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German Pages 273 Year 2000
Volume 16
2000
Heidegger Studies Heidegger Studien Etudes Heideggeriennes Being-historical Thinking and Fundamental Ontology: Greek Tradition in and beyond Modern Physics
Duncker & Humblot · Berlin
HEIDEGGER STUDIES · HEIDEGGER STUDIEN ETUDES HEIDEGGERIENNES V O L U M E 16 · 2000
Heidegger Studies Heidegger Studien Etudes Heideggeriennes Volume 16 · 2000 Being-historical Thinking and Fundamental Ontology: Greek Tradition in and beyond Modern Physics
Duncker & Humblot * Berlin
Each issue of Heidegger Studies carries an appropriate volume title in order to draw attention to the point toward which most, if not all, contributions gravitate.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Heidegger studies = Heidegger Studien. - Berlin : Duncker und Humblot. Erscheint jährl. - Früher veri, von Eterna Press, Oakbrook, 111. Aufnahme nach Vol. 3/4. 1987/88 (1988) ISSN 0885-4580 Being-historical thinking and fundamenal ontology : Greek tradition in and beyond modern physics. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Heidegger studies ; Vol. 16) ISBN 3-428-10345-9
All rights reserved For subscription information contact: Verlagsbuchhandlung Duncker & Humblot GmbH Carl-Heinrich-Becker-Weg 9, 12165 Berlin Fremddatenübernahme: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0885-4580 ISBN 3-428-10345-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
In honor of his eightieth birthday, the editors of Heidegger Studies extend their best wishes and congratulations to Herr Dr. Hermann Heidegger. We wish him continued success in advancing the publication of the Gesamtausgabe according to Martin Heidegger's directives, and appreciate his generosity in allowing the publication of "Texts from Heidegger's Nachlaß."
Table of Contents / Inhaltsverzeichnis / Table des Matières
I. Texts from Heidegger's Nachlaß Martin Heidegger Briefe an Julius Stenzel (1928-1932)
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II. Articles Friedrich-Wilhelm von Herrmann Besinnung als seinsgeschichtliches Denken
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Parvis Emad On the Inception of Being-Historical Thinking and its Unfolding as Mindfulness
55
Jürgen Gedinat De l'un et de l'autre
73
Ivo De Gennaro Heidegger und die Griechen
87
Kenneth Maly Translating Heidegger's Works into English: The History and the Possibility . 115 Henri Crétella La révolution philosophique
139
Frank Schalow Questioning the Search for Genesis: A Look at Heidegger's Early Freiburg and Marburg Lectures 167
III. Essays in Interpretation Tomy S. Kalariparambil Towards Sketching the "Genesis" of Being and Time
189
Ewald Richter Heideggers Seminar in Wellingsbüttel
221
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Table of Contents / Inhaltsverzeichnis / Table des Matières
Andreas Michel und Alejandro Vigo Die Heideggersche Terminologie und das Problem ihrer Übersetzung ins Spanische, aufgezeigt anhand von Fallstudien aus Lateinamerika 247
IV. Update on the Gesamtausgabe List of Heidegger's Gesamtausgabe (in German, English, French, and Italian) 259
Addresses of the Contributors
269
I. Texts from Heidegger's Nachlaß
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel (1928-1932) 1 Todtnauberg, 14. April 1928 Schwarzwald Sehr verehrter Herr Stenzel! Für die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes in der „Antike" 1 danke ich Ihnen vielmals. Das Problem, das Sie behandeln, wird nur durch eine entschlossene und produktive Auseinandersetzung mit der Antike „gelöst" werden können. Nicht nur weil es Ihre freundliche Erwähnung meines Buches verlangt, sondern auch weil ich weiß, daß Sie zu der heute recht kleinen Schar derer gehören, die über echte Antriebe und das Werkzeug zu solcher Auseinandersetzung verfügen, liegt mir an einer gegenseitig förderlichen Verständigung. Hierzu ist freilich notwendig, allererst den Differenzpunkt festzulegen und zu verdeutlichen. Allein schon in dieser Hinsicht vermag ich zu keiner rechten Klarheit zu kommen. S. 43 unten stehen die Sätze: „Nun ist aber aus dieser Schule ... „aber wir hören von Angst und Sorge ... „engste Individualität"... - Gehe ich fehl, wenn ich aus diesen Sätzen so etwas wie eine Enttäuschung über die Phänomenologie herauslese und mich selbst unter „die Gefahren des modernen Denkens" gerechnet sehe? Das wäre eine, freilich auf den ersten Blick naheliegende, sogar verlockende Fehlinterpretation. Denn was hat die einzig leitende Grundabsicht meiner Untersuchung mit den von Ihnen mit Recht aufgezeigten „Gefahren" zu tun? Wenn etwas gegen Geschmäcklertum in geistigen Dingen gerichtet ist und die inneren sachlichen Notwendigkeiten einer unpersönlichen fundamentalen Problematik nicht nur fordert sondern vorführt, dann ist es mein Versuch. Wenn irgendwo eine radikale Opposition gegen seichte Innerlichkeit (Selbstbegaffung und Zerwühlen der Seele) lebendig ist, dann in der Auslegung der Existenz im Hinblick auf Gewissen und Entschlossenheit. Wenn etwas frei ist von „engster Individualität", ja gerade erst einen ontologisch echt gefaßten „objektiven" Begriff der Subjektivität herauszustellen sucht, dann darf ich die Interpretation des Daseins als „In-der-Welt-sein" und „Mit-sein" dafür in Anspruch nehmen. Aber all das ist nicht wesentlich. Die Absicht geht nicht (vgl. Einleitung) auf eine Anthropologie, nicht auf eine bestimmte Ethik, nicht gar auf eine gegen die Antike gerichtete Weltanschauung, sondern einziges Problem ist die universale Frage
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
nach einem möglichen Boden für eine strenge Interpretation des Seins nach allen seinen möglichen Abwandlungen und Regionen. Und wer die Geschichte der philosophischen Grundprobleme in ihrer elementarsten Einfachheit sieht - und nur so sind sie radikal zu fassen - , der muß sagen und ich selbst bin der Überzeugung - „Sein und Zeit" ist das altmodischste Buch, das heute geschrieben wurde. Nicht ohne Absicht steht das Zitat aus dem „Sophistes" am Anfang. Denn im Rückgang worauf kommt erst alle Frage nach dem „Sein" auf Boden und alle echte Untersuchung in Gang? Im Rückgang auf λόγος ψυχή. Was liegt in diesem Rückgang? Ist das eine Vorliebe für das Subjektive, was dazu treibt, eine Schätzung der Innerlichkeit, oder rein sachliche Notwendigkeiten des Seinsproblems selbst? Wenn das letztere, dann gilt es endlich Ernst zu machen und zu fragen, worin gründet dieser Wesenszusammenhang? Gehört es zur Seinsverfassung des menschlichen Daseins, daß für seine Existenz dergl. wie Verstehen von Sein überhaupt konstitutiv ist? Was heißt aber Seinsverständnis und welches ist die Seinsverfassung des Daseins, die ein Verstehen von Sein möglich macht? Welcher Weg ist zu nehmen, um - in Absicht auf die Begründung der Möglichkeit von Seinsverständnis überhaupt und einzig in dieser Absicht - die Seinsverfassung des Daseins (ψυχή Piatos der Funktion im Problem nach) vor Augen zu legen? Der Sinn des ontologischen Problems überhaupt ist der, der vor aller und unabhängig von aller besonderen existenziellen Stellungnahme zu Innerlichkeit, aber auch vor aller idealistischen oder realistischen Erkenntnistheorie, vor allem Subjektivismus oder Objektivismus, auf das νοεΐν, ψυχή, λόγος, res cogitane, transcendentale Apperzeption, Geist, Bewußtsein, Leben hindrängt. Das besagt aber: es gilt diese Dimension des Daseins entsprechend radikal und zunächst in fundamentalontologischer Absicht herauszuarbeiten. Der Titel „Sorge" ist nicht Schlagwort einer Weltanschauung und gewiß nicht so zu verstehen, wie Sie das Wort (S. 62 unten) gebrauchen. Ebenso ist das Phänomen der Angst nicht die Bangigkeit und Ängstlichkeit um das Seelenheil, sondern ein ursprüngliches metaphysisches Phänomen, ohne das ich auch den antiken Weltbegriff nicht verstehen kann. Wenn in der philosophischen Existenzproblematik wesensnotwendig, wenngleich nicht ausdrücklich polemisch, eine unbedingte Gegenstellung zu allem Christentum liegen muß und in meiner Untersuchung auch faktisch liegt, dann hindert das nicht, daß die Philosophie die Horizonte entschlossen zum Problem macht, die im christlichen Existenzbewußtsein enthüllt wurden. Ohne Christentum wäre die Unchristlichkeit der Kantschen Ethik nicht möglich geworden. Aber auch wenn der Titel „Sorge" als ontologischer Begriff des Seins (nämlich des Daseins) gefaßt wird, kann das nicht heißen, dieser Seinsbegriff soll dem Antiken, der ουσία, entgegengestellt werden. Sondern, was als Sein des Daseins herausgestellt wird, soll den Boden bereiten für die Problematik, die den antiken Seinsbegriff in seinem rechtmäßigen und notwendigen Ursprung verstehen lehrt. Die Antike ist damit nicht abgetan, sondern ihre Problematik allererst wieder - im
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Unterschied von zufälligen, schulmäßigen Vermittlungsversuchen - in der Wurzel lebendig gemacht. Außerordentlich wertvoll ist mir Ihr Hinweis (S. 61), mit Hilfe der Struktur der Geschichtlichkeit eine Begründung der allgemeinen Idee der Renaissance zu versuchen. Aber die Geschichtlichkeit läßt sich ihrerseits ohne Zugrundelegung von Sorge und Zeitlichkeit gar nicht ontologisch begründen. Was Sie S. 43 mit dem „aber" einführen, dem stimmen Sie S. 61 zu als dem Fundament des eigentlichen Problems, das Sie erörtern. Und so bin ich „eine Gefahr des modernen Denkens" im Sinne eines genitivus subjectivus und objectivus zugleich. Es im letzteren Sinne zu sein, ist freilich eine Nebenabsicht der Untersuchung, wenn sie gegen die Bodenlosigkeit, Respektarmut und unverpflichtete Sprunghaftigkeit (heute Phänomenologie, morgen Mythologie, übermorgen Symbolismus) angeht. Mir scheint, Sie haben unter dem ersten Eindruck mein Buch mehr - darf ich einmal sagen - „weltanschaulich" gelesen, statt rein ontologisch. Diese Auffassung liegt nahe, um so stärker dann, wenn die zentrale Dimension der wenigen Grundprobleme der Philosophie seit der Antike in ihrer Einfachheit aber um so wuchtigeren Rätselhaftigkeit nicht gleich und ständig lebendig gegenwärtig ist. Weil Sie aber von der Antike her diesen Problemen nahe sind, glaube ich, daß eine Verständigung möglich, aber auch notwendig ist. Daß Phänomene wie Gewissen, Angst, Tod, Geschichte und gar Geworfenheit zur Erörterung kommen, ist nicht in einer persönlichen Vorliebe begründet, sondern gefordert durch die Aufgabe, die Zeitlichkeit in wirklicher Aufweisung und Untersuchung sichtbar zu machen. Freilich ist es kein Zufall, daß ich entsprechend meiner ganzen Herkunft gerade zu diesen Phänomenen vielleicht einen besonderen Zugang habe. Wie nun aber die Zeitlichkeit als Temporalität die universale Problematik der Ontologie leitet und wie sich von der so begründeten Ontologie her der volle Begriff der Philosophie begründet, das wird erst in den weiteren Abschnitten deutlich werden. Der Wunsch, den Sie in Ihrem freundlichen Brief vom vorigen Jahr äußerten, daß wir uns einmal persönlich treffen und aussprechen, ist auch der meine. Daß ich mich über „Zahl und Gestalt"2 noch nicht geäußert habe, hat seinen Grund darin, daß mir die eigenen Untersuchungen über die antike Philosophie bis vor kurzem nicht so gegenwärtig waren, daß ich Ihnen über die üblichen Allgemeinheiten hinaus etwas hätte sagen können. Auch das heute Gesagte soll Ihnen vor allem zum Ausdruck bringen, daß ich mich über ein συμφιλοσοφεΐν mit Ihnen aufrichtig freue. Mit einem freundlichen Gruß Ihr sehr ergebener Martin Heidegger
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Todtnauberg, 12. III. 1929
Lieber Herr Stenzel, sehr verehrte gnädige Frau! Ihr Kartengruß hat mir eine große Freude gebracht. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Schade, daß Sie bei diesem herrlichen Wetter und schönstem Firnschnee (morgens zum Frühstück vor der Hütte schon 25°) nicht hier sein können. Aber ich hoffe noch sehr, daß sich bald für Sie Gelegenheit geben wird. Mit Möllendorffs 1 halten wir gute und schöne Nachbarschaft. Wir haben diesen Freiburger Winter sehr genossen. Um das Maß der Skifreuden voll zu machen und weniger des „philosophischen Rummels" wegen, fahre ich Sonntag für 10 Tage nach Davos2, wo ich mit dem Frankfurter Kurator 3, der ein guter Skiläufer ist, Allerlei unternehmen will. Bald kann ich mit einer kleinen Gegengabe4 für Ihre lieben Zusendungen (über die später) danken. Ihr sehr ergebener Heidegger.
3 Todtnauberg, 25. August 1929 (Schwarzwald)
Lieber Herr Stenzel! Ihr freundlicher Brief hat mir eine große Freude gemacht. Er gibt mir die Gewißheit, daß meine Bemühungen gerade für die entscheidenden Aufgaben, denen Sie sich widmen, dienlich sein können. Jederzeit wird es gerade in der Philosophie nur wenige „Orte" gegeben haben, wo wirkliche Arbeit geleistet wurde. Heute freilich sind sie trotz der wahnsinnigen literarischen Industrie nicht nur selten, sondern auch schwer zu erkennen und aufzufinden. Selbst wo das möglich ist, wird oft alles verdorben durch die Sucht, alsbald ein Komplott zu bilden. Um so wesentlicher ist das von wirklicher eigener Arbeit getragene und in ihr erwachsene gegenseitige Vertrauen. Wenn eigene Arbeit solches bei Anderen weckt und stärkt, ist das Wesentliche geschehen. Wie sie sich sonst auswirken mag, das haben wir nicht in der Hand.
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Freilich ist es für mich immer ein wesentlicher Nebenzweck, indirekt dafür zu sorgen, daß so und soviele Bücher nicht geschrieben werden. Diese Wirkung ist erst recht unsichtbar, aber wichtiger als alle fragwürdige Anhängerschaft. Von dieser indirekten Wirkung sollte aber Ihre Arbeit über die „Urteilskraft" nicht betroffen werden. Sie haben mir damals schon - gelegentlich eines Vortrages - von diesem Problem gesprochen. - In Davos1 hat mir Riezler von der „Urteilskraft" her Einwände gemacht. Frank 2 schrieb dieser Tage in einem Brief ähnliches. Aber nicht erst diese Zeugnisse bringen mich zu der Gewißheit, daß mit einer Interpretation nicht nur nicht „Alles" geleistet ist, sondern daß Solches nie beansprucht werden kann. Ich habe der naheliegenden Versuchung nicht nachgegeben, alles und jedes in die „Einbildungskraft" hineinzupacken, zumal es gerade darauf ankommt, durch diese hindurch die Abgründigkeit der Metaphysik des Daseins sichtbar zu machen. Die Erfahrungen mit „Sein und Zeit", d. h. das bis in die Zeitung sich erstrekkende Getue mit diesem Buch, haben in mir die Zurückhaltung gegenüber den „Zeitgenossen" nur verstärkt. Nicht als dürften wir die unfruchtbare Rolle des „Unverstandenen" spielen. Wohl aber gilt es, gegenüber den wechselseitigen Versicherungen einer falschen Bruderschaft echte Kommunikation zu pflegen. So bedarf es keiner langen Beweise mehr, daß ich Ihr Kommen aufrichtig wünsche. Ich werde die ganze Zeit bis etwa zum 10. Oktober hier oben sein. Meine Frau muß mit den Kindern zum Schulbeginn (12. Sept.) wieder nach Freiburg. Wenn nicht Möllendorffs Sie für sich in Anspruch nehmen als Gast, sind Sie der unsrige. Ich komme dann mit Leichtigkeit hinunter. Oder aber - Sie kommen mit mir außerdem für ein paar Tage hier herauf. Die Zeit Anfang Oktober ist hier immer herrlich. Schreiben Sie bitte ganz kurz, wenn Sie sich entschlossen haben - und bringen Sie Ihren Salzburger Vortrag 3 mit. Mit freundlichen Grüßen auch an Ihre Frau Gemahlin Ihr Martin Heidegger.
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
4 23. XI. 1929
Lieber Herr Stenzel! Zunächst muß ich Ihnen herzlich danken für die Zusendung der Bogen Ihres neuen Buches1. Ich glaube, Sie wissen, welche grundsätzliche Bedeutung dieser Arbeit zukommt, da sie die neue Aneignung der antiken Philosophie einleiten und leiten muß. Einzelnes müssen wir mündlich verhandeln. Die Einleitung hätte ich entschiedener und klarer gewünscht und weniger vermittelnd. Sehr freue ich mich darüber, daß Sie auf konkrete Interpretationen eingehen und ich werde da sehr viel lernen. Ich glaube eine kleine Ahnung von der Schwierigkeit der Aufgabe zu haben. Sie dürfen aber nicht locker lassen angesichts der angeführten Bedeutung. Die Arbeit von Frau Kuznitzky 2 habe ich nur durchgeblättert; sie scheint mir beachtenswert zu sein und ich hoffe in den Weihnachtsferien zur Lektüre zu kommen. Bis dahin muß ich leider auch Ihr Manuskript aufsparen. Ich bin in diesen Wochen sehr abgehalten, da ich als Senatsmitglied an den Auseinandersetzungen mit der Regierung beteiligt bin. Meine Antrittsvorlesung 3 habe ich in Frankfurt in kleinem Kreise vorgetragen; ich wurde von allen Seiten und auch hier wieder gedrängt, sie drucken zu lassen. Ich habe mich dazu entschlossen. In einigen Wochen werden Sie ein Exemplar bekommen. Es ist die ursprüngliche Ausarbeitung, auch das, was wegen Zeitmangel nicht vorgetragen werden konnte, aufgenommen. Schadewaldt habe ich bisher nur flüchtig gesehen, weil ich zu sehr belastet bin. Er hat mir bereits auf Ihre Anregung hin seinen Aufsatz über Sophokles4 geschickt. Ich denke, wir kommen zu einer gemeinsamen Arbeit. Ich denke oft an die schönen Musikabende und unsere Wanderung über den Stübenwasen zum Feldberg. In Frankfurt ist alles noch in der Schwebe, da die Parteien hineinreden. Aber so viel Klarheit hat sich schon ergeben, daß Tillich bei all seinem Eifer oft sehr anregt, aber nicht erzieht und kein konkretes Verständnis der Probleme zu vermitteln vermag. Im Grunde ist er doch Theologe, was jetzt auch Riezler merkt, der es früher nicht sehen wollte. Aus Breslau bin ich von zwei verschiedenen Seiten aus der Kommission gefragt worden und habe es an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. -
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Meine erste wirkliche Metaphysikvorlesung 5! Ja - welche Vorbereitung und verschlossene Kraft verlangt es, wahrhaft unmittelbar zu sein und doch sokratisch zu handeln. Das Ruder gerade aussteuern und am Wind bleiben! Herzliche Grüße von Haus zu Haus Ihr Martin Heidegger.
5 Todtnauberg, 31. Dezember 1929 Lieber Herr Stenzel! Sie beschämen mich immer wieder durch Ihre Briefe, die ich gar nicht verdiene. Ihren heutigen muß ich noch im alten Jahr beantworten, weil er mir für das neue so viel zu denken gibt. Ich sitze in meiner Arbeitsstube, die Sie kennen. Ich habe den langen Tisch an den warmen großen Ofen gerückt; die Hand ist noch etwas zitterig von den Anstrengungen einer Skitour bei herrlichstem Neuschnee. Aber zuerst noch einen herzlichen Dank für Ihre „Geschichte der antiken Metaphysik" 1 . Ich lese Bücher immer nur dann wirklich, wenn ich sie brauche. Und ich hoffe, das Semester ist recht nahe, in dem ich Plato interpretieren werde. Besonders Ihre Parmenidesinterpretation habe ich mir für eine eingehende Durcharbeitung aufgespart. Ich sehe jetzt schon, wieviel ich daraus lernen werde. Daß Sie mit Ihrer Arbeit für die Altertumswissenschaft Wesentliches leisten, ist jetzt schon außer Zweifel. Aber - das darf Ihnen nicht genug sein; unser Philosophieren braucht Ihre Arbeit. Aber dazu darf sie nicht eingezwängt sein in die Rücksichten und den Umfang eines Handbuchbeitrages. Zwar sind Sie ganz sicher davor, das Opfer einer falschen und verlogenen Handbuchobjektivität zu werden, und doch hätten Sie manches anders geschrieben und vieles Nichtgesagte gesagt. All das, was ich kurz durch den Namen „Jaeger" kennzeichnen will, ist mir nicht durchsichtig genug, vor allem nicht hinsichtlich seiner Auswirkung für die philosophierende Interpretation. Aber vielleicht bringt Ihnen darüber Ihre jetzige Vorlesung die nötige Klarheit. Ich freue mich, daß Husserl bei Ihnen in Kiel 2 so aus sich heraus gegangen ist. Ich wünsche mir, ihn auch einmal so zu hören. Vielleicht ist jetzt die gegenseitige
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Nähe von uns für ihn nicht günstig. Was er seit Jahren - mehr unbewußt - tut, verstärkt sich immer mehr: er flickt - er zieht auf seinem Gehäuse eine Fahne auf, deren Lösung er weder wirklich gewählt noch gar begriffen hat. Seine besten Arbeiten verlieren die Linie und kommen nicht mehr ins Ziel. Statt dessen für das Publikum der Schein, als ginge er mit oder besser als hätte ich vorschnell vorweg genommen, was jetzt erst bei ihm zur Veröffentlichung gelangt. Aber schließlich hat er nicht nötig, auf Originalität erpicht zu sein und ich selbst habe Wichtigeres mir vorgesetzt. Was ich aber tief bedaure, ist dies, daß diejenigen, von denen ich glaube, daß sie - als wenige - allein wirklich von Husserl lernen und ihn „fortsetzen" können, überall Nichts Eindeutiges und Entschiedenes mehr zu fassen bekommen, daß die - wenngleich enge und nicht ganz zentrale - Radikalität seiner Arbeiten zerflattert in Anpassungen und Ausgleichen und Selbsttäuschungen. Aber Husserls Weg wurde schon der inneren Direktion beraubt, als er sich um 1905 aus philosophischer Ratlosigkeit an den Neukantianismus anschloß. Ich hoffte immer noch, er werde zu sich selbst zurückfinden; dann hätte er heute auch die Kraft gehabt, wirklich dem Anderen entgegenzutreten und sich in seinem Werk zu vollenden. Und jetzt diese für mich jammervolle, blinde Zappelei. Charakteristisch ist dieses Sichklammern an die mit immer neuen Feinheiten ausgebaute „Reduktion", ohne zu sehen, daß sie auf einem gänzlich unklaren und fragwürdigen Begriff der „Transzendenz" beruht und mit der Idee des „Bewußtseins" steht und fällt. Aber selbst diese Schwierigkeiten möchte ich nicht als entscheidend nehmen. Philosophisch ist sie unmöglich, weil sie nach Analogie einer wissenschaftlichen Methode angesetzt und ausgebaut ist. Es fehlt ihr der stets bebende Boden einer philosophischen Problematik, es fehlt ihr ebenso - d.h. in eines damit - die Richtkraft, die nur aus einer wirklichen wesentlichen Bedrängnis des heutigen Daseins entspringen kann. Statt zu Erschütterungen zu führen und selbst in diese mithineingerissen zu werden, verfestigt sie sich zu einer absoluten Technik, was der Beweis ihrer „Wahrheit" sein soll. Husserls Phänomenologie ist heute nichts anderes als die ins Groteske getriebene Apriorisierung der „Psychologie" des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit dem Überbau einer aufklärerischen Moral. All das unberührt von der Frage, ob nicht eben dieses 19. Jahrhundert und das, was sich in unseres hineingeschleppt hat, uns zu Narren einer Bodenlosigkeit hat werden lassen. Alles Philosophieren ist - nicht nur in seinem Fragen, sondern auch in seinem Wagen - zweideutig. Wenn man verzichtet, durch das Beiwort „wissenschaftlich" und durch methodologische Weitläufigkeiten sich in „Positur" zu setzen, hat man freilich alsbald den Pöbel der Literaten und „Sophisten" zu Genossen. Dieser Schein muß gewagt werden. Dieses Wagnis aber hat seine Sicherung nur in der Wesentlichkeit des Fragens und in der inneren Freiheit des verborgenen Handwer-
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
kes, das für jeden Fels sich einen neuen Hammer schafft, um den alten, der zum Fels vordringen ließ, dahinten zu lassen. Ich wäre heute in der größten Verlegenheit, wenn ich meine Methode beschreiben oder gar als Methodologie herausgeben sollte. Und ich bin glücklich, daß ich so weit bin, nicht die Fesseln einer Technik zu spüren, wohl aber den Zwang einer Bedrängnis. Doch je näher man solchem kommt, um so mehr muß man in Kauf nehmen, um so lärmender wird die Öffentlichkeit, die eigene, die um einen entsteht, durch das, was man sich entreißt und weggibt. Doch - lassen wir die Frage ob Husserl oder Heidegger, ob Phänomenologie oder Fundamentalontologie. Geben wir diese Fassaden für das Publikum dahin und rüsten wir uns dazu: diejenigen zu finden und Da-sein zu lassen, die - ob Philosoph oder Künstler oder Sachwalter des Wesentlichen in einem Anderen - die Not des heutigen Menschen in sich pochen hören, um einig zu sein im Opfer der Arbeit für das eine: dem Menschen die Einfachheit und Größe seiner Existenz zurückzugewinnen. Nur so erwacht die Liebe und wächst das Vertrauen. Herzlich Ihr Martin Heidegger
6 Todtnauberg, 18. April 1930 Lieber Herr Stenzel! Ihr freundschaftlicher Glückwunsch1 hat mich ganz besonders gefreut; denn er hat diesen „Augenblick" begriffen. Daß meine Person dabei beteiligt sein muß, ist gleichgültig. Das Ganze ist eine scharfe Probe auf unser, nicht mein, Philosophieren: ob wir wissen, was der Weltgeist von uns Nachkömmlingen noch will, und das sagt zugleich: ob wir verstehen, woran wir zuinnerst glauben. Nur dann werden wir siegen, d. i. Großwerden zur letzten Einfachheit des Wesentlichen. Und dieses Wesentliche läßt sich nicht Errechnen durch Abwägen von Umständen, Gelegenheiten, Bedürfnissen und Nöten des Tages. Es ist nie das Heutige, das wir gerade erst zu erhäschen uns bemühen könnten. Wir müssen in ihm wesen. Und so liegt alles nur an dem: Nichtfortlaufen vom Heiligtum. Das ist weder in Freiburg noch in Berlin. Aber beides sind am Ende gleich unvollkommene Symbole für Etwas; und das Entweder - Oder geht nicht zwischen ihnen. Wo es liegt, das kann
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
„ich" nicht durch meine Entscheidung einfach bekannt geben, sondern das müssen wir durch unser Werk erst bestimmen und wirksam werden lassen. Das ist Alles, was ich zu sagen habe und freudig gerade Ihnen sage. Das Übrige ist Öffentlichkeit, die wir heute mehr und hartnäckiger als die größeren Verfahren unseres Wollens ertragen müssen. Und aus dieser unsichtbaren Gemeinschaft der Gefährten heraus habe ich Ihnen in den Weihnachtsferien am selben Arbeitstisch einen harten Brief geschrieben. Und seitdem habe ich öfters, als Sie wohl glauben, an Sie gedacht. Und daß jetzt Ihr Brief kam, ist mir weit wertvoller, als der darin enthaltene schöne Glückwunsch. Er ist mir Beweis, daß ich Sie damals nicht zu gering eingeschätzt habe, daß unsere Gemeinschaft auf wirklichem Boden ruht. Der Stübenwasen, über den wir im „platonischen" Gespräch zur Herbstzeit wanderten, ist heute tief verschneit und von niedrigen Wolken überlagert. Licht und Dunkel, Sonne und Höhle sind, damals nicht und jetzt nicht, „Bilder", die sich die Philosophie ausdenkt, sondern Gewalten, die uns durchziehen und in das Geschehen zwingen, wenn wir nicht schon selbst durch die Gleichgültigkeit zu allem und d. h. durch die Fertigkeit für alles, unempfindlich gemacht sind. Ich denke, wir müssen im Verlauf des Sommers beraten, wie es mit der geplanten Platointerpretation im Schwarzwald werden soll. Mit herzlichem Dank und Grüßen und Empfehlungen an Ihre Frau - auch meine Frau läßt grüßen. Ihr Martin Heidegger.
