Handbuch der Publizistik: Band 3 Praktische Publizistik, Teil 2 [Reprint 2019 ed.] 9783111554464, 9783111184814


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German Pages 671 [672] Year 1969

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
F. Publizistik des geschriebenen Wortes
I. Plakat, Flugblatt, Flugschrift
Das publizistische Plakat
Flugblatt und Flugschrift
II. Die Zeitung
Definitionen und Begriife
Die Anfänge: 15. und 16. Jahrhundert
17. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Das Nachrichtenwesen
Nachrichten im Zeitalter der Satelliten
Der Zeitungsverlag
Organisation der Zeitung im internationalen Vergleich
Typologie der Zeitung
Redaktionelle Leitung
Zeitungssprache
Die redaktionellen Sparten
Außenpolitik
Das Lokale
Der Wirtschaftsteil (Systematisch und historisch)
Der Wirtschaftsteil (Aktuell)
Das Feuilleton in Zeitung und Zeitschrift
Die Kritik in Zeitung und Zeitschrift
Der Sportteil
Anzeigenwesen
Technik und Umbruch der Zeitung
Automation in der grafischen Industrie
Der moderne Zeitungsvertrieb
Wirkung und Wirkungsforschung
Leseranalysen von Zeitungen
Das Recht der Zeitung
Das Konzentrationsproblem im Zeitungswesen
Zeitungsstatistik
III. Die Zeitschrift
Begriff
Geschichte der Zeitschrift: Von den Anfängen bis 1900
Geschichte der Zeitschrift: Von 1900 bis zur Gegenwart
Die Zeitschrift im öffentlichen Leben
Organisation und Führung des Zeitschriftenverlages
Aussageformen der Zeitschrift
Die Fachzeitschrift
Die politische Zeitschrift
Konfession und Presse
Evangelische Zeitschriften
Die katholische Presse in Deutschland.
Die jüdische Presse in Deutschland
Gewerkschaftspresse
Die wissenschaftliche Zeitschrift
Jugendzeitschrift
Die Illustrierten
Die Unterhaltungsliteratur in den publizistischen Mitteln
Public Relations-Zeitschriften: Kunden-, Werk-, Haus- und Aktionärszeitschriften
Zeitschrift — Technik und Umbruch
Der Vertrieb der Zeitschrift
Wirkung und Wirkungsforschung bei Zeitschriften
Das Recht der Zeitschrift
Zeitschriftenstatistik
IV. Das Buch
Das Buch als publizistisches Mittel
Die Autoren — Biographische Notizen
Personenregister
Sachregister
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Handbuch der Publizistik: Band 3 Praktische Publizistik, Teil 2 [Reprint 2019 ed.]
 9783111554464, 9783111184814

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H A N D B U C H DER P U B L I Z I S T I K 3

Handbuch der

Unter Mitarbeit führender Fachleute

Herausgegeben von EMIL DOVIFAT

Band 3 PRAKTISCHE PUBLIZISTIK 2. Teil

WALTER DE GRUYTER & C O vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Berlin 1969

©

Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gosdien'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trflbner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr.: 1367 692. — Satz und Drude: Thormann & Goetsch, Berlin. — Ausstattung: Barbara Proksch. — Printed in Germany.

Die

Mitarbeiter:

Herbert Adam - Nikolas Benckiser - Johannes Binkowski - Hermann Boventer - Ernst Braunschweig - Karl-Heinz Brinkmann - Helmut Cron Erich Eggeling - Hermann Eich - Walter Fabian - Ernst Feuser - Alired Frankenfeld - Wilmont Haacke - Gert Hagelweide - Gerd F. Heuer - Helmut Hiller - Horst Kerlikowsky - Günter Kieslich - Hans-Martin Kirchner Joachim Kirchner - Hans Albert Kluthe - Hansjürgen Koschwitz - Kurt Koszyk - Hans-Dieter Krebs - Alexander von Kuk - Woligang R. Langenbucher - Hermann Lewy - Peter Arnold Lorch - Focko Lüpsen - Karl Marx Friedrich Medebach - Hans Mehlhorn - Friedrich Möhring - Ulrich Nussberger - Dietrich Oppenberg - Walther G. Oschilewski - Wilken von Ramdohr - Otto B. Roegele - Burkhardt Röper - Wieland Schmidt - Hans Schmidt-Osten - Walter J. Schütz - Friedrich Vogel - N. Urbain A. de Volder - Valeska Voß-Dietrich - Hans Wagner - Hans Weitpert - Woligang Weynen - Hans Ludwig Zankl

Vorwort

Das Gebiet der Publizistik hat sich zu einer immer schwerer überschaubaren Vielfalt entwickelt. Dazu ist es allerorts Gegenstand lebhafter Diskussionen, ja sogar massiver Kundgebungen geworden, was, so ist zu hoffen, seiner demokratischen Durchbildung zugute kommt. Trotz des damit verbundenen Stoffandranges wurden der geplante Umfang des Handbuches zugunsten konzentrierter Informationsvermittlung und Übersichtlichkeit sowie die Gliederung beibehalten: Neben systematischen und historischen Artikeln stehen praxisbezogene Arbeiten, rechtliche Grundlegungen und statistische Ordnungen, der Diskussion die Dokumentation anzubieten. Der dritte Band behandelt die geschriebene Publizistik. Sie ist fast die älteste, darum auch schier unübersehbar. Aber sie bleibt, trotz aller Überholfreudigkeit der elektronischen Mittel die konsolidierte, gesammelte, die jederzeit aufzubereitende, jederzeit nutzbare Trägerin publizistischer Vorgänge. Sie fixiert gleicherweise das fliegende Blatt, wie den Bericht über die Haupt- und Staatsaktionen. Auch wenn auf elektronischen Bändern Zeugnisse und Vorgänge, Wissen und Meinung mit Minitechnik in winzigen Behältern als Konserven jederzeit greifbar gehalten werden, die Komputer den Stoff ganzer Bibliotheken ansammeln und wieder ausgeben: es ist das geschriebene Wort, das jederzeit überschaubare, das informativ unterrichtet und meditativ jeglichem Nachdenken den Eingang bietet, angepaßt der natürlichen Form menschlicher Überlegung — „Scripta manent". Das alte Wort behauptet sich. Die Elektronen-Technik gibt ihm den Beweis. Sie entwickelt ein Verfahren, das Zeitungsblatt auf eine Folie gebracht ins Haus zu funken. Auf das Geschriebene kann nicht verzichtet werden. Der Herausgeber dankt allen Autoren für ihre Mitarbeit. Ihre Zahl und ihre Persönlichkeiten beweisen die Weite und die Bedeutung des Feldes, das zu bearbeiten war. Viele dieser Mitarbeiter mußten aus harter Praxis herangebeten werden, andere wirken zentral in wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Daß die Zusammenfassung einer so individuellen Mitarbeiterschaft Zeit kostete, bitten wir zu verstehen. Einige Manuskripte mußten warten, andere gingen tintennaß in Satz. Herr Jürgen Gärtner hat dankenswerter Weise wiederum die Herstellung der Register übernommen. Der Herausgeber dankt schließlich dem Verlag Walter de Gruyter & Co. für die Initiative und das aktive Verständnis bei der Durchführung des gesamten Unternehmens. Berlin, im September 1969

Der Herausgeber

Inhalt

BAND III, PRAKTISCHE PUBLIZISTIK, II. TEIL

F. PUBLIZISTIK DES GESCHRIEBENEN WORTES

1

I. P l a k a t , F l u g b l a t t , F l u g s c h r i f t

1

Das publizistische

1

Plakat

(FRIEDRICH MEDEBACH)

1. Definition, Wesen und Struktur des Plakats a) Definition b) Das Wesen des Plakats c) Struktur des politischen Plakats d) Plakatähnliche publizistische Mittel 2. Zur Geschichte des Plakates a) Die Antike b) Von der Erfindung des Buchdrucks bis zum 19. Jahrhundert c) Das Jahr 1848 d) Das Plakat im Ersten Weltkrieg e) Der Zusammenbruch 1918 und die Nationalversammlung 1919 f) Das Plakat in der Weimarer Republik g) Das Plakat im .Dritten Reich" h) Das Plakat in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) i) Das Plakat in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) k) Das Plakat lebt — Eine Schlußbetrachtung Flugblatt und Flugschrift II. D i e

39

Zeitung

Definitionen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

( G E R T HAGELWEIDE)

und Begriife

49 (NABOR URBAIN A . DE V O L D E R

i)

Historische Evolution der Zeitung und ihrer Definitionen Einbeziehung des Technischen Ideologischer Apriorismus Entwürfe einer allgemeingültigen Definition Analyse der Hauptmerkmale Zusammenfassung

Die Anfänge: 15. und 16. Jahrhundert 17. Jahrhundert

1 1 1 5 8 11 11 12 13 14 17 20 25 28 31 34

bis zur Gegenwart

( W I E L A N D SCHMIDT)

( K U R T KOSZYK)

1. Anfänge 2. Nachrichtenpresse unter staatlicher Kontrolle 3. Pressefreiheit und politische Zeitungen

49

50 52 53 56 58 61 63

76 76 77 79

INHALT

4. 5. 6. 7. 8.

Das Zeitalter der Massenpresse Das totalitäre Pressesystem Die Lizenzpresse Das Zeitalter der Bildpublizistik Zusammenfassung

Das Nachrichtenwesen

81 86 91 94 96

(ERICH EGGELING)

Die Presseagenturen in der Publizistik a) Die ersten Agenturen b) Folgen der Weltkriege c) Die Weltagenturen d) Internationale Agenturen e) Nationale Agenturen 1. Europa 2. Afrika 3. Asien 4. Amerika 5. Australien und Ozeanien f) Aspekte der Zukunft

Nachrichten im Zeitalter der Satelliten Der Zeitungsverlag

98

98 99 100 101 103 104 104 105 107 108 109 110 (WOLFGANG W E Y N E N )

(DIETRICH OPPENBERG)

Wirtschaftliche

IX

Grundlage

116 121

121

1. Allgemeines 2. Marktformen und Wettbewerb im Zeitungsgeschäft a) Das Vertriebsgeschäft b) Das Anzeigengeschäft c) Wechselwirkungen zwischen Anzeigen- und Vertriebsgesdiäft 3. Die Einnahmen der Zeitung a) Das Vertriebsgesdiäft b) Das Anzeigengeschäft 4. Die Kosten der Zeitung a) Kostenstellenkosten b) Festlegung des Textumfanges 5. Die Rentabilität von Zeitungen

121 121 121 122 123 124 124 125 125 125 126 127

Organisatorischer

131

Aufbau

1. Allgemeines 2. Der organisatorische Aufbau der Zeitung a) Übersicht b) Der Verleger c) Die Redaktion d) Die Anzeigenabteilung e) Technik f) Vertrieb g) Verwaltung h) Konzentrationsformen 3. Ablauforganisation

131 131 131 132 133 136 137 137 138 139 139

INHALT

X

Organisation Typologie

der Zeitung im internationalen

der Zeitung

Vergleich

(ULRICH NUSSBERGER)

(ALFRED FRANKENFELD)

Begriff, Geschichte, Gegenwart Redaktionelle

Leitung

Zeitungsspradie

Innenpolitik Außenpolitik

161

(NIKOLAS BENCKISER)

166

Sparten

178

(HERMANN EICH)

178

(KARL-HEINZ BRINKMANN)

185

1. Die außenpolitische Information 2. Der außenpolitische Kommentar 3. Der außenpolitische Redakteur Das Lokale

1. 2. 3. 4.

185 187 189

(VALESKA VOSS-DIETRICH)

Der Wirtschaftsteil

192

(Systematisch und historisch) (BURKHARDT RÖPER)

Einführung Geschichtliche Entwicklung Wirtschaftsteil und Zeitungstyp Aufgaben der Sparte „Wirtschaft"

Der Wirtsdiaftsteil

(Aktuell)

(WILMONT HAACKE)

1. Unterhaltung 2. Kultur und Kulturpolitik 3. Feuilleton a) Feuilleton als Ressort b) Feuilleton als Stil c) Feuilleton als Form Die Kritik in Zeitung und Zeitschrift

202 202 203 205 208

(FRIEDRICH V O G E L )

Das Feuilleton in Zeitung und Zeitschrift

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

153

153

(HELMUT CRON)

Die. r e d a k t i o n e l l e n

141

210 218

218 223 230 231 233 235 (WILMONT HAACKE)

Allgemein Buchkritik Fernsehkritik Filmkritik Kunstkritik Kulturkritik Musikkritik Politische Kritik, getarnt als Buchkritik Rundfunkkritik

237

237 241 242 243 244 245 246 248 249

INHALT

XI

10. Sdiallplattenkritik

249

11. Theaterkritik . . .

250

Der Sportteil

(HANS-DIETER KREBS)

Anzeigenwesen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

252

(GERD F . HEUER)

260

Begriff und Wesen Geschichte des Anzeigenwesens Bedeutung des Anzeigenwesens Die Anzeigeneinnahmen der Zeitungen und Zeitschriften Anzeigenarten und -formen Die Anzeigenkunden Grundsätze für den Anzeigeneinsatz Aktuelle Tendenzen im Anzeigenwesen

260 261 266 269 271 273 274 276

Technik und Umbruch der Zeitung ( W A L T H E R G . OSCHILEVSKI)

279

Automation

290

1. 2. 3. 4.

Industrie

(HANS W E I T P E R T )

Die Satzherstellung Reproduktion Drucken Weiterverarbeitung

Der moderne 1. 2. 3. 4. 5.

in der graäsdien

290 292 293 294

Zeitungsvertrieb

(ERNST FEUSER)

Der Verkauf Das Versenden Die Verteilung Vertriebsverwaltung .Vertrieb und EDV"

Wirkung

296 298 299 300 301

und Wirkungsforschung

Leseranalysen

von Zeitungen

296

(HANS LUDWIG ZANKL)

(FRIEDRICH MÖHRING)

302 310

1. Grundbegriffe 310 a) Entwicklung 310 b) Leserschaftskategorien 311 c) Darstellungsformen 311 d) Instrumente 312 2. Methoden 312 a) Stichprobe 312 Grundgesamtheit — Stichtagverfahren — Systematische Fehler und Zufallsfehler b) Fragebogen 314 c) Feldarbeit 315 d) Auswertung 315 3. Übersicht: Leseranalysen von Zeitungen 316 a) Auflagendaten 316 Auflagenmeldungen — Verbreitungs-Analyse

XII

INHALT

b) Uberregionale Primärerhebungen BDZV: .Der Zeitungsleser 1966" — Andere Leseranalysen c) Regionale Primärerhebungen SchluBbemerkung Das Recht der Zeitung

(HANS SCHMIDT-OSTEN)

Der Begriff der Zeitung Die öffentliche Aufgabe der Zeitung Der Zeitungsredakteur Die Zeitung im Urheberrecht a) Das Sammelwerk b) Der Zeitungsinhalt c) Der Zeitungsbeitrag 5. Die Gegendarstellung a) Die Rechtsnatur des Anspruchs b) Die Beteiligten c) Der formelle Charakter d) Der Inhalt und seine Grenzen e) Die Durchsetzung des Anspruchs Andere Rechtsgebiete im Zeitungswesen

322 323 324 325 325 326 327 328 328 328 328 329 330 330 ( J O H A N N E S BINKOWSKI)

1. Zum Begriff der Konzentration 2. Konzentration im Pressewesen 3. Lösungsmöglichkeiten Anhang: Gutachten und Stellungnahme zum Konzentrationsproblem Zeitungsstatistik

(WALTER J . SCHÜTZ)

Begiiii

331

331 332 334 340 348

1. Historische Entwicklung Auszählung aus Katalogen und Auswertung von Fragebogen 2. Gegenwärtiger Stand Analyse von Stichtagsammlungen und Auflagenmeldungen 3. Künftige Möglichkeiten Amtliche Erhebungen

III. D i e

320 320 322

1. 2. 3. 4.

Das Konzentrationsproblem

317

Zeitschrift

349 349 352 352 358 358

370

( G Ü N T E R KIESLICH)

370

1. Begriffsbestimmungen und Beurteilungen der Zeitschrift im 17. und 18. Jahrhundert 370 2. Die modernen Bemühungen um eine Definition der Zeitschrift 373 3. Vorschläge zu einem neuen Definitionsansatz 379 Geschichte der Zeitschrift:

Von den Anfängen bis 1900

1. Die Anfänge 2. Die romantische Epoche

(JOACHIM K I R C H N E R )

384

384 388

INHALT

XIII

3. Vormärz — Restauration — Reichsgründung 1830—1870 4. Zeitschrift im Kaiserreich

393 399

Geschichte der Zeitschrift: Von 1900 bis zur Gegenwart

(HANS-MARTIN KIRCHNER)

Die Zeitschrift im öffentlichen Leben

( H . A . KLUTHE)

Organisation und Führung des Zeitschriftenverlages Aussageformen

der Zeitschrift

408 421 (HERBERT ADAM)

(WILMONT HAACKE)

1. Differenzierung der Aussageformen von Zeitung und Zeitschrift 2. Einzelne Aussageformen der Zeitschrift Anekdote Aphorismus Aufsatz Bericht Biographie Brief (und Leserbrief) Essay Feuilleton Glosse Interview Kleine Form Leitartikel Nachricht Roman Novelle Reportage Story Zitat Die Fachzeitschrift

(PETER LORCH)

Die politische Zeitschrift

(WILMONT HAACKE)

1. Definition 2. Abgrenzung 3. Typologie a) Politische Zeitschriften b) Fachzeitschriften für Politik c) Kulturpolitische Zeitschriften d) Literarisch-politische Zeitschriften e) Politische Magazine und Satirische Zeitschriften f) Politische Wochenschriften 4. Allgemeine Entwicklung der politischen Zeitschrift nach 1945 5. Politische Auffassungen der Zeitschriften nach der Kapitulation 6. Zur gegenwärtigen Situation der Zeitschrift 7. Die politische Wochenpresse

427 433

433 434 434 435 436 437 438 439 441 442 442 443 445 449 450 451 453 453 456 456 459 465

465 465 466 467 467 467 467 468 468 471 472 475 478

XIV

INHALT

Konfession

und Presse

Evangelische 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Zeitschriften

482

(FOCKO LÜPSEN)

487

Verkündigung und Propaganda Der religiöse Bereich und das universale Mandat Strukturwandlungen unter einem totalitären Regime Träger innerkirchlicher Kommunikation Geistige und wirtschaftliche Faktoren Gliederungskriterien Analyse des gegenwärtigen Standes

Die katholische 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

(KARL M A R X I )

Presse in Deutschland.

(OTTO

B. ROEGELE u n d

488 488 489 490 490 491 492 HANS WAGNER)

. . . 496

Frühformen der katholischen Presse Versimpelung oder Großmacht Die Blütezeit der katholischen Presse Der Weg in ein Getto Der Wiederaufbau der katholischen Presse Katholische Presse — journalistisches Zeugnis Katholische Öffentlichkeitsarbeit Nationale und internationale Organisation der katholischen Journalisten

Die jüdische Presse in Deutschland Gewerkschaftspresse

(HERMANN LEWY)

(WALTER FABIAN)

1. Vorbemerkungen 2. Zur Geschichte der Gewerkschaftspresse a) Frühgeschichte b) Von 1890 bis 1918 c) Die Zeit der Weimarer Republik d) Von 1945 bis 1949 3. Die Gewerkschaftspresse der Bundesrepublik a) Die periodischen Publikationen des Bund-Verlages b) Periodische Publikationen des DGB-Bundesvorstandes c) Die Presse der 16 DGB-Gewerksdiaften d) Gewerkschaftspresse außerhalb des DGB e) Deutschsprachige Gewerkschaftspresse außerhalb der Bundesrepublik . . . . f) Kritik und Selbstkritik Die wissenschaftliche Jugendzeitschrift

Zeitschrift

(HANSJÜRGEN KOSCHWITZ)

(HANSJÜRGEN KOSCHWITZ)

496 497 498 499 500 502 504 505 508 514

514 514 514 515 515 516 516 516 518 518 520 520 521 523

527

1. Abgrenzung und Definition 527 2. Geschichtlicher Abriß 527 3. Typologie der Jugendzeitschriften in der Gegenwart 529 a) Jugendeigene Zeitschriften 529 b) Jugendzeitschriften der Kirchen, Gewerkschaften, politischen Organisationen und Verbände 531

INHALT

XV

c) Unabhängige verlagseigene Jugendzeitschriften d) Studentenpresse 4. Jugendzeitschriften in Ostdeutschland 5. Wirkungsmöglichkeiten der Jugendzeitschrift Die Illustrierten 1. 2. 3. 4.

532 533 534 534

( H E R M A N N BOVENTER)

536

Die Aktualität fehlt Das Prinzip Bedürfnisbefriedigung Die Stoffe der Illustrierten Versuche zur Selbstkontrolle

Die Unterhaltungsliteratur Mitteln ( W O L F G A N G

in den

538 540 542 . . . 546

publizistischen

R . LANGENBUCHER)

Public Relations-Zeitschrilten: Kunden-, Werk-, Aktionärszeitschriften ( H O R S T KERLIKOWSY)

547

Haus-

und 552

1. Begriff und Formen a) Abgrenzungen b) Wesen und Entwicklung 2. Die Kundenzeitschrift a) Begriff b) Entwicklung 3. Die Werkzeitschrift a) Begriff b) Entwicklung 4. Die Hauszeitschrift a) Begriff b) Entwicklung 5. Die Aktionärszeitschrift a) Begriff b) Entwicklung Zeitschrift

— Technik und Umbruch

Der Vertrieb 1. 2. 3. 4.

Der Der Der Der

Wirkung

;

der Zeitschrift

( W A L T H E R G . OSCHILEWSKI)

(HANS MEHLHORN)

bei Zeitschriften

562 567

werbende Buch- und Zeitschriftenhandel Lesezirkel Bahnhofsbuchhandel Zeitschriften-Großhandel

und Wirkungsiorschung

552 552 553 554 554 . . . 555 557 557 558 559 559 559 559 559 560

567 569 570 572 (ERNST BRAUNSCHWEIG)

1. Vorbemerkung 2. Die Leser als Objekte der Wirkungsforschung a) Die Leser als Empfänger der redaktionellen Leistung b) Die Leser als Zielgruppe der Werbung 3. Die Methoden der Leserforschung a) Ermittlungen zur Funktion und Bewertung der Zeitschrift

574

574 574 575 ! 576 577 577

XVI

INHALT

Durch direkte Reflexion des Lesers: Durch Rückschlüsse aus dem Leseverhalten: b) Ermittlungen zur Nutzung der Zeitschrift c) Ermittlungen zur Verbreitung der Zeitschrift Reichweitenmessung anhand einer Originalnummer: Erfassung der Leser im Erscheinungsintervall: Erfassung der kumulativen Reichweite: d) Ermittlungen zur Struktur und Typisierung der Leserschaft 4. Die Ergebnisse der Leserforschung und ihr Informationswert a) Für den Verleger b) Für die Redaktion c) Für die Anzeigen-Abteilung d) Für den Vertrieb Das Recht der Zeitschrift 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Die Zeitschrift im Verfassungs- und Presserecht Die Zeitschrift im Urheber- und Verlagsrecht Der Titel Jugendförderung Der Verlag im Handelsrecht Der Vertrieb Kundenzeitschriften Arbeitsrecht

Zeitschriftenstatistik 1. 2. 3. 4. 5. 6.

(WILKEN VON RAMDOHR)

(ALEXANDER VON KUK)

587

587 591 592 593 594 594 595 595 597

Zeitschriftengliederung und Statistik 598 Zeitschriften in der statistischen Darstellung von Media-Daten 604 Umfang-Analyse — Ein Merkmal für Werbeträgerqualifikation 609 Anteil der Zeitschriften am Werbegeschäft 610 Resonanzanalysen—Neuartige Werbewertaussage von Kennziffer-Zeitschriften 610 Zeitschriftenstatistik — zum Nachweis der Konzentration 611

IV. D a s B u c h Das Budi als publizistisches 1. 2. 3. 4. 5. 6.

578 578 579 580 580 580 581 582 583 583 583 584 585

613 Mittel

(HELMUT HILLER)

Grundlegendes Der Autor Der Verleger Buchgemeinschaften Taschenbücher Die Leser

613

613 615 617 619 621 622

Die Autoren — Biographische Notizen

625

Personenregister

638

Sachregister

649

F. Publizistik des geschriebenen Wortes

I. Plakat, Flugblatt, Flugschrift Das publizistische Plakat FRIEDRICH MEDEBACH

1. Definition, Wesen und Struktur des Plakats a)

Definition

Das Plakat ist ein öffentlicher Anschlagbogen, durch den eine bestimmte Werbeabsidit erfüllt werden soll. — Das publizistische (politische) Plakat hat eine auf Gemeinschaft, Gesellschaft und Staat hinzielende geistige, meinungs- und gesinnungsbildende Werbewirkung zu erfüllen, um das Handeln der Menschen zu beeinflussen. Auf Wänden, Mauern, Säulen, Tafeln u. a. Werbeträgern angebracht, soll es eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen1. b) Das Wesen des Plakats Seitdem das Plakat besonders als kommerzielles Werbemittel in der entstehenden Massengesellschaft eine immer größere Bedeutung erlangte, wurde es zum Gegenstand werbetheoretischer Überlegungen und werbewissenschaftlicher Untersuchungen. Zog das Plakat in den früheren Jahrhunderten, in denen die Werbeeinwirkungen noch sehr gering waren, allein schon durch sein Erscheinen die Aufmerksamkeit der in weitaus gemächlicherem Rhythmus des öffentlichen 1

Zur Theorie des Plakats vgl. SEYFFERT, R.: Werbelehre, Theorie und Praxis der Werbung. 2 Bde. Stuttgart 1966. Zur Theorie des publizistischen Plakats vgl. BRENDEL, R.: Das Schweizer Plakat. Diss. Berlin 1956. u. MEDEBACH, F.: Das Kampfplakat, Aufgabe, Wesen und Gesetzmäßigkeit des politischen Plakats. Frankfurt/M. 1941. Vgl. ferner DOVIFAT, E.: Handbuch der Publizistik. Bd. 1. Berlin 1968, S. 265 ff. — Zur Herkunft des Wortes Plakat vgl. SCHIRMER, A.: Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache. Straßburg 1911, S. 143. Danach wurde aus dem niederdeutsch-holländischen plakaat im 16. Jahrhundert das Wort Plakat = öffentlicher Anschlag. Entwicklung in Frankreich: affidie = Anschlagzettel; placarder une affiche; le placard = Der Anschlag; jetzt affiche = Anschlagplakat. 1 Publizistik III

2

FRIEDRICH MEDEBACH

Lebens gestellten Menschen auf sich, so änderte sich das im 19. und 20. Jahrhundert schlagartig. Man begann zu überlegen, wie dieses ausschließlich in der Öffentlichkeit wirkende, weil dort etablierte Werbemittel den nun immer mehr gehetzten und unter unzählige optische Reizeinwirkungen geratenden Menschen noch erreichen könnte. Schon V I C T O R M A T A J A argumentierte zu der Zeit, als die Massenpresse scheinbar eine monopolartige Werbestellung einnahm, „daß das Plakat daiür auch in Kreise dringe, die durch die Zeitung nicht erlaßt werden können"', und diese Feststellung gilt auch weiterhin für das nun angebrochene Zeitalter des Fernsehens. Das Plakat hat eine sehr bedeutende werbliche Eigenschaft, seine Aufnahme ist nicht vom Willen des Umworbenen abhängig, sondern es fängt die Umworbenen — auch die Unwilligen — ein, wenn es wirksam gestaltet und gut placiert ist und damit die nötige Suggestivkraft ausstrahlt. „Das Plakat ist allgegenwärtig" 3 . Alle Überlegungen gehen davon aus, daß das Plakat auf zerstreute, gehetzte Menschen trifft, die „inmitten eines optischen Durcheinanders leben" 4 . „Es appelliert an die Zeitknappheit des heutigen Menschen, an seinen Widerwillen, bedächtig eine Sache zu durchdenken und wohlüberlegt zu entscheiden... es appelliert an die Krankheit des heutigen Menschen, mit einem flüchtigen Blick von Dingen Kenntnis zu nehmen, und an seine Bequemlichkeit, vom spontanen optischen Eindruck sich bestimmen zu lassen.. ,"5. Diese etwas vom Kulturpessimismus gewertete Charakteristik des Menschen kennzeichnet jedoch sehr gut die psychologische Situation, in der das Plakat den Umworbenen erreichen muß. Der gehetzte Mensch in der Massensituation ist Objekt des Plakats. Auf ihn muß sich der Publizist und der Plakatgestalter einstellen. Das Plakat ist so gesehen kein Kunstwerk. Es wird nicht so sehr nach Werten der Ästhetik beurteilt, sondern nach seiner Werbewirkung. Es hat eine dienende und zweckgebundene Aufgabe. Selbstverständlich kann es Plakate von hohem künstlerischen Range geben. Hierzu gehören die sogenannten Künstlerplakate, die die Ausstellung eines Künstlers anzeigen und von ihm selbst entworfen und meistens auch unter seiner Aufsicht gedruckt werden. Diese Sondergruppe stellt einen Grenzfall dar. 2 MATAJA, V.: Die Reklame. 4. Aufl. München u. Leipzig 1926, S. 42; MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 1: „Es ist eine eigenartige Tatsache der Geschichte der Publizistik, daß die neuen Erfindungen auf dem Gebiet der öffentlichen Meinungsführung die alten Formen nicht verdrängen, daß selbst die Vorstufen, die zur endgültigen Ausbildung des Führungsmittels in seiner gegenwärtigen Gestaltung nötig waren, sich neben der technisch vollkommenen Form erhalten". 3 Zit. bei BRENDEL, R.: a.a.O., aus: Das Plakat als Kulturdokument, in: St. Galler Tagblatt, Nr. 246 vom 28.5.1949; s. a. MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 2 u. S. 5. 4 CASSANDRE, A. M.: Plakate. St. Gallen 1948. 5 CASSANDRE, A. M.: a.a.O.

DAS PUBLIZISTISCHE PLAKAT

3

Das publizistische Plakat erfüllt einen politischen Auftrag und ist dem Wesen des Künstlerplakats diametral entgegengesetzt. Seine künstlerische Gestaltung muß dem formalen Auffassungsvermögen der breiten Masse angepaßt sein. Es gilt die Regel der stilistischen Massenverständlichkeit, die nur wenig Spielraum für formale Abstraktion läßt. Zu ihr gesellt sich die Regel der grafischen Vereinfachung. Um den eilenden Blick zu fesseln, verlangt das Plakat u. a. eine klare grafische Gliederung und treffsichere Lenkung auf sein Hauptziel. Um den eilenden und schweifenden Blick zu fesseln, muß das Plakat aber auch noch zusätzlich die Eigenschaft als „Blickfang" durch unfreiwillig-bezwingende Wirkimg entweder in effektvoll-schodcierender Farbkombination, eigenwilligen Gestaltungselementen oder ungewohnt-überraschender Technik ausstrahlen. Der vorbeieilende Mensch befindet sich in einer dem Sinnhaften, nicht dem Denken zugewandten Situation. Formen und Farben, Bild und Text müssen also auch eine gefühlsansprechende Wirkung besitzen 6 . C A S S A N D R E hat einmal folgendes dazu gesagt: Das Plakat muß „etwas Unerwartetes und überraschendes", eine Art „optischer Zwischenfall" sein. Das Plakat muß in die „Gefühlsphäre" der Menschen eindringen, „und zwar nicht, wie es die Staffelmalerei tut, als ,Gentleman' durch die Tür, sondern wie ein Einbrecher durch das Fenster mit dem Brecheisen in der Hand". Und schließlich, weil es ein „zerstreutes, gleichgültiges und dazu noch gehetztes Publikum" erreicht, bedinge das einen „schematischen, verdichteten Stil, der nur das Wesentliche kurz und telegraphisch mitteilt" 7 . E R N S T V O N G U N T E N schreibt im „Schweizer Handbuch der Absatzförderung und Werbung": „Die Plakatwerbung ist nicht argumentierend, sondern sie sucht optisch die Aufmerksamkeit zu fassen und mehr bildhaft und gefühlsbetont durch eindringliche Symbolik das Ziel der Werbung zu erreichen" 8 . Auch K R O P F F betont die gefühlsmäßige Wirkung des Plakats, indem er sagt: „Es sendet starke Reize, um die Aufmerksamkeit zu erregen und das Interesse zu fesseln. Es rührt durch Form und Farbe an tiefe Schichten, in denen die Gefühle wohnen." Und später: „Die spontane Reaktion beim ersten Anblick eines guten Plakats beruht vor allen Dingen auf Suggestion. Diese typische Wirkung weist hin auf die Wichtigkeit des künstlerischen Entwurfs, der sich unmittelbar an die Gefühle wendet"®. K R O P F F hat aus seinen Überlegungen vier Grundforderungen für einen Entwurf aufgestellt:

1. Komprimierung der zentralen Werbeidee; 2. höchste Originalität der Form; ' MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 14. Grundsätze Gestaltung publizistischer Medien. 7

CASSANDRE, A . M . : a . a . O .

und Grundgesetze

für

die

graphische

GUNTEN, E. v.: Das Plakat als Werbemittel. In: Schweizer Handbuch der Absatzförderung und Werbung. Thalwil-Züridi 1946. 9 KROPFF, H. F. J . : Zur Psychologie des Plakats, Vortrag auf dem Reklamekongreß: „Werbung überbrückt Landesgrenzen". Hamburg 1951. 8

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FRIEDRICH MEDEBACH

4

3. beziehungsreidie entsprechende Farbe; 4. schlagende Kürze des Textes in harmonischer Typographie 10 . Aus der Struktur des Plakates als Werbemittel und seinen Gestaltungsprinzipien ergeben sich auch die Prämissen für das publizistische Wesen des politischen Plakats. Das Wesen des publizistischen Plakats wird bestimmt durch Schlagzeile und Parole. Die Schlagzeile zwingt den Blick zur Kenntnisnahme einer konzentrierten Information, die Parole als konzentrierteste Form der Meinungsäußerung weist die Richtung zum Handeln. Schlagzeile und Parole entsprechen den Grundforderungen für die Plakatgestaltung. Wichtige Textteile, besonders bei überdimensionalen Schriftplakaten, werden durch Schriitblöcke gegliedert. Sie erhalten Hauptzeilen, wodurch der Text zusammengefaßt und gegliedert wird. Das politische Plakat verwendet mehr Hauptzeilen als das kommerzielle Plakat. Das fordert seine stärkere Uberzeugungsaufgabe 11 . Um die Wirkung von Plakaten zu testen, hat die Wissenschaft Prüfungsverfahren entwickelt. Sie erstrecken sich im wesentlichen 1. auf die Sinneswirkung des Plakats (Fernsehbarkeit bei normaler Beleuchtung und bei Dämmerlicht, bildliche Darstellung, Schriftzüge, Farben); 2. auf die Aufmerksamkeitserregung; 3. auf die Vorstellungswirkung (Verständlichkeit, Eindeutigkeit, Assoziationen, Einprägsamkeit); 4. auf die Gefühlswirkung; 5. auf die Suggestivkralt und den Willensimpuls; 6. auf die Placierung; 7. auf die Verwechselbarkeit12. Wenn man auch über die psychologische Wirkung des Plakats bereits einiges weiß, so gibt es z. Zt. noch sehr wenige Erkenntnisse über Reichweite und Kontakthäufigkeit dieses publizistischen Mittels. Das Institute of Practitioners in Adveitising (IPA), London, soll eine mathematische Formel entwickelt haben, mit deren Hilfe man hofft, das Problem zu lösen. Auch für die Placierung von publizistischen Plakaten an den 74 542 Allgemeinstellen, 72 208 Großflächen, 8841 Ganz- und 8881 Spezialstellen in den ca. 17 000 Orten in der Bundesrepublik mit Westberlin wären Erkenntnisse auf diesem Gebiet für propagandistische Großaktionen, wie z. B. anläßlich von Wahlen, nicht uninteressant, wenngleich die

10

KROPFF, H. F. J.: Neue Psychologie in der neuen Werbung. Stuttgart 1951.

BRENDEL, R.: a.a.O. stellt fest: 30,1 °/o der politischen Plakate hatten 3 oder mehr Hauptzeilen, bei den übrigen nicht politischen waren es nur 12,1 %>. 12 PELTZER, K.: Wirkungsprüfung. In: Enzyklopädisches Handbuch der Werbung und Publikation. Thun und München; LYSINSKI, E.: Plakatprüfung. In: Das Plakat, März 1921, S. 181 ff.; MOEDL, W . : Die Psychologie der Reklame auf experimenteller Grundlage, ihre Aufgabe und ihre Methode. In: Das Plakat, Jan. 1919, S. 84 ff. 11

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DAS PUBLIZISTISCHE P L A K A T

politische Plakatpublizistik sidi über die gewerblichen Anschlagsmöglichkeiten hinaus unzählige zusätzliche Verbreitungsmöglichkeiten schafft".

c)

Struktur

des politischen

Plakats

Jedes Werbemittel setzt sich aus verschiedenen, bestimmbaren Bausteinen zusammen, die insgesamt die Voraussetzung und Vorbedingung für die Erfüllung dieser spezifischen Aufgabe in der Werbeplanung erfüllen sollen14. Zu den Werbewirkern

des Plakats, also den Teilen, von denen die werbende Wirkung

ausgeht, gehören für das Plakat seine Größe, das Bild, der Text Symbol, die Anordnung

(Schrift), das

von Bild und Text, die Farbe, die Placierung

kats u. a. m. Hinzu kommt der Träger für die werbewirkenden

des Pla-

Teile, der heute

immer noch wegen der leichten Vervielfältigung das Papier ist, das durch seine Eigenschaften eine zusätzliche Werbehilfe der Werbemittler

bieten kann. Und schließlich ist auch

des Plakats, also der Träger, auf den das Plakat geklebt wird,

nicht unwichtig für die Werbewirkung. Durch ihn wird das Plakat, das als Werbematerial

gestapelt liegt, erst zum eigentlichen

Kommunikationsmittel.

Es zeigt sich, daß unter den Werbewirkern Schrift, Bild und Symbol folgende Faktorenpaare zu festen Verbindungen zusammengeschlossen sind: SchrUtintialt



Schriftgestaltung

Bildinhalt



Bildgestaltung

Symbolinhalt



Symbolgestaltung

Diese Verbindungen umfassen alle meinungswerbenden Elemente des Plakats, die gedanklichen, gefühlsmäßigen und wertmäßigen Elemente, also die inhaltlichen Elemente, wie auch die sinnlichen Elemente Farbe, Linie, Form, durch die die inhaltlichen Elemente erst dem Umworbenen faßbar werden. In den inhaltlichen Elementen konzentriert sich auch der Kern der publizistischen Idee und das publizistische Wollen, um deretwillen das Plakat gestaltet wird und als publizistisches Mittel zum Einsatz in der Öffentlichkeit kommt. Andere formale Elemente wie Anordnung, Placierung, Reihung etc. treten hinzu, um die Werbekraft des Plakates als ganzes zu ermöglichen. Klarheit über das publizistische Ziel — die auch über die publizistische Form Agitation, Propaganda entscheidet— ist die unabdingbare Voraussetzung für die Planung der Gesamtgestaltung des Plakats, besonders für den kreativen Ansatz und Prozeß des künstlerischen Gestaltens. Welche Vorstellungs-, Assoziations-, Trieb- und Gefühlsinhalte sollen im Umworbenen geweckt, welche Appelle und Argumente für die Motivation des Handelns vermittelt werden? Die Absicht des Publizisten in der Einflußnahme auf die Öffentlichkeit ist 15 S. die einschlägigen Handbücher für die Werbung in der Bundesrepublik Deutschland; vgl. auch W & V (Werben und Verkaufen), 5/1966, S. 8 ff. Unbehagen am Plakatanschlag, sowie „Werbung 1968" Z A W Jahresbericht, S. 125. 14 SEYFFERT, R.: a.a.O. Bd. I, S. 235 ff.

