Handbuch der Publizistik: Band 2 Praktische Publizistik, Teil 1 [Reprint 2018 ed.] 9783111452555, 9783111085227


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German Pages 598 [600] Year 1969

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
A. PUBLIZISTIK DES GESPROCHENEN WORTES
Die Rede
Die Publizistik der Demonstrationen Die Publizistik der Demonstrationen
Das Recht der Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen
B. PUBLIZISTIK DES BILDES
I. DAS STEHENDE BILD
Bildwert und Bildaufgabe im öffentlichen Leben
Frühformen der Bildpublizistik
Die Karikatur
Das Foto als publizistisches Mittel
Fälschungen, Fotomontagen, Zwischenzeiten
Die Comics: Wesen, Herkunft und Entwicklung in den USA
Comics in Deutschland
II. DAS BEWEGTE BILD (FILM)
Begriffsbestimmung
Geschichte des Films
Film: Organisation und wirtschaftliche Grundlagen
Formen der Filmaussage und ihre publizistische Wirkung
Nachrichtenfilme — Wochenschauen
Wirkung und Wirkungsforschung
Filmrecht
Filmtechnik
Filmstatistik
C. RUNDFUNK
I. HURFUNK
Begriff und Aussage
Geschichte des deutschen Rundfunks
Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks
Formen der publizistischen Aussage
Programm und Programmstruktur
Wirkung des Rundfunks
Das Recht des Rundfunks (Hörrundfunk und Fernsehen)
Rundfunktechnik
Hörfunk-Statistik
II. FERNSEHEN
Begriffsbestimmung
Begriff und Geschichte des Fernsehens
Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens
Fernsehen: Formen der publizistischen Aussage
Das Fernsehprogramm: Voraussetzungen und Aufgabe
Wirkung des Fernsehens
Fernsehtechnik
Fernseh-Statistik
D. PUBLIZISTIK DES THEATERS UND DES LIEDES
Theater und theatralische Mittel
Das Kabarett
Politische Lieder und Dichtungen
E. DIE SCHALLPLATTE
Schallplatte und Tonband als publizistische Mittel
Die Autoren — Biographische Notizen
Personenregister
Sachregister
Recommend Papers

Handbuch der Publizistik: Band 2 Praktische Publizistik, Teil 1 [Reprint 2018 ed.]
 9783111452555, 9783111085227

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H A N D B U C H DER P U B L I Z I S T I K 2

Handbuch der

Unter Mitarbeit führender Fachleute

Herausgegeben von EMIL DOVIFAT

Band 2 PRAKTISCHE PUBLIZISTIK 1. Teil

WALTER DE G R U Y T E R & CO vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Tnibner — Veit & Comp.

Berlin 1969

©

Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Ardiiv-Nr.: 13 67 691. — Satz und Drude: Thormann & Goetsch, Berlin. — Ausstattung: Barbara Proksch. — Printed in Germany.

Die

Mitarbeiter:

Hans Arnold - H.-H. Atorf - A. C. Baumgärtner - Elisabeth Berg Udo Blässer - Hans Brack - Wolfgang Bruhn - Gerhard Eckert Hans-Jörg Erb - Theo Fürstenau - Horst von Hartlieb - Karl Holzamer - Günter Huhndorf - Artur Jerger - Günter Kieslich Günter Krause-Ablass - Franz H. Mösslang - C. Wolfgang Müller Walter Müller-Bringmann - Clemens Münster - Werner Nestel Elisabeth Noelle-Neumann - Enno Patalas - Götz von Pestalozza Gerhard Präger - Kurt Reumann - Henry Ladd Smith - Rudolf Strietholt Fritz Stückrath - Joachim Viedebantt - Kurt Wagenführ - Juliane Weiß Redaktion:

Wolfgang Bruhn und Juliane

Weiß

Vorwort Im ersten Bande dieses Handbuches wurde versucht, ein System der „Allgemeinen Publizistik" zu entwickeln. In den folgenden beiden Bänden kommen nun die Männer der Praxis zu Wort und mit ihnen Fachleute der Wissenschaft. Das sich immer mehr weitende Gebiet der Publizistik ist hier in bestimmten Schwerpunkten gegeben. Man kann darüber streiten, ob es die entscheidenden sind. Erfreulich aber zeigt sich dabei, was schon im Band 1 dargestellt wurde: das Ineinandergreifen der eigentlichen Probleme aller publizistischen Mittel bis in ihre Funktionen im Einzelnen. Das führt notwendig zu gewissen Überschneidungen in den Beiträgen. Sie werden bestimmt durch die Individualität der Verfasser und die eben nicht loszulösende Verwandtschaft der Probleme. Die Bände sind kein Lexikon. Gewiß sollen sie handbuchmäßig informieren, aber aus der publizistischen und wissenschaftlichen Haltung der Autoren, die in den entsprechenden Fachgebieten meist seit langem zu Hause sind und denen für diese Mitarbeit besonders zu danken ist. Ein Kritiker möchte die Bände als „Lehrbuch für publizistische Fachleute" sehen. Das versuchen sie zu sein, aber keineswegs das allein. Sie sollen weit darüber hinaus allen praktisch publizistisch-politisch Tätigen dienstbar werden. Bei der erfreulichen Aufnahme, die schon der erste Band gefunden hat, wurde gerade darauf immer hingewiesen. Die Publizistik in all ihren Formen zeigt den Kreislauf der Ideen im öffentlichen Leben ebenso wie den der materiellen Forderungen und den Gang ihrer Kämpfe untereinander. Daran in Freiheit und Verantwortung sich zu beteiligen, ist demokratische Pflicht. Die Wege auch dorthin zu ebnen, ist Ziel dieser Bände. Insofern sollen sie Beiträge zur politischen Bildung sein. Für jedes der publizistischen Mittel wird dessen Wesen dargestellt, sein Herkommen erörtert, seine Wirkung untersucht, sein jeweils eigenes Recht gezeigt, seine Technik geschildert und seine Statistik aufgeordnet. Weiterführende Literatur ist jeweils den einzelnen Fachgebieten beigefügt. Für die allgemeine Literatur sei auf Band 1 verwiesen. Der Herausgeber dankt Herrn Dr. Wolfgang Bruhn und Frau Dr. Juliane Weiß für die redaktionelle Bearbeitung der Teile B bis E des vorliegenden Bandes und Herrn Jürgen Gärtner für die Herstellung der Register. Berlin, im Dezember 1968

Der Herausgeber

Inhalt

Band II, PRAKTISCHE PUBLIZISTIK, I. Teil

A. PUBLIZISTIK DES GESPROCHENEN WORTES

1

Die Rede

1

( E M I L DOVIFAT)

1. Wesen — Begriff — Geschichte a) Die Vorbereitung und Gliederung der Rede b) Sprache, Stimme, Gestus c) Randgebiete (Vorlesung, Vortrag, Referat) 2. Das gesprochene Wort in den Kundgebungsformen (Straßenrede, Versammlungsrede, Parlamentsrede, Konferenzrede) 3. Die Rede in der elektronischen Verbreitung 4. Die Predigt Die Publizistik der Demonstrationen

( E M I L DOVIFAT)

Das Recht der Versammlungen, Kundgebungen Demonstrationen ( H A N S - J Ö R G E R B )

1 8 11 19 22 27 28 32

und 40

1. Die Regelung im Grundgesetz 2. Die Regelung im Versammlungsgesetz

40 43

B. PUBLIZISTIK DES BILDES

48

I. D a s s t e h e n d e

48

Bildwert und Bildaufgabe Frühformen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Bild im öffentlichen Leben

der Bildpublizistik

(RAINER FABIAN)

( G Ü N T E R HUHNDORF)

Vielfalt der frühen Bildpublizistik Entstehung und Entwicklung des Bilddruckes Das innere Verhältnis von Bild und Text Bilderkampf im Zeitalter der Glaubensspaltung Die frühen Nachrichtenbilder Vorläufer der „Illustrierten"

Die Karikatur

( K U R T REUMANN)

Das Foto als publizistisches

Mittel

1. Die Marktlage des Bildes 2. Geschäft und höherer Auftrag

48 56

56 57 59 60 62 63 65

( F . H . MÖSSLANG)

91

92 93

X

INHALT

3. Berichte im übernationalen Stil 4. Bildredakteur und Bildreporter 5. Bild und Text a) In der Presse b) Im Fernsehen 6. Der Stil der Bilddarbietung 7. Der Mißbrauch 8. Die Farbe Fälschungen, Die Comics: Comics

Fotomontagen, Wesen,

II. D a s

1. 2. 3. 4. 5.

Film: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Formen

f)

105

in den USA ( H . L . SMITH)

116

Bild

127

(Film)

133

(THEO FÜRSTENAU)

133

Film und Wirklichkeit Bedeutung der Montage Das Problem der Distanz Filmsprache Die publizistische Ambition

Geschichte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

und Entwicklung

(RUDOLF STRIETHOLT

( A L F R E D CLEMENS BAUMGÄRTNER)

bewegte

Begriffsbestimmung

Zwischenzeiten

Herkunft

in Deutschland

94 95 97 97 98 101 102 103

134 135 137 139 140

des Films (ENNO PATALAS)

142

Vorgeschichte (bis 1895) 1895—1908 1908—1918 1918—1929 1929—1939 1939—1948 1948—1958 Seit 1958 Organisation

und wirtschaftliche

142 144 147 151 155 159 165 169 Grundlagen

(HORST VON HARTLIEB)



Charakteristische wirtschaftliche Merkmale des Films Organisation der Filmwirtschaft Nationale wirtschaftliche Grundlagen Internationale wirtschaftliche Grundlagen Coproduktion Filmhilfssysteme Konkurrenz zum Fernsehen Spezielle Fragen des deutschen Films der Filmaussage

und ihre publizistische

Wirkung

172 173 174 176 178 180 181 182 (THEO FÜRSTENAU) . . .

Die Formulierungen: a) expressiv — b) impressionistisch — risch •— e) surreal 1. Wirklichkeit und Muster 2. Publizistische Funktionen

172

185

186 c) realistisch —

d) dokumenta189 190

INHALT

XI

3. Propaganda 4. Stoff und Form 5. Die soziale Wirkung Zusammenfassung

Nachrichtenfilme

191 192 193 196

— Wochenschauen

Wirkung und Wirkungsforschung

( W A L T E R MÜLLER-BRINGMANN) ( F R I T Z STÜCKRATH)

1. Wirkungsbereiche 2. Die Problematik 3. Methoden der Filmwirkungsforschung Die Methoden a) expressive und indikative — b) verbale — mentarische — f) Test 4. Ergebnisse der Tatsachenforschung

Filmrecht

198

( H O R S T VON H A R T L I E B )

206

c) darstellende —

e) doku-

206 208 209 209 211 217

1. Begriff und Einteilung 217 2. Öffentliches Filmrecht 218 a) Filmzensur und Filmselbstkontrolle — b) Vergnügungssteuer und Filmbewertung 3. Privates Filmrecht 220 a) Namens- und Persönlichkeitsrecht — b) Filmtitelschutz — c) Filmurheberrecht — d) Filmauswertungsrecht — e) Filmarbeitsrecht

Filmtechnik 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Begriffe Geschichte Film-Aufnahme- und Bearbeitungs-Technik Herstellung eines Spielfilmes mit Ton Elektronische Bildaufzeidinung Beleuchtungstechnik Tridcfilmtechnik Filmwiedergabetechnik

Filmstatistik 1. 2. 3. 4.

C.

(HANS-HERMANN A T O R F )

( G Ö T Z VON PESTALOZZA)

Begriffsbestimmung Geschichte Systematik und Erscheinungsformen Internationale Film-Statistik Statistische Ergebnisse

227

227 227 229 230 232 233 234 238 243

243 243 246 253 255

RUNDFUNK

260

I. H ö r f u n k

260

Begriff und Aussage

(GERHARD ECKERT)

260

XII

INHALT

Geschichte des deutschen Rundfunks

( K A R L HOLZAMER)

266

1. Rundfunk in der Weimarer Republik 2. Der Rundfunk des nationalsozialistischen Regimes 3. Rundfunk in der BRD

266 271 274

Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks

(HANS BRACK)



279

1. Allgemeine Einführung über die Finanzierungsarten des Rundfunks (Hörfunk und Sehfunk) 279 2. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks in Deutschland . . A. Überblick über die Entwicklung B. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland (1968) 1. Ubersicht — 2. Organisation der Rundfunkanstalten — a) öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten — b) öffentlich-rechtliche Bundesrundfunkanstalten — c) einheitliche Grundstruktur der Rundfunkanstalten — d) Organe der Rundfunkanstalten — e) Aufgabe der Rundfunkanstalten — 3. Wirtschaftliche Grundlagen — a) Hörfunkgebühren — b) Werbung — c) Sonstige Einnahmen des Bundeshaushaltes (Bundesrundfunkanstalten) — 4. Gemeinschaftsaufgaben ARD — a) Deutsches Fernsehen — b) Finanzausgleich — c) Institut für Rundfunktechnik — d) Schule für Rundfunktechnik — e) Deutsches Rundfunkarchiv — f) Vertretung in internationalen Rundfunkorganisationen — g) Kurz- und Langwellensendungen — 5. Ausländische Hörfunksender auf Bundesgebiet C. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik

286 286 291

302

3. Internationale Rundfunkorganisationen 303 a) Allgemeines — b) Union der Europäischen Rundfunkorganisationen (UER) — c) Internationale Rundfunk- und Fernsehorganisation (OIRT)

Formen der publizistischen Aussage 1.

2. 3. 4.

Programm und Programmstruktur 1. 2. 3. 4. 5. 6.

(HANS ARNOLD)

Einführung Publizistische Aussage — Vorläufer des Fernsehens — Auftrag Information und Dokumentation Aktuelle Sendungen: Nachrichten — Reportage — Live-Reportage — Zeitversetzte Reportage — Dokumentarsendungen: Das Feature — Historische Dokumentarsendung — Semidokumentation — Andere Formen Belehrung und Erziehung Schulfunk — Belehrende Sendungen Sendungen der Bildung und Erbauung Wissenschaft, epische Literatur, Poesie — Szenische Darstellung — Musik Sendungen der Unterhaltung und Zerstreuung (GERHARD PRAGER)

Übermittlung und Grundgliederung Breitenwirkung Das „Normalprogramm" „Alive" und Konserve Programmrahmen und Sendezeiten Zweite und dritte Programme

309

309 318

326 328 331 333

333 334 335 336 337 337

INHALT

7. 8. 9. 10.

Programmbildende Abteilungen und Ressorts Das Hörspiel und seine Produktion Sprache im Rundfunk Weitere Programmaufgaben Außenstudios — Werbefunk — Verlagerung des Programminteresses

Wirkung 1. 2. 3. 4. 5.

XIII

des Rundfunks

(ELISABETH N O E L L E - N E U M A N N )

Methoden der Wirkungsforschung Rundfunk und Politik Funktionsanalyse Rundfunk als Mittel der Wirklidikeitsfludit und Betäubung? Rundfunk in der Ära des Fernsehens

Das Recht des Rundfunks

338 342 344 344

348

350 353 356 357 358

(Hörrundfunk und Fernsehen)

(GÜNTER B . KRAUSE-ABLASS)

3 6 0

1. Gegenstand 360 2. Bundesrepublik Deutschland 360 Allgemeines — Gesetzestexte — Rundfunkfreiheit — Demokratische Aufgaben — Politische Parteien — Staatsrundfunk — Integrationsanstalten — Staatliche Rundfunkanstalten — Kooperation — Private Rundfunkunternehmen — Ausländische Rundfunkunternehmen —- „Piraten"-Sender — Urheber- und Leistungsschutzrecht — Informationsanspruch — Gegendarstellung — Strafrecht — Zivilrecht — Zeugnisverweigerung, Beschlagnahme — Rundfunkempfang 3. International 377 Allgemeines — Kommunikationsinhalte — Berichtigung — Nachrichtenbeschaffung — Kooperation — Gewährleistung innerstaatlicher Rundfunkfreiheit — „Piraten"-Sender — Störausstrahlungen — Funkordnung — Urheber- und Leistungsschutzrecht — Internationale Rundfunkorganisationen — Vertragsteilnehmerübersichten Rundfunktechnik 1. 2. 3. 4.