7 Todtnauberg, 17. VIII. 1930 Lieber Herr Stenzel! Herzlichen Dank für Ihren Brief, die Rezension aus der D.L.Z. 1 und Ihre Glückwünsche zur Berufung 2. Nach dieser Reise brauch ich nicht auch noch weitläufig zu bereden, daß ich ein säumiger Briefschreiber bin. Aber doch habe ich mich oft während der ganzen Zeit mit Ihnen und Ihrer Arbeit beschäftigt und immer wieder an die schönen Herbsttage vom vorigen Jahr gedacht, d. h. aber unseren Plan nicht vergessen. Die Schwierigkeit war bisher nur die äußere Gestaltung. Ich wußte, daß Sie nach Oxford gehen, also in der ersten Septemberhälfte, die mir am günstigsten und auch für die Hütte am vorteilhaftesten gewesen wäre. Denn bis zum 15. Sep-
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
tember haben die Kinder Ferien und solange ist die ganze Familie hier oben, so daß wir mit unserer Philosophie auch äußerlich am besten versorgt gewesen wären. Anfang Oktober bin ich durch einen schon längere Zeit für Bremen festgemachten Vortrag 3 gebunden. Jetzt hat sich zum Glück eine befreundete Familie aus Marburg 4 für die Hütte in der zweiten Septemberhälfte angemeldet. Das gibt die Möglichkeit, daß ich allein mit Ihnen hier oben sein kann; wir würden dann in der Stube über meiner Studierstube wohnen. Wenn Ihnen das recht ist, dann bitte ich Sie, möglichst bald nach Ihrem Englandaufenthalt hierher zu kommen. Ich würde vorschlagen, daß wir den Sophistes und Parmenides behandeln, d.h. mit diesen beiden philosophieren. Ich werde dann auch noch recht viel lernen können für meine Übungen im W.S., wo ich „Parmenides" behandele5. Schadewaldt wird mitmachen in den Übungen. Ihr lieber Brief gelegentlich des Rufes hat mich sehr gefreut. Aber ich hatte bei der Unruhe und neben einer vierstündigen Vorlesung über das Wesen der menschlichen Freiheit 6 nicht den rechten Augenblick für einen wirklichen Brief gefunden. Die klare innere Stimme, daß ich mich in den nächsten Jahren für Wesentlicheres aufsparen müsse, machte mir die Entscheidung nicht schwer. Wohl aber der Gedanke an das äußere Schicksal der Philosophie in Deutschland und das Wissen um das Vertrauen, das der Minister 7 mir entgegenbrachte. Ich habe einen starken Eindruck von diesem Menschen mitgenommen. Ob es aber überhaupt noch einen Sinn hat, die kleinen Kräfte eines Einzelnen an einem solchen unnatürlichen Ungeheuer, wie es die Berliner Universität heute ist, zu verschwenden. Bei aller inneren Sicherheit und bei dem größten - in sich schon genug aufreibenden - Widerstand gegen die Öffentlichkeit, kommt hier jeder - und der Philosoph erst recht dazu, selbst die eigene Arbeit mit der Zeit zu einem Gerede zu machen. Wirkliches Wirken ist nur da, wo eine Wachheit wächst. Das großstädtische Wesen aber verschafft nur ein Angeregt- und Aufgeregtsein den Schein einer Wachheit. Auch das beste Wollen wird verstrickt in Sensation und Repräsentation - das Unwesen aller Philosophie. Man hat mir in den vergangenen Wochen oft Hegel vorgehalten - nun - Hegel hat, seit er Berlin betrat - und welches Berlin damals - nur noch sich selbst wiederholt. Diesem Stadium treibt zwar jeder entgegen. Aber keiner hat die Verpflichtung, sich vorzeitig auch noch hineinzustoßen. Doch diese kleine persönliche Sache ist nur eine geringe „Erscheinung" des großen Augenblickes des jetzigen „Daseins", in dem ein neues Weltalter anbricht, das mitzubereiten wir verpflichtet sind. Ich freue mich sehr auf Ihr Kommen. Mit herzlichen Grüßen Ihnen und Ihrer Frau - auch von der meinen bin ich Ihr Martin Heidegger.
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
8 Freiburg. 4. November 1930 Lieber Stenzel! Den „Herr" darf ich wohl nun weglassen. Zunächst muß ich Ihnen nochmal sagen, wie sehr ich mich über die gemeinsamen Tage gefreut habe. Und künftig werden sie noch mehr die nötige geschlossene Form erhalten. Daß Göttingen nichts wurde, hat mir sehr leid getan. Von irgendwoher hatte ich gehört, daß Nohl mit in Steiermark sei und sicher noch nicht da sein werde. Nun ist das Semester im Gang. Das Anfängerseminar habe ich geändert und behandle Augustinus Confessiones lib. XI. de tempore1. Zwar dachte ich, meine Lehrtätigkeit einschränken zu können. Das ist äußerlich der Fall mit dem Erfolg, daß ich mir viel zugemutet habe und zumute, indem ich nun Monate hindurch mit den Dreien Plato, Augustinus, Hegel1 gleichzeitig Gespräche zu führen wage. Und das Befreiende ist es, erfahren zu dürfen, wie fern das Fragen und Sehen allem Gezappel mit Standpunkten und Voraussetzungen und psychologischen Hintergründen rückt. Die Seuche der Typologien u.s.f. wird weiterwüten und alles Bemühen von Anfang an vergiften. Aber einmal muß in irgendeiner Weise dieses Rennen nach der Rechtfertigung der eigenen Unfruchtbarkeit irgendwo anrennen. Wir müssen mehr denn je daran denken, die Ernsten im Lande unauffällig zu sammeln, um einander zu helfen und die rechten Maßstäbe zu retten. Misch 2 schickte mir dieser Tage das Inhaltsverzeichnis des Buches, und ich hoffe, daß der dritte Teil irgendwo eine zentrale Frage anfaßt. Das Protokoll brauche ich vorläufig nicht. Habe ich Ihnen die Oxforder Vorträge 3 nicht zurück geschickt? Ich suche sie vergeblich. Ihre „Metaphysik des Altertums" 4 erscheint doch hoffentlich gesondert, so daß auch die Nichtbesitzer des Handbuches sich Exemplare kaufen können. Ich wünsche Ihnen von Herzen ein gutes Semester und bitte Sie, die AesthetikPläne, die Sie mir andeuteten, innerlich recht und ständig zu betreuen. Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus Ihr Martin Heidegger
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
9 Hütte, 27. Dezember 1930 Lieber Stenzel! Am 20. Dezember bin ich bereits hier herauf gezogen. Daher bekam ich, durch von allerlei Zufällen veranlaßte Verzögerungen, Ihren Brief erst heute. Derweil hatte ich in der Zeitung bereits von Ihrer Berufung 1 gehört. Unsere herzlichsten Glückwünsche! es war allmählich Zeit, daß man an Sie dachte. Basel — Freiburg; Fränkel - Schadewaldt - Stenzel; Nietzsche - Jakob Burckhardt - Antike - und der Schwarzwald dazu. Aber ich denke, in Berlin wird man erwachen, bevor man Sie ins Ausland ziehen läßt und man wird Ihnen sagen, daß es außer Kiel noch andere preußische Universitäten gibt. Und so wird im Ganzen die Entscheidung für Sie viel verwickelter werden; wir anderen wollen nicht darein reden. Daß ich mich durch Ihre Basler Nachbarschaft im bevorzugten Sinne beglückt wüßte, wissen Sie. Meine Hegelinterpretation in Sein und Zeit 2 ist nicht mein letztes Wort über Hegel, geschweige denn über den „Deutschén Idealismus", wenn wir diese nichtssagende Bezeichnung noch weiterhin gebrauchen wollen. Immer aufdringlicher wird mir, wie völlig die Philosophie ihre eigene Zeit hat und wie wesentlich sie dabei in die Gediegenheit gebunden ist, mit der sie zu Wort und Werk kommt - Wie sehr wir seit Hegel (nicht dessen Philosophie) zusammengebrochen sind und immer noch nicht die innere Geräumigkeit und Einfachheit des rechten ganzen Fragens sicher haben, wie viel Arbeit es noch braucht, um das Wissenschaftsideal des 19. Jahrhunderts mit gutem Gewissen entschieden aus der Philosophie zu vertreiben. Es ist doch reine Reiselektüre, was wir zu bieten haben, verglichen mit dem, was Hegel in seiner Phänomenologie den Zeitgenossen zumutet. Zeitgenossen freilich - aber nicht jene, denen das Buch noch naß von der Presse in die Hände fiel, nicht jene, die sich einen Beruf daraus machten, es zu rezensieren. Gewiß, man kann dieses Werk, wie andere auf Inhaltsangaben reduzieren und dergl. dann in Darstellung des Deutschen Idealismus weitergeben, damit andere von diesem Leichnam ihre Vorstellung vom Leben nehmen u. s. f. Zeitgenossen solcher Werke - sie brauchen nicht die brüchige Krücke der „Ewigkeit" und der „philosophia perennis", die ja nur eine Ausrede dafür ist, daß man sich mit einer bequemen Gleichmacherei begnügt und im Grunde eine Höllenangst davor hat, sich mit einem Werk wirklich einzulassen. Zeitgenossen, die um die innere Haltung wissen, die ein Verkehr mit diesen Werken verlangt, die Maßstäbe haben, unter die sie sich und die Ansprüche an andere stellen, die schweigen können gerade dann, wenn es nötig scheint und
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Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
öffentliches Bedürfnis, daß die Unphilosophie bekämpft oder zurechtgerückt werde. Nur wenn man wirklich noch etwas und nichts Beliebiges zum Verschweigen hat, wenn man etwas mitteilt, nur dann behält man die Kraft und Überlegenheit des Wirkens. Aber dieses Verschwiegene ist dabei nicht jenes, von dem einige zu verraten pflegen, daß sie es demnächst in größeren Untersuchungen darstellen werden, denn dergleichen ist dann schon das Belanglose und für die Neugierigen. Gewiß sind wir alle auch so Zeitgenossen, daß wir mehr oder minder geschickt das sagen, was „in der Luft liegt." Aber daß es in die Luft zu liegen kommt, das ist doch das Erste und ist am Ende nur der verblasene Rest einer wirklichen unsichtbaren Atmosphäre. Um deren Erschaffung handelt es sich allein. Zeitschriftenpläne tauchen immer wieder auf und gerade jetzt, wo der „Anzeiger" 3 eingegangen ist. Wozu brauchen wir Zeitschriften, solange die wirklichen Werke der Philosophie nur dem Namen nach bekannt sind? Sollen wir uns noch mehr gegenseitig einreden, daß wir es weit gebracht und daß die Philosophie im Aufstieg begriffen sei, wo der anständige Durchschnittsgelehrte und Studierende sich immer noch bekreuzigt, wenn er sich mit Philosophie wirklich einlassen soll. Was für eine geistige Verelendung muß da sein, wenn fortgesetzt eine solche „Philosophieliteratur" möglich wird, wie sie heutigentags massenweise auf den Markt kommt? Das armselige Rinnsal unseres Philosophierens darf nicht auch noch auf die große Mühle des Betriebes geleitet werden. Daß eine neue Zeitschrift sein müsse, weil die bestehenden schlecht sind - das ist solange keine Begründung als nicht erwiesen, daß überhaupt eine Zeitschrift das Notwendigste sei, um der Philosophie einen wahren Dienst zu tun. Wenn ich Ihnen raten darf, lassen Sie sich ja nicht festlegen. Leute wie Rothakker 4 , die wüßten nichts mit sich anzufangen, wenn es keine Zeitschriften gäbe. Darum machen sie in ihrer Art das Geschäft ganz gut. Wir bleiben bis 5. Januar auf der Hütte. Wenn Sie vor dieser Zeit kommen, können Sie jederzeit Gast bei uns sein; anderenfalls unten in Freiburg. Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus Ihr getreuer Martin Heidegger.
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10 Freiburg, den 10. Dezember 1931 Lieber Stenzel! Ich danke Ihnen herzlich für die Zusendung der zweiten Auflage Ihrer Studien1. Ich bin zur Zeit ganz im Plato2 und zwar dabei, der δόξα einmal energisch auf den Leib zu rücken. Mitten aus dieser Arbeit heraus weiss ich erst wieder den ganzen Wert Ihrer Platoforschung zu schätzen, und oft werde ich den Gedanken nicht los, dass solche Arbeiten weit wichtiger sind als die ganze heutige philosophische Tagesliteratur. So habe ich in der letzten Zeit wenig von Ihnen gehört, woran wohl auch Ihre amtliche Belastung Schuld sein möchte. Nachträglich habe ich Ihnen auch noch zu danken für Ihren Mut, mit dem Sie offenbar als einziger bei der diesjährigen Versammlung der Kantgesellschaft in Halle für mich eingetreten sind. Diese Veröffentlichung Hartmanns3 macht einen höchst merkwürdigen Eindruck, und das aufgeregte Bemühen, ja mit Heidegger nicht verwechselt zu werden, wirkt direkt komisch. Im übrigen erscheint mir diese Art von Philosophie täglich belangloser. Für die Weihnachtsferien ziehen wir auf die Hütte, wo dann die Arbeit am Plato mit Unterstützung von Skilaufen weiter gedeihen soll. Mit herzlichen Weihnachtsgrüssen Ihnen und Ihrer Frau Ihr Heidegger
11 Todtnauberg (Hütte) 3. Januar 1932. Lieber Stenzel! Ihr Brief war mir wieder eine große Freude; und immer wieder dachte ich: wie schade, daß Sie nicht in Basel sind. Aber Sie haben in Kiel doch eine andere Aufgabe. Bleiben Sie ja mit aller Kraft bei der „Sprachphilosophie" 1. Vielleicht wird eines Tages dieses Wortgebilde ganz nichtssagend und das Überbleibsel eines Dokumentes für ein großes Mißverständnis. Dann nämlich, wenn wir wieder begriffen haben, wie Philosophieren und Dasein und Sprache in sich verwurzelt sind und die Bodenlosigkeit des einen die anderen mit ins Verhängnis zieht. Ich stelle mir nur so willkürlich vor, daß Sie die „Sprachphilosophie" aus dem Problem der antiken Philosophie entwickeln und dort lassen.
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Wenn es so wäre, dann würde diese Arbeit nach meiner Überzeugung eine der unumgänglichsten sein, die unser heutiges Philosophieren für seine nächsten Schritte braucht. Und kein Anderer als Sie kann diese Arbeit machen. Dagegen halte ich jede „systematische" Sprachphilosophie heute schon für „antiquiert". Ich freue mich über die Aussicht, daß wir uns bald wieder länger sehen; hoffentlich werden das fruchtbare Wochen auf der Hütte. Was inzwischen das Schicksal unserer Nation bringt, müssen wir im Glauben an ihre ungehobene Kraft hinnehmen und jeder in seiner Weise bewältigen. Ihren Plan, eine Stelle zu schaffen für die Veröffentlichung wirklich wertvoller Dissertationen, begrüße ich sehr. Ich selbst vermisse eine solche Stelle heute besonders, da das Husserlsche Jahrbuch für mich nicht mehr in Betracht kommt. Husserl hat mir deutlich genug abgewinkt. Ich glaube auch, daß das Jahrbuch seine Zeit gehabt hat. Freilich weiß ich nicht, ob in der nächsten Zeit viel Dissertationen bei mir durchkommen. Ich bin entschlossen, noch schärfer durchzuprüfen. Zugleich widerstrebt es mir, immer wieder mit meinem Namen irgendwo aufzutauchen, wo dann schließlich doch nichts erscheint; so beim „Anzeiger" - Gott hab ihn selig - und bei Bultmanns „Theologischer Rundschau"2. Ich habe daher auch schon vor einiger Zeit bei der „Zeitschrift für deutsche Philosophie"3 abgewinkt. Aktiv werde ich mich bei Gelegenheit gern beteiligen, aber nicht mit dem Namen. Über Weniger 4 schreibe ich Ihnen auf dem beiliegenden Blatt. Ihr Herr Sohn ist bis jetzt nicht aufgetaucht. Das Wetter hat freilich auch seit drei Tagen umgeschlagen. Mit einem herzlichen Gruß und den aufrichtigsten Wünschen für Ihre Arbeit verbleibe ich Ihr M. Heidegger.
12 Liebe Bertha! Heute früh über σιμότης ganz neue Reize abgewonnen! Ich werde Dir viel erzählen - Dann im Nebel und Sonnenschein hier herauf! Viel Glück fürs [sie!] Exodus! Dein Julius. Von einer schönen Hüttenkameradschaft bei Kochen, Interpretieren, Nebel und Regen sendet Ihnen freundliche Grüße M. Heidegger
Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel
Anmerkungen 1 1 „Die Antike" ist die von Werner Jaeger 1925 erstmals herausgegebene „Zeitschrift für Kunst und Kultur des Klassischen Altertums", an der Stenzel mit zahlreichen Aufsätzen regen Anteil nahm. Es geht um Stenzeis Abhandlung „Die Gefahren des modernen Denkens und der Humanismus" in „Die Antike" 4 (1928) 42-65. 2 Es handelt sich um Stenzeis „Zahl und Gestalt bei Piaton und Aristoteles" (Leipzig 1924). 2 Karte an Herrn und Frau Professor Stenzel, Kiel Feldstr. 1 Wilhelm von Möllendorff, Anatom, 1887-1944; Prom. Heidelberg 1911, Habil. Greifswald 1914, a.o. Prof. ebda. 1918, Freiburg i.Br. 1919, o. Prof. Hamburg 1922, Kiel 1923 und wiederum Freiburg i.Br. 1927, o. Prof. Zürich 1935. 2
Gemeint sind die Davoser Hochschulkurse im März 1929.
3 Der „Kurator" ist Kurt Riezler (1882-1955), Dr. phil., Studium der Philosophie und klassischen Altertumswissenschaft; 1928-1934 Professor in Frankfurt am Main, Vorsitzender des Kuratoriums der Universität Frankfurt und Honorarprofessor für Philosophie (1928-1933), 1938 Philosophie-Professor an der New School of Social Research in New York. Vgl. auch die biographischen Daten im Anhang (S. 103 f.) der von H.-G. Gadamer besorgten 2. Auflage von „Parmenides. Text, Übersetzung, Einführung und Interpretation von Kurt Riezler (Vittorio Klostermann: Frankfurt a.M. 1970). 4 Mit der „kleinen Gegengabe" ist das 1929 erschienene Buch „Kant und das Problem der Metaphysik" (GA 3, Frankfurt 1991, einzeln Frankfurt 61998) gemeint. 3 1
S. oben 2, Anm. 2 und 3.
2 Erich Frank (1883-1949), Nachfolger Heideggers in Marburg; vgl. auch U. Ludz in: Hannah Arendt/Martin Heidegger, Briefe 1925-1975 und andere Zeugnisse, aus den Nachlässen herausgegeben von Ursula Ludz (Frankfurt 21999) S. 281. 3 Das Thema des Salzburger Vortrags von Stenzel ist nicht in Erfahrung zu bringen.
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4 Der Brief trägt den Absendestempel des Phil. Seminars der Universität Freiburg 1 Gemeint ist Stenzeis „Metaphysik des Altertums", erschienen München Berlin 1931. 2 Es handelt sich entweder um Gertrud Kuznitzki, Naturerlebnis und Wirklichkeitsbewußtsein, Breslau: Trewendt u. Granier 1919 oder um das Buch „Die Seinssymbolik des Schönen und die Kunst" derselben Verfasserin, das zwar erst 1932 in Berlin (Junker u. Dünnhaupt) erschien, jedoch Heidegger im Manuskript zugekommenen sein könnte. Möglicherweise wollte Stenzel Heidegger um ein positives Gutachten für die geplante Veröffentlichung bitten. 3 „Was ist Metaphysik?", Antrittsvorlesung, gehalten am 24. 7. 1929 in der Aula der Universität Freiburg i.Br., erschienen 1929 bei Friedrich Cohen (Bonn); abgedruckt in: „Wegmarken" (Frankfurt 1996) 103-122. 4 Gemeint ist Schadewaldts Aufsatz „Sophokles, Aias und Antigone" in: Neue Wege zur Antike IV (1929) 59-117. 5 Bei der ,Metaphysikvorlesung' handelt es sich um: „Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit" (Wintersemester 1929/30) (GA 29/30, Frankfurt 21992). 5 1
S. oben 4, Anm. 1.
2 Husserls Reise vom 15. bis zum 28. Dezember 1929 nach Kiel (s. HusserlChronik 355).
6 1
Die von Heidegger abgelehnte Berufung nach Berlin. 7
1 Es handelt sich entweder um die Rezension von: Kurt Singer, Piaton der Gründer (München (1927) in: D(eutsche) L(iteratur)z(eitung) III. Folge 1. Jahrgang (=51) (1930) Heft 16, Sp. 737-742 oder von G. Misch, Der Weg in die Philosophie. Eine philosophische Fibel (Leipzig 1926) ibid. 1308-1313. 2
S. 6 Anm. 1.
3 Gemeint ist „Vom Wesen der Wahrheit": Herbst und Winter 1930 in Bremen, Marburg und Freiburg gehaltener Vortrag; die mehrfach überarbeitete Fassung abgedruckt in: Wegmarken ^Frankfurt 1996) 177-202.
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4 Das Ehepaar Hermann und Hilde Stephani hielt sich mit drei Kindern vom 14. Sept. bis 15. Okt. 1930 in der Hütte Heideggers auf. Hermann Stephani (18771960) war Musikwissenschaftler, Promotion München 1902, Dirigent 1903-1920 in Sonderburg, Flensburg und Eisleben, Universitätsmusikdirektor und Priv.-Doz. Marburg 1921, Direktor des musikwissenschaftlichen Seminars ebda 1925, a.o. Prof. ebda 1927-1946. 5
S. unten 8, Anm. 1.
6 Es handelt sich um die Vorlesung „Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie" vom Sommersemester 1930 (GA 31, Frankfurt 2 1994). 7 Der „Minister" ist der Kultusminister Adolf (Berthold Ludwig) Grimme (1889-1963) vom preußischen Kultusministerium, ein ehemaliger Schüler E. Husserls (s. Husserl-Chronik S. 359). 8 1 Im Wintersemester 1930/31 hielt Heidegger eine Vorlesung „Hegels Phänomenologie des Geistes" (veröffentlicht in GA 32, 1980), ein Seminar für Anfänger „Augustinus, Confessiones X I (de tempore)" und ein Seminar für Fortgeschrittene „Piatons Parmenides (mit Schadewaldt)". 2 Georg Misch (1878-1965) wurde 1917 Husserls Nachfolger in Göttingen. Gemeint ist sein Buch „Lebensphilosophie und Phänomenologie. Eine Auseinandersetzung der Diltheyschen Richtung mit Heidegger und Husserl" ( 2 Leipzig 1931). 3 Das Thema der Oxforder Vorträge Stenzeis ist nicht in Erfahrung zu bringen. 4
S. oben 4, Anm. 1. 9
1
Gemeint ist Stenzeis Berufung nach Basel, die dieser ablehnte.
2
Vgl. „Sein und Zeit" § 82.
3 Gemeint ist der von Helmuth Plessner (1892-1985) 1925-1929 herausgegebene „Philosophische Anzeiger". 4 Erich Rothacker (1888-1965), Promotion Tübingen 1921, nach seiner Habilitation in Heidelberg (1920) a.o. Professor daselbst für Philosophie (1924), seit 1928 o. Professor für Philosophie und Psychologie in Bonn; Herausgeber (mit P. Kluckhohn) der „Deutschen Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte" (Bd. 1, 1923 ff.).
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10 Maschinenschriftlicher Brief; nur „Ihr Heidegger" handschriftlich. 1 Es geht um die 2. Auflage von Stenzeis „Studien zur Entwicklung der Platonischen Dialektik von Sokrates zu Aristoteles" (Leipzig 1917, 21931) 2 Die Vorlesung im Wintersemester 1931/32 ist „Vom Wesen der Wahrheit. Zu Piatons Höhlengleichnis und Theätet" (GA 34, Frankfurt 21997). 3 Es handelt sich um Nicolai Hartmann, „Das Problem der Realitätsgegebenheit" (Philosophische Vorträge der Kantgesellschaft, Heft 32), Berlin: Pan-Verlagsgesellschaft 1931 (Vortrag, gehalten am 28. Mai 1931 als Hauptreferat auf der Generalversammlung der Kant-Gesellschaft vom 27. - 29. Mai 1931 in Halle a.d.S.). Nicolai Hartmann (1882-1950) promovierte 1907 in Marburg bei H. Cohen und P. Natorp, Habil. ebda 1909, a.o. Prof. 1910, o. Prof. 1920 als Nachfolger Natorps, o. Prof. Köln 1925, Berlin 1931, Göttingen 1945.
11 1 Gemeint ist Stenzeis „Philosophie der Sprache" (München - Berlin 1934); zuvor hatte Stenzel bereits „Die Bedeutung der Sprachphilosophie W. v. Humboldts für die Probleme des Humanismus", Logos X (Tübingen 1922), 261-274 und „Sinn, Bedeutung, Begriff. Ein Beitrag zur Frage der Sprachmethode", Jb. f. Phil. I, 160-201 veröffentlicht. 2 Die von W. Bousset und W. Heitmüller begründete und ab 1929 in Neuer Folge von R. Bultmann und H. v. Soden herausgegebene „Theologische Rundschau". 3 Bei der von Heidegger „Zeitschrift für deutsche Philosophie" genannten Zeitschrift handelt es sich um die „Blätter für deutsche Philosophie. Zeitschrift der Deutschen Philosophischen Gesellschaft. Berlin: Junker u. Dünnhaupt, Jahrg. 1, 1927/28 bis Jahrg. 18, 1944. 4 Erich Weniger (1894-1961), Dr. phil., habil. Göttingen 1926, 1928 Professor an der Pädagogischen Akademie Kiel, 1929 an der Universität Kiel, 1930 Direktor der Pädagogischen Akademie Altona, 1932 in Frankfurt a.M., 1945 Direktor der Pädagogischen Akademie Göttingen, 1948 o. Prof. Göttingen.
12 Ansichtskarte vom Feldbergturm mit Turmhotel und Blick auf den Belchen, von Stenzel und Heidegger an Frau Dr. B. Stenzel vom 28.9.1932.
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Nachwort des Herausgebers Die vorliegenden Briefe Martin Heideggers an Julius Stenzel wurden von mir nach einer von Frau Jutta Heidegger erstellten maschinenschriftlichen Vorlage neu kollationiert und umgeschrieben. Wenige kleine Verschreibungen wurden stillschweigend korrigiert. Die Interpunktion wurde normalisiert. Unübliche Abkürzungen sind aufgelöst. Herrn Dr. Hermann Heidegger danke ich herzlich für die Korrektur der Satzvorlage und für die Erlaubnis zum Abdruck. Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm v. Herrmann und Herrn Dr. Hartmut Tietjen bin ich für zahlreiche Hinweise und Nachprüfungen zu Dank verpflichtet.
