Historik: Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte [4. Aufl. Reprint 2019] 9783486769401

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Historik: Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte [4. Aufl. Reprint 2019]
 9783486769401

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JOHANN GUSTAV D R O Y S E N HISTORIK

J O H A N N GUSTAV D R O Y S E N

HISTORIK VORLESUNGEN ÜBER

ENZYKLOPÄDIE

U N D METHODOLOGIE DER GESCHICHTE

HERAUSGEGEBEN VON

RUDOLF HÜBNER

VIERTE, U N V E R Ä N D E R T E AUFLAGE

1960

R. O L D E N B O U R G

MÜNCHEN

©

1937 by R. Oldenbourg Verlag München/Berlin Printed 1960 Druck: fotokop GmbH. Darmstadt

INHALT Seite

VORWORT DES HERAUSGEBERS

IX

E N Z Y K L O P Ä D I E UND METHODOLOGIE D E R GESCHICHTE

i

Einleitung

3

Vorbemerkung I Die Geschichte §§ 1 — 7 Der Ausgangspunkt Geschichte und Natur II Die historische Methode §§ 8—15

3 5 5 11 17

Die M e t h o d i k Die historische Frage § 1 9 I Die Das Die Die Die Das

Heuristik historische Material §§ 20. 21 Überreste § 22 Denkmäler § 23 Quellen § 24 Finden des Materials § 26

II Die Kritik § 28. 29 a) Die Kritik der Echtheit § 30 b) Die Kritik des Früheren und Späteren § 3 1 c) Die Kritik des Richtigen § 32 Die Quellenkritik §§ 33. 34 d) Die kritische Ordnung des Materials §§ 35. 36 III Die Interpretation Die Erforschung der Anfänge § 37 Die Formen der Interpretation § 38 a) Die pragmatische Interpretation § 39 b) Die Interpretation der Bedingungen § 40 c) Die psychologische Interpretation § 41 d) Die Interpretation nach den sittlichen Mächten oder Ideen § § 42. 43-44 Die

31 37 37 38 50 61 84 92 99 114 122 131 144 149 149 152 156 163 173 180

Systematik

D a s Gebiet der historischen Methode § 45 (49) D a s historisch Erforschbare §§ 47 (52). 48 (53). 49 (54) I Die geschichtliche Arbeit nach ihren Stoffen § 50 (55) a) Die Natur § 51 (56) b) Der kreatürliche Mensch § 52 (57) c) Die menschlichen Gestaltungen § 53 (58) d) Die menschlichen Zwecke § 54 (59)

188 191 194 194 196 199 199



VI



I I Die geschichtliche Arbeit nach ihren Formen 202 Die sittlichen Mächte §§ 55 (60). 56 (61) 202 A Erste Reihe: Die natürlichen Gemeinsamkeiten § 57 (62) . . 204 a) Die Familie § 58 (63) 206 b). c) Geschlecht und Stamm §§ 59 (64). 60 (65) . . . . 209 d) Das Volk § 61 (66) 214 B Zweite Reihe: Die idealen Gemeinsamkeiten § 62 (67) . . . 2 1 9 a) Das Sprechen und die Sprachen § 63 (68) 221 b) Das Schöne und die Künste § 64 (69) 226 c) Das Wahre und die Wissenschaften § 65 (70) . . . . 230 d) Das Heilige und die Religionen § 66 (71) 233 C Dritte Reihe: Die praktischen Gemeinsamkeiten § § 6 7 (72). 75 (80). 76 (81). 77 (82) 241 a) [Die Sphäre der Gesellschaft] § 68 (73) 246 b) Die Sphäre der Wohlfahrt § 69 (74) 246 c) Die Sphäre des Rechts § 70 (75) 254 d) Die Sphäre der Macht § 7 1 (76) 258 I I I Die geschichtliche Arbeit nach ihren Arbeitern §§ 72 (77). 73 (78). 74 (79)- 78 (83). 79 (84) 265 I V Die geschichtliche Arbeit nach ihren Zwecken §§ 80 (85). 81 (86). 82 (87). 83 (88). 84 (89). 85 (90). 86 (91) 269 D i e T o p i k §§ 87 (44). 88. 89 a) Die untersuchende Darstellung § 90 (45) b) Die erzählende Darstellung § 9 1 (46) c) Die didaktische Darstellung § 92 (47) d) Die diskussive Darstellung § 93 (48)

273 276 282 299 310

GRUNDRISS DER HISTORIK

317

Vorwort Vorbemerkung

319 321

Einleitung I Die Geschichte §§ 1—7 I I Die historische Methode §§ 8 — 1 5 I I I Die Aufgabe der Historik §§ 16—18

325 325 328 331

D i e M e t h o d i k § 19 I Die Heuristik §§ 20—27 I I Die Kritik §§ 28—36 I I I Die Interpretation §§ 37. 38 a) Die pragmatische Interpretation § 39 b) Die Interpretation der Bedingungen § 40 c) Die psychologische Interpretation § 4 1 d) Die Interpretation der Ideen §§ 42. 43. 44 (42. 43)

332 332 335 339 340 340 341 342

D i e S y s t e m a t i k §§ 45—49 (49—54)

345

I Die geschichtliche Arbeit nach ihren Stoffen § 50 (55) a) Die Natur § 5 1 (56) b) Der kreatürliche Mensch § 52 (57)

347 347 347

— VII — c) Die menschlichen Gestaltungen § 53 (58) d) Die menschlichen Zwecke § 54 (59) I I D i e geschichtliche Arbeit nach ihren Formen §§ 55—56 D i e sittlichen Mächte §§ 55. 56 (60. 61) A Die natürlichen Gemeinsamkeiten § 57 (62) a) Die Familie § 58 (63) b) Die N a c h b a r s c h a f t § 59 (64) c) Der S t a m m § 60 (65) d) Das Volk § 6 1 (66) B Die idealen Gemeinsamkeiten § 6 2 ( 6 7 ) . . a) Das Sprechen u n d die Sprache § 63 (68) b) Das Schöne u n d die K ü n s t e § 64 (69) c) D a s W a h r e u n d die Wissenschaften § 65 (70) d) D a s Heilige u n d die Religionen § 66 (71) C Die praktischen Gemeinsamkeiten § 67 (72) a) Die Sphäre der Gesellschaft § 68 (73) b) Die Sphäre der W o h l f a h r t § 69 (74) c) Die Sphäre des Rechts § 70(75) d) Die Sphäre d e r Macht § 7 1 (76) . . . I I I D i e geschichtliche Arbeit nach ihren Arbeitern §§ 72—79 (77—84) . . I V Die geschichtliche Arbeit nach ihren Zwecken §§ 80—86 (85—91) . . D i e T o p i k §§ 87—89 (44) • a) Die untersuchende Darstellung § 90 (45) b) Die erzählende Darstellung § 9 1 (46) c) Die didaktische Darstellung § 92 (47) d) Die diskussive Darstellung §§ 93 — 95 (48)

Seite 348 348 348 348 349 349 349 349 350 350 350 350 351 351 351 351 352 352 352 353 356 359 360 361 362 363 367

Beilagen

369 386 406 416 425

Theologie d e r Geschichte E r h e b u n g d e r Geschichte zum R a n g einer Wissenschaft N a t u r u n d Geschichte K u n s t und Methode A n t r i t t s r e d e in der Berliner Akademie Sachregister

429

Personenregister

440

E

VORWORT DES HERAUSGEBERS Friedrich Meinecke hat in seinem Droysen-Aufsatz 1 ) erschöpfend dargelegt, wie Johann Gustav Droysen, schon als Student lebhaft für philosophische Fragen interessiert und ein eifriger Hörer Hegels, allmählich dazu kam, die in seiner Geschichtsschreibung bereits praktisch angewandten Grundsätze und Grundbegriffe einer „Historik" oder, wie er es deutsch nannte (unten S. 377), einer „Wissenschaftslehre der Geschichte" zu formulieren, wie er sie zum erstenmal, wenn auch zunächst nur vorläufig und unvollständig, 1843 in der gedankenreichen und gedankentiefen „Privatvorrede" zum zweiten Bande seines Hellenismus (unten S. 369 ff.) in noch beschränkter Öffentlichkeit besprach, wie er dann, dem akademischen Lehrer naturgemäß, 1852 den Entschluß faßte, darüber ein Kolleg zu lesen, diese Absicht aber damals noch nicht, sondern erst im Sommersemester 1857 verwirklichen konnte, welchen Standpunkt er sich im Lauf der Zeit dabei erarbeitete und gegen welche „Fronten" er sich damit wandte. Droysen hat von da an auf diese Vorlesung ein besonderes Gewicht gelegt, weil sie ihm stets von neuem Veranlassung gab, den Gesamtbereich seiner Wissenschaft zu überschauen und über ihre Grundfragen, ja über die letzten menschlichen Fragen überhaupt nachzudenken; aber auch darum, weil er gerade durch sie am eindringlichsten auf die heranwachsenden Historikergenerationen zu wirken vermochte. Diese Vorlesung — er nannte sie nach dem Vorbild der berühmten Boeckhschen Vorlesung über „Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften", die er einst selbst 1 Johann Gustav Droysen. Sein Briefwechsel und seine Geschichtschreibung. Historische Zeitschrift 141, 1929, S. 249—287. Dieser Aufsatz bietet eine tiefdringende und geistreiche Charakteristik der wissenschaftlichen Persönlichkeit Droysens und seiner Stellung in der deutschen Geschichtswissenschaft. Daneben vgl. besonders Otto Hintzes ausgezeichneten Lebensabriss (Johann Gustav Droysen. Allgemeine Deutsche Biographie 48. Band. Leipzig 1903, S. 8 2 — 1 1 4 ; wiederabgedruckt in Hintzes Historischen und Politischen Aufsätzen 4. Band. Berlin o. J., S. 87—143) und Helmut Berves schöne Einführung in die von ihm 1931 in der Krönerschen Taschenausgabe Band 87. Leipzig o. J. neu herausgegebene erste Auflage von Droysens Geschichte Alexanders des Großen S. V I I — X X X I V ,



X



gehört hatte, „Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte" — war diejenige, die er am häufigsten gehalten hat: in 25 Jahren nicht weniger als 18 mal. Immer von neuem gewährte sie ihm Freude und Befriedigung. Schon das zweitemal, im Sommersemester 1858, gab er seinen Hörern einen „Grundriß" in die Hände, den er damals nur als Manuskript drucken ließ1). Dann aber bestimmten ihn „häufige Nachfragen auch aus der Fremde", im Jahre 1868 „das Heftchen ... der Öffentlichkeit zu übergeben" (unten S. 319). Der Grundriß erschien in zweiter Auflage 1875, in dritter 1882. Da diese Auflagen längst vergriffen waren, ließ Erich Rothacker den Grundriß 1925 als ersten Band seiner Sammlung „Philosophie und Geisteswissenschaften" von neuem abdrucken2); er bezeichnete ihn (S. VIII), gewiß mit Recht, als die „geistvollste Einführung in die Geschichtswissenschaft, die wir besitzen". Nun ist aber dieser Grundriß, seinem Zweck entsprechend, in abstrakte, knappe, vielfach allerdings prachtvoll formulierte Leitsätze gefaßt, von denen Meinecke aus eigener Erfahrung heraus sagt (S. 286), daß sie dem Anfänger zunächst ganz unverständlich waren. Und nicht nur den Studenten mag es schwer geworden sein, in sie einzudringen, sondern auch den Lesern. So wurde das Bedürfnis und der Wunsch nach einer Veröffentlichung der Vorlesung selbst rege. Hatte Droysen es doch verstanden, in ihr seinen Hörern in breiterer Ausführung den Sinn jener Sätze zu erschließen, so daß sie sich nach Meineckes weiteren Worten „in einen Funkenregen lebendiger, sofort ergreifender Bekenntnisse und Erkenntnisse, in eine wundervoll anschauliche und lehrreiche Auswahl von Beispielen aus der ganzen Weltgeschichte und Forschungswelt" auflösten. Diesem Wunsch und Bedürfnis konnte die Abhandlung von Chr. D. Pflaum8) noch nicht genügen, so dankenswert auch der erste Versuch sein mochte, die Bedeutung von Droysens Historik für die moderne Geschichtswissenschaft zu bestimmen. Pflaum fügte am Schluß seiner Untersuchung in einem Anhang „sachlich bedeutsame Materialien zur Vorgeschichte von Joh. Gust. Droysens .Grundriß J ) Grundriß der Historik von Joh. Gust. Droysen. Als Manuskript gedruckt. Jena, Druck von Friedrich Frommann 1858, 27 Seiten. E r wurde 1862 noch einmal in gleicher Weise gedruckt. - 2 ) Johann Gustav Droysen, Grundriß der Historik (Philosophie und Geisteswissenschaften herausgegeben von Erich Rothacker. Neudrucke I. Band). Halle/Saale 1925; X I I , 104 S. *) J . G. Droysens Historik in ihrer Bedeutung für die moderne Geschichtswissenschaft (Geschichtliche Untersuchungen herausgegeben von Karl Lamprecht, 5. Band 2. Heft). Gotha 1907; V I , 1 1 5 Seiten.

— XI



der Historik'" bei (S. 68—114) und registrierte in ihm nicht nur die sachlichen Abweichungen in den verschiedenen Drucken und Auflagen des Grundrisses, sondern legte auch Stellen aus dem Kollegheft „nach einer Nachschrift von der Hand eines studentischen Hörers" vor. Allein diese Mitteilungen litten nicht nur an ihrer Unvollständigkeit, sondern vor allem an der Mangelhaftigkeit jener Nachschrift. Wenn schon der Grundriß ergänzt werden sollte, dann konnte das nur durch Zuhilfenahme von Droysens eigenem Heft geschehen. Und das war es auch, was immer dringender gewünscht wurde, nachdem bekannt geworden war, daß ein solches vorhanden sei. Ich will mich begnügen, zwei Stimmen anzuführen. Joachim Wach sprach diesen Wunsch im dritten Bande seines großen Werkes über „Das Verstehen" aus1), wo er in einem eigenen umfänglichen Kapitel „Die Lehre vom geschichtlichen Verstehen bei Droysen" (S. 134—188) behandelte und dazu die Droysenschen Papiere benutzen konnte, die ich ihm zur Verfügung gestellt hatte. Hildegard Astholz (jetzt Frau Dr. Urner-Astholz in Stein a. Rh.), die Verfasserin einer verdienstvollen Untersuchung über „Das Problem Geschichte bei Droysen"2), befürwortete dringend den Druck des eigenhändigen Droysenschen Heftes, da sie bei ihrer Arbeit die Unzulänglichkeit des von Pflaum und Wach mitgeteilten Materials lebhaft empfunden hatte. Als ich mich von der für diesen Zweck durchaus günstigen Beschaffenheit der im Droysenschen Nachlaß erhaltenen Niederschriften überzeugt hatte, trat ich alsbald an die Vorbereitung einer Veröffentlichung heran. Diese umfänglichen Manuskripte lassen drei zeitlich getrennte Hauptfassungen des Heftes erkennen. Da Droysen ausnahmslos am Rande der Blätter das Datum aufzeichnete, an dem er die mit einer römischen Ziffer gezählte Vorlesung begann, so können die allermeisten Blätter zeitlich bestimmt werden. Die Blätter der ältesten Fassung, die für das Sommersemester 1857 ausgearbeitet und dann, wie die Datumsangaben zeigen, noch den Vorlesungen von 1858, 59, 59/60, 60/61 zugrunde gelegt wurden, sind nicht als geschlossenes Manuskript zusammengeblieben, sondern manche sind in die Blätter der zweiten Fassung ') Das Verstehen. Grundzüge einer Geschichte der hermeneutischen Theorie im 19. Jahrhundert. III. Das Verstehen in der Historik von Ranke bis zum Positivismus. Tübingen 1933; I X , 350 S. 2 ) Das Problem „Geschichte" untersucht bei Johann Gustav Droysen (Historische Studien ... herausgegeben von Dr. Emil Ebering Heft 231). Berlin 1933; 217 S.

— XII — hineingelegt worden; einige fanden auch noch in die dritte Fassung Aufnahme. Aber das vom ersten Heft Erhaltene hat nur fragmentarischen Charakter. Das gleiche gilt auch von dem zweiten Heft, dessen Blätter die bei weitem umfangreichste Masse bilden und in sechs Papierumschläge geordnet sind, von denen der zweite bis sechste die von Droysens Hand stammenden Aufschriften tragen: Heuristik, Kritik, Interpretation, Darstellung, Systematik; der erste, der die Blätter der Einleitung enthält, trägt nur die Jahresangabe: 1862/63. Daraus und den damit übereinstimmenden Daten läßt sich entnehmen, daß die Neubearbeitung eben für das Wintersemester 1862/63 erfolgte; auch der Grundriß wurde, wie oben bemerkt (S. VIII, Anm. 1), 1862 noch einmal als Manuskript gedruckt. Der große Umfang der zweiten Schicht erklärt sich daraus, daß diese Fassung am häufigsten benutzt worden ist, nämlich in 11 Semestern (62/63, 63, 63/64, 65, 68, 70, 72, 75, 76, 78, 79). Darum weisen diese Blätter auch die bei weitem meisten Zusätze, Verbesserungen und Streichungen auf; ihre Ränder sind oft dicht mit Nachträgen, vielfach in allerkleinster Schrift, bedeckt. Sie zu lesen macht erhebliche Mühe, und eine vollständige Zusammenstellung des Heftes dieser zweiten Fassung wäre, wenn überhaupt möglich, jedenfalls sehr schwierig. Glücklicherweise hat nun aber Droysen in seinem 73. Lebensjahr für die Vorlesung des Sommersemesters 1881 das Heft noch einmal völlig neu niedergeschrieben. Nach diesem Manuskript hat er dann das Kolleg endlich auch noch im Wintersemester 1882/83 gelesen, nicht ohne auch für dieses letzte Mal noch einige durch die besonders breiten Schriftzüge kenntliche Blätter einzulegen. Dieses letzte Heft ist sehr viel übersichtlicher als die Blätter der früheren Fassungen; wahrscheinlich ist neben dem Bedürfnis nach inhaltlichen Änderungen und Ergänzungen gerade die ungefüge Form, die das alte Heft angenommen hatte, der Grund für die neue Ausarbeitung gewesen. Daß noch in dieses Heft an einigen Stellen ältere Blätter aufgenommen wurden, ist bereits hieroben bemerkt worden 1 ). Dieses Heft nun bietet einen vollständigen, in sich geschlossenen Text. Daher konnte überhaupt der Gedanke an eine Veröffentlichung gefaßt werden. Er konnte es um so mehr, als Droysen seiner stets befolgten Arbeitsweise gemäß auch diese Vorlesung in allen ihren Fassungen und also auch in dieser letzten auf 1 ) Diesen älteren, die Semesterzahlen 67/68, 78, 79 tragenden Blättern entsprechen unten die Stellen S. 38 Zeile 14 von oben — S. 40 Zeile 23 von oben; S. 71, 11 v. o. — 21 v. u.; 2 v. u. — 72, 3 v . 1 1 . ; 73, 14 v. o. — 77, 15 v. u.; 83 Z. 19 v. u. — 84, 7 v. o.; 131, 11 v. o. — 142, 7 v. u.; 144, 8 v. o. — 148 Ende.



XIII



das sorgfältigste, Wort für Wort, man möchte fast sagen druckreif, ausgearbeitet hat. Davon sind nur ganz wenige Stellen ausgenommen, wovon gleich zu sprechen sein wird. Nun war aber der Stoff so groß, daß er nicht immer in seinem ganzen Umfang vorgetragen werden konnte. Aus diesem Grunde unterließ es Droysen im letzten Heft, den von den sittlichen Gemeinsamkeiten handelnden zweiten A b schnitt der Systematik („Die geschichtliche Arbeit nach ihren Formen") neu zu schreiben, und verwies die Hörer dafür auf den Grundriß. Die einleitenden Ausführungen über „ D i e sittlichen Mächte" (unten S. 202—204) hat er noch ausgearbeitet, an deren Schluß aber setzte er die Bemerkung: „ D e r Grundriß §§ 62—76 entwickelt in kurzen Zügen die Formen dieser Gemeinsamkeiten, die sämtlich nach ihrem sachlichen Inhalt in der Ethik erläutert werden und von denen mehrere große wissenschaftliche Disziplinen ergeben". Nun zeigen aber am Rande dieser Stelle befindliche Bleistiftnotizen („Bis § D a s Schöne Donnerstag 15. 2. 83 L I V . Bis § Der Staat Freitag 16. 2. 83 L V " ) , daß er in diesen beiden Stunden in freiem Vortrag einen Überblick über die weiten Gebiete gegeben hat, denen in den genannten, vielfach nur aus Stichworten bestehenden Paragraphen des Grundrisses etwa fünf Druckseiten zugeteilt sind. So weist also das letzte Heft an dieser Stelle eine empfindliche Lücke auf. Sie ließ sich aber ausfüllen. Freilich mußte man sich entschließen, auf die zweite Fassung zurückzugreifen, wo diese Abschnitte ausführlich ausgearbeitet worden waren, und diese Blätter hier einzuschieben. Ich glaube, daß dadurch die Einheitlichkeit nicht gestört wird. Nur muß der Leser die frühere Entstehungszeit dieser Abschnitte im Auge behalten. Denn manche Bemerkungen in ihnen, wie z. B. das Urteil über den gegenwärtigen Stand der Kunstgeschichte (S. 229) oder der Hinweis auf die „in unseren Tagen" sich geltend machende Doktrin Stahls und Praxis Napoleons III. (S. 263) erklären sich nur, wenn man sich in den Anfang der sechziger Jahre versetzt. E s konnte j a überhaupt nicht die Absicht bestehen, alles Niedergeschriebene zum Druck zu geben. A u c h etwa ausgewählte abweichende oder ausführlichere Fassungen aus den früheren Manuskripten mitzuteilen, wäre schwierig und umständlich gewesen, hätte viel Raum beansprucht und störend gewirkt. Wer etwa künftig genauere Nachforschungen anstellen will, kann selbst die Manuskripte einsehen, die ich, wenn dieser Band erschienen sein wird, dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem übergeben werde, damit sie mit dem übrigen bereits dort liegenden literarischen Nachlaß Droysens vereinigt werden.



XIV



Natürlich mußte das Abzudruckende, so sorgfältig auch die Hefte ausgearbeitet worden sind, doch nach mancher Richtung hin noch für die Drucklegung hergerichtet werden. Denn wirklich druckreif ist auch das letzte Heft nicht. Der Verfasser würde es, wenn er selbst es hätte veröffentlichen wollen, zweifellos noch einer vielleicht sehr erheblichen Bearbeitung unterzogen haben. Vom fremden Herausgeber aber durfte nur das unbedingt nötige getan werden. Es schien ihm richtig, zwar mit größter Pietät, aber nicht mit übertriebener Pedanterie zu verfahren. Um mit dem Äußerlichsten zu beginnen, so wurden die wenigen Zusätze des Herausgebers grundsätzlich in eckige Klammern [ ] eingeschlossen. Ferner wurde durchgehends die jetzt geltende Rechtschreibung befolgt und ebenso die Interpunktion dem heutigen Gebrauch angepaßt. Die Namen wurden in der richtigen Schreibweise gegeben; nur bei den griechischen hielt ich es nicht für erforderlich, eine einheitliche Form durchzuführen. Daher finden sich Aischylos und Aeschylus, Pheidias und Phidias, Ptolemaios und Ptolemäus u. a. Kleine stilistische Ungenauigkeiten oder Unschönheiten, etwa durch spätere Einschübe verursacht, wurden ohne weiteres verbessert und geglättet. Größere Eingriffe aber sind auch da, wo offenbar die Fassung noch nicht druckreif ist, unterblieben. Nur wo gelegentlich, wie besonders am Anfang im letzten Heft mehrere Parallelfassungen vorlagen, wurde versucht, einen einheitlichen, in sich zusammenhängenden Text herzustellen. Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden die Überschriften der Abschnitte möglichst mit denen des Grundrisses in Übereinstimmung gebracht oder nach ihnen ergänzt, auch dessen Paragraphenzahlen da, wo sie im Heft fehlen, eingefügt. Nicht selten gestattet sich das Heft im Gegensatz zu der Knappheit des Grundrisses eine beträchtliche Breite und zwar, wie man leicht bemerkt, aus pädagogischen Gründen. So z. B. in dem Abschnitt über die Quellenkritik (S. 131 ff.). Gerade dies war ein Punkt, der Droysen ganz besonders am Herzen lag und den er dem Hörer so eindringlich wie möglich darlegen wollte. Hier zu kürzen, wäre ein unzulässiger Eingriff gewesen. An anderen Stellen aber konnten, ja mußten, wie mir schien, Streichungen und Kürzungen stattfinden. Denn der Dozent zwar wiederholt gern früher Gesagtes, schon einmal Gedrucktes braucht nicht wiederholt zu werden. Manchmal sind auch in dem Heft nur Stichworte eingetragen und wurde die zusammenhängende Darlegung dem Vortrag überlassen. Solche Aufzählungen finden sich besonders in den Abschnitten über



XV



die Urkunden und die Inschriften (S. 51 und 53). Sie durften füglich fortbleiben. Sie etwa selbst nachträglich zu stilisieren, konnte mir nicht einfallen. All derartiges war ja immer nur beispielhaft gemeint, und auch die gedruckte Vorlesung kann nicht die Aufgabe eines Handbuchs oder Grundrisses der Quellenkunde übernehmen wollen. Ähnliches hatte für die Literaturhinweise zu gelten. Im Heft finden sich nur selten genauere Titelangaben. Es wäre aber, wie mir scheint, pedantisch gewesen, die Titel zu vervollständigen oder einzusetzen, also etwa auf S. 49 den genauen Titel der dort angezogenen Publikation der Papiere des Kardinals Granvella nachzutragen, oder, wenn auf S. 45 in einer Klammer der ausgezeichnete Sagenforscher „Mannhardt in Danzig" genannt wird, dessen Schriften anzuführen. Und so in zahlreichen anderen Fällen. Auf bibliographische Vollständigkeit und Genauigkeit konnte es nirgends ankommen. Wer sich in solchen Fällen weiter unterrichten will, findet Hilfsmittel genug. Ob ich hier zu wenig getan, muß ich dem Urteil Berufener überlassen. Wie Meinecke es ausgesprochen hat und wie es nunmehr der Druck ergeben wird, bestand ein Hauptreiz der Vorlesung in den zahlreich eingestreuten Beispielen, die Droysen, einem „Universalhistoriker" von seltenem Ausmaß, aus allen Bereichen der Geschichte und aus den Gebieten der verschiedensten Wissenschaften in reicher Fülle und ungesucht zuströmten. Hier freilich erhoben sich beim Druck Zweifel. Das, was Droysen in den Beispielen gab, entspricht dem damaligen, aber oft nicht mehr dem heutigen Stande der Forschung. Manches wird heut anders gesehen, ist ergänzt, berichtigt worden, hat sich wohl gar als positiv falsch erwiesen. Wie sollte man sich in solchen Fällen verhalten ? Von den wenigen abgesehen, wo man nicht mehr zutreffende und entbehrliche Beispiele ohne Schaden streichen oder mit leisen Änderungen Irriges in ihnen beseitigen konnte, habe ich mich nicht zu Eingriffen entschließen können. Und gar berichtigende Anmerkungen hinzuzufügen, wäre mir als eine Verunstaltung des Textes vorgekommen. Dieser ist ja nicht heut, sondern vor 80 bis 50 Jahren niedergeschrieben worden, und wenn die Beispiele somit den damaligen Stand der Wissenschaft aufweisen, so scheint mir darin gerade ein besonderer Wert und Reiz zu liegen. Nachträgliche Veröffentlichungen, zumal solche von Vorlesungen, haben stets ihr Bedenkliches. Auch dieses posthum erscheinende Werk kann trotz aller Bemühungen keinen vollen Ersatz für eine von dem Verfasser selbst besorgte Herausgabe der Vorlesung bieten. Daß



XVI



Droysen einen solchen Gedanken zeitweise erwogen hat, geht aus dem Vorwort zur 2. Auflage des Grundrisses (unten S. 320) hervor. Dort erwähnt er, daß ihm der Wunsch ausgesprochen worden sei, den Grundriß weiter auszuführen und zu einem förmlichen Handbuch auszuarbeiten; er habe sich aber, da der Grundriß für einen anderen Zweck geschrieben worden, das „für jetzt" versagen müssen. Dann aber hat er im Drange seiner übrigen Verpflichtungen den Gedanken fallen lassen. Im Vorwort zur 3. Auflage spricht er nicht mehr davon und bezeichnenderweise druckt er in ihr zwar das Vorwort zur 1., nicht aber das zur 2. wieder ab. Manche werden es bedauern, daß er ein solches Handbuch nicht herausgegeben hat. Es würde, möchte man meinen, für die Wissenschaft und für ihn selbst höchst bedeutungsvoll geworden sein, und dann wäre auch, nach Meineckes zutreffenden Worten (S. 278), sein Unternehmen, von dem nun nur der Grundriß Kunde gab, nicht „längere Zeit über einer breiteren und für den Durchschnittsgeschmack bequemeren Ausführung seiner Absicht etwas vergessen worden". So wenig wie die gegenwärtige Veröffentlichung für ein eigenes Werk Droysens einzutreten vermag, kann sie die Vorlesung, wie sie einst wirklich gehalten worden ist, voll wiedergeben. Das lebendige Wort und die von ihm ausgehende Wirkung läßt sich niemals durch bedrucktes Papier ersetzen, und je stärker die Kraft und je leuchtender der Glanz des Wortes war, um so weniger. Und außerdem hat Droysen, wie bereits oben (S. XI) an einem Beispiel gezeigt wurde, gelegentlich an bedeutsamer Stelle den freien Vortrag eingeschaltet. Es sei noch auf ein anderes Beispiel hierfür hingewiesen. In dem Abschnitt, der von der monographischen Darstellungsform handelt, ist an der Stelle, wo als Beispiele ihrer Anwendung die Entwicklung eines Staates, einer Kirche, einer Verfassung u. a. genannt worden sind (unten S. 293), am Rande des Heftes mit flüchtigen Bleistiftstrichen die Bemerkung hinzugefügt: „so die Geschichte der Musik: immer neue Forderungen und Mittel, die an sie herantreten; die Geige, Palestrina usw.". Diesen offenbar bei der Vorbereitung auf die Vorlesung notierten Worten können wir entnehmen, daß hier wie an anderen Stellen so manches der Eingabe des Augenblicks überlassen wurde; und das war dann gewiß das Schönste. Wenigstens in einem Falle konnte eine solche Improvisation aufgenommen werden, nämlich die freigesprochenen Schlußworte (unten S. 315), die Meinecke mitgeschrieben und schon früher in seinem Droysen-Aufsatz (a. a. O. S. 287) veröffentlicht hat; er schrieb sie mir noch einmal auf und regte an, sie auch hier aufzunehmen; ich habe dieser Anregung gern entsprochen.

— XVII — Wenn das nun auch so ist, so darf man doch bei der Veröffentlichung gerade dieser Vorlesung mit dem Ersatz des an sich Unersetzlichen wohl zufrieden sein. Denn, wie es in dem später zu erwähnenden Werbeschreiben heißt, mit ihrer Veröffentlichung „wird im Verein mit den bereits aus dem Nachlaß herausgegebenen politischen Schriften und dem Briefwechsel Droysens seine solange verkannte Persönlichkeit in ihrer wissenschaftlichen und menschlichen Bedeutung, in der ganzen Kraft ihres Ethos wieder lebendig gemacht, wird einem weiten Kreise etwas von dem hinreißenden Eindruck vermittelt werden, den vor allem diese Vorlesung auf den Hörer ausgeübt hat". Und zugleich wird nun aus dieser Vorlesung deutlicher als aus dem knappen Grundriß und aus sonstigen Äußerungen Droysens jene dritte seiner großen Konzeptionen, wie Meinecke sie nennt, die „historistische", hervortreten. E s wird aus ihr hervortreten, daß „Droysens Beginnen, das vielumstrittene und immer wieder ins Schwanken geratende Wesen der Geschichtschreibung zu festigen und zu klären und eine philosophisch haltbare Theorie ihrer Methoden, Aufgaben und Leistungen zu schaffen, eine epochemachende Tat" gewesen ist, eine Tat, die, wie schon Ernst Meister1) klar auseinandergesetzt, wie Meinecke zusammenfassend angedeutet, dann Wach nach einer bestimmten Richtung hin näher begründet hat, eine selbständige, weiterführende und vorbereitende, wahrlich nicht zu übersehende „Etappe" in der Entwicklung der neueren „Historiologie" (Meinecke) auf dem Wege von Wilhelm von Humboldt und Schleiermacher zu Dilthey, Windelband, Rickert und Simmel und dann zu Spranger und Rothacker darstellt. Die Eigenartigkeit der Droysenschen Leistung liegt nicht zum wenigsten darin, daß im Unterschied zu jenen Denkern — und auch das tritt durch diese Veröffentlichung erst recht ans Licht — hier die philosophischen Grundlagen der Geschichtschreibung ausführlich und systematisch von einem großen Geschichtschreiber erörtert werden, der freilich in einem Maße wie kaum ein anderer deutscher Historiker das philosophische Rüstzeug besaß, um Philosophie treiben zu können. Von Anfang an stand für mich fest, daß der Druck der Vorlesung durch einen Wiederabdruck des Grundrisses der Historik ergänzt werden müsse. Zwar hat der Grundriß, wie bereits bemerkt worden ist, auch ohne die Vorlesung seinen Weg gemacht. Aber umgekehrt ist für die Vorlesung der Grundriß unentbehrlich. Wie einst der Hörer 1 ) Die gescliichtsphilosophischen Voraussetzungen von Johann Gustav Droysens Historik. Historische Vicrteljahrschriit 23, 1928, S. 2 5 — 6 3 . 1 9 9 — 2 2 1 .



