverzeichnis
(1) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Unentziehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelne statutarische Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . a) Mehrfachstimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weisungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestellungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zustimmungsrechte zu Geschäftsführungsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Mitwirkungsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschränkungen der Satzungshoheit . . . . . . . . . . . . . 4. Beständigkeit statutarischer Mitwirkungsrechte . . . . . . . . III. Besonderheiten im Verhältnis von Mitgliedsverein und Dachverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten im Verhältnis von Zweigverein und Hauptverein B. Im Zusammenhang mit der Abhängigkeitsbegründung relevante Zulässigkeitsschranken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausdrückliche statutarische Vorkehrungen . . . . . . . . . . II. Ungeschriebene Zulässigkeitsschranken . . . . . . . . . . . . 1. Diskussionsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prinzip der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . . b) Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . c) Treupflichtbasiertes Abhängigkeitsbegründungsverbot 2. Ablehnung der Disposition der Mitgliedergesamtheit entzogener Zulässigkeitsschranken. . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Legitimation des Prinzips der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrelevanz von Gläubigerinteressen. . . . . . . . . . . .
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249 250 253 253 253 254 254 255 255 256 256 257 258 260
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260 261 262 262 265 266
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267
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267 270
(1) Kein Abhängigkeitsbegründungsverbot im Gläubigerinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte im Gläubigerinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Gleichbehandlungsgrundsatz als nicht abhängigkeitsspezifische Zulässigkeitsschranke bei der Begründung von Vorzugsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbandszweck als maßgebliche Schranke der Abhängigkeitsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aus dem normtypischen Verbandszweck abzuleitende Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan als Grundlage eines Abhängigkeitsbegründungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270 270
272 273 274 274
XXII
Inhaltsverzeichnis
(2) Normtypisches Formalziel als Grundlage eines Verbots eigennütziger Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . .
276
b) Überwindbarkeit der aus dem Verbandszweck abzuleitenden Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
(1) Einfacher und qualifizierter Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dispens vom Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte . . . (3) Anforderungen an die Verbandszweckänderung . . . . . . .
277 278 280
c) Keine organschaftliche Stellung des Inhabers von Mitwirkungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen der Missachtung der Vorgaben des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281 282
(1) Abhängigkeitsbegründung durch Zugriff auf fremde Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abhängigkeitsbegründung durch statutarische Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlussfeststellung . . . . . . .
284 286
C. Abschluss eines Beherrschungsvertrags analog § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
I. II. III. IV.
Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis von Satzung und Beherrschungsvertrag Wirksamkeitsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . Änderung und Beendigung des Vertrags . . . . . .
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283
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288 289 291 292
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
§ 11 Im Interesse der außenstehenden Mitglieder bestehende Grenzen der Einflussnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
I. Fehlen gesetzlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296 297
B. Unanwendbarkeit der §§ 117, 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . .
297
C. Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . .
298
I. Relevanz des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung neben dem Abhängigkeitsbegründungsverbot. II. Herleitung des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erstreckung des Verbots auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfluss aufgrund statutarischen Mitwirkungsrechts . . . 2. Einfluss aufgrund des Zugriffs auf fremde Stimmrechte. .
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298
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299 301 301 301
. . . .
XXIII
Inhaltsverzeichnis
D. Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung des Schädigungsverbots aus der Verpflichtung auf das Formalziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erstreckung der Formalzielbindung auf Dritte . . . . . . . . . 1. Einfluss aufgrund statutarischer Mitwirkungsrechte . . . . 2. Einfluss aufgrund des Zugriffs auf fremde Stimmrechte. . . III. Konkretisierung des Schädigungsverbots. . . . . . . . . . . . . 1. Verbot schädigender Einflussnahme (Verbot endogener Schädigungen) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot exogener Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten beim Bestehen eines atypischen Formalziels IV. Schwächen des Schädigungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einzelfallbezogener Dispens vom Schädigungsverbot . . . . . 1. Dispositivität des Schädigungsverbots. . . . . . . . . . . . . a) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abweichende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formelle Anforderungen an den Dispens vom Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmung sämtlicher Mitglieder. . . . . . . . . . . . . b) Eintragungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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306 307 308 308 310 311 311 311 311 313
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316 316 316 317
(a) Meinungsbild bezüglich satzungsdurchbrechender Beschlüsse im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . (b) Meinungsbild bezüglich des Eintragungserfordernisses beim Dispens vom Schädigungsverbot im Besonderen . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Normverstoß und Normänderung als unterschiedliche Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Teleologische Reduktion des Eintragungserfordernisses
318 322
3. Bedeutung des Einzelfalldispenses bei Verstößen gegen zwingendes Gläubigerschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
323
E. Vorbeugung und Sanktionierung von Grenzüberschreitungen . . . .
324
I. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegenüber verbotswidriger Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einflussnahme in der Mitgliederversammlung: Anfechtbarkeit verbotswidriger Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung: Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegenüber dem Inhaber herrschenden Einflusses a) Rechte des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317 318 318
324 324
325 325
XXIV
Inhaltsverzeichnis
b) Rechte der außenstehenden Mitglieder . . . . . . . . . . . . 3. Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder und den Verein . . a) Rechte des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte der außenstehenden Mitglieder . . . . . . . . . . . . II. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegenüber exogener Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs. . . . . . . . a) Anforderungen des § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei der Einflussnahme in der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten beim Verstoß gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . 2. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Behandlung von Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen das Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten der Vermögensvermischung . . . . . . . .
326 327 328 328 329 329 329 329 330 332 333 334 334 336 336 339
F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
§ 12 Im Interesse der Gläubiger bestehende Grenzen der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
A. Fehlen gesetzlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
B. Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
I. Diskussionsstand im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Diskussionsstand im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BGH: Vom qualifiziert faktischen Konzern zur Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . 2. Meinungsbild in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . III. Diskussionsstand zur Vermögensvermischung und Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsbild in der Literatur. . . . . . . . . . . . . 2. Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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345 345 347 348
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348 351
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353 353 353 354 355
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Inhaltsverzeichnis
XXV
a) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsbild in der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . .
355 356
C. Existenzvernichtungsverbot als rechtsformübergreifendes Grundinstitut des Gläubigerschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
I. Grundlegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Existenzvernichtungsverbot als Korrelat der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine selbstständige Bedeutung der Vermögensvermischung und der materiellen Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . 3. Begriff der Existenzvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Herleitung des Existenzvernichtungsverbots . . . . 1. Bewertung der vertretenen Begründungsansätze . . . . . . . . 2. Gesetzliche Anhaltspunkte für eine besondere Zweckbindung des Fremdkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Liquidations- und insolvenzrechtliche Wertungen . . . . . b) Vorschriften betreffend der Abdingbarkeit der Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gleichklang von zwingender Geschäftsleiterhaftung und zwingendem Verantwortungsbereich der Mitglieder . . . . . (2) Die Wertungen der §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG im Einzelnen. . . . . . . (3) Einordnung des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsleiters . . . d) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein abschließender Charakter der Kapitalerhaltungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots . . . . . . . . . . . 1. Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme: Abgrenzung zum Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parallele zum Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschied zum Schädigungsverbot: Formalzielunabhängigkeit des Nachteilsbegriffs . . . . . . 2. Qualifizierte Geeignetheit zur Vernichtung von Fremdkapital: Abgrenzung zur bloßen Eigenkapitalvernichtung . . . . . . . a) Erfordernis der Prognose zum Zeitpunkt der Veranlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Fremdkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mittelbare und unmittelbare Einwirkungen auf das Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Benachteiligungsvorsatz: Abgrenzung zu »Managementfehlern« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358 358 359 360 360 360 362 362 363 363 364 366 367 371 371 372 372 372 373 375 375 376 377 378
XXVI
Inhaltsverzeichnis
V. Einordnung der materiellen Unterkapitalisierung und der insolvenznahen Spekulation zulasten der Gläubiger. . . . 1. Materielle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenznahe Spekulation zulasten der Gläubiger. . . VI. Indisponibilität des Existenzvernichtungsverbots . . . . .
. . . .
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380 380 382 384
D. Verhinderung und Sanktionierung von Verstößen gegen das Existenzvernichtungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
I. Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorzugswürdigkeit einer Schadensersatzinnenhaftung aus § 280 Abs. 1 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überlegenheit der Schadensersatzhaftung gegenüber der Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorzugswürdigkeit von § 280 Abs. 1 BGB gegenüber § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wahl zwischen Innen- und Außenhaftung . . . . . . . . 2. Haftungsvoraussetzungen und -umfang. . . . . . . . . . . . a) Haftungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Behandlung von Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Vermögensvermischung. . . . . . . . II. Verbotswidriger Beschluss der Mitgliederversammlung . . . . III. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche . . . . . . . . . . .
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387 389 391 391 391 392 392 392 394 395 395 395
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
397
Teil 4
Der Verein im Gleichordnungskonzern § 13 Der Verein als Spitze eines Gleichordnungskonzerns . . . . . . . .
402
A. Verein als Koordinationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
402
B. Vereinbarkeit der Konzernleitung mit § 21 BGB . . . . . . . . . . . .
403
C. Haftung des konzernleitenden Vereins. . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405
Inhaltsverzeichnis
XXVII
§ 14 Der Verein als gleichgeordneter Verband . . . . . . . . . . . . . . .
406
A. Einbindung des Vereins in einen Gleichordnungskonzern . . . . . . .
406
I. Begründung einheitlicher Leitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zum Unterordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . III. Mitwirkung der Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . . .
406 407 408
B. Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410
I. Möglichkeit nachteiliger Weisungen. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410 411
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
437
§ 1 Einleitung A. Einführung Wurde dem Vereinsrecht noch im Jahr 1968 eine »stiefmütterliche Behandlung« durch das rechtswissenschaftliche Schrifttum attestiert,1 hat es im Zuge der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung von Vereinen inzwischen deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Auslöser hierfür war zunächst das ADAC-Urteil 2 des BGH aus dem Jahr 1982, welches Anlass für eine ganze Reihe von Stellungnahmen war.3 Noch stärkere literarische Aktivitäten rief die Ende der 90er Jahre einsetzende Umstrukturierung der Vereine der Fußball-Bundesliga hervor. 4 In jüngster Zeit schließlich ist das Vereinsrecht als Bestandteil des sich zunehmender Aufmerksamkeit erfreuenden Rechts der Nonprofit-Organisationen in den Fokus gerückt.5 Noch vergleichsweise wenig Beachtung wurde hingegen dem Umstand geschenkt, dass Vereine 6 im Zuge ihrer steigenden unternehmerischen Bedeutung häufig in Unternehmensgruppen eingebunden werden.7 Während das Schrifttum zum Konzernrecht der Handelsgesellschaften ausufernd ist und selbst das 1
R. Fischer, Anmerkung bei LM Nr. 8 zu § 25 BGB. BGHZ 85, 84. 3 Hemmerich, Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen, 1982; dies., BB 1983, 26; K. Schmidt, NJW 1983, 543; ders., Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984; ders., AcP 182 (1982), 1 ff.; Reuter, ZIP 1984, 1052; Schultz, JZ 1984, 90. 4 Menke, Die wirtschaftliche Betätigung nichtwirtschaftlicher Vereine, 1998; Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG?, 1999; M. Müller, Der deutsche Berufsfußball – vom Idealverein zur Kapitalgesellschaft, (2000); Nahrwold, Die wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen am Beispiel der Ausgliederungsvorhaben der Fußballbundesligavereine, 2003; Balzer, ZIP 2001, 175; Heermann, ZIP 1998, 1249; Segna, ZIP 1997, 1901; Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169; dies., SpuRt 1998, 226; Wagner, NZG 1999, 469. Als weitere umfassende Untersuchungen zu nennen sind Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft beim Idealverein, 1999; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002. 5 Hopt/von Hippe/Walz (Hrsg.), Nonprofit-Organisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, 2005; Voigt, Idealvereine und andere Nonprofit-Organisationen im Wettbewerbsrecht, 2006; v. Hippel; Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007; Kohl (Hrsg.), Zwischen Markt und Staat: Gedächtnisschrift für Rainer Walz, 2008. 6 Mit dem Begriff des Vereins ist im Folgenden, soweit nicht anderweitig kennzeichnet, der eingetragene Verein im Sinne der §§ 21, 55 ff. BGB gemeint. 7 Heermann, ZHR 161 (1997), 665, 696: »Schattendasein«. 2
2
§ 1 Einleitung
Konzernrecht der Stiftung vielfach beleuchtet wurde, 8 war das Konzernrecht des Vereins bisher nur ganz vereinzelt Gegenstand der literarischen Aufarbeitung.9 Dabei existieren insbesondere im Zusammenhang mit der Rolle des Vereins als Konzernspitze eine ganze Reihe von Problemen, die von größter praktischer Bedeutung sind. Nur beispielhaft sei auf die Frage verwiesen, inwieweit die Holzmüller-Grundsätze10 auch beim Verein Anwendung finden und daher deren Vorstände zwingen, im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen die Mitgliederversammlung zu befragen. Der abhängige Verein spielt zwar in der Rechtspraxis eine vergleichsweise geringe Rolle. Die Kolping-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 200711 hat jedoch gezeigt, dass Abhängigkeitsstrukturen auch beim Verein denkbar sind und speziell unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes dieselben Fragen aufwerfen, die auch im Konzernrecht der Handelsgesellschaften diskutiert werden.12 Jenseits der praktischen Bedeutung von Vereinskonzernen liegt ein besonderer Reiz der vorliegenden Themenstellung darin, dass Konzernrecht stets brennglasartig eine Vielzahl von Problemfeldern des allgemeinen Gesellschaftsbzw. Verbandsrechts bündelt. Exemplarisch seien die Fragen nach den Bestandteilen des Verbandszwecks, der Anerkennung und Reichweite des Instituts der actio pro socio oder der Behandlung satzungsdurchbrechender Beschlüsse genannt. Aufgrund der Stellung des Vereins als Grundtypus der privatrechtlichen Körperschaft bietet die Auseinandersetzung mit dem Konzernrecht des Vereins die Möglichkeit, Grundzüge des Konzernrechts herauszuarbeiten. Reizvoll sind hierbei insbesondere die große Vielfalt von Vereinszwecken sowie die umfangreiche Satzungsfreiheit des Vereinsrechts, welche dazu zwingen, konzernrechtliche Problemstellungen in einen größeren Kontext einzubetten. Der damit verbundene Erkenntnisgewinn kann auch im Konzernrecht der Handelsvereine fruchtbar gemacht werden, wo entsprechende Problemstellungen häufig nur ausschnittartig behandelt werden. Beispielhaft sei die Problematik statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter genannt, die sich wegen der aktienrechtlichen Satzungsstrenge für die Aktiengesellschaft in dieser Allgemeinheit nicht stellt, gleichwohl aber in Form des Beherrschungsvertrags eine Entsprechung findet. 8 Schwintowski, NJW 1991, 2736; Kohl, NJW 1992, 1922; Schlinkert, Unternehmensstiftung und Konzernleitung, 1995; Künnemann, Die Stiftung im System des UnterordnungsKonzerns, 1996; Schumacher, Die konzernverbundene Stiftung, 1999; Heinzelmann, Die Stiftung im Konzern, 2003; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 38; Gummert in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, §§ 113–115. 9 Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, 1998; Sprengel, Vereinskonzernrecht, 1998; Grunewald, FS Raiser, 2005, S. 99; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37. 10 BGHZ 83, 122. 11 BGHZ 175, 12. 12 Hierzu (ohne konzernrechtliche Verengung) Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349 ff.
§ 1 Einleitung
3
B. Themenbegrenzung Die skizzierte Breite des erforderlichen Untersuchungsprogramms zwingt andererseits zu Themenbegrenzungen: Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf den eingetragenen Verein im Sinne der §§ 21, 55 ff. BGB. Nicht behandelt werden der konzessionierte Wirtschaftsverein im Sinne von § 22 BGB und der in den §§ 15 ff. VAG geregelte Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Ersterer hat kaum praktische Relevanz.13 Letzterer ist zwar angesichts der starken Verflechtung in der Versicherungswirtschaft durchaus auch von konzernrechtlichem Interesse.14 Da die Verbandsstruktur des VVaG jedoch stark der der Aktiengesellschaft angeglichen ist, handelt es sich insoweit um eine Sonderthematik, die es nicht sinnvoll erscheinen lässt, ihr im Zusammenhang mit dem Konzernrecht des BGB-Vereins nachzugehen.15 Ebenfalls nicht in die Untersuchung einbezogen wird der nichtrechtsfähige (besser: nicht eingetragene16) Verein im Sinne von § 54 BGB. Als Wirtschaftsfaktor und Bestandteil von Konzernen spielt er eine geringe Rolle. Eine Ausnahme bilden allein die großen politischen Parteien, welche mit Ausnahme der Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. (CSU) allesamt als nicht eingetragene Vereine organisiert sind und zum Teil über erheblichen Beteiligungsbesitz verfügen.17 Insoweit muss der Hinweis genügen, dass bezüglich der konzernrechtlichen Behandlung des nicht eingetragenen Vereins im Vergleich zum eingetragenen Verein kaum relevante Abweichungen zu erwarten sind. Da nach nahezu einhelliger Auffassung entgegen § 54 S. 1 BGB auch auf Erstere die §§ 21 ff. BGB anzuwenden sind, unterscheidet sich seine Organisationsstruktur nicht von der des eingetragenen Vereins.18 Gleiches gilt aufgrund der anerkannten Rechtssubjektivität des nicht eingetragenen Vereins bezüglich der Vermögensbindung und im Wesentlichen auch bezüglich der Haftungsverfassung.19 Die Unterschiede beschränken sich hiernach auf Problemstellungen, die im Zusammenhang mit dem Eintragungserfordernis stehen.
13 Vgl. BMJ, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts vom 25. 8. 2004, S. 1, 18 f., der eine Streichung von § 22 BGB vorsah. Siehe aber Reuter, NZG 2005, 738, 744. 14 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 42 II 4 (S. 1282). 15 Zum VVaG als verbundenem Unternehmen Dreher, FS 100 Jahre Stuttgarter Lebensversicherung, S. 139 ff., Weigel in: Prölss/Kölschbach/Kollhosser, VAG, Vor § 15 Rn. 56 ff. 16 Reuter, NZG 2004, 217. 17 Zum Beteiligungsbesitz der SPD siehe den Geschäftsbericht der Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (abrufbar unter: http://www.ddvg.de/wirtschaftsdaten/geschaeftsbericht2008.pdf). 18 BGHZ 50, 325, 329. 19 Statt vieler Soergel/Hadding, § 54 Rn. 16 ff., 21 ff. (dort auch zu den Besonderheiten der Haftung im nicht eingetragenen Wirtschaftsverein).
4
§ 1 Einleitung
C. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung gliedert sich in vier Teile. In einem ersten Grundlagenteil werden die einschlägigen Rechtstatsachen skizziert und der Gegenstand und die Funktion des Konzernrechts beleuchtet. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Verein als Obergesellschaft, der dritte Teil mit dem abhängigen Verein. Im vierten Teil wird kurz die Rolle des Vereins im Gleichordnungskonzern beleuchtet.
Teil 1
Grundlagen Der folgende Grundlagenteil gibt zunächst einen kurzen Überblick über die das Vereinskonzernrecht betreffenden Rechtstatsachen (§ 2), um sich sodann dem Gegenstand und der Funktion des Konzernrechts zuzuwenden (§ 3).
§ 2 Rechtstatsachen Die nachfolgenden rechtstatsächlichen Ausführungen betreffend die Beteiligung von Vereinen an Unternehmens- bzw. Rechtsträgerverbindungen erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern dienen allein dazu, anhand einiger Beispiele den Anwendungsbereich des Vereinskonzernrechts aufzuzeigen.1 Zur Verdeutlichung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung entsprechender Strukturen werden dabei auch einige Kennzahlen wie Umsätze, Mitglieder- und Mitarbeiterzahlen genannt.
A. Herrschende Vereine I. Zur Entstehung von Holdingvereinen Die Mehrheitsbeteiligung von Vereinen an anderen Gesellschaften, insbesondere Kapitalgesellschaften, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Die Entstehungsgeschichten entsprechender Strukturen ähneln sich dabei meist. In der Regel sind die Beteiligungen das Ergebnis der Ausgliederung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe, die im Zusammenhang mit der ideellen Zweckverfolgung entstanden, über die Jahre aber in einem Umfang gewachsen sind, die ihre Überführung in Tochtergesellschaften notwendig oder zumindest zweckmäßig hat erscheinen lassen. Ein Grund für die Ausgliederung ist hierbei meist die Gefahr der Rechtsformverfehlung. 2 Daneben spielen häufig aber auch die durch die Ausgliederung verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten eine Rolle.3 Ist Träger des Geschäftsbetriebs eine Kapital- bzw. Handelsgesellschaft, können andere 1 Weitergehende rechtstatsächliche Nachweise bei Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 29 ff.; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 15 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 79 ff.; Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 3 ff.; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 14 ff.; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 26 ff. 2 Vgl. Segna, ZIP 1997, 1901, 1903 f.; Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 3; Teichmann, Strategie und Erfolg von Fußballunternehmen, S. 117 f. Auch die Verantwortlichen der Fußball-Bundesliga-Vereine begründeten die Ausgliederungspläne gegenüber den jeweiligen Mitgliederversammlungen meist mit dem Aspekt der Rechtsformverfehlung (statt vieler Dr. Gerd Niebaum, seinerzeit Präsident des Borussia Dortmund e.V., in der FAZ vom 27. 10. 1998, Nr. 249, S. 40). Zur Frage, ob die Ausgliederung geeignet ist, den Tatbestand der Rechtsformverfehlung zu vermeiden ausführlich in § 5. 3 Zur umfangreichen Diskussion um die Zweckmäßigkeit der Ausgliederung der Lizenz-
§ 2 Rechtstatsachen
7
Investoren hieran im Wege der Privatplatzierungen oder sogar im Rahmen eines Börsengangs beteiligt werden. 4 Schließlich kann auch die Sorge vor dem Verlust des steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsprivilegs ein Beweggrund für die Ausgliederung sein.5
II. Beispiele 1. ADAC Beim »Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V.« (ADAC) handelt es sich wohl um das bekannteste Beispiel eines Vereinskonzerns. Dies verdankt er u. a. dem bereits angesprochenen ADAC-Urteil des BGH aus dem Jahr 1982, welches sich mit der Frage befasste, ob die wirtschaftliche Betätigung in Tochtergesellschaften dem Holding-Verein im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung zuzurechnen ist. 6 Juristische Aufmerksamkeit erfuhr die Struktur des ADAC zudem im Jahr 2003, als das LG München darüber zu entscheiden hatte, ob der ADAC nach den Vorschriften des PublG (konzern-)rechnungslegungspflichtig ist.7 Die heutige Struktur der ADAC-Gruppe sieht so aus, dass der Verein unmittelbarer und alleiniger Gesellschafter der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH, der ADAC-Luftrettung GmbH und der ADAC Stiftung »Gelber Engel« GmbH ist. Bei der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH handelt es sich um eine Zwischenholding, in der die Beteiligungen an insgesamt 22 weiteren Gesellschaften gebündelt werden. Unter diesen Gesellschaften, die überwiegend als deutsche oder ausländische Kapitalgesellschaften organisiert sind, befinden sich unter anderem 100%-ige Beteiligungen an der ADAC-Rechtsschutz Versicherungs-AG, der ADAC-Schutzbrief Versicherungs-AG, der ADAC Autovermietung GmbH, der ADAC Verlag GmbH, der sportabteilungen der 1. Fußball-Bundesliga u. a. Teichmann, Strategie und Erfolg von Fußballunternehmen, S. 126 ff. 4 Zum Börsengang der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA Wertenbruch, FAZ 28. 10. 1998, Nr. 250, S. 40. 5 Im Einzelnen Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 75 ff., 119 ff. Nicht recht plausibel demgegenüber der Verweis auf die professionelleren Corporate Governance-Strukturen der Kapitalgesellschaften (Kipker, Die ökonomische Strukturierung von Teamsportwettbewerben, S. 78; Teichmann, Strategie und Erfolg von Fußballunternehmen, S. 119 f.), da die durch das Vereinsrecht gewährte Satzungsfreiheit die Implementierung entsprechender Strukturen ohne weiteres ermöglicht (vgl. Wagner, NZG 1999, 469, 471). Ebenso wenig überzeugend der auf die ökonomische Theorie gestützte Hinweis, die Ausgliederung auf Kapitalgesellschaften verbessere die Anreizstruktur und verringere den Prinzipal-Agenten-Konflikt (Teichmann, Strategie und Erfolg von Fußballunternehmen, 118 ff.). Die Ausgliederung als solche lässt die Funktionärsherrschaft unberührt und führt insbesondere nicht dazu, dass die Vereinsmitglieder am wirtschaftlichen Erfolg der Geschäftsbetriebe beteiligt werden. 6 BGHZ 85, 84. Näher hierzu in § 5. 7 LG München DB 2003, 1316. Näher hierzu § 8.
8
Teil 1: Grundlagen
Finanzdienste GmbH sowie eine 49%-ige Beteiligung an der ADAC Autoversicherungs AG. Die Mitgliederzahl des ADAC ist im Jahr 2007 erstmals über 16 Mio. gestiegen. 8 Das Beitragsaufkommen betrug in diesem Jahr 610 Mio. Euro. Für die ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH wurde für das Jahr 2006 ein Umsatz von mehr als 900 Mio. Euro sowie ein Jahresüberschuss von 17,47 Mio. Euro mitgeteilt. Die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter (wohl der gesamten Gruppe) belief sich im Jahr 2007 auf 7.950. 2. Profifußball Von Vereinen angeführte Unternehmensgruppen finden sich auch im Bereich des Profisports. Speziell im Profifußball kam es zu deren Entstehung, nachdem durch die Reform der Statuten des Deutsche Fußball-Bund e.V. im Jahr 1998 den Vereinen der Fußballbundesliga gestattet wurde, ihre Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften auszugliedern.9 In der Saison 2003/04 hatten bereits 12 von 18 Vereinen der 1. Fußball-Bundesliga von der Möglichkeit der Ausgliederung Gebrauch gemacht.10 Exemplarisch sei der FC Bayern München e.V. herausgegriffen, der im Jahr 2002 seinen Lizenzfußballbereich zusammen mit der ersten Amateurmannschaft, den A- und B-Junioren sowie der Frauenfußball-Abteilung in die FC Bayern München AG ausgegliedert hat.11 Einen Anteil von 10% der Aktien übertrug der Verein anschließend gegen einen Kaufpreis von 77 Mio. Euro an die Adidas AG.12 Im Jahr 2009 wurde mit der Audi AG vereinbart, dass diese in drei Schritten, die unter anderem auch eine Kapitalerhöhung einschließen, für insgesamt 90 Mio. Euro weitere 9,09% an der Bayern München AG erwerben soll.13 Die FC Bayern München AG ist ihrerseits Anteilseignerin der Allianz Arena München Stadion GmbH, die das Münchener Stadion Allianz Arena für 340 Mio. Euro erbaute und betreibt. Bis zum Jahr 2006 war an dieser GmbH auch die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA mit 50% beteiligt, die ihre Beteiligung jedoch aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten für 11 Mio. Euro an die FC Bayern München AG veräußert hat.14 Im Geschäftsjahr 2008/ 2009 betrug der gemeinsame Umsatz der FC Bayern München AG und der Allianz Arena München Stadion GmbH 303,8 Mio. Euro, der gemeinsame Ge-
8 9
Die folgenden Angaben stammen aus Die WELT v. 27. 6. 2008, Nr. 149, S. 14. Wagner, NZG 1999, 469, 470 f.; Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze,
S. 3. 10 11 12 13 14
Teichmann, Strategie und Erfolg von Fußballunternehmen, S. 259. Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 4 f. FAZ v. 16. 02. 2002, Nr. 40, S. 16. Handelsblatt v. 21. 9. 2009, Nr. 181, S. 24; Handelsblatt v. 27. 11. 2009, Nr. 230, S. 24. FAZ v. 28. 04. 2006, Nr. 99, S. 32.
§ 2 Rechtstatsachen
9
winn vor Steuern 1,2 Mio. Euro. Als Eigenkapital der FC Bayern München AG werden im Jahresabschluss 2008/2009 177,5 Mio. Euro ausgewiesen.15 Laut Angaben der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH in deren Wirtschaftsbericht 201016 haben die 36 Vereine- bzw. Kapitalgesellschaften der 1. und 2. Fußball-Bundesliga (so genannte Lizenznehmer) in der Saison 2008/2009 insgesamt über 2 Mrd. Euro umgesetzt. Der weitaus größte Anteil entfällt hierbei mit 1,7 Mrd. Euro auf die Lizenznehmer der 1. Bundesliga. Der konsolidierte Gewinn nach Steuern betrug 11,3 Mio. Euro, die Zahl der vollzeitig beschäftigten Mitarbeiter der Lizenznehmer (einschließlich deren Tochtergesellschaften) 4.331. In der Summe verfügen die Lizenznehmer über Eigenkapital in Höhe von 531 Mio. Euro.17 3. Sachverständigenorganisationen Der Verein DEKRA e.V. wurde 1925 als Deutscher Kraftfahrzeugs-Überwachungs-Verein gegründet. Im Jahr 1998 gliederte der Verein seine Geschäftstätigkeit auf die DEKRA AG aus, deren alleiniger Aktionär er seither ist.18 Die DEKRA AG fungiert ihrerseits als Holding für die jeweils auf verschiedene Geschäftsbereiche spezialisierten Zwischenholding-Gesellschaften, die DEKRA Automotive S. E. (Fahrzeugprüfung, Gutachten, Beratung), die DEKRA Automotive International GmbH (internationales Fahrzeugprüfgeschäft), die DEKRA Industrial GmbH (Anlagen- und Betriebssicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz, Baugutachten, Produktprüfung sowie Zertifizierung) und die DEKRA Personnel GmbH (Aus- und Weiterbildung, Zeitarbeit, Personaldienstleistungen).19 Insgesamt verfügt die Unternehmensgruppe über 166 Tochtergesellschaften und Beteiligungen im In- und Ausland. Für das Geschäftsjahr 2008 weist die Konzernbilanz ein Eigenkapital von 221.358 Mio. Euro aus. Der Gesamtumsatz wird mit 1,3 Mrd. Euro, das Ergebnis vor Steuern mit 73,1 Mio. Euro angegeben. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl betrug im Jahr 2008 knapp über 20.000.
15 Die Angaben entstammen dem Jahresabschluss der FC Bayern München AG für das Geschäftsjahr 2008/2009 (abrufbar unter: http://www.fcbayern.t-home.de/media/native/ pressemitteilungen/bilanz_0809.pdf). 16 Abrufbar unter: http://www.bundesliga.de/de/liga/news/2009/index.php?f=0000145 639.php&fla=1. Bei der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH handelt es sich um eine Tochtergesellschaft des Ligaverbandes (Die Liga – Fußballverband e.V.). 17 Es besteht jedoch ein starkes Gefälle zwischen den Lizenznehmern der 1. Bundesliga, die im Schnitt über eine Eigenkapitalquote von 35,5% verfügen, und den Lizenznehmern der 2. Bundesliga, deren durchschnittliche Eigenkapitalquote bei lediglich 6,1% liegt. 18 Vgl. FAZ, 10. 07. 1998, Nr. 157, S. 24. 19 Diese und die nachfolgenden Angaben entstammen dem DEKRA Geschäftsbericht 2008 (abrufbar unter: http://www.dekra.de/de/c/document_library/get_file?folderId=3035 150&name=DLFE-8062.pdf).
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Teil 1: Grundlagen
Die Technischen Überwachungs-Vereine (TÜV) wurden im 19. Jahrhundert von Wirtschaftsunternehmen mit überwachungsbedürftigen Anlagen gegründet. Im Laufe der Zeit haben sie ihre Geschäftstätigkeit auf Kapitalgesellschaften ausgegliedert, die nunmehr umfassende Aufgaben auf den Gebieten der Kfz-, Geräte- und Produktsicherheit wahrnehmen. In Folge verschiedener Fusionen wird der Markt nunmehr durch die TÜV Süd AG, die TÜV Rheinland Holding AG und die TÜV Nord AG dominiert. Sämtliche Aktien werden jedoch nach wie vor von Vereinen gehalten. Im Fall des Marktführers, der TÜV Süd AG, ist alleiniger Eigentümer der TÜV SÜD e.V.20 Im Konzernabschluss der TÜV Süd AG für das Geschäftsjahr 2008 werden 31 inländische und 42 ausländische Gesellschaften konsolidiert. Der Umsatz wird mit 1,365 Mrd. Euro, das Ergebnis vor Steuern mit 106,7 Mio. Euro angegeben. Das Konzerneigenkapital betrug zum 31. 12. 2007 377.493 Mio. Euro, die Mitarbeiterzahl lag bei über 14.000. 4. Freie Wohlfahrtspfl ege Auf umfangreiche gesellschaftsrechtliche Beteiligungen von Vereinen trifft man ferner im Bereich der freien Wohlfahrtspflege. Hierzu zählen insbesondere die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritasverband, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz und das Diakonische Werk. Sowohl die Anzahl der Mitarbeiter in der freien Wohlfahrtspflege als auch die erzielten Umsätze sind immens. Nach Schätzungen beschäftigen allein die Caritas und die Diakonie insgesamt knapp 1 Mio. Mitarbeiter. 21 Auch die im Bereich der freien Wohlfahrtspflege erzielten Umsätze liegen im Milliardenbereich. 22 Unter dem Dach der Wohlfahrtsverbände werden die Aufgaben der Wohlfahrtspflege häufig von einer Vielzahl rechtlich selbstständiger Organisationen wahrgenommen. Exemplarisch sei auf den Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Baden-Württemberg e.V. verwiesen, der in seiner Tochtergesellschaft, Die Paritätische Managementgesellschaft mbH, 31 Gesellschaften und Beteiligungen (überwiegend in der Rechtsform der GmbH) bündelt. 23
20 Die nachfolgenden Angaben entstammen dem Geschäftsbericht der TÜV Süd AG 2008 (abrufbar unter: https://www.tuev-sued.de/tuev_sued_konzern/ueber_tuev_sued/wir_ueb er_uns/geschaeftsbericht). Um die »Unabhängigkeit und Neutralität des TÜV SÜD-Konzernes« zu gewährleisten, wurden sämtliche Aktienrechte an den unabhängigen Gesellschafterausschuss, die TÜV SÜD Gesellschafterausschuss GbR, übertragen. Wie sich dieser Gesellschafterausschuss zusammensetzt, ist unklar. 21 FAZ v. 21. 5. 2007, Nr. 116, S. 11. 22 FAS v. 3. 12. 2006, Nr. 48, S. 38 f. 23 Quelle: http://www.paritaet-bw.de/lgst/ueberuns/pmg.php (Abruf am 1. 3. 2010).
§ 2 Rechtstatsachen
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5. GfK Die GfK wurde 1934 als GfK-Nürnberg Gesellschaft für Konsumforschung e.V. an der Universität Nürnberg gegründet. 24 1984 erfolgte die Ausgliederung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf die GfK GmbH, die 1990 in die GfK AG umgewandelt wurde und seit 1999 börsennotiert ist. Im Jahr 2009 erfolgte die Umwandlung in eine Europäische Gesellschaft (SE). Der Verein, der heute unter dem Namen »GfK-Nürnberg, Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V.« (GfK e.V.) firmiert, hält noch knapp 57% der Aktien der GfK SE. 25 Der Konsolidierungskreis der GfK-Gruppe umfasst 136 Tochtergesellschaften in über 100 Ländern. Der Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2008 weist einen Umsatz von 1,2 Mrd. Euro, ein Ergebnis nach Steuern von 82 Mio. Euro und ein Konzerneigenkapital von 500,3 Mio. Euro aus. Die Mitarbeiterzahl wird mit knapp über 9.000 angegeben. Aus der konzernrechtlichen Perspektive interessant ist die im Jahr 2008 unter großem Medienecho angekündigte Fusion der GfK AG mit ihrem englischen Konkurrenten Taylor Nelson Sofres plc. (TNS). 26 Der ursprüngliche Plan zur Umsetzung der Fusion beinhaltete, dass die TNS den Aktionären der GfK AG ein öffentliches Angebot macht, ihre Aktien gegen Aktien an der TNS zu tauschen. Besondere Aufmerksamkeit fand in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit die Mitglieder des GfK e.V., zu denen neben der Stadt Nürnberg und dem Freistaat Bayern weitere bayerische Kommunen gehören, in der Mitgliederversammlung einem solchen Vorgehen zustimmen werden. 27 Die Zustimmung war umstritten, da auf politischer Ebene eine Schwächung des Standorts Nürnberg befürchtet wurde. Letztendlich sind die Fusionspläne allerdings daran gescheitert, dass ein Konkurrent den Aktionären der TNS ein feindliches Übernahmeangebot unterbreitet hat. 28 6. Familienkonzerne Im vereinsrechtlichen Schrifttum werden schließlich immer wieder so genannte Familienkonzerne erwähnt, bei denen ein Verein als Holding für ein Familienunternehmen dient. 29 Ob es sich hierbei um eine (heute noch) praktisch relevante Gestaltung handelt, darf indes bezweifelt werden. Die in diesem Zusam24 Dies sowie die nachfolgenden Angaben entstammen, soweit nicht anderweitig gekennzeichnet, dem Geschäftsbericht der GfK AG für das Geschäftsjahr 2008 (abrufbar unter: http://www.gfk.com/ gb2008/index.de.html). 25 Quelle: http://www.gfk.com/group/investor/share/shareholder_structure/index.de. html (Abruf am 1. 3. 2010). 26 FAZ v. 30. 4. 2008, Nr. 101, S. 19. 27 FAZ v. 1. 7. 2008, Nr. 151, S. 15; FAZ v. 5. 7. 2008, Nr. 155, S. 18 und FAS v. 6. 7. 2008, Nr. 27, S. 35. 28 FAZ v. 28. 8. 2008, Nr. 201, S. 18. 29 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 5; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22.
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menhang immer wieder erwähnten Beispiele der Spießhofer & Braun e.V. als Spitze der Triumph International Gruppe und des Schickedanz e.V. als Konzernspitze der Quelle-Gruppe sind schon lange Geschichte. Andere Beispiele sind nicht bekannt. Auch fehlt es an Informationen, wie entsprechende Gestaltungen im Einzelnen aussehen. Das gilt insbesondere für die Frage, auf welche Weise der Familienverein die unternehmerischen Gewinne verteilt.
III. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen durch Vereine als Obergesellschaften ist offenbar keine Seltenheit, auch wenn diesbezügliche Konstellationen kaum bekannt geworden sind.30 Im Fall BGHZ 152, 339 (Deutsche Billardunion) wird zumindest erwähnt, dass zwischen der dortigen Klägerin, einer durch Ausgliederung aus dem Deutsche Billardunion e.V. entstandenen GmbH, und ihren Gesellschaftern (neben der Deutsche Billardunion e.V. noch einige Landesverbände) ein Ergebnisabführungsvertrag bestand. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestand ferner zwischen den Vereinen Technische Überwachungs-Verein Nord e.V. und dem Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. als Obergesellschaften und der TÜV Nord Straßenverkehr GmbH & Co. KG als Untergesellschaft.31
B. Fremdeinfluss ausgesetzte Vereine Im Folgenden werden verschiedene Strukturen beschrieben, in denen Vereine Fremdeinfluss ausgesetzt sind. Ob der jeweilige Fremdeinfluss stark genug ist, den Abhängigkeitstatbestand des § 17 Abs. 1 AktG zu erfüllen, wird erst an späterer Stelle thematisiert.32 Gleiches betrifft die Frage nach der Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit einzelner Gestaltungsformen, die ebenfalls nicht Gegenstand der nachfolgenden Bestandsaufnahme ist.
I. Dachverbände Die Struktur des Dachverbandes ist dadurch gekennzeichnet, dass sich mehrere Vereine in einem gemeinsamen Verband, dem Dachverband, zusammenschlieRn. 37; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 39 f.; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 22; ders. Verbandszweck, S. 125 ff.; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 24. 30 Vgl. Hemmerich, BB 1983, 26, 29; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 8. 31 Quelle: Handelsregister Hannover, HRA 27006 (mittlerweile ist die TÜV Nord Straßenverkehr GmbH & Co. KG in der TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG aufgegangen). 32 § 10 A (S. 244 ff.).
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ßen.33 Mitglieder des ebenfalls als Verein organisierten Dachverbands sind dabei typischerweise lediglich die Mitgliedsvereine, nicht aber deren Mitglieder. Die Verbände verfügen hiernach in der Regel ausschließlich über korporative Mitglieder. Schließen sich Verbände ihrerseits in Verbänden zusammen, kommt es zu den in der Praxis verbreiteten mehrstöckigen Organisationsstrukturen. Um ein typisches Beispiel für eine solche Struktur handelt es sich bei der Organisation des Fußballsports, welche sich national auf den Deutsche Fußball-Bund e.V. (DFB), die Regionalverbände (Bsp. Süddeutscher Fußball-Verband e.V.), die Landesverbände (Bsp. Bayerischer Fußball-Verband e.V.) sowie die einzelnen Sportvereine (Bsp. Turn- und Sportverein München von 1860 e.V.) erstreckt. Lediglich bei den Mitgliedern der Sportvereine handelt es sich um natürliche Personen. Die Sportvereine selbst sind Mitglieder in den zuständigen Landesverbänden, welche wiederum Mitglieder in den zuständigen Regionalverbänden sind. Landes- und Regionalverbände schließlich sind Mitglieder des DFB. Im Jahr 2009 waren unter dem Dach des DFB 25.726 Sportvereine mit 6,68 Mio. Mitgliedern organisiert.34 Von den aus dem Gesellschaftsrecht bekannten Konzernstrukturen unterscheidet sich die Dachverbandsstruktur dadurch, dass die Rechtsträger der höheren Hierarchieebene nicht Mitglieder der Rechtsträger der nachfolgenden Hierarchieebene sind und die Einflussnahme somit nicht durch die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten erfolgt. Die Einflussnahme beruht vielmehr darauf, dass umgekehrt die Rechtsträger der unteren Hierarchieebenen Mitglieder der Rechtsträger der nächst höheren Hierarchieebene und als solche an deren Satzungen und Ordnungen gebunden sind.35 Auf diese Weise ist es möglich, auch die Mitglieder der untersten Hierarchiestufe an die Vorgaben des Spitzenverbandes zu binden. So sieht beispielsweise § 13 (5) a) des Bayerischer FußballVerband e.V. vor, dass sich die beitretenden Sportvereine verpflichten, die Satzungen und Ordnungen des Bayerischer Fußball-Verband e.V., des Süddeutscher Fußball-Verband e.V. und des Deutscher Fußball-Bund e.V. zu befolgen. Korrespondierende Verpflichtungen finden sich in den Satzungen der Fußballvereine.36 Da sich die Bindung hierbei auf die jeweils aktuelle Fassung der »höherrangigen« Regelungswerke bezieht, ist es den Spitzenverbänden in gewissem Umfang möglich, über mehrere Hierarchieebenen hinweg fortlaufend Einfluss zu nehmen.37 33 Näher MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 124; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 45 ff.; Steinbeck in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 5 Rn. 1 ff. 34 Quelle: Mitglieder-Statistik 2009 des DFB (abrufbar unter: http://www.dfb.de/up loads/media/DFB-Mitglieder-Statistik-2009_02.pdf). 35 Im Einzelnen Steinbeck in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 5 Rn. 19 ff. 36 Z. B. 4.2.1. der Satzung des Turn- und Sportverein München von 1860 e.V., Stand: 10. 3. 2005 (abrufbar unter: http://www.tsv1860.de/media/native/verein/satzung_032005.pdf). 37 Zur Frage der Zulässigkeit dynamischer Verweise Heermann, ZHR 174 (2010), 250 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 172 ff.
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II. Gesamtvereine Vom Dachverband zu unterscheiden ist der Gesamtverein. 38 Die Struktur eines Gesamtvereins ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Verein über Untergliederungen verfügt, in denen Teile der Mitglieder (zumeist gebietsweise) zusammengefasst sind.39 Sofern diese Untergliederungen als (eingetragene oder nicht eingetragene Vereine) rechtlich selbstständig sind, 40 spricht man von einem in Zweigvereine untergliederten Gesamtverein. Im Unterschied zur Organisationsstruktur von Dachverbänden sind die Zweigvereine nicht Mitglieder der Hauptvereine. Die Verknüpfung von Haupt- und Zweigverein besteht vielmehr darin, dass die Mitglieder in den Zweigvereinen zugleich Mitglieder des Hauptvereins sind. Man spricht insoweit von einer »gestuften Mehrfachmitgliedschaft«.41 Die Untergliederung eines Gesamtvereins erfolgt häufig auf mehreren Ebenen und führt so zu einer mehrstufigen Organisationsstruktur. So gliedert sich beispielsweise die Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. (CSU) in zehn Bezirksverbände, 108 Kreisverbände und 2.853 Ortsverbände. Wer der Partei beitritt, erwirbt neben der Mitgliedschaft im CSU e.V. auch Mitgliedschaften in dem jeweils für ihn zuständigen Bezirks-, Kreis- und Ortsverband.42 Im Vergleich zu Vereinsverbänden ist die hierarchische Prägung von Gesamtvereinen noch deutlich stärker.43 Ungeachtet der rechtlichen Selbstständigkeit der Zweigvereine handelt es sich bei diesen letztlich um Teile der Organisation des Hauptvereins.44 Die Bindung an die Vorgaben des Hauptvereins folgt aus dem Vereinszweck des Zweigvereins und wird meist durch ausdrückliche Bezugnahme auf die Satzung des Hauptvereins verfestigt.45 Eine weitergehende Bindung wird dadurch begründet, dass die Mitglieder der Zweigvereine als Mitglieder des Hauptvereins an dessen Satzung gebunden sind.
38 In der Praxis finden sich allerdings auch Mischformen, vgl. MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 123. 39 Näher MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 131 ff.; Reichert, Handbuch Vereinsund Verbandsrecht, Rn. 51 ff.; Steinbeck in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 5a Rn. 1 ff. 40 Zu den diesbezüglichen Anforderungen an eine körperschaftliche Organisationsstruktur zuletzt BGH NJW 2008, 69, 73. 41 BGHZ 73, 275, 278. 42 Die eigene Rechtsfähigkeit eines CSU-Ortsverbands bejahend OLG Bamberg NJW 1982, 895. 43 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 28 f. 44 MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 132. 45 Z. B. § 1 (5) der Mustersatzung für DRK-Ortsvereine des Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Westfalen-Lippe e.V., Stand 5. 6. 2000: »Die Satzungsbestimmungen der übergeordneten Verbände gehen denen des Ortsvereins vor.« (abrufbar unter: http://www.lv-west falen-lippe.drk.de/einsatzdienste/mustersatzung_ov.pdf).
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III. Statutarische Einwirkungsrechte Aufgrund der im Vereinsrecht in weitem Umfang bestehenden Satzungsfreiheit (vgl. § 40 BGB) finden sich in den Satzungen vieler Vereine vom Normalstatut abweichende Regelungen, die Mitgliedern oder Dritten spezielle Möglichkeiten der Einflussnahme gewähren. Die entsprechenden Einwirkungsrechte lassen sich im Wesentlichen drei Kategorien zuordnen. Die erste Kategorie umfasst Zustimmungsvorbehalte zu Grundlagengeschäften wie etwa Satzungsänderungen,46 Umwandlungsmaßnahmen47 oder die Auflösung des Vereins.48 Der zweiten Kategorie zuzuordnen sind Rechte, die Einfluss auf die Zusammensetzung der Vereinsmitglieder oder der Mitglieder von Vereinsorganen gewähren. 49 Einer dritten Kategorie zuzuordnen sind schließlich Zustimmungs- oder Weisungsrechte in Bezug auf Geschäftsleitungsmaßnahmen.50 Verbreitet sind statutarische Einwirkungsrechte innerhalb der zuvor unter I. und II. beschriebenen Strukturen von Dachverbänden und Gesamtvereinen, wo sie dazu dienen, die ohnehin bestehenden Einflussmöglichkeiten zur Sicherstellung der Einheitlichkeit der Gesamtstruktur zu verstärken. Exemplarisch sei § 8 (6) der Satzung des Arbeiterwohlfahrt Regionalverband Halle-Merseburg e.V. angeführt, wonach für Satzungsänderungen die Zustimmung des Landesverbandes erforderlich ist.51 Ein weiteres Beispiel bietet § 13 (3), S. 2 der Mustersatzung für DRK-Kreisverbände des Landesverband Westfalen-Lippe, wonach der Kreisvorstand nachgeordneten Gliederungen zwecks Einhaltung der Grundsätze des Roten Kreuzes bei Bedarf Weisungen erteilen kann.52 Vor allem im Bereich religiös geprägter Vereine finden sich statutarische Einwirkungsrechte aber auch jenseits von Dachverbands- bzw. Gesamtvereinsstrukturen.53 Besondere Aufmerksamkeit erfahren hat insoweit der Kolping46 S. Nachweis sogleich im Text sowie Fn. 51. Ferner BVerfGE 83, 341, 345 (Baha’i) sowie die Nachweise bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 37 Fn. 88. 47 § 11 Ziff. 2.1. der Satzung des Satzung des Malteser Hilfsdienst e.V., Stand: 22. 9. 2005 (abrufbar unter: http://www.malteser-sauerland.de/cms/images/downloads/mhd_satzung_ 18-9-2004.pdf). 48 § 11 Ziff. 2.1. der Satzung des Satzung des Malteser Hilfsdienst e.V. (Fn. 47); aus der Rechtsprechung: BayObLG Rpfleger 1979, 416; LG Bonn Rpfleger 1991, 156, 157; LG Oldenburg JZ 1992, 250. 49 Beispiel sogleich im Text. Aus der Rechtsprechung: OLG Köln NJW 1992, 1048; KG OLGZ 1974, 385; LG Oldenburg JZ 1992, 250; LG Bonn Rpfleger 1991, 156, 157. 50 Beispiel sogleich im Text. Weitere Beispiele bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 40 Fn. 122 f. 51 Abrufbar unter http://www.awo-halle-merseburg.de/satzung. Weiteres Bsp.: § 13 (2) Satzung des Motor-Sport-Club Sylt e.V. im ADAC (Genehmigung des Vorstandes des ADAC- Schleswig-Holstein und des Präsidiums des ADAC e.V.) (abrufbar unter: http:// www.msc-sylt.de/downloads/satzung.pdf). 52 Abrufbar unter: http://www.lv-westfalen-lippe.drk.de/einsatzdienste/mustersatzung_ kv.pdf. Weitere Beispiele bei Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 48 Fn. 105. 53 S. Bsp. des Kolpingwerks und des Bischöfliches Hilfswerk Misereor e. V. (sogleich im Text).
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Bildungswerk Sachsen e.V., der Gegenstand der Entscheidung BGHZ 175, 12 war.54 Dessen Satzung ordnet in § 4 (1) die Vereinsmitgliedschaft des jeweiligen Vorsitzenden und des jeweiligen Diözesanpräsides der Kolpingwerk Diözesanverbände Dresden und Gera an.55 Zusätzlich gibt die Regelung den Vorständen der beiden Diözesanverbände das Recht, jeweils zwei weitere Vereinsmitglieder zu benennen. Gemäß § 10 (1) a der Satzung gehören darüber hinaus je zwei Vertreter der beiden Diözesanverbänden dem Vereinsvorstand an.56 Ähnliche Strukturen finden sich beim Bischöfliche Hilfswerk Misereor e. V., wo jeder Diözesanbischof ein Vereinsmitglied beruft, welches ihm gegenüber im Innenverhältnis weisungsgebunden ist und von ihm jederzeit abberufen werden kann.57
54 Die Organisation der Kolping-Vereine weist zwar die Struktur eines Vereinsverbands auf (unterhalb der Ebene des Zentralverbands Deutschland fi nden sich Landes- bzw. Regionalverbände, Diözesanverbände sowie die örtlichen »Kolpingfamilien«), doch war der streitgegenständliche Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. selbst nicht Teil dieser Struktur. 55 OLG Dresden NJOZ 2006, 1425, 1428 (insoweit nicht abgedruckt in ZIP 2005, 1680). 56 OLG Dresden NJOZ 2006, 1425, 1429 (insoweit nicht abgedruckt in ZIP 2005, 1680). 57 § 5 I, IV der Satzung (zitiert nach Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 40).
§ 3 Gegenstand und Funktion des Konzernrechts Wenn K. Schmidt ausführt, das Konzernrecht1 habe seinen Platz in der Gesamtrechtsordnung noch nicht endgültig gefunden, weil es lediglich Problemgruppen, nicht aber ein gesichertes Konzept beschreibe, kann dem nur beigepflichtet werden. 2 Unklarheit besteht sowohl hinsichtlich des Regelungsgegenstands des Konzernrechts (worauf reagieren die Vorschriften des Konzernrechts?) als auch seines Regelungskonzepts (wie reagieren die Vorschriften des Konzernrechts?). Bezüglich des Regelungsgegenstandes beschränkt man sich überwiegend darauf, unter Bezugnahme auf die §§ 15 ff. AktG Konzernrecht als das Recht der verbundenen Unternehmen zu definieren.3 Was das Regelungskonzept anbetrifft, stößt man auf die unter dem Stichwort Schutzrecht vs. Organisationsrecht geführte Grundsatzdebatte, ob Konzernrecht primär dem Schutz der Außenseiter vor den Gefahren der Abhängigkeit oder der Ermöglichung und Organisation von Unternehmensverbindungen dient.4 Im Folgenden gilt es, sowohl den Regelungsgegenstand (A.) als auch das (bzw. die) Regelungskonzept(e) (B.) des Konzernrechts herauszuarbeiten. Primäre Erkenntnisquelle wird hierbei das in den §§ 15 ff., 291 ff. AktG kodifizierte Aktienkonzernrecht sein. Neben der Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands dient dessen Analyse dazu, rechtsformübergreifende Elemente herauszubilden, die anschließend auch für die konzernrechtliche Behandlung des Vereins fruchtbar gemacht werden können. Abschließend wird auf den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff eingegangen, dem auch im Konzernrecht des Vereins Bedeutung zukommt (C.).
1 Einigkeit besteht darüber, dass Gegenstand des »Konzernrechts« nicht allein der Konzern im Sinne des § 18 AktG ist (statt vieler Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 2). 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 II 3 a (S. 497). 3 U. a. MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 I 2. a) (= S. 489). 4 Siehe nur Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 17 f.
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A. Regelungsgegenstand des Konzernrechts I. Bilaterales Verhältnis zwischen Rechtsträgern als Gegenstand des Konzernrechts Die erste Weichenstellung bei der Suche nach dem Regelungsgegenstand des Konzernrechts betrifft die Frage, ob sich das Konzernrecht mit dem Konzern als Unternehmensgruppe (bzw. dem Konzernunternehmen als organisatorische Einheit) oder dem bilateralen Rechtsverhältnis verbundener Rechtsträger befasst.5 Versteht man Konzernrecht als Teildisziplin des Gesellschaftsrechts, 6 kann die Antwort nur in letzterem Sinne lauten. Die Ausgestaltung des Aktienkonzernrechts als dem Recht der verbundenen Unternehmen zeigt deutlich, dass die gesellschaftsrechtliche Perspektive ganz auf die Beziehung zwischen den einzelnen Konzerngliedern gerichtet ist.7 Der von Lutter unternommene Versuch, das Konzernunternehmen als Gegenstand des Gesellschaftsrechts zu etablieren (Konzern als »Korporation sui generis«), 8 hat zu Recht keine Zustimmung gefunden.9 Jede verbandsrechtliche Vorstellung des Konzerns muss daran scheitern, dass dessen hierarchische Struktur den Grundprinzipien privater Verbände zuwiderläuft.10
II. Organisationsrechtlich begründete Abhängigkeit von Rechtsträgern als konzernrechtliches Kernproblem Die Erkenntnis, dass Regelungsgegenstand des Konzernrechts das bilaterale Konzernrechtsverhältnis ist, stellt aber nur einen ersten Schritt dar. Es bleibt die Frage, wann zwei Rechtsträger in einer für das Konzernrecht relevanten Weise miteinander verbunden sind. Die eingangs erwähnte Definition des Konzernrechts als Recht der verbundenen Unternehmen ist insoweit unbefriedigend, als sie sich positivistisch damit begnügt, auf die Unternehmensverbindungen des geschriebenen Aktienkonzernrechts Bezug zu nehmen, ohne aber die diesen zu Grunde liegenden Strukturprinzipien zu benennen. Weithin anerkannt ist lediglich, dass die Verbundenheit organisationsrechtlichen Ursprungs sein muss und daher insbesondere rein wirtschaftliche Verflechtungen nicht genügen.11 Doch ist man auch mit dieser Konkretisierung noch nicht am Ziel. 5
Grundlegend in jüngerer Zeit K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167 ff. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 3. 7 K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1171. 8 Lutter, FS Stimpel, S. 825, 831 ff. 9 Statt vieler Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 32 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 33 ff. m. w. N. Konkret im Zusammenhang mit der HolzmüllerProblematik hat sich auch der BGH in seiner Gelatine-Entscheidung gegen den organisationsrechtlichen Ansatz ausgesprochen (BGHZ 159, 30, 39). 10 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 25 ff.; a. A. Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 7. 11 Näher sogleich unter 4. 6
§ 3 Gegenstand und Funktion des Konzernrechts
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Denn von einer organisationsrechtlichen Verbundenheit lässt sich auch im Verhältnis des lediglich über eine Aktie verfügenden Aktionärs zur Gesellschaft sprechen, obgleich es sich hierbei sicherlich nicht um eine Konstellation handelt, die konzernrechtlichen Regelungsbedarf auslöst. Im Folgenden wird dargelegt, dass es sich bei der organisationsrechtlich begründeten Abhängigkeit von Rechtsträgern um das strukturbildende Kernproblem des Konzerngesellschaftsrechts handelt. Zwar lassen sich nicht sämtliche Unternehmensverbindungen des Aktienkonzernrechts hierauf zurückführen. Doch wird sich zeigen, dass die nicht abhängigkeitsspezifischen Regelungen bzw. Unternehmensverbindungen im Rahmen der angestrebten Systembildung vernachlässigt werden können. 1. Zentrale Rolle des Abhängigkeitstatbestandes in den §§ 291 ff. AktG Die zentrale Bedeutung des in § 17 Abs. 1 AktG definierten Abhängigkeitstatbestandes im Rahmen des Aktienkonzernrechts ist anerkannt.12 Soweit diese Einschätzungen indes allein auf die entsprechende Bezugnahme in den §§ 311 ff. AktG sowie die vielfältigen an den Abhängigkeitstatbestand geknüpften Rechtsfolgen außerhalb des 3. Buches (u. a. §§ 71d S. 4, 136 Abs. 2 S. 1 AktG) gestützt wird, greift dies zu kurz. Denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass auch die anderen wesentlichen Unternehmensverbindungen des Aktienkonzernrechts, der Vertragskonzern und der Eingliederungskonzern, das Bestehen einer Abhängigkeitslage implizit voraussetzen. Für den Eingliederungskonzern folgt dies daraus, dass die Hauptgesellschaft Aktien in Höhe von 95% des Grundkapitals auf sich vereinen muss. Mit einer solchen Kapitalmehrheit geht in aller Regel ein herrschender Einfluss des betreffenden Aktionärs einher. Zwar sind Ausnahmen aufgrund besonderer Gestaltungen denkbar, doch dürften diese bei einer derart hohen Kapitalmehrheit äußerst selten sein und daher auch kaum die Vorstellung des Gesetzgebers geprägt haben.13 Im Fall der Unternehmensverträge setzt deren Abschluss zwar nicht explizit voraus, dass ein Aktionär über eine bestimmte Kapitalmehrheit verfügt. Grundsätzlich denkbar ist hiernach, dass die in § 293 Abs. 1 AktG für die Beschlussfassung vorausgesetzte Kapitalmehrheit von 75% von verschiedenen voneinander unabhängigen Aktionären erzielt wird. Was die Unternehmensverträge des § 291 Abs. 1 AktG anbetrifft, ist dies jedoch ein eher theoretisches Szenario. Aufgrund deren einseitig den anderen Vertragsteil begünstigenden Inhalts sind sie ersichtlich auf Konstellationen zugeschnitten, in denen
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Statt vieler Hüffer, AktG, § 17 Rn. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 14. Die denkbaren Ausnahmen werden im Zusammenhang mit der Widerlegung der Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG diskutiert, vgl. Übersicht bei KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 17 Rn. 104 ff. 13
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sich die erforderliche Kapitalmehrheit in der Hand eines (gegebenenfalls auch nur mittelbaren) Aktionärs befindet.14 Bestätigt wird die zentrale Bedeutung des Abhängigkeitstatbestandes durch den Seitenblick auf das in Rechtsprechung und Lehre entwickelte Konzernrecht der GmbH und der Personengesellschaften. Auch hier stehen die Fragen des Schutzes der Außenseiter vor den Folgen herrschenden Einflusses sowie die Möglichkeit der Legitimation herrschenden Einflusses im Mittelpunkt.15 Speziell im Recht der GmbH liegt zusätzlich ein Schwerpunkt auf der Problematik, inwieweit sich der Eintritt von Abhängigkeitsverhältnissen präventiv verhindern lässt.16 In diesem Zusammenhang wurde auch der Ausspruch von der Abhängigkeitsbegründung als »archimedische[m] Punkt« geprägt.17 2. Das abhängigkeitsspezifische Regelungsproblem Die Fokussierung auf den Abhängigkeitstatbestand findet seine Erklärung darin, dass dessen Entstehung ein spezifisches Regelungsproblem hervorruft. Ist eine Gesellschaft herrschendem Einfluss ausgesetzt, stellt dies die Autonomie ihrer Willensbildung infrage und eröffnet dem Inhaber des herrschenden Einflusses die Möglichkeit, Sonderinteressen zu verfolgen. Verbreitet wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff der »Konzerngefahr« verwandt.18 Jedoch steht der Begriff für eine einseitige Problemsicht. Die Entstehung herrschenden Einflusses wirft nämlich auch die Frage auf, ob es nicht unter bestimmten Voraussetzungen zweckmäßig ist, dem Inhaber herrschenden Einflusses unter Durchbrechung allgemeiner Grundsätze die Verfolgung von Sonderinteressen zu gestatten und ihm auf diese Weise die rechtsträgerübergreifende Koordination von Ressourcen zu ermöglichen. Hierauf ist im Rahmen der unterschiedlichen konzernrechtlichen Regelungskonzepte zurückzukommen.19
14 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 3; Lutter, FS H. Westermann, S. 347, 349 f.; Timm, ZGR 1987, 403, 426; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 66. Zur denkbaren Konstellation, dass die 75%-ige Kapitalmehrheit keinen herrschenden Einfluss begründet unten B.III.5. (S. 65 f.). 15 Siehe etwa für die GmbH Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 48 ff.; für die Personengesellschaften MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 141 ff.; GroßKommHGB/Schäfer, § 105 Anh. Rn. 17 f. 16 Näher unter B.II.2.a (S. 43 f.). 17 Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 420. 18 Statt vieler Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 1; Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 27. 19 Näher unter C.
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3. Einordnung der nicht abhängigkeitsspezifischen Unternehmensverbindungen der §§ 291 ff. AktG Es verbleiben einige in den §§ 291 ff. AktG geregelte Unternehmensverbindungen, die nicht abhängigkeitsspezifisch sind und sich daher nicht in das auf dem Abhängigkeitstatbestand aufbauende Regelungssystem einfügen. Bei näherer Betrachtung erweist sich deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der Systembildung jedoch ohne weiteres als gerechtfertigt, da die entsprechenden Regelungen entweder keine relevanten Rechtsfolgen vorsehen (Gleichordnungskonzern) oder ebenso gut in einem anderen Regelungszusammenhang hätten verortet werden können (Unternehmensverträge des § 292 AktG, einfache wechselseitige Beteiligung). a) Gleichordnungskonzern Der in § 18 Abs. 2 AktG definierte Gleichordnungskonzern wird einzig in der Regelung des § 291 Abs. 2 AktG aufgegriffen, deren Gehalt sich auf die negative Feststellung beschränkt, dass es sich beim Gleichordnungsvertrag nicht um einen Beherrschungsvertrag handelt. Die Bedeutung des § 18 Abs. 2 AktG reduziert sich somit darauf, die wenigen an den Tatbestand des Konzerns geknüpften Rechtsfolgen, welche ansonsten allein auf den in § 18 Abs. 1 AktG definierten Überordnungskonzern Anwendung fänden, auf den Gleichordnungskonzern zu erstrecken. Die Relevanz der Erstreckung ist jedoch äußerst gering. 20 Sie beschränkt sich auf die Regelung des § 134 Abs. 1 S. 4 AktG, wonach in der Satzung angeordnet werden kann, dass im Fall einer Beschränkung des Stimmrechts auf einen bestimmten Höchstbetrag die Aktien gleichgeordneter Anteilseigner zu berücksichtigen sind, und die Regelungen der §§ 145 Abs. 3, 313 Abs. 1 S. 4 AktG, die bestimmte Informationsansprüche des Sonder- bzw. Abschlussprüfers auf gleichgeordnete Unternehmen erstrecken. Die Vernachlässigung des Gleichordnungskonzerns beruht nicht auf gesetzgeberischer Nachlässigkeit, sondern ist Ausdruck davon, dass die einheitliche Leitung gleichgeordneter Rechtsträger keine gesellschaftsrechtlichen Regelungsprobleme aufweist, die qualitativ an das zuvor skizzierte abhängigkeitsspezifische Regelungsproblem heranreichen. Die in Abhängigkeitslagen zentralen Probleme, der Autonomieverlust der abhängigen Gesellschaft und die Gefahr der Verfolgung von Sonderinteressen des herrschenden Gesellschafters zulasten der abhängigen Gesellschaft und ihrer Mitglieder, 21 treten im Gleichordnungskonzern nicht in vergleichbarer Weise auf. 22 Zwar geben die Beteilig20
Darstellung bei Milde, Gleichordnungskonzern, S. 74 f. Entgegen der üblichen Sichtweise ist die Gefährdung der Gläubiger nicht abhängigkeitsspezifisch und daher kein dem Minderheitenschutz gleichzustellendes Anliegen des Konzernrechts (näher unter B.II.1.b.(2) = S. 41 f.). 22 In der Literatur findet sich verbreitet die gegenteilige Einschätzung, vgl. etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 40, wonach mit »Gleichordnungskonzernen ebenso 21
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ten eines Gleichordnungskonzerns ihre Autonomie partiell preis und stellen auch im Einzelfall ihre Interessen gegebenenfalls hinter denen des Konzerns zurück. Im Unterschied zu den abhängigen Unternehmen im Überordnungskonzern tun sie dies jedoch nur dann und nur insoweit, wie dies der Verfolgung des eigenen Verbandszwecks (genauer: Formalziel) dient. Insoweit unterscheidet sich der mit dem Abschluss eines Gleichordnungskonzernvertrags einhergehende Autonomieverlust in qualitativer Hinsicht nicht von jenem Autonomieverlust, den Gesellschaften auch anderweitig im Rahmen der Zweckverfolgung in mehr oder minder großem Umfang dadurch erleiden, dass sie faktische oder vertragliche (z. B. Kreditbeziehungen, Lieferverträge etc.) Bindungen eingehen. Wenn der kategoriale Unterschied zwischen dem Gleichordnungskonzern und den abhängigkeitsbasierten Unternehmensverbindungen überwiegend nicht in dieser Deutlichkeit empfunden wird, 23 liegt dies daran, dass vielfach das Vorliegen eines Gleichordnungskonzerns (zu Unrecht) auch in Konstellationen bejaht wird, in denen Abhängigkeitsverhältnisse bestehen. 24 Nur beispielhaft sei auf die Auffassung verwiesen, wonach ein Gleichordnungskonzern zwischen zwei Gesellschaften anzunehmen sei, die einen gemeinsamen Alleinoder Mehrheitsgesellschafter haben, der jedoch keine Leitungsmacht ausübt, sondern nur durch personelle Verflechtungen die Voraussetzungen für eine einheitliche Leitung schafft. 25 Geht man richtigerweise davon aus, dass die Abhängigkeit eines Verbandes dessen Einbeziehung in einen Gleichordnungskonzern ausschließt, 26 erübrigt sich eine entsprechende Instrumentalisierung des (vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen) Rechts des Gleichordnungskonzerns. b) Unternehmensverträge des § 292 AktG Die zum Gleichordnungskonzern gewonnenen Erkenntnisse sind im Ausgangspunkt auch für die anderen Unternehmensverträge des § 292 AktG von Bedeutung. Da es sich bei ihnen nach der Vorstellung des Gesetzgebers um Austauschverträge handelt, die aufgrund der vom anderen Teil zu erbringenden Gegenleistung geschlossen werden, 27 sind sie darauf gerichtet, wie andere Ausschwere Gefahren für die beteiligten Gesellschaften, ihre Gesellschafter und ihre Gläubiger verbunden sein können wie mit Unterordnungskonzern«. 23 S. Nachweis Fn. 22. 24 Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere den Ansatz von K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 436 ff., der meint durch Annahme eines Gleichordnungskonzerns zwischen den Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns einen horizontalen Haftungsdurchgriff begründen zu können (näher in § 14 A.II = S. 407). 25 MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 55; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 31; Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 68 Rn. 82; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 135 f. 26 Hüffer, AktG, § 18 Rn. 20; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 8 27 Kropff, Regierungsbegründung, S. 378.
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tauschverträge auch, der Verfolgung des Verbandszwecks der beteiligten Rechtsträger zu dienen. Dass die Unternehmensverträge des § 292 AktG mit abhängigen Unternehmen geschlossen werden können, ändert nichts am kategorialen Unterschied zu den Unternehmensverträgen des § 291 AktG. Die verbreitete Annahme, auch Erstere hätten organisationsrechtlichen Charakter28 und könnten zu »ähnlich schwerwiegenden Eingriffen in die Verfassung der Gesellschaft« wie ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag führen, 29 vermag nicht zu überzeugen. Zwar ist es ohne weiteres möglich, dass beispielsweise ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag abhängigkeitsbedingt die Autonomie einer Gesellschaft über Gebühr einschränkt oder diese durch eine unausgewogene Ausgestaltung des Äquivalenzverhältnisses benachteiligt (vgl. § 292 Abs. 3 AktG), und man mag aufgrund des damit verbundenen Verstoßes gegen den Verbandszweck von einem »Eingriff« in die Verfassung sprechen. Im Unterschied zu den Unternehmensverträgen des § 291 AktG handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine Änderung, sondern eine bloße Verletzung des Verbandszwecks.30 Qualitativ unterscheiden sich die Unternehmensverträge des § 292 AktG letztlich nicht von Kauf-, Dienst-, Werkverträgen etc., die ebenfalls häufig zu Zwecken der Konzernintegration eingesetzt werden und hierbei die Gefahr einer verbandszweckwidrigen Ausgestaltung bergen. Grund für das qualifizierte Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung dürfte letztlich allein sein, dass die Verträge des § 292 AktG in quantitativer Hinsicht besonders bedeutsam sind31 und aus diesem Grund ihr Abschluss in stärkerem Maße als gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen geeignet ist, eine faktische Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte zu bewirken.32 Die durch § 292 AktG in Verbindung mit § 293 Abs. 1 AktG statuierte Zustimmungspflicht ähnelt insoweit eher
28 Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 276 ff.; Veil, Unternehmensverträge, S. 287 ff.; Spindler/Stilz/ders., AktG, Vor § 291 Rn. 26; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 161 m. w. N. 29 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 Rn. 5. 30 Näher unter B.III.1.a.(5) (S. 50 f.). 31 Nicht recht verständlich ist die Zustimmungspflicht im Fall der Teilgewinnabführungsverträge (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG), die selbst geringfügige partiarische Darlehen erfasst. Die mit deren Abschluss einhergehende faktische Verkürzung des Dividendenanspruchs der Aktionäre bietet allenfalls auf den ersten Blick eine überzeugende Erklärung der Zustimmungspflicht. Denn jeder Austauschvertrag (auch das Festzinsdarlehen) führt bei nachteiliger Ausgestaltung des Äquivalenzverhältnisses zu einer Verkürzung des ausschüttungsfähigen Gewinns. Insoweit erscheint es wertungswidersprüchlich, dass jeder Teilgewinnabführungsvertrag zustimmungspfl ichtig ist, Vermögensveräußerungen bis zur Schwelle des § 179a AktG aber zustimmungsfrei sind. 32 Ausführlich zur faktischen Beeinträchtigung von Mitgliedschaftsrechten in § 4.B.I.2. (S. 88 ff.).
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der des § 179a AktG und hätte daher aus systematischen Gründen ohne weiteres im ersten Buch des AktG verortet werden können. c) Einfache wechselseitige Beteiligung Ebenfalls zu vernachlässigen ist schließlich die in den §§ 19, 328 AktG geregelte einfache wechselseitige Beteiligung (§§ 19, 328 AktG). Die auf die Verhinderung einer Kapitalverwässerung und die Begrenzung von Verwaltungsstimmrechten gerichteten Regelungen 33 weisen keinerlei Berührungspunkte zum Telos der restlichen konzernrechtlichen Vorschriften auf und hätten daher ebenfalls ohne weites im ersten Buch des AktG platziert werden können. 4. Beschränkung auf organisationsrechtlich begründete Abhängigkeit Die Entstehung herrschenden Einflusses und die damit korrespondierende Abhängigkeit können mehrere Ursachen haben. Neben der Ausübung von Stimmrechtsmacht in der Mitgliedervertretung ist insbesondere an die Einflussmöglichkeit aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit zu denken.34 Wie bereits erwähnt, steht die ganz h. M. auf dem Standpunkt, dass Gegenstand des Konzernrechts nur die organisationsrechtlich begründete Verbundenheit sei.35 Zur Begründung wird im Wesentlichen auf den Telos der die Abhängigkeitslage explizit voraussetzenden §§ 311 ff. AktG abgestellt, welcher darin gesehen wird, Minderheitsaktionäre gegen nachteilige Einwirkungen zu schützen, die durch die Ausnutzung gesellschaftsrechtlich begründeter Herrschaftsmacht ermöglicht werden.36 Demgegenüber sei es nicht Aufgabe der Regelungen, auf die allgemeinen Risiken einer marktwirtschaftlichen Betätigung zu reagieren. Bei der Verhinderung der Entstehung übermäßiger Marktmacht bzw. der Sanktion deren rücksichtsloser Ausübung handele es sich vielmehr um eine Aufgabe des Kartell-, Wettbewerbs- und allgemeinen Zivilrechts.37 Obgleich die Argumentation auf einem rein schutzrechtlichen und somit verkürzten Verständnis der §§ 311 ff. AktG beruht,38 ist sie zutreffend. Denn unabhängig davon, ob man auf die im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen in § 311 Abs. 1, 2 AktG enthaltene Privilegierung des herrschenden Unternehmens 33
Hüffer, AktG, § 19 Rn. 1. Zu den möglichen Spielarten wirtschaftlicher Abhängigkeit MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 28 ff. 35 BGHZ 90, 381, 395 ff.; Ulmer, ZGR 1978, 457, 465 ff.; GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 28; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 8; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 17 Rn. 15; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 17 Rn. 59 ff.; Oechsler, ZGR 1997, 464, 466 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 75 ff.; mit Einschränkungen MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 29 f. m. umf. N. 36 Grundlegend GroßKommAktG/Würdinger, 3. Aufl., § 17 Anm. 3, 6 f. 37 BGHZ 90, 381, 396. 38 Dazu sogleich unter B.III.3.b. (S. 59 ff.). 34
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(Möglichkeit des gestreckten Einzelausgleichs) oder auf die Haftungsverschärfung des § 317 AktG abstellt, ist den Normen eine klare Differenzierung zwischen marktbedingten Einflüssen und der gesellschaftsinternen Einflussnahme durch Aktionäre bzw. deren Hintermänner immanent. Deutlich wird dies bei der Interpretation des für die §§ 311 ff. AktG zentralen Nachteilsbegriffs, der ohne eine solche Differenzierung nicht subsumtionsfähig wäre. Hiernach kommt es nämlich darauf an, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft verhalten hätte. Ein Nachteil liegt nur vor, wenn die zu prüfende Maßnahme grundsätzlich – d. h. vorbehaltlich der Privilegierung des § 311 Abs. 1 AktG – sorgfaltswidrig ist, d. h. nicht im Interesse der Gesellschaft liegt. Trifft jedoch ein Vorstand eine Maßnahme aufgrund wirtschaftlicher Zwänge, um größere Nachteile von der Gesellschaft abzuwenden, handelt er gerade im Gesellschaftsinteresse. Von einer Pflichtwidrigkeit und somit Nachteilhaftigkeit kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.39 Die materielle Angemessenheitskontrolle der §§ 311 ff. AktG ist hiernach zur Reaktion auf wirtschaftliche Übermacht von vornherein ungeeignet. Die zum Aktienkonzernrecht gemachten Überlegungen haben auch für das Konzernrecht der GmbH und der Personengesellschaften Bedeutung. Obgleich die §§ 311 ff. AktG keine Anwendung finden, kommt der materiellen Angemessenheitskontrolle des herrschenden Einflusses dort eine mindestens ebenso große Bedeutung zu wie im Aktienkonzernrecht. 40 Der Unterschied beschränkt sich darauf, dass im Konzernrecht der GmbH und der Personengesellschaften das insoweit maßgebliche Schädigungsverbot aus der Treupflicht bzw. dem Verbandszweck abgeleitet und nicht durch die Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs eingeschränkt wird. Der Maßstab der Angemessenheitskontrolle ist jedoch derselbe. Auch insoweit lautet die Kontrollüberlegung, ob die infrage stehende Maßnahme im Gesellschaftsinteresse liegt oder, mit anderen Worten, auch von einem unabhängigen Geschäftsleiter vorgenommen worden wäre. Ist aber das Schädigungsverbot zur Erfassung der Folgen wirtschaftlicher Übermacht ebenso wenig geeignet wie die §§ 311 ff. AktG, belegt dies, dass auch das Konzernrecht der GmbH und der Personengesellschaften in seinem Anwendungsbereich auf die organisationsrechtlich begründete Einflussnahme beschränkt ist. Wendet man sich den übrigen als maßgeblich einzustufenden Unternehmensverbindungen des Aktienkonzernrechts zu, kann ebenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass diese nicht zur Regelung der Folgen des wirtschaftlich begründeten Autonomieverlusts konzipiert wurden. Was zunächst die Eingliederung anbetrifft, könnte man sich zwar vorstellen, dass es einem Dritten in Folge 39
Ähnlich Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 75. Vgl. etwa Liebscher, MünchKommGmbHG, § 13 Anh. Rn. 346 ff.; MünchKommHGB/ Mülbert, KonzernR Rn. 171, 201. 40
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wirtschaftlicher Macht gelingt, die Hauptversammlung zur Fassung eines Eingliederungsbeschlusses zu bestimmen. Da die Wirkung der Eingliederung sodann jedoch in einem Weisungsrecht der Hauptgesellschaft und nicht des Dritten besteht, macht ein solches Vorgehen offenkundig keinen Sinn. 41 Die Eingliederung wird daher niemals zur Legalisierung oder Intensivierung rein wirtschaftlicher Herrschaftsmacht genutzt werden können und ist ersichtlich auch nicht in diesem Sinne konzipiert. Nicht ganz so eindeutig liegen die Dinge beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Hier wäre in der Tat denkbar, dass ein Dritter seinen auf Grundlage wirtschaftlicher Macht bestehenden Einfluss auf eine Aktiengesellschaft dazu nutzt, diese zum Abschluss eines solchen Vertrages zu bestimmen. Ist die Abhängigkeit groß genug, könnte sich dem auch die Hauptversammlung nicht entziehen. Doch ändert das Bestehen einer solchen Möglichkeit nichts daran, dass auch die Unternehmensverträge des § 291 AktG vom Gesetzgeber offensichtlich als Reaktion auf die Konstellation organisationsrechtlich begründeter Abhängigkeit konzipiert wurden. Hierfür spricht nicht zuletzt der funktionelle Zusammenhang zu den §§ 311 ff. AktG, wonach die faktische und vertragliche Konzernierung letztlich als alternative Organisationsformen der Abhängigkeitslage angesehen wurden.42 5. Keine Beschränkung auf die Beherrschung durch Unternehmensgesellschafter Überwiegend geht man davon aus, dass Gegenstand des Konzernrechts allein die Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem Unternehmensgesellschafter sei. Demgegenüber wird die Beherrschung durch einen Privatgesellschafter, auch wenn dieser über eine noch so hohe Beteiligung verfügt, nicht als konzernrechtliches Regelungsproblem erachtet. 43 Der Unternehmensbegriff gilt hiernach als Kernbegriff, der aus dem allgemeinen (Gesellschafts-)Recht in das Sondergebiet des Konzernrechts führt.44 Ihre Grundlage findet diese Einschätzung im Aktienkonzernrecht. Dessen Fokussierung auf den Unternehmensbegriff kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass das 3. Buch mit dem Titel »Verbundene Unternehmen« überschrieben wird. Im Ergebnis vermag die apodiktische Beschränkung des Gegenstands des Konzernrechts auf die Beherrschung durch einen Unternehmensgesellschafter gleichwohl nicht zu überzeugen. Schon aus der rein aktienkonzernrechtlichen Perspektive steht sie in einem gewissen Widerspruch dazu, dass die §§ 319 ff. 41 Der Dritte könnte sich aufgrund seines Einflusses auf die Hauptgesellschaft zwar mittelbar deren Weisungsrechts bedienen, doch würde das noch immer keine rechtlich abgesicherte Möglichkeit zur eigenen, d. h. unmittelbaren Einflussnahme begründen. 42 Vgl. auch unten B.III.3.(b) (S. 59 ff.). 43 Vgl. BGHZ 69, 334, 337. 44 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 II 1 c (S. 494).
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AktG auf die Unternehmenseigenschaft der Hauptgesellschaft verzichten.45 Vor allem aber erscheint die Verkürzung des konzernrechtlichen Regelungsgegenstandes nicht recht vereinbar mit der teleologischen Interpretation des Unternehmensbegriffs. Denkt man diese konsequent zu Ende, läuft sie darauf hinaus, die Unternehmenseigenschaft jeweils mit Blick auf die konkret infrage stehende Rechtsfolge zu bestimmen und dem Unternehmensbegriff hierbei gegebenenfalls auch eine von Norm zu Norm unterschiedliche Bedeutung beizumessen.46 Das damit einhergehende Verständnis des Unternehmensbegriffs als rechtsfolgenbezogenes teleologisches Korrektiv widerspricht der Vorstellung, bereits tatbestandlich befasse sich das Konzernrecht allein mit herrschenden Unternehmensgesellschaftern. Gestärkt werden die Zweifel an der Berechtigung der Differenzierung zwischen Privat- und Unternehmensgesellschaftern dadurch, dass es sich bei ihr um einen deutschen Sonderweg handelt, der im Ausland keine Gefolgschaft gefunden hat,47 und auch in Deutschland zunehmend infrage gestellt wird. 48 Betrachtet man etwa das Konzernrecht der GmbH, so spielt dort der Unternehmensbegriff, nachdem sich der Versuch, die Gläubigerschutzproblematik in analoger Anwendung des Aktienkonzernrechts zu lösen, als Irrweg entpuppt hat,49 letztlich keine Rolle mehr. Niemand käme auf den Gedanken, die Anwendung oder die Reichweite des Schädigungsverbots als dem zentralen Instrument des GmbH-Konzernrechts davon abhängig zu machen, ob der infrage stehende Gesellschafter Unternehmenseigenschaft aufweist.
III. Konzernrecht der Obergesellschaft und Gläubigerschutzproblematik kein Konzernrecht im engeren Sinn Die auf die Konzernrechtsverhältnisse fokussierte Sichtweise des Gesellschaftsrechts bedeutet nicht, dass man bei seiner Auslegung davon entbunden wäre, Folgen aus der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns zu ziehen. Der Verdienst des von Lutter 50 und seinen Schülern 51 geprägten konzernverfassungsrecht45
Für eine rechtsfortbildende Korrektur indes Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 37. Näher unter C (S. 66 ff.). 47 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 3. 48 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 2 Rn. 4; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3579; ders., Gesellschaftsrecht, § 17 II 3 b (S. 497); Wackerbarth, Der Konzern 2005, 562, 563 ff. Auch der Gesetzgeber hat in einigen Vorschriften neueren Datums (§§ 327a ff. AktG, §§ 21 ff. WpHG) auf die systematisch nahe liegende Anknüpfung an den Unternehmensbegriff verzichtet. Zur Fehlannahme einer Interessenparallelität zwischen Privatgesellschaftern und Gesellschaft unter B II.1.b.(1) (S. 39 f.). 49 S. Darstellung der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern in § 12 B.II. (S. 348 ff.). 50 Nachweis Fn. 8. 51 Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, 1988; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980; U. H. Schneider, BB 1981, 249. 46
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lichen Ansatzes besteht darin, ins Bewusstsein gerückt zu haben, dass in Fällen, in denen es sich beim Inhaber herrschenden Einflusses seinerseits um eine Gesellschaft handelt, in vielfältiger Hinsicht ein entsprechendes Bedürfnis besteht. Wiedemann hat dies plakativ mit dem Ausspruch »im Konzern ist alles anders« umschrieben.52 Exemplarisch sei auf die »konzerndimensionale« Auslegung von Organpflichten53 und die unter dem Stichwort »Holzmüller« diskutierte Kompetenzfrage bei der Ausgliederung von Vermögenswerten hingewiesen. 54 Auch wenn das »Konzernrecht der Obergesellschaft« zu einem festen Bestandteil der konzernrechtlichen Diskussion geworden ist, handelt es sich bei ihm nach hiesigem Verständnis nicht um Konzernrecht im engeren Sinn. Bei näherer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass letztlich keines der die Obergesellschaft betreffenden Regelungsprobleme tatsächlich abhängigkeitsspezifisch ist. Schon die Frage, inwieweit die Organe verpflichtet sind, durch Beteiligungsrechte vermittelte Einflussmöglichkeiten aktiv auszuüben oder ihre Mitglieder über die Vorgänge in Beteiligungsgesellschaften zu informieren, stellt sich im Ausgangspunkt nicht nur hinsichtlich Mehrheits-, sondern ebenso hinsichtlich Minderheitsbeteiligungen. Auch die Holzmüller-Problematik ist nicht abhängigkeitsspezifisch.55 Der insoweit als maßgeblich erachtete Mediatisierungseffekt ist nicht auf Abhängigkeitsverhältnisse beschränkt, sondern tritt gar in stärkerem Maße auf, wenn Vermögenswerte auf eine Gesellschaft ausgegliedert werden, die nicht dem herrschenden Einfluss des ausgliedernden Rechtsträgers unterliegt. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls thematisierte Gefahr, dass die Ausgliederung zu unangemessenen Konditionen erfolgt und dadurch der Gesellschaft Vermögen entzieht, ist nicht einmal beteiligungsspezifisch, sondern besteht beim Abschluss jedes Austauschvertrags. Das zum Konzernrecht der Obergesellschaft Gesagte gilt im Ergebnis auch für die vorwiegend unter dem Begriff der Konzernhaftung diskutierte Frage, wie Gläubiger davor geschützt werden können, infolge der nachteiligen Einflussnahme von Gesellschaftern auf die Gesellschaft mit ihren Forderungen auszufallen. Eine besondere Tradition hat die Problematik im Konzernrecht der GmbH, wo sie ungeachtet der durch die Bremer Vulkan-Entscheidung des BGH eingeleiteten Abkehr von der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns noch immer fester Bestandteil der konzernrechtlichen Diskussion ist. 56 Tatsächlich wird jedoch noch zu zeigen sein, dass es sich bei der Gefährdung der Gläubiger durch von Gesellschaftern initiierte Schädigungen des Gesell-
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Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 9 Grundlegend Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, passim. Näher § 7. 54 Näher § 4 (S. 76 ff.). 55 Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 34. 56 U. a. Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 469 ff. 53
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schaftsvermögens um keine abhängigkeitsspezifische Problematik handelt, die dem Konzernrecht im engeren Sinne zugeordnet werden kann.57
B. Konzernrechtliche Regelungskonzepte Im Folgenden wird dargelegt, dass kein einheitliches Regelungskonzept des Konzernrechts existiert, sondern zwei völlig entgegengesetzte Regelungskonzepte miteinander konkurrieren, die sich als schutzrechtlich (II.) bzw. privilegierungsrechtlich (III.) bezeichnen lassen. Während Ersteres schwerpunktmäßig im allgemeinen Verbandsrechts verwirklicht wird, findet Letzteres seine Umsetzung in den Regelungen des Aktienkonzernrechts. Die Gemeinsamkeit beider Regelungskonzepte besteht darin, dass sie beim Verbandszweck der abhängigen Gesellschaft ansetzen, welchen man daher auch als archimedischer Punkt des Konzernrechts bezeichnen kann (I.). 58
I. Verbandszweck des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB als archimedischer Punkt des Konzernrechts Speziell für den Verein hat K. Schmidt zutreffend darauf hingewiesen, dass kein einheitlicher Begriff des Vereinszwecks existiert, sondern dessen Inhalt unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der ihn verwendenden Norm zu interpretieren ist.59 Diese Erkenntnis ist über das Vereinsrecht hinaus verallgemeinerungsfähig. Die Zweckbegriffe der §§ 21, 22, 33 Abs. 1 S. 2, 57 Abs. 1, 705 BGB, 1 GmbHG, 1 Abs. 1 GenG sind hiernach jeweils teleologisch zu interpretieren und können im Ergebnis ohne weiteres voneinander abweichen. Im Kontext des Konzernrechts steht der Zweckbegriff des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB im Mittelpunkt. Aufgabe dieser Vorschrift, die über das Vereinsrecht hinaus auf alle Rechtsformen Anwendung findet, für die das Mehrheitsprinzip gilt, 60 ist es, im Interesse der Minderheit bestimmte Grundlagen von dessen Anwendung auszunehmen. Verkürzt lässt sich der Verbandszweck des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB daher auch als »mehrheitsfeste Geschäftsgrundlage« des Verbandes umschreiben. 61
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S. unten B.II.1.b.(2) (S. 41 f.). MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 171. 59 K. Schmidt, BB 1987, 556; zustimmend Knof in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 14 Rn. 5. 60 Für die AG u. a. K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 179 Rn. 10, für die GmbH u. a. Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 93. 61 K. Schmidt, BB 1987, 556, 558; Knof in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 14 Rn. 6. 58
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1. Wahrung vs. Überwindung des Verbandszwecks als gegensätzliche Regelungskonzepte Der konzernrechtliche Grundkonflikt besteht, wie bereits angedeutet, darin, dass die Erlangung herrschenden Einflusses durch einen Gesellschafter diesem die Möglichkeit gewährt, sich über die im Verbandszweck festgeschriebene Geschäftsgrundlage hinwegzusetzen. Für die außenstehenden Mitglieder begründet dies die Gefahr, dass ihre Interessen beeinträchtigt werden. Umgekehrt steht der herrschende Gesellschafter vor dem Problem, dass ihm die Ausnutzung seiner Machtposition selbst dann verwehrt ist, wenn die Abweichung vom Verbandszweck aus der wohlfahrtsökonomischen Perspektive sinnvoll erscheint. Die nächstliegende Reaktion der Rechtsordnung auf den geschilderten Konflikt besteht darin, dem Verstoß gegen den Verbandszweck entgegenzutreten und auf diese Weise die Interessen der außenstehenden Mitglieder zu schützen. 62 Einer besonderen Rechtfertigung bedarf dieses schutzrechtliche Regelungskonzept nicht. Da es nicht mehr beinhaltet als die Durchsetzung der von den Mitgliedern getroffenen Vereinbarung über die Grundlagen des Verbandes, handelt es sich bei ihm um nichts anderes, als eine Ausprägung des Grundsatzes pacta sunt servanda. Hieraus folgt zugleich, dass das schutzrechtliche Regelungskonzept durch spezialgesetzliche Regelungen zwar effektuiert werden kann, in seiner Existenz hierauf aber nicht angewiesen ist. Die allgemeinen verbandsrechtlichen Regelungen, die auf die Achtung des Verbandszwecks durch die Mitglieder und Organe gerichtet sind, genügen als Grundlage schutzrechtlichen Konzernrechts und ermöglichen, Verstöße gegen den Verbandszweck (gegebenenfalls unter Rückgriff auf die allgemeine Schadensersatznorm des § 280 Abs. 1 BGB) zu sanktionieren. 63 Möglich ist aber auch die gegenteilige Reaktion, welche darin besteht, in einem bestimmten Umfang Abweichungen des Inhabers herrschenden Einflusses vom Verbandszweck zu legalisieren oder – noch weitergehend – diesem zusätzlich Mittel zur Verfügung zu stellen, um seine Sonderinteressen zu verfolgen. Dass es sich bei diesem privilegierungsrechtlichen Konzept64 keinesfalls 62 Zur fehlenden Abhängigkeitsspezifik der Gläubigerschutzproblematik sogleich unter II.1.b. (S. 41 f.). 63 Im Einzelnen sogleich unter II.2. (S. 42 ff.). 64 Mit der Bezeichnung soll der Charakter als Gegenentwurf zum schutzrechtlichen Konzept deutlich gemacht werden. Der in der Literatur übliche Begriff des Organisationsrechts (Mülbert, ZHR 163 (1999), 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 II 1 (S. 491 ff.) erscheint hierzu nicht in gleicher Weise geeignet, da die Begriffe des Schutzes und der Organisation letztlich verschiedene Ebenen betreffen und insoweit keine Gegensätze beschreiben (vgl. Kiefner, Konzernumbildung und Börsengang, S. 137 ff.). Die Belegung des privilegierungsrechtlichen Konzepts mit dem Begriff des Organisationsrechts steht in der Tradition des konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes und erklärt sich daraus, dass durch die Privilegierung des herrschenden Gesellschafters Organisationsformen für das Konzernunternehmen zur Verfü-
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um bloße Theorie handelt, wird die spätere Analyse des Aktienkonzernrechts zeigen, welches ganz überwiegend privilegierungsrechtlich geprägt ist. 65 Da das auf die Überwindung des Verbandszwecks gerichtete Regelungskonzept mit allgemeinen Grundsätzen bricht, ist es aus diesen nicht ableitbar, sondern bedarf spezialgesetzlicher Regelungen. Damit parallel läuft seine Rechtfertigungsbedürftigkeit, d. h. das Erfordernis nach einer Erklärung, weshalb die Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda gestattet oder sogar gefördert wird. 66 2. Elemente des normtypischen Verbandszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB Aufgrund seiner zentralen Bedeutung sollen nachfolgend rechtsformübergreifend die Elemente des Verbandszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB herausgearbeitet werden. a) Formalziel Wichtigster Bestandteil des Verbandszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ist das Formalziel verstanden als die abstrakte Zielsetzung des Verbandes. 67 Das Formalziel wiederum setzt sich aus zwei Teilelementen, dem Element der Wertschöpfung und dem der Wertverteilung zusammen. 68 Ersteres betrifft die Frage, auf die Schaffung welcher Art von Werten der Verband zielt, Letzteres die Frage, wem diese Werte zugute kommen sollen. Im Einzelnen: Strebt ein Verband die Gewinnerzielung an, ist Gegenstand der Wertschöpfung Vermögen. Man kann insoweit von einem Gewinnziel sprechen. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften verfolgen typischerweise ein Gewinnziel. 69 Soweit die Wertschöpfung demgegenüber nicht auf Kapital gerichtet ist, lässt sich von einem Naturalziel sprechen. Als Komplementärbegriff gung gestellt werden (K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 10). Indes kann man auch die dem Außenseiterschutz dienenden Regelungen als Teil der Organisationsverfassung des Konzerns verstehen (vgl. Rittner, ZGR 1990, 203, 217). Gleichermaßen lassen sich sowohl das schutzrechtliche als auch das privilegierungsrechtliche Regelungskonzept als Organisationsformen des bilateralen Verhältnisses von abhängiger Gesellschaft und herrschendem Gesellschafter begreifen. 65 Unten III. (S. 45 ff.). 66 Hierzu unter III.4. (S. 62 ff.). 67 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 155; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 27 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 157 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254 f. jeweils m. w. N. Statt vom Formalziel wird teilweise auch vom Gesellschaftsoder Verbandsziel gesprochen (MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 76; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 13 ff. m. w. N.), ohne dass ein hiermit verbundener sachlicher Unterschied ersichtlich ist. 68 Diese Begriffe verwendet (mit teilweise anderem Verständnis) Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 326. 69 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 326.
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zum Begriff des Gewinnziels besagt der Begriff des Naturalziels nur, dass Gegenstand der angestrebten Wertschöpfung etwas anders als Vermögen ist. 70 Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Naturalziel für die Genossenschaft, deren Zweck gemäß § 1 Abs. 1 GenG darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange zu fördern. Auch wenn hiernach das Tätigwerden der Genossenschaft mittelbar dem Gewinnziel der Mitglieder dient, erfolgt die Förderung durch Sach- oder Dienstleistungen. Die Wertschöpfung der Genossenschaft selbst ist demnach nicht auf Kapital gerichtet. Man spricht insoweit vom genossenschaftlichen »Prinzip der naturalen Mitgliederförderung«.71 Auch Vereine verfügen in aller Regel über ein Naturalziel.72 So ist beispielsweise Gegenstand der Wertschöpfung eines Sportvereins die Ermöglichung der sportlichen Betätigung sowie des geselligen Beisammenseins. Gegenstand der Wertschöpfung von Interessenverbänden ist der politische und gesellschaftliche Einfluss. Ein Naturalziel verfolgt schließlich auch die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, deren Zweck sich darauf beschränkt, die Rolle des haftenden Gesellschafters einzunehmen sowie Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen.73 Der Gegenstand der Wertschöpfung kann den Mitgliedern oder Dritten zugute kommen. In ersterem Fall ist die Wertverteilung mitgliedernützig, in letzterem Fall fremdnützig.74 Mitgliedernützig erfolgt die Wertverteilung typischerweise bei den Handelsgesellschaften, deren Zielsetzung darin besteht, den erwirtschafteten Gewinn an ihre Gesellschafter auszuschütten. 75 Fügt man so70 Der Begriff des Naturalziels wird dem zum Teil verwandten Begriff des »Sachziels« (Beuthien, GenG, § 1 Rn. 20a) vorgezogen, weil letzterer in der Betriebswirtschaft als Bezeichnung für den Unternehmensgegenstand verwandt wird und sich hieran teilweise auch das juristische Schrifttum orientiert (u. a. MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 121). Daneben findet sich zuweilen auch der Begriff der »altruistischen Zielsetzung«, welcher dadurch gekennzeichnet sein soll, dass die Gesellschaft davon absieht, den Gewinn zu maximieren und stattdessen Dritte (z. B. Arbeitnehmer) begünstigt (Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 19, 28 f.; Nienhaus, Kapitalschutz in der Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 6 ff.). Da auf diese Weise die Elemente der Wertschöpfung und der Wertverteilung vermengt werden, wird der Begriff im Folgenden nicht verwandt. 71 Möhlenkamp in: MünchAnwHdb WohnRMietR, § 48 Rn. 96, vgl. auch Beuthien, GenG, § 1 Rn. 8. 72 Gesetzlich vorgeschrieben ist das Naturalziel durch die §§ 21, 22 BGB nicht. Das gilt wohl selbst auf Grundlage der Auffassung derjenigen, wonach Gewinnausschüttungen an Mitglieder die Qualifikation eines Vereins als Wirtschaftsverein zur Folge haben (K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 21; ders., Verbandszweck, S. 123 f.; von Hippel in: Nonprofit-Organisationen, S. 35, 41 f.). Denn Anknüpfungspunkt ist insoweit nicht das Gewinnziel, sondern die mitgliedernützige Gewinnverteilung. Nach richtiger Auffassung kommt es für die Vereinsklassenabgrenzung ohnehin nicht auf das Formalziel, sondern allein die wirtschaftliche Betätigung an (s. § 5). 73 Vgl. GroßKommGmbHG/Ulmer, § 1 Rn. 14, § 3 Rn. 19. 74 Der Begriff der Mitgliedernützigkeit wird insbesondere im Genossenschaftsrecht verwandt, vgl. Beuthien, GenG, § 1 Rn. 6: »mitgliedernütziger Förderzweck«. 75 Werden Gewinne thesauriert, können diese von den Gesellschaftern gegebenenfalls
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mit die Elemente der Wertschöpfung und Wertverteilung zusammen, lässt sich sagen, dass das normtypische Formalziel von Handelsgesellschaften in einem mitgliedernützigen Gewinnziel besteht. Doch auch Naturalziele können mitgliedernützig verfolgt werden. Zwingend vorgegeben ist dies etwa für die Genossenschaft, bei der die Förderung deren Mitgliedern zuzukommen hat.76 Beim eingetragenen Verein ist die Art der Wertverteilung hingegen weder gesetzlich vorgeschrieben, noch lässt sich von einer Normtypik sprechen. Die Regelung des § 45 Abs. 3 BGB zeigt, dass in der Vorstellung des Gesetzgebers sowohl der mitgliedernützige als auch der fremdnützige Verein eine Rolle spielen. Mitgliedernützig sind beispielsweise die bereits zuvor erwähnten Sportvereine, deren Ziel es in der Regel ist, die Möglichkeit der sportlichen Betätigung sowie des geselligen Beisammenseins ihren Mitgliedern zukommen zulassen.77 Beispiele fremdnütziger Vereine sind demgegenüber die so genannten Hilfsvereine, wie beispielsweise die Vereine der freien Wohlfahrtspflege. Zu betonen ist, dass die Wertschöpfung von Verbänden in der Praxis selten auf ein »reines« Gewinnziel gerichtet ist. Schon immer dann, wenn der Verband zugunsten bestimmter Interessen auf die Gewinnmaximierung bewusst verzichtet, ist dem Gewinnziel ein Naturalziel »beigemischt«. 78 Da es sich insoweit regelmäßig nicht um Interessen der Mitglieder, sondern Dritter handelt, geht damit zugleich eine partielle Fremdnützigkeit einher. Umgekehrt ist aber denkbar, dass primär fremdnützige Verbände zum Teil den sozialen Belangen ihrer Mitglieder dienen und insoweit mitgliedernützige Elemente aufweisen.79 Die voranstehenden Überlegungen zeigen zugleich, dass im Zusammenhang mit der Verfolgung von Naturalzielen die Aspekte der Wertschöpfung und der Wertverteilung auch zusammenfallen können. Abstrakt ausgedrückt ist dies immer der Fall, wenn die geschaffenen Werte unmittelbar bei den Begünstigten, d. h. verbandsextern entstehen und es daher keiner gesonderten Verteilung bedarf. Ist die Wertschöpfung auf ein Naturalziel gerichtet, handelt es sich hierbei sogar um den Normalfall. So kommt beispielsweise die Lobbyarbeit eines Indurch die Veräußerung ihrer Anteile realisiert werden (vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 167), doch handelt es sich hierbei nicht um eine Form der Wertverteilung. 76 Davon zu unterscheiden ist die unter dem Stichwort »Zulässigkeit der Idealgenossenschaft« erörterte Problematik, ob die Genossenschaft ausschließlich der Förderung des Geschäftsbetriebs der Genossen oder auch deren nichtwirtschaftlichen Interessen dienen darf (vgl. Beuthien, GenG, § 1 Rn. 10). Aufgrund der im Zuge der Genossenschaftsreform im Jahr 2006 erfolgten »Klarstellung« (BT-Drucks. 16/1025, S. 80) im Wortlaut des § 1 Abs. 1 GenG (»[. . .] oder deren soziale oder kulturellen Belange«) ist die Frage in letzterem Sinne entschieden (Geschwandtner/Helios, NZG 2006, 691, 692). 77 Gerade der Fall der Sportvereine zeigt, dass die steuerliche Gemeinnützigkeit (§ 52 Abs. 2 Nr. 21 AO) nicht mit der Fremdnützigkeit des Formalziels gleichgesetzt werden kann. 78 Ähnlich Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 28, die allerdings mit anderen Begrifflichkeiten arbeitet. 79 Wobei insoweit zwischen dem statutarischen Formalziel und lediglich formalzielwidrigen Praktiken zu unterscheiden ist.
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teressenverbandes ebenso wie die in einem Sportverein mögliche Geselligkeit unmittelbar den Mitgliedern zugute, ohne dass eine Wertverteilung insoweit erforderlich oder auch nur denkbar wäre. Denknotwendig ist die Zweiaktigkeit von Wertschöpfung und Wertverteilung nur im Fall des Gewinnziels, da dies definitionsgemäß zunächst die verbandsinterne Wertschöpfung voraussetzt. Vom Formalziel zu unterscheiden ist schließlich der Gegenstand der Verbandstätigkeit, welcher bei unternehmenstragenden Verbänden üblicherweise als Unternehmensgegenstand bezeichnet wird. 80 Das Verhältnis zwischen dem Formalziel und dem Gegenstand der Verbandstätigkeit lässt sich als MittelZweck-Relation beschreiben, wonach Letzterer der Erreichung des Formalziels dient. 81 Man kann auch sagen, dass das Formalziel im Gegenstand der Verbandstätigkeit seine Konkretisierung findet. Obgleich sich der Gegenstand der Verbandstätigkeit semantisch ohne weiteres unter den Begriff des »Verbandszwecks« fassen lässt, 82 herrscht Einigkeit, dass dieser grundsätzlich nicht der mehrheitsfesten Geschäftsgrundlage im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zuzuordnen ist. 83 Angesichts der gebotenen teleologischen Interpretation des Verbandszwecks ist dies nur konsequent. Zutreffend hat der BGH in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Verbandszweck umfasse lediglich diejenigen Elemente, mit deren »Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann«. Hiervon nicht erfasst seien im Laufe der Zeit aufgrund geänderter Umstände notwendige und die »prinzipielle Zielrichtung« des Vereins unberührt lassende Anpassungen, welche dem Verein »ohne Rücksicht auf Außenseitermeinungen« möglich sein müssen. 84 b) Stellung der Mitgliedervertretung als oberstes Willensbildungsorgan Es ist zu erwägen, ob über den Wortsinn des Verbandszweckbegriffs hinausgehend der mehrheitsfesten Geschäftsgrundlage eines Verbandes auch bestimmte die Willensbildung betreffende Grundprinzipien zuzurechnen sind. Diskutiert wird dies für die Aktiengesellschaft, wo ein Teil des Schrifttums den »Eigenwillen« des Verbandes als Bestandteil des Verbandszwecks ansieht, welcher es gebiete, dass die Gesellschaft Entscheidungen kraft des eigenen durch ihre Or80 Siehe auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3 (S. 64), der rechtsformübergreifend vom »Gegenstand der Verbandstätigkeit« spricht. 81 Ungeachtet zum Teil erheblicher terminologischer Unterschiede (vgl. Überblick bei MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 77) entspricht dies im Ergebnis der ganz h. M. (statt vieler BayObLGZ 1975, 447; OLG Hamburg BB 1968, 267; Birke, Das Formalziel der Aktiengesellschaft, S. 141; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254 f.). Zur Differenzierung von Vereinszweck und Vereinsgegenstand auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 122 ff. 82 BGHZ 96, 245, 251 spricht von einem »im allgemeinen Sprachgebrauch weit ausgedehnten Begriff des ›Zweckes‹«. 83 BGHZ 96, 245, 251; aus der Literatur statt vieler K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 23 Rn. 34; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 31 ff. m. w. N. 84 BGHZ 96, 245, 251.
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gane gebildeten Willens trifft und nicht lediglich einen extern gebildeten Willen vollzieht. 85 Die externe Einflussnahme auf den Vorstand soll hiernach nur auf Grundlage einer Modifikation des normtypischen Verbandszwecks möglich sein, wie er beispielsweise durch Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags zu Stande kommt oder durch die §§ 311 ff. AktG angeordnet werde. In der Tat liegt die Annahme nahe, dass bestimmte Grundstrukturen der Willensbildung dem Mehrheitsprinzip entzogen sind. Grundsätzlich muss kein Mitglied damit rechnen, dass der Verband ohne seine Zustimmung zum bloßen Befehlsempfänger eines externen Entscheidungszentrums degradiert wird. Den genannten Regelungen des Aktienrechts, wonach die Fremdbestimmung bereits mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann (§ 293 Abs. 1 S. 1 AktG) oder unter bestimmten Voraussetzungen kraft gesetzlicher Anordnung legalisiert wird (§§ 311 ff. AktG), kommt offenkundig Ausnahmecharakter zu. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Begriff des Eigenwillens nur unzureichend geeignet ist, die dem Verbandszweck zuzuordnenden Prinzipien der Willensbildung zu umschreiben. Inwieweit nämlich eine bestimmte Form der Willensbildung als interner und somit einen Eigenwillen hervorbringender Prozess zu qualifizieren ist, hängt letztlich allein von der Einordnung des Einflussnehmenden ab. Schon in der Konstellation, dass die Einflussnahme durch ein herrschendes Mitglied erfolgt, mag man dessen Qualifikation als Außenstehender in Frage stellen. Von Nichtmitgliedern unterscheidet er sich immerhin dadurch, dass er an das Formalziel des Verbandes gebunden ist. Wird ein Mitglied gar zum Organwalter eines fakultativen Organs mit Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsleitung ernannt, 86 lässt es sich vollends nicht vermeiden, die in Ausübung dieser Weisungsbefugnis getroffenen Maßnahmen als Folge eines internen Willensbildungsprozesses zu qualifizieren. Die Überlegungen zeigen, dass nicht jede Form der internen Willensbildung den durch § 33 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Standards gerecht wird, sondern diese auch gewisse Vorstellungen hinsichtlich der Art und Weise einer solchen Willensbildung enthalten. Als maßgeblich wird man insoweit die Vorgabe anzusehen haben, dass der Mitgliedervertretung die Rolle als oberstes Willensbildungsorgan zuzukommen hat. 87 Sie ist nicht nur im Normalstatut des Vereins für die Mitgliederversammlung vorgesehen. Auch die Normalstatute der GmbH, 85 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 156; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, S. 55 f.; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 28. 86 In dem durch weitestgehende Satzungsfreiheit geprägten GmbH- und Vereinsrecht ist dies prinzipiell ohne weiteres möglich (näher hierzu § 10 A. = S. 245 ff.). 87 Vgl. Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, S. 85, 119 f.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 7, der mit Blick auf die GmbH von einem »ungeschriebenen Prinzip« spricht, wonach die Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ nicht beseitigt werden darf und insoweit offenbar von einer auch der Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit entzogenen Schranke der Satzungsfreiheit ausgeht.
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der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft weisen der jeweiligen Mitgliedervertretung die Rolle des obersten Willensbildungsorgans zu. 88 Deren Aufgabe erschöpft sich nicht darin, durch entsprechende Satzungsgestaltung die inneren Angelegenheiten des Verbandes zu regeln. Auch im Bereich der Geschäftsführung kommt der Mitgliedervertretung in allen Fällen die zentrale Rolle zu. So beinhaltet zunächst die Satzungshoheit die Kompetenz, durch Definition des Formalziels und des Gegenstands der Verbandstätigkeit den für die Geschäftsführungstätigkeit maßgeblichen Rahmen zu stecken, und ermöglicht es so der Mitgliedervertretung als einzigem Organ, anderen Organen verbindliche Vorgaben für deren Tätigkeit zu formulieren. 89 Zudem hat die Mitgliedervertretung stets Einfluss darauf, wie das für die Geschäftsführung zuständige Organ den in der Satzung vorgesehenen Handlungsrahmen ausfüllt. Besonders stark ist dieser Einfluss beim Verein und der GmbH, wo auf Grundlage des Normalstatuts der Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung sogar ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung besteht. Im Fall der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft handelt der Vorstand in Geschäftsführungsangelegenheiten zwar eigenverantwortlich. Der der Haupt- bzw. Generalversammlung (zumindest mittelbar über den Aufsichtsrat) zustehende Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Vorstands einschließlich der Möglichkeit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§§ 101 Abs. 1, 84 Abs. 3 S. 1, 3. Alt AktG, 24 Abs. 2 S. 1 GenG) sorgt gleichwohl dafür, dass diese regelmäßig nicht gegen den mutmaßlichen Willen der (Mehrheit der) Mitgliedervertretung handeln.90 Gegen die Verortung von die Willensbildung betreffenden Prinzipien im Verbandszweck ist eingewandt worden, der Willensbildung käme gegenüber dem Formalziel keine eigenständige Bedeutung zu. Fremdbestimmung sei letztlich nur deshalb problematisch, weil durch sie die Verwirklichung des aus dem Formalziel abzuleitenden Eigeninteresses gefährdet werde.91 Gegenüber dieser Kritik ist zunächst anzumerken, dass sie nicht spezifisch auf den Verbandszweckbegriff des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zugeschnitten ist und daher tendenziell von anderen Voraussetzungen ausgeht. Betrachtet man den Verbandszweck als Induktionsbasis des Verbandsinteresses, ist es wohl richtig, allein das Formalziel als maßgeblich zu erachten. Geht es indessen um die Definition der mehrheits88 Für die GmbH: Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 36 m. w. N. sowie Nachweis Fn. 87; für die Genossenschaft: K. Müller, GenG, § 27 Rn. 6; für die AG: Semler in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 34 Rn. 4; GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 43; kritisch MünchKommAktG/Kubis, § 118 Rn. 10. 89 GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 43. 90 Zutreffend (in etwas anderem Zusammenhang) Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 62. 91 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 261; Tröger, Treupflicht, S. 101 f., 149 f.: »Autonomie ist kein Selbstzweck«. Den Eigenwillen als Bestandteil des Verbandszwecks ablehnend auch Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 65 f.; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 334; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 105.
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festen Geschäftsgrundlage des Verbandes, stünde die Reduktion des Minderheitenschutzes auf die Einhaltung des Formalziels im Widerspruch mit der selbst im Aktienrecht starken Betonung der mitgliedschaftlichen Teilhaberechte. Hinzuweisen ist an dieser Stelle insbesondere auf das viel zitierte Recht auf Entscheidungsteilhabe, welches faktisch leerliefe, wenn die Mitgliedervertretung ihre Stellung als oberstes Willensbildungsorgan verlöre.92 Die Erkenntnis, dass nicht der Eigenwille des Verbandes, sondern die Vorrangstellung der Mitgliedervertretung Gegenstand des Verbandszwecks ist, macht zugleich deutlich, dass der in Frage stehende Schutz nicht auf die Unabhängigkeit des Verbandes im Außenverhältnis, sondern die Rolle der Mitgliedervertretung im Rahmen der verbandsinternen Willensbildung, d. h. die Relation zu den anderen im Innenverhältnis an der Willensbildung Beteiligten zielt.93 Denkbar ist allenfalls, dass die das Innenverhältnis betreffenden Vorgaben mittelbar auf das Außenverhältnis ausstrahlen.94 Hierfür scheint zu sprechen, dass die Vorrangstellung der Mitgliedervertretung leerzulaufen droht, wenn der Verband aufgrund von Bindungen im Außenverhältnis sämtlicher Entscheidungsmöglichkeiten beraubt ist. Die besseren Gründe sprechen jedoch gegen die Annahme einer solchen Ausstrahlungswirkung. Welche Bindungen der Verband im Außenverhältnis eingehen darf, wird durch das Formalziel abschließend determiniert. Die Verpflichtung auf das Formalziel verbietet es der Geschäftsleitung, den Verband durch rechtliche Bindungen im Außenverhältnis Fremdeinflüssen auszusetzen, die zur Formalzielverfolgung nicht erforderlich sind. Umgekehrt hat das einzelne Mitglied durch Bindungen im Außenverhältnis vermittelte Einschränkungen der Entscheidungsbefugnisse der Mitglieder92 Vgl. insbesondere Habersack, Mitgliedschaft, S. 298 ff., der betont, dem Recht auf gesetzes- und satzungsmäßige Willensbildung sei das Recht auf Teilhabe am Willensbildungsprozess vorgeschaltet. Die Bedeutung der Verbandsautonomie als Bestandteil des Verbandszwecks lässt sich auch nicht mit Verweis auf § 291 Abs. 2 AktG in Frage stellen (so aber KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 105). Der Gehalt der Vorschrift beschränkt sich darauf, dass die Vereinbarung über die Begründung eines Gleichordnungskonzerns nicht als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren ist, ohne eine darüber hinausgehende Schlussfolgerung zuzulassen. Zu Recht sieht sich daher auch eine im Vordringen befindliche Meinung durch die Vorschrift nicht daran gehindert, den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung nur mit Zustimmung der Hauptversammlung zuzulassen. Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 35 m. w. N. Zur Bedeutung der Stellung der Mitgliedervertretung als oberstes Willensbildungsorgan im Rahmen der Konzerneingangskontrolle unten § 10 B.II.4.a.(1) (S. 274 ff.). 93 Die Vorgaben ähneln insoweit strukturell denen des § 76 Abs. 1 AktG, der nach richtigem Verständnis (Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 283 f.) ebenfalls nur das Innenverhältnis der Organe zueinander betrifft (zur Vereinbarkeit der Vorrangstellung der Hauptversammlung mit dem Leitungsprimat des Vorstandes oben im Text bei Fn. 22). 94 Vgl. im Zusammenhang mit § 76 Abs. 1 AktG Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 285, der der Ansicht ist, die Vorschrift würde es verbieten, der Aktiengesellschaft einen dienenden Verbandszweck zu geben, da hierdurch mittelbar die Leitungsautonomie des Vorstandes in unzulässiger Weise eingeschränkt würde.
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vertretung in dem Umfang hinzunehmen, in dem diese der Formalzielverfolgung dienen. So kann beispielsweise der Gesellschafter einer GmbH mit normtypischem Verbandszweck ersichtlich gegen den Abschluss eines der Gewinnerzielung förderlichen Franchise- oder Kreditvertrags, der dem Vertragspartner umfangreiche Mitsprachrechte gewährt, nicht einwenden, hierdurch würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschafterversammlung (und mittelbar seine eigenen), wenn auch nicht in Relation zu anderen Organen, wohl aber absolut, verkürzt. Bestätigung findet die Annahme, dass der Verbandszweck keinen Anspruch auf einen formalzielunabhängigen Kernbereich von Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedervertretung gewährt, darin, dass nach einhelliger Meinung der Gegenstand der Verbandstätigkeit nicht gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB dem Mehrheitsprinzip entzogen ist.95 Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die jeweilige Verbandstätigkeit ausschlaggebend dafür ist, welche Entscheidungen überhaupt Gegenstand der verbandsinternen Willensbildung sein können. Beschließt die Gesellschafterversammlung einer GmbH mit qualifizierter Mehrheit, das Unternehmen der Gesellschaft zu veräußern und fortan nur noch Beteiligungen zu verwalten, entledigt sie sich hierdurch bis auf weiteres der Möglichkeit, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, ohne dass die dissentierenden Mitglieder dies verhindern könnten.
II. Schutzrechtliches Regelungskonzept des allgemeinen Verbandsrechts: Wahrung des Verbandszwecks zu Gunsten der außenstehenden Gesellschafter Das schutzrechtliche Regelungskonzept ist, wie erläutert, auf die Wahrung des Verbandszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB gerichtet. Es reagiert auf die beschriebene Gefahr, dass die Interessen der außenstehenden Mitglieder infolge der Abhängigkeitsbegründung beeinträchtigt werden (1.). Seine Umsetzung findet es in erster Linie in den Regelungen des allgemeinen Verbandsrechts (2.). 1. Durch herrschenden Einfluss begründete Gefährdungslage a) Traditionelle Vorstellung vom Konzernkonflikt Das deutsche Konzernrecht ist geprägt von der Vorstellung, dass die Beherrschung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter nur dann eine besondere Gefährdungslage begründet, wenn der herrschende Gesellschafter Unternehmenseigenschaft aufweist.96 In dieser Konstellation bestehe ein besonderer 95
S. Nachweis Fn. 84. Kropff, Regierungsbegründung, S. 41 f.; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 4; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 347; ders., Unternehmensgruppe, S. 3. 96
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»Konzernkonflikt«, da zu befürchten sei, dass der Unternehmensgesellschafter seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft für seine unternehmerischen Interessen ausnutzt. Davon strikt unterschieden wird die Situation, dass eine Gesellschaft von einem so genannten »Privatgesellschafter« beherrscht wird. Weil dessen Interessen anders als die des Unternehmensgesellschafters parallel mit dem der Gesellschaft verliefen, sei eine Schädigung der Gesellschaft nicht zu befürchten.97 Jenseits der Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschafter besteht Einigkeit darüber, dass die infolge der Abhängigkeit eintretende Gefährdung der Interessen der beherrschten Gesellschaft mittelbar gleichermaßen die Interessen der außenstehenden Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger tangiert. Minderheiten- und Gläubigerschutz werden hiernach allgemein als gleichrangige Regelungsziele schutzrechtlichen Konzernrechts erachtet.98 b) Kritik Bei näherer Betrachtung erweist sich die traditionelle Vorstellung des Konzernkonflikts als nicht in allen Belangen zutreffend. Richtig ist, dass durch den Eintritt der Abhängigkeit die Machtbalance zwischen den Gesellschaftern verloren geht und hiernach zu befürchten ist, dass der herrschende Gesellschafter zulasten der außenstehenden Gesellschafter Sonderinteressen verfolgt. Wenig Überzeugungskraft hat demgegenüber die Annahme, die Qualität der durch die Abhängigkeit begründeten Gefährdungslage hänge entscheidend davon ab, ob es sich bei dem herrschenden Aktionär um einen Unternehmens- oder einen Privatgesellschafter handelt (1). Selbiges gilt für die Einschätzung, der Eintritt der Abhängigkeit gefährde neben den Interessen der außenstehenden Gesellschafter in gleicher Weise die Interessen der Gläubiger (2). (1) Geringe Überzeugungskraft der Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern Die übliche Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern leidet daran, dass sie auf der falschen Grundannahme einer prinzipiellen Interessenparallelität von Gesellschaftern und Gesellschaft beruht.99 Tatsäch97 Zöllner, ZGR 1976, 1, 5 ff.; Bayer, ZGR 2002, 933, 937; MünchKommAktG/ders., § 15 Rn. 14; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 12; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 22 ff. 98 Statt vieler GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 1; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 3; Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor 15 Rn. 27; konkret den Gläubigerschutz als konzernrechtliches Problem betonend Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 396 ff. Zum Personegesellschaftrecht GroßKommHGB/Schäfer, § 105 Anh. Rn. 22. 99 Zutreffend Wackerbarth, Der Konzern 2005, 562, 563; ähnlich Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor 15 Rn. 28; in der Tendenz wohl auch Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 408 ff. Kritische Tendenzen finden sich auch in der Diskussion um die Existenzvernichtungshaftung im Recht der GmbH, in deren Zusammenhang die Erkenntnis
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lich sind die Interessen der einzelnen Gesellschafter niemals deckungsgleich mit denen der Gesellschaft. Eigennütziges und rationales Verhalten unterstellt, werden Gesellschafter die Schädigung der Gesellschaft in Kauf nehmen, sobald sie die Möglichkeit haben, auf diese Weise ihre eigene Position zulasten der Mitgesellschafter oder Gläubiger zu verbessern. Ob sie Unternehmenseigenschaft aufweisen, spielt im Ausgangspunkt ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, ob der Gesellschafter über einen herrschenden Einfluss verfügt. Die Problematik so genannter räuberischer Aktionäre, die ihr Erpressungspotenzial zulasten der Gesellschaft ausspielen, zeigt, dass auch die Interessen von Minderheitsaktionären nicht mit denen der Gesellschaft gleichgesetzt werden können.100 Im Gegenteil steigt der Anreiz für opportunistisches Verhalten sogar, je geringer die finanzielle Beteiligung eines Gesellschafters an der Gesellschaft ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse der Portfoliotheorie, wonach sich der Fokus des diversifizierten Anlegergesellschafters von der einzelnen Aktie auf das von ihm gehaltene Portfolio verschiebt.101 Wenn gleichwohl die von einem herrschenden Gesellschafter ausgehenden Risiken größer sind als im Fall eines Gesellschafters ohne herrschenden Einfluss, liegt die Ursache hierfür offensichtlich darin, dass dieser über mehr Möglichkeiten verfügt, seine eigenen Interessen gegenüber denen der Gesellschaft durchzusetzen. Denn sieht man von der bereits angesprochenen missbräuchlichen Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten ab, stehen dem Minderheitsgesellschafter regelmäßig keine Mittel zur Verfügung, um unter Verstoß gegen den Verbandszweck Sonderinteressen zu verfolgen. Man kann auch sagen, dass in der unabhängigen Gesellschaft der Verbandszweck durch die zwischen den Gesellschaftern bestehende Machtbalance geschützt wird. Mit Eintritt der Abhängigkeit liegen die Dinge grundsätzlich anders.102 Der herrschende Gesellschafter hat fortan die Möglichkeit, außerhalb der bestehenden Zuständigkeitsordnung auf die Geschäftsleitung Einfluss zu nehmen und hierbei zulasten der Minderheitsgesellschafter verbandszweckwidrige Sonderinteressen zu verfolgen. Unternehmenseigenschaft setzt dies nicht voraus. Auch ein Privatgesellschafter ist in der Lage, durch die Veranlassung erhöhter Geschäftsführerbezüge etc. Gesellschaftsvermögen in sein Privatvermögen zu transferieren. Der Unterschied zwischen Privatgesellschaftern und Unternehmensgesellschaftern beschränkt sich darauf, dass Letztere aufgrund ihrer anderweitigen wirtschaftlichen Betätigung über mehr und bessere Möglichkeiten gereift ist, dass auch für Privatgesellschafter Anreize zur Schädigung der Gesellschaft bestehen und keine Gründe ersichtlich sind, sie haftungsrechtlich gegenüber Unternehmensgesellschaftern zu privilegieren (siehe insbesondere Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 118 ff.). 100 Vgl. u. a. Kiethe, NZG 2004, 489; Poelzig, DStR 2008, 1538. 101 S. etwa Mülbert, ZGR 1997, 129, 135 f.; Birke, Das Formalziel der Aktiengesellschaft, S. 59 f. 102 Die Abhängigkeitsbegründung wird daher auch als »archimedischer Punkt« bezeichnet (Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 411; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 45).
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verfügen, einen entsprechenden Vermögenstransfer durchzuführen (Verlagerung von Gewinnchancen, Konzernverrechnungspreise etc.).103 Vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen, dass sich der Unternehmensgesellschafter vom Privatgesellschafter durch die ihm zur Verfügung stehenden »qualifizierten Transferadressen« unterscheidet.104 (2) Fehlende Abhängigkeitsspezifik der Gläubigerschutzproblematik Entgegen der tradierten Vorstellung handelt es sich beim Gläubigerschutz nicht um ein mit dem Außenseiterschutz gleichrangiges Regelungsziel schutzrechtlich motivierten Konzernrechts. Ursprung der Gläubigerschutzproblematik ist nicht die Abhängigkeitslage, sondern das Prinzip der Haftungsbeschränkung. Müssen die Gesellschafter im Fall, dass das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht, keine persönliche Inanspruchnahme fürchten, erweist es sich für sie als vorteilhaft, Gesellschaftsvermögen, das zur Gläubigerbefriedigung erforderlich wäre, der Gesellschaft zum eigenen Vorteil zu entziehen. Offensichtlich ist die dadurch begründete Gefährdung, wenn sich die Gesellschaft in einer Krise befindet.105 Aber auch jenseits von Krisensituationen wäre ohne weiteres denkbar, den eigenen Nutzen zu optimieren, indem Vermögenswerte auf andere Rechtsträger übertragen und die Gläubiger mit einer »leeren Hülle« zurückgelassen werden.106 Die der h. M. zu Grunde liegende Annahme, dass dieser Grundkonflikt in der Abhängigkeitslage eine neue Qualität gewinnt, beruht auf der Vorstellung, dass die Gläubiger in der unabhängigen Gesellschaft vor den Gefahren opportunistischen Verhaltens der Gesellschafter durch das zwischen diesen bestehende Kräftegleichgewicht geschützt werden.107 In diesen Kontext einzuordnen ist auch die These, in der mehrgliedrigen Gesellschaft werde der Gläubigerschutz reflexartig durch die die Gesellschafter treffende Treupflicht gewährleistet.108 Doch widerspricht eine solche Annahme der ökonomischen Vernunft. Eigennütziges und rationales Verhalten unterstellt, ist anzunehmen, dass die Gesellschafter bei Abwesenheit gläubigerschützender Kautelen kooperieren und den auf diese Weise zulasten der Gläubiger erzielten Vorteil untereinander aufteilen
103
Ähnlich Wackerbarth, Der Konzern 2005, 562, 563 f. Dies andeutend Cahn, AG 2002, 30. 105 Haas, Gutachten, E 99. 106 Vgl. auch Armour/Hansmann/Kraakman in: The anatomy of corporate law, S. 36, die zwischen dem Prinzipal-Agent-Konflikt im Verhältnis von herrschendem Gesellschafter und Minderheit einerseits und dem Verhältnis der Gesellschaftergesamtheit zu den Gläubigern andererseits unterscheiden. 107 Vgl. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 396 f.; Assmann, JZ 1986, 928, 930; Haas, Gutachten, E 98 f. 108 Habersack, ZGR 2008, 533, 535 f.; Henze, NZG 2003, 649, 654 f.; Roth, NZG 2003, 1081. 104
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würden.109 Die Möglichkeit hierzu setzt keine Abhängigkeitslage voraus, sondern ist allein schon deshalb gegeben, weil die Gesellschafter anders als die Gläubiger Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft nehmen können. Der Eintritt der Abhängigkeitslage vermag die Gefährdung der Gläubiger allenfalls insoweit graduell zu erhöhen, als das opportunistische Verhalten zulasten der Gläubiger nicht mehr die Kooperation mehrerer Gesellschafter voraussetzt, sondern vom herrschenden Gesellschafter alleine durchgesetzt werden kann. Relevant dürfte dieser Aspekt jedoch allenfalls bei Gesellschaften mit einem größeren Gesellschafterkreis sein, da hier die mit der Kooperation verbundenen Transaktionskosten im Einzelfall geeignet sein können, den erzielbaren Kooperationsgewinn aufzuzehren.110 Die fehlende Abhängigkeitsspezifik der Gläubigerschutzproblematik wird dadurch belegt, dass die zentralen Kautelen des gesetzlichen Gläubigerschutzes wie insbesondere die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht an den Abhängigkeitstatbestand anknüpfen.111 Zusätzliche Bestätigung findet sie in der Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung, die bewusst auf deren konzernrechtliche Herleitung verzichtet und auch das Zusammenwirken mehrerer Gesellschafter in einer unabhängigen Gesellschaft für haftungsrelevant erklärt.112 Für die Abhängigkeitsspezifik der Gläubigerschutzproblematik lassen sich schließlich auch nicht die gläubigerschützenden Vorschriften des Rechts des Vertrags- und des Eingliederungskonzerns anführen, da diese nur Reflex des privilegierungsrechtlichen Regelungskonzepts sind und insoweit dazu dienen, die durch die Durchbrechung der allgemeinen nicht abhängigkeitsspezifischen Gläubigerschutzkautelen entstandenen Schutzlücken zu kompensieren.113 2. Schutzrechtliches Instrumentarium Zur Wahrung des Verbandszwecks gegenüber den Gefahren herrschenden Einflusses kommen zweierlei Ansätze in Betracht. Zunächst einmal kann versucht werden, bereits den Eintritt herrschenden Einflusses zu verhindern. Insoweit spricht man auch von konzernrechtlichem Präventivschutz bzw. einer Konzerneingangskontrolle (a). Ist die Abhängigkeitslage eingetreten, kann versucht werden, Missachtungen des Verbandszwecks durch Haftungsanordnung etc. zu vermeiden. In Abgrenzung zum konzernrechtlichen Präventivschutz lässt sich insoweit von einem repressiven Schutz sprechen (b).114 109
Auf diese Möglichkeit der Kooperation hinweisend Haas, Gutachten, E 99. Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman in: The anatomy of corporate law, S. 36: »Mutiple principals will face coordinations cost.« 111 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 244, 245 f. 112 BGHZ 150, 61, 67; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 36. 113 Im Einzelnen unten III.3.a. (S. 58). 114 Zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass die Unterschei110
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a) Präventiver Schutz Gesetzliche Regelungen eines konzernrechtlichen Präventivschutzes sucht man weitestgehend vergeblich. Wiedemann kommentiert dies mit der Bemerkung, das Gesetz habe den archimedischen Punkt verfehlt.115 Spuren eines konzernrechtlichen Präventionsschutzes finden sich lediglich vereinzelt in den Regelungen betreffend die Beteiligungspublizität (§§ 20 AktG, 21, 22 WpHG) sowie das übernahmerechtliche Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG).116 Beide Regelungskomplexe verbieten zwar nicht die Entstehung herrschenden Einflusses (bzw. einer Kontrollmehrheit), erschweren sie jedoch und sind daher durchaus geeignet, abschreckende Wirkung zu entfalten. Für die Regelungen über die Beteiligungspublizität folgt das daraus, dass der publik gewordene Versuch, die Kontrolle zu erlangen, häufig auf Widerstand stößt und dadurch nicht realisiert werden kann. Im Übrigen verteuern die Publizitätspflicht und erst recht das Erfordernis eines Pflichtangebots die für die Erlangung herrschenden Einflusses aufzubringenden Mittel.117 Als Anknüpfungspunkt eines weitergehenden Konzerneingangsschutzes kommt indes der Verbandszweck selbst in Betracht. So ist insbesondere zu erwägen, ob die Abhängigkeitsbegründung möglicherweise mit der vom Verbandszweck erfassten Stellung der Mitgliedervertretung als dem obersten Willensbildungsorgan in Konflikt tritt. Wäre dies der Fall, ließe sich aus dem Verbandszweck ein Abhängigkeitsbegründungsverbot ableiten.118 Im Schrifttum wird die Existenz eines solchen Abhängigkeitsbegründungsverbots insbesondere für die »personalistische« GmbH vertreten.119 Dass insoweit statt auf den dung von präventiven und repressiven Schutzinstrumenten an die Entstehung der Abhängigkeit und nicht die schädigende Einflussnahme anknüpft. 115 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 45. 116 Man mag darüber streiten, ob der Abfindungsanspruch der außenstehenden Gesellschafter der Kategorie des präventiven oder des repressiven Schutzes zuzurechnen ist (in letzterem Sinne beispielsweise KölnerKommAktG/Koppensteiner, Anh. § 318 Rn. 45 ff.). Obgleich das Abfindungsrecht an die eingetretene Abhängigkeitslage knüpft, erscheint es vorzugswürdig, die Frage in ersterem Sinne zu beantworten, da es der Sache nach nicht um die Verhinderung der Abhängigkeitslage als solcher, sondern der Verhinderung einer Abhängigkeitslage bei gleichzeitigem Verbleib von Minderheitsgesellschaftern geht. 117 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226 f. unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zum WpÜG. Eine konzernrechtliche Einordnung des Pfl ichtangebots ablehnend u. a. Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 25 m. umf. Nachweisen des Meinungsspektrums. 118 Hierzu unter § 10 B.II.4.a.(1) (S. 274 ff.). 119 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 61 ff.; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, S. 237; Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbHRecht, S. 126; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 262; ders., MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 261 ff.; Sonntag, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, S. 79 ff.; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 96. Ein Abhängigkeitsbegründungsverbot ablehnend OLG Stuttgart NZG 2000, 159, 161 ff.; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 131; GroßKommGmbHG/Casper,
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Verbandszweck auf die Treupflicht rekurriert wird, stellt auf Grundlage der hiesigen Auffassung, wonach es sich bei der Treupflicht des Mitglieds gegenüber dem Verband nur um eine Umschreibung der aus dem Verbandszweck folgenden Bindungen handelt,120 keinen relevanten Unterschied dar. Im Aktienrecht wird ein Abhängigkeitsbegründungsverbot aufgrund der Fungibilität der Aktie letztlich nicht ernsthaft diskutiert. Stattdessen finden sich Überlegungen, inwieweit sich auch für nicht börsennotierte Gesellschaften ein Abfindungsanspruch der Minderheitsaktionäre begründen lässt. Die h. M. lehnt dies indes – zumeist unter Hinweis auf den abschließenden Charakter der §§ 35 ff. WpÜG – ab.121 b) Repressiver Schutz Dem Bereich des repressiven Schutzes zuzuordnen ist zunächst der Verbandszweck selbst, welcher als verbindliche Handlungsmaxime sämtliche Gesellschafter und somit auch oder gerade den herrschenden Gesellschafter zur Einhaltung der Geschäftsgrundlagen des Verbandes anhält. Aus seinen Bestandteilen lassen sich sowohl ein Verbot der formalzweckwidrigen Einflussnahme als auch ein Verbot der Einflussnahme unter Missachtung der Stellung der Mitgliedervertretung als oberstem Willensbildungsorgan ableiten. Ersteres Verbot entspricht dem Schädigungsverbot, welches üblicherweise aus der mitgliedschaftlichen Treupflicht gegenüber dem Verband abgeleitet wird. Anerkennt man indes, dass sich im Verhältnis des einzelnen Mitglieds zum Verband der Inhalt der Treupflicht in der Bindung an den Verbandszweck erschöpft, erweist sich der Rekurs auf die Kategorie der Treupflicht als verzichtbar.122 Zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Vorgaben des Verbandszwecks steht, wie bereits erwähnt, § 280 Abs. 1 BGB zur Verfügung. Zudem kommen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in Betracht.123 Zusätzliche an den herrschenden Gesellschafter gerichtete Regelungen, die auf die Einhaltung des Verbandszwecks zielen, finden sich in den §§ 117, 311 Abs. 1, 317 AktG. Der schutzrechtliche Gehalt der Vorschriften erschöpft sich allerdings weitestgehend in dem bereits aus dem Verbandszweck selbst abzuleiAnh. § 77 Rn. 64; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 207: Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 40. 120 Näher unter § 11 D. I. (S. 302 f.). 121 Zum Streitstand Verse in: Aktienrecht im Wandel, Kap. 13 Rn. 42; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, Anh. § 318 Rn. 47. Im Zusammenhang mit den ungeschriebenen Schranken der Konzernbildung intensiv diskutiert wird auch, inwieweit ein Wettbewerbsverbot des herrschenden Gesellschafters anzuerkennen ist (Nachweise zum Streitstand für die GmbH Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 254 ff.; für die AG Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 7 f.). Das Wettbewerbsverbot lässt sich nur schwer kategorisieren, da es sowohl präventive als auch repressive Elemente in sich vereint. 122 Näher § 11 D.I (S. 302 f.). 123 Im Einzelnen § 11 C. – E. (S. 298 ff.).
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tenden Schädigungsverbot. Eine über den allgemeinen Schutzstandard hinausgehende Effektuierung wird man lediglich § 317 Abs. 3 AktG, der die Haftungsanordnung für Verstöße gegen das Schädigungsverbot auf die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens erstreckt, und, mit Einschränkungen, § 317 Abs. 1 AktG zumessen können, der gegenüber § 280 Abs. 1 BGB einige Modifikationen enthält.124 Wichtige Adressaten schutzrechtlich motivierter Regelungen sind auch die Organe der abhängigen Gesellschaft. Regelungen wie die §§ 93, 116 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG verpflichten diese nicht nur dazu sorgfältig zu handeln, sondern selbstverständlich auch, die Vorgaben des Verbandszwecks zu befolgen. Grundsätzlich verboten ist es ihnen hiernach insbesondere, auf Veranlassung eines herrschenden Gesellschafters die Gesellschaft betreffende Entscheidungen an dessen Sonderinteressen auszurichten und somit gegen das Formalziel zu verstoßen. Daneben wird man zu den Organpflichten auch die Pflicht zählen müssen, die im Gesetz und in der Satzung vorgesehenen Regelungen betreffend die verbandsinterne Willensbildung zu beachten und sich der Einflussnahme eines herrschenden Gesellschafters zu widersetzen.125 Für den Vorstand der Aktiengesellschaft folgt ein entsprechendes Verbot zudem aus der die Vorstandsautonomie festschreibenden Regelung des § 76 Abs. 1 AktG.
III. Privilegierungsrechtliches Regelungskonzept des AktG: Überwindung des Verbandszwecks zugunsten des herrschenden Unternehmens Wie eingangs erwähnt, verfolgt das Aktienkonzernrecht in erster Linie ein privilegierungsrechtliches Regelungskonzept, das darauf zielt, den herrschenden Aktionär zu begünstigen. Im Folgenden gilt es, dieses Konzept im Einzelnen zu beleuchten, die (vermeintlich) schutzrechtlichen Elemente der §§ 291 ff. AktG hierzu in Beziehung zu setzen und der Frage nach der Rechtfertigung der Privilegierung nachzugehen. 1. Modifikationen zugunsten des herrschenden Aktionärs Betrachtet man die dem herrschenden Aktionär im Rahmen des privilegierungsrechtlichen Regelungskonzepts zukommenden Vergünstigungen, so lässt sich zwischen der Änderung des normtypischen Verbandszwecks (a) und der dadurch determinierten Ablösung des Normalstatuts durch ein Sonderstatut (b) unterscheiden.
124 125
Im Einzelnen unten III.3.b. (S. 69 ff.). Näher § 11.C. (S. 298 ff.).
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a) Änderung des normtypischen Verbandszwecks Ausdrückliche den Verbandszweck der abhängigen Aktiengesellschaft betreffende Regelungen enthalten die §§ 291 ff. AktG nicht. Der offene Widerspruch zentraler Rechtsfolgenormen mit dem normtypischen Verbandszweck einer Aktiengesellschaft lässt jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass Letzterer im Rahmen der wesentlichen Unternehmensverbindungen des Aktienkonzernrechts geändert wird.126 Im Einzelnen: (1) Normtypischer Verbandszweck der Aktiengesellschaft Was das Formalziel der normtypischen Aktiengesellschaft anbetrifft, dürfte dessen Inhalt in seinen Grundzügen außer Zweifel stehen.127 Die umfangreichen Regelungen zur Gewinnverwendung (§§ 57 ff., 150 ff. AktG) zeigen, dass das Formalziel in der mitgliedernützigen Gewinnerzielung besteht. Als zweites Element des normtypischen Verbandszwecks tritt neben das mitgliedernützige Gewinnziel die Stellung der Hauptversammlung als oberstem Willensbildungsorgan.128 (2) Beherrschungsvertrag und Eingliederung Auswirkungen haben der Beherrschungsvertrag und die Eingliederung zunächst einmal auf das Formalziel.129 Wenn nämlich das Weisungsrecht auch solche Weisungen ermöglicht, die für die abhängige Gesellschaft nachteilig sind
126 Ebenfalls den Begriff der Zweckänderung verwendend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 162 ff.; Nienhaus, Kapitalschutz in der Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 18, 229; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 156; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 279 ff. m. w. N., vgl. auch BGHZ 105, 324, 331, 338. Der Einwand, der Verbandszweck werde nicht geändert, sondern lediglich »gelockert« (Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 260 Fn. 41), verfängt nicht. Der Umstand, dass die Hauptversammlung auch unter Geltung eines Beherrschungsvertrags an den ursprünglichen Verbandszweck gebunden ist (Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, S. 47 ff.; Bayer, WM 1987, 59; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 26; a. A. Martens, FS R. Fischer, S. 437, 449) steht der Annahme einer Zweckänderung nicht entgegen, sondern erklärt sich dadurch, dass die Gesellschaft mit Abschluss des Beherrschungsvertrags ein heterogenes Formalziel erhält (hierzu § 10 B.II.4.b.(2) = S. 278 ff.). 127 Zum Formalziel der Aktiengesellschaft Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 157 ff.; ders., FS Lutter, S. 535, 539 ff.; Tröger, Treupflicht, S. 100 ff.; Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 27 ff.; Birke, Das Formalziel der Aktiengesellschaft, passim. 128 S. die in Fn. 85 genannten Vertreter, die ebenfalls bestimmte Grundzüge der Willensbildung als Element des Verbandszwecks anerkennen, statt auf die Stellung der Hauptversammlung als oberstem Willensbildungsorgan aber auf das Element des Eigenwillens rekurrieren. 129 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 163; ebenso Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 279 ff.; Rüffl er, FS Koppensteiner, S. 149, 152 f.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 156 jeweils aber ohne Differenzierung zwischen den einzelnen Bestandteilen des Verbandszwecks. Ausdrücklich in Bezug auf den Abschluss eines Unternehmensvertrags mit einer GmbH auch BGHZ 105, 324, 331, 338; GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 190.
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(§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG),130 bedeutet dies, dass das bisherige Formalziel als Handlungsmaxime modifiziert wird. Was zunächst die Wertschöpfung betrifft, tritt in dem Umfang, in dem die Gesellschaft die eigene Gewinnerzielung zu Gunsten anderer Interessen zurückgestellt, an die Stelle des Gewinnziels ein Naturalziel.131 Erbringt sie beispielsweise Dienstleistungen gegenüber anderen Konzerngesellschaften ohne angemessenes Entgelt, wird partiell die Dienstleistung selbst zum Gegenstand der Wertschöpfung. Sofern im Fall des Beherrschungsvertrags dieser mit einem bloßen Mehrheitsgesellschafter oder gar einem Dritten abgeschlossen wird, ist zudem das Element der Wertverteilung betroffen. Betroffen ist der Verbandszweck im Fall des Beherrschungsvertrags und der Eingliederung aber auch unter dem Aspekt der Willensbildung.132 Das in beiden Fällen bestehende Weisungsrecht des anderen Vertragsteils (§ 308 Abs. 1 AktG) bzw. der Hauptgesellschaft (§ 323 Abs. 1 AktG) scheint nur auf den ersten Blick die Stellung der Hauptversammlung nicht zu tangieren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es ihre über den Aufsichtsrat vermittelte Personalentscheidungskompetenz beeinträchtigt. Denn die Möglichkeit zur Besetzung des Vorstandes und der dadurch vermittelte Einfluss werden entwertet, wenn der Vorstand den Weisungen eines Dritten unterliegt. Die tatsächliche Relevanz der Entmachtung der Hauptversammlung ist aber zugegebenermaßen gering. Steht das Weisungsrecht dem alleinigen Aktionär zu (was im Fall der Eingliederung zwingend ist), ist die Differenzierung zwischen seinen Befugnissen und denen der Hauptversammlung letztlich nur formaler Natur. Und auch im Fall des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags mit einem Mehrheitsaktionär ist zu bedenken, dass diesem aufgrund seiner Mehrheit in der Hauptversammlung faktisch die Personalentscheidungskompetenz zusteht, welche ihn bereits vor Abschluss des Vertrages in die Lage versetzt, die Hauptversammlung zu umgehen.133
130 Für die Eingliederung ist eine Beschränkung auf das Konzerninteresse nicht ausdrücklich vorgesehen (Kropff, Regierungsbegründung, S. 427), doch folgt sie typischerweise mittelbar daraus, dass nicht dem Konzerninteresse dienende Weisungen der Sorgfaltspfl icht der Organe der Hauptgesellschaft widersprechen (KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 323 Rn. 2). 131 Vgl. § 3 B.I.2.a. (S. 31 ff.). 132 Ebenso (für den Beherrschungsvertrag) unter Abstellen auf das Element des Eigenwillens Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 163. 133 Zu den Zusammenhängen von Mehrheitsmacht, Personalentscheidungskompetenz und der Stellung der Mitgliedervertretung als oberstem Willensbildungsorgan näher unter § 10 B.II.4.a.(1) (S. 274 ff.).
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(3) §§ 311 ff. AktG Auch die §§ 311 ff. AktG haben Auswirkung auf den Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft.134 Offensichtlich ist zunächst, dass ähnlich wie beim Beherrschungsvertrag und der Eingliederung das Formalziel der Gesellschaft betroffen ist. Wenn nämlich die §§ 311 ff. AktG dem herrschenden Unternehmen gestatten, unter bestimmten Vorgaben nachteilig auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen, ist dies mit dem mitgliedernützigen Gewinnziel der normtypischen Aktiengesellschaft unvereinbar. Das Gewinnziel wird wiederum partiell durch ein Naturalziel ersetzt. In gleicher Weise wird von der normtypischen, dem Interesse aller Aktionäre gleichermaßen dienenden Wertverteilung abgewichen. Auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint, ob die §§ 311 ff. AktG den Verbandszweck auch unter dem Aspekt der Willensbildung überlagern. Hiergegen scheint zu sprechen, dass die Vorschriften kein Weisungsrecht begründen und es dem Vorstand hiernach grundsätzlich freisteht, ob er sich der Einflussnahme öffnet.135 Doch würde dies zu kurz greifen. Faktisch versetzt die Stimmenmehrheit den Aktionär in die Lage, unmittelbar auf den Vorstand Einfluss zu nehmen und auf diese Weise die Personalentscheidungskompetenz der Hauptversammlung leerlaufen zu lassen. Ohne entsprechende Regelungsanordnung wäre eine solche Entmachtung der Hauptversammlung jedoch unzulässig. Legalisiert wird sie erst durch die §§ 311 ff. AktG, die die Umgehung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung implizit in Kauf nehmen.136 Das widerspricht den Wertungen des Verbandszwecks, die eine solche Umgehung gerade nicht erlauben.137 (4) Gewinnabführungsvertrag Offenkundig ist, dass der Gewinnabführungsvertrag vom normtypischen Formalziel unter dem Gesichtspunkt der Wertverteilung abweicht.138 Zwar bleibt 134 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 280 ff.; Nienhaus, Kapitalschutz in der Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 18, 229; ablehnend Tröger, Treupflicht, S. 199 ff. 135 Gegen eine Auswirkung der §§ 311 ff. AktG auf den Eigenwillen der Gesellschaft daher auch Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 57; differenzierend MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 12 ff. 136 Kropff, Regierungsbegründung, S. 375: »Damit wird in Kauf genommen, daß das herrschende Unternehmen nicht nur durch Ausübung seiner Gesellschaftsrechte, sondern auch außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft einwirkt.« Kritisch gegenüber dieser Sichtweise MünchKommAktG/ Altmeppen, § 311 Rn. 12 ff. 137 Im Ergebnis ebenso unter Rekurrierung auf den Eigenwillen Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 280 ff.; vgl. auch Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 5; MünchKommAktG/Kropff, 2. Aufl., § 311 Rn. 13. 138 Die verbandszweckändernde Wirkung des Gewinnabführungsvertrags anerkennend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 166 ff.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 160; Kurz, Der Gewinnabführungsvertrag im GmbH-Recht, S. 97; Veil, Unternehmensverträge,
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der Anspruch der außenstehenden Aktionäre auf Beteiligung am Bilanzgewinn formal bestehen. Weil aber infolge der Gewinnabführung kein verteilungsfähiger Bilanzgewinn mehr entsteht, läuft er faktisch leer.139 Die normtypische Zielsetzung, im Interesse aller Aktionäre Gewinn zu erzielen, wird auf diese Weise aufgegeben. Dem lässt sich nicht entgegnen, dass die außenstehenden Aktionäre gegebenenfalls über den Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG weiterhin am Gewinn partizipieren.140 Dagegen spricht bereits, dass sich die Partizipation aufgrund des Ausgleichsanspruchs nach anderen Maßstäben richtet, als sie ohne Abschluss des Gewinnabführungsvertrags gelten würden. Letztlich stellt der Ausgleichsanspruch lediglich eine Reaktion darauf dar, dass vom Verbandszweck abgewichen wird, ohne den Tatbestand als solchen infrage stellen zu können.141 Auswirkungen auf die übrigen Elemente des Verbandszwecks scheinen auf den ersten Blick dadurch ausgeschlossen, dass der Gewinnabführungsvertrag kein Weisungsrecht begründet und auch die aufgrund der Mehrheitsmacht bestehende Möglichkeit der nachteiligen Einflussnahme nicht legalisiert. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Einschätzung indes als durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen aus dem Jahr 2008 (MoMiG) überholt. Entgegen der vorherigen Rechtslage, die lediglich Leistungen aufgrund des Gewinnabführungsvertrages vom Verbot der Einlagenrückgewähr ausgenommen hatte, ordnen die §§ 57 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., 291 Abs. 3 AktG (n. F.) nunmehr einen generellen Dispens von den Kapitalerhaltungsvorschriften an. Auf diese Weise soll auch der unterjährige Vermögenstransfer der Gesellschaft an den anderen Vertragsteil ermöglicht werden.142 Nimmt man dies ernst, kann dies aber nichts anderes bedeuten, als dass der Gesetzgeber auch auf Grundlage des Gewinnabführungsvertrages die nachteilige Einwirkung auf die Gesellschaft legalisieren wollte. Auch dem Gewinnabführungsvertrag ist daher eine den normtypischen Verbandszweck überlagernde Wirkung ähnlich der der §§ 311 ff. AktG zubilligen.143 Was die Willensbildung anbetrifft, ist dem herrschenden Aktionär hiernach entgegen der Vorgaben des normtypischen Verbandszwecks gestattet, unter Umgehung S. 143 ff. m. w. N. Teilweise wird auch vertreten, dass sich nur der Unternehmensgegenstand ändere (Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, S. 356). 139 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 166 f. 140 So aber Koppensteiner, FS Krejci, S. 735, 738 f.; KölnerKommAktG/ders., Vor § 291 Rn. 156. 141 Im Fall des dem Gewinnabführungsvertrag gleichgestellten Geschäftsführungsvertrags (§ 291 Abs. 1 S. 2 AktG) verzichtet die Gesellschaft vollständig auf die Verfolgung ihres Gewinnziels. Die Wertschöpfung beschränkt sich auf die im Rahmen der Geschäftsführung zu erbringenden Leistungen. Da diese nicht der Gesamtheit der Mitglieder, sondern ausschließlich dem anderen Vertragsteil zukommt, ist zudem die Wertverteilung betroffen. 142 Vgl. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295 f. 143 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 287; Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 291 Rn. 74.