Julius Stenzel Heideggers Briefpartner Julius Stenzel war einer der bedeutendsten Forscher seiner Generation auf dem Gebiet der antiken Philosophie. Geboren am 9. Februar 1883 in Breslau, studierte er an der dortigen Universität Archäologie, Geschichte, Klassische Philologie und Philosophie u. a. bei Felix Jacoby, Eduard Norden und Paul Wendland. 1908 promovierte er bei Wendland mit der Dissertation „De ratione quae inter carminum epicorum prooemia et hymnorum Graecorum poesin intercedere videatur" (Breslau 1908). Zunächst war Stenzel Lehrer am JohannesGymnasium in Breslau. Nachdem er mit seinem Werk „Studien zur Entwicklung der platonischen Dialektik von Sokrates zu Aristoteles" (Breslau 1917, 2. stark erweiterte Auflage Leipzig 1931) bekannt geworden war („The book has long attained a position which amply justifies a reissue" war das Urteil des Rezensenten [J. L. Stocks] der Zweitauflage in: Gnomon 9 [1933] 191; „die bedeutendsten neueren Untersuchungen über die platonische Dialektik" nannte sie H.-G. Gadamer in einer Sammelrezension neuerer Platonliteratur in Logos 22 [1933] 63ff.; Wiederabdruck in H.-G. Gadamer, Gesammelte Werke, Bd. 5 [Tübingen 1985] 21 Iff.), konnte er sich 1920 in Breslau mit der Arbeit „Zum Problem der Philosophiegeschichte. Ein methodologischer Versuch" (Göttingen 1921) habilitieren und war zunächst Dozent an der dortigen Universität. Von 1925 bis 1933 war er Professor an der Universität Kiel. 1933 wurde er an die Universität Halle berufen, wo er bis zu seinem Tode am 26. November 1935 lehrte. Einen Ruf nach Basel (s. oben 9, Anm. 1) lehnte er ab. Ein sehr persönlich gehaltener Nachruf von Werner Jaeger auf ihn erschien in: Gnomon 12 (1936) 108-112. Julius Stenzel trat besonders als Piatonforscher hervor. Seine bereits erwähnte Monographie „Studien zur Entwicklung der platonischen Dialektik von Sokrates zu Aristoteles" sowie „Zahl und Gestalt bei Piaton und Aristoteles" (Leipzig 1924, 2 1933) und „Piaton der Erzieher" (Leipzig 1928; vgl. die Rezension Gadamers in der oben genannten Sammelrezension S. 215 ff.) dürfen als klassische Standardwerke der modernen Piatondeutung angesehen werden. Daneben stehen die beiden
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großen Artikel in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft „Sokrates" (Bd. III A, Sp. 811-890) und „Speusippos" (Bd. III B, Sp. 1636-1669). Hinzu kommen zahlreiche Aufsätze (in Auswahl zusammengestellt in: Julius Stenzel, Kleine Schriften zur griechischen Philosophie, Darmstadt 1956, mehrfach nachgedruckt) und Rezensionen (besonders in Gnomon II-IV, VIII und X); Titel wie „Literarische Form und philosophischer Gehalt des platonischen Dialoges", Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur (Breslau 1916), „Über den Zusammenhang des Dichterischen und Religiösen bei Piaton", in: Schlesische Jahrbücher für Geistes- und Naturwissenschaft II (Breslau 1924) 143-167, „Der Begriff der Erleuchtung bei Piaton" in: Die Antike 2 (1926) 235-257, „Das Problem der Willensfreiheit im Piatonismus" in: Die Antike 4 (1928) 293-313, „Wissenschaft und Bildung im platonischen Erziehungsbegriff 4 in: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts (Berlin 1930) 89ff., „Zum Aufbau des platonischen Dialoges" in: Festschrift für K. Joel (Basel 1934) 240ff., „Piatonismus einst und jetzt" in: Festschrift für H. Zangger (Zürich 1934) 1025 ff. stehen für die Spannweite und die Schwerpunkte seiner Arbeit an Piaton und dem Piatonismus als dem Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses (Werner Jaeger nannte ihn in seinem oben erwähnten Nachruf eine „anima naturaliter platonica"). Unter kritischer Bezugnahme auf die Piatondeutung des Marburger Neukantianismus (besonders des Piatonbuches von P. Natorp „Piatos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus", Leipzig 1903) hat Stenzel in einer gerade für seine Zeit einzigartigen Weise philologisch-sprachliche Auslegung des Textes mit philosophischer Durchdringung in bis heute vorbildlicher Weise verbunden und so Wesentliches zu einem neuen Piatonbild beigetragen (vgl. die schöne Würdigung von K. Gaiser „Das Platon-Bild Stenzeis und seine wissenschaftliche Bedeutung" in der Einleitung [S. Vff.] zum Nachdruck [Hamburg 1961] von Stenzeis „Piaton der Erzieher" und W. Jaegers Würdigung in: Humanistische Reden und Vorträge [ 2 Berlin 1960] 134ff.). Insbesondere hat er, zusammen mit Forschern wie etwa L. Robin, auch der indirekten Piatontradition neue Aufmerksamkeit geschenkt (besonders in „Zahl und Gestalt") und so das Platonbild der Tübinger Schule vorbereiten helfen (s. H. Krämer, Platone e i fondamenti della metafisica [ 5 Milano 1994] 95). Stenzel hat jedoch auch zu allgemeinen Fragen der modernen Philosophie gearbeitet, wie dies nicht nur seine Habilitationsschrift oder etwa der in Berlin 1934 als 33. Band der von der Kant-Gesellschaft veröffentlichten „Philosophischen Vorträge" herausgegebene Vortrag (vom 6.12.1933 in der Aula der Friedrich-Wilhelms-Universität vor der Berliner Ortsgruppe der Kant-Gesellschaft) „Dilthey und die deutsche Philosophie der Gegenwart", sondern insbesondere auch seine oben (11, Anm. 1) erwähnten Arbeiten zur Sprachphilosophie bezeugen. Ihren Höhepunkt fand Stenzeis Beschäftigung mit der antiken Philosophie mit seinem trotz allen Erkenntnisfortschritts bis heute nicht überholten umfassenden Werk zur „Metaphysik des Altertums" (s. oben 4, Anm. 1), das J. L. Stocks in seiner Rezension in: Gnomon 9 (1933) 189 (vgl. auch die Rezension Gadamers in: Kant-Stu-
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dien 37 [1929] 160ff.; Wiederabdruck in: Gesammelte Schriften 5, S. 294ff.) mit folgenden Worten charakterisierte, die mutatis mutandis die besondere Qualität von Stenzeis Forschungen zur antiken Philosophie insgesamt treffend beschreiben: „... he (sc. Stenzel) has produced a work which should give pleasure and instruction to a wide circle of readers. More than that, by severe concentration on essentials, by strict subordination of biographical, historical, and linguistic side-issues, by faithful adherence to a well thought out plan, he has succeeded in producing a work which has unity and philosophical significance to a degree unusual in historical studies of the Greek philosophical tradition". Hans-Christian Günther
II. Articles
Besinnung als seinsgeschichtliches Denken Friedrich-Wilhelm von Herrmann Parvis Emad zu seinem 65. Geburtstag freundschaftlich zugedacht
I. Die Namen für das seinsgeschichtliche Denken Viele Namen trägt das seinsgeschichtliche Denken. Erstmals tritt es in die Öffentlichkeit unter dem Namen Beiträge zur Philosophie. Scheint auch dieser Name „blaß", „gewöhnlich" und „nichtssagend"1 zu sein, so löst sich dieser Schein auf, wenn wir beachten, daß es sich um Beiträge nicht zur bisherigen, sondern zur künftigen Philosophie handelt. Deren Sache des Denkens ist aber nicht mehr das Wesen des Seienden als solchen, sondern das Wesen des Seyns als solchen, die Wahrheit des Seyns. Wesen heißt hier nicht mehr Wesenheit, essentia, sondern Wesung. Die Wahrheit des Seyns west als Ereignis, als er-eignender Zuwurf für den daseinsmäßigen er-eigneten Entwurf. Beiträge zur Philosophie sind Beiträge zur künftigen Philosophie von der Wesung der Wahrheit des Seyns als Ereignis. Deshalb lautet der zweite, der wesentliche und gemäße Name für das seinsgeschichtliche Denken: Vom Ereignis. Die künftige Philosophie handelt nicht „über" das Ereignis, sondern „vom" Ereignis, weil sie als Denken der Wesung der Wahrheit des Seyns „vom Ereignis er-eignet" 2 ist. Was sie von der Wesung der Wahrheit des Seyns denkt, ist ihr vom er-eignenden Zuwurf als das Zudenkende vorgegeben. In dieser Vor-gabe beruht seine hermeneutische Vor-habe, die zugleich als das sich Zeigende das Phänomen der hermeneutischen Phänomenologie ist. Das seinsgeschichtliche Denken aber vollzieht sich, wie das fundamentalontologische, nicht als Reflexion, sondern als hermeneutischer er-eigneter Entwurf. Der denkende Entwurf eröffnet, was ihm vom ereignenden Zuwurf jeweils zugeworfen ist. Die volle Wesung der Wahrheit des Seyns als Ereignis ist kein Gegenüber für das Denken, vielmehr gehört das entwerfende Denken selbst zur vollen Wesung. Das
1 Beiträge zur Philosophie (GA 65), p. 3. 2 ibid.
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entwerfende Denken gehört selbst zu seinem Gedachten. Daher ist das seinsgeschichtliche Denken „ein denkerisch-sagendes Zugehören zum Seyn"3. Das künftige Denken vom Ereignis steht zugleich unter dem Namen der Geschichte des Seyns, sofern die Wesung der Wahrheit des Seyns dessen Geschichtlichkeit ist: „,Die Geschichte des Seyns* ist der Name für den Versuch, die Wahrheit des Seyns als Ereignis in das Wort des Denkens zurückzulegen" 4. Im 12. Abschnitt „Ereignis und Geschichte" aus den „Beiträgen" heißt es von der Geschichtlichkeit des Seyns: „Das Ereignis ist die ursprüngliche Geschichte selbst, womit angedeutet sein könnte, daß hier überhaupt das Wesen des Seyns geschichtlich' begriffen wird" 5 . Von hier aus erhält das künftige Denken seinen Namen als seinsgeschichtliches Denken. Die Geschichtlichkeit der Wahrheit des Seyns beruht im jeweiligen Wie des ereignenden Zuwurfs für das jeweilige Wie des ereigneten Entwurfs. Deshalb kann das seinsgeschichtliche Denken auch das ereignisgeschichtliche Denken genannt werden. Weil die Geschichte des Seyns die Geschichte des Ersten und des Anderen Anfangs 6 ist, d. h. das Geschehen der erstanfänglichen und der andersanfänglichen Wesung des Seyns, erhält das seinsgeschichtliche Denken auch den Namen des anfänglichen Denkens 7. Als der Erste Anfang kommt die Wahrheit des Seyns nicht als Wahrheit des Seyns, sondern nur als ihr verhüllter Vorschein 8 ins Offene: als φύσις und άλήθεια, d.h. als das Aufgehen des Seienden im Ganzen in dessen Unverborgenheit 9. Als der Andere Anfang kommt die Wahrheit des Seyns als Ereignis in ihr Offenes 10. Das künftige, das seins- oder ereignisgeschichtliche, das anfängliche Denken steht aber auch unter dem Namen der Besinnung. Daß Besinnung hier nicht die geläufige Bedeutung von Betrachtung, Überlegung, Nachdenken hat, wird ganz deutlich, wenn im 16. Abschnitt „Philosophie" aus den „Beiträgen" Besinnung bestimmt wird als „Fragen nach dem Sinn, d.h. (vgl. ,Sein und Zeit 4 ) nach der Wahrheit des Seyns"11. Ebenso wenig besagt das besinnliche Denken soviel wie ein beschauliches Denken, sondern jenes Denken, dessen Zudenkendes die Wahrheit des Seyns als Ereignis und dessen Vollzugscharakter das hermeneutische ereignete Entwerfen ist. Im 17. Abschnitt „Die Notwendigkeit der Philosophie" heißt es: „Die Philosophie [ist] die erste und äußerste Besinnung auf die Wahrheit des Seyns und das Seyn der Wahrheit" 12 . 3 ibid. Die Geschichte des Seyns (GA 69), p. 5. 5 GA 65, p. 32 6 GA 69, p. 27. ι 1. c., p. 87. 8 1. c., p. 7. 9 1. c., p. 27. 10 ibid. n GA 65, p. 43. 4
Besinnung als seinsgeschichtliches Denken
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In diesem fest umrissenen Sinne ist der Titel jener Abhandlung zu nehmen, die überschrieben ist „Besinnung". Diese Abhandlung steht in nächster Nähe zu den „Beiträgen zur Philosophie". Im 1. Abschnitt „,Die Geschichte des Seyns4 ist der Name ..." aus der Abhandlung „Die Geschichte des Seyns" heißt es von den „Beiträgen" und der „Besinnung": „Der einfache gewachsene Zusammenschluß der ,Beiträge' und der ,Besinnung4; die »Beiträge4 sind noch Rahmen, aber kein Gefüge, die ,Besinnung4 ist eine Mitte, jedoch nicht Quelle 4413 . Das Gemeinsame der „Beiträge 44 und der „Besinnung44 ist der „einfache gewachsene Zusammenschluß44 der Gedankenzüge, in denen die Wahrheit des Seyns in ihrer geschichtlichen Wesung als Ereignis denkend entfaltet wird. Sie unterscheiden sich aber dadurch, daß die „Beiträge 44 die aus sechs Fügungen gefügte Fuge des seinsgeschichtlichen Denkens durchgestalten, während die „Besinnung44 innerhalb dieser Fuge die Gedankenzüge der Fügungen ausfaltet. Aber die „Beiträge 44 sind, obwohl sie allein die Fuge der sechs Fügungen durchgestalten, „noch Rahmen44, d.h. nur der „Aufriß", und noch nicht das „Gefüge 44, d.h. noch nicht der „Grundriß" 14 des seinsgeschichtlichen Denkens, der dem künftigen „Werk 4415 vorbehalten ist. Indem die „Besinnung44 die in den „Beiträgen 44 vorgezeichneten Gedankenzüge ausfaltet, ist sie „eine Mitte44. Aber als diese ist die „Besinnung44 „nicht Quelle44, ebensowenig wie die „Beiträge 44 schon das Gefüge des künftigen Werkes sind. Sofern aber die „Besinnung44 eine „Mitte 44 ist, indem sie sich in die Mitte des seinsgeschichtlichen Denkens begibt, muß sie im ganzen und im einzelnen ihrer Abschnitte aus der Blickbahn der „Beiträge 44 und deren Aufriß durchdacht werden. Ohne sichere Aneignung der sechs Fügungen und ihres je eigenen Ereignischarakters bleiben die Abschnitte der „Besinnung44 unzugänglich. Dasselbe gilt von den anderen Abhandlungen, die im Gefolge der „Beiträge 44 stehen.
II. Besinnung als die Besinnung der Philosophie auf sich selbst Der III. Teil aus der „Besinnung44, „Die Philosophie44 überschrieben, bestimmt die künftige Philosophie als Besinnung auf sich selbst sowie als Selbstbesinnung in der geschichtlichen Auseinandersetzung. Im 13. Abschnitt „Die Philosophie44 wird die Besinnung der künftigen Philosophie nach sechs Hinsichten auseinandergelegt, die im folgenden durchdacht werden sollen.
12 1. c., p. 45. 13 GA 69, p. 5. 14 GA 65, p. 6. 15 Besinnung (GA 66) p. 427.
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1. D i e B e s i n n u n g d e r P h i l o s o p h i e a u f s i c h s e l b s t : d i e B e s i n n u n g a u f das i n i h r z u E r d e n k e n d e i m A u s g a n g v o n d e r B e s i n n u n g a u f das H e u t i g e „Das Erste und Längste, was die Philosophie künftig zu wissen hat, ist, daß das Seyn aus seiner Wahrheit zu gründen sei" 16 . Das Denken der Wahrheit des Seyns als Ereignis heißt für die künftige Philosophie, das Seyn aus seiner, d. h. aus seiner ihm eigenen Wahrheit, Un Verborgenheit gründen. Darin liegt: Bislang ist das Seyn noch nicht aus seiner Wahrheit gegründet. Denn in der geschichtlichen Gegenwart hat sich die Wahrheit des Seyns in der Weise der Seinsverlassenheit des Seienden und der Seinsvergessenheit des Menschen in äußerster Weise verweigert. Das Erste, was die künftige Philosophie zu wissen hat, ist zugleich ihr Längstes, weil die Gründung des Seyns aus seiner Wahrheit im Zeitalter der äußersten Gründungslosigkeit ein Längstes für die Philosophie bedeutet. Wenn die Philosophie um diese ihre erste und längste Gründungsaufgabe weiß, hält sie sich in der „Besinnung [...] auf sich selbst" 17 . Eine solche Besinnung auf sich selbst ist keine nur vorangehende Sicherung ihres eigenen Begriffs, um erst im Anschluß daran zu ihrer eigentlichen Aufgabe zu kommen. Ebensowenig ist die Besinnung der Philosophie auf sich selbst eine nachträgliche Reflexion auf sich selbst, nachdem sie ihre Aufgabe zu Ende gebracht hat. Vielmehr ist die künftige Philosophie als Besinnung auf sich selbst die Besinnung „auf das in ihr zu Erdenkende" 18 und umgekehrt, als Besinnung auf das in ihr zu Erdenkende, als Vollzug dieses Erdenkens, ist sie in einem zumal Besinnung auf sich selbst. Das Denken der künftigen Philosophie ist ein Er-denken, weil es von seinem Zudenkenden er-eignet ist. Das zu Erdenkende ist die Wahrheit des Seyns als verweigerte und daher ungegründete, verweigert und ungegründet in der Seinsverlassenheit. Sofern die Besinnung der Philosophie auf sich selbst Besinnung auf ihr Erdenken der allererst zu gründenden, weil im geschichtlichen Zeitalter der Seinsverlassenheit ungegründeten Wahrheit des Seyns ist, muß sie „eine Besinnung auf ihre ,Zeit' sein" 19 . Ihre „Zeit" ist die geschichtliche Zeit der Seinsverlassenheit. Sie ist das geschichtliche „Heutige" 20 . Seinsverlassenheit besagt nicht gänzliches Abgeschnittensein vom Sein, wohl aber Verlassenheit von der zur vollen Wesung der Wahrheit des Seyns gehörenden Bergung dieser. Als das bergungslose Seiende ist es seiend nur in der Weise der Vorgestelltheit, der Gegenständlichkeit, der Hergestelltheit und des bestellbaren Bestandes. Die Besinnung der künftigen Philosophie auf das seinsgeschichtliche Heutige muß aus diesem die „Wesenswinke des seynsgeschichtlichen Wesens des Zeitalters der Neuzeit" 21 erfahren. In den Wesenswin16
1. c., p. 46.
17 ibid. ι» ibid. 19 ibid. 20 ibid.
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ken winkt sich die geschichtliche Wesung der sich verweigernden Wahrheit des Seyns dem Denken zu, das das Zugewunkene als Seinsverlassenheit des Seienden und Seinsvergessenheit des neuzeitlichen Menschen entwerfend eröffnet. Diese Besinnung auf das geschichtlich Heutige, auf die Wesenswinke der seinsgeschichtlichen Wesung der Neuzeit, dient „einzig dem Anklang des Seins selbst" 22 . Der Anklang ist aber der Name für die erste der sechs Fügungen aus den „Beiträgen zur Philosophie". Damit wird deutlich, daß der von uns bisher nachgedachte Gedankengang aus dem 13. Abschnitt der „Besinnung" seinen Fugenort im Anklang hat. Ohne Kenntnis der „Beiträge" bliebe hier der Hinweis auf den Anklang in seiner eigentlichen Tragweite unverstanden. Das Gründen des Seyns in seiner Wahrheit hat seinen Fugenort ebenfalls in einer der Fügungen, in der vierten Fügung, die den Namen der Gründung trägt. Um das Seyn in seiner Wahrheit gründen zu können, muß das Denken zuerst dessen gegenwärtige geschichtliche Wesung, die Seinsverlassenheit und Seinsvergessenheit, bedenken, damit aus dieser die Wahrheit des Seyns als sich verweigernde erstmals erfahren wird. Im Anklang des Seins selbst klingt das sich verweigernde Sein an „als Machenschaft", in der es „das Seiende im Ganzen seinem eigenen Gemächte und Fortriß als ,Leben4 preisgegeben hat 4423 . Machenschaft, ein Leitwort in der Fügung des Anklangs, meint hier nicht eine üble Handlungsweise des Menschen, sondern nennt eine geschichtliche Art und Weise der Wesung des Seins, dergemäß das Sein des Seienden am Leitfaden des Machens, d.h. des Herstellens und Vorstellens, bestimmt wird. In der neuzeitlichen Machenschaft ist das Sein des Seienden die Vorgestelltheit des vorgestellten Objekts in dessen Rückbezug auf das vorstellende Subjekt. Dort, wo das Seiende seine Seiendheit aus dem rechnenden Denken der neuzeitlich-mathematischen Naturwissenschaft und modernen Technik empfängt, waltet die äußerste Seinsverlassenheit des Seienden. Wird diese erfahren, dann zeigt sie sich als Not. Solange aber die Seinsverlassenheit und korrelativ die Seinsvergessenheit des Menschen nicht erfahren wird, herrscht „die äußerste Not44. Diese ist die Not nicht nur der Seinsverlassenheit, sondern die Not „der verhüllten Notlosigkeit" 24 . Die scheinbare Notlosigkeit, zu deren Wesen es gehört, selbst noch verhüllt zu bleiben, ist deshalb die äußerste Not, weil sie die Not der Seinsverlassenheit nicht erfahren läßt. Nur wenn die Seinsverlassenheit als solche und d. h. als Not erfahren wird, waltet die seinsgeschichtliche Möglichkeit einer Wendung dieser Not. Aber diese Not kann nur gewendet werden, wenn sie zuvor erfahren ist. Dennoch läßt sich sagen, daß auch die äußerste Not, die verhüllte Notlosigkeit, die seinsgeschichtliche „Ent-scheidung vorbereitet 4425. Es ist zunächst die Ent21 1. c., 22 ibid. 23 ibid. 24 ibid.
p.
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Scheidung zwischen der unerfahrenen und der erfahrenen Seinsverlassenheit. Sie ist keine menschliche, sondern eine seinsgeschichtliche Ent-scheidung, weil es bei der seinsgeschichtlich waltenden Seinsverlassenheit liegt, ob sie sich aus ihrer Verhülltheit zeigt oder nicht. Auch Ent-scheidung ist ein seinsgeschichtlicher Leitbegriff. Zeigt sich die Seinsverlassenheit als solche, dann wandelt sich die äußerste Not der Notlosigkeit in die erfahrene Not der Seinsverlassenheit, in der die Wahrheit des Seyns als sich verweigernde erstmals anklingt. Die seinsgeschichtliche Ent-scheidung, in der aus der äußersten Not der Notlosigkeit die Not der Seinsverlassenheit erfahren wird, ist die Weise, wie sich die machenschaftliche Wesungsweise der Wahrheit des Seyns als solche dem denkenden Entwurf zuwirft. In diesem Sinne heißt es: „Von dieser Ent-scheidung - vom Seyn selbst - ist die Philosophie [...] als Erdenken des Seyns er-eignet" 26. Die seinsgeschichtliche Ent-scheidung geschieht als er-eignender Zuwurf, dem das so er-eignete Denken entspricht, indem es das Zugeworfene, die sich verweigernde Wesungsweise der Wahrheit des Seyns, entwerfend eröffnet. Solches denkende Eröffnen geschieht in der Fügung des Anklangs. In dieser vollbringt sich das Erdenken des Seyns als die denkende Eröffnung der Seinsverlassenheit und Seinsvergessenheit als solcher. Dieser denkende Entwurf dient der Gründung der Wahrheit des Seyns. Doch solche Gründung ist nur möglich im denkenden Durchgang durch den Anklang. Die Philosophie als das Erdenken des Seyns aus der denkend eröffneten Seinsverlassenheit „gehört selbst in den Ab-grund des Seyns"27. Auch Ab-grund ist ein Leitwort des seynsgeschichtlichen Denkens, das seinen Fugenort vor allem in der Fügung der Gründung hat. Das Wort Ab-grund gehört zum Grund und beide gehören in die Wahrheit für das Seyn. Jegliche Gründung geschieht aus dem Ab-grund. Ab-grund ist wie Grund eine Wesungsweise der Wahrheit als der Unverborgenheit. Ab-grund und Grund sind mit der Wahrheit geschichtlichen Wesens. Ab-grund besagt das Wegbleiben des gründenden Grundes. Aber dieses Wegbleiben, diese Verweigerung, dieses Versagen wandelt sich geschichtlich. So ist die Seinsverlassenheit des Seienden eine bestimmte geschichtliche Wesungsweise des Ab-grundes, in der die Wahrheit des Seyns als gründender Grund und mit diesem deren Bergung geschichtlich verweigert wird. Wenn aber die Philosophie den so geschichtlich waltenden Ab-grund in der Weise der Seinsverlassenheit erfährt, dann gehört das Denken, das diesen Ab-grund denkt, in diesen Ab-grund. Denn das Erdenken des Ab-grundes ist aus diesem Wegbleiben des Grundes ereignet. Das Erdenken des Ab-grundes gehört selbst zur geschichtlichen Wesungsweise des sich bekundenden Ab-grundes.
25 ibid. 26 ibid. 27 ibid.
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Doch mit der seinsgeschichtlichen Ent-scheidung, daß sich die Seinsverlassenheit als Ab-grund in die Entwerfbarkeit des Denkens begeben hat, ist nicht schon ent-schieden, daß die ab-gründige Wahrheit auch schon gegründet werden kann. Dazu bedarf es erst noch der Ent-scheidung zur Gründung. Diese Ent-scheidung steht auf dem Spiel. Es ist die Ent-scheidung »„des4 Seyns"28. Dieser betonte Genitiv, der seinsgeschichtliche Genitiv, besagt, daß die Ent-scheidung aus dem ereignenden Seyn für den ereigneten Entwurf des Seyns kommt, der als solcher dann ein gründender bzw. er-gründender Entwurf ist. Es ist die seinsgeschichtliche Ent-scheidung „zwischen dem Sein und dem Seienden" 29 , d. h. zwischen der offenen gründenden Wesung der Wahrheit des Seyns, dessen Eigentum das Seiende wird, oder der anhaltenden Übermacht des seinsverlassenen Seienden, das sich selbst gehört. Wenn diese Ent-scheidung auf dem Spiel steht, dann „fordert das Seyn zur Gründung seiner Wahrheit und daß es überhaupt noch und wieder im Offenen wese, vom Menschentum das Denken des Seyns"30. Im 187. Abschnitt der »Beiträge« „Gründung" wird die Gründung der Wahrheit des Seyns in ihrem gegenschwingenden, kehrigen Walten entfaltet. Von der Gründung heißt es, sie sei „zweideutig". Diese Zweideutigkeit nennt die beiden zusammengehörenden Weisen des Gründens. Die erste Weise besagt: „Der Grund gründet, west als Grund" 31 . Die Wahrheit des Seyns waltet als gründender Grund im ereignendengründenden Zuwurf. Die zweite Weise des Gründens besagt: „Dieser gründende Grund wird als solcher erreicht und übernommen" 32. Der im ereignenden Zuwurf gründende Grund wird vom ereigneten Entwurf erreicht und übernommen. Das daseinsmäßige Erreichen und Übernehmen geschieht als das daseinsmäßige Gründen. Sofern dieses ein aus dem gründenden Grund er-eignetes Gründen ist, wird es das Er-griinden genannt. Das Er-gründen läßt den gründenden Grund wesen und baut auf diesen Grund, indem es das Zubauende auf den tragenden Grund bringt 33 . Das er-gründende Wesenlassen der als gründender Grund waltenden Wahrheit geschieht im daseinsmäßigen Entwurf und dessen Eröffnen. Das er-gründende Bauen aber ist die Vollzugsweise des daseinsmäßigen Entbergens des Seienden. Als bauendes Entbergen ist es ein er-griindendes und als dieses ein bergendes Entbergen. In seinem Bergen läßt es die zugeworfen-entworfene gründende Wahrheit im Seienden sich bergen. Das erste Er-gründen geschieht als das er-gründende Denken des Seyns, das sich als wesenlassender und bauender Entwurf vollzieht. Damit aus der Gründung
28 ibid. 29 ibid. 30 ibid.
GA 65, p. 307. 32 ibid. 33 ibid.
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der Wahrheit des Seyns das seinsverlassene Seiende im Ganzen seiner Bereiche die Bergung der Wahrheit des Seyns wieder empfange, bedarf es zuvor des er-gründenden Denkens des Seyns. Die Philosophie muß, wenn die seinsgeschichtliche Ent-scheidung zwischen der Gründung und der Gründungslosigkeit der Wahrheit des Seyns auf dem Spiel steht, „in der Geschichte des Seins und für dieses erneut ein Anfang werden" 34 Der „erneute Anfang" ist gegenüber dem ersten Anfang der „andere" Anfang. Das Denken als Denken der Wahrheit des Seyns, der Verweigerung ihrer gründenden Wesung in der Seinsverlassenheit des Seienden und ihrer gründenden Wesung im Seienden aus der Bergung, gehört selbst in die Geschichte des Seyns als deren anderer Anfang. Die Philosophie muß für das Seyn erneut ein Anfang werden besagt, daß ihr Denken der Wahrheit des Seyns selbst zum Anfangen dieses Anfangs gehört, daß das Seyn in seiner offenen Wesung als Wahrheit des Seyns und gar als gründende nur anfangen kann, wenn dieses Anfangen in den Entwurf aufgenommen und mit-vollzogen wird. Ohne das entwerfende Denken geschieht kein neuer Anfang in der Wesung des Seyns. Damit die Philosophie erneut ein Anfang für die Wesung des Seyns werden kann, „bedarf sie der Ahnung des wesensgerechten Besitzes ihrer eigenen Notwendigkeit" 35 . Ihre eigene Notwendigkeit für das erneute Anfangen in der Wesung des Seyns muß der Philosophie zu einem „wesensgerechten", nicht nur angemaßten Besitz werden. Wie aber gelangt sie zu diesem Besitz? Die Philosophie „erringt" den wesensgerechten Besitz ihrer Notwendigkeit „allein durch eine Besinnung auf sich selbst" 36 . Die Philosophie ist nicht nur ein Denken der Wahrheit des Seyns, sondern in diesem Denken besinnt sie sich darauf, daß ihr Denken an der seinsgeschichtlichen Ent-scheidung des Wiederanfangens der Wesung, der gründenden Wesung, teilhat dergestalt, daß es ohne das Denken keine gründende Wesung der Wahrheit des Seyns gibt. Zwar liegt das Anfangen selbst nicht beim Denken, sondern im Seyn, aber damit das ereignende Anfangen zur vollen Wesung gelange, bedarf es des ereigneten Anfangens im Denken. Der Besinnungscharakter dieses Denkens betont, daß dieses sich in seiner notwendigen Teilhabe an einer gründenden Wesung der Wahrheit des Seyns versteht. 2. D i e B e s i n n u n g a l s das S i c h w a g e n i n d i e B e s t i m m u n g des i h r V o r a u s - g e s e t z t e n In der Teilhabe des Denkens an der Wesung der Wahrheit des Seyns beruht sein „//amZ/wflgscharakter" 37. In der Besinnung der Philosophie auf sich selbst, auf ihren für die Wesung der Wahrheit des Seyns notwendigen Handlungscharakter, „wagt sich die Philosophie in die Bestimmung des ihr Voraus-gesetzten, des in ihr 34
GA 66, p. 47.