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ihn vor Augen hatte, so muß ihn auch der Leser zum Nachschlagen bequem zur Hand haben. An vielen Stellen verweist das Heft auf den Grundriß, und ich habe mir erlaubt, einige weitere Verweisungen ohne besondere Kenntlichmachung hinzuzufügen. Ferner, was wichtiger ist, es steht manches im Grundriß, was sich entweder gar nicht oder nicht im gleichen Zusammenhang oder nicht in gleicher Ausführlichkeit im Heft findet. Konnte also kein Zweifel bestehen, daß der Grundriß zur notwendigen Unterstützung des Lesers hier noch einmal abzudrucken sei, so war die Frage, wie das zu geschehen habe, sehr viel einfacher zu lösen als beim Heft. Der Abdruck hatte selbstverständlich nach der letzten vom Verfasser selbst besorgten Auflage, d. h. der dritten, zu erfolgen. Diese hat die bis dahin befolgte Einteilung des Stoffes etwas umgeändert, nämlich den Abschnitt „Darstellung" oder, wie es nunmehr heißt, „Topik", der früher neben und hinter Heuristik, Kritik, Interpretation den vierten Unterabschnitt der Methodik bildete, aus der Methodik herausgenommen und als einen dieser und der Systematik gleichgeordneten, d. h. als dritten Hauptabschnitt an den Schluß des Ganzen gestellt. Es habe sich das, bemerkt das Vorwort zur 3. Auflage „,in wiederholten Vorträgen als zweckmäßiger erwiesen". Immerhin ist damit die frühere wundervolle Steigerung am Ende des Werks, gipfelnd in dem Hinweis auf das Zeugnis Johannes des. Täufers, geopfert worden. Mit Rücksicht darauf, daß bereits Pflaum (vgl. oben S. VIII) die Abweichungen, die die drei Auflagen untereinander aufweisen, vor allem aber die Abweichungen des Manuskriptdrucks von ihnen registriert hat, aber keineswegs erschöpfend, habe ich es für meine Pflicht gehalten, nunmehr diese Varianten so genau wie möglich zu verzeichnen ohne, was mir unwissenschaftlich schien, zwischen wichtigeren und unwichtigeren zu unterscheiden. Das ist in den Anmerkungen zum Text des Grundrisses geschehn. Selbstverständlich wurden auch die in allen drei Auflagen angeschlossenen „Beilagen" wieder abgedruckt und dazu die zum erstenmal von Rothacker aufgenommene „ Privatvorrede" zum Hellenismus (oben S. VII), der er die zutreffende, aus dem Text ohne weiteres zu entnehmende Überschrift „Theologie der Geschichte" gegeben hat. Droysen sagt im Vorwort zur ersten Auflage des Grundrisses (unten S. 319), das auch in den folgenden wieder abgedruckt wurde, er habe „vorgezogen, diesen Aufsatz noch zurückzulegen, da es den Leser nicht so wie mich interessieren zu können schien, auf welchen Wegen, von welchem Punkte aus ich zu den Ergeb-



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nissen gelangt bin, die ihm nun vorliegen". Diese für Droysen höchst bezeichnenden Worte gelten schon lange nicht mehr, sondern machen, wie Rothacker mit Recht sagt, den Wiederabdruck an dieser Stelle geradezu zur Pflicht. Nur habe ich der Privatvorrede die erste Stelle unter den Beilagen eingeräumt, denn es schien mir angezeigt, die zeitliche Ordnung einzuhalten. Ich habe sie nach dem Originaldruck wiedergegeben, aber doch auch (S. 379) die Anmerkung beibehalten, die mein Vater hinzufügte, als er den Aufsatz im 1. Bande der Kleinen Schriften zur Alten Geschichte1) (S. 298ff.) zum erstenmal veröffentlichte und damit der unverdienten Vergessenheit entriß. Ich habe geschwankt, ob ich nicht auch die Besprechung einiger geschichtstheoretischer Neuerscheinungen abdrucken sollte, die Droysen in dem ersten, 1880 erschienenen Bande der Jahresberichte der Geschichtswissenschaft2) erscheinen ließ. Sie enthält einige allgemeine Betrachtungen ganz im Sinne der Vorlesung und des Grundrisses, hätte aber doch den Leser auf Gleichgültiges abgelenkt und wie ein Fremdkörper gewirkt. So Heß ich sie fort, möchte aber, da sie ganz vergessen zu sein scheint, hier auf sie hinweisen. Wohl aber habe ich als letzte „Beilage" die Antrittsrede aufgenommen, die Droysen am 4. Juli 1867 bei seinem Eintritt in die Berliner Akademie gehalten hat. Sie läßt in seinen eigenen Worten die Bedeutung erkennen, die die „Historik" in seinem Gesamtwerk gehabt hat, und gibt damit dem vorliegenden Werk den besten Abschluß. Daß sie bereits im Briefwechsel (2, 888 ff.) neu abgedruckt worden ist, konnte kein Hinderungsgrund sein. So die Gesichtspunkte und Grundsätze, nach denen ich verfahren bin. Ich kann nur hoffen, daß ich einigermaßen das Richtige getroffen und das Erreichbare erreicht habe. Daß ich aber überhaupt diesen Band veröffentlichen konnte, das erfüllt mich mit großer Freude und mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit. Schon lange schwebte mir dies Ziel vor Augen. Aber als ich alles zum Druck vorbereitet hatte, verschlechterten sich die Aussichten für das Erscheinen eines solchen Werkes immer mehr. So richtete ich an Friedrich Meinecke die Anfrage, ob nicht die Preußische Akademie der Wissenschaften die Herausgabe übernehmen und mich mit ihr Kleine Schriften zur Alten Geschichte [herausgegeben von Emil Hübner]. Zwei Bände. Leipzig 1894. *) Jahresberichte der Geschichtswissenschaft I. Jahrgang 1878. Berlin 1880, S. 626—635.

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beauftragen wolle. Meinecke ging sogleich bereitwilligst darauf ein, und auf seinen, durch Ernst Heymann unterstützten Antrag faßte die Akademie am i. März 1934 einen dementsprechenden Beschluß. Da aber ihre eigenen Mittel nur eine kleine Beihilfe erlaubten, so wollte sie den erforderlichen Druckzuschuß von der deutschen Notgemeinschaft erbitten. Allein auch diese konnte die Unterstützung nicht leisten. So geriet die Angelegenheit wieder ins Stocken, und als auch verschiedene andere Versuche fehlschlugen, mußte ich mich auf ein Scheitern des Unternehmens gefaßt machen. Da erklärte zu Anfang dieses Jahres Herr General Buchfinck, ein warmer Verehrer Droysens, mir seit seiner Jenaer Dozentenzeit her nahe bekannt und von mir über das Unternehmen schon seit langem und nun über seine trüben Aussichten unterrichtet, wenn nicht anders zu helfen sei, so müßte das Geld auf privatem Wege beschafft werden. E r setzte sich mit Herrn Reichsminister a. D. Exzellenz Schiffer in Verbindung. Es wurde ein Werbeschreiben, unterzeichnet von den Historikern Otto Hintze, Friedrich Meinecke, Heinrich Ritter von Srbik, Ulrich Wilcken, den Generalen Buchfinck und Exzellenz von Cochenhausen und von mir, an einen weiteren Kreis von Verehrern Droysens, Vertretern und Liebhabern der Geschichtswissenschaft verschickt und hatte sehr bald den gewünschten Erfolg, freilich nicht so sehr hinsichtlich der Anzahl der Spender als vielmehr in der Höhe mancher Zeichnungen. Auch bestätigte die Akademie am 7. Mai 1936 ihren früheren Beschluß. Anfang August konnte der Druck begonnen und in vier Monaten durchgeführt werden. Allen gütigen Förderern des Werkes möchte ich an dieser Stelle von Herzen danken, vor allem General Buchfinck und Exzellenz Schiffer, ohne deren zupackende Energie es gescheitert wäre, dann den Unterzeichnern des Werbeschreibens und — ich darf dabei wohl zugleich in deren Namen sprechen — den hochherzigen Spendern der Beiträge, der Preußischen Akademie, zumal ihrem Mitgliede Friedrich Meinecke, der in ihr von Anfang an auf das wärmste für die Sache eingetreten ist, endlich denen, die mich freundlichst bei der Korrektur unterstützt haben, meinem hiesigen Kollegen, dem Altphilologen Friedrich Zucker, und wiederum General Buchfinck. Ich betrachte es als eine große Gunst des Schicksals, daß es mir vergönnt gewesen ist, den früheren Veröffentlichungen nun auch noch diese folgen lassen zu können. Indem ich das, was noch zu tun übrig bleibt — die immer noch fehlende vollständige Sammlung von Droysens kleinen Schriften zur Neuen Geschichte und eine Veröffentlichung seiner den historischen Unterricht, das historische Studium,

— XXI — das Archivwesen und Ähnliches betreffenden Denkschriften — der Zukunft überlasse, beendige ich nunmehr die beglückende Tätigkeit, die ich durch ein Vierteljahrhundert dem Andenken meines Großvaters habe widmen dürfen. J e n a , 18. Oktober 1936 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Es erfüllt mich mit Freude, daß von diesem Werk nach Ablauf von wenig mehr als sechs Jahren trotz der Ungunst der Zeit eine zweite Auflage notwendig geworden ist. Sie ist ein unveränderter Abdruck der ersten; nur die in dieser verzeichneten Berichtigungen sowie einige wenige weitere sind in den Text eingetragen worden. Jena, 18. Januar 1943 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR D R I T T E N A U F L A G E Auch die dritte Auflage ist wie die zweite bis auf berichtigte Druckfehler ein unveränderter Abdruck der ersten Auflage. September 1958.

DER VERLAG

— XXI — das Archivwesen und Ähnliches betreffenden Denkschriften — der Zukunft überlasse, beendige ich nunmehr die beglückende Tätigkeit, die ich durch ein Vierteljahrhundert dem Andenken meines Großvaters habe widmen dürfen. J e n a , 18. Oktober 1936 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Es erfüllt mich mit Freude, daß von diesem Werk nach Ablauf von wenig mehr als sechs Jahren trotz der Ungunst der Zeit eine zweite Auflage notwendig geworden ist. Sie ist ein unveränderter Abdruck der ersten; nur die in dieser verzeichneten Berichtigungen sowie einige wenige weitere sind in den Text eingetragen worden. Jena, 18. Januar 1943 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR D R I T T E N A U F L A G E Auch die dritte Auflage ist wie die zweite bis auf berichtigte Druckfehler ein unveränderter Abdruck der ersten Auflage. September 1958.

DER VERLAG

— XXI — das Archivwesen und Ähnliches betreffenden Denkschriften — der Zukunft überlasse, beendige ich nunmehr die beglückende Tätigkeit, die ich durch ein Vierteljahrhundert dem Andenken meines Großvaters habe widmen dürfen. J e n a , 18. Oktober 1936 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Es erfüllt mich mit Freude, daß von diesem Werk nach Ablauf von wenig mehr als sechs Jahren trotz der Ungunst der Zeit eine zweite Auflage notwendig geworden ist. Sie ist ein unveränderter Abdruck der ersten; nur die in dieser verzeichneten Berichtigungen sowie einige wenige weitere sind in den Text eingetragen worden. Jena, 18. Januar 1943 RUDOLF HÜBNER

VORWORT ZUR D R I T T E N A U F L A G E Auch die dritte Auflage ist wie die zweite bis auf berichtigte Druckfehler ein unveränderter Abdruck der ersten Auflage. September 1958.

DER VERLAG

EINLEITUNG Vorbemerkung Der Name, unter dem ich diese Vorlesung angekündigt habe, gibt nur eine ungefähre Umschreibung dessen, was ich beabsichtige. Ich will Ihnen nicht eine Übersicht der einzelnen Disziplinen geben, die zum Studium der Geschichte gerechnet zu werden pflegen, noch eine Anweisung (Hodogetik), wie man dies Studium einzurichten, wie von einer zur anderen Stufe aufzusteigen habe. Mein Zweck ist ein anderer, ein in anderem Sinn praktischer. In unseren akademischen und Staatsprüfungen ist das Fach der Geschichte als ein besonderes anerkannt; und die Zahl derer, welche, wie der Ausdruck lautet, Geschichte studieren, wächst fort und fort. Was heißt das nun: Geschichte studieren? Was meinen die Prüfungen mit dem Fach der Geschichte? Von der Schule kommend, meint man nicht anders, als daß die wichtigsten Begebenheiten alter und neuer Zeit, namentlich die politischen, die Geschichte sind. Ungefähr dasselbe, nur in größerer Vertiefung und Spezialisierung, bieten dann die Vorträge der Universität, daneben eine gewisse Methode, wie man selbst forschend aus den Quellen und mit der Kritik der Quellen neue Resultate gewinnen wird. Bei dem großen Umfang, den bereits diese Forschungen haben, gewöhnt man sich mehr und mehr daran, nicht mehr das ganze Gebiet der Geschichte zu umfassen, sondern zu spezialisieren, etwa nur die alte Geschichte oder nur die neue oder nur die Geschichte des deutschen Mittelalters zu studieren, als wären das besondere Wissenschaften. Worin besteht nun der wissenschaftliche Charakter dieser Studien ? In welchem Zusammenhang steht mit diesem Moment ihre Methode ? Es scheint mir für jeden, der sich diesen Studien zuwenden will, von Interesse zu sein, darüber ins klare zu kommen, diese Studien nach ihrer Rechtfertigung, nach ihrem Verhältnis zu anderen Formen und Richtungen der menschlichen Erkenntnis, nach der Eigenartigkeit ihrer Aufgabe, nach der Begründung ihres Verfahrens zu fragen. Fragen, die bisher kaum noch und am wenigsten in den Kreisen der Historiker selbst ernstlich erwogen worden sind. Daher die nicht



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eben erfreuliche Erscheinung, daß die anderen Wissenschaften nicht recht wissen, woran sie mit uns sind und was in unsere Kompetenz gehört. Daher die nicht minder unerquickliche Erscheinung, daß andere Wissenschaften bald dies, bald das von unsrem Gebiet in Anspruch nehmen und von dem Rest sagen, was der Geschichte übrigbliebe, gehöre der Phantasie an oder sei eine bloße Anhäufung von zufälligen und äußerlichen Notizen, oder wie die abschätzigen Urteile weiter lauten. Der Zweck dieser Vorlesung ist, die angedeuteten Fragen zu erörtern und damit eine Übersicht der Aufgabe der historischen Wissenschaft und der Art, wie sie sie zu lösen hat, zu geben. Vor allem, wie kommen wir dazu, von Geschichte und Wissenschaft der Geschichte zu sprechen?

I Die Geschichte §§ i—7

Der Ausgangspunkt Es liegt in der Natur der Sache, daß wir uns die Definition unserer Wissenschaft und die Regel ihres Verfahrens nicht leihweise aus anderen Wissenschaften entnehmen. Denn wir würden damit unter deren Norm treten und von deren Methoden abhängig werden. Wollten wir, wie in unserer Zeit so oft gefordert wird, die Geschichte nach der Methode der Naturwissenschaften behandeln und sagen, sie sei nur so weit wissenschaftlich, als sie auch die geschichtliche Welt auf die Mechanik der Atome zurückführt, so würde die Geschichte nur eine der Naturwissenschaften sein. Während doch die Naturwissenschaften anerkennen, daß sie mit ihrer Mechanik der Atome keinesfalls alles, was in den Bereich der empirischen Forschungen fällt, zu erklären vermögen. Wenn dem so ist, so müssen für diesen Rest, wie groß oder klein er denn sein mag, andere Erkenntnisformen gefunden werden können, solche, die für die Eigenartigkeit der Erscheinungen, die in diesen Rest fallen, die entsprechenden sind, aus diesen Eigenartigkeiten sich ergeben, für welche sie die geeigneten sein sollen. Empirisch, wie unsere Wissenschaft sein will, können wir nicht anders, als in empirischer Weise unsern Ausgangspunkt finden und nehmen. Wir finden in unserer Vorstellung das Wort Geschichte. Wir brauchen es mit einem ungefähren Gefühl seiner Bedeutung. Wir bemerken, so wie wir unserer selbst uns bewußt werden, daß wir eine unermeßliche Fülle von Vorstellungen, Anschauungen und Erinnerungen, von Erfahrungen und Gewißheiten in uns tragen, die sich auf nicht mehr vorhandene, auf vergangene Dinge beziehen, nicht, wie andere Vorstellungen, auf das noch Seiende und sinnlich Wahrnehmbare — Vorstellungen und Erinnerungen, deren Zusammenfassung und Gegenwärtigkeit unser Ich umschließt und bestimmt, das Organ unseres Wollens und Könnens ist.



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Das, was wir so haben, ist äußerlich und der Wirklichkeit nach nicht mehr, ist, da es in seinem äußerlichen Sein vergangen ist, nur noch als Erinnerung und Vorstellung in unserem Geist, nur da noch lebendig und von da aus in fortdauernder Wirkung und Mitwirkung. Wir meinen mit dem Wort Geschichte die Summe dessen, was im Lauf der Zeit geschehen ist, soweit irgend unser Wissen davon reicht, — so wie wir analogerweise das Wort Natur brauchen, um alles zu befassen, was irgendwo im Raum ist, soweit unser Wissen davon und unser Erforschen reicht. [i. Raum und Zeit.] An dieser Stelle muß ich eine Bemerkung einschalten, die für unsere Frage von elementarer Bedeutung ist. Sie betrifft die Art unserer sinnlichen, d. h. empirischen Wahrnehmungen und ist somit normativ für die Art unseres empirischen Erkennens. E s ist die sog. spezifische Energie unserer Sinnesnerven, wie die neuere Physiologie sie aufgeklärt hat (Wundt, Physiologische Psychologie 1874). Sie lehrt, daß die Empfindungen, welche verschiedenen Sinnesnerven angehören, z. E. blau, süß, warm, hochtönend, vollständig gesonderte Kreise bilden. Dieselben Luftschwingungen, welche das Ohr als Ton fühlt, fühlt wenigstens in den tieferen Tönen die Haut als Schwirren, das Auge als Schwingung der Saite. Jeder dieser Sinne empfindet dieselbe Erscheinung anders, jeder nach seiner Art. Und andererseits: jeder unserer Sinne, wie immer angeregt, empfindet nur in seinem Empfindungskreise; so z. E. die Erregung des Sehnervs, sei sie durch beleuchtete Gegenstände oder durch einen Druck auf den Augapfel oder durch elektrische Ströme, welche man durch das Auge leitet, hervorgebracht, erzeugt nur Lichtempfindungen; das Auge selbst und an sich unterscheidet nicht, auf welche Weise die Erregung entstanden ist, durch welche es diese Lichtempfindung hat. Ebenso das Ohr, der Geschmack usw. Also nicht an sich sind die Dinge blau, süß, warm, hochtönend, sondern dies sind Empfindungen, welche deren Einwirkung in dem betreffenden unserer Sinne veranlaßt; nicht das Einwirkende ist blau, warm, süß usw. W i e die Einwirkung empfunden wird, gehört dem Sinn an, der sie aufnimmt. Also die Empfindung ist nicht ein A b b i l d in unserer Seele von dem, was auf sie eingewirkt hat, sondern nur ein Zeichen, das der Sinn in das Gehirn hinauftelegraphiert, ein Signal von der geschehenen Einwirkung. Denn ein Abbild würde irgendeine Ähnlichkeit mit dem abgebildeten Gegenstande fordern. Ein Zeichen braucht keinerlei Ähnlichkeit der Art mit dem Bezeich-



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neten zu haben; die Beziehung zwischen beiden ist nur, daß der gleiche Gegenstand unter gleichen Umständen einwirkend dieselben Zeichen hervorruft, daß also ungleiche Zeichen immer ungleichen Eindrücken entsprechen. Wie subjektiv, d. h. ganz unserer Sinnesempfindung angehörig diese Zeichen sein mögen, sie sind keineswegs leerer Schein, sondern jedes von ihnen ist eben ein Zeichen von etwas, sei es etwas Bestehendem oder etwas Geschehendem. Und indem gleiche Kombinationen von Einwirkungen in jedem betreffenden unserer Sinne die gleichen Zeichen seines Bereiches hervorrufen, wiederholt sich aus der Einwirkung gleicher Eindrücke auf die Sinne und deren Hinaufleitung in das Gehirn dort immer die gleiche Kombination der entsprechenden Zeichen. Wenn die reife Pfirsich einmal von dem Auge als purpurn, von den Geschmacksnerven als süß, von dem Tastsinn als weich empfunden worden ist, so wiederholt sich bei dem späteren Anblick einer reifen Pfirsich in unserer Seele dieselbe Kombination von Zeichen, und diese Kombinationen wiederholen sich aus den bezeichnenden Momenten für die Reife der Frucht. Wie wir im Dunklen mit den Fingerspitzen tastend uns über die Gegenstände, die da sind, ob sie Flächen, Körper, ob sie hoch, breit, nebeneinander oder getrennt sind, orientieren, indem die zehn Finger wie die beweglichen Arme eines Tasterzirkels wirken, so tasten alle unsere Sinne zugleich an den Gegenständen außer uns herum, um von ihnen Einwirkungen zu empfangen, die jeder der Sinne nach seiner Art aufnimmt und in die Seele telegraphiert, und dann summierend zu finden, welche Kombination von äußeren Zeichen sich damit ergibt. Wir haben in diesen Zeichen und ihren Kombinationen nicht Abbilder der Wirklichkeiten, wohl aber ein den Wirklichkeiten entsprechendes System von Wahrnehmungen, das beweglich, mannigfaltig und fein genug ist, um das, was um uns her und in stetem Wechsel ist und geschieht, in der entsprechenden wechselnden Kombination unserer Zeichen zu begleiten und zu beobachten. Wie wenig wir uns naturalistischerweise dessen bewußt sein mögen, in unserer Welt der Zeichen und zunächst nur in ihr haben wir die ganze Welt des Seienden und Geschehenden außer uns, wie in der Buchdruckerei der Setzer in seinem Letternkasten die Worte, Sätze, ganze Bücher hat. Und in immer neuem Tasten und Wahrnehmen unserer Sinne, in der so immer neuen Kontrolle der Systeme von Zeichen in uns gewinnen wir zwar nicht ein Abbild des Seienden und Geschehenden, wohl aber eine rastlos sich erweiternde und ergänzende und berichtigende Vorstellung von demselben.



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Das ist die Grundlage aller Empirie. Nicht die Welt von Erscheinungen gibt uns diese Zeichen, sondern aus den Einwirkungen auf unsere Sinne macht erst die besonders geartete Natur unserer verschiedenen Sinnesnerven und unserer spontanen und eigenartigen Tätigkeit mit diesen Werkzeugen das, was uns aus dieser Einwirkung resultiert. Von außen erregt bildet sie die unendlichen Systeme von Zeichen, in denen sich uns die Welt der Erscheinungen in unserer Seele projiziert und nach unserer Art wiederholt. Und in dieser ihrer eigenen Tätigkeit entwickelt sich unsere Seele zu besonderer und spontaner Kraft, sie wird Geist. Alle Bewegungen draußen, die so unser Geist durch die Sinne wahrnimmt und wahrgenommen hat, sammelt er, hat er präsent, zerlegt und verbindet er sich nach ihren mannigfaltigen Modalitäten, unter denen ihr zeitliches Nacheinander, ihr räumliches Nebeneinander die ersten und allgemeinsten sind. Diese beiden Formen ergeben sich nicht aus den oder jenen besonderen Sinnesempfindungen, sondern sozusagen aus unserer sinnlichen Gesamtempfindung, der, daß wir selbst inmitten der endlos zerstreuten und rastlos bewegten Wirklichkeiten stehen und mitbewegt werden, und doch darin ein in sich Gesammeltes und Beschlossenes, ein fester Punkt, ein Ich sind. Raum und Zeit sowenig wie alle anderen Modalitäten oder Register in unserer Auffassung und dem System ihrer Zeichen sind als solche in der Außenwelt; da ist nur die rastlose Zerstreutheit und Bewegung, die so oder so differenzierten Schwingungen, die unsere Sinne wahrnehmen als Farben, Wärme, Töne, die Schwere nur als gehemmte Fallbewegung usw.; als Farbe, Wärme, Ton, als Schwere, als Raum und Zeit registriert nur unser Geist die empfangenen Sinneseindrücke, und erst durch diese Sinneseindrücke gewinnen wir für die an sich leeren Kategorien Farbe, Wärme, Ton die Differenzierungen in verschiedene Farben, Töne. Daß wir diese Einwirkungen der Wirklichkeiten auf uns zunächst nach Raum und Zeit auffassen, und daß wir unser System von Zeichen danach in zwei große Gebiete zerlegen, hat seinen Grund darin, weil diese beiden Formen oder Register sich als die allgemeinsten erweisen, als diejenigen, in die sich alle anderen, Wärme, Töne, Farbe, Schwere usw., einordnen und subsumieren lassen. Denn diese beiden Anschauungen Raum und Zeit umfassen die weitesten Alternativen, und mehr: sie erweisen sich in der Art korrelativ, daß uns in ihr Entweder-Oder alles fällt, wovon wir wahrnehmend Kunde empfangen. Raum und Zeit verhalten sich wie



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Stetigkeit und Rastlosigkeit, wie Ruhe und Eile, wie Gebundenheit und Ungehemmtheit, wie Stoff und Kraft. Alle Bewegung besteht darin, daß die Zeit immer von neuem den trägen Raum überwindet und in den Fluß des Werdens setzt — der Raum immer wieder die nur flüchtige Zeit zur Ruhe des Seins zu hemmen und auszubreiten strebt. Aber diese allgemeinsten Anschauungen Raum und Zeit sind leer, solange sie nicht einen diskreten Inhalt dadurch bekommen, daß wir sie durch das Nebeneinander und Nacheinander der Einzelheiten bestimmen und füllen. Das Nacheinander und Nebeneinander bestimmen heißt die Einzelheiten in Raum und Zeit unterscheiden, heißt nicht bloß sagen, daß sie sind, sondern was sie da sind. [2. Die Doppelheit des menschlichen Wesens.] Noch ein zweites Resultat ergibt sich uns aus diesen Betrachtungen. Unser menschliches Wesen, die Bedingung unseres Erkennens und Wissens, ist von einer scharf ausgeprägten Doppelheit, zugleich sinnlich und geistig, zugleich inmitten der rastlos bewegten Welt der Erscheinungen, von ihnen und mit ihnen umgetrieben, und zugleich in seiner geistigen Art, in seinem Ichsein in sich gesammelt und geschlossen derselben gegenüber. Dies Ichsein ist nicht bloß Leben, wie es auch die Pflanze hat, nicht bloß sensitive Seele, wie sie auch die Tiere haben. Wie hochbegabt manche unter den Tieren sein mögen, bis zur Höhe des Ichseins, bis zum Sprechen, Denken, geistigen Schaffen bringt es, soweit unsere Beobachtung reicht, kein Tier. Aristoteles, De anima II, 4. 2, sagt : Das Tier erzeugt wieder ein Tier, die Pflanze wieder eine Pflanze, damit sie an dem Immer und dem Göttlichen teilhaben (Iva rov òsi xal zov &siov fjsièxooi). Also in der Kontinuität der Gattung haben sie ihren Anteil an dem Göttlichen und Ewigen; die Gattung ist das Dauernde, die Idee, die in dem einzelnen Tier, der einzelnen Pflanze zur Erscheinung kommt, und zwar so kommt, daß sich in jeder dieser Erscheinungen die Gattung wiederholt und periodisch verläuft. Aristoteles fügt hinzu : das Tier und die Pflanze, d. h. die einzelne individuelle Erscheinung, bleibt nicht selbst, sondern gleichsam selbst : ovx airtò aU.à olov avrò, nicht der Zahl nach Eins, sondern der Gattung nach Eins. Im Gegensatz hierzu zeichnet sich die Menschenart. In ihr ist die ¿TiiöocTiG dg avrò, daß sie fort und fort einen Zuwachs zu sich selbst hinzufügt, daß sie mit jedem neuen und individuellen Erscheinen ein Neues und ein Mehr schafft. Der Mensch hat an dem Göttlichen und Ewigen noch in anderer Weise teil, als daß er animalisch nur ein

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olov avrò zurückließe. Denn das Menschliche gewinnt in jedem neuen Individuum eine htiòoaiq elg avrò, und der einzelne ist eben darum von eigenem Wert, von individuellem Interesse und in der fortschreitenden Reihe der Entwicklung wesentlich. Eben darum ist es ihm gegeben, in dem, was er schaffend leistet, sein avtóxatov zurückzulassen, den Ausdruck und Abdruck, die Spiegelung seines eigensten Seins. Und eben dies sein in Formen schaffendes und neuschaffendes Wesen gehört der geschichtlichen Betrachtung. Auch der Mensch hat seine kreatürliche Seite, aber das genus homo ist doch nicht bloß Tier; dieser sein naturalistischer Gattungsbegriff füllt nicht sein ganzes Wesen aus wie bei Tier und Pflanze; man könnte sagen, statt des Gattungsbegriffs ist ihm die Geschichte. Und die sich immer höher summierenden Erkenntnisse und Formungen des Menschengeschlechts sind ihr Inhalt. Diese scharf ausgeprägte Doppelheit des menschlichen Wesens begründet die großen Kreise der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die der menschliche Geist erarbeitet. Bei dem geistig-sinnlichen Wesen unsres Ich können diese Erkenntnisse entweder von der sinnlichen oder der geistigen Seite ihren Ausgang nehmen, entweder empirisch oder spekulativ sein, d. h. entweder so, daß der Geist sich der Welt draußen beobachtend und forschend zuwendet, oder so, daß das denkende Ich in der Fülle des Inhalts, den es gewonnen, sich in sich selbst erfaßt und vertieft. Freilich nicht ein Gegensatz objektiver A r t ; denn in beiden Formen ist dasselbe erkennende Ich tätig und mit demselben Material tätig, nämlich mit jenen Systemen von Zeichen, die, empirisch hervorgerufen, aber geistig geordnet und zu Vorstellungen, Worten, Gedanken kombiniert in uns sind. Inmitten der Welt der Erscheinungen stehend kann das denkende Ich sich nur dadurch fassen und erkennen, daß es seinen Gegensatz zu der Welt draußen, dem Nicht-Ich festhält und entwickelt. Und wieder das denkende Ich kann sich der Sinnenwelt gegenüber nur darum empirisch verhalten, weil es sich als geistig eins und Totalität weiß und die endlos zerstreute Mannigfaltigkeit draußen wie in einem Focus zusammenfaßt. E s kann von diesem Mittelpunkt aus auf die Welt draußen bewußt und zweckgemäß einwirken, indem es nach demselben System von Zeichen, die es dorther entnommen, durch seine Sinneswerkzeuge dahin gleichsam reagiert und sich, so weit es dann reicht, seine Peripherie zurech tschiebt. So haben wir den Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen gewonnen.