(WERNER NESTEL)

388

Technische Grundlagen Funkhaustechnik Programmverteilung Sender

Hörfunk-Statistik

388 390 394 395

(ARTUR JERGER)

399

1. Begriff 2. Geschichte : 3. Arten, Aussagen und Ergebnisse Statistik: Teilnehmer — Sendezeit — Programmzeit—Produktion—Technische Statistiken — Finanz — Verbraucher — Verschiedenes 4. Statistische Vergleiche

399 399 400

II. F e r n s e h e n

409

Begriffsbestimmung

(WOLFGANG

BRUHN)

Begriff und Geschichte des Fernsehens

(KURT W A G E N F Ü H R )

405

409 415

XIV

INHALT

Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens

(HANS B R A C K )

• • 427

1. Einführung 2. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens in Deutschland.. A. Überblick über die Entwicklung B. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland (1968) 1. Übersicht — 2. Organisation der Rundfunkanstalten (Fernsehen) — a) 9 öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten — b) Zweites Deutsches Fernsehen — 3. Wirtschaftliche Grundlagen — a) Fernsehgebühren — b) Werbung — c) Sonstige Einnahmen — 4. Fernsehgemeinsdiaftsaufgaben — a) ARDGemeinsdiaftsprogramm „Deutsches Fernsehen" — b) Vormittagsprogramm ARD/ZDF — c) Fernsehtranskription (TRANS-TEL GmbH) — 5. Ausländische Fernsehsender auf Bundesgebiet C. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens 3. Internationale Rundfunkorganisationen (Fernsehen) a) Allgemeines — b) Union der europäischen Rundfunkorganisationen (UER): Eurovision — c) Internationale Rundfunk- und Fernsehorganisation (OIRT): Intervision — d) Zusammenarbeit zwischen UER und OIRT

Fernsehen: Formen der publizistischen Aussage

(HANS A R N O L D )

(CLEMENS MÜNSTER)

433

440 440

444

Einführung 1. Information und Dokumentation A. Aktuelle oder vorwiegend aktuelle Programme 1. Nachrichten — 2. Die Originalreportage — 3. Die zeitversetzte Originalreportage — 4. Die Filmreportage — 5. Die Originalübertragung — 6. Andere Formen der aktuellen Information — a) Das Statement — b) Das Interview — c) Der „Runde Tisch" — d) Kommentarsendungen B. Dokumentarsendungen 1. Programme mit kritischer oder vorwiegend kritischer Analyse — a) Das Feature — b) Andere Dokumentarsendungen (Das Porträt — Das Fernsehfeuilleton — Wissenschaftliche Dokumentarsendungen — Die Semidokumentation — Das Magazin) C. Die Werbung 2. Bildung und Erbauung A. Darbietungen der Literatur B. Darbietungen der Musik C. Darbietungen pädagogischer Provenienz 3. Unterhaltung A. Unterhaltung durch das Wort B. Unterhaltung durch Musik C. Unterhaltung aus anderen Bereichen

Das Fernsehprogramm: Voraussetzungen und Aufgabe

427 428 428

444 448 448

455

460 460 461 463 464 465 465 467 468

• • 470

1. Voraussetzungen 470 a) Einleitung — b) Herkunft und Unterscheidungen — c) Technische Voraussetzungen — d) Soziologische Voraussetzung 2. Aufgaben der Programmgestaltung 476 a) Teilnahme — b) Unterhaltung 3. Das Programm (Planung) 482 4. Ausblicke und Gefahren 484

XV

INHALT

Wirkung des Fernsehens (ELISABETH NOELLE-NEUMANN) 1. Fernsehen und Jugend 2. Fernsehen und Familie 3. Fernsehen und Demokratie 4. Wirkungen der Fernsehperspektive

487 494 495 499

Fernsehtechnik (UDO BLÄSSEH) 1. Zeilen und Zeilenzahlen 2. Die Fernsehkamera 3. Wiedergabe von Diapositiven 4. Wiedergabe von bewegten Bildern 5. Das Studio 6. Die Regie 7. Der Fernsehsender 8. Der Fernsehempfänger 9. Das Farbfernsehen

501 502 503 504 505 506 507 507 508

486

500

Fernseh-Statistik (ELISABETH BERG und ARTUR JERGER) 511 1. Abgrenzung und Entwicklung 511 2. Arten, Ergebnisse und Aussagen 512 Statistik: a) Teilnehmer — b) Sendezeiten — c) Programme — d) Produktion — e) Finanz — f) Verbrauch — g) Personal — h) Sonstige 3. Statistische Vergleiche 516 4. Ausblick 516 D. PUBLIZISTIK DES THEATERS UND DES LIEDES

520

Theater und theatralische Mittel (JULIANE WEISS) Das Kabarett ( C . WOLFGANG MÜLLER) 1. Frühformen 2. Die Anfänge des Cabarets in Paris 3. Die Anfänge des Kabaretts in Deutschland 4. Publizistischer Prozeß und publizistische Formen

529 530 531 537

Politische Lieder und Dichtungen (GÜNTER KIESLICH) 1. Zur Wesensbestimmung 2. Autoren 3. Typologie der gereimten Publizistik a) Lieder mit lyrischer Grundhaltung b) Lieder mit lyrisch-epischer Grundhaltung c) Reimpublizistik mit epischer Grundhaltung

542 544 546 546 548 550

E. DIE SCHALLPLATTE

551

Schallplatte und Tonband als publizistische Mittel Die Autoren — Biographische Notizen

(JOACHIM VIEDEBANTT)

520 529

542

551

560

Personenregister

568

Sachregister

580

A. Publizistik des gesprochenen W o r t e s

Die Rede EMIL DOVIFAT

1. Wesen - Begriff - Geschichte „Die Weltkraft der Rede ist unermeßlidi. Man kann nicht groß genug von der Rede denken." M A X DESSOIR 1

Die Rede ist immer noch das persönlichste und damit das menschlichste Mittel der Publizistik. Sie ist es vor aller Sensation ihrer elektronischen Verbreitung. Da, wo sie ganz unmittelbar den Menschen anspricht, aus ihrer größten Stärke also, vermag sie Wunder zu tun, Wunder der Vollkommenheit oder der Verworfenheit. Es geht darum, wer spricht und wofür gesprochen wird. Die Rede leiht ihre magische Gewalt dem Höchsten wie dem Niedrigsten. Sie tut das nach Regeln, die in Vielem rätselhaft bleiben, schwer greifbar, unverständlich2. Von der Rhetorik des Aristoteles über Cicero und Quintilian, bis zu den jüngsten demoskopischen Befragungen sind variable und systematische Ratschläge die Fülle ermittelt: Gesetze kaum*. Eben darum steht man der Rede und dem Redner mit Abstand gegenüber, vor allem in Deutschland. Unser Land hat in seiner Geschichte nur sehr wenige Redner entscheidender politischer Kraft gehabt, allerdings einen, der unsagbares DESSOIR, M.: Die Rede als Kunst. München 1. Aufl. 1939, 2. Aufl. 1948. Wenn heute die junge Welt Hitlerreden vom Band hört oder im Film sieht, bleibt ihr völlig unbegreiflich, woher damals die Wirkung kam. Stil und Erfolg jeder Rede sind engstens mit den Zeitumständen verquickt. In keiner politischen Rede darf die Tages-, ja die Stundenbindung fehlen. 3 „Rhetorik wäre eine leichte Kunst, wenn sie sich in Regeln fassen ließe, aber das Hauptanliegen eines Redners muß immer darin bestehen, erfinderisch zu sein, d. h. stets sich wechselnd den Gegebenheiten anpassen." So urteilt der erste Theoretiker der parlamentarischen Rede in England. Vgl. HAMILTON, W. G. (1728—1796). Zur parlamentarischen Logik, Taktik und Rhetorik, übers, von R. V. Mohl. Heidelberg 1924. 1

1

1

Publizistik II

2

EMIL DOVIFAT

Unheil brachte. Vielleicht verfielen ihm gerade darum — wenigstens vorübergehend — Teile unseres Volkes, weil man in der deutschen Geisteshaltung und auch im politischen Alltag, geschweige denn in der Wissenschaft, nie groß von der Rede dachte und noch weniger groß sie einschätzte. Daher war man gegen ihren Mißbrauch auch nicht gefeit und ist ihr in einer entscheidenden Phase der Geschichte zum Opfer gefallen. Der Gründe gibt es viele. Sie sind oft und kritisch genannt: mangelnder demokratischer Geist oder dessen verspätete Entwicklung 4 . Ebenso ist die fehlende Neigung der Deutschen schuld, sich bei der Vertiefung ins Künstlerische, Wissenschaftliche und Religiöse auch der sprachlichen Form anzunehmen, wie sie das Politische erfordert. In romanischen Ländern, vor allem in Frankreich, geschieht das mit leidenschaftlichem Eifer und so belebendem Erfolg, daß man Fragen der Sprache und der Rede als Gewissensfrage nimmt. Auch bei uns gegründete Akademien der Sprache und Dichtung haben bisher das Interesse noch nicht so zünden können, wie es jede sprachliche Wertung der académie Française findet. So ist es denn auch kein Zufall, daß die Lehre der Rhetorik zunächst bei uns abhanden kam. Einst in der Universität des Mittelalters als „Regina artium" eine der sieben freien Künste und nach antikem Vorbild gepflegt, verschob sie sich ins philosophisch-dialektische und endete im 18. Jahrhundert als eine Lehre der literarischen, nicht der publizistischen Form 5 . Die Rede geriet ins „ästhetische Exil"". So wird es verständlich, daß A D A M M Ü L L E R den Dichter S C H I L L E R den größten politischen Redner der Deutschen nennt, was mindestens auch für dessen Darstellung des Politischen gilt. M A X D E S S O I R ( I 1 9 4 8 ) , Professor der Philosophie und Ästhetik, steht im philosophischen Räume mit seinem beinahe festlichen Urteil über die Rede allein. Berühmt ist K A N T ' S verächtliche Deutung der Rede als eine „ . . . hinterlistige Kunst, die Menschen als Maschinen in wichtigen Dingen zu einem Urteil zu bewegen, daß, wenn sie ruhig nachdenken, alles Gewicht bei ihnen verlieren muß 7 ."

4 Vgl. JENS, W.: Von deutscher Rede. Gegeben als Einleitung der Neuherausgabe des immer noch bedeutsamen Werkes über die Rede: ADAM MÜLLER (1779—1829): Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland. Frankfurt 1967. Er geht dem Wesen der Rede und des Redners so auf den Grund, wie das bisher nur in der Redeliteratur anderer Länder geschehen ist. Als Charakter ist A. Müller umstritten, sein Erlebnis der Elemente der Rede sucht heute seinesgleichen. s Einzelheiten bei JENS a.a..O. Bis heute ist in Deutschland nur ein Lehrstuhl für Rhetorik wieder errichtet. (Universität Tübingen.) Inhaber ist Walter Jens. Das Fach Rhetorik wird im übrigen von den Vertretern der wissenschaftlichen Publizistik wahrgenommen. Nicht zu verwechseln ist das Fach mit den Professuren und Lehraufträgen für Sprechtechnik. Sie sind für Sprache und Stimmbildung nidit nur im Künstlerischen, sondern ebenso im Rhetorischen nützlich, befassen sich aber nicht mit der publizistischen Seite. • Vgl. MAGAS, W.: Das öffentliche Schweigen. Antwort auf eine Preisfrage der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung" 1965. Heidelberg 1967. ' KANT, I.: Kritik der Urteilskraft. Teil II.

DIE REDE

3

Audi SCHOPENHAUER glorifiziert die Rede nicht, wenn er sie beinahe technisch deutet: „ . . . mittels Worten den Strom unserer Gedanken in den Kopf von Anderen leiten, mit solcher Gewalt, daß er den ihrer eigenen in seinem Laufe mitfortreißt." Boshaft, wie er sich gibt, hat Schopenhauer dann in seiner „Eristischen Dialektik' alle Finten rhetorischen Mißbrauches analysiert, wie sie sich in einer krakelenden und unwahren Debatte zeigen, mit hämischer Anempfehlung 8 . Audi G O E T H E nimmt von der Rede Abstand: „Die Redekunst ist angewiesen auf alle Vorteile der Poesie, auf alle ihre Rechte; sie bemächtigt sich ihrer und mißbraucht sie, um gewisse sittliche und unsittliche augenblickliche Vorteile im öffentlichen Leben zu erreichen 9 ." Nicht erst seit heute also ist die „Redekunst" bemüht, äußere „augenblickliche Vorteile", z . B . in der kaufmännischen Werbung, zu erreichen. Auch hier wird sie zwar in eindeutig materiellem Interesse, aber oft wirksam eingesetzt. DAL CARNEGIE in seinem witzigen Rede-Buch: „Die Macht der Rede, ihre Geheimnisse und ihre Methoden" erklärt 10 : „ . . . alle meine Kurse haben j a den ganz speziellen Zweck, Ihnen und anderen Geschäftsleuten die Möglichkeit zu geben, auch durch das Mittel der Rede vorwärts zu kommen." In diesem Buche laufen die Regeln und Grundsätze kaufmännischer Absatzkunde durchaus parallel mit den Reden um wichtige politische Aufgaben oder um wissenschaftliche Werte. Die Form und Technik der Rede, gerade auch in ihrer persönlichen Intensität, erlaubt somit den Einsatz auf verschiedenartigsten Böden, ohne darum leere Form zu werden 11 . Im Grunde besteht bis heute der platonisch-aristotelische Streit, ob die Rhetorik eine bloße „Techne", gleich der Kosmetik oder Kochkunst ist (Plato: Gorgias), oder das große, ethische Mittel, Uberzeugungen zu wecken und sie in der öffentlichen Aufgabe, der „Eudämonia", dem Wohlergehen des Volkes, dienstbar zu machen (Aristoteles) 18 . Welches nun auch immer der innere Grund sein mag für Leistung und Wirkung von Rede und Redner, sie sind im Tiefsten kaum erklärbar, weil sie aus unwägbaren menschlichen Voraussetzungen, seelischen, sachlichen, emotionellen, einmal ethischen, einmal diabolischen Kontakten von Mensch zu Mensch sich entfalten. Letztlich ist Rede die Fähigkeit, zwischen dem, der spricht, und dem, der zuhört, den Einklang zu schaffen, der die überzeu8 Abgedruckt bei Frank-Böhringer, B.: Rhetorische Kommunikation. Hamburg 1963. * Maximen und Reflektionen Nr. 800. 10 Deutsch von Weddekop, Zürich 1940. 11 So lächerlich es klingt: es gibt rednerische Naturtalente, die auf öffentlichen Märkten und im Straßenhandel, neuerdings auch vor Warenhäusern und Selbstbedienungsläden billige Waren an den Mann bringen und dabei so schlagkräftig agieren und so viel volkstümliche und witzige Alltagsbeobaditung anbringen, daß der Absatz fließt und mancher Politiker sich solch volkstümlichen Sprecher wünschen möchte. 12 Vgl. dazu die aufschlußreiche Schilderung dieser Gegensätze bei DÜRING, I.: Aristoteles, Darstellung und Interpretation seines Denkens. Heidelberg 1966.

r

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EMIL DOVIFAT

gung weckt und zur Tat führt. Kern der Rede — trotz vielfältiger Abwandlungen — bleibt: „die Überwindung der Zweiheit Redner—Zuhörer zur Einheit des Wollens und Glaubens 18 ." Eine aufmerksame Beobachtung guter Redner, in wirklich gewonnenen Erfolgen, beweist die Richtigkeit dieses Prinzips, wenn es sich auch in der Vielzahl der praktischen Anwendung (Straßenrede, Volksrede, Massenrede, Parlamentsrede, Vortrag, Vorlesung, Referat) sehr verdünnt. Aber immer wird diese Urform spürbar, sobald der Redner sich durchsetzt. Beobachten wir diesen Kernvorgang, herausseziert in nachfolgender Schilderung: D e r R e d n e r h a t d a s W o r t . Es ist stille geworden im Saal oder auf dem Festplatz. Alle Augen wenden sich dem Redner zu. „Incipit actio", würde der Römer sagen. Die Rede hebt an. Der Redner überblickt die Versammlung. Ein Redner, der das vermeidet, der das nicht in Ruhe und Gelassenheit tut, der in sich hineinblickt, statt aus sich heraus, ist kein Redner. Auch der ist kein Redner, der visionär in die Ferne schaut, weil er prophetisch kündet. Heute ganz unmöglich! Ebenso aber auch der andere, der nach unten stiert, weil Lampenfieber ihn erschüttert. Der Redner sieht seinen Zuhörern ins Gesicht. Er konfrontiert sich mit der ganzen Versammlung 14 , er spricht zu allen und spricht zu jedem einzelnen, und j e mehr jeder einzelne sich angesprochen fühlt, um so eher kommt die Rede in Fahrt. Es ist kein Zufall, daß kurzsichtige Menschen, worauf schon Naumann hinweist 15 , selten gute Redner sind. Vor ihnen verschwimmt die Zuhörerschaft, aus der sie die einzelnen doch her- und zu sich heraufholen sollen. Wie immer auch die logische Aufteilung des Stoffes vorgenommen sei (S. 9), die Logik allein macht es nicht. „Nimm den Anfang aus dem besten Marke deiner Sache!" rät Cato. Ein echter Anfang stößt mit wenig Sätzen in das Wesentliche. Vielleicht geht er von einer zunächst flüchtig angebahnten, dann aber zündenden Beobachtung aus, oder mitten in den Stoff führt eine Anekdote, diese Trägerin menschlich-typischer Details, vielleicht gibt es eine Nachricht, die einschlägt. So wird begonnen. Das alte Anschmieren an den Hörer, die aufdringliche „captatio benevolentiae" kommt heute nicht mehr an. Nur den ganz Naiven tut sie wohl. Nichts in der Einleitung sollte gesucht sein. Sie gibt die ehrliche zurückhaltende Darbie1S Vgl. die belegte Definition in Band I des „Handbuches der Publizistik", S. 224 ff. Ebendort ausführliche Literaturangaben. 14 Sehr packend, wie griechische Künstler diese Schau in das Publikum festgehalten haben, z. B. in den Standbildern des Demosthenes, so in der Statue im vatikanischen Museum, ein konzentriert ausblickender Sprecher. Der gleiche Zug, tragisch groß sogar noch in dem halb zerstörten, nur als Torso erhaltenen Kopf des Demosthenes im Nationalmuseum Athen. 15 NAUMANN, F.: Die Kunst der Rede. Berlin 1914. Immer noch das beste deutsche Redebuch.