35 ibid. 36 ibid. 37 ibid.
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und durch sie zu Er-denkenden und kraft dieses Denkens in das Da-sein zu Gründenden"38. Das dem Denken Voraus-gesetzte ist die ihm zugeworfene Wahrheit des Seyns. Im ereignenden Zuwurf ist ihm die Wahrheit des Seyns voraus-gesetzt, so, daß das Denken in sie versetzt, geworfen ist. Sie ist ihm voraus-gesetzt als solche, die von ihm zu er-denken und in das Da-sein zu gründen ist. Das sich auf sich selbst besinnende Denken wagt sich in die denkerische Bestimmung der ihm voraus-gesetzten und von ihm zu gründenden Wahrheit des Seyns. Das bestimmende Er-denken und Gründen hat seinen Handlungscharakter im Vollzug des Entwerfens, das ein eröffnendes und gründendes ist. Daß aber die Besinnung ein Sichwagen ist, deutet darauf hin, daß diesem Denken keine Gewißheit im Sinne der certitudo, sondern ein Wagnischarakter eignet, in dem sich die Freiheit des denkenden Entwerfens bekundet. Die Gründung der Wahrheit des Seyns im Da-sein geschieht, „um so dem Menschen das Geheimnis seines Wesens zu retten, nicht aber aufzulösen" 39. Das Geheimnis des Menschenwesens wird dort aufgelöst, wo sich das Selbst- und Weltverständnis aus dem Denken der neuzeitlichen Naturwissenschaft und modernen Technik bestimmt. Für dieses Denken verschließt sich das Da-sein als der Wesensbereich des Menschen. Alles, was der Mensch ist und sein kann, erklärt sich aus dem Kausalitätsdenken. Wird dagegen die Wahrheit des Seyns als das Da erfahren und gegründet, in das der Mensch mit seinem Sein (-sein) zu stehen kommt, so daß alles, was er ist und sein kann, sich aus seinem Innestehen in der Wahrheit des Seyns ergibt, dann gelangt der Mensch in sein geheimnisvolles Wesen. Geheimnisvoll ist sein Wesen deshalb, weil dieses nur ist, wie es ist, aus dem Da als der Wahrheit des Seyns, die als das Gewährende das Unverfügbare und so das Geheimnisvolle ist. Während das Denken der Wahrheit des Seyns das geheimnisvolle Wesen des Menschen bewahrt und hütet, löst das rechnende Denken des neuzeitlichen Selbst- und Weltverständnisses das Geheimnis des Menschenwesens auf. Das bestimmende Er-denken und Gründen der jeweils voraus-gesetzten Wahrheit des Seyns nimmt „die Anweisung zu seiner Weise des Denkens [...] aus dem zu Er-denkenden selbst" 40 . Insofern ist dies Denken ein er-eignetes Denken, ein Er-denken. Das zu er-denkende Seyn schenkt schon, bevor es erfragt ist, der Denkart die Weisung, sofern es schon das Fragen als ein Er-fragen ereignet. Nicht ist das erste die Frage und das zweite die Weisung, sondern umgekehrt, aus der Weisung entspringt das Fragen nach dem, was die Weisung gibt. Heidegger greift hier den antiken Spruch auf, daß nur durch das Gleiche das Gleiche in das Wissen gebracht werden könne 41 . Nur durch das Denken als das 38 ibid. 39 ibid. 40 4
1. c., p. 47 sq. 1 1. c., p. 48.
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dem Zudenkenden Gleiche kann das Seyn als das dem Denken Gleiche in das Wissen des Denkens gebracht werden. Inwiefern ist das Denken das dem Seyn Gleiche und das Seyn das dem Denken Gleiche? Die Antworten auf diese Fragen werden dadurch eingeleitet, daß das Seyn, sofern es das Ent-scheidende ist, als das dem Denken zuvor und stets Fragwürdigste genannt wird 4 2 . Aber das Fragwürdigste kann es für das Denken nur sein, sofern es sich schon in die Fragbarkeit ereignet hat, d. h. das Fragen nach ihm, den fragenden Entwurf, ausgelöst hat. Das Denken ist dann insofern das dem Seyn Gleiche, als es nur aus dem ereignenden Seyn zu ihm selbst als fragendes Denken kommt. Umgekehrt ist das Seyn selbst nur insofern das dem Denken Gleiche, als es in dem aus ihm ereigneten Denken zu seiner vollen Wesung gelangt. Das Seyn als das dem Denken Fragwürdigste heißt, daß es der Würdigung durch das von ihm selbst ereignete Fragen bedarf. Das fragende Denken ist aber nur dann das dem Seyn Gleiche, wenn es sich als höchste Würdigung vollzieht. Höchste Würdigung aber besagt, „das Große größer zu entwerfen, damit es in seiner Größe aufgehe" 43 . Das Seyn ist das an ihm selbst Große. Doch bedarf es in seiner Größe der Entfaltung, des Aufgehens in seiner Größe. Solches Aufgehen ist seine Wesung. Das fragende Denken würdigt das Seyn in seiner Größe in höchster Weise, wenn es das Große des Seyns größer entwirft, aber nicht aus eigener Mächtigkeit, sondern sofern es dazu aus dem Seyn ereignet ist. Das fragende Denken dient der Größe des Seyns, indem es dieses in seine ihm eigene Größe aufgehen läßt. Doch nur sofern das Denken selbst das Große ist, „besitzt es die Kraft zur Vergrößerung" 44. Nur wenn das Denken selbst das Große ist, vermag es das Große, das Seyn in seiner Größe, größer zu entwerfen. In diesem Sinne wurde der antike Spruch herangezogen, der jetzt in die Form gebracht werden kann: Durch das Große nur wird das Große in das Wissen gebracht. Nur das große Denken vermag das Seyn in seiner Größe vergrößernd zur vollen Entfaltung zu bringen, „wogegen das Kleine sein Wesen darin verrät, daß es immer verkleinert, wenn auch ,nur' so, daß es das Große jeweils als das Seine in Anspruch nimmt" 45 . Das kleine Denken verkleinert das Sein, indem es das Große, das Sein, nicht in seiner ihm eigenen Größe beläßt und es nicht in seiner ihm eigenen Größe entfaltet, sondern das Sein als das Seine in Anspruch nimmt. Das aber geschieht im neuzeitlichen Denken, wenn dieses das Sein als die Vorgestelltheit des von ihm vorgestellten Seienden denkt. Die Vorgestelltheit ist das Sein des Seienden aus der Subjektivität, ist die vom Subjekt gesetzte Objektivität. Dieses Denken dient nicht der Vergrößerung der Größe des Seins, sondern betreibt die Verkleinerung des Seins, sofern es sich zum Herren über das Sein und so auch des Seienden des Seins erhebt. Zwar hat dieses Denken der Subjektivität des Subjekts und der Objektivität des Objekts « ibid. 43 ibid. 44 ibid. 4 5 ibid.
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seine eigene Größe, die ihm von Heidegger auch dann nicht abgesprochen wird, wenn er das neuzeitliche Denken im Vergleich mit dem seinsgeschichtlichen Denken, dem Denken der Besinnung, das verkleinernde Denken nennt. Auch das Denken der neuzeitlichen Denker gehört zu den „großen Philosophien", von denen Heidegger im 93. Abschnitt der „Beiträge zur Philosophie" sagt: „Die großen Philosophien sind ragende Berge, unbestiegen und unbesteigbar. Aber sie gewähren dem Land sein Höchstes und weisen in sein Urgestein" 46. Das seinsgeschichtliche Denken ist die „reinste Vergrößerung" und als solche „die Würdigung, in der ein Würdigstes ganz ihm selbst gehört" 47 . Während das verkleinernde Denken das Sein nicht ihm selbst gehören läßt, sondern es als das Seine in der Gestalt der Vorgestelltheit in Anspruch nimmt, läßt das seinsgeschichtliche Denken, läßt die Besinnung im entwerfenden Vollzug der entfaltenden Vergrößerung das Seyn in seiner Größe ganz ihm selbst gehören. Zwar ist die Besinnung höchstes Handeln in der Weise des Entwurfs, aber dieser handelnde Entwurf nimmt nichts für sich selbst in Anspruch, sondern stellt sich nur in den Dienst, die dem Seyn eigene Größe von ihr selbst her zu entfalten. In dieser Kennzeichnung des seinsgeschichtlichen Denkens zeigt sich dessen hermeneutisch-phänomenologischer Grundzug. „Zu den Sachen selbst" heißt hier: zum Seyn selbst in seiner ihm eigenen Größe und diese an ihr selbst und von ihr selbst her entwerfend sehen lassen. Deshalb ist die seinsgeschichtliche „Erfragung des Fragwürdigsten keine eitle Zudringlichkeit, sondern die Vereinfachung alles Wissens auf das Einzige" 48 . Obwohl die Besinnung sich wagt in die Bestimmung der ihr voraus-gesetzten Wahrheit des Seyns, ist dieses Sichwagen keine Zudringlichkeit, sofern es als das Sichwagen aus dem Seyn für dessen Vergrößerung ereignet ist. Statt eitler Zudringlichkeit ist das seinsgeschichtliche Denken die Vereinfachung alles denkerischen Wissens auf das Seyn als das Einzige dieses Denkens. Die Würdigung des Seyns im fragenden Denken ist „weder Anbiederung noch Übersteigung" 49. Als Anbiederung würde das Denken die dem Seyn eigene Größe mißachten, es würde sich selbst der Größe des Seyns gleichstellen. Zwar hieß es in Anlehnung an den antiken Spruch, das Denken sei das dem Seyn Gleiche und könne nur so das Seyn in das Wissen bringen. Doch ist das Denken dem Seyn nicht dergestalt gleich, daß es diesem gleichgestellt wäre. Gleich ist das Denken dem Seyn nur insofern, als es seine Herkunft aus dem Seyn hat und ein ereignetes Denken ist. Darin liegt aber, daß das Denken nicht in derselben Weise dem Seyn gleich ist wie das Seyn dem Denken gleich ist. Das Verhältnis des Denkens zum Seyn ist weder Anbiederung, weder der Versuch, sich mit ihm und seiner Größe 46 47 48 49
GA 65, p. 187. GA 66, p. 48. ibid. ibid.
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gleichzustellen, noch ist es Übersteigung. Das Denken als Besinnung maßt sich nicht an, wenn es sich in die Bestimmung der Wahrheit des Seyns wagt, das Seyn übersteigen zu können, eine Stellung über dem Sein einzunehmen. Letzteres trifft vielmehr für das neuzeitliche, aus der Subjektivität des Subjekts sich vollziehende Denken zu. Das seynsgeschichtliche Denken würdigt das Seyn weder so, daß es sich ihm anbiedert, noch so, daß es dieses übersteigt, sondern seine höchste Würdigung ist „Aus-einander-setzung, die ihre eigene Wesensnot wagen muß" 50 . In der Aus -einander-setzung setzt sich das fragende Denken dem ereignenden Seyn aus und eröffnet, entfaltet das je und je Ereignete des Seyns. Auch hier wird wieder der Wagnischarakter dieses Denkens betont. Die waltende Seinsverlassenheit nötigt das fragende Denken in sein entwerfendes Fragen, das in jedem Schritt ein Wagen ist ohne Selbstgewißheit, ein Wagnis, zu dem auch die Vollzugsmöglichkeit des Verfehlens gehört. Als Aus-einander-setzung setzt sich das fragende Denken dem ereignenden Seyn aus, und zwar so, „daß dieses als das Gefragte gewürdigt und seine Antwort in die Gründung des Da-seins übernommen wird" 5 1 . Sofern das Seyn das Gefragte des fragenden Denkens ist, wird es gewürdigt, wobei niemals übersehen werden darf, daß das Seyn nur zum Gefragten werden kann, wenn es sich von ihm selbst her in die Fragbarkeit ereignet hat. Was sich im Fragen vom gefragten Seyn zeigt, das sich an ihm selbst und von ihm selbst her Zeigende, ist die Antwort des gefragten Seyns. Auch die Antwort des Seyns ist als solche nur das im Ereignen jeweils Ereignete, das des ereigneten Entwurfs, der entwerfenden Eröffnung als Vergrößerung, bedarf. Das so Zugeworfen-Entworfene der Wahrheit des Seyns wird als Da-sein und im Da-sein gegründet. Auch die Gründung geschieht in der gegenschwingenden Struktur des ereignenden Gründens und ereigneten Ergründens.
3. B e s i n n u n g a l s H i n e i n n a h m e des M e n s c h e n i n d i e A n w a r t s c h a f t a u f das D a - s e i n Sofern das erfragende Denken die zugeworfen-entworfene Antwort des erfragten Seyns in die Gründung des Da-seins übernimmt, betritt der Mensch in der Besinnung „ - vor sich her fragend - die Wahrheit des Seyns und nimmt so ihn gelbst' in die hieraus entspringende Wesens Verwandlung hinein: in die Anwartschaft auf das Da-sein" 52 . In der Besinnung und für die Besinnung ist der Denkende nicht schon von vornherein das Da-sein. Im Aufnehmen der Frage nach der Wahrheit des Seyns kommt der Fragende her aus seinem bisherigen Menschenwesen, dem vernünftigen Lebewesen und dessen neuzeitlicher Auslegung, dem Sub50 ibid. 51 ibid. 52 ibid.
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jekt. Im vor sich her Fragen als dem Erfragen der Wahrheit des Seyns betritt der Mensch die Wahrheit des Seyns, ohne daß sich in diesem Betreten sein bisheriges neuzeitliches Wesen sogleich in das gegründete Da-sein wandelt. Vielmehr nimmt der die Wahrheit des Seyns erfragende Mensch sich selbst in die aus seinem Betreten der Wahrheit des Seyns entspringende Wesenswandlung hinein. Aber auch hierbei handelt es sich zunächst nur um eine beginnende Wesenswandlung, in der der Denkende die Anwartschaft auf das Da-sein erlangt, ohne schon als gegründetes Da-sein zu existieren. Wohl kann er im Denken der Wahrheit des Seyns das zu dieser gehörende Wesen des Menschen, das Da-sein, denken. Aber das gedachte ist noch nicht das gegründete Da-sein. Die Besinnung, die den Menschen in die aus dem Betreten der Wahrheit des Seyns entspringende Wesenswandlung, in die Anwartschaft auf das Da-sein, hineinnimmt, ist „die Befreiung von der ,Freiheit 4 des ,Subjektums 44t53 . Der Wesenswandel des Menschen, der mit dem Betreten der Wahrheit des Seyns beginnt, ist der Übergang des Subjekts in das Da-sein. Zum Subjekt gehört eine Freiheit, nicht aber die Freiheit. Es ist die Freiheit des theoretischen und des praktischen Subjekts. In der Befreiung des Menschen von der Freiheit des Subjektums wird dieser nicht von der Freiheit überhaupt befreit und in die Unfreiheit versetzt. Der Mensch wird nur von seiner bisherigen Gestalt der Freiheit befreit, die sich aus der Subjektivität seines Subjektseins bestimmt. Es ist diejenige Gestalt der Freiheit, die zur denkenden Bestimmung des Seins als der Vorgestelltheit des Seienden gehört. Die Freiheit des Subjektums ist es, die es nicht vermag, das Seyn in seiner ihm eigenen Größe so zu würdigen, daß sie das Seyn in seiner Größe größer entwirft. Die Freiheit des Subjektums ist scheinbar die höchste Gestalt der Freiheit, sofern sie sich durch sich selbst bestimmt und begründet. Diese Freiheit steht in keinem Bezug zu Solchem, das die Freiheit gründet, sondern sie gründet und begründet sich selbst. In dieser Selbstgründung und Selbstbegründung rollt sie sich in sich ein. Das sich selbst gründende und begründende Subjekt bestimmt sich aus sich selbst. Diese Selbstbestimmung und Selbstbegründung des Subjekts als des Wesens des neuzeitlichen Menschen ist die „in sich eingerollte [...] Vermenschung des Menschen"54. Vermenschung besagt nicht Vermenschlichung. Der Wandel des Subjekts in das Da-sein ist nicht die Befreiung von der Vermenschlichung des Menschen, so daß der Mensch als Da-sein nunmehr der entmenschlichte, der unmenschliche Mensch ist. Die Vermenschung des Menschen will sagen, daß sich der Mensch in seinem Wesen als Subjekt nur aus sich selbst und nicht aus dem Bezug zur Wahrheit des Seyns bestimmt. Das neuzeitliche Subjekt und seine Freiheit ist die in sich eingerollte Vermenschung des Menschen. Zu dieser gehört die Vermenschung des Seins, sofern dieses als die Vorgestelltheit aus dem vorstellenden Subjekt gesetzt wird. Die Wesensfolge aber der Vermenschung des Seins ist
53 ibid. 54 ibid. 4 Heidegger Studies, Vol. 16
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die Vermenschlichung des Seienden. Beides in seiner Zusammengehörigkeit, Vermenschung des Menschen und des Seins und die Vermenschlichung des Seienden, bedenkt Heidegger im 61. Abschnitt der „Besinnung" unter dem seinsgeschichtlichen Namen des Anthropomorphismus 55. Indem der Mensch im Betreten der Wahrheit des Seyns von seiner bisherigen Freiheit des Subjekts und damit von der in sich eingerollten Vermenschung des Menschen befreit wird, gelangt er in die neue Freiheit des Da-seins. Diese gründet und begründet sich nicht selbst, sondern wird aus dem Bezug der Wahrheit des Seyns zu ihr gegründet, d. h. ereignet. Die ereignete Freiheit vollzieht den ereigneten Entwurf, in welchem sie das Seyn in seiner ihm eigenen Größe aufgehen läßt. Im Übergang des Menschenwesens in das Da-sein ist das Sein von der Vermenschung und wird das Seiende von der Vermenschlichung befreit. Das Seyn wird in seiner ihm eigenen Größe und das Seiende als das Eigentum des Seyns zugelas-
4. B e s i n n u n g a l s Ü b e r w i n d u n g d e r
„Vernunft"
Die Besinnung ist aber nicht nur die Befreiung von der Freiheit des neuzeitlichen Subjekts, sondern „die Überwindung der ,Vernunft'" 57 . „Vernunft" ist hier ebenso wie „Freiheit" und „Subjektum" in Anführungszeichen gesetzt, die anzeigen sollen, daß diese Begriffe aus der Überlieferung zitiert werden. Die Überwindung der „Vernunft" besagt nicht Abschaffung der Vernunft und des vernünftigen Denkens, um die Herrschaft des Unvernünftigen aufzurichten. Die in Anführungszeichen gesetzte „Vernunft" ist die Vernunft aus der überlieferten Wesensbestimmung des Menschen als des vernünftigen Lebewesens. Aber die Weise, wie die Vernunft Vernunft ist, wandelt sich seinsgeschichtlich. In der Antike ist die Vernunft als der νους die „bloße Vernehmung des Vor-gegebenen" 58, d.h. des Seienden in seinem Sein. Wandelt sich der νους zur ratio, dann ist das Denken der Vernunft „Rechnung und Erklärung" 59 des Seienden in seinem Sein. In der neuesten Neuzeit aber, in der seinsgeschichtlichen Gegenwart, hat die Vernunft den Charakter der „Planung und Sicherung" 60 des Seienden in seinem Sein als dem bestellbaren Bestand. Der „Vernunft" in diesen drei seinsgeschichtlichen Gestalten „bleibt das Wesen der Wahrheit verschlossen" 61, die Wahrheit als die Un Verborgenheit und Lichtung des Seyns. Dieses Wesen der Wahrheit ist nur dort aufgeschlossen, wo das Wesen 55 56 57 58 59 60 61
1. c., p. 159 sqq. cf. G A 69, p. 123 sqq. GA 66, p. 48. ibid. ibid. ibid. ibid.
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des Menschen als das Da-sein, als das Innestehen in der Lichtung des Seyns, erfahren wird. Mit dem Wesen der Wahrheit, der Unverborgenheit für das Seyn, bleibt der Vernunft auch das Wesen des Seyns, das Seyn der Unverborgenheit, verschlossen. Die Vernunft kennt die Wahrheit höchstens als Unverborgenheit des Seienden, darüberhinaus aber als Richtigkeit und als Gewißheit. Desgleichen kennt sie das Sein nur als die Seiendheit des Seienden, ob nun als ιδέα, ενέργεια, substantia oder als Vorgestelltheit und Gegenständlichkeit. Die Vernunft „betreibt nur das dem Seienden zugekehrte" Denken, zugekehrt dem Seienden in seinem Sein als der Seiendheit. Dieses Denken ist das „vordergründliche Denken" 62 . Als das vordergründliche Denken ist es nicht vordergründig im gewöhnlichen Sinne, ohne Tiefendimension. Das Denken der Vernunft hat seine eigene Tiefe und Größe, jene Größe der „großen Philosophien", die Heidegger als unbestiegene und unbesteigbare, d. h. als nicht besiegbare Berge würdigt. Das Denken der Vernunft ist vordergründlich insofern, als es vom vollen Wesen der Wahrheit und des Seyns nur das Abkünftige erkennt: die Unverborgenheit des Seienden, die Richtigkeit und die Gewißheit als ein jeweils Abkünftiges der Unverborgenheit und Lichtung für das Seyn; die Seiendheit als ein Abkünftiges aus der Wesung des Seyns.
5. B e s i n n u n g a l s A n s t i m m u n g d e r G r u n d s t i m m u n g des M e n s c h e n Die Besinnung auf die zu erdenkende Wahrheit des Seyns im Ausgang von der Besinnung auf das geschichtliche Heutige, die Besinnung als Sichwagen in die Bestimmung der ihr voraus-gesetzten Wahrheit des Seyns und als Hineinnahme des Menschen in die Anwartschaft auf das Da-sein ist „die Anstimmung der Grundstimmung des Menschen", sofern die Grundstimmung den Menschen „zum Seyn, zur Gründerschaft der Wahrheit des Seyns bestimmt" 63 . Die Grundstimmung des seinsgeschichtlichen Denkens ist die Verhaltenheit 64 als das Ansichhalten und Zurückfahren. Das Denken der Besinnung wird in diese Grundstimmung aus dem ereignenden Zuwurf gestimmt. Die Grundstimmung steigt aus dem Zuwurf auf. In „Sein und Zeit" war es die Geworfenheit der Erschlossenheit des In-der-Welt-seins, aus der die Stimmungen aufsteigen. Nachdem im Übergang zum seinsgeschichtlichen Denken die Geworfenheit in ihrer Herkunft aus dem Zuwurf erfahren ist, geschieht das Stimmen der Grundstimmung aus dem Zuwurf. Sofern die zu erdenkende Wahrheit des Seyns zuerst in der erfahrenen Seinsverlassenheit als sich verweigernde anklingt, stimmt diese erste Ereignung den Denkenden in den Schrecken bzw. das Erschrecken, das zur Grundstimmung der Verhaltenheit gehört. Denn im Erschrecken fährt der Denkende vor der Seinsverlas62 1. c., p. 49. 63 ibid. 64 cf. GA65, p. 14 sqq. 4*
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senheit zurück. Betritt er aber die zu erfragende Wahrheit des Seyns, wird er in der Grundstimmung der Verhaltenheit in die Scheu gegenüber der lichtend sich verweigernden Wahrheit des Seyns gestimmt. Die Grundstimmung des Denkens im anderen Anfang ist somit die Verhaltenheit in Einheit mit dem Erschrecken und der Scheu. Die Besinnung ist die Anstimmung dieser Grundstimmung, aber nicht in dem Sinne, daß sie sich von sich aus in diese Stimmung bringt. Anstimmen heißt: sich so zur stimmenden Grundstimmung verhalten, daß das Denken sich dieser nicht verschließt, sondern die aus dem ereignenden Zuwurf stimmende Grundstimmung im ereigneten Entwurf des fragenden Denkens anfangen läßt. Das Anstimmen der Grundstimmung ist das anfangende Geschehenlassen dieses Stimmens. Die aus dem ereignenden Zuwurf stimmende Grundstimmung „bestimmt" den Menschen „zum Seyn, zur Gründerschaft der Wahrheit des Seyns"65. Das Be-stimmen ist hier vom Stimmen her zu hören. Im ereignenden Stimmen wird der Mensch, wird zunächst der Denkende zum Erdenken des Seyns und das heißt zugleich zur Gründerschaft der Wahrheit des Seyns im und als Da-sein be-stimmt. 6. B e s i n n u n g a l s V e r s e t z u n g des i n das D a - s e i n
Menschen
Hieß es zuvor, im Betreten der Wahrheit des Seyns nehme die Besinnung den Menschen in die Anwartschaft auf das Da-sein hinein, so lesen wir jetzt, die „Besinnung versetzt den Menschen in das Da-sein, gesetzt, daß sie selbst schon vom Seyn er-eignet ist" 6 6 . Auch die vorläufige Anwartschaft auf das Da-sein ist nur möglich, wenn die Besinnung für diesen beginnenden Wandel des Menschenwesens aus dem Seyn selbst einen Wink empfängt. Solange sich aber das Wesen des Menschen in der Anwartschaft hält, ist der Mensch noch nicht in sein Wesen als Da-sein versetzt. Er ist erst auf dem Wege zu diesem Wesen. Um den Menschen in das Da-sein zu versetzen, muß die Besinnung wiederum vom Seyn ereignet sein. Jetzt aber ist sie nicht nur für die Hineinnahme des Menschen in die Anwartschaft, sondern für ihr Versetzen des Menschen in das Da-sein ereignet. In jeder Ereignisweise des Seyns, ob die Besinnung nun den Menschen vorerst nur in die Anwartschaft auf das Da-sein hineinnimmt oder ob sie den Menschen schon in das Da-sein zu versetzen vermag, „verlangt" das Seyn „zum Wort, als welches je das Ereignis west" 67 . Wort meint hier im seinsgeschichtlichen Denken nicht den sprachlichen Ausdruck für den Gedanken. Das Denken der Wahrheit des Seyns und deren Gründung als und im Da-sein vollzieht sich im ereignenden Zuwurf und dem daraus ereigneten Entwurf. Das Gedachte als das Zugeworfen65 GA 66, p. 49.
66 ibid. 67 ibid.
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Entworfene ist die Weise, wie die Wahrheit des Seyns west, ist selbst eine Wesungsweise des Seyns. Aber zu dieser gehört, daß das Zugeworfen-Entworfene in das Wort des Denkens eingeht und in diesem sich birgt. Das Worthafte des Denkens und Gedachten ist die Bergungsweise des im Zuwurf und Entwurf wesenden Seyns. Das Wort des Denkens, in das sich die zugeworfen-entworfene Wesungsweise des Seyns birgt, ist das Wort „des" Seyns. Der betonte Genitiv ist auch hier wieder der seynsgeschichtliche Genitiv. Dieser besagt, daß es das Seyn als ereignendes ist, das von ihm selbst her zu Wort kommt, so daß das daseinsmäßige Wort die Antwort auf das Wort des Seyns ist. Das Wort des Denkens ist aber das „bildlose Wort" 6 8 , das begriffliche Wort, dessen Begrifflichkeit in der Inbegrifflichkeit des seinsgeschichtlichen Begriffes als des Inbegriffes beruht 69 . Demgegenüber ist das Wort des Dichtens das bildhafte Wort, wobei das dichterische Bild hier nicht die Veranschaulichung eines Sinnes meint. Sowohl der Inbegriff des Denkens als das Bild des Dichtens erfahren ihre Wesensbestimmung aus dem Ereignis, sind somit keine logischen und keine literaturwissenschaftlichen, sondern einzig seinsgeschichtliche Bestimmungen.
68 ibid. 69 Cf. G A 65, p. 64.
On the Inception of Being-Historical Thinking and its Unfolding as Mindfulness Parvis Emad It seems hardly to require any argument that, with the appearance of Contributions to Philosophy (From Enowning) (GA 65) and Besinnung (GA 66) Heidegger's thinking once again calls for a renewed appropriation. The unfolding in these works of being-historical thinking (das seinsgeschictitliche Denken )1 and of its active character, mindfulness (Besinnung), foreshadows the path that philosophy has to take once a renewed appropriation of Heidegger's work becomes philosophy's priority. Moreover, a renewed appropriation of Heidegger cannot overlook the relationship of Contributions to Besinnung. To prepare for such a task, it is necessary that we follow the path of Heidegger's thinking throughout Contributions and Besinnung - a path which originates from within a transformation that occurs within transcendental-horizonal thinking of fundamental ontology. In order to enter this path, we must take into account this transformation of transcendentalhorizonal onset of the thinking of being which (transformation) is the inception of being-historical thinking. In section 132 of Contributions, in the third "joining" (Fuge) the "Leap" entitled "Being and a Being," Heidegger puts forth a singular and highly focused directive for understanding the transformation of transcendental-horizonal onset of thinking of being in Being and Time. This directive reads as follows: Therefore the task is not to surpass beings (transcendence) but rather to leap over this distinction and thus over transcendence and to inquire inceptually into be-ing and truth. (177) Thought through carefully, this directive brings us to where being-historical thinking begins, i.e., to the structure of Dasein known as "thrown projectingopen," or der geworfene Entwurf. 2 Closely examined, this directive proves to be grounded in an all encompassing "saying" (Sagen) which denies Contributions 1
For this and other English renditions of the key words of Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) see "Translators' Foreword," in Contributions to Philosophy (From Enowning ), translated by Parvis Emad and Kenneth Maly, (Bloomington: Indiana University Press, 1999), hereafter referred to in the text as Contributions. Numbers in parenthesis in the text refer to this translation. 2 For this English rendition of der geworfene Entwurf, see "Translators' Foreword" referred to in footnote 1.