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Geschichte und Natur Die entscheidende Frage ist, was uns die Norm gibt und sozusagen berechtigt, aus dem Chaos der empirischen Wahrnehmungen die einen als Geschichte, die andern als Natur zusammenzufassen? Wir wissen, daß alles, was im Raum ist, zugleich in der Zeit ist und umgekehrt, daß also nicht objektiv sich die Dinge außer uns in Natur und Geschichte trennen, daß Raum und Zeit nur die allgemeinsten Kategorien sind, nach denen wir uns die Summe aller Erscheinungen zerlegen und ordnen können. Unsere Auffassung wird die Erscheinungen in die eine oder andere Reihe stellen, je nachdem der Moment der Zeit oder des Raumes ihr als das Überwiegende erscheint. Wir wissen sehr wohl, daß auch Sonne, Mond und Sterne, daß auch der Stein, die Pflanze, das Tier in der Zeit sind; aber für den Stein, wie er denn ist, hat die Zeit höchstens die Bedeutung, ihn verwittern zu machen. Die Pflanze, das Tier hat wohl einen zeitlichen Verlauf, aber das Weizenkorn, in die Erde gelegt, wird durch Halm, Blüte, Ähre zu einer Wiederholung gleicher Körner. Und ähnlich das Tier, ähnlich das Gesamtleben der Erde, die ganze siderische Welt, deren Wesentliches uns ihr regelmäßiges Auf- und Niedergehen ist. Das Moment der Zeit erscheint uns da sekundär, die unendliche Reihe Zeit zerlegt sich in diesen Gestaltungen in gleiche sich wiederholende Kreise oder Perioden, wie die Algebra es nennt. Für das individuelle Leben des Tiers, der Pflanze, haben wir kein anderes Verständnis als das der in ihnen sich wiederholenden Perioden, das ihrer Stofflichkeit, der physikalischen und chemischen Gesetze, die in ihnen zur Wirksamkeit kommen; unsere Erforschung an ihnen sucht schließlich die Mechanik der Atome, welche sie so sein und werden läßt, wie sie sind. Also in den Erscheinungen dieser Reihe fassen wir nur das Stetige, Stoffliche, an dem sich die Bewegung vollzieht, die Regel, das Gesetz, nach dem sie sich vollzieht, — suchen wir das im Wechsel Gleiche, das in der Veränderlichkeit Bleibende auf; das Moment der Zeit scheint uns überall hier sekundär. Aber die allgemeine Anschauung Raum gewinnt hier ihren diskreten Inhalt, den eines unendlich sich ausbreitenden Seins, und die Gesamtheit der sich uns so darstellenden Erscheinungen des Seins und des im Kreise sich drehenden Werdens fassen wir auf als Natur. In anderen Erscheinungen tritt uns als das Wichtigere das im Bleiben Veränderliche, im Gleichen Wechselnde entgegen. Denn da sehen wir, daß in der Bewegung nicht immer wieder zu den gleichen Formen zurückgekehrt wird, sondern sich immer neue und entwickel-

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tere Formen gestalten, so neue, daß das Stoffliche, an dem sie erscheinen, wie zu einem sekundären Moment wird. Wir sehen hier ein stetes Werden neuer individueller Bildungen. Jede neue nicht bloß eine andere als die frühere, sondern aus früheren hervorgehend und von ihnen bedingt, so daß sie die früheren voraussetzt und ideell in sich hat, sie weiterführend und in der Weiterführung schon auf die noch weitere Gestaltung, die ihr folgen wird, hinweisend. Es ist eine Kontinuität, in der jedes Frühere sich erweitert und ergänzt durch das Spätere (èniòoois eis avrò), eine Kontinuität, in der die ganze Reihe durchlebter Gestaltungen sich zu fortschreitenden Ergebnissen summiert und jede der durchlebten Gestaltungen als ein Moment der werdenden Summe erscheint. In diesem rastlosen Nacheinander, in dieser sich in sich steigernden Kontinuität gewinnt die allgemeine Anschauung Zeit ihren diskreten Inhalt, den einer unendlichen Folgenreihe fortschreitenden Werdens. Die Gesamtheit der sich uns so darstellenden Erscheinungen des Werdens und Fortschreitens fassen wir auf als Geschichte. Auch in dem Bereich, den wir als Natur auffassen, sind Einzelwesen, Individualitäten; möglich, daß es auch für sie eine Bewegung des Fortschreitens, ein geschichtliches Leben gibt, freilich von einem Standpunkt aus, der außer dem Bereich unseres menschlichen Erkennens liegen würde. Soweit wir menschlicherweise sehen und beobachten können, hat nur die Menschenwelt diese Signatur der fortschreitenden Entwicklung der sich in sich steigernden Kontinuität. Denn so wie in uns selbst, so in allen diesen menschlichen Bereichen erkennen wir als die bewegende Ursache die Willenskräfte. Und der Wille ist gerichtet auf ein Etwas, das erst entstehen soll, auf eine Hervorbringung oder Veränderung, die zuerst nur ideell in uns existiert, d. h. noch nicht existiert, bis sie zur Tat geworden ist, also daß jeder solcher Willensakt gleichsam auf die Zukunft geht und das Gegenwärtige und Vergangene zu seiner Voraussetzung hat, darauf gerichtet, dem Gedanken ein Sein entsprechend zu machen, in welchem er seine Wirklichkeit und Wahrheit hat, das Sein diesem Gedanken gemäß umzuprägen und neu zu gestalten, so daß es in ihm wahr wird. Denn wahr ist der Gedanke, dem ein Sein entspricht, und wahr ein Sein, wenn es dem Gedanken entspricht. Hier ist das Bewegende und Wirkende nicht die Mechanik der Atome, sondern der Wille, der aus dem Ichsein entspringt und bestimmt wird, und der zusammenwirkende Wille Vieler, die in dieser Gemeinschaft, in diesem Familiengeist, Gemeingeist, Volksgeist usw. gleichsam ein gemeinsames Ichsein haben, das sich in analoger Weise verhält.



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Das ist es, was die Menschenwelt zur sittlichen Welt macht. Das Wesen der sittlichen Welt ist der Wille und das Wollen, das individuell, also frei wie es ist, ein stetes Streben nach dem Vollkommenen, ein stetes Fortschreiten sein soll und das auch unter demselben Gesetz bleibt, wenn der Wille und das Wollen dies Gesetz mißachtet und verletzt. Die Bewegung dieser sittlichen Welt fassen wir also zusammen als Geschichte. Und den Erscheinungen gegenüber, die uns unsere empirische Wahrnehmung aus diesen Bereichen zuführt, haben wir auffassend ein anderes Verhältnis als der Natur gegenüber. Allerdings sind auch in dem Bereich des menschlichen Lebens Elemente, die meßbar, wägbar, berechenbar sind, ja ebendiese sind das Substrat oder richtiger das Material, an dem sich alles menschliche Tun bis zu seinen höchsten und geistigsten Formen vollzieht. Denn wir Menschen, wir schaffen nicht, sondern formen und modeln nur an dem, was wir natürlich oder geschichtlich Gewordenes vorfinden. Aber am wenigsten diese materiellen Bedingungen erschöpfen das Wesen der sittlichen Welt, reichen aus, sie zu erklären, und wer sie damit erklären zu können meint, verliert oder verleugnet das hier Wesentliche. Nicht mit dem Holz und Blech der Instrumente, mit der Akustik der Töne und Akkorde, die mit ihnen hervorgebracht werden, ist eine Beethovensche Symphonie erklärt oder verstanden. Der Komponist hat alle diese Mittel und Stoffe und akustische Wirkungen, um ein Etwas hervorzubringen, das ohne alle Analogie in dem ganzen Bereich der Natur ist, das, in seiner Seele entstanden, in den Seelen derer, die es mit Hingebung hören, die Empfindungen und Vorstellungen hervorzaubert, die seine Seele erfüllten und bewegten. In diesen Tönen spricht er zu uns, wif verstehen ihn in seinen Tönen, und seine Töne verstehen wir aus der Empfindung, die er in ihnen aussprach und die uns in allen Registern unserer Seele die gleiche Empfindung erregen. Natürlich kann man, wie bemerkt, auch von Dingen, welche die dargelegte Auffassung als der Natur zugehörig bezeichnete, ihre Veränderlichkeit und die Reihenfolge ihrer Veränderungen ins Auge fassen, sie nach dem Moment der Zeit betrachten; und so wird von der Geschichte der Erde, von der Entwicklungsgeschichte etwa der Raupe, es wird von der Geschichte der Erdbeben, von Naturgeschichte gesprochen. Aber man wird sagen dürfen, das ist nur vel quasi Geschichte; Geschichte im eminenten Sinn ist nur die des sittlichen Kosmos, die der Menschenwelt.



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Andererseits: der einzelne Mensch lebt nur seine Zeit und stirbt dann hin, er hat leiblich betrachtet nur ein periodisches Sein. Auch das einzelne Volk überdauert nicht für immer, es verändert sich; wie es seine Jugend hat, so altert es auch und stirbt ab. Das Leben in der Geschichte ist nicht ein n u r fortschreitendes; die Kontinuität zeigt sich da und dort unterbrochen, überspringend, selbst zeitweise rückläufig. Allerdings; aber überspringend nur, um das hier Begonnene dort fortzusetzen; rückläufig nur, um dann mit doppelter Spannkraft wieder vorzudringen. Und oft genug zeigt sich, daß ein Volk in der Überspannung seiner intellektuellen Kräfte wie zur Schlacke wird, wie ein Ackerfeld, das durch Raubbau ausgesogen ist, wie Italien in der späteren Kaiserzeit. Wenn dann auf dem brachliegenden Acker neue Bildungen entstehen, welche die Trümmer und Reste des Alten überdecken und so in sich aufnehmen, so stellt sich die Kontinuität wieder ein, deren Fäden zu erfassen auch die Zeit des Brachliegens für die Forschung bedeutsam und anziehend macht. Dies, um anzudeuten, wie der Gedanke der Kontinuität auch da noch für uns geltend ist und sein kann, wo sie aufzuhören scheint. In dieser Reihe elementarer Vorfragen verdient noch ein weiterer Punkt Beachtung. Die Gestaltungen und Bewegungen der sittlichen Welt, auf welche die historische Empirie sich wendet, sind uns, wie dargelegt, darum faßbar und in höherem Grade zugänglich als die der natürlichen Welt, weil wir sie wahrnehmend nicht bloß Zeichen empfangen, sondern Ausdrücke und Abdrücke desselben Zeichensystems, mit dem wir selbst arbeiten. Diese Kongenialität, diese Gleichheit in den Zeichen und den Registern, in denen wir die sinnlichen Wahrnehmungen auffassen, in den Reflexen und Widerklängen, mit denen das Ich sich nach draußen äußert, ist allen Menschen gemein und das dem Menschengeschlecht Eigentümliche. Und darum ist, was die Menschen allerorten und aller Zeiten wahrnehmend, denkend und sprechend, wollend, handelnd und schaffend getan haben, ein Ganzes, eine Kontinuität, ein Gemeinbesitz, eine stete enidoou; eis avro. Und der Grund, warum wir das Bedürfnis haben, uns solcher Kontinuität bewußt zu sein und immer mehr bewußt zu werden, ist, weil wir, jeder einzelne an derselben sein Teil haben. Jeder an seiner Stelle ist nicht bloß eine Summe des bis zu ihm Durchlebten und Erarbeiteten, sondern ein neuer Anfang weiterer Arbeit; und eben darum ist er an seiner Stelle



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notwendig und seine Eigenart von Wert und Bedeutung. Sein Wert und seine Bedeutung bestimmt sich danach, wie er an seiner Stelle nach seiner Eigenart, wie umfassend oder eng sie sein mag, weiterarbeitet. So er und jeder und alle. Sie können es nicht bloß, sie sollen es, denn es ist ihr Wesen; jeder ist nur so weit ein Ich, als er so ist und tut. Er würde unter seinem Wesen und Beruf bleiben, sich selbst verlieren, er würde nur als Material und Masse gelten, nicht als in sich volles und geschlossenes Ich, als Persönlichkeit, wenn er dieser seiner Pflicht nicht leben wollte. Wir durften sagen: jeder einzelne ist ein historisches Ergebnis. Nicht nach seiner kreatürlichen Seite; nach dieser steht er in den Zusammenhängen, die wir mit dem Begriff Natur zusammenfassen; wenigstens auch unter diesem kann er da gefaßt werden und muß es, z. E. von dem Arzte. Aber von dem Moment seiner Geburt an wirken unabsehbare Faktoren jener großen Kontinuität, welche der historischen Empirie zustehen, auf ihn ein. Bewußtlos noch empfängt er die Fülle von Einwirkungen seiner Eltern, ihrer geistigen und leiblichen Dispositionen, die der klimatischen, landschaftlichen, ethnographischen Umgebungen. Er wird hineingeboren in das ganze Gewordensein, in die historischen Gegebenheiten seines Volkes, seiner Sprache, seiner Religion, seines Staates, seiner schon fertigen Register und Zeichensysteme, in denen aufgefaßt, gedacht und gesprochen wird, aller der schon entwickelten Vorstellungen und Auffassungen, welche die Grundlage des Wollens, Tuns und Gestaltens sind. Und erst dadurch, daß der so hereintretende Neuling das so schon Erworbene, Unendliches lernend, an sich nimmt, in sich von neuem summiert und so sein eigenes Ich daraus auferbaut, daß sein innerstes und eigenstes Wesen so mit dem geschichtlich Gewordenen um ihn her verschmilzt, daß er damit, wie leiblich mit seinen Organen und Gliedern, unmittelbar schaltet, — erst damit hat er ein mehr als kreatürliches und animalisches, hat er ein menschliches Leben. Er ist nicht durch seine Geburt schon in dem vollen Hier und Jetzt, in der lebendigen Gegenwart des menschlichen Seins. Er ist es nur erst der Möglichkeit nach; er muß, um ein Mensch zu sein, erst ein Mensch werden; und nur in dem Maße ist er es, als er es zu werden und immer mehr zu werden versteht. Darum sind die Kinder nicht etwa diminutive Erwachsene, sie sind nicht bloß quantitativ von den Erwachsenen unterschieden; ein Kind ist ein qualitativ anderes als der Jüngling, der Mann. Das ist ein Fundamentalsatz für alle Erziehung, und nichts Unseligeres, als wenn sie das vergißt, wie in überbildeten Verhältnissen nur zu gewöhnlich ist. Das Kind bewegt



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sich erst hinein und hinauf zu diesem reich gefüllten Inhalt der Gegenwart, und diese Gegenwart ist die Summe unendlicher historischer Durchlebungen. Diese hat das Kind innerlich nachzuleben, d. h. es hat zu lernen, und mit dem ersten Wort, das das Kind hören und nachsprechen lernt, beginnt dieses innerliche Erleben und Nachleben. Dadurch, daß jeder, in das Resultat des von seiner Familie, seinem Volk, seiner Zeit, von den Jahrhunderten vorher, von der Menschheit Durchlebte hineingestellt, sich in dies Niveau der gewordenen Gegenwart hinaufarbeitet, dadurch also, daß er mit Bewußtsein in der Geschichte und die Geschichte in seinem Bewußtsein lebt, eben dadurch erhebt er sich über die bloß kreatürliche zu der geistigen und sittlichen Existenz, die den Menschen über die Monotonie der übrigen Schöpfung stellt, ihn gleichsam aus dem Raum in die Zeit, aus der Natur in die Geschichte erhebt, ihn aus einem unsteten Atom in dem bloß peripherischen Ebben und Fluten der Erscheinungswelt zu einem neuen Mittelpunkt macht. Mit gutem Grunde nennen die Alten das Menschsein humanitas, Bildung. Die Bildung ist durch und durch historischer Natur, und der Inhalt der Geschichte ist die rastlos werdende humanitas, die fortschreitende Bildung. Hiermit haben wir den Punkt, der unserer Wissenschaft ihre eigenste Bedeutung gibt. Wir sehen sie mit einer Aufgabe beschäftigt, die spezifisch der menschlichen Natur, dem Sein des endlichen Geistes angehört. Die Menschenwelt ist durch und durch geschichtlicher Natur, und das ist ihr spezifischer Unterschied von der natürlichen Welt. Die geschichtliche Welt ist die wesentlich menschliche; sie ist zwischen der natürlichen und der übernatürlichen, wie der Mensch selbst seinem sinnlich-geistigen Wesen nach an beiden teilnimmt. Und noch bestimmter: das cogito ergo sum ist nicht ein Grundsatz, ein Prinzip; aber es ist eine Tatsache, die erste in der Reihe aller Tatsachen, deren wir gewiß sind. Durch sie erst haben wir die Gewißheit von der Welt der Erscheinungen draußen, die wir sinnlich wahrnehmen und in unseren Denkformen geordnet zusammenfassen. Nur dasselbe cogito ergo sum gibt uns die Hinweisung und die Zuversicht, daß, wie unser einzelnes Ich, so Millionen gleiche, die mit uns sind und vor uns waren und in Einer großen Kontinuität weiter arbeiten, nur Beispiele, nur Reflexe, nur die vorübergehenden Epiphanien einer dauernden, stetig wirkenden, außer Raum und Zeit stehenden Einheit sind, der absoluten des höchsten Wesens, wie unser Geist sie mit seinem Denken zu erkennen sucht, in seinem Glauben sich ihrer gewiß weiß.

II Die historische Methode §§ 8 - 1 5 Ist denn nun diese Sphäre von Erscheinungen, die wir für die historische Empirie in Anspruch nehmen, dazu angetan, daß sie einer besonderen wissenschaftlichen Methode bedarf ? Und welche Momente bietet sie, eine solche zu entwickeln ? Natürlich sind die Erscheinungen dieser Sphäre zu allen Zeiten nach ihrer Art aufgefaßt worden. Aber es ist gleichsam nur faktisch, gleichsam instinktiv geschehen. Das Bewußtsein, daß es eine wissenschaftliche Aufgabe sei, sie so zu erfassen, und daß diese methodisch gelöst werden könne, ist erst ungemein spät erwacht, wie die Menschen ja auch ungemessene Zeiten hindurch gegangen sind, gesprochen, gedacht haben, ehe sie sich der Gesetze der Logik, des Baues und der Regeln ihrer Sprache, der Physiologie ihres Gehens usw. bewußt geworden sind. Man wird nicht sagen dürfen, daß das klassische Altertum, so vortreffliche Geschichtswerke es hervorgebracht hat, zu dem Bewußtsein gelangt ist, daß die historische Forschung eine eigene Methode haben könne und müsse. Selbst Aristoteles, der auch historisch vielfach geforscht hat, sieht die Geschichte nicht als eine Wissenschaft an und findet (Poet. 9), daß die Poesie philosophischer sei als die Historie, denn die Poesie sage das allgemeine, rd xa&oXov, die Historie nur einzelnes, rä Sxaazov Xeyei. Bei ihm — in den Problem. X V I I I oaa neql cpdoXoyiav § 9 und 10 sind auch zwei Fragen als der Historie zugehörend bezeichnet — und mehr noch in dem gelehrten Jahrhundert nach ihm tritt für sie die Philologie ein, mit der von der Fülle des historischen Materials mehr und mehr nur die Schriften als Gegenstand der Forschung bleiben und das einzelne, ra xa&' Ixaaxov, ausschließlich die Aufmerksamkeit fesselt. Zu allen Zeiten hat die Spekulation, die theosophische wie die philosophische, in den Gebieten, die der Geschichte angehören, das große W o r t zu führen versucht, wie nicht minder in denen der Natur, bis dann die Rückkehr zu den klassischen Studien im 15. Jahrhundert und der freiere Geist der Reformation andere Wege erschloß. Aber kaum, d a ß sich unsere Wissenschaft von der philosophischen und theoDroysen, Historik 2



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logischen Beherrschung freigemacht hat — das große Verdienst des 18. Jahrhunderts — , so sind die Naturwissenschaften da, sich ihrer anzunehmen und sie bevormunden zu wollen. So wie vor 50 Jahren die Philosophie noch im vollen Übermut der Alleinherrschaft sagte, nur das Philosophische ist wissenschaftlich und die Geschichte ist nur Wissenschaft, sofern sie philosophisch zu sein weiß, — ebenso kommen jetzt die Naturwissenschaften und sagen, Wissenschaft ist nur, was in der naturwissenschaftlichen Methode sich bewegt, und die sog. positive Philosophie von Comte und Littr6 schließt sich ihnen an, und Thomas Buckle schreibt drei Bände, um auf diesem Wege, wie er es ausdrückt, die Geschichte zu dem Rang einer Wissenschaft zu erheben. Die wissenschaftlichen Methoden sind wie die Organe unserer sinnlichen Wahrnehmung: sie haben wie diese jede ihre spezifische Energie, ihren bestimmten Kreis, für den sie geeignet sind, und bestimmen sich nach demselben in ihrer Art und Anwendbarkeit. Gewiß ist das Auge ein für seinen Zweck bewunderungswürdig eingerichtetes Organ, aber wer würde wollen, daß auch das, was man nur hören, riechen, schmecken kann, auf dem Wege des Auges wahrgenommen werden sollte. Freilich, man kann an den Schwingungen einer Saite, die den Ton ergaben, sehen, wie der Ton tief ist, aber man sieht nicht den Ton, sondern nur Schwingungen, denn die Eigenschaft, diese Schwingungen als Ton wahrzunehmen, hat nur das Ohr. Wenn die Naturwissenschaft nicht befähigt ist, alles nach ihrer Art zu erfassen, so kann man daraus doch nicht schließen wollen, daß das andere wissenschaftlich überhaupt nicht zu erfassen sei, daß der Duft einer Rose, die Töne einer Geige, weil sie nicht gesehen werden .können, überhaupt nicht wahrzunehmen seien; vielmehr hat man dafür andere Sinne. Und wenn in der Welt der Erscheinungen deren bleiben, die sich zu der naturwissenschaftlichen Methode irrational verhalten, so müssen für diese, wie viele oder wenige sie sein mögen, andere Erkenntniswege zu finden sein, denn sonst würden wir nicht aus unseren längst instinktiv geübten Wahrnehmungen wissen, daß es Erscheinungen gibt, die eine andere als die naturwissenschaftliche Empirie fordern. Bei der historischen Methode, die wir suchen, wird es auf dreierlei ankommen: 1. auf das Material, das uns zur historischen Empirie vorliegt; 2. auf das Verfahren, mit dem wir aus diesem historischen Material Ergebnisse gewinnen; 3. auf die so gewonnenen Ergebnisse und deren Verhältnis zu den Tatsächlichkeiten, über die wir Aufklärung suchen.

— ig — i. Das Material für die historische Empirie. Unser Ich, das die Welt der Erscheinungen nach Raum und Zeit verteilt auffaßt und sich vorstellt, sieht, dem Raum nach, um sich die Natur in ungemessenem Gebreite; der Zeit nach gehört ihm nur der Moment, es lebt nur in dem Moment, hinter sich die endlose Leere dessen, was vergangen ist, vor sich die endlose Leere dessen, was kommen wird. Aber diese Leere rückwärts erfüllt sich das Ich mit den Vorstellungen dessen, was war, mit Erinnerungen, in denen ihm das Vergangene unvergangen ist; und die Leere vorwärts füllt es sich mit den Hoffnungen und Plänen, den Vorstellungen von dem, was es wollend verwirklichen will oder von anderen verwirklicht zu sehen erwartet. Jene Vorstellungen von dem, was war, aber vergangen ist, haben wir zunächst dadurch, daß wir selbst da mitgetan und mitgelebt, dann weiter rückwärts durch die Erinnerungen anderer, unserer Familie, unseres Volkes; haben wir ferner in der Fülle von Dingen und Gestaltungen, die uns umgeben, in unserem Lernen, in unserer Sprache selbst, die mit ihrem Inhalt an Worten und Vorstellungen in ungemessene Vergangenheiten zurückreicht. Das alles haben wir zunächst unbewußt und gleichsam unmittelbar. Unser geistiger Inhalt ist eine ungemessene Fülle von Resten der Vergangenheit, die sich in uns als unsere Vorstellungswelt hier und jetzt zusammengefaßt finden. Erst durch einen Akt der Reflexion wird sich unser Ich bewußt, daß diese seine Vorstellungswelt geworden, Schicht auf Schicht auferbaut, historischer Art ist; daß es von dieser Welt von Vorstellungen die meisten vorgefunden, ererbt, lernend sich angeeignet hat; daß dies unser Ich von dieser Welt von Vorstellungen in seinen Meinungen, Urteilen, Bestrebungen, in seinen Gedanken von dem, was gut, recht, wahr und schön ist, in seinem Wollen und Tun bestimmt ist; daß unser Ich in seinem ganzen geistig-sinnlichen Sein und Tun durch dies sein Gewordensein, durch diesen seinen historisch bedingten Inhalt bestimmt ist. Oder wenn Kant in der Kritik der reinen Vernunft, in seiner Erkenntnistheorie zu dem Ergebnis kommt, daß der denkende Geist das Ansich der Dinge, ihre Gewißheit, nicht erreicht, in der Kritik der praktischen Vernunft dagegen nachweist, daß unser freies Wollen durch die unbedingte Gewißheit und Wirklichkeit der Erkenntnis bedingt und in dem Pflichtbegriff bewährt ist, — so ist es dieser sozusagen historische Inhalt unseres Ich, der diesen scheinbaren Widerspruch beseitigt. Denn in dem Denken der reinen Vernunft sieht das Ich von diesem seinem Inhalt völlig ab und arbeitet nur als die logische Kraft dieses denkenden einzelnen,

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während in allem Handeln der Gesamtinhalt des Ich, wie er historisch bedingt und geworden ist und aus dem wir wollen und handeln und wirken, in K r a f t tritt. Jene Gewißheiten der praktischen Vernunft sind die Erarbeitungen der Geschichte, die Ergebnisse der emdoaig elg avro, die die geschichtliche Welt zu der sittlichen Welt macht. Praktisch leben, handeln und schaffen wir fort und fort aus diesem Gesamtinhalt unseres geistigen Seins, und jede Gegenwart ist erfüllt von dem endlosen Mit- und Durcheinanderarbeiten von Zwecken, Interessen und Tätigkeiten ungezählter gleichbewegter Menschenwesen, deren jedes in analoger Weise von dem gewordenen Inhalt seines geistig-sittlichen Lebens bestimmt wird. Und wie heut und gestern, so vor Jahrhunderten und Jahrtausenden; und diese Bewegung der Menschenwelt hat sich in rastloser Kontinuität bis auf das Hier und Heut fortgesetzt. Wenn nun der menschliche Geist sich darauf zu besinnen beginnt, d a ß sein Hier und Jetzt, alles, was ihn erfüllt und was ihn Menschliches umgibt, in solcher Kontinuität erwachsen ist, und wenn er versucht, sich über das, was so in und um ihn ist, klarzuwerden, und, u m dessen bewußt und gewiß zu sein, unternimmt, zu erforschen, wie es so geworden ist, so kann er sich zu dem Zweck nicht an die Vergangenheiten wenden, denn diese sind ja eben vergangen. Sondern nur was in ihm und außer ihm in dem Jetzt und Hier davon noch unvergangen ist und, in wie veränderter Gestalt immer, noch empirisch zu erfassen ist, das wird ihm die gesuchte Auskunft geben müssen und geben können. Dies ist der erste große Fundamentalsatz unserer Wissenschaft, daß, was sie über die Vergangenheiten erfahren will, sie nicht in diesen sucht, denn sie sind gar nicht und nirgend mehr vorhanden, sondern in dem, was von ihnen noch, in welcher Gestalt immer, vorhanden und damit der empirischen Wahrnehmung zugänglich ist. Unsere ganze Wissenschaft beruht darauf, daß wir aus solchen noch gegenwärtigen Materialien nicht die Vergangenheiten herstellen, sondern unsere Vorstellungen von ihnen begründen, berichtigen, erweitern wollen, und zwar durch ein methodisches Verfahren, das sich aus diesem ersten Lehrsatz entwickelt. Unbewußt, für den einzelnen Fall, gewohnheitsmäßig, heut wie allzeit so, treibt jedermann das, was uns zur historischen Wissenschaft werden soll. Aber erst mit der Einsicht darüber, um was es sich handelt, gewinnt die Aufgabe nicht bloß ihre Bestimmtheit und Schärfe, sondern den unermeßlichen Umfang, den wir uns wenigstens summarisch mit dem Ausdruck bezeichnen konnten, daß die Geschichte das Werden der menschlich-sittlichen Welt umfasse. Also alles, was wir

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in diesem Kosmos der sittlichen Welt vorfinden, jedes einzelne Moment und jede einzelne Gestaltung, hat ihr Gewordensein und steht in näherer oder fernerer Beziehung mit allen anderen Gestaltungen da. Es wäre Torheit und dilettantisch, glauben zu wollen, daß es möglich sei, dies Ganze zu fassen und zu umspannen. Unsere Wissenschaft ist nicht die Geschichte, sondern die icrcogia, die Forschung, und mit jeder neuen Forschung erweitert und vertieft sich die Geschichte, d. h. unser Wissen von dem Kosmos der sittlichen Welt, das dann theoretisch die Ethik, mit jeder neuen Stufe in erweiterter Gestalt, schematisieren und dogmatisieren mag. Das Material also unseres Forschens ist, was aus den Vergangenheiten der sittlichen, der Menschenwelt noch unvergangen ist. Wir sahen: prägend, formend, gestaltend, in jeder Äußerung läßt der Mensch einen Ausdruck seines eigensten Wesens, seines Willens und seines Gedankens zurück. Auch das Menschenwesen steht inmitten jenes räumlichen Seins, jenes Stoffwechsels der Natur, und es kann sich nicht anders halten und individualisieren, als indem es das ihm Nötige aus derselben herausnimmt und sich anorganisiert und zu seinem Stück Welt macht, wie Tier und Pflanze sich ernährend auch tut. Aber bei dem Menschen geschieht dies in einem Umfang, in einer Freiheit, die weit über die Analogie der nur kreatürlichen Existenz hinausgeht, es geschieht mit einer Steigerung der formenden Kraft, für die es weder eine Grenze noch ein Maß zu geben scheint. Dies menschliche Wesen vermag selbst das Flüchtigste, die Lichtwelle, zu fixieren, die Schallwelle zu beherrschen, um den Gedanken, in Laute geformt, zu äußern und das gesprochene Wort als Bild, als Schrift irgendeinem Stoff aufzuprägen; es vermag so dem bloß Gedachten, bloß Empfundenen, jeder Regung in der Seele Ausdruck, Dauer, Wahmehmbarkeit zu geben. Es vermag die Elemente, die Naturkräfte, die Stoffe, indem es ihnen ihre Gesetze ablauscht, nach seinem Willen zu zwingen und durch berechnete Kombinationen ihre stofflichen oder dynamischen Eigenschaften in kunstreichen Mechanismen nach seinem Willen und für seine Zwecke arbeiten zu lassen. Zahllos sind die Formen, in denen sich die formgebende Kraft des Menschenwesens entwickelt; und formend, prägend, kombinierend, in jeder Äußerung macht das flüchtige Dasein des einzelnen die Stoffe zu Trägern dessen, wodurch er an dem Göttlichen und Ewigen teilhat. Alle diese Formungen sind, wenn auch mehrere einzelne, ganze Stämme, Völker daran gearbeitet haben mögen, wesentüch individueller Art, da es Willensakte sind, die da zusammenwirkend formten. In diesen Formungen, so viel davon auch vorliegt, kann man das 2



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Persönliche, das Individuelle der Formenden erkennen, denn in der Formung gab es sich einen Ausdruck, wie der Klang des Wortes, die Züge des Schriftbildes individuell sind, wenn schon Hunderte und Tausende sich desselben Zeichens bedienen, um sich zu äußern, und wie ein Bauwerk Zeugnis von den individuellen Willensakten derer gibt, die daran bauten, obschon ihrer viele gemeinsam an dem einen großen Werk arbeiteten. Und diese menschliche Signatur ist so scharfer und ätzender Art, daß, wo auch nur Reste, auch nur Spuren von ihr noch vorhanden sind, man sofort erkennt, daß sie von Menschengeist und Menschenhand stammen, also Ausdruck und Abdruck des innersten Wesens dessen und derer sind, die es so geformt haben. 2. Das führt zu dem zweiten Punkt. Denn dies innerliche Wesen ist nicht völlig identisch mit jeder dieser Äußerungen, tritt nicht ganz und abschließend in ihr hervor. Diese Äußerungen sind der Zeit nach viele und verschiedene, aber jede derselben ist eine Äußerung desselben Innersten, wie ein Beispiel davon, wie ein Stückchen Peripherie zu dem Mittelpunkt, von dem aus diese Äußerung nach und mit vielen anderen gefaßt ist; alle diese Stückchen Peripherie, alle diese Ausund Abdrücke weisen auf dasselbe Zentrum hin; dies Zentrum ist die Kraft, die in jeder dieser Äußerungen zur Erscheinung kommt. Diese formende Kraft gilt es in ihren Äußerungen zu erkennen und zu erfassen, sie aus diesen, wie viele oder wenige uns denn vorliegen, zu rekonstruieren. Diese Ausdrücke gilt es auf das zurückzuführen, was sich in ihnen hat ausdrücken wollen. E s gilt, sie zu verstehen. Damit haben wir das bezeichnende Wort. Unsere Methode ist forschend zu verstehen. Das ist der zweite Fundamentalsatz (siehe dazu den Grundriß §§ 8 ff.). Das einzelne Ich, das in seinem Körper ganz für sich, in dem vollen und empfundenen Gegensatz gegen die Welt der Erscheinungen draußen und in sich geschlossen, wie ein einsamer Punkt in der Welt der Erscheinungen dahingeht, es äußert, seiner Doppelnatur nach, jeden seiner inneren Vorgänge durch seine sinnliche Seite nach dem System von Zeichen, die es, durch die Sinne von außen erregt, in sich entwickelt hat; es tritt in diesen spontanen Reflexen und Wiederklängen der empfangenen Sinneseindrücke und den Kombinationen derselben, die es in sich vollzieht, immer wieder aus seiner Einsamkeit heraus und in lebendigen Kontakt mit der Welt draußen. Und wenn es mit diesen seinen Äußerungen durch Mienen, Worte, Willensakte auf Gebilde trifft, die ihm gleichgeartet und von gleicher sinnlich-geistiger Komplexion sind, so empfangen diese durch seine Äußerungen ihrerseits Sinneseindrücke, die in analoger Weise sie



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anregen und erregen, da sie sich kongenial zu ihnen verhalten. Von der Begier erglüht mir das Auge, die Furcht macht mich zittern, dem plötzlichen Schrecke folgt der krampfige Schrei. Das geschieht wie mir so jedem anderen. Der Schrei der Angst läßt den, der ihn hört, die Angst des Schreienden empfinden. In den unmittelbarsten Äußerungen seiner sinnlich-geistigen Natur begegnet sich der Mensch noch mit den höher gearteten Tieren. Auch der Hund zittert vor Angst, auch das Pferd schnaubt, wenn es die Trompete hört. Die Zähmung der Tiere beruht darauf, daß wir ihnen etwas von ihrer Seele ablauschen, daß wir gewisse Regungen derselben verstehen. Freilich, warum der Stier des spanischen Stiergefechts wütend wird, wenn er ein rotes Tuch sieht, verstehen wir nicht mehr; die rote Farbe muß auf ihn einen völlig anderen Eindruck machen als auf uns. Noch weniger verstehen wir die Pflanzenseele, wenn sie, höchst empfindlich gegen die Schwingungen, die wir als Licht empfinden, von den Schwingungen, die wir als Ton wahrnehmen, keine Empfindung zu haben scheint. Und von Sonne, Mond und Sternen endlich verstehen wir so gut wie nichts weiter, als daß sie sich nach derselben Regel bewegen, die wir als Fallbewegung, als das Gesetz der Schwere kennen. Ganz versteht nur der Mensch den Menschen. E s ist eine unhistorische, also für uns völlig müßige Frage, ob das genus homo irgend einmal in dem Zustand gewesen ist, den uns noch die höher entwickelten Tiere zeigen. Und doch müßte diese Frage historisch, nicht bloß naturhistorisch oder gar in bloßen prähistorischen Hypothesen beantwortet sein, wenn für die allgemeinen Folgerungen, die Darwin und Häckel u. a. daraus machen, die Beglaubigung gewonnen werden sollte. Soweit wir historisch von dem Menschen wissen, ist er weit über tierische Zustände hinaus. Nicht bloß, daß er die Sinneneindrücke, die er empfängt, auf die seiner Gattung eigentümliche Weise reflektiert: er schreitet von den bloßen Eindrücken zu deren seelischer Kombination, zu Unterscheidung und Vergleichung, zu Urteil und Schluß, zu freier Weiterbildung des Gedankens fort. Nur im menschlichen Wesen wird die Summe der Sensationen zu einer Totalität vereint, welche in der vereinigenden Kraft, in dem Ich, ihre Stelle, ihr Organ, ihr eigentümlich freies Wollen und Können hat. In der Sprache zunächst bricht dies sein innerstes Wesen hervor, nicht bloß in Interjektionen wie bei den höheren Tieren, sondern mit der ganzen Fülle des Unterscheidens und Vergleichens, des Urteilens und Schließens, in der sich unser Geist bewegt. Unsere Sprache ist unser Denken,



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und nur das Denken macht uns sprechen. Das Tier spricht nicht, weil es nichts zu sagen hat, trotz aller anthropoiden Affen. In der Sprache vor allem hat der Mensch die Möglichkeit, aus der Einsamkeit seines in sich geschlossenen Wesens herauszutreten. Das Ichsein, die absolute Schranke, die Seele von Seele trennt, baut in der Sprache die Brücke von sich hinaus, zu sich hinein. Die Sprache, durch das Ohr vermittelt, ist nur Eine solche Äußerungsweise, in der die Totalität des Ichseins hervorbricht, freilich die vollkommenste und zugleich primärste. Neben ihr gibt es andere, mannigfaltige. Schon daß der flüchtige Schall des Wortes durch die Schrift dem Auge, auch dem nach Raum und Zeit entfernten, vermittelt werden kann, ist eine unermeßliche Erweiterung der Sphäre des Ich. Aber ebenso kann ich das Bild, das ich von Personen oder Sachen aufgefaßt, wie in Worten schildern, so in Farben, in Stein, in Metall wiedergeben und, vorübergehend wie das Urbild war, dessen Nachbild verewigen, solange der Stoff währt, in dem es ausgeprägt ist. Es ist m e i n e Auffassung von dem Urbilde, die dasselbe überdauert. In gleicher Weise kann ich lehrend, erwerbend, ordnend in meine Familie, mein Volk Formungen schaffen, die weit über die kurze Spanne meines Lebens hinausdauern und hinauswirken, und solange sie wirken, sind sie Zeugnis von meiner Wirksamkeit, meinem Willen, meinen Gedanken; ich lebe in ihnen, nachdem ich längst vergangen bin. Mehr noch, das denkende Ich baut sich für seine Zwecke, die Bereiche seiner Sinneswerkzeuge und ihre Kraft zu steigern, aus den Stoffen der Natur und ihren erkannten Gesetzen Werkzeuge aller Art, bis zu den staunenswürdigsten Maschinen; auch eine Seite der ¿7iiöoois elg avrö, während, soviel bekannt, kein Tier auch nur entfernt ähnliches kann, mit Ausnahme des Lagers oder Nestes, das es baut. Es ist nur eine Weiterführung des Gesagten, daß auch die Werke der Industrie, die Gründungen von Städten und Befestigungen, der Bau von Häfen, Wegen, daß auch Recht, Gesetz, Staat, Kirche, kurz alle menschlichen Formgebungen, auch wenn das gemeinsame Wollen vieler sie schuf oder umformte, derselben Art sind, Ausdruck des menschlichen Geistes und dem menschlichen Geist verständlich, so wie sie ihm empirisch wahrnehmbar werden. Mit einem Wort: nichts, was den menschlichen Geist bewegt und sinnlichen Ausdruck gefunden hat, das nicht verstanden werden könnte, nichts verstehbar, das nicht in dem Bereich unserer Kongenialität liegt, den wir der historischen Empirie zugehörig erkannt haben, in dem Bereich der sittlichen Welt.