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der Zuständigkeitsordnung den Vorstand zu entsprechenden Zuwendungen anzuhalten. Dem Vorstand ist es umgekehrt gestattet, sich der Einflussnahme zu öffnen. Da der Vermögenstransfer nicht zwingend Geldmittel zum Gegenstand haben muss (Bsp. unangemessene Verrechnungspreise), erlaubt der Gewinnabführungsvertrag schließlich auch die partielle Ablösung des Gewinnziels durch ein Naturalziel. (5) Exkurs: Unternehmensverträge des § 292 AktG Vor dem skizzierten Hintergrund bestätigt sich die Richtigkeit der eingangs aufgestellten These, dass ein kategorialer Unterschied zwischen den Unternehmensverträgen des § 291 AktG und denen des § 292 AktG besteht.144 Entgegen einer verbreiteten Auffassung145 bleibt der Abschluss der letztgenannten Verträge ohne Auswirkungen auf den Verbandszweck. Bezüglich des Formalziels folgt dies daraus, dass die Unternehmensverträge des § 292 AktG aufgrund ihrer Konzeption als Austauschverträge in der Vorstellung des Gesetzgebers darauf zielen, das normtypische Gewinnziel zu fördern und nicht von ihm abzuweichen. Weichen die Parteien abhängigkeitsbedingt gleichwohl vom Gewinnsziel ab, indem sie das Äquivalenzverhältnis zum Nachteil der Gesellschaft ausgestalten, begründet dies keine Änderung, sondern eine Verletzung des Formalziels. Folgerichtig geht man in der aktienrechtlichen Literatur auch einhellig davon aus, dass entsprechende Gestaltungen rechtswidrig sind und, wenn nicht sogar zur Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses führen, so doch zumindest dessen Anfechtbarkeit begründen.146 Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Regelung des § 293 Abs. 1 S. 4 AktG, wonach neben dem Zustimmungsbeschluss keine Satzungsänderung erforderlich ist. Zwar könnte man argumentieren, der Zustimmungsbeschluss würde hiernach auch die zur Legitimation der Benachteiligung der Gesellschaft erforderliche Durchbrechung des Formalziels implizieren. Doch ginge das ersichtlich über das mit dem vom Gesetzgeber in § 293 Abs. 1 S. 4 AktG verfolgte Regelungsziel hinaus, welches sich darauf beschränkt, Divergenzen zwischen dem normty144
Siehe oben A.II.3.b. (S. 22 ff.). Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, S. 63; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vor § 291 Rn. 161; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 171 f. Tendenziell ähnlich alle diejenigen, die den Unternehmensverträgen des § 292 AktG Organisationscharakter zubilligen (u. a. Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 292 Rn. 5 f.; Veil, Unternehmensverträge, S. 126 m. w. N.). 146 Ausführlich MünchKommAktG/Altmeppen, § 292 Rn. 28 ff., 115 ff. m. w. N. Hiergegen lässt sich nicht anführen, dass die Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 2 S. 2 AktG durch Gewährung eines angemessenen Ausgleichs ausgeschlossen werden kann (so aber Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 168 im Zusammenhang mit dem Teilgewinnabführungsvertrag), da es sich insoweit nicht um ein Spezifikum des § 292 AktG handelt, sondern die Möglichkeit der Überwindung des Verbandszwecks Rechtsfolge von § 243 Abs. 2 S. 2 AktG ist und ebenso gut im Zusammenhang mit jedem anderen nachteiligen Austauschvertrag erzielt werden kann, über den die Hauptversammlung auf Grundlage von § 119 Abs. 2 oder § 179a AktG beschließt. 145
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pischen Inhalt der Unternehmensverträge der §§ 291, 292 AktG und dem Inhalt der Satzung einer normtypischen Aktiengesellschaft zu beseitigen. Der Anwendungsbereich des § 293 Abs. 1 S. 4 AktG bedarf insoweit der telelogischen Reduktion. Auch unter dem Gesichtspunkt der Willensbildung erfährt der Verbandszweck in keinem der in § 292 AktG geregelten Fälle eine Änderung. Wie dargelegt, sichert der Verbandszweck lediglich die Vorrangstellung der Mitgliedervertretung im Verhältnis zu den übrigen an der internen Willensbildung Beteiligten und entfaltet hinsichtlich des Außenverhältnisses auch keine mittelbare Wirkung.147 Selbst die Verpachtung bzw. Überlassung des Unternehmens an einen Dritten (§ 292 Nr. 3 AktG) ist hiernach unter dem Gesichtspunkt der Willensbildung unproblematisch.148 Wollte man dies anders sehen, müsste man konsequenterweise auch den Fall, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen vollständig veräußert, als Verstoß gegen den normtypischen Verbandszweck qualifizieren, da die Veräußerung das Unternehmen in noch stärkerem Maße dem Einfluss der Gesellschaft und ihren Organe entzieht als die bloße Überlassung.149 b) Ablösung des Normalstatuts durch ein Sonderstatut Die für die untersuchten Unternehmensverbindungen strukturbildende Privilegierung des Mehrheitsgesellschafters tritt in verschiedenen Bereichen in Konflikt mit der Organisations- und Finanzverfassung der abhängigen Gesellschaft. Vereinzelt hat sich der Gesetzgeber dem angenommen und die Anwendbarkeit der konfligierenden Normen des Normalstatuts ausdrücklich aufgehoben (vgl. u. a. § 291 Abs. 3 AktG). Aber auch wo dies nicht geschehen ist, kann der Vorrang des Konzernrechts nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali kaum zweifelhaft sein. Im Ergebnis wird daher das Normalstatut durch ein für die jeweilige Unternehmensverbindung geltendes Sonderstatut abgelöst. Bei dieser Ablösung handelt es sich letztlich um die Konsequenz des zuvor beschriebenen Einflusses auf den Verbandszweck, bei dem es sich um die zentrale Determinante der Verbandsverfassung handelt. (1) Kapitalerhaltung Die größte legislative Aufmerksamkeit hat der Konflikt zwischen der Privilegierung einzelner Gesellschafter und den Regelungen der Kapitalerhaltung 147
Oben I.2.b. (S. 37). A. A. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 171 f. 149 Aus dem gleichen Grund trifft es nicht zu, dass der Abschluss der in § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG geregelten Verträge im Widerspruch zur Leitungsautonomie des Vorstandes steht (so aber insbesondere Veil, Unternehmensverträge, S. 126 ff.). Auch § 76 Abs. 1 AktG betrifft allein das Innenverhältnis und schützt somit nicht davor, dass sich die Gesellschaft im Außenverhältnis fremdem Einfluss aussetzt. 148
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(§§ 57, 58, 60 AktG) erfahren. Da letztere außerhalb der formalen Gewinnverwendung Leistungen an die Aktionäre grundsätzlich verbieten, stehen sie dem im Rahmen aller wesentlichen Unternehmensverbindungen vorgesehenen Vermögenstransfer von der Gesellschaft an das herrschende Unternehmen entgegen. Für den Beherrschungs-, den Gewinnabführungsvertrag und die Eingliederung hat der Konflikt in den §§ 57 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., 291 Abs. 3, 323 Abs. 2 AktG eine ausdrückliche Lösung gefunden, auf deren Grundlage die Kapitalerhaltungsvorschriften mit dem Eintritt in die Unternehmensverbindung weitestgehend abbedungen werden. Am engsten formuliert ist insoweit noch § 323 Abs. 2 AktG, der ausdrücklich nur Leistungen an die Hauptgesellschaft vom Verbot der Einlagenrückgewähr ausnimmt.150 Demgegenüber sehen die §§ 57 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., 291 Abs. 3 AktG für den Beherrschungs- und den Gewinnabführungsvertrag sogar den vollständigen Dispens von den Kapitalerhaltungsregelungen vor. Wie bereits ausgeführt, bedeutet dies für den Gewinnabführungsvertrag, dass neben der vertraglich geschuldeten Gewinnabführung auch alle anderen Formen des Vermögenstransfers an den anderen Vertragsteil ermöglicht werden. Hinsichtlich des Konflikts der Kapitalerhaltungsregelungen mit den §§ 311 ff. AktG fehlt es an einer gesetzlichen Regelung. Gleichwohl geht man überwiegend davon aus, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr keine Anwendung findet, sofern das herrschende Unternehmen den Privilegierungsrahmen der §§ 311 ff. AktG nicht überschreitet.151 Diesem Standpunkt hat sich nunmehr der BGH in der MPS-Entscheidung ausdrücklich angeschlossen.152 (2) Treupflicht, Gleichbehandlungsgrundsatz und § 117 AktG Anpassungsbedarf begründet die Privilegierung auch hinsichtlich der Verhaltenspflichten des herrschenden Unternehmens gegenüber der Gesellschaft und der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären. Was zunächst die Pflichten des herrschenden Unternehmens anbetrifft, so tritt dessen auf Grundlage des Beherrschungsvertrags, der Eingliederung und der §§ 311 ff. AktG bestehendes Recht, nachteilig auf die Gesellschaft einzuwirken, in Widerspruch zu dem an jeden Gesellschafter gerichteten Schädigungsverbot. Gleiches gilt für § 117 Abs. 1 AktG, dessen Haftungsanordnung eben150
Vgl. K. Schmidt/Lutter/Ziemons, AktG, § 323 Rn. 20. OLG München NZG 2005, 181, 183; OLG Frankfurt AG 1996, 324, 327; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 82; Spindler/Stilz/H.F. Müller, AktG, § 311 Rn. 63; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 161; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 311 Rn. 104; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 130 ff.; im Ergebnis auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 456 ff.; a. A. Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 64 ff.; Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 126 ff. 152 BGHZ 179, 71 Tz. 11. 151
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falls das Bestehen eines Schädigungsverbotes voraussetzt. Hinsichtlich der Pflichten der Gesellschaft besteht ein Konflikt zwischen der Privilegierung des herrschenden Unternehmens und dem Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG.153 Auszunehmen ist lediglich der Fall, dass keine außenstehenden Aktionäre existieren. Tritt hingegen ein Beherrschungsvertrag bei gleichzeitigem Verbleib außenstehender Aktionäre in Kraft, impliziert die Regelung des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG, dass der Vorstand Weisungen auch dann zu befolgen hat, wenn diese den herrschenden Aktionär einseitig zulasten der übrigen Aktionäre bevorzugen. Konflikte entstehen auch im Rahmen der §§ 311 ff. AktG. Denn obgleich diese kein Weisungsrecht begründen, macht die Befugnis des herrschenden Aktionärs zur nachteiligen Einflussnahme nur Sinn, wenn es dem Vorstand und somit der dessen Verhalten zuzurechnenden Gesellschaft zumindest möglich ist, sich der auf eine Bevorzugung des herrschenden Unternehmens zielenden Einflussnahme zu öffnen.154 Angenommen hat sich der Gesetzgeber den skizzierten Konflikten lediglich in § 117 Abs. 7 AktG, welcher für den Beherrschungsvertrag und die Eingliederung eine Schadensersatzpflicht des anderen Vertragsteils bzw. Hauptgesellschafters ausschließt. Im Übrigen fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung. Gleichwohl kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich auch insoweit die spezielleren Regelungen des Konzernrechts gegenüber dem Schädigungsverbot und den aus dem Gleichbehandlungsgebot folgenden Verhaltenspflichten durchsetzen.155 Bezüglich des Schädigungsverbots folgt dies daraus, dass dieses nach richtiger Auffassung seine Grundlage im Verbandszweck findet und durch 153
Ausführlich zu diesem Konfl ikt Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 331 ff. m. w. N. Aus Sicht des Vorstands stellt sich die Frage, ob die Befolgung nachteiliger Weisungen sorgfaltswidrig ist, hierzu sogleich unter (3). 155 Für die Unternehmensverträge des § 291 Abs. 1 AktG dürfte dies unstreitig sein, vgl. GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 152 m. w. N. (im Hinblick auf die Treupflicht); Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 333 f. m. w. N. (im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz). Im Zusammenhang mit der Eingliederung wird die Verdrängung des Schädigungsverbots offenbar für so selbstverständlich erachtet, dass eine Erörterung gar nicht erst erfolgt. Streitig ist der Vorrang des Konzernrechts lediglich für die §§ 311 ff. AktG, wo vereinzelt versucht wird, vermeintliche Defizite der Regelungen durch Rückgriff auf die Treupflicht zu überwinden (Zöllner, ZHR (1998), 235, 241 f., 244 f.; Tröger, Treupflicht, S. 201 ff.; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 317 ff.; ansatzweise auch Henze, BB 1996, 489, 499). Die ganz h. M. lehnt dies jedoch ab und hält die allgemeinen Regelungen daher im Umfang des Privilegierungsrahmens der §§ 311 ff. AktG für unanwendbar (u. a. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 26 f.; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, § 311 Rn. 67; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 68; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 167 f.; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 89; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 156; Verse in: Aktienrecht im Wandel, Kap. 13 Rn. 45; K. Schmidt/Lutter/Hommelhoff/Witt, § 117 Rn. 34. Im Ergebnis ebenso MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 15, § 317 Rn. 121, nach dessen Auffassung es sich bei den §§ 311, 317 AktG um eine gesetzliche Präzisierung von Treupflichten handelt und ein Konkurrenzproblem daher gar nicht existiert. 154
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dessen Überlagerung daher ebenfalls modifiziert wird.156 Verdrängt wird nach dem Spezialitätsgrundsatz aber auch das Gleichbehandlungsgebot in dem Umfang, indem die einzelnen Unternehmensverbindungen ausdrücklich oder implizit Ungleichbehandlungen gestatten.157 (3) Rechte und Pfl ichten der Verwaltungsorgane Auswirkungen haben die zu untersuchenden Unternehmensverbindungen schließlich auf die Rechte und Pflichten der Verwaltungsorgane der abhängigen Aktiengesellschaft. Am intensivsten sind die Auswirkungen beim Abschluss eines Beherrschungsvertrags sowie der Eingliederung. Das beiden Unternehmensverbindungen immanente Weisungsrecht, welches nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern dem Vorstand selbst besteht (§§ 308 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 S. 1 AktG), führt dazu, dass die in § 76 Abs. 1 AktG vorgesehene Leitungsautonomie des Vorstandes weitestgehend aufgehoben wird.158 Lediglich im weisungsfreien Bereich kann er die Gesellschaft noch unter eigener Verantwortung leiten.159 Auswirkungen haben der Beherrschungsvertrag und die Eingliederung auch auf die Sorgfaltspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat. Zwar ergibt sich aus §§ 309, 310, 323 Abs. 1 S. 2 AktG, dass sie trotz des Bestehens der Unternehmensverbindung die »Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters« anzuwenden haben, doch wird der Inhalt dieser Sorgfaltspflicht durch die Unternehmensverbindung erheblich modifiziert. Verpflichten die §§ 308 Abs. 1, 2, 323 AktG den Vorstand, auch nachteilige Weisungen durchzuführen, kann die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht sorgfaltswidrig sein. Entsprechendes gilt für den Aufsichtsrat, wenn dieser die Zustimmung zu einer nachteiligen Maßnahme erteilt. Die Modifikation des normtypischen Verbandszwecks schlägt sich insoweit in der Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs der §§ 93 Abs. 1, 116 AktG nieder.160 Sorgfaltswidrig handelt der Vorstand hiernach im Wesentlichen nur, wenn er es versäumt, die Rechtmäßigkeit einer Weisung zu überprüfen oder bei deren Umsetzung Fehler begeht. Im Fall des Aufsichtsrats gilt Entsprechendes, wenn dieser einem Geschäft zustimmt, das Gegenstand einer rechtswidrigen Weisung ist. Modifiziert werden die Pflichten der Verwaltungsorgane ferner durch die §§ 311 ff. AktG. Obgleich sie kein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens begründen, bleiben sie nicht ohne Auswirkungen auf § 76 Abs. 1 AktG. Denn die Regelung begründet nicht nur ein Recht des Vorstandes auf Leitung 156
Zur Ableitung des Schädigungsverbots aus dem Formalziel § 11 D. I. (S. 302 f.). Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 208 ff., 334, 339. 158 Zum Beherrschungsvertrag Kropff, BB 1965, 1281, 377. 159 Kropff, Regierungsbegründung, S. 403. 160 Den Zusammenhang von Verbandszweck und den Ersatzansprüchen aus §§ 93, 116 AktG betonend Mülbert, FS Lutter, S. 535, 538 ff. 157
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der Gesellschaft, sondern auch eine entsprechende Pflicht.161 Soweit die Privilegierungswirkung des § 311 Abs. 1 AktG reicht, gestattet diese es dem Vorstand, die Leitung aus der Hand zu geben und reduziert somit seine Leitungspflicht. Nur in dem Umfang, in dem das herrschende Unternehmen von seiner Einflussmöglichkeit keinen Gebrauch macht, bleiben die Pflichten des Vorstandes aus § 76 Abs. 1 AktG unberührt. Daneben haben auch die §§ 311 ff. AktG Auswirkungen auf den für die Verwaltungsorgane anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab.162 Soweit sie ihnen nämlich gestatten, für die Gesellschaft nachteilige Weisungen zu befolgen bzw. entsprechenden Maßnahmen die Zustimmung zu erteilen, kann auch dies wiederum nicht sorgfaltswidrig sein. Auch insoweit werden die §§ 93, 116 AktG partiell modifiziert.163 Im Fall von Veranlassungen spielt daher vor allem die Prüfungspflicht des Vorstandes eine Rolle, wonach dieser darauf zu achten hat, dass der Umfang der Privilegierungswirkung der §§ 311 ff. AktG nicht überschritten wird.164 Entsprechendes gilt für die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats sowie dessen Sorgfaltspflicht bei der Entscheidung über die Erteilung von Zustimmungen gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG.165 Was schließlich den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags betrifft, sind auch im vorliegenden Zusammenhang wiederum die Regelungen der §§ 57 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., 291 Abs. 3 AktG zu beachten. Die durch sie intendierte Ermöglichung unterjähriger Vermögenstransfers impliziert, dass sich der Vorstand der darauf gerichteten Einflussnahme öffnen darf und insoweit von seiner Leitungspflicht aus § 76 Abs. 1 AktG befreit ist. Ebenso ist anzunehmen, dass der unterjährige Vermögenstransfer nicht pflichtwidrig im Sinne der §§ 93 Abs. 1, 116 AktG ist. 2. Überwindung der Grenzen privatautonomer Gestaltbarkeit Zuweilen wird die privilegierungsrechtliche (bzw. organisationsrechtliche) Dimension des Konzernrechts mit dem Hinweis zu relativieren versucht, im Gegensatz zum Schutzrecht entwickele sich ein Organisationsrecht von selbst dadurch, dass die »Unternehmen von ihrer Herrschaftsmacht über andere Unternehmen und von gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmitteln Gebrauch ma161 S. nur K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 76 Rn. 8; MünchKomm/Hefermehl/Spindler, AktG, § 76 Rn. 15. 162 Ausführlich Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 78 ff.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 139 ff. 163 Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 78 ff., 81 ff.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 160. 164 Zu prüfen ist insbesondere, ob die Maßnahme dem Konzerninteresse dient (§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG), dem Einzelausgleich zugänglich ist und das herrschende Unternehmen ausreichend kreditwürdig ist. 165 Vgl. BGHZ 179, 71 (MPS).
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chen«.166 Diese Einschätzung wird der Bedeutung des Aktienkonzernrechts jedoch nicht gerecht.167 Das privilegierungsrechtliche Regelungskonzept zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es zu Gunsten des Inhabers herrschenden Einflusses allgemeine Grundsätze überwindet, die die Ausübung der Herrschaftsmacht erschweren oder sogar unmöglich machen würden. Aus diesem Grund wäre es falsch anzunehmen, dass in Abwesenheit des Aktienkonzernrechts vergleichbare Organisationsstrukturen allein kraft privatautonomer Vereinbarung erzielt werden könnten. a) Einstimmigkeitserfordernis des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB Die obigen Überlegungen zu den Auswirkungen der Unternehmensverbindungen auf den Verbandszweck der normtypischen Gesellschaft haben gezeigt, dass die Ausübung herrschenden Einflusses im Wege der Einflussnahme auf den Vorstand der abhängigen Gesellschaft im Widerspruch zum normtypischen Verbandszweck steht. Erst recht gilt dies, wenn die Einflussnahme nachteilhaft ist. Ohne die den Verbandszweck modifizierende Wirkung der Regelungen des Aktienkonzernrechts wäre eine entsprechende Einflussnahme nur im Wege der gewöhnlichen Änderung des Verbandszwecks möglich, welche analog § 33 Abs. 1 S. 2 BGB die Zustimmung sämtlicher Aktionäre voraussetzt.168 Bedenkt man, dass demgegenüber die Eingliederung sowie der Abschluss eines Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrags nur eine 95%-ige bzw. 75%-ige Kapitalmehrheit voraussetzen und die Modifikation des Verbandszwecks durch die §§ 311 ff. AktG sogar ohne jedes Beschlusserfordernis eintritt, wird die privilegierende Wirkung des Aktienkonzernrechts deutlich.169 b) Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) Selbst wenn die erforderlichen Änderungen des Verbandszwecks gelingen würden, stünden der privatautonomen Implementierung eines Regelungsregimes, welches den aktienkonzernrechtlichen Sonderstatuten entspricht, weitere zum Teil unüberwindbare Hürden entgegen. Eine dieser Hürden ist die aktienrechtliche Satzungsstrenge.170 Zwar kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Ausrichtung des Verbandszwecks auf die Interessen des herrschenden Unternehmens Rückwirkung auf die Interpretation der dem Vermögensschutz dienenden Regelungen (§§ 93, 116, 117 AktG) hat und deren Abbedingung bzw. Modifikation entbehrlich macht.171 Dem Konzerninteresse dienende Maßnah166
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 II 1 a (S. 491). Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 24 ff. 168 Nachweise Fn. 60. 169 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 45, spricht von »Kunstfiguren«, da sie eine »echte Zustimmung der gefährdeten Bezugsgruppen« nicht vorsehen, sondern sich »das herrschende Unternehmen seine Legitimation selbst beschaffen kann«. 170 Grundlegend Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 24 ff. 171 Hierzu Mülbert, FS Lutter, S. 535, 540 ff.; vgl. auch ders., ZHR 163 (1999), 1, 25. 167
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men wären hiernach aufgrund ihrer Formalzielkonformität nicht mehr als sorgfaltswidrig zu werten. Auf Grenzen stößt dieser Funktionszusammenhang jedoch beim Versuch, ein den Vorschriften der §§ 308, 323 Abs. 1 AktG nachgebildetes Weisungsrecht in Geltung zu setzen. Die einem solchen Weisungsrecht entgegenstehenden Beschränkungen des Verbandszwecks, namentlich die darin festgeschriebene Vorrangstellung der Hauptversammlung, könnten zwar mit Zustimmung aller Gesellschafter überwunden werden. Zusätzlich erforderlich wäre jedoch, die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG, welche die Vorstandsautonomie anordnet, abzubedingen. Das aber verbietet § 23 Abs. 5 AktG.172 Wenn die Regelungen des Aktienkonzernrechts daher die Vorstandsautonomie beschränken (neben den §§ 308, 323 Abs. 1 AktG gilt das auch für § 311 Abs. 1, 2 AktG173), gewähren sie den Aktionären Gestaltungsmittel, die ohne entsprechende Regelungen wegen des Grundsatzes der Satzungsstrenge nicht zur Verfügung stünden. c) Kapitalerhaltungsregelungen Eine zweite unüberwindbare Grenze bei der privatautonomen Imitation der Regelungen des Aktienkonzernrechts begründen die dem Gläubigerschutz dienenden Kapitalerhaltungsvorschriften. Denn man wird es wohl ohne weiteres als eines der Grundprinzipien des Gläubigerschutzes bezeichnen können, dass die ihm dienenden Regelungen nicht zur Disposition der Gesellschaftergesamtheit stehen. Ein in seiner Wirkung den Regelungen der §§ 57 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., 291 Abs. 3, 323 Abs. 2 AktG gleichkommender Dispens wäre allenfalls möglich, wenn man abweichend von einem solchen Prinzip annehmen wollte, dass der Leistungsbegriff des § 57 Abs. 1 AktG analog dem zuvor zum Sorgfaltsbegriff der §§ 93, 116, 117 AktG Gesagten durch den Verbandszweck determiniert und im Fall dessen dienender Ausgestaltung den Vermögenstransfer an das herrschende Unternehmen deshalb nicht erfassen würde.174 Für einen entsprechenden Zusammenhang lässt sich immerhin anführen, dass andernfalls atypische Zielsetzungen weitestgehend unvollziehbar würden. So wäre es beispielsweise einer Aktiengesellschaft mit genossenschaftlichem Förderzweck auf Grundlage einer sich am normtypischen Gewinnziel orientierenden Auslegung des Leistungsbegriffs des § 57 Abs. 1 AktG nicht möglich, ihren Aktionären Leistungen zu marktunüblich günstigen Konditionen anzubieten.175 Doch lässt sich eine vollständige Überwindung der Kapitalbindung auch auf Grundlage einer solchen Argumentation nicht erzielen. Denn zumin172
Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 58 f. S. o. unter 1.b.(3) (S. 54 f.). 174 So in der Tat Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 63 ff., die im Gegenzug § 302 AktG analog anwendet. 175 Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 94 ff.; Mülbert, FS Lutter, S. 535, 542; Spindler/Stilz/Cahn, § 57 Rn. 20. 173
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dest das Grundkapital und die gesetzlichen Rücklagen müssen schon wegen der Vorgaben der europäischen Kapitalrichtlinie (Art. 15 Abs. 1) der Verfügung der Aktionäre unabhängig vom konkreten Formalziel entzogen sein.176 Auch insoweit ist daher festzuhalten, dass die durch das Aktienkonzernrecht vorgenommene Privilegierung des herrschenden Unternehmens über das Maß des privatautonom Gestaltbaren hinausgeht.177 3. Bedeutung des Außenseiterschutzes in den §§ 291 ff. AktG Auf Grundlage der vorangegangenen Analyse der aktienkonzernrechtlichen Privilegierung des herrschenden Unternehmens lassen sich die zahlreichen dem Schutz der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger dienenden Regelungen der §§ 291 ff. AktG einordnen. a) Vertrags- und Eingliederungskonzern Im Fall des Vertrags- und des Eingliederungskonzerns beschränkt sich die Aufgabe der die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger schützenden Regelungen offensichtlich darauf, die durch die Abweichungen vom Normalstatut gerissenen Schutzlücken zu kompensieren.178 So wäre die Vorschrift des § 320b AktG verzichtbar, wenn § 320 AktG den Zwangsauschluss nicht ermöglichen würde. Ebenso bedürfte es nicht jener Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der §§ 304, 305 AktG, wenn es dem herrschenden Unternehmen nicht in Abweichung von den allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzipien gestattet würde, die abhängige Aktiengesellschaft in ihren Dienst zu stellen. Ähnlich verhält es sich beim Gläubigerschutz. Die Regelungen über den Verlustausgleich und die Mithaftung in den §§ 302, 322 AktG sind lediglich Reaktion auf die Außerkraftsetzung des Systems der Kapitalerhaltung in den §§ 291 Abs. 3, 323 Abs. 2 AktG. Auch die Dotierungspflicht des § 300 AktG ist nur deshalb erforderlich, weil bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags die § 150 Abs. 2 AktG zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr gewährleistet sind.179 Im Ergebnis erweist sich der Charakter der außenseiterschützenden Regelungen der §§ 304 ff., 320b ff. AktG hiernach als rein reflexiv. Zur Stützung der noch immer vorherrschenden Auffassung, wonach das Aktienkonzernrecht in erster Linie Schutzrecht sei,180 tragen sie nichts bei. 176 Mülbert, FS Lutter, S. 535, 549 f. Die h. M. (MünchKommAktG/Bayer, § 57 Rn. 97; Fleischer, WM 2007, 909, 912; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, S. 49 ff.; Luther, Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft, S. 33 ff.) bestreitet bereits einen Zusammenhang zwischen dem konkreten Formalziel und dem Leistungsbegriff des § 57 Abs. 1 AktG. 177 Zur Vereinbarkeit der Unternehmensverbindungen des Aktienkonzernrechts mit der Kapitalrichtlinie Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 6 Rn. 38 ff. 178 Vgl. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 25, 27; zustimmend Veil, Unternehmensverträge, S. 125 Fn. 60. 179 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Stephan, AktG, § 300 Rn. 1 ff. 180 Statt vieler Hüffer, AktG, § 15 Rn. 3; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 13.
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b) §§ 311 ff. AktG Schwieriger liegen die Dinge bezüglich der §§ 311 ff. AktG. Die noch immer kontroverse Debatte um die Einordnung dieser Vorschriften hat ihre Ursache darin, dass deren Entstehung durch eine Reihe widerstreitender Interessen beeinflusst wurde. Zwar kann im Ausgangspunkt kein Zweifel daran bestehen, dass der Gesetzgeber sie als dem Außenseiterschutz dienende Regelungen konzipiert hat. In der Regierungsbegründung heißt es insoweit, die Vorschriften beruhten auf dem Leitgedanken, die abhängige Gesellschaft vor einer Schädigung durch das herrschende Unternehmen zu schützen.181 Dennoch war man stets darauf bedacht, die faktische Konzernierung weiterhin zu ermöglichen. In den Abschlussberatungen wurde sogar darauf hingewiesen, dass man den faktischen Konzern gegenüber dem Vertragskonzern nicht erschweren, sondern gleich behandeln wolle.182 Dies hat sich in der Regelung des § 311 Abs. 2 AktG niedergeschlagen, wonach ein Ausgleich von Nachteilen bis zum Ende des Geschäftsjahres möglich ist und nicht – wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen – auf das einzelne Geschäft abzustellen ist.183 Wenn noch heute geleugnet wird, dass zwischen dem Anliegen des Außenseiterschutzes und dem der Ermöglichung der faktischen Konzernierung ein Zielkonflikt besteht, ist dies wohl auch der Besonderheit politischer Prozesse zuzuschreiben, in dem alle Beteiligten gerne vorgeben, sich mit ihrer Position durchgesetzt zu haben.184 Tatsächlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit der in § 311 Abs. 2 AktG vorgesehenen Möglichkeit, der abhängigen Gesellschaft das Insolvenzrisiko des herrschenden Unternehmens aufzubürden, eine bewusste Preisgabe der Interessen der abhängigen Gesellschaft und somit der Außenseiter einhergeht. Dagegen lässt sich nicht einwenden, einem Insolvenzrisiko sei die Gesellschaft auch dann ausgesetzt, wenn sie im Rahmen eines gewöhnlichen Verkehrsgeschäfts eine Vorleistung erbringe.185 Denn gegenüber Dritten wird sie nur dann ungesichert in Vorleistung treten, wenn sich dies aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nicht vermeiden lässt. Speziell die Diskussion um die Zulässigkeit aufsteigender Darlehen im faktischen Konzern hat deutlich
181
Kropff, Regierungsbegründung, S. 407. MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 20, vgl. auch Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 319 ff. 183 Den privilegierenden Charakter des gestreckten Nachteilsausgleich betonend Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 22 ff.; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 2, 5; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor § 311 Rn. 2; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 70. 184 Vgl. MünchKommAktG/Kropff, 2. Aufl., § 311 Rn. 32 ff., der meint, »rechtlich« (Rn. 33) liege in der Zulassung des gestreckten Einzelausgleichs keine Einbuße an Außenseiterschutz (übernommen von MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 34). 185 So aber MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 41 f. 182
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gemacht, dass der Regelung des § 311 Abs. 2 AktG eine Abweichung vom Maßstab des Drittvergleichs immanent ist.186 Ob das Gewicht der §§ 311 ff. AktG auf dem schutzrechtlichen oder dem die faktische Konzernierung ermöglichenden privilegierungsrechtlichen Element liegt, lässt sich letztlich nur durch einen Vergleich des konzernrechtlichen Sonderstatuts mit dem Normalstatut bestimmen. Betrachtet man insoweit zunächst das in § 311 Abs. 1 AktG normierte Schädigungsverbot, wird schnell deutlich, dass dies lediglich deklaratorischen Charakter hat.187 Auch auf Grundlage des Normalstatuts ist es Aktionären selbstverständlich verboten, die Gesellschaft zu schädigen. Das Schädigungsverbot folgt bereits aus dem Formalziel.188 Sofern dieses normtypisch auf ein Gewinnziel ausgerichtet ist, impliziert dies ohne weiteres ein Verbot von Handlungen, die dem zuwiderlaufen. Ableiten lässt sich das Schädigungsverbot ferner aus § 117 Abs. 1 AktG, dessen Haftungstatbestand es implizit voraussetzt. Dass die Vorschrift nur für die Einflussnahme auf einen begrenzten Adressatenkreis gilt, fällt nicht ernsthaft ins Gewicht. Denn der vorliegend infrage stehende organisationsrechtlich begründete Einfluss setzt typischerweise bei den Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern an, welche ausdrücklich von § 117 Abs. 1 AktG erfasst sind.189 Schließlich ist zu bedenken, dass auch die umfassende Kapitalbindung des § 57 Abs. 1 AktG in ihrer Wirkung einem Schädigungsverbot weitestgehend gleichkommt. Zusammen mit § 117 Abs. 1 AktG stellen die strengen Kapitalerhaltungsregelungen des AktG sicher, dass auch der Alleinaktionär die Gesellschaft nicht schädigen darf.190 Mit Blick auf die den Abhängigkeitsbericht betreffenden Regelungen der §§ 312–316, 318 AktG und die Regelungen des § 317 AktG stellt sich zunächst die Frage, ob sich deren Aufgabe darauf beschränkt, die Funktionsfähigkeit des Systems des Einzelausgleichs zu gewährleisten oder ob sie sämtliche, d. h. auch nicht dem Einzelausgleich zugängliche oder aus anderen Gründen von Anfang an rechtswidrige Benachteiligungen erfassen.191 Wäre Ersteres der Fall, würden sich die Regelungen als bloße Reaktion auf die durch § 311 Abs. 2 AktG angeordnete Privilegierung darstellen. Analog der schutzrechtlichen Regelungen betreffend den Vertrags- und den Eingliederungskonzern käme ihnen hiernach 186
Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 285. Ähnlich Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 4. 188 Näher § 11 D. I. (S. 302 f.). 189 Die Frage, unter welchen (insbesondere subjektiven Voraussetzungen) der Verstoß hiergegen mit einer Haftung sanktioniert wird, betrifft nicht das in § 311 Abs. 1 AktG normierte Schädigungsverbot, sondern das Verhältnis zur Haftungsanordnung aus § 317 AktG (hierzu sogleich im Text). 190 Zur Abdingbarkeit des aus dem Verbandszweck abzuleitenden Schädigungsverbots näher in § 11 D.V. (S. 310 ff.). 191 Hierzu auch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 47. 187
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lediglich reflexiver Charakter zu. Doch findet eine solche Auslegung weder im Gesetzeswortlaut noch in der Entstehungsgeschichte eine Stütze. Die Verpflichtung zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts war ebenso wie eine § 317 AktG entsprechende Regelung bereits Bestandteil des Regierungsentwurfs. Da dieser einen gestreckten Nachteilsausgleich noch gar nicht vorsah, waren sie offensichtlich nicht als Reaktion hierauf konzipiert.192 Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist allerdings zu beachten, dass die Effektivität des Abhängigkeitsberichts überwiegend kritisch gesehen wird.193 Insbesondere seine Bedeutung als Informationsgrundlage für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ist erheblich dadurch geschmälert, dass er weder den Aktionären noch den Gläubigern zugänglich gemacht wird.194 Positiver gewertet wird die Präventionswirkung des Abhängigkeitsberichts, welche darin besteht, dass die Stellung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen gestärkt wird.195 Einzugehen ist schließlich auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen für Verstöße gegen das Schädigungsverbot. Weil auch das Normalstatut verschiedene Haftungsanordnungen vorsieht, gilt es insoweit deren Effektivität mit der des § 317 AktG zu vergleichen. Auffälligste Besonderheit des in § 317 Abs. 1 AktG normierten Haftungstatbestands ist der Verzicht auf das Verschuldenserfordernis.196 Dies sticht insbesondere im Vergleich zum Tatbestand des § 117 Abs. 1 AktG ins Auge, der sogar Vorsatz verlangt. Bei näherer Betrachtung relativiert sich dieser Aspekt jedoch erheblich. Da für Vermögensverschiebungen auch das Normalstatut mit den §§ 57, 62 AktG eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht, beschränkt sich die Bedeutung des Verschuldenserfordernisses von vornherein auf sonstige Schädigungen bzw. mit Vermögensverschiebungen verbundene Kollateralschäden. Und auch im verbleibenden Bereich dürfte sie nicht allzu groß sein. Denn die Veranlassung nachteiliger Maßnahmen durch das herrschende Unternehmen erfolgt in der Realität selbstverständlich nicht »aus Versehen«, sondern ist typischerweise von Schädigungsvorsatz getragen.197 Relevanter als das fehlende Verschuldenserfordernis erscheint daher 192 Vgl. Darstellung des Regierungsentwurfs bei Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 279 ff. 193 Unternehmensrechtskommission, Bericht, Rn. 1387 f.; Haesen, Der Abhängigkeitsbericht im faktischen Konzern, S. 121 f.; Hoffmann-Becking, Referat 59. DJT, S. 8, 18 ff. 194 Vgl. zur jüngsten Diskussion um die Berichtspublizität Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 365 f.; Decher, ZHR 171 (2007), 126, 138. 195 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 58; Hommelhoff, ZHR (1992), 295 ff.; Lutter, ZHR 151 (1987), 444, 459 ff.; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, § 311 Rn. 16.; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 26 Rn. 10 m. w. N.; hierauf abstellend auch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 47; skeptisch KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 312 Rn. 5. 196 Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 317 Rn. 7 m. w. N. 197 Irrelevant ist in diesem Zusammenhang die von der h. M. im Rahmen des § 317 Abs. 1 AktG bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Veranlassung angenommene Beweiserleichte-
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die in § 317 Abs. 3 AktG angeordnete Haftungserstreckung auf die Organmitglieder des herrschenden Unternehmens sowie das in § 317 Abs. 4 AktG in Verbindung mit § 309 Abs. 4 S. 1 AktG vorgesehene Verfolgungsrecht der Aktionäre, welche beide im Normalstatut keine Entsprechung finden. Insbesondere die von der Haftungserstreckung ausgehende Präventionswirkung dürfte nicht zu unterschätzen seien.198 Von der zuletzt gerade wieder von Kropff behaupteten »deutlich verschärften Haftung« des § 317 AktG im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen kann aber gleichwohl nicht die Rede sein.199 Resümiert man die gewonnenen Erkenntnisse, gelangt man zu einem differenzierten Bild. Obgleich im Gesetzgebungsverfahren das Motiv des Außenseiterschutzes die dominierende Rolle gespielt hat, lässt sich kaum sagen, dass das Sonderstatut der §§ 311 ff. AktG insgesamt die Rechtsposition des herrschenden Unternehmens zu Lasten der Außenseiter schwächt. Grund hierfür ist die von den Befürwortern der faktischen Konzernierung durchgesetzte Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs sowie der Umstand, dass der Schutz der Außenseiter bereits auf Grundlage des Normalstatuts in wesentlich stärkerem Maße sichergestellt ist, als dem Konzernrechtsgesetzgeber seinerzeit wohl bewusst war.200 4. Rechtfertigung des privilegierungsrechtlichen Konzepts Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund das privilegierungsrechtlich geprägte Konzernrecht die durch den Verbandszweck gesetzten Grenzen überwindet und sogar wesentliche dem Gläubigerschutz dienende Kautelen außer Kraft setzt. Die Rechtfertigungsbedürftigkeit dieses Vorgehens wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die entsprechenden Eingriffe auf nachgelagerter Ebene zu kompensieren versucht werden. Denn abgesehen davon, dass die Preisgabe von Primärschutz durch Sekundärschutz schwerlich Selbstzweck sein kann, ist keinesfalls sichergestellt, dass die Beeinträchtigung der Interessen der Außenseiter auf diese Weise auch neutralisiert wird. Sämtliche nachgelagerten Kompensationsmechanismen haben für die Gesellschaft und mittelbar die Außenseiter den Nachteil, dass sie mit dem Insolvenzrisiko des herrschenden Unternehmens belastet werden. rung (statt vieler Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 32 ff. m. w. N.), da diese aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitet wird (insbesondere den Regelungen des Anscheinsbeweises) und daher in gleicher Weise auf die Haftung aus § 117 AktG oder wegen Treupflichtverletzung übertragbar ist (nicht überzeugend daher der Hinweis von Kropff, NJW 2009, 814, 816 Fn. 12). 198 Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51. 199 Kropff, NJW 2009, 814, 816 mit Fn. 12, der in diesem Zusammenhang übersieht, dass das Privileg des § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG a. F., wonach die schädigende Stimmrechtsausübung von der Haftung ausgenommen war, durch das UMAG abgeschafft wurde. 200 Vgl. Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 4.
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a) Wohlfahrtsökonomische Motivation des privilegierungsrechtlichen Konzepts Wenn die Begründung des AktG von 1965 wenig Mühe darauf verwendet, die Gründe für das privilegierungsrechtliche Konzept zu nennen, ist dies wohl vor dem Hintergrund der auf Grundlage des AktG 1937 bestehenden Rechtslage und der sich unter deren Geltung gebildeten Konzernwirklichkeit zu sehen. Konzerne und die Durchsetzung von Konzerninteressen waren hiernach Realität. § 101 Abs. 3 AktG 1937, wonach die Haftung wegen der Verfolgung von Sonderinteressen ausgeschlossen war, wenn es sich hierbei um Konzerninteressen handelte, ordnete sogar einen entschädigungslosen Vorrang des Konzerninteresses an. 201 Auch Organschaftsverträge, auf deren Grundlage die abhängige Gesellschaft in den Organträger eingegliedert wurde, waren an der Tagesordnung. 202 Der Gesetzgeber begnügte sich insoweit mit dem Hinweis, es könne nicht Aufgabe des Aktienrechts sein, den Konzern als solchen zu bekämpfen. Ein Konzern könne wirtschafts- und gesellschaftspolitisch erwünscht sein, etwa weil erst durch Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung Produktion und Absatz rationell koordiniert werden können. 203 Deutlicher sind insoweit die Ausführungen, mit denen das Konzernprivileg im AktG 1937 begründet wird. Insoweit heißt es, der Konzernleitung solle die Möglichkeit eingeräumt werden, »in verantwortungsvoller Würdigung gesamtwirtschaftlicher Interessen . . . die besonderen nur für ein isoliertes Konzernunternehmen gegebenen Belange vor dem größeren Interesse des Konzerns zurückzusetzen.«204 Speziell der Zweck des § 101 Abs. 3 AktG 1937 wurde darin gesehen, Haftung zu vermeiden, »wenn der erstrebte Vorteil dem Wohl des Konzerns dient und höhere gesamtwirtschaftliche Belange des Konzerns die Zurücksetzung der Belange der Konzernunternehmen und seiner Aktionäre rechtfertigen.«205 Die Ausführungen belegen, dass das privilegierungsrechtliche Konzept auf wohlfahrtökonomischen Erwägungen beruht. Die Koordination von Ressourcen soll über die Grenzen von Rechtsträgern hinweg ermöglicht werden, um die Effizienz ihrer Nutzung zu steigern. 206 Paradebeispiel für eine entsprechende verbundweite Ressourcenkoordination sind die in der Praxis weit verbreiteten Cash-Management-Systeme, deren volkswirtschaftlicher Nutzen in der Gesetzesbegründung zum MoMiG ausdrücklich betont wurde. 207 201
Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 77 f. Vgl. MünchKommAktG/Altmeppen, Einl. zu § 291 ff. Rn. 11. 203 Kropff, Regierungsbegründung, S. 374. 204 Aktienrechtsausschuss der Akademie für deutsches Recht, zitiert nach Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 79. 205 Konzernrechtsausschuss des Aktienrechtausschusses der Akademie für deutsches Recht, zitiert nach Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 78. 206 Vgl. KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 37: »rentable Ausnutzung der im Konzern zusammengefassten Wirtschaftskräfte«; vgl. auch Schenk, Zfbf 1997, 652, 658 ff. 207 BT-Drucks. 16/6140, S. 93. 202
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b) Vorteile der polykorporativen Organisation: Die Überlegenheit des faktischen Konzerns Mit der Erkenntnis, dass die Koordination von Ressourcen die Effizienz ihrer Nutzung erhöht, ist die Rechtfertigung des privilegierungsrechtlichen Konzepts indes noch nicht geleistet. Denn es bleibt die Frage, was dagegen spricht, die Koordination von Ressourcen durch Zusammenführung bei einem Rechtsträger und somit im Rahmen einer monokorporativen Organisation vorzunehmen. Weil die Koordination nicht mehr über die Grenzen des einzelnen Rechtsträgers hinaus erfolgen müsste, würde man sich die vielen mit dem privilegierungsrechtlichen Konzept verbundenen Folgeprobleme (Kompensationsmechanismen zu Gunsten der Außenseiter) ersparen. Die Frage stellt sich umso mehr, seit die für die Zusammenführung verschiedener Unternehmen in einem Rechtsträger erforderlichen Vermögensübertragungen aufgrund der Regelungen des Umwandlungsgesetzes nunmehr erheblich erleichtert worden sind. Bei der Suche nach den für die Rechtfertigung des privilegierungsrechtlichen Konzernrechts erforderlichen Vorteilen der polykorporativen gegenüber der monokorporativen Organisationsstruktur zeigt sich ein erheblicher Unterschied zwischen dem faktischen Konzern einerseits und dem Vertrags- bzw. Eingliederungskonzern andererseits. Im Fall des faktischen Konzerns liegt ein signifikanter Vorteil der polykorporativen Organisation in der dadurch erzielten Haftungssegmentierung. Lutter spricht insoweit bildhaft von einer volkswirtschaftlich sinnvollen Risikotrennung, die verhindert, »dass sich der Brand eines Hauses zum Flächenbrand einer ganzen Stadt entwickelt«. 208 Die dadurch begründete Risikobegrenzung fördert die Bereitschaft, auch in risikobehaftete Projekte zu investieren. Wohlfahrtsökonomisch sinnvolle Investitionen, die andernfalls unterblieben, können hierdurch realisiert werden. 209 Als deutlich geringer erweisen sich demgegenüber die Vorteile der polykorporativen Organisationsformen im Fall des Vertrags- bzw. Eingliederungskonzerns.210 Aufgrund des Verlustausgleichsanspruchs aus § 302 AktG bzw. der Haftungsanordnung des § 322 Abs. 1 AktG sind beide Organisationsformen zur Haftungssegmentierung ungeeignet. Der wesentliche Konzernstrukturen zugeschriebene Vorteil spielt somit von vornherein keine Rolle. Es bleiben eine Reihe von Erklärungsansätzen, die in ihrer Überzeugungskraft bei weitem nicht an den Aspekt der Haftungssegmentierung heranreichen. Am gewichtigsten dürfte insoweit noch die Überlegung sein, dass der Verbleib einzelner Unternehmen bzw. Unternehmensteile bei einem Rechtsträger deren Eigenstän208
Lutter, ZGR 1982, 244, 247. Zu den ökonomischen Vorteilen der Haftungssegmentierung Noll, ORDO 43 (1992), 205 ff.; Schenk, Zfbf 1997, 652, 658 ff.; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 171 ff. m. w. N. 210 Wackerbarth, Der Konzern 2005, 562 ff., hält die Unternehmensverträge des § 291 AktG infolge der durch das UmwG eröffneten Möglichkeiten für überflüssig. 209
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digkeit und somit Verkehrsfähigkeit stärkt und dies positive Auswirkungen auf die effiziente Allokation von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen hat. Daneben mag man vermuten, dass es die Gewinnung von Führungspersonal erleichtert, wenn man diesen eigenständige Rechtsträger und somit Organverantwortung zuweisen kann. Die deutliche wohlfahrtsökonomische Überlegenheit des faktischen Konzerns gegenüber dem Vertrags- bzw. Eingliederungskonzern ist insoweit bemerkenswert, als die Zulässigkeit des Ersteren seit jeher kritisch beurteilt wird und es noch immer Stimmen gibt, die den Zweck der §§ 311 ff. AktG darin sehen, den herrschenden Aktionär zum Abschluss eines Unternehmensvertrags anzuhalten.211 Tatsächlich nutzt das höhere Niveau des Außenseiterschutzes im Vertrags- bzw. Eingliederungskonzern wenig, wenn auf diese Weise die wesentlichen Vorteile der Gruppenbildung auf der Strecke bleiben. 212 5. Förderung der Entstehung herrschenden Einflusses? Man mag schließlich fragen, ob auch Regelungen existieren, die darauf gerichtet sind, nicht erst zu privilegieren, nachdem ein Aktionär herrschenden Einfluss erlangt hat, sondern bereits die Entstehung herrschenden Einflusses zu fördern. Insoweit handelt es sich gewissermaßen um das privilegierungsrechtliche Pendant zu der im schutzrechtlichen Kontext geführten Diskussion um die Konzerneingangskontrolle.213 Die Antwort fällt negativ aus. Zwar ist es theoretisch denkbar, dass die Regelungen des Aktienkonzernrechts zur Begründung herrschenden Einflusses genutzt werden. Mit Blick auf den Beherrschungsvertrag müsste etwa eine Situation vorliegen, in der der andere Vertragsteil unmittelbar oder mittelbar über eine 75%-ige Kapitalmehrheit verfügt, welche aber aufgrund von besonderen Gestaltungen (z. B. Einstimmigkeitserfordernis für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern) keinen herrschenden Einfluss vermittelt. 214 Hier könnte der Abschluss des Beherrschungsvertrags in der Tat dazu genutzt werden, herrschenden Einfluss überhaupt erst zu begründen. Gleiches ist bezüglich der Mehrheitseingliederung denkbar. Vom Telos der betroffenen Vorschriften erfasst wird ein solches Vorgehen aber wohl nicht. Wie eingangs dargelegt, zielen diese ersichtlich auf Konstellationen, in denen ein herrschender Einfluss bereits besteht. Sollten sie daher tatsächlich einmal zur Anwendung
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KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 8 f. Zum steuerrechtlich bedingten Bedeutungsverlust des Vertragskonzerns Raupach/ Pohl, NZG 2005, 489; Heidinger, NZG 2005, 502; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 6. 213 Hierzu unten II.2.a. (S. 43 f.). 214 Die Situation, dass andere Aktionäre einem nicht über eine qualifizierte Kapitalmehrheit verfügenden Aktionär zum Abschluss eines ihn begünstigenden Beherrschungsvertrags verhelfen, kann wohl vernachlässigt werden. 212
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gebracht werden, um selbigen zu begründen, wäre über eine teleologische Reduktion bzw. eine materielle Beschlusskontrolle nachzudenken.215
C. Konzernrechtlicher Unternehmensbegriff Ungeachtet der Kritik an der Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern, verdient der Unternehmensbegriff auch im Zusammenhang mit dem Konzernrecht des Vereins Aufmerksamkeit. Denn beherrscht ein Verein eine Aktiengesellschaft, hängt die Anwendbarkeit der wesentlichen Regelungen der §§ 291 ff. AktG davon ab, ob der Verein Unternehmenseigenschaft aufweist. 216 Relevant wird dies beispielsweise bei der Frage, ob er als »anderer Vertragsteil« einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer Aktiengesellschaft abschließen kann. Eine Rolle spielt der konzernrechtliche Unternehmensbegriff auch im Zusammenhang mit der Anwendung der Regelungen des PublG, bei dessen Interpretation nach h. M. auf die konzernrechtlichen Erkenntnisse zurückzugreifen ist. 217
I. Vertretene Konzepte Es besteht Einigkeit darüber, dass weder ein für die gesamte Rechtsordnung geltender Unternehmensbegriff existiert noch der Unternehmensbegriff des Aktienkonzernrechts einheitlich bestimmt werden kann. 218 Letzteres schlägt sich darin nieder, dass allgemein zwischen dem Bedeutungsinhalt des Begriffs des übergeordneten und dem des untergeordneten Unternehmens unterschieden wird.219 Ursache der Heterogenität des Unternehmensbegriffs ist, dass dessen Inhalt nach heute wohl einhelliger Auffassung teleologisch zu bestimmen ist. 220 Ob ein Rechtsträger Unternehmenseigenschaft aufweist, richte sich nach dem Zweck der jeweiligen Norm oder Normengruppe, in der der Unternehmensbegriff verwendet wird.
215 Für eine Beschlusskontrolle beim abhängigkeitsbegründenden Beherrschungsvertrag Timm, ZGR 1987, 403, 427 f.; dagegen Henze, BB 1996, 489, 498. 216 Ausführlich § 6 (S. 199 ff.). 217 § 8 B.II. (S. 226 ff.). 218 Statt vieler KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 17 m. w. N. 219 Statt aller GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 23; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 17 m. w. N. 220 Grundlegend BGHZ 69, 334, 335 ff. (VEBA/Gelsenberg); aus der Literatur statt vieler MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 10 m. umf. N.
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1. Begriff des übergeordneten Unternehmens a) Schutzrechtlicher Unternehmensbegriff der h. M. Auf Grundlage des teleologischen Ansatzes steht die ganz h. M. auf dem Standpunkt, dass der Begriff des übergeordneten Unternehmens schutzrechtlich zu interpretieren sei. 221 Ein Gesellschafter sei hiernach als Unternehmer zu qualifizieren, wenn er neben der Beteiligung an der Gesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen habe, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Aktiengesellschaft zu deren Nachteil ausüben. 222 Seine Grundlage findet der schutzrechtliche Unternehmensbegriff in der Annahme, das Aktienkonzernrecht diene primär dem Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger. 223 Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang auf den auch im VEBA/Gelsenberg-Urteil des BGH erwähnten Ausschussbericht zu den §§ 20, 21 AktG, in dem die Differenzierung zwischen Unternehmensgesellschaftern und Privatgesellschaftern damit begründet wird, bei Ersteren sei zu befürchten, dass sie ihre Rechte aus der Beteiligung zur Verfolgung sonstiger unternehmerischer Interessen ausnutzen.224 Nur vereinzelt gehen die Anhänger der h. M. darauf ein, dass verschiedene Regelungen des Aktienkonzernrechts der Privilegierung des übergeordneten Unternehmens dienen. Konkret im Hinblick auf die Unternehmensverträge des § 291 AktG vertritt insoweit Koppensteiner die These, es bestehe ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Zugang zu den Unternehmensverträgen und dem Anwendungsbereich der Regelungen des faktischen Konzerns. 225 Ausgehend von der Grundannahme, die §§ 311 ff. AktG diskriminierten herrschende Unternehmensaktionäre gegenüber Privataktionären, seien die Unternehmensverträge als Ausweichmöglichkeit zu verstehen. Die durch § 291 Abs. 1 AktG vorgegebene Disqualifizierung von Privatgesellschaftern erweise sich somit als Konsequenz daraus, dass diese nicht in den Anwendungsbereich der 221 MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 13; GroßKommGmbHG/Casper, Anh. § 77 Rn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 8; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 20; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 II 1 a (S. 936 f.); Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 58; im Grundsatz auch GroßkommAktG/Windbichler, § 15 Rn. 11; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 10; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 10, Vor 15 Rn. 29; GroßKommHGB/Schäfer, § 105 Anh. Rn. 22; im Ergebnis auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 3 ff., der zwar anerkennt, dass dem Unternehmensbegriff bei § 291 AktG eine andere Funktion als im Rahmen der §§ 311 ff. AktG zukommt (Rn. 6 a. E.), hieraus aber nicht die Forderung nach Modifikationen des schutzrechtlich geprägten Unternehmensbegriffs ableitet. 222 BGHZ 69, 334, 337. 223 Statt vieler Hüffer, AktG, § 15 Rn. 3. 224 Kropff, Regierungsbegründung, S. 41 f. 225 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 8 f.; sympathisierend K. Schmidt, FS Koppensteiner, S. 191, 200.
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§§ 311 ff. AktG fallen und daher auch keiner Ausweichmöglichkeit bedürfen. Folglich müsse sich der den Zugang zu den Unternehmensverträgen determinierende Unternehmensbegriff nach dem Unternehmensbegriff der §§ 311 ff. AktG richten. Da Koppensteiner letzteren – von seinem Standpunkt aus konsequent – schutzrechtlich bestimmt, gelangt er auch für § 291 Abs. 1 AktG zur Maßgeblichkeit des schutzrechtlichen Unternehmensbegriffs. K. Schmidt konzediert, dass der schutzrechtliche Unternehmensbegriff an seine Grenzen stößt, wenn es um die Anwendbarkeit privilegierender Tatbestände geht. 226 Besonders die Anwendbarkeit der Regelungen über den Vertragskonzern soll seiner Auffassung nach daher nicht davon abhängig gemacht werden, dass der »andere Vertragsteil« die Anforderungen an den schutzrechtlich geprägten Unternehmensbegriff der h. M. erfüllt. In der Konsequenz tritt K. Schmidt jedoch nicht für eine Modifikation des Unternehmensbegriffs ein, sondern meint, für den organisationsrechtlichen Bereich – seine Überlegungen beschränken sich insoweit auf § 291 AktG – sei der Unternehmensbegriff »aufgrund eines Wandels der Normsituation« obsolet.227 Sein Resümee hiernach lautet: »Wo der Unternehmensbegriff benötigt wird, ist er schutzrechtsbezogen, wo er nicht schutzrechtsbezogen ist, wird er nicht benötigt.«228 b) Organisationsrechtlicher Gegenentwurf von Mülbert Dem schutzrechtsorientierten Verständnis des Unternehmensbegriffs hat Mülbert ein organisationsrechtliches Verständnis entgegengesetzt.229 Grundlage seiner Auffassung ist die Annahme, dass die primäre Regelungswirkung des Aktienkonzernrechts darin besteht, Aktionären über die Regelungen des allgemeinen Aktienrechts hinaus Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Aktiengesellschaft und somit »Organisationsformen für eine marktferne Koordination von Wirtschaftssubjekten« zur Verfügung zu stellen. 230 Insofern stellt Mülbert maßgeblich auf den schon dargelegten Zusammenhang ab, wonach das materielle Aktienkonzernrecht in erster Linie die Rechtsstellung des herrschenden Unternehmens erweitert, während es sich bei den schutzrechtlichen Vorschriften lediglich um eine kompensatorische Reaktion auf diese Privilegierung handelt. Er spricht hierbei von einem »funktionale[n] Primat der organisations- gegenüber den schutzrechtlichen Komponenten«. 231 Aufgabe des Un226
K. Schmidt, FS Koppensteiner, S. 191, 194 ff. K. Schmidt, FS Koppensteiner, S. 191, 207 ff.; zustimmend Rubner, Der Konzern 2003, 735, 739 f., Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 70 Rn. 9; aufgrund europarechtlicher Bedenken eine entsprechende Rechtsfortbildung ablehnend Veil, Unternehmensverträge, S. 173 f. 228 K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1182. 229 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1; MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 35 ff.; dem folgend K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 35 ff. 230 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 28. 231 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 28 Fn. 97. 227
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ternehmensbegriffs sei hiernach nicht, gefährliche von ungefährlichen Aktionären zu unterscheiden, sondern prozesskontrollierend zu bestimmen, welchen Aktionären der Zugang zu den konzernrechtlichen Organisationsformen der §§ 291 ff. AktG eröffnet werden soll. Auf Grundlage des skizzierten Verständnisses vom Telos des Aktienkonzernrechts setzt die Eigenschaft als übergeordnetes Unternehmen nach Auffassung von Mülbert voraus, dass der infrage stehende Rechtsträger aufgrund einer anderweitigen unternehmerischen Interessenbindung Organisationsbedarf aufweist. 232 Auch wenn dieser organisationsrechtliche Unternehmensbegriff weitestgehend deckungsgleich mit dem schutzrechtlichen Unternehmensbegriff ist, weicht er doch in Randbereichen von ihm ab und erweist sich hiernach als tendenziell enger.233 Während beispielsweise auf Grundlage des schutzrechtlichen Unternehmensbegriffs die bloße Möglichkeit der Einflussnahme genügt, setzt der organisationsrechtliche Unternehmensbegriff voraus, dass sich der Aktionär auch tatsächlich durch Ausübung von Leitungsmacht unternehmerisch betätigt. 234 Der mit der konzernorganisationsrechtlichen Ausrichtung des Unternehmensbegriffs einhergehenden Verengung des Anwendungsbereichs der §§ 291 ff. AktG begegnet Mülbert in Einzelfällen durch analoge Anwendung konzernrechtlicher Regelungen auf Nichtunternehmer. 235 So teilte er beispielsweise im Ergebnis die Auffassung des BGH aus der VW/Niedersachsen-Entscheidung, wonach öffentlich-rechtliche Körperschaften auch im Fall der Beteiligung an lediglich einer einzigen in privater Rechtsform organisierten Gesellschaft zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts verpflichtet sind. Zur Begründung stellt Mülbert darauf ab, dass die §§ 312–315 AktG zumindest partiell originär schutzrechtlich geprägt seien und daher analog auch auf Nichtunternehmensgesellschafter Anwendung finden müssen, bezüglich derer ein »typischerweise erhöhte[s] Zweckentfremdungsrisiko« festzustellen sei. 236 2. Begriff des untergeordneten Unternehmens Weil die Rechtsfolgennormen des Aktienkonzernrechts (§§ 291 ff. AktG) in ihrem Anwendungsbereich auf abhängige Aktiengesellschaften beschränkt sind und nach einhelliger Auffassung der Begriff des abhängigen Unternehmens mit dem der abhängigen Aktiengesellschaft somit zusammenfällt, kommt dem Begriff des untergeordneten Unternehmens von vornherein eine deutlich geringe232
Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 31 ff.; MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 43. MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 43. 234 Zu weiteren Abweichungen siehe § 6 (S. 199 ff.). 235 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 45 ff. 236 Im Fall der öffentlich-rechtlichen Körperschaft folge dieses Risiko aus der kraft öffentlichen Rechts bestehenden lngerenz- bzw. Einwirkungspfl icht (Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 49). 233
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re Bedeutung zu, als dem des übergeordneten Unternehmens. Doch existieren sowohl im AktG selbst (§§ 20 Abs. 2, 21 Abs. 2, 71 d S. 2, 89 Abs. 2, 136 Abs. 2 AktG) als auch in anderen Gesetzen (§§ 290 ff. HGB, 11 ff. PublG) einige Vorschriften, die untergeordnete Unternehmen betreffen, ohne hierbei eine bestimmte Rechtsform vorauszusetzen. Zumindest insoweit stellt sich die Frage, ob dem Begriff des untergeordneten Unternehmens in ähnlicher Weise wie dem des übergeordneten Unternehmens eine Selektionsfunktion zukommt. Im Schrifttum wird die Frage heute einhellig verneint. 237 Als untergeordnetes Unternehmen soll jedwede rechtlich verselbstständigte Organisationsform ohne Rücksicht auf Rechtsform oder Geschäftsbetrieb in Betracht kommen. 238 Dies ergebe sich aus dem Regelungszweck der genannten Normen, welcher sich darauf reduzieren lasse, Kapital- und Vermögensbindungen offenzulegen oder die Umgehung der für die übergeordnete AG geltenden Regelungen durch Einschaltung eines untergeordneten Unternehmens zu verhindern. Vereinzelt wird zwar konzediert, dass die Einheitsdefinition in Einzelfällen zu teleologisch nicht gerechtfertigten Pflichten führen mag, doch sei dies im Hinblick auf die geringen Auswirkungen sowie den Aspekt der Rechtssicherheit hinzunehmen. 239
II. Die Vorzugswürdigkeit eines relativen Unternehmensbegriffs 1. Unmöglichkeit eines einheitlichen Begriffs des übergeordneten Unternehmens Wendet man sich zunächst dem schutzrechtlichen Unternehmensbegriff der h. M. zu, lässt sich auf Grundlage der obigen Analyse des Aktienkonzernrechts nur konstatieren, dass dieser dessen Regelungszweck im Grundsätzlichen verfehlt. Entgegen der Grundannahme der h. M. liegt der Schwerpunkt der Regelungen des Aktienkonzernrechts nicht beim Außenseiterschutz, sondern auf der Privilegierung des herrschenden Unternehmens. Dass die Priviligierung sinnvollerweise nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob dieses eine besondere Gefährlichkeit aufweist, liegt auf der Hand. Nicht zu überzeugen vermag auch der Versuch von Koppensteiner, den absoluten Geltungsanspruch des schutzrechtsorientierten Unternehmensbegriffs mit systematischen Erwägungen zum Verhältnis der §§ 311 ff. AktG zu den §§ 291 ff. AktG zu begründen. 240 Schon die Grundannahme seiner Überle237 Anders noch KölnerKommAktG/Biedenkopf/Koppensteiner, (1. Aufl. 1971), 15 Rn. 18, wonach der Unternehmensbegriff auf die »jeweilige, von der betreffenden Norm vorausgesetzte Situation zugeschnitten« werden sollte. 238 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 86; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 14; MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 47 f. jeweils m. w. N. 239 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 87. 240 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 9; sympathisierend K. Schmidt, FS Koppensteiner, S. 191, 200.
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gungen, die Regelungen über den faktischen Konzern würden aufgrund ihrer diskriminierenden Wirkung auf den herrschenden Unternehmensgesellschafter Druck in Richtung Vertragskonzern erzeugen, erweist sich als unzutreffend. Entgegen der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers verbessern die §§ 311 ff. AktG die Rechtsstellung des herrschenden Unternehmens eher, als dass sie sie schwächen. 241 Zudem beruhen die Überlegungen von Koppensteiner auf einer selektiven Auswertung der Gesetzesmaterialien. 242 Zwar findet sich in der Regierungsbegründung der Begriff des »Vertragszwangs«.243 Doch lässt sich nicht ignorieren, dass die Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs als bewusste Reaktion auf die aus Wirtschaftskreisen geäußerten Bedenken, wonach ohne eine solche Möglichkeit die Undurchführbarkeit der faktischen Konzernierung zu befürchten sei, eingefügt wurde. 244 In den Protokollen der Sitzungen des Rechtsausschusses findet sich daher auch die Aussage, § 311 Abs. 2 AktG diene dazu, »den faktischen Konzern gleichzubehandeln (scil. gegenüber dem Vertragskonzern), nicht zu erschweren«. 245 Den geschilderten Bedenken trägt der von Mülbert entwickelte organisationsrechtliche Unternehmensbegriff Rechnung. Indem er auf das Kriterium des Organisationsbedarfs abstellt, wird er dem überwiegend privilegierungsrechtlich geprägten Regelungskonzept des Aktienkonzernrechts bei weitem mehr gerecht, als der schutzrechtliche Unternehmensbegriff der h. M. Indes sieht sich auch der organisationsrechtliche (besser: privilegierungsrechtliche) Unternehmensbegriff dem Problem ausgesetzt, dass er den Regelungszweck einzelner schutzrechtlich motivierter Rechtsfolgennormen verfehlt. Indem Mülbert hierauf mit einer Analogiebildung reagiert, hält er zwar formal an der Vorstellung eines Einheitsbegriffs des herrschenden Unternehmens fest. Der Sache nach läuft die Analogiebildung jedoch auf eine Relativierung des Unternehmensbegriffs hinaus und belegt letztlich die Unmöglichkeit der einheitlichen Auslegung des Begriffs des herrschenden Unternehmens. 2. Unmöglichkeit eines einheitlichen Begriffs des untergeordneten Unternehmens Auch die Normen, die den Begriff des untergeordneten Unternehmens verwenden, lassen sich nicht auf einen einheitlichen Regelungszweck zurückführen. Die in diesem Zusammenhang genannten Zwecke der Offenlegung von Kapital- und Vermögensbindungen sowie des Umgehungsschutzes sind weder iden241
Oben B. III.3.b. (S. 59 ff.). Gleiches gilt für die zustimmende Äußerung von Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 169. 243 Kropff, Regierungsbegründung, S. 375. 244 MünchKommAktG/Altmeppen, Vor § 311 Rn. 15. 245 Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 187. Sitzung am 25. Mai 1965, S. 9405. 242
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Teil 1: Grundlagen
tisch noch rechtfertigen sie eine identische Interpretation des Unternehmensbegriffs. Der weite Unternehmensbegriff, der jeden Rechtsträger unabhängig vom Vorhandensein eines Geschäftsbetriebs als Unternehmen qualifiziert, wird nur den Umgehungsschutz bezweckenden Normen gerecht. Ihnen ist beispielsweise § 71d S. 2 AktG zuzurechnen, der den Erwerb eigener Aktien betrifft und zu verhindern versucht, dass die diesbezüglichen Regularien durch die Einschaltung eines rechtlich selbstständigen, aber der Sache nach willenlosen und daher bei wertender Betrachtung dem herrschenden Unternehmen zuzurechnenden Rechtsträger umgangen werden (siehe ferner die §§ 20 Abs. 2, 89 Abs. 2, 136 Abs. 2 AktG). Insoweit gibt es keinen Anlass, an das abhängige Unternehmen weitere Anforderungen zu stellen, als dass es sich bei ihm um einen eigenständigen Rechtsträger handelt. Anders liegen jedoch die Dinge bei den die Rechnungslegung betreffenden Regelungen der §§ 290 ff. HGB, 11 ff. PublG. Deren Zweck besteht im Wesentlichen darin, im Interesse Dritter sowie der Öffentlichkeit Unternehmen transparent zu machen, die zwar bei verschiedenen Rechtsträgern angesiedelt sind, aufgrund deren organisationsrechtlicher Verflechtung aber am Markt nicht unabhängig, sondern als wirtschaftliche Einheit auftreten. 246 Im Vordergrund steht insoweit nicht das Unternehmen als Adressat und somit Rechtssubjekt, sondern in seiner Eigenschaft als Wirtschaftseinheit. Folgerichtig ist es unter teleologischen Gesichtspunkten geboten, nur solche Rechtsträger als untergeordnete Unternehmen im Sinne der §§ 290 ff. HGB, 11 ff. PublG zu qualifizieren, die Unternehmensqualität im handelsrechtlichen Sinne aufweisen, d. h. planmäßig und selbstständig auf Dauer eine anbietende und entgeltliche Tätigkeit am Markt ausüben.247 Demgegenüber ist ein Bedürfnis, sämtliche Rechtsträger in den Konsolidierungskreis einzubeziehen, nicht erkennbar und entspricht, wie insbesondere die durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) im Jahr 2009 eingefügte Regelung des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB zeigt, auch nicht der Vorstellung des Rechts der Konzernrechnungslegung. 248 3. Unternehmensbegriff als teleologisches Korrektiv Gestattet die konsequente teleologische Auslegung des Unternehmensbegriffs weder die einheitliche Auslegung des Begriffs des übergeordneten noch die des untergeordneten Unternehmens, sprechen die besseren Gründe dafür, sich im konzernrechtlichen Kontext generell von der Vorstellung eines entsprechenden Einheitsbegriffs zu verabschieden und stattdessen in konsequenter Umsetzung des teleologischen Ansatzes einen relativen Unternehmensbegriff zugrunde zu246 247 248
Näher § 8 B.II.1.b. (S. 228 f.). Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 I 2 (S. 65 ff.). Im Einzelnen § 8 B.II.1.b. (S. 228 f.).
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legen, dessen Inhalt sich ausschließlich nach dem Regelungszweck der jeweils infrage stehenden Normen richtet. 249 Der Unternehmensbegriff hat hiernach die Funktion eines teleologischen Korrektivs, das zwingt, sich bei der Anwendung der jeweiligen Normen jeweils deren Regelungszwecks zu vergewissern und ihren Anwendungsbereich entsprechend zu justieren. 250 Was speziell den Begriff des übergeordneten Unternehmens anbetrifft, können je nach Regelungszusammenhang sowohl der organisations- bzw. privilegierungsrechtliche Unternehmensbegriff von Mülbert als auch der schutzrechtliche Unternehmensbegriff der h. M. zur Anwendung kommen. 251 Wie noch zu zeigen sein wird, ist hiernach selbst innerhalb des Regelungskomplexes der §§ 311 ff. AktG eine differenzierende Interpretation des Unternehmensbegriffs geboten. 252 Gegen die konsequente Relativierung des Unternehmensbegriffs lässt sich nicht einwenden, dass ein und demselben Rechtsbegriff innerhalb eines Regelungskomplexes nicht unterschiedliche Bedeutungen zugemessen werden können. 253 Träfe dies zu, verböte es sich auch, zwischen den Begriffen des untergeordneten und des übergeordneten Unternehmens zu unterscheiden. Ebenso ist es nicht der Fall, dass auf diese Weise die Definitionsnormen der §§ 15 ff. AktG ihrer Funktion beraubt würden. 254 Denn diese besteht nicht darin, den Unternehmensbegriff auszuformen, sondern durch die Definition der Begriffe Mehrheitsverhältnis, Abhängigkeitsverhältnis, Konzern etc. zu bestimmen, wann eine konzernrechtlich relevante »Verbundenheit« vorliegt. Insoweit wäre ohne weiteres denkbar, dass die Regelungen ganz auf die Verwendung des Unternehmensbegriffs verzichten und stattdessen den des Rechtsträgers verwenden. Ein damit einhergehender Bedeutungsverlust ist nicht ersichtlich. Vor allem auch ist unter Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ersichtlich, welchen Vorteil es haben soll, einen einheitlichen Begriff des übergeordneten bzw. des untergeordneten Unternehmens zu bilden, um diesen angesichts der Heterogenität der Schutzzwecke der relevanten Rechtsfolgennormen im Wege der Analogiebildung doch wieder zu relativieren.
249 Diese Form der Relativierung des Unternehmensbegriffs ist nicht zu verwechseln mit der im Zusammenhang mit der Behandlung multiplen Beteiligungsbesitzes befürworteten Differenzierung, wonach die Unternehmenseigenschaft im Verhältnis zu den einzelnen Beteiligungsgesellschaften unterschiedlich zu beurteilen sei (hierzu GroßkommAktG/Windbichler, § 15 Rn. 43; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 40). 250 Ein solches Vorgehen trägt im Ergebnis auch den Bedenken von Zöllner, ZGR 1976, 1, 22; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 12, Rechnung, der die Analyse der einzelnen Tatbestands-Rechtsfolge-Beziehungen anmahnt und vor einem begriffsjuristischen Vorgehen warnt. 251 Näher § 6 (S. 199 ff.). 252 § 6 B. I.3. (S. 203) und C.II. (S. 209 ff.). 253 So aber Rittner, FS Flume, S. 241, 250. 254 So aber Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 39; Rittner, FS Flume, S. 241, 250.
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Teil 1: Grundlagen
D. Zusammenfassung und Festlegung des Untersuchungsprogramms Dem Konzernrecht im engeren Sinn zuzuordnen sind nach hiesigem Verständnis alle Regelungen, die sich der Problematik annehmen, dass ein Verband in eine organisationsrechtlich begründete Abhängigkeit von einem Inhaber herrschenden Einflusses gerät, die diesen faktisch in die Lage versetzt, sich über die Vorgaben des Verbandszwecks im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB hinwegzusetzen. Viele Problemstellungen, die traditionell dem Konzernrecht zugeordnet werden, erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht abhängigkeitsspezifisch und können daher allenfalls dem Konzernrecht im weiteren Sinne zugeordnet werden. Im Einzelnen gilt dies für das Konzernrecht der Obergesellschaft, das dem Gläubigerschutz dienende Konzernhaftungsrecht und das Recht des Gleichordnungskonzerns. Entgegen der etablierten Sichtweise ist der Anwendungsbereich des Konzernrechts nicht von vornherein auf Fälle beschränkt, in denen der Inhaber herrschenden Einflusses Unternehmenseigenschaft aufweist. Das Konzernrecht beinhaltet als Reaktion auf das Konzernproblem kein einheitliches, sondern zwei gegensätzliche Regelungskonzepte: Das schutzrechtliche Regelungskonzept ist darauf gerichtet, die Vorgaben des Verbandszwecks durchzusetzen und hierdurch zu verhindern, dass sich herrschender Einfluss zulasten der außenstehenden Mitglieder auswirkt. Dies kann sowohl präventiv durch die Verhinderung der Entstehung herrschenden Einflusses als auch in der bestehenden Abhängigkeitslage repressiv im Weg der Durchsetzung des Verbandszwecks gegenüber dem Inhaber herrschenden Einflusses geschehen. Wichtigste Rechtsquelle des schutzrechtlichen Regelungskonzepts ist der Verbandszweck selbst. Schutzrechtliche Elemente finden sich zudem in den §§ 311 ff. AktG. Als Ausprägung des Grundsatzes pacta sunt servanda bedarf das schutzrechtliche Regelungskonzept keiner (weiteren) Rechtfertigung. Demgegenüber zielt das privilegierungsrechtliche Regelungskonzept des Aktienkonzernrechts darauf, dem Inhaber herrschenden Einflusses durch die Überwindung der aus dem Verbandszweck folgenden Beschränkungen die Verfolgung von Sonderinteressen zu gestatten und gegebenenfalls durch zusätzliche Einflussmöglichkeiten sogar zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird der normtypische Verbandszweck modifiziert und das Normalstatut durch ein Sonderstatut ersetzt. Neben den Regelungen betreffend den Vertrags- und den Eingliederungskonzern, die ausschließlich privilegierungsrechtlich geprägt sind, liegt auch der Schwerpunkt der §§ 311 ff. AktG aufgrund der darin vorgesehenen Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs auf dem privilegierungsrechtlichen Element. Seine Rechtfertigung findet das privilegierungsrechtliche Regelungskonzept darin, dass die Ermöglichung der rechtsformübergreifenden Koordination von Ressourcen wohlfahrtsökonomische Vorzüge verspricht.
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Die gegensätzlichen konzernrechtlichen Regelungskonzepte sind auch bei der Auslegung des aktienkonzernrechtlichen Unternehmensbegriffs zu beachten. Akzeptiert man im Ausgangspunkt, dass der Unternehmensbegriffs teleologisch zu interpretieren ist, führt dies zu der Erkenntnis, dass entgegen der h. M. weder ein einheitlicher Begriff des übergeordneten Unternehmens noch ein einheitlicher Begriff des untergeordneten Unternehmens existiert. Einem einheitlichen Begriff des übergeordneten Unternehmens steht entgegen, dass die diesen verwendenden Regelungen des Aktienkonzernrechts keinen einheitlichen Schutzweck verfolgen, sondern schutz- und privilegierungsrechtliche Elemente beinhalten. Einem einheitlichen Begriff des untergeordneten Unternehmens steht entgegen, dass auch die insoweit maßgeblichen Regelungen mit dem Umgehungsschutz einerseits und dem Anliegen der Transparenz von Wirtschaftseinheiten (§§ 290 ff. HGB, 11 ff. PublG) andererseits unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen. Der beschriebene Befund zwingt dazu, sowohl den Begriff des übergeordneten als auch den des untergeordneten Unternehmens jeweils mit Blick auf das Telos der infrage stehenden Norm und somit relativ zu interpretieren. Der Unternehmensbegriff wird auf diese Weise zu einem teleologischen Korrektiv, das eine Rechtsfortbildung entbehrlich macht. Ungeachtet des dargelegten Verständnisses des Konzernrechts im engeren Sinn als dem Recht des abhängigen Verbandes ist das nachfolgende Untersuchungsprogramm breit angelegt und erfasst neben den Themen des Konzernrechts im engeren Sinne, die schwerpunktmäßig in den ersten beiden Kapiteln des 3. Teils (§§ 10, 11) behandelt werden, auch alle diejenigen Problemstellungen, die trotz fehlender Abhängigkeitsspezifik traditionell im konzernrechtlichen Kontext diskutiert werden. Im Einzelnen betrifft dies die sogleich im 2. Teil zu behandelnde Rolle des Vereins als Obergesellschaft, die im 3. Kapitel des 3. Teils (§ 12) behandelte Gläubigerschutzproblematik und die im 4. Teil thematisierte Rolle des Vereins im Gleichordnungskonzern.
Teil 2
Der Verein als Obergesellschaft Angesichts der großen Verbreitung von Unternehmensgruppen, an deren Spitze ein Verein in der Rolle als Obergesellschaft1 steht, sind die in diesem Zusammenhang auftretenden Regelungsprobleme von großer praktischer Bedeutung und sollen im Folgenden insoweit beleuchtet werden, als sie vereinsspezifische Besonderheiten aufweisen. Die Überlegungen beginnen mit der Erörterung der vereinsinternen Zuständigkeit für die Gruppenbildung und Gruppenleitung (§ 4) und den vereinsrechtlichen Grenzen der externen wirtschaftlichen Betätigung (§ 5). Sodann wird darauf eingegangen, welchen Einfluss und welche Verantwortung der Verein im Fall der Beherrschung einer Aktiengesellschaft auf Grundlage der §§ 291 ff. AktG hat (§ 6) und welchen Leitungspflichten der Vereinsvorstand im Hinblick auf die Beteiligungsgesellschaften unterliegt (§ 7). Abgeschlossen wird der 2. Teil durch eine Untersuchung der den Verein als Obergesellschaft treffenden Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten (§ 8) und der den Mitgliedern des Vereins zustehenden gruppenspezifischen Informationsrechten (§ 9).
1 Bei Vereinen handelt es sich ebenso wie bei der Aktiengesellschaft, der GmbH und der Genossenschaft um Gesellschaften i. w. S. (Hadding, FG Zivilrechtslehrer 1934/1935, S. 147, 149).
§ 4 Vereinsinterne Zuständigkeit für gruppenspezifische Maßnahmen Die Regelung des § 26 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Verein durch den Vorstand vertreten wird, erfasst grundsätzlich auch Maßnahmen der Gruppenbildung, Gruppenumbildung und Gruppenleitung (nachfolgend: gruppenspezifische Maßnahmen). Von der Vertretungsmacht zu unterscheiden ist jedoch die das Innenverhältnis betreffende Frage, ob der Vorstand insoweit eigenmächtig handeln darf oder sich zuvor der Zustimmung der Mitgliederversammlung vergewissern muss. Ihr kommt deshalb große Bedeutung zu, weil die infrage stehenden gruppenspezifischen Maßnahmen den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder zwar unberührt lassen, gleichwohl aber geeignet sind, diese in erheblichem Umfang faktisch zu beeinträchtigen. Bekannt ist die Problematik aus dem Aktienrecht, für das, ausgelöst durch das Holzmüller-Urteil des BGH2 im Jahr 1982, intensiv diskutiert wird, inwieweit die im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen auftretende faktische Beeinträchtigung der Aktionärsrechte eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung rechtfertigt.
A. Meinungsbild I. Entwicklung der Holzmüller-Grundsätze im Aktienrecht 1. Rechtsprechung des BGH In dem erwähnten Holzmüller-Urteil hat der BGH entschieden, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre ausnahmsweise aus § 119 Abs. 2 AktG verpflichtet sein kann, einen Beschluss der Hauptversammlung einzuholen.3 Im konkreten Fall, in dem ca. 80% der Aktiva der Gesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine Tochtergesellschaft übertragen wurden, sah das Gericht diese Voraussetzungen als gegeben an. Zur Begründung führte es aus, dass 2
BGHZ 83, 122. BGHZ 83, 122. Vgl. auch Überblick über die Rechtsprechungsentwicklung bei Spindler/ Stilz/Hoffmann, § 119 Rn. 22 ff. 3
§ 4 Vereinsinterne Zuständigkeit für gruppenspezifi sche Maßnahmen
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selbst wenn die Obergesellschaft sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft halte, ihre Aktionäre die Möglichkeit verlören, auf die betroffenen Vermögensgegenstände unmittelbar einzuwirken. Im Übrigen begründe der Vermögenstransfer die Gefahr, dass die Mitgliedschaftsrechte insbesondere durch Aufnahme fremder Gesellschafter weiter ausgehöhlt würden. In diesem Zusammenhang könne es auch zu Vermögensverlusten aufgrund eines zu niedrigen Ausgabekurses für neue Aktien kommen. 4 Der BGH hat in der Holzmüller-Entscheidung des Weiteren ausgeführt, dass bestimmte in die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft fallende Maßnahmen ihrerseits der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedürfen. Konkret bejaht hat er eine solche Zustimmungspflicht für die Vornahme von Kapitalerhöhungen.5 Dabei soll das Zustimmungserfordernis auch dann gelten, wenn die Obergesellschaft sämtliche neuen Aktien übernimmt. Ob das Gericht hiermit allerdings gegenüber den die Gruppenbildung betreffenden Regelungen eigenständige Grundsätze der Konzernleitung kreieren wollte, erscheint eher zweifelhaft. 6 Die Entscheidungsbegründung deutet vielmehr an, dass das Zustimmungserfordernis lediglich dem vorangegangenen Versäumnis Rechnung trägt, die Hauptversammlung an der Ausgliederung zu beteiligen. Die Beteiligung an der Gruppenbildung bzw. Gruppenleitung wären hiernach als Alternativen zu verstehen.7 In der Gelatine-Entscheidung aus dem Jahr 2004 hat der BGH die Holzmüller-Entscheidung inhaltlich bestätigt und in wesentlichen Punkten präzisiert. 8 Deren Kernaussage lautet, dass ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung »nur ausnahmsweise und in engen Grenzen anzuerkennen« seien. Sie kämen nur in Betracht, »wenn eine Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, heranreicht, weil sie Veränderungen nach sich zieht, die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können.« In quantitativer Hinsicht sei erforderlich, dass der betroffene Bereich »in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem [. . .] ›Holzmüller‹-Fall erreicht.«9 Das Gericht hat auf diese Weise Tendenzen im Schrifttum Einhalt geboten, wonach eine Hauptversammlungszuständigkeit im Zusammenhang mit Maßnah4 BGHZ 83, 122, 132, 136 f. (das Gericht verweist hinsichtlich der Begründung des Zustimmungserfordernisses zur Gruppenbildung auf die Ausführungen zur Gruppenleitung). 5 BGHZ 83, 122, 142. 6 So aber die gängige Interpretation, vgl. nur Kiefner, Konzernumbildung und Börsengang, S. 175 f.: »Holzmüller-Rule II«. 7 Der BGH lässt es ausdrücklich offen, ob das Zustimmungserfordernis zur Kapitalerhöhung auch dann gilt, wenn die Hauptversammlung der Ausgliederung vorher oder nachher mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt hat (BGHZ 83, 122, 140). 8 BGHZ 159, 30. 9 BGHZ 159, 30, 44 f.
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
men der Konzernbildung- und Konzernleitung mit Ausnahme von Bagatellfällen stets eingreifen soll.10 Gewisse Präzisierungen enthält das Urteil auch bezüglich des Schutzzwecks ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten. Zurückgewiesen hat der Senat insbesondere einen spezifisch organisations- bzw. konzernverfassungsrechtlichen Ansatz, wonach die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft aus ihrer Eigenschaft als Grundorgan des Konzerns abzuleiten sei.11 Der Zweck des Zustimmungserfordernisses liege vielmehr im Aktionärsschutz.12 In den Mittelpunkt stellt der Senat hierbei den bereits in der Holzmüller-Entscheidung beschriebenen Mediatisierungseffekt, wonach die Ausgliederung zu einer Zuständigkeitsverlagerung zulasten der Aktionäre der Obergesellschaft führe. Hieran knüpft er insbesondere an um zu begründen, weshalb die streitgegenständliche »Verenkelung« einer Tochtergesellschaft (vorbehaltlich des Erreichens der maßgeblichen Schwellenwerte) eine Beteiligung der Hauptversammlung erfordere. Ferner findet sich in dem Urteil aber auch der Hinweis, das Zustimmungserfordernis diene »zugleich« dem Schutz der Anteilseigner vor einer »Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung«.13 Schließlich enthält die Gelatine-Entscheidung eine Reihe weiterer Präzisierungen und Klarstellungen. Was zunächst die dogmatische Grundlage der Hauptversammlungszuständigkeit anbetrifft, nimmt der Senat von der Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG Abstand und spricht stattdessen vom Ergebnis einer »offenen (richterlichen) Rechtsfortbildung«.14 Hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses für den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung bekennt er sich zum Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit.15 Daneben lässt das Urteil Rückschlüsse zum Erfordernis bzw. der Wirkung so genannter Konzernklauseln zu.16 Hiernach geht der Senat offensichtlich davon aus, dass eine Konzernklausel Grundvoraussetzung ist, um den Unternehmensgegenstand in Tochtergesellschaften zu verfolgen. Nachdem bereits die Schwerpunktsetzung in der Gelatine-Entscheidung darauf hindeutete, dass der BGH den primären Schutzweck der HolzmüllerDoktrin im Mediatisierungseffekt sieht, hat dieser Eindruck in einem nachfolgenden Nichtannahmebeschluss seine Bestätigung gefunden.17 In dem eine Anteilsveräußerung betreffenden Fall hat das Gericht eine Hauptversammlungszuständigkeit mit der Begründung verneint, dass es insoweit an einer Mediatisierung von Aktionärsrechten fehle. Hieraus lässt sich unter anderem ab10 11 12 13 14 15 16 17
Umfangreiche Nachweise bei Zimmermann/Pentz, FS Welf Müller, S. 151, 156. BGHZ 159, 30, 39. Hierzu und zum Folgenden BGHZ 159, 30, 40. BGHZ 159, 30, 40. BGHZ 159, 30, 43. BGHZ 159, 30, 45. BGHZ 159, 30, 45; s. auch Goette, AG 2006, 522, 524 ff. BGH NZG 2007, 234.
§ 4 Vereinsinterne Zuständigkeit für gruppenspezifi sche Maßnahmen
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leiten, dass es sich nach Auffassung des BGH bei dem im Fall der Anteilsveräußerung durchaus relevanten Aspekt des Vermögensschutzes um keinen eigenständigen Schutzweck im Sinne der Holzmüller-Doktrin handelt.18 Verstärkt wird dieser Eindruck durch eine Stellungnahme des bisherigen Vorsitzenden des II. Zivilsenats Goette, in der dieser ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten ausdrücklich auf Mediatisierungsfälle beschränkt.19 2. Erklärungskonzepte der Literatur Die Problematik ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten hat im Anschluss an das Holzmüller-Urteil eine geradezu unüberschaubare Anzahl von Stellungnahmen hervorgerufen. 20 Nachdem anfangs die Skepsis überwog, steht man der Holzmüller-Doktrin inzwischen überwiegend positiv gegenüber. Neben einer Reihe von Einzelfragen ist aber nach wie vor umstritten, welchem Schutzweck die Hauptversammlungsbeteiligung dient. Einigkeit besteht zwar im Ausgangspunkt darin, dass Zweck des Zuständigkeitserfordernisses der Aktionärsschutz ist. Unterschiedlich beurteilt wird jedoch, ob der Schwerpunkt insoweit bei den Vermögens- oder den Herrschaftsrechten zu setzen ist.21 Nach der Konzeption von Mülbert sind Zustimmungserfordernisse der Hauptversammlung nur insoweit anzuerkennen, als diese zum Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre der Obergesellschaft erforderlich sind. Dies folge aus der Rechtsstellung des Aktionärs als Hybrid aus verbandsrechtlichen und anlegerschutzrechtlichen Elementen. 22 Eine Hauptversammlungskompetenz sei daher insbesondere dann anzuerkennen, wenn Dritte an Tochtergesellschaften beteiligt werden und deshalb die Gefahr besteht, dass es hierbei zu einem Vermögenstransfer zulasten der Altaktionäre kommt. 23 Demgegenüber lehnt Mülbert eine Hauptversammlungszuständigkeit bei der Verlagerung von Vermögen auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft ausdrücklich ab. 24 Auf Grundlage der insbesondere von Habersack vertretem Gegenkonzeption liegt der Schwerpunkt demgegenüber auf der Beeinträchtigung der Herrschaftsbefugnisse. Zentrale Bedeutung komme insoweit dem Mediatisierungseffekt 18 Ähnlich die Einschätzung von Priester, FS H. P. Westermann, S. 1281, 1285 f.; a. A. Spindler/Stilz/Hoffmann, § 119 Rn. 30. 19 Goette, AG 2006, 522, 527. Unberührt von dieser Einschränkung soll aber wohl die in der Macroton-Entscheidung (BGHZ 153, 47) postulierte Zuständigkeit der Hauptversammlung im Fall des Delisting sein. 20 Siehe Zusammenstellung bei Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, Vor. §§ 311 ff. 21 Unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle der bereits erwähnte in BGHZ 159, 30, 39 ausdrücklich abgelehnte konzernverfassungsrechtliche Ansatz von Lutter, FS Stimpel, S. 825, 832 ff. (s. Kritik in § 3 A. I. = S. 18). 22 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 416 ff. 23 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 431 ff. 24 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 431.
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
zu. 25 Eine Hauptversammlungszuständigkeit sei immer dann anzuerkennen, wenn Vermögenswerte dem unmittelbaren Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft durch Auslagerung auf untergeordnete Hierarchieebenen entzogen werden. Im Gegensatz zu der auf die Vermögensrechte abstellenden Konzeption soll hiernach etwa im Fall der Teilveräußerung der Beteiligung an einer Tochtergesellschaft eine Hauptversammlungszuständigkeit ausscheiden, weil durch diesen Vorgang der Mediatisierungseffekt gerade rückgängig gemacht werde. 26 Umgekehrt liegt es in der Konsequenz des auf den Mediatisierungseffekt abstellenden Ansatzes, dass eine Hauptversammlungszuständigkeit auch dann besteht, wenn die Vermögensverlagerung auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft erfolgt.27
II. Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf den Verein Inwieweit die im Aktienrecht entwickelten Holzmüller-Grundsätze auch für den Verein anwendbar sind, war bisher noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Im Schrifttum hat die Frage vor allem im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Lizenzspielerabteilungen durch Vereine der FußballBundesliga Ende der neunziger Jahre Aufmerksamkeit erfahren.28 Die Tendenz geht hierbei eindeutig dahin, eine Anwendbarkeit jener Grundsätze zu bejahen. 29 Zwar wird vielfach darauf hingewiesen, dass der Aspekt des Vermögensschutzes bei der Mitgliedschaft im Verein keine vergleichbare Rolle wie bei der Aktie spiele.30 Doch wird es überwiegend als ausreichend erachtet, dass durch 25 Habersack, AG 2005, 137, 139 ff.; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 34 f.; Goette, AG 2006, 522, 527; ähnlich Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, S. 180 ff., 189 ff. Einen abweichenden Ansatz verfolgen Spindler/Stilz/Hoffmann, § 119 Rn. 30; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2335, 2336 f., nach deren Auffassung es nicht auf den Mediatisierungseffekt, sondern darauf ankommen soll, ob die geplante Maßnahme zu einer erheblichen Veränderung der Bedingungen führt, auf die die Aktionäre ihre Investitionsentscheidung gestützt haben. 26 Habersack, AG 2005, 137, 145 ff.; Goette, AG 2006, 522, 527. 27 Ausdrücklich MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 61. 28 Monographisch M. Müller, Der deutsche Berufsfußball; Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG? 29 Uneingeschränkt Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169, 2170; Wagner, NZG 1999, 469, 475; Lettl, DB 2000, 1449, 1453; ders., Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 143; ders., AcP 203 (2003), 149, 206; Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Hopt, BB 1991, 778, 785; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 246 ff.; M. Müller, Der deutsche Berufsfußball, S. 158; Kebekus, Alternativen zur Rechtsform des Idealvereins im bundesdeutschen Lizenzfußball, S. 65 ff.; Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG? S. 132; Terner, NJW 2008, 16, 19 f.; tendenziell auch Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.; ders., Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 157 ff.; mit Einschränkungen Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f.; skeptisch Hemmerich, BB 1983, 26, 31; dies., Wirtschaftliche Betätigung, S. 157 f. 30 Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Terner, NJW 2008, 16, 19 f.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.; M. Müller, Der deutsche Berufsfußball, S. 155; hierauf stützen Hemmerich, BB 1983, 26, 31; dies., Wirtschaftliche Betätigung, S. 157 f.; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 ihre Bedenken.
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die Auslagerung von Vereinsvermögen auf selbstständige Rechtsträger die Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse der Mitglieder mediatisiert werden.31 Teilweise findet sich auch die Argumentation, dass, wenn schon der Hauptversammlung der AG Mitwirkungsbefugnisse zustehen, dies mit Blick auf die vergleichsweise stärkere Stellung der Mitgliederversammlung des Vereins für diese erst recht gelten müsse.32 Inwieweit sich eine Vorlagepflicht des Vereinsvorstandes möglicherweise aus vereinspezifischen Regelungen ableiten lässt und daher überhaupt ein Bedürfnis für die Übertragung der aktienrechtlichen Wertungen besteht, wird in diesem Zusammenhang kaum erörtert.33 Eine Ausnahme bildet Segna, der meint, das Erfordernis der Mitwirkung der Mitgliederversammlung aus § 36 2. Alt. BGB ableiten zu können.34 Soweit die Stellungnahmen auch auf die Frage des Mehrheitserfordernisses eingehen, ist das Meinungsbild uneinheitlich. Ohne dies vereinsspezifisch zu begründen, wird teilweise in Anlehnung an die h. M. im Aktienrecht eine Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit verlangt.35 Die Gegenansicht hält demgegenüber die einfache Mehrheit für ausreichend und begründet dies mit der geringen Bedeutung der Vermögensinteressen der Vereinsmitglieder sowie dem vereinsrechtlichen Kopfstimmrecht.36 Schließlich finden sich vereinzelte Stellungnahmen zur Frage, ob die »Holzmüller-Zuständigkeit« der Mitgliederversammlung durch die Satzung ausgeschlossen werden kann, wobei auch insoweit das Meinungsbild uneinheitlich ist. Während die einen unter Hinweis auf die einschneidenden Auswirkungen der Ausgliederung das Zustimmungserfordernis für zwingend erachten,37 tritt die Gegenansicht unter Hinweis darauf, dass im Verein selbst die Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung abbedungen werden kann, für Dispositivität ein.38
31 M. Müller, Der deutsche Berufsfußball, S. 155 Fn. 79 argumentiert, aufgrund des Fehlens konkreter Vermögensrechte wiege der Verlust von Mitwirkungsrechten sogar stärker als bei der Aktie. 32 Kebekus, Alternativen zur Rechtsform des Idealvereins im bundesdeutschen Lizenzfußball, S. 67. Vgl. auch Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 247, wonach das Zustimmungserfordernis »keiner besonderen Erörterung« mehr bedürfe. 33 Vgl. Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 176 f. 34 Segna, NZG 2002, 1048, 1051 Fn. 37; ders., Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 157 ff. 35 Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 143; ders., AcP 203 (2003), 149, 206. 36 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 249; Segna in: Wie viel Prüfung braucht der Verein – wie viel Prüfung verträgt die Genossenschaft? S. 7, 159 f. 37 Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.; ders., Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 160; Lettl, DB 2000, 1449, 1453. 38 Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f.
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III. Exkurs: Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf die GmbH Wegen der Ähnlichkeiten der Organisationsverfassungen des Vereins und der GmbH stellt sich für Letztere die Frage nach der Übertragbarkeit der Holzmüller-Grundsätze in ähnlicher Weise wie beim Verein. Weil die Diskussion für die GmbH deutlich weiter gediehen ist als beim Verein, soll sie im Folgenden kurz dargestellt werden. Die Überlegungen zur Übertragbarkeit der Holzmüller-Grundsätze auf die GmbH sind dadurch geprägt, dass nach ganz überwiegender Auffassung deren Geschäftsführung verpflichtet ist, außergewöhnliche Maßnahmen der Gesellschafterversammlung vorzulegen.39 Trotz unterschiedlicher Einschätzungen bezüglich der Reichweite dieser Vorlagepflicht besteht vor diesem Hintergrund weitestgehend Einigkeit, dass zumindest Maßnahmen der Konzernbildung und -leitung, die nach aktienrechtlichen Maßstäben in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, auch eine Vorlagepflicht der GmbH-Geschäftsführer begründen.40 Bezugnehmend auf die im Vergleich zur Hauptversammlung stärkere Stellung der Gesellschafterversammlung wird auch insoweit zum Teil ein Erst-Recht-Schluss bemüht.41 Als positiv-rechtlicher Anknüpfungspunkt findet sich in diesem Zusammenhang häufig der Verweis auf § 49 Abs. 2 GmbHG, wonach die Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einzuberufen haben, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. K. Schmidt meint sogar, aufgrund dieser Vorschrift entspreche die Holzmüller-Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der GmbHG »eindeutig dem positiven Recht«.42 Streitig ist auch für die GmbH, mit welcher Mehrheit die Mitgliederversammlung Maßnahmen der Konzernbildung und -leitung zustimmen muss. Teilweise wird vertreten, dass stets eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei.43 Andere hingegen wollen immer die einfache Mehrheit genügen lassen.44 Eine vermittelnde Auffassung differenziert danach, ob die Maßnahme den aktien39
Statt vieler Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7 ff. Priester, FS H. P. Westermann, S. 1281, 1286 f.; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 43; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 978 ff.; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 9; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rn. 20; im Ergebnis auch Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 620 ff.; Michalski/ Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 214. 41 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232; ähnlich Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rn. 10 Fn. 23; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11. 42 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rn. 20; auf § 49 Abs. 2 GmbHG bezugnehmend etwa auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rn. 9; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 9. 43 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rn. 10; Priester, FS H. P. Westermann, S. 1281, 1287. 44 Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 215; Sonntag, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, S. 234 f. 40
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rechtlichen Anforderungen an eine Holzmüller-Konstellation genügt (dann qualifizierte Mehrheit) oder nur in sonstiger Weise außergewöhnlich ist (dann einfache Mehrheit).45 Aus der Rechtsprechung ist lediglich eine einzige Entscheidung des OLG Stuttgart bekannt, in der die vorliegende Fragestellung einschlägig war. Da in dem ihr zu Grunde liegenden Fall allerdings die Satzung der GmbH ein Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von knapp 88% vorsah, konnte sich das Gericht hier mit der Feststellung begnügen, dass aus der Holzmüller-Rechtsprechung des BGH zumindest kein Einstimmigkeitserfordernis abgeleitet werden könne.46 Diskutiert wird schließlich auch für die GmbH, inwieweit die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für Maßnahmen der Konzernbildung und -leitung in der Satzung abbedungen werden kann. Soweit die Maßnahme die aktienrechtliche »Holzmüller- Schwelle« überschreitet, wird eine Dispositivität überwiegend verneint.47 Zur Begründung findet sich der Hinweis auf die Nähe entsprechender Maßnahmen zu Satzungsänderungen, die gemäß § 53 Abs. 1 GmbHG ebenfalls zwingend der Kompetenz der Mitgliederversammlung unterliegen.48
B. Problemanalyse Im Rahmen einer Problemanalyse sind zunächst die rechtsformübergreifenden Auswirkungen gruppenspezifischer Maßnahmen auf die Mitgliedschaft in der Obergesellschaft zu beleuchtet (1.). Anschließend sind die Besonderheiten der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung und der vereinsrechtlichen Mitgliedschaft zu behandeln und zu bewerten (2.).
I. Rechtsformübergreifende Zusammenhänge 1. Kategorisierung gruppenspezifischer Maßnahmen a) Traditionelle Kategorisierung In der aktienrechtlichen Diskussion um die kompetenzrechtliche Behandlung gruppenspezifischer Maßnahmen wird üblicherweise von Maßnahmen der Gruppenbildung, Gruppenumbildung und Gruppenleitung gesprochen. Der Differenzierung zwischen Maßnahmen der Gruppenbildung und der Grup45 Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 1032; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 44. 46 OLG Stuttgart Urt. v. 7. 2. 2001–20 U 52/97, Juris Rn. 228 (insoweit in BB 2001, 794 nicht abgedruckt). 47 Priester, FS H. P. Westermann, S. 1281, 1289 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 169 f.; a. A. GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 23. 48 Statt vieler Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 60, 67.
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penumbildung wird jedoch im Ergebnis keine Bedeutung beigemessen. Gliedert die Obergesellschaft Vermögensteile auf eine Tochtergesellschaft aus, ist es ohne Belang, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits über andere Tochtergesellschaften verfügt, d. h. ob es sich um einen Vorgang der Gruppenbildung oder -umbildung handelt.49 Anders liegen die Dinge hinsichtlich der Kategorien der Gruppen(um)bildung und der Gruppenleitung. Eine entsprechende Differenzierung war bereits im Holzmüller-Urteil angelegt und wurde in der GelatineEntscheidung wieder aufgenommen.50 Problematisch an dieser Kategorisierung ist, dass auf ihrer Grundlage zum Teil in ihren Auswirkungen identische Maßnahmen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlichen Rechtsfolgen zugeführt werden. So wird etwa vielfach eine Hauptversammlungszuständigkeit für die bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung auf Ebene der Tochtergesellschaft bejaht, während die Teilveräußerung der Beteiligung an einer Tochtergesellschaft ohne Zustimmung der Hauptversammlung möglich sein soll.51 Die Begründung, dass die Teilveräußerung keinen Mediatisierungseffekt aufweise, trifft indes auf die bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung gleichermaßen zu. Der Grund für die Ungleichbehandlung liegt offenbar allein darin, dass die Kapitalerhöhung als Maßnahme auf Ebene der Tochtergesellschaft anders als die auf Ebene der Obergesellschaft stattfi ndende Beteiligungsveräußerung dem Bereich der Konzernleitung zugerechnet wird. Sachlich überzeugend ist dies angesichts der nahezu identischen Auswirkungen nicht.52 b) Problemorientierte Kategorisierung Zum Zwecke der angemessenen Problembehandlung erscheint es vorzugswürdig, die infrage stehenden gruppenspezifischen Maßnahmen allein im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in der Obergesellschaft zu unterscheiden.53 Als sinnvoll erweist sich hiernach eine Kategorisierung in Ausgliederungs-, Drittbeteiligungs- und Risikomaßnahmen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein und dieselbe Maßnahme verschiedene Auswirkungen haben und hiernach verschiedenen Kategorien zugleich unterfallen kann. 49 Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 41. 50 Konkret heißt es in BGHZ 159, 30, 38, Maßnahmen auf Ebene der Tochtergesellschaft bedürften unabhängig davon der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft, ob diese bereits in die Gruppenbildung involviert war (sofern der Senat hierbei allerdings auf die Holzmüller-Entscheidung verweist, ist dies unzutreffend, da dort die Frage gerade offen gelassen wurde, s. o. I.1.a). 51 Etwa Habersack, AG 2005, 137, 145 ff., 148 f. 52 Für eine Gleichbehandlung daher auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, S. 177 f.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb 291 Rn. 102; ebenso, wenngleich auf anderer Grundlage, Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 372 f.; kritisch auch MünchKommAktG/ Kubis, § 119 Rn. 63. 53 Ähnlicher Ansatz bei Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 371 ff.
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Der Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen sind alle Vorgänge zuzuordnen, die den im Mittelpunkt der Rechtsprechung des BGH stehenden Mediatisierungseffekt auslösen. Sie lassen sich abstrakt dadurch umschreiben, dass unmittelbar der Obergesellschaft als Rechtsträger zugeordnetes Vermögen in eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung transformiert wird.54 Die hierfür in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Neben der Ausgliederung nach dem UmwG oder im Wege der Universalsukzession kommt auch der Beteiligungserwerb in Betracht.55 Da es sich in allen Fällen um Ausgliederungen im weiteren Sinne handelt, bietet sich der Begriff der Ausgliederungsmaßnahme an. Drittbeteiligungsmaßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass Dritten durch Mitgliedschaftsrechte vermittelte Befugnisse an unmittelbar oder mittelbar der Obergesellschaft zugeordneten Vermögensgegenständen gewährt werden. Solche Maßnahmen können ohne weiteres zugleich Ausgliederungsmaßnahmen sein. Dies ist etwa der Fall, wenn die Obergesellschaft Vermögen in eine Gesellschaft mit Drittbeteiligung einbringt oder einen Teil der Anteile an einer anderen Gesellschaft erwirbt. Um eine »reine« Drittbeteiligungsmaßnahme handelt es sich demgegenüber, wenn die Obergesellschaft bei einer Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft auf die Ausübung ihres Bezugsrechts verzichtet oder den Teil einer Beteiligung veräußert. Auch die vollständige Beteiligungsveräußerung ist letztlich als stärkste denkbare Form der Drittbeteiligung der Kategorie der Drittbeteiligungsmaßnahmen zuzuordnen.56 Der Kategorie der Risikomaßnahmen sind schließlich solche Maßnahmen zuzuordnen, durch die sich die Obergesellschaft einer Haftung für fremde unternehmerische Risiken aussetzt. Im gruppenspezifischen Kontext ist hierbei vor allem an den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags als »anderer Vertragsteil« oder die Beteiligung an einer Personengesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter zu nennen. Denkbar ist aber auch eine gruppeninterne Haftungsübernahme auf Grundlage von Bürgschafts- oder Patronatserklärungen etc.
54
Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 371. Statt vieler Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 371; Habersack, AG 2005, 137, 144 m. w. N. Die Gegenauffassung (u. a. MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 67 m. w. N.), wonach der Beteiligungserwerb der Ausgliederung nicht gleichgestellt werden könne, vermag nicht zu überzeugen. Insbesondere der Vergleich mit anderen Investitionen ohne Konzernbildung wie etwa dem Erwerb von Produktionsstätten (Kubis a.a.O.) geht fehl, da hiermit gerade kein Mediatisierungseffekt verbunden ist. 56 Anders insoweit Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 433, der in der Folge die Teil- und die Vollveräußerung von Beteiligungen unterschiedlichen Lösungen zuführt. 55
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2. Faktische Auswirkungen gruppenspezifischer Maßnahmen auf die Mitgliedschaft in der Obergesellschaft a) Zusammenhang zwischen Recht und faktischem Substrat Die Gemeinsamkeit der infrage stehenden Vorgänge besteht darin, dass die Mitgliedschaftsrechte in ihrem Gehalt beeinträchtigt werden, obwohl die Rechte als solche unangetastet bleiben. Zur Beschreibung dieses Phänomens wird häufig von faktischen Rechtsverkürzungen gesprochen.57 Dass Mitgliedschaftsrechte faktisch beeinträchtigt werden können, hat seine Ursache in dem für alle vermögenswerten subjektiven Rechte des Privatrechts charakteristischen Zusammenhang zwischen dem Recht als solchem und dem ihm zu Grunde liegenden faktischen Substrat (Sachen, menschliche Arbeitskraft, Ideen, Geld). Wird etwa eine Sache zerstört, verliert der Eigentümer faktisch sein Eigentum, obwohl das Eigentumsrecht als solches unangetastet bleibt. Weitergehende Möglichkeiten der faktischen Beeinträchtigung folgen daraus, dass anders als im Fall des Sacheigentums häufig keine unmittelbare Beziehung zwischen dem Rechtsinhaber und dem faktischen Substrat existiert, sondern das Substrat am Ende einer Kette von Rechten oder Befugnissen steht. Nur beispielhaft sei auf das Mietrecht oder die Lizenz hingewiesen, bei denen der Inhaber seine Befugnis hinsichtlich der Benutzung der Sache oder Nutzung der Erfindung von einem anderen ableitet. Entfällt dessen Berechtigung, lässt dies das abgeleitete Recht grundsätzlich leerlaufen.58 Weitere faktische Beeinträchtigungen sind dergestalt denkbar, dass der »Mittler« Dritten konkurrierende Nutzungsrechte an den jeweiligen Substraten einräumt und hierdurch die Exklusivität des Zugriffs einschränkt.59 Auch bei der Mitgliedschaft handelt es sich um ein mediatisiertes Recht in dem zuvor beschriebenen Sinn. Faktisches Substrat der durch die Mitgliedschaft vermittelten Befugnisse sind, etwas vereinfacht, die Gegenstände des Verbandsvermögens. Augenscheinlich ist dieser Zusammenhang hinsichtlich der Vermögensrechte, die ohne ein Verbandsvermögen leerliefen. Aber auch für die Herrschaftsrechte spielt das Verbandsvermögen als faktisches Substrat eine wichtige Rolle. Zwar sind Herrschaftsrechte auch ohne die Existenz eines Verbandsvermögens denkbar. Sofern aber ein Verbandsvermögen vorhanden ist, beziehen sich die Herrschaftsrechte auch, wenn nicht sogar in erster Linie, auf dessen Verwendung und sind daher ebenfalls betroffen, wenn das Verbandsvermögen geschmälert wird. Im Unterschied zu den Befugnissen eines Sacheigen57 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 416; GroßKomm AktG/ders., § 119 Rn. 32. 58 Gerade die gewählten Beispiele zeigen, dass der Gesetzgeber die Gefahr der faktischen Beeinträchtigung erkannt und zur Verhinderung verschiedene Schutzkautelen vorgesehen hat (vgl. §§ 566 Abs. 1, 986 Abs. 2 BGB, 15 PatG), die allerdings keinesfalls lückenlos sind. 59 Auch insoweit kommen gesetzliche Schutzkautelen in Form von Besitzschutzansprüchen oder dem Sukzessionsschutz des § 15 Abs. 3 PatG in Betracht.
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tümers gestatten die mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechte ihrem Inhaber nicht die unmittelbare Einflussnahme auf die Gegenstände des Verbandsvermögens. Die Mitwirkung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Stimmabgabe in der Mitgliedervertretung. Welche Einflussmöglichkeiten daran geknüpft sind, hängt von mehreren Faktoren ab wie etwa dem Gewicht des Stimmrechts in der Mitgliedervertretung, der Rolle der Mitgliedervertretung im Rahmen der verbandsinternen Willensbildung sowie den Befugnissen, die dem Verband seinerseits hinsichtlich des einzelnen Vermögensgegenstandes zustehen. Wird eines dieser Glieder in der das Mitglied mit den Gegenständen des Verbandsvermögens verbindenden »Befugniskette« verändert, hat dies stets faktische Rückwirkung auf die Mitgliedschaft. b) Ausgliederungsmaßnahmen: Mediatisierungseffekt Ordnet man vor diesem Hintergrund den Ausgliederungsmaßnahmen kennzeichnenden Mediatisierungseffekt ein, lässt sich dieser dahingehend beschreiben, dass die das Mitglied mit den Gegenständen des Verbandsvermögens verbindende Befugniskette um ein zusätzliches Glied ergänzt wird. Wie stark die Rückwirkung dieses Vorgangs auf das einzelne Mitgliedschaftsrecht ist, hängt, abstrakt gesprochen, von der Art der eingefügten Glieder ab. Im Einzelnen lassen sich in diesem Zusammenhang zwei Teileffekte unterscheiden, die beide in Abhängigkeit von den Rechtsformen von Ober- und Untergesellschaft variieren. Zum einen vermindert sich infolge des Vermögenstransfers der Einfluss der Obergesellschaft auf die betroffenen Vermögensgegenstände dadurch, dass die entsprechenden Vermögenswerte der Untergesellschaft zugewiesen werden und damit primär dem Einfluss von deren Geschäftsleitung unterliegen. Einwirkungsmöglichkeiten der Obergesellschaft bestehen fortan nur noch nach Maßgabe der ihr in der Untergesellschaft zustehenden Mitwirkungsrechte. Der von der Obergesellschaft insoweit erlittene Einflussverlust setzt sich in einem Einflussverlust seiner Organe fort und betrifft damit auch deren Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Mitgliedervertretung. 60 Wie stark dieser externe Kompetenzverlust ist, hängt von der Organisationsverfassung der Untergesellschaft ab. Sieht diese ein Weisungsrecht der Mitgliedervertretung vor, ist der Einflussverlust vergleichsweise gering. Der Obergesellschaft verbleibt aufgrund ihrer Rechte in der Mitgliederversammlung der Untergesellschaft ein starker Einfluss auf die betroffenen Vermögensgegenstände. Gliedert beispielsweise ein Verein Vermögen auf eine GmbH aus, verbleibt der Mitgliedervertretung die Möglichkeit, den Vereinsvorstand anzuweisen, in der Gesellschafterversammlung der GmbH bestimmte Weisungen gegenüber der Geschäftsführung durch60 Die Annahme von Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 236 f., der Kompetenzverlust betreffe allein die Geschäftsleitung der Obergesellschaft, greift insoweit zu kurz.
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zusetzen (Weisungskette). Gegenteilig liegen die Dinge, wenn die Organisationsverfassung der Untergesellschaft wie im Fall der Aktiengesellschaft die eigenverantwortliche Leitung durch den Vorstand vorsieht und hiernach die Obergesellschaft einen signifikanten Kompetenzverlust erleidet. Neben diesem externen, dem Kompetenzgewinn der Untergesellschaft geschuldeten Kompetenzverlust büßen die Mitglieder der Obergesellschaft unter Umständen zusätzlich Kompetenzen aufgrund einer internen Machtverschiebung zwischen der Mitgliederversammlung und der Geschäftsleitung der Obergesellschaft ein. Besonders anschaulich ist dieser Effekt im Fall der Handelsgesellschaften bezüglich der Gewinnverwendung. Weil die Verwaltung der Obergesellschaft in der Mitgliederversammlung der Tochtergesellschaft darüber entscheidet, in welchem Umfang Gewinne an die Obergesellschaft ausgeschüttet werden, verstärkt sich infolge der Mediatisierung ihr Einfluss auf die Gewinnverwendung zulasten der Mitglieder der Obergesellschaft erheblich. 61 Wie stark die interne Kompetenzverschiebung ist, hängt von der Organisationsverfassung der Obergesellschaft ab. Sieht diese ein Weisungsrecht der Mitgliederversammlung vor, bleibt die Kompetenzverschiebung letztlich ohne Auswirkung, da die Mitgliederversammlung der Geschäftsleitung genaue Vorgaben machen kann, wie sie ihre Rechte in der Untergesellschaft wahrzunehmen hat. Gegenteilig wiederum liegen die Dinge, wenn die Geschäftsleitung der Obergesellschaft die Beteiligungsrechte in eigener Verantwortung wahrnehmen kann. c) Drittbeteiligungsmaßnahmen: Verwässerungseffekt Drittbeteiligungsmaßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass neben den bisher Berechtigten Dritte eine Berechtigung an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens erwerben. Anknüpfend an das zuvor gezeichnete Bild, lässt sich sagen, dass zusätzliche Befugnisketten zu den betroffenen Gegenständen des Verbandsvermögens führen. Im Ergebnis bewirkt dies, dass die Befugnisse der betroffenen Mitglieder im Verhältnis zu der Gesamtheit der hieran bestehenden Befugnisse geschwächt oder mit anderen Worten verwässert werden. Im Fall der Vollveräußerung liegen die Dinge ähnlich, nur dass hier die bisherige Berechtigung vollständig durch die eines Dritten ersetzt wird. Bekannt sind die verschiedenen Facetten des durch Drittbeteiligungsmaßnahmen ausgelösten Verwässerungseffekts aus dem Zusammenhang mit dem aktienrechtlichen Bezugsrecht, dessen Aufgabe gerade darin besteht, dem Bezugsrechtinhaber vor den negativen Folgen der Drittbeteiligung zu bewahren. Zutreffend wird insoweit zwischen dem Erhalt des bisherigen Stimmgewichts in Relation zu den übrigen Aktionären und dem Anteil an der vermögensmä-
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Vgl. hierzu u. a. K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 58 Rn. 27 m. w. N.
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ßigen Substanz der Aktiengesellschaft unterschieden. 62 Ersterer Aspekt betrifft die Herrschaftsrechte, Letzterer die Vermögensrechte. Welche Bedeutung die Gefahr der Verwässerung für die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs hat, lässt sich daran ablesen, dass der Bezugsrechtsausschluss nur mit qualifizierter Mehrheit möglich ist (§ 186 Abs. 3 S. 2 AktG) und nach der Rechtsprechung des BGH darüber hinaus einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. 63 Der Anwendungsbereich des § 186 AktG beschränkt sich indes auf die Aufnahme von Aktionären unmittelbar auf Ebene der Obergesellschaft. Andere Drittbeteiligungsmaßnahmen wie etwa die Beteiligung Dritter in Tochtergesellschaften werden davon nicht erfasst. 64 Der wesentliche Unterschied zwischen der Ausgliederung und der Drittbeteiligung besteht darin, dass der mit der Ausgliederung einhergehende Mediatisierungseffekt stets kompensationslos erfolgt, während im Fall der Drittbeteiligung dem Verwässerungseffekt typischerweise eine vom Dritten zu erbringende Gegenleistung gegenübersteht. Empfänger der Gegenleistung kann entweder die Obergesellschaft (Beteiligungsveräußerung) oder die Untergesellschaft (gemeinsame Gründung oder Kapitalerhöhung) sein. In beiden Fällen führt die Gegenleistung dazu, dass sich die Mitgliedschaftsrechte der Mitglieder der Obergesellschaft in der Folge auch auf die eingebrachten Vermögensgegenstände erstrecken und gegenläufig zum Verwässerungseffekt zu einer faktischen Erweiterung der Rechtsposition der Mitglieder der Obergesellschaft führen. Zur Ermittlung der Gesamtbilanz der mit der Drittbeteiligung verbundenen Auswirkungen auf die Mitgliedschaftsrechte, ist zwischen den Vermögensrechten und den Herrschaftsrechten zu unterscheiden. Was die Vermögensrechte anbetrifft, wird man ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass der Verwässerungseffekt neutralisiert wird, sofern die von den Dritten eingebrachten Vermögensgegenstände in einem angemessenen Verhältnis zu den ihnen gewährten Vermögensrechten stehen. Eine faktische Beeinträchtigung der Vermögensrechte findet dann nicht statt. 65 Schwieriger liegen die Dinge hinsichtlich der Herrschaftsrechte. Zwar wird man auch insoweit sagen können, dass die Herrschaftsrechte durch die Vergrößerung des ihnen zu Grunde liegenden Vermögens eine faktische Erweiterung erfahren. 66 Indes liegt es auf der Hand, 62 Statt vieler MünchKommAktG/Peifer, § 186 Rn. 1; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 10 Rn. 34. 63 BGHZ 71, 40, 46 (Kali + Salz). 64 Vgl. aber die Forderung nach einer konzerndimensionalen Ausdehnung des Bezugsrechts Lutter, AG 2000, 342, 343 ff.; Kiefner, Konzernumbildung und Börsengang, S. 305 ff.; zur Kritik u. a. Habersack, WM 2001, 545. 65 Im Aktienrecht hat die Bedeutung der Angemessenheit der Gegenleistung ihren Niederschlag in § 255 Abs. 2 S. 1 AktG gefunden. 66 Eben mit diesen Erwägungen hat der BGH in der Hoesch-Hoogovens-Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der Umstrukturierung nach dem so genannten Fokker-Modell bejaht: »Zudem ist der Einfluß, den die Aktionäre noch mittelbar über die Organe der Gesellschaft
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dass der Verwässerungseffekt auf diese Weise nicht vollständig neutralisiert wird. Anders als bei den Vermögensrechten führt die Drittbeteiligung hinsichtlich der Herrschaftsrechte letztlich zu einer Umgestaltung, die es unmöglich macht, die Veränderung anhand quantitativer Kriterien zu vergleichen. Auch wenn insoweit keine faktische Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte vorliegt, wird man doch von deren »faktischer Umformung« sprechen müssen. Resümierend ist daher festzuhalten, dass Drittbeteiligungsmaßnahmen im Unterschied zu Ausgliederungsmaßnahmen nicht zwingend zu einer faktischen Verkürzung von Mitgliedschaftsrechten führen, sondern lediglich die Gefahr einer entsprechenden Verkürzung begründen, welche sich nur realisiert, wenn der Dritte im Gegenzug für die Beteiligung keine angemessene Gegenleistung erbringt. Fließt der Ober- oder der Untergesellschaft hingegen eine angemessene Gegenleistung zu, bleibt die Drittbeteiligung ohne Auswirkung auf die Vermögensrechte und bewirkt lediglich eine faktische Umformung der Herrschaftsrechte. d) Risikomaßnahmen: Vermögensverkürzungen Die Übernahme externer unternehmerischer Risiken führt im Fall ihrer Realisierung zu einer Schmälerung des Vermögens der Obergesellschaft und kann sogar dessen Totalverlust bewirken. Aufgrund der Bedeutung des Verbandsvermögens als Substrat sowohl der Vermögens- als auch der Herrschaftsrechte der Mitglieder der Obergesellschaft zieht eine solche Vermögensverkürzung die faktische Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte nach sich. 3. Relativierung der faktischen Beeinträchtigung aufgrund gruppenspezifischer Maßnahmen Die zuvor herausgearbeiteten faktischen Beeinträchtigungen der Mitgliedschaftsrechte im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen gilt es in zweierlei Hinsicht zu relativieren: Hinsichtlich des Mediatisierungseffekts ist daran zu erinnern, dass es sich bei der Mitgliedschaft in einem Verband per se um ein vergleichsweise stark mediatisiertes Recht handelt. Im Rahmen einer Bewertung des Ausgliederungsmaßnahmen charakterisierenden Mediatisierungseffekts darf daher nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass diese die Mediatisierung nicht begründen, sondern lediglich eine Verstärkung der der Mitgliedschaft ohnehin immanenten Mediatisierung bewirken. Auch ohne die Ausgliederung könnten die einzelnen
auf den Einsatz des nunmehr in einer Tochtergesellschaft investierten Kapitals nehmen können, durch die gleich hohe Unternehmensbeteiligung einer Partnergesellschaft gemindert, andererseits allerdings auch durch den Einfluß eines zweiten Unternehmens in demselben Verhältnis wiederum erweitert.« (BGHZ 82, 188, 192).
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Mitglieder mit den betroffenen Vermögensgegenständen nicht im Ansatz wie ein Sacheigentümer auf Grundlage von § 903 BGB verfahren. 67 Des Weiteren gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass sämtliche der beschriebenen faktischen Beeinträchtigungen keine Besonderheit gruppenspezifischer Maßnahmen sind, sondern gleichsam in anderem Zusammenhang auftreten können. So werden beispielsweise die Mitgliedschaftsrechte auch dadurch mediatisiert, dass eine Gesellschaft die unmittelbare dingliche Berechtigung an einem bestimmten Gegenstand durch Abschluss einer Sale-and-lease-back-Vereinbarung in eine bloß schuldrechtliche Berechtigung transformiert. Hinsichtlich des Drittbeteiligungseffekts gilt es zu bedenken, dass zwischen der Beteiligungsveräußerung und der nicht gruppenspezifischen Veräußerung einzelner Vermögenswerte (Stichwort: asset-deal) kein qualitativer Unterschied besteht. Schließlich setzt sich ein Verband auch jenseits des Abschlusses von Unternehmensverträgen oder der Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter fremden unternehmerischen Risiken schon allein dadurch aus, dass er Delkredererisiken übernimmt.
II. Vereinsrechtliche Besonderheiten 1. Vereinsrechtliche Kompetenzordnung Während der Vorstand des Vereins für die Geschäftsführung (vgl. § 27 Abs. 3 BGB) zuständig ist, hat die Mitgliederversammlung über Satzungsänderungen (§ 33 Abs. 1 BGB), die Auflösung (§ 41 BGB), die Bestimmung des Anfallberechtigten (§ 45 Abs. 1 S. 2 BGB), die Bestellung und die Abberufung des Vorstandes (§ 27 BGB) sowie Umwandlungsmaßnahmen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 13 Abs. 1 S. 2, 103, 125, 275 UmwG) zu beschließen. Zusammenfassend wird hierfür auch der Begriff der Grundlagengeschäfte verwandt. 68 Daneben ordnet § 32 Abs. 1 S. 1 BGB eine Auffangzuständigkeit der Mitgliederversammlung an. Die Abgrenzung zwischen Geschäftsführungsangelegenheiten und Grundlagengeschäften betrifft aber gewissermaßen nur eine erste Ebene. Auf einer zweiten Ebene wird die Zuständigkeitsverteilung wesentlich dadurch geprägt, dass der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vorstand gemäß § 27 Abs. 3 i.V. mit § 665 BGB ein Weisungsrecht zusteht. Weil die Mitgliederversammlung durch Ausnutzung des Weisungsrechts auch über Geschäftsführungsangele-
67 Zutreffend Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 357, der meint, die Aktionäre der Obergesellschaft könnten dem Vorstand weder vor noch nach der Ausgliederung vorschreiben, wie dieser mit den betreffenden Vermögensteilen zu verfahren habe. Überzeichnend demgegenüber die Aussage, das ausgegliederte Vermögen habe zuvor der Kontrolle und Beeinflussung durch die Aktionäre der Obergesellschaft unterlegen, so Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vorb. § 311 Rn. 34. 68 Soergel/Hadding, § 26 Rn. 10.
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genheiten entscheiden kann, spricht man von einer Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung. Im Ergebnis lassen sich nach dem Gesagten zwei Zuständigkeitsbereiche unterscheiden: Im Bereich der Geschäftsführung besteht eine konkurrierende Zuständigkeit von Mitgliederversammlung und Vorstand, auf deren Grundlage der Vorstand tätig werden kann, solange die Mitgliederversammlung keine gegenteilige Entscheidung trifft. 69 Macht die Mitgliederversammlung von ihrer Zuständigkeit Gebrauch, schließt dies die Zuständigkeit des Vorstandes aus. Davon abzugrenzen ist der Bereich, in dem die Mitgliederversammlung eine Alleinzuständigkeit trifft und daher Maßnahmen durch den Vorstand nicht ohne deren Mitwirkung durchgeführt werden können. 70 2. Vereinsrechtliche Mitgliedschaft Da die Auswirkungen gruppenspezifischer Maßnahmen auf die Mitgliedschaftsrechte im Mittelpunkt der aktienrechtlichen Holzmüller-Diskussion stehen, gilt es zu analysieren, inwieweit die vereinsrechtliche Mitgliedschaft unter den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten mit der Aktie vergleichbar ist. a) Nichtvermögensrechtliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft Der auffälligste Unterschied zwischen der aktien- und der vereinsrechtlichen Mitgliedschaft besteht darin, dass Letztere typischerweise keine Vermögensrechte vermittelt.71 Ein Anspruch auf Ausschüttung von Gewinnen kommt nur bei entsprechender Grundlage in der Satzung in Betracht, welche in der Praxis jedoch die absolute Ausnahme ist.72 Gleiches gilt für eine Abfindung im Fall des Austritts.73 Selbst am Liquidationserlös sind die Mitglieder häufig nicht beteiligt. Einschlägig ist insoweit § 45 BGB, wonach eine Anfallsberechtigung der Vereinsmitglieder nur besteht, wenn dies die Satzung vorsieht (Abs. 1) oder die Satzung im Fall des selbstnützigen Vereins keine einschlägige Bestimmung enthält (Abs. 3, 1. HS.). Praktisch relevant sind allein auf Sachleistungen gerichtete
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Vgl. Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 123. Vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 4. 71 Ausführlich Ballerstedt, FS Knur, S. 1; vgl. auch Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, passim; ders., AcP 203 (2003), 149. 72 Vgl. den Fall des OLG Stuttgart, OLGZ 1971, 465 ff. Die Vereinbarkeit solcher Ansprüche mit den §§ 21, 22 BGB ihrerseits ist umstritten, vgl. MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 30. 73 Hierzu Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 15 ff. 70
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Rechte,74 die jedoch üblicherweise nicht als Vermögens-, sondern als Vorteilsrechte bezeichnet werden. 75 Aus der nichtvermögensrechtlichen Ausgestaltung der vereinsrechtlichen Mitgliedschaft folgt, dass die Integrität des Verbandsvermögens für die Mitglieder eines Vereins eine geringere Rolle spielt als für die Aktionäre. Insbesondere lässt sich das Schutzbedürfnis der Vereinsmitglieder vor gruppenspezifischen Maßnahmen nicht damit begründen, diese würden zu einer faktischen Verkürzung ihrer Vermögensrechte führen. Der auf die aktienrechtliche Mitgliedschaft zugeschnittene Erklärungsansatz von Mülbert, wonach die Beeinträchtigung von Herrschaftsrechten neben der Beeinträchtigung der Vermögensrechte keine eigenständige Rolle spielt, findet somit beim Verein keine Grundlage.76 Ihre Bestätigung findet die im Vergleich zur Aktiengesellschaft geringere Bedeutung des Verbandsvermögens für die vereinsrechtliche Mitgliedschaft in den in der Vereinspraxis anzutreffenden Beitrittsregelungen. 77 Vereine, deren Mitgliedschaft keine signifikanten Wertrechte vermittelt, nehmen ungeachtet ihres zum Teil beträchtlichen Vermögens Mitglieder meist ohne Aufnahmebeitrag auf.78 Und auch bei Vereinen, bei denen die Benutzung von Vereinseinrichtungen ganz im Vordergrund steht (z. B. Tennisclub, Golfclub) wird der Aufnahmebeitrag regelmäßig nicht unter Bewertung des Vereinsvermögens festgesetzt.79 Dies belegt, dass Vermögensinteressen eine gänzlich untergeordnete Rolle spielen und offenbar auch dem zuvor dargelegten Zusammenhang zwischen dem Umfang des Vereinsvermögens und den Herrschaftsrechten keine große Bedeutung beigemessen wird. Gleichwohl wäre es falsch anzunehmen, dass Verkürzungen des Vereinsvermögens aufgrund der nichtvermögensrechtlichen Ausgestaltung der Mitgliedschaft keinerlei Rückwirkung auf die Rechte der Vereinsmitglieder haben. Denn wie bereits ausgeführt, besteht ein Zusammenhang zwischen der Qualität der 74 Besondere Bedeutung hat insoweit das Recht auf die Benutzung der Vereinseinrichtungen. Dies ist zwar nicht gesetzlich vorgesehen und bedarf daher einer Grundlage in der Satzung. Häufig dürfte sich das Recht aber bereits aus dem Vereinszweck ableiten lassen. Im Übrigen sehen Vereinssatzungen beispielsweise Rechte auf Teilnahme an Vereinsveranstaltungen (OLG Frankfurt NJW 1992, 2576), die Inanspruchnahme bestimmter Vergünstigungen oder Dienste (OLG Hamm NJW-RR 1993, 1179) oder das Recht auf Benutzung eines vom Verein geprägten Gütezeichens (OLG Frankfurt WM 1986, 302 ff.) vor. 75 Soergel/Hadding, § 38 Rn. 16 Fn. 123; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 127. Alternativ wird auch von Genussrechten (Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 B II 1; Habersack, Mitgliedschaft, S. 271) oder Wertrechten (MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 29 f.) gesprochen. 76 Oben A. I.2. (S. 81 f.). 77 § 58 Nr. 1 BGB weist die Regelung des Vereinsbeitritts dem Sollinhalt der Satzung zu. 78 S. z. B. §§ 4, 5 der Satzung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. 79 In diesem Zusammenhang spielt auch eine Rolle, dass übermäßig hohe Aufnahmegebühren zum Verlust des Gemeinnützigkeitsprivilegs führen (vgl. Rundschreiben des BMF 20. 10. 1998 IV C 6-S 0171–11/98, BStBl. I S. 1424).
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Herrschaftsrechte und dem Umfang des ihnen als Substrat zu Grunde liegenden Verbandsvermögens. Insoweit ist es auch nicht richtig, dass die Mitglieder eines Vereins vor missliebigen Entwicklungen durch die Möglichkeit des Vereinsaustritts ausreichend geschützt sind. 80 Durch den Vereinsaustritt verlieren sie nämlich kompensationslos die Möglichkeit, durch Ausübung ihrer Herrschaftsrechte auf die Verwendung des Verbandsvermögens Einfluss zu nehmen. b) Rückwirkung des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung Die aufgezeigten Unterschiede zwischen der vereins- und der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung entfalten auch Rückwirkung auf die jeweiligen Mitgliedschaftsrechte. Das der Mitgliederversammlung im Gegensatz zur Hauptversammlung zustehende Weisungsrecht bewirkt, dass das Stimmrecht der Vereinsmitglieder einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Gegenstände des Verbandsvermögens vermittelt als dies bei der Aktie der Fall ist. Dieser Aspekt ist von großer Bedeutung für die Bewertung des mit Ausgliederungsmaßnahmen einhergehenden externen Kompetenzverlustes, bei der es entscheidend darauf ankommt, welchen Mediatisierungsgrad die Herrschaftsrechte vor der Ausgliederungsmaßnahme aufweisen. 81 Die im Hinblick auf die Aktiengesellschaft, deren Hauptversammlung kein Weisungsrecht zusteht, zu Recht geäußerte Kritik, der Aktionär könne weder vor noch nach der Ausgliederung auf die Verwendung der betroffenen Vermögensgegenstände Einfluss nehmen, 82 ist daher auf den Verein nicht ohne weiteres übertragbar.
III. Zwischenfazit Wegen der grundlegenden, sowohl die Kompetenzordnung als auch die Mitgliedschaft betreffenden Unterschiede steht die Holzmüller-Problematik beim Verein unter gänzlich anderen Vorzeichen als bei der Aktiengesellschaft. Eine Übertragung der für diese entwickelten Lösungsansätze im Wege eines ErstRecht-Schlusses kommt daher nicht in Betracht. Welche Rolle die Mitgliederversammlung im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen spielt, ist vielmehr vereinsspezifisch unter Berücksichtigung der herausgearbeiteten Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Mitgliedschaftsrechte zu bestimmen.
80 81 82
So aber tendenziell MünchKommBGB/Reuter, § 33 Rn. 21, § 34 Rn. 20. Oben I.2.b. (S. 89 f.). Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237.
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C. Vorlagepflicht des Vorstandes bei gruppenspezifischen Maßnahmen Auf Grundlage der bis hierher gewonnenen Erkenntnisse kann nunmehr im Einzelnen erörtert werden, wann im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen den Vorstand des Vereins eine Vorlagepflicht trifft. Zu diesem Zweck wird zunächst der Unterscheid zwischen zuständigkeitsbedingten und nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten dargelegt (I.), um anschließend beide Arten von Vorlagepflichten getrennt voneinander abzuhandeln (II., III.).
I. Zum Begriff der Vorlagepflicht Von einer Vorlagepflicht der Geschäftsleitung spricht man, wenn diese vor Durchführung einer geplanten Maßnahme die Entscheidung der Mitgliederversammlung einzuholen hat. 83 Mit Blick auf die Gründe von Vorlagepflichten lassen sich zwei Kategorien von Vorlagepflichten unterscheiden. Zum einen kann die Vorlagepflicht darauf beruhen, dass die zu treffende Maßnahme in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt und es dem Vorstand hiernach an einer Sachzuständigkeit fehlt. Insoweit lässt sich von einer zuständigkeitsbedingten Vorlagepflicht sprechen. Zum anderen sind Vorlagepflichten aber auch im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit denkbar um sicherzustellen, dass der Vorstand keine Maßnahmen trifft, die dem Willen der Mitgliederversammlung widersprechen. In Abgrenzung zu den zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten sollen diese nachfolgend als nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflichten bezeichnet werden. 84
II. Vorlagepflichten aufgrund Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung Eine zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht des Vorstandes besteht immer dann, wenn die geplante Maßnahme in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt. Eine solche Alleinzuständigkeit kann sich aus der Betroffenheit des Vereinszwecks (1.), der Betroffenheit des statutarischen Gegenstands der Verbandstätigkeit (2.), den Regelungen des UmwG (3.) oder der analogen Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen des § 293 Abs. 2 AktG (4.) und des § 179a AktG (5.) ergeben.
83
Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7. Verwandt wird der Begriff der Vorlagepflicht auch im Aktienrecht (BGHZ 83, 122, 132), doch kommt ihm dort mit Blick auf die im Vergleich zum Verein oder der GmbH unterschiedliche Kompetenzordnung eine andere Bedeutung zu, vgl. Martens, ZHR 147 (1983), 377, 384 ff. 84
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1. Zweckänderung (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB) In Extremfällen kann eine gruppenspezifische Maßnahme im Widerspruch zum Vereinszweck stehen und daher nur durchgeführt werden, nachdem dieser gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB mit den Stimmen sämtlicher Mitglieder geändert wurde. 85 Zu denken ist etwa an den Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand mit dem Vereinszweck unvereinbar ist, wie etwa die Beteiligung eines der Erforschung regenerativer Energiequellen verpflichteten Vereins an einer Gesellschaft, die Atomenergie produziert oder vertreibt. Ebenso könnte es problematisch sein, dass in einer Tochtergesellschaft ein Investor beteiligt wird, dessen Zielsetzung oder Betätigung in grundlegendem Widerspruch zum Vereinszweck steht. In der Praxis dürften solche Fälle indes äußerst selten sein. 86 Hinzuweisen ist in diesem Kontext darauf, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Vereinszweck und der Frage der Vereinsklassenabgrenzung besteht. Die verbreitete Behauptung, die Aufnahme einer Betätigung, die den Rahmen des auf Grundlage von § 21 BGB Erlaubten überschreitet und daher den Tatbestand der Rechtsformverfehlung erfüllt, 87 stünde im Widerspruch zur nichtwirtschaftlichen Zielsetzung des Vereins, ist unzutreffend. Auch die noch so umfangreiche wirtschaftliche Betätigung kann der Mittelbeschaffung zur Verfolgung nichtwirtschaftlicher Ziele dienen und Letzteren daher untergeordnet sein. Bei der dem Gläubigerschutz dienenden Vereinsklassenabgrenzung der §§ 21, 22 BGB ist daher richtigerweise auch nicht auf den Vereinszweck, sondern die wirtschaftliche Betätigung als solche abzustellen. 88 Im Übrigen ist zu beachten, dass das Überschreiten des im Rahmen des § 21 BGB Erlaubten durch eigene oder externe wirtschaftliche Betätigung in Tochtergesellschaften im Interesse der Gläubiger unzulässig ist und hieran auch die Zustimmung sämtlicher Mitglieder nichts zu ändern vermag. 89 2. Betroffenheit des statutarischen Gegenstandes der Vereinstätigkeit (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB) Näherliegend ist die Möglichkeit, dass eine gruppenspezifische Maßnahme mit dem in der Satzung festgeschriebenen Gegenstand der Vereinstätigkeit konfligiert und daher der Mitgliederversammlung gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 BGB zum Zwecke der Beschlussfassung über die erforderliche Satzungsänderung vorzu85
Vgl. auch Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 242 f. Diskutiert, aber im Ergebnis zu Recht verneint, wurde das Erfordernis einer Zweckänderung im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Lizenzspielerabteilungen im Profifußball, Palandt/Ellenberger, § 149 Rn. 14. 87 Siehe etwa Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 124, 154 m. w. N. 88 § 5 A. I.1. (S. 127 ff.). 89 Ausführlich zur Zurechung externer wirtschaftlicher Betätigung in § 5 (S. 124 ff.). 86
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legen ist.90 Im Einzelnen sind in diesem Zusammenhang zwei Themenkomplexe zu unterscheiden: a) Gruppenweite Geltung des Verbots gegenstandswidriger Geschäfte Erforderlich ist eine Satzungsänderung immer dann, wenn der Verein die Beteiligung an einer Gesellschaft anstrebt, deren Betätigung nicht von dem in der Vereinssatzung festgelegten Gegenstand der Vereinstätigkeit umfasst ist. Denn es ist zu Recht anerkannt, dass die durch die statutarische Gegenstandsklausel vorgegebenen Beschränkungen der Verbandstätigkeit nicht nur hinsichtlich der von einem Verband selbst ausgeführten Tätigkeiten maßgeblich sind, sondern auch für die mittelbare Betätigung in Tochtergesellschaften gelten.91 Man kann insoweit auch von der gruppenweiten Geltung des Verbots gegenstandswidriger Geschäfte sprechen. Gerechtfertigt ist die Gleichstellung der externen mit der eigenen Betätigung indes nur, wenn der Verein mit der Beteiligung strategische Interessen verfolgt. Das ist auch im Recht der Handelsgesellschaften anerkannt, wo man in diesem Zusammenhang von unternehmerischen Beteiligungen spricht.92 Dient die Beteiligung allein der Finanzanlage, genügt es unabhängig vom Unternehmensgegenstand der Beteiligungsgesellschaft, dass die Satzung des Vereins die Verwaltung von Finanzanlagen gestattet.93 b) Zum Erfordernis einer Beteiligungsklausel Eine andere Frage ist, ob die Auslagerung von Vereinsvermögen auf Tochtergesellschaften unabhängig von deren Betätigung einer statutarischen Ermächtigung deshalb bedarf, weil hiermit eine Strukturänderung verbunden ist. Sofern die Frage für den Verein erörtert wird, bejaht man die Notwendigkeit einer entsprechenden Beteiligungsklausel.94 Bezug genommen wird hierbei auf die h. M. im Kapitalgesellschaftsrecht, die ebenfalls eine entsprechende Ermächtigungsklausel verlangt.95 90 Verbreitet wird in diesem Zusammenhang auch davon gesprochen, die Maßnahme habe den Charakter einer »faktischen Satzungsänderung«, siehe u. a. Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 154; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 68. 91 OLG Hamburg ZIP 1980, 1000, 1006; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 276 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 375 f.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 60 m. w. N.; speziell zum Verein auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 154. 92 Wann eine unternehmerische Beteiligung vorliegt, ist umstritten. Während manche herrschenden Einfluss fordern (Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 381 f.; Götz, AG 1984, 85, 90; wohl auch OLG Hamburg ZIP 1980, 1000, 1006), lassen andere eine Beteiligungsquote von 25% ausreichen (Timm, ZIP 1993, 114, 118; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 422 ff.). 93 Für die AG statt vieler KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 61. 94 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 155 ff.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 242. 95 BGHZ 159, 30, 46; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 46 mit Überblick über das Meinungsspektrum.
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Zur Begründung des Erfordernisses einer Beteiligungsklausel wird meist angeführt, dass die Gesellschaft durch die Auslagerung von Vermögen auf die unmittelbare Verfolgung des Gesellschaftszwecks verzichte und in eine (Teil-) Holding umgestaltet werde.96 Schwerer als dieser eher formale Erklärungsansatz wiegt jedoch das Bestreben, die Mitglieder vor den mit der Auslagerung von Vermögen einhergehenden Gefahren zu schützen.97 Die Erwägungen sind insoweit dieselben wie sie auch im Mittelpunkt der Holzmüller-Diskussion stehen und dort zur Begründung der Ad-hoc-Zustimmungspflicht der Hauptversammlung vorgetragen werden (Mediatisierungseffekt, Gefahr durch Aufnahme Dritter).98 Daneben wird dem Aspekt des Mitgliederschutzes vereinzelt noch der des Gläubigerschutzes zur Seite gestellt. Die Gläubiger müssten anhand des Unternehmensgegenstandes erkennen können, ob das Gesellschaftsvermögen als Zugriffsobjekt unmittelbar oder wegen der strukturellen Nachrangigkeit nur geschmälert zur Verfügung steht.99 Zwingend erscheinen diese Überlegungen jedoch nicht. Bei unvoreingenommener Betrachtung spricht viel für die Annahme, dass die statutarische Gegenstandsklausel lediglich die Art der Tätigkeit, nicht aber ihre rechtliche Struktur betrifft.100 Zudem erscheint es widersprüchlich, einerseits bei der Reichweite des Unternehmensgegenstands der Obergesellschaft die Betätigung in Tochtergesellschaften zuzurechnen, andererseits aber zu leugnen, dass es sich bei den mit der Tochtergesellschaft verwirklichten Aktivitäten um eine eigene Tätigkeit der Obergesellschaft handelt.101 Überzeugen könnte die h. M. nur, wenn die ihr zu Grunde liegenden Schutzzweckerwägungen stichhaltig wären. Dies ist indes nicht der Fall. Was die Belange der Mitglieder betrifft, dürfte weitestgehend Einigkeit darüber bestehen, dass dort, wo diese gefährdet sind, das Erfordernis einer generellen Ermächtigung in der Satzung als Schutzinstrument nicht ausreicht, sondern es stattdessen einer Ad-hoc-Zuständigkeit der Haupt- bzw. Mitgliederversammlung und somit einer Einzelermächtigung bedarf.102 Daneben zusätzlich am Erfordernis einer Beteiligungsklausel- bzw. Konzernklausel festzuhalten, erscheint wenig sinnvoll. 96
Ausführlich Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 128 ff. Konkret mit Blick auf den Verein Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 156 f.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 242; für die Aktiengesellschaft statt vieler MünchKommAktG/Spindler, § 82 Rn. 39. 98 Instruktiv Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 460 ff., der darauf hinweist, dass ursprünglich das Erfordernis der Beteiligungsklausel- bzw. Konzernklausel zum Schutze der Mitglieder als ausreichend erachtet wurde und sich erst später das Nebeneinander von General- und Einzelfallermächtigung durchgesetzt hat. 99 KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 37. 100 Götz, AG 1984, 85, 90. 101 OLG Hamburg ZIP 1980, 1000, 1006 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 379. 102 Vgl. Lutter, FS Stimpel, S. 825, 847, der im Hinblick auf Konzernklauseln von einem »eher formelle[n] Schutz« spricht. 97
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Schwerer wiegt der Hinweis auf den Aspekt des Gläubigerschutzes. Da diesem durch das Erfordernis einer Ad-hoc-Zuständigkeit der Haupt- bzw. Mitgliederversammlung nicht Rechnung getragen wird, ist die darauf gestützte Argumentation im Ausgangspunkt geeignet, die zusätzliche Notwendigkeit einer Beteiligungsklausel zu begründen. Bei genauerer Betrachtung überzeugt aber auch dieser Erklärungsansatz nicht. Zwar begründet die Gruppenbildung eine strukturelle Nachrangigkeit der Forderung der Gläubiger der Obergesellschaft und ist daher unter diesem Gesichtspunkt geeignet, ihnen zum Nachteil zu gereichen.103 Umgekehrt ist aber zu berücksichtigen, dass die Gruppenbildung meist zu einer Haftungssegmentierung führt, die die Obergesellschaft vor Risiken abschirmt und auf diese Weise auch ihren Gläubigern zugute kommt. Welche Auswirkungen die Gruppenbildung auf das Ausfallrisiko tatsächlich hat, lässt sich hiernach kaum abstrakt bestimmen und bedarf vielmehr einer Berücksichtigung des Einzelfalls. Die in der Satzung enthaltene Befugnis zur Gruppenbildung entpuppt sich hiernach als eine für die Gläubiger wertlose Information. Im Übrigen wären die Gläubiger ohnehin nie davor geschützt, dass nach Begründung ihrer Forderung eine Beteiligungsklausel implementiert wird. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Mediatisierung von Vermögen des Vereins in Beteiligungen an anderen Gesellschaften keiner statutarischen Ermächtigung durch eine Beteiligungs- bzw. Konzernklausel bedarf. 3. Ausgliederung nach dem UmwG Sofern der Verein Vermögen nach den Regeln des § 123 Abs. 3 UmwG auf einen bestehenden oder zu gründenden Rechtsträger ausgliedert, folgt die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung aus den §§ 125, 103 S. 1 UmwG.104 Folglich besteht insoweit auch eine zuständigkeitsbedingte Vorlagepfl icht des Vorstandes. Für andere Umwandlungsmaßnahmen, die sich auf Ebene von Tochter- oder Enkelgesellschaften abspielen und an denen der Verein nicht unmittelbar beteiligt ist, lässt sich dem UmwG eine Zuständigkeit der Mitgliederversammlung demgegenüber nicht entnehmen.
103 Ausführlich zu den Auswirkungen der Ausgliederung auf die Vereinsgläubiger in § 5 C.II.1. (S. 151 ff.). 104 Zur Ausgliederung durch einen Verein auf Grundlage des UmwG Wagner, NZG 1999, 469, 474 f.; Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 53 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.
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4. Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 293 Abs. 2 AktG analog) Bezüglich des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags kommt eine Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung analog § 293 Abs. 2 AktG in Betracht. Diskutiert wird die Analogiefähigkeit von § 293 Abs. 2 AktG vor allem im Hinblick auf die GmbH.105 Im Mittelpunkt steht hierbei die Kontroverse um den Schutzzweck der Vorschrift. Eine Mindermeinung vertritt den Standpunkt, die Regelung des § 293 Abs. 2 AktG beruhe auf der gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1, 2 AktG in Betracht kommenden Verpflichtung, die außenstehenden Aktionäre mit eigenen Aktien der Obergesellschaft abzufinden. Da die hierfür erforderlichen Aktien zumeist nur unter Mitwirkung der Aktionäre der Obergesellschaft aufgebracht werden könnten (Kapitalerhöhung), seien deren Interessen in besonderer Weise betroffen. Weil aber eine Verpflichtung zur Abfindung in Aktien ausscheide, wenn es sich bei der Obergesellschaft um keine Aktiengesellschaft handelt, komme eine analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG auf andere Rechtsformen nicht in Betracht.106 Nach h. M. handelt es sich demgegenüber bei der möglichen Verpflichtung zur Abfindung in eigenen Aktien nur um einen von mehreren Gesichtspunkten. Grund des Zustimmungserfordernisses seien auch die mit dem Vertragsschluss einhergehenden Verpflichtungen aus den §§ 302, 303 AktG, welche die Obergesellschaft unabhängig von ihrer Rechtsform treffen. Eine analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG auf andere Rechtsformen, insbesondere die GmbH, wird daher für möglich und auch geboten gehalten.107 Die Regierungsbegründung bestätigt die h. M., indem sie zur Begründung des Zustimmungserfordernisses ausdrücklich auf die Pflichten zum Verlustausgleich und zur Sicherheitenbestellung rekurriert. Zwar ist zuzugeben, dass die Ausführungen im Widerspruch zu den Materialien der (gescheiterten) GmbHReform von 1972 stehen, wonach der Schutzzweck des § 293 Abs. 2 AktG auf die Problematik der Abfindung in eigenen Aktien beschränkt sei.108 Diesen den Vorzug vor der Begründung des AktG zu geben, würde indes ersichtlich zu weit führen.109 Unterstützt wird dies durch die Überlegung, dass die Zustimmungspflicht auch bei Aktiengesellschaften eingreift, für die mangels außenste105 Siehe umfangreiche Darstellung des Streitsstandes bei MünchKommAktG/Altmeppen, § 293 Rn. 98; vgl. auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 181 ff. 106 Sonnenschein, BB 1975, 1088, 1092; Flume, DB 1989, 665, 667 f.; MünchKommAktG/ Altmeppen, § 293 Rn. 102 ff. m. w. N. 107 BGHZ 105, 324, 333 f.; BGH NJW 1992, 1452, 1453, jeweils m. umf. Nachweisen der Literatur. 108 BR-Dr.100/60 a, 3. Wahlperiode, S. 119; hierauf verweisend Flume, DB 1989, 665, 667; MünchKommAktG/Altmeppen, § 293 Rn. 104. 109 Vgl. auch KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 293 Rn. 40 Fn. 127, der den Verweis auf Materialien der GmbH-Reform als »nicht haltbar« bezeichnet.
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hender Aktionäre keine entsprechende Abfindungsverpflichtung besteht. Angesichts der speziell auf die eingliedrige Aktiengesellschaft zugeschnittenen Regelungen der §§ 304 Abs. 1 S. 3, 307 AktG verbietet es sich, insoweit dem Gesetzgeber ein Versehen zu unterstellen.110 In Übereinstimmung mit den vereinzelten Stimmen in der Literatur ist daher davon auszugehen, dass der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags durch einen Verein in der Rolle der Obergesellschaft analog § 293 Abs. 2 AktG der Zustimmung der Mitgliederversammlung bedarf.111 Im Vorgriff auf die Ausführungen in den nachfolgenden Kapiteln ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die praktische Bedeutung der Zustimmungspflicht analog § 293 Abs. 2 AktG gering sein dürfte, da der Abschluss eines Unternehmensvertrags nur mit Gesellschaften in Betracht kommt, die sich wirtschaftlich betätigen,112 hierbei aber dazu führt, dass sich der Verein diese wirtschaftliche Betätigung im Rahmen der §§ 21, 22 BGB zurechnen lassen muss.113 Sofern nicht ausnahmsweise das Nebentätigkeitsprivileg eingreift,114 ist der Abschluss des Unternehmensvertrags daher unter dem Gesichtspunkt der Rechtsformverfehlung unzulässig. 5. Gesamtvermögensübertragung (§ 179a AktG analog) Umfasst eine gruppenspezifische Maßnahme die Übertragung des (nahezu) gesamten Vereinsvermögens, stellt sich die Frage, ob hierauf § 179a AktG analog anzuwenden ist.115 Denkbar ist eine solche Gesamtvermögensübertragung sowohl im Sinne eines rein gruppeninternen Vorgangs wie insbesondere der Ausgliederung auf eine Tochtergesellschaft als auch im Zusammenhang mit der Beteiligungsveräußerung. a) Meinungsstand zum Schutzzweck des § 179a AktG Ein ausdifferenziertes Meinungsbild zum Schutzzweck des § 179a AktG ist kaum auszumachen. In der Literatur überwiegt wohl die Auffassung, die Vorschrift diene gleichermaßen den Vermögensinteressen der Aktionäre als auch dem Schutz ihrer Dispositionsfreiheit. Die Gefährdung der Vermögensinteressen wird hierbei aus der Möglichkeit abgeleitet, dass das Vermögen zu unangemessenen Bedingungen (in der Regel an einen Mehrheitsaktionär) veräußert 110
Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 296; dies aufgreifend BGH NJW 1992, 1452,
1453. 111 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 243 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 18. 112 § 6 B. I.2. bzw. 4. (S. 200 ff., 204 ff.). 113 § 5 C.II.2.b.(2) (S. 152 f.). 114 Zum Nebentätigkeitsprivileg § 5 E. (S. 169). 115 Die Möglichkeit der Übertragung des gesamten Vereinsvermögens auf Grundlage des UmwG steht dem eingetragenen Verein nicht offen (vgl. § 175 UmwG).