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"the style heretofore." (3) This is an all encompassing "saying" which thoroughly shapes the language of Contributions and reverberates in each of its assertions, including the directive regarding the surpassing of transcendence. Moreover, this "saying" brings light to the transformation of transcendental-horizonal onset of the thinking of being and to the path that leads from Contributions to Besinnung. Grounded in this "saying," this compact directive brings into view the specific contribution made by transcendental-horizonal thinking of fundamental ontology of Being and Time to the unfolding of being-historical thinking of Contributions. To anticipate what I shall discuss in some detail, let me say here that, by interpreting this directive, we realize that transformation of the pivotal structure of Dasein which Being and Time calls "thrown projecting-open" marks the inception of being-historical thinking. It is worth noting that when, in the course of transcendental-horizonal thinking of fundamental ontology, Heidegger first uncovered this structure of Dasein, he did not inquire into the origin of thrownness {Gewogenheit). However, by interpreting the above directive we shall see that being-historical thinking has its origin in thrownness, and thus reaches deeply into the transcendental-horizonal onset of the thinking of being. This means that the directive for the surpassing of transcendence is the key for understanding the inception of being-historical thinking. Accordingly, to get on the path of being-historical thinking that shapes Contributions and Besinnung - and to be thus prepared for a renewed appropriation and understanding of Heidegger - we must first deal explicitly with this directive. What do we learn from this directive with regard to the beginning of being-historical thinking? In what hermeneutic-phenomenological context is this directive lodged? It goes without saying that to respond to these questions we must carefully interpret this directive. Subsequently, we shall see that, based on a critical examination of two pivotal issues of transcendence and ontological difference, this directive highlights the transformation of transcendental-horizonal onset of the thinking of being as well as the inception of being-historical thinking. But being-historical thinking unfolds as mindfulness {Besinnung) both in Contributions and in Besinnung. How are we to grasp this unfolding? By turning to Rückblick auf den Weg " [Retrospective on the Pathway of Thinking ] of 1937-383 and to Besinnung, we shall make an attempt to respond to this question. The effort to work out the inception of being-historical thinking and the attempt to come to terms with the unfolding of this thinking as mindfulness constitute the minimum requirements for preparing for a renewed appropriation of Heidegger. It is toward this end that this presentation hopes to make a contribution.
3 Cf., M. Heidegger, Besinnung , pp. 411 ff., hereafter referred to in the text as GA 66, followed by page number.
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I In section 132 of the "Leap," entitled "Being and a Being," and via a beinghistorical interpretation of transcendence and ontological difference - two issues that determine the course of transcendental-horizonal thinking of fundamental ontology - Heidegger arrives at the directive which highlights the transformation of transcendental-horizonal onset of the thinking of being. This interpretation shows that when transformed, "thrown projecting-open" is where being-historical thinking begins. To get to this interpretation, we must consider the hermeneuticphenomenological domain wherein the initial appropriateness of ontological difference and its subsequent inadequacies are held together. To grasp the full import of this interpretation, we must look at this domain in order to "see" what shows itself therein and becomes manifest. Heidegger paves the way for such a "seeing" when in the opening paragraph of section 132 he engages in one of his "self-interpretations" and "self-criticism" with which the reader of Contributions is familiar. He tells us that, although ontological difference initially was introduced as a distinction for "safeguarding the question of the truth of be-ing from all confusion," (176) it finally proved to be "discording" (zwiespältig) and "disastrous" (verhängnisvoll). (Cf. 176) On what ground does Heidegger characterize ontological difference as discording and disastrous? Heidegger criticizes ontological difference because of what this distinction assumes. It assumes that a being is, that beings are, and that consequently be-ing - although acknowledged to be different from a being - can be thought in its own right within the perspective of beings - a perspective which belongs to the first beginning. In other words, this distinction consolidates the perspective of the first beginning by coupling the thinking of be-ing with the thinking of beings. This distinction does not heed the manner in which a being's shining forth, its manifesting, is inseparable from the manifestness of be-ing as such. However, if we carefully ponder the question whether we can even say that a being is, as we know full well that the sole provenance of all "isness," all "being," "existing," "essencing," "whiling," "enduring" etc. is be-ing, then we realize that be-ing can no longer be thought of in the perspective of beings; it must be enthought from within be-ing itself. (5)
Insofar as ontological difference strengthens the assumption that we can think be-ing within the perspective of beings, this difference has something discording about it because it splits the onefold of be-ing and a being. It is this onefold that must be thought at all cost. And insofar as this difference assumes that be-ing can be thought within the perspective of beings, it has something disastrous about it because this difference fails to countervail the forgottenness of be-ing which determines the thinking of the first beginning and all its offshoots (nihilism, planetary domination of technicity etc.). It is this forgottenness that must be thought at all cost.
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Heidegger's interpretation of ontological difference is a being-historical interpretation because this difference emerges from within the being-historical thinking of beingness of beings that shaped the first beginning. He points to the emerging of this difference from within the thinking of beingness when he says: For this distinction indeed does arise from a questioning of beings as such (of beingness). (177)
Thinking of beingness of beings in the first beginning is the first decisive power that forces this difference into the open. Emerging from within the thinking of beingness of beings, but not going far enough to inquire into the onefold of be-ing and beings, this difference remains disastrous. If not put into question, this difference does not open up the guiding question of the first beginning, namely "What is a being?" and does not show that the onefold of be-ing and a being is sheltered in this question. Left unquestioned, ontological difference does not lead thinking to what is harbored within the guiding question of the first beginning as the grounding question of the other beginning, namely "But how does be-ing sway?" (5) Since thinking of beingness in the first beginning inquires into what is a being (the guiding question of philosophy) but does not go far enough to inquire into how being sways (the grounding question of the future philosophy in the other beginning), the first beginning gives rise to ontological difference. In this vein being-historical interpretation of the ontological difference is an attempt which brings into dialogue what has first been of be-ing's truth and that which in the truth of be-ing is futural in the extreme. (5)
Since what has first been of be-ing's truth constitutes the entirety of the first beginning, and because that which in the truth of be-ing is futural in the extreme is what foreshadows the other beginning, we can say that through his being-historical interpretation of ontological difference Heidegger in Contributions confronts ontological difference as a difference which is not yet able to open to the essential sway of be-ing and which transpires within the crossing from the guiding question of the first ("What is a being?") to the grounding question of the other beginning ("How does be-ing sway?").4 Thus it becomes clear why Heidegger views ontological difference as "discording and disastrous": this difference stands for and shows forth everything that happens in and as the first beginning, namely the preponderance of the perspective of beings and the dominance of forgottenness of be-ing. This means that, rather than grasping designations like "discording and disastrous" as expressions of Heidegger's dissatisfaction with his earlier "position," we must understand these designations as sayings/openings made by a new thinking, which resides in the crossing from the first to the other beginning. It is indeed in the light of this residing that these sayings/openings announce an "immanent transformation" 5 which occurs in 4
For "be-ing," and "being" see "Translators' Foreword" referred to in footnote 1.
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and as be-ing's self-showing. It is this transformation that supplies being-historical interpretation of ontological difference with its elucidating power. When I suggested that we must look at what transpires in the hermeneutic-phenomenological domain, wherein the initial appropriateness and the later inadequacy of the ontological difference are held together, I wanted to "see" what else shows itself in that domain besides what comes to the fore by Heidegger's beinghistorical interpretation of the ontological difference - besides the perspective of beings and domination of forgottenness of be-ing. Looking at that domain, we now "see" be-ing's immanent transformation, enowning (Ereignis ) as what is manifest within being-historical interpretation of ontological difference. This means that everything for which ontological difference stands, (perspective of beings, forgottenness of be-ing and interplay of the first and the other beginning) points to the immanent transformation which reveals be-ing as enowning. Which means that when interpreted being-historically, ontological difference opens an avenue to enowning. But this is an avenue that not only leads to but also comes from enowning insofar as Enowning is that self-supplying and self-mediating midpoint into which all essential swaying of the truth of be-ing must be thought back in advance. (51) This means that when ontological difference is interpreted being-historically when this difference is leapt over - such a "thinking leap" is not just what the interpreter "does." For, this interpretation is supplied by the self-supplying and self-mediating enowning. When the difference between be-ing and a being puts into the foreground the onefold of be-ing and a being, this difference also puts enowning into the foreground as the self-supplying and self-mediating essential swaying of be-ing, which sustains that onefold. This means that lodged within the hermeneutic-phenomenological domain, and interpreted being-historically, ontological difference not only points to the onefold of be-ing and a being but also simultaneously to be-ing's essential swaying, i.e., enowning. In other words, being-historical interpretation of ontological difference points to the hidden but intimate connection of this difference to enowning. In order to demonstrate this connection, i.e., the enownment of ontological difference by enowning, and thus to penetrate more deeply into Heidegger's beinghistorical interpretation of this difference, we must hone in on the propositional character of the directive which reads: Therefore the task is not to surpass beings (transcendence) but rather to leap over this distinction and thus over transcendence ... (177) We must attend to the propositional character of this directive because as an assertion (Aussage) this directive is enowned by being as enowning. How are we
5 F.-W. von Herrmann, Wege ins Ereignis: Zu Heideggers "Beiträge zur Philosophie " (Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main: 1994) p. 17, passim.
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to understand this directive as an assertion which is enowned by enowning? Can this assertion be viewed the way assertion is generally understood in philosophy? Here we realize unexpectedly that in order to grasp the enownment of this directive by enowning, we must come to terms with the question as to what kind of an assertion this directive is. Coming to Contributions from Being and Time , we might be inclined to assume that "Therefore the task is not to surpass beings but to leap over transcendence" is an assertion that formally indicates ontological difference as what refers to the essential swaying of be-ing, to enowning. Although it is correct to stress such a referral, it is not correct to assume that it takes place as a formal indication, because with the onset of being-historical thinking, formal indication {die formale Anzeige) which entails a particular kind of assertion in Being and Time , recedes into the background. To see this we must take a quick look at the issue of assertion and formal indication, not only because this issue has a direct bearing on understanding the enownment of our directive by enowning, but also because a basic understanding of assertion puts an issue into the foreground which in dealing with Heidegger has persistently been overlooked by Anglo-American analytic philosophy and French deconstruction. The issues of assertion and formal indication are closely interrelated. Formal indication relies exclusively on a particular kind of assertion. Thus understanding the analysis of assertion is a prerequisite for understanding the issue of formal indication. The analysis of assertion in fundamental ontology culminates in the circumscription of assertion as "a pointing out that communicates and determines." 6 If we ask what it is that is being pointed out, communicated, and determined through an assertion, we shall have to respond by saying that it is beingness {Seiendheit) of a being as extantness {Vorhandenheit) that is being pointed out, communicated, and determined. It is crucial that we distinguish "pointing out" {aufzeigen) from "pointing to" {zeigen). The distinction between "pointing out" and "pointing to" must be maintained because "pointing out" stands for the disclosure that takes place as assertion ("pointing out" reflects assertion's rootedness in being's disclosure) while "pointing to" refers to the predicative function of assertion which follows (does not precede) be-ing's disclosure. Within the framework of transcendental-horizonal thinking of fundamental ontology in Being and Time , Heidegger does not work out the specific structure of an assertion that formally indicates the discourse on be-ing. He only puts forth the structure of an assertion that belongs to the whole interrelated context of the extant, i.e., to what Sein und Zeit calls Bewandtnis ganzheit ? In other words, 6 7
M. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, p. 208.
On this point see, Paola-Ludovika Coriando, Der letzte Gott als Anfang, (München, Wilhelm Fink Verlag, 1998) p. 184, as well as her, "Die formale Anzeige und das Ereignis: Vorbereitende Überlegungen zum Eigencharakter seinsgeschichtlicher Begriff-
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Heidegger does not specify the exact structural sense in which certain assertions formally indicate the discourse on being and thus differ from those assertions that point out, determine and communicate the beingness, extantness of a being. When, for example, Heidegger uncovers the existential constitution of the Da [t/here] of Dasein as made up of discourse (Rede), thrownness (Geworfenheit ), and projecting-open (.Entwurf ),8 he does not show in what way the assertions that convey these structures differ from assertions that arise from within the whole interrelated context of the extant. Let us note that analytic philosophers and deconstructionists are not concerned with these differentiations and treat everything in Heidegger as assertion, as Aussage. However, with Contributions and the initiation of being-historical thinking, the interconnections between assertion and formal indication recede into the background. Here Heidegger comes forth with the determination of a philosophical discourse that belongs to be-ing but not as formal indicative assertion. Recession of this interconnection and the critique of ontological difference happen at the same time. Totally other than numberlessness of beings, the uniqueness and singleness of be-ing is such as to require an assertion which is not tied to the whole interrelated context of beings. We shall fully grasp Heidegger's being-historical interpretation of ontological difference and the enownment of our directive by enowning when we attend to that which in the dimension of being-historical thinking fills the lacuna he left in the fundamental-ontology concerning the formal indicative assertions within the discourse on being. In Contributions Heidegger fills this lacuna with what he calls "saying," i.e., Sagen. The proximity of the word assertion to the word saying in English is such that it might hinder a clear grasp of the difference between "saying" and "assertion," between Sagen and Aussage. We might abrogate this disturbing proximity by taking a close look at what Heidegger means by Sagen!" saying." We come upon its first deciding determination right at the beginning of Contributions where Heidegger indicates what "saying" is not. He points out that "saying" does not describe or explain, does not proclaim or teach. This saying does not stand over against what is said. Rather, the saying itself is the "to be said," as the essential swaying of be-ing. (4)
By indicating what "saying" is not, Heidegger paves the way for showing what it is: "saying" is free of ties to the whole interrelated context of beings, of ties to beingness and extantness, we might also add, of ties to ontological difference. Thus to understand Heidegger's being-historical interpretation of ontological difference and the enownment of the directive for surpassing this difference, we must take "saying" as our guide. It is in "saying" that an assertion such as "Therefore lichkeit mit einem Ausblick auf den Unterschied von Denken und Dichten," in Heidegger Studies , 14 (1998), p. 30. 8 Cf. GA2,pp. 178 ff.
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the task is not to surpass beings but to leap over transcendence" is grounded, and it is "saying" which ultimately brings light to the enownment of this assertion by enowning. How are we to understand this? The "saying" which shapes Contributions is not something added to be-ing via language, because "saying" is already enowned by be-ing's essential swaying, i.e., by enowning. This means that "saying" as it shapes Contributions , is itself what needs to be said with respect of be-ing. Heidegger puts this succinctly when he points out that This saying gathers be-ing's essential sway unto a first sounding, while it itself [this saying] sounds only out of this essential sway. (4) Thus what is said in and through such a "saying" (or what the "saying" says) with respect of be-ing's essential swaying - with respect of enowning - is not something other than the essential sway of be-ing, which is related to this swaying, but different from this swaying: it is this essential swaying itself. Now, as indicated in its subtitle, the "saying" that claims Contributions as a whole is a "saying" of be-ing as enowning (Seyn als Ereignis)? This means that, in order to understand how the directive for surpassing the ontological difference is enowned by enowning, we must take "Therefore the task is not to surpass beings but to leap over ontological difference" as an assertion which is grounded in "saying." As so grounded, the directive for surpassing the ontological difference conveys an injunction which refers to enowning - an injunction which must be thought back to enowning - to that self-supplying and self-mediating midpoint or be-ing's essential swaying. How can this referral to enowning be understood? We find the clue for understanding the referral of this injunction to enowning in the "leap" as outlined in the opening paragraph of that "joining." Although presaging and anticipating what happens in the entirety of this "joining," the "leap" as outlined there tacitly but unmistakably puts forth guidelines for grasping this injunction's referral to enowning. To differentiate these guidelines we must first read the opening passage of the "Leap": The leap, the most daring move in proceeding from inceptual thinking, abandons and throws aside everything familiar, expecting nothing from beings immediately. Rather, above all else it releases belongingness to be-ing in its full essential swaying as enowning. (161) Attending only to what this characterization immediately says about the referral of this injunction to enowning, we can say that understanding this referral requires (a) abandoning and throwing aside everything familiar (which includes ontological difference), and (b) heeding what is released thereafter, namely belongingness to be9 The formulation "saying of be-ing as enowning" should not be confused with a formulation like "what Contributions says about be-ing is that be-ing is enowning." To put the matter in this way would be to suggest that enowning is something said about be-ing, is other than its essential sway - which is not the case.
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ing, to enowning. Now, that which is familiar is the entanglement of ontological difference in the perspective of beings, and closely connected with this, its entanglement in the assertion that is tied to the extant. Accordingly, abandoning the familiar means abandoning and throwing aside the perspective of beings and the assertion tied to this perspective. Everything depends on how we understand this abandoning and this throwing aside. Can we say that this abandoning, this throwing aside happens when Dasein as "thrown projecting-open" receives that injunction? But this would presuppose that Dasein as "thrown projecting-open" is "something" that "is there," "exists per se," i.e., is extant prior to receiving that injunction - is to assume that the injunction first comes to Dasein from be-ing as totally extraneous to Dasein. But the injunction for abandoning and throwing aside what is familiar in the ontological difference is not extraneous to Dasein, since as "thrown projecting-open" Dasein is where the injunction originates. This means that to grasp the referral of this injunction to enowning, we must come to grips with Dasein's enownment by enowning. How can we grasp the enownment of Dasein by enowning? Heidegger's being-historical interpretation of ontological difference and the injunction to surpass this difference originate within Dasein, within "thrown projecting-open" and must be thought as enowned by be-ing because be-ing's enowning-throw (ereignender Zuwurf) 10 and Dasein's projecting-opening are held within a counter-resonance called turning in enowning (die Kehre im Ereignis). Heidegger elucidates this turning as what is contained neither solely in the call ... nor solely in belongingness ... In enowning, enowning itself resonates in counter-resonance. (184-185) This means that the injunction for surpassing the ontological difference is neither identical with the call (with the enowning-throw) nor with belongingness to be-ing but merely resonates within the counter-resonance that is the turning in enowning, i. e. within the counter-resonance that holds sway in and as enowning. This means that the injunction for surpassing the ontological difference is not a decree but a deciding indication that Dasein as "thrown projecting-open" is released into the belongingness to be-ing. Released into this belongingness, the one who follows through with the injunction and surpasses the ontological difference - Heidegger calls it "the thrower" - experiences itself as enowned by be-ing, as belonging to be-ing. Heidegger holds together everything that ensues from surpassing the ontological difference, from following through with the injunction when he articulates what occurs deeply in and through Dasein's leaping-experience called projecting-open. He says: The leap is the enactment of projecting-open ... such that the thrower of the projectingopen experiences itself as thrown - i.e., as enowned by be-ing. (169) 10
For this expression, see F.-W. von Herrmann, op. cit., p. 18, 56, passim.
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This is to say that surpassing the ontological difference is a projecting-opening of this difference by which its ties to enowning are shown. Characterization of Dasein's experience of projecting-open as surpassing or leaping over the ontological difference should not be confused with the characterization that projectingopen receives in the context of transcendental-horizonal thinking. In that context projecting-open is determined as merely thrown into being's disclosure (Erschlossenheit des Seins). But here there is no talk merely of thrownness of projectingopen into be-ing's disclosure but of experiencing thrownness as enowned by being, by enowning. To realize this enownment has far-reaching consequences for a conclusive understanding of what being-historical interpretation of ontological difference achieves. Foremost among these consequences is the realization that, in order for being-historical surpassing of ontological difference to occur as a projecting-opening, the interpreter must be thrown into and be enowned by be-ing's enowningthrow. When we understand the interpreter in this way, we cease to view the being-historical interpreter of ontological difference as merely thrown into being's disclosure. Rather we have to look at the interpreter as one who is thrown into being's historically enowning and transforming disclosure. With Contributions thrownness is no longer merely a thrownness into being's disclosure but a thrownness into being's historically enowning and transforming disclosure. This means that we must view thrownness as a thrownness into the essentially historical and historically transforming swaying of be-ing. At the end, the important lesson we learn from Heidegger's being-historical interpretation of ontological difference and from the injunction cum directive for surpassing this difference is to realize that the inception of being-historical thinking, as precisely such a surpassing, lies within a historically enowning and transforming thrownness. And this means that being-historical thinking does not begin in a vacuum. For being-historical interpretation of ontological difference and the injunction to surpass this difference - an injunction which is an assertion grounded in the "saying" which itself is the essential swaying of be-ing - originate from within a thrownness which is a thrownness into the historically enowning and transforming swaying of be-ing. It is from within such an historically enowning and transforming swaying of being that throughout Contributions and Besinnung being-historical thinking unfolds as mindfulness of nothing else but this swaying. Does this mean that mindfulness is an addendum to being-historical thinking? Not at all.
II From the beginning being-historical thinking unfolds as mindfulness. It unfolds as mindfulness not only within the "first full shaping of the jointure (from Echo to The Last God)...," (42) i. e., within the entirety of Contributions , but also within the full scope and breadth of the work that Heidegger wrote right after Contributions
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and entitled Besinnung. We see this clearly (a) by attending to the deciding determination of Besinnung! mindfulness which we find in Contributions , (b) by considering the implications of the programatical pronouncements that Heidegger makes on Besinnung/ mindfulness in his "Ein Rückblick auf den Weg" and (c) by analyzing the ground breaking determinations of Besinnung as philosophy's mindfulness of itself which we find at the beginning of the work entitled Besinnung. It is not only because we want to ward off misunderstanding Besinnung/ mindfulness as a mode of awareness that we must address these three areas of concern but also because a careful entry into these areas enables us to see that mindfulness is not an addendum to being-historical thinking but its very unfolding. (a) It is quite revealing that the deciding determination of Besinnung! mindfulness is intimately tied to an equally deciding determination of philosophy. In section 16 of Contributions we read:
Philosophy is the immediate , useless , but at the same time masterful knowing fro within mindfulness. Mindfulness [Besinnung] is inquiring into the meaning [Sinn] (cf. Being and Time) i.e. into the truth of be-ing. (31) By alluding to the intricate connection between Sinn and Besinnung , between meaning and mindfulness, Heidegger here responds to the question as to what mindfulness/Besinnung is all about. It is a mode of inquiry into the meaning of being (der Sinn des Seins) or into what Contributions calls the truth of be-ing. Philosophy emerges from within such an inquiry, i.e., from within such a mindfulness. This shows that the inquiry is not only at the discretion of the inquirer but is also determined and shaped by the meaning or the truth of be-ing. This means that philosophy's emerging from within mindfulness depends on what be-ing of its own accord lends to questioning-thinking. Thus to properly grasp the unfolding of being-historical thinking as mindfulness, we must above all take into account the intimate relationship between being-historical thinking (as mindfulness) and being. This is not a hegemonic relationship of subjugation and control but one of service. Being-historical thinking unfolds as mindfulness because it is at the service of be-ing insofar as this thinking projects-open be-ing's enowning-throw (ereignender Zuwurf or Zuruf des Seyns), i.e., that which be-ing of its own accord lends to questioning-thinking. Accordingly, philosophy's emerging from within mindfulness as being-historical thinking is an inquiry into the meaning of that which be-ing of its own accord lends to thinking and which is be-ing's enowningthrow. In this sense we can say that, strictly speaking, the "first full shaping of the jointure (from Echo to The Last God)" (42) presents an inquiry which is mindful of be-ing's enowning-throw. But to be mindful of be-ing's enowning-throw is not a mode of conscious awareness. At stake here is not a mere mode of awareness but the inexhaustibility of being's enowning-throw as an inexhaustibility which accounts for the unavoidable inconclusiveness of the "first full shaping of the jointure" known as Contributions. Such inexhaustibility and inconclusiveness are mirrored in being-historical inquiry 5 Heidegger Studies, Vol. 16
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insofar as, mindful of the inexhaustibility of be-ing's enowning-throw, this inquiry does not strive for a conclusive and exhausting projecting-opening of being's enowning-throw. Both the inexhaustibility of being's enowning-throw and the inconclusiveness of its projecting-opening are granted to thinking-mindfulness because being-historical thinking is enowned by being's enowning-throw. This means that being-historical thinking is mindful of, i.e., originates from within the inexhaustiblity of being's enowning-throw - and is thus not an addendum to being-historical thinking. (b) No sooner does Heidegger complete the writing of Contributions that he finds it necessary to explicitly point out that this work is inconclusive. By projecting-open being's inexhaustible enowning-throw, Heidegger enacts being-historical thinking as a projecting-opening, which, considering this inexhaustibility, remains inconclusive. Thus in view of the inexhaustibility of being's enowning-throw, Heidegger presents "the first full shaping of the jointure" as an inconclusive work. In "Ein Rückblick auf den Weg " Heidegger clearly has in mind the inconclusiveness of Contributions when he takes a retrospective look at the six "joinings" of beinghistorical thinking. Two insights emerge from this retrospective look: first, an insight into why Contributions is unavoidably inconclusive and, second, an insight into seven inexhaustible major realms which are exposed to projecting-opening. In order to fully appreciate the first insight, we must remember that the first full shaping of being-historical thinking called Contributions "cannot avoid the danger of being read and acknowledged as a vast 'system.' " (42) To face this danger one must take into account the difference between a detailed unfolding of what beinghistorical thinking projects-open and what ostensibly manifests the range of the question of being. Heidegger points to the difference between a detailed unfolding and the range of the question of being, when in "Ein Rückblick auf den Weg " he says: In its new approach this Contributions to Philosophy should render manifest the range of the question of being. A detailed unfolding here is not necessary because this all too easily narrows down the actual horizon and misses the thrust of questioning. (GA 66/ 427) Being-historical thinking perseveres within the manifest range of the question of being and thus preserves the thrust of questioning; in this respect a detailed unfolding is counterproductive. Thus persevering, being-historical thinking is mindful of seven distinct but inexhaustible major realms within the range of the question of being: the realm of "differentiation of a being and be-ing, " the realm of "Dasein," that of "truth and time-space," of "modalities," of "attunement," of "language," and finally, the realm of "questioning as the primeval activity (Urhand lung ) of Da-sein." (Cf., GA 66/424-425) We must not confuse these seven realms as extraneous to the six "joinings" of Contributions , since in various degrees these realms are present in all "joinings." This is to say that although these realms are already projected-open by being-his-
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torical thinking throughout Contributions , the inexhaustibility of these realms is such as to expose them to the unfolding of being-historical thinking as mindfulness. Already projected-open by being-historical thinking throughout the entirety of Contributions , and yet needing further projecting, these major realms are opened up by being-historical thinking as a thinking that is mindful of the Sinn / meaning or the truth which inheres in, i.e., is not extraneous to these realms. Considering these major realms, we realize that mindfulness is not an addendum to this thinking. (c) The inexhaustibility of these realms is reflected in six ground breaking determinations of mindfulness. Presented at the beginning of Besinnung , these six determinations must not be mistaken with six guidelines for "developing" six "theories" about mindfulness. In order to see this, we must bear in mind that these six determinations draw upon and pertain to the six "joinings" of Contributions but are not in the least correlated to these six "joinings." Heidegger's retrospective look at the first full shaping of the six "joinings" called Contributions is at the same time a prospective look at what still remains to be accomplished. Once realized as such, this prospective look achieves the shape of the work called Besinnung. Returning at the beginning of this work to the deciding determination of philosophy in section 16 of Contributions , and thus going back to the way philosophy emerges from within mindfulness, Heidegger in Besinnung arrives at six closely interrelated determinations of mindfulness. Each of these determinations partakes in and reflects the inexhaustibility of being's enowning-throw, as well as the inconclusiveness of being-historical thinking - an inconclusiveness which sustains this thinking as mindfulness. The first determination of mindfulness indicates.that philosophy becomes mindful of itself through a mindfulness of what is of today (das Heutige): Philosophy must know what is of today, not as what pertains to the status of a "historical situation" for practical purposes of enhancing or altering it, but as essential hints at what is being-historically ownmost to the epoch of modernity. (GA 66/ 46-47) What is of today essentially hints at what is ownmost to the epoch of modernity. Now, what is being-historically ownmost to this epoch is projected-open by beinghistorical thinking in the first "joining" of Contributions as the echo of be-ing that resounds in and as abandonment by be-ing. This indicates that to know how philosophy becomes mindful of itself presupposes knowing what transpires in the first "joining" of Contributions , called "Echo." Realizing that what is of today draws upon and pertains to the echo of be-ing that resounds in and as abandonment by be-ing, we realize that not only the first "joining" of being-historical thinking is unmistakably present within the first determination of mindfulness, but also that along with the first "joining" all other "joinings" are present in the first determination of mindfulness. Although fully reflecting the inexhaustibility of being's enowning-throw and the unavoidable inconclusiveness of its projecting-opening, 5*
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the first determination of mindfulness is also present in other "joinings" of Contributions , because the six "joinings" are not isolated fields of observation but essentially interpenetrate one another. Heidegger does away with misunderstanding the individual "joinings" as isolated from one another when he stresses their essential interpenetrating relatedness: In each of the six joinings the attempt is made always to say the same of the same, but in each case from within another essential domain of that which enowning names. (57) What is being-historically ownmost to the epoch of modernity is projected-open by being-historical thinking as a Sinn!meaning/truth which is enowned by enowning. Being-historical thinking is mindful of this meaning, of this truth. This is what transpires in each "joining" as the same (das Selbe) but not as identical (das Gleiche). This means that mindfulness inheres in all "joinings" of Contributions , is thus constitutive of being-historical thinking, and is not an addendum to this thinking. The second determination of mindfulness indicates how philosophy becomes mindful of itself by daring unto the mandate (Bestimmung) of what is set ahead (Voraus-gesetztes) of philosophy - a daring unto what is to be en-thought, as that which by virtue of this en-thinking is to be grounded in Da-sein so that the mystery of man's being will be saved rather than dissolved. (GA 66/47) What is set ahead of philosophy is be-ing's inexhaustible enowning-throw, which enowns philosophy, i.e., lays out in advance the direction which philosophy's self-mindfulness has to take if philosophy as being-historical thinking is to be mindful of this inexhaustibility. Being-historical thinking as mindfulness is enowned by be-ing's enowning-throw, by what is set ahead of philosophy and thus originates from within what is set ahead of philosophy. This means that mindfulness is not something added to what is set ahead of philosophy. The second determination of mindfulness in terms of such a daring makes clear that mindfulness constitutes being-historical thinking and is not an addendum to it. The third determination in which philosophy becomes mindful of itself is indicative of man's entry into the truth of be-ing: In and through mindfulness and guided by questioning man enters the truth of be-ing and thus he takes him-"self ' into the essential transformation that herewith springs forth, i.e., he takes him-"self' into the expectancy (Anwartschaft) of Da-sein. (GA 66/ 48) Stressing the expectancy of Da-sein, this third determination of mindfulness shows how removed Da-sein is from a general essence of man. For, the closest that man comes to Da-sein is by way of being admitted into the expectancy of Da-sein. This third determination of mindfulness makes clear that Da-sein cannot be thought of as a
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self-evident possession ... never as a general determination ... but as what is rare, noble and sustaining ... 11 This means that being-historical thinking as philosophy's mindfulness of itself takes place within the expectancy of Da-sein which is not the same as possessing Da-sein. Being-historical thinking is mindful of such an expectancy, which shows that mindfulness is constitutive of being-historical thinking, rather than being an addendum to it. The fourth determination of mindfulness shows how philosophy becomes mindful of itself as the overcoming of "reason" - be it as mere taking-in ( Vernehmung ) of what is pre-given (νους), be it as calculating and explaining (ratio ), be it as planning and securing. (GA 66/48) As mindfulness of itself philosophy overcomes reason, i.e., that which with the inception of the first beginning dominates thinking, first as νους, and then as calculating, explaining and securing. The fourth determination of mindfulness then shows how mindfulness inheres in the overcoming of reason. This means that since being-historical thinking is mindful of the overcoming of reason, mindfulness is constitutive of being-historical thinking and is not an addendum to this thinking. The fifth determination of mindfulness points to attunement. Mindful of attunement, philosophy is mindful of itself as being completely under the disclosing power of attunement: Mindfulness means being attuned by the grounding-attunement of man insofar as this attunement attunes and thus determines man unto be-ing, unto the groundership of the truth of be-ing. (GA 66/49) Reservedness (Verhaltenheit ), the grounding-attunement of being-historical thinking, attunes this thinking from the ground up. It thus shows that without the disclosure which is attunement, no mindfulness, and no being-historical thinking can be enacted. This indicates that, attuned by reservedness, being-historical thinking unfolds as mindfulness. This means that mindfulness is constitutive of and not an addendum to being-historical thinking. Finally, the sixth determination of mindfulness points to language and word as constituting a domain in which philosophy becomes mindful of itself: Philosophy: this sole struggle for the imageless word "of' be-ing, in the epoch of asthenia for and disinclination toward the essential word. (GA 66/ 49) This shows that being-historical thinking as mindfulness is always a mindfulness of essential language and essential words as they belong to being. Reflecting 11
Paola-Ludovika Coriando, "Zu Hölderlins Wesensbestimmung des Menschen," in Vom Rätsel des Begriffs: Festschrift für Friedrich-Wilhelm von Herrmann zum 65 burtstag (Berlin: Duncker & Humblot, 1999), pp. 185-186.