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Denn weder in dem Bereich der Spekulation noch in dem der Natur gibt es ein eigentliches Verstehen. Die philosophische Spekulation hat wohl Beweise vom Dasein Gottes, aber sie beweisen nur, daß menschliches Denken das X , das Absolute und Ewige, wohl sucht, aber nicht erreicht, sondern nur die Richtung sieht, in der es sein müßte. Und die theologische Spekulation, der fromme Glaube, erkennt die Gottheit nur in dem Maße, als sie sich ein anthropomorphisches Bild von ihr macht, sie als höchste, nicht durch Raum und Zeit gebundene Steigerung dessen anschaut, was das menschliche Ich nur in flüchtigem Dasein ist. Die eine wie andere Weise kann das ewig Verhüllte nur ahnen, nur in gewisser Weise, bis zu einem gewissen Grade erkennen. Und die Dinge im Raum, die wir als Natur zusammenfassen, sie werden von uns nur so weit verstanden, als wir sie praktisch oder theoretisch unter den Kategorien, den Denkregistern fassen, die unserem Ich eigentümlich sind. Wir verstehen sie nur nach dem Stoff, den sie enthalten, als Material für unsere Zwecke, nach den Kräften, die sie latent oder offenkundig in sich tragen, für unsere Benutzung, nach den Regeln und Gesetzen, in denen sich der Kreislauf ihres Seins wiederholt. Das Individuelle, das Eigenleben, das sie haben, ist uns gleichgültig. Denn das verstehen wir nicht. Wir töten den lebenden Baum, um ihn als Brennholz zu verwenden, wir unterbrechen das Leben der Weizenhalme, um ihren reifen Samen als Nahrungsmittel zu brauchen, wir benutzen das rastlose Strömen des Baches, um durch die Kraft seiner Bewegung unsere Mühle zu treiben. Wir dringen in den Felsen hinein, um gewisse Adern desselben Stück vor Stück in den Schmelzofen zu werfen und so Eisen, Kupfer, Silber zu gewinnen. Unser historisches Verstehen ist ganz dasselbe, wie wir den mit uns Sprechenden verstehen. Es ist nicht bloß das einzelne Wort, der einzelne Satz, die wir auffassen, sondern diese einzelne Äußerung ist uns Eine Äußerung seines Innern; und wir verstehen sie als von diesem Innern Zeugnis gebend, als ein Beispiel, als einen Strahl der zentralen Kraft, die, in sich gleich und dieselbe, sich, so setzen wir voraus, wie in jeder ihrer Äußerungen so auch in dieser darstellt. Das Einzelne wird verstanden in dem Ganzen, aus dem es hervorgeht, und das Ganze aus diesem Einzelnen, in dem es sich ausdrückt. Der Verstehende, wie er selbst ein Ich, eine Totalität in sich ist, wie der, den er zu verstehen hat, ergänzt sich dessen Totalität aus der einzelnen Äußerung und die einzelne Äußerung aus dessen Totalität.



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Das Verstehen ist das vollkommenste Erkennen, das uns menschlicherweise möglich ist. Darum vollzieht es sich wie unmittelbar, plötzlich, ohne daß wir des logischen Mechanismus, der dabei tätig ist, bewußt sind. Daher ist der A k t des Verständnisses wie eine unmittelbare Intuition, wie ein schöpferischer Akt, wie ein Lichtfunken zwischen zwei elektrophoren Körpern, wie ein A k t der Empfängnis. In dem Verstehen ist die ganze geistig-sinnliche Natur des Menschen völlig mittätig, zugleich gebend und nehmend, zugleich zeugend und empfangend. Das Verstehen ist der menschlichste A k t des menschlichen Wesens, und alles wahrhaft menschliche Tun ruht im Verständnis, sucht Verständnis, findet Verständnis. Das Verstehen ist das innigste Band zwischen den Menschen und die Basis alles sittlichen Seins. Auch das dem Raum und der Zeit nach Entfernte, auch das in ferner und fernster Vergangenheit von Menschen Gewollte, Getane, Geschaffene ist zu fassen wie das Wort des hier und jetzt zu uns Sprechenden. Das ist das Wesen des lorogelv. Die Aufgabe des Historikers ist forschend zu verstehen. 3. Noch bleibt uns die dritte Frage: welcher Art sind die so gewonnenen Ergebnisse und inwiefern haben sie wissenschaftlichen Charakter ? Das sieht man: die Tatsachen der Vergangenheit, ja die Vergangenheiten selbst wiederherzustellen, das kann nicht der Zweck unserer Methode und noch weniger deren Ergebnis sein. Es ist ebenso gedankenlos, wie wenn man von uns erwartet, daß wir die objektiven Tatsachen der Vergangenheit beobachten sollen, die ein für allemal vergangen sind, und ebenso schief, von uns zu erwarten, daß wir von dieser oder jener vergangenen Zeit ein Abbild geben sollten. Denn es könnte nur ein Bild der Phantasie sein, da das, was abzubilden wäre, nicht mehr vorhanden ist, sondern nur in unserer Vorstellung sein kann. Unsere Aufgabe kann nur darin bestehen, daß wir die Erinnerungen und Überlieferungen, die Überreste und Monumente einer Vergangenheit so verstehen, wie der Hörende den Sprechenden versteht, daß wir aus jenen uns noch vorliegenden Materialien forschend zu erkennen suchen, was die so Formenden, Handelnden, Arbeitenden wollten, was ihr Ich bewegte, das sie in solchen Ausdrücken und Abdrücken ihres Seins aussprechen wollten. Aus den wie immer lückenhaften Materialien suchen wir sie, ihr Wollen und Tun, die Bedingungen ihres Wollens und die Wirkungen ihres Handelns zu erkennen; wir suchen aus den einzelnen Äußerungen und Formgebungen, die

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wir noch fassen können, uns ihr Ich oder, wo sie mit anderen und vielen gemeinsam gehandelt und geformt haben, dies Gemeinsame, den Familiengeist, Volksgeist, Zeitgeist usw., dessen sie ein Teil und Ausdruck sind, zu rekonstruieren und aus der so gewonnenen Erkenntnis die zerbröckelte und verwischte Peripherie ihres GesamtSeins zu ergänzen und so weiterschreitend, soweit es möglich ist, ihre Stelle in der Gesamtbewegung der Vergangenheiten des Menschengeschlechts zu erkennen, in dieser unermeßlichen èmòoau; eì$ avrò, deren Summe tatsächlich, wenn auch nur teilweise in bewußter Weise unsere Gegenwart und wir selbst in ihr sind. Es gilt also nicht die Vergangenheiten weder objektiv noch in der vollständigen Breite ihrer einstigen Gegenwart festzustellen — das wäre ein Nonsens wie die Quadratur des Zirkels finden wollen — sondern unsere zunächst enge, stückweise, unklare Vorstellung von den Vergangenheiten, unser Verständnis derselben zu erweitern, zu ergänzen, zu berichtigen, nach immer neuen Gesichtspunkten zu entwickeln und zu steigern ; — nicht Bilder aus der Vergangenheit oder Abbilder dessen, was längst dahin ist, aufstellen zu wollen — die Poeten und Romanschreiber mögen sich und andere mit solchen Phantasmen unterhalten — , sondern unsere Gedankenwelt zu bereichern und zu steigern mit der begründeten Erkenntnis der Kontinuität der menschlichen sittlichen Entwicklung, in der wir jetzt Lebenden für den Augenblick an der Reihe sind, sie aufzunehmen und an unserem Teil mit Verständnis ihres Zusammenhangs weiterzuführen. Und damit erledigt sich die andere Frage, ob unser geschichtliches Forschen und Erkennen eine Wissenschaft ist und sein kann. Die Empirie von dem, was in der Zeit geschieht und im Raum ist, gibt uns nur Tatsächliches und Einzelnes. Wenn Wissenschaft sein soll, so muß zu dem Einzelnen, das die Empirie gibt, ein Allgemeines hinzukommen, woraus sich erklärt, was ist und geschieht, warum es ist und geschieht, — ein Allgemeines und Notwendiges, welches nicht in der Form der Anschauungen, sondern durch den Gedanken erkannt wird. Das Wesen der Wissenschaft ist, daß sie Wahrheit sucht und gewinnt. Und, wie früher gesagt, ein Sein, auf das sich unser Gedanke richtet, heißt uns wahr, wenn es mit dem Gedanken übereinstimmt, und wahr heißt uns der Gedanke, welcher ein Sein faßt und darstellt, wie es in seinem Wesen ist. Die Wahrheit des Seins hat an dem Gedanken, die Wahrheit des Gedankens an dem Sein ihre Kontrolle. Die Empirie, welche sich mit der Natur beschäftigt, erkennt, die natürlichen Tatsachen beobachtend, in ihnen das sich in gleicher Weise Wiederholende, die Regel dieser Wiederholung und im glücklichen



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Fall das Gesetz, das das stoffliche Sein nach Zahl und Maß, in mechanischen, physikalischen, chemischen Notwendigkeiten bestimmt. Das Allgemeine und Notwendige, das das Sein und den Wechsel in der Natur bestimmt, ist dieser gefundene Gedanke, der das Allgemeine und Notwendige in den beobachteten Gegebenheiten ausspricht. Die geschichtliche Empirie wendet sich auf die Gegebenheiten der menschlichen, d. h. sittlichen Welt. Wo finden wir nun da das Notwendige und Allgemeine, in dem wir die Einzelheiten wissenschaftlich zusammenfassen müssen? Es ist dies eine Frage, welche einen besonders wichtigen Punkt trifft. Alles in dem Bereich der sittlichen Welt geschieht in der Gegenwart und in der lebendigen Gegenseitigkeit und Konkurrenz der Menschen; alles, was sie tun, ist von momentanen, persönlichen, rivalisierenden Interessen bestimmt, und die Willensakte, die da wirken, haben darin ihren Impuls, ihr Maß und ihre Schranke. Man darf sagen, jede Gegenwart verläuft in dem Gedränge von endlosen Geschäften und jedes derselben bedingt andere und wird von ihnen bedingt. Wie wird nun aus den Geschäften Geschichte ? Das Notwendige und Allgemeine in der lebendig praktischen Bewegung der Gegenwart, also in der Geschichte, ist mannigfacher Art. Da sind Gesetz, Recht und Verfassung, da sind die großen Notwendigkeiten und Normen der Wirtschaft, des Kirchenwesens, der Politik, des Kriegswesens, die der amtlichen Verantwortlichkeit, der künstlerischen Produktion usw. Für alle diese Dinge gibt es Wissenschaften, die sie behandeln und begründen, Wissenschaften, die dann oft ein und dieselbe Sache unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten behandeln, und zwar so behandeln, wie es die lebendige, praktische Bewegung der Gegenwart, die juristische, politische, kirchliche, militärische Betrachtung der Sache fordert und ergibt; sie haben mit dem Seienden, mit den Tatsachen des wirklichen Lebens zu tun, dieselben nach den wirkenden oder bedingenden Momenten und Gesetzen zu fassen. Aber unter den bedingenden Momenten für das in der Gegenwart praktisch Vorhandene ist auch das Gewordensein dieses Einzelnen, dieses Zustandes, dieser Zusammenhänge, ist dessen Vorgeschichte; und das, was gestern noch Gegenwart war, ist heut schon zu der Vorgeschichte des Heut gehörig. Daher ist es unzweifelhaft sehr wichtig, die menschlichen Geschäfte auch nach den Vorbedingungen ihres Wirkens heute und jetzt, nach ihrem Gewordensein zu betrachten und in den Geschäften der Gegenwart nur die letzten Spitzen, das zutage Stehende der Vergangenheit zu sehen.



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Das Notwendige und Allgemeine für diese Betrachtungsweise ist besonderer Art, eben weil sie nicht die unendlich bewegte Oberfläche der geschäftlichen und geschäftigen Gegenwart auffaßt, sondern sie nach einer anderen Dimension hin versetzt, sie gleichsam vertieft. Und die geschichtliche Betrachtungsweise ist unersättlich, das Gewordensein der Gegenwart tief und tiefer hinab zu verfolgen und so das Fortschreiten, das Sichsteigern, die enidoaig slg amo zu konstatieren, die wir als das Charakteristische der menschlichen, d. h. der sittlichen Welt gefunden haben. Wie oberflächlich wären wir, wenn wir nur die Gegenwart und ihre Geschäfte kennten! Diese Gegenwart, wie sie denn ist, und so jede frühere, hat sich erst in der Kontinuität eines langen Werdens entwickelt, sich fort und fort steigernd, erweiternd, höher emporbauend. Sie ist von dem Menschengeschlecht Generation auf Generation erarbeitet worden, und es wird rastlos an ihr weitergearbeitet, nach immer neuen Seiten, mit neuen gesteigerten Kräften, für immer größere Aufgaben, und es scheinen den Möglichkeiten nach und latenterweise noch ungemessene weitere Steigerungen in der einmal erwachten und sich steigernden Menschennatur zu liegen, oder wie das Dichterwort sagt: „Allah braucht nicht mehr zu schaffen, Wir erschaffen seine W e l t " . Diese Kontinuität der fortschreitenden geschichtlichen Arbeit und Schaffung ist das Allgemeine und Notwendige, welches die einzelnen Tatsachen der Geschichte verbindet und jeder in ihrer individuellen Art ihren Wert gibt, nur denen, die individueller Art sind, einen Wert gibt. Diese Kontinuität ist nicht Entwicklung, denn da wäre die ganze Folgereihe schon keimhaft in den ersten Anfängen präformiert, sondern mit der Arbeit erst wachsen die Kräfte, und mit jeder gelösten neuen Aufgabe gewinnen wir dem Sein in der Natur, das anfangs unser Geschlecht beherrscht und eingeengt hat, neue Bereiche ab, zwingen es, unseren Zwecken dienstbar zu sein, für sie nach unserer Weisung zu arbeiten. In dieser Kontinuität und Steigerung hat die geschichtliche Welt ihren Gedanken und ihre Wahrheit, und unsere Empirie arbeitet, die Einzelheiten der Vergangenheit, soweit sie irgend noch empirisch zu erfassen sind, zu erforschen, um in ihnen mehr und mehr diese Kontinuität empirisch zu bestätigen und die einzelnen Glieder in der Kette dieses Fortschreitens nachzuweisen, und zwar in allen Richtungen des geistig-sinnlichen Wesens der Menschennatur, in der E r nährung wie in den Erkenntnissen, in der Sprache wie in der Sitte, in den Künsten, der Industrie, dem Handel, in Kriegführung wie in



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den sozialen und politischen Verhältnissen, in allem, was in seiner Gegenwart als Geschäft galt und verlief. Jedes Stückchen Material, das unserer historischen Empirie sich darbietet, erforschen wir, um zu sehen, ob und wie es in diese Kontinuität der geschichtlichen Arbeit eingreift, deren Wahrheit uns feststeht, da wir selbst, unser Volk, unsere Bildung, unsere Zustände deren Summe, deren summiertes Ergebnis sind. In diesem Gedanken der geschichtlichen Arbeit haben die Vergangenheiten ihre Wahrheit, und diese Vergangenheiten, soweit wir sie erforschen können, bestätigen uns die Wahrheit dieses Gedankens. Und indem unsere Gegenwart, wie jede Gegenwart vor uns, von den summierten Ergebnissen des Früheren aus, die ihren Inhalt bilden, weiterstrebte, mit dem Wollen, das ihr Tun bestimmte, in die nächstweitere Zukunft hinausgriff, um ihren Willen verwirklicht zu sehen, bewährt sich, daß der Gedanke der fortschreitenden Kontinuität, wie er bisher gegolten, so auch des weiteren der rechte Pulsschlag des sittlichen, d. h. geschichtlichen Lebens ist. Von welcher Art diese Kontinuität des Fortschreitens ist, wie sie Völker verbraucht und frische Träger für ihre Arbeit hervortreten, davon wird in späterem Zusammenhang die Rede sein.

DIE METHODIK §19

Die historische Frage Suchen wir zunächst den Punkt zu finden, von dem unser historisches Forschen seinen Ausgang hat. Wir werden ihn nach der Art unserer Wissenschaft empirisch finden müssen. Ein Kind weiß von den Vergangenheiten zunächst nichts, es lernt mit dem Sprechen und Erzählen derer, die es umgeben, das Einfachste und Nächste, mit jedem Jahr mehr, unermüdlich fragend, weiteres zu hören, und in seine Vorstellungswelt aufnehmend, mit reger Phantasie sich die Zusammenhänge ergänzend, die Lücken ausfüllend, indem es da oft aus Wenigem und Kleinem wer weiß wie Vieles und Großes und Wunderliches macht, aus sich heraus, gleichsam subjektiv, sehend. Ähnlich verfährt jedes Volk in seiner Jugend, ähnlich die Menschheit in ihren frühesten Stadien. Aus der nächsten Umgebung und Erinnerung, mit der Phantasie die Lücken füllend und die Zusammenhänge ergänzend, füllen sie sich das Dunkel der Vergangenheiten, und was sie sich so, phantasievoll und subjektiv sehend, als ihre eigene Vorgeschichte reich und bunt zurechtgedacht haben, das glauben sie. Sie haben damit eine Welt von Vorstellungen, die mehr ein Bild ihrer Sinnesrichtung, ihrer Begabung, ihrer gegenwärtigen Interessen ist als dem entsprechend, was sie daran zu haben glauben. Es ist in der Entwicklung des einzelnen wie der Völker ein bedeutsamer Schritt weiter, wenn die Reflexion, der Zweifel an dem so Geglaubten rege wird. Denn dieser Inhalt unseres Ich, diese Welt von geglaubten Tatsächlichkeiten und Zusammenhängen, die unser Ich wie seine Atmosphäre, wie ein Dunstkreis umgeben und gleichsam eingekapselt halten, — es ist zunächst nur Empfangenes, Überkommenes, Angewöhntes, es ist unser, als wäre es nicht unser, es hat uns mehr, als wir es haben, es beherrscht uns. Aber aus der Totalität dessen, was wir so haben oder zu haben glauben, aus unserer Auffassung und Empfindung dieses unseres



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Inhaltes und aus unserer Selbstempfindung in ihm erzeugt sich uns eine neue Vorstellung des Ganzen, eines Teils, eines einzelnen Moments. Unser Ich, so gleichsam gesättigt mit dieser Fülle von Vorstellungen, beginnt, statt deren weitere gleich naiv aufzunehmen, gegen sie mit dem Inhalt, den es schon hat, und der Selbstempfindung, die es in ihm gewonnen hat, zu reagieren. Und einmal begonnen, arbeitet diese Reaktion nun weiter. Mit dem Zweifel, mit der Beobachtung, daß dies mit jenem nicht stimmt, daß da Widersprüche und Unmöglichkeiten aller Art bona fide miteinander stehen, mit der Reflexion, es als ein in uns unbewußt Gewordenes und so oder so Überkommenes prüfen zu müssen, beginnen wir, mit dem, was uns bis dahin hatte und beherrschte, frei zu schalten und es zu beherrschen. Goethe sagt einmal dunkel genug: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen". In gewissem Sinne paßt das Wort in diesen Zusammenhang. So ererbt und überkommen haben wir diese Summe von Vorstellungen, und wie sich aus ihnen unsere Phantasie des weiteren den Zusammenhang der Dinge ergänzt und ausgemalt hat, — unsere Vorstellung von dem Ganzen, von einzelnen Teilen des Ganzen, einzelnen Momenten von den Teilen. W i r faßten die Dinge so auf, stellten sie uns so vor, urteilten so davon. Aber mit welchem Recht? Auf welchen Grundlagen ? Haben unsere Auffassungen, unsere Urteile irgend realen Inhalt ? Was wir hatten und glaubten, hatten wir nur hingenommen und überkommen, hatten es nur gleichsam ex autoritate, nicht mit der Gewißheit eines selbst Erworbenen, Begründeten, Gerechtfertigten. Es muß das erste sein, das, was wir bis dahin gehabt und geglaubt, in Frage zu stellen, um es prüfend und begründend neu und sicher zu erwerben. Das Moment, auf das es hier ankommt, tritt mehr oder minder deutlich in der Entwicklung jedes Menschen ein, aber die meisten begnügen sich, es nur auf die ihnen zunächst liegenden, sie persönlich angehenden Verhältnisse anzuwenden und im übrigen in dem guten Glauben weiterzuleben, daß die großen und allgemeinen Gestaltungen der Menschenwelt so sind, wie sie sie gelernt und sie zu sehen sich gewöhnt haben. Und auch die, deren wissenschaftlicher oder praktischer Lebensberuf sie nach anderen Richtungen führt, der Jurist, der Naturforscher, der Kaufmann, sie begnügen sich in betreff ihrer Vorstellungen von der Vergangenheit mit dem, was ihnen die Schule als zur allgemeinen Bildung gehörig zugeführt hat.

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Mit dieser allgemeinen Bildung haben wir allerdings schon eine mannigfach berichtigte Vorstellung von der Vergangenheit. Wir wissen von Luther, von Cäsar, von Karl dem Großen; wir haben von dem, was sie getan, von den Umständen, unter denen sie gehandelt, von der Bedeutung ihrer Taten für ihr Volk, ihre Zeit eine Vorstellung erhalten, und unsere Phantasie hat mitgeholfen, das Bild möglichst vollständig und deutlich zu machen. Ist das nun wirklich so gewesen, wie ich es gelernt und mir gedacht habe ? Hat Luthers Auftreten in Worms eine so mächtige Bedeutung ? Und warum hat es diese ? Um welche politischen, kirchlichen, nationalen Dinge handelte es sich in Worms, daß Luthers Beharren bei dem, was er getan, so mächtig durchschlug ? In diesem Beispiel sieht man, was mit dem Wort „die historische Frage" gemeint ist. Ich weiß, indem ich so frage, schon von Luther und dem Wormser Reichstag, kenne im allgemeinen die Tatsache, ihren Zusammenhang, ihre Bedeutung, wenigstens denke ich es mir so. Und in meiner Frage umgrenze ich schon ungefähr, was ich, indem ich sie mir zu beantworten suche, zu finden erwarte; ich ahne schon, daß noch anderes und Wichtigeres, als ich bis jetzt weiß, dahintersteckt; meine Frage enthält schon mehr, als ich gelernt habe, eine Ahnung, die mir aus der Gesamtheit dessen, was ich auch sonst bisher innerlich durchlebt und erfahren habe, hervorspringt. Ebendarum kann ich so fragen, frage ich so. Es ist in dieser Frage schon etwas von meinem Eigensten enthalten, es ist schon meine Auffassung von diesen Verhältnissen, meine Vorstellung von diesen Personen, mein Verständnis von diesen Vorgängen da, mit dem Bedürfnis, es zu deuten, denn noch ist es embryonisch. Es ist in meinem Geist gleichsam ein Akt der Empfängnis geschehen, und sofort arbeiten alle Kräfte und Säfte, das so Empfangene zu formen und zu entwickeln. Es wächst und wird in mir; es durchlebt, ehe es noch geboren wird, gleichsam in dem Mutterschoß der Seele eine Fülle von Durchbildungen und Umbildungen, um allmählich reif und lebensfähig zu werden. Das ist ein weiter und mühevoller Weg. Mit der historischen Frage haben wir nur erst eine Möglichkeit, einen Schimmer in unserer Seele, eine Hoffnung. Es handelt sich darum, ob es sich wirklich so verhält, wie wir fragend ahnten, ob es sich beweisen läßt. Man wird darangehen, die dazu nötigen Materialien zu suchen, für diese Frage zu durcharbeiten, zu sehen, ob sich der Gedanke bewährt, den wir ahnten. Und wie er sich immer tiefer entwickelt, immer feiner bestimmt, so verändert er sich selbst. Man ist in Gefahr, ihn unter den D r o y s e n . Historik

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Händen zu verlieren oder sich zerbröckeln zu sehen; in der Fülle des Besonderen und Einzelnen scheint er dahinzuschwinden; man ist daran, an der Aufgabe, die man sich in guter Zuversicht gestellt hatte, zu verzweifeln. „Tausendmal", sagt Montesquieu in der Einleitung zum Esprit des lois, „habe ich das Gewonnene den Winden wieder preisgegeben, die Wahrheit nur gefunden, um sie wieder zu verlieren". Viele ermatten in diesen Mühen, verlieren sich in Nebenwege, gehen immer mehr in die Breite statt in die Tiefe, begnügen sich mit gelehrter Materioponie oder den dilettantischen Vergnügungen des gelehrten Müßiggangs. Es ist eine Sache des Charakters, trotz alledem festen Kurs zu steuern und zum Ziele zu gelangen. Es ist in unseren Bereichen wie in allen des höheren geistigen Lebens; dem Denker, dem Dichter, jedem Forscher in den anderen wissenschaftlichen Gebieten geht es ähnlich. Es wiederholt sich bei jeder neuen Arbeit dieselbe Konzeption des Anfangs, dieselbe Mühe und selbst Qual der Arbeit. Je tiefer durcharbeitet der fragende Geist ist, je reicherer Inhalt sich ihm schon in der Frage, mit der er Neues beginnt, zusammendrängt, desto bedeutsamer wird diese Frage sein, mit der er beginnt. Man könnte sagen, in der Frage und Fragestellung spricht sich die historische Genialität aus. So wenn Niebuhr in der Römischen Geschichte die Frage aufgriff, was Plebejer und Patrizier gewesen seien, oder wenn Tocqueville, um die Französische Revolution zu verstehen, nach den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der unteren Bevölkerung Frankreichs fragte usw. Schon in dem Gesagten liegt, daß die historische Frage, wie sie hier bezeichnet ist, doch anderer Art ist als die Neugier des fragenden Kindes. Es fehlt viel daran, daß jeder beliebige Einfall dafür gelten könnte, schon eine historische Frage, eine solche zu sein, wie sie die Forschung meint und fordert. Nicht in dem Suchen des Materials zur Beantwortung der Frage, nicht in der Kritik dieser Materialien noch in ihrer Interpretation — denn das sind die drei Stadien der methodischen Arbeit — ergibt sich, ob die Frage sachgemäß oder leer und taub war, wohl aber in dem Abschnitt, der die Darstellung behandeln wird. Denn das in Kritik und Interpretation gewonnene Verständnis der Materialien, die wir für diese Frage zu behandeln haben, fordert nach menschlicher Art das Aussprechen des gewonnenen Verständnisses, und dies Verständnis ist, wie wir sahen, etwas sehr anderes als die Herstellung der objektiven Tatsache oder der äußerlichen Realität dessen, was einst in seiner Gegenwart in tausendfach anderen Zusammenhängen stand, als die uns historisch angehen.



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Die Hunderte von Bildern einer Pinakothek, — sie haben jedes für sich ihr Sein, bieten jedes für sich dem Kunstfreund, dem Ästheten, dem lernenden Künstler usw. andere und andere Seiten der Betrachtung. Die Kunstgeschichte stellt sie in einen Zusammenhang, den sie an sich nicht haben, für den sie nicht gemalt sind und aus dem sich doch eine Reihenfolge, eine Kontinuität ergibt, unter deren Einfluß die Maler dieser Bilder standen, ohne daß sie sich dessen bewußt waren, und die in der Wahl der Gegenstände, in der Art der Komposition, selbst in dem Technischen der Zeichnung und Farbe dies bunte Vielerlei unter verschiedene Zeiten und Länder uns erst zeitlich scheiden läßt. Freilich ist es für den forschenden Kunsthistoriker nötig, daß er, bevor er zu seiner Darstellung schreitet, jedes Stück dieser Sammlung, die ihm zu seiner historischen Frage das Material bietet, kritisch untersucht hat, um sich von der Echtheit der einzelnen Stücke und ihrer Benennung zu überzeugen; daß er sich jedes einzelne Stück interpretiert hat nach den einzelnen Seiten, die ihn angehen, Technik der Farbe, der Zeichnung, der Komposition, der dargestellten Szene usw. Dann hat er die Ergebnisse, die er als Kunsthistoriker braucht, beieinander und kann sie nun darstellen; seine anödetit; zeigt uns, daß er richtig und kundig gefragt hat. Dies ist der Ausdruck, den Herodot gleich am Anfang seines Werkes braucht: iarogirjs imodei£u;, die Darlegung seiner Forschung. Wenn dagegen ein Historiker herkäme, sich das erste beste Stück, etwa einen Palimpsest des Plautus, über den eine mönchische Litanei geschrieben ist, zu untersuchen, um seine Kritik und Interpretation daran zu üben, — was würde dann geschehen ? Da er nicht jene Litanei oder den Plautus darunter zu einer Edition philologisch benutzen, sondern als Historiker forschen will, so würde seine auioöeigis darauf hinauslaufen, daß er diesen Codex behandelt habe, der lehre, daß man im Kloster Bobbio alte Manuskripte radiert hat, um anderes Neueres darüber zu schreiben. Wenn der Zweck der Untersuchung nur war, die Geschichte dieses Stückes Eselshaut zu verfolgen, das erst mit dem Plautus beschrieben, dann im 9. Jahrhundert mit der Litanei überschrieben ward und seit 80 Jahren von den und den Gelehrten als Palimpsest behandelt worden ist, so zeigt die Apodeixis, daß er im historischen Sinn eine faule Frage getan. Man sieht, die amodeigiQ ist eine Probe auf die Rechnung. Denn die Forschung ist nicht auf ein zufälliges Finden gestellt, sondern sie sucht etwas. Sie muß wissen, was sie suchen will; erst dann findet sie etwas. Man muß die Dinge richtig fragen, dann geben sie

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Antwort. Die Apodeixis zeigt nur auf, was man zu suchen verstanden hat. Die Frage und das Suchen aus der Frage, das ist der erste Schritt der historischen Forschung. Der Grundriß hat für diesen Teil der Methode das Wort Heuristik gebraucht. Wie sollen wir nun suchen ? Wie anfangen, die Frage zu beantworten ? Wir kehren einfach den Speer um: wie kam ich zu dieser Frage ? Woraus entstand mir dies Bild von dem und dem Vorgang, von den dazu gehörenden Personen, Umständen usw. ? Aus welchen einzelnen Zügen setzte sich dies (pavraarixov in mir zusammen, das ich prüfen und berichtigen will? Woher stammen mir diese einzelnen Züge, die ich so zusammenfaßte ? Von welcher Art, welcher Beglaubigung sind sie? E s ist gleichsam das Besinnen, die Frage auf sich selbst. Die Heuristik zerlegt das scheinbar Einfache, in Wahrheit vielfach Vermittelte und Kombinierte dieser Frage in seine Bestandteile, geht den Elementen nach, aus denen sich dies X zusammensetzt. E s wird sich demgemäß um zweierlei handeln : 1. Welches sind in dieser historischen Frage die einzelnen Fäden, die ich in ihr verschlungen finde, und wie finde ich die Materialien, um diese einzelnen Elemente, wie sie sich in meiner Vorstellung verschlingen, bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen, um mich davon zu überzeugen, ob sie und wieweit sie guten Grund haben ? 2. Von welcher Art sind überhaupt diese Materialien, aus denen ich für jeden einzelnen Fall das mir Nötige zu suchen habe ? Sind sie vielleicht schon ihrer verschiedenen Art nach von verschiedenem Wert und Gewicht? Stehen sie alle in gleichem Verhältnis zu den einst gewesenen Realitäten, von denen sie mir Zeugnis geben sollen ?