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wird.116 Mit dem Topos der Dispositionsfreiheit nimmt man Bezug auf die zur Vorgängernorm des § 361 AktG a. F. ergangene Entscheidung des BGH in der Sache Hoesch-Hoogovens, in der dieser den Normzweck darin gesehen hat, die Aktionäre vor einer ungewollten Preisgabe des Gesellschaftsvermögens als der Grundlage unternehmerischer Tätigkeit zu bewahren.117 Die Gegenposition von Mülbert hält demgegenüber alleine den Aspekt des Vermögensschutzes für maßgeblich.118 Dies folge daraus, dass die Ausgangsregelung des § 303 HGB 1897 auf Liquidationsfälle zugeschnitten gewesen sei und Probleme, die mit dem Verlust bzw. der Notwendigkeit eines Neuaufbaus des Unternehmens verbunden sein können, insoweit von vornherein keine Bedeutung gehabt hätten.119 Entsprechendes sei auch bei der Auslegung des heutigen § 179a AktG zu berücksichtigen, mit dem der Gesetzgeber nicht über den Schutzzweck der Vorgängerregelungen habe hinausgehen wollen. Die Ergebnisrelevanz dieses rein auf den Vermögensschutz abstellenden Ansatzes zeigt sich bei der Vermögensübertragung auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft, die Mülbert im Gegensatz zur h. M. als nicht von § 179a AktG erfasst ansieht.120 b) Meinungsstand zur Analogiefähigkeit des § 179a AktG Bezüglich der GmbH und der Personengesellschaft wird die analoge Anwendbarkeit des § 179a AktG ganz überwiegend bejaht.121 K. Schmidt bezeichnet § 179a AktG gar als Bestandteil des allgemeinen Verbandsrechts, der daher auch für die Organe anderer Gesellschaften als der Aktiengesellschaft gelte.122 Ob er hierbei auch den Verein im Blick hat, ist nicht ganz klar, liegt aufgrund seines institutionenbildenden Ansatzes aber nahe. Konkret mit Blick auf den Verein wird die analoge Anwendbarkeit des § 179a AktG bisher einzig von Lettl thematisiert, der insoweit eine differenzierende Position einnimmt.123 Zwar sei der Rechtsgedanke, im Fall grundlegender Entscheidungen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung sicherzustellen, prinzipiell auf den Verein übertragbar. Als unpassend erweise sich jedoch das qualifizierte Mehrheitserfordernis. Denn beim Verein bestehe nicht die Gefahr der 116
MünchKommAktG/Stein, § 179a Rn. 6 f.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 179a
Rn. 2. 117
BGHZ 82, 188, 195 f.; aufgenommen in BGHZ 83, 122, 128. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 174 ff.; wohl auch Hüffer, AktG, § 179a Rn. 1 (»im wesentlichen«). 119 Hierbei nimmt Mülbert insbesondere auf die Argumentation von Timm, AG 1980, 172, 175 Bezug, wonach § 361 a. F. AktG vor dem Risiko schützen soll, das damit verbunden ist, im Anschluss an die Veräußerung aus Finanzmitteln wieder ein Unternehmen aufzubauen (»Gründungsrisiko«). 120 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 420 f. 121 Für die GmbH statt vieler Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 177 m. w. N., für die Personengesellschaft BGH NJW 1995, 596.; kritisch dazu Hadding, FS Lutter, S. 851 ff. m. w. N. 122 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 4 b (S. 367), § 30 V 2 c (S. 929). 123 Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199 f. 118
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Beherrschung durch einen Mehrheitsgesellschafter und daher sei auch nicht zu befürchten, dass sich ein solcher das Vereinsvermögen zu unangemessenen Bedingungen übertragen lasse. Im Übrigen passe die Flexibilität des inneren Vereinsrechts, welche sich sogar auf die Regeln über die Satzungsänderung erstrecke, nicht zu der »starren Regelung des § 179 Abs. 2 S. 2 AktG, zu der § 179a Abs. 1 S. 2 AktG in materieller Bewertungseinheit steht.« Sodann gelangt Lettl zu dem Ergebnis, die Gesamtvermögensübertragung bedürfe beim Verein der Zustimmung der einfachen Mehrheit der Mitgliederversammlung. Ob er dieses Erfordernis auf eine Analogie zu § 179a AktG stützt, bleibt im Dunkeln. c) Stellungnahme Schlüssel zum richtigen Verständnis des § 179a AktG ist dessen Verhältnis zu § 179 AktG bzw. die Frage nach der Berechtigung von § 179a AktG neben § 179 AktG.124 Insoweit gilt es zu bedenken, dass der Vorgang der Gesamtveräußerung regelmäßig dazu führt, dass die Gesellschaft ihren Unternehmensgegenstand nicht mehr auszufüllen vermag und daher ohnehin unter dem Gesichtspunkt der so genannten faktischen Satzungsänderung ein qualifiziertes Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung aus § 179 AktG besteht. Dass auch der Gesetzgeber diese Nähe gesehen hat, zeigt ohne weiteres die Formulierung des § 179a Abs. 1 S. 1 AktG, wonach das Zustimmungserfordernis auch besteht, wenn die Gesamtvermögensveräußerung keine Satzungsänderung erfordert. Zur Erklärung des angesprochenen Konkurrenzverhältnisses erscheinen zwei Ansätze denkbar, die sich auch in dem zuvor geschilderten Meinungsspektrum widerspiegeln: Zum einen kann § 179a AktG seine Existenzberechtigung daraus beziehen, dass er in seiner Wirkung über die des § 179 AktG hinausgeht. Dies gilt zumindest auf Grundlage der h. M., wonach die fehlende Zustimmung im Fall des § 179a AktG anders als bei der Satzungsänderung Außenwirkung haben soll. 125 Hiernach wäre der Schutzzweck der Vorschrift darin zu sehen, qualifizierte Fälle der Änderung des Unternehmensgegenstandes einer gegenüber § 179 AktG verschärften Rechtsfolge zu unterwerfen.126 Die Besonderheit der Gesamtvermögensübertragung gegenüber anderen den Unternehmensgegenstand betreffenden Vorgängen kann man insoweit darin sehen, dass diese den Unternehmensgegenstand nicht lediglich ändert, sondern der Gesellschaft in Form des bisherigen Gesellschaftsvermögens die Grundlage ihrer satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit entzogen wird.127 Hierzu passt es, wenn § 179a AktG 124 125 126 127
195 f.
Dazu auch MünchKommAktG/Stein, § 179a Rn. 45 f. Statt vieler MünchKommAktG/Stein, § 179a Rn. 40 m. w. N. In diesem Sinn K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 179a Rn. 8. BGHZ 83, 122, 128 (zur Vorgängernorm des § 361 AktG); zuvor bereits BGHZ 82, 188,
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nicht allein anhand quantitativer Kriterien interpretiert, sondern darauf abgestellt wird, ob die übertragende Gesellschaft noch in der Lage ist, mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand selbstständig weiterzuverfolgen.128 Der Wortlaut des § 179a Abs. 1 S. 1 AktG, wonach die Vorschrift auch jenseits der Fälle der Satzungsänderung Anwendung finden soll, weist indes in eine andere Richtung. Dem Gesetzgeber ging es ersichtlich nicht darum, die Rechtsfolgen der faktischen Satzungsänderung zu verschärfen, sondern eine Zustimmungspflicht auch in Konstellationen zu begründen, die von den Regelungen über die Satzungsänderung nicht abgedeckt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wonach Fälle erfasst werden sollten, in denen die Satzung »einen solchen Veräußerungsvorgang bereits abdeckt.«129 Gemeint ist hiermit offensichtlich, dass der durch die Gesamtvermögensveräußerung erzielte Zustand, in dem die Gesellschaft zumindest zeitweise ausschließlich eigenes Vermögen verwaltet, bereits vom Unternehmensgegenstand erfasst ist. Soll die Hauptversammlung aber einem Vorgang zustimmen, dessen Auswirkungen auf den Unternehmensgegenstand sie bereits generell gebilligt hat, kann der Zweck des Zustimmungserfordernisses nur darin bestehen, den Vorgang der Vermögensveräußerung, d. h. die konkreten Vertragsbedingungen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Auswirkungen auf das Gesellschaftsvermögen der Kontrolle durch die Aktionäre zu unterwerfen.130 In diese Richtung weisen auch die in § 179a Abs. 2 AktG vorgesehenen Informationsrechte, die mit der auf den Unternehmensgegenstand abstellenden rechtsfolgenorientierten Erklärung nicht recht in Einklang zu bringen sind. Sprechen hiernach die besseren Gründe für die Annahme, dass § 179a AktG dem Schutz vor Vermögensverkürzungen dient, stellt sich allenfalls die Frage, ob der rechtsfolgenorientierte Erklärungsansatz gegebenenfalls kumulativ in Betracht zu ziehen ist. Eine solche Sichtweise entspräche dem zweispurigen Ansatz der h.L. Sie ist jedoch abzulehnen. Zwar ist zuzugeben, dass sich die beiden Erklärungsmuster nicht gegenseitig ausschließen und ihr Nebeneinander von der h.L. auch insoweit konsequent umgesetzt wird, als sie den Tatbestand der Gesamtvermögensübertragung wahlweise anhand einer auf den Unternehmensgegenstand abstellenden qualitativen oder einer quantitativen Betrachtungsweise ermittelt. Gleichwohl überwiegt aber der Eindruck, dass es sich bei der Kombination zweier in keinerlei Zusammenhang stehender Schutzzwecke letztlich um eine Verlegenheitslösung handelt. Entscheidend gegen die auf den Unternehmensgegenstand abstellende rechtsfolgenorientierte Erklä-
128 129 130
BGHZ 83, 122, 128. BT-Drucks. 12/6699, S. 177. Vgl. auch MünchKommAktG/Stein, § 179a Rn. 46.
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rung spricht, dass diese weder im Normtext noch in der Gesetzesbegründung einen Niederschlag gefunden hat. Beschränkt sich hiernach der Schutzzweck des § 179a AktG darauf, den die Gesamtvermögensübertragung betreffenden Verpflichtungsvertrag zur Wahrung der Integrität des Verbandsvermögens der Kontrolle durch die Aktionäre zu unterstellen, scheidet eine analoge Anwendung auf den Verein aus. Denn der Schutz vor Vermögensverkürzungen ist in erster Linie für die Vermögensrechte von Bedeutung, welche aber beim Verein typischerweise keine Rolle spielen. Zwar kommt dem Vereinsvermögen auch als Substrat mitgliedschaftsrechtlicher Herrschaftsrechte Bedeutung zu. Insoweit sind die Mitglieder jedoch ausreichend durch die organschaftlichen Sorgfaltspflichten des Vorstandes sowie die nachfolgend zu behandelnde nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht, die bei entsprechenden Vorgängen stets eingreifen wird, geschützt.131
III. Begründung und Reichweite einer nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflicht 1. Notwendigkeit einer nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepfl icht Mit Blick auf die zum Teil erheblichen Auswirkungen gruppenspezifischer Maßnahmen auf die Rechte der Vereinsmitglieder, vermag es kaum zu befriedigen, dass die Mitwirkung der Mitgliederversammlung nur in Ausnahmefällen gewährleistet ist. Es stellt sich insoweit die Frage, inwieweit jenseits der Fälle, in denen eine Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung angeordnet ist, deren Mitwirkung sichergestellt werden kann. Anders als im Aktienrecht leitet dies indes nicht über zur Frage nach einer ungeschriebenen Mitgliederversammlungszuständigkeit. Denn aufgrund ihres Weisungsrechts ist es der Mitgliederversammlung prinzipiell jederzeit möglich, auch im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit die Sachentscheidung an sich zu ziehen und somit jede Art von gruppenspezifischen Maßnahmen durch einen entsprechenden Beschluss zu verhindern. Die Problematik besteht vielmehr darin, dass die Mitgliederversammlung als Organ in ihrer tatsächlichen Handlungsfähigkeit dem Vorstand unterlegen ist und daher ihre Kompetenzen im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit faktisch leerzulaufen drohen. Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass ordentliche Mitgliederversammlungen meist nur im Jahresturnus stattfinden.132 Dem Vorstand ist es hiernach prinzipiell ohne weiteres möglich, der Entscheidungsfindung der Mitglieder durch die Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen. Die in § 37 Abs. 1 BGB vor131 Die Gesamtvermögensübertragung stellt aufgrund der mit ihr verbundenen faktischen Umformung der Herrschaftsrechte stets eine relevante Drittbeteiligungsmaßnahme dar (unten III.3.b.(2) = S. 114 ff.). 132 Vgl. näher Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 199 ff.
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gesehene Möglichkeit der Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erweist sich demgegenüber als wenig effektiv. Bei Publikumsvereinen macht bereits das insoweit maßgebliche Quorum von 10% die Einberufung praktisch unmöglich.133 Vor allem aber stellt das Einberufungsrecht auch deshalb keine wirksame Vorstandkontrolle sicher, weil seine Wahrnehmung voraussetzt, dass die Mitglieder von der infrage stehenden Maßnahme überhaupt früh genug Kenntnis erlangen. Dies ist im Vereinsrecht, das keine individuellen Informationsrechte außerhalb der Mitgliederversammlung kennt, nicht gewährleistet.134 Im Ergebnis kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein faktisches Leerlaufen der Befugnisse der Mitgliederversammlung angesichts ihrer vom Gesetzgeber vorgesehenen Rolle als oberstes Organ nicht hingenommen werden kann. In prinzipieller Übereinstimmung mit vereinzelten Stimmen in der vereinsrechtlichen Literatur135 sowie in Parallele zur einhelligen Auffassung im GmbHrechtlichen Schrifttum136 ist deshalb davon auszugehen, dass der Vorstand auch im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit verpflichtet sein kann, Einzelmaßnahmen der Mitgliederversammlung vorzulegen, um deren Entscheidung hierüber zu ermöglichen. Fraglich kann allein sein, woraus sich eine solche Vorlagepflicht dogmatisch ableiten lässt und welche Reichweite man ihr im Einzelnen beimisst. Beiden Aspekten ist im Folgenden nachzugehen. 2. Dogmatische Herleitung a) Herkömmliche Erklärungsansätze Segna stellt zur Ableitung einer Vorlagepflicht des Vorstandes gegenüber der Mitgliederversammlung auf die Regelung des § 36, 2. Alt BGB ab, wonach die Mitgliederversammlung einzuberufen ist, wenn das Interesse des Vereins dieses erfordert.137 Er bezieht sich hierbei auf die herrschende Auffassung im Recht der GmbH, die dort zur Begründung einer entsprechenden Vorlagepflicht der Geschäftsführung auf die im Wesentlichen gleich lautende Vorschrift des § 49 Abs. 2 GmbHG rekurriert.138 Dies wiederum basiert auf der Annahme, die 133
Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 227. Im Einzelnen in § 9 (S. 233 ff.). 135 Segna, NZG 2002, 1048S. 131 ff.; Soergel/Hadding, § 36 Rn. 4; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 158; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1257. 136 Monographisch Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 107 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 137 Ausführlich Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 131 ff.; ebenso Soergel/ Hadding, § 36 Rn. 4; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 158. 138 BGH NJW 1973, 1039; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rn. 18 ff.; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 90 ff.; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10, § 79 Rn. 11; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 9; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 12; Zöllner/Noack in: 134
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Norm diene zumindest auch der Wahrung der Interessen der Gesellschafter. Konkret gehe es darum, das Überwachungsrecht der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung zu stärken.139 Bei näherer Betrachtung vermag eine solche Ableitung jedoch nicht zu überzeugen.140 Sie missachtet, dass § 49 Abs. 2 GmbHG (entsprechendes gilt für § 36 2. Alt. BGB) nicht vom Interesse der Gesellschafter, sondern dem der Gesellschaft spricht.141 Aus dem Gesellschaftsinteresse abzuleiten wäre eine Pflicht zur Einbeziehung der Gesellschafter nur insoweit, als man ihnen grundsätzlich eine größere Sachkompetenz als den Geschäftsführern zuschreiben würde, welche es gilt, der Gesellschaft zugänglich zu machen. Das ist indes kaum anzunehmen. Nicht zu überzeugen vermag auch der Versuch, den Unterschied von Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse mit der Behauptung zu überspielen, grundlegende Maßnahmen, die in die Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Gesellschafter eingreifen, würden stets auch in besonderer Weise das Wohl bzw. Interesse der Gesellschaft berühren.142 Unabhängig davon, ob eine solche Annahme zutrifft, setzt sich auch diese Argumentation über den Wortlaut der Vorschriften hinweg. Denn dieser stellt nicht allein darauf ab, ob die Maßnahme als solche von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft ist, sondern verlangt, dass die Beteiligung der Mitgliederversammlung im Gesellschaftsinteresse erforderlich ist. Auch Maßnahmen von großer Bedeutung für das Wohl der Gesellschaft begründen hiernach keine Vorlagepflicht, sofern eine Involvierung der Gesellschaftervertretung entbehrlich ist. Als zutreffend erweist sich hiernach allein das Verständnis, wonach die §§ 49 Abs. 2 GmbHG, 36 2. Alt. BGB eine Mitwirkungspflicht der Mitgliedervertretung voraussetzen, nicht aber begründen.143 Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11; mit gewissen Modifikationen auch Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 129 ff. Vgl. auch Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 8, die von einer Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung für die Festlegung der Unternehmenspolitik ausgehen und dies auf § 49 Abs. 2 GmbHG stützen. 139 Ausdrücklich Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rn. 18, 20; siehe auch Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 129 ff., 152 ff. 140 Skepsis erzeugt bereits, dass die nahezu gleich lautende Vorschrift des § 121 2. Alt. AktG im Zusammenhang mit der Begründung der aktienrechtlichen »Holzmüller-Zuständigkeit« keine nennenswerte Rolle gespielt hat. Die vereinzelten Versuche, die Regelung in diesem Zusammenhang als Induktionsbasis zu nutzen (Geßler, FS Stimpel, S. 771, 776 ff.; Warschkow, Schutz der Aktionäre der Konzernobergesellschaft, S. 57 ff.), sind in der Literatur auf Ablehnung gestoßen (Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 173 ff.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 423; GroßKommAktG/Mülbert, § 119 Rn. 21 Fn. 24) und wurden auch vom BGH nicht aufgegriffen. 141 Gleichlautend im Hinblick auf § 121 2. Alt. AktG Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 80; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 806 f. 142 Sinngemäß Geßler, FS Stimpel, S. 771, 778. 143 In diesem Sinn Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 49 Rn. 13; wohl auch Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 17 (anders allerdings Zöllner/Noack in: Baumbach/
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Vereinzelt ist im Recht der Kapitalgesellschaften versucht worden, eine Pflicht zur Vorlage ungewöhnlicher Maßnahmen mit den Regelungen des Auftragsrechts zu begründen.144 Die Geschäftsleiter stünden zur Gesellschaft wie ein Geschäftsbesorger, welcher gemäß § 665 BGB den Weisungen des Auftraggebers unterworfen sei. Der Inhalt der Weisung werde zwar primär durch den Unternehmensgegenstand geprägt, doch bedeute dies nicht, dass jegliche Geschäftsführung im Rahmen des Unternehmensgegenstandes weisungsgemäß sei. Unübliche Maßnahmen seien vielmehr von der generellen Weisung nicht erfasst und bedürften daher der gesonderten Zustimmung. Die Übertragung dieser Überlegungen auf den Verein ist zwar insofern naheliegend, als dort die Regelungen des Auftragsrechts kraft ausdrücklicher Verweisung Anwendung finden (§ 27 Abs. 3 BGB). Inhaltlich vermag sie jedoch nicht zu überzeugen.145 Die Behauptung, der Auftraggeber sei bei der Erledigung des Auftrags auf gewöhnliche Maßnahmen beschränkt, entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Die Interessen des Auftraggebers werden im Auftragsrecht durch den vereinbarten Vertragsinhalt sowie das Weisungsrecht gewahrt.146 Im Fall komplexer Angelegenheiten, bei welchen der Auftraggeber nicht alle Einzelheiten festlegen kann, wird dem Beauftragten zugebilligt, nach eigenem Ermessen zu handeln.147 Eine Anzeige- und Wartepflicht ist vielmehr nur für den Fall vorgesehen, dass der Beauftragte von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen gedenkt (§ 665 S. 2 BGB). Die vorliegend relevante Problematik, dass das Weisungsrecht aufgrund der Schwierigkeiten der zu seiner Ausübung erforderlichen Willensbildung leerzulaufen droht, hat im Auftragsrecht keinen Niederschlag gefunden. b) Ableitung aus dem Weisungsrecht Vorzugswürdig erscheint es nach alledem, die Vorlagepflicht des Vorstandes im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit unmittelbar aus dem Weisungsrecht der Mitgliederversammlung abzuleiten. Dessen Existenz und die damit verbundene Anerkennung der Mitgliederversammlung als oberstes Vereinsorgan deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber implizit vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die effektive Ausübung des Weisungsrechts ausgegangen ist. Dass dem tatsächlich nicht der Fall ist, erweist sich insoweit als planwidrig. Um zu verhindern, dass die vom Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung, Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11). Dass eine entsprechende Verpfl ichtung zur Einberufung der Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung bereits aus der organschaftlichen Sorgfaltspflicht des Geschäftsleiters folgt und die Regelungen hiernach rein deklaratorischen Charakter haben, steht dieser durch den Wortlaut vorgegebenen Interpretation nicht entgegen (Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 116). 144 Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, S. 344 ff. 145 Ablehnend auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 136. 146 Vgl. MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rn. 42. 147 MünchKommBGB/Seiler, § 665 Rn. 15.
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wonach im Verein wesentliche Entscheidungen nicht gegen den Willen der Mitgliederversammlung getroffen werden können, verfehlt wird, ist es daher erforderlich, im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit rechtsfortbildend eine Vorlagepflicht anzuerkennen, welche das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung effektuiert. 3. Umfang der Vorlagepfl icht a) Mutmaßlicher Wille als maßgebliches Kriterium Im vereinsrechtlichen und GmbH-rechtlichen Schrifttum finden sich unterschiedliche Ansätze zur Konkretisierung des Umfangs der Vorlagepflicht. Vielfach wird darauf abgestellt, ob es sich um eine Angelegenheit handelt, die für die Gesellschaft bzw. den Verein von besonders großer Bedeutung ist.148 Andere lassen demgegenüber den ungewöhnlichen Charakter einer Maßnahme genügen und plädieren in diesem Zusammenhang für eine Anlehnung an die Maßstäbe des § 116 Abs. 1 HGB.149 Segna hält den mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung für maßgeblich und bejaht daher eine Vorlagepflicht, wenn der Vorstand »ernsthaft an der Billigung einer Maßnahme durch die Mitglieder oder daran zweifeln muss, dass ihm die Angelegenheit zu selbstständigen Durchführung überlassen bleiben soll.«150 Der mutmaßliche Wille der Gesellschafterversammlung spielt auch im GmbH-rechtlichen Schrifttum eine Rolle, doch handelt es sich insoweit regelmäßig nur um einen unter mehreren Gesichtspunkten.151 Weder das Abstellen auf die besondere Bedeutung einer Maßnahme für den Verband noch auf den außergewöhnlichen Charakter vermögen zu überzeugen. Ersterer Ansatz ist geprägt durch die Ableitung aus den §§ 36 2. Alt. BGB, 49 S. 2 GmbHG und stellt hiernach zu Unrecht das Verbandsinteresse statt des Mitgliederinteresses in den Mittelpunkt. Das Kriterium der Ungewöhnlichkeit hat zwar den Vorteil, dass bei seiner Auslegung auf die persongesellschaftsrechtliche Kasuistik zur Auslegung der §§ 116 Abs. 1, 164 HGB zurückgegriffen werden kann. Bei näherer Betrachtung erweist es sich indes als zu eng.152 Mit Blick auf die Zuständigkeitsordnung der GmbH wurde zutreffend eingewandt,
148 Soergel/Hadding, § 36 Rn. 4 (entscheidende Beeinflussung der künftigen Entwicklung des Vereins); Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 185 (besonders große Bedeutung für den Verein); Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1257 (ungewöhnliche und für den Verein wichtige Maßnahme); für die GmbH siehe etwa Scholz/ U. H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 12 ff.; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 9. 149 Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 123; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 11. 150 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 139. 151 GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 10; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 10; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 91 f. 152 Ebenso Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 135 f.
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ein derart restriktives Verständnis der Handlungsfreiheit der Geschäftsführung stünde im Widerspruch dazu, dass für die Geschäftsführer der GmbH anders als bei den Personengesellschaften das Prinzip der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis gilt.153 Diese Erwägung lässt sich auf den Verein übertragen, für den § 28 BGB zwar keine Gesamt-, aber immerhin Mehrheitsgeschäftsführung vorsieht. Ebenso auf den Verein übertragbar ist der Einwand, die Regelung des § 116 Abs. 1 HGB stehe im Zusammenhang mit der persönlichen Haftung der Gesellschafter, welcher die Gesellschafter der GmbH gerade nicht ausgesetzt sind.154 Unter Berücksichtigung der Ableitung der Vorlagepflicht aus dem Weisungsrecht erscheint es allein konsequent, den mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung als Anknüpfungspunkt zu wählen. Eine Vorlagepflicht besteht hiernach, wenn zu erwarten ist, dass diese eine Entscheidung durch Ausübung ihres Weisungsrechts selbst treffen will und hierfür auf die Gewährung einer entsprechenden Gelegenheit angewiesen ist. Der mutmaßliche Wille ist dabei typisierend anhand der objektiven Auswirkungen der infrage stehenden Maßnahme auf das einzelne Mitglied zu ermitteln.155 b) Konkretisierung für den Bereich gruppenspezifi scher Maßnahmen Im Hinblick auf die vorliegend infrage stehenden gruppenspezifischen Maßnahmen ist von einem Entscheidungswillen der Mitgliederversammlung auszugehen, wenn die geplante Maßnahme in signifikanter Weise zu einer faktischen Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Mitglieder führt. Umgekehrt ist ohne das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung eine Vorlagepflicht auch dann zu verneinen, wenn eine Maßnahme die Grenzen des Gewöhnlichen überschreitet. Entsprechend der obigen Kategorisierung156 ist hierbei zwischen Ausgliederungs-, Drittbeteiligungs- und Risikomaßnahmen zu differenzieren. (1) Ausgliederungsmaßnahmen Im Hinblick auf die Qualität des mit Ausgliederungsmaßnahmen verbundenen Mediatisierungseffekts ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Mitgliedschaftsrechte stets nur eine mediatisierte Berechtigung an den Gegenständen des Verbandsvermögens gewähren. Ob die durch die infrage stehende Ausgliederungsmaßnahme bewirkte zusätzliche Mediatisierung die erforderliche Signifikanz erreicht, ist anhand ihrer Relation zum bisherigen Mediatisierungs153 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7; GroßKommGmbHG/ Paefgen, § 37 Rn. 9; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 123. 154 Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 123. 155 Die Frage, ob der mutmaßliche Wille einer Minderheit genügt (in diesem Sinn OLG Frankfurt GmbHR 1989, 255; gegenteilig GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 10; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 10), stellt sich insoweit von vornherein nicht. 156 B. I.1.b. (S. 86 f.).
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grad zu bestimmen. Wie bereits erwähnt, spielen in diesem Zusammenhang sowohl die Verfassung der Ober- als auch die der Untergesellschaft eine Rolle. Von einem in qualitativer Hinsicht signifikanten Mediatisierungseffekt ist hiernach grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn die Mitgliedschaft in der Obergesellschaft aufgrund des der Mitgliederversammlung zustehenden Weisungsrechts wesentliche Einflussmöglichkeiten gewährt, welche dadurch gemindert werden, dass die Ausgliederung in eine Gesellschaft erfolgt, deren Geschäftsleitung gegenüber der Mitgliedervertretung der Untergesellschaft weisungsunabhängig ist. Diese Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn ein Verein mit gesetzlicher Zuständigkeitsordnung Vermögen in die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft im Wege der Ausgründung, des Beteiligungserwerbs etc. transformiert. Gleiches gilt, wenn es sich statt einer Aktiengesellschaft um eine GmbH handelt, deren Geschäftsführung nach dem Vorbild des AktG die Geschäfte in eigener Verantwortung leitet.157 Wird demgegenüber Vermögen in eine Beteiligung an einer normtypischen GmbH umgewandelt, fehlt es an der qualitativen Signifikanz des Mediatisierungseffekts. Da die Gesellschafterversammlung der GmbH deren Geschäftsführung gegenüber weisungsberechtigt ist, bleibt die Mitgliederversammlung des Vereins über eine »Weisungskette« weiterhin in der Lage, erheblichen Einfluss auf das betroffene Vermögen zu nehmen.158 Umgekehrt ist ein qualifizierter Mediatisierungseffekt auch dann zu verneinen, wenn das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung beim Verein aufgrund einer vom Normalstatut abweichenden Satzungsbestimmung ausgeschlossen ist. Denn dies bedeutet, dass die Vereinsmitglieder auch hinsichtlich des unmittelbar dem Verein zugeordneten Vermögens über keinen maßgeblichen Einfluss verfügen und die durch die Ausgliederung bewirkte zusätzliche Mediatisierung daher nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Da Vereinsmitglieder typischerweise nicht gewinnberechtigt sind, lässt sich die Signifikanz des Mediatisierungseffekts insoweit auch nicht dadurch begründen, dass der Verwaltung infolge der Ausgliederung zusätzliche Thesaurierungsmöglichkeiten eröffnet werden. Ebenso wenig überzeugt es, die Signifikanz in Anlehnung an die Argumentation des BGH in der Holzmüller-Entscheidung damit zu begründen, dass die Ausgliederung die Möglichkeit der Drittbeteiligung auf Ebene der Tochtergesellschaft ermöglicht.159 Denn insoweit genügt es, wenn die 157 Konsequenterweise bedarf es der Vorlage auch dann, wenn der Vereinsvorstand zu einem späteren Zeitpunkt beabsichtigt, das Weisungsrecht in der Untergesellschaft im Wege der Satzungsänderung oder durch Formwechsel zu beseitigen. 158 Oben B.I.2.b (S. 89 f.). Mit den gleichen Erwägungen verneinen auch GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 9; Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 eine Mitwirkungspflicht der Gesellschafterversammlung der GmbH, wenn diese (ohne Beteiligung Dritter) Vermögen auf eine andere GmbH ausgliedert. 159 BGHZ 83, 122, 142; zuvor schon Lutter, FS H. Westermann, S. 347, 359.
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Mitgliederversammlung die Gelegenheit erhält, später über die Drittbeteiligung zu entscheiden. Dem Verein mit weisungsungebundenem Vorstand gleichzustellen ist der Fall, dass die Willensbildung statt in einer Mitglieder- in einer Delegiertenversammlung stattfindet.160 Denn auch eine solche Repräsentativverfassung führt dazu, dass das einzelne Mitgliedschaftsrecht im Vergleich zur normtypischen Mitgliedschaft wesentlich stärker mediatisiert ist (als Organträger des Vereins sind die Delegierten nicht an die Weisungen der sie wählenden Mitglieder gebunden161) und weitergehende Mediatisierungseffekte daher als nicht mehr relevant anzusehen sind. Hinsichtlich der Quantität des vom Mediatisierungseffekt betroffenen Vermögens kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich der restriktive Standpunkt, den der BGH für die Aktiengesellschaft vertritt, im Zusammenhang mit der infrage stehenden Vorlagepflicht als zu eng erweist. Denn schließlich geht es vorliegend anders als im Aktienrecht nicht um die »Durchbrechung der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenz- und Arbeitsteilung«,162 sondern die Frage, ab welcher Schwelle von einem mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung auf Ausübung der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenz auszugehen ist. Anliegen ist somit nicht die Identifizierung von Extremfällen, sondern die Statuierung einer sinnvollen Bagatellgrenze, bei deren Unterschreiten ein Desinteresse der Mitglieder an ihrer Mitwirkung zu vermuten ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 62 Abs. 1 UmwG die Ausgliederung von Vermögensgegenständen, die 10% oder weniger des Verkehrswertes des Vereinsvermögens repräsentieren, als unerheblich anzusehen.163 (2) Drittbeteiligungsmaßnahmen Was die zur Begründung einer Vorlagepflicht erforderliche Qualität von Drittbeteiligungsmaßnahmen anbetrifft, hat die Gefahr, dass es infolge einer unangemessenen niedrigen Gegenleistung des Dritten zu einer Verkürzung des Vereinsvermögens kommt, außer Betracht zu bleiben.164 Denn wie bereits im Zusammenhang mit § 179a AktG ausgeführt, haben Vermögensverkürzungen beim Verein vergleichsweise geringe Rückwirkung auf die Mitgliedschaftsrechte. Der Schutz der Vereinsmitglieder durch die Organpflichten der Vor-
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Ausführlich Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 285 ff. OLG Frankfurt ZIP 1995, 213, 217; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 5769; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 319. 162 BGHZ 159, 30, 45. 163 Ebenfalls aus § 62 Abs. 1 UmwG eine Bagatellgrenze ableitend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 426 f., 436. 164 Zu den einzelnen Auswirkungen der Drittbeteiligung oben B. I.2.c. (S. 90 ff.). 161
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standsmitglieder, welche es diesen verbieten, Vermögenswerte des Vereins ohne angemessene Gegenleistung abzugeben, erscheint insoweit ausreichend. In qualitativer Hinsicht relevant kann jedoch die mit der Drittbeteiligung einhergehende faktische Umformung der Herrschaftsrechte sein. Wie oben dargelegt165 ist diese dadurch gekennzeichnet, dass das faktische Substrat, auf welches sich die Herrschaftsrechte beziehen, partiell oder ganz ausgetauscht wird. Hierzu kommt es, wenn der Verein aufgrund der Drittbeteiligung wesentlich an Einfluss auf einen Vermögensgegenstand verliert. Unproblematisch der Fall ist dies, wenn er sich seiner Berechtigung an dem Vermögensgegenstand vollständig entledigt (Vollveräußerung).166 Aus dem Bereich der vorliegend im Mittelpunkt stehenden gruppenspezifischen Maßnahmen ist insoweit an die vollständige Aufgabe einer Beteiligung zu denken. Klarstellend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass für eine Beschränkung der Vorlagepflicht auf gruppenspezifische Maßnahmen keine Veranlassung besteht. Auch der Verkauf des »Clubhauses« eines Sportvereins ist hiernach in qualitativer Hinsicht ohne weiteres geeignet, eine Vorlagepflicht zu begründen. Die gegenteilige Entscheidung des BGH167 erscheint kaum kompatibel mit der Begründung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen im Aktienrecht.168 Speziell im gruppenspezifischen Bereich kann es zu einem relevanten Einflussverlust des Vereins mit entsprechender Rückwirkung auf die Herrschaftsrechte seiner Mitglieder aber auch im Zusammenhang mit der lediglich partiellen Aufgabe von Einflussmöglichkeiten kommen (Teilveräußerung). Dies ist immer dann der Fall, wenn hinsichtlich der Beteiligung an einer Gesellschaft wesentliche Beteiligungsschwellen unterschritten werden. Zu denken ist insoweit vor allem an die erstmalige Drittbeteiligung, d. h. den Fall, dass ein Verein im Wege der Ausgründung unter Beteiligung eines Dritten, der Teilveräußerung oder der Kapitalerhöhung ohne Ausübung des Bezugsrechts seine bisherige 100%-ige Beteiligung an einer Gesellschaft verringert. Wie hoch die Drittbeteiligung hierbei ist, spielt keine Rolle. Aus der Diskussion um die §§ 327a ff. AktG ist hinlänglich bekannt, dass auch geringe Minderheitsbeteiligungen erhebliches Störpotenzial bergen.169 Des Weiteren ist von einem wesentlichen Einflussverlust auszugehen, wenn die satzungsändernde Mehrheit, die herrschenden Einfluss vermittelnde Mehrheit oder eine Sperrminorität aufgegeben wird. Relevant ist hiernach typischerweise das Unterschreiten der 100%-, der 75%-, der 50%- und der 25%-Schwellen. Die Verringerung von Beteiligungen 165
B. I.2.c. (S. 90 ff.). Zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit Beteiligungen keine Vollveräußerung vorliegt, wenn lediglich einzelne Aktien bzw. Geschäftsanteile vollständig aufgegeben werden. 167 BGH NJW 2008, 69 Rz. 70. 168 Kritisch auch Terner, NJW 2008, 16, 19 f.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.A. Rn. 56. 169 Statt vieler MünchKommAktG/Grunewald, Vor §§ 327a ff. Rn. 2 m. w. N. 166
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jenseits dieser Schwellenwerte ist demgegenüber in der Regel nicht geeignet, eine Vorlagepflicht zu begründen.170 Auch im Fall von Drittbeteiligungsmaßnahmen genügt für die Begründung der Vorlagepflicht allein die qualitative Signifikanz nicht, sondern es bedarf darüber hinaus einer bestimmten Quantität des vom Drittbeteiligungsmaßnahmen betroffenen Vermögens. Das ist schon deshalb geboten, weil letztlich jeder noch so geringfügige Aktiventausch geeignet ist, die zuvor aufgestellten qualitativen Kriterien zu erfüllen.171 Entsprechend den Ausführungen zum Mediatisierungseffekt ist daher auch im Zusammenhang mit Drittbeteiligungsmaßnahmen zu verlangen, dass diese einen Vermögensgegenstand betreffen, der mindestens 10% des Vereinsvermögens repräsentiert. Im Fall der Reduzierung von Beteiligungen des Vereins, ist hierbei nicht auf den Gesamtwert der Beteiligungsgesellschaft, sondern den Wert der Beteiligung vor Vornahme der Drittbeteiligungsmaßnahme abzustellen. (3) Risikomaßnahmen Mit Blick auf die Kategorie der Risikomaßnahmen ist zu beachten, dass im Fall des Abschlusses von Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen bereits eine zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht aus der analogen Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG folgt. Schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erscheint es daher unausweichlich, im Fall der anderweitigen Begründung einer unbeschränkten Haftung des Vereins für fremdes unternehmerisches Risiko zumindest eine nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht annehmen.172 Vorlagepflichtig ist hiernach insbesondere die Beteiligung des Vereins als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft oder die Abgabe einer harten Patronatserklärung.173 Auch insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Haftungsübernahme im Rahmen der §§ 20, 21 BGB eine Zurechnung der externen wirtschaftlichen Betätigung auf den Verein begründet und daher nur unter den engen Voraussetzungen des Nebentätigkeitsprivilegs zulässig ist.174
170 Bezugnehmend auf das oben (§ 2 A.II.2) geschilderte Beispiel des FC Bayern München e.V. begründete hiernach die erstmalige Beteiligung eines Dritten (der Adidas AG) an der Bayern München AG eine Vorlagepflicht des Vereinsvorstandes, während die anschließende Verringerung der Beteiligungsquote auf 80,91 Prozent durch Veräußerung an die Audi AG nicht vorlagepflichtig war. 171 Die Veräußerung eines jeden Vermögensgegenstandes des Vereins (PKW etc.) entspricht in qualitativer Hinsicht einem Unterschreiten der »100%-Schwelle«. 172 Alternativ wäre daran zu denken, die analoge Anwendung des § 293 Abs. 2 AktG auch auf diese Fälle zu erstrecken (so Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 421 ff., der allerdings die Analogie zusätzlich auf die §§ 319 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 AktG stützt). 173 Zum Begriff Habersack, MünchKommBGB, Vor § 765 Rn. 50 ff. 174 § 5 C.II.2.b.(2) (S. 159).
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D. Flankierende Informationspflichten Welche flankierenden Informationspflichten den Vorstand im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen treffen, wurde im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Holzmüller-Diskussion intensiv erörtert.175 Die insoweit erörterten Fragestellungen sind auch für den Verein relevant. Ihre Beantwortung erfolgt in § 9, der die Informationsrechte der Mitglieder des herrschenden Vereins in ihrer Gesamtheit behandelt.176
E. Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss I. Mehrheitserfordernis Im Bereich der zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten genügt abweichend vom Grundsatz des § 32 Abs. 1 S. 3 BGB nicht die einfache Mehrheit, sondern es bedarf einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder. Folgt die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung aus dem Erfordernis einer Satzungsänderung, ergibt sich dies aus § 33 Abs. 1 S. 1 BGB. Gleich lautende Mehrheitserfordernisse finden sich in den §§ 125, 103 S. 1 UmwG und § 293 Abs. 2 AktG. Setzt die gruppenspezifische Maßnahme gar eine Änderung des Vereinszwecks voraus, müssen gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB sämtliche Mitglieder zustimmen. Im Bereich der nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten gelten andere Anforderungen. Da hier der Vorstand zur alleinigen Sachentscheidung befugt ist, bedarf es genau genommen gar keines Zustimmungsbeschlusses. Denkbar ist beispielsweise, dass die Mitgliederversammlung eine Sachentscheidung verweigert, weil sie dem Vorstand das Haftungsrisiko nicht abnehmen möchte.177 Entscheidet sie, genügt die einfache Mehrheit der Stimmen.178 Wird diese verfehlt, steht dies einer negativen Weisung gleich und verbietet dem Vorstand die Durchführung der intendierten Maßnahme.
II. Sachliche Rechtfertigung Wie alle Beschlüsse unterliegen auch die gruppenspezifische Maßnahmen betreffenden Beschlüsse der Mitgliederversammlung der allgemeinen Beschlusskontrolle. Beruht das Beschlussergebnis hiernach auf der rechtsmissbräuch-
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Statt vieler Tröger, ZIP 2001, 2029; Weißhaupt, AG 2004, 585. § 9 B.II. (S. 238 ff.). Vgl. für das Aktienrecht GroßKommAktG/Mülbert, § 119 Rn. 53 m. w. N. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 249; zur Gegenansicht s. Fn. 35.
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lichen Ausübung von Stimmrechten, begründet dies seine Anfechtbarkeit.179 Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, inwieweit entsprechende Beschlüsse auch einer positiven sachlichen Rechtfertigung nach dem Vorbild der Grundsätze bedürfen, die der BGH für den Bezugsrechtsausschluss in Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen entwickelt hat.180 Berücksichtigt man, dass das Gericht die »Lehre vom sachlichen Grund«181 maßgeblich auf den mit dem Bezugsrechtsausschluss verbundenen »schweren Eingriff« in die Mitgliedschaft gestützt hat,182 liegt es nahe, auch die vorliegend infrage stehenden Beschlüsse einer qualifizierten Inhaltskontrolle zu unterziehen.183 Indes ist die Lehre vom sachlichen Grund in der Literatur zu Recht auf große Skepsis gestoßen.184 Schon der Umstand, dass der BGH ihre Anwendbarkeit auf eine Reihe von Maßnahmen wie beispielsweise das Delisting, den Formwechsel oder den Squeeze-out unter wenig überzeugender Abgrenzung zum Bezugsrechtsausschluss verneint hat, deutet darauf hin, dass es sich beim Kriterium des Eingriffs in die Mitgliedschaft nicht um den richtigen Ansatzpunkt handeln kann. Richtigerweise sind das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung und die damit verbundene Einschränkung der Privatautonomie nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Anzeichen dafür bestehen, dass das Mehrheitsprinzip einer Korrektur bedarf.185 Solche Anzeichen liegen dann vor, wenn der Beschlussinhalt die die Mehrheit bildenden Mitglieder signifikant gegenüber der Minderheit benachteiligt. Insoweit greift dann aber ohnehin der auch im Vereinsrecht Geltung beanspruchende Gleichbehandlungsgrundsatz ein.186 Das Erfordernis eines sachlichen Grundes folgt dann aus der Notwendigkeit der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Sind demgegenüber sämtliche Mitglieder gleichermaßen von der faktischen Verkürzung ihrer Mitglied-
179 Vgl. BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype). Zur analogen Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf den Verein unten § 10 B.II.4.d.(3). (S. 286 ff.). 180 BGHZ 71, 40, 44 ff. (Kali und Salz). Zur Abgrenzung der Lehre vom sachlichen Grund und der allgemeinen treupflichtgestützten Missbrauchskontrolle Verse in: Aktienrecht im Wandel, Rn. 25; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 47. 181 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 867. 182 BGHZ 71, 40, 44. 183 Für die Aktiengesellschaft wird das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung von Holzmüller-Beschlüssen teilweise vertreten (Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, S. 162 ff.), überwiegend jedoch abgelehnt (statt vieler MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 56 m. w. N.). Zum Meinungsspektrum bei der GmbH Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 1034. 184 Zuletzt Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 54 ff. m. umf. Nachw.; siehe auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 310 ff. 185 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 56 f. unter Bezugnahme auf Fastrich, Funktionales Rechtsdenken am Beispiel des Gesellschaftsrechts, S. 50. Ob sich tatsächlich von einer »Richtigkeitsgewähr des Mehrheitsprinzips« sprechen lässt (so Verse und Fastrich a.a.O.), erscheint zweifelhaft, ist im vorliegenden Zusammenhang aber nicht entscheidend. 186 Soergel/Hadding, § 38 Rn. 19 m. w. N.
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schaftsrechte betroffen, besteht kein Anlass, den Mehrheitsentscheid anzuzweifeln.187 Für die infrage stehenden Zustimmungsbeschlüsse bedeutet dies Folgendes: Weitestgehend ausgeschlossen dürfte eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein, soweit die von der Mehrheit befürwortete Maßnahme ausschließlich einen Mediatisierungseffekt aufweist. Denn der mit dem Kompetenzverlust der Mitgliederversammlung korrespondierende Kompetenzgewinn der Geschäftsleitung der Untergesellschaft kommt typischerweise nicht einzelnen Mitgliedern der Obergesellschaft zugute. Etwas anderes ist allenfalls dann denkbar, wenn einzelne Mitglieder der Obergesellschaft an der Untergesellschaft beteiligt sind oder dort zu Organvertretern bestellt werden. Kritischer sind demgegenüber Zustimmungsbeschlüsse zu beurteilen, die Drittbeteiligungsmaßnahmen betreffen. Insoweit ist ohne weiteres denkbar, dass einzelne Mitglieder zulasten anderer benachteiligt werden. In solchen Fällen bedarf es in der Tat einer sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.
F. Abbedingung von Vorlagepflichten I. Dispositivität Soweit die Zustimmungspflicht aus dem UmwG folgt, kann diese nicht durch die Satzung abbedungen oder delegiert werden (§§ 1 Abs. 3 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 UmwG).188 Dispositiv ist demgegenüber die Pflicht zur Einbeziehung der Mitgliederversammlung, wenn diese aus dem Erfordernis einer Satzungs- bzw. Zweckänderung resultiert. Denn der die satzungsdispositiven vereinsrechtlichen Vorschriften aufzählende § 40 BGB nennt ausdrücklich auch die insoweit einschlägige Regelung des § 33 BGB. Zu Recht wird hieraus geschlossen, dass die Satzungsänderungskompetenz einschließlich der Kompetenz zur Zweckänderung auf andere Organe oder sogar einzelne Mitglieder delegiert werden kann.189 Beachtlich ist dies auch dann, wenn man entgegen der hiesigen Position mit der h. M. die Holzmüller-Grundsätze auf den Verein überträgt und hiernach bei 187
Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 57 ff. Hennrichs in: Lutter, UmwG, § 103 Rn. 5; Katschinski in: Semler/Stengel, UmwG, § 103 Rn. 4; MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 38. 189 Soergel/Hadding, § 33 Rn. 6 f.; Weick in: Staudinger, § 33 Rn. 8 f.; Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 136; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 33 Rn. 5; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 339 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459 ff.; grundsätzlich auch MünchKommBGB/Reuter, § 33 Rn. 17 ff., der eine Einschränkung der Dispositivität nur bei fehlender »Marktkontrolle« für geboten hält; kritisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 b (S. 84 ff.); Flume, BGB AT I/2, S. 193 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 89 ff. Speziell zur Zweckänderung Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 192 f. 188
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Überschreiten der maßgeblichen Schwellenwerte von einer Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung ausgeht. Da der BGH die Holzmüller-Grundsätze mit der Nähe der Auswirkungen der infrage stehenden Strukturmaßnahmen zu denen von Satzungsänderungen begründet,190 erscheint es unausweichlich, im Fall des Vereins aufgrund der Regelung des § 40 BGB eine entsprechende Zuständigkeit der Mitgliederversammlung als satzungsdispositiv zu qualifizieren. Abdingbar ist auch das auf die analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG gestützte Zustimmungserfordernis. Denn wenn beim Verein selbst die Kompetenz zur Änderung des Verbandszwecks dispositiv ist, wäre es wertungswidersprüchlich, eine Zustimmung zum Abschluss eines Unternehmensvertrags strengeren Anforderungen zu unterwerfen. Dass dies für die Aktiengesellschaft und auch die GmbH anders gesehen wird, steht dem nicht entgegen.191 Im Fall der Aktiengesellschaft folgt der zwingende Charakter des § 293 Abs. 2 AktG aus § 23 Abs. 5 AktG. Hinsichtlich der GmbH ist zu bedenken, dass anders als beim Verein gemäß § 53 Abs. 1 GmbHG die Satzungsänderungskompetenz zwingend der Gesellschafterversammlung zugewiesen ist.192 Der Dispositionsbefugnis der Mitgliederversammlung unterliegt schließlich auch die nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht. Angesichts ihrer Ableitung aus dem mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung versteht sich dies von selbst.
II. Anforderungen an die Abbedingung Hinsichtlich der Anforderungen an die Abbedingung von Vorlagepflichten ist zwischen den zuständigkeitsbedingten (C.II.) und den nicht zuständigkeitsbedingten (C.III.) Vorlagepflichten zu differenzieren. Sofern die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung zur Satzungsänderung infrage steht, folgt aus § 40 BGB, dass die Abbedingung nur aufgrund einer Satzungsbestimmung erfolgen kann. Dem gleichzustellen ist der Fall, dass die Zuständigkeit aus § 293 Abs. 2 AktG abbedungen werden soll. In beiden Fällen sind an die Bestimmtheit hohe Anforderungen zu stellen, d. h. die Preisgabe der Zuständigkeit muss in der jeweiligen Satzungsbestimmung unzweifelhaft zum Ausdruck kommen. Anders liegen die Dinge bezüglich des Dispenses von den nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten. Da dieser nicht den Charakter einer Satzungs190
BGHZ 159, 30, 40. Zur GmbH Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 58; Lutter, FS Fleck, S. 169, 179; Priester, DB 1989, 1013, 1016; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 164; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh § 13 Rn. 62, die eine Globaleinwilligung lediglich für Bagatellfälle als zulässig erachten. 192 Statt vieler Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 60. 191
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änderung aufweist, kann er grundsätzlich auch durch gewöhnlichen Beschluss der Mitgliederversammlung erfolgen. Auch an die Bestimmtheit sind geringere Anforderungen zu stellen. Sieht etwa die Satzung vor, dass der Erwerb von Beteiligungen oder die Ausgliederung von Vermögenswerten der Zustimmung eines fakultativen Aufsichtsorgans bedarf, bedeutet dies in der Regel, dass eine Vorlage an die Mitgliederversammlung entbehrlich ist. Denn der Zweck einer solchen Regelung liegt typischerweise darin, die Handlungsfähigkeit des Vereins bei gleichzeitiger Überwachung des Vorstandes durch ein zu diesem Zweck installiertes Kontrollorgan zu erhöhen. Er würde verfehlt, wenn der Vorstand gleichwohl den umständlichen Weg einer Einberufung der Mitgliederversammlung gehen müsste. Denkbar ist schließlich, dass eine Konzern- bzw. Beteiligungsklausel den Willen der Mitgliederversammlung erkennen lässt, auf die Vorlage gruppenspezifischer Maßnahmen zu verzichten. Dies wird zumindest dann anzunehmen sein, wenn die Satzungsklausel detaillierte Vorgaben nicht erfasster Vorgänge enthält.
G. Rechtsfolgen und Rechtsschutz bei Verletzung der Vorlagepfl icht I. Wirksamkeit der gruppenspezifischen Maßnahme Nimmt der Vorstand des Vereins eine gruppenspezifische Maßnahme unter Verletzung einer nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflicht vor, bleibt deren Wirksamkeit hiervon unberührt.193 Gleiches gilt im Fall der zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten, sofern diese ihre Grundlage im Erfordernis einer Satzungsänderung finden. Die Maßnahme ist dann satzungswidrig, aber gleichwohl wirksam. Zur Unwirksamkeit führt die fehlende Zustimmung nur, wenn es sich um eine Maßnahme auf Grundlage des UmwG oder die für den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags erforderliche Zustimmung analog § 293 Abs. 2 AktG handelt.
II. Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzanspruch Auf Grundlage der ebenfalls in der Holzmüller-Entscheidung anerkannten mitgliedschaftlichen Abwehrklage (actio negatoria) ist es Aktionären möglich, im Fall der Missachtung der Zuständigkeit der Hauptversammlung unter Berufung auf ihr Recht auf Entscheidungsteilhabe die Aktiengesellschaft, der das 193 Möglicherweise anders Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 206, der den Zustimmungsbeschluss als »Wirksamkeitserfordernis« bezeichnet. Selbst für die HolzmüllerZuständigkeit der Hauptversammlung ist indes anerkannt, dass diese nicht die Vertretungsmacht betrifft (vgl. Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 53 m. w. N.).
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diesbezügliche Handeln des Vorstandes zuzurechnen ist, auf Unterlassen bzw. Beseitigung in Anspruch zu nehmen.194 Anerkanntermaßen handelt es sich insoweit aber nicht um spezifisch aktienrechtliche Grundsätze, sondern um ein Institut des allgemeinen Körperschaftsrechts, welches auch auf den Verein Anwendung findet.195 Erlangt daher ein Vereinsmitglied Kenntnis, dass der Vereinsvorstand eine vorlagepflichtige Maßnahme unter Umgehung der Mitgliederversammlung durchführen möchte, kann er dem Verein gegenüber einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Zwischen zuständigkeitsbedingten und nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten besteht insoweit kein Unterschied. Ist die Maßnahme hingegen bereits erfolgt, steht den einzelnen Mitgliedern ein Beseitigungsanspruch zu. Hiernach kann beispielsweise verlangt werden, dass der ohne Zustimmung der Mitgliederversammlung vorgenommene Wechsel der Rechtsform einer Tochtergesellschaft von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft rückgängig gemacht wird. Ist der Beseitigungsanspruch wegen der Involvierung Dritter nicht realisierbar,196 kommt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Vereins gegenüber den handelnden Vorstandsmitgliedern in Betracht.197 Die Pflichtwidrigkeit folgt ohne weiteres aus der Verletzung der Vorlagepflicht. Schwierigkeiten dürfte die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aber regelmäßig deshalb machen, weil sich der auf der Pflichtverletzung beruhende Schaden kaum konkretisieren lässt.198
III. Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses Holt der Vorstand die Zustimmung der Mitgliederversammlung ein, ohne im Vorfeld den Anforderungen des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB genüge zu tun, führt dies zur Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses. Analog § 243 Abs. 1, 1. Alt. AktG begründet dies die Anfechtbarkeit des Beschlusses.199
194
BGHZ 83, 122, 133 ff. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 3 (S. 648 ff.); ders., Verbandszweck, S. 44 f.; Soergel/Hadding, § 33 Rn. 15; MünchKommBGB/Reuter, § 33 Rn. 11; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 81 ff.; Flume, BGB AT I/2, S. 312 f.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 242 ff.; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 625. 196 Vgl. MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 98; zu den Rückabwicklungsschwierigkeiten im Einzelnen Schlitt in: Semler/Stengel, UmwG, § 173 Rn. 88. 197 Zur diesbezüglichen Durchsetzung vgl. § 11 E. I.3.b. (S. 328 f.). 198 Schlitt in: Semler/Stengel, UmwG, § 173 Rn. 88. 199 Vgl. für die AG MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 99. Zur analogen Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf den Verein unten § 10 B.II.4.d.(3) (S. 286 ff.). 195
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H. Zusammenfassung Auch für den Verein stellt sich analog der im Aktienrecht entwickelten Holzmüller-Doktrin die Frage, inwieweit die Vornahme von Maßnahmen der Gruppenbildung, -umbildung und -leitung (gruppenspezifische Maßnahmen) 200 aufgrund der mit ihnen einhergehenden faktischen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte gegebenenfalls der Zustimmung der Mitgliederversammlung bedarf. Dass Mitgliedschaftsrechte faktisch beeinträchtigt werden können, hat seine Ursache in dem für alle subjektiven Rechte des Privatrechts charakteristischen Zusammenhang zwischen dem Recht als solchen und dem ihm zu Grunde liegenden faktischen Substrat. Im Fall von Mitgliedschaftsrechten handelt es sich beim faktischen Substrat um die Gegenstände des Verbandsvermögens, die dem einzelnen Mitglied aber nicht unmittelbar zugeordnet sind, sondern vielmehr am Ende einer Befugniskette stehen. Wird auf diese Befugniskette eingewirkt, hat dies stets Rückwirkung auf die Mitgliedschaftsrechte, auch wenn diese formal unangetastet bleiben. Ausgliederungsmaßnahmen (Bsp. Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 UmwG) führen dazu, dass die Befugniskette verlängert und in der Folge die Qualität der durch sie vermittelten Herrschaftsrechte der Mitglieder der Obergesellschaft gemindert wird (Mediatisierungseffekt). Drittbeteiligungsmaßnahmen (Bsp. Teilveräußerung einer Beteiligung) verkürzen bei Angemessenheit der vom Dritten zu erbringenden Gegenleistung zwar weder die Vermögens- noch die Herrschaftsrechte, bewirken jedoch bezüglich Letzterer eine faktische Umgestaltung. Risikomaßnahmen (Bsp. Abgabe einer Patronatserklärung) begründen die Gefahr eines Verlustes von Verbandsvermögen, die im Fall ihrer Verwirklichung sowohl eine faktische Verkürzung der Vermögens- als auch der Herrschaftsrechte nach sich zieht. Angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen dem Aktienrecht und Vereinsrecht kommt eine Übertragung der aktienrechtlichen HolzmüllerGrundsätze auf den Verein nicht in Betracht. Da die Mitgliederversammlung über eine Allzuständigkeit verfügt, bedarf es anders als im Aktienrecht nicht der Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Frage, unter welchen Voraussetzungen den Vereinsvorstand eine Vorlagepflicht trifft, die sicherstellt, dass die Mitgliederversammlung ihre Kompetenzen auch tatsächlich ausüben kann. Unproblematisch zu bejahen ist eine Vorlagepflicht bezüglich solcher gruppenspezifischer Maßnahmen, die kraft statutarischer oder gesetzlicher Anordnung in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen (zuständigkeitsbedingte Vorlagepflichten). Ersteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Maßnahme eine Zweck- oder Gegenstandsänderung voraussetzt (§ 33 Abs. 1 200
Vgl. B.I.1. (S. 85 ff.).
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BGB). Eine gesetzlich angeordnete Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung besteht für die Ausgliederung nach dem UmwG und analog § 293 Abs. 2 AktG bezüglich des Abschlusses von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen. Keine Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung folgt im Fall der Gesamtvermögensübertragung aus § 179a AktG, da dieser auf den Verein nicht analog anzuwenden ist. Vorlagepflichten bestehen aber auch im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit (nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflichten). Zur Effektuierung des der Mitgliederversammlung kraft ihrer Allzuständigkeit auch in Geschäftsführungsangelegenheiten zustehenden Weisungsrechts ist der Vereinsvorstand zur Vorlage immer dann verpflichtet, wenn von einem mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung ausgegangen werden kann, eine entsprechende Sachentscheidung zu treffen. Wann dies der Fall ist, ist typisierend anhand der objektiven Auswirkungen der infrage stehenden Maßnahme auf die Mitgliedsrechte zu ermitteln. Im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen ist unter den folgenden Voraussetzungen von einem Entscheidungswillen der Mitgliederversammlung und somit einer Vorlagepflicht auszugehen: Ausgliederungsmaßnahmen sind vorlagepflichtig, wenn sie mehr als 10% des Vereinsvermögens betreffen und einen signifikanten Mediatisierungseffekt bewirken. Letzteres ist der Fall, wenn die Mitgliederversammlung vor der Ausgliederung aufgrund eines Weisungsrechts auf die betroffenen Vermögensgegenstände Einfluss nehmen konnte und im Anschluss an die Ausgliederung wegen der Weisungsungebundenheit der Geschäftsleitung der aufnehmenden Gesellschaft keine Weisungskette besteht, die ihr einen vergleichbaren Einfluss vermittelt (Bsp. Ausgliederung auf AG). Drittbeteiligungsmaßnahmen begründen eine Vorlagepflicht, wenn sie mehr als 10% des Vereinsvermögens betreffen und zu einer Unterschreitung wesentlicher Beteiligungsschwellen führen. Letzteres ist bei Vollveräußerungen und der erstmaligen Drittbeteiligung stets der Fall. Daneben ist regelmäßig das Unterschreiten der Beteiligungsschwellen von 75%, 50% und 25% relevant. Risikomaßnahmen sind vorlagepflichtig, wenn eine unbeschränkte Haftung für fremdes unternehmerisches Risiko übernommen wird. Ob und mit welcher Mehrheit die Mitgliederversammlung nach erfolgter Vorlage der gruppenspezifischen Maßnahme zustimmen muss, hängt von der Grundlage der Vorlagepflicht ab. Im Fall der zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten bedarf es der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder (§§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB, 125, 103 S. 1 UmwG, 293 Abs. 2 AktG analog) oder sogar der Zustimmung sämtlicher Mitglieder (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Im Fall der nicht zuständigkeitsbedingten Vorlagepflichten kann der Vorstand die Maßnahme durchführen, wenn die Mitgliederversammlung ihr mit einfacher Mehrheit zustimmt oder auf eine Sachentschei-
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dung verzichtet. Einer sachlichen Rechtfertigung bedarf der Zustimmungsbeschluss nur, wenn er zu einer Ungleichbehandlung der Mitglieder führt. Weil die nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht ihre Grundlage im mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung findet, kann sie in der Satzung ohne weiteres abbedungen werden. Von einer konkludenten Abbedingung ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Maßnahme in der Satzung unter den Zustimmungsvorbehalt eines fakultativen Aufsichtsorgans gestellt wird. Abdingbar sind auch die Alleinzuständigkeiten der Mitgliederversammlung gemäß der §§ 33 Abs. 1 BGB, § 293 Abs. 2 AktG (analog) und die darauf beruhenden Vorlagepflichten. Zwingend ist die Mitwirkung der Mitgliederversammlung allein in den Fällen des UmwG. Missachtet der Vorstand eine Vorlagepflicht, kann das einzelne Mitglied den Verein, der sich das Verhalten des Vorstandes zurechnen lassen muss, im Wege der mitgliedschaftlichen Abwehrklage (actio negatoria) auf Unterlassung bzw. Beseitigung in Anspruch nehmen.
§ 5 Vereinsrechtliche Grenzen externer wirtschaftlicher Betätigung Im Rahmen der Gruppenbildung und -umbildung zu beachtende vereinsspezifische Vorgaben folgen möglicherweise aus den §§ 21, 22 BGB. Die darin geregelte Vereinsklassenabgrenzung besagt, dass die Rechtsform des eingetragenen Vereins nur solchen Vereinen offen steht, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§ 21 BGB). So genannte Wirtschaftsvereine können demgegenüber nur in Ausnahmefällen die Rechtsfähigkeit kraft staatlichen Hoheitsaktes erlangen (§ 22 BGB). Im konzernrechtlichen Zusammenhang stellt sich nunmehr die Frage, ob es im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung allein auf die eigene wirtschaftliche Betätigung des Vereins ankommt oder ob und unter welchen Voraussetzungen er sich auch die externe wirtschaftliche Betätigung in Gesellschaften zurechnen lassen muss, an denen er beteiligt ist. Sie ist in zweierlei Hinsicht von Relevanz. Bejaht man die Zurechnung, schränkt dies die Möglichkeit der Gruppenbildung ein, da es dem Verein hiernach verboten wäre, sich an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften zu beteiligen. Verneint man die Zurechnung, gestattet dies dem Verein nicht nur, sich an »vereinsfremden« wirtschaftlichen Betätigungen als Gesellschafter zu beteiligen, sondern ermöglicht ihm darüber hinaus, im Verein »gewachsene« wirtschaftliche Betätigungen zur Vermeidung des Vorwurfs der Rechtsformverfehlung auf Tochtergesellschaften auszugliedern.
A. Meinungsstand und Untersuchungsprogramm I. Meinungsstand Die Problematik der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung ist eingebettet in die generelle Frage, nach welchen Maßstäben der wirtschaftliche vom nicht wirtschaftlichen Verein abzugrenzen ist. Vor Darstellung des Meinungsbilds bezüglich der Zurechnungsfrage (2.) ist daher zunächst auf den Diskussionsstand bezüglich der allgemeinen für die Vereinsklassenabgrenzung maßgeblichen Kriterien einzugehen (1.).
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1. Die teleologisch-typologische Vereinsklassenabgrenzung Die zunächst in den Anfangsjahren des BGB vertretene subjektive Theorie stellte allein darauf ab, ob der Verein einen wirtschaftlichen oder einen nicht wirtschaftlichen Zweck verfolgt.1 Demgegenüber wurde von den Vertretern der objektiven Theorie zu Recht eingewandt, dass § 21 BGB nicht auf den Zweck, sondern den Geschäftsbetrieb des Vereins abstellt. 2 Eine praxistaugliche Definition des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs blieb aber auch die objektive Theorie schuldig. Keinen nennenswerten Fortschritt brachte die lange Zeit herrschende sog. gemischte Theorie, welche objektive und subjektive Elemente miteinander zu verbinden versuchte.3 Der Durchbruch gelang vielmehr erst, nachdem im Anschluss an einige grundlegende Arbeiten von K. Schmidt 4 die Unmöglichkeit einer Einheitsdefinition des wirtschaftlichen Vereins erkannt und durch eine am Schutzzweck der §§ 21, 22 BGB orientierte Typenbildung ersetzt wurde (teleologisch-typologische Abgrenzung).5 Das Grundanliegen der genannten Vorschriften wird hiernach im Aspekt des Umgehungsschutzes gesehen. 6 Ein Vergleich der Normativbestimmungen des eingetragenen Vereins mit denen der körperschaftlichen Handelsgesellschaften zeige, dass der Gesetzgeber für Letztere nicht nur deutlich anspruchsvollere Anforderungen an die Erlangung der Rechtsfähigkeit stellt (z. B. Mindestkapitalanforderungen des AktG und GmbHG), sondern auch nach Erlangung der Rechtsfähigkeit ein erheblich intensiveres Pflichtenprogramm vorsieht (z. B. Rechnungslegung und Publizität). Mit Blick auf den eingetragenen Verein wird daher auch von einem System »erleichterter Normativbestimmungen« gesprochen.7 Es liege auf der Hand, dass diese Erleichterung im Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Beschränkung des eingetragenen Vereins 1 S. Nachweise bei Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 20. Auch heute noch sind in der Rechtsprechung teilweise deutliche Tendenzen zu einer subjektiven Betrachtungsweise erkennbar, vgl. etwa OLG Hamm NJW-RR 2003, 898 sowie die kritische Anmerkung von Terner, Rpfleger 2004, 537, 542 f. 2 S. Nachweise bei Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 20. 3 Vgl. Darstellung bei K. Schmidt, Verbandszweck, S. 102 f. 4 K. Schmidt, Rpfleger 1972, 343 ff.; ders., AcP 182 (1982), 1 ff.; ders., Verbandszweck, S. 89 ff.; ders., RPfleger 1988, 45. 5 KG NZG 2005, 361, 362; VGH Mannheim NVwZ-RR 2004, 904; OLG Hamm NZG 2003, 879; BayObLG NZG 1998, 606; OLG Düsseldorf NZG 1998, 273 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 989, 990; OLG Schleswig NJW-RR 2001, 1478; OLG Hamm, Rpfleger 1997, 166; Soergel/Hadding, § 21, 22 Rn. 24 ff.; Weick in: Staudinger, § 21 Rn. 7 ff.; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 25 ff.; MünchKommBGB/Reuter, § 21, 22 Rn. 6 ff.; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 31 ff.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 Rn. 31 ff.; Terner, Rpfleger 2004, 537, 540. Kritisch Schad, E. V. oder Wirtschaftsverein? S. 30 ff.; ders., NJW 1998, 2411; Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG? S. 27 ff. 6 Hierzu und zum Folgenden statt vieler BVerwG NJW 1979, 2261, 2263; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1053 m. w. N. Häufig wird auch von der Sperrfunktion der §§ 21, 22 BGB gesprochen, vgl. BGHZ 45, 395, 397; 22, 240, 244; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 26. 7 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 5.
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auf nicht wirtschaftliche Tätigkeiten und seine hiernach im Vergleich zum wirtschaftlichen Verein geringere Teilnahme am Rechtsverkehr steht. Die weitergehenden Normativbestimmungen der Handelsvereine sollen demnach dazu dienen, die besonderen Regelungsaufgaben, die wirtschaftliche Betätigung mit sich bringt, zu erfüllen. Die Aufgabe von § 21 BGB wird hiernach darin gesehen, Körperschaften mit wirtschaftlichen Zielsetzungen den Zugang zur Rechtsform des Idealvereins zu verweigern oder, mit anderen Worten, wirtschaftliche Betätigungen bezweckende Vereinigungen an einem Ausweichen vor den ihnen zugedachten Normativbestimmungen des Rechts der Handelsvereine zu hindern. Dem in § 22 BGB geregelten wirtschaftlichen Verein soll in diesem Zusammenhang eine Auffangfunktion für die Fälle zukommen, in denen ausnahmsweise die Betätigung in den Formen der körperschaftlichen Handelsgesellschaften unzumutbar ist. 8 Bei der Bestimmung der aus dem Grundanliegen des Umgehungsschutzes im Einzelnen abzuleitenden Konsequenzen kommt es auf Grundlage der h. M. entscheidend darauf an, welchen Schutzweck diejenigen Vorschriften verfolgen, die das Normativsystem der körperschaftlichen Handelsgesellschaften gegenüber dem des Idealvereins »erschweren«. Im Mittelpunkt sowohl der Stellungnahmen der Rechtsprechung als auch denen in der Literatur steht insoweit der Gesichtspunkt des Gläubiger- bzw. Verkehrsschutzes.9 Aufgabe der §§ 20, 21 BGB soll es hiernach insbesondere sein zu verhindern, dass wirtschaftliche Betätigungen unter Umgehung etwa der Vorschriften über die Kapitalaufbringung in der Rechtsform des Idealvereins stattfinden. Darüber hinaus werden aber auch die Aspekte des Mitglieder- 10 und des Sozialschutzes11 ins Felde geführt. Im Zusammenhang mit Ersterem lautet die Argumentation, dass der Vergleich der relevanten Normativbestimmungen eine Absicht des Gesetzgebers
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Siehe nur BGHZ 85, 84, 88 f. BGH 85, 84, 88 f.; BVerwGE 105, 313, 316; KG NZG 2005, 361, 362; OLG Hamm NZG 2003, 879; OLG Schleswig NJW-RR 2001, 1478; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2004, 904; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 92 ff.; ders., AcP 182 (1982), 1, 13 f.; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 25 f.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 Rn. 26; Wagner, NZG 1999, 469, 472; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 45 ff.; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 5; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 59 f.; Schwarz van Berk in: MünchHdbGesR Bd. V, § 3 Rn. 9. 10 BVerwGE 58, 26 34 f.; Wagner, NZG 1999, 469, 472 ff.; Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG? S. 22 ff.; Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 71; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 34 ff.; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 7; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1054 ff.; ders., ZHR (1987), 355, 360; MünchKommBGB/ders., §§ 21, 22 Rn. 11 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 62 ff.; Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein, S. 89 ff.; differenzierend Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 48 ff.; widersprüchlich Aldermann, Lizenzfußball und Nebenzweckprivileg, S. 17; offengelassen in BGH WM 1986, 1505, 1506. 11 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1055; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 17 ff.; zustimmend Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 7; kritisch K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 22 f.; ablehnend Flume, BGB AT I/2, S. 107 Fn. 48. 9
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erkennen lasse, bei wirtschaftlichen Vereinigungen aufgrund der betroffenen Vermögensinteressen einen gewissen Mindestmitgliederschutz vorzusehen, welcher durch das Vereinsrecht nicht gewährleistet werde. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Fehlen eines Abfindungsanspruchs, welches dazu führe, dass das als Steuerungsinstrument zur Durchsetzung des Mitgliederwillens elementare Austrittsrecht des § 39 BGB faktisch leerlaufe.12 Unter dem Gesichtspunkt des Sozialschutzes findet sich der Hinweis, die Mitbestimmungsfreiheit des eingetragenen Vereins begründe die Gefahr, dass durch die Bildung von Holding-Vereinen Mitbestimmungsvorschriften umgangen werden.13 Auf Grundlage der skizzierten teleologischen Erwägungen haben sich drei Grundtypen bzw. Fallgruppen wirtschaftlicher Vereine herausgebildet: 14 (i) der Haupttyp des unternehmerischen Vereins, der auf einem äußeren Markt planmäßig und auf Dauer Leistungen gegen Entgelt anbietet, (ii) der Verein, der an einem inneren, d. h. nur aus Mitgliedern bestehenden Markt tätig ist und (iii) die Typen des Vereins zur genossenschaftsähnlichen Kooperation. Sofern sich eine Vereinigung keiner dieser Fallgruppen zuordnen lässt, soll eine Umgehung der Normativbestimmungen der Handelsvereine nicht zu befürchten und der Verein in der Folge als nichtwirtschaftlich zu qualifizieren sein.15 2. Die Behandlung externer wirtschaftlicher Betätigungen a) Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft Ganz im Mittelpunkt der im Zusammenhang mit der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen geführten Diskussion steht die in der Rechtswirklichkeit am häufigsten anzutreffende Konstellation, dass der Verein eine Mehrheitsbeteiligung an einer sich wirtschaftlich betätigenden Kapitalgesellschaft hält. Der BGH hat diesbezüglich in seinem viel beachteten ADAC-Urteil die Auffassung vertreten, dass eine Zurechnung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Kapitalgesellschaft auf den Verein im Rahmen der §§ 21, 22 BGB nicht geboten sei.16 Er begründet dies mit der rechtlichen und organisatorischen 12 Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 37 f.; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1058; MünchKommBGB/ ders., §§ 21, 22 Rn. 13; Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein, S. 91 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 63. 13 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1059. 14 Im Einzelnen K. Schmidt, Verbandszweck, S. 105 ff. 15 MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 37 hat den Versuch unternommen, die Thematik der Zurechnung externer wirtschaftlicher Beteiligungen durch die Bildung einer vierten Fallgruppe, den »Holdingverein«, in die Typenlehre zu integrieren. Die Notwendigkeit der Beantwortung der Frage, wann eine Zurechnung zu erfolgen hat, die den Verein zum »Holdingverein« macht, bleibt davon aber unberührt. 16 BGHZ 85, 84. Gegen eine Zurechnung auch Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 129 ff.; dies., BB 1983, 26, 28 ff.; Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 153 f.; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 48, 56; Palandt/Ellenberger, § 21 Rn. 3; Sauter/Schweyer/Waldner, Der
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Trennung der beiden juristischen Personen. Insbesondere der Schutz der Gläubiger des abhängigen Unternehmens werde durch die für sie einschlägigen Gläubigerschutzbestimmungen gewährleistet.17 Zwar könne sich die fehlende Mindestkapitalausstattung des Vereins im Rahmen der Haftung aus § 317 AktG negativ auswirken. Doch sei zu berücksichtigen, dass die Ansprüche gegen den Verein durch die gesamtschuldnerische Haftung seiner Organmitglieder ergänzt werde (vgl. § 317 Abs. 3 AktG) und die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft damit vielfach sogar besser stünden als bei der Beherrschung durch einen Einzelkaufmann.18 In der juristischen Literatur hat das Urteil des BGH sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis erheblichen Widerspruch erfahren.19 Es wird insoweit überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung ab der Schwelle der Mehrheitsbeteiligung, spätestens jedoch mit dem Erreichen eines herrschenden Einflusses geboten sei.20 Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch von einer »konzernrechtlichen Zurechnung« gesprochen. 21 Die Kritik richtet sich in diesem Zusammenhang unter anderem dagegen, dass der BGH in seiner Begründung ausschließlich auf die Interessen der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, nicht aber derjenigen des Vereins abgestellt hat. Deren Interessen würden indes insoweit berührt, als entgegen ihrer berechtigten Erwartung das Vereinsvermögen aufgrund der konzernrechtlichen Haftungstatbestände letztlich doch mittelbar mit dem aus der wirtschaftlichen Betätigung verbundenen Risiko belastet sei. 22 Im Zusammenhang mit dem Schutz der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft wird der erwähnte Hinweis des BGH auf die Haftung der Organträger kritisiert. Das Gesetz ordne deren Haftung neben der des herrschenden Unternehmens an, und Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Vereins könnten insoeingetragene Verein, Rn. 46a; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 21 Rn. 97; Steinbeck/ Menke, SpuRt 1998, 226, 229; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 200 ff. 17 Näher hierzu unter C.III. (S. 160 ff.). Entgegen Hüttemann/Meyer, LMK 2008, 256400 lässt sich BGH ZIP 2008, 364 (Kolping) nicht entnehmen, dass sich der BGH von dem Standpunkt des ADAC-Urteils gelöst hätte. 18 BGHZ 85, 84, 91. 19 Siehe insbesondere Reuter, ZIP 1984, 1052; Flume, BGB AT I/2, S. 106 f., 113 f. 20 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 21; Flume, BGB AT I/2, S. 106 f.; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 41 f.; Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52 f.; Lettl, DB 2000, 1449, 1450 f.; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1052; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 21, 22 f.; ders., Verbandszweck, S. 124 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 23 III 3 a (S. 672); Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein, S. 171 f.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1905 ff.; Weick in: Staudinger, § 21 Rn. 8; Wagner, NZG 1999, 469, 473 f. 21 Grundlegend K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 22 f.; ders., Verbandszweck, S. 124 ff.; zustimmend Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 50 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, vgl. auch Wagner, NZG 1999, 469, 474. 22 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 41; Segna, ZIP 1997, 1901, 106 f.; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1258; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 187 ff.
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weit durch die Organhaftung nicht kompensiert werden. 23 Schließlich wird in diesem Zusammenhang auf den Aspekt des Mitglieder- und Sozialschutzes hingewiesen. Die Zurechnung sei erforderlich um zu verhindern, dass durch die rechtliche und organisatorische Verselbstständigung der wirtschaftlichen Tätigkeit die Verwaltung und Verwendung des Vereinsvermögens dem Einfluss und der Kontrolle der Vereinsmitglieder entzogen wird. 24 Ebenso sei die Zurechnung erforderlich, um die Umgehung der Regelungen der Mitbestimmung zu verhindern. 25 b) Minderheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft Soweit der Verein an einer wirtschaftlich tätigen Kapitalgesellschaft lediglich eine Minderheitsbeteiligung hält, soll dies nach ganz h. M. keine Zurechnung begründen. 26 Als maßgeblich wird insoweit erachtet, dass der Verein unter diesen Voraussetzungen typischerweise keiner konzernrechtlichen Haftung ausgesetzt ist. Die Gegenauffassung wird von Reuter vertreten. 27 Seiner Ansicht nach spielt es keine Rolle, ob der Verein für die Verbindlichkeiten der Beteiligungsgesellschaft möglicherweise konzernrechtlich haftet. Maßgeblich sei vielmehr der Zweck des Mindestkapitals, als Surrogat persönlicher Haftung für eine gewisse Interessenparallelität zwischen den Gesellschaftern und den Gläubigern zu sorgen. Ohne das Erfordernis einer Eigenkapitalbeteiligung fehle es an einer »Risikobeteiligung« und die Gesellschafter bzw. Mitglieder könnten auf Kosten der Gläubiger wirtschaftliche Risiken eingehen, ohne eigene Nachteile fürchten zu müssen. Dieses Problem werde nicht dadurch gelöst, dass die wirtschaftliche Betätigung nicht durch den Verein selbst, sondern durch die Beteiligungsgesellschaft vorgenommen werde. Denn die Ausgliederung steigere noch das aufgrund der nicht vorhandenen wirtschaftlichen Beteiligung am Verein bestehende »Desinteresse der Mitglieder an der Vermeidung von Verlusten« und führe dazu, dass die Beteiligung letztlich zum »risikolosen Hobby von Funktionären« werde. 28
23 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 70; Flume, BGB AT I/2, S. 114; Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 51; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1052 ff. 24 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 41; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 13 f. 25 MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 17 f.; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 41; kritisch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 127. 26 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 40; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123; Balzer, ZIP 2001, 175, 182 Fn. 79; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 22 f.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 188 f.; Hemmerich, BB 1983, 26, 26; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229; Hadding, ZGR 2006, 137, 153; vgl. demgegenüber den Gesetzentwurf der SPD aus dem Jahr 1995, wonach jede Beteiligung über 5% zur Zurechnung führen sollte (BT-Drucks. 13/367, S. 12 f.). 27 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1056 ff.; MünchKommBGB/ders., §§ 21, 22 Rn. 11 f., 39. 28 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1057.
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c) Sonstige Beteiligungsformen Inwieweit sonstige Beteiligungsformen an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften zu einer Zurechnung führen, war bisher kaum Gegenstand der Diskussion. Lediglich vereinzelt findet sich die Aussage, dass eine Zurechnung dann zu erfolgen habe, wenn die hieraus resultierenden Risiken sich im Fall ihrer Realisierung unmittelbar zu Lasten des Vereins auswirken. 29 Auf dieser Grundlage ist von einer Zurechnung insbesondere dann auszugehen, wenn sich der Verein als persönlich haftender Gesellschafter an einer Personengesellschaft beteiligt.30 In die gleiche Richtung weist die Stellungnahme, wonach eine Zurechnung für den Fall vertreten wird, dass der Verein als »anderes Unternehmen« einen Unternehmensvertrag i. S. des § 291 AktG abschließt und hiernach gemäß § 302 AktG zum Verlustausgleich verpflichtet ist.31
II. Untersuchungsprogramm Im weiteren Verlauf gilt es, das dargestellte Meinungsbild einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und hierbei auch einigen bisher noch nicht behandelten Zurechnungsfragen nachzugehen. Zu diesem Zwecke werden zunächst die maßgeblichen Unterschiede zwischen dem Recht des Vereins und dem der Handelsvereine (AG, GmbH und Genossenschaft) sowie die Besonderheiten wirtschaftlicher Betätigung herausgearbeitet (C.). Sodann wird das Erfordernis einer Zurechnung zunächst mit Blick auf den Aspekt des Gläubigerschutzes (D.) und dann unter Berücksichtigung der sonstigen in Betracht kommenden Gesichtspunkte (E.) untersucht. Abschließend werden die Grenzen des so genannten Nebentätigkeitsprivilegs ausgelotet (F.) und die Konsequenzen der zurechnungsbegründeten Rechtsformverfehlung aufgezeigt (G.).
B. Grundlagen Die teleologisch-typologische Vereinsklassenabgrenzung hat sich als allen anderen Abgrenzungsversuchen überlegen erwiesen und ist ohne erkennbare Alternative. Ihre Berechtigung soll daher auch nachfolgend nicht infrage gestellt werden. Gleiches gilt für die daraus abgeleitete These, wonach die §§ 21, 22 BGB dem Umgehungsschutz dienen. Um zu bestimmen, in welchem Umfang der Aspekt des Umgehungsschutzes die Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung erfordert, ist es jedoch erforderlich, zwei in diesem Zusammenhang 29 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 124 f.; Segna, Non-Profit-Law Yearbook 2008, 39, 46 f. mit Fn. 34. 30 Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 46; Segna in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 46 f. Fn. 34. 31 Ausdrücklich Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229 f.
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wesentliche Aspekte näher zu beleuchten. Ersterer betrifft die Frage, in welchem Umfang die Regelungen des Vereinsrechts unter dem Gesichtspunkt des Gläubiger-, Verkehrs-, Mitglieder- und Sozialschutzes tatsächlich von denen für andere Gesellschaftsformen abweichen und wie diese Abweichungen zu bewerten sind (I.). Insoweit geht es letztlich darum festzustellen, was genau umgangen wird, wenn statt der Rechtsform der AG, GmbH oder Genossenschaft die des Vereins gewählt wird. Der zweite Aspekt betrifft die Annahme, dass die Auswirkungen der Defizite des Vereinsrechts von der Art der Betätigung abhängen oder anders gewendet, dass der wirtschaftlichen Betätigung im Vergleich zur nichtwirtschaftlichen Betätigung besondere Risiken anhaften (II.).
I. Die Besonderheiten des Vereins gegenüber den Handelsvereinen 1. Gläubigerschutzniveau Das Niveau des Gläubigerschutzes beim Idealverein kann sinnvollerweise nur mit dem solcher Gesellschaftsformen verglichen werden, die ebenfalls keine prinzipielle Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft vorsehen. Denn haftet den Gläubigern zumindest ein Gesellschafter persönlich, verliert der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen seine überragende Bedeutung.32 Maßstab für die Beurteilung der Gläubigerschutzmechanismen des Vereinsrechts müssen daher die sog. Handelsvereine, d. h. die Aktiengesellschaft, die GmbH sowie die eingetragene Genossenschaft sein.33 a) Kapitalausstattung Der auffälligste Unterschied zwischen dem Recht des eingetragenen Vereins und dem der Handelsvereine besteht hinsichtlich der Anforderungen an die Kapitalausstattung. Während das Vereinsrecht keinerlei Kapitalausstattungspflicht kennt, schreiben die §§ 7 AktG, 5 Abs. 1 GmbHG für die Aktiengesellschaft und die GmbH jeweils bestimmte Mindestkapitalziffern vor. Das GenG kennt zwar keine entsprechende Regelung, doch verlangt § 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG die Bestätigung eines Prüfungsverbandes, dass angesichts der Vermögenslage der Genossenschaft eine Gefährdung der Belange der Gläubiger nicht zu befürchten ist.34 Keine nennenswerte Kapitalausstattungspflicht besteht allein für die
32 Zum Dualismus von persönlicher Haftung und Vermögensbindung Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 534 ff.; Hadding, FG Zivilrechtslehrer 1934/1935, S. 147, 171. 33 Detaillierte Gegenüberstellungen bei Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 62 ff. 34 § 8a Abs. 1 GenG lässt nunmehr die Bestimmung eines freiwilligen Mindestkapitals zu, das allerdings nicht vergleichbar ist mit dem Mindestkapital des GmbHG und des AktG, da es nicht mit einer Pflicht zur Kapitalaufbringung einhergeht, sondern lediglich als Anknüpfungspunkt für eine Ausschüttungssperre dient (Hirte, DStR 2007, 2166, 2173). Hierzu auch noch sogleich unter b.
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Unternehmergesellschaft, die gemäß § 5a Abs. 1 GmbHG mit einem Stammkapital von lediglich 1 Euro gegründet werden kann.35 Um zu beurteilen, wie stark das mit der fehlenden Kapitalausstattungspflicht verbundene Defizit an Gläubigerschutz ist, bedarf es der Auseinandersetzung mit der Funktion entsprechender Pflichten. Das kapitalgesellschaftsrechtliche Konzept des Mindestkapitals ist primär darauf gerichtet, die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass unternehmerisches Risiko zur Insolvenz führt.36 Vor dem gleichen Hintergrund ist das Erfordernis des § 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG zu sehen.37 Zwar liegt es auf der Hand, dass auch ein noch so hohes Eigenkapital den Eintritt der Insolvenz nicht verhindern kann, wenn eine Gesellschaft dauerhaft Verluste generiert,38 doch ist ein entsprechender »Haftungspuffer« prinzipiell geeignet, vorübergehende Verluste abzufedern oder, mit anderen Worten, die mit wirtschaftlicher Betätigung stets einhergehende Volatilität auszugleichen.39 Der wesentliche Schwachpunkt der genannten Regelungen besteht indes darin, dass diese auf den Zeitpunkt der Gründung bezogen sind und mangels einer Pflicht zur Wiederauffüllung des Eigenkapitals keinerlei Gewähr dafür besteht, dass ein entsprechender »Risikopuffer« auch zu einem späteren Zeitpunkt noch vorhanden ist.40 Hinzu tritt, dass die Höhe des Mindestkapitals vor allem bei der GmbH mit 25.000 Euro anerkanntermaßen unzureichend ist, um einen effektiven »Haftungspuffer« zu begründen, und in keinerlei Zusammenhang mit der individuellen Risikostruktur der einzelnen Gesellschaft steht.41 35 Zur umfangreichen Diskussion zum Sinn und Zweck von Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen im Vorfeld der GmbH-Reform im Jahr 2008 u. a. Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, passim; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 133 ff.; Haas, DStR 2006, 993, 994 ff.; Blaurock, FS Raiser, S. 3, 9 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154 f.; ders., DStR 2001, 1937, 1942; Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88, 92 f.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 f.; Schön, Der Konzern 2004, 162, 165; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 182; aus früherer Zeit bereits Immenga, BB 1977, 957, 985; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 93. 36 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 557; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154. 37 Vgl. Beuthien, GenG, § 11 Rn. 7. 38 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 155; plastisch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 557 (unter Bezugnahme auf Würdinger): »Auch eine hohe Staumauer kann nicht verhindern, dass es nicht regnet«. Etwas anderes würde möglicherweise gelten, wenn, wie dies in einigen Mitgliedstaaten der EU der Fall ist (s. hierzu Oelkers, GesRZ 2005, 27 ff.; Enriques/Macey, Cornell Law Review Vol. 86 (2001), 1165, 1183 ff.), bereits eine bestimmte Unterdeckung des Mindestkapitals eine Liquidationspflicht begründen würde. 39 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 554 ff.; Lutter, ZGR 1982, 244, 249; Blaurock, FS Raiser, S. 3, 8; Priester, DB 2005, 1315, 1316; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 515 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154. Zum Zusammenhang zwischen der Eigenkapitalquote einer Gesellschaft und ihrer Insolvenzanfälligkeit Haas, Gutachten, E 126 f.; Meyer, GmbHR 2004, 1417, 1426 f. 40 Schön, Der Konzern 2004, 162, 165; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154 f., Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Haas, DStR 2006, 993, 995; vgl. auch Kallmeyer, GmbHR 2004, 377, 378. 41 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154; Kleindiek, ZGR 2006, 335, 350; Grunewald/No-
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Häufig wird daher von den Befürwortern eines Mindestkapitals auch argumentiert, seine Aufgabe beschränke sich darauf, eine Risikobeteiligung der Gesellschafter zu erzwingen, die ansonsten durch die Gründung einer Gesellschaft ohne die Gefahr eigener Verluste zulasten der Gläubiger spekulieren könnten.42 Der Zweck der Regelungen über das Mindestkapital wird demnach nicht in der Kompensation der mit wirtschaftlicher Betätigung einhergehenden Volatilität, sondern in der Verhinderung opportunistischen Verhaltens gesehen. Doch kann auch eine solche Reinterpretation des Mindestkapitalerfordernisses nicht überzeugen. Zum einen erscheint es bereits realitätsfremd, dass es Gesellschaftern bei Abwesenheit eines Mindestkapitalerfordernisses tatsächlich möglich wäre, ohne eigene Risikobeteiligung wirtschaftlich tätig zu werden. 43 Zumindest in diesem Punkt erscheint es nicht zu optimistisch, darauf zu vertrauen, dass das Fehlen einer gesetzlich angeordneten Risikobeteiligung durch privatautonome Vereinbarungen (z. B. Stellung persönlicher Sicherheiten) kompensiert würde. Davon unabhängig kann die Argumentation aber auch schon deshalb nicht überzeugen, weil die Gefahr opportunistischen Verhaltens umso mehr steigt, je stärker sich eine Gesellschaft der Insolvenz nähert. Weil in gleichem Maße aber auch die Risikobeteiligung der Gesellschafter sinkt, würde das Nominalkapital als Instrument zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens just in dem Augenblick versagen, in dem es am nötigsten gebraucht wird. Es bleibt schließlich nur noch das Argument, dass ein Mindestkapitalerfordernis als eine Art »Seriositätsschwelle« völlig mittellosen Gesellschaftern den Zugang zu den Kapitalgesellschaften verschließen könne.44 Dessen Überzeugungskraft wird indes von vornherein erheblich dadurch geschwächt, dass das Mindestkapital zum Zeitpunkt der Gründung nur zu einem Teil aufgebracht werden muss.45 Im Übrigen ist ohnehin wenig dadurch gewonnen, den beschriebenen »Habenichtsen« den Zugang zu bestimmten Rechtsformen zu verweigern, da von ihnen als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Einzelack, GmbHR 2005, 189, 190; Schön, Der Konzern 2004, 162, 165; Merkt, ZGR 2004, 305, 317. 42 Kleindiek, ZGR 2006, 335, 341 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 565; Teichmann, NJW 2006, 2444; vgl. auch Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1731. Speziell im Hinblick auf die Vereinsklassenabgrenzung bereits Reuter, ZIP 1984, 1052, 1056 ff.; sowie zuletzt ders. in: NonprofitOrganisationen, S. 307, 309, der sich hierbei auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zur GmbH-Reform von 1980 beruft, wonach das Mindestkapital primär eine »erzieherische Funktion« habe (BT-Drucks. 8/3908 S. 69). 43 Vgl. Mülbert, EBOR Vol. 7 (2006), 357, 386; Haas, DStR 2006, 993, 995; Meyer, GmbHR 2005, 807, 812 f. m. w. N.; zu den Gründen Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 197 ff. 44 U. a. Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 383, 385; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 565; Hommelhoff, WM 1997, 2101, 2107; Schön, ZHR 166 (2002), 1, 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 4 (S. 523); Oelkers, GesRZ 2004, 360, 364. 45 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 158; Haas, DStR 2006, 993, 993; vgl. auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.25 f.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189, 189; Eidenmüller, FS Heldrich, S. 581, 593.
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handelskaufmann tendenziell sogar noch größere Risiken für die Gläubiger ausgehen.46 Überzeugender erscheint es da schon, das Argument der Seriositätsschwelle mit dem der Risikobeteiligung zu kombinieren und dahingehend zu verstehen, dass die Notwendigkeit, einen Beitrag aus dem Privatvermögen beizusteuern, ein sinnvoller Test auf die Ernsthaftigkeit des unternehmerischen Vorhabens sei.47 Doch gilt auch insoweit der Einwand, dass es Gründern realistischerweise ohnehin nicht gelingen wird, ohne eigene Risikoübernahme unternehmerisch tätig zu werden. Resümierend ist daher festzustellen, dass die Bedeutung der im Recht der Handelsvereine vorgesehenen Regelungen, welche eine bestimmte Eigenkapitalausstattung verlangen, als Instrument des Gläubigerschutzes wohl zu vernachlässigen ist. Dass das Vereinsrecht keine vergleichbaren Vorschriften kennt, vermag daher letztlich auch nicht zu begründen, weshalb Vereinen eine eigene oder externe wirtschaftliche Betätigung versagt bleiben sollte. Erst Recht gilt das, wenn man berücksichtigt, dass durch Einführung des § 5a GmbHG die wirtschaftliche Betätigung bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung nunmehr auch ohne nennenswerte Kapitalaufbringung möglich ist. b) Ausschüttungssperren Wichtige Unterschiede zwischen dem Vereinsrecht und dem Recht der Handelsvereine bestehen bezüglich der Regelungen, die die Zulässigkeit von Vermögensausschüttungen an Mitglieder betreffen. Für die Aktiengesellschaft enthält § 57 Abs. 1 AktG eine Regelung, die nach einhelliger Auffassung dahingehend zu verstehen ist, dass jede Leistung der Aktiengesellschaft an die Aktionäre verboten ist, wenn sie nicht aus dem Bilanzgewinn erfolgt oder ausnahmsweise gesetzlich zugelassen ist.48 Effektuiert wird dieses Ausschüttungsverbot dadurch, dass ein Teil der Rücklagen der Umwandlung in ausschüttungsfähigen Gewinn entzogen ist (vgl. § 150 Abs. 1, 4, 272 Abs. 2 Nr. 1–3 AktG). Für die GmbH verbietet § 30 Abs. 1 GmbHG die Auskehr von Vermögen, das erforderlich ist, um die Stammkapitalziffer abzudecken. Im Fall der Unternehmensgesellschaft spielt § 30 Abs. 1 GmbHG zwar eine untergeordnete Rolle, doch wird dies partiell dadurch kompensiert, dass § 5a Abs. 3 GmbHG die Begründung einer gesetzlichen Rücklage vorschreibt, die nicht ausgeschüttet werden darf. Im Genossenschaftsrecht knüpft die Ausschüttungssperre des § 22 Abs. 4 GenG an das Geschäftsguthaben des Mitgliedes, welches aus dessen Einlage zuzüglich eventueller Gewinnzuweisungen besteht.49 Allerdings ist der Anwendungsbereich der Regelung auf die Zeit der 46
Haas, DStR 2006, 993, 995. So Teichmann, NJW 2006, 2444, 2446; Kleindiek, ZGR 2006, 335, 341 ff. 48 Hüffer, AktG, § 57 Rn. 2 m. w. N. 49 Zur Erstreckung von § 22 Abs. 4 GenG auf verdeckte Erstattungen BGH NJW-RR 1997, 984, 985. 47
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Mitgliedschaft beschränkt und verhindert nicht, dass einem Mitglied im Fall seines Ausscheidens das Geschäftsguthaben ausgezahlt wird (vgl. § 73 Abs. 2 GenG). Die Anordnung einer auch für die Auseinandersetzung geltenden Ausschüttungssperre ist jedoch seit der Reform des Genossenschaftsrechts im Jahr 2006 zumindest im Wege der Satzungsbestimmung möglich (§ 8a GenG). 50 Das Vereinsrecht kennt keine ausdrückliche Ausschüttungssperre. Insbesondere Anhaltspunkte für ein Gewinnausschüttungsverbot sind nicht ersichtlich.51 Eine schrankenlose Vermögensausschüttung kommt aber auch beim Verein nicht in Betracht. Die Zulässigkeitsgrenze ist erreicht, wenn zur Gläubigerbefriedigung erforderliches Vermögen an die Mitgliedschaft ausgekehrt wird. Das folgt aus dem im Recht der GmbH entwickelten Existenzvernichtungsverbot, welches letztlich nichts anderes als Ausdruck der besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals ist. Ungeachtet der gegenteiligen Einschätzung des BGH in der Kolping-Entscheidung52 findet das Existenzvernichtungsverbot auch auf den Verein Anwendung.53 Im Ergebnis existiert daher auch für diesen eine Ausschüttungssperre, die im Gegensatz zu den Ausschüttungssperren im Recht der Handelsvereine allerdings auf das Fremdkapital beschränkt ist und keine Eigenkapitalkomponente umfasst. Zur Bewertung der Regelungsunterschiede zwischen dem Recht des Vereins und dem der Handelsvereine kommt es entscheidend darauf an, welchen Vorteil eigenkapitalumfassende Ausschüttungssperren gegenüber der auf das Fremdkapital beschränkten Ausschüttungssperre des Existenzvernichtungsverbots haben. Traditionell wird die Funktion der kapitalgesellschaftsrechtlichen Ausschüttungssperren darin gesehen, den Insolvenzeintritt infolge der Realisation unternehmerischer Risiken zu verhindern (Insolvenzprophylaxe).54 Indem sie Eigenkapital in der Gesellschaft binden, sorgen Ausschüttungssperren für einen Haftungspuffer, der dazu dient, vorübergehende Verluste »abzufedern«. 55 Im Gegensatz zu den Kapitalaufbringungsvorschriften haben Ausschüttungssperren insoweit den Vorteil, dass sie nicht nur in der Gründungsphase, sondern während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft Wirkung entfalten. Zwar 50
Hierzu Hirte, DStR 2007, 2166, 2173. Soergel/Hadding, § 38 Rn. 18a, a. A. Reuter, NZG 2004, 217, 218 f.; ders. in: MünchKommBGB, § 54 Rn. 5; ders., Non Profit Law Yearbook 2007, S. 63, 71 ff.; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123 f.; von Hippel in: Nonprofit-Organisationen, S. 35, 41 f. Hiervon zu unterscheiden sind die üblichen statutarischen Ausschüttungssperren (vgl. Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 628), die Vereinen von den Finanzbehörden vorgeschrieben werden, um als gemeinnützig anerkannt zu werden (vgl. Formulierung bei Sauter/ Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 628). 52 BGHZ 175, 12 Tz. 27. 53 Im Einzelnen in § 13 C. 54 Siehe nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 552 ff. 55 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444, 2446; Haas, DStR 2006, 993, 998; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942; ders./Birke, EBOR Vol. 3 (2002), 695, 718 f.; Roth, ZGR 1991, 170, 177; Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, S. 47. 51
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werden die Gesellschafter grundsätzlich schon im eigenen Interesse vorübergehende Verluste mit Eigenkapital kompensieren, solange sie mittel- und langfristig noch Vertrauen in die Ertragskraft ihrer Gesellschaft haben. Doch dürften zwingende Regelungen der Selbstdisziplinierung dienen und zudem in Konstellationen Wirkung entfalten, in denen die zukünftige Ertragskraft ungewiss ist. Die Effektivität der insolvenzprophylaktischen Wirkung hängt indes offenkundig von der Höhe des durch die Ausschüttungssperre erzwungenen Eigenkapitalpuffers sowie dessen Relation zur Risikostruktur der konkreten unternehmerischen Betätigung ab. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf insoweit der Vergleich des Gläubigerschutzniveaus des Vereins mit dem der GmbH. Bedenkt man, dass die §§ 30, 31 GmbHG in der Praxis zumeist lediglich zur Bindung des mit 25.000 Euro bemessenen Mindestkapitals dienen, erscheint vor diesem Hintergrund im höchsten Maße zweifelhaft, ob sie tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur Insolvenzprophylaxe erbringen.56 Richtigerweise wird man vielmehr davon auszugehen haben, dass zumindest heutzutage die primäre Funktion der §§ 30, 31 GmbHG nicht mehr in der Insolvenzprophylaxe besteht, sondern darin zu verhindern, dass im Vorfeld der Insolvenz Vermögen auf die Gesellschafter verlagert und dadurch die Vorrangstellung der Gläubiger missachtet wird.57 Im Fokus steht insoweit nicht die Gefährdung der Gläubiger durch unternehmerische Risiken, sondern die Abwehr opportunistischen Verhaltens der Gesellschafter. Redefiniert man die Funktion der §§ 30, 31 GmbHG in dieser Weise, gelangt man indes in unmittelbare Nähe zu dem auch für den Verein geltenden Existenzvernichtungsverbot, dessen Aufgabe ebenfalls darin besteht, die Vorrangstellung der Gläubiger durch die Verhinderung einer »kalten Liquidation« sicherzustellen.58 Dass das Existenzvernichtungsverbot in verschiedener Hinsicht sogar besser geeignet ist, dieses Ziel zu verwirklichen, wird durch seine Genese als Instrument zur Kompensation der Schwächen der Kapitalerhaltungsvorschriften belegt. Diese Schwächen bestehen unter anderem darin, dass die §§ 30, 31 GmbHG aufgrund ihrer rein bilanziellen Ausrichtung nicht in der Lage sind, die mittelbare Vernichtung von Fremdkapital durch den Abzug nicht bilanzwirksamer Vermögenswerte (insbesondere Liquidität) zu erfassen. Doch schließt dieser Zusammenhang nicht aus, dass die §§ 30, 31 GmbHG mit Blick auf das Anliegen, die Vorrangstellung der Gläubiger zu sichern, umgekehrt bestimmte Vorzüge aufweisen, die dazu führen, dass sie für die GmbH im Zusammenspiel mit dem Existenzvernichtungsverbot ein höheres Gläubigerschutzniveau begründen als dies beim Verein der Fall ist, wo es sich beim Existenzvernichtungsverbot um das einzige Gläubigerschutzinstrument han56
Haas, DStR 2006, 993, 998. Haas, ZIP 2006, 1373, 1374; ders., DStR 2006, 993, 999 f.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 159. 58 Zu diesem Zusammenhang auch Haas, DStR 2006, 993, 999 f. 57
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delt. Tatsächlich besteht ein solcher Vorzug darin, dass die §§ 30, 31 GmbHG neben dem mutmaßlich zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Vermögen zusätzlich mindestens 25.000 Euro Eigenkapital erfassen. Entsprechendes gilt auf niedrigerem Niveau gemäß § 5a Abs. 3 GmbHG bei der Gewinn erzielenden Unternehmensgesellschaft. Zur Sicherung der Vorrangstellung der Gläubiger wäre dies nur dann nutzlos, wenn man davon ausgehen könnte, dass das zu einem bestimmten Stichtag als Fremdkapital ausgewiesene Vermögen auch tatsächlich genügen würde, um im Rahmen einer anschließenden Verwertung sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Eine solche Annahme wäre jedoch realitätsfremd.59 Regelmäßig sind mit der wirtschaftlichen Betätigung fortlaufende Verbindlichkeiten verbunden, deren Entstehung nicht kurzfristig eingestellt werden kann (insbesondere Lohnverpflichtungen) und die dazu führen, dass während des Abwicklungsverfahrens in nicht unerheblichem Maße zusätzliche Verluste entstehen. Dem trägt zwar auch das Existenzvernichtungsverbot Rechnung, dessen Reichweite sich nicht nach handelsbilanziellen Grundsätzen bestimmt und das daher in seiner Funktion als Ausschüttungssperre häufig oberhalb der handelsbilanziellen Nulllinie und in Einzelfällen sogar oberhalb der Stammkapitalziffer eingreifen dürfte. 60 Doch ändert das nichts daran, dass eigenkapitalumfassende Ausschüttungssperren wie die der §§ 30, 31 GmbHG partiell das Risiko der Fehlprognose des zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Vermögens durch eine Art Risikoaufschlag typisierend den Gesellschaften zuweisen und hierdurch die Gläubiger entlasten. Auch wenn sich dies nicht in jedem Einzelfall auswirken mag, so führt es doch abstrakt zu einer Erhöhung des Gläubigerschutzniveaus. Im Ergebnis begründet daher der Umstand, dass das Vereinsrecht keine eigenkapitalumfassende Ausschüttungssperre vorsieht, ungeachtet der Schwächen der §§ 30, 31 GmbHG ein Defizit im Niveau des Gläubigerschutzes gegenüber den Handelsvereinen im Allgemeinen sowie der GmbH im Besonderen. Dieses Defizit wird durch die Anerkennung der Anwendbarkeit des Existenzvernichtungsverbots auf den Verein zwar erheblich relativiert, nicht aber beseitigt. 61 c) Rechnungslegung und Publizität Unterschiede bestehen auch bezüglich der Rechnungslegungs- und der Publizitätsvorschriften. 62 Das BGB selbst sieht lediglich vor, dass der Vorstand nach Maßgabe des Auftragsrechts verpflichtet ist, eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben zu erstellen. Nimmt man diese Verweisung beim Wort, besteht diese Verpflichtung sogar nur am Ende seiner Amtszeit. Sofern 59 60 61 62
Hierzu und zum Folgenden Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94 f. Unten § 12 C.IV.2.b. (S. 373 f.). Vgl. auch Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 160; Haas, DStR 2006, 993, 998. Im Einzelnen unten § 8 (S. 222 ff.).
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der Verein aufgrund wirtschaftlicher Betätigung als Kaufmann zu qualifizieren ist, kommt zwar ergänzend eine Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht aufgrund der §§ 238 ff. HGB in Betracht. Diese ist jedoch ihrem Umfang nach auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins beschränkt und umfasst nicht auch seinen nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich. Eine Prüfungs- und Publizitätspflicht existiert für den Verein nicht. Insbesondere folgt sie nicht aus dem PublG, da dessen Anwendungsbereich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 PublG auf den konzessionierten Verein beschränkt ist. Die entsprechenden Vorschriften für die Handelsvereine sind demgegenüber bekanntlich wesentlich weitreichender. Als Kapitalgesellschaften unterliegen die AG und die GmbH den strengen Rechnungslegungsvorschriften der §§ 264 ff. HGB, welche detaillierte Vorgaben für die Gestaltung des Jahresabschlusses und die Erstellung eines Lageberichts enthalten. 63 Für die Genossenschaft gilt im Wesentlichen das Gleiche aufgrund der Regelung des § 336 HGB. Eine Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses folgt für Kapitalgesellschaften aus den §§ 316 ff. HGB und für die Genossenschaft aus § 53 GenG, die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses durch Einreichung beim Handels- bzw. Genossenschaftsregister ergibt sich aus den §§ 325 Abs. 1, Abs. 2, 339 HGB. 64 Bezüglich der Bewertung der festgestellten Regelungsdefizite gilt es zu beachten, dass den Rechnungslegungs- und Publizitätsvorschriften unter verschiedenen Aspekten gläubigerschützende Wirkung zugemessen wird. 65 So sollen die Regelungen der Rechnungslegung dazu dienen, ihre Adressaten zur Selbstkontrolle über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft anzuhalten. 66 Dies wird als Voraussetzung dafür angesehen, Fehlentwicklungen gegenzusteuern und eine nicht mehr profitable Gesellschaft gegebenenfalls rechtzeitig zu liquidieren. 67 Daneben sollen die Rechnungslegungsvorschriften im Zusammenhang mit Publizitätspflichten kreditgewährenden Gläubigern als Informationsquelle dienen. 68 Dem liegt offensichtlich die Vorstellung zu Grunde, die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Lage einer Gesellschaft gebe den Gläubigern die Möglichkeit, die Ausfallwahrscheinlichkeit ex ante abschätzen zu
63 Eine Ausnahme von der Verpfl ichtung zur Erstellung eines Lageberichts sieht § 264 Abs. 1 HGB allerdings für kleine Kapitalgesellschaften vor. 64 Zur gläubigerschützenden Funktion der Publizitätspfl ichten MünchKommHGB/Fehrenbacher, § 325 Rn. 6. 65 Umfassend Merkt, Unternehmenspublizität, S. 249 ff., 316 ff. 66 So wird kritisiert, die kraft Gesetzes erforderliche Einnahmen- und Ausgabenrechnung reiche zur Selbstkontrolle der Verwaltungsorgane nicht aus, weil sich ihr nicht einmal die Insolvenztatbestände entnehmen ließen (Walz in: Nonprofit-Organisationen, S. 259, 263; Segna, DStR 2006, 1568, 1570). 67 Haas, Gutachten, E 105; K. Schmidt, Handelsrecht, § 15 I 2 (S. 414); siehe auch BGHZ 125, 366, 377. 68 BGHZ 125, 366, 377. Siehe auch § 8 B.II.1.b. (S. 228 f.) zum Schutzzweck des PublG.
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können und hierauf durch einen Risikoaufschlag oder die Verweigerung des Vertragsschlusses zu reagieren. Unter dem Aspekt der Selbstkontrolle kann ein Schutzdefizit des Vereinsrechts nicht geleugnet werden. Auch wenn viele Großvereine inzwischen freiwillig ein an handelsrechtlichen Standards orientiertes Rechnungs- und Prüfungswesen eingerichtet haben, bleiben Zweifel an der Leistungsfähigkeit eines solchen auf Freiwilligkeit basierenden Systems. 69 Etwas anders liegen die Dinge in Bezug auf das Fehlen einer Publizitätspflicht. Denn von Gläubigern, die in der Lage sind, ihr Verhalten an der externen Rechnungslegung ihres Vertragspartners zu orientieren, kann auch erwartet werden, dass sie auf das Fehlen entsprechender Informationen durch Nichtabschluss eines Vertrages oder die Forderung eines Risikoaufschlags reagieren. Auf diese Weise sind sie nicht nur zum Selbstschutz in der Lage, sondern üben auch Druck auf die Vereine aus, freiwillig ihre Abschlüsse zu publizieren.70 d) Qualitätsanforderungen und Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter Weitere Regelungsdifferenzen zwischen dem Recht des Vereins und dem der Handelsvereine bestehen im Hinblick auf die Qualitätsanforderungen und die Verantwortlichkeit der geschäftsführenden Organe. Während das Recht der AG und der GmbH bestimmte Ausschlusstatbestände enthält, die es Personen verwehren, eine entsprechende Organstellung einzunehmen – zu nennen ist vor allem die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat innerhalb der letzten fünf Jahre (§ 76 Abs. 3 S. 3 AktG, § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG) –, kennt das Vereinsrecht – wie allerdings auch das Genossenschaftsrecht (vgl. § 24 GenG) – keine entsprechenden Regelungen. 71 Was die Verantwortlichkeit der geschäftsführenden Organe anbetrifft, sieht das Gesetz grundsätzlich zwar auch für den Vereinsvorstand eine Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit vor (§§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 S. 1, 662 BGB i. V. m. § 27 Abs. 3 BGB), die inhaltlich nicht hinter der Haftung aus den §§ 93 Abs. 2 S. 1 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG, 34 Abs. 2 S. 1 GenG zurücksteht. 72 Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes relevant ist aber auch, inwieweit Abweichungen vom gesetzlichen Normalstatut möglich sind. Insoweit ist zu beachten, dass das Vereinsrecht in § 40 BGB die auf das Auftragsrecht verweisende Vorschrift des § 27 Abs. 3 BGB für dispositiv erklärt. Hiernach kann insbeson69 Segna in: Wie viel Prüfung braucht der Verein – wie viel Prüfung verträgt die Genossenschaft? S. 7, 16 ff. 70 Zum Schutz unfreiwilliger Gläubiger (insbesondere Deliktsgläubiger) scheiden Publizitätsvorschriften von vornherein aus. 71 Ausführlich zur GmbH Haas, WM 2006, 1369 ff. 72 Die Haftungserleichterungen der §§ 521, 599, 690 BGB sind nach h. M. nicht anwendbar (BGH BB 74, 100; MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rn. 53 ff. str.). Die im Jahr 2009 eingefügte Haftungsbeschränkung des § 31a BGB für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder (hierzu Reuter, NZG 2009, 1368, 1369 ff.) kann im vorliegenden Zusammenhang vernachlässigt werden.
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dere der Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB abgemildert, d. h. etwa die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Als Grenze greift lediglich § 138 Abs. 1 BGB ein.73 Im Aktien- und Genossenschaftsrecht ist Entsprechendes aufgrund der insoweit geltenden Satzungsstrenge ausdrücklich ausgeschlossen (§ 23 Abs. 5 AktG, § 18 S. 2 GenG). Für die GmbHG ist die Frage der Dispositivität des § 43 Abs. 1 GmbHG umstritten. 74 Unterschiede bestehen auch im Zusammenhang mit der Insolvenz. So existiert in Form von § 42 Abs. 2 BGB auch für die Vorstandsmitglieder des Vereins eine Insolvenzantragspflicht, deren schuldhafte Verletzung eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung nach sich zieht. 75 Es fehlt jedoch an einer Haftung für masseschmälernde Handlungen, wie sie für die Handelsvereine in den §§ 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG vorgesehen ist. 76 Ebenso ist die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Vereinsvorstand anders als bei den Handelsvereinen (§ 15a Abs. 4 InsO) nicht strafbewährt.77 Im Rahmen einer Bewertung der geschilderten Regelungsdefizite ist zu bedenken, dass Insolvenzen ihre Ursache häufig in Managementfehlern haben und es sich bei den der Disziplinierung der Geschäftsleiter dienenden Regelungen um ein wichtiges Element des Gläubigerschutzes handelt.78 Das gilt für Regelungen, die bestimmte Qualitätsanforderungen an die Person des Geschäftsleiters stellen, 79 in gleicher Weise wie für haftungsbewährte Verhaltenspflichten. 80 Die hier festgestellten Regelungsdefizite des Vereinsrechts begründen daher auch ein Defizit an Gläubigerschutz. Ist der wirtschaftliche Niedergang nicht mehr abzuwenden, dient die Insolvenzantragspflicht dazu, den Ausfallschaden der bereits existierenden Gesellschaftsgläubiger zu minimieren und zu verhindern, dass weitere (Neu-)Gläubiger geschädigt werden. Als Instrument des Gläubigerschutzes kommt ihr daher zentrale Bedeutung zu. 81 Im Insolvenzverfahren stellt die persönliche Inanspruchnahme von Organen für den Insolvenzverwalter ein wichtiges Mittel zur Generierung von Insolvenzmasse dar. Inwieweit diese Bemühungen von Erfolg 73
MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 37. Umfangreiche Nachweise bei Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 4. 75 Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 69 f. 76 Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf den Verein ablehnend OLG Hamburg ZIP 2009, 757; Koza, DZWIR 2008, 98; a. A. Passarge, ZInsO 2005, 176; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; MünchKommBGB/Reuter, § 42 Rn. 17. Hierzu noch unter § 12 C.II.2.c. (S. 367 ff.). 77 § 15a Abs. 4 InsO findet entgegen seinem Wortlaut nicht auf den Verein Anwendung, Brand/Reschke, NJW 2009, 2343 ff. m. w. N. 78 Ausführlich für die GmbH Haas, WM 2006, 1417 ff. 79 Fleischer, ZGR 2004, 437, 472 ff. mit rechtsvergleichenden Hinweisen. 80 RGZ 46, 60, 61 (für die Genossenschaft); Haas, WM 2006, 1417; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 1; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rn. 12 Fn. 20. 81 Statt vieler Haas, Gutachten, E 23 f. 74
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gekrönt sind, hängt maßgeblich von der Effektivität der dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehenden Anspruchsgrundlagen ab. Insoweit erweist sich die im Recht der Handelsvereine vorgesehene Haftung für masseschmälernde Handlungen im Vergleich zur Haftung wegen Insolvenzverschleppung als wesentlich effektiver. Denn der für Letztere maßgebliche Quotenschaden kann, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand festgestellt werden. 82 Demgegenüber stellt sich die Inanspruchnahme aus den §§ 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG als vergleichsweise komfortabel dar. Der Insolvenzverwalter trägt lediglich die Darlegungs- und Beweislast für den Insolvenzeintritt sowie den Zahlungsvorgang. Demgegenüber hat der Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen, dass durch die Zahlung keine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist. 83 Resümierend lässt sich festhalten, dass die Unterschiede zwischen der Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter im Recht des Vereins und dem der Handelsvereine durchaus relevant sind und wohl im Vergleich zu den zuvor festgestellten Regelungsdefiziten am schwersten wiegen. Dass das Gläubigerschutzniveau des Vereins in der Folge hinter dem der Handelsvereine zurückbleibt, lässt sich nicht in Abrede stellen. 2. Verkehrsschutzniveau Defizite gegenüber anderen Gesellschaftsformen werden dem Vereinsrecht auch unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes nachgesagt. 84 Bei genauerer Betrachtung erweisen sich diese indes als nicht sonderlich gravierend. Einzig relevant ist die im Gegensatz zu den übrigen Gesellschaftsformen (vgl. §§ 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 27 Abs. 2 S. 1 GenG, 126 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) bestehende Möglichkeit, die Vertretungsmacht des Vorstandes durch die Satzung mit Wirkung gegenüber Dritten einzuschränken (§ 26 Abs. 1 S. 3 BGB). Im Übrigen sieht das Vereinsrecht zwar anders als das Handelsrecht nur eine negative Publizität des Vereinsregisters vor (§§ 68, 70 BGB). Insoweit ist jedoch zu beachten, dass Vereine, sobald sie ein Handelsgewerbe betreiben, gemäß der §§ 33 ff. HGB zusätzlich zum Handelsregister anzumelden sind. 85 Die Anmeldung umfasst unter anderem die Bestellung der einzelnen Vorstandsmitglieder und deren Vertretungsmacht sowie etwaiger Änderungen. Kommt der Verein dieser Verpflichtung nach, findet auch die positive Publizität des § 15 Abs. 3 HGB Anwendung. Ebenso wird der Verein, der ein Handelsgewerbe betreibt, von der Auffangvorschrift des § 37a HGB betreffend der Angaben auf Ge82
Passarge, ZInsO 2005, 176, 177 f. Im Einzelnen Haas, NZG 2004, 737, 743. 84 Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 65 f., 67 f. Näher zum Topos des Verkehrsschutzes Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, S. 52 ff., insbesondere S. 60 ff. 85 Vgl. MünchKommHGB/Lieb, § 33 Rn. 2. 83
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schäftsbriefen erfasst, so dass auch insoweit das Fehlen von Spezialvorschriften (vgl. §§ 80 AktG, 35a GmbHG, 25a GenG) letztlich nicht ins Gewicht fällt. 3. Mitgliederschutzniveau Bei der Betrachtung des vereinsrechtlichen Mitgliederschutzniveaus ist zwischen Konflikten im Verhältnis der Mitgliedermehrheit zur Mitgliederminderheit und dem Prinzipal-Agent-Konflikt zwischen der Mitgliedergesamtheit und dem Vereinsvorstand zu unterscheiden. Was zunächst den Aspekt des Minderheitenschutzes anbetrifft, so erscheinen die Abweichungen zum Recht der Handelsvereine nicht sonderlich relevant. Zwar führt die Dispositivität des § 33 BGB dazu, dass einer einfachen Mehrheit die Kompetenz zur Satzungsänderung zusteht. Besonders bedrohlich ist das gleichwohl nicht, wenn man bedenkt, dass die Gefahr der Beherrschung einer Minderheit durch die Mehrheit beim Verein aufgrund der normtypischen Abstimmung nach Köpfen wesentlich geringer ist als bei Kapitalgesellschaften. 86 Insoweit erscheint es ausreichend, dass ein Schutz vor rechts- bzw. satzungswidrigen Beschlüssen sowie von der Mehrheit tolerierten Kompetenzübergriffen des Vorstandes existiert. Beides ist gewährleistet. Was fehlerhafte Beschlüsse anbetrifft, so sind diese entweder ipso iure nichtig (so die h. M.) oder zumindest anfechtbar (sofern man die §§ 241 ff. AktG analog anwendet). 87 Gegenüber von der Mitgliedermehrheit initiierten Kompetenzübergriffen der Verwaltung steht jedem einzelnen Mitglied die Abwehrklage (actio negatoria) zur Verfügung, die als allgemeines Institut des Verbandsrechts auch im Recht des Vereins Anwendung findet. 88 Schwieriger liegen die Dinge im Verhältnis der Mitglieder zum Vereinsvorstand. Stellt man formal darauf ab, dass der Mitgliederversammlung gemäß §§ 27 Abs. 3, 665 BGB ein Weisungsrecht gegenüber dem Vereinsvorstand zusteht, erscheint ein Defizit an Mitgliederschutz zwar ausgeschlossen. Denn auf Grundlage des Weisungsrechts kann die Mitgliederversammlung in geradezu beliebiger Weise auf den Vorstand Einfluss nehmen und diesen überwachen. Dass einzelne im Gesetz vorgesehene Rechte hinter denen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zurückbleiben, spielt hiernach keine Rolle mehr. Denn der Mitgliederversammlung ist es unbenommen, in Ausübung ihrer Weisungsbefugnis Kontrollsysteme zu installieren und der Verwaltung über die § 27 Abs. 3 BGB i. V. m. § 666 BGB hinausgehende Informationspflichten aufzuerlegen. 89 Ebenso wäre es ohne weiteres möglich, dass die Mitgliederversammlung in Anlehnung an die §§ 142 ff. AktG eine Art Sonderprüfung anordnet. 86
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 406. Zur analogen Anwendung der §§ 241 ff. AktG § 10 B.II.4.d.(3) (S. 286 ff.). 88 Ausführlich zum Minderheitenschutz im Verein § 12 (S. 344 ff.). 89 Ausführlich zum Umfang der gesetzlichen Informationsansprüche und -pfl ichten Haas/ Scholl, FS Hadding, S. 365 ff. 87
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Der positive Befund relativiert sich indes bei näherer Betrachtung. Die effektive Ausübung der bestehenden Kontrollrechte setzt nämlich ein bestimmtes Maß an Handlungsfähigkeit der Mitgliederversammlung als Organ voraus, die zumindest bei Publikumsvereinen kaum gegeben sein dürfte. Das liegt zum einen daran, dass eine effektive Überwachung des Vereinsvorstandes eine Tagungsfrequenz voraussetzen würde, die ab einer bestimmten Mitgliederzahl kaum zu erfüllen sein dürfte.90 Die Anerkennung einer ungeschriebenen Vorlagepflicht91 vermag insoweit nur bedingt Abhilfe zu schaffen, da sie der Mitgliederversammlung nur die Reaktion, nicht aber die Entfaltung eigener Initiative ermöglicht. Zum anderen erweist sich aber auch die Willensbildung als solche problematisch. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass Vorschläge zur Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung des Vorstandes von diesem kaum zu erwarten sein dürften und daher von den Mitgliedern initiiert und als Beschlussanträge in der Mitgliederversammlung eingebracht werden müssten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es überhaupt gelingt, entsprechende Beschlussgegenstände auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung zu setzen. Ein Recht hierzu ist zwar anerkannt, doch setzt dieses aufgrund seiner Ableitung aus § 37 Abs. 1 BGB ein Quorum von 10% der Mitglieder voraus.92 Dessen Erreichen ist zumindest bei Vereinen mit anonymer Mitgliederstruktur unrealistisch. Im Ergebnis wiegt es daher schwer, dass der Gesetzgeber im Unterschied zur Publikums-AG, wo eine ähnliche Problematik besteht, für den Verein davon abgesehen hat, in Form eines Aufsichtsrats ein deutlich flexibleres und somit geeigneteres Überwachungsorgan zu installieren.93 Verstärkt wird die Problematik durch die Schwächen der Rechnungslegungsund Publizitätsvorschriften sowie den Umstand, dass es anders als im Recht der Handelsvereine den Vereinsmitgliedern auf Grundlage der gesetzlichen Regelung nicht möglich ist, aus diesem gegen Erhalt einer Abfindung auszuscheiden.94 Letzteres folgt daraus, dass § 38 S. 1 BGB die Übertragung der Mitgliedschaft gegen Entgelt ausschließt und – anders als etwa im Recht der Genossenschaft (§ 73 GenG) – für den Fall des Ausscheidens kraft Gesetz keine Abfindung aus dem Vereinsvermögen vorgesehen ist.95 Die Verwaltung muss daher nicht befürchten, dass eine mitgliederfeindliche Geschäftspolitik durch einen mit 90
Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 225 ff., 409: »totes Recht«. Oben § 4 C.III. (S. 107 ff.). 92 OLG Hamm MDR 1973, 929; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 226; Soergel/Hadding, § 37 Rn. 4; Weick in: Staudinger, § 37 Rn. 17. 93 Vgl. auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 393 f. Im Genossenschaftsrecht existiert mit der Pflichtprüfung (§§ 53 ff. GenG) ein wichtiges Instrument zur Kontrolle des Vorstandes. 94 Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft, S. 23. Unzutreffend Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 50, die meint, Vereinsmitglieder könnten jederzeit ohne wirtschaftlichen Nachteil aus dem Verein austreten. 95 Zur Möglichkeit statutarischer Abfindungsregelungen Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 15 ff. 91
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Vereinsaustritten einhergehenden Abzug materieller Ressourcen sanktioniert wird.96 4. Sozialschutzniveau Unter den Begriff des »Sozialschutzes« werden Regelungen diskutiert, die dazu dienen, ein sozial verantwortungsbewusstes Verhalten der Entscheidungsträger zu gewährleisten.97 Wie oben im Rahmen des Meinungsüberblicks skizziert, wird dem Verein ein Defizit im Sozialschutzniveau gegenüber den Handelsvereinen attestiert, aufgrund dessen die Entstehung von Konzernen, die von Vereinen angeführt werden, zu verhindern sei. Konkret bezieht man sich hierbei auf Defizite bei den Publizitätsvorschriften und den Regelungen betreffend die Unternehmensmitbestimmung.98 Was zunächst die auf die Publizitätsvorschriften gestützte Annahme eines Defizits im Sozialschutzniveau anbetrifft, erweist sich diese Argumentation indes als nicht plausibel. Zwar sind die Publizitätsvorschriften insofern defizitär, als die §§ 325 ff. HGB lediglich auf Kapitalgesellschaften Anwendung finden und die §§ 1–10 PublG nur den konzessionierten Wirtschaftsverein erfassen.99 Das betrifft jedoch nur den konzernfreien Verein. Im vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist aber, ob durch die Einsetzung eines Vereins als Konzernspitze die Regelungen über die Konzernpublizität umgangen werden können. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei zutreffender Interpretation des Anwendungsbereichs der §§ 11 ff. PublG begründen diese – das Überschreiten der insoweit einschlägigen Schwellenwerte vorausgesetzt – auch für den Verein eine Pflicht zur Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung eines Konzernabschlusses.100 Anders liegen die Dinge bei der Unternehmensmitbestimmung. Sowohl das MitbestG als auch das DrittelbG finden auf den Verein keine Anwendung. Dies folgt aus den abschließenden Aufzählungen der erfassten Rechtsformen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG sowie § 1 Abs. 1 DrittelbG, die den eingetragenen Verein nicht nennen. Entsprechend greifen auch die Regelungen über die Mitbestimmung im Konzern nicht ein (§ 5 Abs. 1 S. 1 MitbestG) beziehungsweise laufen leer (§ 2 DrittelbG). In Betracht kommt lediglich die Mitbestimmung in einem unterhalb des Vereins angesiedelten Teilkonzern (§ 5 Abs. 3 MitbestG). Im Ergebnis besteht somit in der Tat die Möglichkeit, durch die Wahl eines Vereins als Konzernspitze einen mitbestimmungsfreien Konzern zu bilden.101 96
Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 274 f. Vgl. MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 17. 98 Nachweise Fn. 11. 99 § 8 A.III. (S. 224). 100 § 8 B.II. (S. 226). 101 K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 22. Zu diesem Zweck dürfen die einzelnen Konzernunternehmen nicht die Mitbestimmungsgrenze von 2000 bzw. 500 Mitarbeitern überschreiten und es muss im Hinblick auf § 5 Abs. 3 MitbestG eine Mehrstufigkeit verhindert werden. 97
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II. Die Besonderheiten wirtschaftlicher Betätigung 1. Ursachen unternehmerischen Risikos Die anerkannten Grundtypen wirtschaftlicher Vereine haben gemeinsam, dass die Vereine eine planmäßige, anbietende Tätigkeit ausüben bzw. unterstützen. Das Gegenteil der wirtschaftlichen Betätigung wird demgegenüber in der rein nachfragenden Tätigkeit gesehen.102 Betrachtet man näher, welche Rollen die Betroffenen hiernach bei ihrer Teilnahme am Rechtsverkehr einnehmen, tritt der maßgebliche Unterschied zwischen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Betätigung zu Tage: Eine nachfragende Tätigkeit ist typischer weise dadurch gekennzeichnet, dass sich der Betroffene beim Abschluss von Rechtsgeschäften zur Erbringung von Geldleistungen verpflichtet. Demgegenüber beschränkt sich die Rolle des wirtschaftlich Tätigen hierauf offensichtlich nicht. Das Anbieten von Leistungen impliziert, dass es sich hierbei nicht um Geld-, sondern – um einen Komplementärbegriff hierzu zu bilden – um Sachleistungen handelt.103 Die nähere Betrachtung zeigt, dass mit dem Anbieten von Sachleistungen spezifische Risiken einhergehen, die nachfolgend zusammenfassend als unternehmerisches Risiko bezeichnet werden sollen. Im Einzelnen ist zwischen dem Investitions- und dem Haftungsrisiko zu unterscheiden: Das Investitionsrisiko hängt damit zusammen, dass derjenige, der planmäßig Sachleistungen anbieten will, regelmäßig bestimmte Investitionen tätigen muss, um sich zu deren Erbringung in die Lage zu versetzen (Beschaffung von Waren, Know-how, das Einstellen von Mitarbeitern etc.). Der Sache nach geht es darum, dass Geldmittel zum Erwerb von Ressourcen verwandt und auf diese Weise in weniger liquide Vermögenswerte transformiert werden. Dies geschieht in der Erwartung, dass unter Einsatz der erworbenen Ressourcen in der Zukunft Einnahmen erzielt werden, deren Höhe die der Investitionen übersteigt, mindestens aber erreicht. Dem liegen wiederum regelmäßig eine Reihe von Annahmen zugrunde, wie insbesondere das Bestehen einer bestimmten Nachfrage und der damit verbundenen Erzielbarkeit eines bestimmten Preises. Bewahrheitet sich die Annahme nicht, was neben vermeidbaren Fehleinschätzungen über die Bedürfnisse des Marktes oder die für die Leistungserbringung aufzuwendenden Kosten seine Ursache auch in einer Vielzahl exogener Faktoren haben kann (Markteintritt eines Konkurrenten, allgemeine konjunkturelle Entwicklung etc.), zieht dies unweigerlich Verluste nach sich. Diese resultieren unter 102 K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 293; ders., Verbandszweck, S. 114; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 26 f.; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 67; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 27; von Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, S. 468 f.; a. A. Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 112; Flume, BGB AT I/2, S. 108, die den Unterschied zwischen der anbietenden und der nachfragenden Tätigkeit für nicht relevant halten. 103 Der Begriff der Sachleistung wird hierbei in ähnlicher Weise wie im Kapitalaufbringungsrecht verwandt.
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anderem daraus, dass die erworbenen Ressourcen wieder liquidiert werden müssen und hierbei zumindest Transaktionskosten entstehen. Daneben haben die Verluste ihre Ursache vor allem darin, dass Entgelte für lediglich »entliehene« Ressourcen (Arbeitskraft, gemietete Immobilien etc.) gezahlt werden müssen, deren Gegenwert in diesem Szenario nicht realisiert werden kann. Das mit dem Anbieten von Sachleistungen einhergehende spezifische Haftungsrisiko hat wiederum zwei Ursachen. Zum einen besteht im Zusammenhang mit der Erbringung von Sachleistungen stets die Gefahr der Schlechtleistung und einer dadurch ausgelösten Haftung. Für den Schuldner von Geldleistungen spielt dieser Haftungstatbestand demgegenüber keine Rolle. Zum zweiten bestehen Unterschiede hinsichtlich des Schadens- und somit Haftungsumfangs. Die nicht ordnungsgemäße, d. h. rechtzeitige Erbringung einer Geldleistung wird auf Seiten des Gläubigers regelmäßig lediglich zu einem Zinsschaden führen. Das folgt daraus, dass er sich im Bedarfsfall zumeist Ersatz durch Aufnahme eines Kredites beschaffen muss. Nur wenn das ausnahmsweise nicht der Fall ist, kommt ein höherer Schaden in Betracht. Demgegenüber ist Ersatz für eine nicht ordnungsgemäß erbrachte Sachleistung tendenziell schwieriger zu erlangen. Im Fall der Schlechtleistung kommt die Besonderheit hinzu, dass deren Vorliegen häufig erst zu einem Zeitpunkt erkannt wird, in dem Folgeschäden bereits eingetreten und daher nicht mehr durch eine Ersatzleistung vermieden werden können (Bsp. Falschberatung). Tendenziell sind daher Leistungsstörungen im Zusammenhang mit Sachleistungen geeignet, wesentlich weitreichendere Haftungsfolgen auszulösen, als dies bei Geldleistungen der Fall ist. 2. Besonderheiten unentgeltlichen Anbietens von Leistungen Zweifel am vorangegangenen Befund, wonach das mit wirtschaftlicher Betätigung verbundene unternehmerische Risiko seine Erklärung im Unterschied zwischen Sach- und Geldleistungen findet, begründet auf den ersten Blick, dass nach ganz h. M. das unentgeltliche Anbieten von Sachleistungen nicht als wirtschaftliche Betätigung zu qualifizieren ist.104 Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass dies keinen Widerspruch begründet. Was zunächst das Investitionsrisiko anbetrifft, so gilt im Ausgangspunkt auch für denjenigen, der Sachleistungen unentgeltlich anbietet, dass er regelmäßig Geldmittel aufzuwenden hat, um die Sachleistung erbringen zu können. Der entscheidende Unterschied zu dem auf Gewinnerzielung oder zumindest Kostendeckung gerichteten entgeltlichen Anbieten von Sachleistungen besteht jedoch darin, dass diese Aufwendungen von vornherein nicht in der Erwartung 104 von Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, S. 469; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 294; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 31; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 26 m. w. N.
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eines »Rückflusses« gemacht werden, welcher seinerseits vom Eintritt bestimmter Annahmen abhängig ist.105 Von einem Investitionsrisiko kann daher im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Leistungserbringung nicht die Rede sein. Die Unentgeltlichkeit impliziert vielmehr, dass die Finanzierung der angebotenen Leistung nicht von Rückflüssen abhängig ist. Was sodann das Haftungsrisiko anbetrifft, so ist zwar zu konzedieren, dass auch das unentgeltliche Anbieten von Sachleistungen die Gefahr einer rechtsgeschäftlichen Haftung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Haftungsbegründung als auch des Haftungsumfangs erhöht. Gleichwohl kommt dem Haftungsrisiko im Zusammenhang mit unentgeltlichen Leistungen eine geringere Bedeutung zu als bei entgeltlichen Leistungen. In manchen Konstellationen wird schon fraglich sein, ob der Erbringung der unentgeltlichen Leistungen überhaupt ein Vertragsverhältnis zu Grunde liegt oder ob es sich nicht vielmehr um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis handelt.106 Ferner ist zu bedenken, dass der Vertragsschluss häufig erst im Augenblick der Leistungserbringung stattfindet (insbesondere Handschenkung). Dies schließt eine Haftung wegen Nichterfüllung oder Verzugs weitestgehend aus und beschränkt die in Betracht kommenden Haftungstatbestände auf den der Schlechterfüllung. Schließlich ordnet das Gesetz in einigen Fällen unentgeltlicher Rechtsgeschäfte ausdrücklich eine Milderung des Haftungsmaßstabs an (vgl. §§ 521, 599, 690 BGB).
C. Zurechnung aufgrund Gläubigerschutzes Auf Grundlage der Erkenntnis, dass das Gläubigerschutzniveau des Vereins gegenüber dem der Handelsvereine zurückbleibt und die wirtschaftliche Betätigung im Vergleich zur rein nachfragenden Betätigung spezifische Risiken begründet, ist im Folgenden zu überprüfen, inwieweit dieser Befund es gebietet, dem Verein im Interesse der Gläubiger externe wirtschaftliche Betätigungen zuzurechnen. Hierbei wird die Notwendigkeit einer Zurechnung zunächst aus der Perspektive der Vereinsgläubiger (II.) und dann aus der Perspektive der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft (III.) beleuchtet. Zuvor ist jedoch auf einen Einwand einzugehen, der, dessen Richtigkeit unterstellt, die Plausibilität einer auf den Gläubigerschutz abstellenden Vereinsklassenabgrenzung insgesamt infrage stellen würde (I.)
105
Instruktiv zur Irrelevanz der Gewinnerzielungsabsicht LG Hamburg NJW-RR 1986,
418 f. 106 Indizielle Wirkung hat in diesem Zusammenhang die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit für den Begünstigten, BGH 21, 107, 88, 382, 92, 168.
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I. Die beschränkte Kompensationsfähigkeit gesetzlicher Defizite durch privatautonome Vereinbarungen Insbesondere im Zusammenhang mit den Gläubigerschutzmechanismen des Kapitalgesellschaftsrechts findet sich vereinzelt die Auffassung, Defizite des gesetzlichen Gläubigerschutzes seien deshalb unbeachtlich, weil Marktteilnehmer ohne weiteres in der Lage seien, ihre Interessen privatautonom durchzusetzen.107 Neben der Möglichkeit, gegebenenfalls den Vertragsschluss zu verweigern, wird in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit von Kreditsicherheiten sowie so genannter financial covenants, die dem Schuldner bestimmte Verhaltenspflichten auferlegen, hingewiesen.108 Die Bedeutung der gesetzlichen Regelungen beschränkt sich im Rahmen eines solchen Konzeptes darauf, den Beteiligten eine Art Standardvertrag zur Verfügung zu stellen, auf dessen Bedingungen sie zurückgreifen können, aber nicht müssen.109 Die Einwände gegen eine solch optimistische Einschätzung der privatautonomen Kompensationsfähigkeit sind bekannt.110 Schwer wiegt bereits, dass der ihr zu Grunde liegende Erklärungsansatz von vornherein auf den Kreis der freiwilligen Gläubiger beschränkt ist. Insbesondere deliktische Gläubiger haben weder die Möglichkeit sich ihren Schuldner auszusuchen, noch etwaige Schutzdefizite des gesetzlichen Regimes durch vertragliche Vereinbarungen zu kompensieren. Aber auch beschränkt auf den Bereich der freiwilligen Gläubiger ist die Leistungsfähigkeit des privatautonomen Kompensationsmodells erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Zum einen kann als anerkannt gelten, dass Verkehrsteilnehmer in Abweichung vom Bild des homo oeconomicus nur über eingeschränkte Kapazitäten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung verfügen.111 Vor diesem Hintergrund erweist es sich als unrealistisch, dass die Verkehrsteilnehmer die Defizite des Gesetzesrechts stets erkennen und durch entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zu kompensieren vermögen. Davon unabhängig verursachen die Analyse und Änderung nicht interessengerechter gesetzlicher Regelungen zumindest in erheblichem Umfang Transaktionskosten. Ein Gesellschaftsrecht, das den Präferenzen der Parteien möglichst weitgehend entspricht und rechtsgeschäftliche Modifikationen entbehrlich macht, ist daher nicht zuletzt aus wohlfahrtsökonomischen Erwägungen geboten.112 107
Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2236; Hirt, ECFR 2004, 71, 73. Zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten Hirt, ECFR 2004, 71, 77 ff. 109 Vgl. zu einem entsprechenden Verständnis der gesetzlichen Gläubigerschutzvorschriften die Darstellung bei Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 156 ff. m. w. N. 110 Statt vieler Haas, Gutachten, E 95 ff. m. w. N. 111 Vgl. nur Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 651 ff. 112 Nacke, Die Durchgriffshaftung in der US-amerikanischen Corporation, S. 225; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 156; zum wohlfahrtökonomischen Aspekt auch noch unter D.IV. 108
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Nicht zu überzeugen vermag auch die speziell mit Blick auf die gesetzlichen Ausschüttungssperren vorgetragene Argumentation, institutionelle Gläubiger würden regelmäßig auf Vertragsbedingungen bestehen, die den Ausschüttungssperren des Rechts der Handelsvereine weitestgehend ähneln und auf diese Weise auch dem Schutz der weniger verhandlungsstarken Gläubiger zugute kommen.113 Zunächst einmal ist schon nicht sichergestellt, dass jede Gesellschaft mindestens einen institutionellen Gläubiger hat, der entsprechende Vereinbarungen trifft.114 Daneben wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Interessenparallelität der Gläubiger spätestens in der Krise endet und sich dann die privatautonomen Sicherungsmechanismen einseitig zu Gunsten der verhandlungsstarken Gläubiger auswirken.115 Insbesondere fehlt es für den Fall der Verletzung entsprechender Vereinbarungen an Sanktionsnormen, die wie die §§ 31 GmbHG, 62 AktG allen Gläubigern zugute kommen. Zwar können institutionelle Gläubiger auch die Gesellschafter in ihre vertraglichen Vereinbarungen einbeziehen und auf diese Weise haftbar machen. Der Inhalt der diesbezüglich vertraglich begründeten Ansprüche gegen die Gesellschafter wird dann aber auf Zahlung an den jeweiligen Gläubiger und nicht, wie dies im Interesse aller Gläubiger erforderlich wäre, auf Zahlung an die Gesellschaft gerichtet sein.
II. Interessen der Vereinsgläubiger 1. Vergleich der Auswirkungen unternehmerischen Risikos auf die Vereinsgläubiger bei eigener bzw. externer wirtschaftlicher Betätigung Für die Frage, in welchem Umfang die Interessen der Vereinsgläubiger eine Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung gebieten, kommt es entscheidend darauf an, welche Auswirkungen die externe wirtschaftliche Betätigung im Vergleich zu der eigenen wirtschaftlichen Betätigung hat. Soweit die Vereinsgläubiger bei der externen wirtschaftlichen Betätigung in gleichem (oder sogar noch stärkerem) Maße gefährdet sind als bei der eigenen wirtschaftlichen Betätigung, erscheint eine Zurechnung zwingend erforderlich. Gegenteiliges gilt, wenn es durch die Ausgliederung gelingt, die Interessen der Vereinsgläubiger in einem Umfang zu schützen, der die festgestellten Schwächen im Gläubigerschutz des eingetragenen Vereins zu kompensieren vermag. a) Eigene wirtschaftliche Betätigung Bei eigener wirtschaftlicher Betätigung des Vereins spiegeln sich die unternehmerischen Risiken unmittelbar auf Ebene des Vereins wider. Mangels recht113
Vgl. Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2236; Kuhner, ZGR 2005, 753, 759 ff. Haas, Gutachten, S. 96. 115 Vgl. Mülbert, EBOR Vol. 7 (2006), 357, 376; ders./Birke, EBOR Vol. 3 (2002), 695, 730 f.; Haas, Gutachten, S. 96; Kuhner, ZGR 2005, 753, 763. 114
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licher Trennung zwischen dem unternehmerischen und dem nicht-unternehmerischen Bereich sind hiervon alle Gläubiger des Vereins gleichermaßen betroffen. Das zuvor als Spezifikum wirtschaftlicher Betätigung identifizierte Investitions- und Verlustrisiko belastet tendenziell das gesamte Vereinsvermögen und kann dazu führen, dass die Gläubiger des Vereins mit ihren Forderungen ausfallen. Angesichts des im Vergleich zu den Handelsvereinen niedrigeren Gläubigerschutzniveaus erweist es sich daher als nachvollziehbare Entscheidung, dem Verein die eigene wirtschaftliche Betätigung grundsätzlich zu verwehren. b) Externe wirtschaftliche Betätigung Findet die wirtschaftliche Betätigung stattdessen in einer rechtlich selbstständigen Gesellschaft statt, deren Gesellschafter der Verein ist, hat dies erhebliche Auswirkungen. Im Einzelnen: Sofern der Verein für die Verbindlichkeiten der Beteiligungsgesellschaft, wie dies insbesondere bei den Kapitalgesellschaften der Fall ist, nicht einzustehen hat, führt die Externalisierung wirtschaftlicher Betätigung zu einem für die Vereinsgläubiger positiven Abschirmungseffekt, welcher die Auswirkungen unternehmerischen Risikos auf die ausgegliederten Vermögenswerte beschränkt.116 Insbesondere die Bedrohung durch das Haftungsrisiko verliert hierdurch erheblich an Gewicht. Zusätzlich ermöglicht die Externalisierung auf Ebene der Beteiligungsgesellschaft den Einsatz von Fremdkapital, ohne dass die übrigen Vermögensgegenstände des Vereins für die Rückzahlung dieses Kapitals haften. Gegenteilig in seinen Auswirkungen auf die Vereinsgläubiger ist der mit der Externalisierung von Vermögenswerten einhergehende Mediatisierungseffekt, welcher dadurch gekennzeichnet ist, dass das betroffene Vermögen dem unmittelbaren Einflussbereich der Gläubiger entzogen wird.117 Die hiermit verbundenen Nachteile zeigen sich insbesondere, wenn es darum geht, auf die betroffenen Vermögenswerte im Wege der Zwangsvollstreckung zuzugreifen. So führt beispielsweise die Transformation von Vermögen in eine Beteiligung an einer Personengesellschaft gegebenenfalls dazu, dass die Vereinsgläubiger im Fall der Zwangsvollstreckung den vergleichsweise umständlichen Weg der Kündigung der Beteiligungsgesellschaft beschreiten müssen, um an die betroffenen Vermögenswerte zu gelangen (vgl. §§ 857, 859 ZPO, 725 BGB, 131 Abs. 3 Nr. 4 HGB). Nachteile treten auch im Zusammenhang mit der Kompensation fehlerhafter Geschäftsführungsmaßnahmen oder gar bewusster Vermögensverschiebungen auf. Solange nämlich Vermögenswerte unmittelbar dem Verein zugeordnet sind, begründen entsprechende Vorgänge Schadensersatzansprüche 116 117
Vgl. Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 228. Zur Auswirkung der Mediatisierung auf die Vereinsmitglieder § 4 B.I.2. (S. 88 ff.).
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des Vereins selbst, die von den Vereinsgläubigern gegebenenfalls im Wege der Pfändung und Überweisung realisiert werden können. Ereignet sich Entsprechendes auf Ebene einer Beteiligungsgesellschaft, besteht diese Möglichkeit nicht. Ähnlich verhält es sich bezüglich der Anfechtungsmöglichkeiten der §§ 129 ff. InsO, § 1 ff. AnfG, die in solchen Fällen nur den Gläubigern der Beteiligungsgesellschaft zustehen. Mit dem Mediatisierungseffekt verwandt, aber gleichwohl davon zu unterscheiden, ist der ebenfalls durch die Verlagerung von Vermögenswerten in eine Beteiligungsgesellschaft verbundene Subordinationseffekt. Er besteht darin, dass mit der Verlagerung eine strukturelle Nachrangigkeit der Vereinsgläubiger gegenüber den Gläubigern der Beteiligungsgesellschaft geschaffen wird, wonach das in der Beteiligungsgesellschaft gebundene Vermögen primär zur Befriedigung Letzterer dient.118 Muss etwa ein Vereinsgläubiger zur Realisierung des Werts einer gepfändeten Beteiligung an einer Personengesellschaft diese kündigen, kann er anschließend lediglich auf das nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger der Personengesellschaft verbleibende Auseinandersetzungsguthaben des Vereins zugreifen. Nichts Anderes gilt im Ergebnis bei der Vollstreckung in die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, da der Wert des zu veräußernden Geschäftsanteils durch die Passiva der Beteiligungsgesellschaft gemindert wird. Noch so umfangreiche Aktiva der Kapitalgesellschaft sind hiernach für den Vereinsgläubiger »verloren«, wenn diese überschuldet ist. c) Analyse Bewertet man die beschriebenen Unterschiede zwischen der eigenen und der externen wirtschaftlichen Betätigung eines Vereins, ergibt sich ein differenziertes Bild: Als unbeachtlich auszuscheiden ist zunächst der Mediatisierungseffekt. Denn auch wenn dieser negative Auswirkungen auf die Stellung der Vereinsgläubiger hat, handelt es sich bei der Benachteiligung von Gläubigern durch die Mediatisierung von Vermögen letztlich um eine ubiquitäre Begleiterscheinung rechtsgeschäftlichen Handelns, die nicht auf die Verlagerung von Vermögen in gesellschaftsrechtliche Beteiligungen beschränkt ist. Nur die wenigsten Vermögensgegenstände stehen den Gläubigern in nicht mediatisierter Form zur Verfügung. Zu nennen ist hier insbesondere das Sacheigentum, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass sich das Recht unmittelbar auf das ihm zu Grunde liegende faktische Substrat (Sache) bezieht.119 Selbst bei einfachen Forderungen handelt es sich demgegenüber um mediatisierte Vermögensgegenstände. Das ihnen zu Grunde liegende faktische Substrat (Sache, Geld, Arbeitskraft etc.) ist nicht 118 Vgl. hierzu Schön, ZHR 159 (1995), 351, 352. Zur Nutzbarmachung der strukturellen Nachrangigkeit in der Finanzierungspraxis Schrell, BKR 2004, 212 ff. 119 Zum Zusammenhang von Vermögensrechten und dem ihnen zu Grunde liegenden faktischen Substrat bereits oben § 4 B.I.2.a. (S. 88 ff.).
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beim Forderungsinhaber, sondern dem Schuldner der Forderung angesiedelt. Für die Gläubiger des Forderungsinhabers hat dies den Nachteil, dass ihre Befriedigungschancen zusätzlich von der Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Drittschuldners abhängen und die zwangsweise Befriedigung gegebenenfalls neben der Zwangsvollstreckung gegen den Forderungsinhaber die Zwangsvollstreckung gegen den Drittschuldner voraussetzt. Macht man sich dies bewusst, wird deutlich, dass selbst der mit der Einzahlung von Barmitteln auf ein Bankkonto verbundene Aktivtausch einen die Gläubiger abstrakt gefährdenden Mediatisierungseffekt aufweist. Der Abschirmungs- und der Subordinationseffekt müssen aufgrund ihrer gegenläufigen Wirkung im Zusammenhang betrachtet werden. Aus Sicht der Vereinsgläubiger lässt sich die Situation so beschreiben, dass der Abschirmungseffekt das nicht unternehmerisch gebundene Vermögen des Vereins vor den unternehmerischen Risiken bzw. dem Zugriff der Unternehmensgläubiger bewahrt. Gegenläufig führt der Subordinationseffekt dazu, dass den Vereinsgläubigern das der wirtschaftlichen Betätigung zugewiesene Vermögen in der Krise der Beteiligungsgesellschaft als Haftungssubstrat regelmäßig entzogen ist. Welcher Effekt überwiegt und ob hiernach aus Sicht der Vereinsgläubiger die eigene oder die externe wirtschaftliche Betätigung vorteilhaft ist, hängt davon ab, in welchem Verhältnis der Umfang des unternehmerisch gebundenen Vermögens zum Gesamtvermögen des Vereins steht.120 Hält der Verein nur in geringem Umfang Beteiligungen an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften, überwiegt der Abschirmungseffekt und der Umstand, dass die wirtschaftliche Betätigung extern erfolgt, erweist sich aus Sicht der Vereinsgläubiger als positiv. Umgekehrt verhält es sich, wenn der überwiegende Teil des Vereinsvermögens aus Beteiligungen an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften besteht. Im Extremfall, dass das gesamte Vereinsvermögen derart gebunden ist, spielt der Abschirmungseffekt mangels nicht unternehmerisch gebundenen Vermögens keine Rolle. Im Mittelpunkt steht dann ganz der Subordinationseffekt, welcher dazu führt, dass die Vereinsgläubiger sogar schlechter gestellt sind, als sie im Fall der eigenen wirtschaftlichen Betätigung des Vereins stünden. Denn der Subordinationseffekt potenziert insoweit das für die Vereinsgläubiger aus der wirtschaftlichen Betätigung resultierende Risiko. 2. Konsequenzen für die Zurechnung a) Aktivseite: Zurechnung aufgrund der Belastung einzelner Vermögensgegenstände mit unternehmerischem Risiko Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass die von der herrschenden Lehre vorgenommene Fokussierung der Zurechnungsproblematik auf die Haf120
Vgl. hierzu in etwas anderem Zusammenhang Reuter, ZIP 1984, 1052, 1061.