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the essential domain of language and word, mindfulness constitutes being-historical thinking and is not an addendum to it. Considering our discussion of the areas of concern indicated with (a), (b) and (c), we must conclude that unfolding of being-historical thinking as mindfulness of the historically transforming swaying of be-ing is, as mindfulness, not an addendum to being-historical thinking. Since mindfulness is not an addendum to being-historical thinking, Heidegger with the work entitled Besinnung neither revises Contributions nor offers a commentary on being-historical thinking. To take Besinnung as a commentary on Contributions is tantamount to assuming that mindfulness is something other than the unfolding of being-historical thinking. But considering the unfolding of being-historical thinking in Contributions and the six determinations of mindfulness in Besinnung , we have to regard this assumption as totally unfounded. This means that the relationship between Besinnung and Contributions is already determined by the unfolding, within Contributions , of being-historical thinking as mindfulness. Instead of getting mired in the chronology of 1936-38 and 1938-39 and tacitly assuming that Besinnung is a commentary on Contributions - thus unquestioningly succumbing to the hegemony of chronological sequentiality - we must grasp the relation of these two works in light of a temporal co-originality which dislodges that hegemony.
Ill By working out the ties between ontological difference and enowning and by demonstrating that being-historical thinking unfolds as mindfulness, we enunciate the minimum requirements that philosophy should meet, if it is to recognize the need for a renewed appropriation of Heidegger. Rather than obstinately and unquestioningly holding on to the entrenched assumptions that determine the appropriation of Heidegger's work up to now, philosophy should seriously attend to the issue of ontological difference as what emerges from within the first beginning and determines its entire course. This means that it should relinquish the notion that Heidegger's thought must be divided into a Heidegger I and a Heidegger II. For, the inception of being-historical thinking from within a transformed thrownness - from within a thrownness that is enowned by enowning - demonstrates how misleading it is to assume a "break" in Heidegger's thought and to divide his output into a Heidegger I and Heidegger II. Morover, the inception of being-historical thinking from within a transformed and historically enowned thrownness renders totally irrelevant all the attempts to see enowning as already occurring in Heidegger's early thinking. If being-historical thinking has its inception in the transformation of transcendental-horizonal determination of thrown-projecting-open, then the path of think-
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ing that Heidegger traverses with and after Being and Time is a path of a transformed but continuing unfolding of the thinking of being. It is a transformed thinking of being, because thinking of being as thinking of enowning is nowhere to be found in the works of Heidegger prior to, and including, Being and Time. And yet this thinking represents a continuing unfolding because being-historical thinking has its inception within a historically transforming thrown projecting-opening. One important consequence of such an understanding of Heidgger's path of thinking is recognizing as irrelevant the point that H.-G. Gadamer has made in talking about a "turning before turning," 12 and in placing the turning in Heidegger's thinking before Being and Time. Finally, with the realization that mindfulness is not an addendum to being-historical thinking but is its unfolding, our relationship to Heidegger's language of thinking appears in a new light. Since this language is shaped from within a "saying" which is itself the swaying of be-ing, we must regard as irrelevant and counterproductive any attempt that would take this language out of that "saying" in order to force it into another language which is presumed to be "more" intelligible than Heidegger's. This is to suggest that the key for entering into being-historical thinking of Contributions and Besinnnug does not lie in "translating" Heidegger's language of thinking into another "more" intelligible language but precisely in dwelling in Heidegger's language of thinking itself.
12
Cf. Hans-Georg Gadamer, Gesammelte Werke, vol. III. (Tübingen, 1987) p. 418. See also Tomy S. Kalariparambil, Das befindliche Verstehen und die Seinsfrage (Berlin: Duncker & Humblot, 1999) p. 72 ff.
De Fun et de l'autre Jürgen Gedinat
Quel rapport peut-il bien y avoir entre le tome 65 et le tome 66 de l'Édition intégrale des écrits de Heidegger - entre les Beiträge zur Philosophie 1 et la Besinnung 2? D'un point de vue strictement chronologique, la Besinnung succède aux Beiträge, tandis que les Beiträge , dira-t-on, précèdent la Besinnung. S'agit-il alors d'une relation de précession et de succession? Les dates de parution 3 des deux volumes et leurs élaborations respectives appartiennent assurément à deux temporalités distinctes. Mais s'il en va du «philosopher», en quoi la simple succession chronologique de deux ouvrages est-elle susceptible de nous instruire quant à la démarche suivie par leur auteur dans l'un et l'autre de ces deux ouvrages? Lorsque nous posons la question du rapport entre deux ouvrages proches l'un de l'autre, voire consécutifs, tels que ceux que nous venons de mentionner, c'est en règle générale afin de mieux prendre la mesure de la démarche propre au penseur concerné; en une telle tentative, le critère nous est donné par l'histoire de la philosophie - histoire qui est elle-même une mesure. La philosophie trouve sa propre temporalité au sein d'une histoire qui ne ressortit pas à une simple consécution. Force nous est pourtant de considérer que l'ordre, tout extérieur, qui est celui de la tomaison répond bien, d'une manière ou d'une autre, à celui qui préside à la rédaction de l'un et de l'autre tomes. Chacun d'eux trouve sa place dans le cadre de l'Édition intégrale, au sein des «traités non publiés», et en ce sens, au sein de ce qui, l'espace de quelque cinq décennies, fut retenu dans les archives, pour paraître seulement après la publication des «Cours», lesquels avaient déjà trouvé une audience auprès de leur public. La raison d'une telle retenue trouve peut-être son origine dans le fait que les Beiträge et la Besinnung abritent ce qui est réservé à la pensée. Or, «au premier contact avec les Beiträge , le lecteur habituellement fait un mouvement de recul, non sans quelque frayeur» 4. Une frayeur de même ordre se trouve évoquée par 1
M. Heidegger, Beiträge zur Philosophie. Vom Ereignis,
GA 65, V. Klostermann,
Frankfurt/Main 1989, éd. par Fr.-W. von Herrmann. 2 M. Heidegger, Besinnung, GA 66, V. Klostermann, Frankfurt/Main 1997, éd. par Fr.-W. von Herrmann. 3 Une traduction française de ces deux œuvres n'est pas encore parue.
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Héraclite dans le fragment Β 87; il n'y a rien toutefois, en cette frayeur, dont nous devions avoir honte, ni qui résulte nécessairement d'un sacro-saint respect à l'égard de Heidegger: Βλάξ άνθρωπος επί παντί λόγω έ πτοησθαι φιλεΐ «l'homme faible tend à s'effaroucher à tout mot (λόγος!)». L'homme qui est enclin à s'effrayer face à la parole en vient, du fait de cette inclination même, à éprouver un faible à son endroit. À tous ceux qui, au contraire, manifestent quelque fermeté face à la parole, convient bien davantage le langage propre aux cours universitaires. De tels cours sont susceptibles d'être lus comme une propédeutique à ce qui, dans les «traités non publiés», se déploie au sein d'une parole plutôt inusitée, attentive aux phénomènes eux-mêmes et à eux seuls. Les Beiträge et la Besinnung relèvent de cette manière de parler. Afin d'aborder comme il convient la question du rapport entre nos deux tomes, il pourrait être opportun de nous tourner vers une autre distinction établie par la pensée heideggerienne - à savoir la distinction qui concerne avant tout «les chemins et les modes sur lesquels s'expose et se communique»5 une pensée en son entier - pensée qui exige foncièrement, quant à elle, une modification originale de la philosophie. Or si la philosophie devait ne pas demeurer inchangée, ce n'est pas en dernier ressort pour avoir en vue tout ce qui, par là-même, se voit alors orienté par la fugue de Vestre. Afin de se conformer à cette exigence, la pensée, en tant qu'elle est devenue autre, se comprend elle-même comme inaugurale. Dès lors, le langage familier à (et de) la philosophie n'est plus de mise, ce qui implique qu'«en sa première configuration, la fugue ne peut échapper au risque qu'elle encourt d'être lue comme un vaste "système", et enregistrée comme telle. Mettre en relief des questions singulières (telles que U Origine de Γ Œuvre d'Art ), cela demande que l'on renonce à ouvrir et à établir de manière homogène le domaine entier de la fugue.» 6 Parmi ces modes et chemins auxquels il vient d'être fait allusion, Heidegger indique deux variantes possibles dont la première, en laquelle il ne s'agit pas de mettre en relief des questions singulières, comprend les Beiträge et la Besinnung. Ces livres sont à mettre au nombre des œuvres qui mettent assurément le lecteur à rude épreuve, et elles encourent le risque que l'on se méprenne à leur sujet. Il s'agit de deux œuvres inaugurales, chacune à sa manière: en elles a proprement lieu cette ouverture qu'est, au sens propre, l'inauguration du tout qu'est la pensée historiale de la fugue de l'estre. Le risque qu'il y a, pour ce tout, d'être compris 4
Fr.-W. von Herrmann, Wege ins Ereignis , V. Klosermann, Frankfurt 1994, p. 21 "Bei der ersten Begegnung mit den »Beiträgen« schreckt für gewöhnlich der Leser zurück." 5 GA 65 p. 59 - "... die Wege und Weisen der Darstellung und Mitteilung ..." 6 GA 65 p. 59-60 - "Die erste Durchgestaltung der Fuge ... kann nicht der Gefahr entgehen, wie ein weitläufiges »System« gelesen, d.h. zur Kenntnis genommen zu werden. Die Heraushebung einzelner Fragen (Ursprung des Kunstwerks) muß auf die gleichmäßige Eröffnung und Durchgestaltung des ganzen Fugenbereichs verzichten."
De un et de autre
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comme un "système" s'applique à vrai dire plutôt aux Beiträge qu'à la Besinnung - cette dernière œuvre ayant, quant à elle, sa manière propre d'entendre l'ordre auquel elle obéit. Y aurait-il donc, au sein même de la fugue de l'estre, quelque chose comme une inflexion de la pensée, telle qu'elle se déploie tour à tour dans les Beiträge et dans Besinnung ? Tâcher de répondre à cette question exige de prendre en considération la question fondamentale (de la philosophie): comment l'estre est-il son aître; comment l'estre déploie-t-il son aître; comment l'aître se déploie-t-il?7 Mais, demandera-t-on peut-être, est-il bien nécessaire, pour interroger simplement le rapport qu'il y a entre ces deux œuvres, de reprendre cette question au fond vertigineuse (au moins sous sa forme immédiate) et à laquelle semble se refuser la langue ellemême, ou du moins la langue habituelle? Cette question nous semble devoir appeler une réponse affirmative. C'est là une nécessité qui s'impose pour autant que la question fondamentale évoquée - même si la "vérité" qui est la sienne devait demeurer ignorée longtemps encore - cette question, disions-nous, tend à régir tout questionnement philosophique et par là aussi celui du tout que constituent les Beiträge , comme celui du tout que constitue la Besinnung. Vu qu'il s'agit là d'une question dont la nécessité n'apparaît qu'avec Heidegger, vu en outre que c'est elle qui, après tout, rend explicite l'exigence du penser historial de l'être, c'est dans l'élément de cette pensée, voire dans l'aître de l'être même, que se noue le rapport entre les Beiträge et Besinnung. Rappelons donc la question dont la nécessité s'impose ainsi: comment l'estre est-il son aître de telle sorte qu'il puisse requérir divers modes et chemins appropriés pour exposer et communiquer le sens qui est le sien? Et pour reprendre à présent, forts de la nécessité que nous venons de dégager sommairement, notre question initiale: en quoi pourrait bien consister la différence, ou pourraient bien consister les différences entre les tomes 65 et 66? Pour autant qu'il s'agit, dans ces deux écrits, d'un questionnement profondément original (ces deux œuvres projetant chaque fois ce qui est à penser en son entièreté), «il n'y a pas en l'occurrence de "développement" graduel» 8, et tout aussi peu y a-t-il un développement de ce genre entre les différentes positions du questionnement de l'être, questionnement aussi original qu'il se peut. Supposer un développement de ce genre, à savoir graduel, entre nos deux écrits, cela s'avère même être une supposition intenable, vu que ceux-ci s'inscrivent dans «le déploiement de l'aître de la vérité se déployant»9 d'où proviennent seulement le temps et l'espace requis par tout développement. La vérité de l'estre se déploie en son aître. Et ce n'est qu'en son aître que nous devons sonder les modifications 7
Ces trois questions développent la question unique: .. wie west das Seyn? ..." (GA 65, p. 387). 8 G A 65, p. 85 - "Es gibt hier keine gradweise »Entwicklung«." 9 G A 65, p. 386 - .. die Wesensentfaltung der Wesung der Wahrheit..
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ou les inflexions décisives10 qui permettent d'établir des distinctions entre les Beiträge et Besinnung. «Les "modifications" prennent leur source dans le caractère abyssal croissant de la question de l'estre elle-même.»11 La distinction entre développement et déploiement, telle qu'elle apparaît ici, ne relève pas du fait qu'il y aurait deux processus qui se produiraient simultanément de différentes façons, ni non plus que, par contraste avec le terme de développement, celui de déploiement semblerait, aux yeux de Heidegger, plus approprié pour dire l'aître de la vérité. Cette distinction, c'est dans l'histoire du déploiement lui-même qu'elle trouve lieu. Comprendre l'histoire, par exemple, comme un développement (progressif) au cours duquel il reviendrait à la philosophie d'occuper une place lui octroyant une autorité insigne, cela équivaudrait à devoir situer également toute œuvre philosophique dans la projection de cette histoire et de son mouvement. Or c'est avec les Beiträge que s'opère un changement radical, ou du tout au tout - y compris de ce que "changer" peut vouloir dire en matière de philosophie. Ce changement est à la fois le commencement "complémentaire" du premier déploiement historial de la vérité, et il interdit, en tant que tel, des contributions à un développement philosophique. Ce serait pourtant un malentendu de s'imaginer que ce commencement n'aurait eu lieu qu'une seule fois dans une seule œuvre, vu que, comme le souligne un cours très légèrement antérieur, ce qui est dès lors à penser «a toutefois pour vérité interne la richesse inépuisable de ce qui est chaque jour comme au premier jour.» 12 Il n'en a pas moins fallu un certain temps pour que la philosophie se fasse jour et, ce jour venu, apprenne à se rapporter à celui-ci avec tous les égards qui sont dus. «La philosophie relève de l'estre; elle appartient à celui-ci, et cela non pas simplement comme façon à elle, la philosophie, de le saisir lui, l'être, mais bien à titre de déploiement de l'aître de la vérité appartenant à l'estre. C'est au sein de cette vérité que la philosophie trouve son histoire: or, parce qu'elle est l'abîme, la vérité de l'estre se prend d'abord et pour longtemps dans une apparence, à savoir cette apparence dans laquelle l'être en tant qu'étantité épuiserait ... l'aître de l'estre, selon laquelle l'être se passerait fort bien au fond de la démarche importune à son égard qui consiste à le représenter.» 13
10 Les modifications dont Heidegger parle à l'égard du chemin qui va de la perspective transcendentale-horizontale à celle de l'historialité de l'estre (42. Von »Sein und Zeit« zum »Ereignis «, GA 65, p. 84-87) peuvent, sous certaines réserves, aussi concerner les différences et concordances des tomes en question. 11 GA 65, p. 85 - "Die »Änderungen« entspringen der wachsenden Abgründigkeit der Seynsfrage selbst,...". 12 M. Heidegger, Einflihrung in die Metaphysik, M. Niemeyer, Tübingen 1987, p. 74 "... hat allerdings den unausschöpfbaren Reichtum dessen zur inneren Wahrheit, was jeden Tag so ist, als sei es sein erster Tag."
De l'un et de l'autre
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Heidegger parle ici de l'histoire de la vérité de la philosophie. Cette histoire commence par une apparence (captieuse) de la vérité; apparence dans laquelle celle-ci «tombe» (au sens où l'on «tombe dans le panneau») et «se prend» tant qu'elle n'apparaît pas encore dans le déploiement de l'aître de l'estre. Dès son début, la philosophie se tient dans l'erreur selon laquelle l'étantité en tant qu'être épuiserait l'aître de l'estre. Pariant pour l'étantité de l'étant, la philosophie a certes pu y gagner tout l'éclat de la profondeur qui véritablement lui revient. Pourtant, le jour venu où la vérité s'avère ne s'être déployée, pour commencer, qu'en une apparence, la philosophie est appelée à larguer les amarres qui la retenaient dans l'apparence en question; et c'est à présent seulement que peut commencer l'inauguration de la vérité de l'être en son entier. Toutefois, Heidegger ne dit pas pour autant que c'est la philosophie qui serait prise, pour ainsi dire, dans les filets ou les rets de cette apparence, ni non plus qu'elle aurait succombé au charme de l'apparence : c'est la vérité, nous est-il dit, qui s'y prend et se prend à ce jeu. Heidegger parle de l'histoire de Mestre. «Parce que la philosophie dit l'estre, et que, ... dans ce dire elle est l'estre même .. .» 1 4 , elle est, à la différence de la poésie, appelée par l'estre à penser celui-ci en une sobriété originale autant qu'unique. Et pourtant, faute de l'apparence en question, il n'y aurait ni vérité, ni philosophie, ni histoire, il n'y aurait pas même la possibilité d'un commencement autre du penser, tel que celui qui s'engage à répondre de l'inépuisable tout de la vérité en son histoire; toujours est-il qu'en vérité, celle de la philosophie ne fait qu'un avec celle de l'estre. Quant à un commencement du penser, nous pouvons et même nous devons envisager dans l'histoire de la philosophie une distinction décisive, relative à la diction de l'estre, à savoir: la distinction entre le premier commencement, répondant à une apparence de la vérité, et l'autre commencement, assumant son héritage en tant que tel. L'altérité qui prévaut ainsi entre le premier commencement et l'autre commencement régit tout ce qui, de ce fait, est appelé à "changer" parmi les œuvres qui parlent de l'aître historial de la vérité, y compris les Beiträge et Besinnung. Toutefois, il ne s'agit pas avec l'autre commencement, comme on sait, de congédier purement et simplement l'apparence dans laquelle la vérité "se prend". Même si l'apparence concerne foncièrement la projection grecque de la φύσις et celle de toute la métaphysique dont elle est porteuse, cela ne veut pas dire pour autant que la pensée historiale de l'estre puisse se tenir quitte de cette apparence. 13
GA 66, p. 53-54 - "Die Philosophie ist des Seyns; sie gehört diesem, nicht etwa als die Art nur seiner Erfassung, sondern als die Wesung der dem Seyn zugehörigen Wahrheit. In dieser Wahrheit hat die Philosophie ihre Geschichte: die Wahrheit des Seyns verfängt sich aber, weil sie der Ab-grund ist, zuvor und lange Zeit in einem Schein: daß das Sein als Seiendheit das Wesen des Seyns erschöpfe ..., und daß das Vorstellen des Seins nur eine Aufdringlichkeit zu diesem sei, deren das Seyn entbehren könnte." 14 GA 66, p. 51 - "Weil die Philosophie das Seyn sagt, und ... im Sagen das Seyn selbst ist,..."
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On serait plutôt tenté de croire, bien au contraire, que celle-ci demeure un trait inévitable dans l'aître de la vérité historiale. Mais d'où vient cette tentation? Tout d'abord, et tout simplement, du fait du temps auquel cette apparence se conjugue sous la plume de Heidegger: au présent. Il se pourrait dès lors qu'une pensée qui, pour dire la vérité débarrassée d'erreurs, tente d'éliminer toute apparence, doive par avance avoir commencé par ignorer la "présence" de cette apparence. En outre, il s'agit d'une apparence propre 15 à la vérité, et qui n'est donc pas, en quelque sorte, à la disposition des penseurs, qui, eux, sont disposés en elle à dire pour longtemps l'être comme étantité, et cela tant que la vérité déploie son trait abyssal de gouffre. Nous avons beau vouloir éliminer de la philosophie toute apparence, une telle volonté se tient déjà disposée dans cette même apparence originale, dans laquelle la vérité reste captive. Si la philosophie qui dit l'estre est elle-même l'estre, elle peut se trouver appelée, au moment où l'apparence originale fait son apparition dans l'être, à assister au déploiement par lequel la vérité se dévoile en son propre rapport à l'apparence. Ne pas insister sur l'exclusive obéissance aux indications de l'apparence longtemps ignorée, mais bien prêter l'oreille à la diction de l'estre en s'exposant à l'inépuisable trait abyssal de sa vérité, telle est la démarche que la Besinnung nous invite à épouser, et la sollicitation pour ainsi dire motrice de cet écrit. Telle est aussi la raison pour laquelle le fait que cette apparence s'insère entre l'abîme de la pensée historiale de l'estre, seule à même d'en prendre la mesure, et, d'autre part, le point de départ dans la recherche de Γ étantité de l'étant (qui se présente à cette recherche comme la base sur laquelle elle se fonde) doit nous inciter d'autant plus à éprouver la signification que revêt cette apparence comme à nous en instruire. En représentant l'étant sur fond d'étantité, la pensée philosophique ne fait rien d'autre que jeter l'étant comme on jette l'ancre - la philosophie y trouve en premier lieu son fondement, d'où elle relève toutes ses dispositions. Dès son premier commencement, et pour longtemps, la philosophie demeure engagée par l'être en tant qu'étantité de l'étant. Or, en de telles projections, la philosophie ne peut ni dire ni être - quoi donc? L'estre. Quel est donc l'obstacle suffisamment puissant pour qu'il soit susceptible de l'empêcher de se déployer de la sorte? Quel pourrait bien être l'obstacle infranchissable à la pensée dès son premier commencement, obstacle qui ainsi désignerait l'autre commencement de la pensée? Ce n'est ni le fondement ni son apparence, ni non plus l'apparence originale elle-même. En sorte qu'il est permis de se demander si, au fond, le déploiement de la philosophie ne serait pas lui-même entravé par l'affaire qui est la sienne, par quelque apparence captieuse, ou encore par une fin de non-recevoir opposée à l'affaire qui est la sienne. Car qu'est-ce qui pourrait bien faire figure d'empêchement, pour la pensée de l'estre, sinon l'estre 15 Voir notamment Γ exposition de ce rapport dans L'origine de œuvre d'art, in: Holzwege ?, V. Klostermann, Frankfurt/Main 1980.