I Die Heuristik Das historische Material §§ 20. 21 Für den Zweck unserer Erörterung wird es sich empfehlen, zuerst die zweite Frage zu besprechen, um uns über die Quellen im allgemeinen zu orientieren, sodann die erste folgen zu lassen, um die Regel und Methode für die einzelnen Fälle zu suchen. Nach der empirischen Natur unserer Disziplin muß das Material für ihre Forschungen zur empirischen Wahrnehmbarkeit da und bereit sein. Mag auch das Material aus der Vergangenheit stammen, es ist nur dadurch, daß es noch gegenwärtig und zugänglich ist, für unsere Zwecke geeignet. Wir wollen ja mit unserer Forschung statt der Leere, die hinter dem Heut liegt, in unserem Geist eine Vorstellung von dem, was war und für immer vergangen ist, wieder erwecken. Man ist gewohnt, alle solche Materialien als Quellen zu bezeichnen. Es wird wohlgetan sein, den sachlichen Unterschied, der da vorhanden ist, auch in den Namen festzuhalten. Wie unsere Gegenwart, so hatte jede frühere ein gleiches Bedürfnis, das sie in ihrer Weise zu befriedigen verstand oder versuchte. Was derartiges uns noch vorliegt, also was die Rückschau früherer Zeiten in ihre Vergangenheit, die aufgezeichnete Vorstellung oder Erinnerung über dieselbe bietet, nennen wir Quellen. Daß diese Quellen zugleich Ü b e r r e s t e der Gegenwart sind, in der sie entstanden, ist für uns zunächst nebensächlich; wesentlich ist uns an ihnen, daß die, von denen sie stammen, die Absicht hatten, Nachricht von früheren Vorgängen oder Zuständen zu geben. Von ganz anderer Art ist es, wenn aus der Vergangenheit selbst allerlei Dinge noch erhalten und entweder mannigfach umgestaltet oder trümmerhaft und um so unkenntlicher noch in unserer Gegenwart da sind. So ein altes Gebäude, eine alte Zunfteinrichtung; unsere Sprache selbst ist noch ein gut Stück Vergangenheit, wenn auch noch lebendig und in vollem Gebrauch. Nur von dem Forschenden werden sie als Material für seine Forschung erkannt und benutzt, sofern sie mehr oder weniger offenkundig noch gegenwärtige Reste der Ver-

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gangenheit sind. Andere Dinge, die vielleicht aus der Erde gegraben oder in dem Schutt und Gerümpel alter Kirchen oder lang unbewohnter Schlösser sich erhalten haben, sind, da sie vor hundert oder dreihundert Jahren gleichsam in Gedanken stehengeblieben sind, um so mehr beredte Zeugen aus vergangenen Zeiten. Diese ganze Kategorie von Materialien nennen wir Überreste. Zwischen den Quellen und Überresten steht eine dritte Reihe, die an den Eigenschaften beider zugleich teilnimmt. Es sind Überreste einer vergangenen Zeit, aus der sie für die künftigen Geschlechter Zeugnis über einen bestimmten Vorgang geben, die Vorstellung über denselben fixieren wollen. Um dieses ihres monumentalen Charakters willen nennen wir sie Denkmäler. Die Uberreste § 22 a) In der Natur der Sache liegt es, daß deren Fülle unabsehbar ist, da ja alles und jedes, was die Spur von Menschengeist und Menschenhand an sich trägt, von der Forschung als Material herangezogen werden kann. Und eine Fülle von historischen Erkenntnissen, namentlich aus solchen Zeiten, über solche Verhältnisse, von denen die Quellen, d. h. die schriftliche Überlieferung, wenig oder nichts sagen, erwächst uns aus derartigen Materialien. Die ganze Disziplin, welche neuester Zeit als Prähistorie namentlich bei den historisierenden Naturforschern so beliebt geworden ist, beruht auf derartigen Materialien. Sie begann mit den Gräberfunden im nördlichen Europa, bei den aus Flintsteinen gemeißelten Messern, Beilen, Hacken usw. und den dabei gefundenen Anhäufungen von Resten von Nahrungsstoffen, vegetabilischen und animalischen, aus denen man zugleich für die klimatischen und naturwissenschaftlichen Verhältnisse der Zeitperiode, der die Menschen mit solchen Waffen und Instrumenten angehörten, Kunde entnahm, z. E. daß in der Zeit dieser Steingräber im Bereich der baltischen Süd- und Westküsten noch nicht Laubbäume, sondern nur Nadelholz vorhanden war, d. h. das Klima dieser Länder noch nicht die Temperatur besaß wie jetzt, sondern, wie man annahm, die kalten Zuströmungen aus dem nördlichen Eismeer noch nicht durch die noch fortdauernde Hebung von Finnland abgesperrt waren (Archivar Lisch in Schwerin). Man fand dann andere Gräber in diesen Bereichen, in denen sich statt der Steininstrumente solche aus Bronze fanden. Man sah aus der Erdschicht, in der sie gefun-



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den werden, daß diese Bronzezeit später war als die Steinzeit; man fand die Reste einer Vegetation, die eine mildere Temperatur erkennen läßt; daß die Menschen da schon das leichtflüssige Kupfer zu schmelzen und zu hütten verstanden und den daraus gefertigten Geräten gewisse Zierate aufprägten oder einschnitten, schien einen großen Kulturfortschritt zu bezeugen, von dem freilich die historische Tradition keine Kunde sonst gab. Dann folgte bei dem tiefen Wasserstand der schweizerischen Seen 1854 die erste Entdeckung der sog. Pfahlbauten im Züricher See mit ihren Überresten von Geräten, Utensilien, Tier- und Pflanzenresten (Prof. Ferdinand Keller in Zürich). Bald dehnte sich der Kreis ähnlicher Entdeckungen über alle Kulturländer Europas aus (Heibig für Italien 1879). Es ergab sich, daß diese menschlichen Ansiedlungen zum Teil noch in die Zeit der Steingeräte hinaufreichen, aber überwiegend schon der Bronzezeit angehören. Indem man in der Erzählung Herodots von den Paionern am kerkinitischen See sowie in den Darstellungen der Trajanssäule aus Trajans dakischem Kriege ebensolche Pfahlbauten erkannte, wurde man darauf geführt, daß derartige Konstruktionen nicht sowohl einem sog. prähistorischen Zeitalter, als vielmehr einer Stufe der Kulturentwicklung angehören, die unter Umständen auch in die späteren Jahrhunderte sich fortgesetzt haben kann und offenbar z. E. bei den Ureinwohnern von Borneo noch bis auf den heutigen Tag währt. Es gibt über diese Dinge bereits eine umfassende Literatur, auf die ich nicht eingehen will. Die Naturforschung hat hier darum ihren großen Anteil, weil die Reste von Knochen, Vegetabilien, Steinarten, die aus denselben sich ergebenden Schlüsse auf die tellurischen Bedingungen ihres damaligen Vorhandenseins nur aus der genauen naturwissenschaftlichen Kenntnis zu erkennen und zu verwerten sind. Aber das historisch Wesentliche ist hier, daß man die Spur von Menschengeist und Menschenhand an diesen Resten erkennt und aus dem, was da als menschlich benutzt oder verbraucht beinander ist, eine immerhin noch äußerst schwankende Vorstellung menschlicher Zustände gewinnt, von denen sie und nur sie Zeugnis geben. Der Mittelpunkt der Frage für die Naturforscher ist jetzt, ob der Mensch schon in der sog. Tertiärzeit, die den Diluvialbildungen vorausging, vorhanden gewesen ist. Von nicht anderer Art ist es, wenn in den Resten großer Konstruktionen der Sinn und Zweck wieder erkannt wird, in dem sie begründet worden. So die Reihe der Stupas vom Hydaspes bis zu den großen Höhlenbauten bei Bamiassan am Paß nach Baktra, wie mah denn aus den Pilgerberichten chinesischer Buddhisten erfuhr: buddhistische Monumente zur Erinnerung an Buddha und seine Frommen



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und Münzen darin von der Zeit Alexanders bis zu den ausgehenden Sassaniden. So die großen Wallbauten der Römer v o m Rhein bis zur D o n a u , in Nordengland, der T r a j a n s w a l l in der Dobrudscha; namentlich die beiden englischen Wälle m i t einer Fülle von Resten römischer Schanzen u n d Lager, mit unzähligen, höchst anziehenden Antiquitäten. D a s ganze militärische und Lagerleben der Römer tritt da der Forschung sozusagen unmittelbar entgegen. So die sog. Ringe, E r d a u f w ü r f e in den Ländern zwischen dem Riesengebirge und dem Meer, ob sie deutsch oder slawisch sind. So die sog. Hochäcker in der N ä h e von München und v o n U l m , weitgestreckte Flächen mit Paralleläckern von 40—60' breit, die 3 — 5 ' aufgehöht sind, in denen man urgermanischen A c k e r b a u zu erkennen geglaubt hat, während die Meilensteine der Römerstraße, welche sie durchschneidet, zeigen, daß diese Ä c k e r schon v o r 201 p. Chr. d a waren, als noch keine Germanen südwärts der D o n a u vorgedrungen waren. J e reichlicher und mannigfaltiger sich denn durch die Gunst des Zufalls derartiges Material beieinander erhalten findet, desto lebhafter t r i t t uns da die Vergangenheit entgegen. Nichts anziehender, als wenn uns die alten Felsengräber Ä g y p t e n s , die H y p o g ä e n mit ihren tausenden v o n Abbildungen aus den täglichen Beschäftigungen d a s ganze häusliche und wirtschaftliche, das Kulturleben des Nillandes a u s der Zeit der 18., j a der 12. D y n a s t i e bis v o r 2000 Jahren v . Chr. hinauf veranschaulichen, oder wenn aus den Ausgrabungen v o n P o m p e j i eine römische Landstadt der beginnenden Kaiserzeit in der ganzen Breite ihres täglichen Lebens, wie es in dem Moment der furchtbaren E r u p t i o n plötzlich stille stand, v o r die Seele tritt. Ähnlich an der Südseite der Garonnemündung die alte Handelsstadt Coulac, die seit d e m 16. Jahrhundert unter dem Sand der Dünen vergraben war, ähnlich die alten skythischen Königsgräber in Südrußland mit ihren mannigfachen Überresten hellenistischer Technik und barbarischer Bedürfnisse. Ähnlich unzähliges andere. Die endlose Mannigfaltigkeit der Dinge, die unter den Begriff der Überreste zu befassen ist, läßt sich auf mancherlei A r t rubrizieren. F ü r unsern Z w e c k genügt folgendes. Zunächst bietet sich uns hier ein Gesichtspunkt dar, von dem a u s sich ein charakteristischer Zug der modernen Zeit entwickelt hat. D a s sind die Sammlungen im wissenschaftlichen und speziell im historischen Interesse. Schon etwas dieser A r t regte sich in der ausgehenden Griechenzeit. Aristoteles hat vielleicht zuerst Sammlungen wie v o n naturwissenschaftlichen Dingen so von Schriften (dixauoftara, Didaskalien) und Dokumenten angelegt; seine Schule, dann die wissen-

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schaftlichen Institute in Alexandrien, Antiochien, Pergamon usw. haben große Sammlungen, nicht bloß literarischer Art, zustande gebracht und katalogisierend ihnen einen erhöhten Wert gegeben. Die Opulenz der römischen Welt folgte diesen Vorbildern. Namentlich entwickelte sich bei den Römern die Liebhaberei, Statuen, Gemälde, geschnittene Steine, Prachtgefäße zusammenzubringen, um ihre Paläste und Villen damit zu schmücken; von wissenschaftlichem Interesse war wenig die Rede. Und weiter ging dann auch die mittelalterliche Welt des Morgen- und Abendlandes nicht. Wenn Klöster und Kirchen Reliquien, wenn sie Edelsteine, Gemmen, kostbare Gefäße, Teppiche, Diptychen usw. aufbewahrten, so waren da Interessen ganz anderer Art als historische maßgebend, Interessen kirchlicher Frömmigkeit und Pracht, wie solche schon die Akropolis in Athen, die Tempel in Dodona, Delphoi und Olympia usw. mit Weihgeschenken aller Art, mit Reliquien, mit erbeuteten Waffenstücken usw. geschmückt hatten. Das wieder erwachte Interesse für das klassische Altertum führte dann seit Petrarca (1350) besonders in Italien dazu, die Reste desselben mit leidenschaftlichem Eifer zu sammeln, Münzen, Kunstwerke aller Art, Inschriften, Handschriften usw. Da und dort folgten besonders seit Karl dem Kühnen und Kaiser Maximilian diesseits der Alpen einzelne Fürstenhöfe, einzelne reiche Patrizier; es wurde mehr und mehr Mode der Vornehmen, zum Schmuck und Prunk oder aus Kuriosität dies und jenes zu sammeln. Die vielen Kunstkammern, die Raritätensammlungen in England, die sog. Ambraser Sammlung, die Erzherzog Ferdinand um 1560 anlegte, das um 1640 gegründete Prinz-Moriz-Haus im Haag und viele andere geben davon Zeugnis. Von historischem Interesse hatten die Sammler dabei nichts weiter, als etwa die Rüstung eines bekannten Kriegshelden, das Schreibzeug eines berühmten Poeten, das Jagdmesser jenes Kaisers, den Degen jenes Königs zu besitzen. Da ist es nun von Interesse zu sehen, wie sich seit etwa hundert Jahren eine andere Fassung dieser Dinge schrittweise entwickelt, wie man die Einsicht gewonnen hat, daß man solchen Anhäufungen kurioser Dinge noch eine andere Seite abgewinnen kann. Zunächst führte das Ordnungsbedürfnis dazu. Man hatte in Wien, in Paris, in Berlin Tausende von Münzen, meist antiken. Bei so vielen goldenen und silbernen Wertstücken war es schon für die Kontrolle sehr notwendig, sie zu ordnen und zu verzeichnen, damit der Vorrat rasch überblickt werden konnte. Man hatte dies und das versucht; dann fand der Jesuit Eckhel in Wien Ende des 18. Jahr-



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hunderts das einfache historisch-geographische System, nach dem unter jeder Landschaft und jeder Stadt die Münzen nach ihrer Zeitfolge geordnet wurden. Damit war eine Fülle von Untersuchungen über die Herkunft jeder einzelnen Münze, über ihre oft nur nach dem Stil und der Technik zu bestimmende zeitliche Folge gegeben. Dies System, ausgedehnt auf die Münzen auch des Morgenlandes, des Mittelalters und der neuen Zeit, ist die Grundlage aller Münzsammlungen geworden. Damit ergänzen sie sich gegenseitig, sie alle bilden zusammen ein großes corpus numismatum, das implicite die ganze Münzgeschichte und noch manches mehr enthält. Der Münzhandel führte dazu, daß der größte Münzhändler in der ersten Hälfte unsres Jahrhunderts, Mionnet (Paris), in demselben System seinen Verkaufskatalog anlegte mit beigefügten Preisen, der die ganze Masse gewöhnlicher, seltener, seltenster Münzen an ihrer systematischen Stelle anführt. Unermeßlich ist der Gewinn, den die numismatisch-historischen Studien aus dieser glücklichen Grundlegung gewonnen haben. Man wandte ungefähr dasselbe Prinzip auf die großen Ansammlungen von Gemälden, die etwa in Dresden, in München aus soundso viel Schlössern, in Florenz im Palazzo Pitti aus Kirchen und Klöstern, in Paris unter Napoleon aus soundso vielen Eroberungen zu einer Galerie vereinigt wurden. Erst allmählich lernte man sie kunstgeschichtlich zu unterscheiden: man ordnete sie nach Schulen, d. h. nach ihrer kunsthistorischen Entwicklung, und innerhalb derselben, soviel es anging, auch nach ihrer Zeitfolge, und mit den Katalogen der großen Sammlungen hat der Forscher die geordnete Übersicht der Geschichte der Malerei in der Hand. Wie von selbst hat sich so ein Prinzip für Sammlungen überhaupt ergeben, mit dem die da zusammengebrachten Stücke ein ganz neues Interesse gewannen. Was ehedem fürstliche Opulenz und Liebhaberei an Antiken, Majoliken, Waffen, Gefäßen, an Kuriositäten aller Art zusammengebracht hatte, begann man unter diesem neuen Gesichtspunkt zu fassen und als technologische, ethnographische, kriegsgeschichtliche usw. Sammlungen zu ordnen. Die Tausende von japanischen, chinesischen, französischen usw. Porzellanen, die man in Dresden hat, die endlosen Stücke nordischer Altertümer in Kopenhagen, die von Lindenschmit in Mainz gesammelten römischen Waffen und Lagergerätschaften können zeigen, wie solche sachgemäße Zusammenordnung dem einzelnen oft geringfügigen Stück eine Bedeutung und einen Wert gibt, an den früher kein Mensch hat denken können. Die Säkularisationen seit 1789 erst in Frankreich, dann seit 1803 in Deutschland, Spanien, Italien usw. haben unermeßliche

— 43 — Schätze von Schnitzarbeiten, Miniaturen, Teppichen, Gemmen, Goldschmiedeartikeln usw. von ihren alten Stätten in die Hände von Sammlern gebracht. Allmählich finden sie ihren Weg zurück in die großen öffentlichen Sammlungen und ordnen sich in das historischgeographische System ein, das für alle ein analoges ist. Erst auf solcher Grundlage ist es möglich geworden, die Geschichte der künstlerischen und gewerblichen Technik und Produktion zu studieren. Der einmal gewonnene Gedanke zeigt sich nach allen Richtungen anregend und ergiebig. Man hat den Gesichtspunkt des christlichen Altertums ins Auge gefaßt und Sammlungen in diesem Sinn begonnen. Man gewinnt damit Einblicke in das christliche Leben der ersten Jahrhunderte, von denen die historischen Quellen uns nichts ahnen lassen. Die römischen Katakomben allein geben uns die denkwürdigsten Aufschlüsse über die erste Christengemeinde in Rom, die bis in die kaiserliche Familie der Flavier hinaufreichte. In diesen Gräbern wiederholt sich viele Male die Allegorie vom Orpheus, dessen Sang alles ergreift, von dem guten Hirten, wozu die Hermesstatue, die das Schaf über den Schultern trägt, das Vorbild gibt; in den Meßgewändern die Psalmenallegorie, wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser usw. E s ist in derselben Richtung, wenn man in Sammlungen die Werkzeuge für die Agrikultur, für die Gewerbe, in Sammlungen von Maschinen, von Geweben usw., in Sammlungen von Utensilien des Postwesens, der artilleristischen Kunst die historische Entwicklung der Technologie, des Ackerbaues usw. systematisch zusammengestellt hat. Man sieht, in allen diesen Sammlungen handelt es sich um Gegenstände des künstlerischen und technischen Schaffens des menschlichen Geistes, das uns in diesen Überresten von Werken und Werkzeugen vor Augen tritt und uns in ihnen in annähernder Vollständigkeit der Reihenfolgen zur Erkenntnis der Kontinuität der Entwicklung in den einzelnen Zweigen das Material bietet. Natürlich nicht, um wieder als Kuriosität angeschaut zu werden. Das Sammeln ist nur der Anfang; sogleich folgt das Bedürfnis, sich des Gesammelten historisch zu bemächtigen. Der Katalog ist die Grundlage dazu, nicht bloß ein Inventarium des an dieser Stelle Vereinigten nach Nummern und Lokaten oder ein Wegweiser für die flüchtigen Besucher. Jedes einzelne Stück fordert mehr oder weniger kritische Untersuchung und sachliche Interpretation. Erst allmählich erhoben sich die Kataloge zu dieser Höhe ihrer Bedeutung; nur erst Anläufe dazu finden sich besonders im Bereich der Numismatik und in Friederichs' Katalog der Berliner Skulpturen.



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b) Als eine zweite Reihe können wir die Überreste von Formungen oder Anordnungen bezeichnen, in denen die sittlichen Gemeinsamkeiten, Volk, Gemeinwesen, Staat, Gesellschaft, Kirche usw. ihre Gestalt, ihren Ausdruck, ihre Betätigung gefunden haben, so daß uns die Zustände der menschlichen Gesellschaft früherer Zeiten in ihnen anschaulich werden: Verfassungen der Staaten, Gesetze, bürgerliche, kirchliche Ordnungen, rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse aller Art. Zum Teil sind uns solche Zustände nur noch literarisch in der Form der ihnen als Norm zugrunde liegenden Gesetzbücher und Statuten überliefert. Aber diese sind, wenn ihnen auch keine noch praktisch lebendigen Gestaltungen entsprechen, darum nicht minder bezeichnend. In die Anfänge der germanischen Staaten führt auf das trefflichste die Sammlung der sog. Leges barbarorum, der Gesetzbücher der Burgunder, Goten, der Lex salica usw., ein. In dieser Regelung der Rechtsverhältnisse, diesen Geboten und Verboten, dieser Normierung des Wergeides usw. sehen wir die Zustände, für die sie die rechtlichen Entscheidungen zu regeln bestimmt waren. So Karls des Großen Capitulare de villis, wirtschaftliche Anordnungen für die kaiserlichen Domänen, in denen man den Betrieb des Feldund Gartenbaus, des Dienstes der Hörigen, des häuslichen Gewerbes erkennt, wie ihn Karl der Große nach römischem Muster auf seine deutschen Pfalzen zu übertragen anordnete. Das indische Gesetzbuch des Manu, das isländische der Grägäs aus dem 12. Jahrhundert geben uns die lebendige Anschauung von sozialen Zuständen und Entwickelungen, über die wir aus Geschichtsbüchern wenig oder nichts wissen. Vielfach aber sind Reste ehemaliger Zustände der Art noch in der Gegenwart vorhanden, wenn auch verwittert oder mit späteren Bildungen überwuchert. Durch ganz Norddeutschland zeigen sich sporadisch eigentümliche Rechtsinstitute, die sich als flämische bezeichnen. Indem man sie untersucht und mit anderen Vorkommnissen vergleicht, gewinnt man viel mehr als die Geschichte dieses Rechtsinstituts: flämische Hufe, flämischer Kirchgang, der Fläming in der Nähe Berlins, flämische Straße in so vielen Städten diesseits der Elbe erweisen sich als Reste von Gründungen, welche nach schweren Fluten in den Niederlanden durch Auswanderungen von dort gemacht wurden, ländliche und städtische Kolonisationen, die bis an die Weichsel reichen (belgische Preisschrift von de Borchgrave, Histoire des colonies beiges 1865). Und wenn man in den Chroniken der deutschen Städte und einzelnen Urkunden hier und da von Lübischem, Magdeburger, Soester Stadtrecht liest, so gewinnt man doch erst mit



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dem Studium dieser höchst ausgebildeten und eigentümlichen Stadtrechte, wie sie z. E. in schleswig-holsteinischen und mecklenburgischen Städten zum Teil noch bis 1848 in praktischer Geltung waren, eine Vorstellung von dem städtischen Leben bis ins 13. Jahrhundert hinauf, von dem die städtischen Chroniken kaum etwas ahnen lassen. Wie wenig könnte man die Bedeutung Erfurts würdigen, wenn man nicht in dem „Erfurter Wasserrecht" gleichsam die Grundlage der ganzen eigentümlichen Gartenkultur und den Betrieb der Farbe- und Handelspflanzen sähe, der dorthin von Mainz gebracht worden war. Und daß in Erfurt zum Teil noch heute dieselbe Gartenkultur in der Form der Wasserbeete usw. geübt wird, erklärt das in den alten Rechtssatzungen Überlieferte in anschaulichster Art. Jede deutsche Dorfflur, wie sie heute noch ist oder bis vor einem Menschenalter noch war, ist ein lebendiges Stück Geschichte. Wenn man nur weit genug zurückforschen kann, findet man, daß dieselbe Flurteilung bis in die Zeiten der ersten Ansiedelung zurückreicht oder doch in dieser ihrer ersten Grundlage noch jetzt erkennbar ist. Und da ergeben sich die charakteristischen Unterschiede der Anlage des Dorfes und der Feldflur des alten Hessen , Sueven-, Fresengaues an der unteren Saale im Verhältnis zu den benachbarten thüringischen Gauen auf der einen, den sächsischen auf der anderen Seite, wie weiter, im Osten der Saale und Elbe, die deutschen und slawischen Dörfer sich auf den ersten Blick unterscheiden, indem diese in Hufeisenform, jene zu beiden Seiten der Dorfstraße gebaut sind. Wenn auch Nissen (Das Templum 1869) unrecht hatte, in den römischen Städten Italiens immer dieselbe Orientierung nach dem cardo und decumanus wie in dem römischen Lager erkennen zu wollen, — Städte, die wie Turin aus castra stativa erwachsen sind, zeigen ebendiese Grundform. E s ist bekannt, wie viele Gebräuche und Sitten, die bis auf den heutigen Tag wenigstens da und dort noch in Übung sind, bis in die heidnische Urzeit hinaufreichen: das Johannisfeuer, das Osterwasser, die Martinsgans, Julklapp zu Weihnachten Usw. Seit Grimm in seiner deutschen Mythologie zuerst darauf aufmerksam gemacht, hat man in Deutschland, England, Frankreich überall solche alten Bezüge wieder entdeckt, man hat erkannt, daß die Volkssitte eine Fülle von historischen Materialien für die alten und ältesten Zeiten enthält (Mannhardt in Danzig). c) Es leitet dies zu einer dritten Kategorie von Überresten hinüber. Dieselben germanistischen Forschungen haben nachgewiesen,

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daß in unsern Kindermärchen vom Schneewittchen, Machandelboom, vom wilden Jäger, vom Rattenfänger von Hameln usw. sich Vorstellungen des altgermanischen Heidentums erhalten haben. Das Christentum hat sich wohl über sie ergossen, aber hat sie nicht völlig austilgen können. J a , so zäh haben sie gehaftet, daß sie selbst die slawische Invasion in den Gegenden zwischen Elbe und Ostsee, wo einst Longobarden und Semnonen saßen, überdauert haben. Paulus Diaconus Gesta Long, i, 9 sagt von den Longobarden: Wodan, quem adjecta litera Gwodan dixerunt, und diese Form hat sich in diesen Landen von der Havel bis Bardowyk erhalten in der Erzählung von Frau Gaude (W. Schwartz, Der heutige Volksglaube und das alte Heidentum. 2. Aufl. 1862). So umgedeutet und unverstanden reicht eine Vorstellung der Heidenzeit bis in die Gegenwart herein. E s ist ein ähnliches Verhältnis wie im alten Griechenland, wo immer wieder in die hellere Welt der olympischen Götter die trüben Nachklänge einer überwundenen Zeit, die dunklen Gestalten der alten Götter, wie sie Aischylos nennt, hervorbrechen, und fast nur noch in ihren Mythologemen und deren Wandlungen erkennt man die Bewegung ihrer geschichtlichen Entwicklung bis zu der Zeit, wo zur Seite des sich vollendenden Epos die dürftigen Nachrichten ihrer äußeren Geschichte beginnen. Und wie die religiösen, so die sprachlichen Bildungen und Umbildungen bei den Griechen und bei jedem Volk. Die Sprache, wie sie denn nun ist oder wie sie in großen Literaturen fertig dasteht, ist ein lebendiges Stück Geschichte, und zwar linguistisch, d. h. nach ihren grammatischen und etymologischen Beziehungen, so gut wie in ihren Anschauungen und Metaphern. „Knall und Fall" konnte unsere Sprache erst sagen, als dem Fall des Wildes der Schuß vorausging; „ich traue dem Frieden nicht" hat seinen Ursprung aus der Zeit der Landfriedensversuche, trotz deren der Kaufmann mit seinen Waren nicht zum Jahrmarkt der Nachbarstadt zu ziehen wagte. Lexika wie das deutsche von Grimm, das französische von Littr6 haben vor allem das Verdienst, daß sie den Sprachschatz als den großen Niederschlag der lebendigen Geschichte und der Anschauungen verschiedener Zeiten und Völker aufweisen. E s ist bekannt, zu welchen Ergebnissen für die Geschichte der Völkerbildungen, die über alle Erinnerungen hinaufreichen, die vergleichende Sprachwissenschaft bereits geführt hat, wie z. E . aus den gleichen Bezeichnungen für die Haustiere, die Ackergeräte, die elementaren Lebensbeschäftigungen usw. die Kulturzustände der indogermanischen Völker vor ihrer Trennung nachzuweisen sind.



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Nicht minder bemerkenswert, wie die Linguistik die große Einsicht erschlossen hat, daß die Sprache, wie Ausdruck des Volksgeistes, so dessen Schranke ist. Die chinesische Kultur wurde man erst fähig zu begreifen, als man die Einsicht gewann, daß die Sprache der Chinesen nicht phonetisch, sondern sozusagen ophthalmisch ist, daß sie prinzipiell anders denken als andere Völker, nämlich nicht auf Grund hörbarer Töne, sondern sichtbarer Zeichen, so daß ihre Schrift die Fähigkeit hat, auch in andern Sprachen als der chinesischen gelesen und verstanden zu werden, daß sie eine Pasigraphie ist, in der sich die 200 Millionen des himmlischen Reichs, wie weit sie sprachlich und ethnographisch einander fernstehen mögen, untereinander verstehen. Wenn ich also die dritte Reihe von Überresten, nach der der Werke und der der Zustände, als die des sprachlichen Ausdruckes der Gedanken bezeichne, so versteht es sich, daß hieher noch unendlich viel mehr gehört: die Literatur der Völker, ihre wissenschaftlichen Arbeiten, die philosophischen und religiösen Gesamtanschauungen, die Gedankenkreise jedes Zeitalters, soweit sie in schriftlichen Darlegungen noch vorhanden sind. Ein Werk wie Dantes Divina Commedia ist für den Historiker nicht bloß in den zahlreichen historischen Notizen, die es enthält, lehrreich: es ist vor allem in seiner sittlichen, religiösen, politischen Auffassung ein köstüches Dokument seines Zeitalters, und ich wüßte nichts, was das beginnende 14. Jahrhundert großartiger und tiefer zur Anschauung brächte. Wir wissen aus dem geistigen Leben der drei Jahrhunderte vor Christus unverhältnismäßig wenig, aber wenn man die apokalyptischen Schriften der Juden, darunter das Buch Daniel, dazu die sibyllinischen Orakel, das Buch Henoch, diese ganze hybride Literatur, die neben der gelehrten alexandrinischen dahergeht, so würdigt, wie sie es verdient, so tritt da eine Gedankenwelt hervor, die in der Tat die Sehnsucht, die dem beginnenden Christentum den Weg bahnte, verständlich macht. d) Endlich die Überreste aus dem schriftlichen Verlauf von allerlei Geschäften, öffentlichen wie privaten, wie sie in den Akten der Archive, in Berichten, Gutachten, Korrespondenzen, Rechnungen usw. vorliegen. Das für diese Materialien Bezeichnende ist, daß sie Momente in den sich vollziehenden Geschäften waren, daß sie, zufällig und teilweise erhaltene Momente aus der Kontinuität der Geschäfte, freilich nicht die Geschäfte selbst sind, denn bei weitem nicht alles, oft das Wichtigste nicht, ist schriftlich, sondern mündlich abgemacht. Die noch so reiche gesandtschaftliche Korrespondenz einer

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bewegten Zeit berichtet doch nur summarisch von dem, was besprochen wurde, die noch so geordneten Rechnungen eines Staats, eines Gemeinwesens sind für die historische Forschung, da sie einen andern, den geschäftlichen Zweck hatten, doch nur bis zu einem gewissen Grade genügend. E s ist klar, daß sich unsere Forschung für den gegebenen Fall nichts Besseres wünschen kann als derartige geschäftliche Überreste, wie mühsam und oft schwierig es ist, sie für die Forschung zu benutzen. Solche Materialien reichen in einzelnen Fragmenten sehr weit in die Vorzeit hinauf. Unter den hieratischen Papyren der altägyptischen Gräber finden sich Kontrakte, Befehle, Meldungen aus dem zweiten, ja dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Unter den Tonplättchen, die aus der Bibliothek des Assurbanipal in Ninive erhalten sind, gibt es, außer gelehrten und historischen Aufzeichnungen, auch Schreiben, Kontrakte, Rechnungen, die dem 8. Jahrhundert angehören; unter den tönernen Zylindern, die man in Babylon und Umgegend gefunden hat, sind aus den Anfängen der Seleukidenzeit noch in Keilschrift geschriebene Rechnungen eines Handelshauses. Dann die nächstältesten Originale sind die griechisch-ägyptischen Papyren, die Geschäftliches mancherlei enthalten, Kaufkontrakte, Steuerkontrollen, die Hermiasakten (Amadeo Peyron), ein vollständiger Zivilprozeß, im ganzen vielleicht 200 Stück. Aus dem römischen Altertum einige Wachstafeln, teils aus Pompeji, teils aus einzelnen Provinzen und ähnliches. Aus mittelalterlicher Zeit beginnen, abgesehen von den Urkunden, Schriftstücke aus Geschäften schon im 6. Jahrhundert, zunächst solche, die Klöster und Kirchen in Italien, Frankreich, England angehen. Früh schon haben die Bischöfe in Rom Verzeichnisse der aufbewahrten Aktenstücke angelegt. Schon 419 sagt Papst Bonifazius I.: ut scrinii nostri monimenta declarant (Jaffe Regest. Nr. 142), schon von Gregor I. (590—604) sind Regesta erhalten und 1702 von den Benediktinern ediert. Als das nächstälteste Archiv wird das im Tower zu London erhaltene zu nennen sein, das, wenn nicht unmittelbar seit der normannischen Eroberung, so doch seit Heinrich II. (1150) ununterbrochen fortgeht und natürlich auch vieles aus der angelsächsischen Zeit enthält; und dann das unvergleichliche DomesdayBuch von 1086, ein durch die Beamten des Königs verfaßtes statistisches Landbuch, ähnlich wie das Landbuch Kaiser Karls IV. für die Mark Brandenburg von 1374. Dann mag das Archiv in Venedig folgen, das bereits 1300 in vollem Gang war.