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tungsfrage (Passivseite) zu kurz greift. Denn auch der Abschirmungseffekt ändert nichts daran, dass im Fall der Realisierung externalisierten unternehmerischen Risikos zumindest der Wert der entsprechenden Beteiligung verloren zu gehen droht. Wie gesehen, wird ein entsprechendes Risiko durch den Subordinationseffekt sogar erheblich verstärkt. Man kann insoweit davon sprechen, dass die Aktivseite des Vereins mit unternehmerischem Risiko »infi ziert« ist.121 Je nach Umfang des in entsprechenden Beteiligungen gebundenen Vermögens, kann die Realisierung unternehmerischen Risikos daher trotz des Umstandes, dass der Verein hierfür nicht haftet, zu einem Forderungsausfall seiner Gläubiger führen. (1) Fremdfinanzierung unternehmerischer Eigenkapitalbeteiligungen als Zurechnungskriterium Zu erörtern ist, welche Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen sind. Denkbar wäre es, aufgrund des geschilderten Zusammenhangs eine Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen generell zu bejahen und entsprechende Beteiligungen nur noch im Umfang des Nebentätigkeitsprivilegs zuzulassen. Dies würde jedoch der Sache nach zu einer vollständigen Gleichstellung mit der eigenen wirtschaftlichen Betätigung führen und dabei den die Vereinsgläubiger begünstigenden Abschirmungseffekt gänzlich unberücksichtigt lassen. Vorzugswürdig erscheint es demgegenüber darauf abzustellen, ob die unternehmerische Beteiligung mit Eigenkapital unterlegt ist. Ein solches Kriterium trägt der vorangegangenen Erkenntnis Rechnung, dass das Verhältnis von Abschirmungs- und Subordinationseffekt maßgeblich dadurch geprägt wird, in welcher Relation das in unternehmerischen Beteiligungen gebundene Vermögen des Vereins zu seinem sonstigen Vermögen steht. Soweit genügend »sonstiges«, d. h. nicht aus unternehmerischen Beteiligungen bestehendes Vermögen vorhanden ist, um die Verbindlichkeiten des Vereins abzudecken, erscheint es aus Sicht der Vereinsgläubiger hinnehmbar, dass die übrigen Vermögenswerte unternehmerischen Risiken ausgesetzt sind. Sind die unternehmerischen Beteiligungen hingegen nicht vollständig mit Eigenkapital unterlegt, bedeutet dies, dass der Verein diese zumindest teilweise mit Fremdkapital finanziert und somit seine Gläubiger unmittelbar unternehmerischem Risiko aussetzt. In diesem Fall erscheint eine Zurechnung geboten. Der vorgeschlagenen Abgrenzung steht nicht entgegen, dass das ursprünglich zur Befriedigung der Vereinsgläubiger zur Verfügung stehende, nicht aus unternehmerischen Beteiligungen bestehende Vermögen bis zur Fälligkeit der Forderung theoretisch durch Verluste aufgezehrt sein kann, und es in diesem Fall dann den Vereinsgläubigern unter Umständen doch zum Nachteil gereicht, 121 So auch Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229, ohne hieraus jedoch Konsequenzen zu ziehen.
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dass das verbleibende Vermögen unternehmerischen Risiken ausgesetzt ist. Abgesehen davon, dass der Verlust von Vermögen, welches keinen unternehmerischen Risiken ausgesetzt ist, vergleichsweise unwahrscheinlich ist, fehlt es insoweit auch an einem rechtlich schützenswerten Vertrauen der Vereinsgläubiger. Diese können nur darauf vertrauen, dass bei Begründung ihrer Forderung diese mit Vermögen gedeckt ist, das keinen unternehmerischen Risiken ausgesetzt ist. »Anspruch« auf einen darüber hinausgehenden mögliche Verluste ausgleichenden Eigenkapitalpuffer haben sie nicht. Erst Recht können sie nicht darauf vertrauen, dass ein dennoch vorhandener Eigenkapitalpuffer frei von unternehmerischen Risiken ist. Erforderlich ist die Eigenkapitalunterlegung bezüglich sämtlicher Beteiligungen an Gesellschaften, die sich wirtschaftlich betätigen. Die Höhe der Beteiligung ist hierbei ebenso wie die Rechtsform der Gesellschaft ohne Bedeutung. Weil es sich bei der persönlichen Haftung allerdings um einen eigenständigen Zurechnungsgrund handelt,122 spielt die Eigenkapitalunterlegung letztlich nur bei Beteiligungen ohne eine entsprechende Haftung eine Rolle. Neben gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen können auch schuldrechtliche Beteiligungen dem Erfordernis einer Eigenkapitalunterlegung unterliegen. In Anknüpfung an die vorangegangenen Überlegungen zum Subordinationseffekt kommt es allein darauf an, ob die Beteiligung Eigenkapitalcharakter hat, d. h. der Verein in der Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft nachrangig befriedigt wird (§ 199 S. 2 InsO). Auch die Beteiligung als Genussrechtsinhaber oder stiller Gesellschafter kann daher bei fehlender Eigenkapitalunterlegung eine Zurechnung begründen.123 (2) Maßgeblicher Zeitpunkt Es bleibt schließlich die Frage, auf welchen Zeitpunkt bezüglich der Frage der Eigenkapitalunterlegung und somit der Zurechnung im Rahmen der §§ 21, 22 BGB abzustellen ist. Für eine statische, allein auf die Eigenkapitalabdeckung im Zeitpunkt der Ausgliederung des Vereinsvermögens auf die unternehmerische Beteiligung abstellende Betrachtungsweise spricht, dass sie mit größerer Rechtssicherheit verbunden wäre. Insbesondere wären die Organe des Vereins nicht dazu gezwungen, im Hinblick auf den Vorwurf der Rechtsformverfehlung kontinuierlich die Entwicklung des Vereinsvermögens im Auge zu behalten. Die besseren Gründe sprechen gleichwohl dafür, die Frage der Zurechnung fortlaufend, d. h. dynamisch zu beurteilen. Denn aus Sicht der Gläubiger ist es unerheblich, ob die Eigenkapitaldeckung einer unternehmerischen Beteiligung bereits im Zeitpunkt deren Erwerbes bzw. der Ausgliederung fehlte oder ob 122
Sogleich unter b. Zur Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 2 (S. 515 ff.). 123
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eine entsprechende Unterdeckung erst nachträglich entstanden ist. Wäre es dem Verein möglich, im Anschluss an die Begründung der Beteiligung das erforderliche Eigenkapital aufzuzehren, würde dies dem Ziel des Gläubigerschutzes zuwiderlaufen. Die damit verbundene Notwendigkeit des Vereinsvorstandes, die Eigenkapitaldeckung fortlaufend zu kontrollieren, erscheint hinnehmbar und dürfte mit Hinblick auf die typischerweise hohen Eigenkapitalquoten von Vereinen in der Praxis keine nennenswerten Schwierigkeiten begründen. Droht gleichwohl die nachträgliche Zurechnung aufgrund von Verlusten auf Ebene des Vereins, kommen verschiedene Vermeidungsstrategien in Betracht. Unter anderem ist daran zu denken, in der Beteiligungsgesellschaft gebundenes Vermögen an den Verein auszuschütten. Für die Vereinsgläubiger hat dies den Vorteil, dass das betroffene Vermögen nicht mehr vom Subordinationseffekt betroffen ist. Möglich ist dies indes nur, wenn die Beteiligungsgesellschaft über hinreichend Eigenkapital verfügt und eine Ausschüttung daher im Rahmen der für sie geltenden Kapitalerhaltungsvorschriften zulässig ist. Die erforderliche Liquidität kann sich die Beteiligungsgesellschaft gegebenenfalls durch die Aufnahme von Fremdkapital beschaffen. Eine Darlehensgewährung durch den Verein selbst, die der Sache nach auf eine (partielle) Umwandlung von Eigen- in Fremdkapital hinausliefe, genügt nicht, da § 39 Nr. 5 InsO der Aufhebung des Subordinationseffekts entgegensteht. b) Passivseite: Zurechnung aufgrund der Haftung für unternehmerisches Risiko Hat der Verein aufgrund einer gesetzlich oder vertraglich begründeten Haftungsanordnung für die durch die externe wirtschaftliche Betätigung begründeten Verbindlichkeiten in ähnlicher Weise einzustehen, wie dies bei der eigenen wirtschaftlichen Betätigung der Fall wäre, ist eine Zurechnung ohne weiteres im Wege eines Erst-Recht-Schlusses geboten. Denn mangels Abschirmungseffektes werden die Vereinsgläubiger in diesem Szenario gegenüber der eigenen wirtschaftlichen Betätigung nicht besser, sondern aufgrund des Subordinationseffekts sogar schlechter gestellt. Fraglich kann allein sein, welche Formen der Haftung im Einzelnen die Zurechnung begründen. (1) Ablehnung einer »konzernrechtlichen Zurechnung« In der juristischen Literatur konzentriert sich die Diskussion um eine unter Haftungsgesichtspunkten erforderliche Zurechnung auf die Frage, wie die Mehrheitsbeteiligung eines Vereins an einer wirtschaftlich tätigen Kapitalgesellschaft zu behandeln ist. Die insoweit von der herrschenden Lehre vertretene These, dass eine Zurechnung zumindest dann geboten sei, wenn der Verein als herrschendes Unternehmen zu qualifizieren sei, nimmt offensichtlich auf den Haftungstatbestand des § 317 Abs. 1 AktG Bezug und basiert auf der Überle-
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gung, der Verein habe hiernach für unternehmerische Risiken trotz deren Externalisierung einzustehen.124 Bei näherer Betrachtung vermag dies jedoch nicht zu überzeugen.125 Zweifel sind schon deshalb begründet, weil die Vorschrift des § 317 AktG allein auf die Aktiengesellschaft Anwendung findet und daher nicht ersichtlich ist, weshalb eine entsprechende Zurechnung auch bei der Beteiligung an einer GmbH geboten sein sollte.126 Zumindest in der Einpersonen-GmbH ist die nachteilige Einflussnahme jenseits der Grenze der Existenzvernichtung nicht geeignet, eine Haftung des Gesellschafters zu begründen.127 Aber auch wenn man die Betrachtung auf die durch einen Verein beherrschte Aktiengesellschaft beschränkt, spricht gegen die herrschende Lehre, dass allein die mögliche Haftung aus § 317 Abs. 1 AktG nicht zu einer Situation führt, die mit der eigenen wirtschaftlichen Betätigung vergleichbar ist. In tatbestandlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Haftung eine nachteilige Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft voraussetzt, welche den Privilegierungsrahmen der §§ 311 ff. AktG überschreitet.128 Die Haftung tritt hiernach gerade nicht allein aufgrund des Zustandes der Abhängigkeit ein, sondern setzt ein rechtswidriges Verhalten des Vereins sowie der sich dem Einfluss beugenden Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft voraus.129 Schon aufgrund der damit für die Beteiligten verbundenen persönlichen Haftungsandrohung (§§ 93 Abs. 1, 317 Abs. 3 AktG) wird man ein solches Verhalten nicht ohne weiteres als Normalfall ansehen dürfen. Entgegen dem von der herrschenden Lehre insinuierten Eindruck ist es daher ohne weiteres nicht nur möglich, sondern auch üblich, eine Aktiengesellschaft zu beherrschen, ohne sich haftbar zu machen. Im Ergebnis unterscheidet sich die Situation insoweit erheblich von der eigenen wirtschaftlichen Betätigung des Vereins, bei der dieser verhaltensunabhängig für die Verwirklichung unternehmerischen Risikos einzustehen hat. 124 Ausdrücklich Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 50 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, Wagner, NZG 1999, 469, 474, die daher die Zurechnung konsequenterweise von der Unternehmenseigenschaft des Vereins abhängig machen. 125 Zutreffende Kritik bei Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229; Reuter in: NonprofitOrganisationen, S. 307, 312. 126 Insoweit konsequent der Ansatz von K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 23, der nicht allein auf § 317 AktG (und daher auch anders als die in Fn. 124 Genannten die Unternehmenseigenschaft des Vereins für entbehrlich hält), sondern auch auf die Haftung wegen Treupflichtverletzung abstellt. 127 Insbesondere ist die Regelung des § 317 AktG nach ganz h. M. auf die GmbH nicht entsprechend anwendbar, statt vieler Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 317 ff. 128 Letzteres ist der Fall, wenn die Maßnahme nicht dem Konzerninteresse dient, nicht dem Einzelausgleich des § 311 Abs. 2 AktG zugänglich ist oder ein entsprechender Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres erfolgt. 129 Auch wenn man mit der h. M. an die Vornahme nachteiliger Maßnahmen die Vermutung der Einflussnahme knüpft (statt vieler Hüffer, AktG, § 311 Rn. 20 f.), bleibt es dabei, dass zumindest ein rechtswidriges Verhalten der Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft bewiesen werden muss.
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(2) Verhaltensunabhängige unbegrenzte Haftung als Zurechnungsgrund Aus der vorangegangenen Kritik folgt, dass unter Haftungsgesichtspunkten eine Zurechnung nur dann geboten ist, wenn der Verein verhaltensunabhängig für die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung entstehenden Verbindlichkeiten haftet. Darüber hinaus ist zu verlangen, dass der infrage stehende Haftungstatbestand den Verein einer unbeschränkten Haftung unterwirft. Denn andernfalls beschränkt sich das unternehmerische Risiko lediglich auf einen Teil des Vereinsvermögens und macht die Situation insoweit nicht mit der der eigenen wirtschaftlichen Betätigung vergleichbar.130 Unproblematisch gerechtfertigt ist hiernach eine Zurechnung, wenn der Verein als Gesellschafter einer Personengesellschaft für deren Verbindlichkeiten persönlich haftet. Gleiches muss gelten, wenn der Verein im Fall einer Kapitalgesellschaft einer entsprechenden Haftung aufgrund einer vertraglichen Haftungsübernahme (Bürgschaft, Patronatserklärung etc.) unterliegt. Zurechnungsbegründend wirkt auch der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags. Aufgrund der dadurch Platz greifenden Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG wirken sich die unternehmerischen Risiken in dieser Konstellation unmittelbar auf das Vereinsvermögen aus. Dass die Haftung insoweit auf das Innenverhältnis beschränkt ist, begründet keinen relevanten Unterschied. Zurechnungsbegründend kann weiter sein, dass der Verein als Gründer einer AG oder GmbH deren vorzeitiger Geschäftsaufnahme zustimmt. Denn das vom BGH entwickelte Institut der Vorbelastungs- bzw. Verlustausgleichshaftung führt dazu, dass der Verein für bis zur Eintragung bzw. Aufgabe der Eintragungsabsicht entstehende Verbindlichkeiten in unbeschränkter Höhe haftet.131 Aufgrund der Haftungsanordnung des § 176 Abs. 1 S. 1 HGB ebenso zu behandeln ist der Fall, dass der Verein als Kommanditist an der Gründung einer Kommanditgesellschaft teilnimmt und dem vorzeitigen Geschäftsbeginn zustimmt. Allerdings wird man dem Verein zubilligen müssen, eine Zurechnung dadurch verhindern zu können, indem die benannten Haftungsrisiken während des Eintragungsverfahrens durch die privatautonome Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen mit den Gläubigern bzw. durch Hinweis auf die beschränkte Kommanditistenhaftung (§ 176 Abs. 1 S. 1, letzter Hs. HGB) ausgeschlossen werden. (3) Behandlung der verhaltensunabhängigen beschränkten Haftung Es bleibt schließlich die Frage nach der Behandlung verhaltensunabhängiger Haftungsrisiken, die ihrer Höhe nach jedoch beschränkt sind. Zu denken ist 130 Zur Behandlung der verhaltensunabhängigen aber beschränkten Haftung sogleich unter (3). 131 Zu den Einzelheiten GroßKommGmbHG/Ulmer, § 11 Rn. 75 ff., 98 ff.
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hier insbesondere an die Haftung des Kommanditisten aus § 171 Abs. 1 HGB vor Erbringung der Hafteinlage. Der Sache nach bedeutet eine solche Haftung, dass das Vermögen des Vereins bis zur Höhe des maximalen Haftungsumfangs unternehmerischem Risiko ausgesetzt ist. Das scheint wiederum hinnehmbar, solange der Verein in Höhe des Umfangs der maximalen Haftung, d. h. der im Handelsregister eingetragen Haftsumme, über Eigenkapital verfügt. In diesem Fall ist sichergestellt, dass selbst die volle Realisierung der Haftung nicht die Überschuldung des Vereins nach sich zieht. Fehlt es an einer Eigenkapitalunterlegung der Haftsumme, begründet dies eine Zurechnung. Zu beachten ist jedoch, dass die Eigenkapitalunterlegung der Haftsumme allein noch nicht für den Zurechnungsausschluss genügt. Denn neben der Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB kann die Realisierung der von der Kommanditgesellschaft eingegangen unternehmerischen Risiken auch dazu führen, dass der Verein den Wert seiner Kommanditbeteiligung verliert. Das unternehmerische Risiko »strahlt« insoweit nicht nur auf die Passiv-, sondern auch die Aktivseite des Vereins. Entsprechend den zuvor unter a) entwickelten Kriterien setzt der Zurechnungsausschluss daher voraus, dass neben der Haftsumme auch der Wert der Kommanditbeteiligung mit Eigenkapital unterlegt ist.
III. Interessen der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft Schon aufgrund der Bedeutung, die der BGH den Interessen der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft in seiner ADAC-Entscheidung beigemessen hat, ist des Weiteren zu fragen, ob eine Zurechnung möglicherweise auch im Hinblick auf die Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft geboten ist. Ausgeklammert werden können insoweit jedoch Beteiligungen, mit denen eine persönliche Haftung des Vereins verbunden ist, da hier eine Zurechnung bereits zum Schutz der Vereinsgläubiger geboten ist.132 Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen stehen daher insbesondere die Aktiengesellschaft und die GmbH sowie die Frage, inwieweit deren Gläubiger ein Interesse daran haben, dass kein Verein an ihnen beteiligt ist oder sie gar beherrscht. 1. Schutz durch Normativsystem der Beteiligungsgesellschaft Schutz erfahren die Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft zunächst einmal durch das für die jeweilige Gesellschaft geltende Normativsystem. Konkret im Hinblick auf die streitgegenständliche AG führt der BGH insoweit im ADACUrteil zutreffend aus, diese biete ihren Gläubigern alle Sicherheiten, die »mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind.«133
132 133
S. o. II.2.b.(2) (S. 159). BGHZ 85, 84, 90.
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2. Gläubigerschutz durch verhaltensabhängige Gesellschafterhaftung Eine Bedeutung könnte das Gläubigerschutzniveau des Vereins indes dadurch erlangen, dass auch bei Gesellschaften, die eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen vorsehen, stets eine verhaltensabhängige Haftung der Gesellschafter in Betracht kommt. In der ADAC-Entscheidung und der dadurch ausgelösten Diskussion stand insoweit die Haftung aus § 317 Abs. 1 AktG im Mittelpunkt. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Erwägungen gelten aber in gleicher Weise für die Haftung wegen Verstößen gegen das Schädigungsverbot oder die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57, 62 AktG, 30, 31 GmbHG).134 Im Einzelnen gilt es zwischen den Aspekten der Kompensation und der Prävention zu unterscheiden: a) Kompensationsfunktion Die primäre Funktion der infrage stehenden Haftungsregelungen besteht zweifellos darin, die haftungsauslösende Minderung im Gesellschaftsvermögen auszugleichen. Mittelbar dient der Ausgleich den Gesellschaftsgläubigern, die zur Befriedigung ihrer Forderungen auf das Gesellschaftsvermögen angewiesen sind. Ob die Gesellschafterhaftung ihre Kompensationsfunktion tatsächlich erfüllt, hängt von der Bonität des haftenden Gesellschafters ab. Handelt es sich bei diesem um einen Verein, könnte man mit Blick auf die festgestellten Defizite des vereinsrechtlichen Gläubigerschutzes auf den Gedanken kommen, dass dessen Bonität tendenziell hinter der der Handelsvereine zurückbleibt und hiernach die Rechtsform des Vereins mittelbar auch den Gläubigern der Beteiligungsgesellschaft zum Nachteil gereicht. Unabhängig vom Umstand, dass die Annahme einer im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften schlechteren Bonität von Vereinen wohl kaum der Realität gerecht wird,135 ist der geschilderte Zusammenhang nicht geeignet, eine Zurechnung zu begründen. Denn ein Erfordernis, wonach die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft oder deren Beherrschung eine bestimmte Bonität voraussetzt, ist dem Gesellschaftsrecht fremd. Auch eine mittellose natürliche Person kann ohne weiteres Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sein.136 Für die Beteiligung von juristischen Personen wurde, so weit ersichtlich, von niemandem verlangt, dass diese über eine bestimmte Finanzverfassung verfügen müssen.137 134 Die Haftung gemäß der §§ 57, 62 AktG, 30, 31 GmbHG setzt tatbestandlich zwar keine Einflussnahme der Gesellschafter voraus und ist daher genau genommen nicht verhaltensabhängig. Tatsächlich dürften Kapitalerhaltungsverstöße praktisch stets auf die Initiative der begünstigten Gesellschafter zurückzuführen sein. 135 Durchaus berechtigt die Frage von K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 29, warum man dem Gläubiger unter Berufung auf den Gläubigerschutz »statt eines fetten Vereins eine magere Tochtergesellschaft« als Schuldnerin vorsetzen sollte. 136 Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 2 Rn. 8: »Jede natürliche Person [. . .] ohne Rücksicht auf persönliche Eigenschaften oder Status« (für die GmbH). 137 MünchKommAktG/Heider, § 2 Rn. 15: »Wie bei natürlichen Personen, so ist auch bei
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Selbst eine überschuldete Gesellschaft kann hiernach Gesellschafter werden.138 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht vertretbar, einem Verein allein wegen der Defizite des vereinsrechtlichen Gläubigerschutzes zu verwehren, (herrschender) Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu werden. b) Präventionsfunktion Gewichtiger erscheint demgegenüber die Argumentation von Reuter, der zur Begründung der Zurechnung auf den Aspekt der Verhaltenssteuerung abstellt.139 Hierbei knüpft er an die bereits an anderer Stelle referierte These an, wonach die primäre Aufgabe des kapitalgesellschaftsrechtlichen Mindestkapitalerfordernisses darin bestehe, eine Beteiligung der »für die Unternehmenspolitik (letztlich) Verantwortlichen am unternehmerischen Verlustrisiko« zu erzwingen. Im Fall der Beteiligung des Vereins an einer Kapitalgesellschaft erachtet es Reuter offenbar als problematisch, dass die durch das Mindestkapitalerfordernis erzwungene Risikoempfindlichkeit nur bis zum Verein, nicht aber zu dessen Mitgliedern als den in seinen Augen »letztlich Verantwortlichen« reicht. Hierbei ist seine Argumentation wohl so zu verstehen, dass es den Vereinsmitgliedern mangels vermögensrechtlicher Beteiligung am Verein letztlich gleichgültig sei, ob dieser in haftungsbegründender Weise auf die Beteiligungsgesellschaft einwirkt und die Präventionswirkung der infrage stehenden Haftungstatbestände daher im Ergebnis leerläuft. Doch auch auf diese Weise lässt sich die Notwendigkeit einer Zurechnung im Interesse der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft nicht begründen. Zunächst einmal darf die Präventionsfunktion der infrage stehenden Haftungsregelungen nicht überschätzt werden.140 In den meisten Fällen wird es so sein, dass der Haftungsumfang den dem Gesellschafter in Folge der Einflussnahme zuvor zugeflossenen Vermögensvorteil nicht übersteigt und ihn daher nicht schlechter stellt, als er ohne die Einflussnahme stünde. Gemindert wird die Präventionswirkung zudem dadurch, dass es häufig schwer fällt, Benachteiligungen darzulegen und zu beweisen (Bsp. konzernintegrative Maßnahmen), und eine Haftung daher keinesfalls zwangsläufig ist. Stellt man dem Gedankengang von Reuter folgend darauf ab, welche Anreizwirkung die Haftungstatbestände ihrerseits für die Mitglieder bzw. Gesellschafter des herrschenden Gesellschafters haben, erweist sich die Beherrschung einer Gesellschaft durch einen Verein eher als Vorteil denn als Nachteil. Der Gesellschafter einer herrschenden Kapitalgesellschaft und das Mitglied eines herrschenden Vereins haften beide nicht für juristischen Personen die Bonität der Gründer keine Voraussetzung für die Teilnahme an einer Gründung« (für die AG). 138 GroßKommAktG/Brändel, § 2 Rn. 24. 139 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1056 ff. 140 Allgemein zur Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Haftung als »Verhaltenskontrolle« Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 536 ff.
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die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bzw. des Vereins und dürften daher gegenüber der Präventionswirkung der infrage stehenden Haftungstatbestände gleichermaßen immun sein. Dass Ersterer an der Gesellschaft vermögensmäßig beteiligt ist, darf schon deshalb nicht überschätzt werden, weil die dadurch begründete Risikoempfindlichkeit entfällt, sobald das Eigenkapital der Gesellschaft in der Krise schmilzt.141 Tatsächlich begründen die Vermögensrechte des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft wohl eher einen Anreiz, sich für deren nachteilige Einflussnahme auf die beherrschte Gesellschaft einzusetzen, um auf diese Weise an dem hierdurch gegebenenfalls zu erzielenden Sondervorteil zu partizipieren. Im Vergleich zum Mitglied eines Vereins, das typischerweise keinen entsprechenden Anreiz hat, erweist sich der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft hiernach sogar als »gefährlicher«. Die Überlegungen münden in die Erkenntnis, dass es nicht Aufgabe der §§ 21, 22 BGB ist, für eine Effektuierung der Haftungstatbestände des Kapitalgesellschaftsrechts zu sorgen.142 Dass der Gesetzgeber die Problematik der Risikoempfindlichkeit gerade im konzernrechtlichen Zusammenhang nicht übersehen hat, zeigt die Regelung des § 317 Abs. 3 AktG, die die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens für nachteilige Einwirkungen persönlich zur Verantwortung zieht. Die dadurch bewirkte Präventionswirkung ist erheblich und geht weit über das hinaus, was eine Eigenkapitalbeteiligung der haftungsabgeschirmten Gesellschafter des herrschenden Unternehmens jemals bewirken kann.
D. Zurechnung aufgrund sonstiger Gesichtspunkte I. Verkehrsschutz Auf Grundlage der obigen Analyse des vereinsrechtlichen Verkehrsschutzes steht fest, dass dieser Aspekt für die Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung ohne Belang ist. Das einzig relevante Defizit, nämlich die im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen bestehende Möglichkeit einer Beschränkung der Vertretungsmacht, spielt bei der externen wirtschaftlichen Betätigung gerade keine Rolle, weil hier die Beteiligungsgesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt im Rechtsverkehr auftritt und insoweit die für die jeweilige Rechtsform geltenden Verkehrsschutzvorschriften Anwendung finden.
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Oben B.I.1.a. (S. 133 ff.). Im Ergebnis ebenso Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 228.
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II. Mitgliederschutz Die verbreitete Meinung, die Vereinsklassenabgrenzung diene auch dazu, die Defizite im vereinsrechtlichen Mitgliederschutz zu kompensieren, basiert auf der Annahme, mit der wirtschaftlichen Betätigung gingen regelmäßig besondere Vermögensinteressen der Vereinsmitglieder einher, denen das Recht des eingetragenen Vereins keinen ausreichenden Schutz gewähre. Wäre dies zutreffend, käme dem Aspekt des Mitgliederschutzes auch im Zusammenhang mit der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen Bedeutung zu. Denn die Defizite im Schutz der mitgliedschaftlichen Vermögensrechte werden sicherlich nicht dadurch kompensiert, dass die maßgeblichen Vermögenswerte in eigenständige Beteiligungsgesellschaften verlagert werden.143 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Aspekt des Mitgliederschutzes bei der Vereinsklassenabgrenzung im Allgemeinen sowie der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigung im Besonderen außer Betracht zu bleiben hat. Im Einzelnen: 1. Kein zwingender Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Betätigung und den Vermögensinteressen der Mitglieder Die These von der Relevanz des Mitgliederschutzes im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung begegnet schon deshalb im Ansatz Skepsis, weil kein zwingender Zusammenhang zwischen der in den §§ 21, 22 BGB adressierten wirtschaftlichen Betätigung des Vereins und dem Bestehen von Vermögensinteressen auf Seiten der Mitglieder besteht. Ein fremdnütziger Verein kann sich zum Zweck der Mittelbeschaffung noch so umfangreich wirtschaftlich betätigen, ohne dass damit Vermögensinteressen der Mitglieder verbunden wären. Umgekehrt kann die Mitgliedschaft in einem mitgliedernützigen Verein einen nicht unerheblichen Vermögenswert darstellen, ohne dass die dem zugrunde liegenden Vermögenswerte das Ergebnis einer wirtschaftlichen Betätigung sind (Bsp. Golfclub). Da die §§ 21, 22 BGB auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abstellen, könnte die These von der Relevanz des Mitgliederschutzes hiernach nur aufrechterhalten werden, wenn die Voraussetzungen für eine teleologische Korrektur vorlägen.144 Man müsste insofern davon ausgehen können, »Metazweck« der Vereinsklassenabgrenzung sei es, sämtliche Betätigungen in der Rechtsform des Vereins zu verhindern, für die sich die Regelungen anderer Rechtsformen als 143 Wie hier MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 16; a. A. offenbar Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 56. Tatsächlich führt die Ausgliederung von Vermögenswerten aufgrund des damit verbundenen Mediatisierungseffekts tendenziell sogar zu einer weiteren Schwächung der Mitgliedschaftsrechte (§ 4 B.I.2.b = S. 89 f.). 144 In diesem Sinne MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 40 ff., der die Problematik unter dem Stichwort des »Vermögensverwaltungsvereins« behandelt und von einem »Widerstreit zwischen Wortlaut und Zweck« spricht, der zugunsten des Zweckes zu entscheiden sei.
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geeigneter erweisen. Die im Gesetz genannte wirtschaftliche Betätigung wäre hiernach lediglich im Sinne eines – nicht ganz glücklich gewählten – Beispiels zu verstehen. Doch ginge eine solche Annahme fehl. Zwar ist es sicherlich richtig, dass den Regelungen des Vereinsrechts eine bestimmte Vorstellung des historischen Gesetzgebers zugrunde lag, die neben der nichtwirtschaftlichen Betätigung von Vereinen auch durch die geringe Relevanz von Vermögensinteressen gekennzeichnet war. Doch folgt daraus keinesfalls zwingend, dass es sich bei der Vereinsklassenabgrenzung um das richtige Mittel handelt, entsprechende Vorstellungsdefizite zu korrigieren. Die mit der wirtschaftlichen Betätigung einhergehenden spezifischen Risiken sprechen vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber die Anknüpfung an den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb durchaus mit Bedacht gewählt hat und diese Entscheidung nicht ohne weiteres übergangen werden darf. 2. Mitgliederschutz durch Selbstbestimmung Entscheidend gegen die Instrumentalisierung der Vereinsklassenabgrenzung zu Zwecken des Mitgliederschutzes spricht, dass ein solcher Ansatz den Aspekt der Selbstbestimmung missachten würde. Die weitgehende Dispositivität des Vereinsrechts ermöglicht es ohne weiteres, die Rechte der Mitglieder in einer Art und Weise auszugestalten, die auch außergewöhnlichen Vermögensinteressen gerecht wird. Wird ein Verein beispielsweise zur Vermögensverwaltung genutzt,145 werden dessen Mitglieder selbstverständlich darauf achten, dass sie an dessen Rendite beteiligt werden und im Fall des Ausscheidens einen Anspruch auf Abfindung sowie im Fall der Abwicklung einen Anspruch auf den Liquidationserlös haben.146 Lässt man diese Gestaltungsmöglichkeiten unberücksichtigt, führt dies zu dem sonderbaren Ergebnis, dass Vereinen unter Berufung auf den Aspekt des Mitgliederschutzes bestimmte Betätigungen untersagt werden, obwohl sämtliche Mitglieder hiermit einverstanden sind. Die Relevanz des Zusammenhangs zwischen dem Aspekt des Mitgliederschutzes und dem der Selbstbestimmung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass viele Mitglieder einem Verein erst im Anschluss an dessen Gründung beitreten und zu diesem Zeitpunkt regelmäßig keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Satzung haben. Denn auch beim Beitritt unter vorgegebenen Bedingungen handelt es sich um einen Akt der Selbstbestimmung. Wer mit dem 145 Explizit die Zulässigkeit von Vermögensverwaltungsvereinen unter Hinweis auf das »Fehlen mitgliedernütziger Ausschüttungsgarantien« verneinend MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 40 ff. 146 Die Begründung der Unzulässigkeit solcher Gestaltungen unter Verweis auf ein im Gläubigerinteresse bestehendes Ausschüttungsverbot (K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 21; ders., Verbandszweck, S. 123 f.) erweist sich als wenig plausibel, wenn man bedenkt, dass im Kapitalgesellschaftsrecht auch kein Ausschüttungsverbot besteht (zutreffend MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 42).
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Niveau des Mitgliederschutzes eines Vereins unzufrieden ist, braucht diesem nicht beizutreten. Das gilt umso mehr, wenn mit dem Beitritt das Investment wesentlicher Vermögenswerte verbunden ist. Die Funktionstüchtigkeit der Selbstbestimmung zur Kompensation der Defizite des vereinsrechtlichen Mitgliederschutzes ist auch nicht in vergleichbarer Weise eingeschränkt, wie dies zuvor bezüglich der Kompensationsfähigkeit der Defizite des gesetzlichen Gläubigerschutzes durch privatautonome Vereinbarungen festgestellt wurde.147 Insbesondere findet die Problematik, dass die Gläubigerstellung nicht zwingend durch privatautonome Vereinbarung begründet wird (unfreiwillige Gläubiger), im Zusammenhang mit dem Mitgliederschutz keine Entsprechung. Zwar gibt es Vereine, die über eine derartige Monopolstellung verfügen, dass der Einzelne faktisch zum Beitritt gezwungen ist, doch handelt sich insoweit um eine Sonderproblematik, die in keinem Zusammenhang mit einer etwaigen wirtschaftlichen Betätigung des Vereins bzw. außergewöhnlichen Vermögensinteressen steht und daher anerkanntermaßen keinen Bezug zur Dogmatik des Rechtsformzwangs aufweist.148 Weitere gewichtige Unterschiede zur Parallelproblematik beim Gläubigerschutz bestehen hinsichtlich der Auswirkungen der bei Verkehrsteilnehmern beschränkten Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung. Zwar spielen solche Rationalitätsdefizite auch beim Beitritt zu einem Verband eine Rolle.149 Doch wird man wohl ohne weiteres annehmen dürfen, dass wer einem Verein beitritt, auch ohne größere Anstrengungen regelmäßig eine grobe Vorstellung davon hat, dass mit der Mitgliedschaft typischerweise keine Vermögensrechte verbunden sind. Ein Szenario, in dem sich ein Verkehrsteilnehmer mit typischen Aktionärsinteressen »versehentlich« ohne Vermögensrechte als Mitglied eines Vereins wiederfindet, kann daher vernachlässigt werden. Mit dem Hinweis auf das Moment der Selbstbestimmung soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es sich bei den Defiziten des vereinsrechtlichen Mitgliederschutzes um ein Problem handelt, das der Aufarbeitung bedarf. Speziell in Großvereinen ist die Situation der Mitglieder aufgrund der unzureichenden gesetzlichen Kontrolle des Vorstandes fraglos häufig unbefriedigend.150 Doch handelt es sich insoweit um kein Problem, das die Rechtsformwahl betrifft und daher auch nicht mit dem Instrument des Rechtsformzwangs bekämpft werden sollte. Zu Recht bezeichnet K. Schmidt den Rechtsformzwang in diesem Zusammenhang als »grobschlächtig« und tritt stattdessen für eine Typenverfeinerung ein.151 147
Oben C.I. (S. 150 f.). Vgl. Problemschilderung bei MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 115 ff. 149 S. Fn. 111. 150 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 407 ff. 151 K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 15 f.; ders., Verbandszweck, S. 98; ders., RPfleger 1988, 45, 46; in der Tendenz ähnlich Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 50 Fn. 2; kri148
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III. Sozialschutz Auch dem Aspekt des Sozialschutzes ist im Rahmen der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen keine gegenüber dem Gläubigerschutz eigenständige Bedeutung zuzumessen. Anders als die das Niveau des Gläubiger- und des Mitgliederschutzes determinierenden Regelungen des BGB handelt es sich bei den Regelungen zur Mitbestimmung und Publizität nicht im engeren Sinne um solche des Vereinsrechts, die für die Rechtsform des Vereins prägend sind. Um den mitbestimmungsrechtlichen Status des Vereins zu ändern, würde es genügen, diesen in den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 DrittelbG aufzunehmen. Angesichts des im Laufe der Jahre eingetretenen Bedeutungswandels der Rechtsform des Vereins erscheint dies durchaus erwägenswert. Gleiches würde für den Anwendungsbereich der §§ 11 ff. PublG gelten, hielte man diese entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht ohnehin auf den Verein für anwendbar.152 Stattdessen den Sozialschutz im Rahmen der Auslegung der §§ 21, 22 BGB zu berücksichtigen, würde die Vereinsklassenabgrenzung überfrachten und zugleich die Gefahr bergen, sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen. Gerade im Zusammenhang mit der Ablösung des BetrVG 1952 durch das DrittelbG hätte es sich nämlich angeboten, dessen Anwendungsbereich auch auf den Verein zu erstrecken. Wenn der Gesetzgeber einen entsprechenden Handlungsbedarf nicht gesehen hat, kann dies schwerlich damit begründet werden, dass die Mitbestimmungsproblematik hinreichend durch die Vereinsklassenabgrenzung gelöst wird. Denn selbst wer eine solche Lösung präferiert, wird konstatieren müssen, dass sie in der Rechtswirklichkeit nicht zur Anwendung kommt.
IV. Wohlfahrtsökonomische Erwägungen Diskussionswürdig ist schließlich, ob gegebenenfalls eine Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen unter wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkten geboten ist. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht insoweit der Umstand, dass der normtypische Verein nicht über Anteilseigner verfügt, die an dessen Gewinn partizipieren. Während dies aus der Perspektive des Gläubigerschutzes wohl eher positiv zu bewerten ist, deutet viel darauf hin, dass die Effizienz der Mittelverwendung im Verein hierunter leidet153 und die damit verbundenen Fehlallokationen wohlfahrtsökonomisch nachteilhaft sind. tisch Reuter, ZIP 1984, 1052, 1054 f.; MünchKommBGB/ders., §§ 21, 22 Rn. 14; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 7; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 65 f. 152 § 8 B.II. (S. 226 ff.). 153 Alchian/Demsetz, American Economic Review 62 (1972), 777, 789; Hansmann, Yale L. J. 89 (1980), 835, 878; vgl. auch von Hippel in: Nonprofit-Organisationen, S. 88, 92.
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Die Ursachen für die zu befürchtenden Ineffizienzen liegen zum einen in den Auswirkungen der fehlenden Gewinnausschüttung auf die Kontrolle der Geschäftsleitung. Mitglieder, die nicht am Gewinn partizipieren sind an der wirtschaftlichen Entwicklung tendenziell weniger interessiert und machen in der Folge auch von den ihnen zustehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsleitung seltener Gebrauch. Aufgrund dieses Zusammenhangs besteht Konsens darüber, dass die Kontrolle der Geschäftsleitung bei Non-Profit-Organisationen gegenüber der von For-Profit-Organisationen Defizite aufweist.154 In der Konsequenz ist zu befürchten, dass die Mitarbeiter nicht gewinnorientierter Organisationen verstärkt zu konsumtiven Verhalten neigen, d. h. übermäßige Verwaltungskosten produzieren oder schlicht nachlässig arbeiten.155 Des Weiteren ist zu bedenken, dass aufgrund fehlender Gewinnausschüttung und fehlender Gewinnorientierung Vereine meist über eine im Vergleich zu gewinnorientierten Gesellschaften deutlich höhere Eigenkapitalquote verfügen. Neben der Thesaurierungspflicht liegt dies auch daran, dass die fehlende Gewinnorientierung den Anreiz mindert, durch die Aufnahme von Fremdkapital die Eigenkapitalrendite zu steigern. Eine hohe Eigenkapitalquote aber schafft Anreize, Mittel auch in wenig Ertrag versprechende Projekte zu investieren. Im Gegensatz dazu zwingt Fremdkapital zur Prüfung, ob ein Projekt zumindest geeignet ist, die zu zahlenden Schuldzinsen einzuspielen, und entfaltet auf diese Weise eine disziplinierende Wirkung.156 Die beschriebenen Fehlanreize werden nicht dadurch kompensiert, dass die wirtschaftliche Betätigung statt vom Verein selbst in Beteiligungsgesellschaften vorgenommen wird. Fehlt es auf der Ebene des Vereins an gewinnorientierten Mitgliedern, denen dieser Rechenschaft schuldig ist, bestimmt dies auch die Motivation der Geschäftsleitung des Vereins beim Umgang mit den Beteiligungsgesellschaften. Ebenso bleibt die fortlaufende Thesaurierung von Gewinnen in ihren Auswirkungen nicht auf den Verein beschränkt, sondern schlägt sich auch in der Eigenkapitalquote von dessen Beteiligungsgesellschaften nieder. Gleiches gilt für den Anreiz, durch die Aufnahme von Fremdkapital die Eigenkapitalrendite zu erhöhen. 154 Hopt in: Nonprofit Organisationen, S. 243 ff.; Schuhen in: Nonprofit Organisationen, S. 221 ff.; MünchKommBGB/Reuter, §§ 80, 81 Rn. 90; Ballerstedt/Salzwedel, Gutachten, S. 36 f. Siehe auch Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 6 sowie die Begründung zum UmwG (BT-Drucks. 12/669 S. 116), wonach die Stiftung wegen ihrer Mitgliederlosigkeit noch weniger als der Verein eine Kontrolle durch Anteilseigner oder vergleichbar interessierte Personen gewährleistet«. Weitere Ursachen der mangelnden Corporate Governance werden darin gesehen, dass es mangels Übertragbarkeit der Mitgliedschaft an einem Markt für Unternehmenskontrolle fehlt (Schuhen in: Nonprofit-Organisationen, S. 221, 232; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 25 Fn. 24; Hopt in: Nonprofit-Organisationen, S. 243, 246; Reuter in: Nonprofit-Organisationen, S. 307, 313). 155 Massmann in: Nonprofit Organisationen, S. 65, 76; Schuhen in: Nonprofit Organisationen, S. 221, 231 mit Fn. 18. 156 Siehe nur Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 386.
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Ungeachtet der beschriebenen Zusammenhänge erscheint es im Ergebnis nicht begründbar, Vereinen die wirtschaftliche Betätigung in Beteiligungsgesellschaften allein aufgrund wohlfahrtsökonomischer Erwägungen zuzurechnen. Die Auslegung rechtlicher Regelungen kann nicht ohne weiteres anhand von Effizienzerwägungen erfolgen.157 Als Maßstab der Gesetzesauslegung kommen sie nur dann in Betracht, wenn sie sich zumindest ansatzweise dem Telos der infrage stehenden Norm zuordnen lassen.158 Im Fall der §§ 21, 22 BGB wird man davon nicht ausgehen können. Die Überprüfung der wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen der wirtschaftlichen Betätigung von Non-ProfitOrganisationen sowie einer möglichen Beschränkung muss vielmehr der rechtspolitischen Diskussion überlassen bleiben. Dies erscheint auch deshalb vorzugswürdig, weil selbst die Kritiker zugestehen, dass die wirtschaftliche Betätigung von Non-Profit-Organisationen in bestimmten Bereichen auch aus der Perspektive des Allgemeinwohls Vorzüge aufweist.159 Nicht zuletzt die Reform des Stiftungsrechts aus dem Jahr 2002 hat zudem gezeigt, dass ungeachtet der geschilderten Problematik ein politischer Konsens für eine Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Non-Profit-Organisationen offenbar nicht besteht.160
E. Nebentätigkeitsprivileg Ist auf Grundlage der zuvor entwickelten Maßstäbe eine Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen geboten, folgt hieraus noch nicht zwingend der Vorwurf der Rechtsformverfehlung. Schon der historische Gesetzgeber hat erkannt, dass nicht jede wirtschaftliche Betätigung eines Vereins dessen Qualifizierung als wirtschaftlicher Verein erfordert. So heißt es in den Protokollen, der Eintragung stehe nicht entgegen, dass der Verein »neben seinen idealen Hauptzwecken ein wirthschaftliches Geschäft betreibe, um sich hierdurch die zur Erreichung jener Zwecke erforderlichen Mittel zu verschaffen.«161 Das hiermit umschriebene Nebentätigkeitsprivileg wurde in der Folge auch vom Reichsgericht und später dem BGH anerkannt.162 Trotz einiger kritischer Stimmen wird es inzwischen zu Recht auch in der juristischen Literatur nicht mehr grundsätz157
Grundlegend Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 450 ff. Vgl. Grundmann, RabelsZ 66 (1997), 423, 434. 159 Reuter in: Nonprofit-Organisationen, S. 307, 314, der daher im Ergebnis für eine Ausnahme bestimmter Bereiche vom Verbot der wirtschaftlichen Betätigung im Sinne einer Gruppenfreistellung plädiert. 160 Siehe Darstellung bei Schwarz, DStR 2002, 1767, 1768. 161 Mugdan, Band 1, S. 604. 162 RGZ 83, 231, 237; 154, 343, 354; BGHZ 15, 315, 319; 85, 84, 93. Statt des Begriffs »Nebentätigkeitsprivileg« wurde insoweit jedoch der Begriff des Nebenzweckprivilegs verwandt, hierzu sogleich unter I.1. 158
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lich in Frage gestellt.163 Auch wenn das Nebentätigkeitsprivileg primär auf die eigene Betätigung des Vereins zugeschnitten ist, besteht grundsätzliche Einigkeit, dass es auch auf zugerechnete externe Betätigungen Anwendung findet.164 Im Ergebnis kann das Nebentätigkeitsprivileg somit dazu führen, dass trotz der im Gläubigerinteresse gebotenen Zurechnung der Tatbestand der Rechtsformverfehlung nicht erfüllt ist. Im Folgenden soll zunächst die Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs im Allgemeinen erörtert werden (I.), um sodann seine Anwendung auf externe Betätigungen näher zu beleuchten (II.).
I. Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs im Allgemeinen Die Bestimmung der Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Im Folgenden wird unter Bezugnahme auf das insoweit vertretene Meinungsspektrum dargestellt, anhand welcher Kriterien die Differenzierung zwischen zulässigen und unzulässigen wirtschaftlichen Nebentätigkeiten zu erfolgen hat. 1. Maßgeblichkeit der Relation von wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Betätigung Im Ausgangspunkt stellt sich auch im Zusammenhang mit dem Nebentätigkeitsprivileg die Frage, ob es objektiv auf die Tätigkeit des Vereins oder subjektiv dessen Zwecksetzung ankommt. Vor dem Hintergrund der auf den Vereinszweck abstellenden Umschreibung in den Gesetzesprotokollen neigte die Rechtsprechung lange Zeit dazu, auch im Zusammenhang mit dem Nebentätigkeitsprivileg der subjektiven Theorie zu folgen und darauf abzustellen, ob der Hauptzweck eines Vereins wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich ist.165 Aus diesem Grund wurde (und wird vielfach noch) statt vom Nebentätigkeits- vom Nebenzweckprivileg gesprochen.166 Mit Überwindung der subjektiven Theorie im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung hat sich indes auch im Zusammenhang mit dem Nebentätigkeitsprivileg zu Recht eine objektive Betrachtungs-
163 Soergel/Hadding, § 21, 22 Rn. 33 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 25 ff.; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 18 ff.; ders., Verbandszweck, 109 ff., 183 ff.; MünchKommBGB/ Reuter, §§ 21, 22 Rn. 19 ff.; Weick in: Staudinger, § 21 Rn. 12 ff.; Flume, BGB AT I/2, S. 112; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 160 ff.; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 47; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 49; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 79 ff.; grundsätzlich ablehnend noch Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 124 ff.; Sachau, ZHR 56 (1905), 444, 468 f. 164 Missverständlich Soergel/Hadding, § 21, 22 Rn. 34, vgl. demgegenüber Rn. 43. 165 RGZ 83, 231, 237; 133, 170, 176 f.; BGHZ 15, 315, 319 f. 166 S. Fn. 162. Der Begriff des Nebentätigkeitsprivilegs stammt von Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 78 ff.
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weise durchgesetzt.167 Nur sie wird dem im Rahmen der §§ 21, 22 BGB maßgeblichen Aspekt des Gläubigerschutzes gerecht. Denn für die mögliche Gläubigergefährdung kommt es offensichtlich weniger auf den Zweck des Vereins als vielmehr dessen tatsächliche Betätigung an. Es bleibt die Frage, welchen Umfang die wirtschaftliche Betätigung haben darf, um unter das Nebentätigkeitsprivileg zu fallen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Versuche, absolute Größenkriterien zu entwickeln, die der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht überschreiten darf.168 Ein Vorschlag lautet beispielsweise, im Fall der Betätigung an einem inneren Markt in Anlehnung an § 53 Abs. 1 S. 2 a. F. GenG auf die Bilanzsumme von DM 1 Mio. abzustellen.169 Dem ist die h. M. jedoch zu Recht nicht gefolgt.170 Davon abgesehen, dass solche Kriterien der Vielfalt der in der Praxis anzutreffenden Vereinsgestaltungen nicht gerecht werden, sind sie schon deshalb abzulehnen, weil sie das Verhältnis der wirtschaftlichen zur nichtwirtschaftlichen Betätigung unberücksichtigt lassen. Eine wirtschaftliche Betätigung, die einen kleinen Verein und in der Folge dessen Gläubiger erheblichen Risiken aussetzt, mag bei einem Großverein kaum ins Gewicht fallen. Mit der h. M. ist deshalb davon auszugehen, dass der Umfang des Nebentätigkeitsprivilegs nur im Rahmen einer Betrachtung bestimmt werden kann, die den Umfang des wirtschaftlichen und des nichtwirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in Relation setzt.171 Zutreffend wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, die wirtschaftliche Betätigung müsse der nichtwirtschaftlichen Betätigung funktional dienen bzw. untergeordnet sein.172 Maßgeblich muss dabei eine Gesamtschau sein, die sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien einschließt.173 Jeder Versuch, einzelne Aspekte wie etwa die den wirtschaftlichen bzw. nicht wirtschaftlichen Betrieb betreffende Ausgaben174 oder Zeitaufwand175 herauszugreifen, ist zum Scheitern verurteilt, weil er der Vielfalt der
167 Statt vieler BGHZ 85, 84, 93; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 33; Flume, BGB AT I/2, S. 112; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 78; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 109 f. 168 Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 146 ff.; Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein, S. 176 ff.; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 24 f.; tendenziell auch Sack, ZGR 1974, 179, 193 ff. 169 Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 143. 170 Vgl. Kritik bei Reuter, ZIP 1984, 1052, 1061; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 184 ff.; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 97 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 28 ff. 171 Statt vieler Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 35, Flume, BGB AT I/2, S. 112. 172 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 36; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 183; Weick in: Staudinger, § 21 Rn. 14; ähnlich BGHZ 85, 84, 93 (»Hilfsmittel«). 173 So auch der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts vom 25. 8. 2004, S. 15. 174 Knauth, JZ 1978, 339, 441 ff. 175 Vgl. Referentenentwurf (Fn. 173), S. 16.
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in Betracht kommenden Fälle nicht gerecht wird. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit ist unvermeidbar. 2. Erfordernis eines inhaltlichen Zusammenhangs Vom Erfordernis der funktionalen Unterordnung zu unterscheiden ist die Frage, ob ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Betätigung bestehen muss. Klassische Beispiele für einen solchen Zusammenhang sind die Fälle, in denen die wirtschaftliche Betätigung im Betreiben einer Vereinsgaststätte oder der Erstellung und dem Vertrieb einer Mitgliederzeitschrift besteht. Gegenbeispiel wäre etwa ein Verein, der Mittel für die Hungerhilfe beschafft, indem er ein Bau-, Chemieunternehmen etc. betreibt. Die ganz h. M. erachtet den allein der Mittelbeschaffung dienenden Geschäftsbetrieb als nicht vom Nebentätigkeitsprivileg umfasst und verlangt insoweit der Sache nach das Vorliegen eines inhaltlichen Zusammenhangs zwischen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Betätigung.176 Dem widerspricht Reuter.177 Es spiele keine Rolle, ob ein Sportverein in Nebentätigkeit ein Fitnesscenter oder ein Blumengeschäft unterhalte, um die finanziellen Grundlagen des Sportbetriebs zu verbessern. Bei der Forderung nach einem inhaltlichen Bezug der wirtschaftlichen Betätigung zur nichtwirtschaftlichen Betätigung handele es sich um einen »eher willkürlichen Ausdruck der Sorge, das Nebentätigkeitsprivileg könne sonst zum Einfallstor für eine unbegrenzte unternehmerische Tätigkeit von Vereinen werden«.178 Bei der Einordnung der Auffassung von Reuter ist zunächst zu beachten, dass diese wesentlich durch die von ihm propagierte weitreichende Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen geprägt ist. Die großzügige Handhabung des Nebentätigkeitsprivilegs dient insoweit dazu, dies zu kompensieren und den anerkennenswerten Bedürfnissen von Vereinen Rechnung zu tragen.179 Auf Grundlage des hiesigen restriktiveren Zurechnungskonzepts, wonach auch die reine Mittelbeschaffung bei entsprechender Externalisierung ohne weiteres zulässig ist, besteht für eine solche Korrektur keine Notwendigkeit.180 Richtschnur für die Bestimmung der Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs muss daher dessen Ausnahmecharakter sein. Reine Mittelbeschaffungsbetriebe ohne
176 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 189 f.; Flume, BGB AT I/2, S. 112; Soergel/Hadding, § 21, 22 Rn. 36; differenzierend Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 106 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 33 ff. 177 MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 19. 178 Reuter in: Nonprofit-Organisationen, S. 307, 316 f. 179 Dies konzediert auch Reuter, ZIP 1984, 1052, 1060 selbst. 180 Dezidiert a. A. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 192, der die reine Mittelbeschaffung auch im Fall der Externalisierung für unzulässig hält.
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inhaltlichen Zusammenhang zur nicht wirtschaftlichen Betätigung des Vereins sind daher nicht vom Nebentätigkeitsprivileg erfasst. Unabhängig von dem beschriebenen Zusammenhang mit der Zurechnungsproblematik hat das Kriterium des inhaltlichen Zusammenhangs aber auch eine teleologische Berechtigung und ist daher keinesfalls willkürlich. Besinnt man sich nämlich der Ursachen unternehmerischen Risikos,181 wird deutlich, dass wirtschaftliche Tätigkeiten, die in einem inhaltlichen Zusammenhang zur nichtwirtschaftlichen Betätigung stehen, tendenziell geringere Risiken involvieren. Besteht der inhaltliche Zusammenhang darin, dass ein Verein für bestimmte Leistungen, die er im Rahmen seiner nichtwirtschaftlichen Betätigung ohnehin anbietet, nunmehr ein Entgelt verlangt (Bsp. Kursgebühren bei Volkshochschulen, Eintritt bei Sportveranstaltungen oder eines Kunstvereins), bietet er letztlich ohnehin vorhandene Leistungen an. Das für die wirtschaftliche Betätigung charakteristische Investitionsrisiko erweist sich insoweit als vergleichsweise gering.182 Ähnlich liegen die Dinge im Fall, dass die angebotene Leistung dem Vereinsleben dient (Bsp. Vereinsgaststätte, Mitgliederzeitung), da hier das Risiko der fehlenden Nachfrage vergleichsweise gering ist.
II. Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs bei der externen wirtschaftlichen Betätigung Einigkeit besteht im Ausgangspunkt darin, dass die Frage der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen auf den Verein von der Frage des Eingreifens des Nebentätigkeitsprivilegs zu unterscheiden ist. Erst wenn die Zurechnung bejaht ist, stellt sich die Frage, ob die externe wirtschaftliche Betätigung aufgrund des Nebentätigkeitsprivilegs eintragungsunschädlich ist.183 Unterschiedlich beurteilt wird jedoch die Frage, ob die zur Reichweite des Nebentätigkeitsprivilegs entwickelten Grundsätze bei dessen Anwendung auf zuzurechnende externe wirtschaftliche Betätigungen einer Modifikation bedürfen oder ob insoweit die gleichen Maßstäbe wie für die eigene wirtschaftliche Betätigung gelten. 181
Oben B.II. (S. 147 ff.). Zugegebenermaßen besteht die Gefahr, dass dieser Effekt schnell umschlägt und es zu einer »Verselbstständigung« der wirtschaftlichen Betätigung kommen kann. Das Beispiel des Profisports, wo versucht wird, die Attraktivität der angebotenen Leistungen durch hohe Investitionen in Spielerkader und Sportstätten zu erhöhen, deren Amortisation mit erheblichen Risiken behaftet ist (insbesondere aufgrund der Möglichkeit des Abstiegs), belegt dies eindrucksvoll. Insoweit wird es dann aber häufig am Merkmal der Unterordnung fehlen (zur Anwendung des Nebentätigkeitsprivilegs auf den Profisport etwa Weick in: Staudinger, § 21 Rn. 15). 183 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 43; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 190 ff., jeweils mit Kritik am Mangel einer entsprechenden Differenzierung im ADAC-Urteil des BGH, wo das Gericht ohne nähere Begründung das Nebentätigkeitsprivileg erörtert, obgleich es schon die Zurechnung verneint hatte (BGHZ 85, 84, 88 ff.). 182
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K. Schmidt plädiert für Ersteres und meint, dass das Nebentätigkeitsprivileg bei der Anwendung auf externe Tätigkeiten großzügiger zu handhaben sei.184 Die von ihm vertretene »konzernrechtliche Zurechnung« sei nur dann eintragungsschädlich, wenn im konkreten Fall eine abstrakte oder konkrete Gläubigergefährdung festzustellen ist. Dies wiederum sei der Fall, »wenn eine Realisierung unternehmerischer Haftungsrisiken zu befürchten und durch die Organhaftung nicht sinnvoll ausgeglichen ist.« Hadding185 und Reuter 186 stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, dass es für den Umfang des Nebentätigkeitsprivilegs keinen Unterschied macht, ob die Wirtschaftstätigkeit extern oder intern erfolgt. Reuter geht sogar davon aus, die Ausgliederung wirke sich unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes tendenziell negativ aus. Sinngemäß begründet er dies mit dem oben dargestellten Abschirmungseffekt, der eine Auswirkung des Misserfolgs der externen wirtschaftlichen Betätigung auf die nichtwirtschaftliche Tätigkeit des Vereins verhindere und hierdurch die Risikoempfindlichkeit der Vereinsmitglieder und -funktionäre verringere.187 Da die zuletzt genannte Einschätzung auf der vorliegend nicht geteilten Annahme beruht, dass Gläubigerschutz im Wesentlichen durch die Herstellung von Risikoempfindlichkeit gewährleistet wird, und Reuter an sie auch keine konkreten Konsequenzen knüpft, bedarf es insoweit keiner (erneuten) Erörterung.188 Die Auffassung von K. Schmidt ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass er eine Zurechnung schon immer dann bejaht, wenn der Verein auf die Gesellschaft, in die die wirtschaftliche Betätigung ausgelagert wird, einen beherrschenden Einfluss ausübt. Um die Auslagerung nicht »folgenlos und unattraktiv«189 werden zu lassen, bevorzugt er die externe gegenüber der eigenen wirtschaftlichen Betätigung im Rahmen des Nebentätigkeitsprivilegs. Auf Grundlage des hiesigen Zurechnungskonzepts verbietet sich ein solches Vorgehen. Die unterschiedlichen Auswirkungen der eigenen gegenüber der externen wirtschaftlichen Betätigung auf die Gläubiger des Vereins sind hiernach bereits bei der Frage der Zurechnung zu berücksichtigen. Führt die Externalisierung dazu, dass sich das mit jeder wirtschaftlichen Betätigung einhergehende unternehmerische Risiko nicht mehr wesentlich auf die Gläubiger des Vereins auswirkt, scheidet eine Zurechnung aus und es bedarf einer Anwendung des Nebentätigkeitsprivilegs gar nicht erst. Sind die Gläubiger trotz Externalisierung in erheblichem Umfang unternehmerischen Risiken ausgesetzt, ist es umge184
K. Schmidt, Verbandszweck, S. 191 f.; tendenziell ähnlich Flume, BGB AT I/2, S. 112 f. Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 43. 186 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1061 f.; ders. in: Nonprofit-Organisationen, S. 307, 316 f. 187 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1061. 188 Konsequenterweise dürfte Reuter die Ausgliederung wirtschaftlicher Betätigungen nur unter der Voraussetzung gestatten, dass der Verein für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft persönlich haftet. 189 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 191. 185
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kehrt geboten, das Nebentätigkeitsprivileg diesbezüglich in gleicher Weise wie bei der eigenen wirtschaftlichen Betätigung in Anwendung zu bringen.
F. Folgen der Rechtsformverfehlung Ist der Tatbestand der Rechtsformverfehlung in Folge der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen erfüllt, stellt sich die Frage nach den Konsequenzen. Im Folgenden wird zunächst auf die Möglichkeit der Amtslöschung durch das Registergericht gemäß § 395 FamFG eingegangen (I.), um sodann zu untersuchen, welche Reaktionsmöglichkeiten dem Verein (II.), seinen Mitgliedern (III.), seinen Gläubigern (IV.) und seinen Wettbewerbern (V.) zur Verfügung stehen.
I. Amtslöschung gemäß § 395 FamFG 1. Erfassung der verdeckten Rechtsformverfehlung Bis zur Vereinsrechtsreform von 2009 war streitig, ob das registerrechtliche Amtslöschungsverfahren (§ 395 FamFG, zuvor §§ 159, 142 FGG) nur auf die offene, d. h. aus der Satzung erkennbare, oder auch die verdeckte Rechtsformverfehlung Anwendung findet, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Verein entgegen der Vorgaben der Satzung wirtschaftlich betätigt. Die h. M. sprach sich für eine Beschränkung auf die offene Rechtsformverfehlung aus, da § 43 Abs. 2 BGB a. F. für die verdeckte Rechtsformverfehlung die Entziehung der Rechtsfähigkeit durch die Verwaltungsbehörden vorsah.190 Obgleich die Aufteilung der Zuständigkeiten als unbefriedigend empfunden wurde, vermochte man der namentlich von K. Schmidt vertretenen Gegenauffassung,191 die die Kompetenz des Registergerichts auch auf die verdeckte Rechtsformverfehlung erstrecken wollte, unter Hinweis auf rechtsstaatliche Bedenken – der Verein hätte sich dem Vorwurf der Rechtsformverfehlung gegebenenfalls in zwei unabhängig voneinander stattfindenden Verfahren erwehren müssen – nicht zu folgen.192 Da die auf der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betäti190 LG Hanau NJW-RR 2002, 102; KG NJW-RR 1993, 187, 188; OLG Hamm OLGZ 1993, 24, 27; BayObLG Rpfleger 1985, 117, 118; AG Mannheim, MDR 1955, 620 MünchKommBGB/Reuter, § 22 Rn. 70; Soergel/Hadding, § 43 Rn. 2; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 63 ff.; Palandt/Ellenberger, §§ 43, 44 Rn. 2; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 1164; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 453; Kopp, NJW 1989, 2497, 2503; Weick in: Staudinger, § 43 Rn. 7. 191 K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 45 ff.; ders., Verbandszweck, S. 236 ff.; ders., RPfleger 1988, 45, 50; ders., NJW 1993, 1225, 1226 f.; Oetker, NJW 1991, 385, 388 f.; Böttcher, RPfleger 1988, 169, 170; LG Hamburg ZIP 1986, 229. 192 Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 64 f.; MünchKommBGB/Reuter, § 22 Rn. 70; OLG Hamm, OLGZ 1993, 24, 27.
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gungen beruhende Rechtsformverfehlung meist der Kategorie der verdeckten Rechtsformverfehlung zuzuordnen ist,193 konnte sie daher nur von den Verwaltungsbehörden sanktioniert werden. Durch die Streichung von § 43 Abs. 2 BGB und die damit verbundene Beseitigung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für die Sanktionierung der Rechtsformverfehlung wegen wirtschaftlicher Betätigung ist nunmehr geklärt, dass die Registergerichte auch für die verdeckte Rechtsformverfehlung zuständig sind.194 Der Gesetzgeber reagierte hiermit auf die Forderungen aus der Wissenschaft nach einer Konzentration der Zuständigkeiten bei den Registergerichten, welche unter anderem damit begründet wurden, dass diese aufgrund ihrer politischen Unabhängigkeit im Vergleich zu den Verwaltungsbehörden zur Verfolgung von Rechtsformverfehlungen geeigneter seien.195 2. Ermessensfrage Streitig war in der Vergangenheit auch, ob der Behörde bzw. dem Registergericht bei der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens zur Entziehung der Rechtsfähigkeit bzw. der Amtslöschung ein Ermessensspielraum zusteht. Gegen einen Ermessensspielraum sprach bzw. spricht, dass die Eintragung des Vereins nicht im Ermessen des Registergerichts steht und es daher einzig konsequent erscheint, dass Gleiches auch für den actus contrarius gilt. Zudem würde die Annahme eines Ermessensspielraums die Gefahr begründen, dass die Verantwortlichen der Entziehung aus Opportunitätserwägungen ausweichen und insoweit Anreize schaffen, die Eintragung als Verein durch unrichtige Angaben zu erschleichen. Für die Annahme eines Ermessensspielraums spricht, dass § 395 FamFG (zuvor §§ 159, 142 FGG) das Wort »kann« verwendet. Gleiches galt für die nunmehr entfallene Regelung des § 43 Abs. 2 BGB. Zumindest für das verwaltungsrechtliche Entziehungsverfahren des § 43 Abs. 2 a. F. BGB entsprach es im Anschluss an BVerwGE 105, 313 der h. M., dass kein Ermessensspielraum besteht und die Verpflichtung zum Einschreiten hiernach unabhängig davon besteht, ob zusätzliche Umstände eine konkrete Gefährdung der Gläubigerinteressen nahe legen.196 Hinsichtlich des registerrechtlichen Amtslöschungsverfahrens fehlt es aufgrund des Umstandes, dass dieses wegen seiner bisherigen Beschränkung auf die offene Rechtsformverfehlung 193
Näher sogleich unter II.2.a. (S. 182). Zur Änderung Reuter, NZG 2009, 1368, 1372. 195 Reuter, NZG 2008, 650, 651; Segna, Rpfleger 2006, 449, 453 f.; ders. in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 49; Hadding, ZGR 2006, 137, 164; zuvor bereits K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 59; ders., NJW 1993, 1225, 1228. 196 BVerwGE 105, 313, 322; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 241 ff.; MünchKommBGB/ Reuter, §§ 43, 44 Rn. 9; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 43 Rn. 6 m. w. N.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 66 ff.; im Ergebnis auch Soergel/Hadding, § 43 Rn. 6; a. A. VGH München NJW-RR 1987, 830, 831; VG Hamburg 1996, 3363; Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 112 f. 194
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kaum eine Rolle gespielt hat, an einer vergleichbaren Leitentscheidung.197 Mit Blick auf die zuvor referierten Erwägungen, deren Überzeugungskraft unabhängig davon ist, ob man sie auf das verwaltungsrechtliche oder das registerrechtliche Verfahren münzt, spricht jedoch alles dafür, auch im Fall des nunmehr in § 395 FamFG geregelten Amtslöschungsverfahrens von einer gebundenen Entscheidung des Registergerichts auszugehen. 3. Rechtsfolge Inzwischen kann es als gesichert gelten, dass der Verlust des Status als eingetragener Verein sowohl die Existenz als auch die Rechtssubjektivität des Vereins grundsätzlich unberührt lässt. Der Verein verliert lediglich seine Eigenschaft als eingetragener Verein und wird dadurch zum nicht rechtsfähigen Verein im Sinne des § 54 BGB, dessen Rechtssubjektivität aber mittlerweile anerkannt ist.198 Fraglich ist jedoch noch immer, inwieweit die Entziehung (zwingend) die Liquidation des Vereins nach sich zieht. a) Kein Liquidationszwang Aufgrund des Wortlauts der §§ 45, 47 BGB herrschte lange Zeit die Auffassung vor, dass sowohl die Amtslöschung als auch die Entziehung der Rechtsfähigkeit, abgesehen vom Fall des § 46 BGB, zwingend die Liquidation nach sich ziehen.199 Eine Fortsetzung wäre hiernach nur in der Weise denkbar, dass ein neuer Verband gegründet wird, auf den der Liquidationserlös gegebenenfalls übertragen wird. 200 Inzwischen hat sich jedoch die Auffassung durchgesetzt, dass kein Liquidationszwang besteht.201 K. Schmidt hat in diesem Zusammenhang die Sichtweise geprägt, der Zweck des § 47 BGB beschränke sich darauf, eine Vermögensverteilung außerhalb eines Liquidationsverfahrens zu verbieten. 202 Seiner Auffassung nach überführt der Verlust des Status als eingetragener Verein diesen zwar ins Liquidationsstadium, doch hindere dies die Mitglieder 197 Gegen einen Ermessensspielraum: K. Schmidt, Verbandszweck, S. 241 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 66 ff.; für einen Ermessensspielraum: OLG Celle NJW-RR 1996, 1502; LG Düsseldorf VersR 1979, 236, 238. 198 Nunmehr auch BGH NJW 2008, 69 Rz. 55 unter Hinweis auf BGHZ 146, 341 ff. betreffend die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR. Vgl. dazu Hadding, WuB II N § 54 BGB 1.08. 199 Siehe Nachweise bei Soergel/Hadding, § 47 Rn. 1. 200 Flume, BGB AT I/2, S. 182; nach a. A. kann es zu einer Spaltung in einen gemäß § 49 Abs. 2 BGB als fortbestehend geltenden rechtsfähigen Liquidationsverein und einen nicht rechtsfähigen Verein kommen (Coing in: Staudinger (11. Aufl), § 41 Rn. 15a). 201 Grundlegend K. Schmidt, Verbandszweck, S. 293 ff.; ihm folgend Soergel/Hadding, Vor § 41 Rn. 4 (allerdings im Widerspruch zu § 43 Rn. 7); Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/ Roth, § 41 Rn. 4; Weick in: Staudinger, § 47 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 43 Rn. 3; M. Bayer, Die liquidationslose Fortsetzung rechtsfähiger Idealvereine, S. 181 ff., 220 ff.; mit Einschränkungen auch MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 3 f. 202 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 296.
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nicht, die Fortsetzung zu beschließen. Andere teilen zwar prinzipiell die These, dass § 47 BGB keinen Liquidationszwang begründet, wollen hiervon aber für den vorliegend interessierenden Fall der wirtschaftlichen Betätigung eine Ausnahme machen. 203 Als Begründung führen sie an, dass das Gläubigerschutzniveau beim nichtrechtsfähigen Verein hinter dem beim eingetragenen Verein zurückbleibe. Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe dafür, die §§ 45, 47 BGB nicht im Sinne eines Liquidationsgebots zu interpretieren. Selbst wenn man den Hinweis auf die Gesetzesmaterialien als nicht überzeugend einstuft, 204 gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass die vom historischen Gesetzgeber zugrunde gelegten dogmatischen Vorstellungen inzwischen überholt sind. Dieser glaubte nämlich noch vor dem Problem zustehen, dass mit dem Verlust des Status als juristische Person das Vereinsvermögen mit Ausnahme der Fälle des § 46 BGB subjektlos zu werden droht. 205 Aus diesem Grund sah er sich auch zu der Regelung des § 49 Abs. 2 BGB veranlasst, wonach der Verein bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend gilt. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit auch des nicht eingetragenen Vereins haben sich die Vorzeichen jedoch entscheidend verändert. Auch mit dem Aspekt des Gläubigerschutzes lässt sich die Notwendigkeit der Liquidation nicht begründen. Weil die Mitglieder des nicht eingetragenen Wirtschaftsvereins für dessen Verbindlichkeiten analog § 128 HGB persönlich haften, 206 weist dieser kein niedrigeres, sondern ein höheres Gläubigerschutzniveau auf. Zwar wäre es unverhältnismäßig, die Entstehung einer solchen Haftung unmittelbar an den Verlust der Eigenschaft als juristische Person zu knüpfen. Vorzugswürdig erscheint es, in Analogie zu § 139 Abs. 3 S. 1 HGB den Betroffenen eine Frist von drei Monaten einzuräumen, in denen sie Gelegenheit haben, eine persönliche Einstandspflicht zu verhindern. Neben einem von der Mitgliederversammlung zu beschließenden Formwechsel ist insoweit insbesondere auf die Möglichkeit des Vereinsaustritts hinzuweisen. 207 Eine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung in der Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins ohne persönliche Mitgliederhaftung bleibt jedoch gerade ausgeschlossen.
203 Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 41 Rn. 4. Für eine entsprechende Differenzierung auch MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 4, der allerdings letztlich eine Fortsetzung durch einstimmigen Beschluss der Mitgliederversammlung für möglich hält (a.a.O. a. E.). Das verwundert, da er sich hierbei ausdrücklich gegen K. Schmidt wendet, der aber das gleiche Ergebnis vertritt. S. auch Reuter, NZG 2005, 738, 745, wo von der Möglichkeit der Fortsetzung keine Rede ist. 204 So MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 4. 205 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 294 f. 206 Ausführlich Schöpfl in, Der nichtrechtsfähige Verein, S. 393 ff. m. w. N. 207 Zum Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsrechts sogleich unter III.3. (S. 187).
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Dass den Gläubigern innerhalb der Dreimonatsfrist substantielle Nachteile drohen, ist nicht ersichtlich. Was den Insolvenzgrund der Überschuldung anbetrifft, greift zwar nicht mehr § 19 Abs. 1 InsO ein, doch wird dies für die Übergangszeit durch die Regelung des § 19 Abs. 3 S. 1 InsO kompensiert. 208 Ebenso steht nicht zu befürchten, dass infolge des Austritts von Mitgliedern der Verlust von zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Vermögens droht. Denn ein auf § 738 Abs. 1 S. 2 BGB gestützter Abfindungsanspruch kommt erst in Betracht, wenn ein Gesellschafter nach Ablauf der Dreimonatsfrist den Verein verlässt. Solange die Mitglieder von den Nachteilen des Statuswechsels verschont bleiben, können sie sich auch nicht auf dessen Vorzüge berufen. Im Übrigen gilt es zu beachten, dass der Abfindungsanspruch ohnehin nur in Höhe des potentiellen Anteils am Liquidationserlös bestünde. b) Entbehrlichkeit eines Fortsetzungsbeschlusses Von der Frage des Liquidationszwangs zu unterscheiden ist die Frage, ob mit der Entziehung der Rechtsfähigkeit kraft Gesetz der Eintritt ins Liquidationsstadium verbunden ist. Wäre dies der Fall, würde der Verein neben seinem Status als juristische Person zugleich auch seinen Status als werbender Verband verlieren und die Fortsetzung wäre hiernach nur auf Grundlage eines Fortsetzungsbeschlusses möglich.209 Das zur Begründung einer solchen Annahme vorgebrachte Argument, es komme in Folge der Entziehung zu einer Divergenz zwischen der tatsächlichen und der satzungsmäßig gewollten Rechtsform, vermag jedoch nicht recht zu überzeugen. Zwar ist es richtig, dass der Entzug der Rechtsfähigkeit als eingetragener Verein einen satzungswidrigen Zustand begründet. Doch ist nicht ersichtlich, weshalb dies den Verein kraft Gesetz ins Liquidationsstadium versetzen sollte. Bei der Auflösung mit anschließender Liquidation handelt es sich lediglich um eine von mehreren Möglichkeiten, den satzungswidrigen Zustand zu beheben. c) Persönliche Haftung der Mitglieder Verliert der Verein in Folge der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen seinen Status als eingetragener Verein, wird er zum nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein. Nach ganz h. M. haften dort die Mitglieder gemäß § 54 S. 1 BGB in Verbindung mit § 128 HGB analog persönlich.210 Wie bereits ausgeführt, wäre es jedoch unangemessen, die Haftung unmittelbar im Anschluss an den Entzug der Rechtsfähigkeit eintreten zu lassen. Analog § 139 Abs. 3 S. 1 208 Vgl. Insolvenzrechts-Handbuch/Haas, Rn. 137, dies übersieht offenbar MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 4. 209 Ausdrücklich in diesem Sinn K. Schmidt, Verbandszweck, S. 301 f.; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 41 Rn. 4; Seltmann, DStR 2008, 1443, 1446; MünchKommBGB/Reuter, § 41 Rn. 4 a. E.; wohl auch Palandt/Ellenberger, § 43 Rn. 3. 210 S. Nachweis Fn. 206.
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HGB entsteht die Haftung daher erst nach Ablauf von drei Monaten. Innerhalb dieser Zeit haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich der persönlichen Inanspruchnahme durch den Vereinsaustritt zu entziehen. Tun sie dies nicht und tritt die Haftung nach Ablauf der Dreimonatsfrist ein, umfasst sie auch die während der Existenz des Vereins als eingetragener Verein entstandenen Verbindlichkeiten.
II. Handlungsoptionen des Vereins Droht dem Verein aufgrund der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen der Entzug der Rechtsfähigkeit, kann er versuchen, den Tatbestand der Rechtsformverfehlung zu beenden, indem er die Gründe für die Zurechnung beseitigt. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an die Veräußerung der maßgeblichen Beteiligungen.211 Will er diesen Weg nicht gehen, bleiben ihm zwei Handlungsoptionen: die Umwandlung in einen Handelsverein (1.) oder die Fortexistenz als nichtrechtsfähiger Wirtschaftsverein i. S. d. § 54 BGB (2.). 1. Formwechsel nach den §§ 272 ff. UmwG Angesichts des mit dem Tatbestand der Rechtsformverfehlung verbundenen Vorwurfs, der eingetragene Verein gehe einer Betätigung nach, für die das Gesetz die Rechtsformen der Handelsvereine vorsieht, ist es konsequent, dass das UmwG in den §§ 272 ff. UmwG eingetragenen Vereinen die Möglichkeit zum Formwechsel in eine AG, GmbH oder Genossenschaft eröffnet. 212 Möglich ist der Formwechsel allerdings nur, solange die Rechtsformverfehlung noch nicht zum Verlust der Eigenschaft als eingetragener Verein geführt hat. Denn ein Formwechsel des nicht rechtsfähigen Vereins i. S. v. § 54 BGB ist im UmwG nicht vorgesehen. Probleme dürfte dies jedoch kaum bereiten. Bis zum Abschluss des Amtslöschungsverfahrens wird regelmäßig ausreichend Zeit verbleiben, den Formwechsel durchzuführen. Gemäß § 395 Abs. 2 FamFG hat das Gericht den Verein zunächst von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu setzen. Im Übrigen darf die Löschung erst erfolgen, wenn die Entscheidung über den hiergegen eingelegten Widerspruch rechtskräftig geworden ist (§ 395 Abs. 3 FamFG i. V. m. § 393 Abs. 5 FamFG). Schließlich lässt sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableiten, dass dem Verein die Möglichkeit zum
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S. ferner oben C.II.2.a.(2). (S. 156 f.). Vgl. die aus der Zeit vor dem UmwG stammende Forderung einer entsprechenden Umwandlungsmöglichkeit von K. Schmidt, Verbandszweck, S. 309 ff.; ders., NJW 1993, 1225, 1227. 212
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Formwechsel erforderlichenfalls durch Aussetzung des Verfahrens einzuräumen ist. 213 Die Umwandlung impliziert, dass die Vereinsmitglieder an der neuen Gesellschaft zu beteiligen sind. 214 Als Normalfall setzt das Gesetz voraus, dass sie mit gleich hohen Anteilen, also nach Köpfen, in der neuen Gesellschaft beteiligt werden (vgl. § 276 Abs. 2 UmwG). 215 In Ausnahmefällen können aber den Mitgliedern auch unter Zugrundelegung der in § 276 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 UmwG aufgeführten Kriterien unterschiedlich hohe Beteiligungen zugewiesen werden. 2. Fortführung als nicht rechtsfähiger Wirtschaftsverein Schließlich bleibt dem Verein noch die Möglichkeit, die wirtschaftliche Betätigung als nicht eingetragener Wirtschaftsverein i. S. v. § 54 BGB fortzuführen. Insoweit kann er den Abschluss des Amtslöschungsverfahrens abwarten oder aber auch selbst auf die Rechtsfähigkeit verzichten. 216 Entsprechend dem zuvor Gesagten besteht in diesem Fall weder ein Liquidationszwang noch bedarf es eines Fortsetzungsbeschlusses, um den Verein in den werbenden Status zurückzuführen. 217 Zwingende Folge der Fortführung der bisherigen Betätigung als nicht rechtsfähiger Verein ist die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten (§ 139 Abs. 3 S. 1 HGB analog) einsetzende persönliche Haftung der Mitglieder. 218
III. Rechte der Mitglieder 1. Erzwingung der Amtslöschung Angesichts der häufig beklagten Zurückhaltung der zuständigen staatlichen Stellen bei der Sanktionierung von Rechtsformverfehlungen, welche sich auch auf Grundlage der Zuständigkeitskonzentration bei den Registergerichten wohl nicht signifikant ändern wird, stellt sich die Frage, ob das Amtslöschungsverfahren durch einzelne Mitglieder erzwungen werden kann. Denkbar wäre insoweit eine Untätigkeitsbeschwerde, die das Registergericht zur Verfahrenseröffnung verpflichtet. Doch bereits die generelle Statthaftigkeit des Rechtsmittels der Untätigkeitsbeschwerde ist zweifelhaft. 219 Ausdrücklich vorgesehen ist sie 213 Vgl. K. Schmidt, NJW 1993, 1225, 1227 f. (mit Blick auf das verwaltungsrechtliche Verfahren gemäß § 43 Abs. 2 BGB a. F.). 214 Zur Frage, ob dieser Vorgang Schenkungsteuer auslöst FG Düsseldorf, EFG 2006, 1084 ff. 215 Krieger in: Lutter, UmwG, § 276 Rn. 10. 216 Eingehend zum Verzicht Kollhosser, ZIP 1984, 1434 ff. 217 Oben I.3.b. (S. 179). 218 Oben I.3.c. (S. 179 f.). 219 Zum Streitstand Keidel/Meyer-Holz, FamFG, § 59 Rn. 65 ff. In OLG Düsseldorf NJWRR 1995, 611; LG Hanau NJW-RR 2002, 102 wurde die Beschwerde gegen die Ablehnung der
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im FamFG nicht. Und selbst wenn man darüber hinwegsieht, bleibt das Problem, dass § 59 Abs. 1 FamFG die Beschwerdeberechtigung von der negativen Betroffenheit eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers abhängig macht. 220 Auf Grundlage der hiesigen Auffassung, wonach die Vereinsklassenabgrenzung allein dem Schutz der Gläubiger und nicht zugleich auch dem der Mitglieder dient, ist die Beschwerdeberechtigung der Mitglieder daher zu verneinen. 221 2. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Kann das einzelne Mitglied kein registerrechtliches Löschungsverfahren erzwingen, gewinnt die Frage an Bedeutung, inwieweit ihm möglicherweise verbandsrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zustehen, die es ihm ermöglichen, gegen die Rechtsformverfehlung vorzugehen. a) Verdeckte Rechtsformverfehlung als satzungswidriger Zustand Maßgeblich für die Bewertung der dem einzelnen Mitglied zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ist zunächst einmal die Erkenntnis, dass der Tatbestand der Rechtsformverfehlung aufgrund der Zurechnung externer wirtschaftlicher Betätigungen nicht nur einen gesetzes-, sondern auch einen satzungswidrigen Zustand begründet. 222 Denn in der Satzung finden sich regelmäßig Bestimmungen, die den Status als eingetragener Verein vorschreiben und dadurch implizieren, dass sich die Betätigung des Vereins in dem durch § 21 BGB vorgegebenen Rahmen bewegt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Satzung ausnahmsweise die zurechnungsbegründende externe wirtschaftliche Betätigung ausdrücklich vorgibt, und es sich somit um einen Fall der offenen Rechtsformverfehlung handelt. Da eine solche Satzungsgestaltung in der Praxis jedoch kaum vorkommen dürfte und zudem unter dem Gesichtspunkt der Rechtsformverfehlung ohnehin nur in dem wenig wahrscheinlichen Fall virulent würde, dass sie vom Registergericht im Eintragungsverfahren zu Unrecht unbeanstandet bleibt, kann sie vorliegend außer Betracht bleiben. Von Interesse sind allein die Fälle der verdeckten Rechtsformverfehlung, in denen der Tatbestand der Rechtsformverfehlung von der Satzung nicht gedeckt ist und typischerweise auch erst mit einem zeitlichen Abstand zur Eintragung des Vereins auftritt.
Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens jeweils als grundsätzlich statthaft erachtet, die Zulässigkeit aber an der fehlenden Beschwerdebefugnis scheitern lassen. 220 Sie etwa OLG Hamm FGPrax 2005, 226. 221 Im Ergebnis ebenso K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 50; ders., Verbandszweck, S. 253. 222 Ähnlich Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 74 ff., der allerdings unzutreffend auf den Vereinszweck abstellt (S. 78).
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b) Gesellschafterklagen Inwieweit ein einzelnes Mitglied seine Interessen gegenüber dem Verband und dessen Organen klageweise durchsetzen kann, wird rechtsformübergreifend unter dem Oberbegriff »Gesellschafterklage« erörtert. Die Diskussion speist sich hierbei aus der im Holzmüller-Urteil anerkannten Abwehrklage (actio negatoria) und der ursprünglich aus dem Personengesellschaftsrecht stammenden actio pro socio.223 Die Abgrenzung der beiden Institute ist nicht immer klar und nicht selten werden sie zu einer Art »Einheitsinstitut« verschmolzen. Das ist insoweit verständlich, als die Unterschiede in der Praxis häufig keine Rolle spielen und man daher Abwehrklage und actio pro socio auch als funktionale Substitute betrachten kann. 224 In der dogmatischen Konzeption bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. Während der Abwehrklage ein eigener Anspruch des Mitglieds zugrunde liegt, dient die actio pro socio richtigerweise lediglich dazu, einen Anspruch des Verbandes geltend zu machen. 225 Folglich liegt im Zusammenhang mit der Abwehrklage der Schwerpunkt auf der Frage nach dem Bestehen eines materiellen Anspruchs des Mitglieds, während im Rahmen der actio pro socio die entscheidende Frage lautet, ob sich ein Verfolgungsrecht der Mitglieder in die Kompetenzordnung des Verbandes einfügt. (1) Abwehrklage (actio negatoria) Auf die grundsätzliche Anwendbarkeit der Abwehrklage (actio negatoria) im Vereinsrecht wurde bereits hingewiesen. 226 Zu erörtern bleibt, ob die Abwehrklage zur Bekämpfung von Rechtsformverfehlungen in Betracht kommt. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem einzelnen Mitglied gegen den Verein ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung der die Rechtsformverfehlung begründenden Betätigung zusteht. Unproblematisch zu bejahen wäre dies, wenn man den Mitgliedern einen generellen Anspruch auf gesetz- und satzungsmäßiges Handeln des Vereins (durch seine Organe) zubilligen wollte.227 Denn wie ausgeführt, begründet die übermäßige wirtschaftliche Betätigung sowohl einen Gesetzes- als auch einen Satzungsverstoß. Der mit der Anerkennung eines solchen Anspruchs verbundene Ausbau der Abwehrklage zu einem universellen Kontrollinstrument ist jedoch zu Recht auf Kritik gestoßen.228 Zwar sind für den Verein nicht sämtliche in 223
Vgl. Gegenüberstellung bei Michalski/Ebbing, GmbHG, § 14 Rn. 95 ff. In etwas anderem Zusammenhang GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 223. 225 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV, V (S. 629 ff.); Michalski/Ebbing, GmbHG, § 14 Rn. 95 ff. mit Nachweisen zur Gegenauffassung. 226 Nachweise § 4 Fn. 195. 227 Insbesondere Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 321; ders., AG 2004, 245, 250 f.; Grunewald, DB 1981, 407, 407 ff.; Wellkamp, DZWIR 1994, 221, 224; einschränkend Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239, 239. 228 Statt vieler Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 319 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 393, 421 ff.; 224
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diesem Zusammenhang in Bezug auf die Aktiengesellschaft vorgebrachten Erwägungen einschlägig. Das gilt insbesondere für den Hinweis, dass dort die Kontrolle des Vorstandshandelns ausdrücklich dem Aufsichtsrat zugewiesen ist. 229 Weil die Abwehrklage ihrem Wesen nach aber ohnehin kein (Ersatz-)Aufsichtsinstrument, sondern Ausfluss der individuellen Rechte des einzelnen Mitglieds ist, kann dies letztlich nicht entscheidend sein. Maßgeblich ist vielmehr, dass es an einer Grundlage für einen entsprechenden materiell-rechtlichen Anspruch fehlt. Weder das vom Reichsoberhandelsgericht behauptete »Grundrecht des Aktionärs auf gesetzes- und satzungsmäßige Betätigung der Gesellschaft«230 noch das ähnlich lautende obiter dictum des BGH in der HolzmüllerEntscheidung231 erweisen sich insoweit als tragfähig. 232 Denkbar wäre allenfalls, das einzelne Verbandsmitglied als »Mitgläubiger« des dem Verein gegenüber den Vorstandsmitgliedern zustehenden Unterlassungsanspruchs anzusehen, doch würde dies keinen gegen den Verband gerichteten Anspruch begründen und liefe in der Sache darauf hinaus, die gesetzgeberische Konzeption, den Verband als ein gegenüber seinen Mitgliedern eigenständiges Rechtssubjekt auszugestalten, zu ignorieren. 233 Mit der h. M. ist davon auszugehen, dass ein Unterlassungsanspruch nur insoweit in Betracht kommt, als die Geschäftsleitung in die Zuständigkeit der Mitgliedervertretung eingreift und dadurch das Recht des einzelnen Mitglieds auf Entscheidungsteilhabe verletzt. 234 Im vorliegend interessierenden Fall der Rechtsformverfehlung liegen diese Voraussetzungen nicht vor. 235 Denn mit der übermäßigen wirtschaftlichen Betätigung greift der Vorstand nicht in die Kompetenz der Mitgliederversammlung ein, sondern überschreitet die Grenzen des durch die Satzung abgesteckten Betätigungsrahmens. Ein Kompetenzübergriff lässt sich auch nicht mit Hinweis darauf konstruieren, dass die Mitgliederversammlung aufgrund ihrer Satzungsänderungskompetenz in der Lage wäre, den Satzungsverstoß zu legitimieren. 236 Denn maßgeblich muss die aktuelle Satzung K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3 b (S. 649 f.); Habersack, Mitgliedschaft, S. 285 ff.; speziell zum Verein MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 34; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 251 f. m. w. N. 229 Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 322. 230 ROHGE 23, 273, 275. 231 BGHZ 83, 122, 35. 232 Überzeugende Kritik bei Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 319 ff. 233 Ähnlich für die AG GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 223. 234 U.a. GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rn. 459; GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 222; Lutter, JZ 2000, 837, 841; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 459 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3 (S. 648 ff.); weitere Nachweise bei Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 318. 235 A. A. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 250; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 78 ff.; Segna in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 50. 236 So aber Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 79. Richtig ist allerdings, dass die Legitimationsmöglichkeit nicht wegen des Verstoßes gegen § 21 BGB entfällt, da es der Mitglie-
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sein, auf deren Grundlage der Mitgliederversammlung ebensowenig wie dem Vorstand eine Zuständigkeit für die Billigung der infrage stehenden Betätigung zukommt. Die gegenteilige, auf die Satzungsänderungskompetenz abstellende Sichtweise kann auch schon deshalb nicht richtig sein, weil sie in der Konsequenz doch wiederum auf einen umfassenden Anspruch auf satzungskonformes Verhalten hinausläuft. Wie ausufernd die Reichweite der Abwehrklage dadurch würde, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass jede für den Verband nachteilige Maßnahme gegen dessen Formalziel und somit die Satzung verstößt und es den Mitgliedern hiernach möglich wäre, sämtliche Geschäftsführungsmaßnahmen auf ihre Formalzielkonformität hin überprüfen zu lassen. (2) Actio pro socio Durch die satzungswidrige wirtschaftliche Betätigung verstoßen die Vorstandsmitglieder gegen ihre Organpflichten. Die Folge ist ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Vereins. Aus der Perspektive der Mitglieder stellt sich die Frage, ob sie berechtigt sind, diese Ansprüche im Wege der actio pro socio geltend zu machen. Voraussetzung hierfür wäre, dass das Institut der actio pro socio im Vereinsrecht im Allgemeinen sowie auf Ansprüche gegen Organmitglieder im Besonderen anwendbar ist. Die h. M. spricht sich gegen eine Anwendbarkeit der actio pro socio im Vereinsrecht aus und begründet dies mit der starken Stellung der Mitgliederversammlung, welche eine Einzelklagebefugnis der Mitglieder überflüssig mache.237 Mit Blick auf die grundsätzliche Anerkennung der actio pro socio im Recht der GmbH 238 erscheint diese Einschätzung jedoch überprüfungsbedürftig. Denn die kompetentielle Stellung der Gesellschafterversammlung der GmbH entspricht weitestgehend der der Mitgliederversammlung. Zwar ist es richtig, dass die Mitgliederversammlung (wie allerdings auch die Gesellschafterversammlung der GmbH 239 ) die Anspruchsverfolgung erzwingen kann. Doch gewährleistet allein das noch nicht in allen Fällen eine effektive Anspruchsverfolgung. Gerade bei den vorliegend infrage stehenden Unterlassungsund Beseitigungsansprüchen ist kaum ersichtlich, wer diese beim Fehlen eines mit einer entsprechenden Zuständigkeit ausgestatteten fakultativen Organs im Streitfall gerichtlich geltend machen soll. Denkbar wäre zwar die Bestellung
derversammlung möglich ist, diesen Rechtsverstoß durch Formwechsel oder Verzicht auf die Eintragung zu legitimieren (Menke, a.a.O. S. 80). 237 MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 7; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.A. Rn. 39; teilweise a. A. Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 256 ff., der »in seltenen Ausnahmefällen« ein Bedürfnis anerkennt; ähnlich Schöpfl in in: MünchHdbGesR Bd. V, § 34 Rn. 23. 238 Statt vieler Michalski/Ebbing, GmbHG, § 14 Rn. 98 m. w. N. 239 § 46 Nr. 8 GmbHG.
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eines besonderen Vertreters analog § 46 Nr. 8, 2. Alt. GmbHG. 240 Doch ist ein solches Vorgehen mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, welche die Diskussion um die actio pro socio dominieren, mag dies nicht ins Gewicht fallen. 241 Im Zusammenhang mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen könnte die strikte Einhaltung der verbandsinternen Zuständigkeitsordnung jedoch unter Umständen dazu führen, dass der Rechtsschutz zu spät eingreift. Dies zu verhindern ist die actio pro socio in der Lage und man sollte auf sie daher auch im Vereinsrecht nicht grundsätzlich verzichten. 242 Im GmbH-Recht steht die wohl h. M. auf dem Standpunkt, dass die Reichweite der actio pro socio auf Ansprüche gegen (Mit-)Gesellschafter beschränkt ist und daher keine Anwendung auf Ansprüche gegen Organmitglieder findet. 243 Zur Begründung wird auf das Fehlen einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern und den Organmitgliedern verwiesen. Doch handelt es hierbei um ein Residuum der personengesellschaftsrechtlichen Herleitung der actio pro socio, wonach das gegenseitige Versprechen der Gesellschafter im Vordergrund stand und der einzelne Gesellschafter als Mitgläubiger der Sozialansprüche erachtet wurde. 244 Im Recht der juristischen Personen erweist sich eine solche Betrachtungsweise als unpassend. Der actio pro socio kommt hier die Aufgabe zu zu verhindern, dass einzelne in der juristischen Person gebündelte Interessen aufgrund von Störungen der Zuständigkeitsordnung preisgegeben werden. Zu diesem Zweck ist der Grundsatz der zentralen Interessenwahrnehmung durch die Organe der juristischen Person zu Gunsten eines subsidiären Verfolgungsrechts der Mitglieder maßvoll zurückzudrängen. Durch Verlagerung auf die prozessuale Ebene, die die materielle Zuordnung der Ansprüche unberührt lässt, wird die Eigenständigkeit der juristischen Person dabei so weit wie möglich respektiert. Eine Beschränkung der actio pro socio auf Sozialansprüche ist auf Grundlage dieses Verständnisses nicht geboten. Es bleibt schließlich die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen die actio pro socio hinsichtlich der gegen die zurechnungsbegründende externe wirtschaftliche Betätigung gerichteten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in Betracht kommt. Entsprechend dem Vorgesagten ist dies davon abhängig zu machen, ob ein signifikantes Versagen der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung vorliegt. Existiert ein fakultatives Aufsichtsorgan, das über die Zuständigkeit verfügt, entsprechende Ansprüche geltend zu machen, besteht 240 Für eine entsprechende Analogie Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; MünchKommBGB/ Reuter, § 27 Rn. 43; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 194 f. 241 S. auch § 11 E.III.2. (S. 333 f.). 242 Zur actio pro socio bei der eingetragenen Genossenschaft Frank, Die actio pro socio in der eingetragenen Genossenschaft, passim. 243 BGH WM 1992, 928; Zöllner, ZGR 1988, 393, 408 f.; Michalski/Ebbing, GmbHG, § 14 Rn. 101 m. w. N.; vgl. auch MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 7. 244 RGZ 70, 32, 33; 76, 270, 280; 86, 66, 68.
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für ein Klagerecht der Mitglieder kein Bedürfnis. Fehlt es an einem solchen Organ, gilt es zu differenzieren. Sofern das Registergericht noch kein Amtslöschungsverfahren eingeleitet hat, erscheint es hinnehmbar, die Mitglieder auf die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung und – falls erforderlich – die Bestellung eines besonderen Vertreters analog § 46 Nr. 8, 2. Alt. GmbHG zu verweisen. Ein besonderes Eilbedürfnis, das es dem einzelnen Mitglied unzumutbar macht, den hiermit verbundenen Zeitaufwand in Kauf zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Anders liegen die Dinge, wenn das Registergericht initiativ geworden ist und die Amtslöschung droht. Mit Blick auf die nach Ablauf der Frist des § 139 Abs. 3 S. 1 HGB (analog) einsetzende persönliche Haftung sowie den Umstand, dass ein Mitglied als Reaktion auf einen satzungswidrigen Zustand nicht allein auf den Vereinsaustritt verwiesen werden kann, ist in dieser Situation eine Einzelklagebefugnis anzuerkennen, sofern ein rechtzeitiges Eingreifen der Mitgliederversammlung nicht zu erwarten ist. 3. Austrittsrecht wegen Rechtsformverfehlung Als weitere Reaktionsmöglichkeit des einzelnen Mitglieds kommt der Vereinsaustritt in Betracht. Sofern die Satzung keine Kündigungsfrist bestimmt, ist der Austritt unproblematisch möglich (vgl. § 39 Abs. 1 BGB). Ist eine Kündigungsfrist vorgesehen, stellt sich die Frage, ob die Rechtsformverfehlung ein außerordentliches Austrittsrecht rechtfertigt. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Mitglied unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ein Verbleib im Verein bis zum Ablauf der satzungsmäßigen Kündigungsfrist aufgrund der damit verbundenen unerträglichen Belastung nicht zugemutet werden kann. 245 Sofern die Amtslöschung bereits erfolgt ist, kann im Hinblick auf die nach Ablauf der Frist des § 139 Abs. 3 S. 1 HGB (analog) einsetzende persönliche Haftung am Bestehen eines außerordentlichen Austrittsrechts kein Zweifel bestehen. 246 Zweifelhaft ist allein, ob Gleiches gilt, wenn das Amtslöschungsverfahren noch anhängig oder gar nicht eingeleitet ist. Doch wird man auch insoweit ein außerordentliches Austrittsrecht bejahen müssen. Denn der Verbleib in einem sich satzungswidrig betätigenden Verein erscheint auch dann unzumutbar, wenn registerrechtliche Sanktionen nicht zu erwarten oder ungewiss sind. 247
245 RGZ 130, 375, 378; Soergel/Hadding, § 39 Rn. 5; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 87. 246 Im Ergebnis ähnlich K. Schmidt, Verbandszweck, S. 307, der ein Austrittsrecht aus besonderem Grund bejaht, nachdem die Mitgliederversammlung den (nach hiesiger Auffassung entbehrlichen) Fortsetzungsbeschluss gefasst hat. 247 Beschließt die Mitgliederversammlung gegen den Willen einzelner Mitglieder einen Formwechsel, folgt ein Austrittsrecht unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen des Tatbestandes der Rechtsformverfehlung aus den §§ 207 Abs. 1, 270 Abs. 1, 282 Abs. 1, 290 UmwG.
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IV. Rechte der Gläubiger Mit Blick auf die Gläubiger des zu Unrecht eingetragenen Vereins ist zu erörtern, ob diese durch die Erzwingung eines Amtslöschungsverfahrens versuchen können, der zurechnungsbegründenden externen wirtschaftlichen Betätigung Einhalt zu gebieten (1.). Fallen sie ganz oder teilweise mit ihren Forderungen aus, stellt sich weiter die Frage nach möglichen Ersatzansprüchen gegenüber den Vorstands- und Vereinsmitgliedern (2.). 1. Erzwingung des Löschungsverfahrens Anerkennt man die grundsätzliche Möglichkeit, das Amtslöschungsverfahren gemäß § 395 FamFG mit dem Mittel der Untätigkeitsbeschwerde zu erzwingen, 248 stellt sich die Frage, ob den Gläubigern des Vereins die gemäß § 59 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdeberechtigung zukommt. Anders als im Fall der Mitglieder erscheint die hierfür erforderliche negative Betroffenheit eines subjektiven Rechts der Gläubiger nicht von vornherein ausgeschlossen. 249 Denn der Schutz der Gläubiger ist auf Grundlage der obigen Erkenntnisse nicht nur primäres, sondern einziges Regelungsziel der Vereinsklassenabgrenzung. Bei näherer Betrachtung kommen gleichwohl Zweifel auf. Voraussetzung der Annahme eines subjektiven Rechts ist nämlich auch, dass die geschützte Gruppe von der Allgemeinheit abgrenzbar ist. 250 Diese Voraussetzung wäre nur erfüllt, wollte man auf die aktuellen Gläubiger des Vereins abstellen und nur diese für beschwerdeberechtigt halten. Doch würde dies dem Zweck der Vereinsklassenabgrenzung nicht gerecht. Deren Anliegen besteht darin, durch institutionelle Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass mit übermäßigen unternehmerischen Risiken belastete Verbände nicht am Rechtsverkehr teilnehmen, ohne die an Handelsvereine gestellten Anforderungen zu erfüllen. Schutzobjekt sind hiernach auch die potentiellen Gläubiger und somit der Rechtsverkehr in seiner Gesamtheit. Im Ergebnis wird man daher die Beschwerdeberechtigung der Vereinsgläubiger verneinen müssen. 251 2. Ersatzansprüche gegenüber Vorstands- und Vereinsmitgliedern a) Haftung der Vorstandsmitglieder Die Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder des Vereins durch die Vereinsgläubiger für auf die Rechtsformverfehlung zurückzuführende Insolvenzausfallschäden scheidet mangels einschlägiger Anspruchsgrundlage aus. In Be248
Nachweise Fn. 219. Eine Klagebefugnis im Rahmen des Verfahrens des § 43 Abs. 2 BGB a. F. bejahend Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 113. 250 BVerwGE 94, 151, 158. 251 Ebenso K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 50. 249
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tracht käme allenfalls ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 21, 22 BGB. Scheitern muss ein solcher Anspruch jedoch an der fehlenden Schutzgesetzeigenschaft der zuletzt genannten Normen.252 Entsprechend dem zuvor zur Beschwerdeberechtigung aus § 59 Abs. 1 FamFG Gesagten, steht ihr im Wege, dass die Vereinsklassenabgrenzung nur institutionellen Gläubigerschutz, nicht aber den Schutz von Einzelpersonen bezweckt. b) Haftung der Vereinsmitglieder Von erheblicher Relevanz ist die Frage, ob mit der Rechtsformverfehlung möglicherweise eine persönliche Haftung der Mitglieder einhergeht. Besondere Aktualität hat diese Thematik aufgrund des Kolping-Urteils des BGH aus dem Jahr 2007. 253 Die Entscheidung betraf die Revision gegen ein Urteil des OLG Dresden, indem dieses eine entsprechende Einstandspflicht der Mitglieder eines wirtschaftlich tätigen eingetragenen Vereins bejaht hatte.254 (1) Haftung als Mitglieder eines nicht eingetragenen Wirtschaftsvereins Nahe liegend wäre die persönliche Haftung, wenn die Mitglieder in Folge der wirtschaftlichen Betätigung als Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Wirtschaftsvereins im Sinne des § 54 BGB zu behandeln wären. Denn diese haften anerkanntermaßen für die Verbindlichkeiten des Vereins analog § 128 HGB. 255 Begründen ließe sich eine entsprechende Qualifikation auf zweierlei Weise. 256 Zum einen könnte man vertreten, der Status eines Vereins hänge nicht allein von seiner Eintragung, sondern auch davon ab, dass er die Normativbestimmungen des § 21 BGB erfüllt.257 Die nachträgliche Rechtsformverfehlung würde hiernach zum automatischen Verlust des Status als eingetragener Verein führen. Zum zweiten könnte man in Erwägung ziehen, der Löschung im Vereinsregister Rückwirkung zuzusprechen. 258 Die zuvor propagierte analoge Anwendung von § 139 Abs. 3 S. 1 HGB, wonach der Verlust des Status als eingetragener Verein nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer Frist von drei Monaten zur persönlichen Haftung der Mitglieder führt, impliziert die Ablehnung einer solchen Haftung.259 Eine Relati252
Ebenso K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 50 f. BGHZ 175, 12. 254 OLG Dresden ZIP 2005, 1680. 255 Fn. 206. 256 Die nachfolgende Differenzierung fi ndet sich auch in RGZ 81, 206, 212. 257 Vertreten wurde dies zumindest für den Fall der anfänglichen Rechtsformverfehlung, vgl. Coing in: Staudinger (11. Aufl), § 21 Rn. 29. 258 KG OLGE 8, 164, 168; OLG Hamburg OLGE 14, 6, 8. Differenzierend Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 195 ff., dessen Auffassung indes auf der unzutreffenden Annahme beruht, beim zu Unrecht eingetragenen Verein handele es sich um einen Verein auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (überzeugende Kritik von K. Schmidt, Verbandszweck, S. 229 ff.). 259 Zuvor unter I.3.c. (S. 179 f.). 253
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vierung der konstitutiven Wirkung der Eintragung erscheint schon deshalb mit dem geltenden Recht unvereinbar, weil hiernach die Verfahren der §§ 43 Abs. 2 BGB, 395 FamFG überflüssig wären. Inakzeptabel wäre zudem, dass hiernach der Status des Vereins im Rahmen haftungsrechtlicher Auseinandersetzungen von den zuständigen Gerichten jeweils inzident geprüft werden müsste und auf diese Weise divergierende Entscheidungen möglich wären. 260 Mit der heute einhelligen Meinung ist daher davon auszugehen, dass die Eintragung unabhängig vom Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen konstitutive Wirkung entfaltet.261 Auch eine Rückwirkung des Verlustes des Status als eingetragener Verein kommt nicht Betracht. 262 Zwar greifen insoweit nicht die vorangestellten Bedenken. Entscheidend ist jedoch, dass die Rückwirkung zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen würde. Wenn sich niemand darauf verlassen kann, dass ein eingetragener Verein auch tatsächlich als solcher behandelt wird, wäre die rechtssichernde Funktion des Eintragungsakts ausgehöhlt. 263 Richtigerweise dient die Eintragung aber gerade dazu, den Verein für die Mitglieder haftungsrechtlich zu einem »safe habour« zu machen.264 Hierin besteht der maßgebliche Unterschied zum nicht eingetragenen Verein, bei dem die Mitglieder stets Gefahr laufen, aufgrund übermäßiger wirtschaftlicher Betätigung des Vereins persönlich haftbar gemacht zu werden. (2) Durchgriffshaftung wegen Missbrauch der Rechtsform Das OLG Dresden ist zur Begründung einer persönlichen Haftung der Vereinsmitglieder einen anderen Weg gegangen. Zwar betont es die Parallele zur Haftung im nicht eingetragenen Verein.265 Im Kern seiner Argumentation steht jedoch das Institut der Durchgriffshaftung sowie die Annahme eines Missbrauchs der Rechtsform. Für diesen Missbrauch seien die Mitglieder haftungsrechtlich verantwortlich, wenn »sie den offenkundigen wirtschaftlichen Betätigungen nicht wirkungsvoll Einhalt gebieten, obwohl sie nach der spezifischen Mitgliederstruktur Mitverantwortung für die strategische und konzeptionelle Ausrichtung tragen.«266 260
RGZ 81, 206, 208 ff. Siehe nur BGH NJW 1983, 993; OLG Düsseldorf NJW 1990, 328, 329; Palandt/Ellenberger, § 21 Rn. 11; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 228 ff. 262 K. Schmidt, Verbandszweck, S. 287; Palandt/Ellenberger, Vor. § 55 Rn. 2; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 68; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 43 Rn. 7; Soergel/Hadding, Vor. § 55 Rn. 5 m. w. N. Zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang häufig RGZ 81, 208 ff. zitiert, wo das RG diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat (S. 212). 263 Vgl. auch in diesem Zusammenhang RGZ 81, 206, 208 ff., dessen Ausführungen allerdings nicht die Frage der Rückwirkung betreffen. 264 K. Schmidt, ZIP 2007, 605, 607; sinngemäß MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 68. 265 OLG Dresden ZIP 2005, 1680, 1688 ff. 266 OLG Dresden ZIP 2005, 1680, 1688, 1689. 261
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Dem ist der BGH zu Recht entgegengetreten.267 Eine an den Tatbestand des Rechtsformmissbrauchs geknüpfte Durchgriffshaftung ist weder methodisch begründbar noch rechtspolitisch wünschenswert. Im Unterschied zu den anerkannten Durchgriffstatbeständen bei denen mit dem Haftungsdurchgriff letztlich der Verstoß gegen eine gesetzlich nicht geregelte Obliegenheit sanktioniert wird, haben der Tatbestand der Rechtsformverfehlung (§§ 21, 22 BGB) ebenso wie die daran geknüpften Rechtsfolgen (§ 395 FamFG) eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gefunden. Zutreffend hat daher der BGH das Vorliegen einer Regelungslücke verneint. 268 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die genannten Vorschriften keine Regelung der Haftungsfrage enthalten. 269 Denn der Entzug der Eigenschaft als eingetragener Verein impliziert die Anwendbarkeit der Regelungen betreffend des nicht rechtsfähigen Vereins und somit auch eine Änderung der Haftungsverfassung. Die insoweit vorgesehene exnunc-Wirkung würde durch eine zuvor eingreifende Durchgriffshaftung konterkariert. 270 Selbst wenn man eine Regelungslücke bejahen wollte, wäre die Durchgriffshaftung als Sanktion der Rechtsformverfehlung ganz und gar unverhältnismäßig. 271 Zu Recht weist der BGH in diesem Zusammenhang auf das Bedürfnis der Mitglieder hin, sich angesichts der Schwierigkeiten der Vereinsklassenabgrenzungen auf die haftungsbefreiende Wirkung der Eintragung verlassen zu können.272 Zudem ginge der mit einer Durchgriffshaftung verbundene Schutz der Gläubiger deutlich zu weit. 273 Die meisten Gläubiger sind schon deshalb nicht schutzbedürftig, weil sie sowohl von der Organisation ihres Vertragspartners als eingetragenem Verein als auch dem Umfang dessen wirtschaftlicher Betätigung Kenntnis haben. Vor allem aber erscheint es nicht gerechtfertigt, die Rechtsformverfehlung auf eine Stufe mit Tatbeständen wie der Vermögensvermischung oder der Existenzvernichtung zu stellen. Während Letzteren eine unmittelbar gläubigerschädigende Tendenz immanent ist, begründet die übermäßige wirtschaftliche Betätigung eines eingetragenen Vereins lediglich eine abstrakte Gefährdung von Gläubigerinteressen, die sich in den seltensten Fällen konkretisieren dürfte. Auch der der Kolping-Entscheidung zu Grunde liegende 267 BGHZ 175, 12. Zustimmend auch Segna in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 43 f.; von Hippel, NZG 2006, 537; ders., Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, S. 598 ff.; Schwarz van Berk in: MünchHdbGesR Bd. V, § 3 Rn. 54; Hadding/Leuschner, WuB 11 N. § 21 BGB 1.08, S. 517, 518 f.; Seltmann, DStR 2008, 1443, 1445; zuvor gegen eine Durchgriffshaftung bereits K. Schmidt, ZIP 2007, 605, 608 f. 268 BGHZ 175, 12 Rn. 22. 269 So aber Reuter, NZG 2008, 650, 651 f.; Wolff, JZ 2008, 519 f. 270 BGHZ 175, 12 Rn. 19. 271 Im Ergebnis auch Reuter, NZG 2008, 650, 652. 272 BGHZ 175, 12 Rn. 20; zustimmend Segna in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 44; zuvor bereits K. Schmidt, ZIP 2007, 605, 608 f. 273 Vgl. bereits K. Schmidt, Verbandszweck, S. 288.
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Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Gläubiger einen geringeren Insolvenzausfallschaden erlitten hätten, wenn die Insolvenzschuldnerin nicht als eingetragener Verein, sondern als GmbH organisiert gewesen wäre. Würde man den Gläubigern gleichwohl Ansprüche gegen die Mitglieder zubilligen, könnte man ihnen daher einen ungerechtfertigten »windfall profit« bescheren.
V. Rechte der Mitbewerber Gemäß § 8 Abs. 1 UWG steht Mitbewerbern gegenüber unlauteren Wettbewerbshandlungen ein Unterlassungsanspruch zu. Wäre die Rechtsformverfehlung als eine solche Wettbewerbshandlung zu qualifizieren, könnten Mitbewerber eines eingetragenen Vereins, der sich über das zulässige Maß hinaus wirtschaftlich betätigt, von diesem verlangen, die Betätigung einzustellen. Die skizzierten wettbewerbsrechtlichen Implikationen der §§ 21, 22 BGB waren bereits Gegenstand der ADAC-Entscheidung des BGH. Im Mittelpunkt stand hierbei die Argumentation der Kläger, die externe wirtschaftliche Betätigung des ADAC e.V. verschaffe diesem einen Vorsprung durch Rechtsbruch. Weil der BGH im konkreten Fall bereits das Vorliegen einer Rechtsformverfehlung verneinte, musste er zu deren wettbewerbsrechtlichen Relevanz keine Stellung mehr nehmen. 274 Das OLG Düsseldorf hatte in der Vorinstanz eine solche Relevanz abgelehnt. 275 Zur Begründung stellte es darauf ab, dass das Verbot der wirtschaftlichen Betätigung für die klagende Aktiengesellschaft gar nicht gelte und sie sich schon deshalb nicht auf ihre eigene Gesetzestreue berufen könne. In der juristischen Literatur wurde diesem Standpunkt, wenn auch nicht in der Begründung, so doch aber im Ergebnis, zugestimmt. 276 In einem späteren Urteil (Fernsehzuschauerforschung) hat sich dann auch der BGH ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, die vereinsrechtlich unzulässige wirtschaftliche Betätigung eines Idealvereins begründe nicht den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit. 277 Hierbei hat er die §§ 21, 22 BGB unter Bezugnahme auf die für § 1 UWG a. F. als maßgeblich entwickelten Kriterien als so genannte »wertneutrale Regelungen« qualifiziert, die nur dann den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit begründen, wenn durch planmäßige bewusste Gesetzesverletzung versucht wird, einen ungerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Einen solchen Vorsprung durch Rechtsbruch aufgrund der Betätigung in der Rechtsform des eingetragenen Vereins vermochte das Gericht jedoch nicht zu erkennen. 274 275 276 277
BGHZ 85, 84. OLG Düsseldorf VersR 1980, 747 ff. Statt vieler K. Schmidt, Verbandszweck, S. 250 ff.; Kübler, ZHR 147 (1983), 454, 457. BGH GRUR 1986, 823 mit Anm. von Linstow, GRUR 1986, 901.
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Nachdem das UWG im Jahr 2004 grundlegend reformiert wurde, haben die zuvor geschilderten Überlegungen nur noch eingeschränkte Bedeutung. Maßgeblich ist nunmehr die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG, wonach eine unlautere Wettbewerbshandlung vorliegt, wenn der Betreffende einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die zumindest auch als Marktverhaltensregelung zu qualifizieren ist. Abzugrenzen sind Marktverhaltensregelungen insbesondere von Marktzutrittsregelungen, deren Verletzung grundsätzlich keinen Wettbewerbsverstoß begründet. 278 Um reine Marktzutrittsregelungen handelt es sich etwa bei solchen Normen, die wie die §§ 104 ff. BGB bestimmten Personen zu deren eigenem Schutz den Marktzutritt verwehren.279 Gleiches gilt für Verstöße gegen die Wettbewerbsverbote der § 112 HGB und § 88 Abs. 1 AktG, weil diese ebenfalls nicht dem Interesse der Marktteilnehmer, sondern der jeweiligen Personengesellschaft bzw. Aktiengesellschaft dienen. 280 Doch weist die Regierungsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass auch Verstöße gegen Marktzutrittsregelungen von § 4 Nr. 11 UWG erfasst sein können, wenn die Regelung eine »auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat und somit auch zugleich das Marktgeschehen regelt«. 281 Davon sei insbesondere bei Vorschriften auszugehen, »die als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten den Nachweis besonderer fachlicher Fähigkeiten fordern.«282 Vor dem skizzierten Hintergrund erscheint die Anerkennung der wettbewerbsrechtlichen Relevanz der Rechtsformverfehlung unausweichlich. 283 Wenn die h. M. das anders sieht, 284 beruht dies auf einer unkritischen Fortschreibung des zum alten Recht entwickelten Meinungsstands sowie der fehlenden Auseinandersetzung mit den referierten Aussagen in der Regierungsbegründung. 285 Zwar sind §§ 21, 22 BGB zweifellos als Marktzutrittsregelungen zu qualifizieren. Doch wird man ihnen einen Marktbezug nicht absprechen können. Hintergrund der Vereinsklassenabgrenzung ist unstreitig das Bestreben für wirtschaftlich tätige, d. h. als Anbieter am Markt auftretende Gesellschaften einen 278 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11/44 ff.; Ohly in: Piper/ Ohly/Sosnitza, UWG, § 4 Rn. 11.18 ff. 279 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11/45. 280 Ohly in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 4 Rn. 11.20. 281 BT-Drucks 15/1487, S. 19. In der Gegenüberstellung von Marktverhaltens- und Marktzutrittsregelungen spiegelt sich ein Stück weit die bereits von K. Schmidt aufgeworfene Frage wieder, ob neben Verhaltensnormen auch Organisationsnormen als Maßstab der par condicio concurrentum taugen (AcP 182 (1982), 1, 51). 282 BT-Drucks 15/1487, S. 19. 283 Hadding/Leuschner, WuB 11 N. § 21 BGB 1.08, S. 517, 519. 284 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11/45 (unter nicht nachvollziehbarem Hinweis auf das Nebentätigkeitsprivileg); Ohly in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 4 Rn. 11.20; Segna in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 39, 50; K. Schmidt, GS Walz, S. 677, 682 f. 285 K. Schmidt, GS Walz, S. 677, 682 f. zitiert zwar die entsprechenden Passagen, um aber sodann ohne Begründung festzustellen, dass sie gegen eine wettbewerbsrechtliche Relevanz der Rechtsformverfehlung sprechen.
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bestimmten Standard an Gläubigerschutz zu verlangen. Rechtstechnisch geschieht dies, indem ein Typenzwang in Richtung der Handelsvereine ausgeübt wird, welche im Vergleich zum BGB-Verein zusätzliche Gläubigerschutzmechanismen aufweisen. 286 Der Sache nach dienen die §§ 21, 22 BGB hiernach ohne weiteres dazu, im Interesse der Marktteilnehmer einen bestimmten Qualitätsstandard sicherzustellen. Insoweit üben die Regelungen eine ähnliche Funktion aus, wie die in der Regierungsbegründung genannten Regelungen, welche als Voraussetzung für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit den Nachweis besonderer fachlicher Fähigkeiten fordern. Der Unterschied beschränkt sich darauf, dass die Regelungen zur Vereinsklassenabgrenzung nicht auf eine konkrete wirtschaftliche Betätigung abzielen und hierfür eine bestimmte Eignung verlangen, sondern die Fähigkeit zur Erfüllung von Verbindlichkeiten und somit die Elementarvoraussetzung seriösen wirtschaftlichen Handelns betreffen. Von einem Marktbezug der §§ 21, 22 BGB wird man hiernach wohl erst Recht sprechen müssen.
G. Zusammenfassung Inwieweit dem Verein externe wirtschaftliche Betätigungen in Beteiligungsgesellschaften zuzurechnen sind und hierdurch gegebenenfalls den Tatbestand der Rechtsformverfehlung erfüllt ist, richtet sich nach dem Zweck der in den §§ 21, 22 BGB angeordneten Vereinsklassenabgrenzung. Maßgeblich ist insoweit der Aspekt des Gläubigerschutzes. Auf Grundlage der Annahmen, dass die wirtschaftliche Betätigung besondere Risiken birgt und dass das vereinsrechtliche Gläubigerschutzniveau hinter dem der Handelsvereine zurückbleibt, hat der Gesetzgeber verhindern wollen, dass sich eingetragene Vereine wirtschaftlich betätigen. Beide Annahmen haben auch aus heutiger Sicht noch ihre Berechtigung. Die wirtschaftliche Betätigung unterscheidet sich von einer rein nachfragenden Tätigkeit dadurch, dass mit Ersterer spezifische Investitions- und Haftungsrisiken verbunden sind. Hinsichtlich des Gläubigerschutzniveaus des Vereins hat die Analyse zwar ergeben, dass dies speziell im Vergleich zur GmbH nicht so viel niedriger ist, wie vielfach angenommen wird. Insbesondere das Fehlen von Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen erscheint in diesem Zusammenhang überbewertet. Gleichwohl lässt sich auf Grundlage einer Gesamtschau aller dem Gläubigerschutz dienenden Regelungen, welche etwa auch die Qualitätsanforderungen und die Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter umfasst, ein im Vergleich zu den Handelsvereinen niedrigeres Gläubigerschutzniveau des Vereins im Ergebnis nicht in Abrede stellen. 286
Oben A.I.1. (S. 127 ff.).
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Vor dem geschilderten Hintergrund ist eine Zurechnung geboten, wenn die externe wirtschaftliche Betätigung im Vergleich zur eigenen wirtschaftlichen Betätigung unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes dasselbe oder sogar ein noch größeres Gefährdungspotenzial aufweist. Maßgeblich abzustellen ist hierbei auf die Gläubiger des Vereins. Aus ihrer Perspektive sind mit der Externalisierung wirtschaftlicher Betätigungen regelmäßig zwei gegenläufige Effekte verbunden: Positiv wirkt sich aus, dass bei der externen wirtschaftlichen Betätigung in einer Kapitalgesellschaft das (restliche) Vereinsvermögen von den unternehmerischen Risiken abgeschirmt wird (Abschirmungseffekt). Negativ wirkt sich aus, dass mit der Externalisierung von Vereinsvermögen ein struktureller Nachrang der Vereinsgläubiger gegenüber den Gläubigern der Beteiligungsgesellschaften einhergeht (Subordinationseffekt). Welcher Effekt überwiegt, richtet sich danach, in welchem Verhältnis das unternehmerisch gebundene Vermögen zum sonstigen Vermögen des Vereins steht. Bezüglich der konkreten Konsequenzen für die Zurechnung muss zwischen den Auswirkungen der externen wirtschaftlichen Betätigung auf die Aktivund die Passivseite des Vermögensstatus des Vereins unterschieden werden. Was die Aktivseite betrifft, kommt es darauf an, ob das in der externen wirtschaftlichen Beteiligung gebundene Vereinsvermögen mit Eigenkapital unterlegt ist. Sofern dies nicht der Fall ist, bedeutet das, dass sich die eventuelle Realisierung des unternehmerischen Risikos unmittelbar zulasten der Vereinsgläubiger auswirkt, und rechtfertigt daher eine Zurechnung. Mit Blick auf die Passivseite des Vereins kommt es darauf an, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen dieser für die Verbindlichkeiten der wirtschaftlich tätigen Beteiligungsgesellschaft einzustehen hat. Stets geboten ist eine Zurechnung, wenn der Verein einer unbegrenzten verhaltensunabhängigen Haftung für die Verbindlichkeiten der Beteiligungsgesellschaft unterliegt (Bsp. §§ 128 HGB, 302 AktG). Ist die Haftung summenmäßig beschränkt (Bsp. §§ 171, 172 HGB), kommt es darauf an, ob der maximale Haftungsumfang mit Eigenkapital unterlegt ist. Die von der h. L. allein an den Umstand herrschenden Einflusses geknüpfte Zurechnung, hat sich demgegenüber als nicht gerechtfertigt erwiesen. Die Interessen der Gläubiger der die wirtschaftliche Betätigung durchführenden Beteiligungsgesellschaften spielen für die Frage der Zurechnung keine Rolle. Ihr Schutz wird durch das Normativsystem der Beteiligungsgesellschaften gewährleistet. Zwar kommt den einzelnen Gesellschaftern auch bei Rechtsformen, bei denen die Haftung im Grundsatz auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist, gegebenenfalls als Adressaten einer verhaltensabhängigen Gesellschafterhaftung Bedeutung zu, doch fällt dieser Aspekt nicht entscheidend ins Gewicht. Was die Kompensationsfunktion einer solchen Haftung anbetrifft, folgt dies daraus, dass das Gesellschaftsrecht keinen Grundsatz kennt, wonach die Rolle als Gesellschafter eine bestimmte Bonität voraussetzt.
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Auch im Hinblick auf die Präventionsfunktion einer solchen Haftung hat sich gezeigt, dass den Gläubigern der Beteiligungsgesellschaften durch den Verein in seiner Rolle als (herrschender) Gesellschafter keine vereinsspezifischen Nachteile drohen. Eine über die im Interesse der Vereinsgläubiger hinausgehende Zurechnung ist auch nicht unter den Gesichtspunkten des Verkehrs-, Mitglieder- oder Sozialschutzes geboten. Hinsichtlich des Verkehrsschutzes konnte bereits kein relevantes Regelungsdefizit festgestellt werden. Was den Aspekt des Mitgliederschutzes anbetrifft, weist das Vereinsrecht zwar gegenüber dem Recht der Handelsvereine vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vorstandskontrolle Defizite auf, die sich nachteilig auf die Vermögensinteressen von Vereinsmitgliedern auswirken können. Gegen eine Relevanz dieses Umstandes im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung spricht jedoch, dass kein zwingender Zusammenhang zwischen dem Bestehen entsprechender Vermögensinteressen und der wirtschaftlichen Betätigung eines Vereins besteht und zudem mit Blick auf die Selbstbestimmungsmöglichkeit der Mitglieder zu erwarten ist, dass diese in der Lage sind, ihre Interessen eigenständig zu wahren. Der Gesichtspunkt des Sozialschutzes ist deshalb irrelevant, weil die Vereinsklassenabgrenzung weder dazu bestimmt ist noch dazu geeignet erscheint, mitbestimmungsrechtliche Defizite auszugleichen. Zusätzliche Einschränkungen der externen wirtschaftlichen Betätigung von Vereinen lassen sich schließlich auch nicht wohlfahrtsökonomisch begründen. Zwar ist zu befürchten, dass die auf Seiten der Vereinsmitglieder typischerweise fehlenden Vermögensinteressen sich in einer defizitären Kontrolle der Geschäftsleitung des Vereins und der Beteiligungsgesellschaften niederschlagen und in der Folge die Effizienz der im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Betätigung erfolgenden Mittelverwendung negativ beeinflussen. Unter wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkten erweist sich die wirtschaftliche Betätigung von Non-Profit-Organisationen insoweit durchaus als problematisch. Doch handelt es sich insoweit um eine Problematik, die sich nicht im Rahmen der §§ 21, 22 BGB lösen lässt, sondern der rechtspolitischen Aufarbeitung bedarf. Ist dem Verein die externe wirtschaftliche Betätigung zuzurechnen, begründet dies den Tatbestand der Rechtsformverfehlung, sofern die Betätigung nicht vom Nebentätigkeitsprivileg gedeckt wird. Dessen Umfang ist restriktiv zu bestimmen und setzt voraus, dass die wirtschaftliche Betätigung der nichtwirtschaftlichen Betätigung funktional untergeordnet ist und zwischen beiden ein sachlicher Zusammenhang besteht. Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Tatbestands der Rechtsformverfehlung kommt dem Amtslöschungsverfahren des § 395 FamFG zentrale Bedeutung zu, welches nunmehr sowohl die offene als auch die verdeckte Rechtsformverfehlung erfasst. Liegt der Tatbestand der Rechtsformverfehlung vor, sind die zu-
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ständigen Registergerichte zur Amtslöschung verpflichtet, ohne dass ihnen insoweit ein Ermessensspielraum zusteht. Wird die Amtslöschung rechtskräftig, verliert der Verein seinen Status als eingetragener Verein und wird zum nichtrechtsfähigen Verein im Sinne von § 54 BGB. Der gesetzliche Eintritt in das Liquidationsstadium ist damit ebenso wenig verbunden wie ein Liquidationszwang. Es steht ihm vielmehr frei, die Liquidation zu beschließen oder als nichtrechtsfähiger Verein fortzubestehen. In letzterem Fall tritt eine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder ein, sofern diese nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten (§ 139 Abs. 3 S. 1 HGB analog) nach Wirksamwerden der Amtslöschung aus dem Verein austreten. Vor Wirksamwerden der Amtslöschung besteht die Möglichkeit des Formwechsels auf Grundlage der §§ 272 ff. UmwG. Für das einzelne Mitglied begründet der Tatbestand der Rechtsformverfehlung ein außerordentliches Kündigungsrecht. Weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen nur in Ausnahmefällen. Zur Erzwingung der Amtslöschung gemäß § 395 FamFG fehlt es ihnen an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Obwohl die Rechtsformverfehlung regelmäßig satzungswidrig ist, begründet sie in der Person der Vereinsmitglieder auch keine Unterlassungsund Beseitigungsansprüche. Denkbar ist lediglich die Geltendmachung entsprechender Ansprüche des Vereins gegen die Vorstandsmitglieder im Wege der actio pro socio, welche jedoch nur in Betracht kommt, wenn die Initiierung ihrer Geltendmachung durch die Mitgliederversammlung nicht rechtzeitig zum Erfolg führen würde. Den Gläubigern des Vereins fehlt es zur Erzwingung der Amtslöschung gemäß § 395 FamFG ebenfalls an der erforderlichen Beschwerdebefugnis. Ausscheiden muss auch eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme der Vereinsmitglieder. Da der Tatbestand der Rechtsformverfehlung als solcher den Status als eingetragener Verein unberührt lässt, kommt eine persönliche Haftung der Mitglieder als Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins erst nach Ablauf der mit Wirksamwerden der Löschung beginnenden Frist von drei Monaten in Betracht. Auch eine Durchgriffshaftung lässt sich an den Tatbestand der Rechtsformverfehlung nicht knüpfen. Entgegen der h. M. begründet der Tatbestand der Rechtsformverfehlung jedoch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Mitbewerber des Vereins (§§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG).
§ 6 Einfluss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG In welchem Umfang der Verein in seiner Rolle als Obergesellschaft auf Beteiligungsgesellschaften Einfluss nehmen kann, richtet sich ebenso wie seine damit korrespondierende Verantwortlichkeit nach dem Recht der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft. Vereinspezifische Besonderheiten spielen insoweit grundsätzlich keine Rolle. Abweichendes kann jedoch gelten, wenn der Verein eine Aktiengesellschaft beherrscht. Insoweit stellt sich nämlich die Frage, ob sich das Verhältnis des Vereins zur Aktiengesellschaft allein nach dem aktienrechtlichen Normalstatut richtet, oder ob letzteres partiell durch das Sonderregime der §§ 291 ff. AktG überlagert wird.1 Die mit der Rechtsform des Vereins einhergehenden Besonderheiten sind hierbei insoweit relevant, als der Anwendungsbereich des Aktienkonzernrechts überwiegend durch den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff beschränkt wird und sich insoweit die Frage stellt, ob und unter welchen Voraussetzungen auch ein Verein die erforderliche Unternehmenseigenschaft aufweist. Nach einem Blick auf das Meinungsbild zur Unternehmenseigenschaft des Vereins (B.) wird im Folgenden aufbauend auf den im Grundlagenteil gewonnenen Erkenntnissen die Anwendbarkeit und Reichweite der Privilegierungs(C.) und Haftungstatbestände (D.) der §§ 291, 311 ff. AktG im Fall einer von einem Verein beherrschten Aktiengesellschaft untersucht. Abschließend ist kurz darauf einzugehen, unter welchen Voraussetzungen in einer solchen Konstellation die Regelungen über die Aufstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts (§§ 312–315 AktG) Anwendung finden (E.).
A. Meinungsbild Die Rechtsprechung hatte bisher noch keinen Anlass, zur konzernrechtlichen Unternehmenseigenschaft des Vereins Stellung zu nehmen. Angesprochen wur-
1 Entsprechendes gilt, sofern man die §§ 291 ff. AktG partiell auf Untergesellschaften anderer Rechtsform entsprechend anwendet (zur GmbH Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 634 m. w. N.).
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de die Frage lediglich in einer Entscheidung des OLG Köln, das sie aber offen lassen konnte. 2 In der Literatur findet sich demgegenüber eine Vielzahl von Stellungnahmen zur Unternehmenseigenschaft des Vereins. Ausgehend von der einhellig geteilten Prämisse, dass die Unternehmenseigenschaft keine besondere Rechtsform voraussetzt, besteht Einigkeit darüber, dass auch ein Verein herrschendes Unternehmen sein kann.3 Im Einzelnen wird jedoch nicht differenziert, ob der Unternehmensbegriff in einem privilegierungs- oder schutzrechtlichen Kontext verwandt wird, sondern allein auf den schutzrechtlichen Unternehmensbegriffs der h. M. zurückgegriffen. Die Unternehmenseigenschaft des Vereins sei hiernach zu bejahen, wenn dieser neben der Beteiligung an der infrage stehenden Gesellschaft noch eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung aufweist.4 Für den Verein von Bedeutung ist auch die Diskussion, ob ein Rechtsträger in Anlehnung an die vom BGH im VW/Niedersachsen-Beschluss für die öffentliche Hand entwickelten Grundsätze unabhängig von seiner anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung allein dadurch zum Unternehmen wird, dass er außerökonomische Zwecksetzungen verfolgt. Das diesbezügliche Meinungsspektrum ist uneinheitlich. In der aktienrechtlichen Kommentarliteratur wird eine entsprechende Ausweitung des schutzrechtlichen Unternehmensbegriffs bejaht.5 Konkret genannt werden in diesem Zusammenhang Gewerkschaften und Stiftungen. Zur Begründung heißt es, nichtwirtschaftliche Zielsetzungen begründen die Gefahr von Konflikten mit der unternehmerischen Zielsetzung der Aktiengesellschaft. Im vereinsrechtlichen Schrifttum ist das Meinungsbild geteilt. 6 Die Gegner einer entsprechenden Heranziehung der für die öffentliche Hand entwickelten Grundsätze verweisen auf den ausreichenden 2
OLG Köln NZG 1998, 820, 821. Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 130 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 190; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 94; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 29 ff.; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 65; Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 51 f.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1906; Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 19 f.; Wagner, NZG 1999, 469, 474; weitergehend Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 18, nach dessen Auffassung Vereine (ebenso wie Stiftungen) stets Unternehmenseigenschaft aufweisen. 4 Siehe Nachweise Fn. 3. 5 Hüffer, AktG, § 15 Rn. 13; MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 43; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, § 15 Rn. 58; GroßkommAktG/Windbichler, § 15 Rn. 25; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 18; auf die Folgerichtigkeit der Übertragung der VW/Niedersachsen-Doktrin auf Verbände mit außerökonomischer Zwecksetzung hinweisend auch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 19. 6 Für eine Übertragbarkeit der VW/Niedersachsen-Doktrin Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 20 ff.; Bäune, Kapitalgesellschaften im bundesdeutschen Lizenzfußball, S. 147; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 96 f.; dagegen Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 42 ff.; Heermann, ZIP 1998, 1249, S. 1258 f.; Habersack in: Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52; vgl. auch Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 191 f. 3
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Schutz durch die allgemeinen Haftungstatbestände7 bzw. tragen vor, ein Verein werde ungeachtet seiner außerökonomischen Zwecksetzungen regelmäßig versuchen, sein »Gewinnbezugsrecht« optimal auszunutzen. 8
B. Aktienkonzernrechtliche Privilegierungstatbestände Die Wirkungsweise der aktienkonzernrechtlichen Privilegierungstatbestände wurde im Grundlagenteil ausführlich erörtert.9 Kurz gefasst lässt sie sich dahingehend beschreiben, dass dem herrschenden Unternehmen in einem bestimmten Umfang gestattet wird, seinen Einfluss entgegen den Vorgaben des normtypischen Verbandszwecks auszuüben. Im Folgenden wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen die infrage stehenden Tatbestände auf den Verein Anwendung finden (I.), und welche Grenzen er zu beachten hat, wenn er auf ihrer Grundlage Einfluss ausübt (II.).
I. Anwendbarkeit der aktienkonzernrechtlichen Privilegierungstatbestände 1. Eingliederung Weil die die Eingliederung betreffenden Regelungen zwingend voraussetzen, dass es sich bei der Obergesellschaft um eine Aktiengesellschaft handelt, kommt ihre Anwendung auf den Verein nicht in Betracht. 2. Beherrschungsvertrag Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags setzt nach zutreffender Auffassung die Unternehmenseigenschaft der Obergesellschaft voraus.10 Entsprechend der im Grundlagenteil gewonnenen Erkenntnisse fehlt es an einem einheitlichen Begriff des übergeordneten Unternehmens. Die konsequente Umsetzung der teleologischen Bestimmung des Unternehmensbegriffs gebietet es vielmehr, diesen jeweils im Einzelfall mit Blick auf die infrage stehenden Rechtsfolgen zu interpretieren.11 Da die durch Abschluss eines Beherrschungsvertrags ausgelös7
Heermann, ZIP 1998, 1249, 1258 f. Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 43. 9 § 3 B.III. (S. 45 ff.). 10 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 23 ff., 36 f.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 9 f.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 8 ff.; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 10a; K. Schmidt/Lutter/Langenbucher, § 291 Rn. 12; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 4 ff.; Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 291 Rn. 7; a. A. K. Schmidt, FS Koppensteiner, S. 191, 207 ff.; Rubner, Der Konzern 2003, 735, 739 f., Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 70 Rn. 9; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 47. 11 § 3 C (S. 66 ff.). 8
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ten Rechtsfolgen primär die Privilegierung des anderen Vertragsteils und nur reflexartig dem Außenseiterschutz dienen, kommt nur eine privilegierungsrechtliche Ausformung des Unternehmensbegriffs des § 291 Abs. 1, 1. Alt. AktG in Betracht. Die in der Literatur zur Unternehmenseigenschaft des Vereins aus der schutzrechtlichen Perspektive getroffenen Einschätzungen sind insoweit ohne Erkenntnisgewinn. Abzustellen ist vielmehr auf das gesetzgeberische Anliegen, durch eine Erweiterung der dem herrschenden Unternehmen zustehenden Einflussmöglichkeiten die Koordination verschiedener unternehmerischer Ressourcen zu ermöglichen und hierdurch die Allokationseffizienz zu fördern. Als Unternehmen im privilegierungsrechtlichen Sinn ist demnach jeder Rechtsträger zu qualifizieren, der einen entsprechenden Koordinationsbedarf aufweist. Die beschriebenen Voraussetzungen können ohne weiteres auch von Vereinen erfüllt werden.12 Die zweite unternehmerische Bindung kann sowohl durch die wirtschaftliche Betätigung im Rahmen des Nebentätigkeitsprivilegs als auch den herrschenden Einfluss auf eine weitere unternehmenstragende Gesellschaft begründet sein. In letzterem Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass der herrschende Einfluss als solcher nicht genügt, sondern auch die Rechtmäßigkeit seiner Ausübung gewährleistet sein muss. In diesem Punkt weicht der privilegierungsrechtliche vom schutzrechtlichen Unternehmensbegriff ab. Handelt es sich beispielsweise bei der anderweitigen Beteiligung um eine bloße Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH mit normtypischem Verbandszweck, berechtigt diese mangels Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG weder zur Einflussnahme außerhalb der Gesellschafterversammlung noch zur Veranlassung nachteiliger Maßnahmen. Weil auf dieser Grundlage eine legale Koordination der infrage stehenden Unternehmen ausgeschlossen ist, muss dem Gesellschafter der Abschluss eines Beherrschungsvertrags verwehrt bleiben.13 Anders als im schutzrechtlichen Kontext kann der rein tatsächlich bestehenden Möglichkeit der rechtswidrigen Ausübung des herrschenden Einflusses im privilegierungsrechtlichen Zusammenhang keine Bedeutung beigemessen werden.
12 Unter Zugrundelegung des schutzrechtlichen Unternehmensbegriffs geht auch die h. M. davon aus, dass der Verein als Obergesellschaft einen Beherrschungsvertrag abschließen kann (Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 130 ff.; Hemmerich, BB 1983, 26, 29; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 120; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 29 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 17; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 18; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 11; K. Schmidt/Lutter/ Vetter, AktG, § 15 Rn. 65). 13 Anders liegen die Dinge, wenn es dem Gesellschafter gelänge, mit der abhängigen GmbH ihrerseits einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, was indes mangels Anwendbarkeit von § 293 Abs. 1 AktG die Zustimmung auch der außenstehenden Gesellschafter voraussetzen würde (h. M., statt vieler Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 55).
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Ein weiterer Unterschied zum schutzrechtlichen Unternehmensbegriff besteht darin, dass die Koordination nicht nur möglich und rechtmäßig, sondern auch beabsichtigt sein muss. Plant der Verein von vornherein, die Selbstständigkeit der betroffenen Unternehmen unangetastet zu lassen, d. h. Beteiligungen als reine Finanzbeteiligungen zu halten, fehlt es am erforderlichen Koordinationsbedürfnis.14 Demzufolge weist ein Verein, der seine maßgeblichen unternehmerischen Beteiligungen in einer Zwischenholding bündelt und dieser auch deren Verwaltung überlässt, keine Unternehmenseigenschaft im Sinne von § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. AktG auf.15 Die Gegenauffassung16 ist zwar unter schutzrechtlichen Gesichtspunkten konsequent, verfehlt aber den Telos der den Beherrschungsvertrag betreffenden Regelungen. Fraglich ist, ob der Umstand, dass der normtypische Verbandszweck von Vereinen ein Natural- und kein Gewinnziel beinhaltet, diesen möglicherweise als anderen Vertragsteil eines Beherrschungsvertrags disqualifiziert. In Anlehnung an die Paralleldiskussion betreffend die Aktionärsstellung der öffentlichen Hand mag man insoweit die Gefahr sehen, dass die Organisationsform des Vertragskonzerns zweckwidrig dazu verwandt wird, durch die Orientierung an den Interessen Dritter oder des Allgemeinwohls nichtunternehmerische Zwecksetzungen zu verfolgen.17 Doch unabhängig davon, ob nichtunternehmerische Zwecksetzungen per se mit dem Zweck des Vertragskonzerns unvereinbar sind, wäre es jedenfalls unverhältnismäßig, allein wegen der abstrakten Missbrauchsmöglichkeit Vereinen generell den Zugang zu Beherrschungsverträgen zu verweigern. Die Vermeidung der zweckwidrigen Verwendung der Regelungen des Vertragskonzerns ist vielmehr bei der Bestimmung der Grenzen der auf Grundlage des Beherrschungsvertrags zulässigen Einflussmöglichkeiten, d. h. bei der Reichweite des Weisungsrechts, zu berücksichtigen.18 Eine Zugangsbeschränkung müsste demgegenüber konsequenterweise für sämtliche Aktionäre gelten, die kein reines Gewinnziel verfolgen und daher ein entsprechendes Missbrauchsrisiko begründen. Bedenkt man, dass nach h. M. selbst die Aktiengesellschaft neben dem Gewinnziel Allgemeinwohl- und Arbeitnehmerinteressen verpflichtet sein soll,19 wird deutlich, dass ein solcher Ansatz nicht in Betracht kommen kann.20 14
Vgl. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 33 f. Vgl. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 37. 16 Statt vieler MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 33; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 17 m. w. N. 17 Grundlegend (allerdings zum faktischen Konzern) BGHZ 135, 107, 113 f. (VW/Niedersachsen). 18 Ebenso, wenn auch nicht vereinsspezifisch, Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 35. Zu den Grenzen des Weisungsrechts sogleich unter 2. 19 Statt vieler Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12 ff.; dagegen Birke, Das Formalziel der Aktiengesellschaft, S. 155 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 140 ff. 20 Im Ergebnis ebenso für den Verein Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 124. Tendenziell anders (in Bezug auf Gebietskörperschaften) Adler/Düring/Schmaltz, § 15 Rn. 15. 15
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Resümierend setzt hiernach der privilegierungsrechtliche Unternehmensbegriff des § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. AktG – der, wie sich sogleich zeigen wird, gleichermaßen auch im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG und § 291 Abs. 1 S. 1 2. Alt. AktG Geltung beansprucht – voraus, dass der zu Privilegierende (i) neben dem von der abhängigen Gesellschaft getragenen Unternehmen legal noch mindestens auf ein weiteres Unternehmen Einfluss nehmen kann und (ii) die Koordination dieser Unternehmen beabsichtigt. 3. Gestreckter Einzelausgleich (§ 311 Abs. 1 AktG) Die Überlegungen zum Unternehmensbegriff des § 291 Abs. 1, 1. Alt. AktG sind vollständig auf den Unternehmensbegriff des § 311 Abs. 1 AktG übertragbar. Denn auch das Instrument des gestreckten Nachteilsausgleichs dient dazu, dem herrschenden Unternehmen in einem bestimmten Umfang die Koordination der in der abhängigen Aktiengesellschaft vorhandenen Ressourcen mit anderen Ressourcen zu ermöglichen. Folglich ist es sinnvoll, auch die Nachteilszufügung auf faktischer Grundlage nur zuzulassen, wenn der herrschende Aktionär über entsprechenden Koordinationsbedarf verfügt. Auf Grundlage des zuvor Gesagten sind die von Vereinen typischerweise verfolgten Naturalziele kein Grund, ihnen die Privilegierungen der §§ 311 ff. AktG zu verwehren. Der privilegierungsrechtlichen Interpretation des Unternehmensbegriffs steht nicht entgegen, dass der Regelungskomplex der §§ 311 ff. AktG teilweise schutzrechtlich motiviert ist und selbst § 311 Abs. 1 AktG der Möglichkeit des Einzelausgleichs in Form des allgemeinen Schädigungsverbots zunächst ein schutzrechtliches Element voranstellt. Letzterer Aspekt ist schon deshalb unbedeutend, weil ein Schädigungsverbot bereits aus § 117 Abs. 1 AktG folgt und § 311 Abs. 1 AktG insoweit lediglich deklaratorisch ist.21 Im Übrigen liegt es in der Konsequenz des relativen Unternehmensbegriffs, erforderlichenfalls auch der teleologischen Heterogenität eines Regelungskomplexes Rechnung zu tragen und den Unternehmensbegriff von Norm zu Norm unterschiedlich zu interpretieren. Die schutzrechtliche Prägung der §§ 312–318 AktG ist hiernach bei der Bestimmung deren Anwendungsbereichs zu berücksichtigen, 22 ohne aber Rückwirkung auf den Anwendungsbereich des gestreckten Einzelausgleichs zu haben. 4. Gewinnabführungsvertrag Auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint die Übertragbarkeit des auf den Koordinationsbedarf abstellenden Unternehmensbegriffs im Fall des den Gewinnabführungsvertrag betreffenden § 291 Abs. 1 2. Alt. AktG. Der Abschluss 21 22
Oben § 3 B.III.3.b. (S. 59 ff.). Hierzu unter C.II. (S. 209 ff.) und D. (S. 215).
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eines Gewinnabführungsvertrages führt zwar zu einer Privilegierung des anderen Vertragsteils, ohne hierbei aber auf die Gewährung von Koordinationsmöglichkeiten und somit die Bildung einer organisatorischen Einheit gerichtet zu sein. 23 Insbesondere gewährt der Gewinnabführungsvertrag anders als der Beherrschungsvertrag kein Weisungsrecht. Gleichwohl sprechen gute Gründe dafür, den Zugang zum Gewinnabführungsvertrag in Parallele zum Beherrschungsvertrag und § 311 Abs. 1 AktG auszugestalten. Denn der Zweck von Gewinnabführungsverträgen beschränkt sich letztlich wohl darauf, als Ergänzung einer anderweitig begründeten organisatorischen Einheit zu dienen. Aus der Perspektive des Gesetzgebers von 1965 folgte dies daraus, dass Gewinnabführungsverträge regelmäßig nur in Verbindung mit Beherrschungsverträgen abgeschlossen wurden. 24 Nachdem infolge veränderter steuerlicher Rahmenbedingungen isolierte Gewinnabführungsverträge an Bedeutung gewonnen haben, hat der Gesetzgeber hierauf nunmehr mit der Änderung der §§ 57 Abs. 1, 291 Abs. 3 AktG reagiert, wonach dem anderen Vertragsteil auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrags die nachteilige Einflussnahme auf die Aktiengesellschaft erlaubt sein soll. 25 Mit Ausnahme des Weisungsrechts entspricht die auf Grundlage des isolierten Gewinnabführungsvertrags bestehende Situation insoweit der bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags. Insoweit erscheint es nur konsequent, den Zugang zum Gewinnabführungsvertrag parallel zu dem zum Beherrschungsvertrag und den §§ 311 ff. AktG auszugestalten.
II. Grenzen der zulässigen Einflussnahme Sofern die Einflussnahme nicht zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft gereicht, ist sie auf Grundlage aller drei der infrage stehenden Privilegierungstatbestände unproblematisch. Schwieriger liegen die Dinge, wenn die Einflussnahme Maßnahmen betrifft, die nachteilig sind, d. h. vom Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft nicht vorgenommen würden. In welchem Umfang eine solche Einflussnahme möglich ist, variiert je nach Privilegierungstatbestand. Wichtigster Unterschied ist, dass auf Grundlage des § 311 Abs. 1, 2 AktG nur die Veranlassung nachteiliger Maßnahmen zulässig ist, die dem Einzelausgleich zugänglich sind, während im Vertragskonzern keine entsprechende Beschränkung besteht.