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tung der Person des Redners. In der Volksrede glückt kein Anfang, der nicht den Redner sofort in die vorderste Linie bringt. Bewußt und allen erkenntlich steht er vor der Front. Aber falsche Forschheit ist für den Anfang fehl am Platze. Der gute Redner zündet mit wenig Sätzen die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Jedenfalls blicken sie auf, und die Blicke finden sich. Der erste Erfolg. Er wird sofort zum nächsten weitergeführt. Der Schritt der Rede wird fester. Der Wille zu fassen, angehört und verstanden zu werden, ergreift den Redner. Im Anlauf kommen geordnet aus langer Arbeitsmühe die Gedanken heran. Er formt und spricht. Er hört seine Stimme, wartet, hört den Klang zurückkommen, horcht auf die eigene Wirkung, fängt sie auf und baut darauf weiter den nächsten, den übernächsten Satz, die Zuhörer immer im Auge. Ein mißtrauisches Gesicht in der zweiten Reihe, ein fades Lächeln auf einer breiten Physiognomie im Hintergrund lassen ihn den Satz wiederholen. Da hat einer nicht verstanden, da will einer nicht verstehen. Der Gedanke wird in neuer Form wiederholt. Einige Gesichter lichten sich. Der Kampf mit den Gleichgültigen beginnt, aus denen zunächst die Mehrheit in offenen politischen Versammlungen sich zusammensetzt, es sei denn, der Redner ist ein weithin berühmter Mann. Ein Zwischenrufer meldet sich, und wird humorvoll überfahren. Durch den Kreis der Zuhörer geht das erste persönliche Fluidum. Der Redner wartet drei, vier Sekunden. Pausen, in denen Gedanken weiterklingen, lassen im Zuhörer die Erkenntnisse aufkeimen, die zu wecken die Kunst der Rede ist, es sei ja eigentlich sein Gedanke, der da hochkommt. Welche Genugtuung, aber schon stößt die Rede wieder vorwärts, zeigt den Gedanken in all seinen Farben, seiner Herkunft, seiner Zukunft. Die Freude an der Sache oder der Widerspruch flammt auf. Die Spannung im Saale steigt, sie teilt sich dem Redner antreibend mit. In wachsender Gemeinsamkeit mit den Zuhörern und unter ihrem Beifall gelingen ihm sprachliche Spitzen, Wortspiele, Bilder, Häufungen, Kernsätze. Er wundert sich, woher das kommt. Auf den Gesichtern liest er Zustimmung, er liegt also richtig. Dann holt er kühn weiter aus. Jetzt hat er sprachlich falsch konstruiert oder ihm fehlt ein Wort. Er stockt, sucht und fühlt, daß die Zuhörer dabei sind, mit ihm zu suchen. Ganz Impulsive halten nicht mehr an sich, rufen zu, sagen vor, so stark ist die Beteiligung. Wieder neue Zuhörer ziehen mit. Eine weiter wachsende Sympathie kommt ihm entgegen, und um so zuversichtlicher drängt von innen her der Stoff, von draußen her angezogen. Er überwindet gelegentlich Stromschnellen, hat aber Mühe, im Getriebe seine Gedankenordnung zu halten, darum sendet er gelegentlich einen Stromarm in ruhiges Land. Eine Anekdote entspannt, eine Polemik löst Lachen aus. In jeder Rede muß einmal gelacht werden. Unter der Wärme der Wechselwirkung und dem Antrieb von nicht mobilisierten Gedankenreserven, kompakt, schreitet die Rede fort. Die Unaufmerksamen, die Skeptiker, die Gleichgültigen, die Abgelenkten erwachen, auch die Opposition ist gespannt, gleich-

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sam sich auszuärgern. Die Einheit der Rede ist da, der Stromkreis Redner—Zuhörer schließt sich. Es ist fast wie ein physischer Vorgang, eine mehr als nur geistige Vereinigung von Redner und Zuhörer, ein fühlbarer Schlag der Herzen, eine Kraft, beiden gemeinsam. Das ist nun der große Augenblick der Rede. Jetzt öffnen sich dem Redner alle Hilfskräfte. Nun hat er die schöne Möglichkeit, alles zu sagen, alles „auszuführen", was gesagt werden soll und entsprechend gründlich und umsichtig vorbereitet ist. Jetzt kann auch das Schwierige angesprochen werden und findet im Gange der Stimmung überzeugend Form, auch das Unbequeme, Unpopuläre kann deutliche Worte finden, findet Zustimmung und Beifall. Es ist der Augenblick, von dem Aristoteles gesagt hat, daß er das „Glaubenerweckende" gelöst (Kap. 2 der „Rhetorik"), daß er für die Überzeugung offen geworden ist. Der Redner spricht kaum mehr allein: die Argumente fließen durch ihn hindurch und werden von unten her in unsichtbaren Wellen ihm wieder zurückgeworfen. Die Rede gewinnt große und natürliche Form, die Teilnahme drängt voller Freiwilligkeit aufwärts. Die Rede steht! Die Einheit des Glaubens und Wollens tritt hervor. Sie verbürgt den Gewinn und ist zugleich dem Redner selbst eine Quelle neuer Erkenntnisse. Weit gehende Perspektiven tun sich ihm auf und bereichern seine Einsichten. Im geschlossenen Stromkreis Zuhörer—Redner beginnt der Höhenweg der rednerischen Aktion. Er muß genutzt werden. Es ist die Stunde, auf die Demosthenes zielt, wenn er drei Mal den „Vortrag", drei Mal ihn immer wieder als die Quelle rednerischer Erfolge bekräftigt hat. Der Vortrag macht freilich, wie der Philister Wagner im „Faust" meint, „des Redners Glück", aber nicht in Wagners Sinn, sondern in der Wahrheit, aus der Faust antwortet. Die Rede siegt, wenn sie „mit urkräftigem Behagen die Herzen aller Hörer zwingt". Das Herz macht den Redner. Der Mund spricht aus seinem Überfluß. In der Stunde der Gemeinschaft Redner—Zuhörer, wenn sie gelingt, gibt es keinen „klugen", keinen „geistreichen", keinen „schönen" Redner mehr: vor dem Zuhörer steht der von seiner Sache ehrlich entflammte Mensch. Der erfahrene Redner nutzt diese Zeit, wenn seine Flamme die andere zündet. Der geniale Redner kann sie über Stunden dehnen. Alle aber wissen, daß sie einmal zu Ende geht und in ihr der große Höhepunkt der Rede die beweiskräftigste Argumentation gefunden und dann zeitig der Übergang zu einem einprägenden Schluß angegangen werden muß. Er meidet vor allem die hier aufkommende Gefahr, im starken Gemeinschaftsgefühl Redner—Zuhörer den klaren Schritt der Rede auf das politische Ziel aufzugeben und in den undisziplinierten Überschwang eines rhetorischen Gefühlsausbruches zu geraten. Da geht dann der Zuhörer plötzlich nicht mehr mit. Der Redner steht isoliert und brennt vor den kühl gewordenen Beobachtern im Feuer seiner Begeisterung aus1". Das " Staatssekretär v. Eckardt („Ein unordentliches Leben") redinet in seinen Lebenserinnerungen (S. 275) THOMAS DEHLER ZU Rednern dieser Art. — Sehr wohl kannten die

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Ende des großen Zusammenklanges, wenn er geglückt ist, sollte mit dem Ende der Rede zusammenfallen. Gelingt das aus diesem oder einem anderen Grunde nicht, so dreht sich die Wirkung in ihr Gegenteil, was denn überhaupt bei jeder Rede so gefährlich nahe ist. Der Redner kommt ins „Schwimmen". Er findet kein Ende, nicht zuletzt, weil der Wunsch, wieder in die gemeinsame Gestaltung zurückzukommen, ihn immer wieder zu neuen Anläufen drängt. Doppelseitig qualvoll, für ihn wie für den Zuhörer. Mit versdiwemmtem Schluß geht das Ganze in den Mißerfolg. Der »große Augenblick" ist keine Theorie. Jeder echte Redner hat das erfahren. Am allerschwersten ist es, ihn als Unbekannter vor einem unbekannten Publikum erkämpfen zu müssen. Darum gerade ist solche Rede die beste Rednerschule. Das Sichdurchsetzenmüssen gegen eine Mauer sturer Widerstände, Mißverstände, Bosheit und Ubeldeutung ist harte, aber heilsame Rednerprobe. Jeder Redner, will er immer wieder verstanden werden, muß sie immer auf's neue gewinnen. Daraus folgert: Jede Rede wird nach Ort, Umständen und Zeitlage immer neu geschaffen werden. Sie kann nicht zweimal gleich gehalten werden, denn die Bedingungen sind immer andere und die Zuhörer sind andere, und erst, wenn sie gewonnen, das heißt von innen her beteiligt sind, steht die Rede. So weit das konstruierte Modell. Sein Sinn sollte sein, den Kernvorgang im Schema zu zeigen. Dieser Kernvorgang ist — was nicht bekräftigt zu werden braucht — in der praktischen Anwendung sehr verschieden, so verschieden, wie die Persönlichkeiten, die auf die Tribüne steigen, nach Art, Haltung, Temperament und Beherrsdiungswille verschieden sind. Der Kernvorgang kann hart hervortreten oder geschickt kaschiert sein, je nach des Redners Individualität. Als Grundtatsache aber, als tragende Form des publizistischen Prozesses ist der Kern unentbehrlich und selbst in den oft grauenvollen Verschandelungen einer rhetorischen Gelegenheit immer noch auffindbar, wie Räder und Triebwerk in einem ausgebrannten Flugzeug. Daß es dem begabten Redner oft überraschend schnell gelingt, den Kernvorgang dieser Gemeinsamkeit Hörer—Redner unmittelbar herzustellen, pflegt man als „das Geheimnis der Rede" zu bezeichnen". Worin aber diese einzigartig zwingende Gewalt liegt, kann niemand erklären. So heißt es von einem der größten englischen Redner, von Gladstone: „Es blieb ein Geheimnis um ihn, das jenseits des Bereiches der Worte liegt18." Griechen solche Gefahr. Vorsichtige, ihres Temperamentes nicht sichere Redner ließen zu ihren Füßen einen Knaben niedersitzen, der leise und dem Redner allein hörbar eine mäßigende Melodie flötete. (Erzählt Quintilian.) 17 Zu diesem .Geheimnis" fragt sachkundig Adam Müller (a.a.O., S. 108): „...aber sollte das Geheimnis der Redekunst wirklich woanders liegen, als in dem Momente, wo sie durch das Ohr in das Herz des Hörers überströmt." 18 Vgl. GAUGER, H.: Die Kunst der politischen Rede in England. Tübingen 1952. Die Verfasserin ist Professor der Anglistik. Im Studium der englischen Redner ist sie dem Wesen der Rede bewundernswert nahe gekommen. Theorie und Systematik der Rede siehe Handbuch I, S. 224 ff. (vgl. auch die Wissenschaft-

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Aus dem Wesenskern ergeben sich nun für die Praxis eine Reihe von N u t z a n w e n d u n g e n . Sie folgen hier, in Einzelheiten auch geschichtlich belegt: a) Die Vorbereitung

und Gliederung der Rede

Erübrigt sich nach dem hier Gesagten nicht jede Vorbereitung der Rede überhaupt? Ist die Rede nicht im Augenblick zu gewinnen, wo sie gehalten wird? Ist sie nicht »die gegenwärtigste aller Künste" 1 '? Wird nicht die Gedankenfolge, ja das Ziel, nach dem berühmten Berichte H. v. Kleist's: „über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" überhaupt erst in der Rede aufsteigen? Nichts wäre für den verantwortungsbewußten Redner gefährlicher, als sich darauf zu verlassen. Es kommt immer darauf an, wie gewappnet, wie vorbereitet er der freien Gestaltung entgegengeht. Trotzdem gilt, so widersprüchlich das auch klingen mag: eine echte Rede kann nicht mit Punkt und Komma, in der Form mit Fleiß und Umstand vorbereitet werden. Aber trotzdem kann die Vorbereitung, auch die aus dem unmittelbaren Leben, gar nicht gründlich und aktiv genug sein, was bei vielen gewissenhaften Rednern (und Predigern) dazu führt, daß sie eine Rede sogar schriftlich fixieren, das Manuskript aber zuhause oder auf dem Pult liegen lassen. Die den wechselnden Situationen angepaßte Form erhält die Rede dann in dem Augenblick, in dem großen Augenblick des Vortrags. Bei den mangelnden Werkstattberichten über die rednerische Vorarbeit sind Erinnerungen sehr aufschlußreich, in denen ein Redner über einen befreundeten anderen schreibt. So zeigt C A R L O S C H M I D , wie Kurt Schumacher 1895—1952 seine Reden, die vor dem Hitlerregime, wie in den Jahren danach wegen ihrer leidenschaftlichen Hingabe an die Sache bedeutend waren, vorbereitete: Kurt Schumacher hat jede seiner Reden sorgfältig vorbereitet. Er hatte immer ein Manuskript vor sich liegen, aber ich habe es nie erlebt, daß er abgelesen hätte. Immer sprach er über das Geschriebene hinweg, aus der Eingebung des Augenblickes heraus, aber diese Eingebung war nie freischwebend, und war nie unkontrolliert: sie war gewissermaßen die Melodie auf dem Grundakkord, der auf dem Manuskript verzeichnet stand. Als ich ihn einmal fragte, warum er, dem doch alles so gegenwärtig sei, sich die Mühe der sorgfältigen Ausarbeitung eines Manuskriptes mache, das er nachher doch nicht vorlese, gab er mir zur Antwort: Er tue das aus Respekt vor den Menschen, die ihm zuhören wollten; denn diese hätten einen Anspruch darauf, mehr als nur gesagt zu bekommen, was lieh gut fundierte Gesamtdarstellung von RITZEL, W.: Zur Phänomenologie der Beredsamkeit. „Publizistik", 2. Jahrg. Heft 4). Die dynamische, immer nach draußen gerichtete, immer aktive Natur der Rede steckt, worauf hingewiesen sei, schon im Begriffsinhalt. Sprachgeschiditlich wird Rede auch als „Rechenschaft" gekennzeichnet, was das Sprachgefühl bestätigt. Bsp.: überreden, anreden, einreden, in Rede stehen, usw. Andererseits gibt es Selbstgespräche, niemals aber Selbstrede. Treffend beweist das SCHROEKS, G.: Die Rede als Lebensform. Bonn 1949. " Vgl. Handbuch I S. 275.