6

FRIEDRICH MEDEBACH

für das Plakat von so großer Bedeutung, weil von ihr die Wahl der sinnlichen und formalen Elemente bei der Gestaltung des Plakats abhängen. Unter den sinnlichen Elementen spielt die Farbe die bedeutendste Rolle. Daß von der Farbe eine besonders tiefgreifende Wirkung auf die Psyche der Menschen ausgeht, war sicher immer ein dem Menschen vertrautes Wissen. Die Wissenschaft hat vielfach das Wissen bestätigt und neuere Erkenntnisse hinzugewonnen15. Für das publizistische Plakat aus der Zeit der Weimarer Republik brachte eine Erhebung an 85 Schrift- und Bildplakaten folgende Skala der Farbanwendung: bei 73 %> der Plakate war schwarz vertreten 60 58

rot weiß

22

gelb

11

braun und grau

7

grün blau

6 4

violett

1

orange16

Die Bedeutung des aufrufenden Rot in der Skala des politischen Plakats ist offenkundig. Jedoch muß bedacht werden, daß diese Zeit, in der die Plakate wirken sollten, von den heftigsten innenpolitischen Auseinandersetzungen bestimmt wurde. Die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg hätten für das politische Plakat eine andere Farbskala erbracht-, so hätte z. B. das Blau eine höhere Stelle eingenommen. Diese Feststellung bedeutet nicht eine Wertrückstufung des Rot in der Wertskala, sondern kennzeichnet die verhältnismäßig entspannte Atmosphäre der politischen Situation. Die Linie vermittelt neben der Farbe den Geist der Aussage. Sie kann ebenso lyrisch wie kämpferisch-dynamisch wirken; sie kann hart oder elegant-verspielt sein. Was sie aber noch umschreibt, ist die Form, durch die konkrete geistige 15 FRIELING, H.: Handbuch der Farbenpsychologie. Marquartstein/Obb., 1950. FRIELING fordert: „Die Plakatfarbwahl muß im Elementischen wahr sein. Das heißt, es muß das W e s e n des Stofflichen, das es erläutern will, treffen, um die tieferen Seelenschichten anzusprechen, als bloß die überlegene Vernunft". Zur Farbanwendung beim Plakat vgl. auch BILL, M.: Erfahrung mit Farbe. In: Süddeutsche Zeitung, N r . 71, 24. März 1965, S. 29 KREWINKEL, H. W . : Psychologie der Farben. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 71, 24. März 1965, S. 29; SCHULZE, R.: A u s der Werkstatt der experimentellen Psychologie und Pädagogik. Leipzig 1913, S. 122 u. S. 134; SCHULTE, R. W . u. A . v. REISWITZ: Der Auffassungswert von farbiger Schrift auf farbigem Grund. Ein Beitrag zur experimentellen Reklamepsychologie (mit Tabellen). In: Das Plakat, N o v . 1920, S. 538 ff.; KROPFF, H. F. J.: N e u e P s y c h o l o g i e . . . a.a.O. S. 171. Siehe auch Literaturverzeichnis. " MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 21; zur Gefühlswirkung: ebda. S. 19; SEYFFERT, R.: a.a.O. bringt eine Farbentabelle des Amerikaners Gale aus dem Buch von DANIEL STARCH: Principles of Advertising. Chicago/New Y o r k 1925, S. 592. Die Rangfolge der Farben: Rot und Purpur 30,9 »/o, Schwarz 22,9 %>, Grün 19,9 °/o, Gelb und Orange 18,9 °/o, Blau 8,1 »/«.

DAS PUBLIZISTISCHE PLAKAT

7

Aussage möglich wird. Sowohl das Bild als auch die Schrift leben von der Form und charakterisieren somit das Dargestellte. Die Form kann typenprägend wirken, was besonders in der Karikatur genutzt wird. Diese Bildgattung wurde immer sdion vornehmlich zum Angriff gewählt. Aber auch die Schrift erhält durch die Form Aussagekraft. Die Anwendung der Fraktur ist heute und war auch immer schon eine publizistisch bekennende Aussage. Sehr unterschiedliche und starke Werbewirkung kann von einer freigestalteten Schrift ausgehen, die sich von einer strenggeformten, bereits festgelegten (genormten) Schrift abhebt. Das publizistische Plakat muß auch hier den Massengesetzen folgen in dem Bedenken der Gefühlswirkung, die von Farbe, Linie und Form ausgeht". Wesentlich für die Plakatwirkung ist auch die Anordnung von Bild und Schrift oder nur der Schrift oder von Bildmontagen. Die Bildmontage, bei der einzelne, selbständige Fotobild-Teile zu einem ganzen Eindruck zusammengesetzt werden, spielt für das publizistische Plakat eine sehr bedeutende Rolle. Durch das Gefüge (die Anordnung) selbständiger gegeneinanderstehender Teile, die zueinander in Beziehung gesetzt werden, entsteht eine schlagkräftige publizistische Aussage18. Durch die Anordnung also muß sowohl ein Blickfang als auch eine Blicklenkung erreicht werden, die auf das publizistisch Wesentliche hinzielt. Eine wirksam in Farbe und Form gestaltete Schlagzeile im Plakat (grafischer Lassowurf) dient stets als vortrefflicher Blickfang. Die Gliederung der Schrift in Sdxriftblöcke, durch Hauptzeilen hervorgehoben, bewirkt eine Blicklenkung und damit eine publizistisch gezielte Einwirkung auf den Umworbenen19. Die Größe eines Plakats trägt erheblich zu seiner Aufmerksamkeitswirkung bei. Die Größe bestimmt aber auch die gestalterischen Möglichkeiten und ist zudem noch bedingt durch die Anschlagsmöglichkeit. Plakatsäulen gestatten nur eine begrenzte Breite des Plakats80. Jedoch entscheidet nicht immer die Größe des Plakats den Erfolg. Ein immer wieder in den Blick tretendes Plakat wird, dem Gesetz der Wiederholung folgend, massen- und gedächtniswirksamer sein als ein Plakat in großem Format mit kleiner Auflage. Die Placierung, Anzahl, Verbreitung und Häufung, d. h. mehrfache, gleichzeitige Darbietung, sind entscheidende Wirkelemente für das Plakat. Ein immer in der gleichen Gestaltung wiederkehrender Plakatanschlag (Reihung, Serien) kann bereits eine unübertreffliche Werbewirkung auslösen, 17 MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 145 ff.; s.a. Parzaurek, G. E.: Sdiriftplakat und Plakatschrift. In: Das Plakat, Juli 1914, S. 144 ff. 1 8 Vgl. HERZFELDE, W.: Mein Bruder und die Fotomontage. In: Bildende Kunst, 12/1957, S. 1 f. " MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 23 ff. Die formalen Werbeelemente des Plakats; zum Problem der Wiederholung s. a. MEUMANN, E.: Intelligenz und Wille. Leipzig 1913, S. 117 f. 2 0 MEDEBACH, F.: a.a.O. S. 31. Die Untersuchung aus der Erhebungszeit ergab, daß von 125 Plakaten 90 Plakate Normalgrößen im DIN-Format, die restlichen Plakate Sondergrößen hatten. Mittlere und kleinere Plakatgrößen wurden vor Großformaten bevorzugt. Durch vertikale Linien bzw. Balken kann eine optische Vergrößerung der Plakatwirkung erzielt werden.

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FRIEDRICH MEDEBACH

ganz besonders dann, wenn der Öffentlichkeit infolge dieser Werbemethode bewußt wurde, daß sie mit diesen Plakaten interessante Tatsachen und Meinungen erfährt. Z. B. hatte die NSDAP mit ihren exklusiven, die ganze Plakatsäule füllenden, in immer der gleichen Weise mit einem starken Längsbalken und Hakenkreuz gestalteten Plakaten am Ende der Weimarer Zeit in Berlin einen enormen Aufmerksamkeitserfolg. Allein die immer wiederkehrende Farbe der Plakate zog die Passanten der Straße an und man las die umfangreichen, geschicktmassenwirksam formulierten Texte 81 . Die Mannigfaltigkeit der Anklebemöglichkeiten für das politische Plakat ist in einer hektischen Kampfsituation sehr groß. Plakatmittler können neben den herkömmlichen Anschlagflächen — wie Plakatsäulen und Werbeflächen — alle Wände, Zäune, Mauern, Kraftwagen, Eisenbahnen usw. werden. Sogar der Mensch als Träger des Plakats wird zu einem wichtigen Werbemittler. Mit all diesen Werbemittlern kann eine positive oder negative Wirkung für die Werbewirksamkeit des Plakats verbunden sein. Der Mensch als Plakatträger nimmt eine Sonderstellung ein. Der persönliche, bekennende Einsatz des Trägers vermag die publizistische Wirkung des Plakats erheblich zu stärken. Bei Demonstrationen, Agitations- und Propagandamärschen sieht man daher vor allem den Plakatträger in die Demonstration eingeordnet (z. B. heute bei den Ostermärschen der Atomwaffengegner) 28 . Bild, Schrift und Symbol haben nun zu Ordnungsbegriffen für das Plakat geführt. Beim publizistischen Plakat kann man unterscheiden: Bild-, Sdirift(Text-) oder Symbolplakate. Jedoch überwiegen die Mischtypen. Im allgemeinen wird dem Bild-Schrift-Plakat die größte Wirkung zugesprochen. So schreibt z. B. K A R L E R N S T K N A T Z : „Ein Gemälde, das das Wort braucht, ist kein Gemälde oder wenigstens ein schlechtes. Das Plakat will das Wort. Ein künstlerisch geprägtes Wort, das das Bild zur Ergänzung braucht, ist unkünstlerisch. Das Wort im Plakat dagegen will das Bild, weil es nur geprägt wird, um mit dem Bild eine höhere Zweckgemeinschaft zu bilden. Im Plakat kann also das Bild sowohl wie das Wort auf einen Teil seiner Wirkung verzichten um der stärkeren gemeinsamen Wirkung willen" 23 .

d) Plakatähnliche

publizistische

Mittel

Eine Reihe von publizistischen Mitteln wird neben dem Plakat in der Propaganda und Agitation eingesetzt, die in ihrer Gestaltung ähnlichen Gesetz!I Die in Deutschland noch immer weit verbreitete Plakatsäule bietet nur eine begrenzte Anwendung von Plakatformaten. Breitformatige Plakate finden an der Säulenrundung ihre Grenze. Die in Westeuropa übliche Plakatflädie findet nur langsam ihren für die optimale Plakatwirkung berechtigten Platz. 22 Vgl. hierzu DOVIFAT, E.t Handbuch: a.a.O. Bd. 1, S. 204 ff., Die Tat als publizistisches Mittel. 23 KNATZ, K.: Philosophie des Plakats. In: Das Plakat, Juli 1919, S. 284 ff.

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Der „ZAW-Jahresbericht 1967" weist bei Brutto-Streukosten für Anzeigen in Zeitungen bei einem Gesamtaufwand von rd. 2,2 Mrd. DM einen Anteil von 71 %> für die lokale Werbung und einen Anteil von 29 °/o für die überregionale Werbung aus. Hier ist seit 1961 eine erhebliche Verschiebung der Relationen eingetreten, denn damals wurde für die überregionale Werbung noch ein Anteil von 36 % registriert. Für die Insertionsaufwendungen in Zeitschriften bietet der gleiche Bericht für 1967 folgende Aufgliederung des ermittelten Brutto-Streu-Umsatzes von 1,4 Mrd. DM nach Produktgruppen: Nahrungs- und Genußmittel Körperpflege, Reinigung, Gesundheit Haushalts- und Einrichtungsgegenstände Textil und Bekleidung Güter des persönlichen Bedarfs Maschinen und Fahrzeuge Dienstleistungen sonstige Produktgruppen insgesamt

25 °/o 25 °/o 8 °/o 11 °/o 3 °/o 8 %> 4 °/o 15 °/o 100 °/o

Dazu kamen nocäi 344 Mill. DM Umsätze für Produktionsmittelanzeigen in Fachzeitschriften.

7. G r u n d s ä t z e für d e n Anzeigeneinsatz Der rationelle Einsatz der Werbung durch die Werbungtreibenden richtet sich nach den in der jeweiligen Werbekonzeption festgelegten Werbezielen, den zuvor zu bestimmenden Zielgruppen für die werbliche Ansprache und nach der

ANZEIGENWESEN

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Höhe des jeweils zur Verfügung stehenden Werbe-Etats. Zwischen diesen drei Faktoren gibt es mancherlei Zusammenhänge und wechselseitige Abhängigkeiten, die auch in der Streuplanung folgerichtig ihren Niederschlag finden müssen. U. a. geht es hier darum festzulegen, welche Werbemittel wann und in welchem Ausmaß eingesetzt werden und welche speziellen Werbeträger z. B. mit Anzeigen belegt werden sollen. Dabei ist zu bedenken, daß jeder Werbeträger — ebenso wie jedes Werbemittel — seine Eigenarten, seine Vorzüge und Nachteile, seine Möglichkeiten und Grenzen hat. Im Grunde genommen kommt es bei der Auswahl der Werbeträger — als Gruppe wie auch innerhalb einer bestimmten Gruppe — vor allem darauf an, Zielgruppe und Netto-Reichweite auf eine möglichst optimale Deckung zu bringen. Eberhard S C H E U R I N G hat 1 9 6 0 in seiner Kölner Dissertation „Die Beurteilung der Werbeträger auf ihre Werbeeignung" folgende Beurteilungskriterien herausgearbeitet: 1. Strukturelle Kennzeichnung der Werbeträger (z.B. die Angaben, die im Anzeigentarif enthalten sind) 2. Gliederung der Umworbenen nach soziologischen und werblichen Gesichtspunkten (wobei es bei der Bewertung verschiedener Werbeträger sehr auf die Vergleichbarkeit dieser Daten ankommt, die z. B. aus Leser- und anderen Media-Analysen gewonnen werden können) 3. Räumliche Beurteilungskriterien 4. Zeitliche Beurteilungskriterien 5. Aufwandskriterien 6. Wirkungskriterien 7. Flexibilität der Werbeträger (Das Musterbeispiel eines wenig flexiblen, d. h. anpassungsfähigen Werbeträgers ist das Fernsehen, für das man sich z. T. schon bis zu 15 Monate vor der Ausstrahlung der Werbespots festlegen muß). Bei der Beurteilung eines Werbeträgers auf seine spezielle Werbeeignung für bestimmte Produkte, Dienstleistungen oder Ideen kommt es weniger auf die absoluten Kosten an als auf den relativen Aufwand zur Erreichung des Werbezieles. Es geht letzten Endes darum, zu möglichst günstigen finanziellen Bedingungen möglichst viele wirksame Kontakte zwischen der Werbebotschaft und der ausgewählten Zielgruppe zustande zu bringen. Mit der zunehmenden Rationalisierung und Verwissenschaftlichung der Werbung wuchs der berechtigte Wunsch der Werbungstreibenden, über die zur Verfügung stehenden Werbeträger besser, eingehender, aktueller und zuverlässiger informiert zu werden als zuvor. Man wollte mehr über die Werbeträger wissen, als man den Tarifen oder einschlägigen Nachschlagewerken wie etwa dem „ADW-Zeitungskatalog", dem „Stamm-Leitfaden für Presse und Werbung" oder den neuerdings laufend erscheinenden „Media-Daten" entnehmen kann. Rationelle Werbeplanung setzt gründliche und zuverlässige Information des Streuplaners 18*

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GERD F. HEUER

über die jeweils rationellsten Werbeträger voraus. Der Erkenntnis einer solchen Notwendigkeit, die sich allerdings erst allmählich bei den Werbungdurchführenden (Verlage, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Plakatanschlagunternehmen und Pächter der Kinowerbung) wie bei den Werbungtreibenden und ihren Helfern (Werbeberater, Werbeagenturen und Werbungsmittler) durchsetzen mußte, verdankt die Werbeträger- oder Mediaforschung ihren beachtlichen Aufschwung in den letzten beiden Jahrzehnten. Die grundsätzliche Fragestellung jeder Werbeträgerforschung umriß Werner P. SCHEUERMANN einmal mit folgenden Worten: „Mit welchen der zahlreichen Organe der verschiedenen Werbeträgergruppen erreiche ich zu einem gegebenen Preis am meisten oder wirksamsten die Personen oder Unternehmen, die für den Absatz meines Erzeugnisses in Frage kommen 14 ? Neben den Daten der quantitativen Leseranalyse sollten aber bei der Auswahl von Anzeigenträgern unbedingt auch noch folgende Kriterien Berücksichtigung finden: 1. Art und Qualität des Zeitungs- oder Zeitschrifteninhalts und seine innere Beziehung zum Inhalt der Werbebotschaft; 2. Unterschiede in der Lese-Intensität und in den Lesegewohnheiten der verschiedenen Leserschaften; 3. innere Einstellung und geistige Verbundenheit der Leserschaften zu den einzelnen Blättern; 4. das „Image", das diese Blätter — und damit ihr redaktioneller und werblicher Inhalt — in den Vorstellungen der Leserschaften besitzen.

8. Aktuelle T e n d e n z e n im A n z e i g e n w e s e n Wie jedes geistige, soziale, wirtschaftliche und politische Phänomen ist auch das Anzeigenwesen — heute weniger denn je! — keine statische Erscheinung, sondern wird von einer ständigen Dynamik durchpulst. Die Analyse der derzeitigen Gegebenheiten läßt einige Schlüsse zu, wie sich die Dinge bei normalem Ablauf voraussichtlich entwickeln. Trotz verschärfter Konkurrenz mit anderen publizistischen Mitteln werden die Anzeigenträger aller Voraussicht nach eine positive Entwicklung ihrer Umsätze zu erwarten haben. Der Anteil der Anzeigenerlöse an den gesamten Presse-Einnahmen — bei Zeitschriften wie bei Zeitungen — wird wahrscheinlich weiter zu Lasten der Vertriebserlöse steigen. Die Anzeigeneinnahmen haben zudem die Chance, mit der Konjunktur zu wachsen, während die Vertriebspreise — zum mindesten bei den Tageszeitungen — weitgehend als sozial gebundene Preise zu verstehen sind und daher vielfach — selbst bei Änderungen der Kostenlage — nicht so ohne weiteres erhöht werden können. Nicht nur Rundfunk- und Fernsehgebühren beeinflussen die Bezugspreise der Tages14

„Die Anzeige" 1959, Nr. 3, S. 188.

ANZEIGENWESEN

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zeitungen hinsichtlich ihrer möglichen Höhe, sondern auch die preisliche Konkurrenz anderer Tageszeitungen im gleichen Vertriebsgebiet wirkt sich hier aus. Speziell für die Kleinzeitungen macht sich die Konkurrenz einer wachsenden Zahl von Anzeigenblättern bemerkbar (kostenlos!), deren es mittlerweile schon über 300 gibt. Neben diesen Anzeigenblättern tragen auch die Bemühungen der Publikumszeitschriften um die regionalen Märkte (Splitting), die Steigerung der Funk- und Fernsehwerbung, die aller Voraussicht nach noch zunehmen wird, wenn zu Anfang der 70er Jahre die geplanten Lokalsender einsatzbereit sein werden, die wachsende Bedeutung der Co-Op-Werbung ( = Verbindung von Markenartikel- mit Einzelhandelswerbung) und das Eindringen der Werbeagenturen und Werbungsmittler auch ins Lokalgeschäft zu einer Verschärfung des Konkurrenzkampfes auf dem Anzeigenmarkt bei. Die Erhöhung der Postgebühren für Werbesendungen hat den Tageszeitungen bereits vielfach zu höheren Beilagenaufträgen verholfen. Auch diese Tendenz dürfte sich fortsetzen, da mit Gebührensenkungen bei der Post kaum zu rechnen ist. Der Anteil der Farbanzeigen am gesamten Anzeigenaufkommen wird auch in der Tagespresse langsam aber stetig wachsen. Die neuen technischen Möglichkeiten werden hier sicherlich zu einer Verbesserung der Druckqualitäten führen. Auch die Aktion der „Regionalpresse", die 1968 unter dem Motto „Die zeitungsgerechte Anzeige" lief und bei der es galt, für die Wiedergabe in Tageszeitungen vorbildliche, weil ihren technischen Gegebenheiten angemessene, Anzeigen als anregende Musterbeispiele zu entwickeln, sei in diesem Zusammenhange erwähnt. In der Zeitschriftenpresse wird der Trend zur Farbanzeige anhalten ebenso wie der zu Anzeigensonderformaten. Neue günstige Farbdruckmöglichkeiten wird der sich bereits abzeichnende Einbruch des Offsetverfahrens in die Zeitungsund Zeitschriftenproduktion mit sich bringen. Die einzelnen Anzeigenträger werden ihre Bemühungen, sich gegenüber der Konkurrenz zu profilieren einerseits und ihr Produkt dem Markt anzupassen andererseits, verstärken und Wert darauf legen, dies auch mit den Mitteln der Mediaforschung deutlich werden zu lassen.

LITERATUR BRUGGER, A. und SCHNEIDER, C . : Der deutsche Anzeigenmarkt. Leipzig 1936. — Deutscher Bundestag (5. Wahlperiode): Drucksache V/2120 v. 28.9. 1967 „Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film" ( M I C H E L Kommission). — Deutscher Bundestag (5. Wahlperiode): Drucksache V/3122 v. 3.7.1968 „Schlußbericht der Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik" (GÜNTHER-Kommission). — BURDA Drude und Verlag GmbH (Herausgeber). Almanadi der Mediaplanung. Offenburg 1968. — DOVIFAT, E . : Zeitungslehre I und II. Sammlung Gösdien Band 1039/1039 a u. 1040/1040 a. 5. neubearbeitete Auflage. Berlin 1967. — DOVIFAT, E.: Handbuch der Publizistik, Band 1, Allgemeine Publizistik. Berlin 1968. — ENGELMANN, H. u. J. KRUMM: Die Entwicklung der Kosten bei den deutschen Tageszeitungen mit regionaler Verbreitung — Vergleichende Gegenüberstel-

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GERD F. HEUER

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Technik und Umbruch der Zeitung W A L T H E R G . OSCHILEWSKI

Die Herstellung einer modernen Tageszeitung erfolgt unter anderen Voraussetzungen, als sie für allgemeine Drucksachen gültig und möglich sind. Der Erscheinungstermin der Tageszeitung muß bis auf die Minute eingehalten werden. Dieser Zwang erfordert eine schnellere Produktionsweise und ein Hand-in-HandArbeiten der Redaktion mit den verschiedenen Abteilungen des technischen Betriebes 1 . Die Zeitungsherstellung beruht auf der Kombination manueller und maschineller Handlungen und Fertigkeiten. Die Grundschrift des Zeitungsdruckes ist Maschinensatz, für den die Linotype-, Intertypeund Monoiype-Zeilen-, Setzund Gießmaschinen (letztgenannte vor allem für mittlere und kleinere Zeitungsbetriebe) die gebräuchlichsten Hersteller sind. Bei der Monotype werden einzelne Buchstaben gegossen, was die Buchstabenkorrektur erleichtert. Eine Neuerung ist der Teletypesetter (TTS), der 1939 von den Amerikanern und M O R E Y erfunden wurde. Auf einem Spezialgerät (Perforator) wird ein Lochstreifen für die Übernahme der vollautomatischen Steuerung der Setzmaschine hergestellt. Die Übertragung des Manuskripts auf das Lochband ist noch eine manuelle Tätigkeit, das Gießen der Schriftzeilen erfolgt automatisch. Dieser TTS schließt auch die Möglichkeit eines Übertragungssystems ein (Fernsatz). Einmal getastete Texte auf Lochstreifen können auf dem Wege über den Lochstreifensender drahtlos oder durch Kabel an andere Empfangsorte übermittelt werden. In naher Zukunft werden sich auch die Nachrichtenagenturen auf die TTS-Fernsendetechnik umstellen. Die Meldungen laufen dann nicht als Manuskripte über den Fernschreiber, sondern als gießfertige Lochbänder an die angeschlossenen Zeitungen. CANETT

Die Entwicklung des Satzes geht weiter. Das Blei und das bisher übliche Setzverfahren wird durch den überschnellen elektrischen Lichtsatz abgelöst werden. Bei der Fotosetzmaschine in den verschiedensten Fabrikaten (die erste wurde 1936 von dem Ungarn EDMUND U H E R benutzt) werden die Schrifttypen nicht mehr gegossen. Das Budistabenbild — gestochen scharf — wird auf einen Film projiziert. Die Vorzüge des Lichtsatzes (200—2000 Buchstaben pro Sekunde) sind unbestritten. Der Auflagendruck kann näher an die Redaktions-Schluß1 Vgl. Der moderne Druck. Hrsg. von KOLLECKER, E. und MATUSCHKE, W. 2. Aufl. Hamburg 1956; NIEL, R. L.: Satztedinisciies Tasdien-Lexikon. 4. Aufl. Wien 1933.

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Zeiten herangeführt werden. Das Ziel ist, fertig umbrochene Seiten mit Zeichnungen und Fotos in größter Schnelligkeit herzustellen. Schwierigkeiten bestehen noch bei den Korrekturen. Mit den Fotosetzmaschinen ist der Gutenbergsche Grundsatz, das Drucken von Einzelbuchstaben oder Zeilensatz, überholt. Die Anwendung der Fotoschnellsetzmaschine setzt eine fotomechanische Druckplattenherstellung voraus. An die Stelle der üblichen Hochdruckzeitung wird in naher Zukunft der Offsetdruck treten. (Die USA, Großbritannien haben schon damit begonnen). Die Druckplattenherstellung reduziert sich bei diesem Verfahren bis auf eine Minute. Der Rollenoffset wäre ebenfalls insoweit von Vorteil, als er auch für den Zeitschriften- und Akzidenzdruck eingesetzt werden kann. Die Hochdruckzeitungsmaschinen sind mangels anderer Aufträge die meiste Zeit nicht ausgelastet 2 . Der Satz-Computer ist die dritte und wichtigste Errungenschaft in der Zeitungstechnik; 1967 wurden bereits mehr als 540 Elektronenrechner zur Maschinensatzherstellung benutzt. Der Computer steuert den Satzvorgang, schließt die Zeilen aus und nimmt Silbentrennungen vor 3 . Im Zuge dieser revolutionären Veränderungen in der Zeitungsherstellung ergeben sich für den Redakteur der Zukunft neue Arbeitsweisen. Vorerst sind aber manuelle Satzherstellung (und das Teletypesetter-System) noch im Vorrang. Darüber soll hier gesprochen werden. Die Setzmaschinen können mittels Matrizen (die Form für den Schriftguß) Typen der verschiedensten Arten und Grade herstellen. Für den Zeitungssatz gelten moderne Antiquaschriften, wie etwa Candida, Excelsior, Berlin und Melior als die geeignetsten. Eine Zeitungsschrift muß ein klares, offenes und verhältnismäßig großes, die Kegelstärke voll ausnutzendes Bild haben, damit sie selbst bei kompressem (undurchschossenem) Satz gut lesbar ist. Die Type soll in der Anlage ihrer Strichstärke und Linienführung so gestaltet sein, daß sie bei Farbgebung des Rotationsdrucks nicht zuschmiert. Das setzt voraus, daß die umgrenzten Innenräume der Buchstaben weit genug sind. Die rechten und spitzen Winkel der Zeitungstype müssen ausgerundet sein und die Endstriche kräftig, damit sie durch die ständige Strapazierung in der Prägepresse bei der Maternherstellung nicht abbrechen. Ein entscheidendes Merkmal einer guten Zeitungsschrift sind die Kreisrundungen der Groß- und Kleinbuchstaben im Oval, die mit starker Betonung der Senkrechten gestreckt sind. Dadurch wirkt die Type nach oben hin geweitet und trotz senkrechter Streckung raumsparend. Die Breite der einzelnen Spalten hängt wesentlich vom Format der Zeitung ab. Amerikanische Zeitungen haben oft 8 Spalten, in Deutschland sind 4 bis 6 Spalten das Übliche. Die Schriitgrade werden nach einem auf die Franzosen F o u r n i e r , L e j e u n e und Firmin D i d o t zurückgehenden typometrischen System berechnet. Die MaßVgl. ZV + ZV, 51—52, 1967. S. 22, 90; 4, 1968, S. 93. » Vgl. ZV + ZV, 4, 1968. S. 87. 8

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einheit ist der typographische Punkt, 2660 Punkte ergeben einen Meter. 1 Punkt entspricht 0,376 mm. Durchschußmaterial (Regletten) und Linien gibt es in 1 (Achtelpetit), 2 (Viertelpetit) und 3 (Viertelcicero) Punkten. Schriftgrade bemißt man wie folgt: Diamant = 4, Perl = 5, Nonpareille = 6, Colone! = 7, Petit = 8, Borgis = 9, Korpus = 10, Cicero = 12, Mittel = 14, Tertia = 16, Text = 20, 2 Cicero = 24, Doppelmittel = 28, 3 Cicero = 36, Doppeltext = 40, 4 Cicero = 48, 5 Cicero = 60 und 6 Cicero = 72 Punkte. Als Grundschrift ist bei einer 12 Cicero-Zeilenbreite der Petitgrad die beste Lösung. Leider hat sich bisher bei der Zeitung der leichter lesbare durchschossene Satz nicht durchgesetzt. Es wäre besser, die Grundschrift kleiner zu wählen, dafür den Satz zu durchschießen (etwa Colonel auf Petit-Kegel). Zeileneinzüge bei Spaltensatz sollten nicht mehr als ein 10-Punkt-Geviert betragen. Das Stumpfhalten der Zeile (sie ohne Einzug anfangen zu lassen) ist beim Zeitungssatz nicht zu empfehlen, da bei vollen Zeilen sich die Absätze schlecht markieren. Hier müßten die einzelnen Absätze mit Vi Petit durchschossen werden, was bei der Schnelligkeit der Zusammenstellung der Spalten zeitraubend ist. Gleiche Wortzwischenräume und sinnentsprechende Wortteilungen erleichtern das Lesen. Zu enger Satz ergibt ein verschwommenes, zu weiter Satz ein durchlöchertes und zerfahrenes Bild. Leider sind diese typographischen Regelmäßigkeiten durch den Computersatz vorerst nicht mehr voll gewährleistet. Wörter und Wortfolgen durch erweiterten Abstand von Buchstaben zu Buchstaben durch Einfügung von Punktfüllern hervorzuheben (sperren) ist tunlichst zu vermeiden. Sperrsatz ist schwerer lesbar, da die Wortbilder in die Länge gezogen werden. Außerdem reißen gesperrte Wörter helle Streifen in die sonst farblich einheitlich und geschlossen wirkende Seite und erzeugen eine unliebsame Flimmerwirkung. Anstelle des Sperrsatzes verwende man schrägliegende Typen. Als weitere Auszeichnungen im laufenden Satz wird man eine halbfette Type nicht entbehren können. Diese darf jedoch unter keinen Umständen gesperrt werden. Eine halbfette Schrift ist dunkler als die gewöhnliche Grundschrift, die gesperrte lichter. Die Wirkung beruht also auf dem Hell-Dunkel-Kontrast, der durch Sperrungen aufgehoben wird. Bei der Hervorhebung einzelner Wörter und Wortfolgen muß beachtet werden, daß stets genügend nicht hervorgehobener Satz übrigbleibt. — Es ist üblich geworden, um Seiten, zumindest einen Teilabschnitt, verstärkt blickfangend zu gestalten, manchen Artikeln einen breiteren, in halbfetter Type gesetzten sogenannten Vorspann voranzustellen. Es empfiehlt sich, den Vorspann in einem größeren Schriftgrad als den dazugehörenden Text zu setzen. Auch die Hervorhebung durch eine andere Typenform ist gegeben. Nachdem jahrzehntelang unter dem Einfluß der funktionellen Typographie in der Zeitungsgestaltung schmückende Elemente verpönt waren, kommen neuerdings wieder halbfette bzw. fette, schraffierte, punktierte, kombinierte, englische Wellen- und Strichbahn-Linien in Mode. Dennoch ist deren Notwendig-

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keit, abgesehen von den die Kolumnen trennenden Spaltenlinien nicht einzusehen. Das äußere Gesicht der Zeitung wird von der Gestaltung der einzelnen Seiten, d. h. durch die typographische Grundform fGrundschrift, Spaltenbreite, Überschriften, Umbruchart) bestimmt. Der typographische Stil der ersten deutschen Zeitungen glich den Flugblättern und Pamphleten des 17. Jahrhunderts. In der Regel waren die Texte, die ausschließlich aus Nachrichten bestanden, ohne räumliche Scheidung, ohne Überschriften, ohne Hervorkehrung einzelner Satzteile und ohne sonstige Auszeichnungen fortlaufend über die Seite gestellt. Aber bereits gegen Mitte der Inkunabelzeit der deutschen Zeitungen findet man die Korrespondenzorte und die zeitlichen Angaben der Nachrichten durch eine besondere Zeile herausgehoben. Wichtige Meldungen wurden in Sperrsatz gesetzt und hin und wieder mit einer Überschrift versehen. Eine bessere äußere Gliederung des Stoffes bieten schon die wöchentlichen Postzeitungen in Köln, deren Seiten bereits 1630 in zwei Satzteile gespalten waren. Die Einführung der Einteilung der Zeitung in Spalten entsprach einem wirklichen Bedürfnis. Da man in kleinen Typen setzte, war das Lesen der großen Kolumnen (wie beim Buch) eine zu anstrengende Beschäftigung. Nach dieser Neuerung ist der typographische Stil der deutschen Zeitungen über ein Jahrhundert ziemlich gleich geblieben. Erst mit dem Aufkommen der Abonnentenblätter wurde der konservative Grundzug, der das gesamte Drudegewerbe, vor allem die Typographie charakterisiert, zugunsten einer variableren Gestaltung durchbrochen. Dabei ist die merkwürdige Tatsache zu verzeichnen, daß die typographische Technik der Entwicklung den vielgestaltigen maschinellen Beschleunigungsmethoden hinterherlief. Das Gesamtbild der Zeitung wird neben der Grundschrift ausschließlich durch den Umbruch gekennzeichnet. — Der Terminus technicus Umbruch beinhaltet die Summe journalistischer und typographischer Tätigkeiten und Erfahrungen; sie sind die wichtigste Arbeitsfunktion, die den Redakteur mit der Technik verbindet. Umbrechen heißt in der Fachsprache das übersichtliche und wirkungsvolle Zusammenordnen von Satzteilen und Bildern zu ganzen Seiten. Diese Ordnung soll dem Leser die Lektüre erleichtern und gleichzeitig den Stil der Zeitung demonstrieren. Der Umbruch erfolgt dementsprechend nach optischen und ästhetischen Gesichtspunkten. Der handwerklich Ausführende ist der Metteur (nach der französischen Bezeichnung „Metteur en-pages"-Umbruch = „mise-en-pages"), aber ein Redakteur, der nicht den „Spiegel", das heißt die graphische Aufteilung seiner Seite im Kopf hat, taugt nicht. Man kann den Umbruch erst einmal am Schreibtisch skizzieren. Technisch versierte Redakteure geben jedoch dem Zusammenstellen der Seite am Umbruchstisch den Vorzug. Im allgemeinen wird der Umbruch von dem jeweiligen Ressortredakteur mit dem Metteur vorgenommen. Es gibt aber auch redaktionelle Spezialkräfte für den Umbruch, den sogenannten Umbruchredakteur, des-

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sen Tätigkeit in kleineren Verhältnissen oft mit der Funktion des „Chefs vom Dienst" zusammenfällt. Beim Umbruch sind eine Reihe satztechnischer Regeln zu beachten. Sie sind das Resultat ästhetischer, psychologischer Überlegungen und Maßstäbe. Die die Senkrechte betonenden Satzspalten müssen so angeordnet werden, daß sie sich weniger in die Höhe als in die Breite ausdehnen (Quergliederung), d. h. man läßt längere Artikel („Riemen" oder „Handtücher" genannt) statt über zwei lange Spalten besser in drei kürzeren Spalten laufen, wobei zwei Spalten gleich lang sein können, die dritte kürzer. Drei gleichlange Spalten wirken langweilig. Bei der Gliederung und entsprechenden Aufmachung des vorhandenen Materials sollte man von einigen Zweckmäßigkeiten ausgehen. EMIL D O V I F A T 4 macht die Wirkung und geordnete Übersicht der Seitengestaltung von drei Grundregeln abhängig: der künstlerischen des „Goldenen Schnitts", der kompositorischen der Gewichtsveiteilung und der psychologischen des blickhäufigsten Punktes. Wenn es auch kein allgemein gültiges Schema gibt, eher Variationen und Modifizierungen, so sollte man sich doch nicht der Einsicht, daß man die optisch wirksamen Schwerpunkte nach dem Gesetz der „rechten Proportion" beachten muß, verschließen. Man darf schwer lastende Satzteile mit entsprechenden Überschriften und womöglichem Fettsatz nicht „irgendwo hinstellen". Psychologische Testate haben ergeben, daß der Leser den Blick zunächst einmal nach rechts oben wendet, wobei die Aufschlagseiten, die rechten Seiten, eine besondere Rolle spielen. Das Prinzip des „Goldenen Schnitts" (lt. Sectio aurea), auch stetige Teilung genannt, bei der sich die ganze Strecke zur längeren Teilstrecke verhält wie diese zur kurzen Strecke (entspricht ziemlich genau dem Verhältnis von 21,2:13,1 = 13,1:8,1) birgt nicht allein das Geheimnis der Schönheit. In der Zeitungstypographie sind auch andere Maße, Proportionen und Schwerpunkte möglich. Unter Berücksichtigung des psychologischen Gesichtspunktes, des sogenannten „Optical Point", des blickhäufigsten Punktes, ist im Interesse der Gesamtwirkung der Zeitungsseite eine kompositorische Gewichtsverteilung die zeitgemäßere Form. Sie entspricht einer rhythmischen Gestaltung der Zeitungsseite, die nicht der Seitensymmetrie folgt, sondern die Stellung gleichbedeutender Artikel in einem verschobenen, ineinander verschränkten Umbruch von Zwei- und Dreispaltern präjudiziert. Ein solcher Umbruch entspricht der Vorstellung, daß der Leser mit der Lektüre nicht mehr oben rechts beginnt, sondern sein Blick zunächst auf das für ihn Interessanteste gerichtet werden soll. Natürlich eignet sich ein solcher verhältnismäßig „seriöser" Umbruch nicht für jede Zeitung. Audi kann es durchaus zweckmäßig sein, die einzelnen Seiten entsprechend ihrem Inhalt (Politik, Nachrichten, Wirtschaft, Sport, Feuilleton, Lokales) verschieden voneinander zu gestalten. 4

DOVIFAT,

E.: Zeitungslehre. Bd. II. Berlin 1967. S. 106 ff.

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Vor allem sollte man bestrebt sein, das verfügbare Material sinnvoll zu gliedern. Nachriditen„salate" in einem völlig formlosen, verwirrenden Durcheinander ergeben noch keine Zeitung. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß Schreien, Ausrufen, das Auf- und übertrumpfen in Zeichen und Worten einer zeitgemäßen Lebendigkeit entsprechen. Man sollte nicht einen Text, der wenig hergibt, durch das vorhandene Schriftmaterial künstlich aufplustern wollen. Wie bei der industriellen Formgebung, die nach größter Klarheit und Einfachheit strebt, sollte auch die Zeitungstypographie sich vor der Überbetonung gestalterischer Mittel hüten. Auf einen Stuhl soll man sich setzen können. Eine Zeitung soll man lesen können; sie soll nicht verwirren, und weil sie das nicht soll, muß man mit äußerlichen Reizmitteln sparsam sein. Beim Umbruch der einzelnen Spalten muß vermieden werden, daß eine Anfangszeile unten am Schluß der Spalte steht („Schusterjunge"), oder daß eine neue Spalte mit einer Ausgangszeile einsetzt („Hurenkind") 5 . Unter der Überschrift eines unten auf der Seite beginnenden Artikels müssen noch mindestens drei Zeilen stehen. Bei Wortteilungen, wie überhaupt in Auseinandersetzungen über die Rechtschreibung, die zwischen Redakteur, Setzer und Korrektor eine ständige Quelle von Mißhelligkeiten ist, befragt man den „Großen Duden". Für den täglichen Gebrauch muß es, um Willkür und Chaos zu verhüten, einen Maßstab geben. Es geht nicht an, daß jedes einzelne Ressort seine eigene Rechtschreibung praktiziert. Auch hinsichtlich der Korrekturzeichen sollte sich der Redakteur an die von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands und von der Meisterschule für das graphische Gewerbe zu Leipzig ergänzten MusterKorrekturvorschriften (im „Großen Duden") halten. Zum Umbruch gehören die Überschriften, die den Stil einer Zeitung wesentlich mitprägen. Die Zeitung ist kein Buch, das man in einer Kolumne von Anfang bis Ende liest. Der Zeitungleser hat die Freiheit, nach Zeit und Lust sich das aus seinem Blatt herauszusuchen, was ihn im Augenblick gerade interessiert oder ihm wichtig erscheint. Dazu sollen ihm die Überschriften ein Wegweiser sein. Hierbei können die Erfahrungen und die nach vielen Seiten hin erprobten Überlegungen von jedem Journalisten genutzt werden. Auch hierfür gibt es bestimmte Regeln. Solche Regeln sind: Keine zu kurzen Überschriften, weil helle Löcher auf der grauen Gesamtfläche einer Zeitungsseite immer unruhig und unschön wirken; verlangt die Überschrift eine Unterzeile, so sollte diese stets länger oder kürzer als die Hauptzeile sein, nie gleich oder annähernd gleich lang. Setzt man die Überschriften oder Schlagzeilen in gradstehenden Buchstaben, empfiehlt es sich, die Unterzeile in einer Schrägschrift zu setzen (oder umgekehrt). Wichtig ist vor allem die optisch wirksame Abstufung der Schriftgrade. Seit etwa 150 Jahren werden die Uberschriften zumeist nach der Mitte hin 5

Zur Fachsprache der Buchdrucker vgl. OSCHILEWSKI, W A L T H E R G. Der Buchdrucker. Brauch und Gewohnheit. (2. erw. Aufl.) Berlin 1955. S. 69—74.