— 49 — E s versteht sich von selbst, d a ß man immer und überall die geschäftlichen Papiere, wenigstens die staatlichen, zusammenzuhalten gesucht hat, um sie zum Gebrauch zur Hand zu haben. In A t h e n diente das ¡urjrgmov dazu, das freilich erst von Pheidias erbaut worden ist. U n d in R o m das sog. Tabularium, das den ganzen A u f g a n g des Capitol v o m F o r u m her noch jetzt füllt, von Sulla gegründet, um alle zerstreuten Archive da zu vereinen und zugleich B u r e a u x für die sämtlichen Behörden zu schaffen. D a s deutsche Staatswesen des beginnenden Mittelalters w a r lange Zeit nicht an eine feste Residenz geknüpft, blieb ohne festen und dauernden Mittelpunkt des Regimentes, und es war da dem K a n z l e r schwer und unmöglich, Ordnung zu halten. Mit Kaiser Heinrich V I I . ging die ganze deutsche Reichskanzlei mit nach Italien, und bei seinem gewaltsamen Tode 1 3 1 3 ritten alle Deutschen seines Gefolges heim, die Reichspapiere ließ m a n d a ; sie zerstreuten sich, ein Teil davon ist noch heut in dem Stadtarchiv von Pisa (Ficker, Die Überreste des deutschen Reichsarchivs zu Pisa. Sitzungsberichte der Wiener A k a d e m i e 14,1854). In der N a t u r der Sache lag es, daß so geordnete Gemeinwesen wie Lübeck, Florenz, Venedig, d a ß so musterhafte Verwaltungen wie die des deutschen Ordens in Preußen ihre geschäftlichen Papiere sorgsam in Obhut nahmen, wie Kirchen und Klöster schon vorher getan. A u c h bei den fürstlichen Hofhaltungen begann im ausgehenden 14. Jahrhundert das Interesse der archivalischen Ordnung, und seit dem 15. Jahrhundert haben sich die A k t e n in den fürstlichen oder städtischen Archiven in immer größeren Massen aufgespeichert. Schon im 15. Jahrhundert finden sich in Masse politische Korrespondenzen, Berichte der oratores und ambassiatores, es finden sich offizielle Aufzeichnungen der Konzilienverhandlungen v o n Konstanz, von Basel, einzelne Aufzeichnungen über reichsständische Verhandlungen. In der Reformationszeit schließen sich die Protokolle der Kolloquien und Disputationen, die Gutachten und Briefe der Theologen an ihre Obrigkeiten daran. U n t e r K a r l V . und Philipp II. ist bereits eine g a n z moderne A r t der schriftlichen Geschäftsführung ausgebildet, wie m a n u. a. aus den Papieren des Kardinals Granvella sieht, die in 82 Foliobänden in Besançon aufbewahrt werden und v o n denen das französische Gouvernement auf Guizots A n l a ß eine A u s w a h l in neun 4°-Bänden publiziert hat. Nicht allein die politische Geschichte der letzten Jahrhunderte ist recht eigentlich auf die Schätze der Archive angewiesen. F a s t in noch höherem Grade das S t u d i u m der inneren Zustände, des H a n dels und Gewerbes, des Steuerwesens, des Heerwesens. D r o y s e n , Historik

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Wir stehen mit diesen archivalischen Studien kaum in den ersten Anfängen. Sie sind darum noch so schwierig, weil kaum erst das eine und das andere auch nur äußerlich notdürftig geordnet ist; aber noch keins ist so weit durchgearbeitet und evident gemacht, daß der Forschende auch nur mit einiger Sicherheit sich in den Aktenmassen bewegen könnte; höchstens die Urkunden, wenigstens die vor 1500, erfreuen sich des Vorzugs, mit Sorgfalt behandelt zu werden. Allerdings hat man schon im 17. und 18. Jahrhundert vielfach über diese wichtige Frage gehandelt (so Wenker, Apparatus et instinctus archivorum Argent. 1713), und an der Mainzer Universität gab es bis zu ihrem Untergang 1793 einen eigenen Lehrstuhl für Archivkunde. Aber erst in unserm Jahrhundert ist bei tiefer dringender historischer Forschung für die Archive ein besseres Verständnis erwacht, und wenigstens dem Gedanken nach war es etwas völlig Neues, was Napoleon I. auf de Gerandos Vorschlag in der école des chartes zu gründen unternahm, die dann freilich erst 1821 ins Leben trat, aber mit einer weniger archivistischen Tendenz als zur Förderung der historischen Studien überhaupt. Das da Versäumte suchte man in Belgien nachzuholen: auf Befehl des Königs Leopold I. wurde die Neugestaltung der belgischen Archive unternommen und der höchst vortreffliche Gachard mit dieser großen Aufgabe betraut als archiviste général du royaume. Da ist die Bahn gebrochen, und allmählich sind in anderen Ländern wenigstens erste Versuche gemacht, desselben Gleichen zu tun. Die Denkmäler § 23 Die Denkmäler stehen zwischen den Überresten und den Quellen. Sie wollen aus der Zeit, aus den Vorgängen oder Geschäften, von denen sie Überreste sind, etwas bezeugen oder für die Erinnerung fixieren, und zwar in einer bestimmten Form der Auffassung des Geschehenen und seines Zusammenhangs, und darin sind sie den Quellen analog. a) Im vollen Sinn hieher gehören die U r k u n d e n , die nicht bloß ein Geschäft, zu dem sie gehören, abschließen, sondern diesen Abschluß für die künftigen Geschäfte bezeugen wollen. Es ist von nicht geringem Interesse, sich dieser Gesichtspunkte bei der Benutzung der Urkunden bewußt zu bleiben. Es gibt mancherlei Arten der Urkunden. Denn auch Testamente, Schuldscheine, Vollmachten, Wechsel, Aktien sind in gewissem Sinn



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Urkunden, und man hat sich schließlich gewöhnt, das Wort ziemlich obenhin zu brauchen. Im wahren Sinn Urkunde sind nur die feierlichen Bezeugungen für abgeschlossene Verträge und Rechtsgeschäfte mit Einschluß von Dokumenten über Schenkungen, Begnadigungen, Adels- und andere Diplome. Natürlich denken wir historisch bei dem Wort Urkunde sofort und zunächst an die mittelalterlichen Schriftstücke, die in neuester Zeit in zahllosen Sammlungen ediert sind, Urkunden von Päpsten, Kirchen, Klöstern, von Kaisern, Königen, Fürsten, Städten usw. Der Grund des unermüdlichen Eifers, der auf diese Publikationen gewandt wird, ist der, daß wir für diese Jahrhunderte bis zur Reformation hinab, wo die sonstigen archivalischen Papiere erst häufiger werden, kein oder wenig genügend zuverlässiges schriftliches Material neben den Quellen haben und zugleich aus den Urkunden für unzählige rechtliche und andere Verhältnisse sicheren Anhalt finden. Diese Urkunden beginnen in der Zeit der merowingischen und longobardischen Könige, gewinnen allmählich eine konstante Form, in der eben der solenne Charakter ihrer Ausstellung sich kundgibt. Neben der Urkunde dann das breve, an die einzelne Person gerichtet, mit dem Handsiegel, z. E . dem Fischerring des Papstes. Sodann placita, d. h. Beliebungen, sowohl Beschlüsse ständischer Versammlungen als Entscheidungen solcher Versammlungen, wenn sie als Gericht verfahren (Hofgericht). (Noch andere Formen: Breßlau, Die Kanzlei Kaiser Konrads II. 1872.) Über den Eifer für die mittelalterlichen Urkunden hat man fast vergessen, daß Urkunden ganz ähnlicher Art wie in den privaten so in den Staatsgeschäften bis auf den heutigen Tag im Schwange sind und wenigstens zum Teil und gelegentlich ein ebenso großes Interesse für die historische Forschung haben. Das Studium dieser Urkunden der neuen Jahrhunderte hegt noch völlig im argen. E s ist darum so schwierig, weil man oft erst aus der genauen Kenntnis der oft jahrelangen Vorverhandlungen die paar Artikel oder die paar Worte erkennt, um welche sich die Verhandlung so verzögerte, und erst, wenn man diese kennt, hat man den Schlüssel zum Verständnis der ganzen Urkunde. So in dem preußischen Kronvertrag vom 16. November 1700 handelt es sich schließlich darum, ob es heißen soll, daß der Kurfürst von Brandenburg nicht b e f u g t , wie der Kaiser will, oder nicht g e m e i n t sei, wie preußischerseits prätendiert wird, ohne kaiserliche Approbation zur Proklamation der königlichen Würde zu schreiten. Das ist der entscheidende Punkt: ob der Kaiser allein die Königskrone verleihen kann, oder der Kurfürst



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einen souveränen A k t vollzieht, zu dem der Kaiser u m seine Anerkennung ersucht wird, wie jeder andere Souverän. D a z u die Schwierigkeit der Datierung. B e i den Staatsverträgen handelt es sich nicht bloß um die des Abschlusses, sondern um die der Ratifikationen und deren Auswechselung, mit der erst der V e r t r a g perfekt wird. W i r können das Wesen der Urkunde bis in das A l t e r t u m hinauf verfolgen. A u ß e r den früher schon erwähnten Protokollen, die noch im Original vorhanden sind, z. B. den ägyptischen, haben wir deren auch staatliche aus dem Altertum, und zwar in authentischer Abschrift, d. h. in der F o r m von Inschriften. Denn die bei den Schriftstellern aufbewahrten, z. E . die von Polybius angeführten Verträge zwischen der römischen Republik und K a r t h a g o , sind eben nicht in authentischer F o r m überliefert, und der bei T h u k y d i d e s V , 97 angeführte V e r t r a g A t h e n s mit Mantineia und Elis, von dem ein Bruchstück inschriftlich gefunden worden ist, erweist sich aus ebendieser Inschrift als lückenhaft überliefert. Mit den inschriftlich überlieferten steht es anders: wir haben da namentlich für A t h e n eine ganze Reihe wirklicher Urkunden. Denn d a ist die öffentliche Ausstellung auf einer steinernen Stele der A k t der authentischen Publikation, wie es in Aristophanes Lysistrate 513 heißt, wo in der Verhandlung der Weiber v o n Hellas das attische Verfahren parodiert w i r d : xi ßeßovXevtai ¿v rfj OTtjXtj nagaygayicu. Es sind Psephismen, Verträge mit anderen Staaten, geleistete Rechenschaften über geschehene Auszahlungen, über Ablieferungen des Vorhandenen, z. E . im Schatz, in den Schiffswerften, von der abtretenden an die neue Behörde. A u c h d a hat die Urkunde mehr oder minder schematische Formulierung, die zu ihrer Beglaubigung wesentlich ist. Von A t h e n sind solche Dokumente in solcher Fülle vorhanden, daß man auch diese wichtige Seite ihrer Fassung feststellen kann, in den Praeskripten der Volksbeschlüsse, in den stehenden Formeln für Ehrendekrete usw. Sporadisch finden sich solche Urkunden staatlicher A k t e auch in andern griechischen Städten, und zum Teil l ä ß t sich der A k t ihrer Formulierung nach Analogie der attischen deuten. Unter den römischen Inschriften ist die Zahl der eigentlichen Urkunden geringer, oder richtiger: es sind nur gewisse Kategorien von Urkunden, z. E . tabulae honestae missionis, zahlreich vertreten. D a z u einzelne S Consulta, einzelne leges. In desto größerer Masse Dedikationen, Grabschriften, Verzeichnisse aller A r t , und das sehr ausgeprägte F o r m e l h a f t e in diesen römischen Inschriften bezieht sich auf andere Gesichtspunkte als die ihrer Beglaubigung als Urkunde.



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Das da für die Forschung besonders wichtige Moment ist die regelmäßige Folge der Ämter und Ehren, die Art der Namenangabe, die typische Form der Dedikation, Elogien usw. b) Die I n s c h r i f t e n . Wie hier so überall sind die Inschriften, wenn auch nicht Urkunden im eigentlichen Sinn, so doch Denkmäler recht eigentlich monumentaler Art und somit in dies Kapitel der Monumente gehörig. Da liegt ein historisches Material vor, das erst mit dem 19. Jahrhundert in seiner ganzen Fülle erschlossen worden ist. Nicht alle diese Inschriften bieten historisches Material, so die Koransprüche der maurischen Gebäude, so die vielen frommen Inschriften christlicher Gebäude und Gräber. J e näher den an sonstigen historischen Nachrichten reicheren neueren Jahrhunderten, desto mehr tritt die Wichtigkeit der Epigraphik in den Hintergrund, und es hat nur noch hier und da ein Spezialinteresse, etwa die Inschriften des Mainzer Domes oder der Nürnberger Kirchhöfe zu sammeln. Für das Altertum sind die Inschriften desto bedeutsamer, wie denn so gut wie ausschließlich unsere Kenntnis der assyrisch-babylonischen Welt, der ägyptischen Geschichte auf ihnen beruht, und der griechischen und römischen Geschichte zu einem sehr bedeutenden Teil. c) M o n u m e n t a l e B a u - und K u n s t w e r k e . Viele von jenen Inschriften sind von dem historischen Denkmal, auf dem sie angebracht sind, nur ein Teil von mehr oder weniger wesentlicher Bedeutung. So unzählige Grabstelen der Griechen und Römer mit oder ohne Bildwerk auf der Stele; so unzählige Dedikationen von Tempeln, Weihgeschenken; Epigramme auf Statuen oder Hermen usw., wie denn die Epigramme der Anthologien zum nicht geringen Teil von wirklichen Inschriften der Monumente abgeschrieben sind. Ebenso Teil des Monuments sind fast alle hieroglyphischen Inschriften Ägyptens, denn für die Zwecke des nicht monumentalen Schreibens hatte man dort die hieratische und weiter die cursive, davor die enchorische oder demotische Schrift. Von den persischen Keilinschriften sind wenigstens mehrere Ergänzungen der bildlichen Darstellung, so die große dreisprachige von Behistun (Bagistana), eines Bildwerkes, das den Sieg des Königs Darius über die Magier und die anderen Könige, die sich wider ihn empört haben, darstellt. Das Bildwerk, das Kunstwerk ist in solchen Überresten das eigentliche Denkmal; es will in seiner Darstellung den gefeierten Vorgang für künftige Zeiten festhalten, es ist recht eigentlich historischer



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Natur. Die Kunst in ihren großen Schöpfungen ist wesentlich monumentaler Art, und das Kunstwerk ist erst in seiner geschichtlichen Beziehung ganz zu fassen und in vollendeten Darstellungen so faßbar, daß es auch ohne Inschrift verständlich ist. So die Trajanssäule, so die attalischen Skulpturen, die den Sieg über die Galater verewigen. Und für eine solche Auffassung würde nicht bloß die Skulptur und Architektur in Betracht kommen, auch die Malerei tritt mit in die Reihe. Wir haben weniges der Art aus dem klassischen Altertum. Die Wandmalereien in Pompeji sind leichterer Art, mehr häuslicher Schmuck; bedeutsamer schon die zum Teil wundervollen Reste von Gemälden aus den palatinischen Palästen. Dafür tritt dann als Ersatz die musivische Arbeit ein, unter dieser das Mosaik der Alexanderschlacht in Pompeji (nach anderen wieder eine Verherrlichung der Attalischen Siege über die Galater) und an der Grenze des sinkenden Altertums die wundervollen Mosaiken von Ravenna, besonders in San Vitale und San Apollinare nuovo, aus der Zeit des großen Ostgoten Theodorich (Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei, übersetzt von Max Jordan i, 1869). Diese musivische Kunst und ihre Weiterbildung in der Malerei auf nassem Kalk (al fresco), die, frühen Ursprungs, seit dem 1 1 . Jahrhundert auch über die Alpen sich verbreitet, erfüllt das Abendland mit dem Stil der byzantinischen Kunst, während schon in Sizilien, in Spanien die bunte Spruchreihe der Araber herandringt. Überschaut man diese Basiliken, Münster, Klosterbauten, diese fürstlichen Palatien und Burgen des germanisch-romanischen Abendlandes mit ihrem Schmuck an Skulpturen und Fresken, ihren Bronzetüren und ihren Kelchen und Kruzifixen mit eingelegten antiken Gemmen, ihren Meßgewändern und Teppichen, so bekommt man doch noch mehr als eine Einsicht in die technische und kunstgeschichtliche Entwicklung des Abendlandes. Besonders merkwürdig, wie früh diesseits der Alpen die Malerei zu nicht bloß kirchlichen Zwecken, sondern zu recht eigentlich historisch-monumentaler Darstellung verwandt worden ist. Von der Ungarnschlacht ließ König Heinrich I., wie Liudprand erzählt, eine CcoyQayia im Speisesaal der Pfalz zu Merseburg malen (um 930), adeo ut rem veram potius quam verisimilem videas. Die tapisseries von Bayeux um 1100 stellen in einer Reihe von mehr als 200 Fuß Länge die Eroberung Englands durch die Normannen dar. Seit 1300 mit Giottos großen Fresken in Assisi und sonst, mit dem Campo Santo in Pisa, mit den Brüdern van Eyck um 1400 beginnt die große Entwicklung der Malerei, die dann in mächtiger Bewegung auch die Vor-



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gänge der historischen Gegenwart auffaßt und darstellt. Ich erinnere an die Fresken im Dom zu Siena um 1500, die das Leben des Papstes Pius II. (Aeneas Sylvius Piccolomini) darstellen, und an die große Raffaelische Verherrlichung des Papsttums in den Stanzen usw. Schon folgt Holzschnitt und Grabstichel, die Werke der Malerei zu vervielfältigen und in die Massen zu verbreiten. Der Holzschnitt ist in sicheren Exemplaren bereits 1426 nachzuweisen (viel früher Holzplatten der Farben in der Biblia pauperum, mit Reimen dabei, der Bettlerorden). Der Kupferstich folgt 50 Jahre später, hervorgegangen aus den Niellos der Goldschmiede (nieliierte Bronzeplatten für Gräber; Lübeck). Die erregten Zeiten der Reformation gaben beiden Künsten Gelegenheit zu ungemein großer, auch politisch und kirchlich bedeutsamer Einwirkung, mit besonderer Vorliebe für karikierte Darstellungen. Diese Karikaturen bleiben dann ein stehender Artikel für aufgeregte Zeiten, so die holländischen in der Zeit des Abfalls, dann die des Dreißigjährigen Krieges (Sammlung in der Hamburger Bibliothek). d) In besonders anziehender Weise tritt der gemischte Charakter der Denkmäler in den Münzen hervor, die obendrein zugleich Urkunden sind, und wenn irgendein besonderer Zweig der Denkmäler Interesse für die historischen Studien hat, so die N u m i s m a t i k . Wenn es der Charakter der Münze ist, daß ein Stück Metall, besonders Edelmetall, durch ein Gepräge unter staatlicher Autorität und Garantie für einen bestimmten Wert in den Kleinverkehr gegeben ist, so haben erst die Lydier diesen für den Handel außerordentlich wichtigen Schritt getan, wie Herodot I, 94 bezeugt und schon vor ihm Xenophanes bei Pollux I X , 83. Nicht als wenn nicht schon früher die Kulturvölker edle Metalle im Tauschhandel gebraucht hätten. In den ägyptischen Bildwerken sieht man oft genug unter den Tributen aufgehäufte Massen von Goldringen, und eine alte Notiz gibt an, daß sie sich der Skarabäen (Amulettsteinen in Gestalt von Mistkäfern) als Scheidemünze bedient hätten. Die Babylonier, von denen sich das System der Maße und Gewichte über die ganze Alte Welt verbreitet hat, wogen das edle Metall im Tausche zu. Die Phönizier versahen nach einer alten Angabe die Barren gewogenen Metalls (oßeXlaxoi oder ¿ßeXol) mit dem die Zahl bezeichnenden Buchstaben. Erst die Lydier, die Herodot zugleich als die ersten xdatrjXoi, Kleinhändler, nennt, prägten; seit wann, sagt er nicht; aus anderweitigen Kombinationen ist zu ersehen, daß es nicht viel vor 800 geschehen sein kann. Denn der König

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Phaidon von Argos, der für die Verkehvsentwicklung Griechenlands so wichtig ist, hat Silber geprägt, und seine Zeit dürfte Ol. 8 (nicht Ol. 28) sein. Der Anfang war, daß man auf einem Prägstock (daher das quadratum incusum der ältesten Münzen) dem rundlichen Stück Gold oder Silber eine Form aufprägte, die in den aufschlagenden Hammer eingeschnitten war, eine Schildkröte in Ägina, einen Schild in Theben, einen Becher in Chios oder was sonst das Stadtzeichen war. Anfangs ohne Umschrift, die erst im 6. Jahrhundert eintrat — aus diesen Umschriften sind mit Sicherheit datierbar die Münzen des Themistokles aus Magnesia, die des Alexander Philhellen in Mazedonien —, schon um 550 mit künstlerischen Formen, die bereits im 5. Jahrhundert zu höchster Vollendung, besonders in Mazedonien, in Thessalien, in Tarent, in Sizilien sich erheben. Mit dem offiziellen Gepräge der Stadt oder des Stadtherrn war dann dokumentiert, daß das Stück den Wert wirklich habe, auf den es ausgegeben worden; das Gepräge war die offizielle Urkunde über den Wert des Stückes. Es ist nicht nötig auszuführen, in wie großem Maße hier die historische Forschung Erfolge gewonnen hat. Die indobaktrischen Reiche nach Alexander sind fast nur aus Münzen festzustellen und historisch aufzuklären. Die Hunderte von Typen der tarentinischen Münzen geben in ihren Beizeichen ein Bild von den Industrien der Stadt (Weberei, Färberei usw.). In den römischen Familienmünzen lernt man die gentilicischen sacra kennen. In den großen römischen Kaisermünzen (Berliner Museum) hat man eine Menge von Darstellungen, die für die Topographie Roms vom größten Interesse sind, nebenbei die Porträts der Kaiser und ihrer Familien in reichster Fülle. Ebenso wichtig für die Kunstgeschichte sind die Hadriansmünzen mit dem Kopf des olympischen Zeus von Phidias, die Münzen von Knidos für die Statue der Venus, die von Athen mit der berühmten Gruppe des Harmodios und Aristogeiton. Eine andere sehr lehrreiche Seite dieses Studiums ist die Prüfung der Münzen nach ihrer Wertung. Boeckhs Metrologie regte zuerst den Gedanken des Zusammenhangs der metrologischen Systeme des Altertums und ihrer Abhängigkeit von dem babylonischen Maßsystem an. Diesen Gedanken hat dann Joh. Brandis (Das Maß-, Münz- und Gewichtssystem in Vorderasien bis Alexander, 1866) des weiteren ausgeführt und namentlich durch die Münzen bestätigt und Mommsen in seiner Geschichte des Römischen Münzwesens 1860 in der eigentümlichen Umformung des Libralsystems Italiens und Roms weiter verfolgt.

— 57 — Mit dem sinkenden Kaisertum sinkt die Kunst und die Bedeutsamkeit der Typen, wenn auch die der Kaiser von Konstantinopel immer noch besser sind als die der beginnenden Germanenreiche und bald der Städte und Bischöfe in ihnen. Desto bedeutsamer tritt da die orientalische Numismatik ein: schon die parthischen Arsakiden in Sehr stattlichen Reihen, dann auch künstlerisch sehr trefflich die Sassanidenmünzen mit den Pehlewiumschriften, deren Erklärung Justus Olshausen erschlossen hat. Es folgen die arabischen Prägungen, erst der Kalifen, dann der zahllosen Dynastien von Spanien bis Indien hinein. Die mittelalterliche Numismatik des Abendlandes ist tief im argen, noch tiefer im argen die Untersuchung ihrer Werte. Für jene hatte einen Anfang Lelewel gemacht, jetzt besonders Dannenberg in Berlin (Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit 1876 ff.; über die Werte Soetbeer, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in Deutschland in den Forschungen zur deutschen Geschichte 1. 2. 4. 6). Erst mit der Stauferzeit beginnt wieder ein einigermaßen künstlerischer Zug (die goldenen Augustalen Friedrichs II., italienische Arbeit), der sich dann mit der steigenden Kunst gleichen Schrittes zu der vollendeten Schönheit des Gepräges im 15. Jahrhundert erhebt; so besonders die Münzen des Kaisers Sigismund. Aber der Reichtum historischer Darstellung fehlt diesen Münzen; immer wieder sind es in deutscher Art stilisierte Wappen, dazu Stadtheilige und Madonnen usw. Erst im Ausgang des 15. Jahrhunderts beginnen Porträtköpfe der Kaiser, Könige und Fürsten. Seitdem bleibt dieselbe Leerheit, höchstens daß hier und da einmal ein sog. Geschichtstaler geprägt wird. Daneben freilich steht die Kunst der Medaillen. Ehe ich von diesen spreche, noch zwei auf die Numismatik bezügliche Bemerkungen. Für unsere Forschungen gibt es nichts Anziehenderes als die sog. Münzfunde, d. h. das Auffinden von massenweis beieinander vergrabenen Goldstücken. Wenn man einige hundert Goldstücke, die sämtlich dem und dem Jahre des Kaisers Gratian vorausliegen, in Ostpreußen beieinander in einem Topf fand, so gelang es nachzuweisen, durch welche eigentümliche Verbindungen sie dorthin gekommen sind. In einem Garten des alten Sidon fand man 1863 mehr als 3000 meist noch stempelfrische Goldstateren, von denen sich nachweisen ließ, daß sie zwischen 310 und 306 vergraben sind; es sind keine persischen mehr darunter, nur griechische von Philipp, Alexander und Philipp Arrhidäus sowie von mehreren autonomen Städten: es war

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wie ein Lichtstrahl, der in die dunkle Geschichte dieser Zeit fiel. In den baltischen Küstenländern wurden nicht selten solche Schätze gefunden, in denen arabische und angelsächsische, arabische und deutsche Münzen, manche davon mit der Schere durchschnitten, beieinander liegen. Man erkennt in ihnen die Verbreitung, den Gang des Handels bis ins 13. Jahrhundert und man begreift, warum die Hansestädte nach Wisby, nach der livischen Küste (Narva und Reval), nach Nowgorod ihre Kontore vorschoben : es galt dem großen Welthandel in der Konkurrenz gegen Amalfi, Pisa, Venedig möglichst weit nach Osten entgegenzugehen. Eine zweite Notiz betrifft die Notmünzen. Es sind solche Stücke, die in böser Zeit, etwa während der Belagerung einer Stadt oder bei Okkupation einer fremden Provinz, von den da waltenden Autoritäten ausgegeben werden, um den mangelnden Zahlungsmitteln abzuhelfen: entweder man zerschneidet Silbergeschirr und prägt den Stücken einen extemporisierten Stempel auf, oder man schlägt in die in dem okkupierten Lande vorhandenen Münzstücke ein Zeichen auf, das sie als anerkanntes Geld bezeichnet. Solche Aufprägungen und Umprägungen kommen schon in den antiken Münzen nicht selten vor und sind dann sehr lehrreich (besonders oft und weit verbreitet korinthische Münzen). Sie sind ferner häufig mit spanischen Piastern, mit französischen Kronen; unzählige gibt es aus der Zeit der Französischen Revolution, besonders in Italien. Das sind dann oft nicht eigentliche Notmünzen, sondern man erspart sich nur die Kosten des Umschmelzens, oder es gilt die zu schikanieren, welche die verrufenen Münzen nicht abgeliefert haben. Es ist überaus anziehend, diesen Dingen nachzugehen. Ein Schritt weiter ist es, daß man beliebigen, oft wertlosen Metallstücken durch einen Stempel einen fingierten Wert beilegt, wie etwa Dionys' I. Zinndrachmen, oder Karls XII. Myntetalern, handgroßen Kupferplatten mit dem Stempel 4 Riksdaler (Alex. Brückner, Über die Kupfertaler Karls XII.). Und war man einmal so weit, so befand man sich bereits in der Region der wertlosen Wertzeichen, die endlich seit den französischen Assignaten ein stehender Faktor des Geldumlaufs geworden sind. Ich habe der Schaustücke erwähnt. Einzelnes der Art kommt schon im Altertum vor, so die prachtvollen großen Goldstücke Alexanders des Großen, die sein Bewunderer Alexander Severus prägen ließ (Longpérier, Trésor de Tarse. Revue numism. 1868) ; so mehrere große Stücke der römischen Kaiser wie Diokletians. Besonders in den letzten fünf Jahrhunderten sind solche Denkmünzen ein Ersatz

— 59 — für den Reichtum der antiken Prägungen gewesen. Zuerst im Ausgang des 14. Jahrhunderts, nicht ohne Einfluß des seit Petrarca wieder erblühten Studiums der Antike, begann man in Padua, Mantua tesserae für allerlei öffentliche Zwecke mit einem Bildniskopf des Stadtherrn (Francesco di Carrara) auf der einen Seite und irgendeiner symbolischen Darstellung nach antikem Muster auf der anderen zu prägen. Bald formte man Ähnliches in größerer Ausdehnung, man goß die Stücke in Bronze, man nannte sie Großmetalle, medaglioni. Seit dem Pisaner Konzil 1409 bekam diese neue Kunst in Italien raschen Aufschwung, wurde für Porträtdarstellungen und zur Erinnerung an wichtige Begebenheiten und Personen sehr beliebt, so die wundervollen italienischen Arbeiten des 1 5 . Jahrhunderts (Lucrezia Borgia mit dem Amor). Erst gegen den Ausgang des Jahrhunderts folgten die deutschen (Dürer), dann die niederländischen Meister. Man kehrte allmählich zur Prägung auch dieser Stücke zurück, nicht zum künstlerischen Vorteil der Medaille. Die Eigentümlichkeit dieser Kunst blieb, zur Erinnerung an bedeutende Personen oder Tatsachen zu dienen. Schon die Reformation erzeugte ihrer eine Menge. Die Niederländer begleiteten ihren schweren Freiheitskampf gegen Spanien mit einer ganzen Reihenfolge solcher Pfennige. Und ähnlich dann Frankreich, England, fast jeder Staat. Nichts anziehender, als diese Suiten monumentaler Geschichte mit ihren Epigrammen (Afflavit Deus, Nostris ex ossibus u. dgl.). Freilich wurde dann auch allerlei Unfug damit getrieben: wundertätige Medaillen wurden ausgegeben; es wurden Suiten von Portraitköpfen fingiert, wie z. E . die der Päpste im Anfang des 18. Jahrhunderts fingiert worden sind, und dem jüngeren Voigt ist es begegnet, eine Medaille aus dieser Suite als Portrait Pius' II. abbilden zu lassen, während es schöne echte Medaillen von ihm gibt, die freilich Seltenheiten sind. e) Die emblematische Darstellung der Münzen und mehr noch der Medaillen bewegt sich zum größten Teil in der Verwendung der W a p p e n , dieser wunderlichen Symbolik, die seit einem Jahrtausend wenigstens in der abendländischen Welt in Übung ist. Denn wenn man etwa in der griechischen Welt schon Wappen zu finden glaubt, so ist da das Wort nur uneigentlich anwendbar, indem dort solche Zeichen nur von persönlicher und individueller Art sind, in den eigentlichen Wappen dagegen die Kontinuität in dem Geschlecht wesentlich ist. Anders freilich die Stadtwappen.