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einem der Augenblick gerade zuwehe, und er tue es um der Wahrheit willen, die es nicht ertrage, weil es bunt schillert. In die Gefahr, etwas Dummes zu sagen, komme man aber leicht, w e n n man sich dem Augenblick und der Stimmung des Saales allein überlasse 20 . Also darf auch eine Rede, soll sie das wirklich sein, niemals abgelesen werden. Redner, die ein vorbereitetes Manuskript vorlesen, stehen wie gefesselt auf der Tribüne. Schrecklicher noch ist die auswendig gelernte Rede. Sie jagt noch dazu dem Zuhörer die Furcht ein, der Redner könnte hängen bleiben, w e n n das „innere Manuskript" verschwimmt 81 . Natürlich ist hier zu unterscheiden zwischen freien politischen Reden und Grundsatz-, Programm- und Staatsreden, die dokumentarischen W e r t haben. Aber auch hier lassen gute Redner sich vom Manuskript, um „im Text" zu bleiben, nur leiten, aber sie sprechen darüber hinweg und halten Verbindung mit den Zuhörern. Mehr noch als der stenographische Bericht erlaubt die Bandaufnahme, später den genauen Text festzuhalten 21 , sie ist daher als bleibender Zeuge nicht in jedem Falle willkommen 2 '. Ein Dispositionszettel24 hält als Gedächtnisstütze die wesentlichsten Gedanken und deren Ordnung fest. Ein Manuskript, aufs Pult gelegt, erschreckt die Zuhörer von vornherein. Der Dispositionszettel k a n n auch wichtige Formulierungen, auf die es ankommt, leicht in W o r t e n fixieren. Das darf bis zur Notiz gutsitzender Pointen gehen. Sie sollten in der Hitze der rednerischen Wechselwirkung nicht in Verlust geraten. Die eiserne, unerschütterlich einzuhaltende Grunddisposition aber sollte auch visuell hervortretend gehalten sein. Wichtiger als diese Äußerlichkeiten sind die inneren Vorbereitungen zur Bewältigung des Stoffes. Sie bedingen harte, ausdauernde Arbeit in der Ermittlung der Tatsachen. Ein Sachkenner weiß sofort, ob der Redner von der Sache etwas versteht oder Schaum um leere Hülsen schlägt. Ist die Substanz gewonnen, bedarf sie f ü r die Rede der anschaulichen Verlebendigung aus Erfahrung 20 Vgl. SCHUMACHER, K.: Reden und Schriften. Berlin 1962. Mit einer Einleitung von Prof. Dr. Karl Schmid: Die Stimme der Nation (S. 13 ff.). 21 Nichts ist übrigens so peinlich, als ein Redner, der nicht weiter kann oder den Faden verliert. Daß dies auch für die Zuhörer immer fatal ist, beweist die rhetorische Gemeinschaft Redner—Zuhörer. 21 Hitler in seinen letzten Kriegsreden zeigte sich auf das Manuskript angewiesen, das — da er keine Brille tragen wollte — mit einer Schreibmaschine hergestellt wurde, deren Typen das 3 Vafache der normalen Größe hatte. a Im alten Tonardiiv des Reichsrundfunks hat Goebbels viele seiner Reden durch Schnitte propagandistisch für die Nachwelt „zurechtmachen" lassen. Stenographische Aufnahmen werden von den Rednern, auch in den Parlamenten, „kosmetisch überarbeitet", also von sprachlichen Unebenheiten gereinigt. Atmosphäre vermögen sie schwer festzuhalten. Filmübertragungen sind meist geschnitten, nur fixierte Ganzübertragungen des Fernsehens sind Spitzendokumente, mit gewissen Vorbehalten. 24 „Zettel", nicht Aktenformat! Der Zettel, leicht aus der Tasche geholt, bezeugt den Zuhörern, daß man vorbereitet ist, sich aber nicht festgelegt hat, nicht entschlossen ist, sie mit festem Menu zu übersättigen, sondern daß noch manches offen ist, für die freie Aussprache.

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und Einfühlung. Gemeint ist nicht die äußere Dekoration der Rede, sondern die natürliche Überzeugungskraft aus dem W e s e n der Sache. Das geschieht bei ernsten Rednern und verpflichtenden Gelegenheiten nur in eigener Denkarbeit bis hin zur meditativen Vertiefung, aus der sich für den Redner, war die Bemühung erfolgreich, eine deutliche Überlegenheit ergibt, der sich auch später die Glaubensbereitschaft der Zuhörer leichter öffnet. Das ist die erste Aufgabe in der Vorbereitung, für die zweite geht es um die menschlich anschauliche Darstellung. Gute Beobachtung, treffende Charakterisierung, Einfühlung, Augen auf in Straßen und Märkten und bei allen politischen und sozialen Vorgängen. Das gibt „Material", Anschaulichkeit, aus der Umwelt („Epideixis") geholte, ins Symbolische gehobene Vorstellung. Sie geben der Rede und ihren logischen Argumenten die menschliche Zustimmung und Wärme. Die Systematiker unter den Rednern vereinigen im Vordenken der Rede eine logische Gliederung mit einer Wirkungsgliederung und lassen sie dann in der Rede „gleich einem Blutkreislauf" ineinander übergehen". Der publizistische Hilfsapparat, der dem arrivierten Redner zur Verfügung steht, gewährt natürlich vereinfachte Materialbeschaffung und eine spezialisierte Vorbereitung. Daß große Parlamentsreden, soweit sie von der Regierungsbank gehalten werden, schon aus staatspolitischen Gründen im Rohstoff von Referenten — die daher ihren Namen haben — erarbeitet sind, sein müssen, bedarf keiner Begründung. Aber der rednerisch begabte Staatsmann wird jeder stofflich fixierten Rede doch sein Naturell aufprägen. Die für große politische Reden oft in der Vorbereitung mitmischenden, sogenannten „Ghostwriters', werden in der Öffentlichkeit sehr überschätzt. Jedenfalls kommen diese fixierten Reden in der Hitze des rednerischen Augenblickes meist in neue und ganz andere Formen. W ä r e es nicht der Fall, wäre das Kernproblem der Rede psychologisch falsch 38 . 25 So CICERO (De Oratore II, LXXVII) „sicut sanguis in corporibus sie illae in perpetuis orationibus fusae esse debebunt". Wie sehr die Alten auf eine sehr gründliche Vorbereitung Wert legten, zeigen die zahlreichen Gliederungsformen des publizistischen Prozesses. Da ist die ciceronische Trias (siehe Handbuch I, S. 224), deren psychologische Steigerung in fünf Entwicklungsphasen. Inventio = Materialsammlung, dispositio = Gliederung, elocutio = Fixierung des Stoffes, memoria = Gedächtniseinprägung. Endlich die actio, die Ausführung, die „Redetat". Weiter unterliegt die Ordnung (ordo) der Rede dem „Exordium", dem „Conciliando" der Trias, dem Erobern des Interesses der Zuhörer, die narratio ist das „docendo", heute würde man sagen, die „story". Confirmatio ist der Sieg der Argumente und Peroratio, die seelische Erschütterung des Redners in der rhetorischen Apotheose am Schluß. Vgl. die übersichtliche Zusammenstellung der antiken Redeformen bei DISCH, U.: Der Redner Mirabeau. Berlin 1965. S. 89 ff. Wie ernsthaft bei den Griechen die harte Vorbereitungsarbeit genommen wurde, zeigen die vor allem von Quintilian berichteten, symbolischen Anekdoten um Demosthenes, der ein Schwert über seine Schultern hing, das Schulterzucken zu vermeiden, der einen Stein in den Mund legte, das „R" auszusprechen und am Meeresufer sprach, mit der Stimme das Geräusch der Wogen zu übertönen. M Beispiele siehe S. 5 ff. Auch die von der SPD im Wahlkampf 1965 in Berlin geschaffene „Formulierungshilfe" hat sich nicht bewährt.

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b) Sprache, Stimme, Gestus Die Sprache der Rede ist in Deutschland Stiefkind der wissenschaftlichen Arbeit. Der Sprache der Dichtung ist man bis in die Geheimnisse der Metrik nachgegangen. Im Drama hat man die letzten Verfeinerungen des Dialogs und seiner Sprache untersucht. Dem Drama der Rede, ihrem sprachlichen Ausdruck und Ablauf hat man bisher kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Aber gerade darin sah die Rhetorik der Antike ihre Größe". Das gesprochene Wort war damals eben das einzige Mittel, das der publizistischen Aufgabe zur Verfügung stand". Schriftliche Fixierung galt in der gelehrten Welt, als bei Plato die Lehre dialogisch, bei Aristoteles peripathetisch (im Umhergehen) betrieben wurde, zunächst nur als eine Art Gedächtnisstütze. Die Klarheit des Wortes, die Geschlossenheit der Sätze, der Rhythmus ihrer Bindung, das ganze Erlebnis der laut gesprochenen Sprache wurde mächtiger und gegenwärtiger Träger des Denkens und Wollens. So wurde sie einem gedächtnisstarken Kopfe eine bleibende Vorstellung, der gegenüber das schriftlich Festgehaltene abfiel1'. Damit kam es auch im Rhetorischen zu einer Kultur, die „aus der Ehrfurcht vor der Sprache", als dem „edelsten Instrument des Geistes" strenge Zucht und Schulung verlangte". „Alle Öffentlichkeit", so sagt Spranger in einem 1942 gehaltenen Vortrag, „beruht auf der Macht der Sprache, alle Macht, auch die politische, bedarf der Macht der Sprache, die überzeugt, überzeugen aber kann nur der, der im echten Sinne überzeugt ist und glaubt. Da liegt das tiefe, ewige Band zwischen dem Ethos der Person und seiner Offenbarung im Reden. Logos und Ethos sind die beiden Grundpfeiler jeder hohen Kultur!" Von solchen Grundsätzen ist in der modernen Redepraxis wenig mehr zu spüren. Wenn die Redeschulen der Griechen neben der „Angemessenheit" auch die „Schönheit' verlangten, bei uns ist nur die Angemessenheit der Sprache als Zweck der Wirkung geblieben. So wird denn die Rede heute, im Gegensatz zu dem ihr früher auferlegten Regelwerk, ausgesprochen individualistisch gehandhabt. Wer redet auch nicht heute alles, aus welchem Herkommen, zu welchem Ziel und gar mit welcher Verbreitung. 87

Daher die eingehende Behandlung in der Redelehre, s. Aristoteles im Buch III der Rhetorik. Ebenso Cicero: De Oratore III, Kap. V. Vgl. D Ü R I N G , Aristoteles a.a.O. S. 149 ff. M Anfänge von Flugblättern und Karikaturen ausgenommen. Vgl. Band I, S. 270 und S. 247. ** G. R O H D E hat das in einem hinterlassenen Aufsatz überzeugend dargestellt. Dort ist auch der schließlich vollzogene Übergang zur schriftlichen Festlegung des Gedankengutes aufgezeigt. Vgl. R O H D E , G.: Interpretationen zur antiken Literatur und Religionsgeschichte. Hrsg. von Irmgard Rohde u. B. Kytzler, Berlin 1963. M Vgl. SPRANGER, E.: „Logos und Ethos, Grundpfeiler einer Nation, in der Rhetorik vereint." Der 1942 gehaltene Vortrag — Text von Spranger dem Verfasser überlassen — ist eine damals kühn gewagte Charakterisierung der skrupellosen Redefeldzüge des Hitlerregimes. Spranger wurde später als Gegner des Regimes lange in Haft gehalten.

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Der rhetorisch Bemühte, kommt er an Fest- und Gedenktagen zu einem Redeauftrag, oder zwingen seine beruflichen Pflichten sie ihm auf, so geht er (meist bewußt) nicht in die große Form. Er spricht, wie es gerade seine Art ist und damit nicht einmal falsch. „ . . . es trägt Verstand und rechter Sinn, mit wenig Kunst sich selber vor" (Goethe, Faust I). Nach solchen Reden und zu solchen Rednern Sprachregeln aufzubauen, ist nicht einfach, ist wohl auch unnütz. Hier wird so viel Flaches produziert, innerlich Gleichgültiges, das den Hörer mißachtet, den Stoff allzu hoch oder zu niedrig wertet. Aber dann freut es, unter vielen Sprechern gelegentlich einen zu finden, der seine Sache, seine Zuhörer und sich selber ernst nimmt, weder überheblich tönt, noch in Gleichgültigkeit seinen Text abrollen läßt. Dabei haben selbst unbedeutende Reden heute oft eine Verbreitung, die früher unvorstellbar war. Die „Beschallung" der Säle treibt auch das unwichtige Wort mit einer den Sprecher oft enthüllenden Tonqualität bis in den fernsten Saalwinkel, auch draußen auf die Gänge, die Garderoben, die Toiletten. Wie unwürdig! Das geschieht häufig in einer niederschmetternden Lautheit, die unerträglich werden kann. Aber die immer abwechslungsfreudige Öffentlichkeit drängt heute sogar von der Rede weg. Man will sie in „aufgelockerte" Formen bringen. Man will diskutieren, vor allem gespannt bleiben, z. B. auch durch eine etwas künstliche Einrichtung mit der pathetischen Bezeichnung eines „Podiumsgespräches*", bei der sich, selbst unter bedeutenden Teilnehmern, auch gute rhetorische Leistung in ein Geplänkel auflöst. Jede Rede soll heute unterhaltend sein. Natürlich muß sie das32. Das kann nun in einer dem Wesen der Rede würdigen Sprache oder auch in Klamauk gesucht werden. Eine sehr erfreuliche Aufnahme in die Rede, vielleicht unter dem Einfluß der Redeformen im Rundfunk", hat der Plauderton gefunden. Er nimmt Distanz vom Pathos, ist eine Domäne oft gemütvollen Ausdrucks und heiterer Gelassenheit. Eben darum ist die Plauderrede von vielen gesucht und immer gefällig aufgenommen worden. Allerdings muß sie Ausdruck einer gereiften Persönlichkeit sein, die innerlich humorvoll ist und nicht auf Kalauer ausgeht, was heute oft als „Lockerung" angesehen wird. Eine geplauderte Rede wäre noch in der zwar gestelzten, aber gedanklich großen Rhetorik der Paulskirche als ein Sakrileg empfunden worden*4. Heute erlebt sie — wo sie gekonnt ist — in 31

Vgl. dazu auch S. 25. CICERO nennt den Witz einen Träger jedes wirksamen rhetorischen Aufbaus, „ . . . suavis autem est et vehementer saepe utilis jocus et facetiae. (De Oratore II, XXXVI). 33 Vgl. Bd. I S. 231 f. 34 K O N R A D ADENAUER, der wahrhaftig kein Rhetor war, eher das Gegenteil, beherrschte mit äußerstem Erfolg die geplauderte Rede. Er kannte kein Pathos, fand aber durch die — oft verhöhnte — Form, kleine Geschichten aneinanderzureihen, aber sie nebeneinander in ihrer Folge zu einem System zu vereinen, große Wertungs- und Wirkungseffekte. Die oft aus dem Alltag gegriffenen Vorfälle und Beispiele, im kölnischen Tonfall erzählt, taten 32

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ihrer menschlich bewegenden Diktion in der angenehmen geistigen Zimmerwärme Erfolge, die früher nur dem großen Rhetor gelangen 85 . Unter den Gesetzen der Massenführung ist das der geistigen Vereinfachung im Rednerischen schon deshalb unentbehrlich, weil die kurze Zeit zwingt, die Argumente in hartem Schnitt auszusprechen. Die Redelehrer raten darum auch zum kurzen Satz. Dem ist für die Rede nicht unbedingt zuzustimmen. Schon Quintilian rät hier ab und spricht von „Mauseschwanzsätzchen". Sie zerhacken den Gedankengang. Da dem Redner — im Gegensatz zu schreibenden Publizisten — die Mittel des stimmlichen Auf- und Abklingens, die Handhabung des Tempos und der Pause gegeben sind, kann ein sauber gebauter, in klares Astwerk aufgegliederter Satz, stimmlich und rhythmisch richtig artikuliert, eine Gedankenfolge als Ganzes großartig beieinander halten. Er kann sie geschlossener fassen, als das eine Mehrzahl abgebrochener Kurzsätze fertig bringt. In solchen Kurzsätzen entstände dann die Kunstform der sogenannten „oratio iiacta", in der meist die Militärs sprechen und mit der Friedrich II. seine Generale anredete. Die Form wurde von einem Nachfahren, dem rednerisch begabten, aber unbeherrschten Kaiser Wilhelm II., höchst unglücklich kopiert 36 . Unentbehrlich ist in der rednerischen Haltung nicht nur die des Plauderns, sondern die immer packende Sicht auf das Menschliche in den Vorgängen. Hier vollzieht sich für den Redner der Anschluß an die Kleinwelt und den Alltag, an alles, wo uns das Hemd näher ist als der Rock. Hier gelten die treffenden Beobachtungen. Unbedingt glaubwürdig, öffnen sie den Weg höher hinauf: ins Allgemeine und damit auf das politische Ziel. Es ist Sprache und Technik des gehobenen Feuilletonismus 37 . Sie gibt kleine Erlebnisse im Schritt der großen Rede. Sie sorgt für die lösende, verweilende, die fruchtbare Pause. Andererseits hat sie das Instrument schlagender Beispiele der Satire, simple Gelegenheiten den Alltag zu politischer Polemik heraufzuspielen. Intellektuelle Kreise tiefere Wirkung als agitatorische oder gar radikale Argumente. Außerdem war Adenauer sehr sachkundig. Auch mit kleinem Vokabular, gerade mit kleinem Vokabular, war er äußerst geschickt in der publizistischen Kunst der Veieiniachung. Er konnte bei Wahlreden bis zu zwei Stunden lang so sprechen und hielt die Hörer in heiterer Grundstimmung in fester Aufmerksamkeit zusammen. Hitler hielt in der berühmten Rede im Zirkus KRONE (1921) vier Stunden lang eine in Haß und Leidenschaft tobende, aber völlig besessene Versammlung zusammen. So weit sind die Grenzen rhetorischen Wirkens gesteckt. 3 5 Vgl. H E I B E R , H . : Die Rhetorik der Paulskirche. Berlin, Dissertation 1953. " Vgl. Wilhelm II, Reden. 4 Bde. Reklam 1 8 9 7 — 1 9 1 3 . NIEMANN, A . Revolution von oben. Berlin 1928. 37 Vgl. DOVIFAT, E.: Zeitungslehre II, Berlin 1967 S. 86 ff. D A V I D L L O Y D G E O R G E , der englische rhetorische Sieger des 1. Weltkrieges, hat seine Reden durch eine liebevolle väterliche Plaudertechnik (a talker heart to heart) gewonnen. Sie trugen dem kleingewachsenen Waliser (the littlest big man) den Beinamen ein: The little Father of the Poor". Mit seinem Redebild des „scrap of paper" (Bethmann-Holweg hatte den Neutralitätsvertrag Belgiens einen „Fetzen Papier" genannt) gab er eine wirksame Kampfparole gegen Deutschland.