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ausgeschlossen (Mittelachse). Zur Mitte hin ausgeschlossene Zeilen heben sich zweifellos am besten aus der weißen Fläche ab. Man kann aber auch die Überschriften nach links ausschließen, daß die Zeilen stumpf, ohne Einzug, anfangen. J A N T S C H I C H O L D " meint dazu: „Der neben vielen Titeln freibleibende Raum würde angenehm wirken und durch den sozusagen automatischen Hinweis auf den danebenstehenden Titel den Text besser organisieren. Heute entsteht durch die axiale Anordnung der Titel ein unruhiges Grau; denn die schwarzen Uberschriften vermischen sich mit dem sie umgebenden Weiß, statt ihre Wirkung durch reinliche Abtrennung zu steigern." Das hat zweifellos manches für sich. Tsdiicholds Vorschlag ist in den 20er Jahren sehr schön und wirkungsvoll im „Technischen Blatt" der Frankfurter Zeitung praktiziert worden. Für periodische- oder Sonntags-Beilagen, denen eine längere Vorbereitungszeit zur Verfügung steht, mag das Stumpfbeginnen der Überschriftenzeilen angebracht sein; für die tägliche Ausgabe ist der Mittelachsensatz zweckmäßiger, weil, wie wir schon anmerkten, die stumpfen Zeilenanfänge bei der Grandschrift dem Metteur in der Hast des Umbruchs im Hinblick auf die Absätze nach den vollen Ausgangszeilen stets Schwierigkeiten bereiten. Symmetrischer Satz darf aber nicht mit unsymmetrischem gemischt werden. Im Streben nach Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit können aber beide Stilrichtungen in der Typographie, die symmetrische wie die asymmetrische als bedeutsame Flächenelemente Geltung haben. Keine ist besser, nur anders. Problematisch sind Versalienzeilen im Überschriftensatz. Wohl kann man Großbuchstaben, etwa für kurze, ein- oder zweisilbige Rubrikentitel („KURZE MELDUNGEN", „PRESSE-SPIEGEL") verwenden — sprechende, aus mehreren Worten bestehende Überschriften in Versalien mindern die Lesbarkeit. Großbuchstaben müssen im Gegensatz zu den Gemeinen (Kleinbuchstaben) sehr leicht gesperrt und ihre Zwischenräume ausgeglichen werden. —• Gezeichnete Überschriften sind in einer Zeitung eigentlich unnötig. Unser Typenvorrat ist so reichhaltig und die Typographie so variabel, um allen Anforderungen zu genügen. Man hüte sich, zwei Überschriften in gleicher Höhe nebeneinander zu stellen. Man löst das „Problem" bei fünfspaltigen etwa dadurch, wenn man bei einem Dreispalter eine zweispaltige Überschrift wählt und die dritte Spalte stumpf anfangen läßt. Man kann aber auch zwei nebeneinander stehende Überschriften durch eine Spaltenlinie trennen. Daneben kann man dann den Zweispalter mit einer zweispaltigen Überschrift stellen. Die Überschriften soll man möglichst aus einer Schrift in verschiedenen Graden (Größen) und Garnituren (magere, halbfette, dreiviertelfette, fette, schmal- oder breitlaufende Schriften) setzen. Verschiedene Schriftarten machen das Gesamtbild unruhig. Die Zeitung ist kein Schriftmusterbuch. P A U L R E N N E R , der Schöpfer der „Futura"-Familien, hat immer wieder darauf hingewiesen: „Die Schriftgrade sind oft ohne Not zu groß gewählt. Man 6

TSCHICHOLD,

J.: Die neue Typographie. Berlin 1928.

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würde die gleiche Wirkung, meist sogar noch eine stärkere Wirkung erzielen, wenn man kleinere Schriftgrade nehmen würde, die viel eher den Überblick über die ganze Seite gestatten und auch leichter der verschiedenen Bedeutung und Aktualität des Inhalts entsprechend abgestuft werden können."7 Es ist eine alte typographische Weisheit, daß sich eine kleinere Schrift in einem großen weißen Raum besser behauptet. Die Tendenz zu überdimensionalen Schlagzeilen, die zweifellos etwas Revolutionäres an sich haben, entspricht eigentlich nicht der Zeitung. Die Zeitung ist kein Plakat. Allerdings muß man bei der Betrachtung der Überschriftenfrage den Unterschied zwischen Abonnentenund Familienblatt, dem Straßenverkaufsblatt oder dem sogenannten Boulevardblatt machen. Eine Tageszeitung der ersten Gruppe, die mit einer soziologisch breiten Leserschicht zu rechnen hat, wird danach trachten, vielfältige Leserbedürfnisse und Leserwünsche zu berücksichtigen und dieses Verlangen durch zuverlässige Nachrichtengebung, bunten Unterhaltungsstoff und den Anreiz zur eigenen Meinungsbildung auch in wirksamer Form zu befriedigen. Für diese Zeitungsgattung wäre es ein Verhängnis, den Stil der typographisch heftig gestikulierenden Boulevardblätter nachzuahmen. Die Straßenverkaufsblätter, ebenso wie die Wochenendzeitungen sind zweifellos großstädtische Erscheinungen und Ausdruck eines Teils unseres Lebens. Straßenverkaufsblätter sind dazu übergegangen, in der Schlagzeile ein Ereignis als feststehende Tatsache anzureißen, die in der nachfolgenden Meldung selbst oft nicht bestätigt wird, sondern bestenfalls eine Vermutung ausspricht. Eine solche Blickfangtechnik, die den Leser kaum wirklich unterrichtet, berührt mitunter die Grenzen des verantwortlichen Journalismus. Ein lediglich vom Geschäftsinteresse diktierter Journalismus hebt sich selbst auf. Das bloße Gewinnstreben des Zeitungsverlegers stellt eine ebenso große Gefahr dar wie die Überrumpelungsversuche des Lesers durch den Redakteur. „Die Sucht, recht auffallend aufzutreten, ist nicht eigentlich Erzeugnis des publizistischen, sondern des geschäftlichen Geistes, und sie führt dazu, daß vom Publikum wie vom Verleger diese Technik höher geschätzt wird als die sachliche Arbeit." 8 Demgegenüber ist es ein alter bewährter journalistischer Grundsatz, daß der „Verkaufsschlager" in der Form anreißerischer Schlagzeilen stets primär von dem Inhalt der Nachricht abhängig sein muß. Nur aus der Bedeutung des sachlichen Inhalts ergibt sich die Notwendigkeit einer mehr oder weniger extremen Aufmachung. Es ist die Aufgabe des Redakteurs, für eine wichtige, allgemein interessierende Sache packende, prägnante und auffallende Schlagzeilen zu finden; aber die Größe der Typen allein macht es nicht. Entscheidender ist die textliche Gestaltung der Überschriften, die zweifellos zu den schwierigsten, aber auch dankbarsten Aufgaben des Redakteurs gehört. RENNER, P.: Die Kunst der Typographie. Berlin 1939. S. 112. Darüber schrieb schon Groth vor 40 Jahren: GROTH, O.: Die Zeitung. Erster Band. Mannheim/Berlin/Leipzig. 1928. S. 354. 7 8

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Hierbei zeigt sich, ob er über die Voraussetzungen verfügt, die er haben sollte: schnelle Auffassungsgabe, Sprach- und Formgefühl und Lebensnähe. Es hat immer Zeitungen gegeben, die sich der sorgsamen Pflege des Überschriftentextes besonders widmeten. H E I N R I C H P O I X A K " erzählt schon aus der Zeit vor 70 Jahren, daß man sich im Neuen W i e n e r Tagblatt auf den täglichen Redaktionskonferenzen gemeinschaftlich über die Überschriften mit Emst und Eifer beriet. Für die beste Überschrift w u r d e zur Belohnung und Aufmunterung ein Honorar von zehn Kreuzern gezahlt. Auch in der Gegenwart geben sich viele Redaktionen aus einem sehr naheliegenden Grund besonders Mühe mit der Fassung der Überschriften, bei einigen Blättern hat sich sogar der Typ eines selbständigen „Überschriftendichters" herausgebildet. Eine große süddeutsche Zeitung veranstaltet täglich eine Überschriftenkonferenz. Zu einer modernen, lebendig aufgemachten Zeitung gehört das Bild. Sdion bald nach den Anfängen des Zeitungswesens w a r das Bild in Form des damals üblichen volkstümlichen Holzschnitts ein publizistischer Faktor. Er wurde aus der Kampf- und Flugblattliteratur übernommen. Aber erst die Erfindung der Photographie und die Entwicklung des fotomechanischen Vervielfältigungsverfahrens machten das Bild zu einem wesentlichen Bestandteil der modernen Zeitung. Heute, in unserer bilderfreudigen Zeit, steht es als primäres Ausdrucksmittel der Nachrichtengebung, der Menschenführung, der Unterhaltung und Belehrung gleichberechtigt neben dem Wort, das es wohl nicht ersetzen kann, das aber ebenso unmittelbar zum Leser spricht. Der Siegeszug des Bildes hat eine neue journalistische Berufssparte auf den Plan gerufen: den Bildreporter, der mehr sein muß als nur ein versierter Photograph. Der Bildreporter ist ein Aussageberichter, der mit der Kamera aus den aktuellen Ereignissen und Erscheinungen das Charakteristische des Augenblicks herausholt und technisch fixiert. Er bemüht sich — ebenso wie der W o r t j o u r nalist — um den objektiven Tatsachenbeweis, der ein besonderes Merkmal der Tageszeitung ist. Bildhaftes Sehen und Erkennen sind neben den phototechnischen Fertigkeiten und der publizistischen Verantwortung unumgängliche Voraussetzungen des Bildreporters. Das Bild als ein Bestandteil der Tageszeitung richtig und wirkungsvoll zu placieren, verlangt einen geschmackssicheren Redakteur. Für den Bildumbruch gibt es so gut wie keine Regeln, es sei denn, daß man sich des kompositorischen Prinzips der Gewichtverteilung (s. oben) erinnert. W e r die Architektonik der Zeitungsseite im Kopf hat, bevor er zum Umbruch geht, der wird z. B. ein schwerlastendes Bild nicht links unten in die Ecke placieren. Zu kleinformatige Bilder sind ein Übel. Die Bestimmung der Größe eines Bildes hängt vom Gegenstand ab; Uberflüssiges k a n n weggenommen, das Charakteristische hervorgehoben werden. W e n n m a n z. B. ein Porträtfoto ge'

POLLAK, HEINRICH:

1894.

Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten. Bd. 1. Wien

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WALTHER G. OSCHILEWSKI

zwungenermaßen nur einspaltig bringen kann, muß man, um auch auf schmalem Raum den Kopf recht groß erscheinen zu lassen, auf dem Foto dicht an das Objekt herangehen, d. h. einen entsprechenden Abstrich machen, so daß bei der Bildreproduktion der überflüssige Raum wegfällt. Die Kenntnis der Reproduktionsmöglichkeiten des Bildes ist für den Redakteur unerläßlich. Vorlagen, die aus gleichmäßig gefärbten Linien und Flächen bestehen, eignen sich für Strichätzungen, von Vorlagen mit Halbtönen, Schattierungen (Photographien, Gemälde, Tuschezeichnungen) müssen Autotypien hergestellt werden. Bei Autotypien ist das Bild in Punkte zerlegt. Die Zerlegung erfolgt durch einen sogenannten Raster, der Licht und Dunkelflächen in ein Netz von Punkten aufteilt. Es gibt feine und grobe Raster. Die Rasterbestimmung hängt von der Qualität des Papiers ab. Für die Einteilung der Bilder, Verkleinerung und Vergrößerung zum Zweck der Reproduktion, benötigt der Redakteur die Rechenscheibe in Kreisform. Mit dieser Rechenscheibe lassen sich alle Reduktionen vorher genau bestimmen und alle im gleichen Verhältnis stehenden Größen ablesen10. Die Herstellung von Druckstöcken ist Aufgabe der Chemigraphie. Auch die Bildherstellung wurde durch die Elektronenoptik revolutioniert. Es gibt Geräte, die in sehr kurzer Zeit nach der Vorlage in einem Arbeitsgang ein druckfertiges Klischee durch den Klischograph, die Typen Scan-a-graver Scan-a-sizer und den Elgrama-Klischeeautomaten11, anfertigen. In Zukunft wird die farbige Zeitung12 eine besondere Rolle spielen. Es ist sicherlich unwichtig, ob man eine Nachricht schwarz oder farbig druckt. Aber farbige Balken, Linien, Striche, Punkte, Umrandungen und Schlagzeilen dienten schon bisher als Blickfang. Die Farbe dringt immer mehr von der Anzeige her in die Zeitung ein. Der Werbewert einer mehrfarbigen Anzeige ist zweifellos höher als der einer Schwarz-Weiß-Anzeige, wenngleich auch das, unter bestimmten Bedingungen umstritten ist. Auch der mehrfarbige Bilddruck in der Zeitung ist im Vormarsch. Mit dem dreifarbigen aktuellen Bild begann 1956 die „Aurore" in Paris. Der mehrfarbige Bilderdruck ist eine Frage der zukünftigen maschinellen Ausstattung der Betriebe. Nur etwa die Hälfte der Zeitungsdruckereien verfügt über Rotationsmaschinen mit Eindruckwerken für die farbige Ausführung. Der Mehrfarbendruck mit normalen Rotationsmaschinen ist auch eine Organisationsfrage. Er beschränkt sich vorerst zumeist auf die Zeitungsprodukte, die vorgedruckt werden. Unter Vordrude versteht man die Teile einer Zeitung, die man vor dem Druck der eigentlichen Ausgabe herstellt; z. B. Beilagen, die nicht an den SCHOLZ, A. U. H. SEICHTER: ABC der Reprotedinik. 6. Auflage. Berlin 1967. Vgl. BURKHARDT, R.: grafische technik — heute und morgen. Stuttgart 1959. 1 1 Vgl. dazu Farbfernsehen u. Zeitung. Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Publ. Bildungsarbeit „Journalismus", Beiheft 3. Hrsg. von Elisabeth NOELLE-NEUMANN, S. 44 ff. 10

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TECHNIK UND UMBRUCH DER ZEITUNG

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Tag gebunden sind, Teile der Sonntagsausgabe etc. Obwohl sich die Qualität ständig verbessert, ist der mehrfarbige Zeitungsdruck recht problematisch, vor allem bei der Reproduktion von Gemälden und Aquarellen, die eine reiche Farbenskala aufweisen, und wo es auf eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit der Vorlage ankommt. Originaltreue wird bei dem verhältnismäßig geringwertigen Papier kaum erreicht werden. Die Möglichkeit, farbig operieren zu können, reizt auch den Redakteur. Es kommt bei der Gestaltung farbiger Seiten auf das Geschmacksgefühl an. Ein mehrfarbiges Bild kann man z. B. nicht über eine farbige Anzeige setzen, weil damit die Wirkung beider farbiger Komplexe aufgehoben wird. — Zeitungmachen ist zunächst eine geistige Funktion und Aufgabe, die aber erst durch technische sachkundige Bearbeitung zur vollen Wirkung kommt. Der Journalist muß demzufolge alle Mittel und Möglichkeiten der technischen Zeitungsherstellung kennen und über ihre Anwendung unterrichtet sein.

19 Publizistik III

Automation in der grafischen Industrie HANS

WEITPERT

Noch nie zuvor ist die technische Entwicklung in so rasantem Tempo erfolgt wie heute. Wir leben in einer Zeit, geprägt durch den Begriff der Automation, die primär die sogenannte zweite industrielle Revolution einleitete. Auch das grafische Gewerbe, jahrzehntelang in handwerklicher Tradition befangen, ist voll in den Sog der Industrialisierung geraten. Verleger und Drucker müssen sich bei ihren Planungen für die Zukunft mehr denn je die Frage stellen: wohin geht die Entwicklung? Aber nicht nur die Technik stellt Entscheidungsprobleme. Das Zusammenwachsen der Wirtschaftsräume bietet gleichzeitig die Chance der Kooperation größeren Stils und damit die Möglichkeit, sowohl die notwendigen Investitionen durchzuführen, wie auch die Auslastung der so geschaffenen Kapazitäten zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund muß man die gegenwärtigen und zukünftigen technischen Perspektiven betrachten.

1. Die Satzherstellung Wenn man vor einigen Jahren noch davon sprach, daß dem Filmsatz die Zukunft gehöre, so kann man heute schon sagen, daß der Filmsatz in der Praxis seine Bewährungsprobe bestanden hat. Der Weg von der Entwicklung der Handlichtsetzgeräte über die Konstruktion von mechanisch arbeitenden Lichtsetzmaschinen zur Herstellung völlig neuer, ultraschneller Fotosetzgeräte, die auf elektronischer Basis arbeiten, hat sich konsequent fortgesetzt. Alles, was bisher in Blei gesetzt wurde, kann im Filmsatz hergestellt werden, wenngleich jedes Filmsatzsystem seine besonderen Stärken hat. Die grundsätzlichen Vorteile des Lichtsatzes sind jedoch in jedem Fall gegeben: — Die Satzherstellung kann rascher erfolgen, — die Qualität ist einwandfrei, — bei schwierigem Formelsatz ergibt sich eine enorme Verbesserung, — die meisten Filmsatzsysteme weisen eine weit höhere Arbeits-Variabilität auf als der Bleisatz. Schriftgrößen von 6—36 Punkt, Mischungsmöglichkeit zahlreicher Schriften von Lochband gesteuert, variabler Durchschuß, mehrere Schriftgrößen und Schriftarten können ohne weiteres auf Schriftlinie in einer Zeile gesetzt werden, usw.

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— Keine Stehsatzkosten, — bessere Möglichkeiten des Nachdruckes. Nachdem der Otiset- und Tiefdruck den Bleisatz nicht unmittelbar zum Druck benötigen —, sondern nur als Medium zur Herstellung reproduzierbarer Abzüge auf Barytpapier oder Zellglasfolie — ist der Filmsatz für diese beiden Druckarten das gegebene Verfahren. Aber auch für den Buchdruck zeichnen sich im Zusammenhang mit den neuen Kunststoffklischees sowohl für die planliegenden als auch für die gebogenen Druckformen preisgünstige Einsatzmöglichkeiten ab, somit auch für Zeitschriftendruck oder bei größeren Auflagen von Büchern oder bei Publikationen, die mit Nachdrucken geplant sind. Obwohl auf dem Kontinent heute erst der vierte Teil von den in den USA im Einsatz befindlichen Lichtsetzmaschinen arbeitet, wird, das ist als sicher anzunehmen, die Entwicklung innerhalb der nächsten zehn Jahre dem amerikanischen Verhältnis sehr nahe kommen. Die grundlegende Bedeutung des Lichtsatzes für die Automation in der grafischen Industrie erhält dieser aber erst durch die Kombination mit dem Computer. Erst die Verbindung des schwerelosen Lichtstrahls der Fotosetzmaschine mit dem ultraschnellen Steuerimpuls des Computers eröffnet dem Lichtsatz die Möglichkeiten, die ihm für die Zukunft eine haushohe Überlegenheit gegenüber dem Bleisatz garantieren. Mit der Einbeziehung der elektronischen Datenverarbeitungsanlagen beginnt die umwälzende Vollautomation der Satztechnik. In den USA arbeiten bereits rund 45 000 Computer, Deutschland steht mit ca. 4000 an zweiter Stelle in der Welt. Bis 1970 erwartet man in den EWG-Ländern den Einsatz von 9000 Computern. In der grafischen Industrie wurden die Computer zunächst als sogenannte Satzrechner eingesetzt zur Umwandlung endlos getasteter Lochstreifen in Lochstreifen mit ausgeschlossenen Zeilen zur Steuerung automatischer Zeilensetzmaschinen. Die umfassendsten Anstrengungen, für die Lochbandumwandlung Computer einzusetzen, haben die USA unternommen. Dort haben bis Ende 1967 ca. 240 Betriebe für den Satz von Tageszeitungen Computer eingesetzt. 1966 waren es erst 131 Satzrechner. Die ungewöhnlich hohe Steigerungsrate von 90 % zeigt deutlich die Entwicklung: Rationellste Fertigung auch im Druckereigewerbe. Insgesamt sind nach einer letzten Meldung in der Welt bereits 600 Satzcomputer in Betrieb, 19 in der Bundesrepublik. Doch die Entwicklung geht weiter. Im Lichtsatz übernimmt der Computer über das Ausschließen endlos getasteter Lochstreifen hinaus vielfältigste Aufgaben. Die Herstellung schwierigsten gemischten Satzes auf automatischem Wege wie auch Tabellensatzes ist ebenso möglich wie das Setzen kompletter Zeitungsseiten in einem Zuge mittels spezieller Umbruchprogramme. Große Bedeutung ist dem Satz tabellarischer Werke zuzumessen, bei denen 19*

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HANS WEITPERT

stets Neuauflagen mit mehr oder weniger umfangreichen Änderungen in Frage kommen. Speichert man Urtext und Änderungstexte auf Magnetbändern, so ist schon heute die vollautomatische Herstellung des gesamten Satzes in Form reproduktionsfähiger Filmseiten in kürzester Zeit durch Einsatz von Computer und Lichtsetzmaschine zu bewerkstelligen. Sich bereits abzeichnende Entwicklungstendenzen gehen dahin, daß eines Tages auch die Manuskriptlodistreifen wegfallen, wenn der Computer direkt den maschinegeschriebenen Text abliest und über das Loch- oder Magnetband den Maschinensatz herstellt. Mit dem Einsatz eines Computers kann somit ein wesentlicher Teil der Arbeit, die Herstellung des Lochstreifens, der die Lichtsetz- oder Schnellgießmaschine steuert, in die Redaktionen verlegt werden. Aus Amerika erfährt man, daß es Setzer und Drucker im heutigen Sinne in der vollautomatisierten Zeitungsproduktion der Zukunft nicht mehr geben wird. Dieses technische Wunderwerk befindet sich auf dem Reißbrett der amerikanischen Automatenkonstrukteure. 1975 oder 1980 dürfte es soweit sein, daß der Redakteur von seinem Redaktionstisch aus Zeitungen oder Zeitschriften gleich auslieferungsfertig herstellt. Der Automat liefert dem Redakteur zuerst den Umbruch und im zweiten Produktionsgang ein Probeexemplar der fertigen Zeitung oder Zeitschrift. Dann wird die Höhe der Auflage eingetastet, Lochkarten berücksichtigen die Zahl der Zustellbezirke und etwaiger Austräger. Die vollautomatische Druckerei liefert dann die gebündelten Zeitungen direkt in die Abholfächer des Verlagsgebäudes. Obgleich diese vollautomatische Zeitungsdruckerei sich vorläufig noch auf dem Zeichenbrett befindet und ihre Einrichtung Millionen von Dollars verschlingen dürfte, wird in der amerikanischen Fachpresse vorausgesagt, daß nach einer verständlichen Zeit des Abwartens die „publizistische Kanone" zu schießen beginnt. Die technischen Probleme werden gemeistert. Es soll in diesem Zusammenhang jedoch nicht versäumt werden, auf ein äußerst wichtiges Problem hinzuweisen. Es ist die personelle Seite, das menschliche Problem, das mit bewältigt werden muß. Nötig ist eine Anpassung der Ausbildung der jungen Menschen, beginnend in der Schule und vor allem auch bei der Lehrlingserziehung. Eine Zusammenarbeit in den Forschungsarbeiten auf internationaler Ebene, gerade auch auf diesem Gebiet, ist eine Notwendigkeit.

2. Reproduktion Nicht nur im Satz, sondern auch im Druck greifen neue Impulse Platz, denn neben den Druckbuchstaben erscheinen immer mehr Bilder in den Zeitungen und Zeitschriften. Das schwarze Bild wird zudem in den nächsten Jahren immer mehr der farbigen Reproduktion Platz machen. Damit muß aber auch die Drucktechnik in der Druckformenherstellung und im Druckablauf sinngemäß verbessert wer-

AUTOMATION IN DER GRAFISCHEN INDUSTRIE

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den. Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen eine Verfeinerung der Fotografie, die Entwicklung neuzeitlicher Kunststoffplatten, die Verbesserung der Drudeverfahren und der Elektronik. Ein Beispiel: Versuche in amerikanischen Laboratorien deuten darauf hin, daß in nicht allzuferner Zukunft auch die Gravur von Tiefdrudezylindern ganz entscheidende Verbesserungen erfahren wird. Man erwartet, daß man mit dem Laser-Strahl einen Tiefdruckzy linder in wenigen Sekunden „ätzen" kann. Eine Arbeit, für die man heute noch mehrere Stunden benötigt. Man kann also auch hier wirklich von einem großen Fortschritt sprechen. Eine überragende Bedeutung wird sicher in Zukunft allen Arten der elektronischen Farbauszugsgeräte zukommen. Am weitesten verbreitet sind heute bereits die Gravieranlagen für Buchdruckklischees und Offsetreproduktionen. Auch im Tiefdruck sind die sogenannten Scanner ständig im Vormarsch. Die Möglichkeit, aus zahlreichen unterschiedlichen Vorlagen auf elektronischem Wege, von Duplikaten ausgehend, einen kompletten Farbsatz zu erzielen, gestattet neuerdings, diese Automaten auch für schwierigste Farbarbeiten einzusetzen. Kurz vor der Praxisreife ist die Möglichkeit, Satz und Bild gleichzeitig, bzw. parallel in der Lichtsetzanlage zu produzieren. Bei den neuesten Geräten wird ja der Buchstabe aus einzelnen zusammengesetzten Lichtpunkten abgebildet, ähnlich dem Bild in einer Fernsehröhre. Ein Bild, im Offset oder Buchdruck gedruckt, wird seit jeher in einzelne Rasterpunkte zerlegt. Eine Kombination ist also technisch durchaus naheliegend. Dieses Verfahren wird im Zusammenhang mit dem Rollenoffset die Zeitungsproduktion der Zukunft bestimmen.

3. Drucken Der Drude ist der Zweig des graphischen Gewerbes, in dem die Automation schon seit Anbeginn am weitesten fortgeschritten ist. Die Rotationsmaschinen aller drei Hauptdruckverfahren bestimmen die Produktion der Massenauflagen unserer Zeit. Elektronische Regel- und Überwachungseinrichtungen ermöglichen es, den Druckprozeß bei ständig gesteigerten Geschwindigkeiten einfacher, sicherer, und kostengünstiger zu machen. Doch auch die wesentliche Verbesserung der Materialien — vor allem Papier und Farben — aufgrund intensiver Forschungsarbeiten und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse hat die bedeutenden Fortschritte auf dem Drucksektor ermöglicht. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Olfset-Rollenrotationsmaschinen stand in den letzten Jahren im Blickpunkt des Interesses. Die Aufstellung solcher Maschinen, die in den USA schon seit Jahren eine dominierende Stellung einnehmen, hat in Europa sprunghaft zugenommen. Heute sind die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten dieses Verfahrens bereits klar erkennbar. Die von manchem prophezeite umwälzende Revolution wird nicht stattfinden. Der Rollenoffset ist heute und wird auch in Zukunft neben dem Rollentiefdruck eine

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HANS WEIPERT

der gegebenen Möglichkeiten zur rationellen Herstellung von Massenauflagen darstellen. Der Rotationshochdruck wird dagegen keine großen Steigerungsraten mehr aufweisen, anteilig gegenüber Rotationstief- und Offsetdruck eher zurückgehen, da die technologischen Gegebenheiten unter Einbeziehung des Trends zur Farbe eindeutig zugunsten der beiden anderen Verfahren sprechen. Das Prinzip des Rollenrotationsdruckes, des Druckes von der praktisch endlosen Papierrolle, ist das für die Belange der Automation am besten geeignete. Aus diesem Grunde wird sich der Rotationsdruck immer mehr auch für niedrigere Auflagenhöhen durchsetzen. Exakte Planung und gute Vorbereitung in den Vorstufen sind die Voraussetzungen zum wirtschaftlichen Einsatz derartiger Maschinen. Interessante Neukonstruktionen schließen die Lücke zwischen Druck und Weiterverarbeitung. Es gibt bereits Maschinen, die z. B. ein komplettes Buch in einem Durchgang von der Rolle drucken, falzen und zusammentragen. Sicher für die vielfältigen, heute auf dem Markt befindlichen Buchreihen mit genormtem Format eine wirtschaftliche Produktionsmöglichkeit. Die wissenschaftlich ebenfalls untersuchten Möglichkeiten, ganze Papierstapel durch Bestrahlung oder elektromagnetische Prozesse auf einmal zu bedrucken, dürften in überschaubarer Zeit aller Voraussicht nach nicht zur Praxisreife und zu wirtschaftlichem Einsatz gelangen.

4. Weiterverarbeitung Die Weiterverarbeitung, mit einer Vielzahl verschiedenartigster Arbeitsgänge, hat relativ im Hinblick auf die Automation die größten Fortschritte erzielt. In der ersten Phase wurden leistungsfähige Spezialmaschinen eingesetzt. Nur noch sehr wenige Arbeiten sind heute reiner Handarbeit vorbehalten. Die zweite Phase brachte dann die Verschmelzung solcher Spezialmaschinen zu kompletten Fertigungsstraßen. Die vollautomatischen Sammelhefter, wo Bogen zusammengesteckt, im Rücken geheftet und dreiseitig beschnitten werden, sind heute auch aus kleineren Betrieben kaum mehr wegzudenken. Den Spezialbetrieben vorbehalten bleiben die kompletten Buchfertigungsstraßen, wo in einem kontinuierlichen, taktmäßig aufeinander abgestimmten Durchlauf vom Fadenheften der zusammengetragenen Bogen bis zum Einwickeln des fertigen Buches kaum noch manuelle Eingriffe erforderlich sind. Gerade in der Weiterverarbeitung haben neben der rein technischen Rationalisierung und Automation die modernen Methoden des Arbeitsstudiums und der Organisation einen entscheidenden Anteil daran, daß heute ein Buch z. B. kostengünstiger produziert werden kann, als noch vor 10 Jahren. Das Prinzip des Arbeitsflusses, das Durchschleusen der erheblichen Papiermassen durch die Produktion auf kürzestem Wege, verdient nirgends so viel Beachtung wie hier.

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Angesichts der sich in ständigem Fluß befindlichen Technik, immer neuerer, größerer, schnellerer, besserer Maschinen, kommt der Führung eines Unternehmens, der Lenkung des betrieblichen Geschehens und der sinnvollen Auswahl der geeigneten Maschinen und Fertigungsmethoden erhöhte Bedeutung zu. Der Unternehmer, ob Drucker oder Verleger, hat die schwierige Aufgabe, trotz der sich zunehmend schneller verändernden Gegebenheiten, die für die Zukunft richtigen Entscheidungen zu treffen. Ein ständiges Abwägen aller Faktoren ist hierzu erforderlich, dazu muß sich der Unternehmer aller Möglichkeiten bewußt sein, die Entwicklung nüchtern beurteilen und traditionsbeladene Ressentiments beiseite stellen. Dies gilt nicht nur für den Handwerksbetrieb, sondern auch für das große Unternehmen. Manche voreilige Investition hat sich später sogar als Nachteil erwiesen, denn alle diese Neuerungen kosten sehr viel Geld und sind in ihrer langfristigen Rentabilität nicht immer voll überschaubar. Erfahrungen, die notwendig sind, müssen manchmal bitter bezahlt werden. Gerade in einer solchen Entwicklungsphase resigniert deshalb mancher Unternehmer. Er verkauft sein Lebenswerk und zieht sich in den Ruhestand zurück. Aber das muß nicht sein. In unserer Geschäftspolitik müssen wir dem Neuen gegenüber aufgeschlossen sein und versuchen, durch Zusammenarbeit mit anderen Kollegen, unter Umständen auch durch einen vernünftigen Zusammenschluß, das Unternehmen gesund zu halten.

LITERATUR „Automationsstudie in New Yorks Druckereien", Deutscher Drucker 15/68 — „Printing & Publishing Management of Automation", Composition Inform. Service, Los Angeles 1967 — „Programmed monochrome reproduction". Penrose Annual 1968 — „Utopie und Prospektive. Zur Diskussion um die Druckmaschinen von morgen und übermorgen." Deutscher Drucker 5/68 — „Harris Introduces Electronically Controlled Press", Gravüre 12/67 — „Die Umgestaltung der Drucktechnik im Prognosezeitraum", II. Techn.-wiss. Tagung d. Polygraph. Maschinenbaus Grüna, 16.—18. 9. 1968 — „Zeitungsrotationsmaschine im Jahre 2000", Deutscher Drucker 30/67 — „Die Druckmaschine im Jahre 2000", INCA-Monthly 11, 12/68 — „Gibt es noch Rationalisierungs-Möglichkeiten im Zeitungs- und Zeitsdiriftenbetrieb?", Z V + Z V 38—39/67 — „Einfluß von Mechanisierung und Automatisierung auf die menschliche Arbeit", Druckspiegel 12/65 — „Automation", Form und Technik 1/65 — „Automation in the Photographie Department — it's herel", Mod. Lithogr. 2/68 — „Automation in the Bindery: How fare have we come?", Mod. Lithogr. 8/68.

Der moderne Zeitungsvertrieb E R N S T FEUSER

Die Funktion des Vertriebs erschöpft sich bei weitem nicht im Versenden und Verteilen der Zeitungen, sowie etwa in einer ordentlichen Vertriebsverwaltung. In erster Linie muß der Vertrieb — nunmehr als Verkaufsabteilung — Zeitungsstücke und Abonnements verkaufen. So besteht die Aufgabe des Vertriebs im Verkaufen, Versenden, Verteilen und Verwalten, eine Aufgabe, die in den letzten Jahren immer schwieriger und komplizierter geworden ist. Nur eine gut organisierte Vertriebsorganisation und der Einsatz moderner technischer Mittel, kann die Forderungen erfüllen, die heute an den Vertrieb gestellt werden.

1. Der Verkauf (der Vertrieb als

Verkaufsabteilung)

Die wirtschaftliche Basis des Zeitungsverlages ist die Auflage. Sie zu halten und zu erhöhen ist Aufgabe des Vertriebs. Eine gute Auflage bildet auch die Grundlage für ein gutes Anzeigengeschäft. Die Auflage reagiert empfindlich auf vielerlei Einflüsse, wie politische, wirtschaftliche, Bezugspreiserhöhungen usw. Deshalb ist die Auflagenfluktuation relativ groß. Viele Einzelstücke und Abonnements müssen verkauft werden, um nur die Auflage auf der gleichen Höhe zu halten. Bevor der Vertrieb seine Verkaufsmittel einsetzt, wird er die Auflagenfluktuation genau feststellen, damit Klarheit herrscht, wieviel Abonnements und Einzelstücke verkauft werden müssen, um nicht nur Auflage zu halten, sondern zu erhöhen. Mit einer Marktanalyse, Produktanalyse und der Konkurrenzbeobachtung sind weitere Vorbereitungen für den Verkauf zu treffen, überhaupt sollte der Verkaufsplan des Vertriebs, mit dem der Anzeigenabteilung, der publizistischen Gestaltung durch die Redaktion, dem Werbeplan der Werbeabteilung und dem Abprüfen der technischen Möglichkeiten, abgestimmt werden. Diese Abstimmung und die Zusammenfassung aller Pläne ergibt die Verkaufskonzeption des Verlages. Daraus werden die Arbeitspläne entwickelt, wonach der Verkauf gesteuert wird. Der Vertrieb beschreitet viele Verkaufswege, um zu seinem Ziel zu gelangen: Der Vertriebsvertreter (Bezieherwerber) wird immer noch da am erfolgreichsten

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eingesetzt werden können, wo es darum geht, leseunwillige Nichtabonnenten von dem Nutzen der Zeitungslektüre zu überzeugen. Die Aufträge der Vertriebsvertreter sind relativ teuer. Deshalb sollten diese Mitarbeiter vor allen Dingen dort eingesetzt werden, wo andere Verkaufsmittel voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Zum großen Teil stützt sich die Bezieherwerbung auf die Trägerorganisation. Soweit man noch Zeitungsträger hat, die nur die eigenen Verlagserzeugnisse austragen, kann der Mitarbeiter im Zustelldienst, besonders auf dem Lande, erfolgreich eingesetzt werden. Hier gilt es vor allen Dingen, die Kontakte auszunutzen, die der Träger mit der Bevölkerung hat. Viele Sonderaktionen dienen dazu, die Werbefreudigkeit des Trägers zu steigern. Gelegenheitswerber sind solche, die gelegentlich, in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis versuchen, neue Bezieher zu gewinnen. Der ständige Kontakt mit diesen gelegentlichen Mitarbeitern kann sich nutzbringend für den Verlag auswirken. Aber auch vom Verlag selbst müssen alle Mittel eingesetzt werden, um direkte oder unterstützende Verkaufsmaßnahmen durchzuführen: Hier sind zunächst die automatischen Schreibanlagen zu erwähnen, mit denen es möglich ist, nicht nur „persönlich geschriebene" Verkaufsbriefe herzustellen, sondern auch Anschrift und Anrede, vor und im Text, einzusetzen. Solche Maschinen arbeiten sehr rationell und werden in der Regel mit Lochkarten, Lochbändern oder Steuerbändern gesteuert. Auch eine im Verlag vorhandene EDV (Elektronische Datenverarbeitung) kann im Rahmen der Verkaufsbemühungen eingesetzt werden. Es sind damit nicht nur Verkaufsbriefe (sogenannte Computerbriefe) mit großer Schnelligkeit herzustellen (auch die Groß- und Kleinschreibung ist möglich), sondern ganze Verkaufssysteme können abgewickelt werden. Es kann hier nur angedeutet werden, daß mit einer Lochkarte (als Adresskarte) nicht nur die Anschrift eingesetzt, sondern auch die persönliche Anrede vor und im Text, oder die Wiederholung des Ortsnamens im Text des Briefes, vorgenommen werden kann. Der Brieftext wird extern gespeichert. Durch besondere Lochungen können mit ein und derselben Adresskarte verschiedene Briefe abgerufen bzw. Formulare (Bestellscheine, Etiketten für Streifbänder usw.) beschriftet werden. Auch der Einsatz von Hostessen, die Werbezeitungen oder kleinere Aufmerksamkeiten an Nichtleser überreichen, bringt oft einen direkten oder indirekten Verkaufserfolg. Die Schallplatte (an Stelle eines Verkaufsbriefes) wird vom Vertrieb ebenfalls in der Bezieherwerbung eingesetzt. Von vielen Verlagen werden Aktionen „Leser werben Leser" durchgeführt. Dabei werden die Abonnenten durch Anzeigen oder Prospekte aufgefordert, neue Bezieher zu werben. Man verspricht dafür Prämien in Form von Büchern, Globen oder sonstigen Gegenständen, die aber in einer Beziehung zur Zeitung stehen sollten. Hier übersteigerte „Zugaben" zu machen widerspräche nicht nur gesetzlichen Bestimmungen, sondern ebenso den Vereinbarungen, z. B. des Presserates, der eine loyale Begrenzung im publizistischen Wettbewerb vorsieht. Der Einzelverkauf

ist auch bei Zeitungen, die überwiegend im Abonnement

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ERNST FEUSER

vertrieben werden, zu einem wesentlichen Verkaufszweig geworden. Der Vertrieb bemüht sich über Groß- und Einzelhändler an den Käufer heranzukommen. Auch werden in immer größerem Maße SB-Läden, Supermärkte usw. mit Zeitungen beliefert. Der Einsatz von Sonderhändlern, die auf der Straße, in Gaststätten usw. die Verlagsobjekte zum Kauf anbieten, wirkt sich nicht nur umsatzfördernd, sondern auch werblich aus. Es werden auch sogenanne Selbstverkäufer eingesetzt. Es gibt viele Arten davon, die an Fabriktoren, verkehrsreichen Punkten der Stadt usw. aufgestellt werden. Der gezielte Einsatz von Werbezeitungen gilt ebenfalls als direkte oder unterstützende Verkaufsmaßnahme. Zur Verkaufsförderung kommen Prospekte, Aufsteller, Plakate, Zeitungshalter, Zahlbretter, Verkaufsständer, Eigenanzeigen usw. zum Einsatz. Der Vertrieb unternimmt noch weitere Maßnahmen, die dem Verkauf dienen: Z. B. Herausgabe einer Hauszeitung für die Zeitungsträger und von Mitteilungsblättern für den Handel, ständige Schulung der Vertriebsvertreter und Einsatz von Vertriebsinspektoren, die laufend Zeitungsträger, Agenten, Händler, Gelegenheitsvertreter und alle am Verkauf beteiligten Mitarbeiter besuchen, um verkaufsfördernd auf sie einzuwirken.