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Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 37. Das liegt schon deshalb nahe, weil in der Vergangenheit das Privileg der steuerlichen Organschaft neben der Gewinnabführung die organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger voraussetzte und somit den Abschluss eines Beherrschungsvertrags erforderlich machte (vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 5). 25 Oben § 3 B.III.1.a.(4) (S. 48 ff.). 24
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Speziell im Hinblick auf die Rolle eines herrschenden Vereins diskussionswürdig ist die Grenze des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach die nachteilige Einflussnahme nur zulässig ist, wenn sie dem herrschenden Unternehmen oder einem konzernverbundenen Unternehmen dient. Zwar gilt die Vorschrift ausdrücklich nur für das auf Grundlage eines Beherrschungsvertrags bestehende Weisungsrecht, doch ist allgemein anerkannt, dass sie im Wege eines ErstRecht-Schlusses analog auch für die Nachteilszufügung auf Grundlage des § 311 Abs. 1 AktG Anwendung findet. 26 Gleiches muss auch für den Gewinnabführungsvertrag gelten, wenn der andere Vertragsteil von der in den §§ 57 Abs. 1, 291 Abs. 3 AktG implizit vorausgesetzten Möglichkeit der Nachteilszufügung Gebrauch macht. In Parallele zu der bereits im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Privilegierungstatbestände erörterten Problematik, stellt sich insoweit die Frage, inwieweit § 308 Abs. 1 S. 2 AktG die Nachteilszufügung auch dann gestattet, wenn diese der Verfolgung nichtunternehmerischer Zielsetzungen dient. Im Wortlaut der Vorschrift finden sich keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Beschränkung. Kommt es hiernach auf die Belange des herrschenden Unternehmens oder einer anderen konzernverbundenen Gesellschaft an, liegt es nahe, zu deren Konkretisierung auf deren jeweiligen Verbandszweck abzustellen. Hat sich hiernach der herrschende Verein beispielsweise dem Umweltschutz verschrieben, müsste man Weisungen aufgrund derer eine beherrschte Aktiengesellschaft ihr Gewinnziel zu Gunsten des Umweltschutzes zurückzustellen hat, als mit § 308 Abs. 1 S. 2 AktG konform erachten. 27 Dem Standpunkt der h. M. entspricht dies aber wohl nicht. Denn hiernach soll die Einflussnahme unzulässig sein, wenn sie allein den Interessen Dritter oder dem Allgemeinwohl dient. 28 Ob von dieser Beschränkung Ausnahmen zu machen sind, wenn solche Interessen vom Verbandszweck des herrschenden Unternehmens erfasst sind, wird angesichts der Fokussierung auf die Problematik der öffentlichen Hand gar nicht erst diskutiert. Es bleibt jedoch zu vermuten, dass eine entsprechende Interessenausrichtung unberücksichtigt bleiben soll. In der Tat sprechen die besseren Gründe dagegen, im Rahmen der Privilegierungstatbestände des Aktienkonzernrechts die Verfolgung sämtlicher Zwecke zu gestatten, die vom Verbandszweck des herrschenden Unternehmens oder gar irgendeiner anderen Konzerngesellschaft erfasst sind. Schon die Regierungsbegründung, wonach »nichtunternehmerische Zielsetzungen« unzulässig sein 26
Statt vieler KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 102. In diesem Sinne wohl Sina, AG 1991, 1, 6, der auf die Maßgeblichkeit der Satzung verweist. 28 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rn. 50; GroßkommentarAktG/Hirte, § 308 Rn. 51; anders KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 41, auf Grundlage seines Verständnisses vom Verhältnis der §§ 311 ff. AktG zu den Regelungen des Vertragskonzerns (s. § 3 C.II.1 = S. 70 f.). 27
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sollen, 29 deutet darauf hin, dass die Vorstellung des Gesetzgebers ganz vom normtypischen Gewinnziel der Aktiengesellschaft geprägt war. Die mit den aktienrechtlichen Privilegierungstatbeständen verfolgten wohlfahrtsökonomischen Ziele gebieten es, entgegen dem Wortlaut des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG nicht jede mit dem Verbandszweck des herrschenden Unternehmens konforme Einflussnahme zuzulassen. Denn es liegt auf der Hand, dass eine mit der Verfolgung von Dritt- bzw. Allgemeinwohlinteressen einhergehende verbundsexterne Wertverteilung schwerlich dem Ziel der Ressourcenkoordinierung dient und daher auch keinerlei Gewähr für die Erzielung von Effizienzsteigerungen beinhaltet. Letzteres ist nur der Fall, wenn mit der Benachteiligung ein verbundinterner Vorteil korrespondiert, da insoweit zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das die Ressourcennutzung koordinierende herrschende Unternehmen eine Vor- und Nachteile gleichermaßen umfassende Analyse vornimmt und allein der Umverteilung dienende Nullsummenspiele möglichst vermeidet. Für eine Beschränkung auf verbundinterne Vorteile spricht zudem, dass anderenfalls das der Wahrung der Außenseiterinteressen dienende Kompensationssystem gefährdet würde, welches maßgeblich von der Bonität des herrschenden Unternehmens abhängig ist. Zwar verhindert die Beschränkung auf verbundinterne Vermögenstransfers nicht, dass das herrschende Unternehmen die mit der Benachteiligung abhängiger Gesellschaften korrespondierenden Vermögensvorteile im Rahmen ihres Verbandszwecks verteilt (z. B. durch Ausschüttung an die Mitglieder) und als Haftungssubstrat der Kompensationsansprüche entzieht. Sofern es sich beim herrschenden Unternehmen aber um einen Verband handelt, dessen Haftung auf das Verbandsvermögen beschränkt ist, greifen in diesem Zusammenhang jedoch stets gewisse der Bonitätssicherung dienende Ausschüttungssperren.30 Durch verbundsexterne Vermögenstransfers könnten diese umgangen werden. Dem herrschenden Verband wäre es theoretisch sogar möglich, in abhängigen Gesellschaften gebundenes Vermögen, das bei ihm als Beteiligungsvermögen mediatisiert zur Abdeckung von Verbindlichkeiten erforderlich und somit dem Fremdkapital zuzurechnen ist, den Gläubigern zu Gunsten des Allgemeinwohls oder Dritter (einschließlich der eigenen Mitglieder) zu entziehen. Besinnt man sich in diesem Zusammenhang der einzelnen Elemente des Formalziels,31 zeigt sich, dass es entscheidend auf die Differenzierung zwischen der Wertschöpfung und der Wertverteilung ankommt. Dient die Nachteilszufügung ausschließlich der verbundinternen Wertschöpfung, bestehen gegen ihre Zulässigkeit keine Bedenken. Anders verhält es sich, wenn der korrespondie29
Kropff, Regierungsbegründung, S. 403. Auch beim Verein besteht eine Ausschüttungssperre in Form des Existenzvernichtungsverbots (unten § 12 C. = S. 357 ff.). 31 Oben § 3 B.I.2.a. (S. 31 ff.). 30
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rende Vorteil ganz oder partiell unmittelbar bei Dritten entsteht und somit unmittelbar Bestandteil der Wertverteilung ist. Wenn die Gesetzesbegründung stattdessen zwischen unternehmerischen und nichtunternehmerischen Zielsetzungen unterscheidet, liegt darin wohl nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Denn auch wenn es sich bei der Gewinnerzielungsabsicht nicht um ein zwingendes Merkmal des Unternehmensbegriffs handelt, liegt die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber mit unternehmerischen Zielsetzungen wohl im Wesentlichen das Ziel der Gewinnerzielung assoziierte. Dessen Besonderheit besteht gerade darin, dass eine klare Trennung zwischen der Wertschöpfung (Gewinn) und dessen anschließender Verteilung bzw. Verwendung besteht. Das gilt unabhängig davon, ob es sich beim Gewinnziel um das im Verbandszweck festgeschriebene Endziel oder, wie üblicherweise beim Verein, um ein Zwischenziel (Mittelbeschaffung) im Rahmen der Verfolgung eines Naturalziels handelt. Eine strikte Beschränkung von § 308 Abs. 1 S. 2 AktG auf Maßnahmen, die der Gewinnerzielung dienen, würde indes zu weit gehen. Denn auch im Zusammenhang mit der (unmittelbaren) Verfolgung von Naturalzielen ist die Unterscheidbarkeit von Wertschöpfung und Wertverteilung keinesfalls ausgeschlossen. Möchte hiernach beispielsweise ein Sportverein mit einer in eine Kapitalgesellschaft ausgegliederten Lizenzspielerabteilung den Einsatz von Mitarbeitern über die Grenzen der beiden Rechtsträger hinaus koordinieren, steht dem unter Schutzzweckgesichtspunkten nichts entgegen. Ebenso wäre denkbar, dass beispielsweise der nicht selbst wirtschaftlich tätige ADAC e.V. seine Liquiditätsplanung im Rahmen eines gemeinsamen cash management mit der seiner wirtschaftlich tätigen Tochtergesellschaften abstimmt. Die in der Gesetzesbegründung angelegte Beschränkung auf unternehmerische Zielsetzungen erweist sich insoweit als unpräzise und bedarf der teleologischen Korrektur. Überschritten sind die Grenzen des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG erst, wenn beispielsweise der Sportverein seine Tochtergesellschaft anweist, Vereinsmitgliedern ohne Ausgleich günstigere Eintrittspreise anzubieten, oder der ADAC e.V. eine ausschließlich der Gewinnerzielung verschriebene Tochtergesellschaft ohne Gegenleistung in seine Lobbyarbeit einbeziehen würde. Hier dient die Einflussnahme nicht mehr der verbundinternen Wertschöpfung, sondern alleine der verbundexternen Wertverteilung.
C. Aktienkonzernrechtliche Haftungstatbestände Bedeutung hat der konzernrechtliche Unternehmensbegriff auch bezüglich der Haftungstatbestände der §§ 302 f., 317 AktG. Auf Grundlage des hiesigen Standpunkts, wonach die Unternehmenseigenschaft jeweils konkret mit Blick auf die infrage stehende Rechtsfolge zu bestimmen ist, kann insoweit nicht ohne
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weiteres auf die zuvor gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden, vielmehr bedarf es gesonderter Überlegungen.
I. Haftung gemäß den §§ 302 f. AktG Was zunächst die im Vertragskonzern in Betracht kommende Haftung gemäß den §§ 302 f. AktG anbetrifft, liegt es auf den ersten Blick nahe, deren Eingreifen davon abhängig zu machen, dass der Verein die Anforderungen an den schutzrechtlich zu interpretierenden Unternehmensbegriff erfüllt.32 Denn Ziel der Regelungen ist unzweifelhaft der Außenseiterschutz.33 Bei näherer Betrachtung erweist sich eine schutzrechtliche Interpretation des Unternehmensbegriffs in diesem Zusammenhang jedoch als entbehrlich. Einen ersten Hinweis gibt bereits der Wortlaut der §§ 302 f. AktG, der den Begriff des herrschenden Unternehmens gar nicht enthält und den Haftungsschuldner stattdessen als »anderen Vertragsteil« adressiert. Sachlich entscheidend ist, dass das schutzrechtliche Anliegen der §§ 302 f. AktG lediglich Reflex der mit dem Abschluss des Unternehmensvertrags einhergehenden Lockerung der Vermögensbindung ist (§§ 57 Abs. 1 S. 3, Alt. 1, 291 Abs. 3 AktG).34 Die Anwendung der Haftungsnormen kann hiernach sinnvollerweise allein davon abhängen, ob ein Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrag mit entsprechender Wirkung abgeschlossen wurde. Maßgeblich hierfür ist, ob der Verein zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensvertrags den privilegierungsrechtlichen Unternehmensbegriff des § 291 Abs. 1 AktG erfüllt hat. Insoweit kann auf die Ausführungen unter B. verwiesen werden. Eine Haftung des Vereins gemäß den §§ 302 f. AktG ist allerdings auch dann denkbar, wenn er beim Abschluss des Unternehmensvertrags die Anforderungen an den privilegierungsrechtlichen Unternehmensbegriff nicht erfüllt. Der Unternehmensvertrag ist dann zwar unwirksam, 35 doch wäre es bei dessen Vollzug wertungswidersprüchlich, wenn dies dem Verein zum Vorteil bzw. den Außenseitern der abhängigen Gesellschaft zum Nachteil gereichen würde.36 Die h. M. begegnet dem, indem sie die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwendet und den Unternehmensvertrag für die Vergangenheit als wirksam be32 So auch der BGH in seiner inzwischen aufgegebenen Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern (BGHZ 95, 330 – Autokran; Video – BGHZ 115, 187), wo er die analoge Anwendbarkeit der §§ 302 f. AktG von der anderweitigen unternehmerischen Interessenbindung des herrschenden Gesellschafters abhängig machte. 33 Kropff, Regierungsbegründung, S. 375, 390 f. 34 § 3 B.III.3.a. (S. 58). 35 MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 11 ff.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 14; a. A. diejenigen Autoren, die im Rahmen des § 291 Abs. 1 AktG auf die Voraussetzung der Unternehmenseigenschaft verzichten wollen (Nachweise § 3 Fn. 227). Vgl. auch Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 9a. 36 Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 15.
§ 6 Einfl uss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG
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handelt.37 Folge ist, dass die §§ 302 f. AktG entsprechende Anwendung finden. Der schutzrechtliche Unternehmensbegriff spielt aber auch in diesem Szenario keine Rolle.
II. Haftung gemäß § 317 Abs. 1 AktG Da die Haftung aus § 317 Abs. 1 AktG nicht lediglich Reaktion auf die Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs ist,38 muss der dortige Unternehmensbegriff abweichend vom privilegierungsrechtlichen Unternehmensbegriff des § 311 Abs. 1, 2 AktG bestimmt werden.39 Aufgrund des dem Schutz der Außenseiter dienenden Normzwecks des § 317 Abs. 1 AktG erweist sich insoweit der schutzrechtliche Unternehmensbegriff der h. M., welcher darauf abstellt, ob der herrschende Gesellschafter ein besonderes Gefährdungspotenzial aufweist, als passend.40 Dass dieser grundsätzlich auch vom Verein erfüllt werden kann, ist zu Recht unstreitig.41 Wann dies im Einzelnen der Fall ist, bedarf jedoch der näheren Untersuchung. Hierbei ist auf die im Grundlagenteil gewonnene Erkenntnis zurückzugreifen, dass die Besonderheit von Unternehmensgesellschaftern gegenüber Privatgesellschaftern nicht in der fehlenden Interessenparallelität zwischen ihnen und der beherrschten Gesellschaft, sondern der dem Unternehmensgesellschafter im Vergleich zum Privatgesellschafter zur Verfügung stehenden qualifizierten Transferadressen besteht.42 Stellt man hierauf ab, zeigt sich, dass die Unternehmenseigenschaft des Vereins nicht nur in dessen anderweitiger wirtschaftlicher Betätigung (1.), sondern auch einer nichtwirtschaftlichen Betätigung (2.) sowie einer fremdnützigen Zielsetzung (3.) begründet sein kann. 1. Unternehmenseigenschaft aufgrund anderweitiger wirtschaftlicher Betätigung a) Eigene wirtschaftliche Betätigung Unproblematisch ist die Qualifikation des Vereins als Unternehmensgesellschafter, wenn er sich selbst wirtschaftlich betätigt. Denn die eigene wirtschaftliche Betätigung eröffnet ihm die Möglichkeit, Vermögen von der beherrschten Gesellschaft zum Verein zu transferieren, indem ersterer zugewiesene Ressourcen zu unangemessenen Konditionen oder gar unentgeltlich dem Geschäftsbe37
Statt vieler MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 14, 193 ff. m. w. N. § 3 B.III.3.b. (S. 59 ff.). 39 Da die §§ 311 ff. AktG nach ganz h. M. auf abhängige GmbH und Personengesellschaften keine Anwendung finden, betreffen die nachfolgenden Ausführungen allein die faktische Beherrschung einer Aktiengesellschaft. 40 Zum schutzrechtlichen Unternehmensbegriff § 3 C.I.1.a. (S. 67 f.). 41 Nachweise Fn. 3. 42 § 3 B.II.1.b.(1) (S. 39 ff.). 38
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trieb des Vereins zur Verfügung gestellt werden. Ob die eigene wirtschaftliche Betätigung möglicherweise die Grenzen des Nebentätigkeitsprivilegs überschreitet, ist für die Unternehmenseigenschaft des Vereins unerheblich. Man wird lediglich verlangen müssen, dass die wirtschaftliche Betätigung ihrem Umfang nach eine relevante Größe erreicht. Allein das Betreiben eines Vereinslokals etc. rechtfertigt es hiernach beispielsweise nicht, den Verein im Verhältnis zu einer Tochtergesellschaft von signifikanter Größe als Unternehmen zu qualifizieren.43 b) Externe wirtschaftliche Betätigung: Maßgeblichkeit der Gewinnbeteiligungsrelation Die Unternehmenseigenschaft des Vereins kann auch dadurch begründet sein, dass er neben der infrage stehenden Gesellschaft noch über eine weitere Beteiligung an einer ihrerseits wirtschaftlich tätigen Gesellschaft verfügt. Die vereinzelt vertretene Auffassung, die Unternehmenseigenschaft könne allein durch die eigene wirtschaftliche Betätigung erfüllt werden, die externe Betätigung rechtfertige allenfalls, die infrage stehenden Regelungen auf den sich extern betätigenden Gesellschafter analog anzuwenden, 44 vermag nicht zu überzeugen. Versteht man den Unternehmensbegriff als auf die jeweilige Norm bezogenes teleologisches Korrektiv, erübrigen sich nachgelagerte teleologische Korrekturen im Wege der Analogiebildung.45 Maßgeblich ist, dass die externe wirtschaftliche Betätigung eines Gesellschafters diesem in gleicher Weise eine qualifizierte Adresse für einen die beherrschte Gesellschaft schädigenden Vermögenstransfer verschafft, wie dies bei der eigenen wirtschaftlichen Betätigung der Fall ist. Fraglich ist, welche Anforderungen an die Intensität der anderweitigen externen wirtschaftlichen Betätigung zu stellen sind. In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage üblicherweise unter dem Stichwort der »Maßgeblichkeit« diskutiert. Ob eine Beteiligung maßgeblich ist, richtet sich nach h. M. danach, ob sie dem Gesellschafter den notwendigen Einfluss vermittelt, sich auch in der anderen Gesellschaft unternehmerisch zu betätigen.46 Entscheidendes Kriterium soll hiernach wohl der herrschende Einfluss sein.47 Streitig ist lediglich, ob
43 Ebenso Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 191; Heermann/Schießl, Der Idealverein als Konzernspitze, S. 20. 44 Zöllner, ZGR 1976, 1, 13 ff. unter Kritik an der teleologischen Interpretation des Unternehmensbegriffs. Ähnlich Milde, Gleichordnungskonzern, S. 21 ff. 45 Wie hier BGHZ 69, 334, 343: »Solche Umwege erübrigen sich [. . .] bei zweckgerechter unmittelbarer Anwendung jener Vorschriften.« 46 BGHZ 148, 123, 125 (MLP); Hüffer, AktG, § 15 Rn. 9; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 45; MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 22 m. w. N. 47 In BGHZ 148, 123, 125 f. nimmt das Gericht auf die Ausführungen in BGHZ 135, 107, 114 zur Begründung einer beherrschenden Stellung Bezug. Explizit auf den Abhängigkeitstat-
§ 6 Einfl uss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG
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das Bestehen des Einflusses genügt oder ob der Gesellschafter tatsächlich leitend auf die andere Gesellschaft einwirken muss.48 Der geschilderte Ansatz der h. M. vermag indes schon im Ausgangspunkt nicht zu überzeugen. Die Gefahr, dass ein Aktionär die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft dazu nutzt, die von ihm beherrschte Aktiengesellschaft zu schädigen, hängt nicht von den Einflussmöglichkeiten bei der anderen Gesellschaft ab. Denn dem Vermögenstransfer wird sich die andere Gesellschaft als deren Nutznießer unabhängig von der Einflussnahme des Aktionärs nicht widersetzen.49 Auch der Versuch, das Abstellen auf die Einflussmöglichkeit dahingehend zu erklären, der Aktionär müsse in der Lage sein, bei der anderen Gesellschaft über den Vermögensvorteil zu verfügen, 50 ist wenig plausibel. Die Partizipation eines Gesellschafters am Vermögensvorteil einer Gesellschaft beruht in erster Linie auf seiner Gewinnbeteiligung und realisiert sich insoweit typischerweise, ohne dass es der Einflussnahme bedarf. Nimmt man den schutzrechtlichen Unternehmensbegriff als Mittel zu Selektion von Aktionären mit besonderem Gefährdungspotenzial ernst, kann die Relevanz der anderweitigen Beteiligung sinnvollerweise allein von der Relation abhängen, in der der Aktionär an den Erträgen der Aktiengesellschaft einerseits und denen der anderen Gesellschaft andererseits beteiligt ist. 51 Einen Anreiz, die Aktiengesellschaft zu schädigen besteht grundsätzlich nur dann, wenn er am Gewinn der anderen Gesellschaft mindestens im selben Umfang beteiligt ist wie an dem der Aktiengesellschaft, bezüglich derer seine Unternehmenseigenschaft infrage steht.52 Eine (typischerweise herrschenden Einfluss vermittelnde) Mehrheitsbeteiligung wird insoweit vielfach nicht genügen. Selbst die 75%-ige Beteiligung an einer anderen Gesellschaft begründet für einen Aktionär keinen Anreiz diese Gesellschaft zulasten der Aktiengesellschaft zu begünstigen, wenn er als Alleinaktionär den in der Aktiengesellschaft erzielten Gewinn mit niemandem zu teilen braucht, und verleiht ihm daher keine Unternehmenseigenschaft.53
bestand abstellend auch MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 22; weitergehend Spindler/Stilz/ Schall, AktG, § 15 Rn. 28, der eine 10%-ige Beteiligung genügen lassen will. 48 Darstellung des Streitstands bei Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 13. 49 Insoweit zutreffend Cahn, AG 2002, 30, 32. 50 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 48; Bayer, ZGR 2002, 933, 937; MünchKommAktG/ders., § 15 Rn. 22; Cahn, AG 2002, 30, 32. 51 Ähnlich Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 719 f. 52 Diese Betrachtungsweise impliziert, dass der Unternehmensbegriff auch insoweit relativ ist, als der Gesellschafter aus der Perspektive der einen Gesellschaft Privatgesellschafter und aus der Perspektive der anderen Gesellschaft Unternehmensgesellschafter ist (gegen eine solche Relativierung MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 24). 53 Vgl. auch KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 47, der dies tendenziell ähnlich sieht, ohne hieraus aber dieselben Konsequenzen zu ziehen.
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Der gegen das Abstellen auf die Gewinnbeteiligungsrelation naheliegende Einwand, die Feststellung der maßgeblichen Gewinnbeteiligungen bereite aufgrund der Möglichkeit atypischer Gewinnverteilungsmechanismen Schwierigkeiten und schließe die rechtssichere Feststellung der Unternehmenseigenschaft aus, verfängt nicht. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass insoweit kein relevanter Unterschied zum Kriterium des herrschenden Einflusses besteht. Die Feststellung herrschenden Einflusses lässt sich unter Umständen ebenfalls nicht allein aus der Beteiligungshöhe ableiten, sondern bedarf der zusätzlichen Berücksichtigung statutarischer Mitwirkungsrechte oder der tatsächlichen Präsenz in der jeweiligen Mitgliedervertretung. Die Zweckmäßigkeit des Abstellens auf die Gewinnbeteiligungsrelation wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass besondere Umstände wie beispielsweise die Überschuldung der Aktiengesellschaft oder schuldrechtliche Beziehungen des Aktionärs zur anderen Gesellschaft im Einzelfall eine Gefährdungslage auch unabhängig von der Relation der Gewinnbeteiligungen begründen mögen. Anspruch des Unternehmensbegriffs kann es nicht sein, jeden Einzelfall zu erfassen, sondern lediglich eine abstrakte Gefährdungslage abzubilden. 54 Dem wird das Abstellen auf die Gewinnbeteiligungsrelation weitaus eher gerecht als das Kriterium des herrschenden Einflusses. 2. Unternehmenseigenschaft aufgrund nichtwirtschaftlicher Betätigung Nach Auffassung von Koppensteiner sind auch »nicht-wirtschaftliche Aktivitäten« geeignet, deren Betreiber als Unternehmen zu qualifizieren, sofern Interessenkonflikte im Verhältnis zur Gesellschaft möglich sind. 55 Bei natürlichen Personen wirke sich dies zwar nicht aus, da sich deren Interessen jenseits der beruflichen Betätigung nicht objektiv feststellen ließen und darüber hinaus variabel seien. Anders läge es jedoch beispielsweise beim Idealverein oder einer Stiftung. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar geht der Hinweis auf den möglichen Interessenkonflikt insoweit fehl, als es sich hierbei nicht um das zur Unterscheidung von Privat- und Unternehmensgesellschaftern maßgebliche Kriterium handelt. Stellt man jedoch stattdessen auf den Aspekt der qualifizierten Transferadresse ab, gelangt man zum selben Ergebnis. Die Eignung einer zur Durchführung einer bestimmten Betätigung vorgehaltenen Organisation als Transferadresse ist nicht davon abhängig, dass die Betätigung wirtschaftlicher Natur ist. Die wirtschaftliche Betätigung ist gegenüber der nichtwirtschaftlichen Betätigung lediglich insofern von Vorteil, als sie zusätzlich den Entzug von Geschäftschancen ermöglicht. Wäre dies indes der entscheidende Gesichtspunkt, dürfte man nicht jede anderweitige wirtschaftliche Betätigung zur Be54 55
Hierauf hinweisend auch KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 47. KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 15 Rn. 34.
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gründung der Unternehmenseigenschaft ausreichen lassen, sondern müsste verlangen, dass diese in derselben Branche wie die der infrage stehenden Aktiengesellschaft stattfindet. Dies wird jedoch zu Recht nicht vertreten. Entscheidend ist, dass auch die nichtwirtschaftliche Betätigung ab einer bestimmten Größenordnung einen Bedarf an personellen und sachlichen Mitteln schafft, welcher die abstrakte Gefahr begründet, zu marktunüblichen Konditionen bei der beherrschten Aktiengesellschaft befriedigt zu werden. Ein Verein ist daher unabhängig vom Bestehen einer anderweitigen wirtschaftlichen Betätigung schon immer dann als Unternehmen im Sinn des § 317 Abs. 1 AktG zu qualifizieren, wenn er zur Verfolgung seines Formalziels über einen erheblichen Bedarf an personellen und sachlichen Mitteln verfügt. Im Fall von Großvereinen wie dem ADAC e.V. oder dem FC Bayern München e.V. liegen diese Voraussetzungen zweifellos vor. 3. Unternehmenseigenschaft aufgrund fremdnütziger Zielsetzung Es bleibt schließlich die Frage, ob ein Verein allein dadurch zum Unternehmen im schutzrechtlichen Sinn wird, dass er eine fremdnützige Zielsetzung verfolgt.56 Auf Grundlage der vorangegangenen Erkenntnisse wird man das bejahen müssen. Im Einzelnen: Auch wenn sich die fremdnützige Zielsetzung von der Zielsetzung eines normtypischen Aktionärs unterscheidet, ändert dies nichts daran, dass zwischen dem fremdnützigen Aktionär und der normtypischen Aktiengesellschaft keine Interessenparallelität, sondern Interessendivergenz besteht. Die Konfliktlage ist somit im Ausgangspunkt dieselbe wie beim normtypischen Aktionär. Eine privilegierende Sonderbehandlung von Aktionären mit fremdnütziger Zielsetzung wie sie für die öffentliche Hand erwogen wurde, kraft derer diese generell nicht als Unternehmen zu qualifizieren wäre, 57 lässt sich nicht begründen. Auch der mildtätigen Zwecken verschriebene Aktionär wird bei konsequenter Zweckverfolgung versuchen, die abhängige Gesellschaft hierfür unter Missachtung deren Verbandszwecks einzusetzen. Ein Erfahrungssatz, wonach sich fremdnützige Verbände in ihrer Eigenschaft als Aktionäre durch größere Gesetzes- oder Satzungstreue auszeichnen, existiert nicht. Besinnt man sich darauf, dass sich Privat- und Unternehmensaktionär hinsichtlich der ihnen zur Verfügung stehenden Transferadressen unterscheiden, wird deutlich, dass fremdnützige Zielsetzungen sogar ein besonderes Gefährdungspotential bergen. Während nämlich der normtypische Aktionär zur Durchsetzung seiner eigennützigen Zwecke gegenüber der abhängigen Gesellschaft darauf angewiesen ist, deren Vermögen an einen Ort zu transferieren, an 56
Zum Begriff § 3 B.I.2.a. (S. 31 ff.). Wiedemann/Martens, AG 1976, 232, 233 ff.; Würdinger, DB 1976, 613, 615; dagegen BGHZ 69, 334, 338 f. (VEBA). 57
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dem es zumindest mittelbar ihm selbst zu gute kommt, ist der fremdnützige Aktionär im Rahmen seiner Zweckverfolgung nicht in gleicher Weise beschränkt. So könnte beispielsweise ein Automobilclub die Interessen der Autofahrer dadurch fördern, dass er einen von ihm beherrschten Autoproduzenten veranlasst, Autos unterhalb des am Markt erzielbaren Preises zu vertreiben. Ein dem Ziel des Umweltschutzes verschriebener Verein kann seine Zwecke dadurch verfolgen, dass er eine abhängige Gesellschaft veranlasst, gesetzlich nicht vorgesehene Umweltauflagen einzuhalten. Sofern man insoweit überhaupt noch von einem Vermögenstransfer im engeren Sinne sprechen möchte, ist dieser dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der potentiellen Transferempfänger unüberschaubar groß ist. Das daraus für die abhängige Gesellschaft resultierende Risiko ist ungleich höher als im Fall des in der Vorstellung des Gesetzgebers existierenden Privataktionärs mit seinen vergleichsweise bescheidenen Schädigungsmöglichkeiten. 4. Zwischenfazit Auf Grundlage der vorangegangenen Überlegungen wird ein Verein, der herrschenden Einfluss auf eine Aktiengesellschaft ausübt, in aller Regel auch als Unternehmen im schutzrechtlichen Sinn zu qualifizieren sein.58 Eine praktisch relevante Ausnahme dürfte allein für den Vermögensverwaltungsverein gelten, der neben der Beteiligung an der Aktiengesellschaft über keine weiteren wesentlichen Beteiligungen verfügt.
III. Haftung des Vereinsvorstandes gemäß §§ 309, 317 Abs. 3 AktG Bezüglich der Anwendbarkeit der an den Vereinsvorstand in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens gerichteten Haftungsanordnungen der §§ 309, 317 Abs. 3 AktG kann auf die vorangegangenen Erkenntnisse Bezug genommen werden. § 309 AktG ist ebenso wie die §§ 302 f. AktG anwendbar, wenn ein wirksamer Beherrschungsvertrag abgeschlossen oder ein unwirksamer Beherrschungsvertrag vollzogen wurde. Die Unternehmenseigenschaft des Vereins als Obergesellschaft ist insoweit letztlich ohne Bedeutung. Die Anwendbarkeit des § 317 Abs. 3 AktG entspricht dem des § 317 Abs. 1 AktG, d. h. setzt die Unternehmenseigenschaft des Vereins im schutzrechtlichen Sinn voraus.
58 Beschränkt auf den schutzrechtlichen Unternehmensbegriff kommt der hiesige Standpunkt dem von Emmerich nahe, der Vereinen stets Unternehmenseigenschaft beimisst (siehe Nachweis Fn. 3).
§ 6 Einfl uss und Verantwortung auf Grundlage der §§ 291, 311 ff. AktG
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D. Pflicht der abhängigen Aktiengesellschaft zur Erstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts Der zuvor entwickelte schutzrechtliche Unternehmensbegriffs bestimmt auch den Anwendungsbereich der §§ 312–315 AktG, kraft dessen die beherrschte Aktiengesellschaft zur Aufstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts verpflichtet ist. 59 Insbesondere ist keine Abweichung für den Fall geboten, dass die Unternehmenseigenschaft ihre Grundlage allein in der fremdnützigen Zwecksetzung des Vereins findet. Zwar könnte man hieran insoweit denken, als die Berichtspflicht primär darauf zielt, die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen einschließlich des herrschenden Unternehmens aufzudecken und die Einflussnahme im Interesse Dritter oder des Allgemeinwohls insoweit nicht erfasst. Entscheidend ist jedoch, dass § 312 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. AktG im Sinne einer Auffangregelung sämtliche Maßnahmen der Berichtspflicht unterwirft, die auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden Unternehmens getroffen oder unterlassen wurden und insoweit auch geeignet ist, die Einflussnahme im Drittoder Allgemeinwohlinteresse aufzudecken.
E. Zusammenfassung Beherrscht ein Verein eine Aktiengesellschaft, hängt die Beantwortung der Frage, welche Einflussmöglichkeiten ihm zustehen und welcher Verantwortlichkeit er unterliegt, davon ab, inwieweit die §§ 291 ff. AktG Anwendung finden. Zentrale Bedeutung hat insoweit der konzernrechtliche Unternehmensbegriff. Da die Unternehmenseigenschaft keine besondere Rechtsform voraussetzt, kommt auch der Verein als herrschendes Unternehmen in Betracht. Entsprechend den Erkenntnissen aus dem Grundlagenteil60 existiert kein einheitlicher Begriff des herrschenden Unternehmens. Aufgrund der Funktion des Unternehmensbegriffs als teleologisches Korrektiv ist vielmehr auf den Schutzzweck der jeweils infrage stehenden Regelungen abzustellen. Was hiernach die Anwendbarkeit der das herrschende Unternehmen privilegierenden Regelungen der §§ 291 Abs. 1, 1. u. 2. Alt., 311 Abs. 1, 2 AktG anbetrifft, ist ein privilegierungsrechtlicher Unternehmensbegriff zugrunde zu legen, welcher voraussetzt, dass der Inhaber herrschenden Einflusses neben dem von der abhängigen Gesellschaft getragenen Unternehmen legal noch mindestens auf ein weiteres Unternehmen Einfluss nehmen kann und die Koordination dieser Unternehmen beabsichtigt. Diese Voraussetzungen können ohne weiteres auch von einem Verein erfüllt werden. 59 60
BGHZ 135, 107, 113 ff.; 148, 123, 125 ff. § 3 C.II. (S. 70 ff.).
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Hinsichtlich der auf Grundlage der genannten Privilegierungstatbestände zulässigen Einflussnahme ist die Grenze des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG (analog) zu beachten, wonach eine nachteilige Einflussnahme nur zulässig ist, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens dient. Mit Blick auf die den Privilegierungstatbeständen zugrunde liegende ökonomische Zwecksetzung ist die Einschränkung im Wege der teleologischen Korrektur dahingehend zu verschärfen, dass eine nachteilige Einflussnahme nur insoweit zulässig ist, als mit ihr verbundinterne Vorteile korrespondieren. Eine Benachteiligung der abhängigen Aktiengesellschaft zugunsten von Allgemeinwohlinteressen oder Dritten (einschließlich der Vereinsmitglieder) ist nicht zulässig. Bezüglich der aktienkonzernrechtlichen Haftungstatbestände ist zu differenzieren. Die Regelungen der §§ 302 f., 309 AktG kommen immer dann zur Anwendung, wenn ein wirksamer Beherrschungsvertrag abgeschlossen oder ein unwirksamer Beherrschungsvertrag vollzogen wurde. Die Anwendbarkeit der Haftungstatbestände des § 317 Abs. 1, 3 AktG ist demgegenüber davon abhängig, dass der Verein Unternehmenseigenschaft im schutzrechtlichen Sinne aufweist. Entsprechend den im Grundlagenteil gewonnenen Erkenntnissen, ist insoweit darauf abzustellen, ob der Verein über eine qualifizierte Transferadresse verfügt. Mit der h. M. ist die Unternehmenseigenschaft im schutzrechtlichen Sinn zu bejahen, wenn sich der Verein neben der wirtschaftlichen Betätigung in der Aktiengesellschaft selbst wirtschaftlich betätigt oder an einer weiteren Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist, die sich ihrerseits wirtschaftlich betätigt. Für die Maßgeblichkeit kommt es aber abweichend von der h. M. nicht darauf an, ob der Verein auf die andere Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss ausübt, sondern, ob er am Gewinn dieser Gesellschaft stärker beteiligt ist als an dem der Aktiengesellschaft. Des Weiteren ist von der Unternehmenseigenschaft des Vereins dann auszugehen, wenn er aufgrund seiner nichtwirtschaftlichen Betätigung über einen erheblichen Bedarf an personellen und sachlichen Mitteln verfügt, die die Gefahr begründet, dass er diesen Bedarf zu marktunüblichen Konditionen bei der abhängigen Gesellschaft befriedigt. Ebenso genügt es zur Begründung der Unternehmenseigenschaft, dass der Verein eine fremdnützige Zielsetzung aufweist, die befürchten lässt, dass er diese zu Lasten der abhängigen Aktiengesellschaft verfolgt. Der schutzrechtliche Unternehmensbegriff bestimmt auch darüber, ob die abhängige Aktiengesellschaft den Pflichten der §§ 312–315 AktG unterliegt.
§ 7 Gruppenspezifische Leitungspflichten des Vorstandes Aus der Perspektive des Vorstands eines als Obergesellschaft fungierenden Vereins stellt sich die Frage, inwieweit sich sein Leitungsauftrag auch auf die vom Verein abhängigen Gesellschaften erstreckt und ihn dazu verpflichtet, den dem Verein zustehenden herrschenden Einfluss auszuüben. Angesprochen ist insoweit die im Aktienrecht unter dem Stichwort »Konzernleitungspflicht« geführte Diskussion, auf die auch im vereinsrechtlichen Kontext zurückgegriffen werden kann.
A. Gruppenspezifische Leitungspflicht im Aktienrecht I. Meinungsbild Für die als Aktiengesellschaft organisierte Obergesellschaft besteht im Ausgangspunkt Einigkeit darüber, dass sich deren Vorstand im Rahmen seiner auf Grundlage der §§ 76 Abs. 1, 93 AktG bestehenden Pflichten nicht auf die Leitung der eigenen Gesellschaft beschränken kann, sondern seine Leitungsverantwortung auch die abhängigen Gesellschaften umfasst.1 Als pflichtwidrig wird hiernach erachtet, wenn der Vorstand die entsprechenden Beteiligungen wie bloße Finanzanlagen verwaltet. Weil es sich beim Beteiligungsbesitz um Vermögen der Obergesellschaft handele, bestehe eine Verpflichtung, deren unternehmerisches Potential zu nutzen. 2 Unterschiedlich beurteilt wird jedoch der Inhalt bzw. die Intensität der Konzernleitungspflicht. Auch wenn eine klare Abgrenzung des Meinungsspekt-
1 Statt vieler KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 65 f.; Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 7 ff.; Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 69 Rn. 24 jeweils m. w. N. Zu Recht nicht durchgesetzt hat sich die vereinzelt vertretene Auffassung (U. H. Schneider, BB 1981, 249, 256 ff.; Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, S. 169 ff.), den Vorstand der Obergesellschaft treffe eine Leitungspfl icht auch gegenüber den abhängigen Gesellschaften (s. zur Kritik u. a. Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 96 ff. m. w. N.). 2 Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 7.
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
rums schwer fällt, lassen sich wohl im Wesentlichen drei Auffassungen voneinander unterscheiden: 3 Am weitesreichenden ist die von Hommelhoff geprägte Auffassung, wonach eine Pflicht zur zentralistischen Konzernleitung bestehe, welche die Geschäftsleitung der Obergesellschaft verpflichte, die abhängigen Gesellschaften zu einem Konzern zusammenzuführen und das gesamte Konzerngeschehen bis in alle Einzelheiten der Tochteraktivitäten hinein zu leiten.4 Eine geringere Leitungsintensität sei nur auf Grundlage einer »Entkonzernierungserklärung« zulässig, welche analog §§ 293 Abs. 2 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 AktG der qualifizierten Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe.5 Eine andere Auffassung differenziert nach der Art der Unternehmensverbindung. 6 Im Fall der bloß faktischen Verbindung auf Grundlage der §§ 311 ff. AktG bestehe keine Konzernleitungspflicht, da der Obergesellschaft insoweit keine rechtlich zulässigen Mittel zur Verfügung stünden, um Konzernleitungsmacht durchzusetzen. Demgegenüber soll der Vorstand im Vertrags- und Eingliederungskonzern verpflichtet sein, die ihm zur Verfügung stehenden Einflussmöglichkeiten zu nutzen und die Tochtergesellschaften umfassend zu leiten. Eine dritte Auffassung schließlich versteht die Konzernleitungspflicht als eine Pflicht zur »Oberleitung der Konzernunternehmen«, welche sich auf verschiedene grundlegende Angelegenheiten beschränkt.7 Genannt werden insoweit die Bereiche der Planung und Steuerung, der Organisation, der Finanzen und der Information. 8 Eine möglichst weit gehende Einschränkung der Autonomie der abhängigen Gesellschaften sei demgegenüber nicht geschuldet.
II. Stellungnahme Die These einer zentralistischen Konzernleitungspflicht hat sich zu Recht nicht durchsetzen können. Die insoweit angeführten Gründe brauchen an dieser Stelle nicht im Einzelnen wiederholt zu werden.9 Am bedeutsamsten erscheint insoweit die Erkenntnis, dass auch im Einheitsunternehmen die Möglichkeit der Entscheidungsdezentralisation besteht und im Rahmen der polykorpora-
3
S. auch Meinungsüberblick bei Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 8 f. Grundlegend Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 73 ff., 165 ff.; ähnlich U. H. Schneider, BB 1981, 249, 253. 5 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 406 ff. 6 MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 19 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 526; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 83. 7 KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 65; Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 10 ff., 18. 8 Ausführlich Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 18 ff. 9 Siehe u. a. Kritik von Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 27 ff.; Rittner, AcP 183 (1983), 295, 307 ff. 4
§ 7 Gruppenspezifi sche Leitungspfl ichten des Vorstandes
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tiven Organisationsstruktur schwerlich strengere Maßstäbe gelten können.10 Sie macht zugleich deutlich, dass auch eine auf den Vertrags- bzw. den Eingliederungskonzern beschränkte zentralistische Konzernleitungspflicht nicht in Betracht kommt. Überzeugend ist allein die Auffassung, die die Pflicht zur Konzernleitung auf grundlegende Angelegenheiten reduziert. Ihr Vorzug besteht darin, dass sie die Erkenntnisse bezüglich der im Einheitsunternehmen als nicht delegierbar herausgearbeiteten Leitungsbefugnisse auf den Unternehmensverbund überträgt und auf diese Weise die Reichweite der Leitungspflicht im Ausgangspunkt unabhängig davon bestimmt, ob eine mono- oder eine polykorporative Organisationsform gewählt wird.11 Der Unterschied zwischen den beiden Organisationsformen beschränkt sich darauf, dass in der polykorporativen Organisationsform die Einflussmöglichkeiten des Vorstandes aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit von Tochtergesellschaften möglicherweise eingeschränkt sind. Trägt man dem dadurch Rechnung, dass man die Grenzen der rechtlich abgesicherten Einflussmöglichkeiten auf Tochtergesellschaften als immanente Schranken der Leitungspflicht anerkennt,12 besteht für weitergehende Differenzierungen zwischen den beiden Organisationsformen kein Anlass. Den Vorstand der Aktiengesellschaft trifft daher in der Unternehmensgruppe ebensowenig eine Pflicht zur zentralistischen Leitung der Tochtergesellschaften, wie er verpflichtet ist, ein Einheitsunternehmen zentralistisch zu leiten. Ausreichend (und häufig sinnvoll) ist, dass er sich auf die Oberleitung beschränkt. Inwieweit er darüber hinausgeht, bleibt seinem Ermessen überantwortet.13
B. Übertragbarkeit der aktienrechtlichen Grundsätze auf den Verein I. Allgemeine Leitungspflicht des Vereinsvorstandes Im Gegensatz zum Aktienrecht (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) sieht das Vereinsrecht keine ausdrückliche Leitungspflicht des Vorstandes vor. Gleichwohl kann im Ergebnis kein Zweifel daran bestehen, dass eine Leitungspflicht aus der den
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So bereits Rehbinder, ZHR 147 (1983), 464, 468. KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 65 meinen allerdings, dass die »Leitungsabstinenz« aufgrund der eigenen Leitungsverantwortung der Organe der Tochtergesellschaften weiter gehen dürfe als im Rahmen des unmittelbar bei der Gesellschaft angesiedelten Unternehmens. 12 Sinngemäß MünchKomm/Hefermehl/Spindler, AktG, § 76 Rn. 41; Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 18. 13 Den breiten Ermessensspielraum betonend Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 14, der von einer konzernorganisationsrechtlichen »Business Judgment Rule« spricht. 11
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
Vereinsvorstand treffenden Verpflichtung, die Interessen des Vereins so wirksam wie möglich wahrzunehmen, folgt.14
II. Gruppenspezifische Leitungspflicht des Vereinsvorstandes Auch für den Verein muss die Annahme einer Pflicht zur zentralen Konzernleitung daran scheitern, dass bereits innerhalb des Vereins keine Pflicht zur zentralistischen Leitung besteht.15 Hinzu kommt, dass die externen Betätigungen von Vereinen in Tochtergesellschaften häufig nicht unmittelbar der Verfolgung des Vereinszwecks dienen, sondern den Charakter von Hilfs- oder Nebentätigkeiten aufweisen. Insoweit erscheint es erst Recht nicht zu beanstanden, wenn sich der Vereinsvorstand primär dem unmittelbar beim Verein angesiedelten der Hauptzweckverfolgung dienenden »Kerngeschäft« widmet und es bezüglich der Tochtergesellschaft bei einer Oberleitung belässt. Hinsichtlich des Inhalts der Pflicht zur Oberleitung kann auf die für die Aktiengesellschaft entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden.16 Unproblematisch ist hiernach davon auszugehen, dass der Vereinsvorstand verpflichtet ist, Sorge für eine zweckmäßige Organisationsstruktur zu tragen und die Entwicklung einer die Tochtergesellschaften einbeziehenden gruppenweiten Gesamtstrategie schuldet. Auch besteht eine Finanz- und Informationsverantwortung, die die gruppenweite Liquiditätsplanung und die Sicherstellung des Informationsflusses von den Tochtergesellschaften zur Obergesellschaft umfasst. Was die Nutzung von Steuerungs- und Überwachungsinstrumenten wie etwa ein Konzern-Controlling, eine Konzernrevision oder ein Konzernrisikomanagement betrifft, wird man auf den Einzelfall, d. h. insbesondere die Größe des Vereinskonzerns und dessen konkrete Betätigung, abstellen müssen. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass sich die Anforderungen an die Professionalisierung der Unternehmensführung nicht nach der Rechtsform (der Obergesellschaft), sondern dem Unternehmen zu richten haben. Der Vorstand eines Vereins, der sich über Tochtergesellschaften umfangreich wirtschaftlich betätigt, muss daher aufgrund seiner organschaftlichen Sorgfaltspflicht tendenziell die gleichen Standards erfüllen, wie sie auch für den Vorstand einer als Aktiengesellschaft organisierten Obergesellschaft gelten. Auf Grundlage der Annahme, dass die Leitungspflichten in der mono- und der polykorporativen Organisationsstruktur im Grundsatz einheitlich zu bestimmen sind, handelt es sich hierbei allerdings nicht um eine konzernspezifische Thematik, sondern einen Aus14 Vgl. MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 42. Zum Begriff der Leitung u. a. MünchKommAktG/Spindler, § 76 Rn. 16 ff. 15 Zur Möglichkeit der vereinsinternen Delegation von Entscheidungen auf nachgelagerte Hierarchieebenen Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 2623 ff.; MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 44. 16 Umfangreich Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 18 ff.
§ 7 Gruppenspezifi sche Leitungspfl ichten des Vorstandes
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schnitt aus der in letzter Zeit verstärkt aufgekommenen Diskussion um die corporate governance von Nonprofit-Organisationen, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.17 Durch entsprechende Satzungsbestimmungen kann das skizzierte Pflichtprogramm modifiziert und auch verschärft werden. Anders als im Aktienrecht, wo die Zulässigkeit einer durch die Satzung angeordneten zentralistischen Konzernleitungspflicht unter dem Aspekt der Satzungsstrenge Zweifeln ausgesetzt ist,18 ordnet § 40 BGB ausdrücklich die Dispositivität der die Rechtsstellung des Vorstands betreffenden Regelungen des § 27 Abs. 3 BGB an. Theoretisch könnte die Mitgliederversammlung die Ausgliederung wirtschaftlicher Aktivitäten auf eine selbständige Tochtergesellschaft daher zum Anlass nehmen, eine hierauf bezogene strenge Leitungspflicht in die Satzung aufzunehmen.
C. Zusammenfassung Die aus den §§ 27 Abs. 3, 662 BGB folgende Leitungspflicht des Vereinsvorstandes erstreckt sich auch auf die vom Verein abhängigen Gesellschaften. Sie verpflichtet ihn aber nicht zu einer zentralen, eine alle Einzelheiten der Tochtergesellschaften einschließenden Leitung, sondern verlangt nur eine Oberleitung, die die Bereiche Planung, Steuerung, Organisation, Finanzen und Information erfasst. Immanente Grenze der Leitungspfl icht sind die im Verhältnis zu den abhängigen Gesellschaften jeweils bestehenden (legalen) Einflussmöglichkeiten. Durch Satzungsbestimmung kann die gruppenspezifische Leitungspflicht gelockert oder intensiviert werden.
17 Hopt in: Nonprofit Organisationen, S. 243; R. Sprengel in: Nonprofit-Organisationen, S. 283; Schuhen in: Nonprofit-Organisationen, S. 221. 18 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 17a; Fleischer in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rn. 15.
§ 8 Gruppenspezifische Rechnungslegungsund Publizitätspflichten Im Rahmen der in letzter Zeit mit zunehmender Intensität geführten Diskussion um die corporate governance von Nonprofit-Organisationen spielt die Frage der Publizitätspflichten eingetragener Vereine eine erhebliche Rolle.1 Ganz überwiegend geht man hierbei davon aus, dass die einschlägigen gesetzlichen Anforderungen defizitär sind. Speziell im Hinblick auf die wirtschaftliche Betätigung von Vereinen wird in diesem Zusammenhang die Befürchtung geäußert, die Rechtsform des Vereins könne dazu dienen, ohne hinreichende Publizität als Großunternehmen tätig zu werden.2 Da der eigenen wirtschaftlichen Betätigung von Vereinen durch die §§ 21, 22 BGB Grenzen gesetzt sind, betrifft die Befürchtung wohl im wesentlichen Vereine, die sich umfangreich extern wirtschaftlich betätigen und hierbei die Rolle als Spitze einer Unternehmensgruppe ausüben. Welchen Rechnungslegungs- und Publizitätsanforderungen Vereine in ihrer Eigenschaft als Obergesellschaft nach geltendem Recht unterliegen, gilt es im Folgenden zu untersuchen. Hierzu wird zunächst auf die verbundsunabhängigen Pflichten des Vereins zur Rechnungslegung und Publizität eingegangen (A.), um sodann zu erörtern, ob der Verein gegebenenfalls Adressat von Konzernrechnungslegungsvorschriften und damit korrespondierenden Prüfungsund Publizitätspflichten sein kann (B.).
A. Verbundsunabhängige Pflichten I. Pflichten nach BGB Aufgrund der Verweisung in § 27 Abs. 3 BGB auf § 666 Alt. 3 BGB ist der Vorstand verpflichtet, über die »Ausführung des Auftrags« Rechenschaft abzulegen. Ihre Konkretisierung findet die Rechenschaftspflicht in § 259 Abs. 1 BGB, wonach der Vorstand eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und 1 Hopt in: Nonprofit Organisationen, S. 243, 253 ff.; Walz in: Nonprofit-Organisationen, S. 259, 277 ff.; Segna in: Wie viel Prüfung braucht der Verein – wie viel Prüfung verträgt die Genossenschaft? S. 7; von Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, S. 362 ff. 2 Adams/Maßmann, ZRP 2002, 128, 128.
§ 8 Gruppenspezifi sche Rechnungslegungs- und Publizitätspfl ichten
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Ausgaben erstellen muss. Die Anfertigung weitergehender Erläuterungen und Informationen über die geschäftliche Entwicklung ist nicht erforderlich.3 Insbesondere besteht keine Pflicht zur Erstellung eines Anhangs oder eines Lageberichts. Auch eine Prüfungs- oder Publizitätspflicht sieht das BGB nicht vor. Insgesamt bleibt die Rechenschaftspflicht insoweit deutlich hinter den handelsrechtlichen Standards zurück. Nimmt man die Regelungen des § 666 Alt. 3 BGB beim Wort (»nach der Ausführung des Auftrags«), bestünde die Rechnungslegungspflicht gar erst am Ende der Amtszeit. Überwiegend wird die Rechnungslegungspflicht jedoch als Pflicht zur periodischen Rechnungslegung interpretiert.4
II. Pflichten nach HGB Sofern der Verein ein Handelsgewerbe betreibt und deshalb Kaufmannseigenschaft aufweist, ist er aufgrund der §§ 238 ff. HGB buch- und rechnungslegungspflichtig.5 Erforderlich ist jedoch ein eigenes Handelsgewerbe des Vereins. Die Beteiligung an Gesellschaften, die ein Handelsgewerbe betreiben, genügt nicht. 6 Denn die Ausübung einer bloßen Holdingfunktion erfüllt nicht den Gewerbebegriff.7 Für die rein vermögensverwaltende Tätigkeit folgt dies bereits aus § 105 Abs. 2 HGB, wonach die Vermögensverwaltungsgesellschaft nur »Kannkaufmann« ist. Nichts anderes gilt aber auch dann, wenn die Holding eine konzernleitende Funktion ausübt. 8 Denn auch insoweit fehlt es an der ein Gewerbe prägenden anbietenden Tätigkeit an einem Markt.9 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Ausübung der Holdingfunktion möglicherweise eine Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB erfordert. Denn die Regelung betrifft allein die Qualifikation eines Gewerbes als Handelsgewerbe und setzt daher das Vorliegen eines Gewerbebetriebs voraus.10 Hinsichtlich der Rechtsfolgen der §§ 238 ff. HGB ist zu beachten, dass die Buch- und Rechnungslegungspflicht ihrem Umfang nach auf den wirtschaft3 Lutter, BB 1988, 489, 491; Segna, DStR 2006, 1568, 1569. Vgl. auch IDW RS HFA 14, Rn. 2.1.4. 4 In diesem Sinn Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 281; Lutter, BB 1988, 489, 491; Segna, DStR 2006, 1568, 1569; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 2647; Galli, DStR 1998, 263; siehe auch IDW RS HFA 14, Rn. 2.1.1.1. 5 Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 147; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1062; K. Schmidt, ZGR 1975, 477, 478; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 60; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 2651. 6 Segna, DB 2003, 1311. 7 Röhricht in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 1 Rn. 44; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 1 Rn. 28; a. A. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 18. 8 MünchKommHGB/K. Schmidt, § 1 Rn. 28. 9 Roth/Morck in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 1 Rn. 6; K. Schmidt, Handelsrecht, § 9 IV 2b (S. 283 ff.); Kindler in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 1 Rn. 22. 10 MünchKommHGB/K. Schmidt, § 1 Rn. 28 a. E.
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lichen Geschäftsbetrieb des Vereins beschränkt ist.11 Inhaltlich verlangen sie die Erstellung eines aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bestehenden Jahresabschlusses. Die weitergehenden Anforderungen der §§ 264 ff. HGB, die zusätzlich einen Anhang sowie einen Lagebericht erfordern, gelten aufgrund der rechtsformspezifischen Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf Kapitalgesellschaften sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften für den Verein hingegen nicht. Aus dem gleichen Grund finden die Prüfungspflicht aus § 316 HGB und die Offenlegungspflicht aus § 325 HGB keine Anwendung.
III. Pflichten nach PublG Unter der Voraussetzung des Überschreitens bestimmter Größenmerkmale (Bilanzsumme, Umsatzerlöse, Anzahl der Arbeitnehmer) sehen die §§ 1 ff. PublG umfangreiche Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Offenlegungsverpflichtungen vor, die denen der §§ 264 ff. HGB im Wesentlichen nachempfunden sind. Ihre Anwendbarkeit auf den eingetragenen Verein ist indes zweifelhaft. Denn gemäß § 3 Abs. 1 PublG ist der Geltungsbereich des 1. Abschnitts des PublG auf die dort abschließend aufgezählten Rechtsformen beschränkt. Der eingetragene Verein findet hierbei keine Erwähnung. § 3 Abs. 1 Nr. 3 PublG nennt lediglich den Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Aufgrund der Identität der Formulierung mit der des § 22 BGB liegt die Vermutung nahe, dass hiermit konzessionierte Vereine gemeint sind. Erwägenswert erschiene allenfalls, auch diejenigen Vereine in den Anwendungsbereich der §§ 1 ff. PublG einzubeziehen, die sich über das zulässige Maß hinaus wirtschaftlich betätigen und demnach zu Unrecht eingetragen sind.12 Doch auch wenn ein solches Verständnis mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 3 PublG vereinbar erscheint, dürfte es kaum der Intention des Gesetzgebers entsprechen, dem es ausweislich der Gesetzesbegründung darauf ankam, mit der abschließenden Aufzählung in § 3 Abs. 1 PublG Rechtsklarheit zu schaffen.13 Dieses Anliegen würde konterkariert, wollte man unabhängig vom Status als eingetragener oder konzessionierter Verein auf die tatsächliche Betätigung abstellen.14 Die besseren Gründe sprechen deshalb dafür, den eingetragenen Verein generell aus dem Anwendungsbereich der §§ 1 ff. PublG auszuschließen.15 11 Reuter, ZIP 1984, 1052, 1062; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 147; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 60. 12 In diesem Sinn Adler/Düring/Schmaltz, § 3 Rn. 7; Niehms, DB 2003, 1125, 1127 f. möglicherweise auch LG München DB 2003, 1316, 1317, das zwar zunächst ausführt, § 3 PublG erfasse den eingetragenen Verein nicht, gleichwohl aber im Anschluss prüft, ob dem streitgegenständlichen ADAC e.V. die wirtschaftlichen Betätigungen seiner Tochtergesellschaften zuzurechnen sind. 13 BT-Drucks. 5/3197 S. 17. 14 Segna, DB 2003, 1311, 312. 15 Segna, DB 2003, 1311, 312; von Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen,
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IV. Steuerliche Pflichten Das Steuerrecht sieht in der Abgabenordnung (AO) eine Reihe von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten vor, die auch für Vereine in Betracht kommen, ohne allerdings in nennenswerter Weise über die Pflichten aus dem BGB und dem HGB hinauszugehen.16 So bestimmt zunächst § 140 AO, dass die Pflichten aufgrund anderer Gesetze auch für die Besteuerung zu erfüllen sind. Gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 AO trifft den Verein eine eigenständige steuerliche Buchführungspflicht, wenn der Umsatz oder der Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb bestimmte Grenzen überschreitet und die Finanzverwaltung die Pflicht mitteilt. Hinsichtlich der Rechtsfolge verweist § 141 Abs. 1 S. 2 AO auf die Regelungen der §§ 238 ff. HGB. Gemeinnützige Vereine müssen gemäß § 63 Abs. 3 AO den Nachweis führen, dass ihre Geschäftsführung die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt.17 Eine bestimmte Form zur Führung dieses Nachweises ist nicht vorgesehen.
V. Branchenspezifische Pflichten Der Vollständigkeit halber zu nennen sind bestimmte branchenspezifische Rechnungslegungspflichten, wie etwa die Pflege-Buchführungsverordnung (PBV) und die Krankenhaus-Buchführungsverordnung (KHBV). Daneben ist in diesem Zusammenhang auf die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung von Parteien gemäß § 23 PartG zu denken, die selbstverständlich auch dann eingreift, wenn Parteien als eingetragene Vereine organisiert sind (Bsp. CSU).
B. Konzernrechnungslegungspflichten I. HGB Die Regelungen der §§ 290 ff. HGB betreffend die Konzernrechnungslegung sind in ihrem Anwendungsbereich ebenso wie die den Einzelabschluss betreffenden §§ 264 ff. HGB auf Kapitalgesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften beschränkt und finden daher auf den Verein keine Anwendung.
S. 335; im Ergebnis auch LG München DB 2003, 1316 f.; nicht ganz klar Enderlein in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 41 Rn. 36, der die Frage mit dem Unternehmensbegriff verknüpft. 16 Siehe hierzu Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 2474 ff.; Sauter/ Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, S. 593 ff.; von Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, S. 334. 17 Ausführlich zur Rechnungslegung gemeinnütziger Vereine Galli, DStR 1998, 263 ff.
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II. § 11 Abs. 1 PublG Zumindest für große Vereinskonzerne bliebe die Unanwendbarkeit der §§ 290 ff. HGB indes weitestgehend ohne Konsequenzen, wenn die Regelungen des 2. Abschnitts des PublG Anwendung fänden (§§ 11 ff. PublG). Diese sehen beim Überschreiten bestimmter Größenmerkmale nicht nur eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung (§ 11 Abs. 1 PublG), sondern auch eine Prüfungs- (§ 14 Abs. 1 PublG) und Offenlegungspflicht (§ 15 Abs. 1 PublG) vor, welche inhaltlich weitestgehend denen des Handelsrechts entsprechen (vgl. §§ 11 Abs. 6, 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 S. 2 PublG). Fraglich ist jedoch, ob der Verein als Adressat dieser Pflichten überhaupt in Betracht kommt. Zwar spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass eingetragene Vereine nicht vom Katalog des § 3 Abs. 1 PublG erfasst werden.18 Denn die Regelung beschränkt ausdrücklich nur den Anwendungsbereich des 1. Abschnitts des PublG.19 Zu beachten ist aber, dass im Rahmen des Tatbestands des § 11 Abs. 1 PublG in mehrfacher Hinsicht der Unternehmensbegriff eine Rolle spielt. 1. Unternehmensbegriff § 11 Abs. 1 PublG verwendet den Unternehmensbegriff in unterschiedlichen Zusammenhängen. Zum einen spricht er von dem Unternehmen, das als Subjekt herrschenden Einfluss ausüben kann und hierdurch zum Mutterunternehmen wird. 20 Bei ihm handelt es sich um den Adressat der in den §§ 11 ff. PublG angeordneten Rechtsfolgen. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Unternehmen, auf die sich der herrschende Einfluss bezieht. Sie sollen in Anlehnung an § 290 Abs. 1 HGB als Tochterunternehmen bezeichnet werden. a) Meinungsstand Im Schrifttum zum PublG neigt man überwiegend dazu, den Unternehmensbegriff des PublG in Anlehnung an die §§ 15 ff. AktG zu interpretieren. 21 Maßgeblich soll hiernach die zweckbezogene Interpretation sein. 22 In der Konse18
Oben A.III. (S. 224). Bekräftigt wird dies durch den Hinweis in der Gesetzesbegründung, wonach die Nichtnennung bestimmter Rechtsformen in § 3 Abs. 1 PublG keine Bedeutung für die Verpfl ichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach den Vorschriften des 2. Absatzes hat (BT-Drucks. 5/3197 S. 17). 20 Das nunmehr § 11 Abs. 1 PublG zugrunde liegende Konzept der »möglichen Beherrschung« wurde 2009 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) eingeführt und löste das bisherige Konzept der »einheitlichen Leitung« ab. Die Änderung dient der Anpassung an § 290 Abs. 1 HGB, der seinerseits an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IAS 27 und SIC 12 angepasst wurde (BT-Drucks. 16/12407, S. 89, 96). 21 BT-Drucks. 5/3197 S. 17; ausdrücklich Ischebeck in: Handbuch der Konzernrechnungslegung, § 11 Rn. 2; Segna, DB 2003, 1311, 1315. 22 Statt vieler Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhardt/Pellens, Konzernabschlüsse, S. 89. 19
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quenz führt dies indes nicht dazu, dass das im aktienrechtlichen Schrifttum (für das übergeordnete Unternehmen) verbreitete schutzrechtliche Verständnis dominiert, wonach die Unternehmenseigenschaft eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung voraussetzt. Stattdessen greifen die Stellungnahmen zu § 11 Abs. 1 PublG überwiegend auf den im Aktienrecht nicht mehr vertretenen funktionalen und den institutionellen Unternehmensbegriff zurück. Eine gängige Definition, die beide Elemente miteinander kombiniert, qualifiziert als Unternehmen, wer als selbstständiger Träger unternehmerischer Planungs- und Entscheidungsgewalt eigenständige erwerbswirtschaftliche Ziele im Rahmen einer nach außen gerichteten Organisation verfolgt. 23 Eine eigene erwerbswirtschaftliche Betätigung soll allerdings nicht erforderlich sein. Als ausreichend wird erachtet, dass der infrage stehende Rechtsträger die einheitliche Leitung24 über wenigstens zwei Unternehmen ausübt, die ihrerseits Kaufmannseigenschaft aufweisen.25 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich der eingetragene Verein als potentieller Adressat der Pflichten der §§ 11 ff. PublG genannt. 26 Eine Differenzierung zwischen dem Begriff des Mutterunternehmens und dem des Tochterunternehmens findet in der Diskussion um den Unternehmensbegriff des § 11 Abs. 1 PublG nicht statt. 27 Die zuvor referierten Stellungnahmen beziehen sich ersichtlich allein auf den Begriff des Mutterunternehmens. 28 Gleichwohl liegt der Aussage, wonach Mutterunternehmen auch sein könne, wer die einheitliche Leitung über wenigstens zwei Unternehmen ausübt, die ihrerseits Kaufmannseigenschaft aufweisen, offensichtlich die Vorstellung zugrunde, dass abweichend von der im aktienrechtlichen Schrifttum gängigen In-
23 Adler/Düring/Schmaltz, § 11 Rn. 7; Beck’scher Bilanzkommentar/Kozikowski/Ritter, § 290 Rn. 104 i. V. m. § 271 Rn. 11; ähnlich Ischebeck in: Handbuch der Konzernrechnungslegung, § 11 Rn. 2; Scherrer in: Bonner Handbuch Rechnungslegung, § 11 Rn. 10. Ähnlich die Definition in BT-Drucks. 16/12407, S. 89. 24 Angepasst an die durch das BilMoG vorgenommene Änderung von § 11 Abs. 1 PublG (siehe Fn. 20) wäre statt auf die einheitliche Leitung auf die Möglichkeit des herrschenden Einflusses abzustellen. 25 Scherrer in: Bonner Handbuch Rechnungslegung, § 11 Rn. 10; Biener, Wpg 1972, 85, 86 f.; Plagemann, BB 1986, 1122, 1125; Segna, DB 2003, 1311, 1315; wohl auch LG München DB 2003, 1316, 1318, das die Rechnungslegungspflicht des ADAC e.V. letztlich wohl nur deshalb nicht für gegeben hält, weil dieser lediglich die Leitung über ein kaufmännisches Unternehmen ausübt; a. A. (speziell im Hinblick auf den Idealverein) Schruff in: WP-Handbuch, Abschnitt O Rn. 9, wonach eine eigene wirtschaftliche Betätigung erforderlich sei. 26 Segna, DB 2003, 1311, 1315; Scherrer in: Bonner Handbuch Rechnungslegung, § 11 Rn. 10; Biener, Wpg 1972, 85, 86 f.; die Unternehmenseigenschaft des Vereins hingegen verneinend Schruff in: WP-Handbuch, Abschnitt O Rn. 9. 27 Ähnliches gilt für die Literatur zu § 290 HGB, vgl. Kritik von KölnerKommAktG/ Claussen/Scherrer, § 290 HGB Rn. 44. 28 Ausdrücklich den Begriff des Mutterunternehmens verwendend Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhardt/Pellens, Konzernabschlüsse, S. 90 ff.
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terpretation des untergeordneten Unternehmens29 nicht jeder Rechtsträger als Tochterunternehmen in Betracht kommt. Unterstützt wird diese Sichtweise durch die gemäß § 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG anwendbare Regelung des § 290 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 HGB, wonach als Zweckgesellschaften i. S. von § 290 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 HGB neben Unternehmen auch sonstige juristische Person des Privatrechts in Betracht kommen.30 Die Regelung macht deutlich, dass in der Vorstellung des Gesetzgebers nicht jeder Rechtsträger als Tochterunternehmen in Betracht kommt. b) Stellungnahme Ausweislich der Gesetzesbegründung besteht der Zweck des PublG darin, die Publizität von Großunternehmen, deren Auswirkungen über den »privaten Bereich seiner Eigentümer« hinausgehe und »die Interessen zahlreicher Dritter und oft auch ihre Existenz« beeinflusse, unabhängig von der jeweiligen Rechtsform herzustellen.31 Der Umstand, dass »auf die Dauer keines der Konzernunternehmen am Markt gegen den Willen der Konzernspitze auftreten kann«, mache den Konzern zu einer »wirtschaftlichen Einheit«, über die »aus ähnlichen Gründen wie über das einzelne Großunternehmen« Rechnung gelegt werden müsse.32 Auf Grundlage dieses Telos kann es auf die eigene unternehmerische Betätigung des Mutterunternehmens nicht ankommen. Maßgeblich muss allein sein, ob bei unterschiedlichen Rechtsträgern angesiedelte Wirtschaftseinheiten aufgrund ihrer gemeinsamen Abhängigkeit und der damit verbundenen Koordinationsmöglichkeit als (potentielle) wirtschaftliche Einheit zu betrachten sind. Ob der Inhaber des herrschenden Einflusses als Koordinator hierbei selbst Träger eines der Bestandteile des Großunternehmens ist, spielt keine Rolle. Denn andernfalls wäre die Entstehung von Großunternehmen möglich, die aufgrund ihrer Aufgliederung auf verschiedene Rechtsträger unter Leitung eines selbst nicht wirtschaftlich tätigen Leitungssubjekts im Verborgenen agieren. Das mit dem PublG verfolgte Ziel, Großunternehmen zu identifizieren und die mit ihnen für die Volkswirtschaft verbundenen »Klumpenrisiken« transparent zu machen, würde auf diese Weise verfehlt.33 Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelung des § 11 Abs. 2 S. 2 PublG, die zeigt, dass der Gesetzgeber eine
29
§ 3 C.I.2. (S. 69 f.). Hierzu BT-Drucks. 16/12407, S. 89, wonach Unternehmen jede Wirtschaftseinheit sein kann, die eigenständige Interessen kaufmännischer oder wirtschaftlicher Art mittels einer nach außen in Erscheinung tretenden Organisation verfolgt. 31 BT-Drucks. 5/3197, S. 13. i. V. m. S. 23 f. Zum Regelungszweck des PublG auch KölnerKommAktG/Claussen/Scherrer, Vorb. § 290 HGB Rn. 22. 32 BT-Drucks. 5/3197, S. 21. 33 Ähnlich Beck’scher Bilanzkommentar/Kozikowski/Ritter, § 290 HGB Rn. 107. 30
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Konzernrechnungslegungspflicht von Rechtsträgern für möglich gehalten hat, die selbst nicht zur Stellung eines Einzelabschlusses verpflichtet sind.34 Es bleibt zu klären, wann eine »Wirtschaftseinheit« vorliegt, die tauglicher Gegenstand der Koordination ist, und die, sofern sie bei einem vom Mutterunternehmen verschiedenen Rechtsträger angesiedelt ist, diesen zum Tochterunternehmen macht. Mit Blick auf den Schutzzweck des PublG liegt insoweit die Anknüpfung an den handelsrechtlichen Unternehmensbegriff nahe.35 Das diesen prägende Kriterium des Marktbezugs (anbietende und entgeltliche rechtsgeschäftliche Tätigkeit am Markt) entspricht dem der wirtschaftlichen Betätigung, welches auch für die Vereinsklassenabgrenzung maßgeblich ist, und erscheint insoweit sachgerecht, als die wirtschaftliche Betätigung im Vergleich zur nichtwirtschaftlichen Betätigung signifikant höhere Risiken birgt.36 Entsprechend größer ist auch das im PublG vom Gesetzgeber adressierte Bedürfnis, umfangreiche wirtschaftliche Betätigungen mit Blick auf deren mögliche Auswirkung auf die Volkswirtschaft frühzeitig zu erkennen. Mit welcher Zielsetzung die wirtschaftliche Betätigung erfolgt, ist unerheblich. Auch die gemeinnützige Zielsetzung ändert nichts an den mit der wirtschaftlichen Betätigung einhergehenden Risiken.37 Aus dem Gesagten folgt, dass als Mutterunternehmen im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 PublG jeder Rechtsträger in Betracht kommt, der in der Lage ist, herrschenden Einfluss über mindestens zwei bei unterschiedlichen Rechtsträgern angesiedelten Unternehmen im handelsrechtlichen Sinn auszuüben. Eines dieser Unternehmen kann, muss aber nicht beim Mutterunternehmen selbst angesiedelt sein. Auch der als Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe fungierende Verein, der sich nicht selbst wirtschaftlich betätigt, kommt hiernach ohne weiteres als Mutterunternehmen im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 PublG in Betracht.
34 Die Auffassung von Adler/Düring/Schmaltz, § 11 Rn. 11 und Schruff in: WP-Handbuch, Abschnitt O Rn. 9, eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses bestehe nur bei einer Verpflichtung zur Aufstellung eines Einzelabschlusses, ist hiermit unvereinbar. 35 Grundlegend K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 I 2 (S. 65 ff.). 36 § 5 B.II. (S. 147 ff.). 37 A. A. wohl LG München DB 2003, 1317, 1318, das die Rechnungslegungspfl icht des ADAC e.V. im Wesentlichen mit der Begründung verneint, die neben der ADAC Beteiligungs- & Wirtschaftsdienst GmbH als Tochterunternehmen in Betracht kommende ADAC Luftrettung GmbH sei gemeinnützig (s. Kritik bei Segna, DB 2003, 1311, 1314). Allerdings stützt sich das Gericht in diesem Zusammenhang auch auf die inzwischen aufgehobene Regelung des § 295 HGB (i. V. m. § 13 Abs. 2 PublG). Zur Entbehrlichkeit der Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des handelsrechtlichen Unternehmensbegriffs K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 I 2 (S. 67) i. V. m. § 9 IV. 2. d (S. 288 ff.).
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2. Herrschender Einfluss Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des herrschenden Einflusses ist in erster Linie auf die gemäß § 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG anwendbare Regelung des § 290 Abs. 2 HGB abzustellen, die bestimmte Tatbestände aufzählt, bei denen stets herrschender Einfluss anzunehmen ist. Mit Ausnahme des Zweckgesellschaften betreffenden § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB entsprechen die diesbezüglichen Vorgaben denen, die im Aktienrecht zu § 17 Abs. 1 AktG entwickelt wurden. Insbesondere lässt auch der aktienrechtliche Abhängigkeitstatbestand die Möglichkeit des herrschenden Einflusses genügen und setzt nicht dessen tatsächliche Ausübung voraus.38 3. Größenkriterien Die Pflicht zur Konzernrechnungslegung setzt schließlich voraus, dass für drei aufeinander folgende Konzernabschlussstichtage jeweils mindestens zwei der drei in § 11 Abs. 1 PublG genannten Größenkriterien überschritten werden. Diese sind – vereinfacht – (i) eine Bilanzsumme der Konzernbilanz von 65 Mio. Euro, (ii) Umsatzerlöse der Konzernunternehmen von 130 Mio. Euro sowie (iii) die Beschäftigung von durchschnittlich fünftausend Arbeitnehmern durch die Konzernunternehmen. Für die Feststellung der Größenkriterien ist der so genannte Konzernabschlussstichtag maßgeblich. Sofern der Verein mangels Kaufmannseigenschaft nicht selbst zur Aufstellung eines Jahresabschlusses auf Grundlage der §§ 238 ff. HGB verpflichtet ist, ist hierbei gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 PublG auf den Abschlussstichtag des größten Konzernunternehmens mit Sitz im Inland abzustellen.39 Bei den für die Bemessung maßgeblichen Konzernunternehmen handelt es sich um diejenigen Unternehmen, die auch im Konzernabschluss zu konsolidieren wären. Unabhängig von seiner eigenen wirtschaftlichen Betätigung ist hierbei stets auch der eingetragene Verein als Mutterunternehmen einzubeziehen (§ 13 Abs. 2 PublG i. V. m. § 294 Abs. 1 HGB). 4. Rechtsfolgen im Einzelnen Mit der Verpflichtung des Vereins zur Konzernrechnungslegung korrespondieren persönliche Handlungspflichten der einzelnen Vorstandsmitglieder (§ 13 Abs. 1 PublG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 PublG). Diese müssen zudem zuvor gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 PublG die Pflicht zur Konzernrechnungslegung zum Bundesanzeiger anmelden. Für die Bestimmung des Konsolidierungskreises, den Inhalt 38 Für den Abhängigkeitsbegriff der §§ 290 Abs. 1 HGB, 11 Abs. 1 PublG ausdrücklich BT-Drucks. 16/12407, S. 89, 96. 39 Zu den Einzelheiten der Ermittlung der Größenkriterien Adler/Düring/Schmaltz, § 11 Rn. 18 ff.
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und die Form des Konzernabschlusses sowie die Bewertung sind aufgrund der Verweisung in § 13 Abs. 2 S. 1 PublG die Regelungen der §§ 294–314 HGB anzuwenden. Bestandteile des Konzernabschlusses sind demnach die Konzernbilanz, die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Konzernanhang (§ 297 Abs. 1 HGB). Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 PublG ist der Konzernabschluss einschließlich des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Sofern der Verein über einen freiwilligen Aufsichtsrat verfügt, ist diesem der Prüfbericht der Abschlussprüfer gemäß § 14 Abs. 3 PublG zur Kenntnisnahme vorzulegen. Schließlich ist gemäß § 15 Abs. 1 PublG i.V. mit § 325 Abs. 1, 3 HGB der Konzernabschluss zusammen mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung und dem Konzernlagebericht von den Vorstandsmitgliedern beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers elektronisch einzureichen.
C. Zusammenfassung Die verbundunabhängigen Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten des Vereins sind gering. Am bedeutsamsten ist die Buch- und Rechnungslegungspflicht der §§ 238 ff. HGB, die jedoch die Kaufmannseigenschaft des Vereins und somit dessen eigene gewerbliche Betätigung voraussetzt. Beschränkt sich der Verein auf eine bloße Holdingfunktion, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Umfangreiche Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten treffen den als Obergesellschaft fungierenden Verein jedoch regelmäßig aufgrund der §§ 11 ff. PublG. Eine eigene wirtschaftliche Betätigung ist hierfür nicht erforderlich. Es genügt, dass der Verein mindestens zwei Gesellschaften beherrscht, die als Unternehmen im handelsrechtlichen Sinn (anbietende und entgeltliche rechtsgeschäftliche Tätigkeit am Markt) zu qualifizieren sind, und die quantitativen Kriterien des § 11 Abs. 1 PublG erfüllt sind. Der Verein ist sodann verpflichtet, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen (§ 13 PublG), diese prüfen zu lassen (§ 14 PublG) und zusammen mit dem Vermerk des Abschlussprüfers zu publizieren (§ 15 PublG).
§ 9 Gruppenspezifische Informationsrechte der Mitglieder Für die Interessenwahrung der Mitglieder des als Obergesellschaft fungierenden Vereins sind deren gruppenspezifischen Informationsrechte von Bedeutung. Das betrifft zum einen die Informationsrechte im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen, d. h. Maßnahmen der Gruppenbildung, -umbildung und -leitung, die Grundvoraussetzungen dafür sind, dass die Mitglieder ihre diesbezüglichen Mitwirkungsrechte sachgerecht ausüben können. Jenseits der Vornahme solcher Maßnahmen stellt sich im Rahmen der bestehenden Rechtsträgergruppe die Frage, inwieweit die Vereinsmitglieder einen Anspruch darauf haben, über die Entwicklung der Beteiligungen des Vereins informiert zu werden. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, welche Informationsansprüche Vereinsmitgliedern im Allgemeinen zustehen (A.), um anschließend deren gruppenspezifische Reichweite auszuloten (B.).
A. Informationsansprüche und -pflichten im Verein Zur Kategorisierung von Informationsansprüchen und -pflichten hat sich die Unterscheidung zwischen kollektiven und individuellen Informationsrechten durchgesetzt.1 Kollektive Informationsrechte sind hiernach Teil der inneren Organisationsverfassung und betreffen den Informationsaustausch zwischen den Organen. Bei der mit den kollektiven Informationsrechten korrespondierenden Informationspflicht handelt es sich um das Korrelat der Organverantwortlichkeit. Demgegenüber sind die individuellen Informationsrechte unmittelbar Ausfluss der Mitgliedschaft. Anders als die kollektiven Informationsrechte stehen sie dem einzelnen Mitglied selbst zu.
I. Kollektiver Informationsanspruch der Mitgliederversammlung aus §§ 27 Abs. 3, 666 BGB Grundlage eines kollektiven Informationsanspruchs der Mitgliederversammlung ist die Regelung des § 666 BGB, die gemäß § 27 Abs. 3 BGB auf die Ge1 Grundlegend K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 15 ff. Diese Differenzierung vernachlässigend BGHZ 152, 339, 344 ff. (Deutsche Billardunion).
§ 9 Gruppenspezifi sche Informationsrechte der Mitglieder
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schäftsführung des Vorstandes Anwendung findet und bestimmt, dass der Beauftragte verpflichtet ist, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand der Geschäfte Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Beauftragter und somit Schuldner der Informationspflicht ist der Vorstand als Kollegialorgan.2 Gläubiger des Informationsanspruchs ist der Verein, der insoweit jedoch von der Mitgliederversammlung vertreten wird.3 Letzteres folgt ohne weiteres aus dem systematischen Zusammenhang von § 27 Abs. 1 und 2 BGB, wonach es sich bei der Empfangszuständigkeit hinsichtlich der Informationen um eine Annexkompetenz zur Bestellung handelt. 4 Die genauere Betrachtung zeigt, dass § 666 BGB drei unterschiedliche Informationspflichten enthält. Die größte praktische Bedeutung hat die in der 1. Alternative geregelte Berichtspflicht, welche den Vorstand verpflichtet, der Mitgliederversammlung unaufgefordert die »erforderlichen Nachrichten« zu geben. Demgegenüber wird die in der 2. Alternative geregelte Auskunftspflicht erst durch entsprechendes Verlangen der Mitgliederversammlung aktiviert. Im vereinsrechtlichen Zusammenhang ist die Vorschrift letztlich rein deklaratorischer Natur, da ein entsprechendes Auskunftsverlangen auch auf das allgemeine Weisungsrecht der Mitgliederversammlung gestützt werden kann. Die in der 3. Alternative geregelte Rechenschaftspfl icht entspricht im Wesentlichen der Berichtspflicht, ergänzt diese jedoch um die im vorangegangenen Kapitel erörterte Pflicht zur Rechnungslegung.5
II. Individuelle Informationsansprüche der Vereinsmitglieder 1. Allgemeiner Informationsanspruch Ein allgemeines individuelles Informationsrecht der Vereinsmitglieder hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Seine Existenz ist gleichwohl unstreitig. Richtigerweise wird man es unmittelbar aus der Mitgliedschaft ableiten können. 6 Denn ein individuelles Informationsrecht ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Mitglieder ihre mitgliedschaftlichen Rechte und Interessen 2
Zur vergleichbaren Berichtspflicht aus § 90 AktG Hüffer, AktG, § 90 Rn. 1. Grunewald, ZIP 1989, 963, 963; Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 366; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 203. Wenn BGHZ 152, 339, 344 f. von einem Informationsanspruch der Mitglieder (Landesverbände) spricht, dürfte dies nicht im Sinne eines individuellen Informationsanspruchs gemeint sein. 4 Kaum überzeugend daher die Annahme von Michalski/Arends, NZG 1999, 780, aus den §§ 27 Abs. 3, 666 BGB ließe sich auch ein Informationsanspruch der einzelnen Mitglieder ableiten. 5 § 8 A.I. (S. 222 f.). 6 Grundlegend K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 21 ff.; im Ergebnis auch BGHZ 152, 339, 345 und LG Stuttgart NJW-RR 2001, 1478, die beide allerdings auf §§ 27 Abs. 3, 666 BGB abstellen. 3
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wahrnehmen können.7 Zutreffend wird das Informationsrecht daher auch als mitgliedschaftliches Grundrecht bezeichnet. 8 Was die aus dem Informationsrecht im Einzelnen abzuleitenden Informationsansprüche anbetrifft,9 orientiert sich die h. M. zu Recht an § 131 Abs. 1 S. 1 AktG und geht hiernach im Grundsatz davon aus, dass diese auf das Informationsverlangen in der Mitgliederversammlung beschränkt sind.10 Denn beim Verein handelt es sich tendenziell in gleicher Weise wie bei der Aktiengesellschaft um eine Organisationsform, die für eine große Anzahl von Mitgliedern konzipiert ist. Die Beschränkung auf Auskunftsverlangen in der Mitgliederversammlung trägt insoweit dem Umstand Rechnung, dass weitergehende Informationsansprüche die Verwaltung unverhältnismäßig belasten würden.11 Dies ist auch insoweit sachgerecht, als maßgebliches Mitwirkungsrecht der Mitglieder deren Stimmrecht ist und für dessen Effektuierung die Informationserlangung in der Mitgliederversammlung genügt. Allerdings wird man im Unterschied zur Aktiengesellschaft einen exeptionellen Informationsanspruch außerhalb der Mitgliederversammlung nicht kategorisch ausschließen können. Denn einen Teil ihrer Berechtigung erfährt die Beschränkung des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG daraus, dass die Aktiengesellschaft anders als der Verein über einen obligatorischen Aufsichtsrat verfügt.12 Sofern dieser Unterschied nicht im Einzelfall durch die Einsetzung eines freiwilligen Aufsichtsorgans nivelliert wird, ist den Vereinsmitgliedern bei Vorliegen eines berechtigten Interesses (welches insbesondere im Hinblick auf das Einberufungsrecht des § 37 BGB bestehen kann) ein Informationsanspruch auch außerhalb der Mitgliederversammlung zuzugestehen.13 2. Bekanntmachungspfl icht gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB Wenn die Gültigkeit von Beschlüssen der Mitgliederversammlung gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB voraussetzt, dass dessen Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet wurde, folgt hieraus der Sache nach ein entsprechender individueller 7 Vgl. K. Schmidt, FS Kellermann, S. 389, 395; ders., Gesellschaftsrecht, § 21.III.1.a. (S. 624 f.). 8 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7.II.2.a.aa (S. 374). 9 Zur Differenzierung K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 39; ders., FS Kellermann, S. 389, 392 f. 10 KG NZG 1999, 779; MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 37; Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 375; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 57; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, S. 89. Zu den Grenzen des individuellen Informationsanspruchs Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 381 ff. 11 Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1476. 12 Hierauf zu Recht hinweisend Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 265 ff. 13 Ähnlich Soergel/Hadding, § 38 Rn. 17; MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 37; Sauter/ Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 336; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 269 f.; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1476; Michalski/Arends, NZG 1999, 780 (beschränkt auf kleine Vereine); wohl auch Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 281 (»diskutabel«).
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Informationsanspruch der Mitglieder.14 Wie sogleich noch darzulegen sein wird, geht dieser unter Umständen über die bloße Benennung des jeweiligen Beschlussgegenstandes hinaus und erfasst auch diesen betreffende Hintergrundinformationen.15
B. Gruppenspezifische Reichweite Bezüglich der gruppenspezifischen Reichweite der Informationsrechte ist zu unterscheiden zwischen Informationspflichten ohne Zusammenhang zu gruppenspezifischen Maßnahmen des Vereins (I.) und solchen mit Zusammenhang zu gruppenspezifischen Maßnahmen des Vereins (II.). Letztere stehen im Zusammenhang mit den in § 4 erörterten Vorlagepflichten des Vereinsvorstandes im Vorfeld der Vornahme entsprechender Maßnahmen.
I. Informationspflichten ohne Zusammenhang zu gruppenspezifischen Maßnahmen 1. Gruppenspezifische Reichweite des Anspruchs aus §§ 27 Abs. 3, 666 BGB Die Frage der gruppenspezifischen Reichweite der kollektiven Informationsrechte stellt sich primär im Hinblick auf die Berichtspflicht aus § 666 Alt. 1 BGB. Angesichts deren Zwecks, der Mitgliederversammlung eine sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen,16 kann kein Zweifel daran bestehen, dass der vom Vereinsvorstand zu erstattende Geschäftsbericht auch Informationen hinsichtlich der Lage der Beteiligungsgesellschaften des Vereins umfassen muss.17 Denn bei der Beteiligungsverwaltung handelt es sich um eine Tätigkeit, die in den Zuständigkeitsbereich des Vorstandes fällt, und deren ordnungsgemäße Ausübung von der Mitgliederversammlung nicht ohne Kenntnis der Lage der Beteiligungsgesellschaften beurteilt werden kann. Sofern im Schrifttum darauf hingewiesen wird, die Berichtspflicht erfasse nicht lediglich Vorgänge, die auf die Lage des Vereins von erheblichem Einfluss sind, sondern umschließe die Lage in der Beteiligungsgesellschaft »in ihrer Gesamtheit«,18 ist dem prinzipiell zuzustimmen. Doch ändert dies nichts daran, 14
Genau genommen handelt es sich nur um eine Obliegenheit des Vereins. Unten B.II.1.a. (S. 238 ff.). 16 Vgl. MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 666 Rn. 2. 17 BGHZ 152, 339, 344 f.; Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 368 f.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 205; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1467. Vgl. auch die ausdrückliche Anordnung des konzerndimensionalen Bezugs der Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat in § 90 Abs. 1 S. 2 AktG. 18 Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 369; ähnlich Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 205. 15
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
dass beteiligungsspezifische Informationen in gleicher Weise wie nicht beteiligungsspezifische Informationen einer Selektion bedürfen. Speziell im Hinblick auf wirtschaftlich tätige Beteiligungsgesellschaften bietet sich in diesem Zusammenhang eine Orientierung an der die aktienrechtliche Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat betreffender Konkretisierung des § 90 Abs. 1 S. 1 AktG an. Der Vorstand hat hiernach insbesondere über die beabsichtigte Geschäftspolitik, die Rentabilität der Gesellschaft, den Gang der Geschäfte und die Lage der Gesellschaft sowie Geschäfte von besonderer Bedeutung zu informieren. Welches Gewicht einzelnen Beteiligungsgesellschaften im Rahmen des Geschäftsberichts zuzumessen ist, richtet sich nach deren wirtschaftlichen und gegebenenfalls auch ideellen Bedeutung für den Verein. Insoweit spielt selbstverständlich auch die Beteiligungshöhe eine Rolle. Handelt es sich um eine 100%-ige Beteiligung, sind prinzipiell keine Gründe ersichtlich, weshalb die Informationsrechte bezüglich der externen Betätigung hinter denjenigen Informationsrechten zurückbleiben sollten, die ohne eine entsprechende Externalisierung bestünden. Insbesondere ist der Vorstand zur Erfüllung des Informationsanspruchs verpflichtet, sich die erforderlichen Informationen im Rahmen seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten bei der Beteiligungsgesellschaft zu beschaffen.19 Hinsichtlich der 2. und 3. Alternative des § 666 BGB genügen einige kurze Anmerkungen. Die Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts stellt sich letztlich nicht, da die Mitgliederversammlung aufgrund ihres Weisungsrechts ohnehin nach Belieben bestimmen kann, welche Auskünfte der Vorstand zu erteilen hat. Eine Wesentlichkeits- oder Zumutbarkeitsschwelle besteht insoweit nicht. 20 Hinsichtlich der Beteiligungsgesellschaften betreffenden Informationen ist das Auskunftsrecht einzig durch die rechtlichen Möglichkeiten der Informationserlangung beschränkt. Mit Blick auf die Rechenschaftspflicht aus § 666 Alt. 3 BGB wurde bereits ausgeführt, dass diese nicht mehr als eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben verlangt. 21 Eine Pflicht zu einer auch die Beteiligungs- bzw. Tochtergesellschaften umfassenden Rechnungslegung lässt sich hierauf nicht stützen. Da nach hiesiger Auffassung regelmäßig die Voraussetzungen einer Konzernrechnungslegungspfl icht aus § 11 Abs. 1 PublG vorliegen, fällt dies jedoch nicht wesentlich ins Gewicht. 22
19 Haas/Scholl, FS Hadding, S. 365, 380 Fn. 95. Zur vergleichbaren Regelungen des § 90 AktG Hüffer, AktG, § 90 Rn. 7a. 20 MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 40. 21 § 8 B.I. (S. 225). 22 § 8 B.II. (S. 226 ff.).
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2. Gruppenspezifische Reichweite des Anspruchs analog § 131 Abs. 1 AktG Die Konkretisierung des individuellen Auskunftsanspruchs anhand der Regelung des § 131 Abs. 1 AktG hat den Vorteil, dass auch auf die diesbezüglichen Erkenntnisse zur gruppenspezifischen Reichweite des Auskunftsanspruchs Bezug genommen werden kann. 23 Anerkannt ist insoweit zunächst einmal, dass es sich bei den rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Obergesellschaft zu den Beteiligungsgesellschaften um eigene Angelegenheiten der Obergesellschaft handelt, welche hiernach ohne weiteres Gegenstand des Auskunftsanspruchs sein können. Die Regelung des § 131 Abs. 1 S. 2 AktG hat daher lediglich deklaratorischen Charakter. 24 Auch die Beziehungen zu den Beteiligungsgesellschaften stehen indes unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Von den Beziehungen zu Beteiligungsgesellschaften ist deren Lage zu unterscheiden, bei der es sich ausweislich der Regierungsbegründung zu § 131 AktG nicht automatisch um vom Auskunftsanspruch erfasste eigene Angelegenheiten der (Ober-)Gesellschaft handelt. 25 Die Qualifikation einer Angelegenheit der Beteiligungsgesellschaft als Angelegenheit der Obergesellschaft setzt vielmehr voraus, dass eine Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. 26 Im Ergebnis dürfte dieser Einschränkung indes neben der den gesamten Auskunftsanspruch aus § 131 AktG betreffenden Einschränkung, dass die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des jeweiligen Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein muss, kein eigenes Gewicht zukommen. 27 Ob hiernach Informationen bezüglich der Lage einer Beteiligungsgesellschaft bzw. diese betreffende Einzelvorfälle für die Würdigung der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstandes im Rahmen der Entscheidung über dessen Entlastung erforderlich sind, richtet sich wiederum danach, welche wirtschaftliche und gegebenenfalls auch ideelle Bedeutung die jeweilige Beteiligungsgesellschaft für den Verein hat. Auch insoweit spielt die Beteiligungshöhe eine Rolle. Entgegen einer verbreiteten Auffassung im aktienrechtlichen Schrifttum 28 dürfte der Intensität der Unternehmensverbindung keine entscheidende Bedeutung zukommen. Zwar erhöht die im Vertragskonzern geltende Verlustausgleichspflicht tendenziell die Empfindlichkeit der Obergesellschaft für Ver23
Ausführlich zur Aktiengesellschaft Spitze/Diekmann, ZHR 158 (1994), 447 ff. Statt vieler MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rn. 62. 25 Kropff, Regierungsbegründung, S. 185. 26 Kropff, Regierungsbegründung, S. 185 f. 27 Ähnlich Kort, ZGR 1987, 46, 62. Anders die h. M. (statt vieler MünchKommAktG/ Spindler, § 131 Rn. 37 Fn. 177), die die Verschiedenheit der beiden Kriterien betont, ohne allerdings zu benennen, in welchen Konstellationen sie sich auswirken mag. 28 Siehe nur Großkomm/AktG/Decher, § 131 Rn. 121; MünchKommAktG/Kubis, 131 Rn. 66 jeweils m. w. N. 24
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luste in Beteiligungsgesellschaften. Doch auch im Rahmen einer bloß faktischen Verbindung ändert die Haftungssegmentierung nichts daran, dass sich Verluste der Beteiligungsgesellschaften negativ auf den Beteiligungswert auswirken und daher für die Mitglieder der Obergesellschaft von Interesse sind. 29 Ist der Vorstand gemäß § 11 Abs. 1 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, wird man § 131 Abs. 1 S. 4 AktG analog anwenden können, welcher die Auskunftspflicht explizit auf den Konzernabschluss sowie die Lage der konsolidierten Unternehmen erstreckt.30
II. Informationspflichten im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen Hinsichtlich der Informationspflichten im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen ist zu differenzieren, ob entsprechend den in § 4 entwickelten Grundsätzen eine Vorlagepflicht besteht. Ist dies der Fall, kommen Informationspflichten sowohl im Vorfeld der Mitgliederversammlung, in der die Vorlage erfolgt, als auch in der Mitgliederversammlung selbst in Betracht (1.). Besteht keine Vorlagepflicht, beschränkt sich die Frage der Informationspflichten darauf, ob solche im Zusammenhang mit der sich anschließenden (ordentlichen) Mitgliederversammlung bestehen (2.). 1. Bestehen einer Vorlagepflicht a) Im Vorfeld der Mitgliederversammlung Eine sachgerechte Entscheidung der Mitgliederversammlung setzt voraus, dass die einzelnen Mitglieder in ausreichendem Umfang über den Gegenstand der ihnen zur Abstimmung vorgelegten Maßnahme informiert sind. Unproblematisch ist dies, wenn es um eine Ausgliederung auf Grundlage des UmwG oder den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags geht, da in beiden Fällen formalisierte Berichts- und Auslegungspflichten bestehen. Im Fall der Ausgliederung nach dem UmwG folgen diese aus den §§ 125, 127, 101 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 2–4, Abs. 2 und 3 UmwG, im Fall der benannten Unternehmensverträge aus der analogen Anwendung der §§ 293a ff. AktG.31 29 Demgegenüber meint Großkomm/AktG/Decher, § 131 Rn. 121, dass bei bloß faktischer Verbindung auch größere Einzelverluste nicht ohne weiteres zu Angelegenheiten der Obergesellschaft würden. 30 Im Ergebnis auch Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 259 f. (in Bezug auf die Vorgängerregelung des § 337 Abs. 4 AktG a. F.), der allerdings nicht an die Pflicht zur Konzernrechnungslegung knüpft. A. A. Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 156, die meint, dasselbe Ergebnis im Wege der teleologischen Auslegung der §§ 27 Abs. 3, 666 BGB erzielen zu können. 31 Konkret für den Verein (allerdings ohne Differenzierung zwischen dessen Rolle als Ober- bzw. Untergesellschaft) Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-
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Da außerhalb des Anwendungsbereichs dieser spezialgesetzlichen Regelungen die Information der Mitglieder nicht in gleicher Weise sichergestellt ist, wird für die Aktiengesellschaft diskutiert, inwieweit sich entsprechende Informationspflichten aus dem Regelungsplan des AktG und des UmwG ableiten lassen. Im Wesentlichen anerkannt dürfte hierbei sein, dass in Fällen ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten stets eine erweiterte Bekanntmachungspflicht analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG besteht, wonach der Vorstand bei der Einberufung der Hauptversammlung den wesentlichen Inhalt der beabsichtigten Maßnahme bekannt zu machen hat.32 Intensiv diskutiert wird darüber hinaus, ob auch eine Pflicht besteht, im Vorfeld der Abstimmung analog den §§ 186 Abs. 4 S. 2, 293a AktG, 8, 127, 192 UmwG einen schriftlichen Bericht zu erstellen und analog den §§ 293 f. Abs. 1 AktG, 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 UmwG relevante Dokumente wie insbesondere Vertragsentwürfe auszulegen.33 Die Übertragbarkeit der diesbezüglichen Überlegungen auf den Verein wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Mitgliederversammlung über ein Weisungsrecht verfügt und hiernach grundsätzlich in der Lage ist, den Vorstand zur Bereitstellung beliebig detaillierter Informationen zu verpflichten. Denn wenn überhaupt, wäre auf diese Weise das kollektive Informationsbedürfnis der Mitgliederversammlung als Organ, nicht aber das der einzelnen Mitglieder sichergestellt. Da die Vereinsmitglieder auch nicht wie die Gesellschafter der GmbH (§ 51a GmbHG) über ein umfangreiches individuelles Informationsrecht verfügen, lässt sich ein der Situation bei der Aktiengesellschaft vergleichbares Bedürfnis nach beschlussvorbereitenden Informationspflichten im Ausgangspunkt nicht leugnen.34 Eine Übertragung der für das Aktienrecht in Anlehnung an das UmwG hergeleiteten Grundsätze auf sämtliche Fälle, in denen den Vorstand eine Vorlagepflicht trifft, kommt gleichwohl nicht in Betracht. Denn auch wenn das UmwG selbst keine Schwellenwerte vorsieht, ist angesichts seiner komplizierten und aufwendigen Verfahren anerkannt, dass der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte normtypische Umwandlungsvorgang sich quantitativ im Bereich der durch die Holzmüller-Doktrin vorgegebenen Größenordnung bewegt.35 Sofern man daher den umwandlungsrechtlichen Vorschriften einheitliche Standards für den Konzernrecht, § 293a Rn. 14. Die Analogie zu den §§ 293a ff. AktG ist die logische Konsequenz der analogen Anwendung des § 293 Abs. 2 AktG und wird von der ganz h. M. auch für die GmbH anerkannt (u. a. Hüffer, AktG, § 293a Rn. 5). 32 MünchKommAktG/Spindler, § 119 Rn. 42 m. w. N. 33 Grundlegend Tröger, ZIP 2001, 2029 ff. 34 Für die GmbH wird das Bedürfnis nach spezifischen beschlussvorbereitenden Informationspflichten unter Hinweis auf § 51a GmbHG überwiegend in Frage gestellt (Michalski/ Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 217; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 1039). 35 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2032; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 1 b (S. 360); Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806.
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
beschlussbegleitenden Minderheitenschutz bei Strukturmaßnahmen entnehmen will, kommt deren Anwendung auf den Verein nur in Betracht, wenn wie im Holzmüller-Fall 80% oder mehr des Vereinsvermögens betroffen sind. Jenseits dieser Extremfälle erscheint es ausreichend, das Informationsbedürfnis der Vereinsmitglieder durch verständige Auslegung von § 32 Abs. 1 S. 2 BGB zu befriedigen. Zwar sieht die Vorschrift lediglich vor, dass der Gegenstand der Beschlussfassung bei der Einberufung der Mitgliederversammlung zu bezeichnen ist. Doch ist anerkannt, dass unter Berücksichtigung des Normzwecks die Beschlussgegenstände so bestimmt benannt werden müssen, dass die Mitglieder über die Notwendigkeit ihrer Teilnahme entscheiden und sich sachgerecht vorbereiten können.36 Nimmt man dieses Anliegen beim Wort, dürfte es kaum ins Gewicht fallen, dass das Vereinsrecht keine § 124 Abs. 2 S. 2 AktG vergleichbare Konkretisierung kennt. Denn die sinnvolle Entscheidung über die eine Vorlagepflicht begründende Maßnahme setzt zweifellos voraus, dass deren wesentlichen Eckpunkte mit der Tagesordnung bekannt gemacht werden. Ganz in diesem Sinn hat jüngst der BGH entschieden, dass die bloße Benennung eines Tagesordnungspunktes als »Verkauf des Clubhauses« ohne zusätzliche Informationen nicht genügt, wenn über einen konkreten Kaufvertrag abgestimmt werden soll. In diesem Fall sei vielmehr erforderlich, dass sowohl der Vertragspartner als auch der Inhalt des Vertrags »schlagwortartig« in der Einladung angegeben werden.37 Im Ergebnis ist daher der Verein im Zusammenhang mit vorlagepflichtigen gruppenspezifischen Maßnahmen aus § 32 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, wesentliche Informationen bereits der Einladung zur Mitgliederversammlung beizufügen. Im Fall der Auslagerung von Vermögen auf Beteiligungsgesellschaften sind der Umfang des betroffenen Vermögens, die Rechtsform der Beteiligungsgesellschaft, die (geplante) Beteiligungshöhe sowie die im Hinblick auf die Mediatisierung relevanten Abweichungen vom Normalstatut bekanntzumachen. Im Zusammenhang mit der Beteiligung Dritter erfasst die Bekanntmachungspflicht deren Identität sowie diejenigen Angaben, die erforderlich sind, um die Angemessenheit der Drittbeteiligung (z. B. Höhe der Gegenleistung im Fall der Beteiligungsveräußerung) beurteilen zu können. b) In der Mitgliederversammlung Im Fall der Ausgliederung auf Grundlage des UmwG sowie dem des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags folgt aus den Regelungen der §§ 102, 64 Abs. 1 S. 2 UmwG, 293g Abs. 3 S. 1 AktG (analog) eine Pflicht des Vorstandes, die jeweilige Maßnahme der Mitgliederversamm36 BGH NJW 2008, 69, 72 f.; NJW-RR 1989, 376, 378; BGHZ 64, 301, 304 f.; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 12; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 32 Rn. 15. 37 BGH NJW 2008, 69, 73; dazu auch Anmerkung von Terner, NJW 2008, 16, 18.
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lung mündlich zu erläutern. Ebenso stellen die §§ 102, 64 Abs. 2 UmwG, 293g Abs. 3 AktG (analog) klar, dass den Mitgliedern diesbezüglich ein individuelles Auskunftsrecht zusteht.38 Außerhalb des Anwendungsbereichs der Spezialregelungen lassen sich dieselben Informationspflichten aus den allgemeinen Regelungen ableiten. So impliziert das Bestehen einer Vorlagepflicht unabhängig davon, ob diese zuständigkeitsbegründet oder nicht zuständigkeitsbegründet ist, dass die intendierte Maßnahme für den Verein eine Bedeutung hat, die eine Berichtspflicht des Vorstands aus §§ 27 Abs. 3, 666 Alt. 1 BGB auslöst. Ebenso lässt sich ein individueller Auskunftsanspruch der Mitglieder ohne weiteres auf § 131 AktG analog stützen.39 2. Nichtbestehen einer Vorlagepflicht Auch wenn eine gruppenspezifische Maßnahme keine Vorlagepflicht begründet, wird der Vorstand im Rahmen seiner Berichtspflicht aus §§ 27 Abs. 3, 666 BGB regelmäßig verpflichtet sein, die Mitgliederversammlung über ihre Vornahme bei nächster Gelegenheit zu informieren. Nur in Ausnahmefällen erscheint es denkbar, dass eine gruppenspezifische Maßnahme derart unbedeutend ist, dass sie die für den Eingang in den Geschäftsbericht erforderliche Erheblichkeitsschwelle unterschreitet. Entsprechendes gilt für das individuelle Auskunftsrecht analog § 131 Abs. 1 AktG, auf dessen Grundlage die einzelnen Mitglieder regelmäßig im Zusammenhang mit der Entlastung des Vorstandes Auskunft über gruppenspezifische Maßnahmen verlangen können.
C. Zusammenfassung Grundlage des kollektiven Informationsanspruchs der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vorstand sind die §§ 27 Abs. 3, 666 BGB. Besondere Bedeutung hat insoweit die Auskunftspflicht (1. Alt.), die dem Vorstand aufgibt, der Mitgliederversammlung unaufgefordert Informationen zur Verfügung zu stellen. Hiervon erfasst sind auch Informationen bezüglich der Lage der Beteiligungsgesellschaften des Vereins. Zur Konkretisierung des diesbezüglichen Pflichtenumfangs bietet sich die Orientierung an § 90 Abs. 1 S. 1 AktG an. Welches Gewicht einzelnen Beteiligungsgesellschaften beizumessen ist, richtet sich in erster Linie danach, in welcher Höhe der Verein an ihnen beteiligt ist.
38 Zum Verhältnis der speziellen Informationsrechte zu den Auskunftsverweigerungsrechten aus § 131 Abs. 3 Hüffer, AktG, § 294 Rn. 5. 39 Vgl. MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rn. 66, wonach die spezialgesetzlichen Regelungen betreffend der Konzernbildung zeigen, dass dieser aus Sicht des Gesetzgebers besondere Bedeutung zukommt.
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Teil 2: Der Verein als Obergesellschaft
Wichtigstes individuelles Informationsrecht ist der allgemeine Informationsanspruch analog § 131 Abs. 1 S. 1 AktG, welcher neben den rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen des Vereins zu den Beteiligungsgesellschaften grundsätzlich auch deren Lage umfasst. Entscheidende Einschränkung ist der allgemeine Vorbehalt des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach die Information zur sachgerechten Beurteilung des konkreten Beschlussgegenstandes erforderlich sein muss. Im Zusammenhang mit Maßnahmen auf Grundlage des UmwG sowie dem Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen greifen die spezialgesetzlichen Berichts- und Auslegungspflichten der §§ 125, 127, 101 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 2–4, Abs. 2 und 3 UmwG bzw. der §§ 293a ff. AktG (analog) ein. Deren analoge Anwendung auf sonstige gruppenspezifische Maßnahmen kommt nur in Betracht, wenn 80% oder mehr des Vereinsvermögens betroffen sind. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Vorstand bei Bestehen einer Vorlagepflicht aber gleichwohl verpflichtet, die wesentlichen Eckpunkte der geplanten Maßnahme im Vorfeld der Mitgliederversammlung gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB bekannt zu machen. Des weiteren impliziert das Bestehen einer Vorlagepflicht, dass der Vorstand in der Mitgliederversammlung über die Maßnahme gemäß §§ 27 Abs. 3, 666 Alt. 1 BGB zu berichten hat und die einzelnen Mitglieder nach Maßgaben des § 131 AktG Auskunft verlangen können. Im Fall gruppenspezifischer Maßnahmen, die keine Vorlagepflicht begründen, ist der Vorstand in aller Regel gemäß §§ 27 Abs. 3, 666 BGB verpflichtet, hierüber auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung zu informieren.
Teil 3
Der abhängige Verein Der dritte Teil widmet sich dem abhängigen Verein. Er beginnt mit der Untersuchung, auf welche Weise und unter welchen Voraussetzungen eine Abhängigkeitsbegründung möglich ist (§ 10) und wendet sich dann den Grenzen zu, die dem Inhaber herrschenden Einflusses bei dessen Ausübung im Interesse der außenstehenden Mitglieder (§ 11) und der Gläubiger (§ 12) gesetzt sind.
§ 10 Abhängigkeitsbegründung Wegen des im Vereinsrecht geltenden Kopfstimmrechts ist eine auf der Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung beruhende Abhängigkeit nur in Ausnahmefällen möglich. Insoweit unterscheidet sich der Verein maßgeblich von den Kapitalgesellschaften, bei denen das Stimmrecht (normtypisch) an den Kapitalanteil geknüpft ist. Abhängigkeitsresistent ist der Verein deshalb aber nicht. Herrschender Einfluss über einen Verein kann insbesondere dadurch begründet werden, dass einzelnen Mitgliedern oder auch Dritten in der Satzung besondere Mitwirkungsrechte gewährt werden. In dieser Hinsicht eröffnet das Vereinsrecht aufgrund der durch § 40 BGB in erheblichem Umfang gewährleisteten Satzungsautonomie sogar besonders weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Das vorliegende Kapitel analysiert, welche Gestaltungen zur Abhängigkeitsbegründung eines Vereins im Einzelnen in Betracht kommen. Zur besseren Veranschaulichung findet die Untersuchung hierbei in drei Schritten statt: In einem ersten Schritt wird ausgelotet, welche Möglichkeiten auf Grundlage der Regeln der Rechtsgeschäftslehre zur Begründung herrschenden Einflusses in Betracht kommen (A.). Zulässigkeitsbeschränkungen, die auf ungeschriebenen Prinzipien beruhen oder statutarischen Ursprungs sind, bleiben hierbei zunächst außer Betracht und werden sodann umfassend in einem zweiten Schritt erörtert (B.). Abschließend wird dann auf die Sonderproblematik eingegangen, inwieweit ein Verein abhängige Partei eines Beherrschungsvertrags im Sinne von § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. AktG werden kann (C.).
A. Rechtsgeschäftlich-konstruktive Begründbarkeit herrschenden Einflusses über einen Verein I. Herrschender Einfluss auf Grundlage des Normalstatuts Zur Abhängigkeit des Vereins kann es auf Grundlage des im Normalstatut vorgesehenen Kopfstimmrechts1 allein dadurch kommen, dass ein Mitglied oder ein Dritter Zugriff auf die Stimmrechte von (anderen) Mitgliedern erhält, welche ihm eine zumindest faktische Mehrheit in der Mitgliederversammlung si1
BGH NJW 1989, 2121: »[E]in Mitglied eine Stimme«.
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chern. Denkbar ist ein Zugriff auf fremde Stimmrechte zunächst in der Konstellation, dass es sich bei den Mitgliedern des Vereins mehrheitlich um Korporationen handelt, welche ihrerseits unter dem herrschenden Einfluss eines Rechtsträgers stehen, der auf diese Weise die Geschicke des Vereins zu beeinflussen vermag. Daneben ist der Zugriff auf fremde Stimmrechte vor allem aufgrund von Stimmbindungsverträgen möglich, kraft derer sich der Stimmrechtsinhaber verpflichtet, in der Mitgliederversammlung sein Stimmrecht in einer bestimmten Weise oder nach Weisung des Vertragspartners auszuüben. Die prinzipielle Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen ist auch für den Verein anerkannt.2 Ebenso ist anerkannt, dass der nur schuldrechtliche Charakter von Stimmbindungsverträgen der für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses erforderlichen Verlässlichkeit des herrschenden Einflusses nicht entgegensteht.3 Dass die Erlangung der Stimmenmehrheit herrschenden Einfluss begründet, beruht auf zweierlei Erwägungen. Zum einen setzt sie ihren Inhaber in die Lage, durch entsprechende Abstimmung in der Mitgliederversammlung an den Vorstand gerichtete Weisungsbeschlüsse herbeizuführen. Zum andern vermittelt die Stimmenmehrheit ihrem Inhaber wegen des der Mitgliederversammlung zustehenden Bestellungsrechts hinsichtlich der Mitglieder des Vorstandes die faktische Personalentscheidungsgewalt, welche er dazu ausnutzen kann, auch außerhalb der Mitgliederversammlung auf den Vorstand einzuwirken. Erfahrungsgemäß werden sich Vorstandsmitglieder aus Sorge um den Verlust ihrer Organstellung den Wünschen des Inhabers der Personalentscheidungsgewalt nicht verschließen und daher einflusskonform verhalten.4
II. Herrschender Einfluss aufgrund statutarischer Mitwirkungsrechte Aufgrund der gemäß § 40 BGB gewährleisteten Satzungsautonomie kann in vielfacher Hinsicht vom Normalstatut der §§ 21 ff. BGB abgewichen werden. Grundsätzlich denkbar ist daher auch, dass einzelnen Mitgliedern oder sogar Dritten statutarische Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, die einen herr-
2 Soergel/Hadding, § 32 Rn. 23; MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 36; Weick in: Staudinger, § 32 Rn. 21; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 201. 3 Statt vieler MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 37 m. w. N. Zur Vollstreckbarkeit von Stimmbindungsverträgen BGHZ 48, 163, 169 ff. (für die GmbH); speziell zum Verein Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1594 f. Nicht ausreichend ist demgegenüber, wenn der Zugriff auf fremde Stimmrechte seine Grundlage in frei widerrufl ichen Stimmrechtsvollmachten fi ndet (Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 17 Rn. 17; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 10). Inwieweit im Vereinsrecht unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten zulässig sind, ist streitig (vgl. MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 35). 4 Siehe nur MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 26 f.
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schenden Einfluss verschaffen.5 Im Folgenden wird untersucht, inwieweit es auf diese Weise möglich ist, herrschenden Einfluss über einen Verein zu erlangen. Neben der prinzipiellen Begründbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte, welche insbesondere bei deren Gewährung an Dritte Zweifeln ausgesetzt ist (2.), gilt es zu klären, welche Mitwirkungsrechte hinreichend intensiv für die Begründung herrschenden Einflusses sind (3.) und unter welchen Voraussetzungen dieser Einfluss die zur Annahme einer Abhängigkeitslage erforderliche Beständigkeit aufweist (4.). Vorher sind jedoch zwei der Kategorisierung von Mitwirkungsrechten dienende Differenzierungskriterien zu entwickeln, auf die sodann im Rahmen der anschließenden Überlegungen Bezug genommen werden kann (1.). 1. Vorüberlegung: Kategorisierung von Mitwirkungsrechten In der Diskussion um die Begründbarkeit bzw. Zulässigkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter findet sich die Unterscheidung danach, ob das Recht dem Berechtigten »ad personam« oder aufgrund seiner Rechtsstellung als Organmitglied zugewiesen ist. 6 Auf den ersten Blick mag man meinen, dass es sich hierbei weitestgehend um eine terminologische Frage handelt, deren Beantwortung davon abhängt, welchen Organbegriff man zugrunde legt. Befördert wird dieser Eindruck durch die verbreitete Annahme, die Gewährung statutarischer Rechte an einen Dritten mache diesen stets zum Verbandsorgan.7 Tatsächlich verbergen sich hinter der Differenzierung aber zwei wichtige Sachfragen bzw. Differenzierungen. Im Einzelnen: a) Entziehbarkeit vs. Unentziehbarkeit Die erste Differenzierung betrifft die Frage, unter welchen Umständen das Mitwirkungsrecht wieder entzogen werden kann. Als entziehbar wird man ein Mitwirkungsrecht bezeichnen können, das unter Satzungsänderungsvorbehalt steht und somit auch ohne Zustimmung seines Inhabers mit satzungsändernder Mehrheit aufgehoben werden kann. 8 Als unentziehbar sollen demgegenüber Mitwirkungsrechte definiert werden, die nur mit Zustimmung ihres Inhabers 5
Rechtstatsächliche Nachweise bei Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 142. Zur diesbezüglichen Diskussion Segna, NZG 2002, 1048S. 144 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 70 ff. 7 Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 20; Flume, BGB AT I/2, S. 191; Beuthien/ Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 467 ff.; kritisch gegenüber einer solchen Fiktion Ulmer, FS Werner, S. 911, 923; Schürnbrand, Organschaft, S. 159 f.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 145 f.; MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 18; Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, S. 474 hat in diesem Zusammenhang den Begriff des »Kreationsorgans« entwickelt. 8 Erst Recht gilt dies, wenn man davon ausgeht, dass Dritte lediglich die Stellung von Organwaltern einnehmen können und in dieser Eigenschaft jederzeit mit einfachem Gesellschafterbeschluss abberufen werden können (so dezidiert Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297). 6
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beseitigt werden können. Für Mitwirkungsrechte von Mitgliedern ist eine solche Gestaltung in § 35 BGB ausdrücklich vorgesehen. Ob Entsprechendes auch bezüglich der Mitwirkungsrechte Dritter in Betracht kommt, ist streitig. Die in der Literatur verbreitete Auffassung, Mitwirkungsrechte Dritter kämen nur als Organrechte nicht aber als Rechte ad personam in Betracht, impliziert die Vorstellung, Mitwirkungsrechte Dritter könnten nicht unentziehbar ausgestaltet werden.9 b) Uneigennützigkeit vs. Eigennützigkeit Die zweite sich hinter dem Begriffspaar Rechte ad personam/Organrechte verbergende Sachfrage betrifft die Bindung an den Verbandszweck. Da die Bindung an den Verbandszweck als unverzichtbares Element des Organbegriffs angesehen wird, impliziert die organschaftliche Qualifikation des Drittrechts auch, dass dieses nur nach den Vorgaben des Verbandszwecks ausgeübt werden darf.10 Demgegenüber sollen Rechte »ad personam« offenbar dadurch gekennzeichnet sein, dass keine entsprechende Bindung besteht.11 Die Sachfrage lautet daher, welcher Pflichtenbindung der Inhaber des Mitwirkungsrechts bei dessen Ausübung unterliegt. Geht es um die Bindung an den Verbandszweck, liegt es auf den ersten Blick nahe, zwischen verbandszweckgebundenen und verbandszweckungebundenen Mitwirkungsrechten zu unterscheiden. Das Charakteristikum von Organrechten wäre hiernach ihre Verbandszweckgebundenheit, das von Mitwirkungsrechten »ad personam« ihre Verbandszweckungebundenheit. Eine solche Differenzierung muss jedoch, das ist schon an dieser Stelle festzuhalten, ausscheiden. Die nachfolgende Untersuchung wird zeigen, dass Mitwirkungsrechte niemals verbandszweckungebunden sind. Ermöglichen sie ihrem Inhaber die Verfolgung von Sonderinteressen, setzt ihre wirksame Begründung voraus, dass der Verbandszweck in dem erforderlichen Umfang auf diese Interessen ausgerichtet wird.12 Von einer Verbandszweckungebundenheit lässt sich dann nicht mehr sprechen. Zu differenzieren ist vielmehr zwischen eigennützigen und uneigennützigen Mitwirkungsrechten.13 Erstere können von ihrem Inhaber zur Verfolgung von 9 Ausdrücklich Schürnbrand, Organschaft, S. 161; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 61. 10 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 67 f.; Schürnbrand, Organschaft, S. 155 m. w. N. 11 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 144 f.; unzureichende Berücksichtigung dieses Aspekts bei Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 70 ff. 12 Unten B.II.4.b. (S. 276 ff.). 13 Der Begriff der Eigennützigkeit taucht in der Diskussion um die Zulässigkeit von Mitwirkungsrechten Dritter häufig auf. Typischerweise heißt es in diesem Zusammenhang, Dritten dürften keine eigennützigen Mitwirkungsrechte gewährt werden, die nicht auf das Gesellschaftsinteresse ausgerichtet sind (vgl. Bürkle, Rechte Dritter in der Satzung der GmbH,
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Sonderinteressen ausgeübt werden, Letztere nicht. Der Grund für die unterschiedliche Bindungswirkung besteht nach dem Gesagten nicht darin, dass die Ausübung eigennütziger Mitwirkungsrechte nicht an den Verbandzweck gebunden wäre, sondern ist darin zu suchen, dass der die Ausübbarkeit eigennütziger Mitwirkungsrechte beschränkende Verbandszweck – vom normtypischen Verbandszweck abweichend – ganz oder partiell auf die individuellen Interessen des Rechtsinhabers ausgerichtet ist. Demgegenüber sind uneigennützige Mitwirkungsrechte dadurch gekennzeichnet, dass ihnen ein Verbandszweck zu Grunde liegt, welcher nicht auf die individuellen Interessen des Rechtsinhabers ausgerichtet ist.14 2. Begründbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte a) Mitwirkungsrechte von Mitgliedern Die prinzipielle Zulässigkeit besonderer statutarischer Mitwirkungsrechte von Mitgliedern steht außer Zweifel. Sie lässt sich mittelbar § 35 BGB entnehmen, wonach es sogar möglich ist, Sonderrechte von Mitgliedern zu schaffen, die nicht ohne deren Zustimmung beeinträchtigt werden können, d. h. im Sinne der obigen Definition unentziehbar sind. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein solches Sonderrecht nicht auch ein Mitwirkungsrecht sein kann. Zwingend ist die unentziehbare Ausgestaltung statutarischer Mitwirkungsrechte jedoch nicht. Sie können auch unter dem allgemeinen Satzungsänderungsvorbehalt stehen und ihrem Inhaber dann mit satzungsändernder Mehrheit auch ohne dessen Zustimmung entzogen werden. Ob es sich um ein Sonderrecht oder ein einfaches Mitgliedschaftsrecht handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln und richtet sich danach, ob der Inhalt und der Gesamtzusammen-
S. 44 ff.; Hammen, WM 1994, 765, 767; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 61 ff., 67 f.; Schürnbrand, Organschaft, S. 159). 14 Zur Vermeidung von Missverständnissen ist darauf hinzuweisen, dass die hiesige Differenzierung trotz gewisser Berührungspunkte nicht Bezug nimmt auf die im Zusammenhang mit der mitgliedschaftlichen Treupfl icht verbreitete Differenzierung zwischen eigennützigen und uneigennützigen Mitgliedschaftsrechten (statt vieler Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 434 f.; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 16; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 19 ff. m. w. N.). Letztere betrifft nicht die Möglichkeit, den Verbandszweck auf die Interessen des einzelnen Mitglieds auszurichten, sondern ist, verkürzt gesprochen, der Versuch, auf Grundlage des normtypischen Verbandszwecks bestehende Mitgliedschaftsrechte danach zu kategorisieren, wie stark ihre Ausübung in einem Zusammenhang zum Verbandszweck steht (vgl. Analyse bei GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 232 ff.). Die Erkenntnis, dass selbst hiernach als eigennützig anerkannte Mitgliedschaftsrechte wie etwa das Auskunftsrecht nicht ohne Rücksicht auf den Verbandszweck ausgeübt werden können (vgl. zu § 51a Abs. 2 GmbHG Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 121 ff.), setzt die Sinnhaftigkeit einer entsprechenden Kategorisierung jedoch Zweifeln aus (kritisch auch MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 25; GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 232 ff.; Windbichler in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23, 26 f.).
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hang der Satzung den Schluss rechtfertigen, dass das Recht seinem Inhaber nicht ohne dessen Zustimmung entzogen werden können soll.15 b) Mitwirkungsrechte von Dritten Heftig umstritten ist die Frage, ob in der Satzung auch Mitwirkungsrechte zu Gunsten von Dritten, d. h. Nichtmitgliedern, begründet werden können.16 Die in diesem Zusammenhang diskutierten Bedenken lassen sich im Wesentlichen zwei Kategorien zuordnen. Die erste Kategorie betrifft die Zweifel daran, ob die Mitgliederversammlung kraft ihrer Satzungsautonomie überhaupt in der Lage ist, Rechte Dritter als materielle Satzungsbestandteile zu kreieren. Hierbei handelt es sich um rechtsgeschäftlich-konstruktive Bedenken, die Gegenstand der vorliegenden, unter dem Gliederungspunkt A. zu erörternden Fragestellung sind. Die zweite Kategorie betrifft die Sorge um die Unabhängigkeit des Verbandes und die daraus abgeleitete Frage, inwieweit die Satzungsautonomie der Mitgliederversammlung aufgrund des Prinzips der Verbandsautonomie einer Einschränkung bedarf. Dieser Aspekt wird erst unter B. im Rahmen der Untersuchung möglicher ungeschriebener Zulässigkeitsschranken der Abhängigkeitsbegründung behandelt. (1) Meinungsbild In der vereinsrechtlichen Rechtsprechung17 und Literatur18 geht man überwiegend von der grundsätzlichen Zulässigkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter aus und beschränkt sich auf die später zu behandelnde Frage, in welchem Umfang deren Vereinbarung mit dem Prinzip der Vereinsautonomie vereinbar ist. Die Problematik der rechtsdogmatisch-konstruktiven Begründbarkeit entsprechender Rechte wird dabei meist gar nicht erörtert.19 Anders stellt sich der Diskussionsstand im GmbH-Recht dar, wo die Zulässigkeit statutarischer Drittrechte mit Blick auf die durch § 45 Abs. 1 GmbHG gewährleistete Satzungsautonomie ebenfalls intensiv diskutiert wird. Das Meinungsbild ist insoweit geteilt. Während manche statutarische Mitwirkungsrechte Dritter für prinzipiell begründbar halten, 20 stellen andere dies in Abre15
Soergel/Hadding, § 35 Rn. 8. Umfassend jüngst Schürnbrand, Organschaft, S. 150 ff. m. w. N. 17 OLG Köln NJW 1992, 1048; OLG Stuttgart OLGZ 1986, 257, 259; OLG Frankfurt NJW 1983, 2576; BayObLG NJW 1980, 1756, 1757; KG OLGZ 1974, 385, 387; LG Bonn Rpfleger 1991, 156, 157; LG Hildesheim NJW 1965, 2400. 18 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 70 ff.; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 167; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 146 ff., 348 ff.; Weick in: Staudinger, § 27 Rn. 4; Soergel/Hadding, § 27 Rn. 7; kritisch MünchKommBGB/Reuter, § 25 Rn. 33, § 27 18 ff.; a. A. Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 853. 19 Ansatzweise jedoch Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 70 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 146 ff. 20 Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 44 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, S. 166 ff.; Bürkle, Rechte Dritter in 16
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de. 21 Letztere Auffassung wurde vor allem durch Ulmer geprägt, der seine Bedenken in zwei Festschriftenbeiträgen dargelegt hat. 22 Hiernach können Mitwirkungsrechte Dritter weder »ad personam« begründet werden noch sei eine Bestellung des Dritten zu einem Organwalter »kraft eigenen Rechts« möglich. 23 Zur Begründung verweist Ulmer auf die Rechtsnatur der Satzung als Organisationsvertrag, die zur Beschränkung ihres materiellrechtlichen Regelungsgehalts auf die Grundlagen der Gesellschaft und die Beziehungen zu den Gesellschaftern führe.24 Des Weiteren scheitere die Begründung von Drittrechten daran, dass diese auf die Anwendbarkeit der Regelungen über den Vertrag zu Gunsten Dritter angewiesen sei, sich der Anwendungsbereich von § 328 BGB aber auf Forderungen beschränke. 25 Zwei weitere Argumente richten sich konkret gegen die Begründbarkeit unentziehbarer Drittrechte. 26 Insoweit meint Ulmer, die Unentziehbarkeit von Drittrechten stehe im Widerspruch zu § 53 Abs. 1 GmbHG, wonach die Satzungsänderungskompetenz zwingend der Gesellschafterversammlung zugewiesen sei.27 Bestätigt werde dieses Ergebnis dadurch, dass dem Dritten analog § 245 AktG keine Anfechtungsbefugnis und somit keine Rechtsschutzmöglichkeit zustehe, wenn die Mitgliederversammlung sein Recht in satzungswidriger Weise beeinträchtige. 28 (2) Stellungnahme Die von Ulmer vorgetragenen Bedenken vermögen zumindest für den Verein nicht zu überzeugen. Was zunächst den Hinweis auf die Rechtsnatur der Satzung anbetrifft, so ist dieser zu Recht als petitio principii kritisiert worden. 29 der Satzung der GmbH, S. 55; Hammen, WM 1994, 765,766 f.; widersprüchlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 c (S. 87) einerseits und § 34 II 2 g cc (S. 1006) andererseits; Scholz/ Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 11; Roth in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rn. 46, § 45 Rn. 4; grundsätzlich auch Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 33 f. 21 Ulmer, FS Werner, S. 911; ders., FS Wiedemann, S. 1297; GroßKommGmbHG/ders., § 3 Rn. 41 ff.; Schürnbrand, Organschaft, S. 152 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 485, 492 ff.; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 26; Michalski/Michalski, GmbHG, § 3 Rn. 70; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, § 3 Rn. 69; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 II 2 g cc (S. 1006). 22 S. Fn. 21. 23 Mit Letzterem meint Ulmer die unstreitig für Mitglieder bestehende Möglichkeit, ihre Stellung als Organwalter gegenüber den Mitgesellschaftern dadurch abzusichern, dass eine Abberufung nur aus besonderem Grund möglich ist (FS Wiedemann, S. 1297, 1310 f.). 24 Ulmer, FS Werner, S. 911, 922 ff. 25 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1312 ff. 26 Für Ulmer ist dieser Aspekt deshalb von Bedeutung, weil er die Fragestellung von vornherein auf die Zulässigkeit unentziehbarer Drittrechte beschränkt (ausdrücklich GroßKommGmbHG/Ulmer, § 3 Rn. 41). Explizit gegen eine solche Einschränkung Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 147. 27 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1316 ff.; ders., FS Werner, S. 911, 924. 28 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1318 f. 29 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 71; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 147; sinngemäß Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 167; Rowedder/Kop-
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Die Bedenken wären nur dann berechtigt, wenn sich die Erstreckung der Rechtswirkung der Satzung auf Dritte mit den Mitteln der Rechtsgeschäftslehre nicht darstellen ließe.30 Dies ist jedoch nicht der Fall. Schon die Annahme, § 328 BGB könne auf entsprechende Mitwirkungsrechte keine Anwendung finden, ist zumindest Zweifeln ausgesetzt. Denn auch wenn man das Mitwirkungsrecht als Pflichtrecht qualifiziert, erscheinen die Interessen des Dritten ausreichend dadurch gewahrt, dass dieser gemäß § 333 BGB den Erwerb einer entsprechenden Rechtsstellung mit ex-tunc-Wirkung zurückweisen kann.31 Die Frage der Anwendbarkeit der Regelungen über den Vertrag zu Gunsten Dritter ist aber letztlich gar nicht entscheidend. Es sind nämlich keine Gründe ersichtlich, weshalb der Dritte nicht durch die unmittelbare Beteiligung am vereinsrechtlichen Organisationsvertrag an dessen Rechtswirkung teilhaben soll.32 Im Zusammenhang mit dem Gründungsakt ist beispielsweise denkbar, eine der am Vertragsschluss beteiligten Parteien mit Mitwirkungsrechten auszustatten, gleichzeitig aber festzustellen, dass diese nicht Mitglied wird und daher auch nicht an die übrigen Vertragsbedingungen gebunden ist. Eine solche Gestaltung wäre zugegebenermaßen unkonventionell, doch ist sie rechtsgeschäftlich ohne weiteres darstellbar und es sind keine anzuerkennenden Dogmen ersichtlich, die ihr entgegenstehen. In gleicher Weise möglich erscheint es, dass sich der Dritte zu einem späteren Zeitpunkt der Rechtswirkung der Satzung durch rechtsgeschäftliche Erklärung teilweise unterwirft. Der Dritte könnte die insoweit erforderliche Willenserklärung ohne weiteres im zeitlichen Zusammenhang mit einem entsprechenden Beschluss der Mitgliederversammlung abgeben. Ob der auf § 53 Abs. 1 GmbHG gestützte Einwand, die Begründung unentziehbarer Mitwirkungsrechte sei mit der zwingenden Satzungsänderungskompetenz der Gesellschafterversammlung unvereinbar, zutrifft, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung.33 Denn im Vereinsrecht liegen die Dinge insoweit anpensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 20, 45 Rn. 10; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 33; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 485 f. mit Fn. 14. Gewisse Zweifel andeutend Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1321: »[. . .] Berechtigung der als ›begriffl ich-formal‹ attackierten Berufung auf die Rechtsnatur der Satzung als Organisationsvertrag [. . . mag] zunächst offen bleiben.« Schürnbrand, Organschaft, S. 152 ff. folgt zwar ausdrücklich der These von Ulmer, bezieht sich zur Begründung aber letztlich doch auf den materiellen Gesichtspunkt der Verbandsautonomie. 30 Dass die Wirkung der Satzung der rechtsgeschäftlichen Legitimation bedarf, wird letztlich auch von den Vertretern der Normentheorie nicht in Abrede gestellt (vgl. MünchKommBGB/Reuter, § 25 Rn. 16. Grundlegend zum Streit um die Rechtsnatur der Satzung Hadding, FS R. Fischer, S. 165 ff. 31 In diesem Sinn Hammen, WM 1994, 765, 773. 32 Hierauf weist Hammen, WM 1994, 765, 768 mit Fn. 39 hin, ohne den Gedanken aber weiter zu verfolgen. 33 Kritisch Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 477; Bürkle, Rechte Dritter in der Satzung der GmbH, S. 132.
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ders, als § 40 BGB auch auf § 33 BGB verweist und die Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung hiernach für dispositiv erklärt. Kann aber die Satzungsänderungskompetenz prinzipiell sogar vollständig auf Dritte verlagert werden,34 steht nichts der Vorstellung im Wege, den Entzug eines statutarischen Drittrechts von der Zustimmung des Dritten abhängig zu machen.35 Ohne weiteres überwindbar ist schließlich der Hinweis, dem Dritten stehe mangels Anfechtungsbefugnis keine Möglichkeit zu, sich der satzungswidrigen Beeinträchtigung seines Mitwirkungsrechts zu erwehren. Folgt man der im Vereinsrecht h. M., wonach die §§ 241 ff. AktG keine entsprechende Anwendung finden, besteht die Problematik schon gar nicht, da dann der Beschluss ipso iure unwirksam ist und der Dritte dies durch Erhebung der Feststellungsklage feststellen lassen kann. Aber auch wenn man – zu Recht 36 – eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung befürwortet, gilt im Ergebnis nichts anderes. Besteht die Beeinträchtigung darin, dass die Mitgliederversammlung einen auf die Entziehung eines als unentziehbar ausgestalteten Mitverwaltungsrechts gerichteten Beschluss fasst, ist das auf die Beseitigung gerichtete Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Zustimmung des Dritten unvollständig und somit unwirksam. Unwirksame Beschlüsse bedürfen aber auch auf Grundlage der §§ 241 ff. AktG keiner Anfechtung.37 Der Dritte hat vielmehr die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben.38 Selbst wenn die Beeinträchtigung in einer anderen Weise erfolgen sollte, die die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlich macht, 39 ist der Dritte nicht rechtschutzlos gestellt. Bereits für die GmbH ist anerkannt, dass die Vorschriften des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts nicht ohne Berücksichtigung rechtsformspezifischer Besonderheiten übertragen werden können. Nur beispielhaft sei auf die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 246 Abs. 1 AktG hingewiesen.40 Was nunmehr die Beschränkung der Anfechtungsbefugnis in § 245 AktG anbetrifft, so ist diese vor dem Hintergrund zu sehen, dass im Aktienrecht aufgrund der Satzungsstrenge statutarische Mitwirkungsrechte Dritter ausgeschlossen sind und eine Notwendigkeit für eine Anfechtungsbefugnis 34 Wenn die Übertragung der Satzungsänderungskompetenz auf einen Dritten entgegen § 40 BGB ganz überwiegend für unzulässig erachtet wird (Soergel/Hadding, § 33 Rn. 7 m. w. N.), beruht dies auf der Annahme eines die Satzungsautonomie beschränkenden ungeschriebenen Prinzips der Verbandsautonomie (hierzu unter C.). 35 Ebenso Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 168. 36 Unten B.II.4.d.(3). (S. 286 ff.). 37 Zur Beschlussmängelkategorie der Unwirksamkeit u. a. Hüffer, AktG, § 241 Rn. 6. 38 Zwar steht mit der Verweigerung der Zustimmung die Unwirksamkeit der Nichtigkeit gleich und es kommt daher die Nichtigkeitsklage gemäß § 249 AktG in Betracht, doch steht diese der Feststellungsklage des Dritten nicht entgegen (§ 249 Abs. 1 S. 2 AktG). 39 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1318 bildet insoweit das Beispiel, dass ein mit einem statutarisch abgesicherten Organrecht ausgestatteter Fremdgeschäftsführer in satzungswidriger Weise abberufen wird. 40 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 9 m. w. N.
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Dritter jenseits der Regelung des § 245 Nr. 5 AktG nicht bestand. Rückschlüsse auf die Zulässigkeit statutarischer Drittrechte beim Verein lassen sich hieraus nicht ziehen. Vielmehr erscheint es im Rahmen der analogen Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf den Verein geboten, durch Beschlüsse der Mitgliederversammlung in ihren Rechten beeinträchtigten Dritten eine Anfechtungsbefugnis analog § 245 Nr. 5 AktG zuzugestehen. Resümierend ist daher festzuhalten, dass unter rechtsgeschäftlich-konstruktiven Gesichtspunkten keine Bedenken gegen die Begründbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter bestehen. c) Unentziehbarkeit Aus rechtsgeschäftlich-konstruktiver Sicht sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb statutarische Mitwirkungsrechte nicht unentziehbar ausgestaltet werden könnten. Hinsichtlich der Mitwirkungsrechte von Mitgliedern folgt dies ohne weiteres aus § 35 BGB. Für die Mitwirkungsrechte Dritter kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch wenn § 35 BGB auf diese angesichts seines klaren Wortlauts keine Anwendung findet, hindert dies die Beteiligten nicht daran, die Unentziehbarkeit satzungsautonom zu vereinbaren. 41 Die mit der Unentziehbarkeit verbundene partielle Preisgabe der Satzungsänderungsbefugnis durch die Mitgliederversammlung steht dem nicht entgegen, da die Satzungsänderungsbefugnis in § 40 BGB ausdrücklich für disponibel erklärt wird.42 3. Einzelne statutarische Mitwirkungsrechte Die in der Praxis in Abweichung vom Normalstatut gewährten Mitwirkungsrechte sind vielfältiger Natur und sollen an dieser Stelle nicht sämtlich beleuchtet werden. Vorliegend interessieren nur diejenigen Mitwirkungsrechte, die geeignet sind, ihrem Inhaber einen beherrschenden Einfluss im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG zu gewähren. a) Mehrfachstimmrecht Die grundsätzliche Zulässigkeit des Mehrfachstimmrechts eines Vereinsmitglieds ist anerkannt.43 Steht einem Mitglied aufgrund eines Mehrfachstimm41 Wenn die vereinsrechtliche Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Köln NJW 1992, 1048 ff.) auf die Frage der Entziehbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter gar nicht eingeht, deutet dies darauf hin, dass sie entsprechende Gestaltungen für zulässig hält. Die in der Literatur herrschende Gegenauffassung (Nachweise Fn. 89) stützt sich nicht auf Bedenken gegen die rechtsgeschäftlich-konstruktive Begründbarkeit unentziehbarer Drittrechte, sondern beruht auf aus der Verbandsautonomie abgeleiteten Bedenken (hierzu unter B). 42 Abzulehnen ist insoweit auch die von der h. M. angenommene ungeschriebene Zuständigkeit der Mitgliederversammlung, die dieser ermögliche, aufgegebene Befugnisse jederzeit wieder an sich zu ziehen (vgl. Nachweise bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 171 f., der selbst die hiesige Auffassung teilt). 43 MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 28; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 22; Reichert, Hand-
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rechts die Mehrheit der Stimmen in der Mitgliederversammlung zu (so genanntes Mehrheitsstimmrecht) begründet dies regelmäßig einen herrschenden Einfluss.44 Wie bereits erwähnt, folgt dies aus dem der Mitgliederversammlung zustehenden Weisungs- und Bestellungsrecht, welches der Inhaber der Stimmenmehrheit zur Einflussnahme nutzen kann. b) Weisungsrecht Unproblematisch begründen lässt sich ein Abhängigkeitsverhältnis auch dadurch, dass die Satzung einem einzelnen Mitglied oder einem Dritten ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zubilligt und der Berechtigte hiernach in der Lage ist, die Art und Weise der Geschäftsführung zu bestimmen. Die Möglichkeit einer solchen Satzungsgestaltung ist grundsätzlich anerkannt.45 Selbst wenn die Mitgliederversammlung das Recht zur personellen Besetzung des Vorstandes behält, fällt die damit verbundene Einflussmöglichkeit gegenüber dem Weisungsrecht nicht entscheidend ins Gewicht. c) Bestellungsrechte Mittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung kann auch dadurch begründet werden, dass einem Mitglied oder einem Dritten abweichend von § 27 Abs. 1 BGB ein Recht zur Bestellung von Vorstandsmitgliedern gewährt wird.46 Auch solche Satzungsgestaltungen werden aufgrund der ausdrücklichen Nennung von § 27 Abs. 1 BGB in § 40 BGB grundsätzlich für zulässig erachtet.47 Berechtigt das Bestellungsrecht dazu, so viele Mitglieder des Vorstands zu bestellen, dass diese die für die Willensbildung erforderliche Mehrheit stellen (§§ 28, 32 Abs. 1 S. 3 BGB), gewährt die damit verbundene Personalentscheidungsgewalt ihrem Inhaber maßgebliches Einflusspotenzial. buch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1496 ff.; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 198; Weick in: Staudinger, § 32 Rn. 20, § 35 Rn. 15; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 35 Rn. 14; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II. 1. e (S. 607); Flume, BGB AT I/2, S. 208 f. 44 Wenn Flume, BGB AT I/2, S. 208 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II. 1. e (S. 607) Mehrheitsstimmrechte für unzulässig halten, liegen die Gründe hierfür ersichtlich nicht im rechtsgeschäftlich-konstruktiven Bereich, sondern der Annahme eines Konfl ikts mit dem Prinzip der Verbandsautonomie (hierzu unter D.). Die h. M. hält Mehrfachstimmrechte für zulässig (statt vieler MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 20 m. w. N.). 45 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 136 f.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 142 ff.; Schaible, Der Gesamtverein, S. 47. 46 Ohne gegenteilige Regelung ist davon auszugehen, dass das Bestellungsrecht das Abberufungsrecht impliziert, vgl. Soergel/Hadding, § 27 Rn. 17; MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 29. 47 OLG Köln NJW 1992, 1048 ff.; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 60 ff.; MünchKommBGB/ Reuter, § 27 Rn. 18 ff.; Soergel/Hadding, § 27 Rn. 7; Weick in: Staudinger, § 27 Rn. 4; Schwarz/ Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 27 Rn. 4; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 255; Flume, BGB AT I/2, S. 340 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 131 m. w. N. Fn. 300.
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Im Unterschied zum Aktienrecht ist allerdings zu beachten, dass der Vorstand den Verein auf Grundlage des Normalstatuts nicht eigenverantwortlich leitet, sondern den Weisungen der Mitgliederversammlung unterliegt. Sofern die Mitgliederversammlung aufgrund der Realstruktur des Vereins tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen erforderlichenfalls durch Einberufung einer Mitgliederversammlung gemäß § 37 Abs. 1 BGB oder im schriftlichen Verfahren gemäß § 32 Abs. 2 BGB zu bilden, wird der mit dem Bestellungsrecht verbundene Einfluss deshalb nicht stark genug sein, um als herrschend qualifiziert werden zu können. Anders liegen die Dinge, wenn die Mitgliederversammlung aufgrund der Vielzahl ihrer Mitglieder faktisch nicht in der Lage ist, ihr Weisungsrecht effektiv auszuüben.48 Da in diesem Fall die Stellung des Vereinsvorstandes in tatsächlicher Hinsicht der des Vorstandes einer Aktiengesellschaft angenähert ist, wird man hier von einem herrschenden Einfluss des Inhabers des Bestimmungsrechts ausgehen können. 49 Gleiches gilt selbstverständlich unabhängig von der Realstruktur des Vereins, wenn die Stellung des Vorstands abweichend vom Normalstatut nach dem Vorbild des § 76 Abs. 1 AktG ausgestaltet wird. d) Zustimmungsrechte zu Geschäftsführungsangelegenheiten Auf Geschäftsführungsangelegenheiten bezogene Zustimmungsvorbehalte 50 sind zur Abhängigkeitsbegründung grundsätzlich nicht geeignet, weil sie ihrem Inhaber nicht die Möglichkeit geben, initiativ-gestaltend auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen. Anders liegen die Dinge allenfalls dann, wenn sich das Zustimmungsrecht auf signifikante Bereiche der Geschäftsleitung erstreckt. Denn die damit einhergehende Möglichkeit, praktisch jede missliebige Maßnahme durch die Verweigerung der Zustimmung zu verhindern, kann dazu führen, dass das dem Zustimmungsrecht immanente Vetorecht faktisch in ein Recht zur positiven Einflussnahme umschlägt.51 Insoweit sind gegebenenfalls auch Zustimmungsrechte geeignet, eine Abhängigkeitslage zu begründen. e) Sonstige Mitwirkungsrechte Sonstige Mitwirkungsrechte wie etwa Teilnahme- oder Rederecht in der Mitgliederversammlung52 sind ersichtlich nicht geeignet, dem Berechtigten einen herrschenden Einfluss zu verschaffen.
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Oben § 4 C.III.1. (S. 107 f.). Vgl. Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 130. 50 Rechtstatsächliche Nachweise bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 40. 51 In etwas anderem Zusammenhang Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S. 195. 52 Hierzu Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 137 ff. 49
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f) Beschränkungen der Satzungshoheit Einschränkungen der Satzungshoheit der Mitgliederversammlung durch Zustimmungsvorbehalt oder gar die Übertragung der Satzungsänderungsbefugnis sind ebenfalls nicht zur Abhängigkeitsbegründung geeignet. 53 Denn von einem herrschenden Einfluss im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG lässt sich nur sprechen, wenn sich dieser zumindest auch auf die Geschäftsführungsangelegenheiten des Verbands bezieht. Das folgt ohne weiteres daraus, dass der Abhängigkeitstatbestand als Tatbestand der potentiellen Konzernierung zu verstehen ist,54 und die für Letztere erforderliche einheitliche Leitung auf die Geschäftsführung abzielt. Zwar ist es im Fall der Übertragung der Satzungsänderungskompetenz auf ein einzelnes Mitglied oder einen Dritten diesem möglich, die Satzung zu seinen Gunsten umzugestalten und sich auf diese Weise auch Einfluss auf die Geschäftsführung zu verschaffen, doch tritt die Abhängigkeit erst ein, wenn von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. 4. Beständigkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Wie bereits im Zusammenhang mit dem Zugriff auf fremde Stimmrechte erwähnt, setzt der eine Abhängigkeitslage begründende herrschende Einfluss neben einer bestimmten Intensität voraus, dass er auf einer verlässlichen Grundlage beruht und hiernach seinem Inhaber nicht jederzeit gegen seinen Willen entzogen werden kann.55 Hinsichtlich der infrage stehenden statutarischen Mitwirkungsrechte wird man unter dem Gesichtspunkt der insoweit angesprochenen Beständigkeit des Einflusses differenzieren müssen, ob das Recht entziehbar oder unentziehbar ausgestaltet ist.56 Im Fall der Unentziehbarkeit liegt die für die Annahme eines herrschenden Einflusses erforderliche Beständigkeit unproblematisch vor. Schwieriger liegen die Dinge, wenn das Mitwirkungsrecht entziehbar ist und somit gegen den Willen seines Inhabers beseitigt werden kann. Inwieweit ein solches Recht die erforderliche Beständigkeit aufweist, hängt letztlich von der Realstruktur des Vereins ab. Sofern die Mitgliederversammlung aufgrund der Anzahl ihrer Mitglieder in der Lage ist, ihren Willen unabhängig vom Turnus 53 Die Übertragung der Satzungsänderungskompetenz auf einen Dritten ist nach hiesiger Auffassung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (so aber die h. M., siehe u. a. Soergel/Hadding, § 33 Rn. 7 m. w. N.), tritt jedoch in Konfl ikt mit der von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Stellung der Mitgliederversammlung als oberstem Willensbildungsorgan und bedarf daher der Zustimmung sämtlicher Mitglieder. 54 GroßkommAktG/Windbichler, § 17 Rn. 14; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 17 Rn. 18 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 55 Kropff, Regierungsbegründung, S. 31; MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 62; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 11; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 7; GroßkommAktG/Windbichler, § 17 Rn. 21; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 17 Rn. 11. 56 Hierzu oben unter A.II.1.a. (S. 246 f.).
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der ordentlichen Mitgliederversammlungen auf Grundlage der §§ 32 Abs. 2, 37 Abs. 1 BGB zu bilden und daher nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch über die Möglichkeit verfügt, kurzfristig das Mitwirkungsrecht zu beseitigen, fehlt es an der erforderlichen Beständigkeit. Eine Abhängigkeitslage ist daher zu verneinen. Anders liegen die Dinge, wenn die Mitgliederversammlung nicht über die beschriebene Handlungsfähigkeit verfügt und daher mit einem Widerruf frühestens auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung zu rechnen ist. Denn nach ganz herrschender Auffassung steht es der Annahme einer Abhängigkeitslage nicht entgegen, dass der Einfluss auf eine bestimmte Zeitdauer begrenzt ist.57 Die bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung bestehende Gewissheit, das Einwirkungsrecht ausüben zu können, bietet insoweit eine ausreichende Grundlage zur Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses.58
III. Besonderheiten im Verhältnis von Mitgliedsverein und Dachverband Im Verhältnis von Dachverbänden zu ihren Mitgliedsvereinen 59 finden die Einflussmöglichkeiten ihre Grundlage häufig nicht in den Satzungen der Mitgliedsvereine, sondern in den Satzungen und in den sonstigen Regelwerken (so genannte Vereins- oder Nebenordnungen) der Dachverbände selbst. 60 Um eine statutarische Geltung der Regelungen des Dachverbandes auch für den Mitgliedsverein zu begründen, werden diese häufig in die Satzung der Mitgliedsvereine durch wörtliche Übernahme oder entsprechende Verweisung integriert. Eine entsprechende Verpflichtung folgt aus der Satzung des Dachverbandes, an die die Mitgliedsvereine aufgrund ihrer Mitgliedschaft gebunden sind. In der Praxis beschränken sich die auf diese Weise begründeten Einflussmöglichkeiten des Dachverbandes regelmäßig darauf, bestimmte einheitliche Standards aufzustellen. Die zur Begründung eines herrschenden Einflusses erforderliche Intensität weisen sie insoweit nicht auf. Gestaltbar wäre ein solcher Einfluss indes schon. So könnte beispielsweise die Satzung des Dachverbandes den Mitgliedsverbänden vorgeben, Weisungen des Dachverbandes nachzukommen oder die Geschäftsleitung nach den Vorgaben des Dachverbandes zu besetzen. Der Mitgliedsverband wäre dann verpflichtet, die entsprechenden Vorgaben bei der eigenen Satzungsgestaltung zu beachten. 57 BGH NJW 1997, 943; MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 13; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, § 17 Rn. 25; GroßkommAktG/Windbichler, § 17 Rn. 21; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 7; vgl. auch Kropff, Regierungsbegründung, S. 31. 58 Siehe demgegenüber MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 129, der für die Genossenschaft das Recht eines Dritten zur Bestellung des Vorstandes aufgrund der Widerrufsmöglichkeit der Generalversammlung (§ 24 Abs. 3 S. 2 GenG) als nicht geeignet ansieht, eine Abhängigkeitslage zu begründen. 59 Hierzu oben § 2 B.I. (S. 12 f.). 60 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 147 ff.
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Erreichen die Einflussmöglichkeiten des Dachverbands hiernach die zur Annahme eines herrschenden Einflusses erforderliche Intensität, stellt sich weiter die Frage, ob die Verbandsstruktur die für das Bestehen einer Abhängigkeitslage erforderliche Beständigkeit vermittelt. Anzuknüpfen ist insoweit an die Mitgliedschaft des Mitgliedsvereins im Dachverband, welche diesem nicht nur die Umsetzung der durch die Satzung des Dachverbands vorgegebenen Einflussmöglichkeiten gebietet, sondern auch deren spätere Abschaffung verbietet. Allein der Umstand, dass der Einfluss des Dachverbandes hiernach von der Vertragstreue des Mitgliedsvereins abhängt, kann der Annahme herrschenden Einflusses nicht entgegenstehen. Denn Gleiches gilt auch für die durch Stimmbindungsverträge vermittelten Einflussmöglichkeiten, deren Geeignetheit zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses jedoch einhellig anerkannt wird. 61 Beachtlich ist jedoch, dass die Mitgliedsvereine gemäß § 39 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich der Verpfl ichtung gegenüber dem Dachverband durch den Austritt aus diesem zu entziehen. 62 Wurde hiervon nicht gemäß § 39 Abs. 2 BGB abgewichen, ist die für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses erforderliche Beständigkeit unzweifelhaft zu verneinen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Dachverband von der in § 39 Abs. 2 BGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, wonach der Austritt an eine Kündigungsfrist von bis zu zwei Jahren geknüpft werden kann. 63 Eine solche Kündigungsfrist führt der Sache nach dazu, dass sich der Mitgliedsverband dem Einfluss des Dachverbands bis zu ihrem Ablauf nicht entziehen kann. Da der Annahme herrschenden Einflusses nicht entgegensteht, dass dieser auf eine bestimmte Zeitdauer begrenzt ist, 64 ist eine solche (Dach-)Verbandsstruktur somit grundsätzlich zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses geeignet.
IV. Besonderheiten im Verhältnis von Zweigverein und Hauptverein Noch einmal anders liegen die Dinge im Gesamtverein mit selbstständigen Untergliederungen in Form von Zweigvereinen. 65 Das Charakteristikum des dortigen Verhältnisses zwischen dem Hauptverein und den Zweigvereinen besteht darin, dass die Zweigvereine nicht Mitglieder des Hauptvereins, dafür aber die Mitglieder des Zweigvereins aufgrund einer gestuften Mehrfachmitgliedschaft zugleich Mitglieder des Hauptvereins sind. Die Mitgliedschaft im Hauptverein 61
Nachweise Fn. 3. Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 359. 63 Nicht berücksichtigt von Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 359. 64 Nachweise Fn. 57. 65 Zur Struktur von Gesamtvereinen mit selbstständigen Zweigvereinen siehe u. a. Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 45 ff.; Soergel/Hadding, Vor § 21 Rn. 53 sowie oben § 2 B.II. (S. 14). 62
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verpflichtet die Mitglieder auf dessen Verbandszweck und beeinflusst so deren Verhalten auch bei Abstimmungen in den Zweigvereinen. 66 Man kann insoweit sagen, dass der Hauptverein in einem bestimmten Umfang Zugriff, d. h. Einfluss auf die Stimmrechte der Mitglieder der Zweigvereine hat. Für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses genügt dies allein zwar nicht. Denn die Mehrfachmitgliedschaft vermittelt dem Hauptverein keine Einflussnahme auf die Geschäftleitung des Zweigvereins. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dem Hauptverein, wie in der Praxis üblich, in der Satzung des Zweigvereins statutarische Mitwirkungsrechte zugebilligt werden. 67 Erreichen diese die zur Begründung herrschenden Einflusses erforderliche Intensität, stellt sich wiederum die Frage, ob sie die zur Erfüllung des Abhängigkeitstatbestandes erforderliche Beständigkeit aufweisen. Sofern die Mitwirkungsrechte unentziehbar ausgestaltet sind, ist die Beständigkeit ohne weiteres zu bejahen. Schwieriger liegen die Dinge, wenn die Mitwirkungsrechte unter dem allgemeinen Satzungsänderungsvorbehalt stehen. Bindungen des Zweigvereins selbst, die die Beständigkeit gewährleisten würden, bestehen nicht. Da dieser keine Mitgliedschaft im Hauptverein hat, ist er nicht an dessen Verfassung gebunden. Die Beständigkeit der Einflussnahme ist jedoch durch die Mehrfachmitgliedschaft gesichert. Die damit einhergehende Bindung der Mitglieder an den Verbandszweck des Hauptvereins hindert sie daran, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Mitgliederversammlung des Zweigvereins, auf Beseitigung der Mitwirkungsrechte des Hauptvereins zielende Beschlüsse zu fassen. Verstärkt wird die Beständigkeit dadurch, dass die Rolle des Zweigvereins als Untergliederung des Hauptvereins in dem (hiernach dienenden) Verbandszweck des Zweigvereins verankert ist und die Abkoppelung vom Hauptverein daher nur mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder des Zweigvereins möglich wäre (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Gefährdet wäre diese Grundlage des dem Hauptverein zustehenden Einflusses nur dann, wenn die Mitglieder in der Lage wären, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Hauptverein im Wege des isolierten Austritts aus dem Hauptverein zu entgehen. Doch auch wenn die rechtliche Selbstständigkeit von Hauptund Zweigverein für eine grundsätzliche Möglichkeit des isolierten Austritts aus dem Hauptverein spricht, 68 steht auch dem wiederum die Treubindung ge66 Vgl. König, Der Verein im Verein, S. 232 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 108 f.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 357. 67 Oben § 2 B.III. (S. 15 f.). 68 Für die Möglichkeit des isolierten Austritts Schaible, Der Gesamtverein, S. 86; Steinbeck, § 5a Rn. 56. Dezidiert a. A. MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 148; ders., FS Hopt, S. 195 ff., der von einer Sonderdogmatik des Gesamtvereins ausgeht, auf deren Grundlage es sich bei der Mitgliedschaft in Haupt- und Zweigverein um eine einheitliche Mitgliedschaft handeln soll. Die Auffassung von Reuter ist in sich schlüssig, läuft indes auf eine rechtsfortbildende Erweiterung des verbandsrechtlichen numerus clausus hinaus (dies konzediert Reuter a.a.O. S. 204 f.), deren Notwendigkeit nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
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genüber dem Hauptverein entgegen, welche eine solche auf die Herauslösung des Zweigvereins aus dem Hauptverein gerichtete Maßnahme verbietet. Im Ergebnis bewirkt die Mehrfachmitgliedschaft hiernach, dass die Mitglieder im Fall der Unzufriedenheit mit den Geschehnissen im Hauptverein darauf angewiesen sind, ihre Mitgliedschaft insgesamt aufzugeben und sich gegebenenfalls durch Neugründung anderweitig zu organisieren. 69
B. Im Zusammenhang mit der Abhängigkeitsbegründung relevante Zulässigkeitsschranken Von der unter A. erörterten Frage der rechtskonstruktiven Begründbarkeit herrschenden Einflusses über einen Verein ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit Zulässigkeitsschranken existieren, die der Ausnutzung der unter rechtskonstruktiven Gesichtspunkten eröffneten Möglichkeiten der Abhängigkeitsbegründung entgegenstehen.70 Im Folgenden wird zunächst auf die Möglichkeit ausdrücklicher statutarischer Vorkehrungen gegen die Abhängigkeitsbegründung eingegangen (I.), um sodann zu erörtern, inwieweit die Abhängigkeitsbegründung betreffende ungeschriebene Zulässigkeitsschranken existieren (II.).