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obgleich sie sich zur Elite rechnen, unterliegen ebenso den auf sie berechneten rednerischen Mixturen, hier weniger den erwärmenden als vielmehr den erkältenden Sentimenten ironisch-pointierter und satirisch attakierenden Diktionen unter der publizistisch immer wirksamen Zugkraft der Bosheit. Weiter bewährt sich das Grundgesetz der Wiederholung außerordentlich. Es ist der Gradmesser der Agitationskraft einer Rede, ebenso aber auch eine Probe für die Phantasie des Sprechers, unaufdringlich dasselbe, immer neu eingekleidet, in Fahrt zu setzen. Aber auch sprachlich-rhythmisch bewährt sich dieses Gesetz in dem, was die Alten „Anaphora" und wir den Wellenschlag verwandter Rhythmen, den wiederkehrenden Gleichklang nennen88. Weiter liefert das Sprachgut der Rede, von ihr und für sie geradezu geprägt, das Redebild der Gegenpaarungen, Thesis und Antithesis". Kraß einander gegenübergestellt klären sie die Fronten. Da ist dann noch die Kreuzpaarung quer gegeneinander gestellter Begriffe, nach Art des griechischen „Chi" Chiasmus genannt. Hier bricht der Effekt aus der einfach angenehmen rhythmischen Anbahnung, dann überraschend in die Gegenüberstellung. Fast ist es wie eine Dichtung, nur heftiger und hart im Kontrast40, aber dann überzeugend. Das sprachliche Element der Häufung ist eine weitere, fast organische Technik. Sie kann im Gleichklang, in der Wellenbewegung wiederkehrender Satzformen liegen41. Sehr eindrucksvoll — und als Richtsatz zum Umlauf bestimmt — kann 38 Berühmtestes biblisches Beispiel 1. Kor. 13. Oft zitiert ist Clemenceaus Kriegsrede Juli 1916: Meine Formel ist immer dieselbe: ich führe Krieg. Innenpolitik: ich führe Krieg. Außenpolitik: ich führe Krieg. Rußland verrät uns: ich führe Krieg. Rumänien kapituliert: ich führe Krieg. Ich werde ihn fortführen bis zur letzten Viertelstunde, denn wer die letzte Viertelstunde gewinnt, gewinnt den Siegl Vgl. D O V I F A T , E.: Rede und Redner, Leipzig 1937 S. 117. Ähnlich Churchill in seiner Kriegsrede vom 13. Mai 1940. " BISMARCK: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Blut und Eisen." — K U R T SCHUHMACHER gegen Goebbels (Rede vom 2 3 . 2 . 1 9 3 2 ) : „Abschließend sage ich den Herren Nationalsozialisten: Sie können tun und lassen, was sie wollen, an den Grad unserer Verachtung für sie werden sie niemals heranreichen." — GOEBBELS gegen den Staat von Weimar: „Ihr Herren von der Staatspartei, wo ist denn Euer Staat? Ihr Herren von der Volkspartei, wo ist denn Euer Volk? Am besten hat es das Zentrum. Das beruft sich auf den lieben Gott, das kostet nichts und es kann niemand kontrollieren!" (Sportpalast 1 9 3 2 . ) T H E O D O R H E U S S : Rede für die Männer des 20. Juli: „Die Scham, in die Hitler uns Deutsche gezwungen hatte, wurde durch ihr Blut von besudelten deutschen Namen wieder weggewischt. Das Vermächtnis ist noch in Wirksamkeit, die Verpflichtung aber noch nicht eingelöst." HEUSS, Th.: Die großen Reden. Tübingen 1965. 40 J . F . KENNEDY in seiner Antrittsrede: „Und so, meine amerikanischen Mitbürger, fragt nicht, was euer Land für euch tun wird, fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Meine Mitmenschen in aller Welt, fragt nicht, was Amerika für euch tun wird, sondern fragt, was wir zusammen für die Freiheit tun können." Antrittsbotschaft bei der Amtseinführung: An das amerikanische Volk. ( 2 0 . 1. 1 9 6 1 ) . KENNEDY, J . F . : Amerika in der Welt von morgen. Frankfurt 61. 41 Wie oben gezeigt.

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die Häufung von Beiworten gefaßt werden. Die Fassung kann z. B. in Stabreimen gegeben werden, die die starke Spannung der Sätze unterstützen. Rund um die Welt ist 1940 ein berühmter Satz aus der ersten Kriegsrede Churchills anläßlich der Übernahme der Ministerpräsidentenschaft gegangen. Er kündigt darin die schwersten Sorgen und Lasten dem englischen Volke an (13. 5. 1940): „Ich möchte zum Hause sagen, wie ich zu denen sagte, die dieser Regierung beigetreten sind: .Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß Die diesem Satz kraft seiner Überzeugungsform erwachsene weiteste Verbreitung von Mund zu Mund, gelingt wirklich guten Rednern oder prominenten Sprechern häufiger. Solche Sätze stellen eine Art Konzentrat der Rede dar. Sie sind von starker Gefühlswirkung und also schnellem Umlauf4®. Groß schließlich ist die Kunst des Schlusses, die berühmte Clausula. Eine souveräne Zusammenfassung der Rede in gedächtnishaftenden Formen („unvergeßlich"). Mit unmittelbar politischer Folgerung hat 1789 Mirabeau den Beauftragten des Königs, der befahl, die Stände sollten auseinandergehen, nach Hause geschickt. Kleist schildert den Vorgang: „Ja, mein Herr", wiederholte Mirabeau, „wir haben ihn vernommenl — man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. „Doch was berechtigt Sie" — fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf — „uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation." — Das war es, was er brauchte! „Die Nation gibt Befehle und empfängt keine" — um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen — „und damit ich midi Ihnen ganz deutlich erkläre," — und erst jetzt findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: „So sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden." Eine ethisch einzigartige Clausula bietet Kennedy im Schlußsatz seiner Antrittsrede (Januar 1961): „Und schließlich: ob Ihr Bürger Amerikas oder anderer Länder der Welt seid — verlangt von uns das gleiche Maß an Stärke und an Opfern, das wir von Euch verlangen. Mit unserem guten Gewissen als dem einzigen sicheren Lohn, und der Geschichte als dem Richter unserer Taten, laßt 42

H. GAUGER hat in ihrem Buch „Die Kunst der politischen Rede in England" S. 221 f. auf die englische, in diesem Satze wirksame Einsilbigkeit der Worte und die Explosivwirkung des wiederkehrenden Lautes „t" hingewiesen. Eine den Redner vielleicht befremdende Einzelanalyse. Ich zweifle nicht an ihrer Wirksamkeit, mindestens aus dem Unbewußten, das bei so manchen rhetorischen Erfolgen Ursache ist. Hier ist die Häufung: „blood, toil, tears and sweat". 45 Ceterum censeo Cartaginem esse delendam (Cato). — „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders, Gott helfe mirl Amen! (Luther auf dem Reichstag zu Worms). — „Herrlichen Zeiten führe ich Euch entgegen" (Wilh. II an die Brandenburger 1897) — „To make the world safe for democracy" (Wilson 1918) — „Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt" (Scheidemann bei der Ausrufung der Republik 1918) — „ . . . und so gehe dieses Land und Volk in das nächste Jahrtausend" (Hitler, Nürnberg 1939) — „Schaut auf diese Stadt" (Große Berlinrede Ernst Reuters 1948) — „Ich bin ein Berliner" (Kennedy vor dem Rathaus in W-Berlin 1963).

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uns das Land führen, laßt uns um Gottes Segen und seine Hilfe bitten — denn wir wissen, daß hier auf Erden Gottes Werk wahrhaft unser eigenes W e r k sein muß44!" Es gibt steigende — wie in den hier genannten Redestellen —, es gibt fallende Schlüsse, die von der Höhe herunterkommen und leichte Resignation oder auch ruhige feste Zuversicht zeigen in schwer gemauerten Sätzen; so das Ende der Rede Churchills vom 13. Mai 1940: „We shall not fail or falter, we shall not weaken or tire 45 ." Stimme, Stimmstärke und Schönheit der Stimme und alle dazu nötige Mühe und Pflege sind seit der Erfindung des Mikrophons und der Lautsprecher kein Problem mehr. Doch sind sie als solche kaum erkannt, während in der Antike Lautheit und Tragkraft der Stimme die große Schwierigkeit war. Der Redner widmete ihr eine regelmäßige Übung, die beinahe artistische Leistungen möglich machte. Doch nahmen auch die Architekten, die Erbauer der Zirkusrunden und der Marktplätze Rücksicht auf akustische Echoleistungen. — Die Individualisierung der Rede und gleichzeitig ihre technische Verbreitung hat auch die Sprache ihrer antiken Voraussetzung — der Schönheit — entkleidet. Die Lautheit ersetzt das Mikrophon mit seiner für das geschulte Ohr oft schwer erträglichen Tonstärke, dafür aber mit einer manches Mal dem Hörer sehr willkommenen Charakterwahrheit. Das Werkzeug, die Stimme, spricht für oder gegen den Träger, ähnlich wie die Züge des Gesichtes oder der Schrift. Natürlich ist ein orgelnder Baß (Briand) oder ein metallener Tenor (Stresemann) schöner als eine vermeckerte Stimme im Krakel. Es hat große Redner mit schwachen, dünnen Stimmen gegeben. BISMARCKS Stimme war voller asthmatischer Geräusche („fipsich"). Die scharfe Schreistimme ROBESPIERRES ist oft beschrieben worden. M I R A B E A U S klingende, unsagbar schmeichelnde Stimme war so voll Fülle und Wärme, daß die Leute sich an den Türen drängten, ihm zu lauschen. H I T L E R S immer übersdirieene Stimme fand — schwer verständlich — begeisterte Hörer, aber auch grimme Verächter. G O E B B E L S konnte in einen sammetweichen Ton geraten, dann wieder schneidend scharf sein, im tiefsten verletzend. Während man im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts dazu neigte, dem Redner die „deutsche Hochsprache" abzuverlangen, wie sie der Schauspieler lernt und beherrschen muß, ist, Gott sei Dank, jetzt der Dialektklang, die deutliche Mundart bei vielen Rednern durchgebrochen und ohne Manier natürlich angewandt. Dadurch weiß man nach wenigen Sätzen, wo einer herkommt. Das gibt dem Sprecher sofort eine Heimatbindung, die ihm — je nach Mundart und der Sprachfärbung — Sympathien einbringt und der Sache zugute kommt 46 . Sie trägt auch zur Natürlichkeit bei, die jedem Redner gut ansteht 47 . 44

Text v. Manuskript Kennedy a.a.O. S. 11.

45

GAUGER, H . : a . a . O . S . 2 2 3 .

46

Vgl. hierzu und zum Folgenden die ausführlichen und praktisch wichtigen Ausführungen bei BIEHLE, H.: Redetechnik, Einführung in die Rhetorik. Berlin 1968, Sammlung

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Auch Gebärde und Mienenspiel sollten Natürlichkeit zeigen und jede Ubertreibung meiden. Doch hier ist heute auch alles individuell verschieden. Die hohe pathetische Gebärde vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende ist überwunden. Ob auf immer, wer weiß das? Genaueste Vorschriften hielten den griechischen und anfangs auch den römischen Redner in strenger, bei Unbegabten sicher oft starren Haltung. Der Faltenwurf der Toga war ebenso vorgeschrieben wie die Bewegung der Arme und Hände: Klarheit, Angemessenheit, Schönheit waren die Grundlagen der rednerischen Schulung auch in der Körperhaltung. Der Redner stand nicht, er schritt auf und ab. Die Rostra auf dem Forum Romanum war ca. 30 m lang. Das Altertum kannte Gesten von symbolischer Anschaulichkeit. Man denke an die berühmte Rede jenes römischen Gesandten im karthagischen Senat, der die Toga gleich zwei großen Schalen faltete: „Hier bringe ich euch beides. Krieg oder Frieden, wählet!" In Tränen oder Schmach zerriß der Redner das Gewand, er streute büßend Asche auf sein Haupt. Er weinte. Noch bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein war es durchaus möglich, daß der Redner weinte. Auch die Zuhörer weinten. Damals! Hatte der Redner mit seinem Wort gesiegt, ging er erschüttert die Treppe der Tribüne herab, seine Freunde umarmten ihn regelrecht und lange, alle der Reihe nach. Derartiges ist heute unvorstellbar. Ein herzlicher Händedruck wird heute fast schon verschämt gegeben. Es wirkt sofort peinlich, strecken sich viele Hände dem Redner entgegen. In den romanischen Ländern und neuerdings bei den Sowjets bleibt der Gestus der Accolade des Grußkusses in knapp angedeuteter Umarmung. Das allein ist von den großen Dankesgesten vergangener Jahrhunderte geblieben. Nur der Autogrammjäger ist eine neue Erscheinung. Zur Gebärde im Einzelnen: Es gibt lebhafte Sprecher, die mit dem ganzen Körper den Gang der Worte gleichsam vorbereiten und dann noch einmal nachspielend begleiten. Es gibt Redner, die nicht ruhig stehen können, andere, die eisern stillhalten, mit wenigen großen, fast cäsarischen Bewegungen ihr Wort begleiten. Jeder Redner soll die Bewegungen nutzen, die ebenso wie seine Worte im entscheidenden Augenblick aus ihm herausdrängen. Aber ebenso wie das Göschen, sowie WELLER, M.: Das Buch der Redekunst. Die Macht des gesprochenen Wortes in Wirtschaft und Technik und Politik. Düsseldorf und Wien 1967. — Zur Rhetorik der Antike vgl.: CLAKKE, M. L . : Die Rhetorik bei den Römern. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Dodchorn. Göttingen 1968. 47 Nicht jeder Redner besitzt die Sprache als eine unverdorbene Naturgabe. Oft hat die Sprache Fehler. Sie sind teils leicht abstellbar, teils erst durch eiserne Ausdauer zu überwinden. Sie können in der Atemtechnik, auch in der Tonbildung und schließlich in der Artikulation liegen. Hier kann vieles durch Fleiß und Übung gebessert werden (vgl. die überzeugenden Argumente bei Weiler a.a.O., Abt. A I, S. 15—69). Wer mit solcher Intensität an sich und seiner Stimme gearbeitet hat, sollte nur auf der Hut sein, die in den Ubungsproben oft noch merklich gewollte Sprach- und Sprechstellung mit in die Praxis zu nehmen. Hier müssen die gelernten Techniken zu neuem, jetzt natürlichen Wuchs führen und von der gesunden Rede verschlungen werden, sonst entsteht der immer noch größte Fehler rednerischer Sprache: unnatürlich zu sein. 2 Publizistik II