2. Das Versenden (der Vertrieb als

Versandabteilung)

Das Besondere des Zeitungsversandes liegt darin, daß er immer, gleich bei welcher Situation, durchgeführt werden muß. Selbst das schlechteste Wetter oder gar Naturkatastrophen dürfen den Vertrieb nicht davon abhalten, dafür zu sorgen, daß die Zeitungen ausgeliefert werden. Zunächst erfolgt die Versandvorbereitung. Viele Sorten Versandpapiere müssen hergestellt werden (man bedient sich moderner Adressmaschinen oder einer EDV), die dann nach Autotouren, Ablagestellen, Kursen und sonstigen Merkmalen sortiert werden. Die Zusammenstellung der Druckauflage wird sorgfältig vorgenommen, damit nicht zu wenig aber auch nicht zuviel Zeitungen gedruckt werden. Eine besondere Art des Versandes ist der Postversand. Die Post wickelt den Postzeitungsvertrieb über EDV ab. Das bedeutet für die Verlage besondere Aufmerksamkeit bei der Unterlagenerstellung. Die Post beliefert die Postabonnenten und übernimmt die Beanschriftung und das Inkasso gegen besondere Gebühren. Die Verlage können die Beanschriftung und das Inkasso auch selbst vornehmen. Hier ergibt sich eine gute Möglichkeit für den Einsatz einer EDV. In der Packerei werden die Zeitungen komplettiert (Vordrucke, Fremdbeilagen) und verpackt. Einsteckmaschinen, Transportbänder, Arbeitsstraßen und moderne Packmaschinen werden eingesetzt, damit die Zeitungen unmittelbar nach dem Ausdruck verpackt und verladen werden können. In der Packerei ist Schnelligkeit oberstes Gebot. Der Druck der Verlagsobjekte oder Bezirksausgaben ist so eingeteilt, daß die wei-

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testen Strecken zuerst abgefertigt werden können. Der Abgang von Flugzeugen und Zügen ist genau bekannt, so daß Luftfracht, Postzeitungsgut, Streifbandsendungen und Postvertriebsstücke rechtzeitig aufgeliefert werden können. Der Vertrieb wählt die geeignetsten Versandwege aus, um schnell und billig die Empfänger zu erreichen. Ständig müssen die Versandwege überdacht und auskalkuliert werden, damit die größte Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Oft muß auch zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit entschieden werden. Man bedient sich eines eigenen Fuhrparks, der Bundespost und Fluggesellschaften oder arbeitet mit Spediteuren zusammen. Oft müssen auch Milchautos, Fahrboten, Privatfahrer eingesetzt und viele andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um das Versandziel zu erreichen.

3. Die Verteilung Die Verteilung der Zeitungen erfolgt über die Trägerorganisation. Neben dem Verkauf ist es die schwierigste Aufgabe des Vertriebs, die tägliche Verteilung der Zeitungen zu sichern. Fast täglich stellt die Verteilung den Vertrieb vor neue Aufgaben. Der Ausfall von Zeitungsträgern, die Ausdehnung der Städte und Dörfer, zu kleine oder nicht vorhandene Briefkästen, schlechte Wegeverhältnisse, Unbilden der Witterung und viele Einflüsse mehr, sind Probleme, mit denen der Vertrieb, oft von einer Stunde zur anderen, fertig werden muß. Die größte Schwierigkeit besteht aber darin, für ausscheidende Zeitungsträger geeignete Nachfolger zu finden. Bei der Einstellung des Zeitungsträgers sind viele gesetzliche Bestimmungen zu beachten (Selbständigkeit oder Unselbständigkeit, Jugendschutzgesetz usw.). Mit dem Zeitungsträger schließt man einen Vertrag ab, der die Rechte und Pflichten der Vertragschließenden regelt. Als Unterlage dient dem Zusteller das Botenbuch oder die Duplikate der Bezieherkartei-Karten. Ausgerüstet wird er mit Trägertasche, evtl. Regenbekleidung und Transportwagen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist die Betreuung des Trägerpersonals. Geschäftsstellenleiter und Vertriebsinspektoren kümmern sich nicht nur um die Arbeit, sondern auch um das persönliche Wohl der ihnen anvertrauten Zusteller. Die Bezahlung des Trägers erfolgt in der Regel durch einen Stücklohn, der sich nach der Höhe des Bezugspreises richtet. Dazu kommen in besonderen Fällen Wegegelder, Zuschüsse für Fahrräder, Autos usw. Ein schöner Brauch ist es bei vielen Verlagen geworden, einmal im Jahr die Träger zu einem Botenfest einzuladen. Hierbei wird die Verbindung Verlag — Träger neu gefestigt. Gute Zeitungsträger üben neben der Verteilung noch eine rege Werbetätigkeit aus, kümmern sich um Familien- und Gelegenheitsanzeigen und arbeiten für die Redaktion. Sie bessern damit ihren Lohn teilweise erheblich auf.

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ERNST FEUSER

4. Vertriebsverwaltung Die Organisation der Vertriebsverwaltung richtet sich nach der Vertriebsiorm (zentralisiertes oder dezentralisiertes System). Auch ist die Art des Meldewesens (Träger, Händler — Verlag und umgekehrt) von wesentlicher Bedeutung. Neubestellungen, Ab- und Ummeldungen werden in der Stückbuchhaltung registriert. Hier werden auch alle Bedarfsmeldungen ausgewertet. Die ermittelten Zahlen dienen als Unterlage für die Versandvorbereitung, die Ermittlung der Auflagenfluktuation, den Versand der Bezugsquittungen an die Träger, die Erstellung der Trägerabrechnung und Statistiken aller Art. Die Anschriften der Neu-, Ab- und Umbesteller werden von der Kartei übernommen. Die Kartei, die sich in Bestands-, Nichtleser- und Terminkartei gliedert, ist eine wesentliche Einrichtung im Vertrieb. Sie dient zur Registrierung der Leser, Aufklärung von Differenzen, Einweisung neuer Träger, Registrierung von Wechselbeziehern oder Verlagszahlern, Notierung von Provisionszahlungen (Sprungverrechnung), Eintragung der Abgangsgründe (wichtige Angaben für den Verkauf) und Durchführung von Leseranalysen. Zur Abwicklung von Verkaufsmaßnahmen ist die Kartei unentbehrlich. Weitere Benutzungsmöglichkeiten ergeben sich bei der Eingliederung in eine EDV, wenn also Bezieher und Nichtbezieher auf Lochkarten oder andere Datenträger erfaßt sind. Z. B. kann man dann ohne Schwierigkeiten die Bezugsquittungen mit den Namen der Abonnenten beschriften und Analysen schnellstens herstellen. Der Trägerlohn — einschließlich sonstiger Vergütungen — wird entweder separat oder mit der Trägerabrechnung (Abzugsverfahren) ausbezahlt. Die Verrechnung von Steuern und Soziallasten erfolgt, wenn der Träger als unselbständiger Arbeitnehmer erkannt ist und richtet sich nach dem Verdienst und Familienstand. Der Einzelverkauf wird besonders verwaltet. Die Kontinuationen des Handels werden in einer EV-Kartei aufgezeichnet. Audi alle Änderungen und die Remission werden dort erfaßt. Schließlich bildet diese Kartei die Grundlage für die Berechnung der gelieferten und Gutschrift der zurückgegebenen Einzelstücke. Die „Abteilung Einzelverkauf" beobachtet genau die Situation auf dem Zeitungsmarkt und wird auf Grund besonderer Ereignisse oder der Remission Erhöhungen oder Kürzungen der Kontinuationen durchführen. Der Vertrieb führt Statistiken aller Art. Sie dienen zur detaillierten Auflagenerfassung (Abonnements, Einzelverkauf, Freistücke), als Unterlagen für die Anzeigenabteilung, für den Vertriebsverkauf, die IVWMeldung, Schulung des Außendienst-Personals usw. Die Vertriebsbuchhaltung übernimmt vom Vertrieb alle Forderungen an Träger, Händler, Agenten, Einzelbezieher usw. und führt von jedem Kunden ein Konto. Der Zahlungseingang wird genau überwacht, damit rechtzeitig gemahnt oder der Vertrieb verständigt werden kann, der dann den Außendienst zur Eintreibung von Außenständen einsetzt. Die immer mehr ansteigende Zahl der Verlagszahler stellt die Vertriebsbuchhaltung vor große Aufgaben. Mit Hilfe

DER MODERNE Z E I T U N G S V E R T R I E B

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einer EDV und des sogenannten Einzugsverfahrens läßt sich aber auch dieses Problem recht gut lösen.

5. „Vertrieb und EDV" Der moderne Zeitungsvertrieb bedient sich nach Möglichkeit der EDV. Einige Anwendungsgebiete wurden hier erwähnt. Es ist aber möglich, die gesamte Vertriebsverwaltung, einschließlich der Versandvorbereitung und Vertriebsbuchhaltung, über eine EDV abzuwickeln. Der Vertrieb kann an die Datenverarbeitung große Anforderungen stellen, die in den meisten Fällen erfüllt werden können. Zunächst aber sollten die Fachleute von Vertrieb und Datenverarbeitung genaue Voruntersuchungen durchführen, um die Aufgabenstellung an die EDV klarzulegen und die Zweckmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit zu überprüfen.

Wirkung und Wirkungsforschung H A N S L U D W I G ZANKL

Soll hier auf die Zeitungs-Wirkung näher eingegangen werden, so ist zu vermerken, daß das Streben nach Wirkung einen entscheidenden Wesenszug der Zeitung darstellt. Sicher handelt es sich dabei um einen sehr komplizierten Vorgang, der nicht nur vom Willen zur Beeinflussung, sondern in sehr hohem Maße auch von der Aufnahmebereitschaft der Leserschaft abhängig ist. So teilt sich auch die Forschung in zwei umfassende Bereiche, nämlich den der Zeitungsgestaltung im Hinblick auf die Wirkung und den der Zeitungslesei-Foischung, den eigentlichen Wirkungsbereich. Unter Zeitungswirkung verstehen wir jede durch das Instrument Zeitung veranlaßte Veränderung. In einem engeren Sinne wird es sich dabei nur um eine Wandlung der inneren Einstellung des jeweiligen Lesers handeln; in einer weitergreifenden Auffassung kann darunter aber auch eine reale Veränderung der Umwelt, soweit der Anstoß dazu durch eine Zeitungsveröffentlichung gegeben wurde, verstanden werden. Daher erklärt es sich, daß von einer direkten und einer indirekten Zeitungswirkung gesprochen wird1. Die erste besteht ausschließlich in einer Beeinflussung des Lesers, die andere kann in sehr weitreichenden Folgen deutlich werden. Jedenfalls bedarf es aber zunächst der Zeitungslektüre, bevor es zu einer Zeitungswirkung kommen kann. Eine Zeitung, die nicht gelesen wird, ist ohne Zweifel wirkungslos. Die Zeitung ist also das Wirkungsinstrument, das die Verbindung zwischen dem Publizisten und dem Leser herstellt. Daß es sich dabei um eine Bipolarität, also eine gegenseitige Abhängigkeit handelt, sei am Rande vermerkt. Das einzelne Zeitungsstück ist der Wirkungsträger, welcher die Wirkungsmittel zum Leser befördert. Unter Wirkungsmittel haben wir die verschiedenen Text- oder Bildbeiträge, insbesondere die Überschriften zu verstehen. Naturgemäß haben die Wirkungsmittel bestimmte Wirkungsinhalte, die sowohl sachlicher als auch tendenziöser Art sein können. Selbstverständlich kann eine Information einen sehr bedeutungsvollen Wirkungsinhalt haben. Andrerseits kann der Wirkungsinhalt auch von einer bestimmten „Weltanschauung" (demokratisch, moralisch, humoristisch usw.) bestimmt sein. Unter der Wirkungsform verstehen wir u. a. Schriftgröße, Stellung im Umbruch, Farbe usw. Schließlich sprechen wir vom 1

ZANKL, H . L . :

Grundfragen der Zeitungswirkung. München

1954.

WIRKUNG UND WIRKUNGSFORSCHUNG

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Wirkungsziel, welches auf bestimmte Ergebnisse abgestellt ist. Dabei kann es sich sowohl um die Erzeugung einer Stimmung, um Willensbeeinflussung oder auch um die Anregung zu bestimmten Taten handeln. Auch die Werbelehre hat sich sehr eingehend mit analogen Begriffen beschäftigt. Dabei ist nach S E Y F F E R T 2 beim Werbekünder ein Wirkteil und ein Tragteil zu unterscheiden. Die Werbefaktoren sind z. B. Schriftinhalt und Schriftgestaltung, und die Werbeelemente die letzten werbewirksamen Bestandteile (z. B. Appelle und Argumente für die Motivation beim Umworbenen). Die Beschäftigung mit der Zeitungswirkung kann grundsätzlich zweifacher Natur sein, indem sie sich einmal mit deren „Massencharakter" befaßt oder zum anderen den einzelnen Leser beobachtet. Somit können wir von einer quantitativen und einer qualitativen Zeitungswirkungsforschung sprechen3. Erstere baut weitgehend auf zeitungsstatistischen Untersuchungen, letztere mehr auf psychologischen Erkenntnisquellen auf. Daß in der modernen Leseranalyse beide Forschungsbereiche ineinanderklingen, ist bekannt. Vielleicht sollte man exakter zwischen allgemeiner Reichweitenlorschung und individueller Leseiioischung unterscheiden. Die Grundlage jeder mengenmäßigen Untersuchung der Zeitungswirkung ist die Auflagenstatistik. Auf die verschiedenen Formen derselben hat bereits T R A U B 4 eingehend aufmerksam gemacht. Die für die Wirkung maßgebende Auflage ist die „verbreitete Auflage", die im allgemeinen geringer ist als die Druckauflage und höher als die verkaufte Auflage. Selbstverständlich ist die Auflagenstatistik sowohl ein Teil der betriebswirtschaftlichen als auch der volkswirtschaftlichen Zeitungsstatistik. Maßgebend für die Wirkungsforschung ist aber die publizistische Zeitungsstatistik, die von der Fragestellung ausgeht, in welcher Weise und in welchem Umfang die Bevölkerung eines bestimmten Raumes von der Zeitung erfaßt wird. Es kommt im wesentlichen darauf an darzustellen, wie durch die Auflage einer Zeitung ein bestimmtes Gebiet „abgedeckt" wird. Dabei ist das Verhältnis zwischen der Zahl der Haushaltungen und der in diesem Gebiet abgesetzten Zeitungsstücke maßgebend. Wir sprechen dann von der Zeitungsbezugsdichte. Die kartografische Darstellung der Zeitungsbezugsdichte in verschiedenen Gebieten ist sicher sehr aufschlußreich. Ihr besonderer Wert besteht darin, daß es sich um vollausgezählte Statistiken handelt. Die Absatzstatistiken der Abonnementzeitungen haben gegenüber denen der Straßenverkaufszeitungen gewisse Vorteile. Im Grunde genommen reichen die Auflagenstatistiken, die im übrigen von der IVW (Informationsstelle zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) sorgfältig kontrolliert werden, bei allen Zeitungen durchaus zur Berechnung der regionalen Zeitungsbezugsdichte. SEYFFERT, R.: Werbelehre. Stuttgart 1966. Analog spricht WILHELM VERSHOFEN von qualitativer und quantitativer Verbraucherforschung in „Handbuch der Verbraucherforschung" Berlin 1940. 4 TRAUB, H.: Grundbegriffe des Zeitungswesens. Stuttgart 1933. S. 117 ff. 2

3

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Es bedarf keines besonderen Hinweises, daß die Auflagenangabe im Hinblick auf die Zeitungswirkung keinesfalls das einzige Qualitätsmerkmal darstellt. Immerhin steckt darin eine sehr wichtige Mitteilung, die heute nicht selten unterschätzt wird. Dies hängt mit einer Überbewertung der mittels Repräsentativerhebungen gewonnenen Leseranalyse zusammen. Aus dem gleichen Grunde wird heute des öfteren auch die Bezieheranalyse vernachlässigt. Sicher ist diese weitgehend durch die Leseranalyse überholt; es sollte aber nicht vergessen werden, daß bei den Abonnementszeitungen eine sauber ausgearbeitete Bezieheranalyse, die bekanntlich an Hand der Abonnentenkartei erstellt wird, sehr wertvoll sein kann. Die entscheidende Errungenschaft auf dem Gebiet der Zeitungswirkungsforschung ist aber die moderne Zeitungsleseranalyse, die zwar vordringlich für die werbende Wirtschaft geschaffen wurde, zudem aber sicher auch erhebliche wissenschaftliche Bedeutung hat. Dabei ist der Begriff der Reichweite höchst bedeutungsvoll geworden, also der Prozent-Anteil, den die Leser einer Zeitung von der Gesamtheit der Befragten ausmachen. Diese Reichweite kann sich etwa auf die lesefähige Bevölkerung der Bundesrepublik oder auch bestimmter Verbreitungsgebiete beziehen. Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, daß aus methodischen Gründen nicht die „wirklichen Leser" festgestellt werden, sondern nur jene Personen, die die Möglichkeit haben, das jeweilige Blatt zu lesen, weil sie es etwa in der Hand gehabt haben. Es wird also nicht der Leser, sondern die Kontaktmöglichkeit gemessen. Die Ergebnisse werden an anderer Stelle dieses Bandes eingehend gegeben 5 . Es ergaben sich auch interessante Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Leserschaft einer Zeitung. Wir erfahren, wieviel Prozent der festgestellten Leser eines Blattes einer bestimmten statistischen Untergruppe mit bestimmten Konsumgewohnheiten angehören. Verständlicherweise wird die Leseranalyse bei der Auswahl von Weibemedien gerne benützt. Weit geringer ist der Einfluß der Ergebnisse der Leseranalyse auf die redaktionelle Arbeit der Zeitungen. Immerhin sind einige Befragungen mit dem Ziel durchgeführt worden die Wünsche der Leser im Hinblick auf den Zeitungsinhalt zu ermitteln. Die Erhebungsschwierigkeiten und die Gefahr der Fehlinterpretation bei derartigen Fragestellungen sind aber groß. Wichtige Erkenntnisse vermitteln die Statistik des Zeitungsinhaits und die Inhaltsanalyse. Die erste kann auf eine lange zeitungswissenschaftliche Tradition zurückblicken, die andere hat in neuerer Zeit von der Soziologie her Anregungen erhalten 6 . In der Inhaltsstatistik offenbart sich oft in verblüffender Weise der Charakter einer Zeitung. 5 Leseranalysen des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, Teil A, B, C „Die täglichen Millionen, Leser deutscher Tageszeitungen". Letzte Analyse 1966 — S. auch S. 544 ff. dieses Bandes. 6 SILBERMANN, A.: Systematische Inhaltsanalyse in „Handbuch der empirischen Sozialforschung". Stuttgart 1962; mit umfangreicher, insbesondere amerikanischer Literaturangabe.

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In engem Zusammenhang mit dem „Persönlichkeitsbild" einer Zeitung steht die Publizitätskraft, die sich keineswegs in Auflagen- und Leserzahlen erschöpft, sondern im wesentlichen von dem Vertrauensverhältnis zwischen einer Zeitung und ihrem Publikum bestimmt wird. Der Leser selbst ist bislang verhältnismäßig selten zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gemacht worden. Gerade die Begegnung eines bestimmten Lesers mit einem speziellen Zeitungsinhalt ist aber doch jeweils der für die Zeitungswirkung entscheidende Augenblick. Von grundlegender Bedeutung ist zunächst die Situation des Lesers, in der die Begegnung mit der Zeitung stattfindet. Man kann drei Kreise unterscheiden: den zeitungsgeeigneten, den zeitungsneutralen und den zeitungsfremden Raumkreis. Auch der Tagesrhythmus des einzelnen Menschen ist für das Verhältnis von Mensch und Zeitung bedeutungsvoll. Der inhaltliche und typografische Unterschied zwischen Morgen- und Abendzeitungen ist in dieser Hinsicht besonders bezeichnend. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß Witterungseinflüsse im Hinblick auf Umfang und Intensität der Zeitungslektüre sehr wohl eine Rolle spielen. Die Zeitungswirkung ist auch abhängig von aktuellen Ereignissen, die gelegentlich den „publizistischen Raum" so ausfüllen können, daß der Leser für anderes kaum mehr Interesse aufbringt. Beispielsweise sei hier auf Wahlkämpfe, Fußballweltmeisterschaft und ähnliches hingewiesen. So können gelegentlich Zeitströmungen in hohem Maße die Zeitungswirkung hemmen. Auch die persönliche Situation des Lesers kann die Beeinflußbarkeit sehr erheblich beeinträchtigen. Ein Trauerfall wird möglicherweise einen Menschen so ausfüllen, daß er durch die Zeitung innerhalb eines gewissen Zeitraums überhaupt nicht mehr ansprechbar ist. Umgekehrt kann eine individuelle Beziehung zu bestimmten Ereignissen zu außerordentlicher Intensivierung der Zeitungswirkung führen. Die millionenfache Unterschiedlichkeit der Lesersituation bereitet der Wirkungsforschung natürlich unerhörte Schwierigkeiten. Es wäre aber sicher falsch, sie deshalb unberücksichtigt zu lassen'. Grundsätzliche Bedeutung kommt sicher dem Versuch einer Typologie des Zeitungslesers zu8. Eine solche ist zunächst von der Leseweise her möglich. So kann man von Zeilenlesern, Blätterern und Spartenlesern sprechen. Aufschlußreicher dürfte eine Typologie sein, die vom inneren Verhältnis des Lesers zur Zeitung ausgeht und natürlich eine gewisse Grundveranlagung voraussetzt. In diesem Zusammenhang kann man von folgenden Zeitungsleser-Typen sprechen: 1. der „hingebende Zeitungsleser" ist das Lieblingskind des Redakteurs, weil 7

Vgl. DE VOLDER, U.: Soziologie der Zeitung. Stuttgart 1959 S. 6 f. Ausführlicher dargestellt in ZANKL, H. L . : Grundfragen der Zeitungswirkung. München 1954, S. 68 ff. 8

20 Publizistik III

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dieser Typ eine restlose Anerkennung der journalistischen Arbeit darstellt. Beinahe der gesamte Zeitungsinhalt erscheint ihm lesenswert. Die meinungsbildenden Absichten werden willig aufgenommen. Die Zeitung bietet ihm selbstverständliche, lebensnotwendige geistige Nahrung, für die er dankbar ist, die er vorbehaltslos hochschätzt. Dieser Lesertyp ist geistig meist wenig beweglich, zum Teil sogar schwerfällig und fast nie schöpferisch tätig. Er ist den Absichten der Zeitung nicht selten aus einer Art Pflichtgefühl heraus weitgehend zugänglich. Die Wirksamkeit der Zeitung empfindet er häufig bereits als Anweisung. 2. Der „gläubige Zeitungslesei" ist ein weiterer zur Zeitung positiv stehender Lesertyp, der sich allerdings durch stärkere Aktivität auszeichnet. Es sind dies Menschen, die eine Mitteilung deshalb für wahr halten, weil sie „in der Zeitung gestanden hat". Sie sind im Hinblick auf die Zeitungswirkung von besonderer Bedeutung, weil sie im allgemeinen bereit sind, für bestimmte Nachrichten und Meinungsäußerungen einzutreten, wobei sie nicht selten die Zeitung als Beweismittel anführen. Der gläubige Zeitungsleser ist, abgesehen von seiner natürlichen Veranlagung, in der Regel durch günstige persönliche „Zeitungserlebnisse" zu seiner Haltung gekommen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die persönliche Wirkung einzelner Publizisten, denen es gelungen ist, in der Leserschaft einer Zeitung eine vertrauende Gefolgschaft zu finden. Der gläubige Zeitungsleser ist meist durch eine unkomplizierte, fast möchte man sagen primitive Geisteshaltung gekennzeichnet. Die zahlreichen öffentlichen Auseinandersetzungen um die Propaganda, die in den vergangenen Jahrzehnten ausgetragen wurden, haben den Bestand an gläubigen Zeitungslesern sowohl in Deutschland als auch in den anderen Ländern höherer Zivilisation weitgehend dezimiert. 3. Der „gefesselte Zeitungslesei" gelangt nur vorübergehend zu einem positiven Verhältnis zur Zeitung, kann in einem speziellen Bereich dann allerdings mit besonderer Intensität in den Bann der Zeitungswirkung geraten. Für diesen Typ ist jedoch nicht das publizistische Instrument „Zeitung", sondern nur ein bestimmtes Interessengebiet oder eine besondere Publikationsform von Bedeutung. In diesem, allerdings engen, Bereich ist er weitgehend durch die Zeitung zu beeinflussen und nicht selten zu eigener Weiterarbeit zu veranlassen. 4. Vom „neugierigen Zeitungsleser" sprechen wir dann, wenn der Wunsch nach Neuigkeiten, der als natürliches Bedürfnis in jedem Menschen vorhanden ist, in aussergewöhnlich starkem Maße auftritt. Der neugierige Zeitungsleser ist zwar gerne bereit, die Zeitung regelmäßig und eifrig zu lesen, läßt sich dabei aber nur von seinem Informationsbedürfnis leiten und ist den meinungsbildenden Tendenzen der Presse mehr oder minder abgeneigt. In der Regel kann die Zeitung auf ihn nur indirekt durch entsprechende Nachrichtenpolitik einwirken. Eine Übersteigerung dieses Typs zum „sensationslüsternen Zeitungsleser" hat die Massenpresse in den letzten Jahrzehnten großgezogen, 5. Der „geniessende Zeitungsleser' ist ein recht seltener Typ geworden. Ihn fanden wir noch vor einem halben Jahrhundert in allen Ländern. Ein wesentliches

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Kennzeichen dieses Typs ist die Vorliebe für gute Formulierungen, delikate Themen und reiche Illustrationen. Die geistige Heimat dieses Lesertyps ist das gebildete Bürgertum des 19. Jahrhunderts. Die Frauen spielen dabei eine nennenswerte Rolle. Dieser genießende Zeitungsleser ist von seiner Zeitung häufig begeistert. Die Zeitung ist ihm kultiviertes Genußmittel. Sie führt bei diesem Lesertyp aber niemals zu wahrer Aktivität. 6. Der „oberflächliche Zeitungsleser" ist der vielleicht häufigste Lesertyp unserer Zeit. Er ist wohl bereit, die Zeitung täglich zur Kenntnis zu nehmen, liest in der Regel aber nur die Überschriften. Im Bereich der Zeitungswirkungsforschung treten diese Typen häufig auf, die selbst angeben, für die Zeitungslektüre täglich kaum mehr als 5 Minuten zu verwenden. Es ist sehr bezeichnend, daß diese Menschen in der falschen Meinung, den wesentlichen Inhalt der Zeitung aufgenommen zu haben, sehr oft zu Fehlschlüssen, nicht selten auch zu unberechtigter Kritik an der Zeitung und ihrem Inhalt kommen. Der oberflächliche Zeitungsleser wird weniger von innen, vom Zeitungsgehalt aus, als vielmehr von außen, von der Aufmachung her, beeinflußt. Die typografische Gestaltung ist in erheblichem Maße gerade auf diesen Lesertyp abgestellt. Beim oberflächlichen Zeitungsleser sind zwei verschiedene Erscheinungsformen zu beachten: a) der oberflächliche Zeitungsleser aus Trägheit, b) der oberflächliche Zeitungsleser aus Mangel an Zeit. Unter den oberflächlichen Zeitungslesern findet man sowohl Männer als auch Frauen jeder Altersstufe. Ebenso findet sich dieser Typ nicht nur in der städtischen, sondern auch in der ländlichen Bevölkerung. 7. Der „kritische Zeitungsleser" ist wohl der wertvollste Typ. Dieser Leser stellt in der Regel an die Zeitung bestimmte Ansprüche, die sich nur günstig auswirken können. Der ZeitungsWirkung ist er wohl zugänglich ¡ nicht aber, ohne die einzelnen Argumente selbst zu verarbeiten. Bei den Zeitungsleuten gilt er naturgemäß als „schwieriger Kunde" und ist nicht sonderlich beliebt. Diese verständliche Abneigung ist jedoch erst dann berechtigt, wenn der Kritiker zum Kritikaster wird. Und das ist in der Tat die große Gefahr für diesen Lesertyp, der sehr häufig die Neigung hat, in individualistisch-kritischer Einstellung die große Linie zu verlieren. Dieser übersteigerte Typ entwickelt sich gerne aus Überheblichkeit und geistiger Unreife. Daraus erklärt sich auch die an sich überraschende Tatsache, daß viele Jugendliche zum Typ der ausgesprochen kritischen Zeitungsleser gerechnet werden müssen. Die wertvollste Erscheinung innerhalb dieses Typs ist dagegen die erfahrene Persönlichkeit, die den Zeitungsinhalt kritisch mit einer gewachsenen Weltanschauung in Beziehung bringt. 8. Der „zögernde Zeitungsleser" ist ein besonderer Typ, ein Mensch, der allem Neuen, vielleicht aber auch nur jeder gedruckten Äußerung, mit anfänglicher Zurückhaltung gegenübersteht. Er ist zunächst abgeneigt, später aber meist doch zu gewinnen. Auf ihn stößt man bei der Zeitungswirkungsforschung immer wieder, wenn man die publizistische Möglichkeit der Wiederholung untersucht. Man kann hierbei ganz überraschende Beobachtungen „geistiger Spätzündung" machen. Die 20*

308

HANS LUDWIG ZANKL

Haltung des „zögernden Zeitungslesers" ist wohl am stärksten von der charakterlichen Veranlagung des einzelnen und — im Gegensatz zu den meisten anderen Typen — nur sehr wenig von Lebensgewohnheiten und -umständen bestimmt. 9. Der echte Typ des „ablehnenden Zeitungslesers", also ein Mensch, der die Zeitung mit ihrem gesamten Inhalt ablehnt, ist sehr selten. Weit häufiger ist ein Schcintyp, der von sich behauptet, daß er nichts mehr glaube und alles ablehne, in Wirklichkeit aber gar nicht so ist. Die geheimnisvolle Macht der Zeitung hat in manchem Menschen einen eigenartigen Widerstand ausgelöst; mancher glaubt, eine gewisse Unsicherheit dadurch abreagieren zu können, daß er sich den Nimbus völliger Unabhängigkeit von der Zeitung zu geben versucht. In Wirklichkeit gibt es aber nur sehr wenig Menschen, die sich von der Zeitung und ihrer Wirkung völlig loslösen können. In anderen Wissenschaftsbereichen (Psychologie, Pädagogik) hat sich eine typologische Betrachtungsweise durchaus bewährt. Es ist zu hoffen, daß sich auch die Publizistik stärker als bisher damit beschäftigen wird. Dabei sollte man im Auge behalten, daß eine Lesertypologie vordringlich die Aufgabe hat, einen schwer überschaubaren Bereich zu systematisieren und damit transparenter zu machen. Der Wirkungsvorgang selbst ist zunächst ein Lese-Vorgang. Es werden bestimmte Inhalte aufgenommen. Hier beginnt der Berührungsbereich, in dem Stimmungswirkungen sehr wohl schon in Erscheinungen treten können. Der Leser wird etwa von einem Wort, einem Satz oder einer typografischen Gestaltung angenehm oder unangenehm berührt. Wir sprechen von Berührungswirkung. Wird der Leser in einen Zustand der Unruhe versetzt, fühlt er sich vom Für oder Wider einer bestimmten Frage hin- und hergerissen, so sprechen wir von einer Spannungswirkung, die sich schließlich im Willensbereich auflöst (Willenswirkung). Diese Entscheidung führt möglicherweise zu Taten (Tatwirkung). Der Ablauf kann natürlich in jedem der einzelnen Bereiche steckenbleiben. Betrachten wir das Phänomen der Zeitungswirkung eingehender, so können wir häufig eine Polarität feststellen; Einzelwirkung und konstante Wirkung, Tatwirkung und informative Wirkung, Spannungs- und Lösungswirkung, Spiel- und Arbeitswirkung, Nachahmungs- und Gegensatzwirkung, angestrebte und tatsächliche Wirkung usw. Sicher sind Zeitungswirkung und Wirkungsforschung wichtige Teilgebiete der Publizistik — Wissenschaft. Sie erhalten ein ganz besonderes Gewicht, wenn man untersucht, welche Wirkungen die Zeitung auf Politik, Wirtschaft und Kultur insgesamt ausübt. Diese Gesamtschau verdanken wir in besonderer Weise O T T O GROTH9.

Die neuen Kommunikationsmittel haben die Zeitungswirkungsforschung etwas in den Hintergrund gedrängt. Es ist auch der Eindruck entstanden, als sei der 9 GROTH, O . : Die unerkannte Kulturmadit. Berlin 1963, Bd. V Das Wirken des Werkes 1, und Berlin 1966, Bd. VI Das Wirken des Werkes 2.

WIRKUNG UND WIRKUNGSFORSCHUNG

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Einfluß der Zeitung zurückgegangen. Hier handelt es sich aber offenbar um einen Irrtum. Der Zeitung sind auf Grund der veränderten und sich schnell weiter verändernden Verhältnisse im publizistischen Bereich zahlreiche neue Aufgaben zugewachsen.

Leseranalysen von Zeltungen FRIEDRICH M Ö H R I N G

1. Grundbegriffe a) Entwicklung

Leseranalysen haben die Aufgabe, Wirkungen der Zeitungen beim Leser festzustellen. Sdiematisch wird aus dem unvollständigen sozialen Prozeß, in der Wechselwirkung Leser—Zeitung, ein vollständiger sozialer Prozeß. Die Wirkung der Zeitung und die Wirkungsforschung werden an anderer Stelle behandelt (s. ZANKL). Hier sind die Methoden der Leseranalysen darzustellen, insbesondere der „quantitativen" Reichweitenforschung. Vorausgesetzt werden Publizistik1, Statistik8 und empirische Sozialforschung3. Die Leserschaftsforschung ist ein Teilgebiet der MediaSoischung oder Werbeträgerforschung und einer der jüngeren Zweige der empirischen Sozialforschung. Nachdem in Wien von LAZARSFELD erste sozialpsychologische Studien durchgeführt worden waren, wurde in den 30er Jahren vor allem in USA und in England die empirische Sozialforschung für Massenkommunikationsmittel ausgebaut. Leseranalysen sind heute für Publizistik und Werbung unentbehrlich. Die Entwicklung wurde von der werbetreibenden Wirtschaft finanziell gefördert. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß nach ZAW in Deutschland 1966 von 7 086,5 Mill. Gesamtwerbeaufwand 2105,9 Mill. für Anzeigen in Zeitungen aufgewendet wurden. Untersuchungen zur Werbewirkung sollen die Streuplanung von Anzeigen in Zeitungen und anderen Medien absichern. In den letzten Jahrzehnten erhielt die Mediaforschung nahezu in Methoden eine Pionierstellung international bekannt wurden Arbeiten in der Werbewirkungsforschung u. a. von AGOSTINI, BRITT, BROADBENT, GALLUP, PÖLITZ, SIMMONS, STARCH. In Deutschland entwickelte sich die Mediaforschung ab 1947; u. a. traten hervor E. BRAUNSCHWEIG und E. NOELLE-NEUMANN. Seit 1954 wird in Deutschland eine kontinuierliche Leseranalyse für Publikumszeitschriften durchgeführt4. Der Bundesverband Deut1

DOVIFAT, E.: Allgemeine Publizistik, Band I, Handbuch der Publizistik. Berlin 1968.

2

HANSEN, M.J W . HURWITZ u . W . MADOW: S a m p l e S u r v e y s , M e t h o d s a n d T h e o r y , I u n d

II. N e w York, London 1953. — KELLERER, H.: Statistik im modernen Wirtschafts- und Sozialleben. Hamburg 1963. * KÖNIG, R. (Hrsg.): Das Interview, Praktische Sozialforschung I. Köln 1957. 4 ARBEITSGEMEINSCHAFT LESERANALYSE E. V. ESSEN: LA 67. Essen 1967.

LESERANALYSEN V O N ZEITUNGEN

311

scher Zeitungsverleger, BDZV, veröffentlichte 1958, 1960/61 und 1966 Gemeinschaftsuntersuchungen für Tageszeitungen, die durch regionale, titelbezogene Untersuchungen ergänzt wurden. Parallel zu diesen Primärerhebungen werden kontinuierliche Analysen über Auflagen 5 und Verbreitung' erstellt. Die neuere Entwicklung der Mediaforschung ist gekennzeichnet durch den Einsatz von Computern mit großer Speicherkapazität und Rechengeschwindigkeit. Die Impulse gehen auch hier wieder von Werbetreibenden aus, um eine optimale Werbewirkung von Werbekampagnen zu erhalten 7 . b) L e s e r s c h a f t s k a t e g o r i e n

Der wichtigste Begriff ist der „Leser pro Nummer", abgekürzt LpN. Weitere Begriffe der „quantitativen" Reichweitenforschung können vom Leser pro Nummer abgeleitet werden. Als Leser pro Nummer bezeichnet man Personen, die im Erscheinungsintervall (bei Tageszeitungen 1 bzw. 2 Tage) mindestens einmal irgendein Exemplar irgendeiner Nummer der betreffenden Zeitung bzw. Zeitungsgruppe gelesen oder durchgeblättert haben. Man könnte also den Leser pro Nummer auch als „Leser im Erscheinungsintervall" bezeichnen. „Leser pro Woche" sind Personen, die im allgemeinen mindestens einmal in einer Durchschnittswoche irgendein Exemplar irgendeiner Nummer einer Zeitung bzw. Zeitungsgruppe gelesen oder durchgeblättert haben. „Regelmäßige Leser" im Leser pro Nummer sind Personen, die Leser pro Nummer sind und im allgemeinen jede Nummer der betreffenden Zeitung bzw. Zeitungsgruppe lesen oder durchblättern. Die Angaben zur Nutzungshäufigkeit erhebt man entweder durch eine verbale Skala (regelmäßig, gelegentlich) oder durch eine numerische Skala (Wieviel von 6 Ausgaben werden im allgemeinen gelesen?). „Leser pro Exemplar" ist die durchschnittliche Anzahl der Leser, die ein einzelnes Exemplar einer Zeitung bzw. Zeitungsgruppe lesen oder durchblättern; man errechnet den Leser pro Exemplar, wenn man den Leser pro Nummer durch die tatsächlich verbreitete Auflage dividiert. c) D a r s t e l l u n g s f o r m e n

Die sich in einer Stichprobenerhebung zeigenden Anteilswerte können als „Projektionen" auf die die Stichprobe repräsentierende Grundgesamtheit bezo5 INFORMATIONSGEMEINSCHAFT ZUR FESTSTELLUNG DER VERBREITUNG VON WERBETRÄGERN E. V. (IVW) : Auflagenmeldungen. Bad Godesberg 1967. 9 ADW, GWA, REGIONALPRESSE, STANDORTPRESSE (Hrsg.): Verbreitungsanalyse 1967 der deutschen Abonnement-Zeitungen. Frankfurt 1967. 7 IREP (Hrsg.): la recherche opérationelle appliquée à l'élaboration des plans média. Paris 1967.