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lui-même? En quoi la pensée a-t-elle connu un empêchement tel, dans son rapport à l'estre, qu'elle ait dû en passer, historialement parlant, par deux commencements? De quelle "présence" cet empêchement peut-il bien jouir - ou non - pour que la pensée soit susceptible de se méprendre du fait même de cet empêchement? À quoi attribuer une telle méprise relative à la distinction du premier commencement et de l'autre commencement? Quel en est le mobile? Comment un tel commencement autre peut-il estimer, voire vénérer le premier commencement, jusqu'en sa méprise et en son mobile? Autant de questions appelées par les deux écrits dont nous nous efforçons de mieux cerner le rapport, et auxquelles nous allons tenter à présent de faire droit. L'autre commencement de la pensée met enjeu plus originalement ce qui est en question dans le premier commencement. Historialement, ce que ces deux commencements ont en commun, et c'est là du reste l'unique question enjeu ici, n'en abrite pas moins une différenciation interne, différenciation telle que c'est à l'autre commencement que s'ouvre le fondement de cette différenciation, comme abysse, comme gouffre qui, quant à lui, et à partir de là, revendique chaque fois des modes différents dans le dire relatif à l'un et à l'autre - comme c'est le cas avec les Beiträge et Besinnung. Ces deux écrits s'engagent à dire, chacun à sa manière, la diction abyssale de l'estre. Ceci dit, il revient à la pensée de l'estre, pour autant qu'elle est au fait de sa propre dimension historiale, de dire cette dimension historiale en tant que provenance sienne. Et vu que l'histoire de l'estre ne s'épuise pas en un passé (quelconque), la pensée de l'estre est appelée à s'orienter chaque fois de manière toujours plus originale. Or l'origine en question dispose (de) toute pensée, et lui réserve la dimension historiale qui lui revient en propre. C'est en elle, en cette dimension historiale, que la philosophie parle, chaque fois que parole philosophique il y a. On voit dès lors que la différence qui s'établit entre les Beiträge et Besinnung ne trouve pas son origine ailleurs que là où s'établit la différence entre premier commencement et autre commencement de la pensée, parce que c'est cet autre commencement qui répond proprement à son origine en tant que telle. Mais cette réponse ne lui est possible, à son tour, qu'en vertu d'un déploiement originel de l'aître historial de l'estre, dont la vérité ne se contente pas de se prendre dans une apparence. Si, aujourd'hui, cette vérité, qui est historiale, demande à être dite chaque fois plus originalement, il s'avère nécessaire, eu égard à l'aître de la pensée en sa provenance, de dire l'origine de l'emprise de la vérité. Dès lors, la question du rapport entre les tomes 65 et 66 de l'édition intégrale des écrits de Heidegger ne peut pas ne pas prendre en considération la dimension historiale de cette apparence originale de la vérité. Aussi bien le tome 65, à savoir les Beiträge , que le tome 66, Besinnung , abordent la question de l'apparence ignorée par le premier commencement, en se demandant à quoi tient cette ignorance; au sein de l'histoire de la pensée, ces deux
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ouvrages sont bien tributaires du premier commencement au moins en ceci qu'il leur importe de s'en démarquer. Mais il ne suffit pas de comparer les contenus respectifs de ces deux écrits. Comme il y va en eux de l'estre historial en son entier, il est nécessaire de les situer dans l'aître du déploiement de la vérité même - jusques et y compris en sa première emprise. Vu qu'il s'agit de la philosophie à laquelle il revient de dire l'estre, il faudrait donc distinguer les Beiträge et Besinnung en fonction de la diction de l'estre repérable ici et là. Comment dès lors établir cette distinction, si c'est l'estre qui se distingue en son aître, et si cette distinction n'est jamais sans être dite? Afin de pouvoir répondre à cette question, il convient de prendre en considération le fait qu'avec les Beiträge, non moins qu'avec le tome intitulé Besinnung , il s'agit d'un tout, d'un tout qui chaque fois est dit du tout (ce tout qu'est l'estre en son déploiement). Or ce dernier n'est dit, lors de son premier commencement, ni entièrement ni en tant que tout; il est dit en fonction de l'apparence qui, quant à elle, n'est pas dite non plus - voilà pourquoi ce tout n'y est pas entièrement. (Ne serait-ce qu'en ce sens, le tome 65 comporte, comme son titre de Beiträge l'indique, des apports à la philosophie.) Mais comment ce qui n'est pas dit au premier commencement se dit-il dans l'autre commencement de la philosophie, vu que c'est là ce qui reste en souffrance, restant à être dit? Sans oublier ce qui n'a rien de subsidiaire: sur quels modes nécessaires, et nécessairement différents? Dans Besinnung , il est dit que, pour la pensée du premier commencement déjà, l'être en tant qu'étantité est une détermination exhaustive de l'aître de l'estre, et que l'estre se passerait fort bien au fond de la démarche importune à son égard qui consiste à représenter l'être. Mais a-t-il jamais semblé à qui que ce soit que cet être épuise l'estre? On parle d'ordinaire de faux-semblant, par opposition à ce qui ressemble plutôt au vrai, au vraisemblable, à ce qu'il faudrait pouvoir appeler le vraisemblant. Toujours est-il que notre question est la suivante: pour que puisse se produire une pareille semblance, à savoir celle selon laquelle l'être en tant qu'étantité aurait pu sembler épuiser l'aître de l'estre, ne faudrait-il pas que l'être et l'estre, en leur différence visible mais inaudible, se fussent déjà décelés à la pensée? De même pour ce qui est de représenter l'être: comment peut-on estimer, en toute semblance, que l'estre pourrait se passer de la représentation de l'être, sans qu'avec l'être aussi l'estre serait parvenu à la pensée? Les premiers penseurs ont-ils jamais affirmé que l'être épuiserait l'estre? Ont-ils jamais pensé l'estre comme susceptible d'être épuisé? En vertu de son caractère abyssal, l'estre n'est pas susceptible d'être épuisé - fût-ce par l'être (de l'étant). Mais nombre de questions se pressent ici, qu'il nous faut au moins tenter de formuler: a-t-il jamais été question pour les premiers penseurs, ou pour ceux qui sont venus à leur suite, d'un estre tel qu'il aurait été susceptible de se passer de la représentation de l'être? L'aître de l'estre n'aurait-il pas dû, dès lors, concerner tel ou tel penseur, pour rester dans le cadre de notre supposition, de telle sorte que l'estre puisse être nonobstant son aître? Un penseur a-t-il jamais considéré sa pensée comme impor-
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tune à l'égard de l'être? Si tel était le cas, l'attitude même de la pensée serait sans doute devenue autre, elle aurait été provoquée à devenir autre. Mais parler de ce qui "importun", n'est-ce pas là se situer en porte-à-faux de tout χρή δε et de toute άνάγκη, tels qu'ils apparaissent chez les premiers penseurs? Comment Heidegger peut-il soutenir ce qui, d'un point de vue strictement historique et "logique", semble bien insoutenable? La question de la diction de l'estre, telle qu'elle apparaît dans Besinnung , devrait nous aider à y voir plus clair en ces questions. Le fragment 118 d'Empédocle dit: Κλαΰσά τε και κώκυσα ίδών άσυνήθεα χώρον. - «J'ai pleuré et j'ai geint lorsque je vis ce lieu inhabituel.» S'apercevant de ce χώρος, de cette vaste contrée, Empédocle, donc, se lamente. Mais ce n'est pas un quelconque χώρος qui lui procure cette affliction, c'est le χώρος άσυνήθης, le χώρος privé (ά-) d'une commune (-συν-) demeure habituelle (ήθος). Qui va voir cette large contrée se trouve dépourvu des choses familières. Eu égard à ces choses-là, ce χώρος doit nous paraître bien vide et bien vain, même si ce qui cause en l'occurrence de l'affliction, ce n'est pas tant l'effroi causé par cette étrange et immense étendue, que l'absence d'étant et de tout ce que celui-ci a pour nous de familier, nous permettant de nous y retrouver, bref: l'absence en ce lieu de tout ce qui serait susceptible de nous offrir quelque chose comme un appui. En nous orientant foncièrement d'après l'étant, c'est à lui aussi que nous donnons notre parole. Mais comment pourrions-nous, à partir de l'étant, apprendre les mots qui diraient le χώρος άσυνήθης? N'est-ce pas en cette disposition lamentable que, par la force des choses, nous nous trouvons interdits (de séjour), au point d'en pleurer et d'en gémir? Toutefois, dans cette stupéfaction face à ce χώρος, l'homme redouble d'attention pour l'étant. Ce n'est pas seulement l'étrange χώρος qui, vu qu'ici nous en ignorons les mots, nous fait pleurer et geindre, mais c'est aussi ce manque de savoir. Bien que l'attachement à l'étant empêche Empédocle de dire les mots qui conviendraient au χώρος άσυνήθης, ce vide trouve tout de même son assonance dans les pleurs et les gémissements. Pour n'y pas pleurer, ni y geindre, soit il faudrait dire - tout en respectant cette peine - le χώρος άσυνήθης en partant de quelque chose d'autre que l'étant, soit considérer cette disposition comme accessoire, voire inessentielle, et comprendre les gémissements comme une maladresse de la diction. Ainsi, pour Aristote 16 , la manière de parler propre à Empédocle serait un balbutiement ou bredouillement qui, contrairement à la pensée qui n'en trouve pas moins à s'exprimer par là, ne mériterait pas d'attention. Mais cette diction, revientelle vraiment bredouille? C'est bien Empédocle, en effet, qui, d'après Aristote, «a rajouté la terre» 17 aux principes connus à cette époque. Heidegger dit la vérité abyssale et par là insondable. Cette vérité est dite en son "histoire" non pas en ce sens qu'elle aussi aurait une histoire, mais bien parce 16 17
Aristote, Métaphysique I, 3, 985a 5. Aristote, op. cit., I, 3, 984a 8.
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qu'elle est historiale en son aître. En disant que la vérité se prend d'abord et pour longtemps en une apparence, Heidegger ne parle pas des moments du passé de la vérité, il dit l'aître à partir de l'aître même. Il dit l'abîme de la vérité à partir de celui-ci même, par où il dit aussi l'apparence de l'insondable vérité. Mais, ce-faisant, il ne parle pas à partir de l'étant. Ainsi, la philosophie historiale de l'estre est appelée à dire ce qui ne fut pas dit et fut nécessairement passé sous silence, car indicible, lors du premier commencement. Or c'est seulement au dire que peut apparaître quelque chose d'indicible. Vu à partir de l'estre: l'estre est lui-même l'indicible du dire qui ne dit que l'étant, du dire qui, quant à lui, ignore cet indicible. Toutefois, l'estre n'est pas purement et simplement l'indicible; il est en revanche ce qui, comme nul étant, demande pour sa part la parole. Cette parole qu'il demande pour sa part, il ne l'obtient pourtant qu'en la pensée historiale, à laquelle il revient de voir et de dire cette apparence propre à la vérité , et que la pensée ignore lors de son premier commencement, en l'ignorant du fait de l'apparence elle-même. La question du fondement de cette apparence étant une des questions décisives dans la pensée historiale de l'estre, Besinnung l'envisage au sein d'un savoir qui est profondément apparenté à celui des Beiträge , et en même temps d'un savoir qui ne saurait souffrir la comparaison avec celui où a longtemps prévalu une ignorance relative à cette question, encore que cette ignorance appartienne elle aussi de plein droit à l'estre. Si, enfin, avec ce savoir, l'être de l'homme entre en jeu, il serait souhaitable de ne pas comprendre cette apparence, quant à elle, dans la perspective d'un étant, mais de la laisser à l'estre, quitte, de manière inusitée, à partir de là. Autrement dit: tant que nous représenterons cette apparence, nous nous ne prendrons la mesure ni des rapports qui unissent les Beiträge et Besinnung , ni des différences qui les séparent, car une telle re-présentation appartient à l'apparence de la vérité en son emprise. Toute tentative visant à comprendre cette apparence en représentant son être comprendra tout autre chose que l'apparence dans la vérité de l'estre, puisque c'est l'apparence qui dispose de la représentation (loin que la représentation dispose de l'apparence), en sorte que l'emprise en question demeure à l'arrière-plan, à Γ insu de la représentation. La représentation saisira d'autant moins, par là, le fondement indisponible qui est le sien, lui qui pourtant en dispose de telle sorte qu'il dispose la vérité à se laisser prendre dans cette apparence, parce qu'elle est le gouffre, le fond sans fond. En étant ce fond de l'apparence, la vérité est du même coup le fondement de la philosophie enracinée en son premier commencement, philosophie qui, par là, n'a pu oublier de poser la question de l'être alors même qu'elle trouvait réponse à celle de Γ étantité de l'étant. Or cette insouciance eu égard à la question de l'être se tient dans «le site de la décision, de l'unique décision, la plus simple qui soit, à partir de laquelle l'histoire future de l'homme occidental trouve aussi à se décider, à savoir en ceci: est-ce que cela va en rester à cette interprétation de l'être, c'est-à-
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dire à cette indifférence qu'est l'oubli de l'être, ou bien l'oubli de l'être va-t-il ébranler l'être humain (défini en son être essentiel comme animal rationale ), va-til aller jusqu'à l'ef-frayer en un effroi grâce auquel il serait disposé en l'urgence d'une toute autre fondation d'aître .. .?» 18 "Toute autre" - qu'est-ce à dire sinon: à la mesure d'un commencement autre de la question de l'être et, avec elle, un autre commencement de l'être historial de l'être humain - y compris de sa ratio , de son λόγος, s'il trouve ainsi à dire mot? Ce mot - d'où pourrait-il toutefois le tenir (au sens du verbe grec εχειν)? Comment serait-il censé prendre la parole autrement qu'en son ignorance qui joue au sein de l'oubli de l'être, qui lui-même se tient à son tour en l'oubli propre à l'estre lui-même? Comment pourrait-il être en mesure de prendre la parole autrement que comme d'habitude? Et pourquoi, tout bonnement, le devrait-il, et pour quelle parole délivrer? Si nécessité il y a, c'est uniquement urgence de l'estre, lequel, en vertu de son aître, ne peut à aucun moment historial se passer d'une telle invite. L'être humain qui prendrait l'initiative d'une telle invite aurait volontiers laissé la parole à l'estre. Et ainsi, la parole étant autrement commencée, il participerait à une autre fondation de l'être qui, en dernier lieu, ne sera que son être. Cette philosophie n'admet pas, comme base qui serait celle de sa diction, l'emprise de l'apparence non sue, elle la dévoile plutôt comme règne d'un silence historial propre à l'estre qui, de cette manière, laisse "libre" cours au dire de l'être en tant qu'étantité. Mais c'est dans l'héritage assumé de la nécessité que, sur la voie de sa diction, l'aître de l'estre se décide, c'est de là que tire son origine le fondement de cette philosophie. «Or ce fondement ne déploie sa puissance fondatrice que lorsque cette pensive récollection [denkerische Besinnung] tire ellemême sa source du savoir "du" (= génitif historial de l'estre) Da-sein: penser à longs traits, penser (en)vers la vérité de l'estre , quitte à n'interrompre que parfois la voie de la pensée par une phrase jetée en passant, phrase de l'estre de la '
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vente.» Une telle initiation au sens de l'aîtrée - qu'est aussi la Besinnung - pense la vérité de l'estre, et elle dit l'estre de la vérité. En leur appartenance réciproque réside un langage grâce auquel se révèle le fondement abyssal dans lequel se prend la vérité - et ne serait-ce que dans une appa18
GA 66, p. 218 - .. der Ort der Entscheidung, der einzigen und einfachsten, aus der sich die künftige Geschichte des abendländischen Menschen mitentscheidet: ob es bei dieser Auslegung des Seins bleibt und damit bei der Gleichgültigkeit der Seinsvergessenheit oder ob diese den Menschen erschüttert (in seinem bisherigen Wesen als animal rationale) und ihn sogar ent-setzt in einem Entsetzen, dadurch er in die Not einer ganz anderen Wesensgründung versetzt wird,...". 19 GA 66, p. 41 - "Dieser Grund entfaltet jedoch seine Gründungskraft nur, wenn jene denkerische Besinnung dem Wissen »des« (seynsgeschichtlicher Genitiv) Da-seins entspringt: In langen Zügen denken, auf die Wahrheit des Seyns zu denken und diese Gedankenbahn selten durch einen kurz hingeworfenen Satz vom Seyn der Wahrheit unterbrechen." 6*
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rence irreconnaissable. C'est à cette appartenance mutuelle que l'ambition historiale de l'estre doit de dire sensément l'estre en ses modes différents. Est-ce à dire que pareille ambition se confonde avec celle qui donne son titre au tome 66, Besinnung, qui pourrait en un sens être rendu en français par un adverbe, Sensément? Nous laisserons cette question en suspens. Toujours est-il que la pensée propre aux Beiträge exige une récollection sans relâche. Nous devons reconnaître en outre que ce qui est dit dans Besinnung est parfois apparemment identique à ce que disent les Beiträge , tout comme «la question de la vérité "de" l'estre se dévoile en devenant la question de l'estre "de" la vérité. (Le génitif est ici un génitif d'un genre absolument original, impossible à saisir à l'aide des génitifs "grammaticaux" traditionnels.). 20 Si l'on compare ces citations de Besinnung et des Beiträge eu égard à leur contenu et à leur forme, force est de constater que ce contenu est plus ou moins le même, tandis que la forme, quant à elle, est différente. Si d'aventure le contenu de la pensée, en l'un de ses énoncés, devait être tenu pour plus important que la forme que celle-ci revêt, Besinnung ne ferait dès lors que répéter un contenu déjà mis au jour dans les Beiträge. Or la teneur de ces phrases est-elle vraiment susceptible d'être épuisée par les notions de forme et de contenu, voire par des représentations de ce genre? Qu'en serait-il si les phrases en question tenaient leur être d'une diction de l'estre? Le dire de l'estre appartient à la vérité abyssale de celui-ci, et, du fait même de cette appartenance, il est retenu dans le "de" d'un génitif qui demeure fermé et inaccessible à tout dire partant de l'étant. La teneur des deux phrases en question réside en un dire lui-même disposé par un génitif d'un genre propre, original, et dont, pour cette raison même, l'estre ne peut se passer. Même si nous sommes tentés de soupçonner que tout dire de l'estre se tient nécessairement dans ce génitif, celui-ci dispose toutefois ce dire, chaque fois, d'une manière différente, sans quoi il ne pourrait être d'une propriété originale. Dans cette différenciation que projette la pensée historiale de l'estre en son déploiement, les Beiträge et la Besinnung assument chaque fois, ne serait-ce que parce qu'ils s'ouvrent à l'aître de la vérité en son entier, une position inusitée pour le questionnement. Un rapport fondamental se trouve établi par la nécessité de la diction de l'estre. D'où un génitif d'un genre inédit. Loin de constituer l'unique rapport entre les deux traités - rapport qui ne saurait être autre que l'aître de l'estre - ce génitif n'en est pas moins, vu son propre caractère abyssal, le trait fondamental et incontournable qui régit tout le dire du tout qu'il revient à ces deux traités, précisément, de dire. 20
G A 65, p. 428 - "Die Frage nach der Wahrheit »des« Seyns enthüllt sich zur Frage nach dem Seyn »der« Wahrheit. (Der Genitiv ist hier ein ureigener und durch die bisherigen »grammatischen« Genitive niemals zu fassen.)"
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Mais c'est aussi à partir de ce génitif, et en son sein, que se différencient ces deux traités, c'est-à-dire que se différencient leurs manières de parler, chacune étant: dire de l'estre. Si dans les Beiträge ce génitif est évoqué eu égard au dévoilement de la vérité de l'estre en l'estre de la vérité, s'il y est évoqué comme génitif d'un genre propre et absolument inédit, c'est toutefois dans Besinnung que ce génitif est nommé "génitif historial de l'estre", à savoir dans un traité qui évoque, eu égard au déploiement de la puissance fondatrice propre au fondement d'une pensée, la nécessité d'un savoir "du" Da-sein. Une plus ample interprétation de nos deux citations serait sans doute également susceptible de prendre la mesure de la portée du rapport qu'il y a entre le dire de l'estre dans les Beiträge et dans Besinnung , rapport qui n'est pas sans abriter certaines différences, ou, pour mieux dire, sans établir ces différences. Les Beiträge évoquent bien ce génitif, mais Besinnung l'appelle par son nom. La modification dans l'appellation que reçoit ce génitif n'est pas sans signaler un changement dans la manière dont il est reconnu ici et là. Dans Besinnung , il est lui-même un trait projeté de manière décisive de cette projection historiale, c'està-dire de la manière dont se trouve projeté le tout de l'aître propre à la vérité de l'estre, tandis que dans les Beiträge cette manière est avant tout disposée à inaugurer, à établir pour la première fois l'entier domaine de la fugue. La diction propre aux Beiträge se sait être à l'estre et de l'estre, vouée à l'estre et relevant de l'estre. Le tome intitulé Besinnung parle quant à lui résolument à partir de l'appropriation "du" génitif historial de l'estre. Quitte à dire les choses de façon encore assez abrupte, sans doute pourrions-nous formuler les choses ainsi: le rapport entre ces deux grands textes, entre lesquels rapport il y a, est sanctionné par le rapport établi en eux entre le génitif historial de l'estre et l'inauguration de l'aître de la vérité de l'estre. Comme c'est en vertu de ce rapport que le génitif trouve la propriété de son sens original. Mais où résident-elles donc, cette propriété et cette originalité? Nulle part ailleurs que dans la nécessité que soit dévoilé ce qui se fonde sur l'apparence ignorée, soit dévoilé comme étant tenu en et par elle, et qu'en même temps celle-ci soit non pas simplement mentionnée, mais qu'elle soit dite . Cette propriété et cette originalité se trouvent dans la nécessité de ce qui depuis le premier commencement reste Γ indécidé, relativement à cette apparence, et à cause d'elle. Car pour pouvoir la dire, pour pouvoir dire aussi l'aître de son emprise, la diction ne peut pas se contenter d'y revenir comme à son origine propre (grammaticale), il lui faut être elle-même diction originale, à savoir: faire allégeance à la nécessité de la vérité originale. Quant à la nécessité d'amener cet indécidé à sa décision, elle ne peut prévaloir tant que celui-ci ne tire pas sa source d'un savoir "du" Da-sein. Ce n'est en effet qu'avec ce savoir que la diction historiale de l'estre acquiert son propre caractère original. Puisque ce savoir est profondément historial, il atteint aussi, en se fondant
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de manière abyssale, le fondement ignoré du premier commencement, lequel tient en réserve et lui réserve ce qui le motive. Si "savoir" (en allemand wissen), c'est "avoir vu", on pourrait dès lors demander: qu'est-ce donc que le savoir "du" Da-sein a vu? Si ce savoir est indispensable pour que le fondement de l'inauguration pensive qu'est la Besinnung soit à même de déployer sa puissance fondatrice - qu'est-ce donc que le savoir "du" Dasein a pu y voir? Qu'en est-il de la disposition de ce savoir par le génitif historial de l'estre? Il faut bien se demander, en effet, ce qu'Empédocle a bien pu voir, ou dû voir, pour qu'il n'ait plus été en mesure d'en parler. Comme il faut bien se demander quand le savoir "du" Da-sein est propre ou non au dire de l'estre, quand le savoir "du" Da-sein relève ou non du génitif historial; qui, ou ce qui, par ce génitif, a vu, qui ou ce qui y a été vu, bref, qui ou ce qui se trouve concerné par cette nécessité d'avoir-été-vu, pour autant que ce devoir-avoir-vu est synonyme d'un savoir digne de ce nom. Il faut se demander encore qui, à l'origine, est susceptible de se voir concerné par l'exigence d'un tel savoir historial. Autant de questions, à nouveau, sur lesquelles nous aimerions pourtant laisser notre lecteur. Quitte à demander encore, pour finir, si ce n'est pas d'abord au poète qu'il aurait d'abord été réservé de dire, de devoir dire: «[Γ] âme du poète, à ce qui est infini, connue depuis long temps».21
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F. Hölderlin, Wie wenn am Feiertage ..., in: Hölderlin Werke und Briefe, Frankfurt/Main 1969, p. 136 - "... [die] Seele des Dichters,/ ... Unendlichem/ bekannt seit langer Zeit,..."
Insel,
Heidegger und die Griechen Ivo De Gennaro
I. Im seynsgeschichtlichen Denken Heideggers zeigt sich das Wesen der Philosophie. Wir können auch sagen: in diesem Denken lichtet sich eigens, was die Philosophie - das vormetaphysische und metaphysische Denken - als solche auszeichnet. Aus-zeichnen meint im strengen Sinne das ausbringende Einzeichnen ins Wesen - in den Sinn, den etwas hat. Das Auszeichnende ist somit nicht ein gegen anderes abhebendes Merkmal, das an dem dadurch Ausgezeichneten haftet, sondern die Freigabe dessen, was sich in der Zeichnung der Wesenszüge zeigt. Das Zeichnen im Sinne des freigebenden Zeigens ist ein Erscheinenlassen, das sich als dieses Wesenlassen verbirgt. Das ist wiederum im strengen Sinne zu lesen: nicht verbirgt sich im nachhinein, was schon ein Zeichnen ist, sondern das sich Verbergen als solches ist zeichnend, einweisend in Maß und Grenze des Wesens. Was in diesem unscheinbaren Lassen gezeichnet, zum Sichzeigen gebracht ist, steht als Umrissenes im Zeichen dieser zeigenden Verbergung - es ist von ihr gezeichnet. Das Zeichen, in dem die griechisch anhebende Philosophie als solche und im Ganzen steht, ist die lichtende Verbergung, die Auszeichnung selbst. Sie ist der verborgene Grund der abendländischen Geschichte, in den sich die Philosophie, ihn miteröffnend, entwirft und in den sie eingezeichnet bleibt. Die Tatsache, daß sich das Auszeichnende der Metaphysik und des ihr vorausgehenden Denkens eigens lichtet, bedeutet ein Zweifaches. Zum einen gelangt die bisherige Denkgeschichte in eine neue Lesbarkeit, d. h. sie kann wiederholt werden aus dem Hinblick auf die jeweiligen Entwürfe zum Werden dessen, was Heidegger den Urstreit nennt und als Streit von Welt und Erde aus dem Ereignis denkt. Diese Lesbarkeit, die mögliche Zurücklegung ins Geschehen der Lichtung, ist jedoch, weil dieses Geschehen als Verbergungsgeschehen ein künftiges ist, nicht die Erklärbarkeit aus einem Prinzip; sondern sie bringt mit sich die Notwendigkeit, die Zeichen dieser Geschichte aus der sich lichtenden Auszeichnung und auf sie hin, nämlich für ihre eigentliche Gewinnung zu lesen. Diese Situation bestimmt Heideggers Zwiesprache mit den Denkern der Überlieferung. Von dem Augenblick an, da das verbergend Freigebende dieser Tradition zur Sprache gekommen ist, ist die Philosophie in eine Nähe gerückt, die sie
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zumal unmöglich und wahrer macht: unmöglich, weil nicht hinreichend in die Auszeichnung des griechischen Anfangs; wahrer, weil jetzt in der Überführung in die Unmöglichkeit eigens zu entwerfen auf die jeweils zeichnende Bestimmung und aus dieser verwandelt - d. h. immer: verwandelnd das auslegende Denken wieder gewinnbar. Die Nähe, in die die Philosophie für das Denken zu stehen kommt, ist die einer möglichen Freiheit zu (nicht von) ihr - eine Freiheit, welche sie selbst aus ihrem ungehobenen, noch zu sich selbst zu entlassenden Wesensgrund verbürgt. Der Index dieser Auslegungssituation, die einer neu zu gewinnenden Freiheit verpflichtet bleibt, ist der Komparativ. Wir können diesen Komparativ einen seynsgeschichtlichen oder übergänglichen nennen. Er besagt, daß etwa eine Auslegung Kants - eine Kant-Interpretation in der Rückkehr 1 - kantischer zu denken hat als Kant selbst, eine Auslegung Hegels hegelscher als Hegel selbst usf. Heidegger hat den Sinn dieses Komparativs wiederholt präzisiert. „Kantischer als Kant" meint demnach nie eine Überbietung des kantischen Denkens, sondern es meint: Kant zurücklesen in das Einmalige und Unwiederholbare seiner Inanspruchnahme durch das Geschehen der Lichtung. Eine solche Auslegung ist immer ein Sprung ein freier, von vornherein anders als kantischer Entwurf, der, weil fragend zu sich selbst unterwegs, dem, was das Denken Kants bestimmt, rückhaltlos überlassen ist. Diese Einlassung geschieht nicht, um am Denken Kants etwas fortzubauen oder zu emendieren; sondern sie geht ihm entgegen, um es aus seiner ungedachten Auszeichnung begegnen zu lassen. Je rückhaltloser die Einlassung, um so reiner bringt die aus dem Ungedachten erfahrene ursprüngliche Beeinflussung 2 ins Eigene, Unterschiedene. Die Auslegung wird zum Gespräch. Das seynsgeschichtliche Gespräch nennt Heidegger in den Beiträgen zur Philosophie 3 das Zuspiel. Es meint die Einlassung ins zugespielte Andere als Durchlassung, d.h. überspielende Ereignung in die im je eigenen sprachlichen Aufriß ergangene Auszeichnung selbst. Ins Zuspiel gehören, wie es in den Beiträgen heißt, alle »geschichtlichen Vorlesungen«4 Heideggers. Damit ist gesagt, daß das Zuspiel als Fuge des Ereignisses zugleich der Name eines Forschungsprogrammes ist - einer Orientierung für das Suchen, die sich selbst in der Frage bewegt, ob und inwiefern in dem als Lichtungsgeschehen Erfahrenen sich zeigt, was die Philosophie anfänglich in seinem Anspruch hält und mithin im Durchgang durch sie sammelnd freizulegen ist.
1
»Das Seyn ist in sich die Rück-kehr in das Einstige.« Martin Heidegger Die Herkunft der Gottheit. Jahresgabe der Martin-Heidegger-Gesellschaft 1997, S. 7. 2 S. Hölderlins Hymne »Der Ister« (GA 53), S. 61 f. 3 Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (GA 65). Zur fugenmäßigen Durchgestaltung des seynsgeschichtlichen Denkens in den Beiträgen s. F.-W. v. Herrmann Wege ins Ereignis. Frankfurt a.M. 1994. 4 GA 65, S. 166.