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Wort des Redners nie seiner Macht entgleitet, soll er jede Geste zügeln und sie in ihren Grenzen halten. Es hat jeder Redner die Gebärden, die ihn kennzeichnen. Der große Redner ist ein Meister ihres Einsatzes. Er kann minutenlang stille, fast steif stehen und dann plötzlich einen Satz, auf den es ihm ankommt, mit einer geradezu körperlichen Gebärde herausbringen. Kleine Redner, gutmeinende, denen die Leidenschaft im Nacken sitzt, die aber innerlich ohne die große Schau sind und die Übersicht verloren und die Selbstbeobachtung aufgesteckt haben, geraten vielfach ins Zappeln. Audi hier wieder, wie sooft in der Rede, stoßen wir auf die fatale Nähe des Komischen. Mindestens sollte jeder, der es unternimmt, eine Rede mit Gebärden zu begleiten, die Oberarme vom Körper lösen, um nicht mit den Unterarmen allein jene hackenden Bewegungen zu machen, die immer kleinlich und lächerlich sind. Aber auch der losgelöste Arm darf nicht so geschwungen werden, als trüge der Redner Flügel und bewege sie. Audi nicht jene kreisrunden Bogenzüge darf er zeigen, mit denen eine Primadonna singt. Rückkehr zu Sammlung und Ruhe nach jeder Gebärde ist ratsam. Nie verweile der Redner länger in einer Gestenstellung, vor allem nicht in der lehrhaften, mit warnendem Zeigefinger. J e wirksamer die Geste sein mag, um so schneller wird sie durch die nachfolgende und bald wieder durch die Ruhe abgelöst. Der Redner braucht immer wieder seine Ausgangsstellung, in der er fest und sicher verharren kann. Sie soll Ausdruck seiner trotz allem ganz in sich ruhenden inneren Kraft und Sicherheit sein. Eine kurze Betrachtung noch über die Frau als Rednerin. — Die Geschichte kennt Frauen von großer politischer Leistung. Die Geschichte kennt nicht eine einzige große Rednerin. Der Grund ist sehr natürlich. Jede echte Rede ist eine starke Preisgabe innerster Kräfte für eine leidenschaftlich verfoditene Sache. Frauen aber wollen wir öffentlich so nicht sehen, und viele Frauen sich selber so auch nicht! Irgendwie verletzt uns das. Nicht aus Unehre oder mangelnder Achtung, sondern aus Ehre und Schutz für die Frau. Sobald die Frau Vortragende und nicht Rednerin ist oder rein lehrend spricht, kommt sie zu guten, lehrend sogar oft zu ganz ausgezeichneten Erfolgen, die die des Mannes oft übertreffen. Als Vortragende also kann sie, wenn sie in ihrer Art bleibt, Hervorragendes schaffen, als Rednerin kommt sie selten zu genialen Leistungen, wenngleich im letzten Jahrzehnt eine Reihe von Parlamentarierinnen, sei es in der mütterlichen, sei es in der mondänen Linie, Erfolge gezeitigt haben. Auch andere Gründe als nur die der seelischen Zurückhaltung sind die Ursache unausgeglichener Leistung. Ist die Frau fraulich reizvoll, so wird, wollen oder nicht, ein guter Teil der Männer sie zunächst von dieser Seite werten. Ist sie fraulich neutral oder vielleicht von der Natur weniger bevorzugt, so ist das für die Zuhörer Anlaß, es umgekehrt zu wünschen oder ärgerlich zu sein, daß es nicht so ist. (Von der Sachlichkeit der Hörer sollte der Redner nie etwas erwarten.) Jedenfalls wird in beiden Fällen der Rede Abbruch getan. Auch die Stimme der Frau ist rednerisch ungünstig. In der Erregung wird sie spitz, überschlägt sich, und die Leute lachen.

DIE REDE

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Frauen in fanatischen Reden sind abstoßend und höchst unerfreulich. Im eigenen Interesse also sollte die Frau sich hier ihrer Grenzen bewußt sein, denen in anderen rednerischen Gebieten große Vorzüge gegeben sind. Zum Abschluß dieser Darlegungen über die Theorie und Praxis der Rede kehren wir zurück zu ihrer in Darbietung und Wirkung im Grunde rational kaum klarzulegenden Natur. Besser, als das vielleicht, wie hier versucht, vom Publizistischen erkannt werden kann, hat H I L D E G A R T G A U G E R — nach jahrzehntelangem Studium der großen, an Genies reichen Redegeschichte Englands — das gesehen, ohne daß sie je in der Praxis gearbeitet hätte. Die tiefsten Ergebnisse ihrer Arbeit über die sachliche und persönliche Seite der Redekunst hat sie in einigen Schlußsätzen zusammengefaßt. Sie stellen auch die diesem Kapitel voraufgesetzten Gedanken Dessoirs in neue Sicht48. „In ihren letzten Gründen ist die Beredsamkeit weder lehrbar noch erklärbar, wie die menschliche Natur selbst, deren Ausdruck sie ist. In ihrer höchsten Form scheint sie wie das Hereingreifen übermenschlicher Mächte in das Leben der Menschen. Eine solche Beredsamkeit vermittelt ein Wissen um das, was in den Kreis der unwägbaren und nicht zu beredenden Dinge gehört. Hier spricht man mit Recht von der Keuschheit der Beredsamkeit, deren Größe im freiwilligen Verzicht liegt. Hinter den Worten bleibt eine W e l t des Schweigens und der Enthaltsamkeit fühlbar. „Wer das Reden verstehen will, muß um das Schweigen wissen." Selbst über den wortreichen Gladstone ist gesagt worden, daß er „ebensoviel verschlossen bewahrte als er so freiwillig ausgab". W e r den Älteren Pitt hörte, wußte zwar, daß er ein Meister des Wortes war. Worin aber die einzigartige, menschenbezwingende Gewalt lag, das konnte niemand erklären. Es blieb ein Geheimnis um ihn, das jenseits des Bereiches der Worte liegt."

c)

Randgebiete

Rhetorisch mitbedingt und beeinflußt sind V o r l e s u n g , V o r t r a g , R e ferat. Der Vortrag trägt, schon dem Namen nach, ein festes Thema vor. Es fehlt die der guten Rede eigene Gemeinsamkeit im Erarbeiten und Erleben einer Aufgabe. Die Themen sind fachlicher Art, wissenschaftlich, wirtschaftlich, kulturell, auch — gezügelt — politisch. Ein Vortrag, der etwa mit rhetorischer Vehemenz auf das Publikum losginge, ließe das Publikum in die Reserve zurückweichen. Man ist nicht gekommen, sich anreden, sich anpacken zu lassen. Man möchte etwas vorgelegt bekommen. Haß und Liebe, Neigungen und Abneigungen, die den Rednern die Säle füllen, stehen im Vortrag weit zurück, jedenfalls sind sie nicht in Sicht. Man will den Stoff des angekündigten Themas zwar aufnahmebereit, aber auch

48

2'

GAUGER, H . : a.a.O. S. 171.

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mit kritischer Neigung entgegennehmen. Aussprachen, wenn sie angekündigt sind, gehen mehr auf Fragestellungen aus. Sie können herausfordernd sein, meist aber mehr im Sachlichen, als im Unterschied der Meinungen. Dennoch kann gespannte Problematik doch die Meinungen wach rütteln. Da zeigt sich dann das publizistische Element, eingebettet allerdings in beruhigende Formen. Nicht Drama ist der Vortrag, aber doch Epos, ein breiter Strom, auf dem die Schiffe sicher einherziehen. Publizistischem Meinungsstreit kann so Munition geliefert werden. Gute Vorträge sind Rüstkammern späterer rednerischer Zusammenstöße". Leider ist der Vortrag in Deutschland wenig gepflegt. Innere Stoffversessenheit, blinde Egozentrik, Überschätzung eigener Arbeitsergebnisse, schwerverständliche Sprache in ausgefallenem und hochgestelztem Vokabular lähmen oft ganze Reihen von Zuhörern, die sich freilich nicht getrauen, dem als «streng wissenschaftlich" bekannten Sprecher das Zuhören zu versagen. Sie spenden ihm sogar Beifall: Vorträge für den Vortragenden, nicht für den Zuhörer gesprochen. Eine Stunde peinlicher geistiger Inzucht, in der angesichts von Namen und Rang des Vortragenden selbst in der Presse das wahre Urteil nicht zutage tritt. Aber der gute Vortrag bleibt, auch publizistisch, eine ausgezeichnete Sache. Er trägt das Glück, die Befriedigung aller Lehre in sich, einen Tatbestand überzeugend, anschaulich und zuverlässig übermittelt zu haben, dem Zuhörer zu Besitz gegeben. Bis zum Tonfall und Spradirhythnms, der bei guten Vortragenden lange im Ohr bleibt, schafft er Vorstellungen, die weiterwirken. Die Vorbereitung des guten Vortrags heißt zunächst Abstandnehmen von der Stoffüberfülle, Loslösen von aller Verliebtheit in die Details, klarer, sparsamer, deutlicher Gedankenaufbau, dessen Struktur dem Zuhörer in der Einleitung mitgeteilt und dann auch gewissenhaft innegehalten werden sollte. Dies zu leisten, fordert gründliches Nachdenken nicht in der geliebten Sache, sondern im Bemühen um ihre Form, bis schließlich die Grundkonstruktion steht. Rhetorischer Schmuck (geplauderte Einlagen, heitere Aspekte, Bekenntnis und Warnung vor Irrwegen, Anekdoten) soll sein, aber ohne je den festen Gang des Gedankenwerkes aufzuhalten. Ist der Zuhörer in der Rede ein Kampfgefährte, — im Vortrag sind beide Wanderer. Am Orte der Ankunft blickt man gemeinsam zurück. Hier in gemauerten Sätzen zusammenzufassen und aus dem Rückblick den Ausblick bieten, heißt dauerhaft arbeiten. Jeder, der um den Vortrag ringt, also um dessen Form (die Güte des Sachinhaltes immer vorausgesetzt), wird Erfolg haben. " Natürlich gibt es Sprecher, die Vorträge wie kleine Einmanntheater aufziehen. Das tat z. B. MAXIMILIAN HARDEN, vielleicht der zugkräftigste Vortragende um die Jahrhundertwende. Er erschien in Frack mit weißer Nelke im Knopfloch und hellen Glacés. Er saß angestrahlt an einem kleinen Tischchen vor dem Bühnenvorhang. Seine Themen rollte er in einem selbstabgefaßten Dialog ab. Markante Pausen gab es zwischen der Szenenfolge. Eine Komödie, die heute unerträglich wäre. Gänzlich anders, aber ebenso sensationell sprach als Vortragender KARL KRAUS, der .Fackelkraus", in Wien, der durch eine außergewöhnliche Kultur seiner Sprache fesselnd war bis zum Letzten.

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Es ist eine Genugtuung für den Vortragenden, wenn nach Jahren noch sich ein Zuhörer meldet und sagt: das haben wir damals begriffen, so haben wir es festgehalten. Die Vorlesung ist die akademische Form der Wissensübertragung. Der Begriff wurzelt noch in der Zeit, da das Fehlen von Lehrbüchern den ganzen Stoff zu „verlesen" zwang. Die Vorlesung kann ausschließlich Wissen übertragen. Manchen Studierenden ist das gar nicht unangenehm. Geschwänzte Kollegs können schneller nachgearbeitet werden. Die Ausgabe von Druckbogen steigert diese bequeme Möglichkeit. Aber der akademischen Verpflichtung entspricht es eigentlich doch auch, die Stoffübermittlung aus einer inneren Beteiligung und Gesinnung zu leisten. Das ist in allen Fächern, in den geisteswissenschaftlichen ganz besonders, notwendig und möglich. Eine eigentliche Universitätsdidaktik ist erst in Entwicklung. Die ausgesprochene Individualität und Stoffversessenheit vieler Professoren hat die Vorlesungsform sehr verschieden gehalten. Es hat immer Universitätslehrer gegeben, die ihre „Perlen nicht vor die Säue warfen", also stolz waren, wenn ihren Worten nur mit äußerster Aufmerksamkeit zu folgen war und sie das Hören so schwer wie möglich machten. Andere — deswegen oft bekämpft — mühten sich, klar, überzeugend und werbend zu sprechen". Die stark publizistisdien Wirkungsgrade solcher Vorlesungen brauchen kaum belegt zu werden, weder in der Geschichte (Fichte, Hegel, Görres, Ranke, Nietzsche, Sybel, Treitsdike, Virchow, Harnadc und viele andere), noch in der Gegenwart, wo ganze Gruppen und Teile der Hochschulen sich bestimmten politischen, z. T. sehr radikalen Richtungen zubewegen". Versuche, die Vorlesungen in Zwiesprache und Aussprache aufzulösen, wie das in Seminaren üblich ist und in der Antike die Lehrform war, sind oft gemacht worden, aber bisher immer schwer durchzusetzen gewesen. Die Zurückhaltung der Studenten, zumal bei sehr dichtbesetzten Kollegs, hinderten den freien Fluß, den eine Aussprache fordert. Mit den stark im Wandel begriffenen akademischen Lehrformen wird sich auch dieses ändern. Das wäre gut und richtig, setzt aber voraus, daß der akademischen Pädagogik Lehrer erwachsen, denen auch in dieser erleichterten Form die systematische Übertragung eines Fachwissens gelingt, so daß gediegene Substanz bleibt. Das Referat ist seinem Wortsinn entsprechend die unpersönlichste aller gesprochenen Formen. „Relata referro"! Das Referat ist Bericht, nicht eigene individuelle Leistung, sondern Wiedergabe, Aufreihung festgestellter Tatsachen, im Gegensatz zum Vortrag, der eigenes, jedenfalls wertendes Urteil bringt. Nur die 80 „Eine Sache ganz besitzen, heißt, sie klar lehren zu können" (Aristoteles, Rhetorik). Dem Verfasser bleiben die Vorlesungen WILHELM W U N D T S unvergeßlich, den er 1912 an der Universität Leipzig hörte. Wundt, damals 80 Jahre und erblindet, sprach eine Stunde lang völlig frei und aus innerster Anteilnahme an seinem Stoff. 51 über dies Verfahren unter dem Hitlerregime vgl. Bd. I, S. 82.

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gedankenlose Verwechslung der Begriffe hat dazu geführt, daß der Begriff „Referat" dem des „Vortrags" heute oft gleichgesetzt wird.

2. D a s g e s p r o c h e n e Wort in den K u n d g e b u n g s f o r m e n Straßenrede, elektronischen

Versammlungsrede,

Parlamentsrede,

Konferenzrede,

Rede

in

den

Mitteln. — Die Predigt.

Im Süden sprach man und spricht man unter freiem Himmel. W e r in Athen den Platz der ehemaligen Agora aufsucht5*, begreift noch in den Trümmern, wie dieses Licht, diese Weite des Platzes und der Landschaft die Ereignisse gehoben haben. Auch die auf Echoakustik erbauten antiken Stadien, die kreisförmig oder oval den Sprecher umgaben und die Zuhörerschaft sich immer selbst zum Bewußtsein kommen ließen, boten großartige rhetorische Möglichkeiten. Die an heutigen Maßen gemessen verhältnismäßig kleine Zahl der Zuhörer war stimmlich zu erreichen. Der heutigen Großkundgebung erlaubt die moderne Lautsprecheranlage, praktisch eine unbegrenzte Zahl von Zuhörern anzusprechen, jedenfalls in einem dazu vorbereiteten Räume unter freiem Himmel. Er muß deutlich abgegrenzt sein, er muß zusammenfassen. Er bedarf einer Front, eines durch ein Bauwerk oder einen Aufbau gegebenen zentralen Punktes, dem Blick der Massen von jedem Punkte erreichbar (Märkte, Plätze, Felder) 53 . Künstlich geschaffene Plätze, wie M Wer im heutigen Rom auf dem Forum den Stand der Redebühne, der Rostra, findet, wird enttäuscht. Durch die moderne Entwicklung Roms, die Hebung des das Forum umgebenden Straßenniveaus, scheint der einst so weite Versammlungsplatz versunken. 58 Beispiele: Der Platz vor dem Reichstag in Westberlin hat bei besonderen Ereignissen bis zu 700 000 Teilnehmer geschlossen umfaßt. Er ist der größte seiner Art in Deutschland. In Washington gibt der Platz um das Lincoln Memorial-Monument eine imponierende Kundgebungsstätte, in London der Trafalger Square, in Wien der Ballhausplatz u. a. mehr. Das NS-Regime hatte für seine Bauernkundgebungen den Bückeberg (bei Hameln) gewählt. Die zum Teil durch Enthusiasmus, zum Teil zwangsweise zusammengerufenen Bauern standen von der Höhe zum Tal abwärts. Zwischen ihnen führte eine schmale Gasse, die Hitler zu seiner Rede durch die Massen nach oben ging. — Dieser Weg „durch die Masse" ist ein alter Trick der Massenveranstaltungen. Trotzki berichtet in seiner Geschichte der Russischen Revolution, daß er für Lenin jeweils „den Weg durch die Masse" vorbereitete. Totalitäre Mächte sind auf Demonstrationsplätze besonders aus. Berühmt und eindrucksstark ist der Platz vor der Kremlmauer in Moskau. Hitler plante für das heute mit Wohnungen besiedelte „Parteitagsgelände" in Nürnberg ein gedecktes Stadion für 400 000 und einen Aufmarschplatz für eine Million Menschen. In Ostberlin sind der Lustgarten und der Platz des alten Schlosses zu einem Kundgebungsplatz applaniert worden, dem in einer Tribüne eine „Stirnseite" gegeben ist. Rotchina übertrifft in seinen Demonstrationen zur „Kulturrevolution" bei weitem jede bisherige Vorstellung. Hier treten 1—l'/a Millionen Menschen aktiv auf. Alle, einheitlich in wenige, scharf abgesetzte Farben gekleidet, führen symbolische Spiele auf. Hunderttausende verharren als lebendige Plakate, die in Weiß auf roter Basis (von lauter Menschen gebildet) patriotische und revolutionäre Sprüche Mao's darstellen. Vgl. „China im Bild" 1965, Nr. 12 sowie 1966 Nr. 9 und Beilage zum 18. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik.