312

FRIEDRICH MDHRING

gen werden. Diese Projektionen auf die Grundgesamtheit werden als absolute Zahlen in Millionen angegeben. „Reichweite" ist der Anteil von Personen an der Gesamtbevölkerung oder an einem Teil der Bevölkerung in Prozent, der von einer Zeitung bzw. Zeitungsgruppe erreicht wird. Für mehrere Titel verwendet man den Begriff „Nettoreichweite"; das sind Personen, die von zwei oder mehr Titeln mindestens einmal erreicht werden. Die Nettoreichweite gibt die „äußeren Überschneidungen" von zwei oder mehr Titeln an. Unter „Zusammensetzung" versteht man die soziodemographische Struktur der Leserschaft einer Zeitung bzw. Zeitungsgruppe. Basis ist in Prozent jeweils die Gesamtheit der Leserschaft einer Zeitung bzw. Zeitungsgruppe. d) Instrumente

Die klassische Methode der Leseranalysen entwickelte sich aufgrund eines Stichprobenverfahrens, durch das Personen aus der Gesamtbevölkerung ausgewählt und in einem persönlichen Interview anhand eines geeichten, weitgehend strukturierten Fragebogens befragt werden. Teilprobleme können auch durch schriftliche oder telefonische Interviews bzw. durch Beobachtung gelöst werden. Die meisten modernen Media-Analysen sind mehrstufig angelegt und zeigen eine Integration von quantitativen und qualitativen Fragekomplexen.

2. Methoden Die Methoden der Leseranalysen von Zeitungen werden anhand der BDZVLeseranalyse „Der Zeitungsleser 1966"8 und der standardisierten Leseranalysen für die Arbeitsgemeinschaft Regionalpresse 9 dargestellt. a) Stichprobe

Gmndgesamtheit,

Auswahlverfahren

Die Grundgesamtheit, aus der die Stichprobe gezogen wird, muß örtlich, zeitlich und sachlich genau abgegrenzt werden. Die Gesamtbevölkerung von 14—70 Jahren stellt in der Regel die Grundgesamtheit für Leseranalysen von Zeitungen dar. Die Altersbegrenzung wurde von anderen Media-Analysen (Werbefunkhörer-Analyse, Leseranalyse von Publikumszeitschriften etc.) übernommen. Im 8

BDZV: Der Zeitungsleser 1966. Leseranalyse der deutschen Tageszeitungen. • REGIONALPRESSE (Hrsg.): Vorschlag für regionale Leserschaftsanalysen. Frankfurt, München 1966.

LESERANALYSEN VON ZEITUNGEN

313

Untersuchungsgebiet, Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin, wurden 1966 circa 12 000 Interviews durchgeführt. Audi andere Gemeinschaftsuntersuchungen von Medien basieren auf circa 12 000 Interviews 10 . Um eine ausreichende statistische Genauigkeit der Ergebnisse (s. u.) zu sichern, muß auch bei regionalen Analysen im Verbreitungsgebiet einer Regionalzeitung eine bestimmte Stichprobengröße angestrebt werden. Vorgeschlagen wurden11 für Lokal- und Kreiszeitungen 700 bis 800 Interviews und für Gebiets- und Großstadtzeitungen 1000 bis 2000 Interviews, die entsprechend dem Verbreitungsgebiet verteilt werden müssen. Zum Beispiel: a) 1000 Interviews b) 1000 Interviews 1000 Interviews c) 1000 Interviews 2000 Interviews

im Stadtgebiet; Stadtgebiet (Erscheinungsort), Umgebung (Landkreise); Stadtgebiet, Umgebung.

Die Anlage der Untersuchung bei Regionalzeitungen geht also von der Verbreitungsanalyse 12 aus. Die Stichprobe muß für jede einzelne Leseranalyse sorgfältig geprüft werden. Bei der Auswahl der Befragungspersonen ist jeder subjektive Einfluß des Interviewers auszuschalten. Für Leseranalysen wird daher ein mehrstufiges, geschichtetes, zufallsgesteuertes Auswahlverfahren (synonym: Random-Sample, Wahrscheinlichkeitsstichprobe) empfohlen13. Auswahlprinzip ist, daß jede Person der Grundgesamtheit eine gleiche oder berechenbare Chance erhält, in die Auswahl zu kommen. Das Vorgehen kann unterschiedlich sein. Bei der BDZV-Analyse 1966 erfaßte das DIVO-Institut, das die Hälfte der Interviews durchführte, eine Personenstichprobe, das Institut INFRATEST eine Haushaltsstichprobe (wobei durch Multiplikation mit der Haushaltsgröße eine Personenstichprobe erhalten wird). Zunächst wurden von INFRATEST die 24 467 Gemeinden der Bundesrepublik und WestBerlin nach Ländern, Regierungsbezirken und Gemeindegrößenklassen geschichtet. In der zweiten Auswahlstufe wurden mit Hilfe der Stimmbezirkseinteilung der Bundestagswahl Flächen annähernd gleichen Gewichtes gebildet und über Zufallszahlen j e ein Stimmbezirk pro Primäreinheit in die Auswahl genommen. Innerhalb der ausgewählten Flächen wurden dann nach dem Flächenstichprobenverfahren alle Privathaushalte erhoben und in einer dritten Auswahlstufe in systematischer Zufallsauswahl 15 Haushaltsadressen j e Primäreinheit ausgewählt und dem Interviewer zur Befragung vorgegeben. Das DIVO-Institut wandte ein

10 11 12 13

Siehe Anm. 4. ENNEMANN, W.: Die gezählten Leser, ZV + ZV 17, 1967. Siehe Anm. 6. Siehe Anm. 2.

314

FRIEDRICH M Ö H R I N G

vergleichbares Verfahren der Schichtung an; hier wurden Haushaltsadressen aus Gemeindekarteien gezogen. In den Zielhaushalten wählten die Interviewer nach einer vorgegebenen Zufallszahlenkombination, die jeder Person im Haushalt die gleichen Auswahlchancen einräumte, die zu befragenden Personen aus. Bei diesem Auswahlverfahren kann die Arbeit des Interviewers in allen Phasen genauestens überwacht werden. S ti ch

tagverfahren

Um das durchschnittliche Verhalten von Lesern, Hörern, Fernsehteilnehmern etc. zu erfassen, werden die Interviews auf die einzelnen Wochentage des Befragungszeitraums, der möglichst vier Wochen umfassen sollte, gleichmäßig verteilt. Dabei werden jedem Interviewer bestimmte Befragungstage vorgegeben. Bei dem Stichtagverfahren wird das tatsächliche Leseverhalten am „gestrigen" (bzw. vorgestrigen) Tag ermittelt. Diese Frage nach dem gestrigen Verhalten schließt Fehleinschätzungen des Befragten aus, die sich bei der Frage nach dem allgemeinen Verhalten an einem durchschnittlichen Wochentag ergeben könnten. Systematische

Fehler und

Zufallsfehler

Bei einer zufallsgesteuerten Stichprobe werden dem Interviewer die Adressen der ausgewählten Personen vorgegeben. Alle durch Ausfälle oder Verweigerungen hervorgerufenen Störungen der Stichprobe müssen ausgewiesen werden. Um diese Ausfälle möglichst niedrig zu halten, werden den Interviewern in der Regel bis zu drei Wiederholungsbesuche vorgeschrieben. Diese und andere „systematischen Fehler", die oft nicht erkennbar sind, können auch bei hoher Ausschöpfung einer Stichprobe — gefordert werden bei Leseranalysen mindestens 80 Vo der Ausgangsstichprobe — zu geringen Abweichungen gegenüber den Zahlen der amtlichen Statistik führen. Durch eine nachträgliche Zellengewichtung oder Faktorengewichtung der Ergebnisse erhalten die zu korrigierenden Merkmale genau das Gewicht erteilt, das den Sollzahlen der amtlichen Statistik entspricht. Eine zweite Art von Fehlern bei Zufallsstichproben, der „Zufallsiehler", kann für einen mathematisch zu bewältigenden Stichprobenumfang berechnet werden. Die „Schwankungsbreite der Ergebnisse" wird in Leseranalysen tabellarisch und graphisch dargestellt. Signifikanz-Prüfverfahren und Schätzfunktionen sollten von den Benutzern von Leseranalysen zur Interpretation angewandt werden. b) Fragebogen

Der Fragebogen ist das wichtigste Instrument zur Sammlung der Informationen bei Leseranalysen.

LESERANALYSEN VON ZEITUNGEN

315

Zahlreiche Methodenexperimente führten zur Entwicklung von allgemein anerDer Leser pro Nummer wird durch die Frage erkannten Fiageioimuliernngen. mittelt „Hier sind einige Karten mit den Namen von Tageszeitungen... Wann haben Sie persönlich . . X . . abgesehen von heute zuletzt gelesen oder durchgeblättert?" Es werden dabei Karten mit den Originaltiteln (verkleinert) den Befragten gemischt vorgelegt, so daß die Reihenfolge für sukzessiv durchgeführte Interviews unterschiedlich ist. Als Leser pro Nummer wird nur gezählt, wer gestern (bei Montag-Interviews vorgestern) den betreffenden Titel gelesen oder durchgeblättert hat. Abgesehen von der „Leser pro Nummer-Frage" ist die Frage nach der Nutzungshäufigkeit wichtig; mit Hilfe einer verbalen Skala (regelmäßig, gelegentlich) oder einer numerischen Skala (1—6) wird das allgemeine Leseverhalten ermittelt. Es werden bei der Auswertung aus den Frequenzangaben der Befragten konkrete gelesene Ausgaben simuliert. Im allgemeinen enthalten die Fragebogen von Leseranalysen „qualitative und quantitative" Fragen, offene oder gestützte Fragen (Listen- bzw. Kartenvorlage), aber auch Interviewerbeobachtungen. Für Regionalpresse-Untersuchungen wurde folgender Aufbau des Fragebogens vorgeschlagen: — Kontaktfragen, z. B. private Reisen; — Leser pro Nummer Tageszeitungen / Kauf Zeitungen; — Lese- und Nutzungsgewohnheiten (Lesefrequenz, Bezugsart, Leseort. . .); — Reichweite von anderen Medien; — Interesse an redaktionellen Teilen einer Zeitung . . . ; — Besitz und Konsumverhalten; — soziodemographische Merkmale. Die Interview-Dauer liegt je nach Umfang von eventuellen Zusatzfragen zwischen 30 und 40 Minuten. c) Feldarbeit

Für Leseranalysen können nur erfahrene und qualifizierte (meistens nebenberuflich tätige) Interviewer eingesetzt werden, die in der Regel im Rahmen von allgemeinen Arbeitstagungen in Problemstellung und die etwas schwierige Technik der Untersuchungen eingewiesen werden. Außerdem erhalten die Interviewer zusammen mit den Arbeitsunterlagen eine ausführliche schriftliche Anweisung. Gültigkeitsprüfungen sind bei Leseranalysen unerläßlich. Die Kontrolle der Feldarbeit erfolgt beim Rücklauf der Fragebogen und durch zusätzliche Maschinenkontrollen. d) Auswertung

Der Arbeitsablauf von der Verschlüsselung (Vercodung) der Fragebogen bis zur Tabellenerstellung bei Leseranalysen, z. B. für die Arbeitsgemeinschaft Regionalpresse, besteht aus folgenden Punkten:

316

FRIEDRICH MOHRING

Fragebogenrücklauf vom Feld; Prüfen und Vercoden der Fragebogen; Lochen; Lochprüfen jeder Lochkarte auf Übereinstimmung mit dem Fragebogen; Plausibilitätskontrolle und eventuelle Verbesserungen mit elektronischer Datenverarbeitungsanlage; eventuelle Gewichtung nach amtlichen statistischen Unterlagen; Errechnen der Ergebnisse durch die elektronische Datenverarbeitungsanlage; Erstellen der Ergebniskarten und Tabellierung; Druck des Berichtes. Bei der BDZV-Analyse 1966 wurde die Form des Berichtes vergleichbar der Werbefunkhörer-Analyse 1966 angelegt. Neben dem Berichtsband stehen den Beziehern der Gemeinschaftsuntersuchungen Lochkartensätze für Sonderzählungen — insbesondere für die Media-Planung — zur Verfügung. Neuere Auswertungsprogramme von Leseranalysen erlauben eine weitere Differenzierung des Materials durch multidimensionale Analysen, die Abhängigkeiten der Merkmale aufzeigen. Zum Beispiel werden neben soziodemographischen Merkmalen psychologische Einstellungsgruppen durch Faktoren-Analysen aus projektiven sozialpsychologischen Verfahren ermittelt, die Grundlagen für eine Typologie der Leser liefern. Die Plazierung von Anzeigen erfolgt zunehmend durch Media-Selektions-Programme, die 1968 auch für Tageszeitungen zur Verfügung stehen werden. Diese Verfahren haben für die zukünftige Wirkungsforsdiung von Zeitungen eine außerordentliche Bedeutung.

3. Übersicht: Leseranalysen von Zeitungen Im folgenden Abschnitt werden die vorliegenden Primärerhebungen von überregionalen und regionalen Zeitungen beschrieben. Bei einer Integration der Leseranalysen wird ersichtlich, daß die Transparenz der regionalen und überregionalen Tageszeitungen nur zu erreichen ist, wenn zusätzlich Verbreitungs-Analysen zugrunde gelegt werden. Denn bei Publikumszeitschriften können Leseranalysen Einzeltitel ausweisen; bei Tageszeitungen ist aber eine Erfassung aller Titel in Leseranalysen technisch nicht möglich, so daß zusätzlich die Verbreitungs-Analyse herangezogen werden muß. a) Auflagendaten

Auilagenmeldungen" Nahezu alle Tageszeitungen erstatten Auflagenmeldungen an die „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V." (IVW). Die Berichte der IVW sind zur Vorbereitung und Ergänzung von Primärerhebungen unentbehrlich. 14

Siehe Anm. 5.

LESERANALYSEN VON ZEITUNGEN

Tabelle

1 Auflagenmeldungen

( A u s I V W - S t a t i s t i k , 3. V i e r t e l j a h r

1967) Meldungen an IVW

Druckauflage

Verkaufte Auflage

Zeitungen insgesamt davon

317

a) Tageszeitungen (mit mehr als 1 X wöchentl. Erscheinen) b ) Wochenzeitungen (1 X wöchentlich) - überregionale Wochenzeitungen -

regionale Wochenzeitungen

Zeitschriften insgesamt

536

24.774.556

22.221.654

478

23.200.702

20.923.251

58

1.573.854

1.298.403

15

1.379.590

1.131.836

43

194.264

166.567

804

79.205.921

68.139.303

*) B e r ü c k s i c h t i g t sind n u r d e r I V W a n g e s c h l o s s e n e Z e i t u n g e n , d i e Z a h l d e r Z e i t u n g e n insgesamt siehe „Statistik Z e i t u n g e n " , die d e r Zeitschriften, siehe „Statistik Zeitschriften".

In Tabelle 1 sind die IVW-Auflagenmeldungen für das dritte Vierteljahr 1967 dargestellt. 536 Zeitungen meldeten eine Druckauflage von 24 774 556 Exemplaren und eine verkaufte Auflage von 22 221 654 Exemplaren. Die entscheidende „verbreitete Auflage" liegt zwischen diesen beiden Werten. Zum Vergleich: 804 Zeitschriften meldeten der IVW eine Druckauflage von 79 205 921 Exemplaren und eine verkaufte Auflage von 68 139 303 Exemplaren. Verbieitungs-Analyse Mit der Verbreitungs-Analyse 196715 der deutschen Abonnement-Zeitungen, gegliedert nach Titeln und Landkreisen, erhöhte sich die Transparenz der Tageszeitungen. In der Verbreitungs-Analyse 1967 sind überregionale und regionale Tageszeitungen enthalten. Die Verbreitungs-Analyse kann durch „Bezieher-Analysen" je Titel (aus der Abonnenten-Kartei) ergänzt werden, eventuell in Verbindung mit einer Primärerhebung. b) ü b e r r e g i o n a l e

BDZV: „Der Zeitungsleser

Primärerhebungen

1966"

Die BDZV-Leseranalyse 1966" der deutschen Tageszeitungen, deren Anlage bereits dargestellt wurde, liefert die grundlegenden Informationen über das Me15

Siehe A n m . 6.

18

S i e h e A n m . 8.

318

FRIEDRICH MDHRING

dium Tageszeitungen. Der Inhalt des Schlußberichtes soll hier skizziert werden: Übersichtstabellen (Gesamtleserschaften); Leser pro Nummer von Tageszeitungen nach Gesamtbevölkerung, männlicher Bevölkerung, weiblicher Bevölkerung, Hausfrauen, Wohnortgrößen, Bundesländergruppen; Besitz und Verbrauch (Leser pro Nummer); Exklusiv-Leser gegenüber anderen Zeitungsgattungen und anderen Medien; Leseverhalten und Lesegewohnheiten (Lesezeit, Lesehäufigkeit, Leseort, Lesedauer, Bezugsort, Kaufort, Behandlung der Zeitung); Interesse an redaktionellen Teilen.

Tabelle 2 Reichweite von Tageszeitungen (Tabelle 1 aus dem Bericht der BDZV-Leseranalyse 1966) Gesamtbevölkerung Leser pro Woche

GESAMTLESERSCHAFTEN

GESAMTBEVÖLKERUNG 1 4 - 7 0 Jahre in MilL

Leser der letzten 3 Tage

Leser pro Nummer

Regel- Leser mäßige pro Leser Exemim Leser plar pro Nummer

42,44

BEVÖLKERUNGSANTEIL 1 4 - 7 0 Jahre in Prozent

100,0

BASIS

12.398

REICHWEITE (in Prozent) BASIS: Bevölkerung = 100% ALLE TAGESZEITUNGEN REGIONALE + LOKALE ABO. ZTG. NATIONALE ABONNEMENT-ZTG. KAUFZEITUNGEN

90,4 79,6 7,8 37,8

87,5 75,4 5,6 36,0

79,8 67,8 3,5 27,1

71,3 61.5 2,4 16.6

38,38 33,76 3,32 16,05

37,14 32,02 2,39 15,30

33,87 28,79 1,48 11,51

30,27 26,10 1,04 7,04

2,4 2,8 3.0 2.1

PROJEKTION (in Mill.) ALLE TAGESZEITUNGEN REGIONALE + LOKALE ABO.ZTG. NATIONALE ABBONEMENT-ZTG. KAUFZEITUNGEN

In Tabelle 2 sind globale Zahlen für die Reichweite von Tageszeitungen angegeben; demnach sind Leser pro Nummer von Tageszeitungen 79,8 °/o der Gesamtbevölkerung von 14—70 Jahren. Das Interesse an redaktionellen Teilen der Tageszeitungen zeigt Tabelle 3, bezogen auf den Leser pro Nummer. Dieser Teil der Leseranalysen ist nicht problemlos und sollte in Zukunft ausgebaut werden.

319

LESERANALYSEN VON ZEITUNGEN

Tabelle

3

Interesse an redaktionellen Teilen der Tageszeitungen. (Aus dem Bericht der BDZV-Leseranalyse 1966.) Basis: Gesamtbevölkerung 14—70 Jahre, „Leser pro Nummer" aller Tageszeitungen.

— — — — —

-



•—

— — — — — — —

Politische Nachrichten aus Deutschland Politische Nadiriditen aus aller Welt Täglicher politischer Kommentar Wirtschaftsnachrichten Börsen- und Marktberichte, Kurszettel Berichte und Reportagen aus Deutschland und aller Welt Berichte über das, was im Ort passiert Berichte über das, was in der näheren Umgebung passiert Berichte über das, was in der weiteren Umgebung passiert Nachrichten über Unfälle, Verbrechen, Unglücke Heimatsport Fußball (Bundes-, Regionalliga) Sonstiger Sport Feuilleton, Konzert-, Theaternotizen Fortsetzungsromane Leserbriefe Veranstaltungskalender

Interesse vorhanden 85,3 o/o 85,3 %> 63,7 °/o 56,4 °/o 33,7 °/o

Index' (1-3) 2,40 2,41 1,95 1,80 1,46

87,3 °/o 94,6 °/o

2,48 2,83

94,6 °/o

2,79

93,7 %>

2,65

94,9 °/o 57,9 %> 53,1 °/o 56,9 °/o 45,5 °/o 33,9 °/o 59,3 °/o 49,1 o/o

2,76 1,95 1,91 1,92 1,63 1,52 1,89 1,69

* Der Indexwert ist ein gewogenes arithmetisches Mittel; Gewicht 3 = „interessiert besonders"; Gewicht 2 = „interessiert weniger" Gewicht 1 = „interessiert gar nicht". A u s der B D Z V - A n a l y s e 1966 hat die Arbeitsgemeinschaft Regionalpresse eine Sonderauswertung für Zielgruppen

v o r g e l e g t " . Diese A n a l y s e zeigt deutlich, daß

regionale Tageszeitungen als W e r b e t r ä g e r nicht nur regional v o n Bedeutung sind, da der Anteil an „Exklusiv-Lesern" (d. h. Leser, die v o n keinem anderen Medium erreicht werden) relativ hoch ist.

Andere

Leseranalysen

Die Reichweite v o n T a g e s z e i t u n g e n ist auch aus einer Reihe v o n

anderen

M e d i a - A n a l y s e n zu entnehmen, z. B. aus der L e s e r a n a l y s e für Publikumszeitschriften = LA 18 , allerdings ohne Aufgliederungen und mit geringer Informationsbreite. ü b e r r e g i o n a l e L e s e r a n a l y s e n wurden auch v o n einzelnen V e r l a g e n erstellt, und z w a r sowohl für überregionale Tageszeitungen als auch für Kaufzeitungen. 17 REGIONALPRESSE (Hrsg.): Zielgruppen. Eine Sonderauswertung der Leseranalyse 1966 des BDZV. Frankfurt 1966. 18 Siehe Anm. 4.

FRIEDRICH MOHRING

320

c) Regionale

Primärerhebungen

Die Arbeitsgemeinschaft Regionalpresse erarbeitete einen Vorschlag für regionale Leserschaftsanalysen1". Bis zum Frühjahr 1967 wurden von 22 regionalen Tageszeitungen nach diesem Vorschlag durchgeführte, vergleichbare Leseranalysen vorgelegt. Der Fragebogen wurde aus der BDZV-Leseranalyse 1966 entwickelt. Die besonderen Probleme bei der Anlage der Stichprobe wurden bereits erläutert.

Tabelle

4

Zur Struktur der Leserschaften; a u s g e w ä h l t A l t e r u n d Schulbildung Alter

Mittelschule Oberschule ohne Abitur

%

%

%

%

^

10

21

18

16

20

15

35

42

18

5

10

20

18

17

20

16

35

41

19

5

^

14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-70 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre

Volksschule mit Lehre

Abitur Univers. Hochschule

Leser pro Nummer reg. und lokale Abo-Zeitungen

%

^

Leser pro Nummer Tageszeitungen

%

„ij Volksschule ° ohne Lehre

LpN

Schulbildung

In Tabelle 4 werden zwei Strukturmerkmale ausgewiesen. Bis April 196720 wurden von 565 Kreisen in der Bundesrepublik 163 Kreise im Rahmen von regionalen Leseranalysen abgedeckt. Die globalen Zahlen aus überregionalen Leseranalysen sind nur für Regionalzeitungen insgesamt gültig. Erst die regionalen, titelbezogenen Leseranalysen liefern Daten über Regionalzeitungen, die für Publizisten und Werbetreibende relevant sind. Schlußbemerkung

Die objektive und systematische Leserschaftsforschung für Zeitungen hatte in den letzten Jahren bemerkenswerte Erfolge. Es konnte aber auch gezeigt werden, daß ein großes Arbeitsprogramm bis zur empirischen Absicherung von allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der Zeitungswirkung vor uns liegt. " S i e h e A n m . 9. S i e h e A n m . 11.

20

LESERANALYSEN V O N ZEITUNGEN

321

LITERATUR Allgemeines: HANSEN, M., W . HURWITZ U. W . M A D O W : Sample Surveys, Methods and Theory, I und II. New York, London 1953. — KELLERER, H.: Statistik im modernen Wirtschafts- und Sozialleben. Hamburg 1963. — KÖNIG, R. (Hrsg.): Das Interview, Praktische Sozialforschung I. Köln 1957. Einzelgebiete: ADW, GWA, REGIONALPRESSE, STANDORTPRESSE (Hrsg.): Verbreitungsanalyse 1967 der deutschen Abonnement-Zeitungen. Frankfurt 1967. — ARBEITSGEMEINSCHAFT LESERANALYSE E. V. ESSEN: LA 67. Essen 1967. — BDZV: Leseranalyse 1960/61. — BDZV: Der Zeitungsleser 1966. Leseranalyse der deutschen Tageszeitungen. — BEHRENS, K. C.: Demoskopisdie Marktforschung. Wiesbaden 1961. — CORLETT, T.: The statistical accuracy of the IPA NRS results. London 1964. — DOVIFAT, E.: Allgemeine Publizistik, Band I, Handbuch der Publizistik. Berlin 1968. — DERS., Zeitungslehre I und II. 5. Auflage. Berlin 1967. — ENNEMANN, W.: Die gezählten Leser, Z V + Z V 17, 1967. — HARDER, T H . : Elementare mathematische Modelle in der Markt- und Meinungsforschung. München, Wien 1966. — INFORMATIONSGEMEINSCHAFT ZUR FESTSTELLUNG DER VERBREITUNG VON WERBETRÄGERN E. V. (IVW): Auflagenmeldungen. Bad Godesberg 1967. — IREP (Hrsg.): La recherche opérationelle appliquée à l'élaboration des plans média. Paris 1967. — JASPERT, F.: Methoden zur Erforschung der Werbewirkung. Stuttgart 1963. — LAZARSFELD, P. F.: The Language of Social Research. Glencoe/Ill. 1955. — LAZARSFELD, P. F. u. E. KATZ: Persönlicher Einfluß und Meinungsbildung. München 1962. — MERK, G.: Wissenschaftliche Marktforschung. Berlin 1962. — NOELLE, E.: Meinungs- und Massenforschung in USA. Berlin 1940. (Phil. Diss.) •— NOELLE, E.: Umfragen in der Massengesellschaft. Hamburg 1963. — PÖLITZ, A.: A Study of Four Media. LIFE. New York 1953. — REGIONALPRESSE (Hrsg.): Zielgruppen. Eine Sonderauswertung der Leseranalyse 1966 des BDZV. Frankfurt 1966. — REGIONALPRESSE (Hrsg.) : Vorschlag für regionale Leserschaftsanalysen. Frankfurt, München 1966. — ZANKL, H. L.: Grundfragen der Zeitungswirkung. München 1954. — ZAW (Hrsg.): Jahresbericht 1966. Bad Godesberg 1967.

21

P u b l i z i s t i k III

Das Recht der Zeitung HANS S C H M I D T - O S T E N

1. D e r Begriff der Zeitung Der Begriffsbestimmung der Zeitung kommt nicht nur in der Zeitungslehre, sondern auch in den Fällen entscheidende Bedeutung zu, in denen aus rechtlichen Gründen die Abgrenzung der Zeitung von der Zeitschrift geboten ist1. Der Gesetzgeber hat bislang auf eine Legaldefinition verzichtet und die Abgrenzung der Lehre und der Praxis überlassen. Dadurch ergeben sich oft Zweifelsfragen, die nur von Fall zu Fall und an Hand des Blattes selbst entschieden werden können. Unbestritten ist, daß die Bezeichnung (Titel), die äußere Form, die Vertriebsart (Abonnement, Straßenverkauf), das Vertriebsgebiet (lokal, regional, überregional) allein nicht maßgebend sind. Unverändert gültig ist die klassische Definition von DOVIFAT®, wonach die Zeitung jüngstes Gegenwartsgeschehen in kürzester regelmäßiger Folge der breitesten Öffentlichkeit in Wort und Bild vermittelt. Abgrenzungsschwierigkeiten bereitet jedoch die Tatsache, daß keinem dieser Merkmale absolute Bedeutung zukommt. So setzt der Begriff der Tageszeitung keineswegs ein tägliches Erscheinen voraus. Auch Blätter, die nur einmal oder zweimal wöchentlich erscheinen, können den Zeitungen zugerechnet werden'. Auch die Aktualität des Inhalts und der unbeschränkte Bezieherkreis allein genügen nicht zur Abgrenzung, da auch Zeitschriften diese Voraussetzungen erfüllen können4. Neben den Merkmalen der Aktualität, Periodizität und Publizität kommt der Universalität des Inhalts große und oft entscheidende Bedeutung zu. Während die Zeitschrift in der Regel einem mehr oder weniger umgrenzten Stoffgebiet dient, erstreckt sich die Aufgabe der Tageszeitung sachlich auf alle Lebensgebiete 1 So ewa im Urheberrechtsgesetz, Verlagsgesetz, Arbeitsrecht. Pressegesetzlich ist die Abgrenzung ohne Bedeutung, da für alle „periodischen Druckwerke" die gleichen Vorschriften gelten. Die organisatorische Eingliederung des Verlags kann im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit nur indiziell gewertet werden. 2 Zeitungslehre, 5. Aufl. Bd. I S. 8 ff. 3 SCHÜTZ, W. J.: „Publizistik", 1966 Heft 1 S. 13 ff.; LÖFFLER, M.: Presseredit, Bd. II Rdz. 19 zu § 7 LPG. 4 So die sog. Publikumszeitschriften (Illustrierten, Wochenendblätter u. a.).

DAS RECHT DER ZEITUNG

323

(Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Unterhaltung u. a.) und räumlich auf das lokale, regionale und überregionale Geschehen 5 . Die Gesamtheit aller dieser Merkmale, wenn auch im Einzelfall dem Grad nach verschieden, bestimmen den Begriff der Zeitung in rechtlicher Hinsicht und ermöglichen ihre Abgrenzung von der Zeitschrift.

2. Die öffentliche Aufgabe der Zeitung Die neuen Pressegesetze der Länder der Bundesrepublik enthalten alle eine Bestimmung über die „öffentliche Aufgabe" der Presse. Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts begegnen wir dieser Formulierung 6 . Da die Zeitung innerhalb der „Presse" durch Stellung und Aufgabe ein Höchstmaß an Wirkungsintensität entfaltet, kommt gerade für sie der Frage nach der rechtlichen Bedeutung und Tragweite dieser Formel das größte Gewicht zu. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine exakte Antwort auf die Frage nach dem Wesen und dem rechtlichen Gehalt der öffentlichen Aufgabe nicht entnommen werden. Ihr Kern ist die Feststellung der unverzichtbaren Funktion der Presse in einer freiheitlichen Demokratie, ihrer institutionellen Eigenständigkeit, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Befugnis zur Wahrnehmung der Interessen der Öffentlichkeit. Auch die neuen Pressegesetze der Länder bestimmen den Umfang der öffentlichen Aufgabe der Presse unterschiedlich und weichen damit nicht nur terminologisch, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Tragweite von einander ab. So beschränken einige Gesetze die öffentliche Aufgabe auf die Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten, Stellungnahme, Kritik und Meinungsbildung. Im presserechtlidien und verfassungsrechtlichen Schrifttum begegnen wir unterschiedlichen, j a gegensätzlichen Auffassungen 7 . Während einige Autoren in der öffentlichen Aufgabe nur eine bloße Deklamation ohne juristischen Aussagewert oder nur eine soziologische (gesellschaftspolitische) Funktion erblicken, sehen andere Autoren in der Formel vor allem einen besonderen Rechtfertigungsgrund für die Presse bei Verletzung straf- oder zivilrechtlicher Vorschriften, andere wiederum einen umfassenden Rechtsbegriff und einen Verfassungsauftrag. 5 Die Universalität des Inhalts betonen DOVIFAT, a.a.O., S. 13 f., der auch Sonntagsblätter und Montagsblätter, die einen allgemeinen Nachrichtendienst bringen, den Zeitungen zuredinet, ferner SCHÜTZ, a.a.O.; a. A. LÖFFLER, a.a.O. Rdz. 20 zu § 7 LPG, der die tagebuchartige Berichterstattung aus bestimmten Lebensbereichen für ausreichend hält. — Audi überregionale Zeitungen unterhalten lokale Ausgaben. 6 Vgl. die neueste Übersicht mit Quellenangaben bei CZAJKA, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 78 ff. ' Aus dem zahlreichen Schrifttum zitiert CZAJKA, a.a.O. S. 84 ff. die verschiedenen Auffassungen und Autoren; vgl. ferner LÖFFLER, a.a.O. S. 64 ff.

21-

324

HANS SCHMIDT-OSTEN

Es wäre verfehlt, dem Begriff der öffentlichen Aufgabe jeden Aussagewert abzusprechen. Er bestätigt den Standort der Presse in Staat und Gesellschaft und ihre Aufgabe im Sinne einer wichtigen Funktion in einem demokratischen Staatswesen. Keinesfalls bedeutet das Merkmal „öffentlich" ein staatliches Mandat oder eine Inpflichtnahme, sondern eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe. Aus dem Begriff resultieren auch, die besonderen Rechte, deren die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgabe bedarf, wie zum Beispiel ihr Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden und das Zeugnisverweigerungsrecht, aber auch ihre besonderen Pflichten, wie zum Beispiel die sorgfältige Prüfung aller Nachrichten auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft sowie das Druckwerk von strafbarem Inhalt freizuhalten. Aus der Aufgabe versteht sich auch der erhöhte Schutz der Presse gegen staatliche Eingriffe, wie zum Beispiel die Beschränkung der Beschlagnahme und das Verbot der Zensur und jeder Sonderbesteuerung. Die praktisch bedeutsamste rechtliche Folge ist die Anerkennung der allgemeinen öffentlichen Interessen als berechtigte und schutzwürdige Interessen im Sinne unserer Rechtsordnung8. Sie in den Grenzen einer gewissenhaften Güterabwägung wahrzunehmen, ist die Presse kraft ihrer öffentlichen Aufgabe berufen.

3. Der Zeitungsredakteur Die Rechtsstellung des Zeitungsredakteurs wird durch die öffentliche Aufgabe, die Verleger und Redakteur gemeinsam gestellt ist, und durch seine pressegesetzliche Einordnung mitbestimmt. Unter Verzicht auf eine Legaldefinition ist der Pressegesetzgeber von dem geschichtlich entwickelten und von der Praxis des Lebens geformten Redakteurbegriii ausgegangen. Redakteur im pressegesetzlichen Sinne ist, wer eine periodische Druckschrift mit eigener Entscheidungsbefugnis über die Auswahl des zu publizierenden Stoffes redigiert 9 . Diese wissenschaftliche Definition findet ihre Bestätigung in den Gesetzesmaterialien. Er ist es, dem das Pressegesetz besondere Rechte zubilligt und besondere Pflichten auferlegt. Auch die Rechtsstellung des Redakteurs als Arbeitnehmer weist Besonderheiten auf, die sein Arbeitsverhältnis von anderen unterscheidet 10 . In seiner Eigenschaft als „Herausgeber", dem die geistige Oberleitung zusteht, bestimmt der Verleger 8 Vgl. GROSS, Die öffentliche Aufgabe der Presse und ihre Auswirkungen für das Zivilund Strafrecht, Archiv für Presseredit, Nr. 74/1968 S. 730 ff. • LÖFFLER, a.a.O. Rdz. 6 Vorbem. § 8 LPG. Bei Beiträgen strafbaren Inhalts steht dem verantwortlich zeichnenden Redakteur ein auch gegen den Verleger wirksames Vetorecht zu, Löffler, a.a.O. Rdz. 29 zu § 8 LPG. 10 Die arbeitsrechtlichen Beziehungen sind in einem umfassenden Tarifwerk, die Vertragsbedingungen und Mindesthonorare der freien Mitarbeiter an Tageszeitungen in Richtlinien geregelt. .

DAS RECHT DER ZEITUNG

325

der Zeitung die Richtlinien für die grundsätzliche Haltung der Zeitung in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Dieser „Tendenz" des Blattes unterwirft sich der Redakteur durch seinen Eintritt in die Redaktion. Die Richtlinien, die kraft tarifvertraglidier Regelung den Inhalt der Arbeitsleistung normativ bestimmen, bedeuten rechtlich eine verbindliche Selbstbeschränkung des Direktions- und Weisungsrechts des Verlegers auf einen Rahmen, in dem der Redakteur eigenverantwortlich, das heißt nur der öffentlichen Aufgabe verpflichtet, den redaktionellen Teil im einzelnen gestaltet11. Das verlegerische Direktionsrecht findet seine weitere Schranke an dem tarifvertraglich normierten Gesinnungsschutz des Redakteurs, der nicht gezwungen werden kann, gegen seine Überzeugung zu handeln und im Falle einer Änderung der grundsätzlichen Haltung der Zeitung oder eines Betriebsinhaberwechsels berechtigt ist, seine Dienste sofort einzustellen. Andererseits findet die redaktionelle Entscheidungsfreiheit des Redakteurs ihre Grenzen nicht nur an den Richtlinien, sondern auch in der arbeitsrechtlichen Treuepflicht, das Gesamtinteresse der Zeitung zu wahren und die Zeitung vor unzumutbarem Schaden zu bewahren, im Falle einer Mithaftung des Verlegers und schließlich in der Redaktionsordnung mit ihrer über- und Unterordnung und der damit verbundenen publizistischen und rechtlichen Verantwortung12.

4. Die Zeitung i m U r h e b e r r e c h t a) Das

Sammelwerk

Die Zeitung rechnet urheberrechtlich zu den Sammelwerken, die aus getrennten und selbständigen Werken (Wort, Bild) mehrerer Urheber bestehen. Gegenstand des Schutzes ist die persönliche geistige Schöpfung, die in der Auslese oder Anordnung des Stoffes ihren Ausdruck findet13. Weder die äußere Aufmachung der Zeitung noch die redaktionelle Sichtung und Bearbeitung des Stoffes begründen das Urheberrecht am Sammelwerk, sondern die Formgebung des Ganzen. 11 Vgl. NEUMANN-DUESBERG, Freie Meinungsäußerung in Tendenzbetrieben, Neue Juristische Wochenschrift 1964 S. 1697 ff.; GIESSLER, über das Verhältnis von Redakteur und Verleger im Zeitungsverlag, Festschrift für Rombadi, S. 181 ff.; RIDDER, Probleme der inneren Pressefreiheit, Festvortrag, „Der Journalist", Heft 5/1962. — über die Einschränkung des Direktionsrechts durch Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelvertrag vgl. HueckNipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I S. 158 ff.; NIKISCH, Arbeitsrecht, Bd. I S. 255 ff. 12 über das delegierte und geteilte Weisungsrecht vgl. NIKISCH, a.a.O. S. 158. — Bei Redakteuren entfällt das personelle Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, § 81 Betriebsverfassungsgesetz; vgl. auch: Reinowski, H. J.: Innere Pressefreiheit, ein Grundsatzrecht für Verleger u. Redakteure, Darmstadt 1968. Ebendort Literaturangaben auch über die Streitpunkte im Einzelnen. " § 4 des Urheberrechtsgesetzes vom 9.9.1965.