I. Ausdrückliche statutarische Vorkehrungen Die Notwendigkeit statutarischer Vorkehrungen gegen die Abhängigkeitsbegründung ist beim Verein im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften gering. 71 Denn in dem praktisch relevanten Fall, dass die Abhängigkeit ihre Grundlage in vom Normalstatut abweichenden statutarischen Mitwirkungsrechten findet, setzt deren Begründung ohnehin einen satzungsändernden Beschluss der Mitgliederversammlung voraus. Relevant ist die Frage nach statutarischen Vorkehrungen daher allein hinsichtlich der Gefahr der Abhängigkeitsbegründung auf Grundlage des Normalstatuts. Wie ausgeführt, ist hier eine Abhängigkeitsbegründung dergestalt denkbar, dass ein einzelnes Mitglied oder ein Dritter Zugriff auf fremde Stimmrechte erlangt.
69 Im Ergebnis wie hier MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 148; a. A. Schaible, Der Gesamtverein, S. 84 ff., der eine »Ausgliederung« des Zweigvereins aus dem Hauptverein für möglich hält. 70 Zu dieser Differenzierung oben A.II.2.b. (S. 249). 71 Siehe dazu Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 218 f. Überblick zum Diskussionsstand im Kapitalgesellschaftsrecht KölnerKommAktG/Koppensteiner, Anh. § 318 Rn. 19 ff. (für die Aktiengesellschaft) und Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 195 ff. (für die GmbH).
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Was zunächst die Konstellation der mittelbaren Abhängigkeit betrifft, in der der Zugriff seine Ursache darin hat, dass das betreffende Mitglied bzw. der betreffende Dritte herrschenden Einfluss auf korporative Vereinsmitglieder ausübt, sind zweierlei statutarische Abwehrmechanismen denkbar. Eine effektive, aber wohl nicht immer interessengerechte Lösung besteht darin, die Mitgliedschaft im Verein auf natürliche Personen zu beschränken. Daneben wäre denkbar, die Abhängigkeit von Mitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen in der Satzung als Grund zu definieren, der den Vereinsausschluss rechtfertigt.72 Hinsichtlich des Zugriffs im Wege von Stimmbindungsverträgen kommt die Möglichkeit in Betracht, deren Abschluss in der Satzung zu untersagen. Die Zulässigkeit eines solchen Stimmbindungsverbots wird überwiegend anerkannt.73 Verbotswidrig abgeschlossene Stimmbindungsverträge sind allerdings mangels Anwendbarkeit von § 134 BGB gleichwohl wirksam.74 Denkbar ist schließlich, nicht beim Zugriff auf die Stimmrechte selbst anzusetzen, sondern durch Ausdehnung des Anwendungsbereichs des in § 34 BGB vorgesehenen Stimmrechtsausschlusses zu versuchen, dessen Auswirkungen im Rahmen der Willensbildung der Mitgliederversammlung zu erweitern.75 So kommt beispielsweise in Betracht, in der Satzung ein Stimmrechtsausschluss für den Fall vorzusehen, dass der Abstimmungsgegenstand mit der fremdunternehmerischen Betätigung des Vereinsmitglieds oder eines das Vereinsmitglied beherrschenden Dritten im Zusammenhang steht. 76 Nach hiesiger Auffassung – das sei vorweggenommen – sind die referierten statutarischen Vorkehrungen allerdings entbehrlich (wenngleich unschädlich), da sich aus dem normtypischen Verbandszweck ein ungeschriebenes Abhängigkeitsbegründungsverbot herleiten lässt, welches bei konsequenter Anwendung verhindert, dass der Verein gegen den Willen einzelner Mitglieder in eine Abhängigkeitslage gerät.77
II. Ungeschriebene Zulässigkeitsschranken Wendet man sich den im Zusammenhang mit der Abhängigkeitsbegründung unter Umständen relevanten ungeschriebenen Zulässigkeitsschranken zu, trifft 72 Zur generellen Zulässigkeit solcher Regelungen Soergel/Hadding, § 39 Rn. 11. Für die GmbH Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419. 73 Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 201; mit Einschränkungen Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1589. Für die GmbH ist die Zulässigkeit allgemein anerkannt, statt vieler Michalski/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 551 m. w. N. 74 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 46; Michalski/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 552; GroßKommGmbHG/Hüffer, § 47 Rn. 86 (jeweils zur GmbH). 75 Zur Zulässigkeit Soergel/Hadding, § 34 Rn. 10; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1578. Für die GmbH Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419. 76 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 219. 77 Im Einzelnen unter II.4.a.(1) (S. 273 ff.).
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man auf verschiedene Aspekte, die es zu ordnen und bewerten gilt. Zu diesem Zweck wird zunächst ein Überblick über den einschlägigen Diskussionsstand gegeben (1.), um anschließend die insoweit vertretenen Thesen kritisch zu hinterfragen (2. – 3.) und zu einem eigenen, den normtypischen Verbandszweck in den Mittelpunkt stellenden Ansatz weiterzuentwickeln (4.). 1. Diskussionsstand Analysiert man den vereins- und auch GmbH-rechtlichen Meinungsstand, stößt man auf insgesamt drei Zulässigkeitsschranken, die im Zusammenhang mit der Abhängigkeitsbegründung relevant sein könnten. Da ist zunächst das Prinzip der Vereins- bzw. Verbandsautonomie,78 welches zwar nicht konkret im Hinblick auf Abhängigkeitslagen diskutiert wird, gleichwohl aber insoweit von Bedeutung ist, als es nach h. M. verbietet, den Verband einem zu starken Fremdeinfluss zu unterwerfen (1.). Des Weiteren spielt der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Rolle, der zwar ebenfalls keine abhängigkeitsspezifischen Vorgaben enthält, jedoch immer dann Relevanz erlangt, wenn zugunsten einzelner Mitglieder Vorzugsrechte begründet werden (2.). Schließlich ist auf die vorwiegend im GmbH-Recht geführte Diskussion zurückzukommen, ob sich zum präventiven Schutz der Außenseiter ein Abhängigkeitsbegründungsverbot aus der mitgliedschaftlichen Treupflicht ableiten lässt (3).79 a) Prinzip der Verbandsautonomie Nach h. M. beinhaltet das Prinzip der Verbandsautonomie nicht nur das Recht eines jeden Verbandes, sich in freier Selbstbestimmung eine eigene Verfassung zu geben, sondern markiert zugleich eine zwingende und somit selbst der Disposition der Mitgliedergesamtheit entzogene Grenze der Satzungsautonomie, die es verhindert, dass die Mitglieder den Verband einer zu starken Fremdbestimmung unterwerfen. 80 Die Bedeutung dieses zweiten, freiheitsbeschränkenden Elements der Verbandsautonomie ist umso größer, je geringer die der Satzungsautonomie durch das geschriebene Recht gesetzten Schranken sind. Während das Prinzip der Verbandsautonomie hiernach in dem durch Satzungsstrenge geprägten Recht der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft kaum eine Rolle spielt, 81 werden seine Auswirkungen im Vereins- und GmbH-Recht intensiv diskutiert. 78 Im Folgenden wird nur noch der Begriff der Verbandsautonomie verwandt, da nicht ersichtlich ist, dass dem Begriff der Vereinsautonomie ein hiervon abweichender Inhalt zugemessen wird. 79 S. bereits oben § 3 B.II.2.a. (S. 43 f.). 80 Zu dieser Dichotomie Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 49 ff.; vgl. auch BVerfGE 83, 341, 358 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 11 ff.; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 40. 81 Zwar ist in der Aktiengesellschaft ein signifikanter Dritteinfluss auf Grundlage des Be-
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Gegenstand der vereinsrechtlichen Diskussion um die Verbandsautonomie ist die Frage, inwieweit es der Mitgliederversammlung gestattet ist, den Verein durch die Einräumung statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter deren Einfluss zu unterstellen. 82 Statutarische Mitwirkungsrechte von Mitgliedern werden demgegenüber nicht erörtert und hiernach offensichtlich als unproblematisch erachtet. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Aussage von Hadding, der im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Zustimmungsrechten Dritter zu Satzungsänderungen meint, man könne der Problematik entgehen, indem der Dritte dem Verein beitritt und sich das Zustimmungsrecht als Sonderrecht im Sinne von § 35 BGB einräumen lässt. 83 Auch im GmbH-Recht beschränkt sich die Diskussion um die Verbandsautonomie von vornherein auf den Dritteinfluss. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass Dritte nicht die gleichen Interessen wie die Gesellschafter verfolgen und ihre Rechtsausübung nicht ausreichend beschränkt und kontrolliert werden könne. 84 Was den Umfang des zulässigen Dritteinflusses anbetrifft, steht die h. M. im Vereinsrecht auf dem Standpunkt, das Prinzip der Verbandsautonomie verbiete es, den Verein einem derart starken Fremdeinfluss zu unterwerfen, dass dieser nicht mehr vornehmlich von der Willensbildung und -betätigung seiner Mitglieder getragen werde. 85 Verbreitet ist auch die Formulierung, der Verein dürfe nicht zur bloßen Verwaltungsstelle oder zu einem bloßen Sondervermögen eines anderen werden. 86 Die Rechtsprechung hatte sich mit dem Prinzip der Verbandsautonomie bisher vor allem im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten Dritter zu befassen. Zustimmungsvorbehalte bezüglich Satzungsänderungen und Auflösungsbeschlüssen wurden hierbei als mit dem Prinzip der Verbandsautonomie vereinbar befunden. 87 Das BVerfG hat sogar die Kumulatiherrschungsvertrags möglich, doch steht dessen Zulässigkeit aufgrund seiner ausdrücklichen Normierung in den §§ 291 ff. AktG außer Frage (den Konfl ikt mit dem Prinzip der Verbandssouveränität aber betonend Mülbert in: Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 27 f.). Im Recht der Genossenschaft existiert eine relevante Ausnahme von der Satzungsstrenge aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 2 S. 2 GenG, wonach Dritten ein Recht zur Berufung der Vorstandsmitglieder eingeräumt werden kann. Da aber die Generalversammlung nach h. M. über eine zwingende Abberufungszuständigkeit verfügt, wird ein solcher Dritteinfluss als unproblematisch erachtet (K. Müller, GenG, § 24 Rn. 27: »erträglich«). 82 Monographisch Steinbeck, Verbandsautonomie und Dritteinfluß, 1999; Wolff; Der drittbestimmte Verein, 2006. 83 Soergel/Hadding, § 33 Rn. 7; ähnlich OLG Köln NJW 1992, 1048, 1049; vgl. auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 148 Fn. 167. 84 Grundlegend Wiedemann, FS Schilling, S. 105,111; hierauf Bezug nehmend Teubner, ZGR 1986, 565, 567; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, S. 112, Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 53 m. w. N. 85 KG OLGZ 1974, 385, 387; BVerfGE 83, 341, 358. 86 BayObLG NJW 1980, 1756, 1757; OLG Köln NJW 1992, 1048; OLG Stuttgart NJWRR 1986, 995, 996; LG Hildesheim NJW 1965, 2400. 87 KG OLGZ 1974, 385, 389; OLG Köln NJW 1992, 1048, 1049 ff.; LG Oldenburg JZ 1992, 250, 251; zustimmend Weick in: Staudinger, § 33 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, § 33 Rn. 2;
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on von Zustimmungsvorbehalten eines Dritten zu Satzungsänderungen, der Auflösung und dem Ausschluss von Mitgliedern für zulässig erachtet. 88 Die Literatur ist demgegenüber tendenziell kritischer und betont, die Zulässigkeit entsprechender Zustimmungsvorbehalte stehe unter dem Vorbehalt, dass diese jederzeit von der Mitgliederversammlung ohne Zustimmung des Dritten beseitigt werden können. 89 Was die Kategorie der Initiativrechte anbetrifft, wurde in mehreren Gerichtsentscheidungen die Vereinbarkeit Dritten gewährter Rechte zur Bestellung von Vorstandsmitgliedern bejaht.90 Die Zulässigkeit von Weisungsrechten gegenüber dem Vereinsvorstand war demgegenüber, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. In der Literatur wird sie unter der Voraussetzung bejaht, dass die Mitgliederversammlung in der Lage ist, das Weisungsrecht jederzeit im Wege der Satzungsänderung zu widerrufen.91 Im nicht vereinsspezifischen, überwiegend auf die GmbH bezogenen Schrifttum wird hinsichtlich der Vereinbarkeit statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter mit dem Prinzip der Verbandsautonomie ein noch strengerer Maßstab angelegt. Überwiegend heißt es, der Dritte müsse strikt in die Organisationsverfassung der Gesellschaft eingebunden und auf deren Interessen ausgerichtet werden.92 Da man hierbei unausgesprochen von einer Gesellschaft mit normtypischem Verbandszweck ausgeht, die den Interessen sämtlicher Gesellschafter dient, impliziert dies der Sache nach ein Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte.93 Einigkeit besteht auch darin, dass Dritten keine unentziehbaren Mitwirkungsrechte eingeräumt werden können. Man streitet lediglich darüber, ob es genügt, dass die Rechtsmacht des Dritten unter Satzungsänderungsvorbehalt
Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 136; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 354 f.; differenzierend Soergel/Hadding, § 33 Rn. 7; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 475 f.; ablehnend Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, 92 ff. 88 BVerfGE 83, 341 ff.; ähnlich OLG Köln NJW 1992, 1048 ff. 89 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 475 ff.; dies., ZHR 157 (1993), 483, 491; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 90 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 341 f.; Soergel/Hadding, § 27 Rn. 7; Flume, BGB AT I/2, S. 191 f. 90 KG OLGZ 1974, 385, 388; OLG Frankfurt OLGZ 1981, 391 f.; OLG Köln NJW 1992, 1049; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 299; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 2091 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 491; Weick in: Staudinger, § 27 Rn. 4; Soergel/Hadding, § 27 Rn. 7; kritisch MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 18 ff. 91 Schaible, Der Gesamtverein, S. 47; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 136 f.; König, Der Verein im Verein, S. 254. 92 Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 15; Teubner, ZGR 1986, 565, 568 ff.; Mülbert in: Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 27; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 17; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 c (S. 87); Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f.; sowie Nachweise Fn. 13. 93 Ausdrücklich Schürnbrand, Organschaft, S. 152 ff., 159.
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steht oder die Gesellschafterversammlung jederzeit in der Lage sein muss, ihn mit einfachem Gesellschafterbeschluss abzuberufen.94 Ausführungen zur Herleitung des Prinzips der Verbandsautonomie sind eher selten.95 Die vereinzelten Erklärungsversuche in der Rechtsprechung stützen sich auf das »Wesen des Vereins«96 sowie eine Art Gesamtanalogie zu den einzelnen Bestimmungen des BGB über die Vereinsverfassung.97 In der vereinsrechtlichen Literatur wird zur Begründung des Prinzips der Verbandsautonomie vor allem auf das Verbot der Selbstentmündigung rekurriert.98 Im GmbHRecht beschränkt man sich überwiegend darauf, die von Wiedemann in einem Festschriftbeitrag aus dem Jahr 1973 aufgestellten Erwägungen zu referieren. Das Prinzip der Verbandsautonomie sei hiernach als Instrument des Selbstschutzes zu verstehen, welches verhindere, dass die Gesellschafter sich des Interessenschutzes begeben.99 Daneben wird auf ein alle Verbände kennzeichnenden »Abschichtungseffekt« verwiesen: Jeder Verband sei auf eine Zentralisation von Vermögen und Organisationsgewalt angelegt. Die Vereinheitlichung des Vermögens dokumentiere sich im gesellschaftlichen Sondervermögen, die Vereinheitlichung der Organisation in der unabhängigen Entscheidungszuständigkeit.100 b) Gleichbehandlungsgrundsatz Sofern einzelnen Mitgliedern statutarische Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, ist dieser Vorgang nach h. M. am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen, welcher als allgemeines Institut privatrechtlicher Personenzusammenschlüsse auch im Vereinsrecht Anwendung findet.101 Auch wenn in diesem Zu94 Abberufbarkeit durch einfachen Beschluss erforderlich: Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1309 ff.; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 17; sowie alle anderen, die die Begründbarkeit statutarischer Drittrechte verneinen (Nachweise Fn. 21); Satzungsänderungskompetenz ausreichend: Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 492 ff.; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 20; Teubner, ZGR 1986, 565, 567 ff.; Michalski/Heyder, GmbHG, § 6 Rn. 60; Bürkle, Rechte Dritter in der Satzung der GmbH, S. 81 ff.; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 117 ff. 95 Umfassende Darstellung bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 114 ff.; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 49 ff.; mit rechtshistorischem Schwerpunkt Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, passim. 96 BayObLG NJW 1980, 1756, 1757; OLG Köln NJW 1992, 1048. 97 Sinngemäß BVerfGE 83, 341, 358 ff.; KG OLGZ 1974, 385, 387. 98 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 476 ff. (»körperschaftliches Selbstbestimmungsrecht«); Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 42 ff. 99 Wiedemann, FS Schilling, S. 105 114; dem folgend Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 54; Teubner, ZGR 1986, 565, 568; Priester, FS Werner, S. 657, 663; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, S. 133. 100 Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 114; dem folgend Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 55; Teubner, ZGR 1986, 565, 568. 101 RGZ 120, 180; BGHZ 55, 381, 385; BVerwG NJW 1987, 1900; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 838; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 35 Rn. 5, § 38 Rn. 21; Schöpfl in in: MünchHdbGesR Bd. V, § 34 Rn. 26; Soergel/Hadding, § 38 Rn. 19; Pa-
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sammenhang meist allein auf die Sonderrechte im Sinne von § 35 BGB eingegangen wird, kann angenommen werden, dass auch Vorzugsrechte von Mitgliedern, die nicht den Status des § 35 BGB aufweisen, d. h. unter gewöhnlichem Satzungsänderungsvorbehalt stehen, vom Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfasst sein sollen. Konsequenz des Eingreifens des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei, dass neben dem begünstigten Mitglied alle benachteiligten Mitglieder der Rechtsbegründung zustimmen müssen.102 Eine abweichende Auffassung wird von Reuter vertreten, der meint, der Gleichbehandlungsgrundsatz finde als Schranke der Mehrheitsherrschaft über die Satzung nur bei Vereinen mit Monopolstellung (»Vereine ohne Aufnahmefreiheit«) Anwendung. Im Übrigen bedürfe es des Schutzes durch das Gleichbehandlungsgebot nicht, da das jederzeitige Austrittsrecht der Minderheit ausreichend Schutz biete und zugleich der Mehrheit einen Zwang zur Rücksichtnahme auferlege. Hierin sieht Reuter den entscheidenden Unterschied zu den Kapitalgesellschaften, wo das Austrittsrecht der Gesellschafter in ein Recht zur Veräußerung der Mitgliedschaft abgeschwächt sei. Vorbehaltlich § 138 BGB sei nicht ersichtlich »weshalb die Mehrheit in einem privaten Kegelclub gehindert werden sollte, ihre Vorteile zu kultivieren, indem sie zum Beispiel von Frauen den doppelten Beitrag verlangt, weil ›Frauen beim Kegeln nerven‹.«103 c) Treupfl ichtbasiertes Abhängigkeitsbegründungsverbot Wie bereits im Grundlagenteil angedeutet, vertritt im Recht der GmbH eine starke Literaturmeinung die Auffassung, dass bei der »personalistischen« GmbH ein ungeschriebenes Abhängigkeitsbegründungsverbot bestehe.104 Im Unterschied zu der an das Prinzip der Verbandsautonomie geknüpften Diskussion ist der Fokus insoweit aber nicht auf die Begründung statutarischer (Dritt-)Rechte, sondern die Erlangung herrschenden Einflusses eines Gesellschafters im Wege des Anteilserwerbs gerichtet. Das Abhängigkeitsbegründungsverbot wird hiernach als Verpflichtung der Gesellschafter verstanden, alles zu unterlassen, was die Selbstständigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen könnte. Verboten soll hiernach sowohl der Erwerb eigenen herrschenden Einflusses als auch die Unterstützung eines anderen hierbei im Wege der Anteilsveräußerung sein.105
landt/Ellenberger, § 35 Rn. 3; Weick in: Staudinger, § 35 Rn. 8; Lettl, AcP 203 (2003), 149, 189. 102 Statt vieler Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 35 Rn. 5. 103 MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rn. 20, § 35 Rn. 6. 104 Nachweise (auch der Gegenauffassung) in § 3 Fn. 119. 105 Da die h. M. den Unternehmensbegriff als Voraussetzung der Abhängigkeitslage versteht, soll das Abhängigkeitsbegründungsverbot zudem verhindern, dass ein Mehrheitsgesellschafter eine andere unternehmerische Tätigkeit aufnimmt (vgl. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 41).
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Die Rechtsgrundlage des Abhängigkeitsbegründungsverbots wird überwiegend in der mitgliedschaftlichen Treupflicht gesehen.106 Auseinander gehen die Meinungen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen das Abhängigkeitsbegründungsverbot überwunden werden kann. Einigkeit besteht lediglich im Ausgangspunkt darin, dass ein Dispens durch Beschluss der Gesellschafterversammlung möglich ist. Welche Mehrheitsanforderungen hierbei zu beachten sind, wird indes uneinheitlich beurteilt. Während manche Einstimmigkeit verlangen,107 geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass die Zustimmung einer qualifizierten108 oder sogar einfachen Mehrheit109 genügt. Innerhalb der für das Mehrheitserfordernis plädierenden Auffassung ist streitig, ob der potentiell herrschende Gesellschafter hierbei mitstimmen darf oder gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen ist.110 Inwiefern die im Kapitalgesellschaftsrecht entwickelten Erkenntnisse auf den Verein übertragen werden können, wurde bisher lediglich vereinzelt diskutiert. Sprengel111 vertritt insoweit die Auffassung, die Abhängigkeitsbegründung bedürfe in jedem Fall, d. h. auch wenn sie nicht im Wege der Satzungsänderung erfolgt, der Zustimmung der Mitgliederversammlung. Für die reine Abhängigkeitsbegründung will er hierbei die einfache Mehrheit genügen lassen, während im Fall der faktischen Konzernierung ein qualifiziertes Zustimmungserfordernis zu verlangen sei.112 2. Ablehnung der Disposition der Mitgliedergesamtheit entzogener Zulässigkeitsschranken a) Fehlende Legitimation des Prinzips der Verbandsautonomie Bei der Auseinandersetzung mit dem Prinzip der Verbandsautonomie ist speziell im vereinsrechtlichen Kontext zu beachten, dass sich die von der h. M. propagierte Einschränkung der Satzungsautonomie über den Wortlaut des § 40 BGB hinwegsetzt und hiernach auf dessen teleologische Reduktion hinausläuft. 106 Eingehend Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 260 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, S. 125 f.; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang Konzernrecht Rn. 57; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 77, 96, der hierbei aber die Ableitung der Treupfl icht aus dem Verbandszweck betont. A. A. Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, S. 207 ff., der von einer auf § 50 Abs. 1 GmbHG gestützten Vorlagepflicht ausgeht. 107 Sonntag, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, S. 103. 108 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 64; Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, S. 126; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang Konzernrecht Rn. 57. 109 Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 275 ff.; ders., MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 266 ff. 110 Für den Ausschluss Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 281 ff.; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, S. 173 ff.; a. A. Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 274 unter Aufgabe seiner früheren Auffassung. 111 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 227 ff. 112 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 230 f.
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Die Argumentationslast liegt daher bei der h. M. Die kritische Auseinandersetzung mit den zur Begründung des Prinzips der Verbandsautonomie vorgetragenen Erwägungen zeigt, dass sie ihr nicht gerecht wird. Nicht überzeugend ist zunächst einmal der in der vereinsrechtlichen Rechtsprechung verbreitete Hinweis auf das Wesen des Vereins. Denn das Wesen des Vereins wird durch dessen gesetzlich vorgegebenes Normalstatut geprägt. Da es bei der Bestimmung der Reichweite der Satzungsautonomie aber gerade um die Frage geht, inwieweit der Satzungsgeber vom Normalstatut abweichen darf, führt dieser Gedanke ersichtlich nicht weiter.113 Gleiches gilt für den Versuch, das Prinzip der Verbandsautonomie aus der Gesamtheit der Vorschriften herzuleiten, die die Organisation des Vereins und die Wahrnehmung der Vereinsangelegenheiten auf den Willen der Vereinsmitglieder zurückführen, da sich auch dies in dem Verweis auf das Normalstatut erschöpft. Nur auf den ersten Blick Erfolg versprechender ist der Hinweis auf den Aspekt der Selbstentmündigung. Eine mögliche Selbstentmündigung des Vereins erscheint schon deshalb irrelevant, weil der Gedanke der Selbstentmündigung auf natürliche Personen zugeschnitten ist und für Verbände, die über kein gegenüber den in ihnen gebündelten Interessen losgelöstes Eigeninteresse verfügen, nicht passt.114 Relevant wäre hiernach allenfalls eine Selbstentmündigung der Mitglieder selbst. Da sich die diesen aufgrund des Dritteinflusses drohende Fremdbestimmung jedoch auf einen Teilbereich ihres Lebens beschränkt und sie sich ihr regelmäßig ohne existenzbedrohende wirtschaftliche Verluste im Wege des Austritts entziehen können, liegt auch insoweit keine Belastung vor, die auch nur annähernd an die übrigen im Rahmen von § 138 BGB als relevant anerkannten Freiheitsbeschränkungen heranreichen würde.115 Nicht zu überzeugen vermögen auch die aus der GmbH-rechtlichen Diskussion stammenden Begründungsversuche. Was zunächst den zentralen Aspekt des Selbstschutzes der Gesellschafter vor Fremdbestimmung anbetrifft, ist dieser von vornherein ungeeignet, Beschränkungen zu begründen, die der Disposition der Gesellschaftergesamtheit entzogen sind.116 Etwas anderes würde nur gelten, wenn man den Selbstschutz wiederum auf den Aspekt der Selbstent113 Gegen das Wesensargument auch Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 470; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 51; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, S. 151; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 114 ff.; grundlegend zum Wesensargument Scheuerle, AcP 163 (196), 429 ff. 114 Ähnlich Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 114; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 149 f.; nicht überzeugend Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 473 ff., die demgegenüber ohne Begründung von einem »körperschaftlichen Selbstbestimmungsrecht« ausgehen. 115 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 147 ff.; vgl. auch MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 166 hinsichtlich der vertraglichen Konzernierung von Personengesellschaften: »Es besteht kein Anlass für einen paternalistischen Schutz [der] Gesellschafter vor sich selbst [. . .]«. 116 Ob Wiedemann selbst das Prinzip der Verbandsautonomie als zwingende Schranke der Satzungsautonomie versteht, erscheint zweifelhaft. Immerhin spricht er an einer Stelle aus-
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mündigung zurückführen wollte, doch wurde bereits ausgeführt, dass ein solcher Erklärungsansatz nicht trägt. Ebenso wenig überzeugend ist die Deutung des Prinzips der Verbandsautonomie als Korrelat der rechtlichen Verselbstständigung des Verbandsvermögens, da es sich insoweit letztlich um nicht mehr als eine unbelegte Behauptung handelt. Gegen die Anerkennung eines der Disposition der Mitgliedergesamtheit entzogenen Prinzips der Verbandsautonomie spricht auch, dass sie im Widerspruch zu der im Aktienrecht ausdrücklich eröffneten Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags steht (§ 291 Abs. 1, 1. Alt. AktG).117 Bei dem dem anderen Vertragsteil auf dessen Grundlage zustehenden Weisungsrecht, welches sogar die nachteilige Einwirkung auf die Aktiengesellschaft ermöglicht (§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG), handelt es sich um nichts anderes als ein für die Vertragsdauer unentziehbares und eigennütziges Mitwirkungsrecht. Da es sich beim anderen Vertragsteil nicht um ein Mitglied handeln muss, kann Inhaber dieses Mitwirkungsrechts auch ein Dritter sein. Der Einwand, darin bestehe deshalb kein Widerspruch, weil die zulässige Konzerneingliederung »stets zur Auflösung des Verbandes«118 führe, beruht auf einer offensichtlichen Überinterpretation der Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der §§ 304 f. AktG. Selbst wenn man die außenstehenden Aktionäre aufgrund ihres Ausscheidens bzw. ihrer Verrentung vollständig ausblenden wollte, lässt sich die Wirkung des Beherrschungsvertrags nicht mit der Auflösung vergleichen. Ebensowenig überzeugend ist der Hinweis auf den angeblichen Ausnahmecharakter konzernrechtlicher Tatbestände.119 Denn er passt nicht recht zu der weitgehend akzeptierten Erkenntnis, dass auch unabhängig von der Anwendung des § 291 Abs. 1, 1. Alt. AktG die Möglichkeit besteht, Verbände mit einem dienenden, d. h. auf die Interessen eines Dritten ausgerichteten Verbandszweck zu versehen.120 Können Verbände ihren Zweck und ihre Willensbildung vollständig auf einen Dritten ausrichten, liegt die Annahme drücklich von einer »variable[n] Schranke der Privatautonomie« Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 114. 117 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 156 f.; ähnlich Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 55 f. 118 Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 118. 119 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 52; Mülbert in: Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 27; der Sache nach auch Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, S. 113. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 (S. 83) löst den Widerspruch zwischen den konzernrechtlichen Beherrschungsmöglichkeiten und dem Prinzip der Verbandsautonomie dadurch, dass er Letzteres auf ein Prinzip der Satzungsautonomie reduziert. 120 Mülbert, FS Lutter, S. 535, 543 ff.; Köster, Ziele der Aktiengesellschaft in Europa, S. 229 ff.; Timmann, Die Durchsetzung von Konzerninteressen, S. 102 ff.; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 232 f.; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 12, Anh. § 318 Rn. 9; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 65 (»Die Zulässigkeit gesellschaftsschädlicher fremdnütziger Weisungen kann in der Satzung direkt ausgesprochen werden«); für die Personengesellschaft MünchKommHGB/Mülbert, Rn. 135; Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 16 f.; Kleindiek,
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nahe, dass es ihnen auch möglich sein muss, Dritten eigennützige Mitwirkungsrechte zu gewähren und auf diese Weise den bisherigen Verbandszweck partiell zu überlagern. Bestätigung findet der hiesige Standpunkt, dass dem Prinzip der Verbandsautonomie neben dem zur Disposition der Mitgliedergesamtheit stehenden Verbandszweck keine eigenständige Bedeutung zukommt, in der Bahá’íEntscheidung des BVerfG, in der die Richter der Sache nach einen Verstoß der streitgegenständlichen Mitwirkungsrechte gegen das Prinzip der Verbandsautonomie mit dem Hinweis auf ihre Verbandszweckkonformität verneint haben. Speziell im Zusammenhang mit dem Recht eines Dritten zur Bestimmung von Mitgliedern heißt es: »[Diese] Art der Begründung der Mitgliedschaft [steht] mit dem Zweck des Vereins, als hierarchische Leitungsinstanz die Angelegenheiten der örtlichen Bahá’í-Gemeinde zu verwalten [. . .], in Einklang und dient gerade seiner Verwirklichung.«121 b) Irrelevanz von Gläubigerinteressen (1) Kein Abhängigkeitsbegründungsverbot im Gläubigerinteresse Konsequent wäre die Annahme eines zwingenden Abhängigkeitsbegründungsverbots, wenn man davon ausginge, dass dieses neben dem Schutz der außenstehenden Mitglieder auch dem Gläubigerschutz dient. Auf Grundlage der tradierten Sichtweise, wonach der Eintritt der Abhängigkeitslage für die Gläubiger besondere Risiken birgt, erscheint eine solche Überlegung geradezu zwingend, und es verwundert, dass sie in der Diskussion um die Konzerneingangskontrolle, soweit ersichtlich, keine Rolle spielt. Im Ergebnis erweist sich die Nichtberücksichtigung von Gläubigerinteressen jedoch als zutreffend. Wie nämlich im Grundlagenteil ausgeführt, hat die Abhängigkeitsbegründung keine signifikanten Auswirkungen auf die Gläubiger.122 Die Begründung eines zwingenden Abhängigkeitsbegründungsverbots mit dem Aspekt des Gläubigerschutzes kommt daher nicht in Betracht. (2) Kein Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte im Gläubigerinteresse Eine andere Überlegung könnte lauten, im Gläubigerinteresse zumindest eigennützige Mitwirkungsrechte123 zu verbieten.124 Hierfür spricht auf den ersten Blick, dass solche Mitwirkungsrechte tendenziell geeignet sind, ihrem Inhaber den Entzug von Verbandsvermögen zu ermöglichen und auf diese Weise das den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungssubstrat zu schmälern. DemgeStrukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, S. 73 f.; Tröger in: Handbuch der Personengesellschaften, Rz. I 4084; a. A. Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 300 ff. 121 BVerfGE 83, 341, 361. 122 S. o. § 3 B.II.1.b.(2) (S. 41 f.). 123 Zum Begriffsverständnis oben A.II.1.b. (S. 247 f.). 124 In etwas anderem Zusammenhang Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 141 f.
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genüber scheint die konsequente Ausrichtung der Willensbildung auf das auf Grundlage eines normtypischen Formalziels bestehende Verbandsinteresse das Verbandsvermögen zu schützen und hiernach reflexartig auch den Gläubigern zugute zu kommen. Aber auch diese Überlegungen, die der Sache nach darauf hinauslaufen, dem normtypischen Formalziel gläubigerschützende Funktion beizumessen,125 vermögen letztlich nicht zu überzeugen. Zwar greift es offensichtlich zu kurz, die Relevanz entsprechender Erwägungen für den Verein damit in Abrede zu stellen, dass das Vereinsrecht kein Mindestkapital vorsieht und Gläubiger daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Verein über eine bestimmte Haftungsmasse verfügt.126 Auch die Gläubiger des Vereins können sich darauf verlassen, dass der Verein das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Fremdkapital nicht anderweitig verwendet.127 Entscheidend ist aber, dass die Bindung an das normtypische Formalziel als Instrument des Gläubigerschutzes von vornherein ungeeignet ist. Denn die normtypischen Formalziele sämtlicher Verbände beinhalten neben dem Element der Wertschöpfung immer auch das Element der Wertverteilung, welches offenkundig mit dem auf die Erhaltung des Verbandsvermögens gerichteten Interesse der Gläubiger konfligiert.128 Formalzielkonformes Verhalten stellt daher in keinster Weise den Schutz der Gläubiger sicher. Evident ist dies im Fall der Kapitalgesellschaften, die bestimmungsgemäß dazu dienen, Vermögen an ihre Mitglieder auszuschütten.129 Gleiches gilt aber auch für den Verein, der normtypisch zwar keine Ausschüttungen an die Mitglieder vorsieht, gleichwohl aber darauf gerichtet ist, das Vereinsvermögen zur Zweckverfolgung zu »verbrauchen«. Die Überlegungen zeigen, dass sich Gläubigerschutz sinnvollerweise nur durch Ausschüttungsverbote oder allgemeiner: Zugriffsverbote bewirken lässt, die das Verbandsvermögen in einem bestimmten Umfang vor dem Zugriff der Mitglieder – aber auch dem der mit Mitwirkungsrechten ausgestatteter Dritter – bewahren und unabhängig davon eingreifen, ob der Zugriff formalzielwidrig oder formalzielkonform ist. Eben dies ist der Ansatz nicht nur des Kapitalerhaltungsrechts der §§ 57, 58, 60 AktG, 30, 31 GmbHG, sondern auch des rechtsformübergreifend für Vereine und Handelsvereine Geltung beanspruchenden Existenzvernichtungsverbots, bei dem es sich der Sache nach um ein Zugriffsverbot auf das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögen (Fremdkapital) handelt. Erfolgt aber der Gläubigerschutz ohnehin formalzielunabhängig, 125 So der Ansatz von Grigoleit, Gesellschafterhaftung, passim; tendenziell auch Schön, ZGR 1996, 429, 455. 126 So aber Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 141 f. 127 Ausführlich § 12 C. (S. 357 ff.). 128 Zu den Bestandteilen des Formalziels § 3 B.I.2.a. (S. 31 ff.). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung mit Grigoleit in § 11 D.V.1.b. (S. 313 ff.). 129 Ähnliche Argumentation bei Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 64 f.
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wird er nicht dadurch beeinträchtigt, dass ein Verband sein Formalziel auf die Interessen eines einzelnen Mitglieds oder eines Dritten ausrichtet und diesem eigennützige Mitwirkungsrechte einräumt.130 3. Gleichbehandlungsgrundsatz als nicht abhängigkeitsspezifische Zulässigkeitsschranke bei der Begründung von Vorzugsrechten In Übereinstimmung mit der h. M. ist davon auszugehen, dass die Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte von Mitgliedern am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen ist, sofern es sich bei ihnen um Vorzugsrechte handelt.131 Der gegen die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerichteten Argumentation von Reuter kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz die ungleiche Zuteilung von Rechten und Pflichten in Satzungen nicht verbietet.132 Voraussetzung der Zulässigkeit einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist jedoch, dass ihr die benachteiligten Mitglieder zugestimmt haben. Wenn Reuter meint, die Mitglieder eines Vereins seien gegenüber der gegen ihren Willen vorgenommenen Benachteiligung weniger schützenswert als die Mitglieder von Handelsvereinen, so ist dies nicht plausibel. Denn auch wenn Vereinsmitgliedern gewöhnlich keine Vermögensrechte zustehen, dient das Vereinsvermögen ihrer Interessenverfolgung. Es trifft daher – wie Reuter selbst in anderem Zusammenhang betont133 – nicht zu, dass das kompensationslose Ausscheiden aus dem Verein für sie nicht mit Nachteilen verbunden ist.134 Um das von Reuter angesprochene Beispiel des 130 Gegen diese Argumentation mag man einwenden wollen, der dem Gläubigerschutz dienende Erhalt des Gesellschaftsvermögens sei am effektivsten auf Grundlage einer klaren Trennung zwischen der Wertschöpfung und der Wertverteilung zu bewerkstelligen (zu den Grundlagen oben § 3 B.I.2.a). Als ideal erweist sich hiernach das normtypische Gewinnziel der Kapitalgesellschaften, bei dessen strikter Einhaltung sich die Aufgabe des Gläubigerschutzes darauf beschränkt sicherzustellen, dass ausschließlich Gewinnbestandteile ausgeschüttet werden. Demgegenüber sind sämtliche Abweichungen vom Gewinnziel einschließlich der Gewährung hierauf Bezug nehmender Mitwirkungsrechte (Bsp. § 291 Abs. 1. Alt. AktG) nachteilhaft, weil sie die Gefahr begründen, dass die Wertschöpfung nicht mehr rein verbandsintern erfolgt, sondern sich mit der Wertverteilung vermischt und dadurch schwerer zu kontrollieren ist (Bsp. Verfolgung von Konzern- oder Allgemeinwohlinteressen). De lege lata sind diese Überlegungen aber weder für die Kapitalgesellschaften und erst recht nicht für den Verein von Bedeutung. Im Fall der Kapitalgesellschaften gilt dies, weil sowohl die AG (statt vieler Timmann, Die Durchsetzung von Konzerninteressen, S. 109 ff.) als auch die GmbH (§ 1 GmbHG) zweckoffen konzipiert, d. h. nicht auf ein reines Gewinnziel festgelegt sind. Im Fall des Vereins folgt dies daraus, dass dessen normtypischer Verbandszweck auf ein reines Naturalziel gerichtet und bei der Verfolgung von Naturalzielen die Vermischung von Wertschöpfung und Wertverteilung zwar nicht zwingend, wohl aber typisch ist (siehe auch § 3 B.I.2.a. = S. 31 ff.). 131 Zur Unterscheidung von Sonderrechten i. S. d. § 35 BGB oben B.II.1.b. (S. 265 f.). 132 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 4 b aa (S. 463). 133 MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 16 gegen Hemmerich, Wirtschaftliche Betätigung, S. 50. 134 S. o. § 5 B.I.3. (S. 144 f.).
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Kegelklubs aufzugreifen, ist es nicht akzeptabel, Mitglieder, die möglicherweise mehrere Jahre zur Finanzierung einer vereinseigenen Kegelbahn beigetragen haben, darauf zu verweisen, sie könnten Diskriminierungen jederzeit im Wege des Vereinsaustritts entgehen. Zu Recht wird das Fehlen eines gesetzlich vorgesehenen Abfindungsanspruchs auch als eine im Vergleich zu den Handelsvereinen bestehende Schwäche des vereinsrechtlichen Minderheitenschutzes angesehen.135 Insoweit ist auch die Perspektive der Mehrheit zu berücksichtigen, die wegen des Fehlens eines Abfindungsanspruchs nicht befürchten muss, dass die Unzufriedenheit der Minderheit zu einem Abzug sachlicher Ressourcen führt. Woraus der von Reuter angenommene »Zwang[s] [der Mehrheit] zur Rücksichtnahme«136 folgen sollte, ist unklar.137 Auch im Vereinsrecht hat der Gleichbehandlungsgrundsatz daher seine uneingeschränkte Berechtigung. Hinsichtlich der Konsequenzen der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist zu differenzieren. Besteht ein sachlicher Grund für die Begründung von Vorzugsrechten, greift das Gleichbehandlungsgebot nicht.138 So kann beispielsweise ein Mehrfachstimmrecht gerechtfertigt sein, wenn es an die Dauer der Zugehörigkeit im Verein oder die Höhe des Mitgliedsbeitrags gekoppelt wird.139 Fehlt es an einem sachlichen Grund, bedarf die Begründung des Vorzugsrechts der Zustimmung sämtlicher benachteiligten Mitglieder. Da der Gleichbehandlungsgrundsatz nur Ungleichbehandlungen zwischen Gesellschaftern erfasst,140 spielt er bei der Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte Dritter keine Rolle. 4. Verbandszweck als maßgebliche Schranke der Abhängigkeitsbegründung Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf statutarische Mitwirkungsrechte von Mitgliedern bedeutet, dass dieser sowohl hinsichtlich der Abhängigkeitsbegründung durch statutarische Mitwirkungsrechte Dritter als auch der Abhängigkeitsbegründung auf Grundlage des Normalstatuts keinen Schutz bietet. Im Folgenden wird dargelegt, dass diese Schutzlücken durch ein Verbot der Abhängigkeitsbegründung und ein Verbot der Begründung eigennütziger Mitwirkungsrechte geschlossen werden (a), welche beide aus dem Verbandszweck, verstanden als die gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 135 Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 37 f.; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1058; MünchKommBGB/ ders., §§ 21, 22 Rn. 13; Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein, S. 91 ff.; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 63. Hierzu bereits oben § 5 B.I.3. (S. 144 ff.). 136 MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rn. 20. 137 Vgl. auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 274 f. 138 Ausführlich zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen im Recht der Kapitalgesellschaften Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 252 ff. 139 Soergel/Hadding, § 32 Rn. 22. 140 Statt vieler MünchKommAktG/Bungeroth, § 53a Rn. 6; GroßKommAktG/Henze/ Notz, § 53a Rn. 39; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 244 m. w. N.
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BGB dem Mehrheitsprinzip entzogene Geschäftsgrundlage, abzuleiten sind. Im Anschluss daran gilt es zu erörtern, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Verbote überwunden werden können (b) und ob die Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte ihren Inhaber zum Organ(träger) macht (c). Abschließend ist zu untersuchen, welche Konsequenzen es hat, wenn gegen die aus dem Verbandszweck abzuleitenden Verbote verstoßen wird (d). a) Aus dem normtypischen Verbandszweck abzuleitende Schranken (1) Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan als Grundlage eines Abhängigkeitsbegründungsverbots Gemäß der Feststellungen im Grundlagenteil umfasst der von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB geschützte Verbandszweck neben dem Formalziel auch die die Willensbildung betreffende Vorgabe, dass es sich bei der Mitgliedervertretung um das oberste Willensbildungsorgan handeln muss.141 Das einzelne Vereinsmitglied braucht hiernach nicht damit zu rechnen, dass die Mitgliederversammlung gegen seinen Willen »entmachtet« und auf diese Weise mittelbar sein Recht auf Entscheidungsteilhabe entwertet wird. Akzeptiert man diesen Ausgangspunkt, liegt die Ableitung eines Abhängigkeitsbegründungsverbots aus dem Verbandszweck nahe. Denn die Vorrangstellung der Mitgliederversammlung ist nur dann gewahrt, wenn ihr neben der Satzungshoheit auch der entscheidende Einfluss im Bereich der unmittelbar der Zweckverfolgung dienenden Geschäftsführungsangelegenheiten zusteht. Verfügt ein einzelnes Mitglied oder ein Dritter über herrschenden Einfluss, liegt diese Voraussetzungen nicht vor, da dieser Einfluss den der Mitgliederversammlung verdrängt. Zweifel an der Deduzierbarkeit des Abhängigkeitsbegründungsverbots aus der Vorrangstellung der Mitgliederversammlung können allenfalls bezüglich der Konstellationen bestehen, in denen der herrschende Einfluss auf der Personalentscheidungsgewalt beruht. Denn die Besonderheit dieser Konstellation besteht darin, dass die Personalentscheidungsgewalt zwar die Möglichkeit der Einflussnahme auf Geschäftsführungsangelegenheiten eröffnet, ohne sie aber zu legitimieren.142 Anders als der Inhaber eines Weisungsrechts, dessen Gewährung die Zulässigkeit der Einflussnahme impliziert, handelt der Inhaber der Personalentscheidungsgewalt daher grundsätzlich rechtswidrig, wenn er diese ausnutzt, um die Geschäftsleitung zu bestimmten Maßnahmen zu veranlassen. Die betroffenen Mitglieder haben die Möglichkeit, sich der Externalisierung von Entscheidungsprozessen durch Unterlassungsansprüche zu erwehren.143 In
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§ 3 B.I.2.b. (S. 134 ff.). Etwas anderes würde nur in dem theoretischen Fall gelten, dass die Satzung durch ausdrückliche Legitimation der Ausübung des herrschenden Einflusses ein den §§ 311 ff. AktG vergleichbares Regelungsregime installiert. 143 Zu diesem Unterlassungsanspruch § 11 C. (S. 298 ff.). 142
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rechtlicher Hinsicht bleibt die Vorrangstellung der Mitgliederversammlung hiernach unangetastet.144 Doch erscheint auch die faktische Möglichkeit, die Vorrangstellung der Mitgliederversammlung zu verdrängen, mit der durch § 33 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Geschäftsgrundlage unvereinbar.145 Denn realistischerweise lässt sich die Ausnutzung der durch die Personalentscheidungsgewalt eröffneten Einflussmöglichkeiten nicht vermeiden. Die konsequente Verhinderung der Umgehung der Mitgliederversammlung scheitert meist bereits daran, dass die Zuständigkeitsverstöße üblicherweise im Verborgenen stattfinden und somit gar nicht zur Kenntnis der betroffenen Mitglieder gelangen. Hinzukommt, dass die Kontrolle der Zuständigkeitsordnung (einschließlich die der Einhaltung des Formalziels) einen erheblichen Einsatz voraussetzt, welcher nicht entgolten wird. Dass die betroffenen Mitglieder hiernach der Sache nach gezwungen werden, ihre Ressourcen statt in die gemeinsame Zweckverfolgung in Maßnahmen zur Einhaltung der Verbandsverfassung zu investieren, stellt die Leitidee des Zusammenschlusses auf den Kopf, und lässt es erforderlich erscheinen, die Rechtmäßigkeit der Entstehung herrschenden Einflusses von der Zustimmung sämtlicher Mitglieder abhängig zu machen.146 Das zuvor Gesagte gilt auch für den Fall, dass die Personalentscheidungsgewalt ihre Grundlage nicht in einem statutarischen Bestellungsrecht, sondern der Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung hat. Zwar ist insoweit zu betonen, dass die Stimmenmehrheit als solche die Vorrangstellung der Mitgliederversammlung nicht beeinträchtigt, da sie nur deren internen Willensbildungsprozess betrifft. Dass hierbei eine sich aus welchen Gründen auch immer bildende Mehrheit diesen Prozess beherrscht, ist dem Mehrheitsprinzip immanent und als solches nicht zu beanstanden. Entscheidend ist aber, dass die gesicherte Stimmenmehrheit in der Hand eines Einzelnen diesem die faktische Personalentscheidungsgewalt vermittelt und auf diese Weise die Möglichkeit eröffnet, unter Umgehung der Mitgliederversammlung auf die Geschäftsleitung einzuwirken. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass für den Verein ein aus dem normtypischen Verbandszweck abzuleitendes ungeschriebenes Abhängigkeitsbegründungsverbot anzuerkennen ist. Der hiesige Standpunkt stimmt hiernach im Grundsätzlichen mit demjenigen überein, der von Teilen der Literatur unter Berufung auf die Treupflicht für die GmbH vertreten wird. Anders als dort ist
144 MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 123 (in Bezug auf die Personengesellschaft): »[. . .] lässt den gesetzestypischen Verbandszweck rechtlich unberührt.« 145 A. A. für die Personengesellschaft MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 123. 146 Vgl. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 62: »[In] einer geschlossenen Gesellschaft widerspricht ein ständiger Abwehrkampf dem Wesen des Zusammenschlusses«; ähnlich Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 263.
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jedoch keine Veranlassung ersichtlich, das Abhängigkeitsbegründungsverbot auf Vereine mit einer bestimmten Realstruktur zu beschränken.147 Was die Wirkungsweise des Abhängigkeitsbegründungsverbots anbetrifft, ist zu differenzieren. Mit Blick auf die Abhängigkeitsbegründung auf Grundlage des Normalstatuts folgt aus dem Verbot, dass es Mitgliedern verwehrt ist, einem anderen Mitglied oder einem Dritten Zugriff auf ihr Stimmrecht zu gewähren, wenn dies diesem die Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung verschafft. Etwas diffiziler liegen die Dinge bezüglich der statutarischen Abhängigkeitsbegründung. Hier führt das Abhängigkeitsbegründungsverbot im Ergebnis dazu, dass abhängigkeitsbegründende Mitwirkungsrechte nur unter Wahrung der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB und somit mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder eingeräumt werden können. Ob in diesem Zusammenhang der Begriff des »Verbots« der Wirkungsweise des Verbandszwecks tatsächlich gerecht wird, hängt davon ab, in welchem Verhältnis dieser zu den übrigen Regelungen der Satzung steht. Hierauf ist zurückzukommen.148 (2) Normtypisches Formalziel als Grundlage eines Verbots eigennütziger Mitwirkungsrechte Neben der Stellung der Mitgliederversammlung als oberstem Willensbildungsorgan ist auch das normtypische Formalziel als zweites Teilelement des Verbandszwecks im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB im Zusammenhang mit der Abhängigkeitsbegründung relevant. Zwar enthält es als inhaltlicher Maßstab der Verbandstätigkeit keine Vorgaben bezüglich der die Willensbildung betreffenden Abhängigkeitsbegründung selbst. Es verbietet jedoch, Mitgliedern oder Dritten eigennützige Mitwirkungsrechte einzuräumen.149 b) Überwindbarkeit der aus dem Verbandszweck abzuleitenden Schranken Die aus dem Verbandszweck abzuleitenden Schranken sind im Gegensatz zu denen, die die h. M. dem Prinzip der Verbandsautonomie entnimmt, grundsätzlich überwindbar, da der Verbandszweck zur Disposition der Mitgliederge147 Auch für die GmbH ist die Beschränkung des Abhängigkeitsbegründungsverbots auf personalistisch geprägte Gesellschaften nicht frei von Zweifeln. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Erstreckung des Abhängigkeitsbegründungsverbots auf kapitalistisch strukturierte Gesellschaften gepaart mit dem hiesigen Standpunkt, wonach das Abhängigkeitsbegründungsverbot nur mit Zustimmung aller Gesellschafter überwunden werden kann (sogleich unter c), zu erheblichen Blockademöglichkeiten führt, erscheint sie sachgerecht, da es den Parteien bei der Gründung ohne weiteres möglich ist, die »Konzernoffenheit« in der Satzung explizit oder implizit zum Ausdruck zu bringen (vgl. auch Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 264). Letzteres ist selbstverständlich der Fall, wenn die Gesellschaft bereits bei der Gründung über einen Mehrheitsgesellschafter verfügt. 148 Sogleich unter c.(2). 149 Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob das Mitwirkungsrecht hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Willensbildung intensiv genug ist, herrschenden Einfluss zu begründen.
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samtheit steht. Das gilt sowohl für die Gründung, bei der die »Überwindung« der Sache nach darin besteht, dass erst gar kein normtypischer Verbandszweck vereinbart wird, als auch die nachträgliche Überwindung im Wege der Zweckänderung (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). (1) Einfacher und qualifizierter Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot Unproblematisch zu bejahen ist die Möglichkeit des Dispenses vom Abhängigkeitsbegründungsverbot. Diesbezüglich besteht auch bei den Vertretern eines entsprechenden Verbotes im Recht der GmbH Einigkeit.150 Aufgrund der Ableitung des Abhängigkeitsbegründungsverbots aus dem Verbandszweck im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB folgt, dass der Dispens jedoch entgegen der für die GmbH vorherrschenden und vereinzelt auch für den Verein vertretenen Meinung151 nicht durch Mehrheitsbeschluss erteilt werden kann, sondern der Zustimmung sämtlicher Mitglieder bedarf. Grundlage ist die Einschätzung, dass die Vorrangstellung der Mitgliederversammlung nach dem mutmaßlichen Willen der Gründer eines normtypischen Vereins dem Mehrheitsprinzip entzogen sein soll. Denkbar wäre allenfalls, § 293 Abs. 1 AktG, der im Aktienrecht als lex spezialis § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zumindest partiell verdrängt,152 analog anzuwenden und die qualifizierte Mehrheit genügen zu lassen. Doch fehlt es an den Voraussetzungen einer entsprechenden Analogie. Zum einen betrifft § 293 Abs. 1 AktG Konstellationen, in denen eine Abhängigkeitslage typischerweise bereits besteht.153 Zum anderen liegen dem Dispens vom Einstimmigkeitserfordernis im Fall der Aktiengesellschaft und der damit verbundenen Privilegierung von Unternehmensverträgen offensichtlich ökonomische Erwägungen zu Grunde, die sich auf den Verein, welcher nicht für die wirtschaftliche Betätigung konzipiert wurde, nicht übertragen lassen.154 Entsprechend der vorangegangenen Differenzierung hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Abhängigkeitsbegründungsverbots gilt es zwei unterschiedliche Formen des Dispenses zu unterscheiden. Der einfache Dispens erschöpft sich darin, dem Betroffenen die Erlangung einer Rechtsposition zu gestatten (Zugriff auf die Stimmenmehrheit) bzw. eine Rechtsposition zu schaffen 150
Nachweise Fn. 107–109. Nachweis Fn. 112. 152 Ausführlich Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 150 ff. m. w. N. 153 Oben § 3 A.II.1. (S. 19 f.). 154 A. A. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 222 ff., 226, der grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit für ausreichend erachtet, hierbei aber unzutreffend davon ausgeht, dass der Verbandszweck regelmäßig nicht betroffen ist. Zur Paralleldiskussion bezüglich der GmbH und der Personengesellschaft, wo die h. M. ebenfalls einen einstimmigen Zustimmungsbeschluss verlangt, Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 711 ff. bzw. Tröger in: Handbuch der Personengesellschaften, Rz. I 4085 jeweils m. w. N. 151
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(Mehrheitsstimmrecht, statutarisches Bestellungsrecht), die diesem die faktische Möglichkeit eröffnet, unter Umgehung der Mitgliederversammlung auf die Willensbildung der Geschäftsleitung einzuwirken, ohne diese aber zu gestatten. Davon zu unterscheiden ist der qualifizierte Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot, welcher nicht nur die Gefahr der Umgehung der Mitgliederversammlung, sondern die Umgehung selbst legalisiert (Bsp. statutarisches Weisungsrecht). Folge des Dispenses ist, dass der Verein einen atypischen Verbandszweck hat. Die durch den Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot eintretende Abweichung vom normtypischen Verbandszweck beschränkt sich jedoch auf die Art und Weise der Willensbildung und lässt das Formalziel als Richtschnur der Willensbildung unberührt.155 Von einem dienenden Verbandszweck lässt sich daher beim isolierten Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot nicht sprechen. (2) Dispens vom Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte Schwieriger liegen die Dinge bezüglich des Dispenses vom Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte. Zwar steht außer Frage, dass grundsätzlich auch das Formalziel mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter abgeändert werden kann. Ebenfalls spricht viel für die bereits angedeutete Schlussfolgerung, dass, wenn schon die Möglichkeit der vollständigen Ausrichtung eines Verbandes auf die Interessen eines einzelnen Mitglieds oder Dritten (dienendes Formalziel) möglich ist, erst recht die partielle Ausrichtung des Verbandes auf die Interessen eines Einzelnen durch Gewährung eigennütziger Mitwirkungsrechte möglich sein muss.156 Bedenken gegen die Annahme, dass es zwischen den Polen des normtypischen und des dienenden Formalziels auch die Möglichkeit eines »partiell dienenden« Formalziels gibt, sind jedoch insoweit veranlasst, als dies auf die Anerkennung eines heterogenen Formalziels hinausläuft: 157 Während der Inhaber des eigennützigen Mitwirkungsrechts berechtigt ist, bei dessen Ausübung bestimmte Sonderinteressen zu verfolgen, sind die übrigen an der Willensbildung Beteiligten letztlich unverändert an die Vorgaben des bisherigen
155 Vgl. MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 132, der betont, dass zwischen beiden Zweckbestandteilen kein zwingender Zusammenhang besteht. 156 Vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 158, der die Möglichkeit andeutet, dass die Gesellschafter »eine nur unvollständige Realisierung des primär angestrebten Ziels hinnehmen, um im Gegenzug mit der Öffnung gegenüber dem Außeneinfluss einen weiteren Zweck verfolgen zu können«, sie dann aber unter Berufung auf Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808 mit institutionellen Erwägungen verwirft. 157 Ansatzweise Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 807, der den Unterschied zwischen dem partiellen Dritteinfluss und der Konzerneingliederung darin sieht, dass in letzterem Fall »das Fremd- gleichzeitig zum Eigeninteresse der GmbH wird, die Geschäftsgrundlage also offen liegt.«
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Formalziels gebunden. Der Umstand, dass diese Zielvorgaben vom Konsens aller Beteiligten getragen sind, ändert nichts an ihrer Verschiedenheit. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass wohl keine zwingenden Gründe gegen die Zulässigkeit eines heterogenen Formalziels sprechen. Zwar tut man sich insoweit schwer, als der »gemeinsame Zweck« als Grundbegriff des Gesellschaftsrechts verstanden wird und in seinem ursprünglichen Verständnis voraussetzt, dass mehrere Gesellschafter inhaltlich übereinstimmende Zwecke verfolgen. Tatsächlich passt diese Sichtweise aber nur insoweit, als es darum geht, rein schuldrechtlich angelegte Gesellschaften von bloßen Austauschverträgen abzugrenzen.158 Im Fall des über eigene Rechtspersönlichkeit verfügenden Verbandes geht es – wie nicht zuletzt die Einpersongesellschaft zeigt – nicht um die Gemeinschaftlichkeit von Individualinteressen, sondern das Vorhandensein eines Verbandszwecks, der den Mitgliedern, Organen und gegebenenfalls Dritten als Handlungsmaxime dient.159 Zwar liegt es auf der Hand, dass idealerweise diese Handlungsmaxime einheitlich ist und ab einem bestimmten Ausmaß der Divergenz die Tätigkeit des Verbandes keinen rechten Sinn mehr macht. Doch sind keine Gründe ersichtlich, warum man es nicht den Beteiligten überlassen sollte, konsensual darüber zu entscheiden, wann diese Grenze erreicht ist. Die hiergegen vorgetragenen Bedenken160 vermögen nicht zu überzeugen. Zunächst einmal impliziert der Begriff der Heterogenität des Formalziels, dass der Dritte nicht keinen, sondern nur anderen Zielvorgaben unterworfen ist.161 Um etwa das im GmbH-rechtlichen Schrifttum viel diskutierte Beispiel der Hausbank aufzugreifen, die sich in der Krise der Gesellschaft eigennützige Mitwirkungs- bzw. Informationsrechte einräumen lässt,162 so dürfte außer Zweifel stehen, dass diese nicht dazu ausgenutzt werden dürfen, der Gesellschaft überteuerte Bankprodukte zu verkaufen, sondern allein dazu dienen, auf die Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Bank hinzuwirken. Der Vorwurf, das Gesellschaftsinteresse werde dem Dritten »blankettmäßig« überlassen163 bzw. dieser könne jederzeit »unkontrolliert« Einfluss nehmen164 , trifft daher nicht zu. Auch impliziert die Heterogenität des Formalziels weder die Perplexität der Satzung noch ist zu befürchten, dass die Geschäftsleiter Adressat divergierender Weisungen werden. Rationales Verhalten der Beteiligten unterstellt, werden diese weder miteinander unvereinbare Zielsetzungen in das Formalziel aufnehmen noch konfligierende Weisungsrechte schaffen. Ohne ei158
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 I 2 (S. 59 ff.). K. Schmidt a.a.O.; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 10 f. 160 Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 807 f.; zustimmend Schürnbrand, Organschaft, S. 158 f. 161 Näher noch unter § 11 D.II.1. (S. 303 f.). 162 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1305; Schürnbrand, Organschaft, S. 151; Hammen, WM 1994, 765, 765; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, S. 9. 163 Schürnbrand, Organschaft, S. 158. 164 Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808. 159
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genständigen Gehalt sind schließlich die »institutionellen« Bedenken, weil ein Verband mehr als ein Schuldverhältnis sei, könne nicht zugelassen werden, dass die »Verantwortlichkeiten im Geschäftsverkehr bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst« werden.165 Dass Heterogenität des Formalziels keine Preisgabe von Verantwortlichkeit impliziert, wurde bereits gesagt. Soweit die Bedenken den Gläubigerschutz betreffen, wurde ebenfalls bereits festgestellt, dass dieser in keinem Zusammenhang zum Formalziel steht.166 Im Ergebnis ist daher nicht ersichtlich, weshalb eine gewisse Divergenz der die verbandsinterne Willensbildung betreffenden Zielvorgaben negative Auswirkungen auf Außenstehende haben sollte. Bestätigung findet die Möglichkeit eines heterogenen Formalziels im Institut des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrags. Wie bereits im Grundlagenteil dargelegt,167 führt der Abschluss eines Beherrschungsvertrags zu einer Veränderung des Formalziels, in dessen Folge das Gesellschaftsinteresse als für den Vorstand (und das herrschende Unternehmen) maßgebliche Handlungsmaxime durch das Konzerninteresse abgelöst wird. Da die Hauptversammlung jedoch nach zutreffender Auffassung weiterhin der bisherigen Zielsetzung und somit dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet bleibt,168 führt der Abschluss des Beherrschungsvertrags zur Begründung eines heterogenen Formalziels. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich durch entsprechende Formalzieländerungen sowohl zu Gunsten einzelner Mitglieder als auch zu Gunsten Dritter eigennützige Mitwirkungsrechte begründet lassen. (3) Anforderungen an die Verbandszweckänderung Im Fall der nachträglichen Überwindung der aus dem normtypischen Verbandszweck abzuleitenden Beschränkungen ist die wichtigste Anforderung das bereits erwähnte Zustimmungserfordernis sämtlicher Mitglieder (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Sind diese nicht alle bei der Mitgliederversammlung zugegen, hat die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder gemäß § 33 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB schriftlich zu erfolgen. Im Übrigen sieht das Gesetz grundsätzlich keine Formerfordernisse vor.169 Mittelbar folgt ein solches jedoch daraus, dass die Wirksamkeit der Zweckänderung wie die jeder anderen Satzungsänderung gemäß § 71 Abs. 1 BGB der Eintragung ins Vereinsregister bedarf. Gemäß § 71 Abs. 1 S. 3 BGB setzt dies voraus, dass der Registeranmeldung ein Protokoll des 165 Schürnbrand, Organschaft, S. 159, unter Bezugnahme auf Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808. 166 Oben B.II.2.b.(2) (S. 270 ff.). 167 § 3 B.III.1.a.(2) (S. 46 f.). 168 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, S. 47 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 338; Bayer, WM 1987, 59; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 26; teilweise a. A. Martens, FS R. Fischer, S. 437, 449. 169 Gemäß § 58 Nr. 4 BGB soll die Satzung eine Bestimmung über die Beurkundung von Beschlüssen enthalten, doch die Praxis macht hiervon überwiegend keinen Gebrauch.
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satzungsändernden Beschlusses beigefügt wird. Besondere beschlussvorbereitende Informationsrechte, wie sie insbesondere die §§ 293a ff. AktG für einen ähnlich gelagerten Fall vorsehen, sind entbehrlich, da es aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses jedem Mitglied freisteht, die Zustimmung unter Hinweis auf ein etwaiges Informationsdefizit zu verweigern. c) Keine organschaftliche Stellung des Inhabers von Mitwirkungsrechten Es bleibt die Frage, ob statutarische Mitwirkungsrechte ihrem Inhaber eine organschaftliche Stellung verleihen. Unproblematisch zu verneinen ist sie für den Fall, dass es sich beim Inhaber um ein Mitglied handelt.170 Diskussionswürdig ist jedoch die Rechtsstellung des mitwirkungsbefugten Dritten. Nach hiesiger Auffassung handelt es sich hierbei allerdings um eine rein terminologische Überlegung, die keinen Einfluss darauf haben kann, welchen Bindungen der Inhaber des Mitwirkungsrechts unterliegt und ob seine Rechtsstellung entziehbar ist. Diese Sachfragen wurden bereits geklärt. Die vorliegende Frage lautet allein, ob sich auch der mit unentziehbaren und/oder eigennützigen Mitwirkungsrechten ausgestattete Dritte in den Organbegriff integrieren lässt. Will man den Organbegriff nicht zu einem bloßen Komplementärbegriff denaturieren, dessen Aufgabe es ist, alle verbandsrechtlichen Rechtspositionen zu erfassen, die sich nicht mitgliedschaftlich einordnen lassen, wird man sie verneinen müssen. Die übliche Sichtweise, wonach die Aufgabe von Organen darin gesehen wird, die Handlungs- und Willensbildungsfähigkeit des Verbandes herzustellen,171 impliziert, dass diese eine gegenüber dem Verband dienende Funktion ausüben.172 Weder die Unentziehbarkeit173 noch die Eigennützigkeit von Mitwirkungsrechten der Organmitglieder lassen sich hiermit in Einklang bringen.174 Strukturell ist die Stellung des Dritten in diesen Fällen der eines Mitglieds wesentlich näher als der eines Organs.175 Wenn man sie gleichwohl nicht als Mitgliedschaft besonderer Art qualifizieren sollte, hat das seinen Grund darin, dass das Gesetz an die Mitgliedschaft zwingende Rechtsfolgen knüpft (insbesondere die geborene Mitgliedschaft in der Mitgliedervertretung176), die die Beteiligten gerade nicht auslösen wollen. Es gilt vielmehr zu 170 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1304; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluß, S. 74; anders wohl Bürkle, Rechte Dritter in der Satzung der GmbH, S. 43 f. 171 Sie etwa Flume, BGB AT I/2, S. 377; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2 (S. 408); Soergel/Hadding, § 26 Rn. 3. 172 Ausdrücklich Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 807. 173 Auch die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft können gemäß § 84 Abs. 3 S. 2, 3. Fall AktG von der Hauptversammlung abberufen werden, ohne dass es eines besonderen Grundes bedarf (statt vieler Hüffer, AktG, § 84 Rn. 29. 174 In aller Deutlichkeit Schürnbrand, Organschaft, S. 159, 161 f. 175 Zutreffend bezeichnet daher auch Veil, Unternehmensverträge, S. 181 die Stellung des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern als »mitgliedschaftsähnlich«. 176 Im Fall des Vereins könnte man erwägen, ob die Mitgliedschaft von Vereinsmitgliedern in der Mitgliederversammlung gemäß den §§ 40, 32 BGB dispositiv ist. Da die Frage jedoch
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akzeptieren, dass neben Mitgliedern und Organen auch Dritte in die Organisationsverfassung eines Verbandes einbezogen sein können. Auf Grundlage des Gesagten steht fest, dass sich auch die Rechtsstellung, die das herrschende Unternehmen durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags erlangt, nicht organschaftlich deuten lässt.177 Denn Beherrschungsverträge lassen sich ohne weiters so ausgestalten, dass dem herrschenden Unternehmen die durch sie vermittelte Rechtsposition nicht vor Ende der Vertragslaufzeit im Wege der ordentlichen Kündigung entzogen werden kann.178 Ebenso sieht § 308 Abs. 1 S. 2 AktG die Verfolgung eigennütziger Zwecke vor. Wenn gleichwohl die organschaftliche Qualifikation des herrschenden Unternehmens verbreitet ist,179 lässt sich dies nur dadurch erklären, dass sich die Vertreter dieser Auffassung aufgrund der Annahme eines tertium non datur gezwungen sehen, organschaftliche Prinzipien preiszugeben.180 Dass der gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens gemäß § 309 AktG mit Abschluss des Beherrschungsvertrags partiell die Verantwortung des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft übernimmt und hierdurch möglicherweise zu deren Organ wird, stützt diese Auffassung nicht.181 Im Gegenteil erscheint es auf Grundlage der Annahme einer solchen »Organsubstitution«182 sogar besonders fern liegend, dass der Abschluss des Beherrschungsvertrags dem abhängigen Unternehmen neben dem gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens auch noch dieses selbst als Organ beschert. d) Konsequenzen der Missachtung der Vorgaben des Verbandszwecks Hinsichtlich der Konsequenzen der Missachtung der aus dem Verbandszweck folgenden Vorgaben ist zu differenzieren, ob die Abhängigkeitsbegründung auf Grundlage des Normalstatuts durch Zugriff auf fremde Stimmrechte oder durch die Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte erfolgt. rechtsformübergreifend zu beantworten ist und sich daher beispielsweise auch bezüglich der Stellung des anderen Vertragsteils eines Beherrschungsvertrags im Sinne von § 291 Abs. 1, 1. Alt. AktG stellt (hierzu sogleich im Text), kann es hierauf nicht ankommen. 177 MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 138, 148, 168, 229, 237; Veil, Unternehmensverträge, S. 181; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, S. 51 f.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 276 f.; implizit MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rn. 138. 178 Vgl. MünchKommAktG/Altmeppen, § 297 Rn. 51 ff. 179 Schürnbrand, Organschaft, S. 179 ff. m. w. N.; Bayer, Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, S. 17 f.; Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1593; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, S. 254. 180 Schürnbrand, Organschaft, S. 185 leugnet die Preisgabe des Merkmals der Fremdnützigkeit mit der Argumentation, dass »eigennütziges Handeln des anderen Vertragsteils zugleich fremdnütziges Organhandeln in Ausfüllung des dienenden Verbandszwecks« sei. Selbst wenn man dem folgen wollte, bliebe zu erklären, weshalb die Rechtsstellung des herrschenden Unternehmens unentziehbar ist. 181 A. A. Schürnbrand, Organschaft, S. 181 ff., der die These der organschaftlichen Stellung des herrschenden Unternehmens durch § 309 AktG untermauert sieht. 182 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 350.
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(1) Abhängigkeitsbegründung durch Zugriff auf fremde Stimmrechte Wird unter Verstoß gegen das Abhängigkeitsbegründungsverbot einem Mitglied oder Dritten durch Zugriff auf fremde Stimmrechte herrschender Einfluss gewährt, hat dies keinen Einfluss auf die den Zugriff ermöglichenden Rechtsgeschäfte. Das folgt daraus, dass das Abhängigkeitsbegründungsverbot wegen seines statutarischen Ursprungs nicht von § 134 BGB erfasst wird. Insbesondere der Abhängigkeitsbegründung dienende Stimmbindungsvereinbarungen sind hiernach als wirksam anzusehen.183 Erst Recht gilt dies für Anteilsübertragungen etc. aufgrund derer ein Mitglied oder ein Dritter herrschenden Einfluss auf (andere) Mitglieder erlangt, welche ihm in der Folge eine Stimmenmehrheit vermitteln. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob die Stimmrechte, auf die in verbandszweckswidriger Weise Zugriff erlangt wurde, in der Mitgliederversammlung auch tatsächlich wirksam ausgeübt werden können.184 Das wird man, ohne dass es insoweit auf ein Verschulden des Betroffenen ankäme, verneinen müssen. Unterstellt man einen Willen der Mitglieder, die Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Organ der Willensbildung der Dispositionsbefugnis der Mehrheit zu entziehen, ist es allein konsequent, im Widerspruch hiermit ausgeübten »Stimmrechten« die Wirksamkeit zu verwehren. Die Annahme eines solchen Stimmrechtsausschlusses steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Regelungen der §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG, die nur für bestimmte Beschlussgegenstände einen Stimmrechtsausschluss zur Bewahrung der verbandsinternen Willensbildung vor der Beeinflussung durch die Sonderinteressen einzelner Mitglieder vorsehen. Tatsächlich bestünde ein Widerspruch aber nur, wenn die Regelungen auf den Tatbestand der Abhängigkeit zugeschnitten wären. Das ist indes nicht der Fall. Bei näherer Betrachtung spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber die Abhängigkeitslage bei der Schaffung der §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG gar nicht bedacht hat. Die ihnen zu Grunde liegende Annahme, der Stimmrechtsausschluss sei geeignet zu verhindern, dass das befangene Mitglied Sonderinteressen durchsetzt, geht in der Abhängigkeitslage nämlich gerade fehl. Der Inhaber herrschenden Einflusses ist gar nicht darauf angewiesen, seine Sonderinteressen durchzusetzen, indem er Rechtsgeschäfte zwischen ihm und dem Verband zur Abstimmung der Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung stellt. Aufgrund seines Einflusses auf die personelle Besetzung des Geschäftsleitungsorgans ist er regelmäßig in der Lage, seinen Willen durch unmittelbare Veranlassung gegenüber dessen Mitgliedern durchzusetzen. Zwar ermöglichen die §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG der Minderheit theoretisch, gegen den Willen des Inhabers herr183 Vgl. Nachweise Fn. 74 zum Verstoß gegen ausdrückliche statutarische Stimmbindungsverbote. 184 In der GmbH-rechtlichen Literatur wird diese Frage im Zusammenhang mit dem Abhängigkeitsbegründungsverbot soweit ersichtlich nicht behandelt.
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schenden Einflusses einen Beschluss herbeizuführen, der dem Vorstand die Vornahme einzelner Rechtsgeschäfte verbietet. Realistisch sind solche Abwehrmaßnahmen aber schon deshalb nicht, weil die Minderheit von entsprechenden Vorgängen regelmäßig gar keine Kenntnis erlangt. Hinzu kommt, dass die Herbeiführung eines Beschlusses nur in Betracht kommt, wenn die Minderheit über ein Quorum von 10% verfügt und daher in der Lage ist, eine Mitgliederbzw. Gesellschafterversammlung einzuberufen (§§ 37 Abs. 1 BGB, 50 Abs. 1 GmbHG).185 Der aus dem Verstoß gegen das Abhängigkeitsbegründungsverbot folgende Stimmrechtsausschluss hat zur Folge, dass das betroffene Mitglied bzw. der betroffene Dritte grundsätzlich nicht in der Lage ist, seinen Willen im Wege der Beschlussfassung gegen den der außenstehenden Mitglieder durchzusetzen. Die betroffenen Stimmrechte sind, sofern sie gleichwohl ausgeübt werden, bei der Abstimmung nicht zu berücksichtigen.186 (2) Abhängigkeitsbegründung durch statutarische Mitwirkungsrechte Soll die Abhängigkeitsbegründung durch die Kreierung eines statutarischen Mitwirkungsrechts erfolgen, kommt sowohl ein Verstoß gegen das Abhängigkeitsbegründungsverbot als auch das Verbot eigennütziger Mitwirkungsrechte in Betracht. Da beide Verbote ihren Ursprung im Verbandszweck haben, welcher seinerseits statutarischen Ursprungs ist, liegt es auf den ersten Blick nahe, den auf die Begründung entsprechender Mitwirkungsrechte gerichteten Beschluss der Mitgliederversammlung als satzungswidrig und damit als nichtig (h. M.) bzw. analog § 241 ff. AktG als anfechtbar zu qualifizieren. Bei näherer Betrachtung entstehen jedoch Zweifel, ob diese Sichtweise zutreffend ist. Denn der Mitgliederversammlung steht nicht nur die einfache Satzungsänderungs-, sondern auch die Zweckänderungskompetenz zu. Man könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, dass ein satzungsändernder Beschluss gar nicht gegen den Verbandszweck verstoßen kann, sondern jede mit dem bisherigen Verbandszweck im Widerspruch stehende Satzungsänderung automatisch eine Zweckänderung darstellt. Der darauf gerichtete Beschluss ist
185 Die Einschätzung von Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 26, § 47 Abs. 4 GmbHG habe »[h]erausragende Bedeutung für den Minderheitenschutz«, erscheint insoweit zu optimistisch. Effektuieren ließen sich die Regelungen der §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG als Instrument des Minderheitenschutzes nur, wenn man dem Vorschlag von Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 137 folgend den Stimmrechtsausschluss auf sämtliche Beschlussfassungen über Geschäftsführungsfragen einschließlich des Beschlusses, der die Geschäftsführung verpfl ichtet, entsprechende Geschäfte der Mitgliederversammlung vorzulegen, erstreckt (kritisch Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 26). Auf Grundlage der hiesigen Auffassung fehlt indes ein Bedürfnis für eine solche Extension. 186 Zur fehlerhaften Beschlussfeststellung sogleich unter (3).
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daher nie zweck- und satzungswidrig, sondern allenfalls wegen des Verfehlens des Einstimmigkeitserfordernisses des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Welche der angedeuteten Sichtweisen richtig ist, hängt davon ab, in welchem Verhältnis der Verbandszweck zu den übrigen Regelungen der Satzung steht. Die zuerst geschilderte Sichtweise beruht der Sache nach auf der Annahme, dass zwischen beiden ähnlich dem Verhältnis von einfachen Recht und Verfassungsrecht eine Normhierarchie besteht. Um ein im Widerspruch zum Verbandszweck stehendes Mitwirkungsrecht zu begründen, wäre hiernach erforderlich, dass durch separate Rechtsgeschäfte zunächst der Verbandszweck geändert und sodann in einem zweiten Schritt das Mitwirkungsrecht begründet wird. Der gegenteiligen Sichtweise liegt die Annahme zu Grunde, dass keine entsprechende Normhierarchie besteht, sondern § 33 Abs. 1 BGB lediglich das für Satzungsänderungen erforderliche Zustimmungserfordernis variiert, je nach dem ob die Änderung die Geschäftsgrundlage oder eine weniger bedeutsame Satzungsbestimmung betrifft. Richtig kann allein Letzteres sein. Die Annahme einer Normhierarchie würde nicht nur die Differenzierung des § 33 Abs. 1 BGB überstrapazieren, sondern hätte auch eigenartige Konsequenzen. Auf Grundlage der §§ 241 ff. AktG wäre nämlich denkbar, dass ein im Widerspruch zum bisherigen Verbandszweck stehender Beschluss trotz Verfehlens des Einstimmigkeitserfordernisses zu Unrecht als zu Stande gekommen festgestellt und nach Ablauf der Anfechtungsfrist endgültig wirksam wird.187 Die Vorstellung einer verbandszweckwidrigen aber gleichwohl wirksamen Satzungsbestimmung erscheint jedoch kaum akzeptabel. Richtigerweise ist ein Widerspruch zwischen dem Verbandszweck und den sonstigen Satzungsklauseln ausgeschlossen, da der Inhalt des Verbandszwecks anhand der Gesamtheit der Satzungsbestimmungen zu ermitteln ist. Definiert hiernach beispielsweise eine Gründungssatzung abstrakt ein Formalziel, um an anderer Stelle einem Dritten ein der Verfolgung von Sonderinteressen dienendes Mitwirkungsrecht zuzubilligen, ist dieser Konflikt im Wege der Auslegung aufzulösen. Im konkreten Beispiel würde man wohl zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelung betreffend das Mitwirkungsrecht nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali Vorrang genießt und der jeweilige Verband hiernach einen partiell dienenden Verbandszweck aufweist. Fasst die Mitgliederversammlung einen auf die Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte gerichteten Beschluss, welcher im Widerspruch zu den Vorgaben des bis dahin normtypischen Verbandszwecks steht, ist hiernach der Beschluss stets zugleich auf eine Verbandszweckänderung gerichtet. Wird das Einstimmigkeitserfordernis verfehlt, ist die Begründung des statutarischen 187 Auch wenn man die Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf den Verein ablehnt, verliert die Überlegung nicht an Berechtigung, da sich die Frage nach dem Verhältnis des Verbandszwecks zu den sonstigen Satzungsregelungen im Recht der Kapitalgesellschaften in gleicher Weise stellt.
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Mitwirkungsrechts einschließlich der dadurch bewirkten Verbandszweckänderung gescheitert.188 Konsequenz dieser Sichtweise ist, dass aus der Perspektive der Mitgliederversammlung (einschließlich ihrer Organmitglieder) die aus dem Verbandszweck abgeleiteten Vorgaben genau genommen keinen Verbotscharakter haben, sondern lediglich ein qualifiziertes Zustimmungserfordernis (Einstimmigkeit) zum Ausdruck bringen. Dies gilt es im Bewusstsein zu behalten, wenn auch nachfolgend aus Gründen der Vereinfachung und Vereinheitlichung an der bisherigen »Verbotsterminologie« festgehalten wird. (3) Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlussfeststellung Auch wenn die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter anders als im Aktienrecht keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung ist,189 findet eine Beschlussfeststellung in der Praxis zumindest bei größeren Vereinen regelmäßig statt. Im Anschluss an die vorangegangenen Überlegungen stellt sich insoweit die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn der Versammlungsleiter zu Unrecht verbandszweckwidrig erlangte Stimmen bei der Auszählung berücksichtigt oder verkennt, dass ein Beschluss aufgrund seiner verbandszweckändernden Wirkung des Einstimmigkeitserfordernisses bedurft hätte, und in der Folge fehlerhaft das Zustandekommen des Beschlusses feststellt. Nach h. M. hat die Feststellung und Verkündigung des Beschlussergebnisses beim Verein anders als bei der Aktiengesellschaft keine konstitutive Wirkung.190 Dies folge daraus, dass die §§ 241 ff. AktG auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung nicht analog anzuwenden seien. Es gelte somit auch nicht die kurze Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, die es erforderlich mache, dass das einzelne Mitglied rechtssicher wisse, von welchem Beschlussergebnis es auszugehen habe.191 Fehlerhafte Beschlüsse der Mitgliederversammlung seien im Grundsatz stets automatisch nichtig, ohne dass es eines Tätigwerdens der Mitglieder bedarf.192 Die besseren Gründe sprechen indes für eine Angleichung des vereinsrechtlichen Beschlussmängelrechts an das der Aktiengesellschaft.193 Was zunächst 188
Zur fehlerhaften Beschlussfeststellung sogleich unter (3). Soergel/Hadding, § 32 Rn. 34; MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 50. Denkbar ist allerdings, dass die Satzung die Feststellung des Beschlussergebnisses als Wirksamkeitsvoraussetzung vorsieht (Hadding a.a.O. m. w. N.). 190 BGH NJW 1975, 2101; 1987, 2430; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 34; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 32 Rn. 28. 191 BGH NJW 1975, 2101. 192 BGH NJW 2008, 69, 72; BGHZ 59, 369, 371 f.; BGH NJW 1975, 2101; OLG Saarbrücken NZG 2008, 677, 679; KG Rpfleger 1971, 396; OLG Schleswig NJW 1960, 1862; Soergel/ Hadding, § 32 Rn. 14, 37a; Palandt/Ellenberger, § 32 Rn. 9; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1972 ff.; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 32 Rn. 29 ff.; differenzierend Weick in: Staudinger, § 32 Rn. 26 ff. 193 K. Schmidt, AG 1977, 243, 245 ff.; K. Schmidt, FS Stimpel, S. 217, 236; Grunewald, Der 189
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die analoge Anwendung der §§ 241 ff. anbetrifft, ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass schon die Ausgangsthese der h. M., wonach auf Grundlage der allgemeinen Regeln fehlerhafte Beschlüsse stets nichtig seien, nicht zutrifft. Da Satzungsregelungen nicht als Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB qualifiziert werden können, lässt das satzungswidrige Zustandekommen eines Beschlusses dessen Wirksamkeit unberührt.194 Besteht hiernach aber ohnehin ein Bedürfnis für einen kassatorischen Rechtsbehelf – aus dem Recht eines jeden Mitglieds auf gesetzes- und satzungskonforme Beschlussfassung folgt, dass es ihm möglich sein muss, rechtswidrige aber wirksame Beschlüsse zu beseitigen195 –, erscheint es einzig sinnvoll, die §§ 241 ff. AktG analog anzuwenden.196 Rechtsformspezifischen Besonderheiten kann dabei ohne weiteres durch punktuelle Modifikationen Rechnung getragen werden.197 Die von der h. M. als Alternative zu den §§ 241 ff. AktG entwickelte Konzeption vermag auch deshalb nicht zu überzeugen, weil sie sich in Wahrheit längst von der reinen Nichtigkeitslösung verabschiedet hat und stattdessen – ohne jede dogmatische Absicherung – ein ausdifferenziertes Alternativmodell entwickelt hat, welches inhaltlich stark dem der §§ 241 ff. AktG ähnelt, ohne aber dessen Maß an Rechtssicherheit zu erreichen.198 So soll beispielsweise die Verletzung mitgliederschützender Verfahrensvorschriften im Unterschied zu den dem »Gesamtinteresse« dienenden Verfahrensvorschriften nur dann die Nichtigkeit des Beschlusses nach sich ziehen, wenn das betroffene Mitglied der Beschlussfassung unverzüglich nach Kenntniserlangung von dem Mangel widerspricht.199 Weitere Modifikationen, die zwar zweckmäßig, aus den allgemeinen Regelungen aber nicht deduzierbar sind, betreffen die Adaption des aktienrecht-
Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, S. 270 ff.; mit Einschränkungen auch MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 56 ff.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 167; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 233 ff.; Waldner in: Münch. Hdb. GesR Bd. V, § 31 Rn. 55. 194 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 233; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 2; Casper, ZHR 163 (1999), 54, 67 f. m. w. N.; trotz der Präferierung der Normtheorie auch MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 57. 195 Eingehend Habersack, Mitgliedschaft, S. 229 f., 292 f.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 41 ff.; siehe auch Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 233 ff. 196 Zutreffend MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 58, der darauf hinweist, dass die aktienrechtliche Anfechtungsklage nicht an die Stelle der Feststellungsklage, sondern einer Leistungsklage auf Aufhebung des rechtswidrigen Beschlusses tritt. 197 So etwa bei der Bestimmung der Anfechtungsfrist, s. Fn. 203. 198 MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 56. 199 Soergel/Hadding, § 32 Rn. 18, 37a; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 32 Rn. 33 ff.; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 213; Palandt/Ellenberger, § 32 Rn. 10; sympathisierend BGHZ 59, 369, 373.
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lichen Relevanzkriteriums200 und die Annahme einer inter-omnes-Wirkung der die Ungültigkeit eines Beschlusses feststellenden Klage201. Sprechen somit die besseren Gründe für die analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG im Vereinsrecht, sollte man auch der Feststellung und Verkündigung des Beschlussergebnisses konstitutive Wirkung beimessen. 202 Denn unabhängig davon, ob man die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG anwendet, 203 besteht auch beim Verein ein Bedürfnis dafür, dass die Beteiligten Sicherheit bezüglich der Verbindlichkeit des Beschlussergebnisses haben. Gerade die vorliegend interessierenden Ableitungen aus dem Verbandszweck zeigen, dass die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht vielfältige Fragen aufwerfen kann. Zwar ist zuzugeben, dass die konstitutive Wirkung der Beschlussfeststellung für die außenstehenden Mitglieder mit Nachteilen verbunden sein kann. Doch erscheinen diese Nachteile hinnehmbar, wenn man ihnen zugleich durch analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG ein wirksames Instrument zur Verfügung stellt, mit dem sie den Beschluss aus der Welt schaffen können. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die fehlerhafte Beschlussfeststellung und Verkündung auch beim Verein konstitutive Wirkung hat. Missachtet der Versammlungsleiter daher in den vorliegend relevanten Fällen die Vorgaben des Verbandszwecks und stellt zu Unrecht die Wirksamkeit eines Beschlusses fest, wird dieser wirksam und muss von den außenstehenden Mitgliedern analog §§ 241 ff. AktG angefochten werden. 204
C. Abschluss eines Beherrschungsvertrags analog § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt AktG I. Zulässigkeit Auf Grundlage des Gesagten kann schließlich auch die Frage beantwortet werden, ob ein Verein analog § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt AktG abhängige Partei eines Beherrschungsvertrags sein kann. In der Literatur wird die Problematik nur 200 BGH NJW 2008, 69, 73. Der BGH, der zuvor auf das Kausalitätskriterium abstellte (BGHZ 49, 209, 211; 59, 369, 372 ff.) vollzog insoweit die Rechtsprechungsänderung zum aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht (BGHZ 149, 158, 164 f.) nach. 201 BGH DB 1992, 1568, 1569; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 40 m. w. N. 202 MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 50. 203 Die Vertreter der analogen Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG gehen überwiegend davon aus, dass nach dem Vorbild des GmbH-Rechts die Anfechtungsklage innerhalb einer »angemessenen Frist« erhoben werden muss und die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG bei der Bestimmung allenfalls Leitbildcharakter habe (MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rn. 50; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, S. 270; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 239 f. m. w. N.). 204 Zur Anfechtungsfrist s. Fn. 203.
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ganz vereinzelt thematisiert und im Ergebnis bejaht. 205 Dass dies der (mutmaßlichen) h. M. entspricht, wird man indes kaum annehmen dürfen. Da dem anderen Vertragsteil auf Grundlage des Beherrschungsvertrags ein unentziehbares (§ 296 AktG) und eigennütziges (§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG) Weisungsrecht zusteht, konfligiert dessen Abschluss evident mit den aus dem Prinzip der Verbandsautonomie abgeleiteten Schranken der Satzungsautonomie. Auf Grundlage der hiesigen Auffassung, wonach auch die Begründung herrschenden Einflusses Dritter allein unter dem Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit dem Verbandszweck steht, bestehen indes keine grundlegenden Bedenken gegen den Abschluss eines Beherrschungsvertrags nach dem Vorbild des § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt AktG. Zweifeln könnte man allenfalls insoweit, als beim Verein die Notwendigkeit für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags nicht in gleicher Weise wie bei der Aktiengesellschaft besteht. Denn während dort eine entsprechende Abweichung vom Normalstatut aufgrund des Prinzips der Satzungsstrenge an sich unzulässig wäre, ist im Vereinsrecht die Begründung entsprechender Einflussmöglichkeiten ohne weiteres im Wege der Satzungsgestaltung möglich. Mit Blick auf gewisse rechtstechnische Erleichterungen, die mit der Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften verbunden sind, 206 erscheint eine Teilanalogie gleichwohl sinnvoll. 207
II. Verhältnis von Satzung und Beherrschungsvertrag Die Rechtsnatur des Beherrschungsvertrags im Sinne von § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. AktG ist in ihren Einzelheiten umstritten. Im Kern geht es hierbei um die Frage, in welchem Verhältnis der Beherrschungsvertrag zur Satzung der abhängigen Gesellschaft steht. Die diesbezüglichen Schwierigkeiten rühren aus der eigentümlichen gesetzlichen Vorgabe, wonach der Vertrag zwar von der abhängigen Gesellschaft als solcher geschlossen wird, gleichwohl diese aber nicht lediglich im Außenverhältnis verpflichtet, sondern unmittelbar in ihre Organisationsverfassung eingreift. Letzteres zeigt sich insbesondere an den Regelungen des § 308 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG, gemäß denen das Weisungsrecht nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern dessen Vorstand besteht. Der andere Vertragsteil wird hierdurch unmittelbar in die Organisationsverfassung des Verbandes eingebunden.208
205 Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 161 ff. (mit kaum nachvollziehbarer Begründung); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 14; Kerssenbrock in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 2 Rn. 50 (jeweils ohne Begründung). 206 Hierzu sogleich unter II. 207 Vgl. zur Parallelproblematik hinsichtlich der Personengesellschaft Tröger in: Handbuch der Personengesellschaften, Rz. I 4084 m. w. N. 208 Statt vieler Schürnbrand, Organschaft, S. 179 f.
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Angesichts der beschriebenen Wirkung des Beherrschungsvertrags wird er von der ganz h. M. zu Recht als Organisationsvertrag qualifiziert. 209 Was sein Verhältnis zur Satzung anbetrifft, erscheint es allein konsequent, die maßgeblichen Vertragsbestimmungen als materielle Satzungsbestandteile mit beschränkter Wirkungsdauer zu begreifen. 210 Angesichts der inzwischen fast einhellig anerkannten satzungsändernden Wirkung des Beherrschungsvertrags sollte dies eigentlich selbstverständlich sein. Denn es ist nicht ersichtlich, wie Regelungen, die selbst nicht die Qualität materieller Satzungsbestandteile aufweisen (aber auch keine Gesetzesqualität haben), in der Lage sein sollten, materielle Satzungsbestandteile zu verdrängen. 211 Dass es sich beim anderen Vertragsteil nicht zwingend um ein Mitglied handelt, steht dem nicht entgegen, da, wie zuvor ausgeführt, sich die Rechtswirkung der Satzung auch auf Dritte erstrecken kann.212 Im Ergebnis eröffnet die analoge Anwendung von § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. AktG für den Verein hiernach nur eine besondere Option zur Begründung statutarischen Einflusses, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie die Regelungen über das Zustandekommen von Satzungsänderungen in zweierlei Hinsicht modifiziert. Die erste Modifikation betrifft die mit Wirksamwerden des Beherrschungsvertrags eintretende Satzungsänderung, welche abweichend vom Normalfall zweiaktig durch Beschluss der Mitgliederversammlung und den Vertragsschluss mit dem anderen Vertragsteil erfolgt. Letztlich handelt es sich hierbei um ein rechtstechnisches Mittel, um die Wirkung der Satzung partiell auch auf Nichtmitglieder zu erstrecken, ohne dabei auf § 328 BGB oder andere rechtsgeschäftliche Konstruktionen angewiesen zu sein. Die zweite Modifi kation beruht auf der beschränkten Wirkungsdauer des Beherrschungsvertrags, welche dazu führt, dass am Ende der Vertragslaufzeit eine erneute Satzungsän209 BGHZ 105, 324, 331; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 25 f.; Veil, Unternehmensverträge, S. 200 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 25; KölnerKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 156 m. w. N.; Schürnbrand, Organschaft, S. 178; a. A. MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 149, der meint, organisationsrechtliche Wirkung habe allein der Zustimmungsbeschluss. Tatsächlich handelt es sich beim Zustimmungsbeschluss aber wohl nur um ein unselbstständiges Tatbestandsmerkmal des Rechtsgeschäfts, durch das der Beherrschungsvertrag in Geltung gesetzt wird. 210 Wie hier Schlegelberger/Martens, HGB, Anh. § 105 Rn. 37: »[D]iese Bezeichnung [scil. als Unternehmensvertrag] ändert jedoch nichts daran, dass es sich inhaltlich um eine Regelung des Gesellschaftsvertrags handelt«. Eine entsprechende Einordnung des Beherrschungsvertrags explizit ablehnend MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 147. 211 Der verbreitete Sprachgebrauch, der von einer »satzungsüberlagernden« (Lutter/ Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241) oder »satzungsgleichen« (BGHZ 105, 324, 338) Wirkung spricht, weicht dieser Konsequenz letztlich nur aus. Deutlich wird dies, wenn es bei Lutter/ Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241 heißt »[o]bwohl der Vertrag den formellen Satzungstext unberührt lässt, führt er doch zu einer materiellen Änderung des Gesellschaftsstatuts.« Richtigerweise ist davon auszugehen, dass der Charakter einer Regelung als materielle Satzungsbestimmung nicht davon abhängig ist, ob diese Bestandteil der Satzungsurkunde ist. 212 Oben A.II.2.b.(2) (S. 251).
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derung stattfindet, ohne dass es hierzu eines zusätzlichen Rechtsgeschäfts bedarf.
III. Wirksamkeitsvoraussetzungen Aus dem Gesagten folgt, dass ein Wirksamwerden des Beherrschungsvertrags analog § 293 Abs. 1 AktG nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung denkbar ist. Nicht analogiefähig ist die Regelung allerdings insoweit, als sie ungeachtet des verbandszweckändernden Charakters des Beherrschungsvertrags abweichend von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB die qualifizierte Mehrheit genügen lässt.213 Das Erfordernis der Eintragung des Unternehmensvertrags im Vereinsregister folgt nach dem Gesagten unmittelbar aus § 71 Abs. 1 S. 1 BGB, ohne dass ein Rückgriff auf § 294 AktG erforderlich wäre. 214 Zudem bedarf der Vertrag der Schriftform. Zwar sieht das Vereinsrecht für die Satzung kein ausdrückliches Schriftformerfordernis vor.215 Deshalb scheidet auch eine Analogie zu § 293 Abs. 3 AktG aus, da dieser seine Berechtigung aus der in § 23 Abs. 1 AktG angeordneten Formbedürftigkeit der Satzung einer Aktiengesellschaft zieht.216 Die Regelung des § 59 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach die Eintragung des Vereins die schriftliche Niederlegung der Satzung in einer Urkunde voraussetzt, impliziert jedoch, dass auch im Zusammenhang mit Satzungsergänzungen bzw. -änderungen der neue Satzungstext in Schriftform zur Anmeldung einzureichen ist.217 Seine Bestätigung findet dies in § 9 Abs. 4 der Vereinsregisterverordnung (VRV), wonach das Registergericht die Eintragung von der Vorlage einer bereinigten Fassung der Satzung abhängig machen kann. Wie bereits im Zusammenhang mit der gewöhnlichen Änderung des Verbandszwecks ausgeführt, ist eine Pflicht zur beschlussvorbereitenden Information der Mitglieder analog den §§ 293a, 293f, 293g AktG mit Blick auf das Einstimmigkeitserfordernis entbehrlich. 218 Ebenso kommt eine Prüfungspflicht nach dem Vorbild der §§ 293b–e AktG nicht in Betracht, da diese die Angemes213 Oben B.II.4.b.(1) (S. 277 f.). A. A. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 222 ff., 226, der grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit für ausreichend erachtet, hierbei aber unzutreffend davon ausgeht, dass der Verbandszweck regelmäßig nicht betroffen ist. Zur Paralleldiskussion bezüglich der GmbH und der Personengesellschaft, wo die h. M. ebenfalls einen einstimmigen Zustimmungsbeschluss verlangt, Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 711 ff. bzw. Tröger in: Handbuch der Personengesellschaften, Rz. I 4085 jeweils m. w. N. 214 Für ein Eintragungserfordernis analog § 294 AktG Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 14; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 226 f. 215 Soergel/Hadding, § 25 Rn. 26. 216 A. A. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 226. 217 Zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1 e (S. 79): »Für die Satzung eines Vereins besteht keine Formvorschrift, aber die Eintragung bzw. die Verleihung der Rechtsfähigkeit ist ohne schriftliche Dokumentation der Satzung nicht zu erlangen [. . .]«. 218 Oben B.II.4.b.(3) (S. 280 f.).
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senheit der Abfindungs- und Ausgleichsansprüche gemäß den §§ 304, 305 AktG betrifft, welche beim Verein aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses aber ebenfalls entbehrlich ist. 219
IV. Änderung und Beendigung des Vertrags Die §§ 295 ff. AktG betreffend die Änderung und die Beendigung des Beherrschungsvertrags sind ebenfalls nur mit Modifikationen auf den Verein anwendbar.220 So kann zwar die Änderung des Beherrschungsvertrags entsprechend dem Gedanken des § 295 Abs. 1 AktG nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung erfolgen. Sofern hiervon aber der Verbandszweck betroffen ist, bedarf der Beschluss wiederum der Einstimmigkeit. Ebenso erscheint es nicht sachgemäß, die Befugnis zur Aufhebung des Beherrschungsvertrags analog § 296 AktG allein dem Vorstand zu überantworten. Da die Beendigung des Vertrages eine qualifizierte Satzungsänderung bedeutet, ist es allein konsequent, auch insoweit eine Zustimmung der Mitgliederversammlung gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zu verlangen und auch der Eintragung im Vereinsregister abweichend von § 298 AktG konstitutive Bedeutung beizumessen.221 Entsprechendes gilt für die Kündigung gemäß § 297 AktG.
D. Zusammenfassung Wegen des vereinsrechtlichen Kopfstimmrechts ist eine Abhängigkeit des Vereins auf Grundlage des Normalstatuts nur dergestalt möglich, dass ein Mitglied oder ein Dritter durch Zugriff auf die Stimmrechte von (anderen) Mitgliedern eine Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung erlangt. Denkbar ist ein solcher Zugriff auf Grundlage von Stimmbindungsverträgen sowie in Konstellationen, in denen eine Mehrzahl von Vereinsmitgliedern ihrerseits herrschendem Einfluss ausgesetzt ist. Aufgrund der das Vereinsrecht prägenden Satzungsfreiheit sind daneben jedoch vielfältige Möglichkeiten denkbar, abweichend vom Normalstatut herrschenden Einfluss durch die Einräumung besonderer statutarischer Mitwirkungsrechte zu begründen. Abgesehen von Mehrfachstimmrechten kommen hierfür insbesondere Weisungs- und Bestellungsrechte in Betracht. Aus rechts219 Ebenso für die GmbH Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 80; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, KonzernR Rn. 59; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 737. 220 A. A. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 227, der keine rechtsformspezifischen Besonderheiten erkennt. 221 Für die GmbH Halm, NZG 2001, 728, 737; Priester, ZGR 1996, 189, 205; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 296 Rn. 7a f.; a. A. Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 909 ff. m. w. N.
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geschäftlich-konstruktiver Sicht spricht nichts dagegen, entsprechende Mitwirkungsrechte neben Mitgliedern auch Dritten einzuräumen. Auch die Begründung von Mitwirkungsrechten, die der Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung entzogen und nur mit Zustimmung ihres Inhabers beseitigt werden können (unentziehbare Mitwirkungsrechte), bereitet unter rechtsgeschäftlich-konstruktiven Gesichtspunkten keine Schwierigkeiten. Das gilt nicht nur für Mitwirkungsrechte von Mitgliedern, bezüglich derer eine entsprechende Möglichkeit in § 35 BGB vorausgesetzt wird, sondern auch hinsichtlich der Mitwirkungsrechte Dritter. Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Satzungsänderungsbefugnis der Mitgliederversammlung in § 40 BGB ausdrücklich für dispositiv erklärt wird. Ob der auf einem entziehbaren statutarischen Mitwirkungsrecht beruhende Einfluss die zur Annahme einer Abhängigkeitslage im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG erforderliche Beständigkeit aufweist, hängt von der Realstruktur des Vereins ab. Verfügt die Mitgliederversammlung über die erforderliche Handlungsfähigkeit, um das Mitwirkungsrecht unabhängig vom Turnus der ordentlichen Mitgliederversammlung zu beseitigen, fehlt es an der erforderlichen Beständigkeit. Ist eine entsprechende Handlungsfähigkeit nicht gegeben, folgt die erforderliche Beständigkeit daraus, dass der durch das Mitwirkungsrecht vermittelte Einfluss bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung gesichert ist. Besonderheiten sind unter dem Gesichtspunkt der Beständigkeit statutarischer Mitwirkungsrechte im Verhältnis von Mitgliedsvereinen zu ihrem Dachverband einerseits sowie im Verhältnis von Zweigvereinen zu ihrem Hauptverein andererseits zu beachten. Was ersteres anbetrifft, sind auch entziehbare Mitwirkungsrechte des Dachverbandes geeignet, diesem eine hinreichend beständige Einflussmöglichkeit auf die Mitgliedsvereine zu verschaffen, wenn die Mitgliedsvereine aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Dachverband Bindungen unterliegen, die die Entziehung verbieten, und sie diesen Bindungen durch Austritt aus dem Dachverband nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist entgehen können. Im Verhältnis des Zweigvereins zum Hauptverein ist die erforderliche Beständigkeit entziehbarer Mitwirkungsrechte des Hauptvereins im Zweigverein durch die Mehrfachmitgliedschaft gesichert. Sie verbietet es den Mitgliedern des Zweigvereins nicht nur, die Einflussmöglichkeit des Hauptvereins durch Beseitigung des Mitwirkungsrechts zu beseitigen, sondern verhindert auch, dass sie sich entsprechenden Bindungen durch den isolierten Austritt aus dem Hauptverein entziehen. Ausdrückliche statutarische Vorkehrungen zur Verhinderung von Abhängigkeitslagen sind u. a. in Form eines Verbots von Stimmbindungsverträgen möglich. Entgegen einer über das Vereinsrecht hinaus verbreiteten Auffassung ist ein der Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit entzogenes Prinzip der Ver-
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eins- bzw. Verbandsautonomie, welches es verbietet, Dritten maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung des Vereins einzuräumen, nicht anzuerkennen. Es lässt sich weder mit den Interessen der Vereinsmitglieder noch den Interessen der Gläubiger begründen und steht zudem im Widerspruch zum Institut des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrags sowie anderer anerkannter konzernrechtlicher Gestaltungsformen. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes können einzelnen Mitgliedern Mitwirkungsrechte als Vorzugsrechte nur gewährt werden, wenn die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist oder alle benachteiligten Mitglieder zustimmen. Hinsichtlich der Begründung von Mitwirkungsrechten Dritter entfaltet der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch keine Wirkung. Der normtypische Verbandszweck ist sowohl Grundlage eines Abhängigkeitsbegründungsverbots als auch eines Verbots eigennütziger Mitwirkungsrechte. Ersteres folgt daraus, dass der normtypische Verbandszweck die Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan gewährleistet, welche durch die Entstehung herrschenden Einflusses zumindest faktisch beeinträchtigt wird. Letzteres folgt daraus, dass eigennützige Mitwirkungsrechte mit dem normtypischen Formalziel des Vereins unvereinbar sind. Die aus dem normtypischen Verbandszweck abgeleiteten Vorgaben sind der Dispositionsbefugnis der Mitgliederversammlung nicht entzogen, sondern können mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder überwunden werden (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Was die Überwindung des Abhängigkeitsbegründungsverbots anbetrifft, ist zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Dispens zu unterscheiden. Ein einfacher Dispens liegt vor, wenn der Entstehung einer Rechtsposition zugestimmt wird, die dem Mitglied oder Dritten die faktische Möglichkeit eröffnet, unter Umgehung der Mitgliederversammlung auf die Willensbildung der Geschäftsleitung einzuwirken (Mehrheitsstimmrecht, Bestellungsrecht), ohne die Umgehung jedoch zu gestatten. Demgegenüber liegt ein qualifizierter Dispens vor, wenn dem Mitglied oder Dritten die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung explizit oder implizit gestattet wird. Das Verbot der Begründung eigennütziger Mitwirkungsrechte kann dadurch überwunden werden, dass das Formalziel des Vereins abweichend vom normtypischen Formalziel partiell auf die Interessen des begünstigten Mitglieds oder Dritten ausgerichtet wird. Die damit verbundene Entstehung eines heterogenen Formalziels ist keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Verschafft sich ein Mitglied oder ein Dritter ohne entsprechenden Dispens von den Vorgaben des Verbandszwecks Zugriff auf fremde Stimmrechte, bewirkt das Abhängigkeitsbegründungsverbot, dass die betroffenen Stimmen in der Mitgliederversammlung nicht wirksam ausgeübt werden können. Im Zusammenhang mit der Einräumung statutarischer Mitwirkungsrechte ist ein »Verstoß« gegen die Vorgaben des Verbandszwecks insoweit ausgeschlossen, als
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der hierauf gerichtete Beschluss stets zugleich auf die erforderliche Modifikation des Verbandszwecks gerichtet ist. Die Bedeutung der aus dem Verbandszweck abgeleiteten »Verbote« reduziert sich insoweit darauf, dass die Wirksamkeit des Beschlusses statt der qualifizierten Mehrheit des § 33 Abs. 1 S. 1 BGB der Einstimmigkeit gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB bedarf. Stellt der Versammlungsleiter unter Missachtung der aus dem Verbandszweck folgenden Vorgaben das Zustandekommen eines Beschlusses der Mitgliederversammlung fest, entfaltet dies konstitutive Wirkung und zwingt die (außenstehenden) Mitglieder, den Beschluss analog §§ 241 ff. AktG anzufechten. Der Verein kann abhängige Partei eines Beherrschungsvertrags analog § 291 Abs. 1 S. 1, 1. Alt AktG sein. Da die maßgeblichen Bestimmungen des Beherrschungsvertrags zu materiellen Satzungsbestandteilen werden, erweist sich dessen Abschluss als besondere Gestaltungsvariante der Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte. Eine Gesamtanalogie zu den Regelungen des AktG, die den Beherrschungsvertrag betreffen, kommt jedoch nicht in Betracht. Nicht anwendbar ist insbesondere § 293 Abs. 1 AktG, wonach dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit einer abhängigen Aktiengesellschaft abweichend von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt werden muss.
§ 11 Im Interesse der außenstehenden Mitglieder bestehende Grenzen der Einflussnahme Übt ein Mitglied oder ein Dritter herrschenden Einfluss auf den Verein aus, rückt die Frage in den Mittelpunkt, welche Grenzen bei dessen Ausübung im Interesse der außenstehenden Mitglieder zu beachten sind. Die beiden Elemente des normtypischen Verbandszwecks, die Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan und das Formalziel, spielen auch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zur Schwerpunktsetzung im Rahmen der Abhängigkeitsbegründung liegt das Hauptaugenmerk insoweit aber auf dem Element des Formalziels und der daran anknüpfenden materiellen Angemessenheitskontrolle der vom Inhaber herrschenden Einflusses veranlassten Maßnahmen (Schädigungsverbot). Im Anschluss an eine kurze Einführung (A.) wird zunächst dargelegt, weshalb eine analoge Anwendung der §§ 117, 311 ff. AktG auf den Verein nicht in Betracht kommt (B.). Sodann rücken entsprechend dem Vorgesagten die Vorgaben des Verbandszwecks in den Mittelpunkt, aus denen ein Verbot der Umgehung der Zuständigkeitsordnung (C.) und ein Schädigungsverbot (D.) abgeleitet werden. Abschließend ist zu untersuchen, wie die Verbote durchgesetzt werden können und welche Sanktionen im Fall ihrer Missachtung Platz greifen (E.).
A. Einführung I. Fehlen gesetzlicher Vorgaben Das Vereinsrecht enthält ebensowenig wie das Recht der GmbH Regelungen, die sich explizit mit der Ausübung und den Grenzen herrschenden Einflusses befassen. Auch der Stimmrechtsausschluss des § 34 BGB, welcher verhindern soll, dass ein Mitglied bei der Stimmabgabe seine privaten Interessen über das Interesse des Vereins stellt,1 ist nur auf den ersten Blick zum Schutz der außenstehenden Mitglieder geeignet. Tatsächlich läuft in Abhängigkeitslagen der
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Soergel/Hadding, § 34 Rn. 1.
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Stimmrechtsausschluss aufgrund der Möglichkeit des Inhabers herrschenden Einflusses, die Mitgliederversammlung zu umgehen, leer. 2
II. Diskussionsstand Ob es dem Inhaber herrschenden Einflusses überhaupt gestattet ist, unter Umgehung der Zuständigkeitsordnung auf die Geschäftsleitung einzuwirken, wird schon im Recht der Kapitalgesellschaften kaum diskutiert.3 Es vermag daher nicht zu überraschen, dass die Frage im vereinsrechtlichen Schrifttum gar keine Beachtung findet. Sofern im vereinsrechtlichen Kontext konzernrechtliche Problemstellungen erörtert werden, steht wie auch im Recht der Kapitalgesellschaften ganz die Frage nach den inhaltlichen Grenzen der Ausübung herrschenden Einflusses im Vordergrund. Insoweit besteht Einigkeit, dass eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf den Verein ausscheidet4 und stattdessen – dem Vorbild des GmbH-Konzernrechts folgend – auf das aus der mitgliedschaftlichen Treupflicht abzuleitende Schädigungsverbot abzustellen ist, welches die Mitglieder verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Verfolgung des Vereinszwecks gefährdet.5
B. Unanwendbarkeit der §§ 117, 311 ff. AktG Eine Gesamtanalogie zu den §§ 117, 311 ff. AktG muss schon deshalb ausscheiden, weil das den Vorschriften zugrunde liegende Verbot der schädigenden Einflussnahme, welches selbst dem Alleingesellschafter den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen verwehrt, Ausfluss der umfassenden, spezifisch aktienrechtlichen Kapitalbindung ist, welche nicht auf andere Rechtsformen übertragen werden kann. 6 Letzteres ist insbesondere mit Blick auf die GmbH anerkannt, bezüglich der immer wieder betont wird, dass es der Gesellschaftergesamtheit jenseits der Grenze des Stammkapitals gestattet ist, Vermögenswerte auch ohne förmlichen Gewinnverwendungsbeschluss an sich zu ziehen.7 Für den Verein, 2
Oben § 10 B.II.4.d.(1) (S. 283 f.). Vgl. aber Nachweise Fn. 12. 4 Ausdrücklich Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 174; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 91. 5 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 12; Grunewald, FS Raiser, S. 99, 103; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 91; Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349, 356; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 175 ff.; sinngemäß auch MünchKommBGB/Reuter, § 21 Rn. 47. Allgemein zur Anerkennung der Treupflicht im Verein BGH WM 1977, 1166; Soergel/Hadding, § 38 Rn. 23; Reichert, Handbuch Vereinsund Verbandsrecht, Rn. 962; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 348. 6 Siehe aber die Einzelanalogie zu den §§ 311, 317 AktG im Zusammenhang mit der Begründung der Formalzielbindung Dritter unter D.II.2. (S. 304 f.). 7 Statt vieler Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 106; konkret im Zusammenhang mit einer 3
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bei dem der Gesetzgeber den Mitgliedern keinerlei explizite Beschränkungen beim Umgang mit dem Vereinsvermögen auferlegt hat, wird man erst Recht keine umfassende Kapitalbindung annehmen können. Speziell mit Blick auf die §§ 311 ff. AktG kommt hinzu, dass die die Regelungen prägende Privilegierung des herrschenden Unternehmens, welche es ermöglicht, die Gesellschaft gegen den Willen der außenstehenden Aktionäre in einen faktischen Konzern einzubinden, umgekehrt Freiräume schafft, die mit allgemeinen Prinzipien unvereinbar sind. 8 Da Zweck dieses Prinzipienbruchs die Förderung effizienter wirtschaftlicher Betätigung ist, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Schaffung vergleichbarer Freiräume beim Verein, der sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers wirtschaftlicher Betätigungen grundsätzlich enthalten soll, nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus sprechen gegen die Anwendung der §§ 311 ff. AktG dieselben Bedenken, die auch gegenüber einer entsprechenden Analogie im Recht der GmbH vorgebracht wurden.9 Besonderes Gewicht hat insoweit der Hinweis auf die Rolle des Aufsichtsrats, dem gemäß § 314 AktG im Rahmen der Prüfung des Abhängigkeitsberichts entscheidende Bedeutung zukommt. Da das Vereinsrecht ebenso wie das GmbH-Recht keinen zwingenden Aufsichtsrat vorsieht, fehlt es insoweit an einer Grundvoraussetzung für eine Analogie.
C. Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung I. Relevanz des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung neben dem Abhängigkeitsbegründungsverbot Das nachfolgend zu entwickelnde Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung ist Ausfluss der im normtypischen Verbandszweck statuierten Stellung der Mitgliederversammlung als oberstem Willensbildungsorgan und hat insoweit dieselbe Induktionsbasis wie das Abhängigkeitsbegründungsverbot. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass beide Verbote nicht beziehungslos nebeneinanderstehen. Wird das Abhängigkeitsbegründungsverbot konsequent durchgesetzt, kommt es gar nicht erst zur Entstehung herrschenden Einflusses eines einzelnen Mitglieds oder Dritten, den es bzw. er dazu nutzen könnte, unter Umgehung der Mitgliederversammlung auf die Geschäftsleitung einzuwirken. Das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung ist dann ohne Relevanz. Gleiches gilt, wenn umgekehrt ein qualifizierter Dispens vom möglichen Analogie zu § 117 AktG Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 227 f. 8 Oben § 3 B.III. (S. 45 ff.). 9 Überblick bei GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 54; Habersack in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 6 m. umf. w. N.
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Abhängigkeitsbegründungsverbot erteilt wurde, aufgrund dessen dem Betroffenen die unmittelbare Einflussnahme auf die Geschäftsleitung gestattet ist.10 Auf Grundlage der hiesigen Konzeption ist das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung allein in dem Fall relevant, dass dem Betroffenen ein einfacher Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot erteilt wurde, welcher die Begründung herrschenden Einflusses, nicht aber dessen Ausnutzung in Form der Umgehung der Zuständigkeitsordnung legitimiert. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die zwei Konstellationen, dass der Betroffene zulässigerweise über die (vermittelte) Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung oder ein Bestellungsrecht bezüglich der Mitglieder des Vorstandes verfügt, welches ihn aufgrund der damit verbundenen Personalentscheidungsgewalt in die Lage versetzt, seinen Willen durch unmittelbare Einwirkung gegenüber dem Vorstand Geltung zu verschaffen.
II. Herleitung des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung Wenn die Frage, ob es dem Inhaber herrschenden Einflusses gestattet ist, unter Wahrung des Formalziels unmittelbar auf die Geschäftsleitung Einfluss zu nehmen, kaum thematisiert wird, liegt dies wohl daran, dass sich die formalzielkonforme Einflussnahme vielfach gar nicht feststellen lässt und aus der Perspektive der außenstehenden Mitglieder auch eine vergleichsweise geringe Beeinträchtigung darstellt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch die formalzielkonforme oder mit anderen Worten »neutrale« Einflussnahme aufgrund der mit ihr einhergehenden Umgehung der Zuständigkeitsordnung unzulässig ist. Die im Normalstatut des Vereins, aber auch in denen der Handelsvereine vorgesehene Stellung der Mitgliedervertretung als oberstem Willensbildungsorgan impliziert, dass kein anderes Organ, Mitglied oder Dritter die verbandsinterne Willensbildung dominieren darf. Nach hiesiger Auffassung handelt es sich hierbei sogar um ein Element des durch § 33 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Verbandszwecks, das nur mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder preisgegeben werden kann.11 Neben der die Satzungsgestaltung betreffenden Willensbildung betrifft die Vorrangstellung der Mitgliedervertretung insbesondere den Bereich der Geschäftsführungsangelegenheiten. Sie setzt voraus, dass die Willensbildung entweder durch die Mitgliedervertretung selbst oder durch Organwalter vorgenommen wird, deren Bestellung unmittelbar oder mittelbar auf dem Willen der Mitgliedervertretung beruht. Vollziehen die Organwalter lediglich den Willen des Inhabers herrschenden Einflusses, steht dies hierzu im Widerspruch.
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Im Einzelnen oben § 10 B.II.4.b.(1) (S. 277 f.). Oben § 3 B.I.2.b. (S. 34 ff.).
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Sofern im aktienrechtlichen Kontext ein Verbot der Umgehung der Mitgliedervertretung mit der Begründung infrage gestellt wird, es gebe keinen Grundsatz, wonach die Leitungstätigkeit der Geschäftsleitung sich frei von der Einflussnahme der Aktionäre vollziehen müsse,12 vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar ist es zweifellos richtig, dass sich weder für das einfache noch das herrschende Mitglied ein »Kontaktverbot« begründen lässt, welches ihm jede Beeinflussung der Geschäftsleitung untersagt.13 Die in Frage stehende Einflussnahme des Inhabers herrschenden Einflusses unterscheidet sich von gewöhnlichen Einwirkungen jedoch dadurch, dass sie die Entscheidung der Geschäftsleitung letztlich nicht lediglich inspiriert oder begleitet, sondern ersetzt. Der Umstand, dass die insoweit notwendige Abgrenzung im Einzelfall vielfach schwierig zu treffen sein wird, mindert fraglos die praktische Relevanz des Verbots der Umgehung der Mitgliedervertretung, ist aber nicht geeignet, seine Berechtigung im Grundsätzlichen infrage zu stellen. Mittelbare Bestätigung findet das Verbot der Umgehung der Mitgliedervertretung in der Entstehungsgeschichte der §§ 311 ff. AktG. Während sich § 311 Abs. 1 AktG im Wege des Erst-Recht-Schlusses entnehmen lässt, dass dem herrschenden Aktionär die formalzielkonforme Einflussnahme auf die Geschäftsleitung der Aktiengesellschaft gestattet ist,14 verfolgte der Referentenentwurf zum AktG 1965 noch ein anderes Konzept, indem er die Geschäftsleiter des herrschenden Unternehmens für Schäden haftbar machen wollte, die auf Weisungen zu einer Maßnahme der Geschäftsführung beruhen, ohne dass die objektive Pflichtwidrigkeit der Weisung einer Begründung bedurfte.15 Ausdrück liches Ziel der Regelung war es, die Ausübung von Leitungsmacht außerhalb der gesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung zu unterbinden.16 Wenn hiervon in der Folge abgewichen wurde, hat dies seine Hauptursache darin, dass das Verbot die faktische Konzernierung unmöglich gemacht hätte und daher von einer sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durchsetzenden konzernoffenen Strömung, die den faktischen Konzern als Alternative neben den Vertragskonzern stellen wollte, verhindert wurde.17 Die Aussage in der Regierungsbegründung, damit werde »in Kauf genommen, daß das herrschende Unterneh12
Tröger, Treupflicht, S. 149 f.; ähnlich Thaeter, AG 2007, 302, 306. Thaeter, AG 2007, 302, 305 f.: »Einflussnahme Bestandteil einer lebendigen Unternehmenskultur«. 14 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 282. 15 Vgl. MünchKommAktG/Altmeppen, Vor § 311 Rn. 11; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, § 311 Rn. 9. 16 Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 244. 17 Geßler, FS W. Schmidt, S. 247, 253; Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts, S. 266; a. A. MünchKommAktG/Kropff, 2. Aufl., Vor § 311 Rn. 12 Fn. 31, der meint, Grund sei allein die Unbestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der Weisung und die als drakonisch empfundene Haftungsanordnung gewesen. Widersprüchlich MünchKommAktG/ Altmeppen, Vor § 311 Rn. 12 Fn. 12 einerseits und Rn. 12 a. E. andererseits. 13
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men nicht nur durch Ausübung seiner Gesellschaftsrechte, sondern auch außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft einwirkt«, 18 zeigt jedoch, dass die Gestattung der Einflussnahme auf die Geschäftsleitung als eine von allgemeinen Grundsätzen abweichende Privilegierung des herrschenden Unternehmens empfunden wurde.
III. Erstreckung des Verbots auf Dritte 1. Einfluss aufgrund statutarischen Mitwirkungsrechts Die Begründung, dass sich das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung auch auf über herrschenden Einfluss verfügende Dritte erstreckt, fällt leicht, wenn der Einfluss seine Grundlage in einem statutarischen Mitwirkungsrecht hat. Denn ein solches Recht impliziert, dass der Dritte rechtsgeschäftlich in die Rechtswirkung der Satzung einbezogen wurde. Zwar erstreckt sich hierdurch nicht automatisch die Rechtswirkung der Satzung in ihrer Gesamtheit auf den Dritten. Doch wird man annehmen dürfen, dass sich der Dritte, der in die Zuständigkeitsordnung des Vereins integriert wird, konkludent dazu verpflichtet, diese zu achten. Sieht das statutarische Mitwirkungsrecht wie beispielsweise im Fall eines bloßen Bestellungsrechts keine unmittelbare Einflussnahme des Dritten auf die Geschäftsleitung vor, impliziert diese Verpflichtung auch ein Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung. 2. Einfluss aufgrund des Zugriffs auf fremde Stimmrechte Schwierigkeiten bereitet die Erstreckung des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung auf den über herrschenden Einfluss verfügenden Dritten, wenn der Einfluss auf dem durch mittelbare Mitgliedschaften und/oder Stimmbindungsverträge ermöglichten Zugriff auf fremde Stimmrechte beruht.19 Eine gesetzliche Grundlage für die Erstreckung des Verbots ist nicht ersichtlich. Eine Analogie zu § 317 Abs. 1 AktG führt nicht weiter, weil die Regelung nur die schädigende Einflussnahme erfasst, während die neutrale Einflussnahme durch die §§ 311 ff. AktG gerade erlaubt ist. Gleiches gilt für eine mögliche Analogie zu § 117 Abs. 1 AktG, dessen für den Fall schädigender Einflussnahme 18 Kropff, Regierungsbegründung, S. 375. Gegenteiliges lässt sich entgegen Tröger, Treupflicht, S. 150 nicht daraus ableiten, dass die §§ 117, 317, 318 AktG nur die nachteilige Einflussnahme haftungsrechtlich sanktionieren. Hintergrund der Beschränkung ist offensichtlich, dass die Regelungen auf die vermögensrechtliche Unversehrtheit der Gesellschaft abzielen. Weil sich die neutrale Einflussnahme üblicherweise nicht in einem Schaden manifestiert, bedarf es insoweit eines Ersatzanspruchs. Über die Zulässigkeit der neutralen Einflussnahme ist damit aber keine Aussage getroffen. 19 Hierzu § 10 A.I. (S. 244 f.).
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angeordnete Haftung keine Aussage zur Zulässigkeit der neutralen Einflussnahme zu entnehmen ist. 20 Zu bedenken ist jedoch, dass die Möglichkeit der Erlangung herrschenden Einflusses durch die Koordination von Stimmrechten einen einfachen Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot voraussetzt. 21 Im Rahmen der Erteilung dieses Dispenses wird man dem Verhalten des Dritten in der Regel eine konkludente Unterwerfung unter die Zuständigkeitsordnung des Vereins und somit das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung entnehmen können.
D. Schädigungsverbot I. Herleitung des Schädigungsverbots aus der Verpflichtung auf das Formalziel Durch den Beitritt zum Verband verpflichtet sich jedes Mitglied nicht nur, die statutarisch geschuldeten Beiträge bzw. Einlage zu erbringen, sondern auch, das Formalziel anderweitig zu fördern.22 Während aktive Förderpflichten in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtsform und Realstruktur jeweils im Einzelfall zu begründen sind, beinhaltet die genannte Verpflichtung stets, dem Formalziel zuwiderlaufende Handlungen zu unterlassen. 23 Das entspricht dem Schädigungsverbot. Die Abhängigkeit des Schädigungsverbots vom Formalziel zeigt sich daran, dass sich der Begriff der Schädigung gar nicht ohne Rückgriff auf das Formalziel bestimmen lässt. 24 Inwieweit beispielsweise die unentgeltliche Abgabe von Gegenständen an Bedürftige als Schädigung des Verbandes zu qualifizieren ist, hängt offensichtlich davon ab, ob dieser einem mitgliedernützigen Gewinnziel verschrieben ist oder fremdnützige Zwecke verfolgt. Wenn die ganz h. M. das Schädigungsverbot als Ausprägung der Treupflicht versteht, 25 so liegt hierin kein inhaltlicher Unterschied zur hiesigen Auffassung. Denn der Sache nach dürfte anerkannt sein, dass die vertikale Treubindung der Mitglieder gegenüber dem Verband durch den Verbandszweck (genauer: das Formalziel) determiniert wird.26 Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass wohl 20
S. bereits Fn. 18. § 10 B.II.4.b.(1) (S. 277 f.). 22 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90 f.; speziell für den Verein Schöpfl in in: MünchHdbGesR Bd. V, § 35 Rn. 19. 23 Tröger, Treupflicht, S. 73. 24 Vgl. mit Blick auf § 311 Abs. 1 AktG Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 Rn. 23: »Dabei beurteilt sich das Vorliegen einer unerlaubten Einflussnahme am Maßstab des satzungsmäßigen Zwecks und Unternehmensgegenstands der Gesellschaft.« 25 Statt vieler GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 77 m. w. N. 26 Ausdrücklich u. a. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; MünchKommBGB/Reuter, § 34 21
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auch nach h. M. die Reichweite der vertikalen Treupflichtbindung mit der Reichweite der Zweckbindung zusammenfällt. Wo die Zweckbindung endet, d. h. im Bereich zweckneutraler oder zweckändernder Entscheidungen, kommt allein eine horizontale Treubindung zwischen den Mitgliedern in Betracht. 27 Beschreibt hiernach die vertikale Treupflicht lediglich die Verpflichtung der Mitglieder zur Beachtung des Verbandszwecks, ist nicht recht ersichtlich, welchen eigenständigen Nutzen der Kategorie bzw. dem Begriff der Treupfl icht in diesem Zusammenhang noch zukommt. Insbesondere die These, die Kategorie der Treupflicht sei unverzichtbar, um die Intensität der Zweckbindung im Einzelfall zu bestimmen, 28 ist wenig überzeugend. Weil dem Begriff der Treupflicht der Makel des »Nebulösen« anhaftet, erscheint es vielmehr vorzugswürdig, im vertikalen Verhältnis der Mitglieder zum Verband unmittelbar von der Bindung an den Verbandszweck zu sprechen und den Begriff der mitgliedschaftlichen Treupflicht allein zur Beschreibung der nicht durch den Verbandszweck determinierten Rücksichtnahmepflichten zwischen den Mitgliedern zu bemühen.
II. Erstreckung der Formalzielbindung auf Dritte 1. Einfluss aufgrund statutarischer Mitwirkungsrechte Im Fall statutarischer Mitwirkungsrechte bietet wiederum die rechtsgeschäftliche Erstreckung der Rechtswirkung der Satzung auf den Dritten den Anknüpfungspunkt zur Begründung der Formalzielbindung. Auch wenn der Dritte nach dem Willen der Beteiligten typischerweise nicht an sämtliche Regelungen der Satzung gebunden sein soll, wird man im Wege der Satzungsauslegung stets zu dem Ergebnis gelangen, dass er bei der Ausübung seines Mitwirkungsrechts nicht frei ist, sondern einer Pflichtenbindung unterliegt. Die Bindung des Dritten an das Formalziel gilt sowohl für den Fall, dass dieser an das bisherige Formalziel gebunden werden soll, als auch den Fall eigennütziger Mitwirkungsrechte, im Zuge von deren Begründung die bisherige Zielsetzung ganz oder teilweise zu Gunsten des Dritten geändert wird. 29 Wie schon im Zusammenhang mit der Möglichkeit eines heterogenen Formalziels angedeutet, beschränkt sich die Wirkung der Formalzieländerung nicht darauf, Rn. 21; Schürnbrand, Organschaft, S. 157; Tröger, Treupflicht, S. 84 ff.; Zöllner, ZHR (1998), 235, 239 Fn. 20. Kritisch Hennrichs, AcP 195 (1995), 222, 228 ff., der es für »unverkrampfter« hält, die Treupflicht bei § 242 BGB einzuordnen. Grund für diese Einschätzung ist allerdings das fragwürdige Bestreben, die vertikale und die horizontale Treupflicht auf einen gemeinsamen Geltungsgrund zurückzuführen. 27 Henze, BB 1996, 489, 493; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 455, 456 f.; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 85 ff., 90 ff.; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 344 ff., 349 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 222, 255. 28 Tröger, Treupflicht, S. 85; Zöllner, ZHR (1998), 235, 239 Fn. 20; vgl. auch Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 98. 29 Oben § 10 B.II.4.b.(2) (S. 278 ff.).
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den Verband für die Sonderinteressen des Begünstigten zu öffnen, sondern dient zugleich dazu, die Ausübung des eigennützigen Mitwirkungsrechts einer Zweckbindung zu unterwerfen. Erinnert sei an das Beispiel der Hausbank, deren Mitwirkungs- oder Informationsrechte in der sanierungsbedürftigen Gesellschaft nur zur Wahrung ihres Kreditinteresses ausgeübt werden dürfen. Gleiches gilt für die vereinsrechtliche Konstellation, dass einem kirchlichen Würdenträger in einem religiösen Verein ein eigennütziges Weisungsrecht zugebilligt wird. Auch insoweit gelangt man bei verständiger Auslegung des Parteiverhaltens ohne weiteres zu dem Ergebnis, dass das Weisungsrecht allein der Einhaltung bestimmter religiöser und weltanschaulicher Vorstellungen dient und seinen Inhaber nicht dazu berechtigen soll, zum persönlichen Vorteil auf die Ressourcen des Vereins zuzugreifen. Augenscheinlich ist insoweit die Parallele zum aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, der dem herrschenden Unternehmen nicht die beliebige Verfolgung von Sonderinteressen gestattet, sondern bei dem das Weisungsrecht gemäß § 308 Abs. 1 S. 2 AktG ebenfalls einer Zweckbindung unterworfen ist. 2. Einfluss aufgrund des Zugriffs auf fremde Stimmrechte Was den auf dem Zugriff auf fremde Stimmrechte beruhenden herrschenden Einfluss betrifft, ist wiederum zu beachten, dass dieser nur auf Grundlage eines Dispenses vom Abhängigkeitsbegründungsverbot entstehen kann. Je nach Art des Dispenses ermöglicht dieser dem Dritten, die Entscheidungen der Mitgliederversammlung zu bestimmen (einfacher Dispens) oder sogar unmittelbar auf die Geschäftsleitung Einfluss zu nehmen (qualifizierter Dispens).30 Wie bereits im Zusammenhang mit dem Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung ausgeführt, ist es ohne weiteres denkbar, den Dritten im Zusammenhang mit der Erteilung des Dispenses rechtsgeschäftlich auf das Formalziel zu verpfl ichten. Die Formalzielbindung Dritter lässt sich aber auch noch anderweitig erklären. Anhaltspunkt kann insoweit die h. M. im Recht der Handelsgesellschaften sein, welche eine Formalzielbindung des herrschenden Gesellschafters auch unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärung annimmt. Die hierzu vorgebrachten Begründungsansätze variieren.31 Während manche die Figur des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bemühen und argumentieren, die Treupflicht zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft entfalte Schutzwirkung zu Gunsten der Enkelgesellschaft,32 plädieren andere für 30
§ 10 B.II.4.b.(1) (S. 277 f.). Überblick über das Meinungsspektrum u. a. bei Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 357. 32 Assmann, FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 710 f.; Stimpel, AG 1986, 117, 120; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 256 ff. 31
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eine Organhaftung des herrschenden Gesellschafters analog den §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG, 713, 664 ff. BGB, der dieser aufgrund einer faktischen Geschäftsführerstellung unterliege.33 Wiederum andere leiten die Pflichtenbindung aus der analogen Anwendung der §§ 311, 317 AktG her.34 Am verbreitetsten ist wohl die Erklärung der Pflichtenbindung des mittelbaren Gesellschafters als Korrelat der ihm zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten.35 Die Annahme einer von einem rechtsgeschäftlichen Einbeziehungsakt unabhängigen Verpflichtung des über herrschenden Einfluss verfügenden Dritten auf das Formalziel erweist sich im Ergebnis auch für den Verein als angemessen. Ob sich diese allerdings auf den von der h. M. behaupteten Gleichlauf von Herrschaft und Verantwortung stützen lässt, erscheint angesichts der zweifelhaften positiv-rechtlichen Fundierung eines solchen Grundsatzes fragwürdig.36 Ebenfalls nicht zu überzeugen vermögen der Hinweis auf den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter und der auf die Figur des faktischen Organs gestützte Begründungsansatz. Hinsichtlich Ersterem ist nicht ersichtlich, wie aus dem Pflichtenverhältnis von mittelbarem und unmittelbarem Mitglied eine Bindung des Ersteren an den Verbandszweck des Vereins folgen sollte.37 Von einem Organ unterscheidet sich der Dritte maßgeblich dadurch, dass er nicht verpflichtet ist, die Belange des abhängigen Verbandes aktiv zu fördern.38 Als überzeugend erweist sich jedoch die Analogie zu den §§ 311, 317 AktG. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass in Abhängigkeitsverhältnissen das Schädigungsverbot grundsätzlich unabhängig von der mitgliedschaftlichen Stellung jeden Inhaber herrschenden Einflusses trifft, ist über das Aktienrecht hinaus verallgemeinerungsfähig.39 Ein Vorzug dieses Lösungsansatzes besteht zudem darin, dass er nicht auf die Konstellation der mittelbaren Mitgliedschaft beschränkt ist, sondern auch den Dritten erfasst, dessen herrschender Einfluss auf Stimmbindungsverträgen beruht. Die zuvor gegenüber einer Gesamtanalogie zu den §§ 311 ff. AktG vorgetragenen Bedenken stehen dem nicht entgegen.40
33
Rehbinder, ZGR 1977, 581, 640 f.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 338 ff., 354 ff. U. H. Schneider, ZGR 1980, 511, 530 f.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rn. 3374; MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 209. 35 Statt vieler GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 74; Tröger, Treupflicht, S. 52 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 43 III 3 b (S. 1296); Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anhang § 318 Rn. 28 m. w. N.; konkret im Hinblick auf den Verein Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 187. 36 Vgl. die Kritik an der These der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung bei Jung, Unternehmergesellschafter, S. 342 ff. m. w. N. 37 Zu weiteren Einwänden Tröger, Treupflicht, S. 45 ff. 38 MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 208. 39 MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 209: »Die Haftungsproblematik bei mittelbarer Abhängigkeit bildet kein Spezifikum der AG, sondern stellt sich ebenso für abhängige Gesellschaften anderer Rechtsform.« 40 Anders Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 187. 34
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III. Konkretisierung des Schädigungsverbots Im Rahmen der Konkretisierung des Schädigungsverbots ist zu unterscheiden, ob die Schädigung im Wege der Einflussnahme auf die Willensbildung des Verbandes und somit endogen (1.) oder anderweitig, d. h. exogen (2.) erfolgt. Abschließend ist kurz auf die Wirkungsweise des Schädigungsverbots bei Bestehen eines atypischen Formalziels einzugehen (3.). 1. Verbot schädigender Einflussnahme (Verbot endogener Schädigungen) Das Verbot, den Verband durch die Einflussnahme auf dessen Willensbildung zu schädigen – man kann insoweit auch von einer Veranlassung zur Selbstschädigung sprechen –, entspricht im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des § 311 Abs. 1 AktG. Reduziert man die Vorschrift um die im zweiten Halbsatz enthaltene Privilegierung, handelt es sich bei ihr um die positiv-rechtliche Ausformulierung des aus dem Formalziel abzuleitenden Verbots der schädigenden Einflussnahme. Bei der Auslegung des vereinsrechtlichen Schädigungsverbots kann daher in vielerlei Hinsicht auf den Tatbestand des § 311 Abs. 1 AktG sowie die diesbezüglichen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Was zunächst die Einflussnahme anbetrifft, so ist es unerheblich, ob diese rechtlich durch die Ausübung von Stimm- oder Weisungsrechten oder rein faktisch durch Vorschläge bzw. Anregungen erfolgt. In letzterem Fall ist jedoch zu verlangen, dass aus Sicht der betroffenen Vorstandsmitglieder mit der Einflussnahme die Erwartung des einflusskonformen Verhaltens verbunden ist.41 Der Sache nach setzt dies voraus, dass der Inhaber herrschenden Einflusses zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Nichtbefolgung für die Vorstandsmitglieder mit persönlichen Nachteilen verbunden sein kann. Denkbar weit zu fassen ist auch der Begriff der Maßnahme, welcher Gegenstand der Veranlassung ist. Hauptanwendungsfeld des Schädigungsverbots sind die unmittelbar die Formalzielverwirklichung betreffenden Geschäftsführungsmaßnahmen. Soweit die Bindungswirkung des Formalziels über Maßnahmen der Geschäftsführung hinausreicht, werden aber auch diese erfasst.42 Vom Schädigungsverbot erfasst ist daher beispielsweise der Fall, dass der in der Satzung definierte Gegenstand der Vereinstätigkeit zu Gunsten von Erwerbsinteressen des Inhabers herrschenden Einflusses eingeschränkt wird. Lediglich für zweckneutrale Maßnahmen wie z. B. die Auflösung spielt das Schädigungsverbot keine Rolle.43 41 Siehe nur Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 24. 42 Dies ist grundsätzlich auch für die §§ 311 ff. AktG anerkannt, doch sind die Einzelheiten äußerst umstritten, vgl. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 81 f., S. 100 ff. m. w. N. 43 So zutreffend im Hinblick auf die §§ 311 ff. AktG Wimmer-Leonhardt, Konzernhaf-
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Anknüpfen kann man auch an den Nachteilsbegriff des § 311 Abs. 1 AktG. Der Begriff der Nachteilhaftigkeit lässt sich ohne weiteres mit dem der Formalzielwidrigkeit gleichsetzen.44 Die im Aktienrecht gebräuchliche Umschreibung des Nachteilsbegriffs anhand der Regelung des § 317 Abs. 2 AktG, wonach die Nachteilhaftigkeit einer Maßnahme zu bejahen ist, wenn sie von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft nicht vorgenommen worden wäre, ist daher ohne weiteres auf den Verein übertragbar.45 Da die Pflichtenbindung der Geschäftsleiter durch das Formalziel determiniert wird, handelt es sich insoweit allerdings nicht um eine echte Konkretisierung, sondern vielmehr um eine der Veranschaulichung dienende Hilfsüberlegung. Als zu eng erweist sich jedoch die im Aktienrecht übliche Formel, wonach ein Nachteil die Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage voraussetzen soll. 46 Für eine solche Beschränkung, die wohl auf einer Verengung der Perspektive auf das für Aktiengesellschaften normtypische Gewinnziel beruht, besteht im Rahmen des Schädigungsverbots kein Anlass. Wird beispielsweise beim fremdnützigen Verein eine Hilfsmaßnahme verhindert, ändert der Umstand, dass dies gegebenenfalls sogar dessen Vermögen zugute kommt, nichts an der Formalziel- und somit Verbotswidrigkeit der Einflussnahme. Die vermögensrechtlichen Auswirkungen sind erst im Hinblick auf die bei Verstößen gegen das Schädigungsverbot in Betracht kommenden haftungsrechtlichen Konsequenzen von Relevanz. 2. Verbot exogener Schädigungen Das Schädigungsverbot ist nicht auf die formalzielwidrige Einwirkung auf die Willensbildung des Verbandes beschränkt, sondern erfasst auch Konstellationen, in denen anderweitig dem Formalziel zuwider gehandelt wird. In Betracht kommt eine derartige exogene Nachteilszufügung insbesondere in Form des Eingriffs in Geschäftschancen einschließlich der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit.47 Auch wenn die Gefahr exogener Schädigungen hiernach vor allem im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung besteht, kann sie durchaus auch beim Verein eine Rolle spielen. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass ein herrschendes Mitglied des Vereins Geschäftschancen einer sich wirtschaftlich betätigenden Tochtergesellschaft wahrnimmt und hierdurch mittelbar den Verein schädigt.
tungsrecht, S. 101. Allgemein zur Reichweite der Zweckbindung GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118–147 Rn. 233 f. 44 Vgl. Nachweis Fn. 24. 45 So auch Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 362 im Rahmen des GmbHrechtlichen Schädigungsverbots. 46 Zuletzt BGHZ 179, 71, 75 Rz. 8. 47 Für die GmbH Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 364.
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Die Bestimmung, wann ein bestimmtes Verhalten gegen das Formalziel verstößt, kann Schwierigkeiten bereiten. Insoweit ist zu bedenken, dass die exogene Schädigung anders als die endogene Schädigung keine besonderen Einflussmöglichkeiten voraussetzt und ein entsprechendes Verbot daher grundsätzlich auch für völlig einflusslose Mitglieder Bedeutung erlangen kann. Wie weit das Schädigungsverbot im Einzelfall reicht, kann letztlich unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Gründerwillens und der Realstruktur des Vereins bestimmt werden.48 Verallgemeinernd wird man jedoch sagen können, dass an den vorliegend im Fokus stehenden Inhaber herrschenden Einflusses tendenziell strengere Maßstäbe anzulegen sind. Denn auch wenn die exogene Nachteilszufügung per definitionem keinen herrschenden Einfluss voraussetzt, verfügt der Inhaber herrschenden Einflusses auch insoweit über ein besonderes Gefährdungspotential, als die exogene Einwirkung häufig durch die Einflussnahme auf die Willensbildung des abhängigen Verbandes oder zumindest durch im Zusammenhang mit dem herrschenden Einfluss erlangtes Sonderwissen begünstigt wird.49 3. Besonderheiten beim Bestehen eines atypischen Formalziels Bedeutung hat das Schädigungsverbot auch bei Bestehen eines atypischen Formalziels. Insoweit besteht seine Aufgabe insbesondere darin sicherzustellen, dass der Inhaber eigennütziger Mitwirkungsrechte diese nicht nach Belieben, sondern nur im Einklang mit der in der Satzung explizit oder implizit festgelegten Zielsetzung ausübt.50 Ist das Formalziel des Verbandes nur partiell auf die Interessen eines Einzelnen ausgerichtet und somit heterogen, gilt es zu beachten, dass der Inhalt des Schädigungsverbots je nach Adressat variieren kann.
IV. Schwächen des Schädigungsverbots Betrachtet man das dergestalt konkretisierte Schädigungsverbot, könnte man auf den Gedanken kommen, dass es aufgrund der Formalzielbindung sämtlicher Beteiligten letztlich keine Rolle spielt, wer welchen Einfluss auf die Willensbildung des Verbandes ausübt. Auch die Auswirkungen herrschenden Einflusses scheinen hiernach durch das Schädigungsverbot neutralisiert werden zu können. Im Rahmen der Diskussion um die Effektivität der §§ 311 ff. AktG, deren Konzept eben auf die beschriebene Neutralisierung herrschenden Einflusses 48
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV. 2. d (S. 592). Vgl. in diesem Zusammenhang die Wertung der §§ 112, 165 HGB, wonach Komplementäre nicht aber Kommanditisten einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegen. 50 Hierzu oben § 10 B.II.4.b.(2) (S. 278 ff.). 49
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durch eine materielle Angemessenheitskontrolle zielt, überwiegen indes die Stimmen, die einer entsprechenden Annahme skeptisch gegenüberstehen. 51 Die wesentliche Schwäche der materiellen Angemessenheitskontrolle wird insoweit darin gesehen, dass die organisationsrechtliche Abhängigkeit zumeist die wirtschaftliche Abhängigkeit nach sich zieht und dadurch die Handlungsspielräume des abhängigen Verbandes immer weiter einengt. Da die Bewertung einzelner Maßnahmen anhand des Formalziels aber nur auf Grundlage der konkreten Situation des abhängigen Verbandes zum Zeitpunkt der Veranlassung erfolgen kann und hiernach auch die wirtschaftlichen Zwänge als Datum zugrunde legt, wird befürchtet, dass mit zunehmender Verbundintegration das als Vergleichsmaßstab relevante Eigeninteresse letztlich zu Gunsten des herrschenden Gesellschafters bzw. des Konzerninteresses relativiert werde.52 Veranlasste Maßnahmen lassen sich in der Folge (nur deshalb) nicht als formalzielwidrig und somit schädigend qualifizieren, weil der abhängige Verband aufgrund seiner Verbundsintegration sämtlicher vorzugswürdiger Alternativen beraubt wurde. Bei der Beurteilung der Berechtigung der geschilderten Bedenken ist zwischen der rechtlichen und der tatsächlichen Ebene zu unterscheiden. Aus rechtlicher Sicht erweist sich der durch das Schädigungsverbot gewährleistete Schutz bei näherer Betrachtung als lückenlos.53 Denn die Prüfung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Formalziel muss neben deren unmittelbaren Folgen stets auch berücksichtigen, in welchem Umfang sie die dem Verband zukünftig zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen einschränkt.54 Zwar gibt es keine Regel, wonach die Eingehung wirtschaftlicher Abhängigkeit stets formalzielwidrig ist und von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft daher zu unterlassen wäre.55 Kaum eine Zweckverfolgung ist ohne die Eingehung wirtschaftlicher Zwänge möglich. Das Beispiel von Automobilzulieferern etc. zeigt, dass sich auch organisationsrechtlich unabhängige Gesellschaften zur Verfolgung ihres Formalziels in Situationen wirtschaftlicher Abhängigkeit begeben.56 Unzulässig ist es jedoch, die Handlungs51 Zusammenfassung und Nachweise der Diskussion bei MünchKommAktG/Altmeppen, Vor § 311 Rn. 23 ff. 52 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 276 f.; Tröger, Treupflicht, S. 205 ff.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 246 ff.; vgl. auch KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 47, 75. 53 Hinsichtlich der §§ 311 ff. AktG gilt dies aufgrund der Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs, welche es dem herrschenden Unternehmen erlaubt, der abhängigen Gesellschaft sein Insolvenzrisiko aufzubürden, nur eingeschränkt (§ 3 B.III.3.b. = S. 59 ff.). 54 Vgl. Zöllner, ZHR (1998), 235, 235; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 78; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 363; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 41; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, § 311 Rn. 75. 55 Zu eng daher Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 77, der meint, die Einflussnahme dürfe die abhängige Gesellschaft nicht ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit berauben. Dagegen zu Recht Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 363. 56 Tröger, Treupflicht, S. 145.
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fähigkeit des Verbandes allein zum Zwecke der Verbundintegration über das der Formalzielverfolgung dienende Maß hinaus einzuschränken.57 Die konsequente Durchsetzung des Formalziels ist somit prinzipiell in der Lage zu verhindern, dass die organisationsrechtliche Abhängigkeit die Begründung bzw. Intensivierung wirtschaftlicher Abhängigkeit nach sich zieht. Auf tatsächlicher Ebene bleibt die Effektivität der materiellen Angemessenheitskontrolle abhängigkeitsbedingter Maßnahmen jedoch aus mehreren Gründen, die zum Teil schon im Zusammenhang mit der Herleitung des Abhängigkeitsbegründungsverbots angesprochen wurden, 58 hinter dem beschriebenen Idealbild zurück. Weil sich die Geschäftsleitung im Zweifel dem herrschenden Einfluss beugt, hängt die Durchsetzung des Schädigungsverbots letztlich vom Engagement der außenstehenden Mitglieder ab.59 Da die ihnen hierbei abverlangten Mühen aber nicht entgolten werden, dürften sie häufig nicht bereit sein, die ihnen zukommende Kontrollfunktion auch tatsächlich auszufüllen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die regelmäßig zwischen ihnen und dem Inhaber herrschenden Einflusses bestehende Informationsasymmetrie. Hinzukommt, dass die Beurteilung, in welchem Umfang die Preisgabe wirtschaftlicher Unabhängigkeit langfristig der Verfolgung des Formalziels dient, im höchsten Maße spekulativen Charakter aufweist und sich Gerichte damit schwer tun dürften, im Einzelfall eine Überschreitung von Beurteilungsspielräumen festzustellen. 60 Die zu befürchtende fortlaufende Ausnutzung von Beurteilungsspielräumen zu Gunsten von Inhabern herrschenden Einflusses führt im Ergebnis unweigerlich dazu, dass sich die rechtliche Abhängigkeit des Verbandes auch in seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit niederschlägt und daher die befürchtete Relativierung des Eigeninteresses eintritt.
V. Einzelfallbezogener Dispens vom Schädigungsverbot Aus unterschiedlichen Gründen mag sich ein Bedürfnis dafür ergeben, Mitgliedern oder an das Schädigungsverbot gebundenen Dritten hiervon im Einzelfall einen Dispens zu erteilen und ihnen auf diese Weise ein an sich formalzielwidriges Verhalten zu gestatten. 61 Inwieweit dies möglich ist, soll im Folgenden näher untersucht werden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Dispositivität des Schädigungsverbots als solcher (1.) und den an die Erteilung des Dispenses zu stellenden formellen Anforderungen (2.). Abschließend ist auf die 57
Zutreffende Differenzierung bei Tröger, Treupflicht, S. 144 f. Oben § 10 B.II.4.a.(1) (S. 274 ff.). 59 Zu den Durchsetzungsmöglichkeiten unter E. (S. 324 ff.). 60 Zu den hohen Anforderungen an die Darlegungslast OLG Stuttgart ZIP 2007, 1210 Rz. 54 (Züblin), das betont, dem Gericht dürfe keine »ex-ante-Beurteilung von geplanten Maßnahmen« aufgebürdet werden. 61 Vgl. das konkret auf den Verein bezogene Beispiel von Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267. 58
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Bedeutung des Einzelfalldispenses bei Verstößen gegen zwingendes Gläubigerschutzrecht einzugehen (3.). 1. Dispositivität des Schädigungsverbots a) Meinungsbild (1) Herrschende Meinung Die ganz h. M. geht davon aus, dass das Schädigungsverbot disponibel ist. 62 Sofern dies vereinzelt begründet wird, geschieht dies mit dem Hinweis auf die gesellschaftsvertragliche Grundlage des Schädigungsverbots bzw. die Dispositivität des Verbandszwecks. 63 Die Anerkennung der Dispositivität des Schädigungsverbots steht hierbei nur auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem zumindest für die GmbH nahezu einhellig akzeptierten Befund, dass die Gesellschafter beim Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen zum Schutz der Gläubiger zwingenden Restriktionen unterliegen. Denn obgleich es sich bei dem insoweit angesprochenen Existenzvernichtungsverbot der Sache nach ebenfalls um ein Schädigungsverbot handelt, wird dies von der ganz h. M. als aliud gegenüber dem aus der Treupflicht bzw. dem Verbandszweck abgeleiteten Schädigungsverbot verstanden. 64 Das dürfte selbst für diejenigen gelten, die zur Herleitung des Existenzvernichtungsverbots auf ein Eigeninteresse der Gesellschaft abstellen und im Zusammenhang mit den hieraus folgenden Verhaltensmaßstäben den Begriff der Treupflicht verwenden. 65 (2) Abweichende Auffassungen Einen von der h. M. grundlegend abweichenden Ansatz hat demgegenüber Grigoleit für die GmbH entwickelt. 66 Hiernach ist die Bedeutung des im normtypischen Verbandszweck enthaltenen Gewinnziels (»Prinzip der dezentralen Gewinnverfolgung«) grundsätzlich nicht darauf beschränkt, dem Verband eine 62 Speziell für den Verein Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349, 356; für die GmbH u. a. BGHZ 142, 92, 95; OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 190 ff.; Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1011; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 97, 100; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, Anh. Nach § 52 Rn. 78; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 239; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 350 m. w. N. 63 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 197; Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1010 f.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 112. 64 Instruktiv Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1011, der vorschlägt, zur Vermeidung von Missverständnissen die im Gläubigerinteresse geschuldeten Pflichten nicht als Treupflichten zu bezeichnen. 65 So insbesondere Ulmer, ZGR 1978, 457, 416 ff.: »Im Anschluß an den im Gesellschaftsrecht üblichen Sprachgebrauch soll diese Rücksichtnahmepfl icht als ›Treupfl icht‹ bezeichnet werden, auch wenn ihr Inhalt nicht ohne weiteres mit der Treupfl icht des herrschenden Unternehmens als Mehrheitsgesellschafter im Verhältnis zur Minderheit gleichgesetzt werden kann.« 66 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 317 ff.