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sie bei Großtagungen gelegentlich gerichtet werden, lassen es schwer zu einer Stimmung kommen, bis der Ort Tradition hat. Rotchina stellt heute für Millionen gemeinsam aktiver Spieler und Zuschauer Kundgebungsplätze in Quadratkilometern bereit. Die Rede in der Großkundgebung bedarf des ruhig und deutlich akzentuierten Wortes. Sie verlangt aber, soll sie Tausende zurAufmerksamkeit zwingen, innere Beteiligung des Redners und starke nervliche Anstrengung. Bei der notwendig weiten Entfernung von dem überwiegenden Teil der Masse entfallen die zur eigentlichen Rede gehörigen persönlichen Einwirkungen. Der Widerspruch zwischen einem oft unabgestimmten, kratzenden Lautsprecher und der oft nur sehr winzig zu sehenden Figur des Redners nimmt dem Einzelnen in der Masse leicht die Illusion, es sei denn, es geht um außerordentliche Ereignisse und Sprecher 54 . Das Gelingen einer Rede innerhalb einer Großkundgebung im Freien erfordert immer gründlich geplante und meist auch kostspielige Vorbereitungen. Nicht vergessen sei im Zeitalter der Lautsprecher die akustisch unbestückte Straßenrede; sie hat eine große Geschichte. Neuerdings kommt sie wieder auf, seit die radikalen Gruppen „auf die Straße gehen" 65 und aus dem Demonstrationszug zur „Diskussion" mit der Bevölkerung sozusagen „ausschwärmen". Es bilden sich kleine Diskussionsgruppen, in denen längere Reden kaum möglich sind, aber kurze schlagende Ansprachen außerordentlicher Temperamente Debatten ankurbeln 56 . Sonst hat die Straßenrede ohne festes Publikum es schwer, bis sie Zuhörer mobilisiert, die stehen und anhören. Die Redner der Heilsarmee, nächtlich an Straßenecken lange ins Leere sprechend, verdienen Bewunderung, so wie die Sektenprediger auf den Straßen New Yorks und Chicagos, die eine Stunde lang bekennen und immer wieder bekennen, bis einer stehenbleibt und zuhört. Auch die kommunistische Straßenagitation in den Anfängen der Partei und während der Krisenzeiten war ausdauernd und zäh. So redete Radek in den Novembertagen 1918 in Berlin vom Dache eines Wagens Unter den Linden, Liebknecht und Rosa Luxemburg damals am Kemperplatz und vor der „Siegesallee". — Die Straßenredner am Hydepark Corner in London, wo neben den Aposteln der Lebensreform reale ebenso wie auch komisch ausgefallene Themen und Probleme oft leidenschaftlich erörtert werden und religiöse Sekten neben Vertretern der Kirchen zum Gebet aufrufen, haben in Deutschland — nach mißlungenen Hamburger Versuchen — keine Nachahmung gefunden. •Ar

Versammlungen in geschlossenen Räumen haben ihr eigenes Zeremoniell. Sie sollten, soweit Redner in ihnen zu Wort kommen, räumlich und organisatorisch dem Grundgesetz der Rede dienen: den Redner und die Zuhörer bald und Z. B. J. F. Kennedy in seiner berühmten Berlinrede 1963. Vgl. Demonstrationsformen S. 22. Heute erleichtert das elektrische Megaphon die Straßenrede. 56 Neuerdings kommen auch hier elektronische Sprachrohre (Megaphone) ins Spiel. 54

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intensiv in Fühlung zu bringen. Daher sind lange schmale Schlauchsäle immer ungünstig. Günstig ist jede Raumfonn, die den Redner in die Zuhörer fast hineinstellt. Das geschieht in ovalen oder gar runden Raumformen". Auch können redits und links vom Redner unmittelbar Sitzreihen anrainen. Albern ist der Respektraum zwischen dem Redepult und den Sitzreihen, unmöglich der Aufbau des Pultes in Abstand auf einer sonst leeren Bühne, vielleicht gar von Blumen umstellt, wie zu einem Begräbnis. Jede Versammlung demokratischen Stils („Freie Aussprache") fordert eine durchdachte Regie, zumal wenn Opposition zu erwarten ist. Der Vorsitzende, dem auch gesetzlich die ganze Ordnung, auch die Hausordnung, überlassen ist58, sollte auf alles vorbereitet sein, also auch für die nachfolgende „Freie Aussprache", sie mit geeigneten Diskussionsrednern zu bestücken und die Diskussionsfreude anzuregen. Wie jetzt alle Zeichen zeigen, geht die moderne Massenpublizistik z. B. der antiparlamentarischen Opposition stark auf das „Diskutieren", d.h. die Prüfung der Argumente in persönlicher Aussprache aus. Sicher erbringt die so gelockerte Beziehung Redner—Zuhörer eine gesteigerte Beteiligung. Sie kann durch überzeugend vorgebrachtes Sachmaterial fruchtbar gemacht werden. Ebenso kann sie leeres Stroh dreschen und die Zuhörer aus der Versammlung treiben5*. Jede vorgesehene „Freie Aussprache" sollte vor und hinter den Kulissen unter Regie gehalten werden. Sogenannte Kundgebungen verzichten auf die demokratische Form der Debatte. Ihre Aufgabe ist es, wie der Name sagt, zu verkünden. Oft sind sie feierliches Bekenntnis eines oder mehrerer Redner, oft festlich mit Musik umrahmt, sozusagen im geistigen Sonntagsanzug. Oder sie sind veranstaltet als Zeichen rednerischen Protestes gegen Mißstände, umstrittene Gesetzesvorlagen, aus freier demokratischer Uberzeugung. Kundgebungen waren und sind seit je die repräsentativste Form totalitärer Propaganda mit vorbereitetem Ablauf, feststehendem Ergebnis, verteilten, oft technisch unterstützten Beifallsstürmen. Künstlich aufgearbeitet und durch Rundfunk und Fernsehen in der Verbreitung multipliziert, bilden sie die als Suggestivtheater bezeichneten, oft gewalttätigen Propagandaformen*0. 57 Man denke an die Halbbogenform der Plenarsäle vieler Parlamente, die z. Zt. schon als überlebt gelten. Man beurteilt die fast clubmäßige Sitzordnung im britischen Unterhaus, durch die eine freie Redemöglichkeit geboten ist günstig für die Fruchtbarkeit der Debatte. 58 Vgl. das Kapitel: Recht der Versammlungen, S. 40. s * Nicht jeder gute Redner ist ein guter Debattierer. Die „Stegreiffestigkeit" kann kaum gelernt werden, es sei denn durch den Drude überfließender Sachkunde, die dann aber rauschend genutzt und in beste Form gebracht werden muß. Schon erste Fachleute sind in Diskussionen gescheitert. M Sehr bekannt ist die Rede von GOEBBELS im Kriegsjahr 1 9 4 3 vor einer vorbereiteten und abgesicherten Massenkundgebung im Berliner Sportpalast: „Wollt Ihr den totalen Krieg?" vgl. Bd. I, S. 112.

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Innerhalb der Wahlkämpfe geschieht heute alles, um im werbenden Verfahren von der Ausrichtung nur auf die Rede abzugehen und in unterhaltende, mindestens belebtere Formen überzulenken. Wahlversammlungen mit Kabaretteinlagen sind keine Seltenheit mehr. Doch hat diese Technik (amerikanischen Stils), diese »Werbung durch Show", bei uns schon wieder nachgelassen". Auflösung der einzelstehenden Rednerleistung in die Meinungsmannigfaltigkeit der Podiumsdiskussion ist im Wahlkampf 1965 vielfach geübt worden68. Im Fernsehen hat sie für die politische Aussprache das Ubergewicht gewonnen*®. *

Die parlamentarische Rhetorik. Rede und Redner im Parlament waren einst repräsentative Meinungsbildner der Nation. Man denke auch an die überzeugende Repräsentanz etwa des Paulskirchenparlaments für die Bewegung von 1848M. Heute gehen in Parteien, Verbänden, in politischen und wirtschaftlichen Gruppen die Meinungskämpfe der pluralistischen Gruppen vor sich. Auf dem Wege über das Parlament und die Parteien finden sie offiziellen Ausdruck. In Rede und Gegenrede werden sie hier erörtert, primär nicht zur Meinungs- und Willensbildung, sondern als Vertretung aller demokratischen Kräfte als gesetzgebendes Staatsorgan. Im parlamentarischen Raum, wo früher um Meinungen nicht nur, sondern um die unmittelbare Machtausübung gerungen wurde", ist der Zustand der „Kommissionalisierung" und damit ein Funktionswandel eingetreten". Die Redner im Parlament sind, bei aller Bindungsfreiheit von Weisungen und Aufträgen", Sprecher der in den Fraktionen oder aus der Zusammenarbeit der Koalitionen in den Kommissionen ermittelten Entscheidungen. Der Redner im Parlament sucht also nicht unter den Parlamentsmitgliedern Anhänger und Freunde zu gewinnen, etwa: „abzuwerben". Er weiß, daß er das auch gar nicht u Ein besonderes Kapitel in der rhetorischen Vorbereitung der Wahlkämpfe ist das sogenannte „Redemateiial". Der begabte Sprecher nimmt es mit Überlegenheit her und gibt ihm individuelle Gestalt. Weniger begabten Sprechern kann aber diese Hilfe eines ghost-writers zum Verhängnis werden. Wenn er das Material nicht voll durchdacht und verstanden hat und es mit allen formalen Unvollkommenheiten vorträgt, folgt der Zuhörer, auch der Gutwillige, vielleicht nur im Unterbewußtsein, mit Unbehagen. Hier zeigt sich, wie eine psychologisch so empfindliche Form wie die Rede — die gute Rede — innerhalb einer Massenorganisation von Redefeldzügen schwer auszurichten ist. Bei der Kompliziertheit und der Vielzahl der politischen Stoffe und der in der Rede unerläßlichen Korrektheit kann keine Rede ohne eine Materialstütze auskommen.

Von der FDP damals systematisch organisiert. ** So hat sie die französische Revolution genommen bis zum Abfall in den Terror. Vgl. DISCH, U.: Mirabeau. Berlin, Diss. 1965; und für England HAMILTON, W. G. (1728—1796): Parlamentarische Logik, Taktik und Rhetorik. Ubers, von R. v. Mohl. Heidelberg 1924. 94 Vgl. HEIBER, H.: Die Rhetorik der Paulskirche. Berlin, Diss. 1953. 6S In den französischen Revolutionsparlamenten oft um Leben und Tod. M Vgl. FRAENKEL, E.: Die repräsentative und die plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat. Tübingen 1958. " Art. 38 (1) Grundgesetz. Vgl. KREMER, K.: Die Abgeordneten zwischen Entscheidungsfreiheit und Parteidisziplin. München 1953. 68

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kann"9. Was er spricht, spricht er zur protokollarischen Begründung der Haltung seiner Partei vor deren Abstimmung, und im übrigen zur Verteidigung dieser Partei vor den Wählern. Es ist also eine Art vorweggenommener Werbeaktion, die hier rednerisch sich vollzieht. Sachlich ausdiskutiert und in Richtung gebracht, sind die Sachgebiete längst im Schöße der Fraktionen und der Kommissionen. Hier liegt der eigentliche dialektische Vorgang. Was sich im Plenum abspielt, ist die Information der Öffentlichkeit unter Darstellung der Entscheidungsgründe und — bei den Rednern der Opposition — die Fixierung des Widerspruches, gleichfalls als „antizipierter Wahlkampf"". Das Bild ändert sich seit der Übertragung der Verhandlungen durch Rundfunk und Fernsehen in den Parlamenten der Bundesrepublik. Hier ist nun die breiteste Öffentlichkeit hergestellt, so, wie sie in den rhetorischen Kämpfen der Antike vor dem ganzen stimmberechtigten Volk der Freien bestand. Nun hat auch die indirekte Demokratie das Ohr und das Auge des Volksganzen. So ist es zu verstehen, daß die Abgeordneten in den hör- und sehhäufigsten Zeiten des Rundfunks suchen zu Wort zu kommen™. Nun kann darüber geklagt werden, daß die „zum Fenster hinaus" gehenden Reden sich unsachlich ins Propagandistische wenden, andererseits trägt die Übertragung der Parlamentsdebatten durch das Fernsehen sehr zur Unterrichtung des Volksganzen bei, um auch die natürliche Fremdheit der Öffentlichkeit gegenüber den Parlamenten zu überwinden. Die so dem Parlament gebotene Vermillionenfachung seiner rhetorischen Aktionen hat diese selbst zu größerer Lebendigkeit geführt. Rede und Gegenrede, Gegenargumentation und Zwischenrufe haben an Schlagkraft gewonnen. Dem wurde auch technisch durch Saalmikrophone Rechnung getragen. Der von der Tribüne sprechende Abgeordnete kann mit seinem Einverständnis und der Genehmigung des Präsidenten jeweils durch einen anderen Abgeordneten vom Platz aus unterbrochen und „zur Rede gestellt" werden. Ist also durch die in Form und Ziel vorweg festgelegten Reden der natürliche rhetorische Prozeß in der Parlamentsrede nicht mehr gegeben, so geht er doch über das elektronische Mittel nach draußen und verstärkt hier die meinungsbildenden Argumente unter der Projektion auch menschlich werbender oder auch weniger werbender Einzelheiten71. •ir Mit dem Aufkommen der großen internationalen Konterenzen hat sich eine Redetechnik der Konferenzen entwickelt. Sie tritt aber nur in besonderen Fällen 68 Solche Erfolge sind so gut wie ausgeschlossen. Nur sehr wenige Fälle solcher Art sind bekannt geworden. Sie haben dann meist zum Herüberwechseln in eine andere Partei geführt. 69

S. F r a e n k e l , E„ a.a.O. S. 181.

Vgl. hierzu und zur Problematik der parlamentarischen Rhetorik die aufschlußreiche Arbeit von Sandcjp, J . : Die Rhetorik im deutschen Bundestag. Ungedr. Berlin 1962. Auszug in „Publizistik" 1962. H. 5, S. 278 ff. 71 über die Rede in den elektronischen Mitteln vgl. S. 27. 70

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an die Öffentlichkeit, sonst muß sie sich mit Berichten begnügen, die bei wichtigeren politischen Vorgängen gleich in Schlagzeilen gehen. Ausgenommen sind die Reden z. B. bei politischen Ereignissen mit eingeladenen Gästen (etwa die Rede des Papstes Paul VI. in New York), die dann legitim zur Welt sprechen. Größtes und gewolltes Aufsehen erregte Chruschtschow, als er als Gast der Vollversammlung der UN in temperamentvoller Opposition gegen einen Gegner die Schuhe auszog und auf das Pult klopfte. — Der Völkerbund hatte eine sehr gepflegte Redepraxis. An Glanztagen nahm sie hohes Format an. Gelegentlich der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund (1926) kam es zwischen B R I A N D und STRESEMANN, dem französischen und dem deutschen Vertreter, zu einem beinahe klassischen Redeaustausch, der Weltruf erhielt. B R I A N D war wohl der bedeutendste Sprecher jener Jahre und ein bestechendes Beispiel französischer rhetorischer Kultur. Ein journalistischer Teilnehmer hat das anschaulich beschrieben 72 .