326

HANS SCHMIDT-OSTEN

Das Urheberrecht besteht nicht am Sammelwerk als Unternehmen, sondern jeweils nur an der einzelnen Ausgabe. Unberührt bleibt das Urheberrecht der Urheber der Einzelbeiträge. Bei Tageszeitungen ist in der Regel der Herausgeber der Träger des Urheberrechts am Sammelwerk. Bei einer juristischen Person des privaten Rechts steht das Urheberrecht am Sammelwerk den Gesellschaftern als Miturheber zur gesamten Hand zu, sofern sie in gewollter Zusammenarbeit schöpferisch bei der Entstehung des Sammelwerks mitgewirkt haben. Die namentliche Angabe des Herausgebers stellt die Urheberbezeichnung dar und begründet die Vermutung, daß er der Urheber des Sammelwerks ist14. b) Der

Zeitungsinhalt

Das neue Urheberrechtsgesetz hat die bisherige Dreiteilung des Zeitungsinhalts beibehalten. Wenn es auf eine besondere Erwähnung der „Ausarbeitungen wissenschaftlichen, technischen oder unterhaltenden Inhalts" verzichtet hat15, so nur deswegen, weil es sich bei diesen Beiträgen sowieso um absolut geschützte Werke handelt, die auch dann gegen Nachdruck geschützt sind, wenn ein Vorbehalt der Rechte fehlt. Bedingt freigegeben vom Nachdrucksverbot ist der einzelne Artikel (insbesondere Leitartikel und Glosse), der sich mit politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Tagesiragen befaßt16. Das Gesetz stellt hier auf die Aktualität des Inhalts ab, so daß Artikel kulturellen oder technischen Inhalts oder politische Artikel historischen Inhalts, auch wenn sie aus aktuellem Anlaß verfaßt werden, nicht unter die Freigabe fallen. Voraussetzung der Freigabe ist, daß der Artikel nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen ist. Artikel des aufgezeigten Inhalts dürfen nur von anderen Zeitungen und vom Rundfunk, nicht aber von Zeitschriften übernommen werden. Dem Urheber des Artikels ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Wird ein Zeitungsartikel übernommen, so sind als Quelle der Verfasser und die Zeitung anzugeben. Änderungen des Textes, der Überschrift, der Urheberbezeichnung sowie Kürzungen sind unzulässig. Eine Ausnahme von der bedingten Freigabe stellen kurze Auszüge aus mehdar, bei denen reren Artikeln über Tagesfragen in Form von Presseübersichten eine Vergütungspflicht entfällt163. Mit Rüdssicht auf das öffentliche Unterrichtungsbedürfnis ist der Nachdruck von Nachrichten tatsächlichen Inhalts unbeschränkt frei17. Eine Nachricht oder Tagesneuigkeit ist die Mitteilung von Ereignissen, Vorgängen oder Zuständen, » Vgl. §§ 8, 10 URG. 15 Bisher § 18 Abs. 2 des literarischen Urheberrechtsgesetzes von 1901. " Vgl. § 49 Abs. 1 URG. " a Vgl. § 49 Abs. 1 Satz 2 URG. 17 Vgl. § 49 Abs. 2 URG.

DAS R E C H T DER ZEITUNG

327

die sich auf die Wiedergabe von Tatsachen beschränkt. Damit scheiden Meinungsäußerungen, Werturteile, kritische Erörterungen u. ä., auch wenn sie sich mit Nachrichten tatsächlichen Inhalts befassen, aus der Freigabe aus18. Vergütungspflicht, Änderungsverbot und Quellenangabe entfallen bei der Übernahme von Nachrichten. Frei ist auch die Übersetzung von Nachrichten aus ausländischen Zeitungen und Rundfunkstationen19. Voraussetzung der Freigabe ist, daß die Nachricht „veröffentlicht", das heißt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Die Freigabe bedeutet nicht, daß die Nachricht nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann, wie sie auch einen relativen Schutz nach anderen gesetzlichen Vorschriften genießt20. Das Presseloto stellt, auch wenn ihm Nachrichtenwert zukommt, keine Nachricht dar und genießt, ebenso wie die Pressezeichnung, absoluten urheberrechtlichen Schutz21. c) Der

Zeitungsbeitrag

Wenn nichts anderes vereinbart ist, erhält der Verleger einer Zeitung an dem Beitrag nur ein einfaches Nutzungsrecht, das ihn berechtigt, den Beitrag neben dem Urheber oder anderen Berechtigten auf die ihm erlaubte Art zu nutzen22. Der Verfasser des Beitrags ist also befugt, seinen Beitrag gleichzeitig auch anderen Verlegern zum Abdruck anzubieten. Räumt der Verfasser der Zeitung ein ausschließliches Nutzungsrecht ein, so ist der Verfasser sogleich nach Erscheinen des Beitrags zur anderweitigen Verfügung befugt, übt die Zeitung das ausschließliche Nutzungsrecht nicht aus, so kann der Verfasser das Nutzungsrecht drei Monate nach Einräumung zurückrufen. Er muß der Zeitung jedoch eine angemessene Nachfrist setzen. Nach fruchtlosem Ablauf erlischt das Nutzungsrecht der Zeitung. Der Anspruch auf die Vergütung bleibt jedoch unberührt23. Beim angestellten Redakteur entsteht das Urheberrecht an den Beiträgen, die er in Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verfaßt hat, zwar in seiner Person, doch räumt er dem Verlag kraft Arbeitsvertrags die ausschließlichen Nutzungsrechte an den während der Vertragsdauer verfaßten Beiträgen ein". 18 Es handelt sich dann meistens um Artikel über Tagesfragen, die bedingt freigegeben sind. " Nach §§ 3, 23 URG bedürfen nur urheberrechtlich geschützte Werke der Einwilligung des Urhebers; vgl. ferner Art. 2 Abs. 1 der Berner Ubereinkunft in der Stockholmer Fassung vom 14. 7. 1967. 20 So die Dienste der Nachrichtenagenturen und Korrespondenzbüros. Vgl. § 49 Abs. 2 URG. In Frage kommen insbesondere die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts. 21 Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22.7.1962 (I ZR 118/60). 22 Vgl. § 38 Abs. 3 i. V. mit § 31 Abs. 2 URG. Ein Verlagsvertrag im Sinne des § 1 Verlagsgesetz liegt nicht vor, da der Zeitungsverleger zur Vervielfältigung nicht verpflichtet ist § 45 Verlagsgesetz. 23 Vgl. § 41 Abs. 2 URG und § 45 Abs. 1 Satz 2 Verlagsgesetz. 24 Vgl. § 43 URG. Die Einräumung erfolgt durch formlosen Vertrag. Der Schriftform nach § 40 URG bedarf es im Hinblick auf den Arbeitsvertrag nicht.

328

HANS SCHMIDT-OSTEN

Weder der Redakteur noch der Verlag dürfen ohne Einwilligung des anderen Teils über die Beiträge weiterverfügen. Das folgt einerseits aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht des Redakteurs, andererseits aus den persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen und der Zweckübertragung25. Das Ausmaß des Änderungsrechts richtet sich danach, ob der Beitrag mit oder ohne den Namen des Verfassers erscheinen soll. Bei bezeichneten Beiträgen sind wesentliche Änderungen an der Fassung und am Inhalt (Zusätze, Kürzungen, Urheberbenennung) nur mit Einwilligung des Urhebers zulässig. Bei nicht bezeichneten Beiträgen sind die im Zeitungswesen üblichen Änderungen an der Fassung, nicht aber am Inhalt erlaubt26.

5. Die Gegendarstellung a) Die Rechtsnatui

des

Anspruchs

Der Anspruch auf Gegendarstellung folgt aus dem Persönlidikeitsrecht des von einer Veröffentlichung Betroffenen und aus seinem Recht, nach dem Grundsatz des audiatur et altera pars dort zu Wort zu kommen, wo seine persönlichen Belange öffentlich erörtert werden27. b) Die

Beteiligten

Anspruchsberechtigt ist jede natürliche oder juristische Person oder Stelle, die von einer Presseveröffentlichung „betroffen", das heißt, von ihr unmittelbar oder mittelbar in ihren individuellen Interessen berührt wird. Eine namentliche Erwähnung ist nicht erforderlich. Es genügt, daß die Person oder Stelle erkennbar ist. Anspruchsverpflichtet ist in erster Linie der Redakteur, der für die Ausgabe, in der die Gegendarstellung erscheinen soll, verantwortlich ist. Neben dem Redakteur haftet auch der Verleger. c) Der formelle

Charakter

Aus der formellen Ausgestaltung des Anspruchs folgt, daß es auf Wahrheit oder Unwahrheit der Gegendarstellung nicht ankommt. Dem trägt die von den Pressegesetzen gewählte Bezeichnung „Gegendarstellung" als subjektive Ansicht des Betroffenen Rechnung, die an die Stelle der „Berichtigung" des früheren Reichspressegesetzes (§ 11) getreten ist. Sind die formellen gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt, so ist die Zeitung zum Abdruck verpflichtet. Nur Vgl. §§ 31 Abs. 5, 34 URG und Musteranstellungsvertrag für Zeitungsredakteure. Vgl. § 44 Verlagsgesetz. » BGH in N J W 1963 S. 151; LÖFFLER, a.a.O. Rdz. 25 ff. zu L P G § 11, W E N Z E L , a.a.O. S. 244. 25 16

DAS RECHT DER ZEITUNG

329

wenn die Gegendarstellung offensichtlich unwahr oder irreführend ist, entfällt das berechtigte Interesse des Betroffenen an der Veröffentlichung und damit die Abdruckspflicht der Zeitung28.

d) Der Inhalt und seine

Grenzen

Die Gegendarstellung ist vom Gesetz auf die in der Zeitung behaupteten Tatsachen beschränkt, das heißt auf äußerlich wahrnehmbare oder innere Zustände oder Vorgänge (z.B. Beweggründe), die dem Beweis zugänglich sind und der Vergangenheit oder der Gegenwart angehören. Damit scheiden Meinungen, Werturteile und Kritik als nicht gegendarstellungsfähig aus. Der Inhalt der Gegendarstellung muß sich auf tatsächliche Angaben beschränken und mit den behaupteten Tatsachen in gedanklichem Zusammenhang stehen. Doch sind Wiederholungen aus dem beanstandeten Text und ergänzende Tatsachen zulässig, wenn sie dem besseren Verständnis dienen. Die Gegendarstellung darf keinen strafbaren Inhalt haben. Der Gegendarstellungsanspruch besteht auch gegen Tatsachenbehauptungen im Inseratenteil [z. B. Wahlkampf anzeigen), sofern es sich nicht um Anzeigen handelt, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen. Der Anspruch auf Gegendarstellung besteht auch gegen Bildveröffentlichungen (Foto, Zeichnung, Karikatur), in denen eine Tatsachenbehauptung zum Ausdrude gebracht wird, einschließlich des Begleittextes29. Bei wahrheitsgetreuen Parlaments- und Gerichtsberichten entfällt der Anspruch. Keinesfalls darf jedoch die Gegendarstellung von der Zeitung in Form eines Leserbriefes gebracht werden30. überschreitet die Gegendarstellung im Verhältnis zum beanstandeten Text den angemessenen Umfang, so kann ihr Abdruck verweigert werden. Der Abdruck ist grundsätzlich kostenfrei. Einem verspäteten Abdruckverlangen, was drei Monate nach erfolgter Veröffentlichung unterstellt wird, braucht die Zeitung nicht mehr zu entsprechen, weil das berechtigte Interesse dann nicht mehr gegeben ist. Die Gegendarstellung muß vom Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter persönlich unterzeichnet sein. Die Unterzeichnung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter (Anwalt) genügt nicht. Andererseits braucht das Abdrucksverlangen von dem Betroffenen nicht persönlich gestellt zu werden. Entspricht die Gegendarstellung weder den inhaltlichen noch den formellen gesetzlichen Erfordernissen, so kann die Zeitung sie zurückweisen. Der verantwortliche Redakteur ist zu keinen Änderungen (Kürzungen, Zusätze, Verbesserungen) berechtigt, aber auch zu keiner Formulierungshilfe verpflichtet. 88 So die Landespressegesetze. Auch ohne ausdrücklichen Ausschluß entfällt der Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs. 29

Vgl. WENZEL, a.a.O. S. 248.

30

BGHZ 13 S. 337.

330

H A N S SCHMIDT-OSTEN

e) Die Durchsetzung

des

Anspruchs

Der vergeblich, gemachte Anspruch kann im zivilrechtlichen Einstweiligen Verfügungverfahren durchgesetzt werden. Da es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist sachlich das Landgericht zuständig. Ein Hauptverfahren findet nicht statt. Mit dem Verfügungsverfahren ist die Sache erledigt. Eine negative Feststellungsklage, daß ein Gegendarstellungsanspruch nicht bestehe, hat der Bundesgerichtshof als unzulässig abgelehnt 31 .

Andere

Rechtsgebiete

Auf vielen Gebieten des öffentlichen und des privaten Rechts gelten die Vorschriften im wesentlichen sowohl für Zeitungen als auch für Zeitschriften. Um Wiederholungen zu vermeiden, darf insoweit auf die Darstellung im Abschnitt „Das Recht der Zeitschrift" verwiesen werden 32 .

LITERATUR

Allgemeines: DOVIFAT, E . : Zeitungslehre, 2 Bde. Berlin 1 9 6 7 . — GAMM, O . V.: Urheberrechtsgesetz, München 1 9 6 8 . — H U E C K - N I P P E R D E Y : Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2 Bde. Berlin 1 9 6 3 . — LÖFFLER, M.: Presserecht, 2 Bde. München 1 9 6 8 . — v. M A N G O L D T - K L E I N : Das Bonner Grundgesetz. Berlin 1 9 5 7 . — M A U N Z - D Ü R I G : Grundgesetz. München 1 9 5 8 . — N I K I S C H , A.: Arbeitsrecht, 2 Bde. Tübingen 1961. Einzelgebiete: CZAJKA, E . : Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, Stuttgart 1968. — EHMKE, H.: Freiheit in der Presse, Festvortrag, Der Journalist, 1969 Heft 6. — GIESSLER, R.: Uber das Verhältnis von Redakteur und Verleger im Zeitungsverlag, Festschrift für Rombach, Freiburg 1967. —• GROSS, R.: Die öffentliche Aufgabe der Presse und ihre Auswirkungen für das Zivil- und Strafrecht, Archiv für Presserecht, 1968 Nr. 74. — MALLMANN, W.: Pressefreiheit und Journalistenrecht, Publizistik, 1959 Heft 6. — N E U M A N N DUESBERG, H.: Meinungsäußerung in Tendenzbetrieben, N J W 1964 S . 1697. — R E I N O T S K I : Innere Pressefreiheit, Darmstadt 1968. — RIDDER, H.: Probleme der inneren Pressefreiheit, Festvortrag, Der Journalist 1962 Heft5. — S C H Ü T Z , W. J.: Die redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse, Publizistik, 1966 Heft 1. — W E N Z E L , K.: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Köln 1967.

31 Urteil vom 3 . 1 1 . 1 9 6 7 (VI ZR 6 5 / 6 6 ) ; vgl. zur Durchsetzung zu § 1 1 L P G und W E N Z E L , a.a.O. S. 2 6 9 ff. 32 Vgl.: Das Recht der Zeitschrift, S. 587 ff. dieses Bandes.

LÖFFLER,

a.a.O. Rdz.

147

ff.

Das Konzentrationsproblem im Zeitungswesen J O H A N N E S BINKOWSKI

Die moderne Wirtschaft trägt in sich die Tendenz zur Konzentration. Auch Pressebetriebe sind wirtschaftliche Unternehmen, die insofern der allgemeinen Richtung wirtschaftlicher Entwicklung folgen. Andererseits aber hat die Presse eigene, publizistische Aufgaben und Verpflichtungen, die mit dem Wirtschaftlichen nur lose zusammenhängen, aber doch auch von ihr getragen werden müssen. Deshalb hat die Konzentration im Pressewesen ihr besonderes Aussehen und verlangt ihre selbständigen Lösungen.

1. Z u m Begriff der Konzentration Der Technik wohnt der Zug zur Zentralisation inne. Man möchte möglichst von einer Schaltstelle aus alles in Gang setzen. Die Wirtschaft hat die frühere enge Bindung von Absatz und Erzeugung aufgelöst. Sie arbeitet heute für große, weitgestreute Märkte. Nicht die Produktion, sondern der Absatz bestimmt das Schicksal der Wirtschaft. Die Bevölkerung konzentriert sich gleichzeitig in Ballungsräumen, in denen sie leicht Arbeit und Entspannung findet, aber auch entsprechend wirtschaftlich bedient zu werden verlangt. Daraus ergibt sich: Der Schwerpunkt der Wirtschaft verschiebt sich vom Erzeuger zum Verbraucher. Seine Bedürfnisse und Wünsche werden bestimmend und können oft nur noch von Großunternehmen finanziell tragbar befriedigt werden. Der Wettbewerb reguliert daher nicht mehr alleine den Markt; sondern Faktoren, die jenseits des Wettbewerbs liegen, spielen eine wichtige Rolle. Der Begriff „Konzentration" entstammt der marxistischen Terminologie. Nach K A R L M A R X saugt die Akkumulation und Konzentration des Kapitals in Händen einer schrumpfenden Kapitalistenklasse die Kleinunternehmer auf1. In Wahrheit aber wird Konzentration nicht nur vom Kapital her in Gang gesetzt, sondern auch von anderen Seiten. Die Technik ist eine wichtige Ursache. Neue technische Methoden können oft nur in Großbetrieben durchgeführt werden. Wirtschaftliche und risikobedingte Anstöße zur Konzentration liegen etwa in der Kostendegres1

Vgl.

KARL M A R X :

Das Kapital. Werke, Bd. IV. Darmstadt 1962, S. 751 f.

332

JOHANNES BINKOWSKI

sion. Steuerliche Gründe sind ebenfalls vielfach Anlaß zur Konzentration. Aus marktbedingten Ursachen will ein Unternehmen Konkurrenz ausschalten, ein Monopol schaffen und alles unter eigene Kontrolle bekommen. Aus diesen Ursachen leiten sich die verschiedenen Formen der Konzentration her. Im Konzern werden Unternehmen durch Verflechtung der einzelnen Gliedunternehmungen zwecks einheitlicher Leitung zusammengefaßt. Die Interessengemeinschaft ist ein Zweckverband, der weitgehenden wirtschaftlichen Zusammenschluß der beteiligten Unternehmen gewährleistet (z. B. Patentgesellschaften). Das Kartell ist eine Vereinigung wirtschaftlich selbständig bleibender Unternehmen, um den Wettbewerb zu beschränken oder auszuschalten. Die Fusion verschmilzt verschiedene Unternehmen zu einem Einheitsunternehmen, wobei oft die alten Firmennamen erhalten bleiben. Vorteile der Konzentration liegen in der betrieblichen Rationalisierung und der Erhöhung der Rentabilität. Produktionstechnische Verbesserungen sind leichter möglich, was häufig zur Kostensenkung führt. Nachteile sind — allgemein gesprochen — die Vermachtung, d. h. die verstärkte Monopolisierung auf den Märkten und die damit verbundene Lähmung des Wettbewerbs. Die Abnehmer geraten in erhöhte Abhängigkeit vom Produzenten. Großbetriebe können unliebsame soziale Folgen haben; die großbetriebliche Organisation gibt dem einzelnen Mitarbeiter nur schwer die Möglichkeit, den Gesamtzusammenhang zu sehen. Man kann Konzentration abschließend definieren als Form der Sammlung, der Zusammenfassung und des Zusammenschlusses im Wirtschaftsleben, die eine Verdichtung von wirtschaftlichen Kategorien, das heißt also von darin wirksamen Kräften und Mächten zur Folge hat2.

2. Konzentration im P r e s s e w e s e n Zwischen Presseunternehmen und anderen Wirtschaftunternehmen gibt es Parallelen und Unterschiede, die sich auf die Konzentration auswirken. Zeitungsverlage müssen wie alle Wirtschaftsunternehmen Gewinne erzielen, soll das Unternehmen weitergeführt und ausgebaut werden. Andererseits aber ist die Zeitung nicht bloßer Wirtschaftsbetrieb, der seine Ware zu kalkulieren hat, sondern auch geistiger Ausdruck derer, die sie herstellen. Sie ist weiterhin politischer Faktor, der durch Information und Meinungsbildung am politischen Leben einen maßgebenden Anteil hat. Die bundesdeutsche Pressegesetzgebung liegt weitgehend bei den Ländern. Die Mehrzahl der Länderpressegesetze bringt einen § 3, der dem Sinne nach gleichlautend heißt: „Der redaktionelle Teil der 2 M Ü L L E R , H . J . : Konzentration. In: Staatslexikon. Hrsg. von der Görresgesellsdiaft. 5. Band. Freiburg 1960, S. 16.

DAS K O N Z E N T R A T I O N S P R O B L E M IM Z E I T U N G S W E S E N

333

Zeitung dient einer öffentlichen Aufgabe". Es ist dies eine Ergänzung und Deutung der im GG, Artikel 5 gewährleisteten Presse- und Zensurfreiheit 3 . Schließlich ist die Zeitung eine technische Leistung. Ihre Besonderheit aber liegt darin: Wirtschaft und Technik bleiben der Publizistik untergeordnet. Um ihretwillen haben Wirtschaft und Technik zu arbeiten und nicht umgekehrt. Die Einnahmen einer Zeitung — auch das ist ihre Eigenart — ruhen auf zwei Säulen, dem Verkauf und den Anzeigen. Je geringer die Auflage, um so geringer der Umfang der Anzeigen und umgekehrt. Ein beträchtlicher Unterschied zu anderen Wirtschaftsunternehmen liegt in der Relation zwischen Kosten und Preis. Der Preis für ein Wirtschaftsgut wird kalkuliert, indem Selbstkosten und Gemeinkosten errechnet werden. Aus der Summe beider Größen leitet sich der Preis her. Bei den Zeitungen decken die Preise in keiner Weise die Kosten, d. h. der Preis ist kein wirklicher Marktpreis. Auch darin unterscheidet sich die Presse von anderen Wirtschaftsbetrieben, daß bestimmte Erweiterungen des Umsatzes nicht immer zu einem Erfolg führen. Eine Umfangerweiterung z. B. kann ein Erfolg der Anzeigenwerbung sein, gleichzeitig aber ein Verlust für den Vertrieb, der für die seitenstarke Zeitung höhere Vertriebskosten aufwenden muß. Eine Vertriebserweiterung stellt einen Erfolg für den Vertrieb dar, nämlich ein höheres Abonnement, kann gleichzeitig aber ein Verlustgeschäft bei den Anzeigen bewirken, weil der relative Anzeigenpreis absinkt 4 . Soweit Presseunternehmen mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Wirtschaftsunternehmen handeln, unterliegen sie dem Zug zur Konzentration. Ob davon die publizistische Seite unmittelbar betroffen wird, kann nicht von vornherein mit Sicherheit gesagt werden. — Die Ursachen, die zu Konzentrationserscheinungen im Pressewesen führen, sind mannigfacher Art. An erster Stelle zu nennen ist der Strukturwandel der Presse überhaupt. Er beginnt schon mit dem Umfang. Der sogenannte Auswahlleser, der sich nur dieses oder jenes herauspickt, verlangt einen erweiterten Umfang. Es soll ihm vieles geboten werden. Die starke Bebilderung, der lebendigere Umbruch und die erhöhten Anforderungen an die redaktionellen Leistungen stellen die Presse vor schwierige finanzielle Probleme. Die optimale Betriebsgröße wächst. Neue publizistische Mittel (Medien) stellen neue Anforderungen an Aktualität, Druckqualität, schnellere Herstellung usw. Die relativen Vertriebs- und Anzeigenkosten nehmen mit steigender Auflage zu. Die steigenden Kosten sind der häufigste Grund für Konzentration oder Kooperation, aber nicht der einzige. Es kann auch sein, daß eine Zeitung geistiger Ausdruck von gestern ist und deshalb nicht mehr selbständig zu bestehen vermag. 5 Vgl. § 3 des „Modellentwurfes" für ein Pressegesetz. Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1956—59, S. 59 ff. Durchgeführt u. a. im Berliner Pressegesetz, Saarländischen Pressegesetz, Rhein-Pfälzischen Pressegesetz u. a. mehr. 4 Vgl. NUSSBERGER, U . : Probleme der Zeitung und Zeitschrift. Stuttgart 1 9 6 6 , S. 1 0 1 , sowie DOVIFAT, E.: Das Kostengesetz der Zeitung. In: Zeitungslehre II, S. 145 ff. 5. Aufl. 1967.

334

JOHANNES BINKOWSKI

Ihre Technik kann von vorgestern sein und mit technisch hervorragenden Zeitungen und Zeitschriften nicht konkurrieren. Auch Machtstreben als politischer Faktor kann zur Konzentration im Pressewesen führen5. Konzentration im engeren Sinne liegt immer dann vor, wenn der Stärkere den Schwächeren schluckt und nun allein die Richtung bestimmt. Der Schwächere gibt praktisch seine Selbständigkeit auf und besitzt kein Mitspracherecht. Dieser Fall ist auch dann gegeben, wenn das größere Unternehmen durch überproportionales Wachsen auf Kosten des kleineren zunimmt. Im weiteren Sinn ist Konzentration auch die sogenannte horizontale (Betriebe gleicher Produktionsstufe werden zusammengefaßt; derselbe Verlag gibt Illustrierte, Zeitschriften und Tageszeitungen heraus), die vertikale (Hugenberg-Konzern, der von der Rohstoffquelle bis zur fertigen Zeitung alles einschloß) und die diagonale (Wirtschaftsunternehmen beliebiger Art geben auch Zeitungen heraus). Von der Konzentration ist die Kooperation zu unterscheiden, in der die Selbständigkeit jedes einzelnen Unternehmens gewahrt bleibt. Die Selbständigkeit kostet etwas. Die Frage ist nur, wo die vertretbaren Grenzen liegen, wo also Kooperation zur Konzentration wird. Die Grenzen sind fließend. Eindeutige Bestimmungsmerkmale gibt es nicht. Wesentliches Element der Kooperation ist der Zusammenschluß Gleicher mit Gleichen. Jeder Kooperation liegt der Gedanke der Genossenschaft zugrunde. Das Mitspracherecht jedes einzelnen bleibt gewahrt, die verlegerische Verantwortung für die eigene Zeitung garantiert". Als Formen der Kooperation sind zu erwähnen: Redaktionsgemeinschait, Anzeigengemeinschaft und technische Gemeinschaft etwa durch gemeinsamen Drude. Dazu kommen verschiedene Kombinationen dieser Formen. Es ist weiterhin möglich, sich auf Teilgebieten redaktionell zusammenzuschließen, etwa auf dem Gebiet der Unterhaltung, der Sportseite usw. Man kann auch z. B. die Nachrichten gemeinsam bearbeiten und die Meinungen von den einzelnen Zeitungen behandeln lassen. In Kooperationen herrscht im allgemeinen eine demokratische Ordnung, Ein Redaktionsausschuß aus den beteiligten Verlegern legt die Grundlinie der Politik fest, achtet darauf, daß sie eingehalten wird, und wirkt bei der Bestellung des Chefredakteurs und der entscheidenden Redakteure mit.

3. Lösungsmöglichkeiten Konzentration im Pressewesen scheint deshalb so gravierend zu sein, weil durch das Verschwinden selbständiger Zeitungen und das Abnehmen redaktio5 Man erwäge die Konzentration der Anzeigen- und Maternlieferungen an die um 1930 sehr zahlreiche kleine und bedürftige Presse durch den Hugenbergkonzern, die zu einem großen Teil die Folge hatte, daß die so durch einen Konzern belieferten Zeitungen vom bürgerlichen Nationalismus zum Hitlerschen Totalitarismus kamen. V g l . DIETRICH, V.: Alfred Hugenberg, ein Manager der Publizistik. Berlin Diss. 1960. 6 Vgl. hierzu den Beitrag „Typologie der Zeitung" S. 153 ff. dieses Bandes.

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

335

neller Einheiten die Gefahr des Meinungsmonopols wächst. Die Zahl der selbständigen publizistischen Einheiten hat sich von 225 im Dezember 1954 auf 154 im Februar 1968 verringert7. So beachtlich dieser Rüdegang ist, so bleibt doch zu vermerken, daß sich die Verringerung der Zeitungseinheiten fast ausschließlich auf Verkaufsauflagen bis zu 40 000 beschränkt. Die Zahl der Zeitungen mit Auflagen über 40 000 hat sich praktisch nicht verändert8. Gerade die Zeitungen mit kleinerer Auflage bringen aber weniger meinungsbildende Artikel, so daß durch die bisherige Konzentration die Gefahr eines Meinungsmonopols noch nicht ohne weiteres gegeben ist. Ein großer Teil der Leser erhält vielmehr durch Zusammenschlüsse Zeitungen mit lebhaftem Meinungsteil®. Das Verschwinden der kleineren Zeitungen führt häufig zu einer Konzentration im regionalen und lokalen Bereich. So gab es in der Bundesrepublik 1966 rund 130 Stadt- und Landkreise mit nur einer Lokalzeitung. Manche Orte tragen effektiv wirtschaftlich nur eine einzige Zeitung. Sie würde ihre Alleinstellung jedoch erst dann mißbrauchen, wenn sie nicht sachlich berichten würde, bestimmte Gruppen nicht zu Worte kommen ließe und sich vor notwendiger Kritik scheute10. Hat Konzentration notwendig Meinungsmonopole zur Folge? In dem „Gellecht dei Massenkommunikation" nimmt der Bürger an dem gemeinsamen Markt der Medien teil11. Wenn auch Presse, Hörfunk und Fernsehen unterschiedliche Funktionen haben, so liegt doch zwischen ihnen Komplementarität vor, d. h. die verschiedenen publizistischen Mittel ergänzen sich gegenseitig12. Hinzu kommt die meinungsbildende Funktion der Zeitschriiten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Prozeß der Meinungsbildung nicht monokausal verläuft, sondern in mehreren Phasen13 und daß die grundlegenden Meinungen überwiegend in Primärgruppen entstehen14. Deshalb ist die These falsch, daß zwischen wirtschaftlicher Konzentration und publizistischer Monopolisierung ein notwendiger Zusammenhang besteht15. 7 Stellungnahme der Bundesregierung zum Schlußbericht der Pressekommission — Drucksache V/3122 — Drudcsadie 3856, Ziffer 3, Anm. 1. Ein Auszug dieser Stellungnahme ist im Anhang dieses Beitrags S. 342 f. gegeben. 8 NOELLE-NEUMANN, E.: Pressekonzentration und Meinungsbildung. In: Publizistik, 13. Jahrg. 1968. Heft 2/3/4, S. 107 f. • Ebenda S. 111. 10 Ebenda S. 113. 11 GLOTZ, P. und W. R. LANGENBUCHER: Monopol und Kommunikation. In: Publizistik, 13. Jahrg. 1968, Nr. 2/3/4, S. 158. 12 Ebenda S. 155. über die ergänzende Rolle der publizistischen Mittel untereinander vgl. auch die Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk, Femsehen und Film (sogenannte Michel-Kommission). B. T. Drucksache V/2120. Ergebnisse im Anhang kurz zusammengefaßt. 13 14

15

NOELLE-NEUMANN, E.: a.a.O., S. 165. GLOTZ, P. u n d W . R. LANGENBUCHER: a . a . O . , S. 167.

Ebenda S. 167.

336

JOHANNES B I N K O W S K I

Weil diese Tatsachen zu wenig bekannt sind, werden von vielen Seiten immer neue Vorschläge gemacht, die darauf hinauslaufen, die Meinungsvielfalt durch Erschweren der wirtschaftlichen Konzentrationsbewegung zu erhalten. Dabei werden allerdings häufig zwei Faktoren übersehen, daß nämlich aus wirtschaftlicher Konzentration nicht notwendig ein Meinungsmonopol folgt und daß zweitens publizistische Absicherung wirtschaftliche Entwicklungen nicht tangieren muß. Getrennt vom Verlag arbeitende Redaktionen können den eventuellen wirtschaftlichen Abstieg oder gar Ruin nicht aufhalten. Die Zeitung als publizistisch-wirtschaftlich-tedinisdie Einheit braucht das ausgeglichene Miteinander aller drei Faktoren. Sobald sich eines absolut setzt, ist die Existenz der Zeitung gefährdet. Der weitestgehende Vorschlag zur Verhinderung der Konzentration als Ursache des Meinungsmonopols ist die Vergesellschaftung der privatwirtschaftlich betriebenen Zeitungsunternehmen oder deren Umwandlung in Stiftungen 18 . Das Sachverständigengutachten der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für publizistische Arbeit vom 15.11.1968 schlägt vor 17 , Zeitungsunternehmen, die eine bestimmte Grenze überschreiten, dem bestimmenden Einfluß des Verlegers zu entziehen. Selbst wenn man die verfassungsrechtlichen Bedenken beiseite schieben wollte, wie es das Sachverständigengutachten tut18, so wäre damit doch noch nichts Entscheidendes geschehen. Es würde lediglich an die Stelle des oder der verantwortlichen Privatpersonen als Verleger eine Mehrheit treten. Wenn gleichzeitig eine Änderung der bisherigen publizistischen Leistung eintreten sollte, so wäre noch längst nicht ausgemacht, ob die Leser diesen Wandel mitmachen würden. Denn die freie Entscheidung des Lesers ist ein Element der Presse- und Informationsfreiheit und kann nicht, wie das Sachverständigengutachten behauptet 19 , als Grundentscheidung in einer rechtsstaatlichen Demokratie dieser Abstimmung entzogen sein. In ähnliche Richtung zielt der Vorschlag der Pressekommission, Marktanteile

16

Vgl. DIRCKS, W . : Die V e r a n t w o r t u n g der Meinungsbildner. In: HÜBNER, P.: Informa-

tion oder Herrschen die Souffleure? Hamburg 1964, S. 43. Der Verfasser schlägt eine Art gesamtdemokratisches Verhalten vor: einen aus der Freiheit entwickelten Willen zu bestimmten Bindungen. Gedacht ist dabei an eine demokratisch kontrollierte Publizistik nach Art der Senderverfassungen im deutschen Rundfunk. Viel erörtert wird auch die auf Besitzbeteiligung beruhende Lenkungsorganisation durch die Redakteure, wie sie z. B. in der französischen Zeitung „Le Monde" durchgeführt und in anderen französischen Blättern durch Gründung von sogenannten „Sociétés de Presse à Lucrative té et à Participation des Journalistes" eingeleitet sind. Vgl. dazu: SCHWOEBEL, J.: La Presse et le Pouvoir et rArgent. Paris 1968. 17 Sachverständigengutachten der Kammer der Evangelischen Kirdie in Deutschland für publizistische Arbeit vom 15.11.1968. „Gesellschaft und öffentliche Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland, Hannover—Herrenhausen." Ziffer 262. — Vgl. dazu auch LÜPSEN, F.: Die Presse-Konzentration im Widerstreit der Meinungen. In: Lutherische Monatshefte. 8. Jahrg. 1969, S. 82. 1 8 Sachverständigengutachten der Evangelischen Kirdie, Ziffer 20. " Sachverständigengutachten der Evangelischen Kirche, Ziffer 22.

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

337

von Presseuntemehmen auf bestimmte Prozentsätze zu begrenzen 20 . So wird bei einem Anteil eines Presseunternehmens von 40 Prozent der Gesamtauflage der Tages- und Sonntagszeitungen oder der Publikumszeitschriften eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit statuiert, bei einem Anteil von 20 Prozent eine Gefährdung. Abgesehen von der Willkürlichkeit dieser Grenzziehung wären eingreifende Maßnahmen des Staates mit Art. 5 GG nicht zu vereinbaren. Schließlich aber wäre die Begrenzung von Marktanteilen kein Beitrag zur Lösung des Konzentrationsproblems. Denn in einem privat- und marktwirtschaftlich organisierten Pressewesen wird der Wandlungsprozeß entscheidend von den Entwicklungen auf den verschiedenen wettbewerbsrelevanten Teilmärkten beeinflußt21. Der Deutsche Presserat ist in seiner Sitzung vom 19./20. September 1968 daher mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, daß in dem von der Pressekommission vorgeschlagenen System zur Begrenzung der Marktanteile von Großverlagen kein adäquates Mittel gesehen wird, die Pressefreiheit zu sichern. Auch die von der Pressekommission empfohlene Schaffung von Marktgegengewichten, sei es durch kredit- und steuerpolitische Maßnahmen zur Förderung kleiner und mittlerer Presseunternehmen, sei es durch Gewährung von Zuschüssen und Krediten für die Neugründung von Publikationsorganen 22 , ist kein zuverlässiges Mittel gegen den Konzentrationsvorgang. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Staat durch Bewilligung bestimmter Mittel einen unzulässigen Einfluß auf die Bildung der öffentlichen Meinung ausübt. Schon die Androhung, die Mittel zu sperren, hätte Pressionen zur Folge. Eine Genehmigungspflicht für Fusionen von Unternehmen bestimmter Größe23 mag verfassungsrechtlich unbedenklich sein, könnte jedoch höchstens aufschiebend wirken, wirtschaftliche Zusammenschlüsse aber nicht verhindern. Wenn es nur die Alternative Fusion oder wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Unternehmens gibt, kann die Genehmigung zur Vereinigung nicht versagt werden. Denn niemand kann zu seinem wirtschaftlichen Ruin gezwungen werden. Andere Vorschläge laufen darauf hinaus, die Zeitungseinheit aufzusplittern und dem privatrechtlichen Verleger nur noch wirtschaftliche Entscheidungsvollmacht zu überlassen. In diese Richtung zielt etwa der „Entwurf eines Bundes-Presserahmengesetzes für Zeitungen und Zeitschriften" der IG Druck und Papier24, der 20 Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland (sogenannte Günther-Kommission). B. T. Drucksache V/3122 vom 3. Juli 1968 (s. unter „Konzentrationshemmende Maßnahmen"). Eine Zusammenfassung des Inhaltes befindet sich am Ende dieses Beitrages. 21 Stellungnahme der Bundesregierung. A.a.O., Ziffer 22. 22 Schlußbericht der Pressekommission „Konzentrationshemmende Maßnahmen" a.a.O. 23 Evangelische Denkschrift („Gesellschaft und öffentliche Kommunikation") a.a.O., Ziffer 26 b. Der in England geschaffene Apparat fand praktisch kaum Anwendung und blieb zum Beispiel bei der Fusionierung der TIMES mit dem Thomsen-Konzern wirkungslos. 84 Stuttgart 1968.

22

Publizistik III

338

JOHANNES BINKOWSKI

„eine säuberliche Trennung zwischen publizistischem und wirtschaftlichem Interesse" fordert und außerdem noch unabhängige Presseausschüsse mit Exekutivgewalt auf Länderebene vorsieht. Ihr Auftrag wäre es, die Vielfalt der Presseund Meinungsfreiheit zu überwachen und Maßnahmen durchzuführen, die ihnen notwendig erscheinen. Noch weiter geht P E T E R G L O T Z mit seinem Entwurf für ein „Gesetz gegen den Mißbrauch der Pressefreiheit" (Pressefreiheitsgesetz) 25 . Es soll zwar nur für marktbeherrschende Zeitungen gelten, verlangt aber doch Presseausschüsse, die nicht nur die marktbeherrschenden Unternehmen kontrollieren, sondern auch alle Presseangelegenheiten erörtern sollen. Wie die Rundfunkräte hätten sie als Kontrollinstanz darüber zu wachen, daß marktbeherrschende Zeitungen auch in Land- und Stadtkreisen ausgewogen über die Auffassungen der gesellschaftlich relevanten Kräfte berichten und den politischen Parteien angemessenen Raum zur Verfügung stellen. Diese Vorstellungen hat der deutsche Presserat am 29. 11. 68 mit der Begründung abgelehnt, daß derartige auf dirigistischen Vorstellungen beruhende Kontrollinstanzen große Gefahren für die Unabhängigkeit der Verleger und Journalisten, also der Presse, in sich bergen. H E I N Z S T A R K U L L A plädiert dafür, die demokratisch notwendige Vielfalt der politischen Richtungen auch in der Presse zu Wort kommen zu lassen und deshalb in monopolartigen Gebilden durch demokratische Kontrolle den publizistischen Vorschlägen und Forderungen in Nachricht und Meinung freies Wirken zu ermöglichen29. „Kommunikative Vermittlung des individuellen und kollektiven Redens und Beredens und seine öffentliche Präsentation" 27 sei am besten zu gewährleisten durch „gesellschaftliche Beiräte". Die Problematik beginnt wie bereits bei den von IG Druck und Papier und Glotz vorgeschlagenen Presse-Ausschüssen mit der Festsetzung, w e r in diese Beiräte oder Ausschüsse gehört. Die Bestimmung gesellschaftlich relevanter Gruppen ist abhängig von der jeweiligen Wertvorstellung und leicht der Willkür, ideologischen Konstruktionen oder einseitigen Machtsprüchen unterworfen. Die Offenheit des Journalisten für Probleme seiner Leser ist ein größerer Garant für die Offenheit der Zeitung als derartige Hilfskonstruktionen, hinter denen sich der schöpferische, freie Mensch verstecken kann oder auch überhaupt nicht zu Worte kommt 28 .