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Dieses Forschungsprogramm ist als solches heute kaum zur Kenntnis genommen, geschweige denn kritisch bedacht. Anders als aus dem Richtungssinn dieser Forschungsaufgabe sind Heideggers zugleich frei zeichnende und wortgetreue Interpretationen nicht lesbar. Ein philosophiegeschichtlicher, die Frage nach der Philosophie ausklammernder Zugang zieht an einem Fragen, das im Zeichen des Zuspiels steht, vorbei. Was im Zuge der Grund-Frage nach dem Austrag von Seiendem und Sein an Aufschlüssen über die Geschichte der philosophischen Entwürfe gewonnen ist, muß für jede Anfrage, die sich im Bereich der Leitfrage nach dem Überstieg über das Seiende hält, unergiebig bleiben. Was bedeutet im Durchgang durch die Philosophie das griechische Denken? »Griechisch meint in unserer Redeweise nicht eine völkische oder nationale, keine kulturelle und keine anthropologische Eigenart; griechisch ist die Frühe des Geschickes, als welches das Sein selbst [Anm.: das Ereignis] sich im Seienden lichtet und ein Wesen des Menschen in seinen Anspruch nimmt [Anm.: Brauch - Vereignung], das als geschickliches darin seinen Geschichtsgang hat, wie es im >Sein< gewahrt und wie es aus ihm entlassen, aber gleichwohl nie von ihm getrennt wird.«5 „Frühe" ist nichts Innerzeitliches, sondern ein Ort und Augenblick des Geschickes. Geschick ist das Sich-Zuweisen und -Zumessen eines Gefüges von Erde und Welt im Zuge eines Sichverbergens, u.zw. so, daß der Mensch in seinem Wesen dahin versetzt ist, schaffend-ermessend in diese verborgene Zuweisung hinein- und für sie einzustehen. Wir sprechen vom Griechischen ausschließlich in Bezug auf den ersten Augen-, d. h. Gegenblick des Geschickes. In der Frühe lichtet sich erstmals im Seienden, was dieses als seitnd auszeichnet, nämlich das Sein selbst.6 Dieses Geschick trifft die Griechen. Die Frühe des Geschickes selbst ist somit griechisch, d.h.: Das Menschen wesen kommt frei auf Zug, nämlich in den Bezug eines Geschickes, indem die Griechen mitten im aufgebrochenen Auf-Zug-Sein schaffend zu sich selbst kommen, d.h. ihr Selbstsein finden und so zu den Griechen im geschichtlichen Sinne erst werden. Indem das Sein selbst im Seienden erscheint - d.h.: der Unterschied aufbricht nimmt es „ein Wesen des Menschen in seinen Anspruch": der Urstreit wirft - um im Seienden gewahrt zu sein - den Menschen eigens ins Da-sein: »Da-sein des geschichtlichen Menschen heißt: Gesetzt-sein des Menschen als die Bresche, in die die Übergewalt des Seins erscheinend hereinbricht (...) Als die Bresche für die Eröffnung des ins Werk gesetzten Seins im Seienden ist das Dasein des geschichtlichen Menschen ein Zwischen-fall, der Zwischenfall, in dem plötzlich die Gewalten der losgebundenen Übergewalt des Seins aufgehen und ins Werk als Geschichte eingehen.«7 5 Der Spruch des Anaximander, in: Holzwege (GA 5), S. 336. 6 S. Grundbegriffe (GA 51), S. 41 ff. 7 Martin Heidegger Einführung in die Metaphysik. Tübingen 1987, S. 124 f.
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Griechisch ist die erste Gestaltung des Zwischenfalls des Menschen in die Zwischenkunft des Seins. Die Werke des griechischen Denkens, Dichtens, Bildens und Bauens haben ihren Ursprungssinn daraus, daß sie sich antwortend hineinstellen in das erstmals sich schickende Zwischen. In der griechischen Sprache ergreift das Zwischen als das Sein selbst erstmals das Wort: »Zugleich mit dem Aufbruch in das Sein geschieht das Sich-finden in das Wort, die Sprache.«8 Das Sprechen des Menschen ist jetzt ent-sprechend, d.h.: eigens auf Zug im Anspruch des ins Wort gelangenden Zwischen. Im ausgesetzten Sprechen steht auf dem Spiel die Bändigung der ausgelösten Zwischenkunft als Gründung eines Bestehens des Menschen in seinem zwischenfällig ausstehenden Wesen (Ek-sistenz, In-Ständigkeit).9 Indem die Sprache selbst als Zeichnung des Anspruchs der Zwischenkunft west, wird die Sprach-Gestalt - das Sprechen als λέ γειν - anfänglich von diesem Aufbruch gezeichnet. Ihr ganz ins Erscheinenlassen (άποφαίνεσθαι) gesammelter GrundZug macht die nachlesbare Einzigartigkeit der griechischen Sprache aus. Den Aufbruch von Zwischenkunft und Zwischenfall können wir einen Anfang nennen. Er meint das zurückkehrende Ursprungsgeschehen aller Geschichte (ihr Werden im Riß der Ereignung) und ist somit historisch weder ableitbar noch lokalisierbar, sondern nur ortbar in der Wesung des Seyns. Anfang ist das augenblickliche Sichkundtun des insichgehenden Durchlasses und sagt das Sein selbst als das beziehende Auszeichnen, in welches das gegenzeichnende (entsprechende) Menschenwesen eingezeichnet bleibt. Anfang ist: das Augenblickliche der auszeichnenden Einzeichnung. Der griechische Anfang ist, wie Heidegger sagt, das weiteste Ereignis, sofern in dieser Entscheidung des Da-seins alle Möglichkeiten vorgezeichnet sind: Wenn es, wie Heidegger vermutet, so ist, daß im griechischen Anfang dessen Anfängliches - die Auszeichnung oder Lichtung selbst - sich als solche zurückhält, dann sind von daher einerseits Entwürfe denkbar, die jeweils dem Anrücken des ausgezeichneten Seienden auf den Grund gehen - diese Entwürfe sind die der Philosophie; andererseits kann sich in einem ursprünglicheren Augenblick der Übereignung von Mensch und Sein die anrückenlassende Auszeichnung selbst ergründen lassen - ein dahin übergänglicher Entwurf ist das seynsgeschichtliche Denken. Der Übergang meint nicht den Eintritt in ein neues Zeitalter. Es ist der Entwurf einer freien Wendung innerhalb des in sich kehrenden Entspringungsgeschehens aller Geschichte und Zukunft, d. h. innerhalb des Alters der Zeit: die Rückkehr in ihr noch unerschlossenes Ältestes. Dieses Älteste liegt in der Zukunft, welche die Griechen geschichtlich entspringen läßt und als in sie eingesammelte Ge-wesende dem Denken entgegenträgt. Sie ist das in sich Zurück-kehren des Anfangs als die den Menschen zu sich auszeichnende Lichtung der Verbergung.
« A.a.O., S. 131. »In der Tragödie wird nichts auf- und vorgeführt, sondern der Kampf der neuen Götter gegen die alten wird gekämpft.« (Der Ursprung des Kunstwerkes, in: GA 5, S. 29.). 9
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Das Denken der Rückkehr steht im Zeichen der griechischen Frühe. Den Unterschied des Seins zum Seienden - die vom Menschen gegengezeichnete Verbergung - kann das Denken nur insofern als vergessenen erfahren, als er in den Möglichkeiten des ersten Anfangs »sich schon mit dem Anwesen des Anwesenden enthüllt und so eine Spur geprägt hat, die in der Sprache, zu der das Sein kommt, gewahrt bleibt.« 10 Diese Spur läßt sich aber in dem frühen Wort der griechischen Sprache am ehesten vermuten. Innerhalb des griechischen Anfangs muß - was hier nicht zu leisten ist - zwischen dem vormetaphysischen Denken und der Philosophie im engeren, aber auch strengeren Sinn der Metaphysik unterschieden werden. 11 Denn im Wandel von der ομολογία von φύσις und Menschenwesen, die das Denken im Eintritt in die Geschichtlichkeit bestimmt, hin zur ορεξις als der strebenden Gewinnung des Seinsgrundes, vollzieht sich der Schritt in die Philosophie als Herausdrehung aus dem verborgenen Innehält, der verhaltenen Schwebe des Anfänglichen des Anfangs. Fortan bleibt dieser Anfang mächtig und fruchtbar in der Weise seiner waltenden Vergessenheit. Das Sprechen jener Denker, die das erste verhaltene Aufscheinen der entspringenlassenden Auszeichnung bestehen (und die deshalb die anfänglichen heißen) ist von der nicht eigens erscheinenden Lichtung am unmittelbarsten gezeichnet. Griechisch denken heißt: Aus der eigenen Erfahrung der im Entzug angehenden Rückkehr den Spuren des griechischen Denkens nachgehen und so von Anfang an anders als griechisch denken: »Wenn wir so hartnäckig darauf bestehen, das Denken der Griechen griechisch zu denken, dann geschieht das keineswegs in der Absicht, das historische Bild vom Griechentum als einem vergangenen Menschentum in mancher Hinsicht angemessener zu gestalten. Wir suchen das Griechische weder um der Griechen willen, noch wegen einer Verbesserung der Wissenschaft; nicht einmal nur der deutlicheren Zwiesprache halber, sondern einzig im Hinblick auf das, was in einer solchen Zwiesprache zur Sprache gebracht werden möchte, falls es von sich aus zur Sprache kommt. Das ist jenes Selbe, das die Griechen und uns in verschiedener Weise geschicklich angeht.«12 »F Unserem heutigen Denken ist es aufgegeben, das griechisch Gedachte noch griechischer zu denken. J Und so die Griechen besser zu verstehen, als sie sich selbst verstanden. F Dies gerade nicht; denn jedes große Denken versteht sich selbst, d. h. sich in den ihm zugemessenen Grenzen, immer am besten.«13 Der Komparativ „griechischer" gibt als übergänglicher die zuvor genannten erst frei. Denn das ereignishafte Auszeichnungsgeschehen ist nur gewinnbar aus der Erschließung des Anfänglichen des griechischen Anfangs. Griechischer denken heißt: das griechische Denken und Sagen in der Rückkehr auf sein Anfängliches
•ο GA 5, S. 365. S. jetzt die aufschlußreiche Rekonstruktion in: G. Zaccaria L'inizio greco del pensiero. Heidegger e l'essenza futura della filosofia. Mailand 1999, v. a. § 58 ff. 12 GA 5, S. 336. 13 Aus einem Gespräch von der Sprache, in: Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 127. 11
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durchsichtig machen. Dieses Gegen- als Zurücklesen geht durch eine freiere (nicht aber: „eigentlichere") Erfahrung des Eigenen der Griechen - die griechische φύσις - hindurch, u.zw. im Zuge der Aneignung dessen, was diese φύσις ursprünglich freigibt und also erst in eine Freiheit zu ihr versetzt. Aus dieser Aneignung wird das mögliche, aber zu sich selbst noch ungeeignete, nicht eigens gewonnene Eigene der Auslegung - die Klarheit als Ver-bergung - auf ihre Weise geeignet, d. h. eigentlich frei. Mit der Geeignetheit zu sich selbst als Gelassenheit ins Ereignis ist der Sinn des letzten zu behandelnden Komparativs angezeigt. Denn sofern der ins Freigebende legende Durchgang durch das Griechische sich im eigenen Sagen vollzieht, wird dieses in der Vereignung ins ausgezeichnete Eigene eigentlich, d. h. im Falle des Deutschen: deutscher als deutsch, und das sagt: zum ersten Mal deutsch in der Weise der eigentlichen Inständigkeit in der Lichtung. Auf das Mögliche und Notwendige einer solchen Verwandlung hat Heidegger hingewiesen - am nachdrücklichsten in der Zeit, da das „Deutsche" als selbstverständlicher Besitz der „Deutschen" gehandelt wurde und als „Terminus technicus" im Dienste der unbedingten Machtentfaltung und Vernichtung stand. Die Verwandlung meint aber das noch ausstehende Zu-sich-selbst-Kommen in der Eignung zum Grund als Ereignis; das Deutsche nennt Heidegger - mit Hölderlin - als ein erst zu Suchendes und zu Lernendes im verwandelnden Gespräch. Zugleich hat Heidegger darauf hingewiesen, daß die Auszeichnung des Deutschen es am ehesten vor die Aufgabe bringt, das Griechische ins Anfängliche seines Anfangs zurückzulegen. Das ändert nichts daran, daß das Anzeichen des anderen Augenblickes aus keinem Grund einen deutschen Denker trifft. Und die geschichtliche Auszeichnung kann, weil dies gerade dem von Heidegger gedachten Wesen der Auszeichnung widerspricht, nicht eine ausschließliche Bestimmung des Deutschen bedeuten. Umgekehrt läßt alles vermuten, daß nur im übergänglichen Zusammenspiel einer unvordenkbaren - und doch im voraus anzudenkenden - Vielfalt freizusetzender Eignungen als Weisen des Wohnens irgendwo eine Gelegenheit für den Augenblick der Rückkehr zu bereiten ist. 14 In dieser Weise ist umrissen, wer die Griechen für Heidegger sind - die im Entwurf des Wesensgrundes der abendländischen Geschichte zu sich selbst Kommenden, in deren Wort erstmals und zurückgehaltenerweise die Auszeichnung des Seienden zur Sprache kommt - und, folglich, welche Beweggründe die Auseinandersetzung mit den Griechen veranlassen - das mögliche zur Sprache Kommen dieses Zurückgehaltenen selbst als insichgehende Ver-Bergung in den Möglichkeiten und Grenzen des in der Rückkehr (Komparativ) sich ereignenden (im Falle Heideg14 Dazu etwa die Bemerkung zum Wesen des Russentums in: Die Geschichte des Seyns (GA 69), S. 108. Die Rede von der „Vorbereitung des Augenblicks der Rückkehr" meint nicht die tätige Erwartung von „jemandem" oder von „etwas", sondern den Vorentwurf des gegenblickshaften Sich-einzeichnens eines Geschichts-Raumes.
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gers: eines deutschen) Worts. Das Eigene ist demnach erfahren als Gesuchtes, von dem her erst die Griechen etwas bedeuten, indem in der Frage das Unterscheidende des griechischen und des anderen Anfangs ins Spiel kommt.
II. In einem 1995 veröffentlichten Vortrag 15 hat sich Werner Beierwaltes mit »Heideggers Einschätzung der Vorsokratiker, besonders Heraklits« (5,1) befaßt. Die Arbeit »soll Heideggers Intention von ihr selbst her als geschichtsphilosophischen Hintergrund seiner Heraklit-Deutung in Frage stellen und vor allem deren methodisches Vorgehen untersuchen« (ebd.). Dabei möchte sie sich durch eine »kritische« (ebd.) Auseinandersetzung ausdrücklich von den wenig ergiebigen Haltungen abheben, mit denen »Heideggers Heraklit« (ebd.) zumeist begegnet wird, nämlich »emphatisch-vorbehaltloser Zustimmung einerseits und kurzschlüssiger Ablehnung oder schlichter Nicht-Beachtung (...) (in der für die Heraklit-Forschung maßgeblichen angelsächsischen Literatur z.B.) andererseits« (ebd.). Aus kritischer Distanz heraus soll die Intention, welche die Auslegung leitet, beleuchtet, das methodische Vorgehen geprüft und, unter dem Vorbehalt dieser kritischen Prüfung, die Zustimmung zu den jeweiligen Ergebnissen und Einschätzungen erteilt oder verweigert werden. Nichts mutet vernünftiger an als ein solches Vorgehen, das scheinbar die Kritikfähigkeit sichert. Oder ist es so, daß wir die Vorbehalte gerade aufgeben müssen, um erst die für eine Auseinandersetzung nötige Distanz zu gewinnen? Ohne Einlassung ist keine Auseinandersetzung möglich. Einlassung meint aber nicht schon Zustimmung zu »Heideggers Heraklit« und Verzicht auf selbständiges Denken, sondern ein sich Hinlassen als anfängliche Bereitschaft zur Verwandlung - das sich ins Spiel Bringen als Bedingung der Möglichkeit für einen neugewonnenen Stand in sich selbst. Eine solche Bereitschaft ist unterwegs zu einer Grenze, von der her das Auszulegende entgegenkommen, gegenwärtig werden kann. Die Auslegung ist dann Begegnung im Äußersten - im Draußen und Außer-sich eines Zur-Mitte-Seins, dessen Mitte keinem der Begegnenden, der umgekehrt jeder der Begegnenden auf seine Weise gehört. Die Gänge in die Begegnung sind Gänge des Rückzugs aus sich selbst, d. h. aus allem Schon-Haben des Begegnenden. Nur ein solches Schon-Haben des Gedachten aber verfügt auch über eine bruchlose »,Protreptik'« (23, 32). Das Drängen »auf Kommunikabilität des Gedankens« (12) ist nicht vernünftig, wenn der 15
Werner Beierwaltes Heideggers Rückgang zu den Griechen. Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1995, Heft 1. München 1995. Zitiert mit Angabe der Seitenzahl (ggf. auch der Fußnote) ohne weiteren Zusatz: (a,b) = (Seite a, Fußnote b). Eckige Klammern stehen, wo nicht durch die Zitierweise bedingt oder durch „seil." bzw. „IDG" gekennzeichnet, im Text.
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Gedanke nur zugänglich ist auf dem Wege einer Verwandlung, auf die man wohl zuhalten, die man aber nicht planmäßig ansteuern kann. Im Ruf nach lenkbarer Mitteilung spricht schon das kybernetische Mißtrauen gegen das Denken und alles echte auf den Weg Bringen und Gehen. Das Orientiertbleiben an dem, was in die Begegnung austrägt und vor das von sich aus zur Sprache Kommende bringt, ist ein Hören. Dazu sagt Heidegger in der Vorlesung »Was heißt Denken?« (Tübingen, 1984): [Die Sprache der Denker] zu hören ist in keinem Falle leicht. Für ein solches Hören wird etwas vorausgesetzt, dem wir nur selten recht genügen, nämlich das Anerkennen. Dies beruht darin, daß wir das Gedachte eines jeden Denkers als etwas je Einziges, Niewiederkehrendes, Unerschöpfliches auf uns zukommen lassen und zwar so, daß das Ungedachte in seinem Gedachten uns bestürzt. Das Ungedachte in einem Denken ist nicht ein Mangel, der dem Gedachten anhaftet. Das i/n-Gedachte ist je nur als das Un-gedachte. Je ursprünglicher ein Denken ist, um so reicher wird sein Ungedachtes. Das Ungedachte ist sein höchstes Geschenk, das ein Denken zu vergeben hat. Für die Selbstverständlichkeiten des gesunden Menschenverstandes aber bleibt das Ungedachte eines Denkens lediglich das Unverständliche. Das Unverständliche wird jedoch für den gewöhnlichen Verstand nie zum Anlaß, über seine eigenen Verständnismöglichkeiten stutzig und gar auf seine Grenzen aufmerksam zu werden. Das Unverständliche bleibt für den gewöhnlichen Verstand immer nur das Anstößige, und dies wird ihm zugleich zum Beweis, daß etwas Unwahres und nur Angebliches ihm, der von Haus aus alles schon verstanden hat, zugemutet wird. Was der gesunde Menschenverstand am wenigsten vermag, ist das Anerkennen. Denn dies verlangt die Bereitschaft, daß wir uns durch das Ungedachte im Gedachten der Denker die eigenen Denkversuche immer wieder umwerfen lassen (...) Eines freilich ist für die Zwiesprache mit den Denkern nötig: die Klarheit über die Art und Weise, wie wir den Denkern begegnen. Hier gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: einmal das Entgegengehen und dann das Dagegenangehen. Wenn wir dem Gedachten eines Denkers Entgegengehen wollen, müssen wir das Große an ihm noch vergrößern. Dann gelangen wir in das Ungedachte seines Gedachten. Wenn wir gegen das Gedachte eines Denkers nur angehen wollen, müssen wir zuvor durch dieses Wollen das Große an ihm schon verkleinert haben. Dann verlagern wir sein Gedachtes nur noch in das Selbstverständliche unseres Besserwissens (...) Wir könnten die Umtriebe des gesunden Menschenverstandes sich selbst überlassen, wenn nicht seine Hartnäckigkeit sich immer wieder bei uns selbst und auch dort einschleichen wollte, wo wir uns mühen, das Selbstverständliche als Maßstab des Denkens preiszugeben. (S. 71 ff.) Das Dagegenangehen ist die Weise, wie der gewöhnliche Verstand die Unzulässigkeit des Ungedachten betreibt, d. h. dessen, was das Denken am Leben hält. Das Dagegenangehen geht nicht gegen dieses oder jenes Denken an, sondern gegen das Denken als solches. Es besteht seinem Wesen nach auch nicht in der Zurückweisung eines Ansatzes oder Gedankens; gerade in der Zustimmung erkennt es nicht eigentlich an, sondern bleibt eine Zurückbiegung und Festlegung des Gedachten auf die schon mitgebrachte Verständnismöglichkeit; diese behauptet so ihre unumschränkte und alleinige Geltung. Der gewöhnliche Verstand meint, das Eilige und Scharfe seiner Abrechnungen sei eine Antwort auf die Weise, wie das Denken ihm gegenüber verfährt. Doch das
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ist ein MißVerständnis. Denn die dem Denken eigene Eile ist die, sich möglichst bald und immer wieder dorthin zu bringen, wo die von der Sache selbst geforderte unablässige Verlangsamung, wo die Inständigkeit im Rückgang das alleinige Gesetz ist; 1 6 seine Abwehr des gewöhnlichen Verstandes hält den Zugang zum Ungedachten und also die Möglichkeit eines freien Welt- und Selbstbezuges offen. Das fortgesetzte Enteilen und das geschwinde Fertigwerden, worin die Überführung ins Selbstverständliche ihr Bestehen hat, ist dagegen die Flucht vor dem Denken und ihr beißender Ton das Anrennen gegen jegliche Infragestellung des nie Erfahrenen und doch immer schon irgendwie Bekannten (s. Heraklit, Fr. 97 Diels-Kranz). III. Beierwaltes' einleitender Überblick über das seynsgeschichtliche Denken ist die Zurschaustellung eines Anstoßes. Schon der Tonfall suggeriert, daß die dargestellten Gedankengänge im Grunde nur angeführt zu werden brauchen, um sich von selbst in ihrer Unvermessenheit und also Unannehmbarkeit bloßzustellen. Dazu wird durch die Auswahl passender Zitate sowie durch die Einstreuung mit einschlägiger Konnotation versehener Wendungen (»eigentliches Denken« [9], »anfänglicher Einblick ins Sein« [6] usf.) oder gezielter Leseanweisungen (»kündend, prophetisch« [5], »das Sein, [...] in messianischer Gebärde eingesetzt« [7], »beschwörend-prophetische Worte« [7] usf.) dem Dargestellten der gewünschte irritierende Tonfall untergelegt. Beierwaltes bedient hier alle gängigen Klischees: Überheblichkeit des Denkens, Geringschätzung der Wissenschaft, poetisch-romantisch-utopischer Gegenentwurf zur Moderne usf., versäumt es auch nicht, durch eine nur halb wieder zurückgezogene Anspielung den im Gemeinbewußtein schon bereitstehenden diffusen Assoziations-Komplex bezüglich Heideggers Rektorat und seiner Unterstützung Hitlers im Jahre 1933 wachzurufen und ins Spiel zu bringen. 17 >6 S. Heraklit (GA 55), S. 62. 17 »Fatalerweise ist das intendierte wesentliche oder andere Denken (...) noch 1943 und 44 (...) mit dem Geschick der Deutschen hoffnungsvoll verbunden: daß sie ihr „Deutsches" als Auftrag erkennen (gerechterweise sollte man sagen, daß Heidegger damit wohl nicht das nationalsozialistisch-Deutsche gemeint habe, freilich aber das Nationale, das sich allerdings mit dem Nazitum verbunden hat).« (9f.) Abgesehen von dem un-gerechten Hinweis auf das „Nationale": Wir könnten uns in einer Blickwendung einmal an dem Gedanken versuchen, daß Heidegger nicht »fatalerweise«, sondern gerade in jenen Jahren insistent einen anderen Nietzsche, einen anderen Hölderlin und die auf ihre Weise zur Suche nach dem Deutschen anhaltenden Vorsokratiker gelesen, d. h. an der Klärung der herrschenden und Vorbereitung einer anderen Möglichkeit gearbeitet hat. Vielleicht könnten wir dann auch nachvollziehen, inwiefern die Vorlesungen der letzten Kriegsjahre - wie Walter Biemel unlängst auf einer Tagung in Meßkirch bezeugt hat - seinen Hörern die Hoffnung auf eine mögliche Zukunft für Deutschland bedeuten konnten. Zu diesem Thema s. jetzt den Einleitungs-Essay von F. Fédier zu den von ihm übersetzten und mit Anmerkungen versehenen „Politischen Schriften" Heideggers: Écrits politiques: 1933-
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Die im Ganzen unwahre, weil den Ton verfehlende Zusammenstellung beinhaltet auch sonst grobe Fehldeutungen: vom unterstellten Willen zur »Aufhebung dessen, was ansonsten Denken und Dichten trennt« (5) oder gar zur »Aufhebung (d.h. Korrektur) der Verfallsgeschichte« (9) im Verein mit einer »Schuldzuweisung (...) an die Metaphysik« (7), über die Parallelen zu Renaissance und Romantik, zu Hegel und zu Nietzsche (die zugleich klar machen sollen, daß bei aller Anstößigkeit doch alles schon einmal dagewesen und damit in bewährter Weise handhabbar ist), bis hin zum „Zuendedenken" heideggerscher Gedanken, wie im Falle der fast schon mutwillig unbedarften Behauptung, »Heideggers emphatische Verbündung der deutschen mit der griechischen Sprache« habe » - argumentativ schwerlich begründbare - Konsequenzen für Heideggers Einschätzung der „Philosophie-Fähigkeit" anderer Sprachen.« (19, 23) 1 8 Zum Tonfall gehört auch der Gebrauch von Schreibweisen, Satz- und Anführungszeichen. Letztere sind vielfältig verwendbar: sinneinklammernd, das Wort „vermeintlich" ersetzend, einen Gemeinplatz zitierend, mit einer sonstigen, aus dem Kontext erschließbaren Konnotation belegend usf. In einer künftigen „Phänomenologie der Gänsefüßchen" werden die von Beierwaltes im Umgang mit der Sprache Heideggers bevorzugt eingesetzten Zitationszeichen wohl unter dem Namen „Auslieferungs-Zeichen" zu behandeln sein. Sie dienen nämlich durchaus nicht nur dem Hinweis, daß das entsprechende Wort der Sprache Heideggers entnommen ist. Wenn wir hier - ohne jegliches Wort der Erläuterung - „Lichtung", „Gestell", „Sein", „Er-eignung" usf. lesen, dann werden diese Worte damit ins Element der Selbstverständlichkeit übergeführt und für vogelfrei erklärt. Die Anführungszeichen sagen: Damit mag nun jeder abrechnen wie er gerade will. Für die Selbstversicherung des gewöhnlichen Verstandes ist der ausdrückliche oder unausdrückliche Hinweis auf diese immer ohne weiteres mögliche (und so im Grunde unnötige) Auseinandersetzung konstitutiv. Beierwaltes' „kritischer Auseinandersetzung" liegt die eine Voraussetzung zugrunde, daß das, was Heidegger in den Worten Sein, Lichtung usf. denkt eine »Fiktion« (29) als »selbst-erdachte Erlösung« (9) aus der Metaphysik sei. Weil der gesamte Argumentationsgang darauf aufbaut, daß die mit der Seinsfrage aufgezeigte Fragehinsicht strikt unverständlich bleibt, darf eine redlich durchgeführte sachliche Einlassung nicht erfolgen. Die aus dieser Voraussetzung entwickelte Kritik liest sich dann folgendermaßen: 1. In Abgrenzung gegen das eigene Seinsdenken konstruiert Heidegger ein nivellierendes Zerrbild der Metaphysik, welcher er u.a. pauschal das Vermögen abspricht, die ontologische Differenz zu denken; da aber immerhin ein Beleg und 1966. Paris 1995. (Ital. Ausgabe besorgt von G. Zaccaria: Scritti politici. Casale Monferrato 1998). 18 S. dazu auch: F. Fédier, Heidegger: anatomie d'un scandale. Paris 1988, S. 211.
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Bezugspunkt für das „Eigene" (d. h. bei Beierwaltes: das Denkgebäude des Subjekts Martin Heidegger) nötig ist, wendet er sich 2. aus Bestätigungsnot den Vorsokratikern zu, die er, wiederum unter Nichtbeachtung der inneren Differenziertheit des griechischen Denkens, konsequent auf eine Frühstufe des - später in die Metaphysik abgefallenen - Seinsdenkens zurichtet, da - als notwendige Stütze für das „Eigene" - »wenigstens anfänglich das Sein gedacht sein muß« (11); leitend ist hierbei durchweg ein »romantisches Modell«: »das eigentlich Wahre (...) ist im oder ist der [von Beierwaltes nicht als wesendes Bezugsgeschehen sondern als Beginn verstandene - IDG] Anfang« (24; s. auch 9). Als Folge dieser »in einem subjektivistischen Sinne« (11) gewaltsamen Zurichtung wird die Auslegung der Vorsokratiker zu einer reinen Angelegenheit der 3. »Selbst-Entdeckung im Anderen« (12), der »Selbstprofilierung des Denkers« (13) und der fortgesetzten kontrastiven »Selbstkonturierung« (14) eines »narzißtischen Denkens, das in allem nur sich selbst zu finden vermag« (11). Um sich in seiner fiktiven, einzig anhand der funktionalen Griechen-Deutung (sowie im Rückgriff auf hölderlinsche Motive) aufgezogenen Gedankenwelt behaupten zu können, muß dieser Narzißmus sich 4. gegen alle mit wissenschaftlichem Anspruch vorgetragene Infragestellung und Kritik „immunisieren" und „abschotten" (12). Konkurrierende Interpretationen der griechischen Philosophie fallen einer vorgängigen »Primitivierung des Gegners« (14) zum Opfer, alle metaphysischen Positionen, die sich - sofern in ihnen eben doch die ontologische Differenz gedacht ist - nicht in das Bild der »reduzierten und auf ihn selbst hin stilisierten Vergangenheit« einpassen, werden von Heidegger „verdrängt" und „verdeckt" (26); um sich als alleiniger Künder des Seinsdenkens gegen die Verfallsgeschichte abheben zu können, mißt Heidegger sich mit den Denkern der Metaphysik nur nach einer grundsätzlichen »Herabsetzung und Verkleinerung des Gegners (,obtrectatio')