— 6o — Ich will hier wenigstens anführen, daß neuester Zeit der Gedanke aufgekommen ist, die Anfänge der Wappen auf die sog. Handzeichen zurückzuführen, mit denen nach dem Sachsenspiegel bei den Deutschen das freie Eigentum seit alter Zeit bezeichnet wurde, und welche sich in den Zeichen der Werkstücke mittelalterlichen Bauernerbes, auf den Warenballen der Handlungshäuser usw. zum Teil bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Das ist das Handgemal oder die Hausmarke (Michelsen. Homeyer): einfache Figuren, meist aus sich kreuzenden Strichen bestehend. Und es mag daher stammen, daß die einfachsten Stücke in der Heraldik wie z. E das mit einfachem Kreuz geteilte, dann schwarz und weiß tingierte Schild des Zollernwappens oder die gold und schwarz tingierten Balken mit dem Querbalken darüber in dem askanischen und dem sächsischen Wappen, — daß solche einfachsten Zeichen Ehrenstücke heißen. Erst seit dem 12. Jahrhundert kommen die sog. Bilder hinzu: Löwen, Blumen, Flügel, Vogelklauen usw., wie es scheint überwiegend-Lokalbezeichnungen für die Burg, die Stadt, die Herrschaft, das Territorium, nach dem man sich zu nennen begann, mochten solche Zeichen schon altherkömmlich sein, wie z. E. das sächsische Pferd, das noch heut das braunschweigische Wappen ist, oder ad libitum erfunden werden, nicht selten mit irgendeiner Anspielung auf den Namen, wie z. E. die Grafen von Keferstein drei Käfer annahmen. Ob die Colonnas in Rom sich nach den Säulenresten bei ihrer Burg nannten oder ob sie nach ihrem Namen die Säule in ihr Wappen aufnahmen, ist mir nicht bekannt. Solche sprechende Wappen hatte schon das griechische Altertum, wie man aus den Münzen sieht, z. E. Rhodos die Rose, Selinunt das Eppichblatt. Wenn es seit dem 12. Jahrhundert üblich wurde, zu dem Nennnamen den des Besitzes hinzuzufügen, so geschah es anfangs noch so, daß etwa der zweite, dritte Sohn mit neuem Besitz den alten Namen ihrer Familie aufgaben, wie denn die jüngere Linie der Grafen von Zollern sich Grafen von Hochberg und die andere, die Nürnberg erhielt, Burggrafen von Nürnberg nannte, aber jenes schwarz und weiße Schild behielt. Dieselbe Erscheinung wiederholte sich bei den minderen Geschlechtern bis zu den Ministerialen hinab, so daß man den genealogischen Zusammenhang irn 13. und 14. Jahrhundert durchaus nicht nach den Namen, wohl aber nach den Wappen bestimmen kann. Und umgekehrt, wenn sich viele deutsche Familien mit den so oft vorkommenden Namen Stein, Schönberg, Limpurg usw. nannten, so zeigt die Verschiedenheit ihres Wappens, daß sie nicht verwandt sind. Es war daher gar so unrecht nicht, wenn die Säule im Wappen der Grafen von Henneberg die Colonnas veranlaßte zu



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meinen, daß beide Familien verwandt seien. Wenn aber Papst Martin V. auf dem Konstanzer Konzil, wo das Wappenwesen in vollstem Schwange war, den Burggrafen von Nürnberg, der eben Kurfürst von Brandenburg geworden war, für einen Verwandten hielt, so sah er einfach das etwas massiv gebildete Szepter des Erzkämmereramtes im Wappen des Brandenburgers für eine Säule an.

Die Quellen § 24 In den Denkmälern fanden wir neben der Eigenschaft, Überrest der Vergangenheit zu sein, noch die andere, daß sie zur Erinnerung bestimmt waren, daß sie eine gewisse Auffassung von dem gaben, wovon sie die Erinnerung festhalten wollten, und zwar in der Art, daß sie gewisse Momente oder Bedeutsamkeiten des äußeren Vorgangs künstlerisch oder symbolisch zusammenfaßten, so daß sie in dem Schauenden die entsprechende Vorstellung oder Empfindung hervorriefen. Die Statue eines Helden, sein malerisches Portrait soll gleichsam die Summe seines geschichtlichen Seins und Tuns in einer plastisch oder malerisch fixierten Einheit und Bestimmtheit hervortreten lassen, nicht wie er zufällig in diesem oder jenem Moment war. Die photographische Ähnlichkeit ist rein äußerlich und momentan, sie ist richtig aber nicht wahr, denn sie gibt nur diesen Moment, nur einen von vielen, die sich ergänzen und berichtigen, — der künstlerische Geist versteht diese vielen Momente zusammenzufassen und so das wahre Wesen des Dargestellten zu reproduzieren oder, wie ein Maler [Eduard Bendemann] einmal sagte: ein gutes Portrait sei eine Predigt. D. h. es zeigt den Dargestellten, wie er nach seinem wahren Wesen ist oder sein sollte. Noch vergeistigter erscheint das Gegenbild des Wirklichen in symbolischen oder allegorischen Darstellungen. Wenn Dürer 1 5 1 3 in dem herrlichen Stich Ritter, Tod und Teufel den strengen, festen, glaubensstarken Ritter darstellte, den die beiden furchtbarsten Gestaltungen menschlicher Furcht und Betörung nicht anfechten, so war das eine Verherrlichung Sickingens, des Ritters Franziskus, wie man sie schöner nicht denken kann. J e mehr künstlerisch frei solche Darstellung, desto loser wird in ihr der Zusammenhang mit dem Tatsächlichen, bis sie endlich in der Musik, dem Tanz, der Architektur zu einer ftifir/m; nicht mehr des Tatsächlichen, sondern der davon erzeugten Empfindung wird. So



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die Eroika, die gemeint war zur Verherrlichung Napoleons 1809. So zur Verherrlichung der Weltmacht des Papstes der Neubau von St. Peter nach Michelangelos Plan, dessen stolze Kuppel das alte Pantheon in seiner ganzen Größe krönen sollte. Man sieht, diese künstlerischen Darstellungen enthalten immer etwas Irrationales und damit Unbestimmtes; je idealer sie verfahren, um so mehr, und wenn sie es mit Realismus kurieren wollen, sind sie in der Gefahr, ihr Bestes zu verlieren. Menschlicherweise können wir die äußeren Dinge nicht schärfer und sicherer fassen, als durch das Wort und den in den Worten sich bewegenden Gedanken, und wir haben die Dinge erst in dem Maße bestimmt und klar, als wir sie in die Sprache, d. h. in unsre Begriffe, Urteile, Schlüsse, in das unendlich bewegliche und präzise System unseres Vorstellens und Denkens übersetzt haben. So geht unmittelbar dem Geschehen, dem Werden der Dinge zur Seite diese Übersetzung in Gedanken, und soweit als diese Operation sich erstreckt, fassen und haben wir die Dinge, kommen sie uns zum Bewußtsein, sind sie für uns geschehen und da. Nur daß in dieser Übertragung die Dinge selbst nicht bleiben, wie sie äußerlich und zerstreut sind, und zwar darum nicht, weil sie, indem wir sie auffassen, in Zusammenhänge, Kausalverbindungen, in Systeme von Anlässen, Zwecken, Bedingungen usw. eingereiht werden, welche nicht an ihnen selbst sind, sondern nur in unsrer Auffassung, in unserm Verständnis von ihnen, eben dadurch also, wodurch wir nach der Energie unsrer sinnlichen und geistigen Disposition imstande sind, sie zu fassen. E s kommt ein Zweites hinzu. Das, was unsre Vorstellung sich aneignet, tritt sofort in den Zusammenhang der gesamten Vorstellungswelt, die wir bereits in uns tragen, wird ein mitlebendes Stück in derselben, verwandelt sich des weiteren mit ihr, je nachdem neue und neue Dinge in dieselbe aufgenommen werden. Man muß sich nur einmal selbst beobachten, wie schwer es ist, Erinnerungen präzis festzuhalten, wie sich das Bild dessen, was man selbst mit angesehen, ja getan oder mitgetan hat, verschiebt und verändert. Das Haus, die Stadt, in dem und in der wir als Kind gelebt, erscheint uns, wenn wir nach 10, 20 Jahren dahin zurückkehren, völlig anders, kleiner in den Dimensionen, wenn es auch geblieben ist, was es war; nicht der Ort, sondern wir und mit uns unsre Vorstellung von dem Ort hat sich verändert. Aus diesem Verhältnis ergibt sich sofort eine wesentliche Unterscheidung in dem Bereich der Überlieferungen, die zwischen den

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mündlichen und schriftlichen. Gemeinsam ist beiden, daß sie die Übertragung dessen, was war und geschah, in der Sphäre der Vorstellungen enthalten. Aber die schriftliche Überlieferung hat den Vorzug, diese fließenden Vorstellungen in einem bestimmten Moment fixiert und damit den weiteren Umwandlungen entzogen zu haben. E s liegt in der Natur der Sache, daß von den nahen und nächsten Geschehnissen die mündliche Überlieferung ungleich reicher ist als die schriftliche. J a , nur ein unendlich kleiner Teil von dem, was sich von Mund zu Mund fortsetzend in die Erinnerung übergeht, kommt dazu, schriftlich fixiert zu werden. Von den Vorgängen des Frankfurter Parlaments von 1848 wird das meiste in Vergessenheit geraten, da das Mißlingen des dort Unternommenen den Wert der einzelnen Vorgänge dort auf nichts reduziert hat und kein Beteiligter ein Interesse daran hat, Näheres davon niederzuschreiben. Von den Greueln der Französischen Revolution waren noch 1830 und 1840 in den Familien die lebendigsten Überlieferungen, die die geschehenen Dinge sehr anders erscheinen lassen, als man sie in den glorifizierenden Darstellungen von Thiers und Lamartine las. Aber mit der dritten, vierten Generation stirbt die lebendige und lebenswarme Fülle der Überlieferung allmählich dahin; die schriftliche Überlieferung, wenn sie vorhanden ist, mit ihrer einmal festgestellten Fassung und Kombination, die fable convenue, gewinnt das Übergewicht. Nur in den Massen, zu denen diese Umprägung nicht vordringt, und in ganz lokalen Wendungen bleiben dann noch von den großen, allgemeinen Eindrücken die Erinnerungen, wie vom alten Fritz oder M. Luther oder wie etwa, wenn man den Bauer in Norddeutschland von der Schwedenzeit sprechen hört, in der jene Wüstung entstanden, jene Schanze aufgeworfen sei; die ganze Vorstellung von dem Dreißigjährigen Kriege ist in diesen Namen zusammengeschrumpft. Man muß sich solche Tatsachen klarmachen, um einzusehen, wie es mit der mündlichen Überlieferung steht, wenn ihr nicht der Zügel oder die Schranke eines verbreiteten und rasch produzierenden Schriftwesens zur Seite geht, wie solches seit den letzten drei Jahrhunderten in stetem Wachsen ist. Die mündliche Überlieferung hat den Drang zu vereinfachen, von den Tatsachen nur die Spitzen, von den Personen nur die bezeichnende Anekdote festzuhalten, alles auf einfache, stark ausgeprägte, plastische Vorstellungen zu reduzieren, zu idealisieren. Ludwig X I V . ist dem gebildeten Publikum ein für allemal bezeichnet mit dem Wort l'état c'est moi, obwohl dasselbe nirgend aufzuweisen ist noch mit seiner historisch nachweislichen Ansicht übereinstimmt. Jede

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große Armee hat von ihren Helden solche Mythologie, und das ist nicht der unwichtigste Teil ihrer moralischen Stärke. Die viel gepriesene plastische Kraft der griechischen und römischen Charaktere besteht zum guten Teil darin, daß wir von jedem eine oder einige bezeichnende Anekdoten wissen und uns nun daraus ein Gesamtbild konstruieren, das denn freilich sehr plastisch sein wird, weil die urwüchsige Mannigfaltigkeit des wirklichen Seins dieser Persönlichkeit nicht mehr stört. So wichtig der Unterschied der mündlichen und schriftlichen Überlieferung ist, an sich prinzipieller Natur ist er nicht, um so weniger, da, was vor hundert oder tausend Jahren noch mündliche Tradition war, uns doch nur dadurch bekannt ist, weil es damals niedergeschrieben wurde. Einen andern Gesichtspunkt, die Quellen zu betrachten, hat die sog. kritische Schule aufgestellt: es ist der der ursprünglichen und abgeleiteten Quellen. Es liegt darin die Voraussetzung, daß die geschichtliche Überlieferung auf eine erste ursprüngliche Form zurückgeht, und daß diese von anderen späteren nur mehr oder weniger gut benutzt ist. Man läßt unerörtert, wie die erste Überlieferung entstanden sein soll. Ist jeder einzelne, der eine Schlacht mitgemacht hat und dann davon zu erzählen weiß, als solche ursprüngliche Quelle anzusehen? Was hat denn er an seiner vielleicht untergeordneten Stelle gesehen ? Wie weit weiß er von dem Zusammenhang der sämtlichen Gefechtsmomente ? usw. Und ferner: es liegt auf der Hand, daß, wo die spätere Quelle sich als aus einer früheren abgeleitet zeigt, sie nicht Quelle ist; und wo ihre Quelle nicht mehr nachzuweisen ist, da hat sie trotzdem eine solche gehabt und muß uns freilich als Ersatz für dieselbe dienen, ohne daß sie darum an Wert steigt. Kurz, dieser Gesichtspunkt gibt uns keine prinzipielle Unterscheidung für die Mannigfaltigkeit der Quellen, sondern hat seine Stelle in dem Abschnitt vom kritischen Verfahren, wo wir darauf zurückkommen. Ebenso unklar gedacht ist die Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Quellen, wo mittelbare diejenigen sein sollen, die sich von dem, wofür wir sie als Quelle anziehen und benutzen, gar nicht als Quelle geben wollen. Man sieht, da liegt der Unterschied nicht in den Quellen, sondern in dem Gebrauch, den wir von ihnen machen. Wenn uns etwa die Evangelien, namentlich die drei ersten, als völlig glaubwürdige Überlieferung über das Leben Jesu gelten und da gelegentlich über den römischen Zensus gewisse Dinge angeben, die für die römische Verfassung von Interesse sind und einige

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chronologische Fragen zu ordnen dienen können, so wollen diese Evangelien gar nicht für die römische Geschichte und Verfassung Quelle sein, und wir tun es auf unsre Gefahr, wenn wir sie dafür nehmen, auch in Nebendingen, die für sie von geringem Wert waren, richtig zu sein. Oder: wenn man Schriftsteller wie Widukind, Thietmar, Wipo verwenden .will, um etwa den staatsrechtlichen Begriff von principes im I i . und 12. Jahrhundert festzustellen, so macht man die Voraussetzung, daß sie mit staatsrechtlicher Genauigkeit ihre Worte gewählt haben, während doch ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge als diese gerichtet war. Sie könnten als mittelbare Quellen für diese staatsrechtlichen Fragen nur dann und insofern gelten, als man annehmen dürfte, daß sie die technische Bedeutung dieser Wörter so nahmen, wie sie in ihrer Zeit in Übung war, nicht etwa aus der Tendenz der gewählten Darstellung sie geflissentlich vermieden, wie z. E . Herodot sehr geflissentlich die offiziellen und technischen Ausdrücke vermeidet und dafür umschreibende setzt. Man sieht: was in dieser Lehre von den mittelbaren und unmittelbaren Quellen zutreffend ist, gehört in eine andere Kategorie. Als Überreste der Zeit, in der diese Geschichtsbücher entstanden, haben sie wohl die Atmosphäre ihrer Zeit und deren Gemeinvorstellung, aber sie geben sie doch nicht in der mikroskopischen Richtigkeit der Photographie wieder, sondern oft absichtlich sprechen sie summarisch. Aus dem Wesen der Quellen ergibt sich ein anderer Unterschied, der bedeutsamer ist. Sind die Quellen Auffassungen, so ist in ihnen ein doppeltes Moment, das des Auffassenden und dessen, was er aufzufassen hat. Man wird die Quellen danach unterscheiden dürfen, ob das eine oder andere Moment in ihnen sich stärker geltend macht, ob sie mehr subjektiv sind oder mehr sachlich sein wollen. Ein Diplomat hat, wenn er berichtet, die Pflicht, möglichst sachgemäß zu berichten, denn die wichtigsten Entschließungen hängen davon ab; er kann nicht übersehen, in welchem Zusammenhange ein einzelnes Moment, das er an seiner Stelle beobachtet, mit weitentlegenen anderen Dingen steht. Das wird man vielleicht an der Stelle können, wohin er berichtet. Ebendarum muß er so schlicht als möglich das Faktum, das er sieht, aufzufassen suchen. E r hat eine völlig andere Stellung, wenn er über die Lage der Dinge, wie sie ihm auf seinem Standpunkt erscheint, über die zu ergreifenden Maßregeln sein Gutachten einzusenden veranlaßt ist. Da hat er auch mit Tatsachen, auch vielleicht mit denselben, die er Droysen, Historik

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schon berichtet hat, zu tun, aber er braucht sie nun, um eine Ansicht zu begründen, einen Plan zu kombinieren; da hat er das Recht, s e i n e Auffassung von dem Zusammenhang der Verhältnisse, über die er spricht, zu entwickeln. Solche Denkschrift kann sehr wohl als historische Quelle dienen, aber sie ist in ganz anderer A r t Quelle als sein Bericht. Und damit haben wir, was wir brauchen, ein Prinzip für die Unterscheidung der Quellen. Ein Vorgang, eine Tatsache wird entweder aufgefaßt mit dem Zweck möglichst sachgemäßer Darlegung, also möglichst pragmatisch — und zwar kann das geschehen entweder nach den äußeren Momenten des Zusammenhangs oder nach dem inneren, dem kausalen Zusammenhang, also entweder mehr referierend oder mehr kombinierend — oder es überwiegt das subjektive Element gegen das sachliche. Und auch da wieder ist eine doppelte Form möglich: das subjektive Element überwiegt entweder, weü die Erregtheit des Empfindens stärker ist als das sachliche, der tpavraaxotdq stärker als der votjzixÖQ, so in der Volkssage; oder weil das sachliche nur als Material und Anlaß anderweitiger Kontemplationen und Argumentationen dient, so in Reden des Demosthenes oder Edward Burkes, so in Aristophanes' Lustspielen oder in Voltaires Henriade. Es versteht sich, daß die Schriften, welche wir Quellen nennen, nicht in der Absicht geschrieben wurden, die eine oder andere dieser Gattungen zu exemplifizieren, noch sind sie streng nach diesen vier Gesichtspunkten geschieden, vielmehr gehen sie vielfach ineinander über. Aber es geben uns diese vier Formen ein Schema, nach dem wir gleich im voraus für die historische Brauchbarkeit der Quelle uns orientieren können. a) Die subjektive Reihe der Quellen. Wir sahen, allem Geschehen unmittelbar zur Seite geht die Auffassung davon, das Umsetzen in die Vorstellung. Was der Augenzeuge gesehen hat und dem Nachbarn erzählt, verbreitet sich weiter, von jedem wieder in seiner Art aufgefaßt und weitererzählt, und bald ist die Tatsache durch das Gerücht vergrößert, gefärbt, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. In aufgeklärten und literarischen Zeiten folgen dann wohl Berichtigungen aller Art, und mit der schriftlichen Feststellung der Tatsache gewinnt das Urteil Raum zu weiterer Prüfung. Wo solche Kontrollen fehlen oder schwach sind, da entwickelt sich eine Form der Überlieferung, die sehr merkwürdig ist. Wir finden im späteren Mittelalter in allen Ländern der Christenheit sog. historische oder Volkslieder, welche namentlich in hocherreg-

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ten Zeiten, zumal bevor es gedruckte Zeitungen gab, recht eigentlich die öffentliche Meinung vertreten. So die Mainzer Lieder aus der Zeit des Kaisers Sigismund, Peter Eschenloer, was man in den Kretschams gesungen hat, die Schweizer Lieder von dem Burgunderkrieg, das Ditmarser Schwertlied im Neocorus (v. Liliencron). Es ist ein falscher Begriff der Volkslieder, als erwüchsen sie durch generatio aequivoca von selbst: „Wer uns dies Liedlein hat gemacht". Das Volk behält, was ihm gefällt, und ändert: „An der Saale kühlem Strande" (Kugler). Meist schwinden solche Lieder mit der Situation, die sie hervorgerufen. Andere bleiben, wenn sie schön sind oder andauernde und populäre Stimmungen ausdrücken, so Prinz Eugen; oder es unterschiebt sich der alten Form eine neue Gestalt, so Marlborough. So wie einmal dieser Gesichtspunkt der Lieder gefaßt ist, so ergibt sich eine sehr fruchtbare Einsicht in das Wesen der volkstümlichen Überlieferung. Und nun sieht man schon, wohin die Betrachtung führt. Bis in die Völkerwanderung hinauf reichen die Dietrichssage, die Rabenschlacht und das Hildebrandslied. E s sind solche Sagas der Goten, Burgunden, Franken, die sich in dem Sagenkreis der Nibelungen bereits völlig verschmolzen haben. Und schon vor der Wanderung sind solche Lieder bei den deutschen Völkern in vollem Schwang (Tacitus Ann. II, 88: Arminius canitur adhuc barbaras apud gentes). Die poetische, d. h. gebundene Form ist nicht wesentlich; es gab solche Uberlieferungen auch in ungebundener Form. So in Griechenland die Xoyoi, die Herodot so oft als seine Quelle anführt; und Pindar Pyth. IV, wo er von der Überlieferung über Krösos, Phalaris und andere spricht, nennt als Überlieferungen xai Xöytm xal aotöol, also förmlich handwerksmäßige Erzähler. Aber in der Regel wird die gebundene Form vorgezogen und damit die Erinnerung und die Überlieferung wenigstens in etwas fixiert. Freilich eine Fixierung, welche die durch die Schrift nicht erreicht; vielmehr fahren die Lieder in der mündlichen Überlieferung fort, sich zu verändern. In allen diesen Dingen ist wesentlich die Auffassung subjektiv. Es tut nichts zur Sache, daß es in der Regel eine anonyme Subjektivität ist, welche sich da ursprünglich ausgesprochen hat. In der Erinnerung und in der Vorstellung aller, die zu diesem Stamm oder Volk gehören, — mitlebend durchwachsen sie sich fort und fort mit den immer neu hinzukommenden Vorstellungen, Erkenntnissen, ja Tatsachen. So wurde in den angeblichen Turpin in der Zeit des Papstes



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Calixt II. und vielleicht durch ihn um 1122 in die Karlssage der Kreuzzug des Königs aufgenommen. Die Sage verliert endlich alle realistische Präzision, und um den pragmatischen und sachgemäßen Zusammenhang unbekümmert wird sie nur um so poetischer und voll großer Empfindung, sie wird mehr und mehr der tiefinnerste Ausdruck des Volksgeistes. Und da begegnet ihr eine andere Reihe von Überlieferungen. Wie das äußerlich Geschaffene, in den Kreis der Vorstellungen gezogen, ganz subjektiv wird, ebenso wird das Subjektivste, das innerlichst Empfundene und Gedachte, das, was als Ahnung des Göttlichen die Seele füllt und bewegt, in der Form von Geschichten dargestellt und geglaubt. Die religiöse Empfindung projiziert sich in die Form von heiligen Geschichten, in denen es gleichsam seinen realen Zusammenhang darzulegen sucht, seine Beglaubigung und Rechtfertigung findet. Mythos und Sage begegnen sich, wachsen zusammen, die Geschichte und der Glaube fließen ineinander über, und wenn sie beide, so verschmolzen, die eigentliche Bedeutung ihres Inhalts vergessen haben, leben sie weiter als Märchen. Wir haben damit die Gesichtspunkte gewonnen, die für das Verständnis der homerischen, deutschen, indischen Volkssagen, für die älteren Bücher des Alten Testaments maßgebend sind. Wie in den Nibelungen sich Mythos und Sage durchdringt, der Mythos von Siegfried und Brunhilde usw. mit den Sagen von der Völkerwanderung, ebenso in Ilias und Odyssee (Benediktus Niese) usw. Es ist für die historische Forschung des Alten Testaments eine der schwierigsten Aufgaben, zu unterscheiden, was da Mythos und was Sage ist; von Simson, von Isaak hat man den Mythos nachweisen zu können geglaubt. Schon in dem Mythos von Siegfried, den der Hagen erschlägt, hat man die heilige Jahresgeschichte, den Festzyklus, in dem sich dem heidnischen Glauben nach das Jahr vollzog, zu erkennen geglaubt. Ähnlich in dem Dienst und den Gedichten von Demeter und Kora, von Herakles und seinen zwölf Arbeiten. Es liegt in der Natur des Kultus, daß er die heilige Geschichte der Gottheiten in enzyklischer Wiederkehr feiert, und zwar feiert mit Gesang und Tanz. Der Maigraf, der noch hier und da gefeiert wird, ist ein letzter Nachklang solcher heidnischen Zeit; ähnlich das Johannisfest, wie es Shakespeare im Sommernachtstraum benutzt hat. Aus solchen Anlässen stammten den Griechen nicht bloß die mancherlei Hymnen, in denen die Geschichte des Gottes gefeiert wurde, sondern vor allem die Festfeier im Theater, die von dem Leiden

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des Dionysos und dem xw/ws des Festzuges ihren Ausgang hatte, und in der dann Aischylos die Oresteia dichtete, die der Gegenwart angehörende Reform des Areopag hineinflechtend, als gehöre sie in den Mythos, den er behandelt. Und ähnlich im Mittelalter die Mysterienspiele, die Anfänge einer neuen dramatischen Kunst, die sich zunächst in Spanien Schritt vor Schritt bis zur Vollendung in Lope de Vega und Calderon entwickelte. Früh ist die Kirche bemüht gewesen, in der zyklischen Ordnung des Kirchenjahres und der christlichen Feste den Ersatz für die heidnischen Festfeiern zu schaffen. Die Geschichten der Märtyrer und der Heiligen, die zahllosen vitae sanctorum, wie sie in dem großen Werk der Bollandisten gesammelt sind, die Translationen, d. h. Erzählungen von der Übersiedlung eines Heiligen oder eines Heiligtums zu einem neuen Bestimmungsort, sind nur Teile der großen christlichen Mythologie, die sich nicht minder wie die epische des Heidentums als Vermengung von Sage und Mythos aufweist. Es kommen dann die Wunder und Visionen, es kommt die blühende Fülle von Legenden, der ganze Marienkult, die allmähliche Ausbildung der Engellehre, die Vorstellungen von der Hölle und vom Fegefeuer hinzu — Dinge, die immer weiter von den Realitäten hinweg doch wieder dieselben in wundersamem und praktisch wirksamem Widerschein zeigen. Ich erinnere an das gewaltige Gedicht Dantes, das mit der vollen Gläubigkeit und mit der höchst plastischen Kraft der Anschauung von Hölle, Fegefeuer und den Himmeln singend doch mitten in der Geschichte seiner Zeit, ja in den Vorgängen der Gegenwart steht. Gerade in diesem Gedicht tritt völlig deutlich jene andere Seite der subjektiven Auffassung hervor. In der hohen Spannung und Erregung seines Geistes sind ihm die heiligen und Profangeschichten, sind ihm die Traditionen der Kirche und die schmerzlichen Erinnerungen seines eigenen politischen Lebens nur das Material und die Formel, seine eigenen tiefsten Gedanken und Spekulationen darzulegen und mit der vollen Wucht erlebter Tatsachen gleichsam unwiderleglich hinzustellen. Gewiß ist er eine historische Quelle von höchstem Wert, aber eine solche, in der alles Tatsächliche nicht bloß durch und durch subjektiv gefärbt ist, sondern überhaupt sich nur als Tatsache seiner inneren Welt so geben will und kann. Man sieht, auf welche Art von Quellen wir damit kommen. Es sind solche, in denen die Kontemplation sich den Fragen ihrer Zeit, kirchlichen, politischen, sozialen usw., zuwendet, um sie aus ihrer Gesamtauffassung, auch der historischen, zu erläutern. Es ist die5



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selbe Weise, in der die großen Redner Athens und Roms, z. E. Demosthenes in den olynthischen Reden, zu ihrem Volk sprachen; dieselbe Weise, in der die Propheten Israels predigten und straften, in der die Apokalyptiker bis zu den Sibyllen hinunter in Visionen den weltgeschichtlichen Ausgang aller Dinge, den nahen Tag Gottes verkündeten, — j e n e Art, die dann auf die Chiliasten der ersten christlichen Jahrhunderte überging, die in den Quinquemonarchisten der kirchlichen Revolution Englands im 17. Jahrhundert sich erneuten. Ich denke, wenn man sich diese Beispiele in ihrem Wesen betrachtet, wird man über die Gattung von Quellen, die ich meine, nicht zweifelhaft sein. b) Die pragmatische Reihe. Der Ausdruck pragmatisch ist hier in dem Sinn gemeint, wie ihn Polybios braucht. IlQdy/iaxa sind die Staatsgeschäfte, und er will den TQOTKK ngay/iazixos anwenden in Gegensatz gegen die üblich gewordenen rhetorischen und Unterhaltungsschreiber sowie im Gegensatz gegen die Erzählungen mythischer und sagenhafter Dinge (Pol. V, 1; I X , 2 und sonst). Pragmatisch heißt ihm das geschäfts- und sachgemäße Darstellen. Pragmatisch also nennen wir solche Quellen, die möglichst sachgemäß zu sein beabsichtigen, sachgemäß entweder nach der Richtung auf den äußeren Verlauf, ohne sich um Motive und Empfindungen viel zu kümmern, oder sachgemäß nach dem innern Zusammenhang von Ursache und Wirkung, von Mittel und Zweck usw. Ich vermeide geflissentlich den Ausdruck objektiv, weil er zu einer völlig irrigen Auffassung führen würde. Davon zuerst. Lessing sagt einmal in seiner oft paradoxen Art: daß der Name eines Geschichtsschreibers nur dem zukomme, der die Geschichte seiner Zeit und seines Landes schreibt, weil er nur da als Zeuge auftreten könne. Es war der Ausdruck eines ziemlich platten Skeptizismus. Lessing meinte: daß, da so viel Verkehrtes und Unsicheres in der Überlieferung vorgefunden werde, man endlich nur von dem mit Sicherheit sprechen könne, was man selbst als Augen- und Ohrenzeuge garantieren könne. Lessing erinnerte sich nicht, wie unendlich wenig der einzelne sieht und hört, und daß dies Wenige noch obendrein leicht das Unbedeutende sein wird, zumal wenn der Schreibende nicht wie Cäsar oder Friedrich der Große auf einem besonders hohen Standpunkt und im Mittelpunkt der werdenden Dinge stehend sah und hörte. Und auch diese, wenn sie von einer Schlacht, einer Unterhandlung, einer Maßregel und ihren Wirkungen sprechen, müssen



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sich auf die Berichte, die ihnen erstattet wurden, verlassen, und diese sind ja keine Abklatsche der Wirklichkeit, sondern jedes Wort und jeder Satz ist schon eine Epitome von einer Menge von Äußerlichkeiten, die der Berichtende zusammenfaßt, und zwar jeder andere Berichtende von seinem Standpunkt und ein wenig anders. Die unzähligen Einzelvorgänge, die zusammen die Schlacht ausmachen, konnte auch Friedrich II. nicht so konstatieren, daß nicht z. E. von der Schlacht von Kolin eine Menge abweichender Angaben von seinen einzelnen Generalen, besonders von Dessau aus, geschweige denn von den Gegnern verbreitet wurde; aber im großen und ganzen ist der Gang dieser Schlacht klar. Ich habe unzählige Berichte preußischer Offiziere aus dem Yorkschen Korps in Händen gehabt, so die über das Gefecht an der Katzbach: erst drei, vier von den Führern der Brigade; aus diesen ließ York durch seinen Adjutanten den Bericht seines Korps machen; ähnliche von den beiden anderen Korps von Sacken und Langeron kamen hinzu; sie waren nicht bloß unter sich zum Teil widersprechend, sondern die russischen Herren hatten hier und da geradezu gelogen; aus politischen Rücksichten aber mußte dann Müffling den Generalbericht zugunsten der Russen machen, und die Schlacht wurde um Sackens willen nach der Katzbach genannt, während das ganze Gefecht sich um die wütende Neiße bewegte. So überall, wo man noch die Überlieferung konstatieren kann. Die Darstellung wird stets um so unsicherer, je detaillierter sie ist, oder richtiger: nicht in dem Detail und in der Anschaulichkeit des Details liegt die Wahrheit der Dinge. Nicht, wie Lessing meint, die Augen- und Ohrenzeugen verbürgen die Wahrheit der Dinge; genug, wenn sie, was von ihrem Standpunkt aus zu sehen und zu hören war, richtig wiedergeben. Wir werden einen andern Gesichtspunkt ins Auge fassen dürfen, um über die pragmatische Reihe der Quellen eine Übersicht zu gewinnen. Bei der überwiegend subjektiven Reihe konnte eine gewisse spontane Mittätigkeit der Empfindung, ein Bedürfnis, auszusprechen, was uns die Seele bewegte, als maßgebend gelten. Wer solchen Logos gemacht, solch Liedlein sich erdacht hatte, — er hatte weniger die Tatsache, die er vielleicht mit erlebt, im Auge, als sie wie mit persönlicher Teilnahme und um so anziehender zu erzählen; ihm trat die Korrektheit der Erzählung zurück gegen die Erregtheit seiner Stimmung, in der er sie aufgefaßt, und gegen die Absicht, eine gleiche Stimmung bei den Hörenden zu wecken. Bei den pragmatischen Quellen ist die Absicht auf die sachliche Kenntnis und deren Mitteilung gerichtet und für sie von Anfang an