Was ist praktisch gegen gefährliche Konzentrationserscheinungen, die zu Meinungsmonopolen führen können, zu tun? Wir werden uns zunächst damit abzufinden haben, daß der Konzentrationsprozeß noch längst nicht abgeschlossen ist, die Tendenz zum kapitalintensiven Großbetrieb wird weiter wachsen 29 . Dieser 25

Enthalten in: G L O T Z , P. U. W . R . LANGENBUCHER: Der mißachtete Leser — Eine Kritik der deutschen Presse. Köln 1969. 26 STARKULLA, H.:Presse, Fernsehen und Demokratie und der Wettbewerb der Medien als kommunikationspolitisches Problem. In: Publizistik, 10. Jahrg. 1965, S. 832 ff. Siehe auch Handbuch, Bd. I, S. 288. 27 Ebenda S. 384. 28 BINKOWSKI, J.: Kommunikations-Ideologie und Publizistik. In: Publizistik, 11. Jg., S. 10. 18 Stellungnahme der Bundesregierung zum Kommunikationsgutachten a.a.O., Ziffer 7. 3. (Siehe Anhang.)

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

339

Entwicklung kann man sich kaum entgegenstellen. Vergleichbare Staaten wie Großbritannien hatten 1966 rund 90 regionale Tageszeitungen, Frankreich 1957 nicht mehr als 11430. Dies sind Anhaltspunkte auch für die Bundesrepublik. Mögliche Maßnahmen, die konzentrationshemmend wirken können, sind sowohl von Seiten des Staates als auch der Presse selbst denkbar. Dazu gehört die Einschränkung von überspitzten Wettbewerbsmaßnahmen, die zu wirtschaftlicher Vernichtung kleiner Unternehmen führen. Es sollte gelingen, Wettbewerbsregeln im Sinne der §§ 28 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für verbindlich zu erklären. Wiederholt hat sich der „Deutsche Presserat" gegen heftige Wettbewerbsmaßnahmen der Verleger untereinander gewandt, die mehrfach bis zur Zwangsfusionierung führten 31 . lnvestionshillen für kleine und mittlere Presseunternehmen könnte diesen die Modernisierung und Rationalisierung ihrer Betriebe erleichtern, so daß sie dem Wettbewerb von Großunternehmen standhalten. Kredithilfen mit verbilligtem Zinssatz könnten dieselbe Wirkung haben. Gleiches gilt von gezielten Steuermaßnahmen für Vertriebs- und Anzeigenerlöse und für eine Senkung der Postgebühren. Derartige Maßnahmen würden die Presseunternehmen wirtschaftlich widerstandsfähig machen und der Tendenz zur Konzentration entgegenwirken. Zu jenen Maßnahmen, die zur Selbsthilfe gehören, zählt vor allem der wirtschaftlich und publizistisch zu verantwortende genossenschaftliche Zusammenschluß, der ohne Aufgabe der Eigenständigkeit dort zur Kooperation kommt, wo es notwendig ist, um die eigene Leistung zu steigern. Vielfalt in den Zeitungen kann gefährliche Folgen der Konzentration eindämmen. Voraussetzung hierfür ist Offenheit und Sachgerechtigkeit der Verleger und Journalisten, die vornehmlich durch eine gediegene Ausbildung gewährleistet ist, und ein vernünftiges Verhältnis zwischen Verlegern und Redakteuren, das in freier Vereinbarung am besten geregelt wird, aber ebenso auch Tarifvertragsregelungen zur Voraussetzung hat. Es geht um die größtmögliche Sicherung der Arbeit des — rechtlich verantwortlichen — Redakteurs („innere Freiheit" der Redakteure), insbesondere in seinem Gesinnungscharakter. Schriftliche Vereinbarungen der einzuschlagenden Richtung, Existenzsicherung im Falle des Verkaufs oder der Richtungsänderung sind vertraglich geregelt, bedürfen aber weitgehend persönlicher Sicherungen, da Redakteure und Verleger das gemeinsame Werk der Zeitung schaffen. Eine Selbstkontrolle der Presse, wie sie im Deutschen Presserat verwirklicht ist, kann zwar eine Exekutivgewalt nicht in Anspruch nehmen, was schon nach Artikel 5 GG nicht möglich wäre, bleibt aber frei von jeglicher staatlicher Einwirkung. Zur Einflußnahme verfügt der Presserat — genau wie in England — nur über sein moralisches Gewicht. Da zu seinen Aufgaben auch die Beobachtung der Pressestruktur gehört, kann er überall dort, wo die Meinungsfreiheit durch Kon30

31

22'

NOELLE-NEUMANN, E . : a . a . O . , S . 1 1 7 .

Bericht des Presserates. ZV+ZV, Nr. 20/1967.

JOHANNES BINKOWSKI

340

zentration gefährdet ist, seine Stimme erheben und so auf freiwilliger Basis jene Funktion erfüllen, die viele dem Staat oder der Gesellschaft

überantworten

möchten. V o n besonderer Bedeutung sind daher die presserechtlichen

Maßnahmen,

die

der Deutsche Presserat wiederholt und jüngst auch die Pressekommission vorgeschlagen haben. Sie fordern in allen Länderpressegesetzen Bestimmungen, die die Offenlegung

einschließlich der Konzernverflechtungen zur

der Besitzverhältnisse,

Pflicht machen, ebenso auch die Kennzeichnung der von anderen Zeitungen übernommenen Zeitungsinhalte (Maternsysteme). Das Konzentrationsproblem der Presse ist vielschichtig. Deswegen können alle Versuche, durch einseitige

Lösungen

der Entwicklung Einhalt zu gebieten, keine

brauchbaren Ergebnisse zeitigen. Die der Presse immanente Spannung zwischen geistigen, wirtschaftlichen und technischen Faktoren, die geradezu ihr W e s e n ausmacht, würde durch rigorose Trennung der einzelnen Elemente zwar beseitigt werden können, mit ihr würde aber zugleich die Presse als freies publizistisches Mittel der Information und Kommunikation verschwinden. Der vorgegebene Zusammenhang wirtschaftlicher Macht und geistigen Einflusses darf nicht durch falsche Alternativen beeinträchtigt werden. Er muß durch andere Mittel vor dem Abgleiten in eine gefährliche Gegnerschaft bewahrt werden. Der Konzentrationsprozeß ist in dieser Sicht nur einer jener Punkte, die eine Bedrohung der Pressefreiheit zur Folge haben können. Deshalb ist es notwendig, die Entwicklung nüchtern und mit Sachverstand zu betrachten, damit weder die Gefahrenmarke überschritten wird, noch durch falschen Alarm falsche Konsequenzen gezogen werden.

Anhang: Gutachten und Stellungnahme z u m Konzentrationsproblem 1. Kommission

zur Untersuchung

und Fernsehen

der Wettbewerbsgleichheit

von Presse,

Funk

(sog. MicHEL-Kommission) (BT Drucksache, V/2120)

Der Bericht umfaßt 242 S. und 159 S. Anlagen. Die Ergebnisse

der Untersuchung

der Kommission lassen sich, w i e folgt, zu-

sammenfassen: Rundfunk und Presse ergänzen sich publizistisch. Auch auf dem W e r b e m a r k t bestehen nur lockere Wettbewerbsbeziehungen. Die wirtschaftlichen Probleme der Presse sind w e d e r durch die Entwicklung des Fernsehens noch durch das Werbefernsehen erklärbar. Ihre Lösung sollte nicht mit der Gestaltung der Rundfunkverfassung verbunden werden. Der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung wird v o n den V e r l e g e r n zu Unrecht erhoben. Gegenüber dem intramediären W e t t b e w e r b tritt der intermediäre W e t t b e w e r b zurück. Ein Verlegerfernsehen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig. Ungerechtfertigte steuerliche Privilegien der Rundfunkanstalten bestehen nicht. Der Vorschlag der Kommission, das Werbefernsehen in eine Stiftung umzuwandeln, würde bei seiner Realisierung Konsequenzen für die Gebührenpolitik des Rundfunks haben. Stellungnahme der Bundesregierung: In einer Stellungnahme v o m 9. M a i 1968 (BTDrucksache zu V/2120) zum Bericht der Kommission ist die Bundesregierung den Feststellungen der Kommission beigetreten und hat ihren Schlußfolgerungen weitgehend zugestimmt.

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

2.

Kommission

zur Untersuchung

von Presseunternehmen

der Gefährdung

der wirtschaftlichen

341 Existenz

und die Folgen der Konzentration für die Meinungs-

freiheit in der Bundesrepublik.

Pressekommission

(sogenannte

„ GÜNTHER -

Kommission"). (BT-Drucksache V/3122) In den wichtigsten Punkten führt die Kommission u. a. aus: Die Pressekommission kann nach dem bisherigen Stand ihrer Erkenntnisse nicht die Feststellung treffen, daß die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland schon jetzt beeinträchtigt ist. Die Pressefreiheit ist jedoch durch die bisherige Entwicklung, die sich ohne Gegenmaßnahmen voraussichtlich fortsetzen wird, bedroht. . . . Ohne Gegenmaßnahmen wird die Konzentration in absehbarer Zeit ein unerträgliches Maß erreicht haben. . . . Zum Schutze der Freiheit der Presse sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich. Bloße Appelle an die Einsicht der Beteiligten vermögen nicht den eigendynamischen Prozeß der Konzentration aufzuhalten. Derartige in die Struktur des Pressewesens eingreifende Maßnahmen sollten mit zwei Gruppen andersartiger Vorschläge verknüpft werden. Erstens sollten Einzeiunternehmen in wirtschaftlich-finanzieller Hinsicht gestärkt werden. . . . Zweitens sollten Maßnahmen getroffen werden, durch die Marktgegengewichte gegen die bestehende Konzentration gefördert werden können . . . a) Die Konzentration im deutschen Pressewesen hat auf vielen Gebieten einen hohen Grad erreicht. Sie wird weiter fortschreiten und es muß befürchtet werden, daß sie ein Maß erreicht, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Struktur der deutschen Presse zuwiderläuft. Die Pressekommission hält es daher für erforderlich, die Höchstgrenze der Marktanteile von Presseunternehmen wie folgt festzulegen: aa) Die Gefährdung der Presselreiheit, wie sie in einer Vielfalt von Tages- und Sonntagszeitungen ihren Ausdruck findet, beginnt bei einem Marktanteil eines Presseunternehmens von 20 Prozent an der Gesamtauflage dieser Presseorgane. Die unmittelbare Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist nach Auffassung der Pressekommission bei einem Marktanteil von 40 °/o an Tages- und Sonntagszeitungen erreicht. bb) Die Gefährdung der Pressefreiheit, wie sie in einer Vielfalt von Pubiikumszeitschrilten ihren Ausdruck findet, beginnt bei einem Marktanteil eines Presseunternehmens von 20°/o an der Gesamtauflage dieser Presseerzeugnisse. Die unmittelbare Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist nach Auffassung der Pressekommission bei einem Marktanteil von 40 °/o an Publikumszeitschriften erreicht, cc) Gibt ein Presseunternehmen gleichzeitig Tages- und Sonntagszeitungen und Publikumszeitschriften heraus und erreicht dieses Presseunternehmen auf einem der beiden Sektoren einen Marktanteil von 20°/o, sieht die Pressekommission die Gefährdung der Pressefreiheit auf dem anderen Sektor bei einem Marktanteil von 10 °/o als gegeben an. Erreicht ein Presseunternehmen auf einem der beiden Sektoren einen Marktanteil von 40 Prozent, tritt die unmittelbare Beeinträchtigung der Pressefreiheit nach Auffassung der Pressekommission auf dem anderen Sektor bei einem Marktanteil von 15 °/o ein. b) Der Bundesregierung wird vorgeschlagen, dem Deutschen Bundestag fortlaufend über die Lage und Entwicklung der deutschen Presse zu berichten . . . c) Den Ländern wird empfohlen, die Landespressegesetze entsprechend der für die Länder Bayern und Hessen geltenden Regelung dahingehend zu ergänzen, daß für die Eigentumsverhältnisse an den Publikumsorganen eine Offenlegungspflicht besteht, und eine Kenntlichmachung des von anderen Zeitungen übernommenen Zeitungsinhaltes (Matern). d) Die derzeitige Struktur der deutschen Tagespresse weist starke Größenunterschiede auf. Die Bundesregierung sollte daher nicht nur Maßnahmen ergreifen, um die Konzentrationsbewegung aufzuhalten, sondern auch solche, die geeignet sind, leistungsund wettbewerbsfähige Unternehmen als Marktgegengewichte entstehen zu lassen. Für diesen Zweck wird es sich nicht vermeiden lassen, einzelne Verlagsunternehmen in ihrem Wachstum zu begünstigen. Dies könnte durch gezielte Kredite zum Aufbau leistungsfähiger Betriebe, durch Vergabe öffentlicher Aufträge an solche Unternehmen und gegebenenfalls durch verlorene Zuschüsse für Neugründungen von Publikationsorganen geschehen.

J O H A N N E S BINKOWSKI

e) Die Bundesregierung sollte durch finanzielle Maßnahmen vor allem kleine und mittlere Verlage stützen, Investitionsrücklagen und Kreditbürgschaften sind daher namentlich für kleine und mittlere Verlage notwendig. Auch die Postgebühren sollten überprüft werden. Hinsichtlich der Mehrwertsteuer schlägt die Pressekommission für die Anzeigenerlöse erneut eine Senkung auf 5 % vor. Es sollte jedoch der von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Empfehlungen der Pressekommission gemachte Vorschlag von Investitionsprämien alsbald verwirklicht werden. . .. f) . . . Es ist daher nochmals an alle Beteiligten zu appellieren, durch an sich legale, jedoch überspitzte Wettbewerbsmaßnahmen nicht den Bestand und die Vielfalt des deutschen Pressewesens zu gefährden. In diesem Zusammenhang wird in Übereinstimmung mit der Bundesregierung der Eintragung von Wettbewerbsregeln nach § 28 GWB große Bedeutung beigemessen. . . . Die Pressekommission empfiehlt weiterhin die Gründung eines Kuratoriums für Zeitungstechnik und Zeitungswirtschaft. . .. g) Für die Erhaltung der Pressefreiheit in der Bundesrepublik ist ein fachlich gut ausgebildeter und in seinen wirtschaftlichen Grundlagen gesicherter Journalistenstand unerläßlich. Im Vordergrund hat die Erhaltung der Arbeitsmöglichkeiten zu stehen. Diesem Ziel sollen auch die für die Presseunternehmen vorgeschlagenen Maßnahmen dienen, denn es ist ein erklärtes Ziel dieser Maßnahmen, selbständige redaktionelle Einheiten zu erhalten. Berufsverbände der Verleger und Journalisten sollen Abkommen über die notwendige Zusammenarbeit zwischen Verleger und Redaktion schließen (Basis: Tarifvertragspräambel von 1926 und LPrGesetze). Der Deutsche Presserat soll dabei mitberaten. Falls Vereinbarungen zwischen Verlegern und Journalisten scheitern, muß eine entsprechende Regelung durch Journalistengesetze getroffen werden. Einhergehen mit der Sicherung des Arbeitsplatzes sollten Maßnahmen, die die arbeitsrechtliche Seite betreffen. Die Pressekommission appelliert deshalb an die Tarifpartner, den Manteltarifvertrag für die Redakteure mit dem Ziel einer größeren Sicherstellung der Redakteure im Falle der Veräußerung oder der Einstellung einer Zeitung zu verbessern. . . . Unabhängig davon sollte zur Sicherung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung jener älteren Journalisten, die durch Konzentrationsvorgänge ihre Beschäftigung verlieren, von den Berufsverbänden der Presse ein Härtefonds beim Versorgungswerk der Presse GmbH, in der Form einer rechtsfähigen Stiftung errichtet werden. Den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern, den Rundfunkanstalten und den Journalisten soll nahegelegt werden, eine Verbesserung des beruflichen Ausbildungsstandes der Journalisten anzustreben.

Stellungnahme der Bundesregierung Drucksache V/3856) In dem Bericht heißt es u. a.:

zum Bericht der Pressekommission

(BT-

Das Angebot an allgemeinen politischen Informationen und Kommentaren in Presse, Hörfunk und Fernsehen hat sich in den letzten Jahren ständig erhöht. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß Presse- und Meinungsfreiheit auch für die absehbare Zusind. Die Bundesregierung bestreitet zwar nicht Konzentrationskunft gewährleistet erscheinungen in Richtung auf beherrschende Marktpositionen, besonders bei bestimmten lokalen und regionalen Abonnementszeitungen, bei überregionalen Straßenverkaufszeitungen und aktuellen Sonntagszeitungen, sie unterstreicht jedoch, daß nur in Teilbereichen die Funktionsfähigkeit der Presse möglicherweise beeinträchtigt sei. Die Freiheit der Bildung der öffentlichen Meinung ist nach ihrer Auffassung nicht gefährdet. Dabei weist die Stellungnahme ausdrücklich auf das konkurrierende Informationsangebot von Hörfunk und Fernsehen hin. Auch im Lokalbereich könne man noch nicht von einer Gefährdung der Meinungsfreiheit sprechen, da in den Gebieten, in denen nur eine Zeitung erscheine, die Lokalpolitik in der Regel recht transparent sei. Die Abnahme der Zahl selbständiger redaktioneller Einheiten begründe noch nicht eine Verpflichtung des Staates zum Tätigwerden um der Pressefreiheit willen. Es könne noch nicht die Rede davon sein, daß die Zahl selbständiger Redaktionen unter das Mindestmaß abgesunken sei, das für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Presse notwendig erscheint. Die Bundesregierung betont, daß mit einem weiteren Rückgang der Zahl selbständiger redaktioneller Einheiten zu rechnen sei. Gleichzeitig aber werde eine

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

343

Kompensation im Sinne der Bildung der öffentlichen Meinung durch andere Informationsmittel gegeben. Die Bundesregierung spricht sich strikt gegen eine Marktanteilsbegrenzung aus und wendet sich gegen die von der Pressekommission hier entwickelten Vorstellungen. Sie weist dabei auf den unterschiedlichen, meinungsbildenden Einfluß der einzelnen Zeitungen und Zeitschriften hin und betont, man könne nicht einfach die Auflagenhöhe als Kriterium nehmen. In ihrer Stellungnahme kündigt die Bundesregierung weiter an, daß künftig in jeder Legislaturperiode ein Bericht über die Situation von Presse und Funk gegeben werden soll. Außerdem wird das Statistische Bundesamt jährlich eine Pressestatistik veröffentlichen. Geeignete Institute und freie Wissenschaftler sollen darüber hinaus mit weiteren Untersuchungen des ganzen Problems „Vielfalt der Presse" und deren Erhaltung beauftragt werden. Die Bundesregierung will sich dabei der Mitarbeit des Deutschen Presserates versichern. Bejaht wird von der Bundesregierung die Anregung, im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes von 1949 Zeitungen und Zeitschriften zur Oiienlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse im Impressum zu zwingen. Außerdem sollen regelmäßig Verleger und verantwortliche Redakteure von Maternseiten bei Gemeinschaftsredaktionen angegeben werden. Eine gezielte Förderung von Zeitungsneugründungen als Marktgegengewichte wird in der Stellungnahme der Bundesregierung abgelehnt. Hingegen spricht sich die Bundesregierung für eine kredit- und steuerpolitische Förderung mittlerer und kleinerer Presseunternehmen aus. Es wird eine Investitionszulage angestrebt. Außerdem weist die Bundesregierung auf die Kredithilfe aus dem ERP-Sondervermögen von jeweils 20 Millionen DM in den Jahren 1968 und 1969 hin. Eine generelle Senkung der Fernsprech- und Telex-Gebühren und der Gebühren im Postzeitungsdienst lehnt die Bundesregierung ab. Sie erwägt jedoch eine Senkung der Gebühren von Standleitungen, die ausschließlich der Nachrichtenübermittlung für die Presse dienen. In der Stellungnahme setzt sie sich weiter für die Eintragung von Wettbewerbsregeln durch die Zeitungs- und Zeitschrittenverleger ein und kündigt an, daß sie gesetzliche Regelungen erwägt, wenn dieser Schritt nicht ausreicht, um einen Mißbrauch der Marktmacht zu unterbinden. Die Verbände der Journalisten und Verleger — auch der Zeitschriftenverleger — werden aufgefordert, gemeinsam das Problem des Verhältnisses von Redaktion und Verlag sowie der Aus- und Fortbildung und der sozialen Sicherheit der Journalisten zu regeln. Sollte es zu keinen befriedigenden Vereinbarungen kommen, will die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung ins Auge fassen. Sie will auch ferner die Aus- und Fortbildung von Journalisten finanziell unterstützen. Wichtig ist es nach Auffassung der Bundesregierung, den Journalisten den ungehinderten Wechsel zwischen den publizistischen Mitteln zu ermöglichen und zu diesem Zweck das „Versorgungswerk der Presse" in eine zusätzliche Mitarbeiteraltersversorgung für alle Massenmedien auszubauen. Sehr kritisch setzt sich die Bundesregierung mit den von der Pressekommission verwandten statistischen Daten auseinander, sowohl gegen sie selbst, wie gegen deren Auslegung. Ebenso wie die Untersuchungsberichte hat auch die Stellungnahme der Bundesregierung neue Kritik ausgelöst, so daß noch eingehende weitere Klärungen zu erwarten sind 1 . Sie werden notwendig, aber auch nützlich sein. (ZV + ZV 1969, Nr. 12, S. 486).

Das Urteil des Bundestages zur Stellungnahme der Bundesregierung zum Schlußbericht der Pressekommission hat der „Ausschuß für Publizistik" mit nachfolgendem Beschluß vorbereitet (Beschluß vom 24. 4. 1969) (BT-Drucfcsache V/4344). Die Bundesregierung wird aufgefordert: 1. Eine jährliche Pressestatistik zu führen, den angekündigten Bericht über die Lage von Presse und Rundfunk unverzüglich vorzulegen und künftig regelmäßig über die Entwicklung der deutschen Presse zu berichten. 2. Unverzüglich den Entwurf für eine gesetzliche Regelung der Fusionskontrolle vorzulegen. 1 SÄNGER, F . : Zur Stellungnahme der Bundesregierung zum Güntherbericht. In: ZV + ZV Nr. 15/1969. — BETZ, A.: Mal unbefangen. Gedanken zum Jahreswechsel. In: ZV + ZV Nr. 51/52/1968. — FRANKENFELD, A.: Weltbilanz der Pressefreiheit. In: ZV + ZV Nr. 51/52/1968.

344

J O H A N N E S BINKOWSKI

3. Dem Bundestag unverzüglich Vorschläge zur Mark tan teilsbeschränkung zu unterbreiten. 4. Auf die Länder einzuwirken, die Landespressegesetze so zu ergänzen, daß eine Offenlegungspflicht für die Eigentumsverhältnisse an Publikationsorganen besteht 2 . 5. Maßnahmen hinsichtlich der Stellung und Verantwortlichkeit der Journalisten in Verlagen und Rundfunkanstalten, der Aus- und Fortbildung sowie der sozialen Sicherheit der Journalisten zu unterstützen. 6. Die Gründung eines Kuratoriums für Zeitungstechnik und Zeitungswirtschaft zu fördern.

4. Stellungnahme des Deutschen Presserates Der deutsche Presserat 3 hat in seiner Sitzung am 29. 4. 1969 die „Stellungnahme der Bundesregierung zum Schlußbericht der Pressekommission" sorgfältig beraten. Er hat folgende Stellungnahme beschlossen (gekürzt): I. Der Deutsche Presserat nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, daß a) die Bundesregierung „die weitere Entwicklung im Pressewesen beobachten und rechtzeitig handeln wird, falls die Presse ihrer Funktion bei der Bildung der öffentlichen Meinung nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden kann", b) die Bundesregierung „dahin wirken wird, daß Presse- und Meinungsfreiheit wie bisher auch für die Zukunft gewährleistet bleiben", c) die Bundesregierung auch bei ihren vorgeschlagenen Maßnahmen darauf bedacht ist, keine unzulässigen „Eingriffe" in die Freiheit der Presse vorzunehmen, d) grundsätzlich aber anerkennt, „daß der Staat berechtigt ist, im Interesse der Erhaltung und Förderung der Funktionsfähigkeit der Presse tätig zu werden, etwa mit dem Ziel, einer weiteren Konzentration im Pressewesen entgegenzuwirken". W e n n die Bundesregierung heute noch keine Gefahr für die ausreichende Information des Bürgers sieht, weil sich „das Angebot an allgemeinen politischen Informationen und Kommentaren in Presse, Hörfunk und Fernsehen" ständig erhöht habe, so übersieht sie die spezifische Unterschiedlichkeit der Medien und deren verschiedenartige Wirkung. Da die Presse durch ihre besondere Eigenart — ihre ständige Verfügbarkeit für den Leser — noch immer am nachhaltigsten das Informationsbedürfnis befriedigt und an der Meinungsbildung mitwirkt, bleibt die Erhaltung einer optimalen Vielfalt, besonunerläßlich. ders auch zur regionalen und lokalen Information, II. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Bericht eine Reihe von Vorschlägen der Pressekommission und Empfehlungen des Deutschen Presserates zu eigen gemacht, andere aber abgelehnt oder nicht berücksichtigt. 1. Zu den Empfehlungen, denen die Bundesregierung entsprochen hat, gehören vor allem Kredithilfen und Investitionszulagen, die Offenlegung der Besitzverhältnisse, die Förderung der Aus- und Fortbildungseinrichtungen für Journalisten sowie die Gebührensenkung für Standleitungen, die ausschließlich dem Nachrichtenempfang für Presseunternehmen dienen. Der Presserat geht davon aus, daß die Bundesregie2 Das Problem der Offenlegung der Besitzverhältnisse der Presse wird schon seit Jahrzehnten erörtert. Es gehörte zu den Grundsätzen, nach denen in den Jahren der Weimarer Republik ein demokratisches Pressegesetz geplant wurde (Vgl. BRINGMANN, K.: Die Presse und ihr Recht. Reformentwürfe 1924—1933. Festschrift für A. Betz. Düsseldorf 1963). Es fand nach 1945 Niederschlag in einigen Landespressegesetzen (Bayern und Hessen) vgl. DOVIFAT, E.: Zeitungslehre, 5. Aufl. 1967, Bd. I, S. 24 f. In den USA besteht die gesetzliche Pflicht zur Offenlegung der Besitzverhältnisse seit 1912. Auf der 25. Arbeitstagung des „Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit" im März 1969 wurde das Problem juristisch und publizistisch eingehend behandelt (vorläufiger Bericht in: Der Journalist 5/1969, S. 10 f.). 3 Zur Natur und Aufgabe des Deutschen Presserates vgl. das Schlußkapitel dieses Bandes sowie Bd. I, S. 187 ff.

DAS KONZENTRATIONSPROBLEM IM ZEITUNGSWESEN

345

rung in ihrer Ankündigung, die Gebühren iür Standleitungen zu senken, auch die Neuentwicklung über den gegenwärtigen Bestand hinaus eingeschlossen hat. 2. a) Die Schwierigkeiten bei der Eintragung von Wettbewerbs- und Anzeigenrichtlinien beim Bundeskartellamt lassen erkennen, daß die bestehenden gesetzlichen Regelungen gegen den Mißbrauch von Marktmacht für die besonderen Gegebenheiten im Pressewesen nicht ausreichen. Der Gesetzgeber sollte daher die besonderen Bedingungen der Wettbewerbsverhältnisse im Pressewesen durch eine Ergänzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) berücksichtigen. b) Mit der von der Bundesregierung angekündigten Prüfung, ob der Mehrwertsteuersatz iür Umsätze im Anzeigengeschäit auf 5,5 Prozent herabgesetzt werden kann, ist der Presse nicht geholfen. Statt dessen sollten — so wie in fast allen anderen europäischen Ländern — die Vertriebserlöse der Zeitungen von der Mehrwertsteuer befreit werden. Darum wiederholt der Presserat seinen alten Vorschlag, die Mehrwertsteuer für die Vertriebserlöse der Zeitungen und Zeitschriften auf Null Prozent unter voller Aufrechterhaltung des Vorsteuerabzugs festzusetzen. Diese Regelung hilft gerade den kleineren und mittleren Verlagen, weil bei ihnen der Vertriebserlös einen sehr viel höheren Anteil an den Gesamteinnahmen ausmacht als bei den großen Verlagen. c) Zur publizistischen Eigenständigkeit lokaler Art erklärte der Presserat in seiner Zusammenfassung der Ergebnisse der von ihm durchgeführten Bestandsaufnahme zur Struktur der Tagespresse am 13. Dezember 1967: „In einer großen Zahl von Zeitungen ist, auch wenn der politische Mantel von einem Bezirks-Zeitungs-System oder einer Zeitungsgemeinschaft bezogen wird, eine lokale Publizistik entwickelt worden, die bei diesen Blättern eine publizistische Eigenständigkeit lokaler Art beanspruchen kann und so zur Vielfalt des Informationsangebots beiträgt." Bereits in ihrem vorläufigen Bericht vom 8. 11. 1967 hatte die Pressekommission Förderungsmaßnahmen für die Tagespresse gefordert, wobei eine Auflagenbegrenzung von 160 000 Exemplaren vorgesehen war, Bezirksausgaben mit eigenen Lokalredaktionen jedoch nicht zusammengezählt werden sollten. W e n n es ernstlich darum geht, auch im lokalen Bereich eine möglichst große Meinungsvielfalt zu erhalten, dann sollte man die Anregung der Pressekommission erneut aufgreifen. Dies gilt insbesondere für die in Ziff. 28 der Stellungnahme der Bundesregierung angekündigte Gewährung von Investitionszulagen und ERP-Krediten. d) Die Bundesregierung hat den Vorschlag der Pressekommission, den Marktanteil von Großverlagen auf bestimmte Prozentsätze zu begrenzen, nicht akzeptiert. Der Presserat empfiehlt statt dessen die gesetzliche Regelung einer Fusionskontrolle. e) Der Presserat wiederholt seinen Vorschlag, die Gebühren iür den Postzeitungsdienst zu senken. 3. Der deutsche Presserat bedauert, daß die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme die Frage der kostenlosen Verbreitung von Anzeigenblättern mit Textteil und Amtsblättern mit eigenem Anzeigenteil nicht behandelt hat. 4. a) Die von der Bundesregierung gewünschte Ausdehnung des Tätigkeitsbereichs des Versorgungswerks der Presse auf die Redakteure aller Massenmedien wird begrüßt. b) Der Presserat begrüßt, daß die Bundesregierung bereit ist, auch in den kommenden Jahren die journalistischen Aus- und Fortbildungseinrichtungen finanziell zu fördern. c) Die technische und wirtschaftliche Entwicklung der Presse, für deren Beobachtung die Bundesregierung ein Kuratorium vorgesehen hat, wird für die Existenz der Zeitungen von großer Bedeutung werden. d) Was die Bundesregierung über das Verhältnis von Redaktion und Verlag sagt, findet die Zustimmung des Presserates, der erst im letzten Jahr daran erinnert hat, daß zwischen den Berufsverbänden der Journalisten und Verleger endlich eine Einigung über diese Frage zustande kommen sollte. Der Presserat wiederholt nachdrücklich seinen Appell in der Hoffnung, daß diese Einigung bald er-

346

JOHANNES BINKOWSKI zielt wird 4 , weil sonst eine gesetzliche Regelung unumgänglich wird. Die Bundesregierung hat diese Regelung für den Fall vorgesehen, daß die Beteiligten nicht selbst „in angemessener Frist zu einer befriedigenden Einigung kommen". In diesem Zusammenhang stimmt der Presserat der Feststellung der Bundesregierung zu, daß „die Gewährleistung der Pressefreiheit vor allem auch die Sicherung einer ihrer Funktion angemessenen Rechtsstellung des Personenkreises einschließt, der den redaktionellen Teil der Presseerzeugnisse gestaltet". Der Presserat ist der Auffassung, daß die zunehmend ins Bewußtsein der Öffentlichkeit tretenden Strukturprobleme der Presse weiterhin sorgfältiger Untersuchungen bedürfen; er wird sich mit diesen Problemen eingehend befassen. III. Ziel aller langfristigen Bemühungen sollte es auch unter Berücksichtigung aller zukünftigen technischen Entwicklungen im Bereich der Presse und des Rundfunks sein: 1. wirtschaftlich unabhängige und finanziell leistungsfähige Verlagseinheiten zu gewährleisten, die 2. über unabhängige, publizistisch leistungsfähige Redaktionen verfügen und zwischen denen 3. ein ausreichender publizistischer Wettbewerb untereinander und mit den anderen Massenmedien besteht.

5. Kommission des Deutschen Presserates für Fragen der Konzentration im deutschen Pressewesen. Zehn Länderberichte nach Befragung aller Zeitungen durch wissenschaftliche Mitarbeiter über Besitzverhältnisse, Zusammenarbeit der Verlage und Wettbewerbsverhältnisse. Nach mehr als zweijähriger intensiver Arbeit werden zwischen dem 13. Dezember 1967 und dem Frühjahr 1968 die endgültigen Fassungen der Berichte dem Bundesminister des Innern überreicht. Die Berichte, die ein reales Bild der Verhältnisse im Pressewesen, besonders der teils rücksichtslosen Wettbewerbsmethoden geben, w e r d e n nicht veröffentlicht. Einzige Veröffentlichungen der Konzentrationsuntersuchung des Deutschen Presserates sind die am 13. Dezember 1967 v o m Deutschen Presserat verabschiedete „Zusammenfassung der Ergebnisse der v o m Deutschen Presserat durchgeführten Bestandsaufnahme zur 4 Gemeint ist die sogenannte innere Freiheit der deutschen Presse, d. h. die Sicherung der Gesinnungsbindung der Redakteure und ihre Meinungsfreiheit im Rahmen der mit dem Verlag vereinbarten geistigen Grundeinstellung. Die Aussprache über dieses Thema geht von den Abmachungen aus, die der Vorläufer des heutigen Deutschen Presserates bereits im Jahre 1926, damals als „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Presse", getroffen hat. Der Kernsatz lautete: „Das Zusammenwirken zwischen Verleger und Redakteur ist bedingt durch die Pflicht zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Zeitung. Es darf vom Verlag auf den Redakteur kein Gewissenszwang ausgeübt werden." (Verbindlich erklärt durch Tarifvertrag vom 1. 6. 1926). Dieser Gedanke wurde in den Forderungen der Journalistenverbände weiter entwickelt und neuerdings in Betriebsabmachungen geregelt, jedoch noch nicht tarifrechtlich festgelegt. (Siehe u. a. Regelung bei der „Rhein-Zeitung", Koblenz vom 1. April 1969. Vgl. Der Journalist Nr. 2/1969.) Beratungen sind auch im Gange über ein Mitspracherecht nicht nur in der Redaktion, sondern auch bei Verkaufsabsichten der Verlage. Vgl. „Mitbestimmung in der Presse", In: Der Journalist 5/1969, S. 14 ff. Zur Frage der inneren Freiheit der Presse sei auf den Vortrag von H. EHMKE „Freiheit der Presse" verwiesen, der vor allem auf die persönliche Initiative der Redakteure in der Sicherung dieses Rechtes hinweist und tarifrechtliche Bindung anrät (vgl. Beilage zu Der Journalist 6/1969). ü b e r die Demokratisierung der Redaktions Verfassungen, die zur Zeit auch international lebhaft im Gespräch ist, sei es, daß für die Verlage eine Stiftungsform erstrebt oder eine Besitzbeteiligung gefordert wird (Frankreich), vgl. die Ausführungen von U. NUSSBERGER auf S. 141 ff. dieses Bandes.

DAS K O N Z E N T R A T I O N S P R O B L E M I M ZEITUNGSWESEN

347

Struktur des Tagespresse", erschienen als Sonderdruck und in ZV + ZV Nr. 1/1968, sowie der Tätigkeitsbericht 1967 des Deutschen Presserates. Einzelberichte sind beim Deutschen Presserat einzusehen.

LITERATUR Die jüngste Literatur zur Problematik der Konzentration ist in dem Band der „Publizistik", 13. Jahrg. 1968, Heft 2/3/4 genannt u. z. T. gewertet. Unter den Aufsätzen sei besonders auf die nachfolgenden hingewiesen: G L O T Z , P . U. W . R . LANGENBUCHER: Monopol u. Kommunikation ( S . 137). — N O E L L E - N E U M A N N , E . : Pressekonzentration u. Meinungsbildung (S. 107). — KIESLICH, G . : Wettbewerb der Massenmedien und Konzentration im Pressewesen (S. 180). — HOFSÄHS, E . : Veränderung in der redaktionellen Struktur der deutschen Tageszeitungen zwischen 1964 u. 1967 (S. 197). —• NUSSBERGER, U.: Zur Pressekonzentration in der Schweiz (S. 205). — ARNDT, H.: Die Konzentration in der Presse und die Problematik des Verlegerfernsehens. Frankfurt-M./Berlin 1967. — BÖDDEKER, G . : 20 Millionen täglich. W e r oder was beherrscht die deutsche Presse? Oldenburg/Hamburg 1967. — FLACH, K. H.: Macht und Elend der Presse. Mainz 1967. — LÖFFLER, M.: Presserecht, Bd. 1. 2. Aufl. 1969 s. dort unter „Konzentration im Pressewesen". Behandelt sind ebda, die gesamten auch aktuell sich ergebenden presserechtlichen Probleme der Konzentration. — PROSS, H.: (Hg.) Deutsche Presse seit 1945, mit Beitr. von H. C R O N , W. FABIAN, G . GILLESSEN, H . H U R W I T Z , C . K O C H - M E H R I N , M . KÖTTERHEINRICH, H . LINDEMANN, K . PAWEK, F . SÄNGER, R . SCHMID, V. O . STOMPS. Bern/München/Wien 1965. — SPRINGER, A.: Deutsche Presse zwischen Konzentration und Subvention. Kiel 1967. — STURM, H . : Masse — Bildung — Kommunikation. Stuttgart 1968. — W E G E N E R , W . : Konzentration im Pressewesen. Beilage zu „Der Journalist" 4/1966. — W I L F E R T , O . : E S geht nicht nur um Schiller. Material, Meinungen zur inneren Pressefreiheit, mit Beitr. von W. MALLMANN, O . V. N E L L - B R E U N I N G , K. M. K U N T Z , F. SÄNGER, G . SCHUKIES, A. GERTSCHEL, H. W O L T E R . Mainz 1968. — G L O T Z , P. u. W. R . LANGENBUCHER: Der mißachtete Leser — Eine Kritik der deutschen Presse. Köln 1969. •— Weitere Literaturangaben in den Anmerkungen des vorliegenden Beitrags.

Zeitungsstatistik W A L T E R J . SCHÜTZ

Zeitungen sind — wie die übrigen publizistischen Mittel -— als Massenerscheinungen Untersuchungsgegenstand der Statistik, wobei je nach dem Untersuchungsziel die Zeitungsstatistik in den Bereich der Kultur-, Sozial- und Bildungsstatistik oder in den Bereich der Wirtschaftsstatistik fällt. Von größerer Bedeutung als solch eine formale Zuordnung ist jedoch für die Praxis der Zeitungsstatistik die grundlegende Unterscheidung zwischen der Statistik des Zeitungswesens und der Statistik des Zeitungsinhaltes. Letztere kann nur noch bedingt zur eigentlichen Zeitungsstatistik, die Gegenstand dieser Darstellung sein soll, gerechnet werden. Auszählung und Bewertung des in der Zeitung angebotenen Stoffes — sowohl des Text- wie des Anzeigenteils •— bedient sich zwar zeitungsstatistischer Daten 1 und baut darauf auf, ist aber im wesentlichen von den Methoden der Inhaltsanalyse (für die in Deutschland auch der Begriff Aussageanalyse verwendet wird; engl.: Content Analysis) bestimmt. In der statistischen Erfassung der Reichweite von Zeitungen und der Untersuchung der publizistischen Wirkung des Zeitungsinhaltes ist die Zeitungsstatistik im engeren Sinne ebenfalls Hilfsmittel der Leserschaftsforschung und Wirkungsanalyse. Bereits im August 1907, auf dem Internationalen Statistischen Kongreß in Kopenhagen, hat K A R L BÜCHER einen Plan für eine Zeitungsstatistik vorgetragen, dessen wichtigste Erhebungsziele auch heute noch unverändert gültig sind. K A R L B Ü C H E R forderte von einer systematischen Zeitungsstatistik die Beantwortung folgender Fragen: 1. Zahl der Zeitungen in regionaler Aufgliederung („territoriale Dichte"); 2. Zahl der in den Gemeinden erscheinenden Zeitungen („lokale Dichte"); 3. Höhe der Auflage („soziale Intensität der Zeitungswirkung"), auch in Bezug auf die Bevölkerung; 4. Erscheinungshäufigkeit („zeitliche Intensität der Zeitungswirkung") 2 . Daneben forderte BÜCHER statistische Daten über die Höhe der Anzeigen- und Bezugspreise. Von einem weitgehend mit BÜCHER übereinstimmenden Katalog der Wün1 Die sogenannte Publizistische Stichprobe macht solche Untersuchungen forschungsökonomisch erstmalig in größerem Umfange möglich; vgl. hierzu SCHULZ, W.: Zur Methode der Publizistischen Stichprobe. In: „Publizistik", 13. Jg. 1968, Heft 2/3/4, S. 330—339. 2 Vgl. „Bulletin de l'Institut International de Statistique", Tome XVII/1908, Bd. 1, S. 176 ff.