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von den Mitgliedern abgeleitete Zielvorstellung zu geben, sondern dient auch dem Gläubigerschutz. Grigoleit spricht in diesem Zusammenhang von einer »spezifisch gesellschaftsrechtliche[n] Drittwirkung eigener Art«. 67 Obgleich seine These primär auf das Gewinnziel der normtypischen GmbH zielt, ist sie auch für den Verein von Bedeutung. Denn auch wenn an die Stelle des Gewinnziels ein Idealziel tritt, soll dessen Verfolgung im Verhältnis zu den Gläubigern verbindlich sein und den Mitgliedern und Organen zwingende Vorgaben im Umgang mit dem Verbandsvermögen machen. 68 Die »zentrale positivrechtliche Grundlage« 69 der These von der gläubigerschützenden Wirkung des Gesellschaftszwecks erblickt Grigoleit in den gesetzlichen Publizitätsvorschriften. § 1 GmbHG ordne zwar ausdrücklich die Zweckoffenheit der GmbH an, doch könnten Abweichungen vom normtypischen Gewinnziel analog den §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 GmbHG, 23 Abs. 3 Nr. 2, 39 Abs. 1 AktG nur publizitätswirksam erfolgen. Zwar beträfen die Vorschriften unmittelbar nur den Unternehmensgegenstand, doch seien sie im Wege der teleologischen Extension auf den Gesellschaftszweck zu erstrecken.70 Dies folge aus einem Erst-Recht-Schluss, den Grigoleit darauf stützt, dass es sich beim Gesellschaftszweck um das konstitutive Element eines Personenverbandes handele, welches neben dem Innenverhältnis auch die Gläubiger betreffe. Dem Unternehmensgegenstand komme demgegenüber »tendenziell nur instrumenteller Charakter und damit geringeres Gewicht« zu.71 Konsequenz der gläubigerschützenden Wirkung des Gesellschaftszwecks sei, dass dieser ebenso wie die daraus abzuleitende »Zweckförderungspflicht« der Disposition der Gesellschafter entzogen ist und im Falle eines Verstoßes eine Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 BGB begründet.72 Im Ergebnis sollen die Gesellschafter hiernach der gleichen Haftung unterliegen wie (Fremd-)Geschäftsführer.73 Den einzigen Unterschied sieht Grigoleit darin, dass Gesellschafter Gewinnausschüttungen vornehmen dürften, solange diese keine negativen Auswirkungen auf die »dynamische Entwicklung des Gesellschaftsvermögens pro futuro« hätten.74 Eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Mitglieder über das auf der Treupflicht basierende Schädigungsverbot vertritt im Ergebnis auch Mülbert.75 Sein ebenfalls für die GmbH entwickelter Ansatz betont zwar im Ausgangs67
Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 345. Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 348 ff. 69 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 322. 70 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 325 ff. 71 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 327. 72 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 361 ff. 73 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 371. 74 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 371 ff. 75 Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942 ff. Ähnlich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 202 ff. 68
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punkt, dass der Verbandszweck und die daraus abgeleitete Treupfl icht zur Disposition der Mitgliedergesamtheit stehen.76 Sofern ein den Verbandszweck modifizierender bzw. überspielender Beschluss jedoch gegen gläubigerschützende Regelungen verstoße, ziehe das aber analog § 241 Nr. 3 2. Alt. AktG dessen Nichtigkeit nach sich.77 Neben verbotenen Auszahlungen soll dies insbesondere auch für existenzgefährdende Eingriffe gelten, die verbotenen Auszahlungen in analoger Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG gleichzustellen seien.78 Nach Auffassung von Mülbert verstoßen daher existenzvernichtende Maßnahmen auch dann, wenn sie vom Willen aller Gesellschafter getragen werden, gegen das aus dem Formalziel abzuleitende Schädigungsverbot und begründen eine Schadensersatzpflicht. b) Stellungnahme Soweit man das Schädigungsverbot aus dem Verbandszweck ableitet, ist es mit Blick auf dessen rechtsgeschäftlichen Ursprung einzig konsequent, es der Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit zu überantworten. Denn auch wenn der Verbandszweck überindividuell und somit losgelöst von den einzelnen Interessen der Mitglieder ist, bedeutet dies als solches nicht, dass er der Gesamtheit der Verbandsmitglieder entzogen wird.79 Dies folgt im Grundsatz bereits aus § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Verbandszweck mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder geändert werden kann. Die Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit über das Schädigungsverbot wäre nur in Frage gestellt, wenn man dem normtypischen Verbandszweck eine den Gläubigerschutz einschließende Drittwirkung zuerkennt (Grigoleit) oder zumindest für einen der Dispositionsbefugnis der Mitglieder entzogenen Kernbereich eintritt (Mülbert). Betrachtet man zunächst das Ergebnis der von Grigoleit vertretenen Auffassung, wonach die Pflichtenstellung Einfluss nehmender Gesellschafter weitestgehend der eines (Fremd-)Geschäftsführers angeglichen wird, so weist diese erhebliche Ähnlichkeit zu der von Wilhelm in dessen Habilitationsschrift entwickelten Konzeption auf und ist daher den gleichen Einwänden ausgesetzt. 80 Augenscheinlich ist vor allem der Widerspruch zur Regelung des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG, der sich im Wege des Umkehrschlusses ohne weiteres entnehmen lässt, dass die Gesellschafterversammlung den Maßstab der Geschäftsführerhaftung modifizieren kann, und es hiernach offenkundig auch der Logik des 76
Mülbert, DStR 2001, 1937, 1947. Mülbert, DStR 2001, 1937, 1943. 78 Mülbert, DStR 2001, 1937, 1941 f. 79 Sinngemäß Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 19; Tröger, Treupflicht, S. 69. 80 Siehe nur Kritik bei Schanze, AG 1982, 42; Hüffer, NJW 1982, 428; Priester, ZGR 1993, 512, 520 f.; Ulmer, ZGR 1978, 457, 414 ff.; zuletzt Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 103 mit Fn. 53. 77
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Gesetzes widerspricht, den Pflichtenumfang der Gesellschafter selbst der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit zu entziehen. Anzuerkennen ist zwar, dass Grigoleit (anders als Wilhelm) der sich aufdrängenden Frage nachgeht, wie sich eine so weitreichende Pflichtenbindung der Gesellschafter mit der Möglichkeit der Gewinnausschüttung vereinbaren lässt. Die insoweit präsentierte Differenzierung zwischen dem zulässigen Vermögensentzug, der sich in seiner Ad-hoc-Wirkung erschöpft, und dem unzulässigen Vermögensentzug, der die Möglichkeit zukünftiger Gewinnverfolgung negativ beeinflusst, 81 vermag indes kaum zu überzeugen. Gewinnausschüttungen haben stets negative Auswirkungen auf die zukünftigen Gewinnerwartungen, da auch mit nicht zur Verfolgung des Unternehmensgegenstands erforderlichem Vermögen selbstverständlich eine Rendite erzielt werden kann. Auch die Ableitung der angeblichen Drittwirkung des Gewinnziels vermag nicht zu überzeugen. Wenn Grigoleit insoweit maßgeblich auf die gesetzlichen Publizitätsregeln abstellt, steht die Schwäche dieser positivrechtlichen Grundlage in einem erheblichen Missverhältnis zu den von ihm hieran geknüpften weitreichenden Konsequenzen. Insbesondere der zur Begründung der analogen Anwendung der Publizitätsvorschriften auf den Gesellschaftszweck vorgenommene Erst-Recht-Schluss überzeugt nicht. Sofern Grigoleit in diesem Zusammenhang meint, die Bedeutung des Gesellschaftszwecks gehe über das Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander hinaus, wird seine Argumentation unverkennbar zirkulär. 82 Der Umstand, dass der Gesetzgeber von der Offenlegung des Verbandszwecks abgesehen hat – gleiches gilt für die von Grigoleit ebenfalls im Wege der Rechtsfortbildung postulierte Verpflichtung, ein atypisches Formalziel im Geschäftsverkehr offen zu legen83 –, spricht vielmehr deutlich dafür, dass er diesem als Grundlage des Gläubigerschutzes eben nicht die von Grigoleit zugedachte Bedeutung beigemessen hat. 84 Die Argumentation von Mülbert stützt sich im Kern darauf, dass Abweichungen vom Formalziel, auch wenn sie lediglich punktueller Natur sind, der Vornahme eines Rechtsgeschäfts in Form eines Beschlusses bedürfen und die Wirksamkeit von Beschlüssen (analog) § 241 Abs. 3, 2. Alt. AktG unter anderem daran zu messen ist, ob sie gegen gläubigerschützende Vorschriften wie etwa die Kapitalerhaltungsvorschriften oder ein Existenzvernichtungsverbot 81
Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 371 ff. Vgl. auch die Kritik von Haas, ZHR 170 (2006), 478, 485, der von einer Argumentation im »luftleeren Raum« spricht. 83 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 351 ff. 84 Das gilt auch im Verein, für den § 57 Abs. 1 BGB zwar die Nennung des Vereinszwecks in der Satzung zwingend vorschreibt, der Vereinszweck aber anders als etwa die Vertretungsmacht des Vorstandes gemäß § 64 BGB nicht Inhalt der Vereinsregistereintragung ist. Hieraus lässt sich schließen, dass die Nennung des Vereinszwecks in § 57 Abs. 1 BGB der registerrechtlichen Prüfung und dem Mitgliederschutz (K. Schmidt, BB 1987, 556, 558 f.), nicht aber dem Gläubigerschutz dient. 82
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verstoßen. Beides lässt sich kaum bezweifeln. Fraglich kann allein sein, ob der Dispens vom Schädigungsverbot auch tatsächlich gegen gläubigerschützende Regelungen verstößt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass dies nicht der Fall sein kann. Beschließt nämlich die Gesellschafterversammlung einer GmbH die Vornahme einer nachteiligen Maßnahme, so weist dieser Beschluss einen doppelten Regelungsgehalt auf. 85 Zum einen enthält er die an den Geschäftsführer gerichtete Weisung, die dem Formalziel widersprechende Maßnahme durchzuführen. Dass diese Weisung analog § 241 Abs. 3, 2. Alt. AktG nichtig ist, wenn die Maßnahme gegen zwingende Gläubigerschutzvorschriften verstößt, erscheint nahe liegend, kann der Geschäftsführer doch nicht verpflichtet sein, eine rechtswidrige Maßnahme durchzuführen. 86 Davon zu unterscheiden ist jedoch der konkludent erteilte Dispens vom Schädigungsverbot, der keinesfalls nichtig ist. Da der dem Schädigungsverbot als Induktionsbasis zu Grunde liegende Verbandszweck (entgegen Grigoleit) keinen gläubigerschützenden Charakter aufweist, ist die Wirkung des Dispenses von vornherein auf die Beseitigung der im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen reduziert und daher gar nicht geeignet, gegen gläubigerschützende Normen zu verstoßen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschränkungen durch den Verbandszweck rein tatsächlich auch den Gläubigern zugute kommen mögen, da dieser Schutz lediglich reflexartig und somit zufällig ist. Man mag einwenden, die vorgenommene Differenzierung sei künstlich und es gebe keinen Grund, den Mitgliedern und der Geschäftsleitung durch einen Dispens vom Formalziel etwas zu gestatten, was ihnen aufgrund zwingender Regelungen des Gläubigerschutzes ohnehin verwehrt sei. Ihre Berechtigung und auch Notwendigkeit zeigt sich jedoch an folgender Überlegung: Schlüge sich die Unvereinbarkeit einer Maßnahme mit den Kapitalerhaltungsregelungen in der Unwirksamkeit des entsprechenden Dispenses vom Schädigungsverbot nieder, würde neben den Rückzahlungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG nahezu immer (ausgenommen werden lediglich Fälle fehlenden Verschuldens seitens 85 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang KölnerKommAktG/Zöllner, § 179 Rn. 92; Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345; Habersack, ZGR 1994, 354, 368. 86 Bei genauerer Betrachtung ist allerdings auch insoweit die analoge Anwendung des § 241 Abs. 3, 2. Alt. AktG Zweifeln ausgesetzt, würde sie doch dazu führen, dass § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG leerliefe. Das erscheint deshalb inakzeptabel, weil § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG nicht generell, sondern lediglich in der Situation der Überschuldung für zwingend erklärt (zutreffend BGHZ 142, 92, 96). Vorzugswürdig erscheint deshalb, § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG als lex spezialis gegenüber § 241 Abs. 3, 2. Alt. AktG anzusehen (entsprechendes gilt für die Parallelvorschrift des § 93 Abs. 5 S. 1 AktG) und von der Wirksamkeit des Weisungsbeschlusses auszugehen, dem Geschäftsführer aber ein Recht auf »Ausführungsverweigerung« zuzubilligen. Die Lösung hat den Vorteil, dass sich der Geschäftsführer außerhalb der Überschuldung seiner Haftung unter Hinweis auf den Gesellschafterbeschluss erwehren kann, ohne dass man insoweit gezwungen ist, auf die Figur des Rechtsmissbrauchs (vgl. Mennicke, NZG 2000, 622, 625 m. w. N.) zurückzugreifen.
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des Gesellschafters) ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Schädigungsverbots (§ 280 Abs. 1 BGB) treten. Eine solche Erweiterung der an den Verstoß gegen § 30 GmbHG geknüpften Rechtsfolgen stünde aber ersichtlich im Widerspruch zu der beschränkten Rechtsfolgenanordnung des § 31 Abs. 1 GmbHG. Zwar schließt diese es nicht generell aus, an einen Kapitalerhaltungsverstoß auch Schadensersatzansprüche zu knüpfen. Gerechtfertigt ist dies jedoch nur, wenn über den Tatbestand des § 30 Abs. 1 GmbHG hinausgehende Umstände vorliegen, wie dies etwa der Fall ist, wenn der Kapitalerhaltungsverstoß zur Existenzvernichtung führt. 87 Demgegenüber würde die Invalidierung des Dispenses bewirken, dass jeder schuldhafte Kapitalerhaltungsverstoß einen sämtliche Kollateralschäden umfassenden Schadensersatzanspruch nach sich zieht und auf diese Weise zu einer dem gesetzgeberischen Regelungsplan widersprechenden Erweiterung der Rechtsfolgen des § 31 Abs. 1 GmbHG führen. 88 2. Formelle Anforderungen an den Dispens vom Schädigungsverbot a) Zustimmung sämtlicher Mitglieder Kein Zweifel kann daran bestehen, dass der Dispens vom Schädigungsverbot der Zustimmung sämtlicher Mitglieder bedarf. 89 Dies folgt aus der Ableitung des Schädigungsverbots aus dem Formalziel, bei welchem es sich seinerseits um einen Bestandteil des gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB dem Mehrheitsprinzip entzogenen Verbandszwecks handelt. b) Eintragungserfordernis Größere Probleme bereitet die Beantwortung der Frage, ob der Dispens vom Schädigungsverbot wegen des statutarischen Charakters des Verbandszwecks90 der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften, d. h. der registerrechtlichen Eintragung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf.91 Insoweit bedarf es der näheren Auseinandersetzung mit den zur Behandlung so genannter satzungdurchbrechender Beschlüsse entwickelten Grundsätzen. Auch wenn die diesbezügliche Diskussion überwiegend im Recht der GmbH stattfindet, sind die dortigen Er87
Vgl. Mülbert, DStR 2001, 1937, 1943 f. Instruktiv Haas, WM 2003, 1929, 1941 mit Fn. 152, der die rhetorische Frage aufwirft, warum allein in denjenigen Fällen auf die Treupfl icht zurückgegriffen werde, in denen eine Systemlücke im Gläubigerschutzsystem besteht, und sie dahingehend beantwortet, dass andernfalls gegen die abschließende Normierung der Folgen von Kapitalerhaltungsverstößen in § 31 GmbH verstoßen würde. 89 Ausdrücklich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 198 ff.; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1943 Fn. 60; konkludent BGHZ 142, 92, 95; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 350; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 239; Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1010 f. 90 Hierzu Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 198; Tröger, Treupflicht, S. 88. 91 Im Gegensatz zum Recht der GmbH (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) sieht das Vereinsrecht kein Beurkundungserfordernis vor. 88
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kenntnisse auf Grundlage der gebotenen analogen Anwendung der §§ 241 ff. AktG92 ohne weiteres auf den Verein übertragbar.93 (1) Meinungsbild (a) Meinungsbild bezüglich satzungsdurchbrechender Beschlüsse im Allgemeinen. Die h. M. steht auf dem Standpunkt, dass zustandsbegründende Abweichungen von der Satzung, etwa die Geschäftsführerbestellung oder die Befreiung eines Gesellschafters von einem Wettbewerbsverbot, stets der Wahrung der Satzungsänderungsvorschriften einschließlich der Registereintragung bedürfen.94 Ob Gleiches auch für Satzungsdurchbrechungen mit lediglich punktueller Wirkung gilt (z. B. satzungswidriger Thesaurierungsbeschluss oder satzungswidriger Bilanzansatz), ist demgegenüber umstritten. Während für die Aktiengesellschaft überwiegend am Eintragungserfordernis festgehalten wird, ist man im Recht der GmbH verbreitet bereit, hierauf zu verzichten.95 Abweichende Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, dass eine Abgrenzung primär anhand subjektiver Merkmale erfolgen müsse. Von einer Satzungsdurchbrechung könne nur gesprochen werden, wenn die Gesellschafter den Willen haben, die Satzung zu ändern, 96 bzw. zumindest mit dem Bewusstsein der Satzungswidrigkeit handeln.97 Fehle es hieran, handele es sich um eine bloße Satzungsverletzung, die unabhängig von den Satzungsänderungsvorschriften Wirksamkeit erlangen könne. Liegen die subjektiven Voraussetzungen vor, soll die Wirksamkeit demgegenüber stets98 oder zumindest im Fall zustandsbegründender Satzungsdurchbrechungen99 der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften bedürfen.
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§ 10 B.II.4.d.(3) (S. 286 ff.). Ebenso MünchKommBGB/Reuter, § 33 Rn. 10. 94 BGHZ 123, 15, 19; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 30 f.; GroßKommGmbHG/Ulmer, § 53 Rn. 38; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 39 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 34; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rn. 24; Rowedder/ Zimmermann, GmbHG, § 53 Rn. 34; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 8; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99 f.; KölnerKommAktG/Zöllner, § 179 Rn. 98 f.; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 40. 95 Für das Eintragungserfordernis: Hüffer, AktG, § 179 Rn. 8; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99 f.; KölnerKommAktG/Zöllner, § 179 Rn. 98 f.; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 40; gegen das Eintragungserfordernis: Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2266; Scholz/ Priester, GmbHG, § 53 Rn. 30a; GroßKommGmbHG/Ulmer, § 53 Rn. 39; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 39 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 34; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rn. 26; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, § 53 Rn. 34; offen gelassen in BGHZ 123, 15, 19 f. 96 Habersack, ZGR 1994, 354, 364. 97 Priester, ZHR 151 (1987), 40, 48; Lawall, DStR 1996, 1169, 170. 98 Habersack, ZGR 1994, 354, 367 f. 99 Priester, ZHR 151 (1987), 40, 53 f.; Lawall, DStR 1996, 1169, 172 f. 93
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Für eine strikte Differenzierung zwischen dem auf die Vornahme einer satzungswidrigen Maßnahme gerichteten Maßnahmebeschluss und der gegebenenfalls daneben beschlossenen Einzelfallsatzungsänderung treten Tieves und Zöllner ein.100 Der Maßnahmebeschluss unterfalle als Satzungsverstoß ausschließlich der Regelung des § 243 Abs. 1 AktG (analog) und könne daher unabhängig davon, ob er punktuelle oder zustandsbegründende Wirkung entfaltet, ohne Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften Wirksamkeit erlangen, sofern er bestandskräftig werde. Die Satzungsänderungsvorschriften spielten lediglich im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer gegebenenfalls zusätzlich beschlossenen Einzelfallsatzungsänderung eine Rolle.101 (b) Meinungsbild bezüglich des Eintragungserfordernisses beim Dispens vom Schädigungsverbot im Besonderen. Ob speziell der Dispens vom Schädigungsverbot der registerrechtlichen Eintragung bedarf, wird kaum erörtert. Die wenigen Autoren, die die Problematik der Satzungsdurchbrechung in diesem Zusammenhang ansprechen, vertreten überwiegend die Auffassung, dass eine Eintragung nicht erforderlich sei.102 Auf die vorherrschende Differenzierung zwischen der punktuellen und der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung gehen sie hierbei nicht ein. Eine Ausnahme bildet allein Ziemons, die auf Grundlage der Annahme, dass jede nachteilige Einwirkung auf die Gesellschaft Dauerwirkung entfalte, die Abweichung vom Schädigungsverbot nur unter vollständiger Wahrung der Satzungsänderungsvorschriften für zulässig erachtet.103 (2) Stellungnahme (a) Normverstoß und Normänderung als unterschiedliche Kategorien. Die zutreffende Einordnung satzungsdurchbrechender Beschlüsse im Allgemeinen sowie des Dispenses vom Schädigungsverbot im Besonderen kann nur gelingen, wenn man den kategorialen Unterschied zwischen dem Normverstoß und der 100 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345 ff.; Zöllner, FS Priester, S. 879 ff. Den doppelten Regelungsgehalt satzungsdurchbrechender Beschlüsse anerkennt auch Habersack, ZGR 1994, 354, 368, 370, doch tritt er nicht für eine gesonderte rechtliche Behandlung der einzelnen Beschlussbestandteile ein. 101 Während Tieves, ZIP 1994, 1341, 1346 f. insoweit eine Eintragung für erforderlich hält, will Zöllner, FS Priester, S. 879, 891 f.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 49 hierauf verzichten. 102 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 201 f.; zustimmend Mülbert, DStR 2001, 1937, 1943; offen gelassen von Schön, ZHR 168 (2004), 268, 279 f.; GroßKommGmbHG/Hüffer, § 47 Rn. 200. Ohne Bezugnahme auf die Grundsätze der Satzungsdurchbrechungen auch Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 97, 100; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. 53a Rn. 127 i. V. m. § 53a Rn. 96. Offen gelassen von Schön, ZHR 168 (2004), 268, 279 f. 103 Ziemons, Haftung der Gesellschafter, S. 107 f.
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Normänderung beachtet. Die Kategorie des Normverstoßes erfasst sowohl normwidriges tatsächliches Verhalten als auch die vorliegend interessierende Konstellation, dass eine Norm geschaffen wird, die im Widerspruch zu einer bereits existierenden (höherrangigen) Norm steht. Demgegenüber ist die Normänderung dadurch gekennzeichnet, dass eine Norm geschaffen wird, die darauf gerichtet ist, den Geltungsanspruch einer anderen Norm aufzuheben. In welchem Umfang dies geschieht, ist für die Kategorisierung unerheblich. Auch bei der Aufhebung des Geltungsanspruchs einer Norm im Einzelfall gegenüber einem einzelnen Adressaten (konkret-individuell) handelt es sich um eine Normänderung.104 Probleme bereitet diese Abgrenzung normwidriger Regelungen von normändernden Regelungen, wenn, wie im vorliegend interessierenden Fall satzungsdurchbrechender Beschlüsse, derjenige, der die normwidrige Regelung schafft, zugleich über die Zuständigkeit zur Normänderung verfügt. Insoweit mag man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Unterscheidung zwischen Normverstoß und Normänderung ihre Berechtigung verliert und jede Normabweichung nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori generali eine Normänderung bewirkt. Der Standpunkt des Gesetzes ist indes ein anderer: Wäre jede Abweichung der Mitgliedervertretung von den Vorgaben der Satzung als Versuch der Satzungsänderung zu qualifizieren, hätte es der Regelung des § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG nicht bedurft. Auch für Beschlüsse der Mitgliedervertretung ist daher an der Differenzierung zwischen dem Satzungsverstoß und der Satzungsänderung festzuhalten. Auf Grundlage des Gesagten wird deutlich, dass allein die Auffassung von Tieves und Zöllner den Vorgaben des geschriebenen Rechts gerecht wird. Trifft die Mitgliedervertretung eine satzungswidrige Regelung, unterfällt diese als Satzungsverstoß dem Regelungsregime des § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG (analog) und kann hiernach unabhängig von der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften Wirksamkeit erlangen. Der Wortlaut des § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG sieht weder eine Beschränkung auf Satzungsverstöße mit lediglich punktueller Auswirkung vor, noch verlangt er, dass der Normverstoß unbewusst erfolgt. Hierüber kann man sich nicht, wie dies die h. M. macht, ohne weiteres aufgrund von Schutzzweckerwägungen hinwegsetzen.105 Die Satzungsänderungsregelungen sind nur insoweit einschlägig, als die Mitglieder – ausdrücklich oder konkludent – parallel zur satzungswidrigen Maßnahme eine Einzelfallsatzungsänderung beschließen.106 Ihre Anwendung beschränkt sich aber auch 104 MünchKommBGB/Reuter, § 33 Rn. 10; KölnerKommAktG/Zöllner, § 179 Rn. 93; missverständlich demgegenüber Zöllner, FS Priester, S. 879, 884. Unzutreffend insoweit BGH WM 1981, 1218, 1219, der offenbar davon ausgeht, dass nur abstrakt-generelle Abweichungen von der Satzung als Satzungsänderung zu qualifizieren seien. 105 Zöllner, FS Priester, S. 879, 885: »[R]echtspolitische Wünschbarkeiten«. 106 Dies kann sinnvoll sein, wenn dissentierende Gesellschafter vorhanden sind und die
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dann allein auf die Einzelfallsatzungsänderung. Erlangt diese keine Wirksamkeit, bleibt es dabei, dass der satzungswidrige Maßnahmebeschluss (analog) § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG wirksam werden kann.107 Auf Grundlage des Gesagten liegt der Gedanke nahe, bei Einigkeit sämtlicher Mitglieder könne die Satzungsdurchbrechung ohne weiteres im Wege der bloßen Satzungsverletzung beschritten werden und eine Einzelfallsatzungsänderung, welche die Frage des Eintragungserfordernisses auslösen würde, sei verzichtbar. Eben dies entspricht offenbar dem Verständnis von Zöllner, der meint, die Gesellschaftergesamtheit habe die Möglichkeit, »im konkreten Einzelfall die Satzung voraussetzungs- und formlos beiseite zu schieben«, und hierbei auch den Fall im Blick hat, dass ein Gesellschafter von einem Konkurrenzverbot befreit werden soll.108 Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass diese Einschätzung in ihrer Allgemeinheit nicht zutrifft. § 243 Abs. 1 2. AktG ermöglicht der Mitgliedervertretung nicht, die Wirkung der Satzung im Einzelfall einzuschränken. Das zeigt sich schon daraus, dass die Unanfechtbarkeit des Beschlusses nichts an seiner Satzungswidrigkeit ändert.109 Der Mitgliedervertretung wird lediglich ermöglicht, die an sie gerichteten statutarischen Vorgaben sanktionslos zu missachten. Zwar ist es sicherlich richtig, dass sich die Gestattung der sanktionslosen Missachtung einer Norm in ihren tatsächlichen Auswirkungen nicht von einem Dispens unterscheidet, und man insoweit davon sprechen kann, dass § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG auf die Möglichkeit eines faktischen Satzungsdispenses hinausläuft. Die Ableitung der Möglichkeit eines solchen Dispenses aus der Möglichkeit der sanktionslosen Satzungsverletzung impliziert aber, dass der auf diese Weise zu erzielende Dispens stets nur ein »Selbstdispens« sein kann: Verletzen kann die Mitgliedervertretung Satzungsregelungen nur insoweit, als sie an sie adressiert sind. Soweit Satzungsregelungen sich an andere richten, können sie von der Mitgliedervertretung nicht verletzt werden und sind daher auch der Möglichkeit des durch § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG ermöglichten faktischen DisAbweichung von einer Satzungsbestimmung infrage steht, die nicht dem Verbandszweck zuzuordnen ist, da dann die qualifizierte Mehrheit durch Beschluss der Einzelfallsatzungsänderung die Satzungskonformität des Maßnahmebeschlusses herstellen und so dessen Anfechtbarkeit ausschließen kann (vgl. Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rn. 27; Zöllner, FS Priester, S. 879, 890). 107 Das gilt auch dann, wenn die satzungswidrige Regelung und die Einzelfallsatzungsänderung Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sind und man hierauf die Regelung § 139 BGB anwendet (hierzu Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345). Denn aus dem Zweck der Einzelfallsatzungsänderung, das Wirksamwerden der (zunächst) satzungswidrigen Regelungen zu fördern, folgt ohne weiteres der hypothetische Willen, dass der Maßnahmebeschluss gegebenenfalls auch isoliert Bestand haben soll. A. A. Habersack, ZGR 1994, 354, 365 ff., der bei Vorliegen eines doppelten Regelungsinhaltes den gesamten Beschluss den Satzungsänderungsregelungen unterwirft. 108 Zöllner, FS Priester, S. 879, 890 i. V. m. S. 886. 109 MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 116.
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penses entzogen. Fasst die Mitgliedervertretung einen Beschluss, der ein Mitglied von den Vorgaben der Satzung dispensieren soll, verlässt sie die Kategorie der Satzungsverletzung und beschließt eine Einzelfallsatzungsänderung, die dem Regime der Satzungsänderungsvorschriften unterfällt.110 Wendet man die gewonnenen Grundsätze im Einzelfall an, zeigt sich, dass eine Einzelfallsatzungsänderung nur bei Konstellationen verzichtbar ist, in denen sich die infrage stehende Maßnahme wie im Beispiel der satzungswidrigen Bestellung eines Geschäftsführers in dem satzungdurchbrechenden Beschluss und somit einer Handlung der Mitgliederversammlung erschöpft. Bezüglich der vorliegend interessierenden Abweichungen vom Schädigungsverbot liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da es hier darum geht, einem Mitglied oder einem Dritten ein im Widerspruch zur Satzungsänderung stehendes Verhalten zu gestatten. Bezüglich endogener Schädigungen scheint sich eine Umgehungsmöglichkeit zwar auf den ersten Blick insoweit zu bieten, als die Mitgliedervertretung den Geschäftsleiter anweisen kann, die schädigende Maßnahme, etwa den Abschluss eines ein Mitglied begünstigenden Rechtsgeschäfts, vorzunehmen. Da sie auf diese Weise das an sie gerichtete Verbot der Erteilung formalzielwidriger Weisungen missachtet, lässt sich der Beschluss der Kategorie der Satzungsverletzung zuordnen und erlangt hiernach mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder sofortige Bestandskraft. Diese Wirkung ist jedoch auf den Regelungsinhalt des Beschlusses, d. h. die Weisung an den Geschäftsleiter beschränkt. Zwar wird man annehmen müssen, dass die mit der Wirksamkeit der Weisung einhergehende Folgepflicht des Geschäftsleiters diesem die Ausführung der schädigenden Maßnahme gestattet und es der Mitgliedervertretung auf diese Weise immerhin gelingt, reflexartig den Geschäftsleiter faktisch vom Schädigungsverbot zu dispensieren. Ein Dispens des begünstigten Mitglieds vom Schädigungsverbot folgt hieraus aber nicht. Ihm gegenüber kann der Verstoß gegen das Schädigungsverbot nur im Wege der Einzelfallsatzungsänderung legitimiert werden.
110 Die Annahme, der Dispens vom Schädigungsverbot könne im Wege der unanfechtbaren Satzungsverletzung erfolgen, stößt im Übrigen auch insoweit auf Schwierigkeiten, als auf Grundlage der (nicht zuletzt von Zöllner maßgeblich geprägten) h. M. im Fall treuwidriger bzw. zweckwidriger Beschlüsse bereits die einzelne Stimmabgabe nichtig sein soll (u. a. BGH WM 1993, 1593 1595; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 366 ff.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 108, Anh. § 47 Rn. 105). Da die Nichtigkeit der einzelnen Stimmabgabe schwerlich dadurch überwunden werden kann, dass alle anderen Mitglieder ebenfalls zweckwidrig abstimmen, könnte hiernach der Dispens nur gelingen, indem ein Versammlungsleiter zu Unrecht sämtliche Stimmen berücksichtigt und die Wirksamkeit des Beschlusses feststellt. Im Rahmen der Kategorie der Satzungsänderung stellt sich die Problematik hingegen nicht, da zweckändernde Beschlüsse und die darauf gerichtete Stimmabgabe nicht zweckwidrig sein können.
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(b) Teleologische Reduktion des Eintragungserfordernisses. Die Erkenntnis, dass der Dispens vom Schädigungsverbot stets der Einzelfallsatzungsänderung bedarf und hiernach auf Grundlage des geschriebenen Rechts nur mit Eintragung im Vereinsregister Wirksamkeit erlangt, wirft die Frage nach der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des Eintragungserfordernisses auf. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten erschiene es kaum hinnehmbar, wenn jede Abweichung vom Verbandszweck im Einzelfall der Eintragung im Vereinsregister bedarf.111 Ansatzpunkt für eine teleologische Reduktion des Eintragungserfordernisses ist die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Satzungsänderungsvorschriften sicherlich gewöhnliche Satzungsänderungen mit abstraktgenereller Wirkung und nicht Einzelfallsatzungsänderungen vor Augen hatte. Wird die Satzung mit abstrakt-genereller Wirkung geändert, ist es zweifellos sinnvolles Anliegen des § 71 Abs. 1 S. 1 BGB sicherzustellen, dass zukünftige Mitglieder zutreffend über die für im Anschluss an den Beitritt »geltende normativ-abstrakte Ordnung«112 unterrichtet sind. Dass ein vergleichbares Informationsbedürfnis auch im Fall der Einzelfallsatzungsänderung besteht, ist nicht ersichtlich. Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass auch durch Einzelfallsatzungsänderungen in der Vergangenheit ermöglichte Abweichungen von der Satzung für künftige Mitglieder im Einzelfall von Interesse sein können.113 Doch ist dieses Interesse nicht von der gleichen Qualität wie das den Schutzzweck des Eintragungserfordernisses prägende Interesse an der Kenntniserlangung von abstrakt-generellen Satzungsänderungen. Denn es betrifft nicht die Frage nach dem normativen System, welchem sich der Betreffende mit dem Beitritt unterwerfen würde, sondern allein die Frage, in welchem Umfang von diesem System in der Vergangenheit zulässigerweise abgewichen wurde. Stellt man letzteres Interesse dem Interesse der Mitgliedergesamtheit gegenüber, im Einzelfall auch ohne den umständlichen Weg der Registereintragung von Satzungsbestimmungen abweichen zu können, überwiegt Letzteres. Eine abweichende Einschätzung erscheint lediglich in den Extremfällen geboten, in denen mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder ein Vertrag geschlossen wurde, der dem Verband langfristig Vermögen entzieht. Zu denken ist beispielsweise an einen Mietvertrag, der den Verband dazu verpflichtet, einem Mitglied über Jahre hinweg ein völlig unangemessenen Mietzins zu zahlen. Eine solche Gestal111 Für die GmbH stellt sich die hier nicht zu behandelnde Frage, ob gegebenenfalls auch das Beurkundungserfordernis des § 53 Abs. 2, 1. HS. GmbHG der teleologischen Reduktion bedarf. 112 So der in diesem Zusammenhang verwandte Begriff von Zöllner, FS Priester, S. 879, 891. 113 Dies ist der berechtigte Kern des Anliegens derjenigen, die ohne nähere Differenzierung zwischen den Kategorien der Satzungsverletzung und der Satzungsänderung das Eintragungserfordernis nur für verzichtbar halten, wenn die Satzungsdurchbrechung lediglich punktuelle Wirkung entfaltet (Nachweise Fn. 95).
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tung, die in ihren Auswirkungen einem Gewinnabführungsvertrag bzw. (unangemessenen) Teilgewinnabführungsvertrag nahekommt, kann in der Tat dazu führen, dass der Verband entgegen seines in der Satzung verlautbarten Zwecks faktisch auf die Interessen eines Einzelnen ausgerichtet wird. Diesbezüglich lässt sich ein Schutzbedürfnis später eintretender Mitglieder kaum leugnen. Mit Blick auf solche Extremfälle aber sämtliche Einzelfallsatzungsänderungen dem Eintragungserfordernis zu unterwerfen, wäre unangemessen. Vorzugswürdig erscheint es, in solchen Fällen die Lösung in einer analogen Anwendung des § 294 AktG zu suchen, und entsprechenden Verträgen als verdeckten (Teil-)Gewinnabführungsverträgen die Wirksamkeit zu versagen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Anwendungsbereich des § 71 Abs. 1 S. 1 BGB im Wege der teleologischen Reduktion auf abstrakt-generelle Satzungsänderungen zu beschränken ist.114 Einzelfallsatzungsänderungen und somit auch der einzelfallbezogene Dispens vom Schädigungsverbot erlangen hiernach grundsätzlich auch ohne Eintragung im Vereinsregister Wirksamkeit. 3. Bedeutung des Einzelfalldispenses bei Verstößen gegen zwingendes Gläubigerschutzrecht Eine besondere Rolle spielt der Einzelfalldispens vom Schädigungsverbot im Zusammenhang mit Verstößen gegen zwingendes Gläubigerschutzrecht. Insoweit ist an die bereits angesprochene Konstellation aus dem GmbH-rechtlichen Kontext zu erinnern, dass die Gesellschafter einstimmig die Vornahme einer Maßnahme beschließen, die gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt. Von der Weisung gegenüber dem Geschäftsführer, die wegen des Kapitalerhaltungsverstoßes keine Wirksamkeit erlangt,115 zu unterscheiden ist der in dem Beschluss enthaltene Dispens vom Schädigungsverbot. Da dieser als Einzelfallsatzungsänderung nicht der Registereintragung bedarf, entfaltet er ungeachtet der Kapitalerhaltungswidrigkeit der beabsichtigten Maßnahme Wirksamkeit und stellt sicher, dass der begünstigte Gesellschafter bei Durchführung der beschlossenen Maßnahmen – wie vom Gesetzgeber intendiert – lediglich gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG zur Erstattung des erlangten Vermögensvorteils verpflichtet ist und nicht darüber hinaus aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung des Schädigungsverbots Schadensersatz schuldet. Beim Verein kommt zwar kein Verstoß gegen die §§ 30, 31 GmbHG, wohl aber ein solcher gegen das Existenzvernichtungsverbot in Betracht.116 Wird mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder eine existenzvernichtende Maßnahme be114 So im Ergebnis mit Blick auf die GmbH und die AG auch Zöllner, FS Priester, S. 879, 891 f.; zuvor bereits Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267. 115 S. oben Fn. 86. 116 Ausführlich § 12 C. (S. 357 ff.).
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schlossen, gelten die obigen Überlegungen entsprechend: Auch insoweit verlangt die systemkonforme Beschränkung der Rechtsfolgen des Existenzvernichtungsverbots die Wirksamkeit des Dispenses vom Schädigungsverbot. Während nämlich die dem Gläubigerschutz dienende Existenzvernichtungshaftung ihrem Umfang nach auf das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögen, d. h. das Fremdkapital beschränkt ist,117 würde die Schadensersatzhaftung wegen des Verstoßes gegen das Schädigungsverbot zusätzlich das durch die jeweilige Maßnahme vernichtete Eigenkapital umfassen.
E. Vorbeugung und Sanktionierung von Grenzüberschreitungen I. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegenüber verbotswidriger Einflussnahme Bezüglich der Frage, wie Verstöße des Inhabers herrschenden Einflusses gegen die im Interesse der außenstehenden Mitglieder aus dem Verbandszweck abgeleiteten Verbote verhindert werden können, ist zu differenzieren, ob dieser seinen Einfluss durch Ausübung von Stimmrechten in der Mitgliederversammlung (1) oder außerhalb der Mitgliederversammlung ausübt (2). Für beide Konstellationen gleichermaßen stellt sich die Frage, ob Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche auch gegenüber den sich der Einflussnahme öffnenden Vorstandsmitgliedern in Betracht kommen (3). 1. Einflussnahme in der Mitgliederversammlung: Anfechtbarkeit verbotswidriger Beschlüsse Erfolgt die Einflussnahme in der Mitgliederversammlung spielt allein das Schädigungsverbot eine Rolle. Nutzen der Inhaber eines Mehrheitsstimmrechts oder ein Mitglied bzw. Dritter mit Zugriff auf die Mehrheit der Stimmrechte ihren Einfluss aus, um einen formalzielwidrigen Beschluss zu fassen, stellt sich zunächst die Frage, ob bereits die einzelne Stimmabgabe nichtig ist und damit vom Versammlungsleiter nicht berücksichtigt werden darf.118 Auf Grundlage der h. M., wonach jede treuwidrige Stimmabgabe nichtig ist,119 müsste man dies 117
§ 12 D.I.2.b. (S. 391 f.). Davon zu unterscheiden ist die Konstellation, dass im Fall des Zugriffs auf fremde Stimmrechte dieser nicht durch den Dispens vom Abhängigkeitsbegründungsverbot legitimiert wurde und die Stimmrechte deshalb nicht wirksam ausgeübt werden können (§ 10 B.II.4.d.(1) = S. 283 f.). Auf die Formalzielwidrigkeit kommt es insoweit nicht an. 119 BGH WM 1993, 1593 1595; OLG Stuttgart NZG 2000, 490, 492; OLG Düsseldorf NZG 2001, 991, 994; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 366 ff.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 108, Anh. § 47 Rn. 105; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 29 f., 32; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 46; Scholz/Winter, GmbHG, § 14 Rn. 89; wohl auch GroßKommGmbHG/Hüffer, § 47 118
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wohl bejahen. Denn auch wenn die Treuwidrigkeit üblicherweise nicht mit der Verbandszweckwidrigkeit gleichgesetzt wird, umfasst der Begriff der Treuwidrigkeit nach gängigem Verständnis zumindest den der Verbandszweckwidrigkeit.120 Doch kann die h. M. nicht überzeugen. Die Regelung des § 243 Abs. 2 AktG zeigt, dass die formalzielwidrige Stimmabgabe nur zur Anfechtbarkeit führen soll. Auf Grundlage der h. M. würde man zu dem eigenartigen Ergebnis gelangen, dass die Vorschrift lediglich in Konstellationen fehlerhafter Beschlussfeststellung Anwendung fände.121 Konsequenz der formalzielwidrigen Ausübung herrschenden Einflusses in der Mitgliederversammlung ist allein die Anfechtbarkeit des formalzielwidrigen Beschlusses. Aufgrund des statutarischen Ursprungs des Formalziels greift der Anfechtungsgrund des § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG analog ein. Zusätzlich kann die Anfechtung auf § 243 Abs. 2 AktG analog gestützt werden.122 2. Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung: Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegenüber dem Inhaber herrschenden Einflusses a) Rechte des Vereins Erfolgt die Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung, kommt neben dem Schädigungsverbot auch ein Verstoß gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung in Betracht. Da beide Verbote ihren Ursprung im Verbandszweck haben und somit eine Pflichtenbindung gegenüber dem Verein begründen, korrespondieren mit ihnen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Vereins.123 Hinsichtlich der Relevanz dieser Ansprüche gilt es zu differenzieren. Der Möglichkeit ihrer Geltendmachung durch den Verein selbst kommt keinerlei praktische Bedeutung zu. Steht nämlich der Vorstand der Einflussnahme ablehnend gegenüber, kann er sich ihr ohne weiteres verschließen. Auf die GeltendRn. 199; Michalski/Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 335; GroßKommAktG/Henze/ Notz, Anh. 53a Rn. 128 m. w. N. zum Aktienrecht. 120 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 29 f., 32. 121 Michalski/Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 177; gegen die h. M. auch Koppensteiner, ZIP 1994, 1325; MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rn. 23; Korehnke, Treuwidrige Stimmen, S. 131 ff. 122 Die die Anfechtbarkeit ausschließende Regelung des § 243 Abs. 2 S. 2 AktG ist auf den Verein nicht anwendbar, da sie ähnlich wie die Privilegierungstatbestände des Aktienkonzernrechts auf wirtschaftlich tätige Verbände zugeschnitten ist (eine entsprechende Anwendung auf die GmbH ablehnend Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 89). 123 Für die GmbH etwa Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 437 f.; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 30; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 86.
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machung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen des Vereins ist er daher nicht angewiesen. Erhebliche Bedeutung erlangen die Ansprüche des Vereins jedoch als Grundlage der actio pro socio außenstehender Mitglieder.124 b) Rechte der außenstehenden Mitglieder Weil der Vorstand ungeachtet des Nichtbestehens einer Folgepflicht gegebenenfalls geneigt sein wird, der nachteiligen Einflussnahme nachzukommen, stellt sich die Frage, inwieweit die außenstehenden Mitglieder selbst den Inhaber herrschenden Einflusses auf Unterlassen in Anspruch nehmen können. Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, ist insoweit zu unterscheiden zwischen der Abwehrklage (actio negatoria), die der Geltendmachung eigener Ansprüche der Mitglieder dient, und der actio pro socio, kraft derer es Mitgliedern ermöglicht wird, Ansprüche des Verbandes geltend zu machen.125 Was zunächst die Abwehrklage anbetrifft, wird man auch im Verhältnis zum Inhaber herrschenden Einflusses keinen Anspruch des einzelnen Mitglieds auf gesetz- und satzungsmäßiges Handeln annehmen können, sondern in gleicher Weise wie im Verhältnis zwischen den Mitgliedern und dem Verein Ansprüche nur in Betracht ziehen, wenn das Recht des Mitglieds auf Entscheidungsteilhabe verletzt ist. Auf den ersten Blick nahe liegt eine solche Verletzung bei Verstößen gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung.126 Denn die Umgehung der Mitgliederversammlung scheint die Verletzung des Rechts auf Entscheidungsteilhabe zu implizieren. Tatsächlich griffe dies jedoch zu kurz. Betrifft die Einflussnahme Maßnahmen aus dem Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit, ist das Recht auf Entscheidungsteilhabe nicht berührt, da der Vorstand insoweit auch aus eigener Initiative handeln könnte. Eine anspruchsbegründende Verletzung des Rechts auf Entscheidungsteilhabe durch den Inhaber herrschenden Einflusses wird man nur in den eher seltenen Fällen annehmen können, dass dieser den Vorstand veranlasst, ohne Involvierung der Mitgliederversammlung Maßnahmen vorzunehmen, die in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen oder bezüglich derer zumindest eine Vorlagepflicht besteht.127 Gänzlich unberührt bleibt das Recht auf Entscheidungsteilhabe, wenn die Einflussnahme allein gegen das Schädigungsverbot verstößt. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt,128 lässt sich Gegenteiliges nicht daraus herleiten, dass die 124
Hierzu sogleich unter b. Oben § 5 F.III.2.b. (S. 183 ff.). 126 Für eigene Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in dieser Konstellation daher auch Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 31; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 455 (in Bezug auf die GmbH). 127 Zur Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Mitgliedervertretung § 4 B.II.1. (S. 93 f.). 128 § 5 F.III.2.b.(1) (S. 183 ff.). 125
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Pflichtwidrigkeit in einem Verstoß gegen den Verbandszweck besteht und dessen Änderung wiederum in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt.129 Ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch der außenstehenden Mitglieder gegenüber der formalzielwidrigen Einflussnahme besteht demnach nicht.130 Kommt ein Vorgehen aus eigenem Recht hiernach allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht, stellt sich die Frage, inwieweit es den außenstehenden Mitglieder möglich ist, gegebenenfalls die Ansprüche des Vereins im Wege der actio pro socio geltend zu machen. Dass die Anwendung der Grundsätze der actio pro socio auch beim Verein in Betracht kommt, wenn die Durchsetzung von Rechtspositionen aufgrund eines Versagens der Zuständigkeitsordnung zu versagen droht, wurde bereits dargelegt.131 In einem beherrschten Verein wird man im Zusammenhang mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen von einem entsprechenden Versagen schon immer dann ausgehen können, wenn dieser über kein freiwilliges Organ verfügt, welches in der Lage oder gewillt ist, das rechtswidrige Zusammenwirken von Vorstand und dem Inhaber herrschenden Einflusses zu unterbinden. 3. Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder und den Verein In der Regel wird es effektiver sein, statt gegen den Inhaber herrschenden Einflusses unmittelbar gegen diejenigen Vorstandsmitglieder vorzugehen, die sich dem herrschenden Einfluss öffnen. Unausweichlich ist dies, sofern eine nachteilige Maßnahme bereits stattgefunden hat und es um deren Beseitigung geht. Gleiches gilt, wenn zu erwarten ist, dass die Vorstandsmitglieder einen anfechtbaren oder (erfolgreich) angefochtenen Beschluss umsetzen.132
129 So aber in etwas anderem Zusammenhang die Argumentation von Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 28, wonach die qualifizierte Nachteilszufügung das Recht eines jeden außenstehenden Gesellschafters auf Entscheidungsteilhabe verletze, weil die Nachteilszufügung nur auf Grundlage eines Beherrschungsvertrags zulässig sei, welcher aber gemäß § 293 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe. Im Ergebnis wie hier GroßKommAktG/Mülbert, Vor §§ 118– 147 Rn. 222. 130 Gegenteilig für die GmbH GroßKommGmbHG/Casper, Anh. § 77 Rn. 165; Lutter/ Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 19; Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, KonzernR Rn. 85, die jeweils ohne nähere Begründung eigene Ansprüche der außenstehenden Mitglieder bejahen. 131 § 5 F.III.2.b.(2) (S. 185 ff.). 132 Ob die bloße Anfechtbarkeit stets ein Ausführungsverbot nach sich zieht, ist wenig geklärt (Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 22: »Feld der Ungewissheit«). Schon im eigenen Interesse werden die Vorstandsmitglieder allerdings geneigt sein, bei klaren Verstößen das Ende der Anfechtbarkeit abzuwarten.
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a) Rechte des Vereins Da die Vorstandsmitglieder als Organwalter die Vorgaben des Verbandszwecks zu achten haben, sind sie im Ergebnis in gleicher Weise wie die Mitglieder Adressaten des Schädigungsverbots. Gegenüber Verstößen stehen dem Verein Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu.133 Ob die Vorstandsmitglieder jeweils in Ausführung eines unwirksamen Beschlusses, einer Anregung außerhalb der Mitgliederversammlung oder gar auf eigene Initiative handeln, ist unerheblich. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen sind die Vorstandsmitglieder aber auch dann ausgesetzt, wenn sie sich Einflüssen öffnen, die zwar nicht formalzielwidrig sind, aber gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung verstoßen. Denn auch wenn dem Vereinsvorstand anders als dem Vorstand der Aktiengesellschaft kein eigenverantwortlicher Aufgabenbereich zugewiesen ist, trifft auch ihn in dem Umfang, in dem die Mitgliederversammlung ihre Geschäftsführungskompetenz nicht ausübt, die Pflicht zur eigenständigen Leitung. Entsprechend den oben entwickelten Grundsätzen ist die Grenze des Zulässigen überschritten, wenn sich die Vorstandsmitglieder durch den Inhaber herrschenden Einflusses nicht mehr nur »inspirieren« lassen, sondern nur noch dessen Willen vollziehen. Bedeutung erlangen die dem Verein gegenüber den Vorstandsmitgliedern zustehenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, wenn ein fakultatives Organ existiert, das zu ihrer Geltendmachung befugt ist. Im Übrigen können die Ansprüche wiederum Grundlage der actio pro socio sein.134 b) Rechte der außenstehenden Mitglieder Eigene Ansprüche der außenstehenden Mitglieder, die Grundlage einer Abwehrklage sein könnten, kommen nicht gegenüber den Vorstandsmitgliedern, sondern allein gegenüber dem Verein in Betracht, welcher sich das Verhalten seiner Organe zurechnen lassen muss.135 Da ein genereller Anspruch der Mitglieder auf gesetzes- und satzungsmäßiges Handeln des Vereins jedoch nicht anzuerkennen ist,136 setzt ein solcher Anspruch voraus, dass das Recht des Mitglieds auf Entscheidungsteilhabe verletzt ist. Wie bereits im Zusammenhang mit möglichen Ansprüchen gegen den Inhaber herrschenden Einflusses erörtert, ist von einer solchen Verletzung nur in dem Fall auszugehen, dass der Vorstand Entscheidungen trifft, die in den Bereich der Alleinzuständigkeit der 133 Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 210; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 53 (jeweils für die GmbH); GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rn. 453 (für die AG); zweifelnd Zöllner, ZGR 1988, 393, 423 ff.; ablehnend KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 235. 134 Dazu sogleich unter b. 135 BGHZ 83, 122, 133 f. 136 Oben § 5 F.III.2.b.(1) (S. 183 ff.).
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Mitgliederversammlung fallen oder bezüglich derer eine Vorlagepflicht besteht. Auch insoweit sind die außenstehenden Mitglieder daher überwiegend darauf angewiesen, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen des Vereins gegenüber den handelnden Vorstandsmitgliedern im Wege der actio pro socio geltend zu machen.
II. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegenüber exogener Schädigungen Exogene Schädigungen verstoßen in gleicher Weise wie die schädigende Einflussnahme gegen das Schädigungsverbot und begründen daher Unterlassungsund Beseitigungsansprüche des Vereins gegenüber dem jeweiligen Mitglied oder Dritten. Für die außenstehenden Mitglieder besteht wiederum die Möglichkeit, diese Ansprüche im Wege der actio pro socio geltend zu machen. Eine eigene Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche begründende Verletzung des Rechts auf Entscheidungsteilhabe ist bei exogenen Schädigungen ausgeschlossen, da diese gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass sie ohne Einflussnahme auf die Willensbildung des Vereins erfolgen.
III. Schadensersatzansprüche 1. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs a) Anforderungen des § 280 Abs. 1 BGB Der Verstoß gegen das Schädigungsverbot zieht eine Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB nach sich.137 Die Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist entbehrlich. Zwar handelt es sich um einen Fall des Schadensersatzes statt der Leistung im Sinne von § 280 Abs. 3 BGB (Unterlassen der Schädigung), doch ist die Leistungserbringung für die Vergangenheit unmöglich, so dass § 283 BGB eingreift.138 Neben der Pflichtverletzung setzt die Haftung gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB voraus, dass diese vom Mitglied zu vertreten ist. Mangels abweichender Vorschriften ist das der Fall, wenn die Pflichtverletzung schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Relevanter Sorgfaltsmaßstab ist der des § 276 Abs. 2 BGB.139 Dieser ist flexibel genug, um die notwendigen Differenzierungen zu treffen. Die generelle Anwendung eines verschärf137 Statt vieler BGHZ 65, 15 ff. (ITT); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 199 ff.; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rn. 198, 242; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 36; Rowedder/Pentz, GmbHG, § 13 Rn. 82; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 145; konkret zum Verein MünchKommBGB/Reuter, § 38 Rn. 45. 138 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 432. 139 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 110 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 421; Piepenburg, Mitgliedschaftliche Treupflichten der Aktionäre, S. 158 ff. m. w. N.; Zöllner
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ten Sorgfaltsmaßstabs wie den des § 43 Abs. 1 GmbHG erscheint weder dogmatisch begründbar noch zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse erforderlich.140 Beteiligt sich etwa ein herrschendes Mitglied an der Geschäftsleitung und schlägt in diesem Zusammenhang konkrete Maßnahmen vor, resultieren hieraus bereits auf Grundlage von § 276 Abs. 2 BGB im Vergleich zu anderen Mitgliedern höhere Sorgfaltsanforderungen.141 Diese schlagen sich insbesondere in einer Verpflichtung nieder, Entscheidungen nur unter Zugrundelegung ausreichender Informationen zu treffen. Der Schadensinhalt bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB.142 Da eine Naturalrestitution meist nicht möglich sein wird, hat der Anspruchsschuldner den Verband hiernach vermögensmäßig so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde (§ 251 Abs. 1 BGB). b) Besonderheiten bei der Einflussnahme in der Mitgliederversammlung Aufgrund der beschriebenen Flexibilität des § 276 Abs. 2 BGB erscheint es nicht geboten, eine Haftung bei der Einflussnahme in der Mitgliederversammlung auf die Fälle vorsätzlicher Schädigungen zu beschränken.143 Zwar ist die Überlegung, drohende Haftungssanktionen könnten Mitglieder von der Ausübung ihres Stimmrechts abschrecken, nicht von der Hand zu weisen.144 Zu verhindern ist dies aber nicht durch den prinzipiellen Ausschluss der Fahrlässigkeitshaftung, sondern im Wege einer sachgerechten Formulierung der die Mitglieder im Zusammenhang mit der Stimmrechtsausübung treffenden Sorgfaltspflichten. Beteiligt sich ein Mitglied nicht aktiv an der Ausgestaltung von Beschlussgegenständen, treffen ihn keine nennenswerten Sorgfaltspflichten. Insbesondere kann es sich ohne weiteres auf die Richtigkeit der ihm in der Mitgliederversammlung bzw. im Vorfeld gewährten Informationen verlassen.145 Ebenso kann nicht verlangt werden, dass das Mitglied die einzelnen Beschlussgegenstände im in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 109; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 69; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21. 140 Für eine Anwendung von § 43 GmbHG auf die Gesellschafter der GmbH aber BGH WM 1975, 1152, 1154; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 391 ff.; Ziemons, Haftung der Gesellschafter, S. 162 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 355 ff.; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 455. 141 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 110. Auch in BGH WM 1975, 1152, 1154 wird die Maßgeblichkeit eines strengeren (insoweit allerdings durch Anwendung von § 43 GmbHG gewonnenen) Sorgfaltsmaßstabs damit begründet, beim in Frage stehenden Gesellschafter handele es sich um ein »Unternehmen mit kaufmännisch organisiertem Geschäftsbetrieb«. 142 Näher (für die GmbH) Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 419; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 246. 143 So aber BGHZ 129, 136, 162 ff.; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21; GroßKommAktG/Henze/ Notz, Anh. § 53a Rn. 147 f. f.; Flume, BGB AT I/2, § 8 IV 2 g (S. 296 ff.). Dagegen Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 106 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 384 ff. 144 BGHZ 129, 136, 163. 145 Ähnlich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 111.
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Vorfeld der Mitgliederversammlung in irgendeiner Weise vorbereitet. Der auf gewöhnliche Mitglieder anzuwendende Haftungsmaßstab nähert sich auf diese Weise in der Tat dem einer reinen Vorsatzhaftung an. Bezüglich Mitgliedern, die aktiv auf die Geschäftsleitung Einfluss nehmen, hat diese Lösung hingegen den Vorteil, diese auch unterhalb der Schwelle vorsätzlichen Handelns haftungsrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können.146 Klärungsbedürftig ist ferner, ob die Ersatzpflicht wegen des Verstoßes gegen das Schädigungsverbot die Anfechtung des Beschlusses der Mitgliederversammlung voraussetzt. Die wohl h. M. im GmbH-Recht bejaht dies und geht hiernach davon aus, dass eine Schadensersatzpflicht ausscheidet, wenn der nachteilige Beschluss unanfechtbar und somit bestandskräftig wird.147 Vorzugswürdig erscheint indes die Gegenauffassung, wonach die Bestandskraft des Beschlusses einen Schadensersatzanspruch nicht grundsätzlich ausschließt, sondern lediglich unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zu berücksichtigen ist, inwieweit der Schadenseintritt durch Erhebung der Anfechtungsklage hätte verhindert werden können.148 Sie findet nicht nur eine Stütze in der Gesetzesbegründung zur Streichung des § 117 Abs. 7 Nr. 1 a. F. AktG,149 sondern ist der h. M. auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten überlegen. Bewirkt beispielsweise ein herrschendes Mitglied die Fassung eines Weisungsbeschlusses, welcher es dem Vorstand untersagt, ein für den Verein günstiges Geschäft abzuschließen, hat sich die Bedeutung des Beschlusses in der Regel erledigt, sobald ein anderer die dadurch entstandene Geschäftschance für sich nutzt. Wollte man hier die Anfechtung zur Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs machen, würde dies zu der wenig befriedigenden Situation füh146 In die Geschäftsleitung involvierte Mitglieder, insbesondere solche, die einen herrschenden Einfluss ausüben, haften hiernach grundsätzlich auch für bloße Managementfehler, wobei aber zu beachten ist, dass sie ebenso wie Geschäftsleiter Ermessensspielräume in Anspruch nehmen können, vgl. auch Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 109. 147 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 321 ff.; Scholz/ders., GmbHG, § 14 Rn. 62; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 428 f.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 109; Berger, ZHR 149 (1985), 599, 610; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 48; wohl auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 241. 148 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 33; für die AG nunmehr auch MünchKommAktG/Spindler, § 117 Rn. 76; sympathisierend GroßKommGmbHG/Hüffer, § 47 Rn. 188, der allerdings eine Zurechnung des Mitverschuldens der außenstehenden Gesellschafter nur hinsichtlich des diesen ausnahmsweise zustehenden Anspruchs auf Ersatz des Eigenschadens für möglich hält. Wiederum a. A. Ziemons, Haftung der Gesellschafter, S. 165 ff., nach deren Meinung die unterlassene Anfechtung ohne jede Auswirkung auf den Schadensersatzanspruch ist. Ihre Annahme, das Anfechtungserfordernis würde den Ersatzanspruch »unbillig vereiteln«, wenn sich der Eintritt des Schadens erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist herausstellt, und daher Gesellschafter zwingen, jeden zweifelhaften Beschluss anzufechten, vermag indes kaum zu überzeugen. Ein Schadensersatzanspruch kommt ohnehin nur in Betracht, wenn der Beschluss als solcher nachteilig ist, und dies ist zum Zeitpunkt der Beschlussfassung feststellbar. 149 Begr. RegE zu Art. 1 Nr. 3 UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12.
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ren, dass die Liquidation des Schadens zur Durchführung eines überflüssigen Anfechtungsprozesses zwingen würde, welcher mit der gegebenenfalls daneben erforderlichen Leistungsklage aufgrund der unterschiedlichen Parteirollen noch nicht einmal verbunden werden könnte. Die auf § 254 BGB abstellende Lösung vermeidet solche Ergebnisse. Die in ihrem Rahmen erforderliche Zurechnung des Mitverschuldens der außenstehenden Mitglieder auf den Verein lässt sich damit begründen, dass der Verein bei der Schadensverfolgung keine eigenen Interessen, sondern die in ihm gebündelten Interessen der außenstehenden Mitglieder verfolgt.150 c) Besonderheiten beim Verstoß gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung Zu erörtern ist, ob auch die Einflussnahme unter Umgehung der Mitgliederversammlung geeignet ist, Schadensersatzansprüche zu begründen. Unproblematisch ist insoweit der Fall, dass die bewirkte Maßnahme formalzielwidrig und somit nachteilig ist. Hier folgt die Schadensersatzhaftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schon aus dem Verstoß gegen das Schädigungsverbot, ohne dass dem Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung eigenständige Bedeutung zukäme. Denkbar ist aber auch, dass die Maßnahme nicht nachteilig ist, sondern auf Grundlage des Kenntnisstandes bei ihrer Vornahme auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter getroffen worden wäre. Führt eine solche Maßnahme aufgrund unvorhergesehener Umstände gleichwohl zu einem Schaden, stellt sich die Frage, ob allein aus dem Verstoß gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung ein Schadensersatzanspruch abgeleitet werden kann. Die Voraussetzungen einer Schadensersatzhaftung aus § 280 Abs. 1 BGB liegen grundsätzlich vor. Die Umgehung der Mitgliederversammlung stellt eine Pflichtverletzung dar, die regelmäßig auch vorsätzlich und somit schuldhaft erfolgt. Gleichwohl ist ein Schadensersatzanspruch im Ergebnis aber aufgrund von Schutzzweckerwägungen zu verneinen.151 Gerechtfertigt wäre er nur, wenn die Pflichtverletzung die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erhöht hätte. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, die Mitgliederversammlung verfüge typischerweise über besondere Fähigkeiten, die die Qualität der Entscheidungsfindung erhöhen, sind nicht ersichtlich. Es fehlt mithin am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Gegenteiliges ließe sich nur vertreten, wenn man den Zweck des Umgehungsverbots darin sähe, die Schwächen des Schädigungsverbots zu kompensieren.152 Insoweit ließe sich argumentieren, die Haftung wegen des Verstoßes gegen das 150 Zu Unrecht eine Zurechnung gar nicht in Erwägung ziehend GroßKommGmbHG/ Hüffer, § 47 Rn. 188, wie hier dagegen im Ergebnis Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 33. 151 Im Ergebnis auch Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 112 f. 152 Hierzu oben unter D.IV. (S. 308 ff.).
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Umgehungsverbots gleiche in vielen Fällen lediglich den Umstand aus, dass die Formalzielwidrigkeit nicht nachweisbar ist.153 Zudem wäre die Haftung geeignet, Präventionswirkung zu entfalten und auf diese Weise die materielle Angemessenheitskontrolle des Schädigungsverbots vielfach entbehrlich zu machen.154 Besinnt man sich jedoch des Umstandes, dass Grundlage der infrage stehenden Haftung der aus dem mutmaßlichen Gründerwillen abgeleitete Verbandszweck ist, wird deutlich, dass entsprechende Überlegungen wohl zu weit führen. 2. Aktivlegitimation Da das aus dem Formalziel abgeleitete Schädigungsverbot gegenüber dem Verband selbst besteht, ist dieser im Fall von Verstößen auch Inhaber entsprechender Schadensersatzansprüche.155 Ob den einzelnen Mitgliedern hinsichtlich dieser Schadensersatzansprüche gegebenenfalls ein Verfolgungsrecht zusteht, ist deshalb erwägenswert, weil der Vorstand selten geneigt sein dürfte, gegen den Inhaber herrschenden Einflusses vorzugehen. Im Recht der GmbH wird ein entsprechendes Verfolgungsrecht unter Hinweis auf das Institut der actio pro socio156 bzw. eine Analogie zu den §§ 309 Abs. 4 S. 1, 317 Abs. 4 AktG157 verbreitet bejaht. Die Annahme eines generellen Verfolgungsrechts der außenstehenden Mitglieder des Vereins ist jedoch abzulehnen. Die §§ 309 Abs. 4 S. 1, 317 Abs. 4 AktG können beim Verein (aber auch der GmbH) keine Anwendung finden, weil es der Mitgliederversammlung des Vereins anders als der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft grundsätzlich möglich ist, die Geschäftsleitung verbindlich zur Verfolgung entsprechender Schadensersatzansprüche anzuweisen.158 Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen Grundsätze der actio pro socio, wonach ein Verfolgungsrecht nur in Betracht kommt, wenn die Zuständigkeitsordnung versagt. Im Fall von Schadenersatzansprüchen wird man von einem solchen Versagen nur in Ausnahmefällen ausgehen können. Denn anders als bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen spielt der Zeitfaktor im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen typischerweise eine untergeordnete Rolle. Grundsätzlich ist es daher auch in einem abhängigen Verein den außenstehenden Mitgliedern zuzumuten, auf die Fassung eines Beschlusses 153
Vgl. auch die Überlegungen von KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 90 ff. So der Ansatz des Referentenentwurfs zum AktG 1965, der eine Veranlassungshaftung vorsah (MünchKommAktG/Altmeppen, Vor § 311 Rn. 11; siehe auch oben unter C.II. = S. 299 ff.). 155 Für die GmbH Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 307. 156 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, KonzernR Rn. 88; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 307 ff.; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 430 m. w. N. 157 Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 32; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 23. 158 Ähnlich Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 260. 154
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hinzuwirken, der den Vorstand verpflichtet, den Schadensersatzanspruch zu verfolgen. Der potentielle Anspruchsgegner ist nicht in der Lage dies zu verhindern, da er dem Stimmverbot des § 34 2. Alt. BGB unterliegt.159 Mit der Anspruchsverfolgung kann erforderlichenfalls analog § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG ein besonderer Vertreter betraut werden.160 3. Behandlung von Beweisschwierigkeiten Auch wenn Beweisschwierigkeiten bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Inhaber herrschenden Einflusses vorwiegend im Kontext des Gläubigerschutzes diskutiert werden, stellt sich die Problematik auch im Zusammenhang mit der Haftung wegen des Verstoßes gegen das Schädigungsverbot. Hauptursache der Beweisschwierigkeiten ist, dass es sich bei dem mit der Anspruchsverfolgung Betrauten in der Regel um ein an den fraglichen Vorgängen nicht beteiligtes Organmitglied oder einen besonderen Vertreter handeln dürfte, welcher hiernach typischerweise einem Informationsdefizit unterliegt.161 Hinzu kommt, dass insbesondere bei Schädigungen im unternehmerischen Bereich die Schadensquantifizierung häufig große Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit diesen Schwierigkeiten mit den Mitteln des Beweisrechts begegnet werden kann. a) Verstoß gegen das Schädigungsverbot Sofern die Veranlassung einer Maßnahme durch Einflussnahme in der Mitgliederversammlung erfolgt, begründet deren Nachweis keine besonderen Schwierigkeiten. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung erfolgt. Weil der gegen den Inhaber herrschenden Einflusses erhobene Vorwurf der schädigenden Einflussnahme regelmäßig einhergeht mit dem an die involvierten Mitglieder der Geschäftsleitung gerichteten Vorwurf, pflichtwidrig gehandelt zu haben, werden Letztere typischerweise nicht zur Sachverhaltsaufklärung beitragen. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast helfen in dieser Situation, in der es nicht um die Aufklärung der näheren Umstände der Einflussnahme, sondern allein deren »ob« geht, nicht weiter. Möglich ist aber, auf die für den Nachweis der Veranlassung bei § 317 Abs. 1 AktG anerkannten Maßstäbe zurückzugreifen und im Wege des Anscheinsbeweises vom Inhalt der durchgeführten Maßnahme auf deren Veranlassung durch das herrschende Mitglied zu schließen.162 Der für die Anwendung 159 Den Mitgliedern ist es auch möglich, den Vorstand erforderlichenfalls zu zwingen, dass ein entsprechender Antrag in die Tagesordnung der Mitgliederversammlung aufgenommen wird (vgl. Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 1389 ff.). 160 Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 43; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 194 f. 161 Vgl. auch BGH NJW 1980, 231, 232 (Gervais). 162 So auch (für die GmbH) Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 420; Winter, Mitgliedschaftliche
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der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderliche typische Geschehensablauf dürfte zumindest dann gegeben sein, wenn die Maßnahme formalzielwidrig ist und zugleich dem Inhaber herrschenden Einflusses zum Vorteil gereicht.163 Erfolgt die Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung, erfasst das Informationsdefizit des Anspruchstellers neben dem Merkmal der Veranlassung häufig auch die nachteilige Maßnahme als solche. Zwar kann nicht darauf verzichtet werden, dass er vorträgt, welche Maßnahme als nachteilig zu qualifizieren ist, oder zumindest Umstände darlegt, die auf eine solche schließen lassen.164 Die substantiierte Darlegung von Einzelheiten wie etwa des konkreten Inhalts einer getroffenen vertraglichen Vereinbarung würde den Anspruchsteller als nicht mit den Interna betrauten Außenstehenden aber vielfach überfordern. Zur Abhilfe der Beweisnot sind verschiedene Lösungen denkbar. Zum einen könnte man anknüpfend an die TBB-Entscheidung des BGH auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast abstellen. Hiernach müsste der Anspruchsteller die nachteilige Maßnahme lediglich in groben Zügen darlegen, während es Aufgabe des potentiellen Anspruchsgegners wäre, zu den Einzelheiten Stellung zu nehmen. Vertreten wird aber auch, dem Anspruchsteller im Wege der Beweislastumkehr entgegenzukommen. M. Winter stützt eine solche Beweislastumkehr hinsichtlich der die objektive Pflichtwidrigkeit begründenden Tatsachen darauf, dass die Beweisnot ihre Ursache in der rechtswidrigen Umgehung der Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung hat.165 Der Sache nach nimmt er insoweit auf die Grundsätze der Beweisvereitelung Bezug. Andere plädieren demgegenüber für eine analoge Anwendung der Regelungen der §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG, wonach den Anspruchsgegner die Beweislast dafür trifft, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat.166 Der zuletzt genannten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Das bloße Abstellen auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast wird der Beweisnot des Anspruchstellers nicht gerecht. Denn es steht zu befürchten, dass der InhaTreuebindungen, S. 114; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 444; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 412; Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 254; Orth, DStR 1994, 250, 255. Vgl. Meinungsüberblick bezüglich der §§ 311, 318 bei KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 10. 163 So auch für § 311 AktG KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 10; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 32 f. 164 Vgl. BGH WM 1980, 1190, 1191, wo nach Auffassung des Gerichts »die Art des behaupteten Schadens so stark für den Zusammenhang mit einem pfl ichtwidrigen Verhalten oder Unterlassen des verklagten Geschäftsführers« sprach, dass eine weitergehende Darlegung nicht verlangt wurde. 165 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 113. 166 Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang Konzernrecht § 75; Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh § 13 Rn. 18; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 445 ff.
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ber herrschenden Einflusses unwahre entlastende Umstände vorträgt, deren Widerlegung dem Antragsteller mangels Zugriff auf geeignete Beweismittel unmöglich ist. Demgegenüber ist die analoge Anwendung der §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG ohne weiteres gerechtfertigt. Die den Regelungen zu Grunde liegende Annahme der größeren Beweisnähe der Mitglieder der Geschäftsleitung findet ihre Entsprechung in der eingangs konstatierten Informationsasymmetrie. Im Vergleich zu der auf die Grundsätze der Beweisvereitelung bezugnehmenden Lösung ist die Analogie insoweit vorzugswürdig, als sie den näheren Bezug zum positiven Recht aufweist. Im Ergebnis muss der Anspruchsteller daher lediglich darlegen, welche Vorgänge als schädigende Maßnahme in Betracht kommen. Insoweit genügt es beispielsweise, dass vorgetragen wird, der Inhaber herrschenden Einflusses habe vom Verein eine bestimmte Leistung zu nicht marktgerechten Konditionen erhalten. Sofern die Maßnahme als solche bestritten wird, muss hierfür Beweis erbracht werden. Aufgabe des Inhabers herrschenden Einflusses ist es demgegenüber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der behauptete Vorgang den Verein nicht benachteiligt hat, indem er die Konditionen des Leistungsaustauschs im Einzelnen aufdeckt.167 b) Verschulden Hinsichtlich des Verschuldens folgt die Beweislastumkehr ohne weiteres aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.168 Praktische Bedeutung dürfte ihr jedoch kaum zukommen. Wegen des im Zivilrecht geltenden objektiven Sorgfaltsmaßstabs indiziert der Verstoß gegen das Schädigungsverbot das Vorliegen von Verschulden.169 c) Schadensumfang Zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Schadensumfangs kommt es vor allem dann, wenn die schädigende Einwirkung die Ertragskraft des Verbandes, verstanden als die langfristige Fähigkeit eines Unternehmens, Gewinne zu erzielen, betrifft. Obgleich dieser Aspekt nur bei wirtschaftlicher Betätigung relevant ist und daher vor allem im Recht der Handelsgesellschaften eine Rolle spielt, kann ihm aufgrund der großzügigen Interpretation des Nebentätigkeitsprivilegs durchaus auch bei Vereinen Bedeutung zukommen. Die Schwierigkeit liegt insoweit darin, dass die Ertragskraft durch eine Vielzahl interner und externer Faktoren bestimmt wird, die typischerweise Schwankungen unterworfen sind und in Wechselwirkung zueinander stehen. Angesichts der die Ertragskraft hiernach kennzeichnenden Volatilität lässt sich auch dann, wenn Art und Umfang der schädigenden Einwirkung auf einen der maßgeblichen 167
So im Ergebnis auch BGH NJW 1980, 231, 232 (Gervais). Überblick über die mit Blick auf die GmbH vertretenen alternativen Begründungsansätze bei Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 418. 169 Vgl. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 421. 168
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Faktoren feststeht (Bsp. Abzug wichtiger Mitarbeiter), kaum mit Sicherheit sagen, wie sich die Ertragskraft ohne die Einwirkung entwickelt hätte.170 Aufgrund der Wechselwirkung zwischen internen und externen Faktoren hilft auch die Naturalrestitution nur bedingt weiter. So kann zwar beispielsweise der Abzug wichtiger Mitarbeiter rückgängig gemacht werden. Haben sich aber zwischenzeitlich Teile der Kundschaft abgewandt, lässt sich auf diese Weise nicht ohne weiteres der Status quo ante herstellen. Im Recht der Kapitalgesellschaften werden die infrage stehenden Quantifizierungsprobleme im Kontext des Gläubigerschutzes diskutiert. Insoweit herrschte lange Zeit die Auffassung vor, die Probleme ließen sich nicht mit den Mitteln des Beweisrechts, sondern allein durch eine Pauschalhaftung analog § 302 AktG lösen.171 Eine Verlustausgleichspflicht sollte hiernach immer dann eingreifen, wenn das System des Einzelausgleichs auf Grundlage §§ 311 ff. AktG bzw. der §§ 30, 31 GmbHG versagt.172 Inwieweit diese Einschätzung noch Gültigkeit hat, ist unklar.173 Infolge der Ablösung der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern durch die Existenzvernichtungshaftung geht man verbreitet davon aus, dass kein Bedürfnis für eine Pauschalhaftung analog § 302 AktG mehr besteht.174 Das ist insoweit zutreffend, als sich die Existenzvernichtungshaftung auf den Ersatz des Insolvenzausfallschadens beschränkt und sich dieser im Rahmen eines Insolvenzverfahrens unschwer ermitteln lässt. Das Problem der haftungsausfüllenden Kausalität scheint insoweit gelöst.175 Doch wird durch die Existenzvernichtungshaftung allein die Schadlosstellung der Gläubiger gewährleistet. Zur Schadlosstellung der vorliegend interessierenden außenstehenden Mitglieder kann man sich nicht auf den Ersatz des Insolvenzausfallschadens beschränken, sondern steht vor dem Problem, auch Schädi170 Insofern ist die Einschätzung von Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 416, Beweiserleichterungen hinsichtlich des Schadens seien in der Regel entbehrlich, nicht nachvollziehbar. 171 U. a. Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 134; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1944 f. m. Fn. 77; Buchner/Weigl, DNotZ 1994, 580, 538, Fn. 24. 172 Westermann, ZIP 1993, 554, 555 ff.; Drygala, GmbHR 1993, 317, 320 ff. 173 BGHZ 150, 61, 68. Zur Rechtsprechungsentwicklung ausführlich § 12 B.III.1.a. (S. 328 ff.). 174 Siehe nur OLG Stuttgart AG 2007, 633, 636; Decher, ZHR 171 (2007), 126, 137; Hüffer, AktG, § 1 Rn. 26 m. w. N. 175 Tatsächlich gelöst ist das Problem der haftungsausfüllenden Kausalität allerdings selbst im Zusammenhang mit der Existenzvernichtungshaftung nur dann, wenn feststeht, dass die Insolvenz ohne die schädigende Handlung nicht eingetreten wäre. Im praxisrelevanten Fall der bloßen Insolvenzvertiefung besteht weiter die Schwierigkeit feststellen zu müssen, welcher Teil des Insolvenzausfallschadens dem Schädiger zugerechnet werden kann. Während auf Grundlage der vom BGH zunächst vertretenen Durchgriffshaftung vom Schädiger verlangt wurde darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang der Insolvenzausfallschaden auch ohne den schädigenden Eingriff eingetreten wäre (BGH ZIP 2005, 117 Rz. 18 – Autovertragshändler), legt die seit BGHZ 173, 246 (Trihotel) vertretene Haftung aus § 826 BGB das wenig befriedigende Ergebnis nahe, dem Anspruchsteller die Quantifizierungslast aufzuerlegen.
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gungen des Eigenkapitals und selbst die bloße Verhinderung von Vermögenszuwächsen (§ 252 S. 2 BGB) quantifizieren zu müssen.176 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es ungeachtet des Vorgesagten nicht des Festhaltens an der Figur des qualifiziert faktischen Konzerns bedarf. Denn abgesehen davon, dass auch die Verlustausgleichspflicht primär auf die Bedürfnisse des Gläubigerschutzes zugeschnitten ist, erweisen sich die Mittel des Beweisrechts bei konsequenter Ausschöpfung als durchaus geeignet, die im Raum stehenden Quantifizierungsprobleme zu lösen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der durch § 287 ZPO eröffneten Möglichkeit der Schadensschätzung zu. Der BGH hat diesbezüglich in anderem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Feststehen einer Schädigung Schwierigkeiten bei der Schadensfeststellung, die nicht im Verantwortungsbereich des Geschädigten zu suchen sind, sondern aus der Natur der Sache folgen, nicht in vollem Umfang zulasten des Geschädigten gehen sollen.177 Das Gericht verlangt daher, im Wege der Schätzung jedenfalls einen Mindestschaden zu ermitteln, »sofern nicht ausnahmsweise auch für dessen Schätzung jeglicher Anhaltspunkt fehlt«. Bei der Gewinnung der erforderlichen »Anhaltspunkte« kann das Recht des Vertragskonzerns Hilfestellung leisten. Hat ein Verband im Anschluss an einen oder mehrere schädigende Eingriffe, deren Wirkung sich im einzelnen nicht nachvollziehen lässt, erstmals Verluste gemacht, erscheint es durchaus denkbar, im Wege der Schadensschätzung den Jahresverlust als Mindestschaden anzusetzen und dem Schädiger den Nachweis aufzugeben, dass die Verluste anderweitige Ursachen haben.178 Um den Interessen des Minderheitenschutzes gerecht zu werden, ist aber darüber hinaus auch an die Regelungen zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre zu denken. Wenn im Rahmen des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG die Bemessung des Ausgleichsanspruchs anhand der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihrer künftigen Ertragsaussichten geschieht, ist nicht ersichtlich, weshalb Gleiches nicht auch im Rahmen der Schadensschätzung möglich sein soll.179 Insoweit gilt es, die Differenz der tatsächlichen Ertragsaussichten von den Ertragsaussichten, wie sie ohne den Verstoß gegen das Schädigungsverbot bestünden, zu ermitteln, und auf den Schädigungszeitpunkt hin abzuzinsen. Dass hierbei Prognosen zu treffen sind, steht der Schadensschät176 Blickt man ins Aktienrecht, so liegt es auf der Hand, dass es angesichts der den Minderheitenschutz in den Mittelpunkt stellenden §§ 311 ff. AktG systemwidrig wäre, die nicht quantifizierbare Nachteilszufügung erst auf Ebene der Existenzvernichtungshaftung zu sanktionieren (ähnlich Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 5; vgl. auch Kritik von Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnh KonzernR Rn. 133). 177 BGHZ 119, 20, 31 unter Verweisung auf RGZ 149, 68, 70; BGH NJW 1964, 589; 1973, 1283; 1987, 909, 910. 178 Ähnlich für die GmbH GroßKommGmbHG/Casper, Anh. § 77 Rn. 167. 179 Näher zu den im Rahmen des § 304 Abs. 2 AktG angewandten Methoden Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 304 Rn. 31a.
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zung nicht entgegen, sondern ist ihr immanent und wird auch in anderem Zusammenhang gebilligt.180 Verbleibenden Unsicherheiten kann durch Abschläge Rechnung getragen werden. d) Besonderheiten der Vermögensvermischung Eine besondere Qualität erlangen die Beweisschwierigkeiten in Fällen der Vermögensvermischung. Als Vermögensvermischung wird im Recht der Kapitalgesellschaften die Konstellation bezeichnet, dass die »Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise allgemein verschleiert wird, so dass insbesondere die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften [. . .] unkontrollierbar wird.«181 Konsequenz der Vermögensvermischung soll eine Durchgriffshaftung des verantwortlichen Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern sein.182 Obgleich die Problematik der Vermögensvermischung üblicherweise allein aus der Perspektive des Gläubigerschutzes betrachtet wird, kann sie sich ohne weiteres auch zulasten außenstehender Mitglieder auswirken. Zu denken ist beispielsweise an die Situation, dass ein herrschendes Mitglied jahrelang undokumentiert die Ressourcen eines Vereins zu privaten Zwecken genutzt und auf diese Weise das Vereinsvermögen nahezu aufgezehrt hat. Die allein auf die Befriedigung der Gläubigerinteressen zielende Durchgriffshaftung ist insoweit nicht geeignet, die den außenstehenden Mitgliedern entstandenen Nachteile zu kompensieren. Die Lösung ist vielmehr auch in diesem Zusammenhang in der Anwendung des Schädigungsverbots und in den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu suchen. Insoweit gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass der Schwerpunkt der Pflichtverletzung nicht in der Vermögensvermischung als solcher, sondern der (vermuteten) Schädigung des Verbandes liegt. Die Bedeutung der Vermögensvermischung erschöpft sich darin, dass sie den Nachweis der Schädigung vereitelt. Dass an die Beweisvereitelung besondere Beweiserleichterungen zu knüpfen sind, ist anerkannt.183 Die übliche Formel der Rechtsprechung lautete insoweit, dass je nach Einzelfall Rechtsfolge der Beweisvereitelung »Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr« seien können.184 Im vorliegenden Zusammenhang erscheint denkbar, die Grundsätze der Beweisvereitelung mit den zuvor aufgezeigten Möglichkeiten der Schadensschätzung zu kombinieren. 180 Siehe beispielsweise zu den Darlegungsanforderungen für die hypothetische Entwicklung eines Verdienstausfallschadens BGH NJW-RR 1999, 1039 m. w. N. 181 BGHZ 165, 85, 91; 125, 366, 368; 95, 330, 333 f. 182 S. insbesondere BGHZ 95, 330, 332. 183 Zu den Grundsätzen der Beweisvereitelung Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 286 Rn. 187 ff. 184 Insbesondere BGHZ 72, 132, 133 ff.
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Steht hiernach fest, dass der Inhaber herrschenden Einflusses in erheblichem Umfang eine ordnungsgemäße Dokumentation von Vermögensbewegungen verhindert hat, greift eine Vermutung, wonach im zeitlichen Zusammenhang stehende Vermögensminderungen bzw. Ertragsrückgänge die Folge von Verstößen gegen das Schädigungsverbot sind. Auch insoweit ist nach dem Vorbild des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG eine Vergangenheitsanalyse vorzunehmen. Es obliegt sodann dem Beklagten darzulegen, dass die negative Entwicklung des Verbandsvermögens ganz oder partiell nicht auf Verstößen gegen das Schädigungsverbot beruht, sondern exogenen Umständen geschuldet ist.
F. Zusammenfassung Gesetzliche Vorgaben, die dem Inhaber herrschenden Einflusses über einen Verein im Interesse der außenstehenden Mitglieder Grenzen auferlegen, existieren nicht. Auch die analoge Anwendung der §§ 117, 311 ff. AktG kommt nicht in Betracht. Grenzen der Einflussnahme folgen jedoch aus dem normtypischen Verbandszweck im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB. Die vom Verbandszweck umfasste Gewährleistung der Vorrangstellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan dient als Induktionsbasis eines Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung, welches dem Inhaber herrschenden Einflusses untersagt, diesen im Wege der unmittelbaren Einflussnahme auf die Geschäftsleitung auszuüben. Auf Grundlage des vorliegend vertretenen Abhängigkeitsbegründungsverbots beschränkt sich die Bedeutung des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung allerdings auf die Konstellation, in der die Abhängigkeitsbegründung durch einen einfachen Dispens legitimiert wurde. Adressat des Verbots der Umgehung der Mitgliederversammlung ist regelmäßig auch der über herrschenden Einfluss verfügende Dritte. Seine Bindung an die maßgeblichen Vorgaben des Verbandszwecks folgt typischerweise daraus, dass er sich im Zusammenhang mit der Begründung des ihm eingeräumten statutarischen Mitwirkungsrechts bzw. der Erlangung des Dispenses vom Abhängigkeitsgründungsverbot konkludent eine entsprechende Verpflichtung auferlegt. Inhaltliche Beschränkungen bei der Ausübung herrschenden Einflusses folgen aus der Bindung an das Formalziel und dem daraus abzuleitenden Schädigungsverbot. Das Schädigungsverbot verbietet es dem Inhaber herrschenden Einflusses sowohl, im Wege der Einflussnahme auf die Willensbildung des Vereins die Vornahme formalzielwidriger Maßnahmen zu veranlassen (endogene Schädigung), als auch anderweitig dem Formalziel zuwider zu handeln (exogene Schädigung). Verfügt der Verein über ein atypisches Formalziel, das dem Inhaber herrschenden Einflusses gestattet, eigennützig auf den Verein einzu-
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wirken, stellt die Bindung an das Formalziel sicher, dass er sich hierbei im Rahmen der bei der Begründung seines Mitwirkungsrechts von den Beteiligten explizit oder konkludent zugrunde gelegten Zielsetzungen halten muss. Die Formalzielbindung von über herrschenden Einfluss verfügenden Dritten folgt regelmäßig aus einer konkludenten Unterwerfungserklärung. Daneben lässt sich die Bindung aber auch auf eine Teilanalogie zu den §§ 311, 317 AktG stützen. Das Schädigungsverbot wäre bei uneingeschränkter Durchsetzung geeignet, die Folgen herrschenden Einflusses vollständig zu neutralisieren. Tatsächlich gelingt ihm das jedoch nicht, weil seine Durchsetzung vom Engagement der außenstehenden Mitglieder abhängt, die jedoch zumeist über keinen ausreichenden Anreiz verfügen, die damit verbundenen Mühen auf sich zu nehmen, und zudem an einem strukturellen Informationsdefizit leiden. Weitere Durchsetzungsdefizite folgen daraus, dass die Beurteilung der Formalzielkonformität in vielerlei Hinsicht Beurteilungsspielräume eröffnet, die sich zu Gunsten des Inhabers herrschenden Einflusses auswirken. Das Schädigungsverbot steht angesichts seiner Ableitung aus dem Formalziel zur Disposition der Mitgliedergesamtheit (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Da die Interessen der Gläubiger nicht durch das Formalziel geschützt werden, gibt es keine Veranlassung, die Disposivität einzuschränken. In formeller Hinsicht besteht allerdings die Problematik, dass der Dispens von Schädigungsverbot aufgrund dessen statutarischen Ursprungs die Qualität einer Satzungsdurchbrechung aufweist und sich insoweit die Frage stellt, ob es der für die Satzungsänderung vorgeschriebenen Eintragung (§ 71 Abs. 1 S. 1 BGB) bedarf. Zwar ist es der Mitgliederversammlung analog § 243 Abs. 1 2. Alt. AktG möglich, ohne Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften sanktionslos von der Satzung abzuweichen. Überwunden werden können statutarische Vorgaben auf diese Weise aber nur in dem Umfang, als sie sich an die Mitgliederversammlung richten. Will die Mitgliederversammlung andere Adressaten von der Rechtswirkung der Satzung dispensieren, ist dies nur im Wege der (Einzelfall-)Satzungsänderung möglich. Die h. M., wonach der Dispens von Schädigungsverbot ohne Eintragung möglich ist, lässt sich hiernach nur im Wege der teleologischen Reduktion der Satzungsänderungsvorschriften begründen. Nutzt der Inhaber herrschenden Einflusses diesen, um einen formalzielwidrigen Beschluss herbeizuführen, ist der Beschluss analog § 243 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2 S. 1 AktG anfechtbar. Gegenüber der verbotswidrigen Einflussnahme außerhalb der Mitgliederversammlung stehen dem Verein Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu. Anspruchsschuldner sind sowohl der Inhaber herrschenden Einflusses als auch diejenigen Vorstandsmitglieder, die sich dem herrschenden Einfluss öffnen. Den außenstehenden Mitgliedern stehen regelmäßig keine eigenen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu. Eine Ausnahme besteht allein für den
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Fall, dass eine Maßnahme veranlasst wird, die in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt oder bezüglich der eine nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht besteht, da dann das mitgliedschaftliche Recht auf Entscheidungsteilhabe betroffen ist. Anspruchsschuldner ist insoweit neben dem Inhaber des herrschenden Einflusses der Verein selbst, der sich das Verhalten der Vorstandsmitglieder zurechnen lassen muss. In allen anderen Fällen sind die außenstehenden Mitglieder darauf verwiesen, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Vereins im Wege der actio pro socio geltend zu machen. Das für die Zulässigkeit der actio pro socio erforderliche Versagen der Zuständigkeitsordnung ist in der Regel zu bejahen, wenn der abhängige Verein über kein freiwilliges Organ verfügt, welches in der Lage oder gewillt ist, dem rechtswidrigen Zusammenwirken von Vorstand und dem Inhaber herrschenden Einflusses entgegenzutreten. Die verbotswidrige Ausübung herrschenden Einflusses kann Schadensersatzansprüche des Vereins auslösen. Anspruchsgrundlage ist § 280 Abs. 1 BGB, der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach § 276 Abs. 2 BGB. In Betracht kommen Schadensersatzansprüche jedoch nur bei Verstößen gegen das Schädigungsverbot. Bei bloßen Verstößen gegen das Verbot der Umgehung der Mitgliederversammlung fehlt es hingegen am erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Anders als im Zusammenhang mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen kommt eine Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die außenstehenden Mitglieder im Wege der actio pro socio regelmäßig nicht in Betracht. Diese sind vielmehr darauf verwiesen, die Fassung eines Beschlusses der Mitgliederversammlung zu bewirken, der den Vorstand zur Anspruchsverfolgung verpflichtet. Der Inhaber herrschenden Einflusses unterliegt insoweit dem Stimmverbot des § 34 2. Alt. BGB. Falls erforderlich, kann analog § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG ein besonderer Vertreter mit der Anspruchsverfolgung betraut werden. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche kommen dem Verein verschiedene Beweiserleichterungen zugute. Bestehen Zweifel, ob eine Maßnahme vom Inhaber herrschenden Einflusses veranlasst wurde, greift der Anscheinsbeweis ein, wenn die Maßnahme formalzielwidrig war und dem Inhaber herrschenden Einflusses zum Vorteil gereicht. Bezüglich des Tatbestandsmerkmals der nachteiligen Maßnahme sind die §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG analog anzuwenden. Die Aufgabe des Anspruchstellers beschränkt sich hiernach darauf, die in Betracht kommenden Vorgänge zu benennen, während es Aufgabe des Anspruchsgegners ist, darzulegen, dass diese mit dem Formalziel in Einklang stehen. Hinsichtlich des Verschuldens greift die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Im Zusammenhang mit der Darlegung des Schadensumfangs sind die Möglichkeiten der Schadensschätzung konsequent auszuschöpfen (§ 287 ZPO). Wurde die Ertragskraft ge-
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schädigt, ist auf den Rechtsgedanken des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG zurückzugreifen und der Schaden unter Zugrundelegung der bisherigen Ertragslage zu schätzen. Auch Fälle der Vermögensvermischung sind auf Ebene des Beweisrechts durch die Kombination der Grundsätze der Schadensschätzung mit denen der Beweisvereitelung zu lösen. Steht fest, dass der Inhaber herrschenden Einflusses die Dokumentation von Vermögensbewegungen verhindert hat, rechtfertigt dies die Vermutung, dass Vermögensminderungen bzw. Ertragsrückgänge auf Verstößen gegen das Schädigungsverbot beruhen.
§ 12 Im Interesse der Gläubiger bestehende Grenzen der Einflussnahme Die Überlegungen im Grundlagenteil haben gezeigt, dass die Problematik des Gläubigerschutzes ihren Ursprung nicht in der Abhängigkeitslage, sondern dem Prinzip der Haftungsbeschränkung hat.1 Die Gefahr, dass Mitglieder (oder mitwirkungsbefugte Dritte) ihren Einfluss auf den Verband zu Lasten der Gläubiger ausnutzen, ist hiernach kein Spezifikum der Abhängigkeitslage und in der Folge nach hiesigem Verständnis auch kein dem Konzernrecht im engeren Sinne zuzuordnendes Regelungsproblem. Gleichwohl soll im Folgenden nicht nur mit Rücksicht auf das überkommene Verständnis des Konzernrechts, sondern auch zur Komplettierung der bei der Ausübung herrschenden Einflusses zu beachtenden Grenzen auf den Aspekt des Gläubigerschutzes eingegangen werden. Nach einer kurzen Darlegung des Fehlens gesetzlicher Vorgaben (A.), wird der einschlägige Diskussionsstand im Vereins-, aber auch im GmbH-Recht dargelegt (B.), um sodann das Existenzvernichtungsverbot als rechtsformübergreifendes Grundinstitut des Gläubigerschutzes zu entwickeln (C.). Abschließend gilt es zu beleuchten, wie Verstöße gegen das Existenzvernichtungsverbot verhindert werden können bzw. sanktioniert werden (D.).
A. Fehlen gesetzlicher Vorgaben Gesetzliche Regelungen, die den Mitgliedern eines Vereins im Aktivstadium zum Schutz der Gläubiger Beschränkungen im Umgang mit dem Vereinsvermögen auferlegen, existieren nicht. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts kommt nicht in Betracht. Was die Kapitalerhaltungsvorschriften anbetrifft, muss eine Analogie daran scheitern, dass der Gesetzgeber im Vereinsrecht auf entsprechende Regelungen offensichtlich mit Blick auf die nur in beschränktem Umfang zulässige wirtschaftliche Betätigung des Vereins bewusst verzichtet hat. 2 Bezüglich der Unanwendbar1
Oben § 3 B.II.1.b.(2) (S. 41 f.). Abzulehnen ist die These von Reuter, NZG 2004, 217, 219; MünchKommBGB/ders., § 54 Rn. 5; ders. in: Non Profit Law Yearbook 2008, S. 63, 71 ff., die Gläubiger des Vereins seien »sogar besser geschützt als im Fall der GmbH«, da beim Verein jede Vermögensverteilung an die Mitglieder ausgeschlossen sei (näher Leuschner, ZHR 175 (2011), D.II.2.b). Die Ableitung 2
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keit der §§ 117, 311 ff. AktG kann auf die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel verwiesen werden.3 Es bleiben somit allein die das Liquidationsstadium betreffenden Regelungen der §§ 49 Abs. 1 S. 1, 51 BGB, wonach das Vereinsvermögen erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger an die Anfallberechtigten verteilt werden darf.
B. Diskussionsstand Bei der Analyse des einschlägigen Diskussionsstands ist zu beachten, dass die im Interesse der Gläubiger bestehenden Grenzen der Einflussnahme typischerweise aus Perspektive der Insolvenz erörtert werden und insoweit in die Frage eingebettet sind, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder für den Insolvenzausfallschaden haftbar gemacht werden können. Geprägt durch die Entwicklung im GmbH-Recht wird die Problematik hierbei häufig dem unter dem Stichwort der »Konzernhaftung« diskutiert.
I. Diskussionsstand im Vereinsrecht 1. Rechtsprechung In der Siedler-Entscheidung aus dem Jahr 1970 hat der VIII. Senat des BGH eine Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder mit der Begründung angenommen, dass die missbräuchliche Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen die unmittelbare Inanspruchnahme der Vereinsmitglieder rechtfertige. 4 In dem zu Grunde liegenden Fall bestand die einzige Aufgabe eines Vereins darin, ein Grundstück zu pachten und an seine Mitglieder weiterzuverpachten. Obwohl der Verpächter gegen den Verein gerichtlich eine Erhöhung des Pachtzinses durchgesetzt hatte, gab dieser die Pachterhöhung nicht an seine verbliebenen sechs Mitglieder weiter, sondern beantragte die Eröffnung eines Konkursverfahrens. eines entsprechenden Verbots aus § 21 BGB vermag nicht zu überzeugen, da das darin enthaltene Verbot der wirtschaftlichen Betätigung nichts über die Zulässigkeit der Vermögensverteilung besagt. Vor allem aber steht die These von Reuter im Widerspruch dazu, dass die Partizipation der Mitglieder am Vereinsvermögen aufgrund so genannter Wertrechte unstreitig möglich ist und es sich insoweit um eine Form des Vermögenstransfers handelt, der sich nicht grundlegend von der Auskehr liquider Mittel unterscheidet. Ein Verbot der Vermögensverteilung ließe sich nur begründen, wenn dem Verein die Verfolgung mitgliedernütziger Zwecke verwehrt wäre, was indes offenkundig nicht der Fall ist (vgl. § 45 Abs. 3 1. Alt. BGB). 3 Oben § 11 B (S. 297 f.). 4 BGHZ 54, 222, 224; bestätigt in BGHZ 78, 318, 333; vgl. auch BGH NJW-RR 1988, 1181, 1182.
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In einer Entscheidung des OLG Köln aus dem Jahr 19975 klagte der Konkursverwalter eines insolvent gewordenen Vereins, der Gesellschaft zur Förderung berufsspezifischer Ausbildung e.V. (GFBA), gegen eine personell verflochtene Stiftung auf Verlustausgleich analog § 302 AktG. Der Verein war auf dem Gebiet der Förderung berufsspezifischer Ausbildung tätig und empfing in diesem Zusammenhang öffentliche Fördermittel, die durch die beklagte Stiftung weitergeleitet wurden. Als der Mittelzufluss endete, kam der Verein in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde schließlich insolvent. Das OLG Köln lehnte die Annahme einer Pflicht zum Verlustausgleich durch die Stiftung ab. Es ließ dabei offen, ob überhaupt die Voraussetzungen eines Abhängigkeitsverhältnisses vorlagen und die beklagte Stiftung als potentielle Anspruchsgegnerin Unternehmerqualität aufwies. 6 Als ausschlaggebend erachtete das Gericht, dass die Beklagte ihren Einfluss nicht unter Missachtung des Eigeninteresses des Vereins ausgeübt hat. Insbesondere komme dem Insolvenzeintritt keine Indizwirkung hinsichtlich eines solchen Missbrauchs zu. Auch wenn es sich bei dem Verein möglicherweise um ein abhängiges Unternehmen gehandelt habe, das von vornherein dazu bestimmt war, eine begrenzte Einzelfunktion innerhalb eines Konzerns zu erfüllen, begründe dies so lange keine Haftung, als dieses Unternehmen unter Wahrung seines Eigeninteresses geführt werde. Zwar hielt es das Gericht für naheliegend, dass die Insolvenz auf Fehlplanungen beruht. Das »gemeinsame Versagen der Entscheidungsträger personell verflochtener Unternehmen« begründe indes noch keine Pflicht zum Verlustausgleich. In der Kolping-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007 stand die bereits an anderer Stelle diskutierte Frage im Vordergrund, ob der Tatbestand der Rechtsformverfehlung unter Umständen eine Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder begründet.7 Da sämtliche beklagten Mitglieder des insolvent gewordenen Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. Mitglieder des auf verschiedenen örtlichen Stufen tätigen Kolpingwerks waren, stützte die Klägerin die Inanspruchnahme zusätzlich auf die Argumentation, der Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. sei in eine »konzernähnliche Struktur der Kolping-Organisationen« eingebettet gewesen. Der BGH ist trotz entsprechender Anregungen in der Literatur8 den konzernrechtlichen Aspekten nicht näher nachgegangen. Er beließ es bei der Feststellung, dass keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, wonach »rechtsmissbräuchliche Vermögensverschiebungen im Konzern oder eine vergleichbare Ausnutzung von Konzernstrukturen zu Lasten der Gläubiger« stattgefunden hätten.9 Konkret mit Blick auf eine mögliche Existenzvernich5
OLG Köln NZG 1998, 820. Tatsächlich bestand wohl nur eine wirtschaftliche Abhängigkeit, vgl. Grunewald, FS Raiser, S. 99, 101. 7 BGHZ 175, 12. 8 K. Schmidt, ZIP 2007, 605, 609 ff. 9 BGHZ 175, 12 Tz. 16. 6
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tungshaftung führt das Gericht aus, dass eine Übertragbarkeit der für die GmbH entwickelten Grundsätze auf den e.V. »angesichts der grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen der GmbH und dem Idealverein« nicht in Betracht komme.10 2. Literatur Jenseits aller konzernrechtlichen Erwägungen hat sich Ballerstedt in einem Festschriftbeitrag aus dem Jahr 1972 mit der Frage beschäftigt, welchen Beschränkungen die Mitglieder eines Vereins im Interesse der Gläubiger unterliegen.11 Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stehen hierbei statutarische Abfindungsregelungen beim Ausscheiden von Mitgliedern sowie die damit verknüpfte Frage, inwieweit diese auf die Gläubigerinteressen Rücksicht nehmen müssen. Da das Gesetz Gläubigerschutzkautelen allein für das Liquidationsstadium vorsehe, fehle es an entsprechenden Beschränkungen. Die Annahme, Gläubiger eines Vereins seien hiernach während dessen Aktivstadiums schutzlos, hält Ballerstedt gleichwohl für nicht gerechtfertigt: »Es erschiene als offenbarer Widerspruch zu elementaren Erfordernissen des Rechts der rechtsfähigen Körperschaften, wenn die von der Haftung für Verbindlichkeiten ihres Verbandes freigestellten Mitglieder in der Lage sein sollten, sich vor der Auflösung des Vereins Teile seines Vermögens ohne Rücksicht auf die Befriedigung der Gläubiger übergeben zu lassen.«12 Der auf die Einschaltung eines selbständigen Vermögensträgers als Mittel zur Freistellung von eigener Haftung bekundete Wille der Mitglieder schließe ein, die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Ansprüche hinter die Befriedigung der Fremdverbindlichkeiten zurückzustellen. Zu konkretisieren sei das »vereinsrechtliche System der Vermögensbindung während des Aktivstadiums« durch »Rückschlüsse aus dem Liquidationsrecht«. Im Ergebnis geht Ballerstedt hiernach davon aus, dass Mitgliedern Abfi ndungsansprüche insoweit nicht zustehen, als deren Erfüllung zur Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Vereins führen würde.13 Im Übrigen ist die Diskussion im vereinsrechtlichen Schrifttum ganz durch die Paralleldiskussion im GmbH-Recht geprägt. Unter dem Eindruck der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen GmbH-Konzern wird insbesondere erörtert, ob eine analoge Anwendung der §§ 302 f. AktG in bestimmten Konstellationen qualifizierter Abhängigkeit eines Vereins in Betracht kommt. Während manche Autoren eine Analogie ohne nähere Auseinandersetzung mit
10
BGHZ 175, 12 Tz. 27. Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 13 ff., insbesondere S. 16 ff. 12 Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 17. 13 Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 19 f.; dem folgend Soergel/Hadding, § 39 Rn. 9; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 96 ff. 11
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ihren tatbestandlichen Voraussetzungen bejahen,14 wird sie zum Teil unter Hinweis auf die Unterschiede der Organisations- und Finanzverfassungen von Verein und Aktiengesellschaft abgelehnt.15 Im Zuge der Ablösung der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern durch die Rechtsprechung zur Existenzvernichtungshaftung ist zunehmend die Frage in den Mittelpunkt gerückt, ob die Figur der Existenzvernichtungshaftung auch im Vereinsrecht Anwendung findet. Abweichend vom Standpunkt des BGH bejaht sie das Schrifttum ganz überwiegend.16 Lediglich vereinzelt wird unter Hinweis auf die geringere Professionalität des bei Vereinen anzutreffenden Managements dafür eingetreten, eine Existenzvernichtungshaftung beim Verein nur nach strengeren Maßstäben als bei der GmbH zuzulassen.17 Einigkeit besteht darüber, dass die Grundsätze über die Behandlung der Tatbestände der Vermögensvermischung und der materiellen Unterkapitalisierung auf den Verein anzuwenden sind.18
II. Diskussionsstand im GmbH-Recht Angesichts der als defizitär empfundenen Kapitalerhaltungsregelungen der §§ 30, 31 GmbHG wird im Recht der GmbH seit langem diskutiert, wie der Gläubigerschutz effektuiert werden kann. Gerade in den letzten Jahren hat die Thematik infolge grundlegender Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine besondere Dynamik entwickelt. Da die diesbezügliche Diskussion aufgrund vielfacher Ähnlichkeiten in der Organisations- aber auch Finanzverfassung von GmbH und Verein auch für Letzteren große Relevanz hat, soll sie im Folgenden in der gebotenen Kürze nachgezeichnet werden. 1. Rechtsprechung des BGH: Vom qualifiziert faktischen Konzern zur Existenzvernichtungshaftung Inspiriert durch die Vorschläge des Arbeitskreises GmbH-Reform aus dem Jahr 197219 versuchte der BGH zunächst die Defizite des GmbH-rechtlichen Gläu14 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 37 Rn. 13; Fiedler, Konzernhaftung beim eingetragenen Verein, S. 93; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 188 ff. 15 Grunewald, FS Raiser, S. 99, 102. 16 Ausdrücklich: Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349, 360 f.; Grunewald, FS Raiser, S. 99, 105 f.; Nitsche, Der existenzvernichtende Eingriff im Vereinsrecht, S. 121 ff.; implizit: Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 21 Rn. 12d; MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 47; Schwarz/Schöpfl in in: Bamberger/Roth, Vor § 21 Rn. 24. 17 Grunewald, FS Raiser, S. 99, 106. 18 Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349, 353 ff.; Grunewald, FS Raiser, S. 99, 103 ff.; vgl. Soergel/Hadding, Vor § 21 Rn. 36; MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 32 ff.; Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 21 Rn. 12c. Hierzu noch unter III. (S. 353 ff.). 19 Hueck/Lutter/Mertens/Rehbinder/Ulmer/Wiedemann/Zöllner, Arbeitskreis GmbHReform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform, Bd. 2, 1972 S. 49 ff.
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bigerschutzes durch die analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG auszugleichen. Im Mittelpunkt der insoweit wegweisenden Leitentscheidungen Autokran, Tiefbau, Video und (auch noch) TBB stand die Figur des so genannten qualifiziert faktischen Konzerns, die dadurch gekennzeichnet war, dass ein herrschender Unternehmensgesellschafter seine Leitungsmacht dauernd und umfassend ausübt. Als Rechtsfolge nahm der BGH eine Verlustausgleichspflicht sowie gegebenenfalls auch eine Ausfallhaftung an.20 Allen Entscheidungen gemeinsam war, dass die Haftung des in Anspruch genommenen Gesellschafters vom Vorliegen dessen Unternehmenseigenschaft abhängig gemacht wurde.21 Im Übrigen war die Entwicklung der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern jedoch erheblichen Schwankungen unterworfen. Zwar stützte der BGH die Haftung der Sache nach stets auf die unzureichende Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH und somit deren Schädigung, doch variierte sein Standpunkt zu der Frage, welche Anforderungen an den Nachweis einer solchen Schädigung zu stellen sind. Während das Gericht in Autokran und Tiefbau eine entsprechende Vermutung an die dauernde und umfassende Ausübung von Leitungsmacht knüpfte, 22 ging er in Video noch einen Schritt weiter und ließ als Anknüpfung für eine solche Vermutung bereits den Umstand genügen, dass der herrschende Gesellschafter einer GmbH zugleich deren alleiniger Geschäftsführer war. 23 Als Reaktion auf die hiergegen erhobene scharfe Kritik des Schrifttums24 ist das Gericht sodann in seiner TBB-Entscheidung noch hinter den Stand von Autokran und Tiefbau zurückgegangen und hat die dauernde und umfassende Ausübung von Leitungsmacht nicht mehr als hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung genügen lassen. Erforderlich sei vielmehr, dass der Anspruchsteller »zusätzliche Anhaltspunkte« darlegt. 25 Allerdings deutete der BGH an, der Anspruchsteller könne sich aufgrund des fehlenden Einblicks in die inneren Angelegenheiten des herrschenden Unternehmens auf Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungslast berufen. 26 Eine völlige Neuorientierung hat der BGH schließlich 2001 in der Bremer Vulkan-Entscheidung vollzogen. 27 Während das Gericht bis dahin maßgeblich auf den konzernrechtlichen Autonomieverlust und die daraus folgende Unmöglichkeit des Einzelausgleichs abgestellt hatte, rückte es fortan die Zweckbin20
BGHZ 95, 330 (Autokran); 107, 7 (Tiefbau); 115, 187 (Video), 122, 123 (TBB). Vgl. hierzu den Beitrag von K. Schmidt, AG 1994, 189 mit dem Titel »Die wundersame Karriere des Unternehmensbegriffs im Reich der Konzernhaftung«. 22 BGHZ 95, 330, 344; 107, 7, 15. 23 BGHZ 115, 187, Ls. 1. 24 Nachweise bei Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 495 Fn. 669. 25 BGHZ 122, 123, 131. 26 BGHZ 122, 123, 132 f. 27 BGHZ 149, 10. Hieran anschließend BGHZ 150, 61 (Ausfallhaftung); 151, 181 (KBV); BGH NZG 2005, 177 (Autovertragshändler); NZG 2005, 214 (Handelsvertreter). 21
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dung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger in den Vordergrund. In der Konsequenz hieraus nahm das Gericht ausdrücklich Abstand von der analogen Anwendung der Regelungen des Aktienkonzernrechts und kreierte stattdessen die Figur der Existenzvernichtung.28 Die hieran geknüpfte Existenzvernichtungshaftung orientiert sich eng an den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG und setzt als Konsequenz hieraus nicht mehr die Unternehmereigenschaft des in Anspruch genommenen Gesellschafters voraus. Strukturell handelt es sich bei der Existenzvernichtungshaftung um keine Zustands-, sondern eine Verhaltens- bzw. Eingriffshaftung. Haftungsvoraussetzung ist, dass ein Gesellschafter (gegebenenfalls auch im Zusammenwirken mit anderen Gesellschaftern) 29 in das Vermögen der GmbH eingreift und diese in der Folge nicht mehr in der Lage ist, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Was die Einzelheiten der Haftung sowie deren Rechtsgrundlage anbetrifft, war auch die Existenzvernichtungshaftung trotz ihrer erst jungen Geschichte bereits erheblichen Schwankungen unterworfen. Während der BGH die Frage nach der dogmatischen Herleitung zunächst offenließ, hat er sich zunächst in KBV für eine Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung als Fallgruppe der Durchgriffshaftung entschieden.30 Zu den §§ 30, 31 GmbHG nahm das Gericht ein Subsidiaritätsverhältnis an, wonach die Existenzvernichtungshaftung nur eingreifen sollte, wenn die Nachteile nicht bereits durch die Haftung auf Grundlage der Kapitalerhaltungsvorschriften ausgeglichen werden können.31 In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 2005 hielt der BGH zwar zunächst am Konzept der Durchgriffshaftung fest, relativierte sie jedoch durch die Ermöglichung des Nachweises, ein Teil des Insolvenzausfallschadens sei nicht durch den Eingriff bedingt.32 Vollends aufgegeben hat der BGH die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung als Durchgriffshaftung in seiner Trihotel-Entscheidung aus dem Jahr 2007, in der er die Existenzvernichtungshaftung zu einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung umqualifiziert und seither als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung einordnet.33 Das Gericht begründet seine Neuorientierung damit, die Existenzvernichtungshaftung sei als »Verlängerung« der Kapitalerhaltungsvorschriften auf Ebene des Deliktsrechts zu verstehen.34 Die Innenhaftung sei auch deshalb angemessen, weil Geschädigter des existenzvernichtenden Eingriffs primär die Gesellschaft selbst sei, während 28 29 30 31 32 33 34
Der Begriff wird erstmals in BGHZ 150, 61, 67 ff. verwandt. BGHZ 150, 61, 67. BGHZ 151, 181, 186 f. BGHZ 151, 181, 187. BGH NZG 2005, 177, 178. BGHZ 173, 246. Hieran anschließend BGHZ 176, 204 (Gamma); 179, 344 (Sanitary). A.a.O. Tz. 33.
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die Gläubiger nur mittelbar geschädigt werden.35 Schließlich wich das Gericht ausdrücklich von dem zuvor postulierten Subsidiaritätserfordernis ab und sprach sich stattdessen für ein Nebeneinander der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften aus.36 Bemerkenswert ist schließlich der ausdrückliche Hinweis, der Anspruchsteller trage die volle Darlegungs- und Beweislast, ohne dass in diesem Zusammenhang mögliche Erleichterungen in Erwägung gezogen werden.37 2. Meinungsbild in der Literatur Die Abkehr des BGH von der Figur des qualifiziert faktischen Konzerns wurde in der Literatur ganz überwiegend gutgeheißen. Ebenso wurden das Institut der Existenzvernichtungshaftung sowie das ihm zu Grunde liegende Existenzvernichtungsverbot grundsätzlich nicht infrage gestellt.38 Hinsichtlich der dogmatischen Begründung konkurrieren in der juristischen Literatur viele verschiedene Ansätze, die zum Teil bereits aus der Zeit vor der Bremer Vulkan-Entscheidung stammen.39 Bei der Aufarbeitung des diesbezüglichen Meinungsbilds sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Die erste Ebene betrifft die Frage der Herleitung des Existenzvernichtungsverbots oder, allgemeiner ausgedrückt, der den Gesellschaftern im Interesse der Gläubiger auferlegten Beschränkungen. Die zweite Ebene betrifft die Frage nach den haftungsrechtlichen Konsequenzen im Fall der Überschreitung dieser Beschränkungen, d. h. der Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung. Dass beide Fragen nicht zwingend miteinander verknüpft sein müssen, zeigt die Rechtsprechung des BGH nur allzu deutlich: Obgleich das Gericht der Sache nach ein Existenzvernichtungsverbot seit der KBV-Entscheidung kontinuierlich aus der »Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens« herleitet, hat es seinen Standpunkt bezüglich der hieran zu knüpfenden Haftungsfolgen von einer uneingeschränkten Durchgriffshaftung (KBV), über eine eingeschränkte Durchgriffshaftung (Vertragshändler) bis hin zu einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzinnenhaftung (Trihotel) variiert. Was die Begründung des Existenzvernichtungsverbots betrifft, lassen sich trotz vieler Überschneidungen im Wesentlichen vier Erklärungsansätze unterscheiden. Ein erster Ansatz sucht die Parallele zu den Geschäftsleiterpfl ichten.40 35
A.a.O. Tz. 33. A.a.O. Tz. 39 f. 37 A.a.O. Tz. 41. 38 Siehe nur Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1839; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 403 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3578 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2021; Westermann, NZG 2002, 1129; anders Nassall, ZIP 2003, 969, 970 ff., der das Vorliegen einer Gesetzeslücke leugnet und die Existenzvernichtungshaftung in der Folge für verfassungswidrig hält. 39 Vgl. umfassende Darstellung und Erörterung der vertretenen Ansätze bei Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 183 ff. 40 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 285 ff., 330, 344 f.; Flume, BGB AT I/2, S. 61, 36
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Aus der Eigenständigkeit der juristischen Person folge, dass deren Vermögen für die Gesellschafter grundsätzlich fremd sei und diese beim Umgang mit ihm daher im Wesentlichen den gleichen Bindungen wie ein Geschäftsleiter unterliegen. Ein anderer Ansatz stellt zur Begründung des Existenzvernichtungsverbots maßgeblich auf die Liquidationsvorschriften ab. § 73 GmbHG gewährleiste, dass das Fremdkapital im Liquidationsstadium zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt wird.41 Dieses Anliegen dürfe nicht im Wege der Liquidation »auf kaltem Wege«42 , d. h. durch einen existenzvernichtenden Eingriff außer Kraft gesetzt werden. Ein dritter Ansatz stellt maßgeblich auf die §§ 30, 31 GmbHG ab.43 Die Vorschriften beruhten auf der Vermutung, dass von ihnen nicht erfasste Einwirkungen die gewöhnliche und vom Gesetz auch akzeptierte Insolvenzwahrscheinlichkeit nicht zulasten der Gläubiger erhöhen. Dies wiederum impliziere ein Verbot existenzvernichtender Einwirkungen, welche der beschriebenen Vermutung zuwiderlaufen und geeignet sind, die Kapitalerhaltungsvorschriften außer Funktion zu setzen. Ein vierter, bereits an anderer Stelle behandelter Ansatz leitet das Existenzvernichtungsverbot aus dem Gesellschaftszweck ab.44 Was die Haftungskonstruktion anbetrifft, konkurrieren drei Modelle. Das erste Modell, dem sich im Ergebnis nunmehr auch der BGH angeschlossen hat, knüpft an den Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot eine Schadensersatzinnenhaftung. Vertreten wird es zum einen von denjenigen, die die Bindungen der Gesellschafter mit denen eines Geschäftsführers vergleichen und daher eine Analogie zur Geschäftsführerhaftung annehmen. 45 Zu einer Schadensersatzinnenhaftung gelangen aber auch alle diejenigen, die auf eine treupflichtähnliche Bindung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft bzw. den Verbandszweck abstellen.46 Anspruchsgrundlage ist insoweit § 280 Abs. 1 BGB. Ein zweites Modell sieht eine Schadensersatzaußenhaftung vor.47 Als An85 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837 1844 ff.; ders., ZIP 2002, 1553, 1560 ff.; ders. in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 120 ff. m. w. N. 41 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 203 ff.; ders., ZGR 1994, 570, 586 f.; Priester, ZGR 1993, 512, 520 ff.; Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 104 ff. 42 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 204; ähnlich GroßKommGmbHG/ Casper, Anh § 77 Rn. 95, 112. 43 Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942; Fleck, ZGR 1990, 31, 46 ff.; ders., FS 100 Jahre GmbHGesetz, S. 391, 399; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1067 f. 44 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 289 ff., s. o. § 11 D.V.1.a.(2) (S. 311 ff.). 45 Nachweise Fn. 40. 46 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 202 ff.; ders., ZGR 1994, 570, 586 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 416 ff.; ders., ZIP 2001, 2021, 2026 f.; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580; Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 97 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 290 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827, 829 ff., 836 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 289 ff.; im Ergebnis auch Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942 f. 47 GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 113 ff., 118.; Wagner, FS Canaris, S. 473, 489 ff.; Haas, WM 2003, 1929, 1940 f.; Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2041; Kleindiek, ZGR 2007, 276, 301 ff.; Weller, DStR 2007, 1166, 1168 ff.
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spruchsgrundlage dienen hierbei § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 283 Abs. 1 Nr. 5–7, 283b StGB. Ein drittes Modell basiert auf der Integration der Existenzvernichtungshaftung in die allgemeine Durchgriffslehre und sieht daher als Konsequenz von Verstößen gegen das Existenzvernichtungsverbot eine unbeschränkte Durchgriffs(außen)haftung der Mitglieder gegenüber den Gläubigern vor.48
III. Diskussionsstand zur Vermögensvermischung und Unterkapitalisierung Im vorliegenden Zusammenhang relevant sind schließlich die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Behandlung der Tatbestände der Vermögensvermischung und der Unterkapitalisierung. Obgleich sie vorwiegend im Zusammenhang mit der GmbH eine Rolle spielen, werden sie eingebettet in die Durchgriffslehre überwiegend als rechtsformübergreifender Bestandteil des allgemeinen Körperschaftsrechts verstanden. 1. Vermögensvermischung a) Rechtsprechung des BGH Der BGH hat in einer Reihe von Entscheidungen ausgeführt, dass bei unzureichender Trennung des Gesellschaftsvermögens einer GmbH und des Privatvermögens der Gesellschafter eine Durchgriffshaftung in Betracht kommt.49 Implizit geht er hiernach von einem Verbot der Vermögensvermischung aus. Zur Begründung stellt das Gericht darauf ab, die Vermögenstrennung sei Voraussetzung für die Funktionstüchtigkeit der Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen sei. Die Anforderungen, die der BGH an den Tatbestand der Vermögensvermischung stellt, sind jedoch sehr hoch. Erforderlich sei, dass die »Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise allgemein verschleiert wird, so daß insbesondere die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften [. . .] unkontrollierbar wird.«50 Bisher sah der BGH diese Voraussetzungen noch in keinem Fall als gegeben an. So hat er etwa ausgeführt, das bloße Fehlen einer »doppelten 48 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 412 f.; Bitter, WM 2001, 2133, 2139 ff.; Vetter, ZIP 2003, 601, 602 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 288 ff.; Koppensteiner, FS Honsell, S. 607, 618 ff.; Hoffmann, NZG 2002, 68, 71; Keßler, GmbHR 2001, 1095, 1100; Henze, NZG 2003, 649, 655 ff.; Drygala, GmbHR 2003, 729, 731 ff. 49 BGHZ 165, 85, 91 f.; 125, 366, 368 ff.; 95, 330, 333 f.; BGH NJW 1985, 740. Zur Abgrenzung zur lediglich gegenständlichen Vermögensvermischung sowie der so genannten Sphärenvermischung Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 107 ff. 50 BGHZ 165, 85, 91; 125, 366, 368; 95, 330, 333 f.
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Buchführung« reiche als Nachweis der Vermögensvermischung nicht aus. 51 Ebenso würden Entnahmen von Gesellschaftsvermögen durch die Gesellschafter den Tatbestand der Vermögensvermischung noch nicht erfüllen, sofern die entsprechenden Vermögensbewegungen buchmäßig erkennbar sind.52 Klargestellt hat das Gericht ferner, dass nur derjenige Gesellschafter haftbar gemacht werden könne, der eine Verantwortung für die Vermögensvermischung trägt. Hiervon sei regelmäßig nur bei herrschenden Gesellschaftern auszugehen. Allein die Stellung als Gesellschaftergeschäftsführer begründe keine entsprechende Verantwortung.53 Dogmatisch begründet der BGH die Durchgriffshaftung im Fall der Vermögensvermischung mit einer teleologischen Reduktion von § 13 Abs. 2 GmbHG verbunden mit der analogen Anwendung des § 128 HGB.54 Im Fall der einem Gesellschafter zurechenbaren Vermögensvermischung könne sich dieser nicht mehr auf die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft als juristische Person berufen und sei daher so zu behandeln, als hätte er das jeweilige Handelsgeschäft ohne Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen geführt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung hat der BGH ausdrücklich betont, diese lasse die anerkannten Grundsätze der Vermögensvermischung unberührt.55 Auch in der Trihotel-Entscheidung wies das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass die Qualifikation der Haftung wegen Vermögensvermischung als Durchgriffshaftung durch die Reinterpretation der Existenzvernichtungshaftung nicht betroffen sei.56 b) Meinungsbild in der Literatur In der Literatur wird das Verbot der Vermögensvermischung im Grundsatz einhellig anerkannt. Unstreitig ist hiernach, dass Gesellschafter nichts unternehmen dürfen, was die Unterscheidbarkeit von Privat- und Gesellschaftsvermögen verhindert und Verstöße hiergegen haftungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Hinsichtlich der Einzelheiten bestehen jedoch zum Teil unterschiedliche Auffassungen. Diese betreffen die Qualität des Verbots der Vermögensvermischung, die Konstruktion der an die Missachtung geknüpften haftungsrechtlichen Folgen sowie den Tatbestand der Vermögensvermischung. Überwiegend geht man in Anknüpfung an die Ausführungen des BGH davon aus, beim Verbot der Vermögensvermischung handele es sich um eine Obliegenheit, die der Gesellschafter erfüllen muss, um sich auf das Privileg der Haftungsbeschrän51 52 53 54 55 56
BGHZ 165, 85, 92. BGH NJW 1985, 741. BGHZ 125, 366, 368 ff. Vgl. insbesondere BGHZ 95, 330, 332. BGHZ 165, 85, 91. BGHZ 173, 246 Tz. 27; zustimmend GroßKommGmbHG/Casper, Anh. 77 Rn., 158 f.
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kung berufen zu können.57 Eine Gegenauffassung leitet demgegenüber das Verbot der Vermögensvermischung aus den §§ 41, 42 GmbHG ab und will Verstöße mit einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung analog § 43 Abs. 2 GmbHG sanktionieren.58 Nach wiederum anderer Auffassung entfaltet der Tatbestand der Vermögensvermischung keine materielle –, sondern lediglich beweisrechtliche Wirkung.59 Eher vage sind die Aussagen zu der Frage, wie der Tatbestand der Vermögensvermischung zu definieren ist. Überwiegend beschränkt man sich in diesem Zusammenhang mit der Bezugnahme auf die referierten Aussagen des BGH. Betont wird, dass eine Vermögensvermischung nicht vorliege, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft Vermögen entzogen hat, die entsprechenden Vermögensbewegungen aber, wenn auch mit Mühe, nachvollzogen werden können. 60 Vereinzelt wird auch zwischen der »generellen« und der bloß »gegenständlichen« Vermögensvermischung differenziert. Letztere liege vor, wenn lediglich einzelne Gegenstände nicht eindeutig dem Privat- oder Gesellschaftsvermögen zugeordnet werden können. Diese Form der Vermögensvermischung soll lediglich eine gegenständliche Haftungserweiterung auf den konkreten Gegenstand zur Folge haben und sich hiernach insbesondere im Rahmen der Drittwiderspruchsklage des Gesellschafters auswirken. 61 2. Unterkapitalisierung a) Rechtsprechung des BGH Die Rechtsprechung des BGH zu einer möglichen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung62 ist uneinheitlich. 63 Die einen Verein betreffende SiedlerEntscheidung des VIII. Senats des BGH, wonach die missbräuchliche Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen eine Durchgriffshaftung begründe, wurde bereits erwähnt. 64 In der anschließenden Fertighaus-Entscheidung hat derselbe Senat sodann jedoch eine betont kritische Haltung eingenommen. 65 57
Statt vieler MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 35. Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 293 ff., der zudem eine Haftung aus §§ 830 Abs. 2, 840 Abs. 1, 421 ff. BGB für möglich hält. 59 Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1558; ders. in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 136; vgl. auch Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung, S. 306 ff. 60 MünchKommAktG/Heider, § 1 Rn. 70; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 606; Baumbach/ Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 14; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 106. 61 Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 615; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a (S. 234 f.). 62 Zum Begriff Hachenburg/Ulmer, 8. Aufl. (1992), Anh. § 30 Rn. 4 ff. 63 Ausführliche Darstellung bei Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 115 ff., der auch auf die Rechtsprechung des BAG und des BSG eingeht. 64 Oben B.I.1. (S. 345 ff.). 65 BGHZ 68, 312, 316 ff. 58
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Weder der Umstand, dass das Stammkapital außer Verhältnis zum satzungsmäßigen Zweck der Gesellschaft steht noch die Kombination dieses Umstandes mit der engen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung in die Alleingesellschafterin rechtfertige einen Haftungsdurchgriff. Der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat äußerte zwar Zweifel an der restriktiven Haltung des XIII. Senats, 66 doch bejahte auch er in der Folge in keiner Entscheidung eine auf den Tatbestand der materiellen Unterkapitalisierung gestützte Durchgriffshaftung, sondern allenfalls eine Haftung aus § 826 BGB. 67 Bestätigung gefunden hat diese kritische Haltung in der Gamma-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008, in der der II. Senat ausführt, eine Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen unzureichender Kapitalisierung sei weder gesetzlich normiert noch durch richterliche Rechtsfortbildung als gesellschaftsrechtlich fundiertes Haftungsinstitut anerkannt. 68 Unter Bezug auf die Gesetzesbegründungen der GmbH-Novellen von 1980 und 2008 heißt es weiter, die Verpflichtung zu einer angemessenen Eigenkapitalausstattung sei mit dem Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Problematik bewusst auf ein entsprechendes Erfordernis verzichtet. Die für eine Rechtsfortbildung erforderliche Gesetzeslücke sieht der BGH daher als nicht gegeben an. Eine Qualifikation der materiellen Unterkapitalisierung als Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs scheide aus, weil ein Unterlassen schon begrifflich keinen Eingriff darstelle. Die Freiheit der Gesellschafter bei der Finanzausstattung finde hiernach ihre Grenzen allenfalls im Deliktsrecht und hier insbesondere in § 826 BGB. b) Meinungsbild in der Literatur Auch das Meinungsbild in der Literatur ist uneinheitlich. Während die eine Gruppe eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung grundsätzlich ablehnt, 69 steht die wohl h.L. einer solchen Haftung positiv gegenüber. Hiernach soll eine Haftung insbesondere in dem Fall in Betracht kommen, dass die Kapitalausstattung der Gesellschaft eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend ist und einen wirtschaftlichen Misserfolg zulasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt (so genannte qualifizierte materielle Unterkapitalisierung).70 Als dogmatischer Anknüpfungspunkt dient dabei überwiegend die Normzwecklehre, wonach 66
BGH NJW 1977, 1683, 1686. BGH WM 1979, 229, 230; ZIP 1991, 1140, 1145. 68 BGHZ 176, 204. 69 Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 275 ff.; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 6. 70 Hachenburg/Ulmer, 8. Aufl. (1992), Anh. § 30 Rn. 50 ff., 55 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 570 ff.; Bitter, WM 2001, 2133, 2139; Rowedder/Pentz, GmbHG, § 13 Rn. 137 m. w. N.; vgl. auch den Ansatz von Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1732 ff., der eine Parallele zum Eigenkapitalersatzrecht zieht. 67
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dem Gesellschafter bei anfänglicher oder nachträglicher qualifizierter materieller Unterkapitalisierung die Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG verwehrt sei, wenn diese zur Insolvenz geführt hat, sie dem Gesellschafter zugerechnet werden kann und der infrage stehende Gläubiger schutzwürdig ist.71 Als mögliche Konsequenzen werden eine Außenhaftung des Gesellschafters analog § 128 HGB bzw. eine Verlustausgleichspflicht im Innenverhältnis analog § 302 BGB diskutiert.72 Andere treten für eine verschuldensabhängige Verhaltenshaftung gegenüber der Gesellschaft ein.73 Auftrieb bekommen hat die Diskussion um die haftungsrechtliche Relevanz der materiellen Unterkapitalisierung infolge der Anerkennung der Existenzvernichtungshaftung. In diesem Zusammenhang wird vielfach dafür plädiert, die materielle Unterkapitalisierung in den Tatbestand der Existenzvernichtung zu integrieren.74
C. Existenzvernichtungsverbot als rechtsformübergreifendes Grundinstitut des Gläubigerschutzes Im Folgenden gilt es herauszuarbeiten, dass es sich beim Existenzvernichtungsverbot um das zentrale rechtsformübergreifende und somit auch auf den Verein anzuwendende Institut des Gläubigerschutzes handelt, welches verhindert, dass Mitglieder (aber auch mitwirkungsbefugte Dritte) ihren Einfluss auf den Verein schrankenlos zulasten der Gläubiger ausüben können. Insoweit wird sich auch zeigen, dass anderen im Interesse der Gläubiger rechtsfortbildend entwickelten Haftungsinstituten wie der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung oder materieller Unterkapitalisierung neben der an den Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot geknüpften Existenzvernichtungshaftung keine eigenständige Bedeutung zukommt.
71
Grundlegend Hachenburg/Ulmer, 8. Aufl. (1992), Anh. § 30 Rn. 55 ff. Für die Außenhaftung u. a. Hachenburg/Ulmer, 8. Aufl. (1992), Anh. § 30 Rn. 52; für eine Binnenhaftung Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1153. 73 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 308 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 (S. 243); Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 124. 74 OLG Düsseldorf GmbHR 2007, 310; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 419 f.; Lutter/ Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 11; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 295 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026; ders., JZ 2002, 1049; Habersack, ZGR 2008, 533, 557 f.; Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1733; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580; Wolff, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2006, S. 349, 364; vgl. auch Bitter, WM 2001, 2133, 2193 f., der allerdings tendenziell die Existenzvernichtungsproblematik lediglich als Teilaspekt der materiellen Unterkapitalisierung versteht; ablehnend Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290; Vetter, ZGR 2005, 788, 815 f.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 283; Weller, DStR 2007, 1166; gegen eine Integration der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung in die Existenzvernichtungshaftung GroßKommGmbHG/Casper, Anh 77 Rn. 160. 72
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I. Grundlegung 1. Existenzvernichtungsverbot als Korrelat der Haftungsbeschränkung Die Notwendigkeit von der Disposition der Mitgliedergesamtheit entzogener Beschränkungen folgt daraus, dass die durch das Formalziel und das daraus abgeleitete Schädigungsverbot begründete Zweckbindung des Verbandsvermögens zur Wahrung der Gläubigerinteressen von vornherein ungeeignet ist.75 Insoweit sei noch einmal daran erinnert, dass das die normtypischen Formalziele sämtlicher Verbände beinhaltende Element der Wertverteilung den Gläubigerinteressen diametral entgegenläuft. Die vor allem im Recht der GmbH verbreitete Annahme, das Schädigungsverbot diene reflexartig auch dem Gläubigerschutz, 76 ist daher zumindest irreführend. Erst recht gilt dies vor dem Hintergrund, dass das Schädigungsverbot der Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit überantwortet ist und daher ohne zwingende Gläubigerschutzkautelen auch in einem mehrgliedrigen und unabhängigen Verband damit zu rechnen wäre, dass die Mitgliedergesamtheit ihren Einfluss auf den Verband einseitig zulasten der Gläubiger ausnutzen würde.77 Die vorangegangenen Überlegungen machen zugleich deutlich, dass es sich bei der Existenzvernichtungshaftung entgegen der Annahme des BGH um kein Spezifikum des GmbH-Rechts handelt. Ursprung auch der GmbH-rechtlichen Gläubigerschutzproblematik ist der im Prinzip der Haftungsbeschränkung angelegte Verteilungskonflikt zwischen den Mitgliedern einerseits und den Gläubigern andererseits. Würde man den Mitgliedern beim Umgang mit dem Verbandsvermögen freie Hand lassen, wäre es ihnen jederzeit möglich, das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögen dem Verband und damit den Gläubigern zu entziehen. Sieht man die Funktion des Existenzvernichtungsverbots darin, das zu verhindern, erweist es sich als geradezu selbstverständliches Korrelat der Haftungsbeschränkung. In der KBV-Entscheidung bringt der BGH diesen Zusammenhang in aller Deutlichkeit auf den Punkt: »Das System der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung beruht auf der unausgesprochenen, für das Recht der Kapitalgesellschaften jedoch grundlegenden Voraussetzung, dass das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, in der Gesellschaft zum Zwecke der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben muss und damit der – im Recht der GmbH im übrigen sehr weitgehenden – Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist.«78 Das Abstellen auf die Haftungsbeschränkung und die damit korrespondierende besondere Bindung des Fremdkapitals macht deutlich, dass es sich beim 75 76 77 78
§ 10 B.II.2.b.(2) (S. 271 ff.). Nachweise § 3 Fn. 108. § 3 B.II.1.b.(2) (S. 41 f.). BGHZ 151, 181, 186.
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Existenzvernichtungsverbot um ein Grundinstitut des Gläubigerschutzes handelt, das bei allen Rechtsformen von Gesellschaften Geltung beansprucht, die eine Beschränkung der Haftung auf das Verbandsvermögen vorsehen. 79 Rechtsformspezifische Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich der Bedeutung, die dem Existenzvernichtungsverbot als »letzter Verteidigungslinie« der Gläubigerinteressen zukommt. Sie hängt davon ab, welche vorgelagerten Gläubigerschutzkautelen das geschriebene Recht für die jeweiligen Rechtsformen vorsieht und wie effektiv diese in der tatsächlichen Durchsetzung sind. Am einen Ende der Skala steht insoweit zweifellos die Aktiengesellschaft, die durch die §§ 57, 117, 311 ff. AktG den Zugriff der Aktionäre auf das Gesellschaftsvermögen bereits auf derart hohem Niveau beschränkt, dass dem Existenzvernichtungsverbot als ungeschriebenem Tatbestand wohl kaum einmal eigenständige Bedeutung zukommen dürfte. Am anderen Ende der Skala steht der vorliegend interessierende Verein, der keine entsprechenden Beschränkungen kennt und dessen Gläubiger hiernach in besonderem Maße auf das Existenzvernichtungsverbot angewiesen sind. Dazwischen ist die GmbH anzusiedeln, die angesichts der geringen Effektivität der §§ 30, 31 GmbHG insoweit aber deutlich näher beim Verein als bei der Aktiengesellschaft anzusiedeln ist. 2. Keine selbstständige Bedeutung der Vermögensvermischung und der materiellen Unterkapitalisierung Wie bereits eingangs ausgeführt, kommt den Tatbeständen der Vermögensvermischung und der materiellen Unterkapitalisierung neben dem der Existenzvernichtung keine eigenständige Bedeutung zu. In beiden Fällen handelt es sich lediglich um besondere Modalitäten der Existenzvernichtung. Was zunächst den Tatbestand der Vermögensvermischung anbetrifft, gilt es, sich vor Augen zu führen, dass dieser als solcher die Gläubigerinteressen nicht zwangsläufig tangiert. Niemand wird einen Gesellschafter mit dem Vorwurf in Anspruch nehmen, er habe der Gesellschaft Vermögen zukommen lassen, ohne dies ordnungsgemäß zu dokumentieren. Relevant ist allein die umgekehrte Konstellation, in der ein Gesellschafter der Gesellschaft Vermögen entzogen hat, ohne dies hinreichend zu dokumentieren, und dadurch die Insolvenz verursacht wurde. Schwerpunkt des Vorwurfs ist dann aber nicht die Vermögensvermischung, sondern die Existenzvernichtung. Die im Zusammenhang mit dem Schädigungsverbot getätigten Überlegungen gelten insoweit entsprechend. 80 Auch im Kontext des Gläubigerschutzes hat die Vermögensvermi79 Man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass der BGH ungeachtet der Verwendung des Begriffs der »Kapitalgesellschaften« keinen Unterschied zwischen diesen und den übrigen (Handels-)Vereinen andeuten wollte. Für eine entsprechende Differenzierung ist kein Grund ersichtlich. 80 § 11 E.III.3.d. (S. 339 f.).
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schung daher keine materiell-rechtliche Bedeutung, sondern ist auf prozessualer Ebene unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung zu würdigen. 81 Auch der Vorwurf der materiellen Unterkapitalisierung ist letztlich nichts anderes als ein Vorwurf der Existenzvernichtung. Die entscheidende Frage kann daher nur lauten, ob die durch die materielle Unterkapitalisierung bewirkte Insolvenzverursachung vom Existenzvernichtungsverbot erfasst ist. Ihre Beantwortung hängt davon ab, inwieweit der von Teilen der Literatur behauptete wertungsmäßige Gleichlauf zwischen dem Ressourcenabzug und der Ressourcenverwehrung zutrifft. 82 Hierauf ist im Anschluss an die nähere Analyse des Existenzvernichtungsverbots zurückzukommen. 83 3. Begriff der Existenzvernichtung Über die Geeignetheit des Begriffs der Existenzvernichtung mag man insoweit streiten als ihm einige Ungenauigkeiten anhaften. Tatsächlich geht es nicht um die Existenz des Verbandes, sondern die Vernichtung des zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Vermögens, d. h. des Fremdkapitals. 84 Auch ist der Begriff der Existenzvernichtung insofern unpräzise, als er auf einen Handlungserfolg abstellt, das entsprechende Verbot sich aber sinnvollerweise nur auf eine bestimmte Handlungsweise beziehen kann. Ob eine bestimmte Handlung rechtmäßig oder rechtswidrig ist, muss unabhängig von ihrem Erfolg beurteilt werden. Letzterer kann allenfalls für die Frage relevant sein, ob die Handlung haftungsbegründend ist. Umgekehrt sind auch rechtmäßige Handlungsweisen der Gesellschafter denkbar (z. B. die Anweisung, ein bestimmtes Geschäft zu tätigen, das anschließend fehlschlägt), die zur Insolvenz führen, so dass auch insoweit der Begriff des Existenzvernichtungsverbots letztlich zu weit greift. 85 Ist man sich des Gesagten bewusst, spricht gleichwohl nichts dagegen, dem in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Sprachgebrauch folgend den Begriff der Existenzvernichtung zu verwenden.
II. Gesetzliche Herleitung des Existenzvernichtungsverbots 1. Bewertung der vertretenen Begründungsansätze Im Rahmen einer Bewertung der zur Existenzvernichtungsproblematik vertretenen dogmatischen Begründungsansätze bedarf es an dieser Stelle keiner Auseinandersetzung mit reinen Haftungskonzepten, die nicht die Herleitung des 81
Näher unten D.I.4.c. (S. 395). Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 420; ähnlich Wiedemann, ZGR 2003, 283, 283 ff. 83 Unten V.I. (S. 380 ff.). 84 Vgl. Kritik von Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1003 f.; ders. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 122. 85 Vgl. Bitter, WM 2001, 2133, 2136. 82
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Existenzvernichtungsverbots, sondern lediglich die Ausgestaltung der bei seiner Verletzung Platz greifenden Haftung betreffen. 86 Neben der Durchgriffslösung zählt hierzu der deliktsrechtliche Ansatz, dessen Befürworter ausdrücklich konzedieren, dass das Deliktsrecht dazu dient, die Wertungen des Gesellschaftsrechts aufzunehmen und haftungsrechtlich umzusetzen. 87 Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Trihotel-Entscheidung, in der der BGH ungeachtet des Abstellens auf § 826 BGB zur Begründung umfangreiche Überlegungen zu den Besonderheiten und Lücken des GmbH-Rechts vornimmt. 88 Von den verbleibenden Ansätzen bereits in anderem Zusammenhang abgelehnt wurde die von Grigoleit entwickelte Ableitung des Existenzvernichtungsverbots (und noch deutlich darüber hinausgehender Beschränkungen) aus dem Gesellschaftszweck. 89 Nicht zu überzeugen vermag aber auch die Ableitung des Existenzvernichtungsverbots aus den GmbH-rechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften.90 Zumindest deren ursprünglicher Zweck, durch die Bildung eines Eigenkapitalpuffers die Gesellschaft gegenüber wirtschaftlichen Risiken resistent zu machen, weist eine andere Schutzrichtung als das Existenzvernichtungsverbot auf, welches sich gegen opportunistisches Verhalten der Gesellschafter richtet.91 Auch der rechtsformübergreifende Kontext zeigt, dass es sich bei den §§ 30, 31 GmbHG nicht um die Induktionsbasis des Existenzvernichtungsverbots handeln kann. Nähme man es mit der Analogie zu den Kapitalerhaltungsvorschriften ernst, wäre aufgrund des Fehlens entsprechender Regelungen insbesondere im Vereinsrecht ein Existenzvernichtungsverbot nicht begründbar. Man müsste vielmehr annehmen, der Gesetzgeber habe mit dem Verzicht auf vereinsrechtliche Kapitalerhaltungsvorschriften auch die Zulässigkeit existenzvernichtender Eingriffe zum Ausdruck gebracht. Das erscheint ganz und gar fern liegend.92 Differenziert zu bewerten ist die Anknüpfung an die Geschäftsleiterpflichten.93 Zumindest die in Fortentwicklung des ursprünglichen Ansatzes entwickelte Auffassung von Altmeppen weiß insofern zu überzeugen, als sie maßgeblich auf die Regelungen über die Reichweite der Abdingbarkeit der Geschäftsleiterhaftung in den §§ 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG, 93 Abs. 4 S. 1 AktG
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Hierzu unter D.I. (S. 384 ff.). Ausführlich Wagner, FS Canaris, S. 473, 492 ff. 88 Vgl. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 220. 89 § 11 D.V.1.b. (S. 313 ff.). 90 Nachweise Fn. 43. Wie hier Westermann, NZG 2002, 1129, 1133. 91 Näher dazu gleich unter IV. Zum Schutzzweck der §§ 30, 31 GmbHG bereits oben § 5 B.I.1.a. (S. 133 ff.). 92 Bestätigt wird dies durch die Begründung zum MoMiG, die die Existenzvernichtungshaftung als ein gegenüber § 30 GmbHG »anderes Schutzinstrument« bezeichnet (BT-Drucks. 16/6140 S. 94). 93 Nachweise Fn. 40. 87
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abstellt.94 Hier liegt in der Tat ein wichtiger Anknüpfungspunkt nicht nur für die Herleitung, sondern auch die Bestimmung der Reichweite des Existenzvernichtungsverbots.95 Das ändert indes nichts daran, dass die Lehre von den Geschäftsleiterpflichten die Problematik letztlich aus der falschen Richtung angeht, indem sie zu Unrecht eine Parallele zwischen den Mitgliedern und den Geschäftsleitern annimmt und dadurch im Ausgangspunkt unzutreffend die Verantwortlichkeit zur Regel erklärt.96 Obgleich man auch von einem falschen Ausgangspunkt aus zum richtigen Ergebnis gelangen kann, ist ein solches Vorgehen wenig befriedigend.97 Zu überzeugen weiß demgegenüber die Herleitung des Existenzvernichtungsverbots aus § 73 GmbHG,98 der seine Entsprechung in den §§ 271 Abs. 1 AktG, 90 Abs. 1 GenG, 49 Abs. 1 S. 1, 51 BGB findet. Bei dem darin enthaltenen liquidationsrechtlichen Thesaurierungsgebot handelt es sich in der Tat um einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass das Fremdkapital einer besonderen Zweckbindung unterliegt. Hierauf ist sogleich zurückzukommen. 2. Gesetzliche Anhaltspunkte für eine besondere Zweckbindung des Fremdkapitals Auch wenn die im Existenzvernichtungsverbot zum Ausdruck kommende besondere Zweckbindung des Fremdkapitals geradezu aus der Natur der Haftungsbeschränkung folgt, welche sich ohne die Zweckbindung als eine für die Gläubiger völlig inakzeptable Geschäftsgrundlage darstellen würde, muss man sich mit dieser Einsicht nicht begnügen. Die besondere Zweckbindung des Fremdkapitals hat in verschiedenen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden, die als Induktionsbasis des Existenzvernichtungsverbots dienen und wichtige Erkenntnisse zur Bestimmung seiner Reichweite beitragen können. a) Liquidations- und insolvenzrechtliche Wertungen Deutliche Hinweise auf die besondere Stellung des Fremdkapitals finden sich im Liquidations- und Insolvenzrecht. Die bereits angesprochenen Regelungen der §§ 271 Abs. 1 AktG, 73 Abs. 1 GmbHG, 90 Abs. 1 GenG, 49 Abs. 1 S. 1, 51 BGB bringen zum Ausdruck, dass das Fremdkapital nach Beendigung der werbenden Tätigkeit für die Gläubiger reserviert ist. Entsprechendes gilt aufgrund der Regelung des § 199 InsO, wonach die Gesellschafter bzw. Anfallberechtigten erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger zum Zuge kommen. Auch 94 Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1844 ff.; ders., ZIP 2002, 1553, 1560 ff.; ders. in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 120 ff. 95 Näher unten C.II.2.b. (S. 263 ff.). 96 Ähnlich Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2025. 97 Zur Kritik statt vieler Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2025 f. 98 Nachweise Fn. 41.
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wenn sich die genannten Regelungen in ihrer Geltung auf das Liquidationsbzw. Insolvenzverfahren beschränken und hiernach keine unmittelbare Relevanz für die im Vorfeld maßgebliche Pflichtenstellung der Mitglieder haben, lassen sie gleichwohl Rückschlüsse auf den Regelungsplan des Gesetzes zu.99 Denn der in der Liquidation bzw. Insolvenz des Verbandes vorgesehene Vorrang der Gläubiger würde keinen Sinn machen, wenn es den Mitgliedern gestattet wäre, im Vorfeld auf das Fremdkapital unbeschränkt zuzugreifen.100 Insoweit lässt sich den genannten Vorschriften in der Tat ein Verbot »der Liquidation auf kaltem Wege« 101 entnehmen. b) Vorschriften betreffend der Abdingbarkeit der Geschäftsleiterhaftung Zentrale Bedeutung nicht nur für die Ableitung, sondern auch die Präzisierung der besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals kommt den ausdifferenzierten Vorschriften der §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG betreffend der Dispositivität der Geschäftsleiterhaftung zu. (1) Gleichklang von zwingender Geschäftsleiterhaftung und zwingendem Verantwortungsbereich der Mitglieder Bereits in der Auseinandersetzung mit den Auffassungen von Grigoleit und Wilhelm wurde darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der zwingenden Geschäftleiterhaftung und dem Handlungsspielraum der Mitglieder besteht.102 Die den Mitgliedern im Gläubigerinteresse auferlegten Beschränkungen beim Umgang mit der Geschäftsleiterhaftung würden wenig Sinn machen, wenn Handlungen, die bei Vornahme durch die Geschäftsleiter zwingend haftungsbewehrt sind, bei deren Vornahme durch die Mitglieder sanktionslos blieben. Sinnvollerweise muss daher von einem »Gleichklang zwischen der zwingenden Geschäftsführerhaftung [. . .] und den entsprechenden Handlungsverboten zu Lasten der Gesellschafter« ausgegangen werden.103 Der vom Gesetzgeber der Dispositionsbefugnis der Mitglieder überantwortete Bereich der Geschäftsleiterhaftung markiert hiernach den Bereich der Einwirkungen, die auch den Mitgliedern ohne haftungsrechtliche Konsequenzen gestattet sind. Umgekehrt markiert der Umfang der zwingenden Geschäftsleiter-
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Kritisch Mülbert, DStR 2001, 1937, 1941 f. Sinngemäß Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 18. 101 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 204. Vgl. weitere Nachweisen in Fn. 41. 102 § 11 D.V.1.b. (S. 313 ff.). 103 Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2025. Den Zusammenhang zwischen der zwingenden Geschäftsleiterhaftung und der Verantwortlichkeit der Gesellschafter betonen auch Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1844 ff.; ders. in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 123; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 417. 100
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haftung den Bereich, in dem auch den Mitgliedern entsprechende Einwirkungen auf das Verbandsvermögen verwehrt sind.104 (2) Die Wertungen der §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG im Einzelnen Analysiert man die §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG im Einzelnen, so bestätigen sie zunächst einmal die Wertung der Liquidations- und Insolvenzvorschriften, wonach die Trennlinie zwischen dem Eigen- und dem Fremdkapital verläuft. Die Beschränkungen der § 43 Abs. 3 S. 1, 2 i. V. m. § 9b GmbHG finden nur insoweit Anwendung, als »der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist«. Entsprechendes gilt trotz unterschiedlicher Regelungstechniken für die Aktiengesellschaft und die Genossenschaft. Dort gewährt das Gesetz den Gläubigern ein eigenes Verfolgungsrecht und beschränkt die Dispositionsbefugnis der Mitglieder bezüglich des dem zugrunde liegenden Anspruchs (§§ 93 Abs. 5 AktG, 34 Abs. 5 GenG). Da aber das Verfolgungsrecht von vornherein nur in dem Umfang besteht, in dem die Gläubiger vom Verband keine Befriedigung erlangen können, sind auch dort die Restriktionen auf das Fremdkapital beschränkt. Verallgemeinernd lässt sich daraus ableiten, dass die Mitglieder vorbehaltlich spezieller Regelungen im Umgang mit dem Eigenkapital grundsätzlich frei sind, umgekehrt aber an Grenzen stoßen, sobald das Fremdkapital betroffen ist. Aber auch innerhalb des Bereichs der fremdkapitalrelevanten Maßnahmen gilt es zu differenzieren. Denn die gewöhnliche Geschäftsleiterhaftung ist der Dispositionsbefugnis der Mitglieder auch dann nicht entzogen, wenn sie das Fremdkapital betrifft. Für die GmbH folgt dies daraus, dass die Regelungen der § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG ausweislich ihrer systematischen Stellung nicht die Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG erfassen.105 Für die Genossenschaft ist das Verfolgungsrecht ebenfalls auf die besonderen in § 43 Abs. 3 GenG aufgezählten Pflichtverletzungen beschränkt. Gleiches gilt für die Aktiengesellschaft (§ 93 Abs. 3 AktG), bei der lediglich die Besonderheit besteht, dass § 93 Abs. 5 S. 2, 2. Hs. AktG zusätzlich die Haftung für jede »gröbliche« Pflichtverletzung für zwingend erklärt. Auf Grundlage des anzunehmenden Gleichklangs der zwingenden Geschäftsleiterhaftung mit dem Handlungsspielraum der Mitglieder lässt sich aus der Disponibilität der Geschäftsleiterhaftung für gewöhnliche Sorgfaltspflichtverletzungen schließen, dass auch die Mitglieder bezüglich 104 Vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH NZG 2009, 1385, wonach eine Verfügung eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH über das Vermögen der Gesellschaft nur dann eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG auslöst, wenn der Gesellschafter damit gegen ein Verbot verstößt, das durch eine Weisung der Gesellschafterversammlung nicht außer Kraft gesetzt werden kann. 105 So die ganz h. M., statt vieler Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 53 mit Nachweisen der Gegenansicht.