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bestimmend. Und so wird dieser Z w e c k uns auch die wesentlichen Unterschiede für diese Reihe von Quellen ergeben. E s wird von Bedeutung sein, ob die Mitteilung bestimmt war für einen, oder wenige oder alle, ob zur Feststellung der eigenen Erinnerung oder für die Mitwelt, die Nachwelt, ob zur Belehrung, zur praktischen Verwendung, zur Unterhaltung. i . Das nächste und natürlichste Motiv zum Schreiben wird sein, von Gesehenem oder Gehörtem einem andern, wenn es nicht mündlich geschehen kann, brieflich Nachricht zu geben. Und damit haben wir eine Reihe von Quellen charakterisiert, die von ganz außerordentlicher Bedeutung ist: die B r i e f e . Zunächst hängt der Wert des Briefes ganz von der Begabung und Stellung des Schreibenden ab, aber nicht bloß davon, sondern in gewisser Weise von der Stellung und den Interessen des Adressaten. Wie anders ist Schiller in seinen Briefen an Goethe und in denen an W . v. Humboldt! Und wenn das Schreiben über den Bereich der privaten Korrespondenz hinausgeht, wenn es im öffentlichen Dienst an den Chef der Armee, an den leitenden Minister, an den Souverän gerichtet wird, so nimmt der Brief einen völlig anderen Charakter an und wird zu einem Teil der Geschäfte (Bismarck bei Poschinger). Das unermeßliche Gebiet der Epistolographie erstreckt sich von den unbedeutendsten Trivialitäten bis zu den bedeutendsten Schriftstücken. Wie Luther, Melanchthon und die andern Reformatoren miteinander korrespondieren, so tritt da die lebendige Auffassung der Zeit hervor. Wenn aus dem 1 5 . Jahrhundert die Briefe des Aeneas Sylvius, des Poggio erhalten sind, wenn andere Korrespondenzen aus der Zeit des Konstanzer und Basler Konzils sich in der großen Sammlung von Marténe und Durand vorfinden, so hat man in dieser unmittelbaren, immerhin einseitigen Auffassung die Fülle des lehrreichsten historischen Materials. Und solche Briefe reichen bis zum heiligen Bonifazius, bis Papst Gregor dem Großen, bis zu Cassiodors X I I Büchern Variae hinauf. Man sieht, was uns die Sammlung der Epistolae in den Monumenta Germaniae histórica bedeuten wird, die Wattenbach ediert. Auch aus dem Altertum gibt es vortreffliche Briefsammlungen: aus dem römischen die des Cicero, des jüngeren Plinius; aus dem griechischen Briefe von vielen berühmten Staatsmännern, Philosophen, Rednern usw.; aber die meisten sind Fälschungen, wie seit Bentleys Untersuchungen über die Briefe des Phalaris unzweifelhaft ist. Zweierlei ist hier noch zu beachten. Einmal, daß die Briefe ihrer Natur nach ganz in die Reihe der subjektiven Quellen übergehen



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können, wenn sie sich in privaten Ergüssen und Betrachtungen gefallen, so die herrlichen Briefe der Frau von Sevigne aus Ludwigs X I V . Zeit oder die Briefe Raheis (Varnhagen), und es ist sehr bezeichnend, daß namentlich im Ausgang des 18. Jahrhunderts sehr beliebt war, Romane in Briefform zu schreiben (Clarissa von Grandison). Andererseits sind die Privatbriefe der englischen und holländischen Gesandten sehr bemerkenswert: die Verfassung der Republik und des parlamentarischen Englands macht es unmöglich, das Wichtigste und Geheimste in der offiziellen Korrespondenz zu verhandeln, und man hilft sich damit, daß man gleichsam unter der Hand diese Dinge in Privatbriefen mitteilt. Das muß man wissen, um die Korrespondenzen von Johann de Witt oder von Nikolaus Heinsius oder vom Herzog von Wellington zu würdigen. In anderer Art von Interesse für die Quellenkritik sind gewisse Dinge aus der Zeit Alexanders des Großen. In der Untersuchung über die Quellen zur Geschichte Alexanders habe ich darauf hingewiesen, wie das Material, aus dem die ersten Quellen über die Züge Alexanders geschrieben sind, nachweislich Briefe waren, Briefe von ihm und an ihn, wie denn deren noch einige ganz bestimmt nachzuweisen, einige sogar in der Form von Inschriften erhalten sind (z. E. seine Weisungen zur Zurückführung der hellenischen Exulierten). Und Äschines berichtet von Demosthenes, wie dieser in der Zeit kurz vor der issischen Schlacht, als jedermann erwartete, daß das kleine makedonische Heer von den Hufen der persischen Kavalleriemassen zertreten werden würde, triumphierend in der Ekklesie an jedem seiner zehn Finger einen Brief tragend umherstolziert sei. Wir erfahren gelegentlich, daß zehn Jahre früher schon der Stratege Timotheos den Isokrates mit in den Krieg genommen hat, um die Briefe an den Demos von Athen zu schreiben, und Thukydides V I I , 10 erwähnt die Briefe, die Nikias aus Sizilien an die Athener geschrieben hat. E s würde von großem Interesse sein, einmal zusammenzustellen, was sich von derartigen Briefen aus der hellenischen und hellenistischen, aus der römischen Zeit in unseren Quellen noch erkennen und feststellen läßt. 2. Ein zweiter Gesichtspunkt ist, daß recht eigentlich aus dieser Art von Briefen sich die Z e i t u n g e n entwickelt haben. Ich meine damit zunächst jene Art von Nachrichten, die sich unter diesem Titel in unsern Archiven seit dem 15. Jahrhundert vorfinden, zunächst und namentlich aus den großen Handelsplätzen wie Venedig, Augsburg, Danzig, Lübeck, auch Prag, Rom, Florenz usw., aus den Kontoren großer Kaufleute, wo Nachrichten von allen Seiten zusammenkamen,



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an Geschäftsfreunde, bald auch an fürstliche Personen. So kenne ich deren von der Firma Joh. Jacob Fugger an Kurfürst Friedrich den Weisen und dessen Nachfolger gesandte. Im Ausgang des 16. Jahrhunderts ist dieses Nachrichtensenden im Fuggerschen Hause vollständig organisiert und regelmäßig (eine durch mehrere Jahrzehnte gehende Sammlung solcher Fuggerscher Zeitungen im Weimarer Archiv). Mit der Reformation werden solche neue Zeitungen bereits als fliegende Blätter über Reichstage, Religionsgespräche, Kriegsereignisse gedruckt ausgegeben, wie denn Sleidan zum guten Teil seine Nachrichten aus solchen Materiahen hat. Dann soll in Venedig während des Türkenkrieges von 1 5 5 0 die Einrichtung getroffen worden sein, daß einlaufende Nachrichten öffentlich in einem Lokal ausgelegt wurden, zu dem man für eine gazetta, einen Dreier, den Zutritt erhielt. Eine Zeitung im neueren Sinn wurde aus solchen fliegenden Drucken, seit dieselben in regelmäßger Folge zu jedem Posttag, gewöhnlich Donnerstag, erschienen. Die erste solche Zeitung, die man bisher nachgewiesen hat, ist die Wiener „Relation aller fürnemsten und gedenkwürdigsten Historien" vom Jahre 1609 in der Heidelberger Bibliothek, 1 1 5 Blätter in 1 2 , also wöchentliche Nummern, jeder einzelne Artikel beginnend mit „Zeitung aus Prag, London" usw. mit dem Datum. In zwei Jahrzehnten wurde derartiges völlig allgemein, als Titel namentlich in Holland und Frankreich Mercurius beliebt, in England und Holland auch der Titel Courant. E s ist von besonderem Interesse, daß es schon in Rom seit der Zeit Ciceros eine A r t Zeitung gab, zunächst acta diurna tarn senatus quam populi (Sueton. Caes. 20), sowie seit der Monarchie die acta urbana; sie sind als Quelle natürlich höchst wichtig. Dasselbe Bedürfnis hat wohl die Herausgabe der eqnj/ieQide; in Alexanders Lager veranlaßt. Wahrscheinlich gab es, wie in diesen über die Vorgänge des Hoflagers berichtet wurde, so über die militärischen Vorgänge Berichte, vielleicht in den Briefen an Antipatros, welche gelegentlich erwähnt werden, die dann durch regelmäßige Boten (ßvßXuxpÖQoi) auch an die Satrapen und Strategen mitgeteilt wurden. Von den Zeitungen dürfen wir noch einen Schritt weiter gehen. Seit die Zensur den Zeitungen schärfer auf den Dienst paßte, bald nach dem Westfälischen Frieden, trat die alte Gewohnheit handschriftlicher Zeitungen in neuer Bedeutsamkeit hervor; so schon der bekannte Abraham Wicquefort in der Zeit des Johann de Witt. Wenn die Zeitungsschreiber dann nicht mehr alles und oft das Beste nicht drucken lassen konnten, verfaßten sie neben ihren Zeitungen geschrie-



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bene Nachrichten, die sie dann etwa wöchentlich unter Kuvert an Fürsten, Magistrate usw. gegen ein gut Stück Geld versandten, so Rousset, Rodrique, Gareis, Mörlin, Hamon usw. Im Lauf des 17. Jahrhunderts ist es weiter eine sehr beliebte Gewohnheit geworden, in der Form von Briefen politische Broschüren zu schreiben und in das Publikum zu bringen (Lettre d'un gentilhomme oder Lettre d'un Hollandois ä un ami usw.), eine Art von Verkleidung, die den Vorteil gab, individueller schreiben und einen immerhin einseitigen Gesichtspunkt durchführen zu können. Nicht bloß die englische Literatur bietet dergleichen Flugschriften von den berühmtesten Staatsmännern, Walpole, Chesterfield, Bolingbroke usw.; Friedrich der Große hat seine Kriegsberichte aus den beiden Schlesischen Kriegen meist alle selbst verfaßt, und zwar in der Form als Lettre d'un officier Prussien ä un de ses amis, und diese Briefe sind die zuverlässigste Quelle über diese Kriege. 3. Als eine weitere Form dieser unmittelbaren und ersten Mitteilungen werden wir die T a g e b ü c h e r in ihren mannigfaltigen Formen nennen können, beginnend von denjenigen, die in ganz persönlichem Interesse und subjektiver Einseitigkeit gemacht werden, bis zu solchen, die möglichst sachlich die täglichen geschäftlichen Vorkommnisse, wie in amtlichen Journalen geschieht, aufzeichnen und so eigentlich in dem Kreise der Quellen in die der geschäftlichen Überreste hinübergehen. Immer ist es hier der wesentliche Zweck, das, was dem flüchtigen Moment angehört, die Tatsache, die Situation, die Empfindung oder Auffassung, wie sie da gerade war, festzuhalten, bevor spätere Vorgänge oder Eindrücke modifizierend hinzutreten. Natürlich wird das Interesse solcher Tagebücher um so größer, je weiter der Gesichtskreis des Schreibenden, je bewegter die Zeit, in der er schreibt, je größer seine eigene Bedeutung und Tätigkeit in derselben ist. Wenn Leopold von Buch in der persönlichen Umgebung des Großen Kurfürsten ein Tagebuch von 1 6 7 4 — 1 6 8 3 schrieb, so sieht man, von welchem Wert es ist, daß es sich erhalten hat. Gerade dann, wenn solche Tagebücher auf ein bestimmtes Interesse gestellt sind, wie z. E . das militärische Tagebuch des Obrist v. Schack für die Jahre 1 8 1 2 — 1 8 1 5 und das des Grafen Friedrich Dohna aus derselben Zeit, die ich für das Leben Yorks habe benutzen können, so sind sie um so lehrreicher. Sie gewinnen, je früherer Zeit sie angehören, um so größeren Wert für uns. Das Tagebuch des Leo v. Roßmital, Schwagers des Königs Podiebrad, über die Reise dieses jungen Magnaten durch

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Deutschland, Burgund, England, Frankreich, Spanien gibt eine Fülle v o n Nachrichten von allerhöchstem Interesse. Von derselben A r t ist, um in das Altertum hinaufzugreifen, das Reisetagebuch des Nearch, der Alexanders Flotte vom Indus nach dem Euphrat führte, im Auszug erhalten in Arrians Indica. Und ohne Zweifel liegt der Anabasis des Xenophon, wie die Notizen über Stadien und Parasangen und anderes unzweifelhaft zeigen, ein Tagebuch zugrunde, das während des Marsches der ioooo geführt worden ist. F ü r eine andere Reihe, die hieher gehört, m a g ebenso ein Beispiel aus dem Altertum zum Ausgang dienen. König Antigonos der Einäugige überraschte oft Gesandte, die zu ihm kamen, durch die genaue Erinnerung, daß sie schon vor 10, 20 Jahren zu ihm gekommen, daß sie das und das mit ihm verhandelt, die und die Antwort erhalten hätten: er hatte vjtopvtffiara, Aufzeichnungen, über alle geschäftlichen Vorgänge, in denen er vor den Audienzen nachlas, um das Nötige zu wissen. Ähnliches wiederholt sich in den mannigfaltigsten Formen. So die Journale der Eingänge und Ausfertigungen fürstlicher Kabinette; die im 14. und 15. Jahrhundert üblichen Bücher einzelner patrizischer Familien in Nürnberg, Mainz usw.; so die Übung, alle wichtigen Vorkommnisse und Beschlüsse in R a t und Bürgerschaft aufzuzeichnen, um da für den praktischen Gebrauch nachschlagen zu können (die Papiere dienen zum Zeugen); ganz ähnlicher A r t sind die kaiserlichen Bücher des Markgrafen Albrecht Achill. Und so geht es hinunter bis zu den Ordre- und Parolebüchern der Regimenter, aus denen wir z. E . für die innere militärische Geschichte unter Friedrich dem Großen die wichtigsten und zum Teil die einzigen Nachrichten schöpfen müssen. 4. A n die Tagebücher mögen sich als eine vierte A r t unmittelbarer Aufzeichnungen die C h r o n i k e n anschließen, die wir als Zeitbücher zusammenfassen können. Waren die Briefe, die Tagebücher darin charakterisiert, daß die Person oder die Personen, welche sie schrieben oder schreiben ließen, das, was sie persönlich und in ihrem eigenen Berufs- und Geschäftskreis anging, aufbewahrt sehen wollten, so haben die Chroniken einen anderen Gesichtskreis. Sie wollen festhalten, was überhaupt Bemerkenswertes geschehen ist oder sich ereignet hat, und zwar wesentlich nach seiner zeitlichen Folge oder wenigstens der Folge der Jahre. In einfachster Form zeigen dies die Eponymenverzeichnisse der assyrischen Könige, die George Smith aus den Tontabletten von Khorsabad ediert hat: je die Regierung eines Königs hat während



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der Dauer derselben für jedes Jahr einen anderen Eponymos, der Reihe nach die hohen Beamten des Hofes, die Statthalter der Provinzen usw. Da ist denn in den einzelnen Jahren beigefügt, welche Völker oder Städte unterworfen worden sind. Unzweifelhaft hat Ägypten in mehr als einem Tempel in ähnlicher Weise chronologische Aufzeichnungen gehabt, und zwar nicht bloß hieroglyphische, deren wir noch mehrere haben, freilich in der bloßen Reihenfolge der Königsschilder, sondern hieratisch auf Papyrus geschriebene. Die schon von den Alten angeführten ävayßaoi zu

verbinden,

oi xat'

ero$ TtQarrofieva yqdqmrceq, wie

die

Gram-

matiker das Wort erklären (&>£>o? sagen die Ionier Asiens für 313. 323. 327*-.

332ff., 421, 424 Materials, Finden des 84ff. — , Kritik des 34 — , Ordnung, kritische des 99, I44 f f-. 338

Materials, Suchen des 34 — , Veränderungen des 115 Materialismus 254, 352, 414 Materie, ewige 339, 397 Mathematik 414 — , Geschichte der 190 — , Sprache der 224, 226 — , Würde der 310 Mauer, servianische 101 Mauern, Roms 154 Mechanik der Atome 3, 5, 11, 12, 151, 186, 191, 302, 320 — , analytische 187 Medaillen 57ff., 101, 103, 333

Meinung, öffentliche 351 Memnonsäulen 100, 107 Memoiren 8o, 288, 298

— 435 — Mensch, der kreatürliche 15, 196ff., 347 Menschengeschlechts, Anfang des 196, 209 —.Erziehung des 305f., 357. 363 Menschenrechte 349, 381, 414

Menschenwelt 16 Menschheit, Entwicklung der 206, 3 8 5 —

Gedanke der 2 i 8 f .

— Geschichte der 188, 206,

417

—.Verbreitung der 197, 347 Messias 305 Methamorphose der Völker

Motive 124 ff., 129 Münster, Straßburger 87 Münze, Münzen 55 ff. — imitierte 102 f. Münzfunde 57 f. Münzsammlungen 41 f., 103 Müßiggang, gelehrter 34 Musik 61, 227, 229, 315, XIV — , Geschichte der 138 Muster zur Nachahmung 300,

362

Mykenä 101 Mysterien 238 Mysterienspiele 69 Mythen 238, 336 Mythologie, Mythologeme 45, 46, 64, 1 2 0 , 2 3 5 , 2 3 9

—, christliche 69 —, indische 120 i 7 f f . , i 8 8 f f . , 2 7 1 , 3 2 8 f f „ Mythos 174, 237

380

428



424

Mosaiken 54 Mosis, Bücher 120, 133

119,

161

Nihilismus 203, 414 Nillandes, Natur des 165 Nirwana 239 Nobilität, englische 261 vorftixÓQ 66 Nominalismus und Realismus 3 5 1 Notmünzen 58 Notwendige, das 28 f. Numismatik

41I,

1 0 2 ff., 146,

55ff.,

333

Nummi subaerati 102 Nuragen 201

169 und S a g e 6 8 f f „ n 8 f . , ößeUaxoi 55 133, 136, 138, 4 1 6 Objekt des Handelns 314

Methoden, die wissenschaftlichen 18 —, die drei wissenschaft- Nachbarschaft 349 Namen 333 lichen 232, 308, 330 Namengebung 230, 408 Methodik 31 ff., 332 ff. Nationalgeist 348 Metrologie 56 Metroon, ixrjXQ&ov 49, 93, Nationalität 350 Nationalversammlung, 107 französische 171 Militärkolonien der Römer Natur 15, 2i, 25, 27 f., 88, 1 6 5 186, I 9 4 f f . , 3 4 7 , 4o6ff. plftqoiS, Mimetik 61, 222, —, das Wort 6 2 2 5 , 2 2 6 f f . , 229, 2 8 1 , Natur und Geschichte 2 8 5 , 350, 3 6 1 i 8 6 f . , 1 9 1 , 2 2 4 , 302, Mittel, intelektuelle 176 f. 325. 393. 406 ff. —.materielle 168 ff. Natural- und Geldwirt—.moralische 171 ff. schaft 352 Mittelschulen 309 Naturrecht 256 Mizraim 216 Naturstaat 350, 379 Mobile, primum 403 Naturwissenschaften, naMomente, fortschreitende turwissenschaftliche 343 Methode im Gegensatz Monumente 26, 53 ff., 143 zur geschichtlichen 5, Monumenta Germaniae 72, 95. 132 Morett, Bildnis des i o i f . ,

380, 387, 406, 4 2 7

Nibelungen 67, 68, 116,

Obelisken, Aufrichtung von

Methode, historische 3, 414, 427,

Naturwüchsige, das, Naturwüchsigkeit 152, 2 1 1 ,

Objektiv 27, 323, 420 Objektivität 187, 273, 287, 3 6 1 , 422,

428

Odyssee 68, 116, 160 olov airó 9, 325 Orakel, sibyllinische 47 Orden Jesu 292 Ordnung, patriarchalische 349 Ordre- und Parolebücher 76 Oresteia 69, 296 Organische, das 339, 383, 387 Organon 331, 390 Ortsnamen

2iof.

Ostertafeln 78

Pädagogik 374 jiaiSela 304 Panathenäen 238 Pantheon 62 Papa Re, Dogma vom 121 1 8 , 1 8 6 , 1 9 6 , 2 5 0 , 269, Papiere, geschäftliche 333 270, 3 0 2 , 3 1 6 , 3 2 0 , 3 2 3 , Papyri 48 334. 347. 365. 386ff., Paradies, Erzählung vom

403, 424

406ff.,

417,

422,

205, 3 5 1

Parc aux cerfs 374

— 436 — Parlament, Frankfurter 63 Parteien 351 Partikularismus 348 Pelagianismus 376 Pentateuch 143 Perserkriege 77, 136f., 142, 170, 210, 296, 308, 338, 423 Persönlichkeit, die 15, 1 7 6 I , I78f., 185, 204, 207, 244, 255, 291, 306, 341. 354 Person, juristische 256 Personen vergangener Zeiten 265 Peterskirche 62 Pfahlbauten 39, 201 Phantasie, Phantasie des Lesers 155, 339, 418, 423 (pavzaanxôv 36 tpavzaxrtuiôç 66 Philologie 17, 373, 417 — , Geschichte der 374 tpiXoaofpüv 307 Philosophen 307 Philosophie 1 8 , 2 3 1 — de l'historie 418 — der Geschichte 188, 320, 326, 331, 355, 378, 427 —, positive 18, 331, 387, 392, 427 Photographie 65, 126, 345 Physik 331, 414 — Geschichte der 289 Physiologie 197 Pietismus 382 Placita 51 Planet, Gallesche 167 Platää 142 Plutokratie und die arbeitenden Klassen 352 Poesie 174, 185, 354 —, Geschichte der dramatischen 138 tcôAIÇ 258 t Politik, Vorlesung über 263 — , Wissenschaft der 259 Pompeji 40 Porträt 61

Prähistorie 23, 38f., 201 Prag 1 1 4 ! ngdy/tara, pragmatisch 70, 288, 423 Pragmatismus 163, 288, 321. 3 4 8 Predigt 61, 307, 363 Preußen 426 Priestertum 239 — , allgemeines 240, 305, 372 —.königliches der Gotteskinder 357 Prinz-Moriz-Haus 41 Privilegien, österreichische 280 f. Produktion 95 f., 249 — und Konsumption 248 Prometheus 296 Propheten, die 70, 120, 314, 394 Prosopographie 148 Protestantismus, heutiger 372 Psalmen 114 Pubertät, geistige 308 Pyramiden 161 Quellen 3 6 ! , 61 ff., 83, 86, 98, 122, 333, 420 —.erste 64, 83, 84, 137, 139, 141. 143. 338 —, unmittelbare, mittelbare 64 f. —, ursprüngliche, abgeleitete 64, 84, 334 —, pragmatische Reihe der 71 ff-. 334 —, subjektive Reihe der 66ff., 334 —, Vollständigkeit der I34ffQuellenkritik 131 ff., 3 2 2 ! , 337 fRabenschlacht 67 Rassen 215, 347 Rassenmischungen 198 Rassenunterschiedc 197, 242

Rattenfänger von Hameln 119 Raum, räumliche, geographische Bedingungen 164t. —.Anschauung ix — und Zeit 6f., 8, 11 f., 19, 164, 326, 409 Recht 182 f. — , Sphäre des 254ff., 352 — der Geschichte 382 f. Recht, historisches 382, 385 — , natürliches, ewiges 256 —, römisches 257 Rechtsinstitute, flämische 44 Rechtsschule, historische 258 Rechtsstaat 352 Rechtssubjekt 256 Redner, attische 105 Reformation 17, 74, 94, 98, 123, 138, 140, 185, 219, 229, 240, 248,277, 305^, 39. 375 — Kaiser Friedrichs I I I . "3 Reformationsgeschichte, Rankes 83; 362 Reformen, gracchische, 90, 166 Regesten 48, 1 4 7 I , 338 Register, annual 135 Reichsreform 91, 157 f. Reichtum und Armut 352 Religion 233, 425 Reliquien 101 Renaissance 229 Republik, soziale 351 Restauration 382 Revolution, französische 58, 63, 140, 152, 200, 263, 381, 418 — , glorreiche 159 — , gracchische 166, 199, 200 Rezeption 120 Rhetorik 417, 427 Richtigkeit, absolute 129 Ringe 40

— 437 — Rivalitäten 348 Rock, der heilige 101 Rom 52, 74, 77,91,107, " 4 . 117, 140, 160, 197, 216, 277, 284 f., 286, 290, 2 9 3 3 ° 5 . 383fRoman, Romane 73, 174, 208, 354 Romfahrten 421 Rückkehr zu den klass. Studien 17, 41, 59, 93, 103, 140, 240, 305, 375 Rückläufigkeit 14 Rückleitung der Schöpfung zu Gott 206, 357, 376 Runenwissenschaft 104 Saal- und Landbücher 127 Sachverlauf 340, 344 Sacra, gentilicia 350 Sagas 282 Sagen, Sagenkreis 67, 182, 207, 416 — , troische 1 1 9 Sagenkritik 143 Sakramente 94 Salamis, Schlacht bei 1x9, 170 Sammlung, Ambraser 41 Sammlungen, historische, künstlerische, wissenschaftliche 4off., 101, 103 —, naturwissenschaftliche 40 — , ägyptischer Altertümer 423 Sanskrit 223 Schaustücke 58 Scheins, Erfreulichkeit des 35i Schenkung des Konstantin 94, 108, 417 Schiffsbaukunst 293 Schlangendenkmal 105 Schleswig-Holstein, Erhebung von 426 Schöne, das, und die Künste 22öff., 350 Schöpfung, die 220 f. Schriften, apokalyptische47

Schriften, historische 81 f. —, sibyllinisch-orphische "3 Schule, Göttinger historische 188, 321, 418, 427 —, historische 120 —, kritische 64, 95 —, Tübinger 95, 133, 149 Schutz und Trutz 258ff., 352 Selbstgefühl unseres Ich 415 Selection, natural 196 Septuaginta 90 Sibyllen 70 Siegfried, Mythos von 69 Sinnesempfindungen 6 Sittengeschichte 200 Sittengesetz 3 1 1 Sixtina 398 Skepsis 351, 415 Sklaven 248 ff. Sklaverei 182, 256 Skulpturen, attalische 54 Slachten und Klüfte 2 1 1 Slawen, Zurückdrängen der 88 Sohn, der verlorene 372 Sophisten 80, 307 Souveränität 261 Soziologie 414 Spekulation 17, 25, 232, 239, 269, 324, 392 Spezialgeschichten 168, 188, 264, 354 Sprache 2 3 ! , 46f., 62, 98, 1 1 7 , 214, 221 ff., 234, 237. 324. 3 5 ° — und Mythos 340 Sprachwissenschaft, vergleichende 46, 223 Sprechen, das, und die Sprache 152, 221 ff., 350 Staat 182, 207, 256, 258ff., 352, 365. 416 — , neuer deutscher 309 Staat und Kirche 240, 309, 312 Staatenbund 314, 353 Staatengeschichte 359, 417 Staatensystem 262, 353

Staatsanwalt 280 Staatsdoktrinen 263 Staatsidee 259 ff. Staatsmann 3 1 1 , 331, 365 Staatsrecht 255 f. Staatswirtschaft 252 Stadtrechte 4 4 ! Stände 248, 261 Ständewesen, deutsches 261 Stamm 209ff., 349, 380 Stammheros 209, 349 Stammsagen 209 Stämme, Wanderungen der deutschen 210 Statistik 126ff., 199, 251 f., 321, 348, 398, 427 Staufer 199 Steigerung 21, 29, 326, 347, 411 Stetigkeit 242 f. Stil, Stile 228f. Stoffwechsel 21, 231, 339, 397, 403, 405 Stolz, der irregeleitete 182, 415 Strafgesetz 172 Studien, historische 321, 323. 3 g 9 Studium, historisches 3, 191. 316, 364 Stupas 39 Subjekt des Handelns 3 1 4 — sittliches 353 Suchen, divinatorisches 335 Symbol, apostolisches 94 ov/ifiaxla 258 Syntax 224 Systematik 188ff., 345ff. System, ethisches 182, 343 Tabularium 49 Tagebücher 75 f. Talbildung Ägyptens, Griechenlands 340 Tanz 61 —, des Frühlings, der Zerstörung Trojas 222, 227, 228, 350 Tatbestand, objektiver 95, 280, 314, 361

— 438 Tatbestand, subjektiver Überlieferung, ÜberliefeVergangenheit, Vergangen279, 281, 314, 361 heiten 19, 26f., 3off., rungen 26, 62 ff., 67, Tatsache, eigentliche histo37, 83, 129. 145. 186, 98, 118, 120, 122, 131, rische 95, 97. I33Î-. i 4 8 . 306, 327, 395, 420, 428 133. 137. 138, 143. 334 335. 338 Überreste 26, 37 ff., 84 f., Verherrlichungen 124, 129 — , objektive 26, 27, 34, 96, 98, iooff., H4ff., 122, Verkehr 199, 348 1 Vermögen 351 327. 333. 420 133 39. 361 Verständnis 26, 82, 138, — , geschäftliche 47 ff. — , reine 321, 323 Tauschhandel 55 Technologie 196 Teilungsplan, polnischer, von 1710 113 Templum 45 Tendenz 140 Testament, Alte 68, 77, 82, 138, 174, 205, 375 — , Neue 88 — Peters des Großen 113 Teufel in der Wartburg 124 Teufelsglaube 122 Theater 68 Theodicee 346, 371 Theokrasie 90, 425 Theologie 233, 351, 391, 400 — der Geschichte 331, 369 ff. Theophanie 358 Theorie, Wesen der 313, 364 Theosophie 232 Thermopylen 170 Thyrsophoren 356 Tichten (Dichten) und Trachten 374, 422, 428 Titel 333 Topik 273 ff., 359ff. Totalität, Totalitäten 10, 23. 25, 31, 151, 179, 192, 220f., 230 23I f., 235. 238» 241, 285,

— des sprachlichen Aus151. 331, 362 drucks 45 ff. Verständnisses, A k t des 26, — der Werke 38 ff. 329 — der Zustände 44 f. Verstehen, forschend verstehen 22ff., 154, 191, 209, 325. 328, 330, 361, Universalgeschichte 188, 397, 406, 422 417. 427 Vertrag, Verträge 52, 93, Unrichtigkeiten 122 ff. 255 Unterricht 323 — , Nymphenburger 112 — , historischer 307, 323, Vidimus 109 363 Villafranca, Friede von 112 Untersuchung 274, 276 ff. Visionen 69 Untersuchungsrichter 279 Völker 198, 214 Unvergangene, das 327 Völkergeschichte 117 Unzulänglichkeiten 126 ff. Völkerpsychologie 350, 427 Urchristentum 88, 149 f. Völkerrecht 262, 353 Urgeschichte, jüdische 120 Völkertypen 198, 214 Urkunden 50 ff., 86, 333, Völkerwanderung 119 421 Völkerwanderungssagen 67, Urweisheit 205 68 Urzustände 23, 204 Völkerzeugung 217 Volk 214 ff., 350 Vaticinium Lehninense 113 Volksgeist 12, 27, 47, 216, Vedas 390 235. 257, 263, 416 Verallgemeinerung 395 f. Volkslieder 67, 161 Verbreitung des Menschen- Volkssage, Volkssagen 66, geschlechts 197 68, 160 Verfahren, diakritisches Volksschule 308 116, 143 Volkssitte 45 — , komparatives 340 Volksweg zu den Wissen329Î.. 332, 346. 3 5 1 . Verfall 378 f. schaften 273 4OI, 404, 409, 415, 42O Verfassung 172, 261 Volkswirtschaft 252 Tradition 94, 140, 334 Vollfreiheit, königliche des — , vorsolonische Athens Traditionsbücher n o f . sittlichen Menschen 277. 423 Trajanssäule 54, 124 — der römischen Königs355. 357 Translationen 69 Vollständigkeit 133 f., zeit 277, 423 Transsumpte 109 144 ff., 283 Verfassungsgeschichte, Tridentinum 94, 147 Vorbilder 301 englische 159 f. Trier 114 Vorlesungen über historiVerfassungsleben 261 Trilogie 89 sche Enzyklopädie und Verfassungsrecht, englisches Tullianum 100 Methodologie 319, 324 121

— 439 — Vorstellung, Vorstellungen 13, igff., 32f., 36, 37,62, 63, 81, 83, 92, 97, 126, 128, i29f., 145,192, 202, 271, 276, 326, 332, 366, 400, 407

Weltordnung, göttliche 373 Weltstaatensystem 353 Werke menschlicher Formgebung 333 Werkzeuge 24 Wertbeurteilung 93, 130 Werte, Bewegung der 352 Wahre, das, und die Wis- Wertmesser der Persönlichsenschaften 23off., 351 keit 178, 341 Wahrheit 12, 27, 30, 180, Wiedergabe, objektive 130 230 ff., 284, 408, 415 Wille 12, 192, 341 — , geschichtliche 323 Wille zum Leben 415 — , Idee der 230 Willensakte 12, 21 f., 28, Wahrnehmungen 327 f. 9 7 ! , 153, 176, 192, 202, Wallbauten der Römer 40 265, 335 f-. 353 Wandmalereien, römische Willensfreiheit 390, 397, 54 402, 422, 427 — mittelalterliche 54 Willenskräfte 12 Wappen ¡gi., 333 Willenssphäre 255 t. Wasserrecht, Erfurter 45 Wissenschaft, Wesen der Wechselnde, das, im Glei27 chen 11, 411 — der Geschichte 3, 4, 27, Weg, königlicher, zu den 391 ff. Wissenschaften 273 Welt, geschichtliche, sitt- Wissenschaften, moralische 189, 416 liche 13, 14, 2i, 28, 97, I5 1 » J73» 189, 192, 202, Wissenschaftslehre der Geschichte 377, 404 241, 275, 324, 326, 330, 345 353. 394. 397. 413 Wohlfahrt, Sphäre der 246ff., 352 Weltanschauung, materialistische und idealistische, Wolfianismus 377 Wort, gesprochenes 137 33° — , materialistische und su- Wunder der Heiligen 68, 123 pranaturalistische 405 Weltgeschichte 307, 321, Wunderglauben 123 363, 417, 427 Weltordnung, sittliche 307

X, das kleine 397 f., 402

Zähmung der Tiere 195 Zahlenangaben 127 Zeichen 6ff., 10, 1 4 ! , 22, 326, 408 Zeit, zeitliche Bedingungen 165 ff. Zeit, Anschauung 12 Zeitalter, goldene 351 Zeitungen 73 ff. Zellentheorie 97 Zensur 74 Ziele der Menschheit 269 Zivilisation 248, 253, 388, 395. 4 ° ° Zölibat 172 £aryQa