349

ZEITUNGSSTATISTIK

sehe an eine exakte Zeitungsstatistik gingen B E R T H O L D G Ü N S C H E und H A N S Z A N K L aus. In ihren Veröffentlichungen zur Methode und Systematik der Pressestatistik (die im wesentlichen als Zeitungsstatistik aufgefaßt wurde) lag bei G Ü N S C H E das Schwergewicht auf einer kritischen Durchsicht der vorliegenden zeitungsstatistischen Untersuchungen 3 , während Z A N K L theoretisch die Aussagemöglichkeiten zeitungsstatistischer Daten für die Wissenschaft von der Publizistik untersuchte 4 . LUDWIG

1. Historische Entwicklung Auszählung

aus Katalogen

und Auswertung

von

Fragebogen

Die erste, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Zeitungsstatistik in Deutschland stellte H J A L M A R S C H A C H T 5 für das Jahr 1897 auf. In der Reichhaltigkeit der von ihm ausgearbeiteten Kategorien wurde er auch nicht von P A U L S T O K L O S S A 6 , M A X W I T T W E R 7 und G E R H A R D M U S E R 8 übertroffen, die — nun für mehrere Stichjahre — statistische Querschnitte durch das deutsche Zeitungswesen vor 1914 legten. Alle vier Untersuchungen spiegeln bereits die Schwierigkeiten exakter zeitungsstatistischer Erhebungen wider: die Frage des Ausgangsmaterials, die mit der Abgrenzung und der Erreichbarkeit von Angaben eng verknüpft ist und damit die Zuverlässigkeit der Statistik bestimmt. Sowohl S C H A C H T als auch W I T T W E R und M U S E R benutzten als Grundlage nur die einschlägigen Handbücher und Kataloge. Als Hilfe sind solche Nachschlagewerke auch heute noch unentbehrlich und wertvoll, wenn man dabei nicht außer acht läßt, daß sie ihrer Zielsetzung nach zunächst und vor allem dem Vertrieb (Postzeitungslisten), dem Buchhandel (Sperlings Zeitungs- und Zeitschriften-Adreßbuch 9 ) oder der Werbewirtschaft (Zeitungskataloge, z. B. von Mosse, Invalidendank, Ala, RdW; heute AdWKataloge, Stamm:Leitfaden) dienen und die darin enthaltenen Angaben eben auf diesen Zweck abgestellt sind. Eine klare Abgrenzung der Zeitung gegen

® Vgl. GÜNSCHE, B.: Theorie und Geschichte der Pressestatistik. Greifswald 1928. Vgl. ZANKL, H.-L.: Pressestatistik. In: Die Statistik in Deutschland nach ihrem heutigen Stand. Festgabe für Friedrich Zahn. Hrsg. von F. BURGDÖRFER. Berlin 1940, Bd. 1, S. 420— 424, und ZANKL, H.-L.: Grundfragen der Zeitungswirkung. München 1954. 5 Vgl. S C H A C H T , Hj.: Statistische Untersuchung über die Presse Deutschlands. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. 3. Folge, 15. Bd. Jena 1898, S. 503—525. 6 Vgl. STOKLOSSA, P.: Deutschlands Zeitungen. In: „Zeitungs-Verlag", 10. Jg. 1909, Nr. 30 (30. Juli 1909), Sp. 581—586. 7 Vgl. W I T T W E R , M . : Das deutsche Zeitungswesen in seiner neueren Entwicklung. Halle/ Saale 1914. 8 Vgl. MUSER, G.: Statistische Untersuchungen über die Zeitungen Deutschlands 1885— 1914. Leipzig 1918. • Die letzte Ausgabe erschien 1947. 4

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WALTER J. SCHÜTZ

Ubergangsioimen zur Gruppe der Zeitschriften läßt sich auf diese Weise kaum gewinnen, da ohne Kenntnis des Objektes eine eindeutige Zuordnung zur Kategorie der Tageszeitungen oder eine Aussonderung vor allem bei einmal wöchentlich erscheinenden Blättern nicht möglich ist. Tatsächlich zeigt ein Vergleich der wichtigsten Zeitungsstatistiken (Tabelle 1), daß die zunächst in sich widersprüchlichen und unerklärlichen Sprünge in den Zahlenreihen der Quellen dann eine doch gleichmäßige Entwicklung des deutschen Zeitungswesens erkennen lassen, wenn man sie um die der einmal wöchentlich erscheinenden Objekte und der Titel ohne Angabe der Erscheinungshäufigkeit vermindert. Deshalb erscheint der Schluß berechtigt, daß —• so wie für die Gegenwart empirisch nachweisbar — auch zwischen 1900 und 1945 die einmal wöchentlich erscheinenden Blätter im Regelfall keine Zeitungen, sondern Anzeigenblätter, örtliche Anzeiger und Bekanntmachungsblätter oder nicht der kontinuierlichen Nachrichtenübermittlung dienende Wochenblätter waren. Die dritte Schwierigkeit, nämlich das Fehlen exakter Auflageangaben (vor allem bei kleineren oder mittleren Zeitungen) oder die unkontrollierte Überhöhung in den Eigenangaben der Verlage, führte dazu, daß Angaben über die Zeitungsverbreitung entweder gar nicht gemacht werden konnten oder versucht wurde, aus den bekannten Zahlen durch Hochrechnung zu Näherungswerten für eine — nach wie vor unsichere — Gesamtauflage zu kommen (vgl. Tabelle 2). Einen wichtigen Schritt nach vorn machte O S K A R M I C H E L insofern, als bei dem von ihm bearbeiteten „Handbuch deutscher Zeitungen 1917" des Kriegspresseamtes erstmalig eigene Erhebungen und deren statistische Auswertung in einer Hand lagen 10 . Hinzu kam die Beschränkung auf „wichtige Zeitungen" — also der Ausschluß aller Blätter, deren Zeitungscharakter aufgrund der Erscheinungsweise, der Eigenangaben und überhaupt fehlender Angaben zweifelhaft war, und der (allerdings noch nicht sehr weit getriebene) Versuch, die Verwendung von Matern und damit das Fehlen redaktioneller Eigenarbeit festzustellen. Diese unter dem Zwang des Krieges ausgelöste Initiative, die aus dem gleichen Grund auch die Unterstützung des VDZV gefunden hatte, fand zunächst keine Fortsetzung. H A N S K A P F I N G E R , der mehrere pressestatistische Untersuchungen über die Zeitungen in den zwanziger Jahren vorlegte, knüpfte vielmehr an die Vorbilder der Vorkriegszeit an11. Da er aber „Kopfblätter", von denen er mehrere Hundert ermittelte, in seinen Statistiken nicht als Zeitungen mitzählte, sondern nur am Rande erwähnte, löste er damit eine Diskussion um die presse10 Handbuch Deutscher Zeitungen 1 9 1 7 . Bearbeitet im Kriegspresseamt von O . M I C H E L . Berlin 1 9 1 7 (Nachtrag 1 9 1 8 ) . 11 Vgl. KAPFINGER, H. in „Rheinisdi-Westfälische Zeitung" (Essen) vom 23. Februar 1926, wiedergegeben in: Die Zeitungen in Deutschland. In: „Zeitungswissenschaft", 1. Jg. 1926, Nr. 3, S. 42 f.; KAPFINGER, H.: Statistisches über die deutschen Zeitungen der Gegenwart. In: „Zeitungs-Verlag", 28. Jg. 1927, Nr. 10 (11. März 1927), Sp.447—452; KAPFINGER, H.: Die deutschen Zeitungen in der Statistik. In: „Zeitungs-Verlag", 29.Jg. 1928, Nr. 19 (12. Mai 1928), Sonderheft „Die deutsche Zeitung" (Pressa), S. 141—143.

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statistische Behandlung dieser für das deutsche Zeitungswesen typischen Erscheinung aus. Indem K A P F I N G E R konsequent an der bisher üblichen Gleichsetzung „Zeitung = das von einem Zeitungsverlag herausgegebene Objekt" festhielt, also von verlegerisch-wirtschaftlichen Zusammenhängen ausging, weitete er den Begriff des „Kopfblattes" (ursprünglich nur die Bezeichnung für im gesamten Inhalt unverändert bleibende Zeitungen, bei denen ausschließlich der Titel geändert wird) auf die weitaus überwiegenden Fälle aus, in denen Zeitungsverlage zusätzliche Ausgaben durch Auswechseln von Teilen des redaktionellen lokalen Inhaltes — und nicht nur des Zeitungskopfes — zur besseren Anpassung an die Bedürfnisse eines bestimmten Verbreitungsgebietes herausgaben. Das Problem der redaktionellen Abhängigkeiten durch Maternübernahme oder Kooperation zwischen mehreren Verlagen wurde bei dieser einseitigen Betrachtungsweise entweder mit dem „Kopfblatt"-Phänomen vermengt oder blieb — pressestatistisch gesehen — ganz unberücksichtigt, obwohl im Ansatz O S K A R M I C H E L und nach ihm vor allem P A U L N E S T E L 1 2 sehr präzise Untersuchungen hierzu angestellt hatten. Entscheidend wurde daher für die weitere Entwicklung die von F R I E D R I C H B E R T K A U 1932 vorgenommene Umkehrung der Betrachtungsweise. An die Stelle der bisher vorrangig oder ausschließlich behandelten verlagswirtschaftlichen Merkmale setzte er als wichtigstes Kriterium das „Interesse des Lesers", dem gegenüber jede Zeitung, ob sogenanntes „Kopfblatt" (für das er den Begriff der „Nebenausgabe" durchsetzte) oder nicht, als selbständiges Objekt auftrat: „Daß solche Blätter nicht das Recht haben sollen, in der Zeitungsstatistik als Zeitungsindividuen, als Einheiten, gezählt zu werden, muß bestritten werden, und zwar nicht nur, soweit man Matern- und Vordruckszeitungen diesen Vorrang einräumt."1® Diese neue Einteilung in Haupt- und Nebenausgaben, die dennoch den Vergleich mit bisherigen Untersuchungen ermöglichte, wurde — nachdem sie zunächst in einer pressestatistischen Erhebung über das Zeitungswesen in Preußen ihre Brauchbarkeit erwiesen hatte 14 — von B E R T K A U 1932 als Grundlage für das erste der vom Institut für Zeitungswesen der Universität Berlin herausgegebenen Pressehandbücher 15 gewählt. Der Anlage dieser Veröffentlichungen wurde von Verfechtern der traditionellen Zählmethode, insbesondere von O T T O 12 Vgl. NESTEL, P.: Mehrköpfige oder halbfertige Zeitungen in Deutschland. Phil. Diss. Leipzig 1923 (Maschinenschr.) 13 BERTKAU, F.: Die stofflichen Grundlagen und methodischen Voraussetzungen für eine Untersuchung der deutschen Zeitungswirtschaft. In: F. BERTKAU, K. BÖMER: Der wirtschaftliche Aufbau des deutschen Zeitungsgewerbes. Berlin 1932, S. 29 f. Vgl. auch BERTKAU, F.: Der Mangel einer deutschen Zeitungsstatistik. In: „Zeitungswissenschaft", 2. Jg. 1927, Nr. 9, S. 129 f. (mit einer Stellungnahme von Hans Kapfinger und einem Nachwort von Friedrich Bertkau). 14

F . BERTKAU, K . BÖMER: a . a . O .

Deutsches Institut für Zeitungskunde (Hrsg.): Handbuch der deutschen Tagespresse. 4. Auflage. Berlin 1932. — Die vorausgegangenen drei Auflagen des Handbuches enthielten keinen statistischen Teil, sondern waren ausschließlich Zeitungskataloge. 15

352

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und danach von G Ü N T H E R OST17, heftig widersprochen, die Unterscheidung von Haupt- und Nebenausgaben scharf angegriffen, zumal gleichzeitig einige Gerichtsurteile die Verwirrung um Ausgaben, Kopfblätter und Maternzeitungen noch verstärkten. Da die methodischen Einwände jedoch wenig durchdacht waren, und bereits B E R T K A U selbst dagegen das Hauptargument geliefert hatte, daß ja eigentlich auch Maternzeitungen publizistisch nicht höher als Nebenausgaben zu bewerten seien18, verstummte die Diskussion alsbald angesichts der Vorteile des neuen Systems. GROTH 1 6

Mit den sechs weiteren Pressehandbüchern des Berliner Instituts, die — wie das von 1932 unter der Leitung von E M I L D O V I F A T — zwischen 1934 und 1961 publiziert wurden 19 , war damit über einen Zeitraum von dreißig Jahren hinweg eine kontinuierliche und nach weitgehend einheitlichen Gesichtspunkten angelegte Erfassung des deutschen Zeitungswesens und einer davon abgeleiteten statistischen Zusammenfassung gewährleistet. Die Änderungen im Zeitungsteil dieser Handbücher blieben gering: 1934 konnten der Zeitungsstatistik erstmalig exakte Auflageangaben zugrundegelegt werden, da inzwischen den Zeitungen die Veröffentlichung der Auflagenhöhe zur Pflicht gemacht worden war. Bei den nur einmal wöchentlich erscheinenden Blättern wurden schärfere Abgrenzungen vorgenommen. 1943 wurden als Tageszeitungen nur noch die mindestens zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitungen aufgenommen und auf die Nennung und Zählung der Nebenausgaben ganz verzichtet, nachdem sich die parteiamtlichen Zeitungen der NSDAP nach und nach große Bezirksausgabensysteme zugelegt hatten. Ab 1954 wurde die Bezeichnung „Nebenausgabe" durch „Bezirksausgabe" ersetzt, in der letzten Ausgabe von 1961 durch die gesonderte Behandlung der „örtlichen Anzeiger" wiederum eine schärfere Abgrenzung zwischen Zeitungen und zeitungsähnlichen Periodika versucht.

2. G e g e n w ä r t i g e r S t a n d Analyse von Stichtagsammlungen

und

Autlagenmeldungen

Bereits 1932 hatte G Ü N T H E R O S T einen Vorschlag gemacht, der zunächst unbeachtet blieb, aber geeignet sein konnte, die Zeitungsstatistik über den bis dahin erreichten Stand hinauszuführen: mit Hilfe einer Stichtagsammlung aller Zei16 Vgl. GROTH, O . : Der wirtschaftliche Aufbau des deutschen Zeitungsgewerbes (Buchbesprechung). In: „Zeitungswissenschaft", 7. Jg. 1932, Nr. 5, S. 282—288. 17 Vgl. OST, G.: Die deutsche Tagespresse 1932. In: „Zeitungswissenschaft", 7. Jg. 1932, Nr. 6, S. 349—358. 18 Vgl. BERTKAU, F.: Grundlagen, a.a.O., S. 29. 19 Deutsches Institut für Zeitungskunde (Hrsg.): Handbuch der deutschen Tagespresse. 5. Auflage. Berlin 1934; Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Berlin (Hrsg.): Handbuch der deutschen Tagespresse. Leipzig, 6. Auflage 1937, 7. Auflage 1944; Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin (Hrsg.): Die deutsche Presse 1954/1956/1961.

ZEITUNGSSTATISTIK

353

tungen unmittelbare Aufschlüsse aus den statistisch zu erfassenden Objekten zu erhalten20. OST ließ sich dabei von der Überlegung leiten, daß immer nur ein Teil der Verlage bereit war, auf übersandte Fragebogen zu antworten, und daß die Auskunftsbereitsdiaft sank bzw. der Anteil der bewußt oder unbewußt unrichtig beantworteten Fragen anstieg, wenn der Fragenkatalog zu umfangreich angelegt war. Die Anregung von O S T wurde erstmalig von W A L T E R J . S C H Ü T Z aufgegriffen, der 1956 die statistischen Ergebnisse einer solchen Stichtagsammlung von 1954 veröffentlichte21, 1960 die methodischen Grundfragen beschrieb22 und die Stichtagsammlungen in den Jahren 196423 und 196724 bei einer gegenüber 1954 absolut gleichbleibenden Planung und Ausführung wiederholte. Die Zeitungsstatistik auf der Grundlage der Stichtagsammlung löste zugleich zwei Probleme, die mit den bisherigen Erhebungsmethoden (Auszählungen aus Katalogen oder Auswertung von Fragebogen) nicht zu überwinden waren: Die Autopsie aller Originalexemplare von zwei bzw. drei aufeinanderfolgenden Stichtagen ermöglichte die einwandfreie Zuordnung von Presseorganen zur Gruppe der Zeitungen oder Zeitschriften und ließ zugleich beim Vergleich der Zeitungen untereinander erkennen, welche redaktionellen Verflechtungen zwischen nach außen hin selbständigen Zeitungen durch Maternbenutzung bestanden. Dabei erwies es sich als notwendig, die bisher verwendete zeitungsstatistische Terminologie25 kritisch zu überprüfen: zu viele Begriffe wurden nebeneinander benutzt, um die vielfältigen Organisations- und Strukturformen im deutschen Pressewesen zu verdeutlichen, die tatsächlich aber die reale Situation mehr und mehr undurchschaubar gemacht hatten. Zeitungen und Zeitschriften. Berlin 1954, 1956, 1961. — Die Lücke zwischen 1944 und 1954 füllen nach Anlage und Aufbau die folgenden vier Veröffentlichungen aus: Nordwestdeutscher Zeitungsverlegerverein (Hrsg.): Handbuch Deutsche Presse 1947/1951. Bielefeld 1947, 1951; sowie: Handbuch der Lizenzen deutscher Verlage. Zeitungen — Zeitschriften — Buchverlage. Berlin: de Gruyter 1947; Lizenzen-Handbuch deutscher Verlage 1949. Berlin: de Gruyter 1949 (mit einer von Emil Dovifat interpretierten Pressestatistik). 20

21

V g l . OST, G . : a . a . O . , S . 3 5 7 f.

Vgl. SCHÜTZ, W. J.: Deutsche Tagespresse in Tatsachen und Zahlen. Ergebnisse einer Strukturuntersuchung des gesamten deutschen Zeitungswesens. In: «Publizistik", 1. Jg. 1956, Heft 1, S. 31—48. 22 Vgl. SCHÜTZ, W . J . : Probleme der Pressestatistik. Vorschläge zu einer Bestandsaufnahme des deutschen Zeitungswesens. In: „Die Anzeige", 36. Jg. 1960, Heft 1, S. 19—28. 23 Vgl. SCHÜTZ, W. J.: Die redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse. Ergebnisse pressestatistischer Untersuchungen (1). In: „Publizistik", 11. Jg. 1966, Heft 1, S. 13—44. 24 Vgl. SCHÜTZ, W. J.: Veränderungen im deutschen Zeitungswesen zwischen 1954 und 1967. Ergebnisse pressestatistischer Untersuchungen (3). In: „Publizistik", 12. Jg. 1967, Heft 4, S. 243—246. 25 Als Beispiel für die Benennung redaktioneller Ausgaben von Tageszeitungen ließen sich in der Literatur (in Auswahl) finden: Maternzeitungen, Vordruckzeitungen, Beiblatt, Beilage, Nebenausgabe, Bezirksausgabe, Hauptausgabe, Lokalausgabe, Ableger, Filialzeitung, Wechselblatt, Kopfblatt, Vordruckzeitung usw. 23 Publizistik III

354

WALTER J . SCHÜTZ

Bei den Stichtagsammlungen wurden als Zeitungen (politische Tageszeitungen) nur solche Blätter angesehen, die der primär aktuellen und universellen, also nicht thematisch begrenzten kontinuierlichen Nachrichtenübermittlung dienen und mindestens zweimal wöchentlich erscheinen. Damit wurden alle Presseerzeugnisse aus der Zeitungsstatistik ausgeschlossen, die entweder gar nicht oder nur zufällig-lückenhaft über aktuelles Geschehen außerhalb des lokalen Verbreitungsgebietes berichten (lokale Anzeigen-, Mitteilungs- und Amtsblätter, politische Wochenblätter, Sonntagszeitungen und mehrmals wöchentlich erscheinende Fachzeitschriften). Innerhalb dieses Rahmens wurde als „Ausgabe" jede Zeitung erfaßt und gezählt, die sich durch inhaltliche Abweichungen (im Regelfall im Lokalteil), z. T. auch nur durch den Titel, von anderen Zeitungen unterscheidet. Die Trennung in Haupt- und Nebenausgaben wurde damit aufgegeben, da sie eine in vielen Fällen nur willkürliche Unterordnung oder Überordnung darstellt, die als solche nicht objektiv bestimmbar oder meßbar ist. Sie entspricht auch deshalb nicht der Realität, weil alle Zeitungen dem Leser gegenüber als gleichrangig und nicht hierarchisch auftreten26. Faßt man alle Ausgaben — unabhängig von ihrer verlegerischen oder wirtschaftlichen Struktur — zusammen, die mit einem gemeinsamen (oder bei gleichem Satz im Umbruch auch teilweise geänderten) „Mantel" erscheinen (im Regelfall identisch mit den Seiten 1 und 2 des aktuellen politischen Teils), so erhält man als übergeordnete pressestatistische Zähleinheit die sogenannten „Publizistischen EinheitenZur gleichen „Publizistischen Einheit" gehören also jeweils die Ausgaben, die in einzelnen Teilen, stets jedoch im „Mantel" (insbesondere im politischen Teil) übereinstimmen, in anderen Sparten (insbesondere im lokalen Teil) aber abweichend gestaltet sind. Innerhalb der „Publizistischen Einheiten" lassen sich die Ausgaben noch nach „Verlagen als Herausgeber" und „Verlagen als wirtschaftliche Einheiten*28 Vgl. hierzu die näheren Hinweise in SCHÜTZ, W. J.: Probleme . . . , a.a.O. Die zunächst für die „Publizistischen Einheiten" gewählte Bezeichnung „Zeitungen" wurde, weil sie zu vielen Mißverständnissen führte, nicht beibehalten. Vgl. dazu: DOVIFAT, E.: Was ist eine „Zeitung", was ist eine „Ausgabe"? In: „Publizistik", 1. Jg. 1956, Heft 2, S. 105—107. Der Vorschlag von F. MANNHART: Entwicklung und Strukturwandel der Tagespresse in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 und ihre Position im öffentlichen Raum. Stuttgart 1959, S. 53 ff. und S. 126 ff., von „Redaktionellen Einheiten" zu sprechen, läßt außer acht, daß auch für „Ausgaben" (Lokal-)Redaktionen unterhalten werden. Das Wort „Vollredaktionen" bezeichnet den Sachverhalt zwar deutlicher, doch gibt es unter den „Publizistischen Einheiten" auch solche, die zwar im politischen Teil (Mantel) und im Lokalen selbständig sind, für andere Sparten (z. B. Sport, Wirtschaft, Unterhaltung) aber Matern verwenden. Die Bezeichnung „Publizistische Einheit" scheint daher — als pressestatistischer Zählbegriff — am besten geeignet, auch wenn nicht übersehen werden darf, daß das Wort „Publizistische Einheit" inzwischen z. B. in die Sprache amtlicher Dokumente oder von Tarifverträgen Eingang gefunden hat und nun mitunter dadurch Sachverhalte dargestellt werden, auf die es nicht anwendbar ist. 28 Da „Verlage als Herausgeber" und „Verlage als wirtschaftliche Einheiten" jeweils innerhalb der „Publizistischen Einheiten" gezählt werden, treten Doppelzählungen dort 26

27

ZEITUNGSSTATISTIK

355

zusammenfassen. Damit werden zusätzlich verlegerisdi-wirtscfaaftlidie Gesichtspunkte berücksichtigt. Für die Zählung nach „Verlagen als Herausgeber" bilden die Angaben im Impressum der einzelnen Ausgaben die wichtigste Grundlage. Da unter Umständen auch mehrere „Verlage als Herausgeber" in einem „Verlag als wirtschaftliche Einheit" wirtschaftlich zusammenarbeiten können (Kooperation), ist „Verlage als Herausgeber" der weitere, „Verlage als wirtschaftliche Einheiten" der engere Begriff, um die Verlagsstruktur in miteinander vergleichbaren Zahlen auszudrücken. Mit diesen Einteilungen lassen sich alle in der Bundesrepublik Deutschland auftretenden Varianten der Zeitungsstruktur erfassen, von denen hier die wichtigsten genannt seien: 1. Der Zeitungsgroßverlag mit zahlreichen lokal und regional differenzierten (Bezirks-)Ausgaben ist statistisch als publizistische Einheit zugleich auch „Verlag als Herausgeber" und „Verlag als wirtschaftliche Einheit" — jeweils mit der gleichen Zahl von Ausgaben. 2. Umgekehrt bildet eine Zentralredaktion ebenfalls eine „Publizistische Einheit", setzt sich aber aus einer Vielzahl von „Verlagen als Herausgeber" und einer gleichen Zahl von „Verlagen als wirtschaftliche Einheiten" zusammen, wenn zwischen den redaktionell zusammenarbeitenden Verlagen keine wirtschaftliche Kooperation besteht. 3. Eine „Publizistische Einheit" mit mehreren „Verlagen als Herausgeber", die zu einem „Verlag als wirtschaftliche Einheit" zusammengefaßt sind, ist demnach als Kooperation mehrerer Verlage im redaktionellen und wirtschaftlichen Bereich anzusprechen. 4. Bei einer sogenannten Heimatzeitung, die ihren gesamten Inhalt für eine Ausgabe selbst redigiert, setzt und druckt, liegt schließlich eine Identität von „Publizistischer Einheit", „Verlag als Herausgeber", „Verlag als wirtschaftliche Einheit" und Ausgabe vor. Entsprechende Übergänge zwischen diesen Varianten sind häufig anzutreffen. Faßt man die Auszählung der Stichtagsammlungen zusammen (vgl. Tabelle 3), so lassen sich die Ergebnisse mit unterschiedlichem Aussageinhalt unmittelbar gegenüberstellen; zugleich läßt sich die deutsche Pressestruktur auf folgende einfache pressestatistische Aussageformel bringen: In der Bundesrepublik Deutschland wurden im September 1967 von 535 Zeitungsverlagen 1416 im lokalen oder regionalen Teil unterschiedliche Ausgaben von politischen Tageszeitungen herausgegeben. Ihr allgemeiner und politischer Teil wird in 158 Redaktionen, die von den 380 wirtschaitlich selbstänauf, wo ein Verlag als Rechtspersönlichkeit über zwei „Publizistische Einheiten" verfügt. Die Zahl solcher Fälle liegt jedoch 1967 nur bei 6 (z.B.: Ullstein GmbH, mit „BZ" und „Berliner Morgenpost", Frankfurter Societäts-Druckerei mit „Frankfurter Neue Presse" und „Abendpost/Nachtausgabe"). 23*

356

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digen Zeitungen bzw. Zeitungsgruppen unterhalten werden, zusammengestellt und tritt demnach in 158 verschiedenen Varianten auf**. Eine auf der Grundlage der drei Stichtaguntersuchungen vorgenommene Fortschreibung der Ergebnisse (vgl. Tabelle 4) zeigt deutlich, eine ständige Abnahme der Zahl der „Publizistischen Einheiten" (bei zunehmender Erscheinungshäufigkeit der Ausgaben; vgl. Tabelle 5) und macht damit die wachsende publizistische Konzentration deutlich, die jedoch in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich verlaufen ist (vgl. Tabelle 6). Der Rückgang der Zahl der „Verlage als Herausgeber" (vgl. Tabelle 7) kann — vereinfacht — als Indiz für das sogenannte Zeitungssterben angesehen werden, der Rückgang der Zahl der „Verlage als wirtschaftliche Einheiten" (vgl. Tabelle 8) weist auf die wirtschaftlichen Kooperationsvorgänge im deutschen Zeitungswesen hin. In der Zahl von 806 verschiedenen Haupttiteln bei insgesamt 1416 Ausgaben (1967) kommt die Bedeutung der Anpassung der Ausgaben an ihr Verbreitungsgebiet durch entsprechende Titelwahl zum Ausdruck (vgl. Tabelle 8). Unter den 50 Verlagen (als Herausgeber) mit jeweils 8 und mehr Ausgaben ihrer Zeitung gibt es nur noch 8 Verlage, die für alle Ausgaben den gleichen Haupttitel verwenden. Echte „Kopfblätter", also Ausgaben, die inhaltlich mit anderen Ausgaben übereinstimmen und nur den Haupttitel auswechseln, sind nur noch 19 von 1416 Ausgaben. Nach der Gründung der „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern" (IVW) im Jahre 1950 haben sich fast alle Zeitungen dieser freiwilligen Auflagenkontrolle unterworfen. 1967 waren nur 36 von 535 „Verlagen als Herausgeber" nicht der IVW angeschlossen, die jetzt mehr als 99 v. H. der verkauften Zeitungsauflage erfaßt. Damit lassen sich für zeitungsstatistische Untersuchungen auch in dem Bereich zuverlässige Aussagen machen, für den die Zeitungsstichtagsammlung nicht brauchbar ist. Neben Angaben über die Druckauflage enthalten die vierteljährlich erscheinenden Listen mit den IVW-Auflagenmeldungen auch die Aufschlüsselung der verkauften Auflage nach der Vertriebsform. Bei der Unterscheidung der Zeitungen nach Abonnement* und Straßenverkaufsblättern kann deshalb vom überwiegen der einen oder anderen Vertriebsform ausgegangen werden, was eine subjektive Bewertung des Zeitungsinhaltes bzw. der redaktionellen Darbietungsformen zur Bestimmung des Zeitungstyps überflüssig macht. Tabelle 9 zeigt, in welchem Maße sich die Straßenverkaufspresse im Bundesgebiet seit 1954 entwickelt hat: und zwar nicht durch die Erhöhung des publizistischen Angebots (die Zahl der Straßenverkaufszeitungen hat sich sogar vermindert), sondern vielmehr durch eine gegenüber den Abonnementszeitungen erhebliche Auflagenzunahme. über die Bedeutung des publizistischen Wettbewerbs und seine Auswirkung auf den Zeitungsmarkt geben die Tabellen 10 und 11 Aufschluß, in denen jeweils getrennt für die „Publizistischen Einheiten" und die „Verlage als Heraus-

ZEITUNGSSTATISTIK

357

geber" die Anteile genannt sind, die auf die jeweiligen Auflagengrößenklassen entfallen. Beim Vergleich der Entwicklung zwischen 1954 und 1967 wird deutlich, wie sehr eine zunehmende Konzentration auf Zeitungen mit höherer Auflage vor sich gegangen ist. Zum anderen zeigt sich darin auch das krasse Ungleichgewicht zwischen den großen und kleinen Zeitungen in der Bundesrepublik Deutschland: 1967 gaben 225 Verlage, also mehr als die Hälfte aller Verlage (58,9 v. H.) Zeitungen unter 10 000 Stück Auflage heraus, die zusammen einen Anteil an der Gesamtauflage von nur 6,9 v. H. erreichten. Demgegenüber betrug der Auflagenanteil von nur 40 Verlagen (7,5 v. H. aller Verlage) mit Zeitungen in der Größenklasse von über 100 000 Stück 62,8 v. H. Unzureichend ist bis heute die Bereitwilligkeit der Verlage geblieben, im Rahmen ihrer IVW-Meldungen die Auflagezahlen für alle redaktionellen Ausgaben (und nicht wie jetzt nur für einen Teil der getrennt zu belegenden Anzeigenausgaben) gesondert anzugeben. Nur dann ließen sich Berechnungen anstellen mit dem Ziel, innerhalb der jeweiligen Verbreitungsgebiete zunächst die Leserdichte (Zahl der Einwohner je verkauftes Exemplar) zu ermitteln und daraus die Marktanteile und damit die Intensität des publizistischen Wettbewerbs zwischen konkurrierenden Ausgaben verschiedener Verlage zu ermitteln. Auch die Verbreitungsanalysen der Tageszeitungen bieten hierfür nur erste, allerdings recht brauchbare Ansätze, da sie einmal nicht alle Zeitungen erfassen, zum anderen ihrer Anlage nach nicht zwischen der Verbreitung echter Lokalausgaben innerhalb ihres primären Verbreitungsgebietes und dem Streuversand von Ausgaben unterscheiden, die für andere Verbreitungsgebiete bestimmt sind»0. Eine in dieser Hinsicht verbesserte Verbreitungsanalyse würde die Verbindung bilden zwischen den (noch fehlenden) Untersuchungen zur lokalen/regionalen Leserdichte und der Zeitungsdichte, deren Berechnung erstmalig durch die Stichtagsammlung realisiert werden konnte31. Die Zeitungsdichte wird bestimmt durch die Zahl der Ausgaben in einem bestimmten Gebiet und liefert Angaben darüber, unter wievielen Zeitungen am (lokalen) Markt der Leser seine Auswahl treffen kann bzw. (dies vor allem aus der Sicht des Verlegers und Redakteurs) mit wievielen Zeitungen Verlag und Redaktion im Wettbewerb stehen. An Hand der in der Stichtagsammlung vorliegenden Originalexemplare läßt sich aus dem Inhalt der Lokalseiten und der lokalen Anzeigenseiten für jede der Anders ausgedrückt: Will man täglich über die Darstellung des gesamten lokalen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet sein, muß man 1416 Zeitungen lesen. Dagegen genügen 158 Zeitungen demjenigen, der wissen will, was die deutsche Presse zu aktuellen politischen Fragen zu sagen hat. 3 0 Vgl. Verbreitungsanalyse 1967 der deutschen Abonnementzeitungen. Herausgeber: ADW/GWA/Regionalpresse/Standortpresse. Frankfurt a. M. 1967, 5 Bände. 81 Vgl. SCHÜTZ, W. J.: Die Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse pressestatistischer Untersuchungen (2). In: „Publizistik", 11. Jg. 1966, Heft 3—4, S. 443—448.

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1396 Ausgaben mit örtlicher Verbreitung (1967) festlegen, aus welchem Gebiet dem Leser Informationen über lokales Geschehen angeboten werden. Die absolute Zahl der in jeder Gebietskörperschaft (kreisfreie Städte/Landkreise) festgestellten Ausgaben ergibt die sogenannte Brutto-Zeitungsdichte, die jedoch auf die Netto-Zeitungsdichte reduziert werden muß, da nicht in jedem Fall alle Ausgaben innerhalb eines Kreises zugleich auch untereinander im Wettbewerb stehen (Konkurrenz liegt nicht vor bei gleichem redaktionellem Mantel, bei Ausgaben des gleichen Verlages und bei Zeitungen, deren Verbreitungsgebiete sich auch innerhalb eines Kreises nicht überschneiden). Die Netto-Zeitungsdichte gibt demnach an, wieviel im redaktionellen Mantel unterschiedliche örtliche Ausgaben den Einwohnern der jeweiligen Verwaltungseinheit als Alternative angeboten werden. Aus Tabelle 12 ist der Rückgang der Zeitungsdichte (Netto-Zeitungsdichte) zu ersehen: im Jahre 1954 waren nur 85 kreisfreie Städte bzw. Landkreise sogenannte Ein-Zeitungs-Kreise. Die Zahl dieser Ein-ZeitungsKreise stieg seitdem über 121 (1964) und 145 (1967) auf 167 (Mitte 1969) an. Im Durchschnitt konnte der Zeitungsleser 1954 noch zwischen knapp drei, 1967 aber nur noch zwischen etwas mehr als zwei örtlichen Zeitungen wählen.

3. Künftige Möglichkeiten Amtliche Erhebungen Die Fragen, die K A R L B Ü C H E R 1907 als Forderung an die Zeitungsstatistik stellte, sind weitgehend beantwortet. Sie müssen aber heute vertieft und erweitert werden, da die kommunikationspolitische Diskussion zu Recht ein Mehr an Informationen auch auf dem Gebiet der Zeitungsstatistik fordert. Gerade die Wettbewerbsauseinandersetzungen zwischen den Medien haben gezeigt, wie sehr noch fundiertes statistisches Material vor allem im Bereich pressewirtschaftlicher Fragestellungen fehlt. Insbesondere hier liegt auch für die Zeitungsstatistik eine Fülle offener oder erst in Ansätzen gelöster Probleme. Von den Untersuchungen, die der Bundesregierung 1967/68 zur Situation der Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt wurden, war der Bericht der „Pressekommission"32 vor allem in seinen statistischen Angaben enttäuschend; der Bericht der „Michel-Kommission"'3 zeichnete sich dasi Bericht der Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland (Pressekommission): BT-Drucksachen V/2403 vom 15. Dezember 1967 (Vorläufiger Bericht) und V/3122 vom 3. Juli 1968 (Sdilußbericht) sowie die Stellungnahme der Bundesregierung dazu: BT-Drucksache V/3856 vom 20. Februar 1969 (dort insbesondere S. 15—19: Anmerkungen zu den pressestatistischen Angaben im Schlußbericht der Pressekommission). 83 Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film: BT-Drucksache V/2120 vom 28. September 1967 sowie die

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gegen durch eine Fülle wertvoller Erkenntnisse aus, die statistisch ausreichend abgesichert waren, und setzte Tatsachen an die Stelle unbewiesener Behauptungen und Spekulationen. Auf dieser Basis wird weitergearbeitet werden müssen, und man kann daher den Beschluß der Bundesregierung nur begrüßen, das Statistische Bundesamt zu beauftragen, eine jährliche Pressestatistik auszuarbeiten und Institute und freie Wissenschaftler zu beauftragen, die bereits vorliegenden Untersuchungen weiterzuführen und zu ergänzen 84 . Zeitungsstatistik wie Pressestatistik überhaupt fielen bisher nicht in den Bereich der amtlichen Statistik — eine etwas überraschende Feststellung angesichts der Bedeutung der gedruckten Massenmedien für das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben35. Ob allerdings die vorgesehenen Erhebungen durch die Statistischen Ämter ohne Auskunftspflichtgesetz auskommen werden, bleibt abzuwarten, wenn sie über die bisherigen pressestatistischen Untersuchungen hinausführen sollen, die in der Vergangenheit ausschließlich auf privaten wissenschaftlichen oder auf praxisorientierten ökonomischen Interessen beruhten und damit mehr oder weniger auch die ein sich unverständliche Publizitätsscheu vieler Verlage zu überwinden hatten.

Stellungnahme der Bundesregierung dazu: BT-Drucksadie zu V/2120 vom 9. Mai 1968; ferner: Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film über die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Presse und Rundfunk in Berlin(West): Mitteilungen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, V. Wahlperiode, Nr. 16 vom 30. April 1968 (ausgegeben 3. Mai 1968). 84 Vgl. BT-Drucksadie V/3856, S. 11 (Textziffer 23). M Im „Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland" werden bisher nur wenige Angaben über die Tageszeitungen abgedruckt, die dem Statistischen Bundesamt vom BDZV oder von der IVW zur Verfügung gestellt worden sind. Sieht man vom „Handbuch deutscher Zeitungen 1917" des Kriegspresseamts ab, so muß als erste „amtliche" Pressestatistik die BT-Drucksache V/1884 vom 7. Juni 1967 (Beantwortung einer Kleinen Anfrage betr. Pressekonzentration) angesehen werden.

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360

Tabelle

1

Übersicht über die Entwicklung von Zahl und Erscheinungshäufigkeit der Tageszeitungen in Deutschland seit 1881 (Auswertung von pressestatistischen Veröffentlichungen)

2x

Zeitungen mit mehr als 2 x wöchentlichem Erscheinen davon: wöchentlich.. . X 4x 5x 7 - 8 x 11-14x 18-19x 24-25 x 3x 6 x

Jahi insg. Reichsgebiet 1881 1885 1891 1897 1906 1908 1913 1914 1917

1963

744

512

48

2429

833

703

78

2586

681 654

78

16

88 154 134

13

2970 3541 3554

636

791 1018 1105

527

1064

3601 3716

487 489

1039 1088 1246

166

8

37 12

159

543 686 857 1024 1463 1627 1712

104

1785 1561

109

1871 1834

96

1921 1925

317 275

736 606

125

1927

3039

220

1928 1932 1934 1937 1942 1943

3122 4275 2988 2421 1246 988

204 287 115 82 33

S32 529 640 421 351

77 69 72 44

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Bundesrepublik Deutschland

1964

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Ausgaben

1967

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