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Sorgfaltspflichtverletzungen, die zum Verlust von Fremdkapital führen und somit existenzvernichtend wirken, keine generelle Verantwortlichkeit trifft. Die in der Handelsvertreter-Entscheidung aus dem Jahr 2004 getroffene Aussage des BGH, wonach Managementfehler zur Begründung einer Existenzvernichtungshaftung nicht ausreichen, findet hier ihre gesetzliche Grundlage.106 Das Festgestellte lässt weitere Rückschlüsse zu. Sind die Mitglieder für die Existenzvernichtung selbst dann nicht verantwortlich, wenn diese auf sorgfaltswidrigem Verhalten beruht, folgt daraus im Wege des Erst-Recht-Schlusses, dass sie auch keine Verantwortung tragen, wenn Fremdkapital allein aufgrund der Verwirklichung unternehmerischen Risikos vernichtet wird. Die Spekulation zulasten des Fremdkapitals und damit der Gläubiger ist hiernach grundsätzlich systemkonform.107 Der vereinzelt vorgenommene Vergleich der Beziehungen der Mitglieder zum Fremdkapital mit einem Treuhandverhältnis108 erweist sich insoweit als schon im Ansatz unzutreffend. Denn selbstverständlich ist es einem Treuhänder nicht gestattet, das ihm anvertraute Vermögen zur eigennützigen Spekulation zu verwenden. Erst Recht trägt er die Verantwortung dafür, dass das Vermögen nicht in Folge unsorgfältigen Handelns geschädigt wird. Bei der Beantwortung der Frage, welche Einwirkungen auf das Fremdkapital den Mitgliedern denn nun verboten sind, rücken die Sondertatbestände der §§ 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG, 34 Abs. 3 GenG in den Mittelpunkt. Deren Analyse zeigt, dass der Schwerpunkt der von ihnen erfassten Vorgänge auf dem Transfer von Verbandsvermögen an die Mitglieder liegt (§§ 43 Abs. 3 S. 1, 1. und 2. Alt. GmbHG, 93 Abs. 3 Nr. 1, – 3, 5 AktG, 43 Abs. 3 Nr. 1–3 GenG). Im Zusammenhang mit der generellen Beschränkung auf das Fremdkapital lässt sich hieraus ableiten, dass der Transfer von Fremdkapital an die Mitglieder einen »Tabubereich« markiert. Auf Grundlage des anzunehmenden Gleichklangs ist dieser nicht nur für die Geschäftsleiter von Bedeutung, sondern entspricht zugleich dem Bereich der von den Mitgliedern beim Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen einzuhaltenden Beschränkungen. Die verbleibenden, nicht den Vermögenstransfer an die Mitglieder betreffenden Sondertatbestände der §§ 93 Abs. 3 AktG, 43 Abs. 3 GenG können demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang vernachlässigt werden. Das in den §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 64 S. 1 u. 4, 43 Abs. 3 GmbHG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG geregelte Zahlungsverbot betrifft den Zeitraum nach Insolvenzeintritt und ist somit für die Frage der Insolvenzverursachung ohne Bedeutung.109 Gleiches gilt im Ergebnis für die in den §§ 93 Abs. 3 Nr. 7, 8 AktG, 34 Abs. 3 106
BGH NZG 2005, 214 Ls. 1. Zutreffend Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 309: »Recht zur Gläubigerschädigung«. 108 Schön, ZHR 168 (2004), 268, 282, 289 f. 109 Zur ratio von § 92 Abs. 2 S. 1 AktG (ehemals Abs. 3) GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rn. 90 ff. Zu den ebenfalls erfassten Neuregelungen der §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG sogleich gesondert unter 3. 107
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Nr. 5 GenG angesprochene unzulässige Aufsichtsratsvergütung bzw. Kreditgewährung, da hier die Pflichtwidrigkeit letztlich allein in der Missachtung der innerverbandlichen Zuständigkeitsordnung besteht (vgl. §§ 89, 115 AktG, 39 Abs. 2, 49 GenG). Ohne Bedeutung sind schließlich die Tatbestände der § 93 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 9 AktG, die letztlich nur Beispiele »gröblicher« Sorgfaltsverletzungen beinhalten, denen neben § 93 Abs. 5 S. 2 AktG keine eigenständige Bedeutung zukommt. Letzteres leitet über zu der aktienrechtlichen Besonderheit, wonach die Geschäftsleiterhaftung bei gröblicher Sorgfaltspflichtverletzung generell der Dispositionsbefugnis der Aktionäre entzogen ist (§ 93 Abs. 5 S. 2 AktG). Auf Grundlage des angenommenen Gleichklangs muss daraus geschlossen werden, dass auch die Aktionäre den Gläubigern gegenüber in der Verantwortung stehen, wenn sie durch gröbliche Sorgfaltspflichtverletzungen die Insolvenz herbeiführen. Die hiernach im Vergleich zu den Mitgliedern der GmbH und der Genossenschaft stärkere Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit fügt sich ein in den auch im Übrigen höheren Standard des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes. Unabhängig davon, ob man die Differenzierung für rechtspolitisch überzeugend hält, beruht sie jedenfalls auf einer bewussten gesetzgeberischen Wertung, die es verbietet, § 93 Abs. 5 S. 2 AktG im Recht der GmbH und der Genossenschaft analog anzuwenden.110 (3) Einordnung des Vereins Es bleibt zu klären, wie der Verein, der keine den §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG vergleichbare Regelung kennt, in den beschriebenen Kontext einzuordnen ist. Die §§ 40, 27 Abs. 3 BGB werden allgemein so verstanden, dass die Haftung der Vorstandsmitglieder des Vereins vorbehaltlich der Grenzen des § 138 BGB frei disponibel ist.111 Nähme man dies beim Wort, käme man auf Grundlage des angenommenen Gleichlaufs zu dem Ergebnis, dass die Mitglieder des Vereins selbst im Umgang mit dem Fremdkapital keinerlei Restriktionen unterliegen. Indes sprechen gute Gründe für die Annahme, dass ein solches Defizit an Gläubigerschutz nicht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Bereits der eklatante Unterschied im Differenzierungsgrad der untersuchten Regelungen des GmbHG, AktG und GenG einerseits sowie des generalklauselartigen § 40 BGB lässt vermuten, dass der Umfang der Abdingbarkeit der Vorstandshaftung ebenso wie die Frage der Vermögensbindung im allge110 So aber Altmeppen (s. Nachweise Fn. 94) für die GmbH, dagegen Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 277; GroßKommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 124; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 47. 111 MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rn. 38. Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 3722, geht hiernach ausdrücklich davon aus, dass der Verzicht auf Ersatzansprüche des Vereins stets gegenüber den Gläubigern Wirkung entfaltet.
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meinen der Aufmerksamkeit des historischen Gesetzgebers entgangen ist. Dies erscheint auch deshalb plausibel, weil im Mittelpunkt des damaligen rechtspolitischen Interesses das Grundproblem des Verhältnisses zwischen Verein und Staat stand, hinter dem die Frage des Gläubigerschutzes angesichts des Zuschnitts der Ende des 19. Jahrhunderts existierenden Vereine geradezu bedeutungslos erscheinen musste.112 Bestätigt wird dieser Eindruck durch die Absurdität des Ergebnisses, welches es den Mitgliedern gestatten würde, dem Verein das zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Vermögen jederzeit zu entziehen. Die Überlegungen machen deutlich, dass es sich bei der auf Grundlage des § 40 BGB bestehenden schrankenlosen Dispositionsbefugnis der Mitglieder über die Geschäftsleiterhaftung um ein planwidriges Regelungsdefizit handelt, welches durch den Import der Wertungen des Rechts der Handelsvereine zu korrigieren ist.113 Fraglich kann allein sein, ob hierbei auf den Maßstab der §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 34 Abs. 3–5 GenG, wonach die Zweckbindung des Fremdkapitals darauf beschränkt ist, den Transfer von Verbandsvermögen an die Mitglieder zu verhindern, oder den strengeren, auch sonstige gröbliche Sorgfaltspflichtverletzungen erfassenden Maßstab des Aktienrechts (§ 93 Abs. 5 S. 2 AktG) abzustellen ist. Die Antwort kann nur im ersteren Sinne lauten. Denn während dem Aktiengesetzgeber ersichtlich daran gelegen war, im Interesse des Gläubigerschutzes eine besonders strenge Vermögensbindung zu statuieren, kann für den Verein schon mit Blick auf die Vereinsklassenabgrenzung kein Zweifel daran bestehen, dass dort der Gesetzgeber nicht über ein Mindestmaß an Gläubigerschutz hinausgehen wollte.114 c) Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsleiters Weitere Hinweise lassen sich den im Zuge der GmbH-Novelle im Jahr 2008 eingefügten Vorschriften der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB entnehmen, wonach der Geschäftsleiter auf Schadensersatz haftet, wenn er durch Zahlungen an die Gesellschafter sorgfaltswidrig die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt hat.115 Da die Haftung der Dispositionsbefugnis der Mitglieder entzogen ist (§ 64 S. 4 112
Ballerstedt, FS Knur, S. 1, 14. Ohne Begründung gegen eine entsprechende Analogie Reichert, Handbuch Vereinsund Verbandsrecht, Rn. 3722 Fn. 388. 114 In etwas anderem Zusammenhang OLG Hamburg NZG 2009, 1036, 1037 f.; Koza, DZWIR 2008, 98, 99. 115 Den Zusammenhang von § 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG und Existenzvernichtungshaftung betonend Seibert, ZIP 2008, 1157, 1167; vgl. auch Habersack, ZGR 2008, 533, 557 f.; Geibel, ZJS 2008, 90 91. Allgemein zur Neuregelung der §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681; Greulich/Rau, NZG 2008, 284; Böcker/ Poertzgen, WM 2007, 1203. Umfassend zu den denkbaren Schutzwecken der Regelungen Altmeppen, FS Hüffer, S. 1 ff. 113
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GmbHG i. V. m. § 43 Abs. 3 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG), steht sie in einem systematischen Zusammenhang zu den zuvor behandelten Regelungen.116 Aufgrund des anzunehmenden Gleichklangs von zwingender Geschäftsleiterhaftung und zwingendem Verantwortungsbereich der Mitglieder ist davon auszugehen, dass die in den Regelungen sanktionierten Verhaltensweisen auch den Mitgliedern verwehrt sind. Weil bei Verstößen gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften eine Ersatzpflicht bereits aus den §§ 43 Abs. 3 S. 1 1. Alt. GmbHG, 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG folgt, kommt der solvenzorientierten Ausschüttungssperre der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB nur dann eigenständige Bedeutung zu, wenn eine Zahlung nicht von den Kapitalerhaltungsvorschriften erfasst wird.117 Das ist vor allem dann der Fall, wenn sich deren Auswirkungen wie etwa bei der Darlehensvergabe auf den Liquiditätsentzug beschränken und daher keine bilanziellen Auswirkungen haben. Bei der GmbH ist darüber hinaus an den Fall zu denken, dass die Zahlung zwar bilanzwirksam ist, der Vermögensabfluss sich jedoch auf das freie Vermögen beschränkt. Beide Konstellationen haben gemeinsam, dass nicht unmittelbar auf das Fremdkapital eingewirkt wird. Dass vom Verstoß gegen die solvenzorientierte Ausschüttungssperre gleichwohl das Fremdkapital und somit die Gläubiger betroffen sind, beruht auf einem mittelbaren Ursachenzusammenhang.118 Neben der Pflicht zur Insolvenzanmeldung hat die Zahlungsunfähigkeit nämlich regelmäßig zur Folge, dass der Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form nicht mehr weitergeführt werden kann. Das wiederum schlägt sich typischerweise in einem sofortigen Wertverlust des Gesellschaftsvermögens nieder und hat die Entstehung weiterer Verluste zur Folge. Zu Letzteren kommt es, weil regelmäßig die Einnahmenseite einbricht, während es meist nicht möglich ist, die Ausgaben (insbesondere Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen wie Arbeits- oder Mietverträgen) synchron an die geänderten Umstände anzupassen.119 Im Endeffekt 116 Da die Geschäftsleiter schon aufgrund ihrer allgemeinen Sorgfaltspfl icht daran gehindert sind, die Zahlungsunfähigkeit begründende Ausschüttungen an Gesellschafter vorzunehmen (vgl. Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 286), beschränkt sich der Innovationsgehalt der Neuregelungen letztlich auf die ausdrückliche Klarstellung des zwingenden Charakters der daraus resultierenden Geschäftsleiterhaftung. Letzteres berücksichtigt Altmeppen, FS Hüffer, S. 1, 4, 12 nicht hinreichend, der in der Folge zu dem Ergebnis gelangt, die Neuregelung sei »vollständig überflüssig« (S. 14). Zwar ist zuzugeben, dass die Unverzichtbarkeit Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals ist, doch macht dies eine der Konkretisierung dienende Regelung nicht überflüssig. 117 Vgl. auch Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 286. 118 Dieser Aspekt ist nicht zu verwechseln mit der die Auslegung der Neuregelung betreffenden Frage, welcher Art der zwischen der Zahlung und der Zahlungsunfähigkeit bestehende Kausalzusammenhang sein muss (»führen musste«), dazu u. a. Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1206 ff. 119 Konkret in Bezug auf Sportvereine Passarge, ZInsO 2005, 176, 177.
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führt so die Zahlungsunfähigkeit in aller Regel zu einer Vernichtung von Fremdkapital und begründet bzw. vertieft auf diese Weise den Insolvenzausfallschaden der Gläubiger. Verallgemeinert man den beschriebenen Zusammenhang, so folgt aus den §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB auf Grundlage des anzunehmenden Gleichklangs von zwingender Geschäftsleiterhaftung und zwingendem Verantwortungsbereich der Mitglieder, dass die besondere Zweckbindung des Fremdkapitals nicht nur den unmittelbaren Entzug von Fremdkapital, sondern auch dessen mittelbare Vernichtung verbietet. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, eine entsprechende Haftung der Mitglieder anzuordnen, steht der Annahme eines solchen Gleichklangs nicht entgegen. Die Gesetzesbegründung enthält vielmehr den ausdrücklichen Hinweis, dass der Entwurf nicht beim »Gesellschafter als Empfänger der existenzbedrohenden Vermögensverschiebung [. . .], sondern beim Geschäftsführer[n] als deren Auslöser oder Gehilfen« ansetze, ohne insoweit aber eine abschließende Regelung schaffen zu wollen.120 Es bleibt allein die Frage, ob es sich bei den Regelungen der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB um auf die betroffenen Rechtsformen beschränkte Spezialwertung handelt, oder ob sie einer Verallgemeinerung auf sämtliche Verbände mit beschränkter Haftung einschließlich des Vereins zugänglich sind. Gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit scheint zu sprechen, dass die h. M. eine analoge Anwendung des Zahlungsverbots der §§ 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG auf den Verein ablehnt.121 Auf den ersten Blick liegt es nahe, dass eine Analogie dann auch hinsichtlich der übrigen Regelungen der §§ 64 GmbHG, 92 AktG ausgeschlossen ist. Bei näherer Analyse zeigt sich, dass dies jedoch zu kurz greifen würde. Ungeachtet des regelungstechnischen Zusammenhangs besteht zwischen der Analogiefähigkeit der Haftung wegen masseschmälernder Zahlungen und der vorliegend interessierenden Insolvenzverursachungshaftung keine Verknüpfung. Bezüglich Ersterer spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber die Vorstandsmitglieder mit Blick auf deren normtypische Ehrenamtlichkeit privilegieren wollte, indem er sie lediglich der unter dem Gesichtspunkt der Darlegungs- und Beweislast für sie wesentlich günstigeren Insolvenzverschleppungshaftung aussetzen wollte. Demgegenüber sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass den Vorstandsmitgliedern des Vereins dessen Existenzvernichtung gestattet werden sollte. Der Umstand, dass die Insolvenzverursachungshaftung trotz der 120
BT-Drucks. 16/6140 S. 106. BGH ZIP 2010, 985; 2010, 1080; OLG Hamburg NZG 2009, 1036; OLG Karlsruhe NZG 2009, 995; Koza, DZWIR 2008, 98; für eine Analogie hingegen Passarge, ZInsO 2005, 176; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; MünchKommBGB/Reuter, § 42 Rn. 17; ausführlich nunmehr Leuscher, ZHR 175 (2011), C.II.1. 121
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strukturellen Ähnlichkeit der §§ 99 Abs. 2, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG mit den Regelungen des AktG und GmbHG auch im Genossenschaftsrecht nicht kodifiziert wurde, lässt weder in die eine noch in die andere Richtung Rückschlüsse zu.122 Da das MoMiG an anderer Stelle auch Änderungen des GenG vorgenommen hat, erscheint es am nächstliegenden, insoweit von einem Redaktionsversehen auszugehen. Im Fall des Vereins dürfte die Untätigkeit des Gesetzgebers wohl darauf beruhen, dass dieser im Zusammenhang mit Fragen des Gläubigerschutzes generell keine hohe Aufmerksamkeit genießt und eine punktuelle Kodifikation der besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals angesichts der sonstigen Enthaltsamkeit geradezu als regelungstechnischer Fremdkörper gewirkt hätte. Grund zu der Annahme, der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dem Vereinsvorstand die existenzvernichtende Auskehr von Liquidität an Mitglieder zu gestatten, besteht jedenfalls nicht. Was die im Zusammenhang mit der Analogiebildung zu prüfende Vergleichbarkeit der Interessenlagen anbetrifft, gilt es zu differenzieren. Zutreffenderweise wird die analoge Anwendung der Haftung wegen Zahlungen nach Insolvenzeintritt unter anderem mit der Erwägung verneint, der Gesetzgeber habe angesichts der dem Verein im Vergleich zu den Handelsvereinen nur in beschränktem Umfang gestatteten wirtschaftlichen Betätigung für diesen bewusst ein niedrigeres Gläubigerschutzniveau vorgesehen.123 Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass die Gläubiger gegenüber den infrage stehenden Masseschmälerungen auch ohne die Analogie nicht schutzlos gestellt sind. Dem Insolvenzverwalter bleibt gemäß § 42 Abs. 2 S. 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, die Masseschmälerungen durch Geltendmachung einer Insolvenzverschleppungshaftung zu kompensieren. Dass dieser Weg der Masseanreicherung beschwerlicher und weniger Erfolg versprechend als die Geltendmachung der Ansprüche aus den §§ 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG ist, mag man kritisieren.124 Die hiermit verbundene Benachteiligung der Gläubiger des Vereins ist jedoch nicht derart unerträglich, dass sie rechtspolitisch unvertretbar erschiene und man dem Gesetzgeber insoweit ein Versehen unterstellen könnte. Im Fall des vorliegend interessierenden Verbots der Insolvenzverursachung durch die Auskehrung von Liquidität an die Mitglieder liegen die Dinge eklatant anders. Auch wenn ein solcher Vorgang bei Vereinen selten vorkommen mag, begründet das Verbot für die Gläubiger keine besonderen Annehmlichkeiten, sondern begründet lediglich ein Mindestmaß an Schutz, ohne den die Vereinsgläubiger den Mitgliedern und der Geschäftsleitung schutzlos ausgesetzt wären. Die Wertungen der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a 122
Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, Fn. 1. OLG Hamburg NZG 2009, 1036, 1037 f.; Koza, DZWIR 2008, 98, 99. 124 Die Vorteile betonend Passarge, ZInsO 2005, 176, 177 f.; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230, 231 f. 123
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Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB können hiernach nur als Ausdruck eines allgemeinen Prinzips verstanden werden, das auf alle Verbände Anwendung findet, für deren Verbindlichkeiten keine natürliche Person haftet, und daher ungeachtet seiner fehlenden Kodifikation auch für den Verein (und die Genossenschaft) Geltung beansprucht. d) Zwischenergebnis Resümierend ist festzuhalten, dass das Fremdkapital bei allen Rechtsformen mit beschränkter Haftung im Interesse der Gläubiger einer der Dispositionsbefugnis der Mitglieder entzogenen besonderen Zweckbindung unterliegt, welche von der das gesamte Verbandsvermögen erfassenden Bindung an den Verbandszweck (genauer: das Formalziel) zu unterscheiden ist.125 Ihren positiv-rechtlichen Niederschlag hat die Zweckbindung in den Liquidations- und Insolvenzvorschriften, den Regelungen betreffend die Dispositivität der Geschäftsleiterhaftung sowie den §§ 64 S. 3, 4 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG gefunden. Sie verbietet es dem Verband, das zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Vermögen durch Vermögentransfers an die Mitglieder unmittelbar oder mittelbar zu entziehen und bildet hiernach die dogmatische Grundlage des Existenzvernichtungsverbots und der darauf aufbauenden Existenzvernichtungshaftung. Weitergehende Beschränkungen folgen aus der besonderen Zweckbindung aber gerade nicht. Insbesondere verbietet sie es nicht, das Fremdkapital Risiken auszusetzen, die im Fall ihrer Realisierung zu dessen Vernichtung führen. Spekulationen zulasten der Gläubiger sind grundsätzlich systemkonform. Selbst wenn den Beteiligten hierbei Fehler unterlaufen (Managementfehler), begründet dies gegenüber den Gläubigern grundsätzlich keine Verantwortlichkeit.
III. Kein abschließender Charakter der Kapitalerhaltungsregelungen Weil das Existenzvernichtungsverbot im Sinne einer Ausschüttungssperre wirkt, stellt sich die Frage, ob seine rechtsfortbildende Entwicklung möglicherweise im Widerspruch zu den geschriebenen Kapitalerhaltungsregelungen steht. Für die GmbH wurde diese Frage im Hinblick auf die §§ 30, 31 GmbHG intensiv erörtert.126 Sie ist aber auch für den Verein von Belang, müsste man doch bei Annahme des abschließenden Charakters der Kapitalerhaltungsregelungen innerhalb der jeweiligen Rechtsform daraus wohl den Schluss ziehen, dass das gänzliche Fehlen entsprechender Regelungen im Vereinsrecht ebenfalls der rechtsfortbildenden Entwicklung von Ausschüttungssperren entgegensteht. 125 Maßgeblich auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens abstellend auch GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 112. 126 Siehe nur Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 97 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 287 ff.
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Auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse kann indes kein Zweifel daran bestehen, dass die rechtsformübergreifende Geltung des Existenzvernichtungsverbots durch die Kapitalerhaltungsregelungen nicht infrage gestellt wird. Speziell für die §§ 30, 31 GmbHG wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass deren ursprünglicher Regelungszweck darauf gerichtet war, die mit wirtschaftlicher Betätigung einhergehende Volatilität durch Sicherstellung eines Eigenkapitalpuffers zu kompensieren.127 Insoweit ist es auch ohne weiteres plausibel, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung von Kapitalerhaltungsregelungen auf die für die wirtschaftliche Betätigung konzipierten Kapitalgesellschaften konzentrierte. Im Fokus stand die Insolvenzverursachung durch die Realisierung wirtschaftlicher Risiken und nicht die Insolvenzverursachung durch den von den Mitgliedern initiierten Vermögensentzug. Das zeigt sich auch in der auf die Rückführung des entzogenen Vermögens beschränkte Rechtsfolge von Kapitalerhaltungsverstößen (§§ 31 Abs. 1 GmbHG, 62 Abs. 1 S. 1 AktG), welche zur Wiederherstellung des Haftungspuffers genügt, als Sanktion der Existenzvernichtung angesichts der typischerweise auftretenden Kollateralschäden aber evident ungeeignet ist. Ihre Bestätigung findet die fehlende Sperrwirkung der Kapitalerhaltungsregelungen gegenüber dem Existenzvernichtungsverbot schließlich in der Begründung der GmbH-Novelle aus dem Jahr 2008, die den Hinweis enthält, § 30 GmbHG sei vor dem Hintergrund »anderer Schutzinstrumente« zu sehen und in diesem Zusammenhang ausdrücklich die »Rechtsprechungsregeln über den existenzvernichtenden Eingriff« nennt.128
IV. Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots Auf Grundlage der vorangegangenen Erkenntnisse ist es nun möglich, das Existenzvernichtungsverbot im Einzelnen auszuformen. Verboten ist hiernach den Mitgliedern die Vornahme oder Veranlassung nachteiliger Maßnahmen (1.), die eine qualifizierte Eignung zur Vernichtung von Fremdkapital aufweisen (2.) und von Benachteiligungsvorsatz getragen sind (3.). 1. Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme: Abgrenzung zum Schädigungsverbot a) Parallele zum Schädigungsverbot Der Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots stimmt mit dem des Schädigungsverbots insoweit überein, als beide die Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme voraussetzen. Wie auch im Zusammenhang mit dem Schädigungs127 128
Oben § 5 B.I.1.b. (S. 136 ff.). BT-Drucks. 16/6140 S. 94.
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verbot kann daher im Ausgangspunkt auf die Tatbestandsmerkmale des § 317 Abs. 1 AktG zurückgegriffen werden.129 Ob die Maßnahme bilanzielle Auswirkung hat, ist unerheblich. Der Entzug nicht bilanzierbarer Vermögenswerte130 kann daher ebenso vom Existenzvernichtungsverbot erfasst sein wie die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zum Buchwert oder ein bilanzneutraler Aktiventausch (z. B. Darlehensvergabe). Gleiches gilt für Maßnahmen, die wie der Entzug von Geschäftschancen lediglich den Zufluss von Vermögen verhindern.131 b) Unterschied zum Schädigungsverbot: Formalzielunabhängigkeit des Nachteilsbegriffs Der wesentliche Unterschied zum Schädigungsverbot besteht darin, dass zur Bestimmung der Nachteilhaftigkeit nicht auf das zur Disposition der Mitgliedergesamtheit stehende Formalziel abzustellen ist. Die dem Existenzvernichtungsverbot zugrunde liegende besondere Zweckbindung des Fremdkapitals nimmt vielmehr unmittelbar auf das Gläubigerinteresse Bezug. Vermögensverkürzungen sowie die Verhinderung von Vermögenszuflüssen sind hiernach unabhängig von ihrer Formalzielkonformität als nachteilig zu qualifizieren. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Fremdkapital aufgrund der das gesamte Verbandsvermögen erfassenden Bindung an das Formalziel einer doppelten Zweckbindung unterliegt, von der in Konfliktfällen die im Gläubigerinteresse bestehende Zweckbindung einen Vorrang beansprucht. Die Abkopplung des Existenzvernichtungsverbots vom konkreten Formalziel stellt nicht nur sicher, dass das Mindestmaß an Gläubigerschutz durch die Statuierung eines dienenden Verbandszwecks nicht unterlaufen werden kann. Bedeutung hat sie auch im Rahmen der normtypischen Verbandszwecke des Vereins und der Handelsvereine. Denn wie bereits mehrfach erwähnt, erschöpfen sich die darin enthaltenen Formalziele nicht im Element der Wertschöpfung, sondern sehen stets auch eine Wertverteilung vor, welche in einem grundsätzlichen Zielkonflikt mit dem durch das Existenzvernichtungsverbot bezweckten Gläubigerschutz steht. Im Kapitalgesellschaftsrecht verhindern zwar die Kapitalerhaltungsregelungen weitestgehend, dass Gläubigerinteressen durch Gewinnausschüttungen beeinträchtigt werden. Die Diskussion um zum Teil kreditfinanzierte »Superdividenden«, welche die Ertragskraft der Gesellschaft nachhaltig zu schwächen vermögen und daher zu einer mittelbaren Vernichtung von Fremdkapital führen können, zeigt jedoch, dass selbst die strenge Ver129 Die Parallele zwischen der Existenzvernichtungshaftung und § 317 Abs. 2 AktG betonend Drygala, GmbHR 2003, 729, 733. 130 Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286. 131 BGH NZG 2005, 177, 178 (Vertragshändler); Zöllner, FS Konzen, S. 999, 1017; GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 130; Habersack, ZGR 2008, 533, 544; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 414 f.; Vetter, ZGR 2005, 788, 811; Weller, ZIP 2007, 1681, 1684.
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mögensbindung des AktG im Einzelfall defizitär sein kann.132 Erst recht gilt dies für die GmbH oder die Genossenschaft, wo kapitalerhaltungskonforme, aber gleichwohl existenzvernichtende Ausschüttungen ohne weiteres vorstellbar sind.133 Am größten ist die Bedeutung des Existenzvernichtungsverbots (jedenfalls in theoretischer Hinsicht) als »Wertverteilungsschranke« beim Verein, für den das Gesetz keinerlei geschriebene Ausschüttungssperren vorsieht. Würde man es hier bei den Vorgaben des Formalziels bewenden lassen, wäre es beispielsweise den Mitgliedern eines der Geselligkeit dienenden Vereins ohne weiteres möglich, im Vorfeld der Insolvenz das verbleibende Vereinsvermögen ohne Rücksicht auf bestehende Verbindlichkeiten in einer »letzten großen Sause« zu verbrauchen.134 Gerade im vereinsrechtlichen Kontext zeigt sich, dass das Existenzvernichtungsverbot neben der mitgliedernützigen auch bei der fremdnützigen Wertverteilung Bedeutung erlangen kann. Denn mit der besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals unvereinbar wäre sicherlich auch, wenn ein Verein im Rahmen seines Vereinszwecks Fremdkapital Dritten zuwendet. Man denke beispielsweise an den Fall, dass die Mitglieder eines karitativen Vereins ihre Vorstellung von einer gerechteren Welt dadurch zu verwirklichen suchen, dass sie das zur Bedienung eines Bankkredits erforderliche Vermögen an Bedürftige verteilen. Zwar ist zuzugestehen, dass die Reichweite des Existenzvernichtungsverbots an dieser Stelle den Umfang dessen überschreitet, was sich aus den unter III. untersuchten Regelungen aus dem Recht der Handelsvereine, welche ganz auf den Vermögenstransfer an die Mitglieder fokussiert sind, ableiten lässt. Indes wird man ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die auf die mitgliedernützige Wertverteilung beschränkte Sichtweise des Gesetzgebers durch die normtypischen Formalziele der Handelsvereine geprägt ist. Im Rahmen einer Vervollständigung des gesetzgeberischen Regelungsplans kann man sinnvollerweise nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die fremdnützige Wertverteilung der mitgliedernützigen Wertverteilung gleichzustellen und daher wie diese vom Existenzvernichtungsverbot erfasst ist.
132
Hierzu U. H. Schneider, NZG 2007, 888, 892 f. Zur Kapitalerhaltung bei der Genossenschaft oben § 5 B.I.1.b. (S. 136 f.). 134 Die Formalzielwidrigkeit existenzvernichtender Ausschüttungen ließe sich gegebenenfalls damit begründen, dass sie dem Ziel der langfristigen Wertschöpfung widersprechen (vgl. Argumentation von Eberth, Die Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 127 ff.; Nienhaus, Kapitalschutz in der Aktiengesellschaft mit atypischer Zwecksetzung, S. 179 ff.). Sofern allerdings letztere angesichts der sich abzeichnenden Insolvenz ohnehin nicht mehr verwirklicht werden kann, greift wohl auch diese Argumentation nicht. 133
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2. Qualifizierte Geeignetheit zur Vernichtung von Fremdkapital: Abgrenzung zur bloßen Eigenkapitalvernichtung Die dogmatische Herleitung des Existenzvernichtungsverbots aus der im positiven Recht verankerten besonderen Zweckbindung des Fremdkapitals impliziert, dass die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital auf der Tatbestandsseite des Existenzvernichtungsverbots eine Entsprechung finden muss. In ihren Auswirkungen auf das Eigenkapital beschränkte Schädigungen berühren die Gläubigerinteressen nicht und fallen daher auch nicht unter das Existenzvernichtungsverbot. Auf der Tatbestandsseite des Existenzvernichtungsverbots ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die veranlasste Maßnahme nicht nur nachteilhaft, sondern auch objektiv eine qualifizierte Geeignetheit zur Vernichtung von Fremdkapital aufweisen muss.135 Im Einzelnen: a) Erfordernis der Prognose zum Zeitpunkt der Veranlassung Ob ein Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot vorliegt, muss sich zum Zeitpunkt der Vornahme der infrage stehenden Einflussnahme beurteilen lassen. Insoweit kann es nicht darauf ankommen, ob die Einflussnahme tatsächlich zu einer Vernichtung von Fremdkapital geführt hat, sondern es ist darauf abzustellen, ob die nachteilige Maßnahme, welche Gegenstand der Einflussnahme war, aus der ex-ante-Perspektive betrachtet in qualifizierter Weise geeignet ist, eine Vernichtung von Fremdkapital zu bewirken. Hiervon geht der Sache nach auch der BGH aus, der in der Trihotel-Entscheidung im Rahmen seiner auf § 826 BGB gestützten Lösung den Sittenwidrigkeitsvorwurf davon abhängig macht, dass »die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist.«136 Ein positiv-rechtliches Vorbild findet das Geeignetheitskriterium in den einen Teilbereich der Existenzvernichtungshaftung kodifizierenden §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, die verlangen, dass die Zahlungen an die Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft »führen mussten«. Wenn insoweit verbreitet von einem Kausalitätskriterium gesprochen wird,137 handelt es sich um eine in der Sache verfehlte Nachwehe der abweichenden For135 Weil die Geeignetheit der Maßnahme zur Vernichtung von Fremdkapital die Nachteilhaftigkeit der Maßnahme impliziert, kommt dem Kriterium der Nachteilhaftigkeit hiernach in objektiver Hinsicht keine eigenständige Bedeutung zu. Eine Differenzierung ist jedoch im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand von Nöten, der Vorsatz nur hinsichtlich der Nachteilhaftigkeit erfordert (dazu unter 3.). 136 BGHZ 173, 246 Rz. 30. Ähnlich GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 125 (»bei realistischer Betrachtung geeignet [. . .], eine Insolvenz herbeizuführen«); Rubner, Der Konzern 2007, 635, 642 (»Handlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Vornahme offensichtlich geeignet [. . .], die Insolvenz der Gesellschaft herbeizuführen«); Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 544 (»Insolvenzrisiko [. . .] im Eingriffszeitpunkt objektiv erkennbar«); Schanze, NZG 2007, 681, 684 (»Prognostik der Schuldendeckungsfähigkeit«). 137 Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 288; Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1207 f.
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mulierung im Referentenentwurf.138 Die Ausführungen in der Regierungsbegründung, wonach es sich »in diesem Moment [scil. dem Zeitpunkt der Leistung] klar abzeichnen [muss], dass die Gesellschaft unter normalem Verlauf der Dinge ihre Verbindlichkeiten nicht mehr wird erfüllen können«139, zeigt deutlich, dass es insoweit nicht um einen aus der ex-post-Perspektive zu beurteilenden Kausalzusammenhang geht, sondern auf eine auf den Zeitpunkt der Zahlung abstellende wertende Betrachtung ankommt.140 Sie machen zugleich deutlich, dass nicht jede Form der Geeignetheit genügen kann. Denn im Zusammenwirken mit anderen Ursachen ist wohl nahezu jede nachteilige Maßnahme abstrakt geeignet, eine Vernichtung von Fremdkapital zu bewirken. Zu verlangen ist vielmehr eine qualifizierte Geeignetheit, die sich dadurch auszeichnet, dass die Vernichtung von Fremdkapital als Folge der nachteiligen Maßnahme überwiegend wahrscheinlich erscheint.141 Ist die qualifizierte Geeignetheit zu bejahen, ändert das Ausbleiben der Insolvenz nichts am Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot, sondern bedeutet lediglich, dass eine Existenzvernichtungshaftung mangels Schaden ausscheidet. Umgekehrt begründet es keinen Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot, wenn eine Maßnahme, die keine qualifizierte Geeignetheit aufweist, letztlich doch eine Vernichtung von Fremdkapital bewirkt. b) Begriff des Fremdkapitals Angesichts des Schutzzwecks des Existenzvernichtungsverbots kann es zur Bestimmung des maßgeblichen Fremdkapitals nicht auf die handelsrechtlichen Bewertungsregeln ankommen. Abzustellen ist stattdessen auf die Grundsätze, die auch bei der Aufstellung der Überschuldungsbilanz Anwendung finden.142 Stille Reserven sind daher zu Gunsten der Mitglieder anzurechnen. Umgekehrt sind aber bei negativer Fortführungsprognose auch Rückstellungen für Abwicklungskosten zu berücksichtigen. Insoweit ist insbesondere an diejenigen Lasten zu denken, welche bei einer Abwicklung aufgrund der (in der Handelsbilanz nicht berücksichtigten) Zahlungspflichten aus Arbeitsverträgen zu erwarten sind.143 Dies dürfte im Ergebnis nicht selten dazu führen, dass die aus
138 Die Interpretation als Kausalitätserfordernis beruht auf der abweichenden Formulierung im Referentenentwurf (BegrRefE, S. 8: ». . . wenn . . . herbeigeführt wird«). 139 BT-Drucks. 16/6140 S. 112. 140 Vgl. auch Knof, DStR 2007, 1536, 1540, der den Zusammenhang zum Adäquanzkriterium herstellt, welches aber zweifellos weit weniger streng ist, als der für § 64 S. 3 GmbHG erforderliche Zurechnungszusammenhang (näheres sogleich im Text). 141 So auch für § 64 S. 3 GmbHG Knof, DStR 2007, 1536, 1540; Kleindiek, FS K. Schmidt, S. 893, 906; vgl. Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 104. 142 Hierzu etwa Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 50, 52. 143 Vgl. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 285; Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94, die diesen Aspekt im Zusammenhang mit den Defiziten der §§ 30, 31 GmbHG beschreiben.
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dem Existenzvernichtungsverbot folgende Ausschüttungssperre deutlich oberhalb der handelsbilanziellen Nulllinie eingreift. c) Mittelbare und unmittelbare Einwirkungen auf das Fremdkapital Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass die Vernichtung von Fremdkapital auf zwei unterschiedlichen Ursachen beruhen kann, die auch im Rahmen der Geeignetheitsprüfung zu berücksichtigen sind. Von einer unmittelbaren Einwirkung auf das Fremdkapital lässt sich sprechen, wenn kompensationslos Vermögenswerte entzogen werden, die nicht von Eigenkapital gedeckt sind und somit zu einem Abfluss von Fremdkapital führen. Relevant ist insoweit der Verlust der in den betroffenen Vermögensgegenständen verkörperten »Schuldendeckungsfähigkeit«.144 Beim unmittelbaren Eingriff in das Fremdkapital handelt es sich um den klassischen Fall der »kalten Liquidation«. Indem das Existenzvernichtungsverbot ein solches Verhalten verbietet, wirkt es wie eine Ausschüttungssperre. Die Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Geeignetheitsprüfung beschränkt sich insoweit darauf festzustellen, in welchem Umfang Vermögen zur Schuldendeckung erforderlich ist. Der Sache nach gilt es in diesem Zusammenhang, den Überschuldungsstaus nach Durchführung der nachteiligen Maßnahme zu prognostizieren. Die obigen Überlegungen zu den §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG haben gezeigt, dass zumindest im unternehmerischen Bereich, in dem die Überlebensfähigkeit des Verbandes vom Erwirtschaften von Erträgen abhängig ist, auch eine mittelbare Einwirkung auf das Fremdkapital möglich ist. Die von den Regelungen erfasste Konstellation, dass durch den Abzug von Liquidität die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wird, beschränkt sich hierbei allerdings auf einen besonders praxisrelevanten Teilausschnitt. Verallgemeinernd sind mittelbare Einwirkungen auf das Fremdkapital dadurch gekennzeichnet, dass dem Verband Vermögenswerte entzogen werden, deren Bedeutung sich nicht in deren Schuldendeckungsfähigkeit erschöpft, sondern die maßgebliche Bedeutung für seine Ertragskraft und somit sein künftiges Fortbestehen haben.145 Wird die Ertragskraft infolge des Eingriffs dauerhaft negativ, führt dies vorbehaltlich gegenläufiger Einwirkungen146 dazu, dass das Eigenkapital aufgezehrt und in der Folge auch Fremdkapital vernichtet wird.147 Als Eingriffsmodalitäten kommen neben dem Abzug von Liquidität der Abzug von Mitarbeitern, 144
Begriff von Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286. Ähnlich Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286. 146 Eine solche gegenläufige Einwirkung kann theoretisch auch in der rechtzeitigen Liquidation bestehen. 147 Die bloße Schwächung der Ertragskraft ist demgegenüber nicht verboten, da sie als solche keine Auswirkung auf das Fremdkapital hat. Es besteht hiernach auch keine Verpflichtung, ein bestimmtes Geschäftsfeld weiterhin zu bearbeiten oder bestimmte Vermögensgegenstände weiterhin für bestimmte Funktionen einzusetzen, Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286; ähnlich Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 105. 145
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Geschäftschancen oder spezieller Produktionsmittel, für die nicht oder nicht rechtzeitig Ersatz erlangt werden kann, in Betracht. Im Rahmen der Geeignetheitsprüfung besteht die Aufgabe darin zu prüfen, ob der Eingriff die Ertragskraft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dauerhaft ins Negative verkehrt. Die Modalitäten der unmittelbaren und der mittelbaren Einwirkung auf das Fremdkapital schließen sich nicht aus. Betrifft die Einwirkung einen Vermögensgegenstand, der sowohl zur Abdeckung der Verbindlichkeiten erforderlich als auch für die Ertragskraft von Bedeutung ist, kann die Geeignetheit zur Vernichtung von Fremdkapital in zweifacher Hinsicht gegeben sein. 3. Benachteiligungsvorsatz: Abgrenzung zu »Managementfehlern« Der Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots bedarf noch einer weiteren Einschränkung. Die Analyse der §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG hat gezeigt, dass die Existenzvernichtung in Folge gewöhnlicher Sorgfaltspflichtverletzungen oder Fehleinschätzungen nicht vom Existenzvernichtungsverbot erfasst wird. Das korrespondiert mit der Rechtsprechung des BGH, wonach sich die Existenzvernichtungshaftung »nicht auf Managementfehler im Rahmen des Betriebs des Unternehmens im weitesten Sinne« bezieht, »sondern [. . .] den gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten voraus[setzt].«148 Nun liegt die Annahme nahe, dass diese Voraussetzungen stets vorliegen, wenn eine nachteilige Maßnahme in qualifizierter Weise dazu geeignet ist, Fremdkapital zu vernichten und somit die Insolvenz herbeizuführen. Doch ließe dies unberücksichtigt, dass selbst eine solche Einflussnahme zumindest theoretisch von den Handelnden unter Umständen in »guter Absicht« vorgenommen wird und daher als – wenn auch grober – Managementfehler zu werten ist. Wollte man dies als Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot genügen lassen, geriete man in Konflikt zu der obigen Erkenntnis, dass beim Verein (ebenso wie bei der GmbH sowie der Genossenschaft) im Gegensatz zur Aktiengesellschaft § 93 Abs. 5 S. 2 AktG keine Anwendung findet und hiernach selbst die durch »gröbliche« Sorgfaltspflichtverletzungen ausgelöste Insolvenz vom Handlungsspielraum der Mitglieder gedeckt ist.149 Die Überlegungen zeigen, dass die erforderliche Abgrenzung entgegen der vom BGH mit der Verwendung des Begriffs der Betriebsfremdheit offenbar 148 BGH NZG 2005, 214, 215; ähnlich BGHZ 173, 246 Tz. 31; ZIP 2008, 455 Tz. 12. Zur Ausgrenzung von Managementfehlern aus dem Tatbestand der Existenzvernichtung auch Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038; Ihrig, DStR 2007, 1170, 1173; Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; Weller, ZIP 2007, 1681, 1685; Veil, NJW 2008, 3264, 3265. 149 Oben C.II.2.b.(3) (S. 363 ff.). Diejenigen, die vom Existenzvernichtungsverbot auch unvertretbare Risikoentscheidungen erfasst wissen wollen, lehnen ein Vorsatzerfordernis folgerichtig ab, s. Roth, NZG 2003, 1081, 1082; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, 423 f.; Lutter/ Banerjea, ZGR 2003, 402, 415 f., die sogar generell ein Verschuldenserfordernis ablehnen.
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verbundenen Vorstellung nicht objektiv gelingen kann, sondern auf die Willensrichtung des Handelnden abzustellen ist. Ein Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot kommt hiernach von vornherein nur in Betracht, wenn das Mitglied mit seinem Handeln bestimmte Motive verfolgt. Es bleibt die Frage, welche Motive dies sind. Dauner-Lieb führt insoweit aus, eine Haftung komme nur bezüglich Handlungsweisen in Betracht, die »nicht von einer (wenn auch fehlgeleiteten) Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft bestimmt und damit illoyal sind.«150 Das geht in die richtige Richtung, bedarf jedoch der Präzisierung. Weil Induktionsbasis des Gesellschaftsinteresses das Formalziel ist, würde dies bedeuten, dass es darauf ankommt, ob das Mitglied formalzielkonforme Zwecke verfolgt. Die obigen Überlegungen zum Nachteilsbegriff haben jedoch gezeigt, dass das Formalziel kein geeigneter Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der Reichweite des Existenzvernichtungsverbots ist. Das ist auch in subjektiver Hinsicht zu berücksichtigen. Maßgeblich ist nicht, ob das Mitglied glaubt, formalzielkonform zu handeln, sondern ob es Benachteiligungsvorsatz hat, d. h. die Verkürzung des Verbandsvermögens als Folge seines Handelns voraussieht und sich damit abfindet.151 Die Besonderheit des Existenzvernichtungsverbots besteht hiernach darin, dass der Verbotstatbestand in Form des Benachteiligungsvorsatzes ein subjektives Element enthält. Das ist insoweit ungewöhnlich und wohl dogmatisch ohne Vorbild, als sich Pflichtentatbestände üblicherweise allein aus objektiven Merkmalen zusammensetzen und subjektive Elemente erst bei der Frage nach den haftungsrechtlichen Konsequenzen von Pflichtverletzungen eine Rolle spielen. Im Fall des Existenzvernichtungsverbots ist dies anders. Handelt ein Mitglied ohne Benachteiligungsvorsatz, fehlt es bereits an der Pflichtverletzung. Dass die vorgenommene oder veranlasste Maßnahme objektiv nachteilhaft und in qualifizierter Weise zur Vernichtung von Fremdkapital geeignet ist, vermag dies nicht zu ändern. Es bleibt die Frage, ob sich das Vorsatzerfordernis auch auf die qualifizierte Geeignetheit der nachteiligen Maßnahme zur Fremdkapitalvernichtung erstrecken muss. Auf Grundlage der vom BGH vertretenen dogmatischen Anknüpfung der Existenzvernichtungshaftung bei § 826 BGB müsste man sie bejahen. Doch würde dies den Anwendungsbereich des Existenzvernichtungsverbots zu stark einengen. Wirkt ein Mitglied vorsätzlich nachteilig auf das Verbandsvermögen ein, wird man von ihm verlangen können sich zu vergewissern, ob der Verband die Einwirkung »verkraftet«, d. h. zu erwarten ist, dass diese ohne 150 Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038; dies., ZGR 2008, 34, 45; ebenfalls auf das Gesellschaftsinteresse abstellend Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 18. 151 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 125: »Der zur Verantwortung zu Ziehende muss wissen oder in Kauf nehmen, dass die Gesellschaft durch sein Handeln geschädigt wird, d. h. Vermögenseinbußen erleidet, für die keine Kompensation erfolgt.«; allgemein zum Vorsatzerfordernis Wagner, FS Canaris, S. 473, 492.
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Konsequenzen für die Gläubiger bleibt.152 Hierfür sprechen auch die gesetzgeberischen Vorgaben der §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, wonach die Geschäftsleiterhaftung ebenfalls keinen entsprechenden Vorsatz voraussetzt.153 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Vorschriften auch keinen Benachteiligungsvorsatz verlangen. Weil nämlich – von theoretischen Ausnahmen abgesehen – Zahlungen an Gesellschafter stets mit Benachteiligungsvorsatz erfolgen, konnte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auf ein entsprechendes Merkmal verzichten.
V. Einordnung der materiellen Unterkapitalisierung und der insolvenznahen Spekulation zulasten der Gläubiger Im Anschluss an die Konkretisierung des Tatbestands des Existenzvernichtungsverbots ist es nunmehr möglich zu klären, in welcher Beziehung hierzu die Konstellation der materiellen Unterkapitalisierung steht (1.). Ebenfalls zu behandeln ist die der (nachträglichen) Unterkapitalisierung ähnliche Konstellation der so genannten insolvenznahen Spekulation zulasten der Gläubiger (2.). 1. Materielle Unterkapitalisierung Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse erweist es sich als richtig, dass der BGH in der Gamma-Entscheidung der Integration der materiellen Unterkapitalisierung in den Tatbestand der Existenzvernichtung eine Absage erteilt hat.154 Die nähere Betrachtung zeigt, dass die von Teilen der Literatur behauptete Vergleichbarkeit des »Ressourcenabzugs« mit der die materielle Unterkapitalisierung kennzeichnenden »Ressourcenverwehrung« nicht besteht. Im Zusammenhang mit dem Ressourcenabzug stellt sich die Frage, inwieweit die Gläubiger davor zu schützen sind, infolge eines vorsätzlichen Zugriffs der Mitglieder auf das Fremdkapital geschädigt zu werden. Wie dargelegt, lässt sich dem Regelungsplan des Gesetzes entnehmen, dass diesbezüglich ein umfassender Schutz besteht. Das entspricht dem Inhalt des Existenzvernichtungsverbots. Demgegenüber geht es beim Aspekt des Ressourcenzuflusses um die Frage, in welchem Umfang die Mitglieder verpflichtet sind, im Zusammenhang mit der Betätigung des Verbandes eigenes Risiko zu übernehmen oder umgekehrt, inwieweit ihnen eine Spekulation ermöglicht wird, deren Fehlschlagen sich al-
152 Ähnlich Habersack, ZGR 2008, 533, 546 unter Hinweis auf das Beispiel der Gewährung aufsteigender Darlehen und Sicherheiten. 153 Habersack, ZGR 2008, 533, 546, der allerdings ganz auf das Vorsatzerfordernis verzichten will. Dies ist insoweit inkonsequent, als er gegen die Ausgrenzung von Managementfehlern aus dem Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots keine Einwendungen erhebt (a.a.O. S. 544). 154 BGHZ 176, 204, Tz. 8 ff. Vgl. Literaturnachweise in Fn. 82.
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lein oder zumindest überwiegend zulasten der Gläubiger auswirkt.155 Dass insoweit bewusst kein umfassender Schutz der Gläubiger vorgesehen ist, liegt auf der Hand. Denn die Ermöglichung der Spekulation zulasten der Gläubiger ist vielmehr wesentlicher Zweck der Haftungsbeschränkung. Der Gesetzgeber hat sich darauf beschränkt, bestimmte Rahmenbedingungen zu definieren, unter denen die Spekulation stattzufinden hat. Was die anfängliche Kapitalausstattung anbetrifft, so erzwingen im Recht der Kapitalgesellschaften die Kapitalaufbringungsregelungen eine Eigenkapitalbeteiligung der Mitglieder und somit eine gewisse Risikoempfindlichkeit.156 Bei der Genossenschaft tritt an die Stelle der Kapitalaufbringungsregelungen das Erfordernis der Bescheinigung eines Prüfungsverbandes, dass unter Berücksichtigung der Vermögenslage der Genossenschaft eine Gefährdung der Gläubigerbelange nicht zu besorgen ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG). Im Fall des Vereins fehlt es zwar an einer vergleichbaren Pflicht, doch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hierauf angesichts der eingeschränkten Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung bewusst verzichtet hat. Für eine rechtsfortbildende Kapitalaufbringungspflicht ist angesichts dieser klaren legislativen Vorgaben kein Platz. Hinsichtlich der nachträglichen Unterkapitalisierung sind die Wertungen des Insolvenztatbestands der Überschuldung zu beachten (§ 19 InsO). Die Beschränkung seines Anwendungsbereichs auf Verbände, für deren Verbindlichkeiten keine natürliche Person haftet (§ 19 Abs. 3 InsO), deutet an, dass sich der Gesetzgeber durch seine Einfügung bewusst der Problematik der in der Krise sinkenden Risikoempfindlichkeit angenommen hat. Ist sämtliches Eigenkapital aufgebraucht und haben die Mitglieder mangels persönlicher Haftung »nichts mehr zu verlieren«, soll das verbleibende Vermögen einem den Gläubigerinteressen verpflichteten Insolvenzverwalter überantwortet werden.157 Erst hier findet nach dem Willen des Gesetzgebers die Spekulation zulasten der Gläubiger ihre Grenzen.158 Man mag dies kritisieren und der Auffassung sein, dem Wirken der Mitglieder müsse zu einem früheren Zeitpunkt Einhalt geboten werden,159 doch handelt es sich hierbei um ein rechtspolitisches Postulat, das sich nicht im Wege der Rechtsfortbildung umsetzen lässt. Das gilt erst recht, nachdem der Gesetzgeber im Rahmen der GmbH-Reform im Jahr 2008 für die GmbH eine Haftung wegen Unterkapitalisierung ausdrücklich abgelehnt hat.160 155 Vgl. Hachenburger/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. (1992), Anh. § 30 Rn. 11; Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1731. 156 Dies betonend MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 11 f. 157 Vgl. Haas, ZHR 170 (2006), 478, 481. 158 Eine schon in der Krise einsetzende Liquidationspflicht, wie sie Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1733 als Alternative zur Zuführung von Eigenkapital vorsieht, lässt sich daher nicht begründen. 159 So u. a. Drygala, ZGR 2006, 587, 634. 160 BT-Drucks. 16/6140, S. 70. Darauf bezugnehmend auch BGHZ 176, 204 Tz. 20.
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Zu erörtern bleibt, ob nicht in manchen Konstellationen, in denen eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung diskutiert wird, der Vorwurf der Existenzvernichtung deshalb gerechtfertigt ist, weil die Unterkapitalisierung die Folge eines Ressourcenabzugs ist. Insbesondere die häufig als Präzedenzfall einer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung angeführte Siedler-Entscheidung des BGH161 bietet hierzu Anlass. Denn Ursache der Insolvenz war dort letztlich nicht die unzureichende Ausstattung des Vereins mit Eigenkapital. Ausschlaggebend war vielmehr, dass im Anschluss an die gegenüber dem Verein verbindliche Erhöhung des Pachtzinses die Unterverpachtung an die Mitglieder zu einem geringeren Pachtzins die Qualität einer unzulässigen Ausschüttung von Fremdkapital erlangte. Die Mitglieder wären verpflichtet gewesen, die bestehenden Unterpachtverträge anzupassen bzw. aufzuheben und damit den Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot zu verhindern. Die Besonderheit der Entscheidung reduziert sich somit letztlich darauf, dass hier der existenzvernichtende Eingriff in einem Unterlassen bestand. 2. Insolvenznahe Spekulation zulasten der Gläubiger In der Literatur wird unter dem Stichwort der »Spekulation zulasten der Gläubiger« die Konstellation diskutiert, dass die Mitglieder zu einem Zeitpunkt, in dem das Eigenkapital nahezu aufgebraucht ist, den Verband zur Eingehung ungewöhnlich hoher Risiken veranlassen.162 Als problematisch wird insoweit die asymmetrische Risikoverteilung angesehen, wonach sich ein Scheitern nahezu ausnahmslos zulasten der Gläubiger auswirkt.163 Verbreitet geht man daher davon aus, die Eingehung signifikanter Risiken in Insolvenznähe sei vom Existenzvernichtungsverbot erfasst.164 Die insolvenznahe Spekulation zulasten der Gläubiger weist insoweit Parallelen zu der Konstellation der nachträglichen materiellen Unterkapitalisierung auf, als es in beiden Fällen darum geht, dass aufgrund des Abschmelzens des Eigenkapitals die Mitglieder im Vergleich zu den Fremdkapitalgebern kaum noch am Risiko der Verbandstätigkeit beteiligt sind. Während es bei der Diskussion um die materielle Unterkapitalisierung aber um die Frage geht, ob die Mitglieder verpflichtet sind, dieses Missverhältnis durch die Zufuhr neuen Eigenkapitals zu beseitigen, betrifft die unter dem Stichwort der Spekulation zulasten der Gläubiger geführte Diskussion die Frage, ob es den Mitgliedern zu161
BGHZ 54, 222. Vertieft hierzu Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 288 ff. 163 Schön, ZHR 168 (2004), 268, 288 f. 164 Winter, ZGR 1994, 570, 591; Bitter, WM 2001, 2133, 2141; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 288 ff.; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 425 ff.; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 235 f.; Koch, Die Abkehr von der bilanziellen Betrachtungsweise, S. 131 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827, 830; differenzierend Drygala, GmbHR 2003, 729, 735 f.; ablehnend Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038. 162
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mindest verboten ist, das Missverhältnis dahingehend auszunutzen, dass sie auf eine Erhöhung des Risikos der Verbandstätigkeit hinwirken. Auch wenn das Gesetz hinsichtlich des zuletzt genannten Aspekts keine eine Rechtsfortbildung von vornherein ausschließenden expliziten Vorgaben enthält, scheidet eine Integration der insolvenznahen Spekulation zulasten der Gläubiger in das Existenzvernichtungsverbot aus. Die Kombination eines noch so hohen Risikos mit einer noch so geringen Eigenkapitalquote ändert nichts daran, dass der Vorgang der Spekulation mit der Hoffnung einer Vermögensmehrung verbunden ist und sich daher qualitativ vom kompensationslosen Vermögensentzug unterscheidet, auf den das Existenzvernichtungsverbot abzielt.165 Während der Letztere systemwidrig ist, ist die Spekulation zulasten der Gläubiger grundsätzlich systemkonform. Hieran ändert auch die asymmetrische Risikoverteilung nichts, da diese nicht nur in Insolvenznähe auftritt, sondern dem Prinzip der Haftungsbeschränkung immanent ist. Weil die Gläubiger anders als die Eigenkapitalgeber an den Gewinnen des Verbandes nicht beteiligt sind, ist für sie letztlich jede Risikoerhöhung unabhängig von dem für den Verband damit verbundenen Erwartungswert (Chance-Risiko-Relation) nachteilhaft.166 Eine niedrige Eigenkapitalquote begründet die Problematik nicht, sondern verstärkt sie lediglich. Die grundsätzliche Systemkonformität der Spekulation zulasten der Gläubiger anerkennend kann es nur darum gehen, Exzesse zu identifizieren, in denen das Prinzip der Haftungsbeschränkung in nicht mehr tolerierbarer Weise missbraucht wird. Zu denken ist etwa an den Extremfall, dass die Mitglieder unmittelbar vor Eintritt der Überschuldung das verbleibende Verbandsvermögen »ins Spielcasino tragen«. Doch bedarf es zur Erfassung solcher Konstellationen keiner Modifikation des Existenzvernichtungsverbots. Als passend erweist sich vielmehr die – vom BGH zu Unrecht zur Herleitung der Existenzvernichtungshaftung verwandte167 – Regelung des § 826 BGB. Das darin enthaltene Sittenwidrigkeitskriterium ist flexibel genug, um Konstellationen zu erfassen, in denen ein Verhalten zwar grundsätzlich systemkonform, aber gleichwohl aufgrund der besonderen Umstände als verwerflich zu bewerten ist und daher von der Rechtsordnung nicht mehr gebilligt werden kann. Angesprochen ist insoweit die Funktion von § 826 BGB als Korrektiv eines Rechts- und Institutionenmissbrauchs.168
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Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038. Ausführlich hierzu und den Implikationen für die Vorstandspflichten bei der Aktiengesellschaft Klöhn, ZGR 2008, 110 (unter Verarbeitung des US-amerikanischen Diskussionsstandes); im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 282. 167 S. sogleich unter D.I.1.b. (S. 387 f.). 168 Hierzu Oechsler in: Staudinger, § 826 Rn. 16 ff. 166
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VI. Indisponibilität des Existenzvernichtungsverbots Dass das Existenzvernichtungsverbot als Instrument zum Schutz der Gläubiger der Dispositionsbefugnis der Mitgliedergesamtheit entzogen ist, versteht sich von selbst. Erwägenswert erscheint allenfalls, ob Verstöße gegen das Existenzvernichtungsverbot mit Zustimmung der Gläubiger möglich sind. Dies muss indes daran scheitern, dass sich der Kreis der Gläubiger nie mit letzter Sicherheit bestimmen lässt und das Existenzvernichtungsverbot auch die unbekannten Gläubiger schützt.169
D. Verhinderung und Sanktionierung von Verstößen gegen das Existenzvernichtungsverbot Auch für das Existenzvernichtungsverbot gilt es zu erörtern, wie dieses durchgesetzt werden kann und welche haftungsrechtlichen Konsequenzen Verstöße nach sich ziehen. Da letztere Frage nicht nur in der Praxis, sondern auch der wissenschaftlichen Diskussion eine dominierende Rolle spielt, soll sich ihr zuerst zugewandt werden (I.). Im Anschluss daran wird kurz auf die Folgen von gegen das Existenzvernichtungsverbot verstoßender Beschlüsse der Mitgliederversammlung (II.) sowie die Möglichkeit der Durchsetzung von Unterlassungsund Beseitigungsansprüchen (III.) eingegangen.
I. Existenzvernichtungshaftung 1. Vorzugswürdigkeit einer Schadensersatzinnenhaftung aus § 280 Abs. 1 BGB Die Wahl des richtigen Haftungskonzepts hat in der Diskussion um die Existenzvernichtungshaftung eine zentrale Rolle gespielt.170 Ungeachtet der höchstrichterlichen Festlegung in der Trihotel-Entscheidung,171 von der nicht abzusehen ist, ob sie dauerhaften Bestand haben wird, sollen die Für und Wider der einzelnen Konzepte im Folgenden näher beleuchtet werden. Hierbei wird sich zeigen, dass dem BGH in seiner Wahl für eine schadensersatzrechtliche Innenhaftung grundsätzlich zuzustimmen ist, statt der Anknüpfung an § 826 BGB jedoch eine auf § 280 Abs. 1 BGB abstellende Lösung vorzugswürdig ist.
169 Gleichlautende Argumentation in Bezug auf § 73 GmbHG bei Haas in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 73 Rn. 2. 170 Zum Meinungsbild oben B.II.2. (S. 351 ff.). 171 BGHZ 173, 246.
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a) Überlegenheit der Schadensersatzhaftung gegenüber der Durchgriffshaftung Ihrer Grundkonzeption nach ist die Durchgriffslehre durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet, die sie maßgeblich von schadensrechtlichen Vorstellungen unterscheidet.172 Zum einen verzichtet sie auf der Tatbestandsseite auf die Anknüpfung an ein subjektives Element.173 Zum anderen spielt es auf der Rechtsfolgenseite keine Rolle, ob und inwieweit zwischen der Anspruchshöhe und dem Verhalten des in Anspruch Genommenen ein Ursachenzusammenhang besteht. Beide Besonderheiten stehen in einem Spannungsverhältnis zu schadensrechtlichen Prinzipien. Auf der Tatbestandsseite ist dies das Verschuldensprinzip, auf der Rechtsfolgenseite das Kausalitätsprinzip. Nun ist den Vertretern der Durchgriffslehre zuzugestehen, dass die genannten Aspekte in der »Praxis der Durchgriffshaftung« weit weniger schwer wiegen als man vermuten könnte. Insbesondere der Konflikt mit dem Verschuldensprinzip wird erheblich dadurch relativiert, dass auch die Durchgriffshaftung letztlich doch an ein bestimmtes Fehlverhalten anknüpft und daher der Sache nach doch starke Elemente einer Verhaltenshaftung aufweist.174 Nur exemplarisch sei auf die Formulierung des BGH in KBV verwiesen, wonach die Durchgriffshaftung damit begründet wird, der Gesellschafter habe auf das Gesellschaftsvermögen in einer Art und Weise zugegriffen, welche die angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten habe vermissen lassen.175 Angesichts des im Zivilrecht geltenden objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs kommt die Durchgriffshaftung einer Verschuldenshaftung auf diese Weise sehr nahe.176 Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch auf der Rechtsfolgenseite. Die in der Vertragshändlerentscheidung zur Vermeidung überschießender Haftungsfolgen eingeführte Einschränkung, wonach der Gesellschafter nachweisen kann, dass der Gesellschaft »im Vergleich zu der Vermögenslage bei einem redlichen Verhalten nur ein begrenzter [. . .] Nachteil entstanden ist« 177, bedeutet nichts anderes als die Einführung des Kausalitätsprinzips in die Durchgriffslehre und stellt sich daher auch im Rückblick als Zwischenschritt auf dem Weg zur Ablösung der Durchgriffs- durch eine Schadensersatzhaftung dar.178 Vor dem Hintergrund der beschriebenen Beobachtungen stellt sich indes die Frage, weshalb man die einer klaren gesetzlichen Ableitung entbehrende und 172
Ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 241 ff. Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 562 m. w. N. 174 Flume, BGB AT I/2, S. 84; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 242 f. 175 BGHZ 151, 181, 186 f. 176 Wagner, FS Canaris, S. 473, 491 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 243. 177 BGH NZG 2005, 177, Ls. 2. Dazu Wagner, FS Canaris, S. 473, 480, 484 f. 178 Vgl. Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 35a. 173
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vergleichsweise wenig ausdifferenzierte Durchgriffshaftung der insoweit deutlich überlegenen Schadensersatzhaftung vorziehen sollte, wenn die Durchgriffshaftung in ihrer konkreten Anwendung der Schadensersatzhaftung ohnehin in der beschriebenen Weise angenähert wird. Der wesentliche Grund für die Attraktivität der Durchgriffslehre dürfte wohl darin zu suchen sein, dass sie zumindest in einigen Bereichen zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse besser geeignet zu sein scheint als die Schadensersatzhaftung. Offen zu Tage tritt dieser Aspekt bei der Bestimmung des Anspruchsinhalts. Weil sich insbesondere im Fall von Eingriffen in die Ertragskraft die exakten Auswirkungen selten mit Sicherheit bestimmen lassen,179 kann die dem schadensersatzrechtlichen Konzept immanente Notwendigkeit, den Schaden zu quantifizieren, für den Anspruchsinhaber mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden sein. Insoweit vermag die KBV-Formel, wonach das Quantifizierungsrisiko dem gegen das Existenzvernichtungsverbot verstoßenden Mitglied statt dem Geschädigten zugewiesen wird, durchaus zu überzeugen.180 Ähnlich verhält es sich auf der Tatbestandsseite. Auch insoweit besteht zumindest die Befürchtung, die Bindung an das Verschuldenserfordernis könne sich im Ergebnis als zu eng erweisen.181 Letztendlich können diese Überlegungen aber nicht den Ausschlag geben. Erwägenswert wäre eine Durchgriffshaftung nur, wenn sich die Erzielung sachgerechter Ergebnisse mit den Mitteln des Schadensrechts als unmöglich erweisen würde. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Schädigungsverbot angedeutet, ist das aber nicht der Fall. Insbesondere das Problem der Schadensquantifizierung erscheint bei konsequenter Ausschöpfung der Mittel des Beweisrechts lösbar.182 Der Vorteil der Durchgriffslehre beschränkt sich letztlich darauf, durch das Überspielen fundamentaler Prinzipien einen gewissen Freiraum zu schaffen und auf diese Weise den zur Herleitung sachgerechter Ergebnisse erforderlichen Begründungsaufwand zu mindern.183 Hierauf eine Rechtfertigung der Durchgriffslösung zu stützen, kommt jedoch nicht ernsthaft in Betracht.184
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§ 11 E.III.3.c. (S. 336 ff.). Vgl. auch Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 412 f., die eben vor diesem Hintergrund meinen, dass »praktische Gründe« für die Durchgriffshaftung sprechen. Ähnlich Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 600. 181 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 36. 182 S. sogleich unter 4. 183 Ähnlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 244. 184 Vgl. auch grundsätzliche Kritik an der Durchgriffslehre bei Flume, BGB AT I/2, S. 83 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 285 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV (S. 233 ff.). 180
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b) Vorzugswürdigkeit von § 280 Abs. 1 BGB gegenüber § 826 BGB Sprechen somit die besseren Gründe für eine Schadensersatzhaftung, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der passenden Anspruchsgrundlage. Als eher fern liegend ausgeschlossen werden kann die Analogie zur Geschäftsführerhaftung, da diese auf einer unzutreffenden Gleichsetzung des Handlungsspielraums der Mitglieder mit dem der Geschäftsführer beruht.185 Es bleiben als Alternativen die Anknüpfung an § 280 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Wahl zwischen § 280 Abs. 1 BGB und § 826 BGB nicht gleichzusetzen ist mit der Wahl zwischen der Innen- bzw. einer Außenhaftung. Zwar wird die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB regelmäßig in Zusammenhang mit der zwischen dem einzelnen Mitglied und dem Verband bestehenden Sonderverbindung gebracht und daher als Innenhaftung verstanden. Umgekehrt wurde mit dem Abstellen auf § 826 BGB bis zum Trihotel-Urteil nahezu ausnahmslos eine Außenhaftung assoziiert.186 Doch erscheint beides nicht zwingend. Nachdem der BGH die Haftung aus § 826 BGB durch »richterrechtlichen Gestaltungsakt« ins Innenverhältnis verlegt hat, wird man dies wohl nicht mehr als unvertretbar ansehen können.187 Umgekehrt ist auch eine auf § 280 Abs. 1 BGB gestützte Außenhaftung nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar liegt es zweifellos näher, das Existenzvernichtungsverbot als Verhaltens- oder Schutzpflicht an die zwischen dem Mitglied und dem Verband bestehende Sonderverbindung zu knüpfen. Doch ist es keinesfalls unvorstellbar, das Existenzvernichtungsverbot im Sinne einer unmittelbar gegenüber den Gläubigern bestehenden Pflicht zu interpretieren und auf diese Weise zu einer auf § 280 Abs. 1 BGB gestützten Außenhaftung zu gelangen. Wendet man sich zunächst der deliktsrechtlichen Lösung zu, bestehen grundlegende Zweifel, ob die ihr immanente Herabstufung des Anspruchs aus § 826 BGB zu einer bloßen Transformationsnorm spezialgesetzlicher Wertungen der Funktion des Deliktsrechts gerecht wird. Begründet man die der Haftung zugrunde liegende Pflicht gar nicht deliktsrechtlich, sondern »extern«, stellt man die Norm letztlich auf eine Stufe mit § 280 Abs. 1 BGB.188 Man hat es im Ergebnis mit zwei funktional gleichwertigen Transformationsnormen zu tun, die die 185
Oben C.II.1. (S. 360 ff.). Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 222 Fn. 668. 187 BGHZ 173, 246 Tz. 23. Zutreffende Kritik indes von Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 222 ff., der insbesondere darauf hinweist, dass die vom BGH angenommene Sperrwirkung der auf § 826 BGB gestützten Innenhaftung gegenüber einer entsprechenden Außenhaftung nicht begründbar ist. Ähnlich Schanze, NZG 2007, 681, 684 f. 188 Der Antikritik von Wagner, FS Canaris, S. 473, 492 ff., bei der Auslegung von § 826 BGB müsse stets auf die »rechtliche Determination des jeweiligen Sachbereichs« Rücksicht genommen werden und eine »autonome« Auslegung der Vorschrift sei daneben niemals möglich, ist entgegenzuhalten, dass die Herabstufung von § 826 BGB zu einer bloßen Transformationsnorm spezialgesetzlicher Wertungen über die bloße Abstimmung mit spezialgesetzlichen Wertungen hinausgeht. 186
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Transformation der Pflichtverletzungen in eine Haftung aber an unterschiedliche subjektive Voraussetzungen knüpfen. Da Maßstäbe für die Auflösung dieses Konkurrenzverhältnisses nicht ersichtlich sind, spricht alles dafür, dass schon seine Begründung durch die entsprechende Instrumentalisierung von § 826 BGB der Systematik des Gesetzes nicht gerecht wird. Insbesondere die der Trihotel-Entscheidung des BGH offensichtlich zugrunde liegende Annahme, die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB werde durch § 826 BGB verdrängt,189 ist nicht begründbar.190 Mit dem Gesagten im Zusammenhang steht, dass sich die durch die Anknüpfung an § 826 BGB implizierten Hürden auf Ebene des subjektiven Tatbestands nicht in allen Konstellationen als sachgerecht erweisen. Zwar harmonisiert das Vorsatzerfordernis mit der Erkenntnis, dass sich das Existenzvernichtungsverbot nur gegen die vorsätzliche Benachteiligung des Verbandes richtet und dies dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb der BGH auf den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung zurückgegriffen hat.191 Darüber hinaus würde eine Haftung auf Grundlage von § 826 BGB aber stets auch voraussetzen, dass das Mitglied die Geeignetheit der Benachteiligung zur Vernichtung von Fremdkapital und damit die Herbeiführung der Insolvenz in Kauf genommen hat. Dass dies im Ergebnis nicht zu überzeugen vermag und zudem den Wertungen der §§ 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG widerspricht, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt.192 Demgegenüber sind Gründe, die gegen die Anknüpfung der Existenzvernichtungshaftung an § 280 Abs. 1 BGB sprächen, nicht ersichtlich. Die Aufgabe der Norm besteht gerade darin, den Verstoß gegen anderweitig begründete Pflichten unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Schadensersatzhaftung zu sanktionieren. Hinzu kommt, dass die Regelung auf Ebene des subjektiven Tatbestands die notwendige Flexibilität gewährleistet. Insbesondere besteht kein Konflikt zwischen den §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 BGB, wonach für die Haftung prinzipiell Fahrlässigkeit genügt, und der Feststellung, dass Verstöße gegen das Existenzvernichtungsverbot Benachteiligungsvorsatz voraussetzen. Das folgt bereits daraus, dass die Definition der Verantwortlichkeit in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich unter dem Vorbehalt abweichender Vorgaben des jeweiligen Schuldverhältnisses steht. Im Übrigen ist zu beachten, dass nach hiesigem Verständnis der Benachteiligungsvorsatz Bestandteil des Existenzvernichtungsverbots selbst und nicht erst Voraussetzung für die an einen Verstoß geknüpfte Haftung ist. Im Fall bloßer Managementfehler liegt hiernach schon gar keine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB vor. 189
BGHZ 173, 246 Tz. 15: »ausschließlich«; vgl. auch Weller, ZIP 2007, 1681, 1683. Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 291. 191 Vgl. Weller, ZIP 2007, 1681, 1683, wonach der BGH wohl »auf Nummer sicher« habe gehen wollen. 192 C.IV.3. (S. 378 ff.). 190
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c) Wahl zwischen Innen- und Außenhaftung Was die Wahl zwischen den Modellen der Innen- und der Außenhaftung anbetrifft, ist im Ausgangspunkt zu konzedieren, dass die mit Ersterem verbundene Bündelung von Ansprüchen im Innenverhältnis keine zwingende Folge der rechtlichen Verselbstständigung des Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern ist, sondern letztlich auf einer Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers beruht.193 Das zeigt nicht zuletzt der Seitenblick auf die ebenfalls rechtsfähigen Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter unmittelbar gegenüber den Gläubigern haften. Auch die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung muss sich daher Zweckmäßigkeitsüberlegungen stellen. Dient ein Ersatzanspruch mittelbar sowohl den Interessen der Gläubiger als auch denen der Mitglieder, ist das Modell der Innenhaftung zweifellos überlegen. Geht es dagegen wie im Fall der Existenzvernichtung um die Abwicklung eines nicht mehr lebensfähigen Verbandes, stehen allein die Gläubigerinteressen im Mittelpunkt. In einer solchen Situation erscheint es zumindest erwägenswert, sich bei der Abwicklung den »Umweg« über den Verband zu ersparen und diese unmittelbar im Verhältnis des ersatzpflichtigen Mitglieds zu den Gläubigern vorzunehmen. Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass die Abwicklung über das Verbandsvermögen am besten geeignet ist, für eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu sorgen.194 Anders liegen die Dinge nur, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird und die Gläubiger ihre Interessen in eigener Initiative durchsetzen müssen. Hier würde die mit dem Modell der Innenhaftung verbundene Notwendigkeit zur Erwirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einer effizienten Anspruchsverfolgung entgegenstehen. Auf den zweiten Blick relativieren sich indes auch diese Erwägungen. Denn verschiedene Regelungen zeigen, dass die Abwicklung von Ersatzansprüchen nicht durch deren materiell-rechtliche Ausgestaltung präjudiziert wird, sondern je nach Bedarf ins Innen- bzw. Außenverhältnis verlagert werden kann. So entziehen etwa die §§ 92, 93 InsO den Gläubigern bezüglich einzelner Ansprüche die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis zu Gunsten des Insolvenzverwalters und sorgen dafür, dass auch aus der Außenhaftung abwicklungstechnisch eine Innenhaftung wird. Umgekehrt kennt insbesondere das Aktienrecht Regelungen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens den Gläubigern bezüglich einzelner gegen Dritte gerichteter Ansprüche die Möglichkeit einräumen, Leistung unmittelbar an sich selbst zu verlangen (§§ 93 Abs. 5 S. 1, 4, 309 Abs. 4 S. 3, 5, 317 Abs. 4 AktG).195 Ist aber die zweckmäßige Abwicklung unabhängig von der materiell-rechtlichen Anspruchsinhaberschaft sichergestellt, bedeutet dies, dass Zweckmäßigkeitsüberlegungen für die Wahl zwischen 193 194 195
Haas, WM 2003, 1929, 1930. Vgl. nur Rubner, Der Konzern 2007, 635, 644 f. Zur umstrittenen dogmatischen Einordnung GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rn. 396 ff.
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den Modellen der Innen- bzw. Außenhaftung letztlich nicht entscheidend sind. Auf Grundlage des Gesagten ist bei der Entscheidung zwischen den Modellen der Innen- und der Außenhaftung darauf abzustellen, welches sich besser in die bestehende Dogmatik einfügt. Insoweit sprechen die besseren Gründe dafür, das Existenzvernichtungsverbot analog dem aus dem Formalziel abgeleiteten Schädigungsverbot im Verhältnis zwischen den Mitgliedern und dem Verband anzusiedeln und an dessen Verletzung eine Innenhaftung zu knüpfen. Ein solche Lösung fügt sich nahtlos in das das Recht der privaten Körperschaften prägende Konzept ein, wonach der Verband als juristische Person die Interessen verschiedener Beteiligter bündelt und einem Ausgleich zuführt (vgl. §§ 9 ff., 19 ff., 30 f., 64 GmbHG, 46 ff., 62 ff., 117, 302, 309, 317 f. AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4, 99 Abs. 2 S. 1, 89 S. 1 GenG).196 Vor dem geschilderten Hintergrund zeigt sich, dass der gegenüber der Innenhaftung vorgebrachte Vorwurf, diese lief auf eine »Drittschadensliquidation« hinaus,197 nicht verfängt. Denn eine Art Drittschadensliquidation ist dem Prinzip Interessenbündelung immanent und lässt sich in gleicher Weise beobachten, wenn etwa eine Einpersonen-Gesellschaft einen ihr zugefügten Schaden liquidiert. Obgleich es sich auch insoweit beim Schaden der Gesellschaft wirtschaftlich um einen Schaden des Alleingesellschafters handelt, steht außer Frage, dass grundsätzlich nur die Gesellschaft ersatzberechtigt ist.198 Ebenso zeigen die Überlegungen, dass der von den Verfechtern des Außenhaftungsmodells erhobene Einwand, die Innenhaftung beruhe auf der Annahme eines nicht vorhandenen Eigeninteresses des Verbandes,199 keine Überzeugungskraft hat. Der Begriff des Eigeninteresses ist irreführend und überflüssig. Bei der juristischen Person handelt es sich um ein Zweckgebilde, das um ihrer selbst Willen keines Schutzes bedarf. 200 Hinter allen ihr gegenüber bestehenden Pflichten verbergen sich die Interessen anderer Beteiligter.201 Die Verortung des Existenzvernichtungsverbots im Verhältnis des Verbandes zu seinen Mitgliedern impliziert daher nicht die Annahme eines Eigeninteresses des Verbandes, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass die in ihm gebündelten Interessen neben denen der
196 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 197 f. (»Haftungskanalisierung«); Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 289 f. (»Sie [scil. die Gesellschaft] bündelt die Interessen verschiedener Personengruppen«). 197 Weller, DStR 2007, 1166, 1168. 198 Ausnahmen werden unter dem Stichwort »gesellschafterfreundlicher Durchgriff« diskutiert, vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 23. 199 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 412 (»Fiktion eines Eigeninteresses«); Weller, DStR 2007, 1166, 1168; ähnlich Wagner, FS Canaris, S. 473, 488; Haas, WM 2003, 1929, 1939; Rubner, Der Konzern 2007, 635, 643. 200 Sinngemäß Röhricht, FS 50 Jahre BGH, S. 83, 103. 201 Nachweise Fn. 199. Wie hier Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 289 f.
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Mitglieder in einem bestimmten Umfang auch die der Gläubiger erfassen. 202 Insoweit bereitet es dann auch keine Schwierigkeiten, den Verlust von Fremdkapital als Schaden des Verbandes einzuordnen. 203 2. Haftungsvoraussetzungen und -umfang a) Haftungstatbestand Voraussetzung der Existenzvernichtungshaftung aus § 280 Abs. 1 BGB ist der schuldhafte Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot. Da dessen Tatbestand Benachteiligungsvorsatz voraussetzt, spielt das Verschuldenserfordernis des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nur noch bezüglich der Geeignetheit zur Vernichtung von Fremdkapital eine Rolle. Gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 BGB genügt insoweit bloße Fahrlässigkeit, welche angesichts des im Zivilrecht geltenden objektiven Sorgfaltsmaßstabs bei objektiver Geeignetheit der Einflussnahme zur Vernichtung von Fremdkapital indiziert ist. 204 Beim Ursachenzusammenhang zwischen dem Eingriff und dem Ausfall der Gläubiger205 handelt es sich um keinen Bestandteil des Haftungstatbestands, sondern eine Frage der im Zusammenhang mit dem Anspruchsinhalt zu prüfenden haftungsausfüllenden Kausalität. b) Anspruchsinhalt Die Bestimmung des Anspruchsinhalts richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB, wonach der Ersatzpflichtige den Zustand herzustellen hat, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Aufgrund der Unmöglichkeit einer Naturalrestitution kommt lediglich die Kompensation in Geld gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Betracht. Im Einzelnen ist zu differenzieren, ob der Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot die Insolvenz verursacht oder lediglich vertieft hat. Im ersteren Fall gilt es zu beachten, dass der Eingriff neben der Vernichtung von Fremd202 Ähnlich Ihrig, DStR 2007, 1170, 1171; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 289 f., 293 ff. Vgl. auch Wiedemann, FG 50 Jahre BGH, S. 337, 353: »Das Eigeninteresse der Gesellschaft ist nichts anderes als die Summe der Arbeitnehmer- und Gläubigerinteressen.« 203 Insbesondere führt der Eintritt der Überschuldung selbstverständlich nicht dazu, dass die Verbindlichkeiten des Verbandes im Vorgriff auf die spätere Insolvenzquote abzuwerten wären und daher Anlass für einen Vorteilsausgleich bestünde. Unerheblich ist schließlich, dass der auf dem Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot beruhende Schaden unter Umständen über das die Befriedigung der Gläubiger erforderliche Maß hinausgeht, weil vor dem Fremd- zunächst Eigenkapital vernichtet wurde (hierin erblickt Rubner, Der Konzern 2007, 635, 644 ein Argument gegen die Innenhaftung). Insoweit ist die Herstellung der erforderlichen Schadenskongruenz ohne weiteres im Wege der schutzzweckkonformen Korrektur des Anspruchsinhalts möglich (sogleich unter 2 b). 204 Für eine Fahrlässigkeitshaftung auch Habersack, ZGR 2008, 533, 558; GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 136 (was indes schwer damit vereinbar erscheint, dass Letzterer die Existenzvernichtungshaftung als Fallgruppe des § 826 BGB einordnet). 205 Hierzu u. a. Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 41 m. w. N.
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kapital häufig auch eine Vernichtung von Eigenkapital bewirkt hat. Weil dessen Ersatz aber nicht zu der vom Existenzvernichtungsverbot intendierten Schadlosstellung der Gläubiger erforderlich ist, bedarf es insoweit einer schutzzweckkonformen Einschränkung.206 Ersatzfähig ist somit ausschließlich der hypothetische Insolvenzausfallschaden, d. h. der Betrag, mit dem die Gesamtheit der Gläubiger ohne eine entsprechende Haftung des Mitglieds mit ihren Forderungen ausgefallen wäre. Das umschließt auch die Kosten des Insolvenzverfahrens und sonstige Abwicklungskosten.207 Im Fall des lediglich insolvenzvertiefenden Eingriffs erfasst die Ersatzpfl icht nicht den gesamten Insolvenzausfallschaden, sondern lediglich den Teil, der auf dem Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot beruht. 208 Die Kosten des Insolvenzverfahrens dürften regelmäßig als Sowiesokosten von der Ersatzpflicht ausgeschlossen sein. 209 3. Aktivlegitimation Als materiell-rechtlicher Anspruchsinhaber ist der Verband zur Verfolgung des Anspruchs wegen Existenzvernichtungshaftung aktivlegitimiert. Im Insolvenzverfahren erfolgt die Geltendmachung gemäß § 80 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter. Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, haben Gläubiger zum einen die Möglichkeit, im Wege der Einzelvollstreckung auf den Ersatzanspruch zuzugreifen. Daneben ist ihnen nach dem Vorbild der §§ 309 Abs. 4 S. 3, 317 Abs. 4 AktG ein eigenständiger Anspruch gegen das haftende Mitglied bzw. den haftenden Dritten zuzubilligen, um den Umweg über das Vollstreckungsverfahren zu vermeiden. Das ist für die GmbH anerkannt 210 und es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb beim Verein etwas anderes gelten sollte. 4. Behandlung von Beweisschwierigkeiten a) Haftungsvoraussetzungen Hinsichtlich des Merkmals der Veranlassung bestehen im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung keine relevanten Unterschiede zur Haftung wegen des Verstoßes gegen das Schädigungsverbot. Erfolgt die Einflussnahme außer206 Ebenso Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 297; Ulmer, ZIP 2001, 2021; Weller, ZIP 2007, 1681, 1686; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 433. 207 BGHZ 173, 246 Tz. 57; Weller, ZIP 2007, 1681, 1686; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 286. 208 Rubner, Der Konzern 2007, 635, 642 f. 209 BGHZ 173, 246 Tz. 57: Kosten des Insolvenzverfahrens ersatzfähig »[. . .] soweit die Schuldnerin ohne den schädigenden Eingriff nicht insolvenzreif geworden wäre«. 210 K. Schmidt, GmbHR 2008, 449, 458; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 455 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2028; Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2660.
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halb der Gesellschafterversammlung, sind der Insolvenzverwalter bzw. die Gläubiger daher auf Beweiserleichterung angewiesen. Insbesondere nützt es dem Insolvenzverwalter nichts, dass er Zugang zu den Büchern und Schriften des Verbandes hat, da die existenzvernichtende Einflussnahme typischerweise nicht dokumentiert wird.211 Wie auch im Zusammenhang mit dem Schädigungsverbot spricht aber der Beweis des ersten Anscheins für eine Veranlassung, wenn der potentielle Anspruchsgegner von der infrage stehenden Maßnahme profitiert hat. Bezüglich des Merkmals der nachteiligen Maßnahme ist zu differenzieren, ob der Anspruch vom Insolvenzverwalter oder den Gläubigern geltend gemacht wird. Im ersteren Fall sind Beweiserleichterungen entbehrlich, sofern die Maßnahme in den Büchern des Verbandes ausreichend dokumentiert wurde. Im Übrigen befindet sich der Insolvenzverwalter aber ebenso wie die Gläubiger regelmäßig in erheblicher Beweisnot. Wie beim Verstoß gegen das Schädigungsverbot ist insoweit durch analoge Anwendung der §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG Abhilfe zu schaffen. 212 Bei der Frage der Geeignetheit der nachteiligen Maßnahme zur Herbeiführung oder Vertiefung eines Insolvenzausfallschadens handelt es sich um eine rechtliche Wertung, die als solche nicht dem Beweis zugänglich ist. Relevant ist jedoch die Frage, wer die zur Ermöglichung dieser Wertungen erforderlichen Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Insoweit ist wiederum zwischen dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern zu unterscheiden. Ersterer sollte aufgrund seines Einblicks in die Bücher des Verbandes regelmäßig in der Lage sein, dessen finanzielle Situation im Zeitpunkt des Eingriffs darzulegen und gegebenenfalls auch zu beweisen. Etwas anderes gilt lediglich in der Sondersituation, dass eine ordnungsgemäße Buchführung nicht stattgefunden hat. Insoweit greifen dann die Grundsätze der Vermögensvermischung ein. 213 Demgegenüber sind die Gläubiger aufgrund der Tatsache, dass sie über keinen Zugriff auf die relevanten Informationen verfügen, stets auf Beweiserleichterung angewiesen. Auch insoweit sind die §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG analog anzuwenden. Hiernach ist es Aufgabe des Anspruchsgegners, durch Darlegung der finanziellen Situation des Verbandes zum fraglichen Zeitpunkt das Gericht davon zu überzeugen, dass die Maßnahme zwar nachteilig, nicht aber geeignet war, einen Insolvenzausfallschaden herbeizuführen oder zu vertiefen. 211 Zu weitgehend daher die Annahme von Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 570, der Insolvenzverwalter sei grundsätzlich nicht auf Beweiserleichterungen angewiesen. In dem von ihm genannten Urteil des OLG Düsseldorf NZG 1999, 502, 503 bezieht sich das Gericht ausdrücklich auf die Protokolle der Gesellschafterversammlungen und hat demnach die informelle Einflussnahme offensichtlich gar nicht im Blick. 212 Im Ergebnis ebenso Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 445 ff. 213 Sogleich unter c.
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Das Merkmal des Benachteiligungsvorsatzes ist vom Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen. Angesichts seiner grundlegenden Bedeutung zur Abgrenzung von bloßen Managementfehlern kommt diesbezüglich eine Beweiserleichterung nicht in Betracht. Das bedeutet aber nicht, dass die Vorstellungen des Schädigers im Einzelnen rekonstruiert werden müssten. Es genügt vielmehr, dass objektive Umstände einen entsprechenden Rückschluss auf seine Motive zulassen. 214 In den praktisch relevanten Fällen, in denen sich die infrage stehende Maßnahme zu Gunsten des Anspruchsgegners auswirkt, wird dieser den Benachteiligungsvorsatz kaum erfolgreich widerlegen können. Was den Fahrlässigkeitsvorwurf im Hinblick auf die Eignung zur Vernichtung von Fremdkapital anbetrifft, greift § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein, wonach die Beweislast beim Anspruchsgegner liegt. b) Schadensumfang Auch bei Verstößen gegen das Existenzvernichtungsverbot ist die Darlegung des exakten Schadens meist unproblematisch, sofern es um unmittelbare Eingriffe, d. h. den kompensationslosen Entzug von Fremdkapital geht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vermögensentzug insolvenzverursachende oder lediglich insolvenzvertiefende Wirkung hat. Schwierigkeiten bereiten indes wiederum die Fälle, in denen sich die nachteilige Einwirkung nicht auf die Schuldendeckungsfähigkeit beschränkt, sondern negative Auswirkungen auf die Ertragskraft hat. Anders als im Zusammenhang mit dem Schädigungsverbot besteht insoweit der Vorteil, dass der Schadensersatz aufgrund des Schutzzwecks des Existenzvernichtungsverbots auf die Höhe des Insolvenzausfallschadens beschränkt ist. 215 Sofern die objektive Geeignetheit der nachteiligen Maßnahme zur Herbeiführung der Insolvenz feststeht und zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, in dem der Verband sowohl über ein positives Eigenkapital als auch eine positive Ertragskraft verfügte, besteht daher ohne weiteres Anlass für die Annahme, dass durch die Veranlassung ein Schaden mindestens in Höhe des Insolvenzausfallschadens verursacht wurde. Auf diese Feststellung kann sich das Gericht im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO beschränken, ohne dass die Quantifizierung des über den Insolvenzausfallschaden hinausgehenden Schadens erforderlich wäre. Sofern aufgrund der Lage des Verbandes zum Zeitpunkt des Eingriffs Zweifel daran bestehen, ob der Eingriff insolvenzauslösende oder lediglich insolvenzvertiefende Wirkung hatte, müssen diese Zweifel zulasten des Anspruchsgegners gehen. Wer die Ertragskraft eines Verbandes vorsätzlich schwächt, ist verantwortlich dafür, dass sich die Folgen seines Handelns nicht im Einzelnen bestimmen lassen. Die Grundsätze der Schadensschätzung sind insoweit mit 214 215
Wagner, FS Canaris, S. 473, 492. Oben D.I.2.b. (S. 391 f.).
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denen der Beweisvereitelung zu kombinieren. Dem Anspruchsgegner obliegt es hiernach nachzuweisen, dass der auf seinem Eingriff beruhende Schaden geringer ist als der Insolvenzausfallschaden. 216 c) Besonderheiten bei Vermögensvermischung Besonderheiten bestehen im Fall der Vermögensvermischung. Wie ausgeführt, handelt es sich hierbei um keinen eigenständigen Haftungstatbestand, sondern die Beschreibung einer Konstellation, in der die Darlegung schädigender Einwirkungen aufgrund fehlender Dokumentation von Vermögensbewegungen selbst auf Grundlage der zuvor gewährten Beweiserleichterungen unmöglich ist. 217 Analog dem zum Schädigungsverbot Gesagten 218 erscheint es auch insoweit geboten, auf Grundlage einer Kombination der Grundsätze der Beweisvereitelung mit denen der Schadensschätzung von einer Vermutung auszugehen, dass ein Mitglied, das die fehlende Dokumentation veranlasst hat, auch durch Verstöße gegen das Existenzvernichtungsverbot für die Insolvenz verantwortlich ist.
II. Verbotswidriger Beschluss der Mitgliederversammlung Auf Grundlage der hier vertretenen Analogie zu den Regelungen des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts ist eine Weisung der Mitgliederversammlung, deren Inhalt gegen das Existenzvernichtungsverbot verstößt, gemäß § 241 Nr. 3 2. Alt. AktG nichtig. 219 Lehnt man mit der h. M. die entsprechende Anwendung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts ab, folgt dasselbe Ergebnis aus § 134 BGB, da das Existenzvernichtungsverbot anders als das Schädigungsverbot nicht statutarischen Ursprungs ist, sondern Gesetzesqualität aufweist. Zu beachten ist jedoch, dass der auf die Vornahme einer existenzvernichtenden Maßnahme gerichtete Beschluss typischerweise einen Doppelinhalt aufweist, da er neben der Weisung auch darauf gerichtet ist, die Bindung an das Formalziel (Schädigungsverbot) zu beseitigen. Dieser Beschlussbestandteil verstößt nicht gegen das Existenzvernichtungsverbot und ist daher wirksam. 220
III. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Aus der Verortung des Existenzvernichtungsverbots im Verhältnis der Mitglieder zum Verband folgt, dass dem Verband gegenüber dem Mitglied im Zu216 Das entspricht im Ergebnis dem Stand der Rechtsprechung in BGH NZG 2005, 177, 178 (Vertragshändler); vgl. auch GroßKommGmbHG/Casper, Anh § 77 Rn. 142. 217 Oben C.I.2. (S. 359 f.). 218 § 11 E.III.3.d. (S. 339 f.). 219 Zur analogen Anwendung der §§ 241 ff. auf den Verein oben § 10 B.II.4.d.(3) (S. 286 ff.). 220 Oben § 11 D.V.1.b. (S. 313 ff.).
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Teil 3: Der abhängige Verein
sammenhang mit existenzvernichtenden Eingriffen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zustehen. Obgleich diese Ansprüche in der Praxis selten Bedeutung erlangen dürften, ist zumindest in Ausnahmefällen denkbar, dass durch ihre Geltendmachung im Vorfeld oder im unmittelbaren Anschluss an den Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot die Insolvenz und somit die Schädigung der Gläubiger verhindert werden kann. Für die Durchsetzung der Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ist in erster Linie der Vorstand zuständig. Soweit dieser in der Praxis die ihm insoweit zukommende Funktion als Hüter der Gläubigerinteressen vernachlässigt, stellt sich die Frage, ob anderen Mitgliedern oder Gläubigern hinsichtlich der infrage stehenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ein Verfolgungsrecht zuzubilligen ist. Was zunächst die Mitglieder anbetrifft, wird man dies verneinen müssen. Zwar steht mit der actio pro socio ein Institut zur Verfügung, das unter bestimmten Voraussetzungen die Geltendmachung dem Verband zugewiesener Ansprüche vorsieht.221 Da das Existenzvernichtungsverbot indes allein der Durchsetzung der Gläubigerinteressen dient, muss ein Verfolgungsrecht der Mitglieder ausscheiden. Weil das einzelne Mitglied hinsichtlich der durch ein anderes Mitglied initiierten Existenzvernichtung keine Eingriffsverhinderungs- oder Erfolgsabwendungspflicht trifft, ist ein Verfolgungsrecht auch nicht erforderlich, um eine Mithaftung zu verhindern. 222 Anders liegen die Dinge bezüglich der Gläubiger. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sie rechtzeitig genug von einem bevorstehenden oder gerade stattgefundenen Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot Kenntnis erlangen, um noch den drohenden Schadenseintritt durch die Geltendmachung von Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüchen abzuwenden. In Fällen, in denen dem aber ausnahmsweise einmal so ist, wäre es jedoch unverständlich, wenn sie darauf angewiesen wären, den Insolvenzeintritt abzuwarten und das Risiko einzugehen, dass sich die ihrer Schadlosstellung dienenden Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung als uneinbringlich erweisen. Analog den auf Schadensersatzansprüche beschränkten §§ 93 Abs. 5 S. 1, 117 Abs. 5 S. 1, 62 Abs. 2 S. 1 AktG, 34 Abs. 5 S. 1 GenG ist es daher geboten, den Gläubigern auch hinsichtlich der Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ein eigenes Verfolgungsrecht zuzubilligen. Dass die Gläubiger in keiner Rechtsbeziehung zu den Mitgliedern stehen, steht dem nicht entgegen. Unter Anknüpfung an das oben dargelegte Verständnis der actio pro socio als ein die Folgen der Interessenbündelung in der juristischen Person bei Zuständigkeitsstörungen kompensierendes Instrument 223 ist das Verfolgungsrecht vielmehr Ausdruck einer in Parallele zur actio pro socio anzuerkennenden »actio pro creditori«, wonach auch die Gläu221
S. o. § 5 F.III.2.b.(2) (S. 185 ff.). Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 438; Liebscher, MünchKomm GmbHG, § 13 Anh., Rn. 566. 223 § 5 F.III.2.b.(2) (S. 185 ff.). 222
§ 12 Im Interesse der Gläubiger bestehende Grenzen der Einfl ussnahme
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biger in der Lage sein müssen, in Ausnahmefällen ihre Interessen durchzusetzen.
E. Zusammenfassung Gesetzliche Regelungen, die den Vereinsmitgliedern im Interesse der Gläubiger Vorgaben bezüglich des Umgangs mit dem Verbandsvermögen machen, existieren lediglich für das Liquidationsstadium (§ 51 BGB). Eine analoge Anwendung der §§ 117, 311 ff. AktG kommt nicht in Betracht. Gleichwohl sind die Vereinsmitglieder beim Umgang mit dem Vereinsvermögen nicht frei. Zum Schutz der Gläubiger findet auch auf den Verein das im Recht der GmbH entwickelte Existenzvernichtungsverbot Anwendung. Denn beim Existenzvernichtungsverbot handelt es sich um ein rechtsformübergreifendes Grundinstitut des Gläubigerschutzes, das als Korrelat der Haftungsbeschränkung für alle Rechtsformen Geltung beansprucht, die ihre Gläubiger zur Befriedigung ihrer Ansprüche auf das Verbandsvermögen verweisen. Die im Existenzvernichtungsverbot zum Ausdruck kommende besondere Zweckbindung des Fremdkapitals hat in einer Reihe von Regelungen ihren Niederschlag gefunden, die insoweit als Induktionsbasis herangezogen werden können. Zu nennen sind zunächst die liquidations- und insolvenzrechtlichen Regelungen der §§ 271 Abs. 1 AktG, 73 Abs. 1 GmbHG, 90 Abs. 1 GenG, 49 Abs. 1 S. 1, 51 BGB, die ohne eine Zweckbindung des Fremdkapitals im Vorfeld des Liquidations- bzw. Insolvenzverfahrens leer liefen. Von Bedeutung sind ferner die Regelungen betreffend die Abdingbarkeit der Geschäftsleiterhaftung in den §§ 43 Abs. 2, 3 GmbHG, 93 Abs. 3–5 AktG, 34 Abs. 3–5 GenG. Auf Grundlage eines anzunehmenden Gleichklangs von zwingender Geschäftsleiterhaftung und dem zwingenden Verantwortungsbereich der Mitglieder lässt sich ihnen entnehmen, dass es den Mitgliedern verwehrt ist, Fremdkapital aus dem Verbandsvermögen in ihr eigenes Vermögen zu transferieren. Umgekehrt zeigen die Vorschriften aber auch, dass das Fremdkapital unternehmerischen Risiken ausgesetzt werden darf und selbst die Folgen von in diesem Zusammenhang auftretenden Managementfehlern grundsätzlich von den Gläubigern zu tragen sind. Zu nennen sind schließlich die die Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsleiters betreffenden Regelungen der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 3 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, 177a HGB, denen sich auf Grundlage des vorgenannten Gleichklangs entnehmen lässt, dass auch Vermögenstransfers an Mitglieder unzulässig sind, die mittelbar zu einer Vernichtung von Fremdkapital führen. Dass der Gesetzgeber im Vereinsrecht bewusst auf Kapitalerhaltungsregelungen verzichtet hat, steht der rechtsfortbildenden Entwicklung eines auch für den Verein geltenden Existenzvernichtungsverbots ebenso wenig entgegen, wie
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Teil 3: Der abhängige Verein
die §§ 30, 31 GmbHG die Anerkennung des Existenzvernichtungsverbots im Recht der GmbH ausschließen. Während nämlich das Existenzvernichtungsverbot dem Schutz vor opportunistischem Verhalten der Mitglieder dient, sind die Kapitalerhaltungsvorschriften grundsätzlich darauf gerichtet, zum Ausgleich unternehmerischer Risiken die Bereithaltung eines Eigenkapitalpuffers zu erzwingen. Der Tatbestand des Existenzvernichtungsverbots setzt voraus, dass der Handelnde eine nachteilige Maßnahme vornimmt oder veranlasst, die eine qualifizierte Eignung zur Vernichtung von Fremdkapital aufweist und von Benachteiligungsvorsatz getragen ist. Der Begriff des Nachteils ist hierbei unter Bezugnahme auf die Gläubigerinteressen zu bestimmen und erfasst jede Vermögensverkürzung sowie die Verhinderung von Vermögenszuflüssen. Die Formalzielkonformität spielt anders als beim Schädigungsverbot keine Rolle. Die qualifizierte Eignung zur Vernichtung von Fremdkapital setzt voraus, dass die Vernichtung des Fremdkapitals aus der ex-ante-Perspektive überwiegend wahrscheinlich ist. Hierbei sind auch mittelbare Auswirkungen auf das Fremdkapital zu berücksichtigen, die darauf beruhen, dass dem Verband Vermögensgegenstände entzogen werden, die die Ertragskraft negativ beeinträchtigen. Das subjektive Merkmal des Benachteiligungsvorsatzes dient der Abgrenzung von Managementfehlern und verlangt, dass der Handelnde sich der Nachteilhaftigkeit der veranlassten bzw. vorgenommenen Maßnahme bewusst ist. Die qualifizierte Eignung der Maßnahme zur Vernichtung von Fremdkapital muss demgegenüber nicht vom Vorsatz erfasst sein. Die Konstellation der materiellen Unterkapitalisierung ist weder als eigenständiger Haftungstatbestand neben dem Existenzvernichtungsverbot anzuerkennen, noch lässt sie sich in den Tatbestand der Existenzvernichtung integrieren. Da der Gesetzgeber sowohl die anfängliche Kapitalausstattung von Verbänden geregelt hat als auch Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen den Mitgliedern aufgrund anschließender Verluste die Dispositionsbefugnis über das Verbandsvermögen entzogen wird, fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke. Ebenfalls nicht vom Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung erfasst, ist die unter dem Stichwort der insolvenznahen Spekulation zulasten der Gläubiger diskutierte Konstellation, dass die Mitglieder im Vorfeld der Insolvenz das Verbandsvermögen erhöhten Risiken aussetzen. Im Unterschied zu dem vom Existenzvernichtungsverbot erfassten Vermögensentzug ist die Spekulation zulasten der Gläubiger grundsätzlich systemkonform. Extreme Auswüchse im Vorfeld der Insolvenz lassen sich mit der – vom BGH zu Unrecht zur Begründung der Existenzvernichtungshaftung herangezogenen – Regelung des § 826 BGB erfassen. Anders als das Schädigungsverbot ist das Existenzvernichtungsverbot der Disposition der Mitglieder entzogen.
§ 12 Im Interesse der Gläubiger bestehende Grenzen der Einfl ussnahme
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Konsequenz eines Verstoßes gegen das Existenzvernichtungsverbot ist eine Schadensersatzhaftung gegenüber dem Verein aus § 280 Abs. 1 BGB. Im Vergleich zu einer Durchgriffshaftung fügt sich die Schadensersatzhaftung unproblematisch in die bestehende Dogmatik ein und vermeidet Friktionen mit dem Verschuldens- und dem Kausalitätsprinzip. Der vom BGH vertretenen deliktsrechtlichen Anknüpfung ist sie insoweit überlegen, als § 280 Abs. 1 BGB im Gegensatz zu § 826 BGB bewusst als haftungsrechtliche Transformationsnorm konzipiert ist und sich auf Grundlage von § 280 Abs. 1 BGB eine Haftung auch für den Fall begründen lässt, dass die Auswirkungen der nachteiligen Einflussnahme auf das Fremdkapital nicht vom Vorsatz des Handelnden erfasst waren. Im Vergleich zu einer möglichen Außenhaftung ist die Innenhaftung unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten gleichwertig, fügt sich jedoch besser in die Dogmatik des Körperschaftsrechts ein. Voraussetzung der Existenzvernichtungshaftung ist neben dem Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot, welcher das subjektive Element des Benachteiligungsvorsatzes einschließt, dass dem Anspruchsgegner bezüglich der Eignung der existenzvernichtenden Maßnahme zur Vernichtung von Fremdkapital mindestens Fahrlässigkeit zur Last fällt (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Daneben muss der Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot tatsächlich zu einer Vernichtung von Fremdkapital und somit – lässt man die Existenzvernichtungshaftung außer Betracht – einem Gläubigerausfallschaden geführt haben. Hat der Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot die Insolvenz nicht nur vertieft, sondern verursacht, und hierbei neben dem Fremdkapital auch Eigenkapital vernichtet, ist der Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung auf den Ersatz des Fremdkapitals beschränkt. Die Verfolgung des dem Verein zustehenden Anspruchs aus Existenzvernichtungshaftung ist in der Insolvenz Aufgabe des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO). Wird die Verfahrenseröffnung abgelehnt, stehen den Gläubigern analog §§ 309 Abs. 4 S. 3, 317 Abs. 4 AktG eigene Ansprüche zu. Im Rahmen der Geltendmachung der Existenzvernichtungshaftung kommen dem Anspruchsteller verschiedene Beweiserleichterungen zugute. Bezüglich der Veranlassung greift der Beweis des ersten Anscheins ein, wenn der potentielle Anspruchsgegner Nutznießer der nachteiligen Maßnahme war. Im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der nachteiligen Maßnahme finden die §§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG, 34 Abs. 2 S. 2 GenG entsprechende Anwendung und entbinden den Anspruchsteller davon, Einzelheiten des in Frage stehenden Vorgangs darlegen und beweisen zu müssen. Entsprechendes gilt bezüglich der Tatsachen, die zur Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahme zur Vernichtung von Fremdkapital erforderlich sind. Bei der Anspruchsverfolgung durch den Insolvenzverwalter ist allerdings zu beachten, dass die genannten Darlegungsund Beweiserleichterungen nur in dem Umfang eingreifen, in dem sich die notwendigen Informationen nicht durch Auswertung der Buchführung des Vereins ermitteln lassen.
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Teil 3: Der abhängige Verein
Hinsichtlich des Schadensumfangs gilt auf Grundlage einer Kombination der Grundsätze der Schadensschätzung mit denen der Beweisvereitelung eine Vermutung, dass der gesamte Insolvenzausfallschaden auf dem Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot beruht. Es obliegt dem Anspruchsgegner darzulegen, dass ein Teil des Insolvenzausfallschadens auch ohne den Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot eingetreten wäre. Bei der Vermögensvermischung handelt es sich um keinen eigenständigen Haftungstatbestand, sondern eine Konstellation, die mit den Mitteln der Existenzvernichtungshaftung zu lösen ist. Steht die Verantwortlichkeit eines Mitglieds oder Dritten für die Vermögensvermischung fest, rechtfertigt dies die Vermutung, dass die eingetretene Insolvenz Folge eines von diesem begangenen Verstoßes gegen das Existenzvernichtungsverbot ist. Es ist sodann Aufgabe des Anspruchsgegners, diese Vermutung zu erschüttern. Fasst die Mitgliederversammlung einen Beschluss, der gegen das Existenzvernichtungsverbot verstößt, ist die darin enthaltene Weisung an den Vorstand gemäß § 241 Nr. 3 2. Alt. AktG nichtig. Der im Beschluss typischerweise ebenfalls enthaltene Dispens vom Schädigungsverbot ist demgegenüber wirksam. Im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen das Existenzvernichtungsverbot kommen auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Vereins in Betracht, die zwar nicht von den Mitgliedern, aber gegebenenfalls den Gläubigern verfolgt werden können.
Teil 4
Der Verein im Gleichordnungskonzern Der Gleichordnungskonzern wird in § 18 Abs. 2 AktG als Zusammenfassung zweier Unternehmen (besser: Rechtsträger) 1 unter einheitlicher Leitung, die nicht voneinander abhängig sind, definiert. Vereine können hierbei in zweierlei Hinsicht eine Rolle spielen. Zum einen können sie dazu dienen, andere Rechtsträger unter einheitlicher Leitung zusammenzuführen (§ 13) und zum anderen kommen Vereine als gleichgeordnete Verbände in Betracht (§ 14).
1 Dem Unternehmensbegriff kommt im Rahmen der Definitionsnormen der §§ 15 ff. AktG keine eigenständige Bedeutung zu (s. o. § 3 C.II.3. = S. 72 f.).
§ 13 Der Verein als Spitze eines Gleichordnungskonzerns A. Verein als Koordinationsinstrument Gleichordnungskonzerne beruhen in der Regel auf einer zumindest konkludenten vertraglichen Vereinbarung, kraft derer sich die Beteiligten einer einheitlichen Leitung unterstellen (vgl. § 291 Abs. 2 AktG). 2 Dieser so genannte Gleichordnungsvertrag konkretisiert üblicherweise, was Gegenstand der einheitlichen Leitung ist, welchen Umfang die einheitliche Leitung haben soll und welche Mittel zu ihrer Herstellung verwandt werden.3 Da der Zusammenschluss zumeist nicht auf die Fluktuation der Mitglieder angelegt ist, wird er in der Regel als BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren sein.4 Die Umsetzung der einheitlichen Leitung kann durch die Schaffung einer Personalunion in der Geschäftsleitung der beteiligten Verbände, ein gemeinsames Leitungsgremium oder die Errichtung einer (von der BGB-Innengesellschaft verschiedenen) Leitungsgesellschaft erfolgen.5 Abweichend von der geschilderten Struktur ist die Errichtung eines Gleichordnungskonzerns aber ohne weiteres auch im Wege des Zusammenschlusses in einem Verein denkbar. Nicht zuletzt die im Profisport verbreiteten Verbandsstrukturen zeigen, dass der Zusammenschluss unter einem als Verein organisierten Dachverband als Instrument der rechtsträgerübergreifenden Koordination in besonderer Weise geeignet ist. 6 Kraft der vereinsrechtlichen Mitgliedschaft sind die Beteiligten verpflichtet, die in der Satzung oder den Nebenordnungen des Vereins getroffenen Bestimmungen einzuhalten. 7 Aufgrund der vereinsrechtlichen Satzungsfreiheit kann die Satzung ohne weiteres auch die einheitliche Leitung der Mitglieder vorsehen und auf diese Weise die Aufgabe eines Gleichordnungsvertrags erfüllen. Daneben bietet es sich an, dem Verein auch die Funktion der Konzernleitung zuzuweisen. 2
Zur Möglichkeit des faktischen Gleichordnungskonzern sogleich in § 14 I. Vgl. Muster von Hoffmann-Becking in: MünchVertragsHdbGesR, X.10. 4 Statt vieler Hüffer, AktG, § 18 Rn. 20. 5 Im Einzelnen Milde, Gleichordnungskonzern, S. 111; Gromann, Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, S. 11 ff., 20 ff.; siehe auch Hoffmann-Becking in: MünchVertragsHdbGesR, X.10, § 3 mit Anmerkung Zif. 5. 6 Zur Attraktivität des eingetragenen Vereins für die Auslagerung branchenbezogener und unternehmensübergreifender Entscheidungsbefugnisse Eyles, NJW 1996, 1994. 7 Zur Struktur von Vereinsverbänden oben § 2 B.I. (S. 12 f.). 3
§ 13 Der Verein als Spitze eines Gleichordnungskonzerns
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Ob in der vereinsrechtlichen Praxis Vereine existieren, deren Einfluss auf ihre Mitglieder die Schwelle der einheitlichen Leitung überschreitet, ist nicht gesichert. Konkret mit Blick auf die Organisation der Vereine der Fußball-Bundesliga unter dem Dachverband des Deutschen Fußballbund e.V. (DFB), hat Heermann in einem Beitrag aus dem Jahr 1997 die These vertreten, dass die Voraussetzungen eines Gleichordnungskonzerns vorlagen. 8 Zur Begründung verweist er vor allem auf die sportorganisatorische Leitung durch den DFB, die zentrale Vermarktung von Übertragungsrechten sowie die im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens stattfindende Einflussnahme auf die Finanzverwaltung. Ob diese Einschätzung zutrifft, erscheint jedoch selbst unter Zugrundelegung des weiten Konzernbegriffs angesichts der den Vereinen der Fußball-Bundesliga verbleibenden weitreichenden Befugnisse im Bereich der Finanz-, Investitions-, Absatz- und Personalpolitik zweifelhaft.9 Da an den Tatbestand des Gleichordnungskonzerns keine nennenswerten Rechtsfolgen geknüpft sind,10 ist die Frage letztlich von geringer praktischer Relevanz.
B. Vereinbarkeit der Konzernleitung mit § 21 BGB Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob die Übernahme der Leitungsfunktion über Rechtsträger, die sich wirtschaftlich betätigen, den Verein als Wirtschaftsverein qualifiziert und daher seiner Eintragung gemäß § 21 BGB entgegensteht. Auf Grundlage der teleologisch-typologischen Vereinsklassenabgrenzung stellt sich die Frage, ob der als Spitze eines Gleichordnungskonzerns fungierende Verein dem Typus der genossenschaftlichen Kooperation zuzuordnen ist. Hiervon wird im Grundsatz ausgegangen, wenn ein Verein dazu dient, dass Mitglieder Unternehmenstätigkeiten ganz oder teilweise auf ihn auslagern und der Verein auf diese Weise Teilbetrieb der Unternehmen der Vereinsmitglieder wird.11 Bezüglich der Frage, wann eine relevante Auslagerung von Unternehmenstätigkeiten vorliegt, fehlt es jedoch an überzeugenden Kriterien. Überwiegend geht man davon aus, dass der Verein nicht selbst entgeltliche Leistungen 8 Heermann, ZHR 161 (1997), 665, 686 ff. Die heutige Struktur unterscheidet sich von der damaligen Struktur dadurch, dass die meisten Lizenznehmer der Fußball-Bundesliga inzwischen als Kapitalgesellschaften organisiert sind und die einstigen Aufgaben des DFB nunmehr durch die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, einer Tochtergesellschaft des Die Liga – Fußballverband e.V., wahrgenommen werden. 9 Hierzu und zum Meinungsstand Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 9 ff. 10 Im Einzelnen § 14 B (S. 410 ff.). Der Beitrag von Heermann, ZHR 161 (1997), 665 ff. zielt auf die an dieser Stelle nicht näher zu erörternde kartellrechtliche Relevanz des Gleichordnungskonzerns. 11 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 30; Schwarz van Berk in: MünchHdbGesR Bd. V, § 3 Rn. 28; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 44; ohne Bezug auf die typologische Vereinsklassenabgrenzung auch BGH NJW 1966, 2007 (Funktaxizentrale).
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Teil 4: Der Verein im Gleichordnungskonzern
gegenüber den Mitgliedern oder Dritten erbringen und auch nicht selbst im Rechtsverkehr auftreten muss.12 Entscheidend soll vielmehr sein, ob er in die Umsatztätigkeit der Mitglieder eingeschaltet wird und diese mittelbar oder unmittelbar fördert.13 Wann diese Voraussetzungen vorliegen, bleibt unklar. Während beispielsweise unternehmerische Interessenverbände einhellig als nicht wirtschaftliche Vereine qualifiziert werden, herrscht für Werbegemeinschaften die gegenteilige Sichtweise vor.14 Auf Grundlage der hiesigen Erkenntnisse zum Zweck der Vereinsklassenabgrenzung besteht kein Anlass, den als Spitze eines Gleichordnungskonzerns fungierenden Verein die Eintragungsfähigkeit gemäß § 21 BGB abzusprechen.15 Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes ist allein maßgeblich, ob der Verein selbst anbietend auf dem Markt tätig wird und dadurch seine Gläubiger den damit verbundenen Investitions- und Haftungsrisiken aussetzt. Beides trifft auf die reine Konzernleitungsgesellschaft, die nicht nach außen in Erscheinung tritt, nicht zu. Relevant ist einzig die mögliche Gefährdung der Mitglieder in ihrer Rolle als Gläubiger von Schadensersatzansprüchen,16 doch sind die Mitglieder als Initiatoren einer entsprechenden Struktur nicht schutzwürdig. Eben hierin liegt der Unterschied zum Typus des an einem Binnenmarkt tätigen Vereins, bei welchem die Vereinsmitglieder dem Verein als anonyme Kunden gegenüberstehen.
C. Haftung des konzernleitenden Vereins Handelt ein Verein in seiner Funktion als Leitungsgesellschaft pflichtwidrig und schädigt hierdurch einen der gleichgeordneten Rechtsträger, haftet er diesem auf Schadensersatz.17 Grundlage des Schadensersatzanspruches ist die mitgliedschaftliche Verbindung zwischen dem Verein und seinem Mitglied.18 Maßgebliche Determinante für die Feststellung der Pflichtwidrigkeit ist allerdings 12 Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 30; MünchKommBGB/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 35; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 157 f.; Schwarz van Berk in: MünchHdbGesR Bd. V, § 3 Rn. 28; a. A. BGHZ 45, 395, 397 f.; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1530 f.; differenzierend K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 17 f. 13 OLG Oldenburg Rpfleger 1976, 11, 12; Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 30; Schwarz/ Schöpfl in in: Bamberger/Roth, § 21 Rn. 103; Schwarz van Berk in: MünchHdbGesR Bd. V, § 3 Rn. 28. 14 BayObLG Rpfleger 1977, 19; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1530 f.; MünchKommBGB/ Reuter, §§ 21, 22 Rn. 46; einschränkend OLG Bremen Rpfleger 1988, 532 f. 15 Oben § 5 (S. 126 ff.). 16 Hierzu sogleich unter C. 17 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ankündigung des 1. FC Union Berlin e.V. den DFB auf Schadensersatz zu verklagen, weil dieser dem Verein zu Unrecht die Erteilung der Lizenz für den Profifußball verwehrt habe (FAZ vom 13. 12. 1996, Nr. 291, S. 34). 18 Hierzu Schöpfl in in: MünchHdbGesR Bd. V, § 35 Rn. 22.
§ 13 Der Verein als Spitze eines Gleichordnungskonzerns
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nicht das Formalziel der gleichgeordneten Rechtsträger, an das der Verein nicht gebunden ist, sondern das Formalziel des Vereins selbst sowie die auf dessen Grundlage erlassenen Regularien.
D. Zusammenfassung Der Zusammenschluss in einem Verein ist geeignet, einen Gleichordnungskonzern zu begründen. Der Verein kann hierbei auch die Aufgabe der Konzernleitung übernehmen. Das Verbot der wirtschaftlichen Betätigung steht dem nicht entgegen. Handelt der Verein bei der Konzernleitung pflichtwidrig, haftet er seinen Mitgliedern auf Schadensersatz.
§ 14 Der Verein als gleichgeordneter Verband A. Einbindung des Vereins in einen Gleichordnungskonzern I. Begründung einheitlicher Leitung Ein Verein kann ebenso wie Verbände anderer Rechtsform dadurch in einen Gleichordnungskonzern eingebunden werden, dass er sich mit anderen Verbänden vertraglich einer einheitlichen Leitung unterstellt. Die im vorangegangenen Kapitel ohne Rücksicht auf die Rechtsform des gleichgeordneten Verbandes gemachten Ausführungen gelten insoweit entsprechend. Soll die einheitliche Leitung über den Gleichordnungsvertrag hinaus organisationsrechtlich auf Ebene der gleichgeordneten Verbände abgesichert werden,1 bietet die Rechtsform des Vereins aufgrund der weitgehenden Satzungsfreiheit größtmögliche Gestaltungsspielräume. Neben statutarischen Bestellungsrechten kommen insbesondere statutarische Zustimmungsvorbehalte oder sogar Weisungsrechte in Betracht. 2 Ob mit der ganz h. M. neben dem Gleichordnungskonzern auf vertraglicher Grundlage auch ein faktischer Gleichordnungskonzern anzuerkennen ist, welcher vorliegen soll, wenn sich unabhängige Verbände rein tatsächlich auf Dauer zusammen mit anderen Rechtsträgern der gemeinsamen Leitung unterstellen,3 erscheint zweifelhaft. Insbesondere hat der Begriff des faktischen Gleichordnungskonzerns entgegen des vielfach insinuierten Eindrucks nichts mit dem des faktischen Unterordnungskonzerns gemein. 4 Viel spricht für die Annahme, dass es sich bei den als faktische Gleichordnungskonzerne qualifizierten Verbindungen in Wahrheit um Fälle eines konkludent geschlossenen Gleichordnungsvertrags5 oder eines Unterordnungskonzerns handelt. 6 1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Muster von Hoffmann-Becking in: MünchVertragsHdbGesR, X.10 Ziff. 3 mit Anm. 5. 2 Im Einzelnen § 10 A.II.3. (S. 253 ff.). 3 Statt vieler Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rn. 27; Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 68 Rn. 82 sowie BGHZ 121, 137, 146 ff. 4 Zutreffend Hüffer, AktG, § 18 Rn. 21. 5 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 27. Vgl. auch Hüffer, AktG, § 18 Rn. 21, der darauf hinweist, dass der Übergang zum konkludenten Abschluss eines Gleichordnungsvertrags »fl ießend« sei. 6 Das gilt insbesondere für den in der Gesetzesbegründung (Kropff, Regierungsbegründung, S. 33 f.) genannten Fall, dass die betroffenen Gesellschaften zwar einen gemeinsamen
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II. Abgrenzung zum Unterordnungskonzern Was die Abgrenzung von Gleichordnungskonzern und Unterordnungskonzern anbetrifft, ist mit der h. M. davon auszugehen, dass ein Exklusivitätsverhältnis besteht, kraft dessen das Bestehen von Abhängigkeit die Annahme eines Gleichordnungskonzerns ausschließt.7 Die von K. Schmidt begründete Gegenauffassung, wonach Schwestergesellschaften eines Unterordnungskonzerns einen Gleichordnungskonzern bilden und dieser Umstand geeignet sei, einen horizontalen Haftungsdurchgriff zu begründen, 8 überzeugt nicht. Unabhängig davon, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen man einen solchen Haftungsdurchgriff für geboten hält, wäre die Qualifikation von Schwestergesellschaften als Gleichordnungskonzern nur dann sinnvoll, wenn das Gesetz an den Tatbestand des Gleichordnungskonzerns eine entsprechende Einstandspfl icht knüpfen würde.9 Dies ist jedoch nicht der Fall. Auf Grundlage des Gesagten scheidet die Annahme eines Gleichordnungskonzerns aus, wenn der Verein herrschendem Einfluss ausgesetzt ist. Entsprechend der obigen Feststellungen setzt dies neben der erforderlichen Beständigkeit auch die organisationsrechtliche Fundierung des Einflusses voraus. Letzteres Kriterium führt dazu, dass es entgegen der h. M.10 zur Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht genügt, dass der am Gleichordnungsvertrag beteiligte Rechtsträger bei Abstimmungen in einem Leitungsgremium überstimmt werden kann. Denn die Bindung aufgrund des Gleichordnungsvertrags ist lediglich eine Bindung im Außenverhältnis, die nicht in die Struktur des Verbandes eingreift. Die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses kommt nur in Betracht, wenn der Konzernspitze zur Absicherung der einheitlichen Leitung in der Satzung des Vereins statutarische Mitwirkungsrechte eingeräumt werden und es dem Verein rechtlich oder faktisch unmöglich ist, diese jederzeit zu beseitigen.11
Allein- oder Mehrheitsgesellschafter haben, dieser jedoch keine Leitungsmacht ausübt, sondern nur durch personelle Verflechtung die Voraussetzungen für eine einheitliche Leitung schafft (wie hier KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 8; a. A. MünchKommAktG/ Bayer, § 18 Rn. 55 m. w. N.). 7 Statt vieler K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 18 Rn. 22 m. w. N. S. bereits oben § 3 A. II.3.a. (S. 21 f.). 8 K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 436 ff.; ders., FS Lutter, S. 1167, 1186 ff.; Veil, Unternehmensverträge, S. 107 ff.; für die GmbH und Co. KG auch Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 469 ff. 9 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 33. 10 Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 68 Rn. 81; MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 57; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 32 m. w. N. 11 Im Einzelnen § 10 A.II.3. und. 4. (S. 253 ff., 256 f.).
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III. Mitwirkung der Mitgliederversammlung Umstritten ist die Frage, ob die Begründung eines Gleichordnungskonzerns der Zustimmung der Mitgliedervertretung des der einheitlichen Leitung zu unterstellenden Verbandes bedarf. In der Literatur tendiert man überwiegend zu der Annahme, dass eine Mitwirkung der Mitgliedervertretung wegen der negativen Auswirkungen, die die Einbindung in einen Gleichordnungskonzern auf die Rechte der einzelnen Mitglieder hat, geboten sei.12 Für die GmbH und die Personengesellschaft wird sogar die Zustimmung sämtlicher Mitglieder gefordert.13 Lediglich im Recht der Aktiengesellschaft steht die (noch) h. M. auf dem Standpunkt, dass eine Zustimmungspflicht aufgrund der Regelung des § 291 Abs. 2 AktG nicht in Betracht kommt.14 Die im Vordringen befindliche Gegenauffassung verlangt demgegenüber auch für die Aktiengesellschaft, dass die Hauptversammlung der Konzernierung mit zumindest qualifizierter Mehrheit zustimmt.15 Überträgt man die Überlegungen auf den Verein, wäre mangels Anwendbarkeit von § 291 Abs. 2 AktG auch für diesen von einer Zustimmungspflicht sämtlicher Mitglieder auszugehen. Tatsächlich erscheint aber ein solches Ergebnis weder begründbar noch geboten. Eine Zustimmungspflicht sämtlicher Mitglieder wäre nur dann gerechtfertigt, wenn durch den Abschluss des Gleichordnungsvertrags die durch § 33 Abs. 1 S. 2 BGB dem Mehrheitsprinzip entzogene Geschäftsgrundlage betroffen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.16 Zwar umfasst die mehrheitsfeste Geschäftsgrundlage neben dem Formalziel die Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan.17 Auch lässt sich nicht bestreiten, dass die mit dem Abschluss des Gleichordnungsvertrags verbundene Einschränkung der Handlungsfreiheit des Vereins im Außenverhältnis faktische Rückwirkung auf die Entscheidungsspielräume der Mitgliederversammlung im Innenverhältnis hat.18 Doch betrifft die dem Mehrheitsprinzip entzogene Vorrangstellung der Mitgliederversammlung lediglich deren 12 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 35 (»Mediatisierungseffekt »); Gromann, Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, S. 35 f. 13 Michalski/Zeidler, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 299; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rn. 34; MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR Rn. 313; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 35 m. w. N. 14 Gromann, Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, S. 33 ff.; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 34 f.; KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 104 ff. 15 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 35; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 427 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 17 III 3 b (S. 505); Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rn. 34 f.; Veil, Unternehmensverträge, S. 279; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2518 f. 16 A. A. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 42 Fn. 139; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 153 f. 17 § 3 B.I.2.b. (S. 34 ff.). 18 Vgl. Milde, Gleichordnungskonzern, S. 231.
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Positionierung in Relation zu den übrigen Organen und entfaltet gegenüber der Preisgabe von Handlungsspielräumen durch Verpflichtungen im Außenverhältnis keine Wirkung. Maßstab dafür, in welchem Umfang ein Verband im Außenverhältnis Bindungen eingehen darf, ist allein das Formalziel.19 Dient die Einbindung in den Gleichordnungskonzern dem Formalziel – und das entspricht wegen der Unabhängigkeit des in einen Gleichordnungskonzern eingebundenen Verbandes der Normtypik – muss das einzelne Mitglied die damit einhergehende faktische Beeinträchtigung seiner (absoluten) Entscheidungsbefugnis im Innenverhältnis hinnehmen. Der Zustimmung sämtlicher Mitglieder bedarf es nur, wenn die Konzernierung nicht dem Formalziel dient und daher dessen Änderung voraussetzt. Die Überlegungen zeigen zugleich, dass auch der Gedanke der Mediatisierung nicht geeignet ist, den Abschluss eines Gleichordnungsvertrags in die Nähe einer Satzungsänderung zu rücken und hiernach zumindest ein qualifiziertes Zustimmungserfordernis zu begründen. Bereits an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass es sich beim Mediatisierungseffekt um eine ubiquitäre Begleiterscheinung rechtsgeschäftlichen Handelns handelt. 20 Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass jede Eingehung von Bindungen im Außenverhältnis die Entscheidungsbefugnisse des Verbandes einschränkt und in der Konsequenz Rückwirkung auf die Entscheidungsbefugnisse seiner Organe im Innenverhältnis entfaltet. Selbst der Abschluss eines Kaufvertrags bewirkt, dass über den aufzuwendenden Kaufpreis nicht erneut verfügt werden kann und schränkt insoweit auch die Entscheidungsalternativen der Mitgliederversammlung ein. Erst recht gilt dies für Bindungen aufgrund von Franchise-, Just-in-Time- oder Kreditverträgen etc., die dem Vertragspartner weitreichende Einfluss- und Kontrollrechte einräumen. Der Gleichordnungsvertrag unterscheidet sich hiervon in qualitativer Hinsicht nicht. Für den Verein – entsprechendes gilt für die Handelsgesellschaften – bedeutet dies im Ergebnis, dass die Entscheidung über den Abschluss eines Gleichordnungsvertrags nicht in die Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt. Begründbar ist lediglich eine Vorlagepflicht des Vorstandes. 21 Diese lässt sich darauf stützen, dass es angesichts des außergewöhnlichen Charakters der Integration in einen Gleichordnungskonzern dem mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung entspricht, kraft ihrer Allzuständigkeit hierüber eine Entscheidung zu treffen. Ein Erfordernis der qualifizierten Zustimmung oder gar der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter folgt daraus jedoch nicht. Es genügt vielmehr, wenn die Mitgliederversammlung dem Vertragsschluss mit einfacher Mehrheit zustimmt oder auf eine Sachentscheidung verzichtet. 19 20 21
§ 3 B.I.2.b. (S. 34 ff.). § 5 C.II.1.c. (S. 153 f.). Zu den Voraussetzungen oben § 4 C.III. (S. 107 ff.).
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B. Rechtsfolgen I. Möglichkeit nachteiliger Weisungen Fraglich ist, inwieweit es im bestehenden Gleichordnungskonzern zulässig ist, den gleichgeordneten Verbänden im Interesse des Gesamtkonzerns gegebenenfalls auch nachteilige Weisungen zu erteilen. Die h. M. steht auf dem Standpunkt, dass ein Schädigungsverbot besteht, welches eine entsprechende Einflussnahme verbietet.22 Die Gegenauffassung hält demgegenüber nachteilige Weisungen für zulässig, sofern sämtliche Mitglieder dem Abschluss des Gleichordnungsvertrags zugestimmt haben. Im Fall der gleichgeordneten Aktiengesellschaft sollen nachteilige Weisungen unabhängig von der Zustimmung sämtlicher Mitglieder zulässig sein, da hier der erforderliche Schutz durch analoge Anwendung der §§ 304, 305 AktG gewährleistet werden könne. 23 Die h. M. erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Wird die einheitliche Leitung durch personelle Verflechtungen der Organe hergestellt, folgt das Schädigungsverbot aus deren Bindung an das Formalziel des jeweiligen gleichgeordneten Verbandes. Erfolgt die Leitung durch ein gemeinschaftliches Leitungsgremium oder eine eigenständige Leitungsgesellschaft, so sind diese zwar nicht unmittelbar an das Formalziel der gleichgeordneten Verbände gebunden, sondern beziehen ihre Vorgaben allein aus dem Gleichordnungsvertrag. Weil die Zulässigkeit des Abschlusses eines Gleichordnungsvertrags aber voraussetzt, dass dieser das Formalziel des einzelnen Verbandes fördert, ist davon auszugehen, dass der Vertrag explizit oder zumindest implizit eine schädigende Einflussnahme verbietet. Die vereinzelt vertretene analoge Anwendung des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG24 kommt angesichts des kategorialen Unterschieds zwischen dem auf die Überwindung des normtypischen Formalziels zielenden Beherrschungsvertrag einerseits und dem der Verfolgung des normtypischen Formalziels dienenden Gleichordnungskonzern andererseits nicht in Betracht. Indes impliziert das Schädigungsverbot nicht, dass eine Zufügung punktueller Nachteile verboten wäre, die von der (ex-ante berechtigten) Hoffnung getragen ist, durch langfristige Vorteile kompensiert zu werden. 25 Entsprechende »Investitionen in die Zukunft« sind insbesondere unternehmerischem Handeln immanent und daher auch bei unverbundenen Verbänden an der Tagesordnung. Unabhängig davon, ob sich die Erwartungen erfüllen, widerspricht die Vornah22 Gromann, Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, S. 56 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 389; Veil, Unternehmensverträge, S. 281 ff.; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 237 ff.; Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 68 Rn. 89. 23 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 36; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2520 f. 24 Nachweise Fn. 23. 25 Vgl. in diesem Zusammenhang die Diskussion um die dezentrale Vermarktung von Fernsehrechten im Profifußball (hierzu Heermann, ZHR 161 (1997), 665, 701 f.).
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me solcher Maßnahmen nicht dem Formalziel des gleichgeordneten Verbandes und wird daher auch nicht vom Schädigungsverbot erfasst. 26 Ob darüber hinaus auch eine »echte« Nachteilszufügung zulässig ist, die nicht darauf zielt, dem gleichgeordneten Verband langfristig zum Vorteil zu gereichen, ist eine Frage, die bei konsequenter Beachtung des Exklusivitätsverhältnisses von Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern eher theoretischen Charakter hat. Denn es ist nicht ersichtlich, welche Veranlassung ein unabhängiger Verband hätte, einen Gleichordnungsvertrag abzuschließen, der seinem Formalziel zuwiderläuft. Soll gleichwohl ein entsprechender Vertrag geschlossen werden, setzt dies voraus, dass zuvor mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder das bisherige Formalziel an den Vertragsinhalt angepasst wird.
II. Gläubigerschutz Erörterungsbedürftig ist schließlich, ob der Tatbestand des Gleichordnungskonzerns bestimmte Schutzvorkehrungen zu Gunsten der Gläubiger der gleichgeordneten Verbände erfordert. Gegenstand der Erörterung ist insoweit ein auf die analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG gestützter horizontaler Haftungsdurchgriff. Die h. M. hält diesen für geboten, wenn sich die einheitliche Leitung so verdichtet, dass die Merkmale des rechtswidrigen qualifizierten faktischen Konzerns erfüllt sind. 27 Emmerich will auf Grundlage der Annahme, dass im Gleichordnungskonzern auf vertraglicher Grundlage auch nachteilige Weisungen zulässig sind, stets die §§ 302, 303 AktG anwenden.28 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass kein Anlass besteht, an den Tatbestand des Gleichordnungskonzerns spezielle, dem Gläubigerschutz dienende Kautelen zu knüpfen. Im Gegensatz zum Abschluss eines Beherrschungund Gewinnabführungsvertrags (vgl. § 291 Abs. 3 AktG) bleibt der Abschluss eines Gleichordnungsvertrags ohne jede Auswirkung auf das Niveau des Gläubigerschutzes. 29 Auch in tatsächlicher Hinsicht ist bei konsequenter Beachtung des Exklusivitätsverhältnisses von Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern nicht zu erkennen, weshalb die Entstehung des Letzteren den Anreiz bzw. die Möglichkeiten zur Vornahme gläubigerschädigender Maßnahmen erhöhen sollte. Was speziell den Verein betrifft, sind die Gläubiger durch das Existenz26 Auch im Zusammenhang mit der Auslegung des Nachteilsbegriffs der §§ 311, 317 ff. AktG ist anerkannt, dass die Beurteilung des nachteiligen Charakters einer Maßnahme aus der ex-ante-Perspektive vorzunehmen ist (statt vieler Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, § 311 Rn. 29). 27 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rn. 37; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 442; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2517; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 563; Krieger in: MünchHdbGesR Bd. IV, § 68 Rn. 86. 28 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 36, 39. 29 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 18 Rn. 27.
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vernichtungsverbot, welches selbstverständlich auch im Gleichordnungskonzern Geltung beansprucht, ausreichend geschützt. Sollte es tatsächlich zu einer Situation kommen, in der die Existenz des Vereins zu Gunsten eines anderen Konzernmitglieds vernichtet wird, dürfte sich regelmäßig auch ein Haftungsdurchgriff auf die anderen Mitglieder des Gleichordnungskonzerns begründen lassen. Denn auch wenn diese nicht als Mitglieder des Vereins Adressaten des Existenzvernichtungsverbots sind, verstößt die existenzvernichtende Einflussnahme gegen die Pflichten aus dem Gleichordnungsvertrag. Einer analogen Anwendung der §§ 302, 303 AktG bedarf es insoweit nicht.30
C. Zusammenfassung Vereine können ebenso wie Verbände anderer Rechtsform durch Abschluss eines Gleichordnungsvertrags Mitglieder eines Gleichordnungskonzerns werden. Die Schwelle zur Entstehung eines Unterordnungskonzerns ist erst erreicht, wenn die einheitliche Leitung durch statutarische Mitwirkungsrechte abgesichert wird und der Verein rechtlich oder tatsächlich daran gehindert ist, diese jederzeit zu beseitigen. Der Abschluss eines Gleichordnungsvertrags bedarf nicht der Zustimmung sämtlicher Mitglieder. Es besteht aber eine Vorlagepflicht des Vorstandes, die es der Mitgliederversammlung ermöglicht, über den Abschluss mit einfacher Mehrheit zu entscheiden. Der Inhalt des Gleichordnungsvertrags muss dem Formalziel des Vereins Rechnung tragen und darf daher keine nachteiligen Weisungen zulassen. Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes bedarf der Gleichordnungskonzern keiner Sonderbehandlung.
30 Zu der Entbehrlichkeit einer Pauschalhaftung aufgrund von Beweisschwierigkeiten § 11 E.III.3.c. (S. 336 ff.).
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Sachverzeichnis Abfindungsanspruch 44, 179 Abhängigkeitsbegründung 38, 43 f., 244 ff. Abhängigkeitsbegründungsverbot 43 f., 261, 266 f., 270, 274 ff., 278, 283 f., 298 f., 302, 304 – Dispens 277 f., 299, 302 Abhängigkeitsbericht 60 f., 69, 198, 215, 298 Abhängigkeitstatbestand 12, 19 ff., 42, 230, 256 Abwehrklage 121, 144, 183, 184 f., 326, 328 actio negatoria siehe Abwehrklage actio pro creditori 396 actio pro socio 2, 183, 185 f., 326 ff., 333, 396 ADAC-Urteil 1, 7, 129 f., 160 f., 192, 207, 213 Amtslöschungsverfahren, registerrechtliches 175 ff., 181, 187 f., 197 Ausschüttungssperren 136 ff., 151, 206, 371, 374 Austrittsrecht 129, 187, 266 Autokran-Entscheidung 349 Autonomieverlust 21 f., 25, 349 Beherrschungsvertrag 2, 12, 21, 23, 26, 35, 46 f., 52 ff., 65 f., 87, 102 f., 116, 124, 159, 201 ff., 214, 238, 240, 289 ff., 304, 410 – Verein als Obergesellschaft 201 ff. – Verein als Untergesellschaft 289 ff. Beschlussfeststellung 286 ff., 325 Beschlusskontrolle 66, 117 Beschlussmängelrecht 286 ff., 252, 395 besonderer Vertreter 186 f., 334 Bestellungsrechte 254 f., 275, 278, 299 Beteiligungsklausel 80, 99, 100 f., 121
Beteiligungspublizität 43 Beteiligungsveräußerung 86, 87, 91, 93, 103, 240 – Teilveräußerung 82, 86, 115 – Vollveräußerung 90, 115 Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag 23 Beweisschwierigkeiten 334 ff., 392 ff. – Anscheinsbeweis 334 f. – Beweislastumkehr 335 f., 339 – Beweisvereitelung 335 f., 339, 360, 395 – Schadensschätzung siehe dort – sekundäre Darlegungslast 334 f. Bürgschaft 87, 159 Caritas 10 corporate governance 221 f., 224 CSU 3, 14, 225 Dachverband 12 f., 15, 257 f., 402 f. DEKRA 9 Deutsche Billardunion-Entscheidung 12 Deutsche Fußball Liga 9 Deutsche Fußballbund 8, 13, 403 Diakonie 10 Eigenwille 37 Eingliederung 25 f., 46 ff., 52 ff., 200, 356 Eingliederungskonzern 19, 58, 60, 64 f., 218 f. einheitliche Leitung 402 f., 406 ff. Einzelausgleich, gestreckter 25, 60, 203 f., 337 Entkonzernierungserklärung 218 Entziehungsverfahren, verwaltungsrechtliches 175 f. Existenzvernichtungshaftung 42, 324, 337, 346 f., 348, 349 ff., 354, 384 ff., 411
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Sachverzeichnis
Existenzvernichtungsverbot 137 ff., 311, 315, 323, 344, 351 ff., 357 ff., 411 f. – Ableitung 357 ff. – Existenzvernichtungshaftung siehe dort – Tatbestand 372 ff. externe wirtschaftliche Betätigung 129 ff., 132 ff. – Beteiligung als Kommanditist 159 f. – Beteligung als persönlich haftenden Gesellschafter 132, 159 – Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft 129 ff., 157 f. – Minderheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft 131 faktische Rechtsverkürzung 88 FC Bayern München 8 f., 213 Fertighaus-Entscheidung 355 Formalziel 22, 31 ff., 46 ff., 50, 58, 60, 185, 206, 213, 270 ff., 276, 278 ff., 285, 296, 299 f., 302 ff., 314 f., 324 f., 358, 371, 373 f., 379, 395, 405, 408 ff. – Gewinnziel siehe dort – heterogenes Formalziel 278 ff., 303 – Naturalziel siehe dort – Wertschöpfung und Wertverteilung 31 ff., 47, 206, 207, 271, 358, 373 f. Formwechsel 118, 178, 180 f. Fortsetzungsbeschluss 179, 181 Gamma-Entscheidung 356, 380 Gegenstand der Vereinstätigkeit 98 ff., 306 Gelatine-Entscheidung 79, 80, 86 Genossenschaft 32 f., 36, 132 f., 140, 145, 180, 262, 364, 366, 371, 374, 378, 381 genossenschaftlicher Förderzweck 57 Gesamtverein 14 f., 258 ff., 293 Gesamtvermögensübertragung 103, 105 ff. Geschäftschance 212, 307, 373, 378 Gesellschafterklage 183 ff. Gewinnabführungsvertrag 12, 23, 26, 48 ff., 52, 58, 87, 102 f., 116, 121, 159, 203 ff., 208, 238, 240, 323 Gewinnziel 31 ff., 46, 48, 50, 57, 60, 202, 205 ff., 302, 307, 312
GfK 11 Gleichbehandlungsgebot siehe Gleichbehandlungsgrundsatz Gleichbehandlungsgrundsatz 52 ff., 118, 262, 265 f., 272 f. Gleichordnungskonzern 4, 21 f., 401, 405 ff. Gruppenbildung 85 f. siehe auch gruppenspezifische Maßnahmen Gruppenleitung 85 f. siehe auch gruppenspezifische Maßnahmen gruppenspezifische Maßnahmen – Defintion 78 – Kategorisierung 85 ff. – Informationspflichten 239 ff. – Vorlagepflicht 97 ff. Handelsgewerbe 143, 223 Handelsvertreter-Entscheidung 365 Hauptverein siehe Gesamtverein Hoesch-Hoogovens-Entscheidung 104 Holzmüller 2, 28, 78 ff., 100, 113, 117, 119 f., 121, 183 f., 239 f., Informationsansprüche 117, 144, 232 ff., 279, 281, 304 – Auskunftsrecht 236, 241 – Bekanntmachungspflicht 234 f., 239 f. – gruppenspezifische Informationsansprüche 117, 235 ff. – Individuelle Informationsansprüche 233 f. – Kollektiver Informationsanspruch 232 f. kalte Liquidation 138, 352, 363, 377 Kapitalerhaltungsregelungen 52, 57, 60, 315, 348, 371 f. Kaufmannseigenschaft 140, 223, 227 KBV-Entscheidung 350 f., 358, 385 f. Kolping-Entscheidung 2, 15 f., 137, 189 ff., 346 Kolpingwerk 16 Konzernbildung 80, 84 f. siehe auch Abhängigkeitsbegründung Konzerneingangsschutz 43 f., 273 ff. Konzerngefahr 20 Konzernklausel siehe Beteiligungsklausel
Sachverzeichnis
Konzernkonflikt 38 f. Konzernleitung 63, 79 f., 86, 217 ff., 402 f. Konzernleitungspflicht 217 ff. Konzernrechnungslegung(-spflicht) siehe Rechnungslegungspflicht konzernverfassungsrechtlicher Ansatz 27 f. Lehre vom sachlichen Grund 118 Liquidationszwang 177, 181 Mediatisierungseffekt 28, 80 ff., 86 f., 89 f., 91, 100, 113 f., 116, 119, 152 f., 409 Mehrfachstimmrecht 253 f., 273 Mindestkapital 135 f. Mitbestimmung 129, 131, 146, 167, Mitgliederschutz 100, 129, 144 ff., 164 ff., 196 Mitgliedsvereine siehe Dachverband mittelbare Abhängigkeit 261 Mittelbeschaffung 98, 164, 172, 207 Naturalziel 31 ff., 47 f., 50 Nebentätigkeitsprivileg 103, 169 ff. Nebenzweckprivileg siehe Nebentätigkeitsprivileg nicht eingetragener Verein 3, 178, 181, 189 ff. nichtrechtsfähiger Verein siehe nicht eingetragener Verein Oberleitung 218 ff. Organbegriff 246, 281 Organrechte 247 Patronatserklärung 8, 87, 116, 159 Personalentscheidungsgewalt 47 f., 245, 254, 274 f., 299 Personalentscheidungskompetenz siehe Personalentscheidungsgewalt Pflichtangebot 43 Portfoliotheorie 40 Prinzip der naturalen Mitgliederförderung 32 Prinzipal-Agent-Konflikt 14 Privatgesellschafter 26, 39, 40 f., 209 privilegierungsrechtliches Regelungskonzept 30 f., 45 ff., 200 ff.,
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PublG 7, 66, 70, 72, 140, 146, 167, 224, 226 ff. Publizität(-spflicht) 127, 139 ff., 145 f., 167, 222 ff. qualifiziert faktischer Konzern 337 f., 347 ff. qualifizierte Transferadresse 41, 209, 212 f. räuberische Aktionäre 40 Rechnungslegung(-spflicht) 7, 72, 127, 139 ff., 223, 139, 222 ff., 236 – verbundsunabhängige Pflichten 222 ff. – Konzernrechnungslegung(-spflicht) 72, 225 ff. Recht ad personam 246 ff., 250 Recht auf Entscheidungsteilhabe 37, 121 f., 184, 274, 326, 328 f. Rechtsformverfehlung 6, 98, 103, 126 ff. – offene Rechtsformverfehlung 182 – Rechtsfolgeen 175 ff. – Vereinsklassenabgrenzung siehe dort – verdeckte Rechtsformverfehlung 175 f., 182 – Wettbewerbsrecht 192 ff. Satzungsänderungskompetenz 83, 119 f., 184 f., 250 ff., 256 satzungsdurchbrechende Beschlüsse 2, 317 ff. Satzungshoheit 36, 256, 274 Satzungsstrenge 2, 56 f., 142, 221, 252, 262, 289 Satzungsverletzung 317, 320 f. Schadensquantifizierung 334, 386 Schadensschätzung 338 ff., 394 f. Schädigungsverbot 25, 44 f., 52, 53, 60 f., 161, 203, 296, 297, 302 ff., 358 f., 372 f., 386, 390, 392 ff., 410 f. – Ableitung 302 f. – Dispens 310 ff. – Durchsetzeung 324 ff. – Schadensersatz bei Verletzung 329 ff. Schuldendeckungsfähigkeit 377, 394 Schutzrechtliches Regelungskonzept 30 f., 38 ff., Selbstentmündigung 265, 268
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Sachverzeichnis
Siedler-Entscheidung 345, 355, 382 Sonderrechte 248 f., 266 Sozialschutz 128 f., 131, 133, 146, 167 Spekulation zulasten der Gläubiger 380 ff. statutarische Mitwirkungsrechte 2, 212, 245 ff., 303 f., 407 – von Dritten 249 ff. – von Mitgliedern 248 f. Stimmbindungsverträge 245, 258, 261, 305 Stimmenmehrheit 48, 244 f., 254, 275 f., 277, 283, 299 Stimmrechtsausschluss 261, 283, 284, 296, 297 Subordinationseffekt 153 ff. Tagesordnung 145, 237, 240 TBB-Entscheidung 335, 349 Tiefbau-Entscheidung 349 Treupflicht 25, 41, 44, 52, 262, 267, 275, 297, 302 ff., 311 ff. siehe auch Schädigungsverbot Trihotel-Entscheidung 350, 354, 361, 375, 384, 388 TSV München 1860 8 TÜV 10, 12 Umwandlungsmaßnahmen 15, 93, 101, 180 f., 239 unentgeltlichen Anbietens von Leistungen 148 f., 302 Unterkapitalisierung, materielle 348, 355 ff., 359 f., 380 ff. Unternehmensbegriff – handelsrechtlicher 229 – konzernrechtlicher 26 f., 66 ff., 189 ff., – organisationsrechtlicher Unternehmensbegriff 68 f. – privilegierungsrechtlicher Unternehmensbegriff 71, 201 ff., 208 f. – PublG 226 ff. – schutzrechtlicher Unternehmensbegriff – übergeordnetes Unternehmens 67 ff., 200 – untergeordnetes Unternehmens 69 f., 71 ff., 228
Unternehmenseigenschaft siehe Unternehmensbegriff Unternehmensgegenstand 34, 80, 98 ff., 105 f., 110, 312 Unternehmensverträge – Beherrschungsvertrag siehe dort – Gewinnabfürhunsgvertrag siehe dort – Sonstige Unternehmensverträge 22 ff., 50 f. unternehmerisches Risiko 116, 134, 147 f., 157 VEBA/Gelsenberg-Entscheidung 67 Verbandsautonomie 249, 262 ff., 276, 289 Verbandszweck 23, 25, 29 ff., 45 ff., 62, 201 ff., 247 f., 259, 273 ff., 298, 302, 303, 305, 311, 313, 315, 322, 324, 325, 327, 333, 352, 371 – Änderung siehe Verbandszweckänderung – dienender Verbandszweck 278, 285, 373 – Formalziel siehe dort – Normtypischer Verbandszweck der Aktiengesellschaft 46 – partiell dienender Verbandszweck 285 – Stellung der Mitgliedervertretung als oberstes Willensbildungsorgan siehe dort Verbandszweckänderung 56, 120, 280 f., 285, 286, 291 Verbot gegenstandswidriger Geschäfte 99 Vereinsautonomie siehe Verbandsautonomie Vereinsklassenabgrenzung 7, 98, 126 ff., 229, 367, 403 f. – Rechtsformverfehlung siehe dort Verkehrsschutz 128, 143 f., 163 Vermögensvermischung 191, 339 ff., 343, 348, 353 ff., 359, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 3 Vertragshändlerentscheidung 385 Verwässerungseffekt 90 ff. Video-Entscheidung 349 Vorbelastungs- und Verlustausgleichshaftung 159
Sachverzeichnis
Vorlagepflicht des Vorstandes 83 f., 97 ff., 107 ff., 145, 238 ff., 326, 329, 409 – nicht zuständigkeitsbedingte Vorlagepflicht 107 ff. – zuständigkeitsbedingte Vorlagepfl icht 97 ff. Vorsprung durch Rechtsbruch 192 Vorstandsautonomie 45, 57 Vorzugsrechte 262, 266, 272 VW/Niedersachsen-Entscheidung 199 wechselseitige Beteiligung 21, 24
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Weisungsrecht 26, 36, 46 ff., 53 f., 57, 89 f., 93, 96, 110 ff., 144, 204 f., 233, 239, 254 f., 264, 269, 278, 289, 304 wirtschaftliche Abhängigkeit 24, 309 Wohlfahrtsökonomie 30, 63, 65, 167 Wohlfahrtspflege 10, 33 Zustimmungsvorbehalt 15, 255, 263, 264, 406 Zweckänderung siehe Verbandszweckänderung Zweigverein siehe Gesamtverein Zwischenholding 7, 9, 202