3. Die Rede In der elektronischen Verbreitung In der Verbreitung der Rede durch Hörfunk und Sehfunk hat sie an Reichweite mächtig gewonnen. Fast kann man sagen „unbegrenzt" 73 . Ist erst die Satellitentechnik weiter entwickelt, wird sie global zu hören und ebenso zu beantworten sein. Aber die Rede hat damit doch die unmittelbare Fühlung mit den Zuhörern, die ihre Kraft bestimmte 74 , verloren. Auch fordert sie die Form des jetzt anderen individuellen Empfanges wenigstens da, wo sie nicht von großen Tribünen in politischen Veranstaltungen live, unmittelbar über den Sender geht. Wird unmittelbar auf den Rundfunk oder das Fernsehen gesprochen, erfordert das eine Anpassung an die Gegebenheit des Empfanges daheim in einer entspannten Umgebung des Alltags. Die hier zu wählende „Plaudertechnik 1,75 (im weitesten, keineswegs im läppischen Sinne) zu beherrschen, erfordert innere Sicherheit, kein Herausspielen sprachlicher oder gar — im Sehfunk — mimischer Markie72 „Ich habe diesen einmalig wirkungsvollen Redner noch lässig, ohne eine einzige Notiz in der Hand, auf dem Podium der Vollversammlung auf und ab gehen sehen. Und mit dem warmen Celloton seiner Stimme zog er die Zuhörer, abgebrühte Politiker und Diplomaten, in seinen Bann. Doch dann blieb er plötzlich stehen und schmetterte zum Abschluß seiner großen Friedensrede die Worte: ,A bas les canons! A bas les mitrailleuses 1' durch den Saal.; v. ECKARD, F.: Ein unordentliches Leben. Düsseldorf und Wien 1967. Weitere Meister französischer Kultur der Eloquenz waren Leo Gambetta und der beim Kriegsausbruch 1914 ermordete Sozialistenführer Jean Jaurès. Vgl. WERWIE, B.: Jean Jaurès. Berlin, Diss. 1957. Vgl. TANK, K. L.: Frankreich zwischen Freiheit und Diktatur. Gambettas Kampf gegen Napoleon III, Hamburg 1958. 7S Die Rede des Papstes Paul VI. vor der UN hatte — nach den Schaltungen gemessen — genauso viele Zuhörer, wie das Fußballspiel England—Deutschland um die Weltmeisterschaft 1966. — 74 Vgl. S. 6 f. 75 Vgl. Bd. I, S. 234.

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rungen. Mikrophon und Kamera reproduzieren höchst empfindlich. Für den Hörer liegen Neigung und Abneigung immer hart nebeneinander. Wir wissen, wie beim Hörfunk das Mikrophon in die Stimme hinunterlauscht und Effekte herausholt, die das unbewaffnete Ohr nie hören könnte, die aber nun den Sprecher charakterisieren. Gemeinsam jetzt auch mit der Tiefsicht der Elektronenkamera7" addieren sich im Fernsehen starke optische Eindrücke aus dem Bilde des Sprechenden, so daß Gefühlseffekte häufig sind und zur Abschaltung oder zur Sache führen und große Sympathien wecken. Dazu treten, bei Großaufnahmen eines Redners, die Mehrzahl der Blickmöglichkeiten aus der pluralistischen, der Mehrkameraaufnahme. Der Publizist am Mischpult, der eigentliche Redakteur der Sendung, hat dadurch einzigartige Möglichkeiten, den Redner in seiner eigentlichen Natur wahrhaftig wiederzugeben. Ebenso aber kann er, durch Manipulation der jeweiligen Aufnahmen, je nachdem, welche er auf den Sender gibt, eine entstellende Wiedergabe bewirken, die bis zur Diffamierung absinken kann. Auch kann er aus Licht und Bewegung eine fade Gleichgültigkeit in die Situation zaubern. Das theoretisch ermittelte Element „ariificialiter"77, also der Einfluß des technischen Mittels selbst auf die Gegebenheit, die es vermittelt, ist hier überzeugend zu erleben. Die Gefahr der Manipulierung steigt angesichts der Tatsache, daß die meisten Parlamentsverhandlungen gar nicht abgehört werden, wenn sie live während der Arbeitszeit ablaufen, sondern in gekürzten Schnitten am Abend neu gesendet die meiste Aufmerksamkeit sammeln. Oft treffen solche Schnitte, bewundernswert gekonnt, in der Zusammenfassung das Wesentliche, manchesmal ist eine bewußte politische Grundhaltung ärgerlich zu spüren. Äußerste Tendenz zeigen die mitteldeutschen Sender. Hier kann man lernen, was mit elektronischen Mitteln manipuliert, das heißt entstellt, verdreht und gefälscht werden kann. Wieder zeigt sich das Plus und das Minus vollendeter publizistischer Technik und die nirgends fehlende Rolle der Gesinnung.

4. Die Predigt Dialéctica docet, rhetorica movet. Martin Luther, Tischreden Bd. VI

Der religiöse Mensch neigt dazu, die Predigt als Mittel der Publizistik abzulehnen. Sie ist ihm wesentlich mehr als „die Rede im kirchlichen Raum". Sie ist Verkündung und Heilslehre aus der Fülle des Glaubens. Aber in ihrer jahrtausendealten Geschichte hat sie viele Wandlungen durchgemacht. Selbstverständlich hat sie dabei in den geistigen Kämpfen der „Lehren" ™ Vgl. Bd. I, S. 260. " S. Bd. I, S. 231 Anm. 1.

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und „Irrlehren", in den Vereinigungen wie in den Spaltungen, ausgesprochen publizistische Aufgaben übernommen. Dann aber immer wieder trieben neue religiöse Entwicklungen sie in die Meditation und dann in die Verkündung zurück, in pietistische Enge oder in neue lebendigere Frömmigkeit. Im Kampf mit der weltlichen Macht sind der Kirche, den Kirchen, von Gregor VII. über Bernhard von Clairvaux, vom Bruder Bertold zu Martin Luther und Thomas Münzer, bis zu den wort- und bildgewaltigen Predigern des Barock (Bossuet, Fenelon. Abraham a Santa Clara) immer neue Formen der Verkündung erwachsen. Für unsere Zeit nennen wir die predigenden Kämpfer gegen das Hitlerregime in Persönlichkeiten wie Kardinal Graf Galen und dem Pfarrer Martin Niemoeller. Audi hier hat die Predigt ihre mutige und befreiende politisch-publizistische Aufgabe wahrgenommen. Aber zurückgependelt aus ihren weltlichen in ihre religiösen Aufgaben wahrt die Predigt die innere Quelle der Gläubigkeit, die jeweils wieder neue Betrachtung der Schrift und die rechte Form ihrer Verkündung. Dem Prediger ist es leichter gemacht als jedem Redner, der immer erst wieder seine Zuhörer erobern muß. Im sakralen Raum sammelt sich die Gemeinde, die frei gekommen und innerlich bereit ist zu hören. Welcher rednerischen Aufgabe wäre das geboten? Im Grundsatz allerdings bleibt die Predigt der Rede verwandt. Die Gemeinschaft der Hörer findet sich vor dem ewigen Lehrer, „der unser aller Lehrer" ist78. Im großen romanischen Pathos hat es der französische Kanzelredner LACORDAIRE™ ausgesprochen: „Das Geheimnis der Predigt ist die Verschmelzung der Seele, die spricht, mit der Seele, die zuhört." Im Anklang daran hat REINHOLD SCHNEIDER die Predigt bezeichnet als „das Gespräch von Seele zu Seele unter dem unverhüllten Wetterhimmel der Zeit" 80 . Die moderne Predigt verlangt zwingend die unmittelbare, deutliche und überzeugende Aussprache der Probleme der Zeit81. Daher CARL SONNENSCHEIN: „Das Ewige sagen in den wechselnden Formulierungen der Zeit." Auch die Predigt ist — wie einst unter J. Kapistran (t 1456)82 im Kampf gegen die Türken — wieder massenmissionarisch auf die Straßen gegangen, auf die 78 Vgl. dazu die Zitate aus Predigten des Augustinus, Bd. I S. 228. Eine Quelle zur Erkenntnis der religiösen Seite der Predigt gegenüber ihrer rhetorischen Form sind Luthers Tischreden, Weimarer Gesamtausgabe Band VI. Weimar 1912—1921. " H. Dominique LACORDAIRE, französischer Kanzelredner (1802—1861). 80 Reinhold Schneider zu dem Bande „SCHMIDT, A.: Augustinus — Predigten. Mannheim 1947." — Zur Sprache der Predigt allgemein vgl. WEITHASE, J.: Zur Geschidite der gesprodienen deutschen Sprache. Tübingen 1961. Ein Schlüsselwerk zur Geschidite des gesprochenen Wortes in allen Formen. 81 Vgl. 2. Vatik. Konzil „Ober den Priesterdienst", Kap. 2: „ . . . m a n muß Gottes Wort auf die konkreten Verhältnisse anwenden." 88 HOFER, J.: Johannes Kapistran. Heidelberg 1965. Er pflegte „campis et silvis" zu sprechen und „ex propuguacula". Nach ihm werden die an einigen Kirchen noch erhaltenen Außenkanzeln benannt.

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großen Plätze, in die Stadien und Zelte. Billy Graham 8 *, der amerikanische — moderne — Missionsprediger, sprach 1966 in Berlin vor 60 000 Menschen und holte aus ihnen durch die sehr intensive, aber nicht fanatische, sondern mit Herzlichkeit gut zusprechende Predigt mehr als 1000 Menschen zur „Bußbereitschaft" nach vorn. Im katholischen Raum ist der Schweizer P. M A R I O G A I A I auf der Kanzel wie in der Kundgebung ein mächtig dialogisierender Prediger, während P A T E R L E P P I C H S. J. Straßenreden von einer oft gewollt banalen Sprache riskiert. Er schokkiert, um dann breitestes Verständnis für sein W e r k (356) zu finden. Ein schwieriges Problem sind die Predigten, Ansprachen und Andachten, „Worte zum Sonntag" usw. im Rundfunk und im Fernsehen. Die Technik dieser Mittel ist frei von Romantik. Ihre Wiedergaben entbehren des geistigen und akustischen Halls, den Predigten in den Kirchen als Tradition, auch aus der W e i h e des Raumes tragen. Den größten Erfolg erzielt hier der katholische Bischof FultonSheen in den USA. Seine Sonntagspredigten sprechen so tief bis in das Persönlichste an, daß Fulton zu jedem Auftreten etwa 5000 Briefe erhält und ein Sekretariat von 65 Angestellten benötigt, sie alle zu beantworten 8 4 . Eine treffende Unterscheidung der Hörerschaft der Rede und der Predigt hat Bossuet gefunden: „Der Redner fängt mit dem Netz, der Prediger mit der Angel"**. Er hat damit massenpsychologische Unterscheidungen genau getroffen. Die allgemeine Abkehr von autoritären Verkündigungen auch in den Kirchen hat zu Versuchen geführt, die Predigt durch Mitarbeit und Diskussion des Kirchenvolkes eingänglicher zu machen. In einigen Kirchen Italiens stehen sich zwei Kanzeln gegenüber, und die sonntägliche Predigt rollt in einem Dialog ab. Die jüngst in Deutschland in einigen Kirchen, meist durch junge Menschen vorgebrachten Forderungen, auch Jugendlichen zu gestatten, von der Kanzel herunter zu debattieren, also die für eine Demokratie selbstverständlichen Formen der Diskussion auch in die religiöse Verkündigung zu übertragen, ist lebhaft umstritten. Ihre Einführung w ü r d e vielleicht das aktive Interesse des Kirchenvolkes stärken. Dem innerlich Religiösen aber, als dem Nährboden des Glaubens, würde es Abbruch tun. — Auch darin zeigen sich die fundamentalen Unterschiede zwischen Predigt und Rede. Für die Technik und W i r k u n g des „Gesprochenen Wortes" in der Form von G e r ü c h t und K l a t s c h als politisch-propagandistische Kampfform sei auf die belegte Darstellung in Band I des Handbuches der Publizistik („Niedere Formen der Publizistik des Wortes") S. 229/31 verwiesen.

83 Vgl. die packende Darstellung der Predigten Billy Grahams bei P. v. Zahn. Fremde Freunde. Hamburg 1953 S. 54. 84 Interview mit dem Ruhrwort — Essen. Jhrg. 8 Nr. 40. 85 Vgl.: LONGHAYE, G. Die Predigt. Große Meister und große Gesetze. Mainz 1935. — HAENDLER, O.: Tiefenpsychologisdie Grundlagen der Predigt. 3. Aufl. Berlin 1960.

DIE REDE

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LITERATUR ARISTOTELES: De arte rhetorica. Dargestellt bei DÜRING, J.: Aristoteles — Darstellung und Interpretation seines Denkens. Mit einer Wiedergabe seiner Rhetorik. Heidelberg 1966. — AUGUSTINUS: Confessiones. Deutsche Ausgabe Paderborn 1941. — BIEHLE, H.: Redetechnik. Samml. Göschen Berlin 1968. — CICERO, M. T.: Vom Redner („De Oratore"). übers, von R. Kühner, München o. J. — DAMASCHKE, A.: Volkstümliche Redekunst. Jena 1918. — DESSOIR, M.: Die Rede als Kunst. 2. Aufl. München 1948. — DISCH, U.: Der Redner Mirabeau. Berlin Dissertation. Hamburg 1965. — F E N D T , L.: Homiletik, Theologie und Technik der Predigt. Berlin 1949. — FRANK-BÖHRINGER, B.: Rhetorische Kommunikation. Hamburg 1963 (beigegeben: SCHOPENHAUER: Eristische Dialektik.). — GAUGER, H.: Die Kunst der politischen Rede in England. Tübingen 1952. — dies: und M E T Z G E R , H.: British Political Speeches and Debates from Cromwell to Churchill. — DIES.: President Kennedy speaks. Tübingen 1954. — HARNACK, Th.: Geschichte und Theorie der Predigt. Erlangen 1872. — HAENDLER, O.: Die Predigt. Tiefenpsychologische Grundlagen und Grundfragen. 3. Aufl. Berlin 1960. — HAMILTON, W. G.: Parlamentarische Logik, Taktik und Rhetorik, übers, von R. v. M O H L . Heidelberg 1924. — HEIBER, H.: Die Rhetorik der Paulskirche. Berlin Dissertation 1953. — HEUSS, TH.: Die großen Reden. Tübingen 1965. — LONGHAYE, G.: Die Predigt. Große Meister und große Gesetze. Mainz 1935. — LUTHER, M.: Tischreden Bd. VI Weimar. Ges. Ausgabe Weimar 1912—21. — LUTZ, J.: Handbuch der katholischen Kanzelberedsamkeit. Tübingen 1857. — MÜLLER, AD.: Zwölf Reden über die Beredsamkeit. Neuausgabe von W. J E N S . Mit einem Essay und Nachwort. Frankfurt 1967. NAUMANN, F.: Die Kunst der Rede. Berlin 1914. — NIETZSCHE, F.: Geschichte der griechischen Beredsamkeit. Musarion Ausgabe 1920. — QUINTILLANUS, M. F.: Institutiones Oratoriae. Rednerische Unterweisungen. Wien 1881. — S A N D O Z , J.: Die Rhetorik im deutschen Bundestag. Eine Studie. Auszug in .Publizistik' 1962, H. 5. — SCHOPENHAUER, A.: Eristik, die klassische Tricklehre der Debatte. Siehe Frank-Böhringer. — SCHROERS, G.: Die Rede als Lebensform. Eine anthropologische Betrachtung. Bonn 1949. — SCHWEINSBERG, F.: Rednerschulung. Heidelberg 1948. — DERS.: Vorlesen, Vortragen und Erzählen. Heidelberg. 2. Aufl. 1957. — TACITUS, C.: Dialogus de oratoribus. Leipzig 1926. — W E I T H A S E , I.: Zur Geschichte der gesprochenen deutschen Sprache. Tübingen 1961. — W E L L E R , M.: Das Buch der Redekunst. Düsseldorf 1967. — CLARK, M. L.: Die Rhetorik bei den Römern aus dem Englischen von K. Dockhorn. Göttingen 1968. — GALLI, Mario von: „Beurteile, Schaue, lerne Wählen" Schlußrede z. 80. Deutschen Katholikentag. FAZ 1964 Nr. 215 (Schallplatte: Harm, mundi 50127). — Z A H N , P. V.: Fremde Freunde, Hamburg 1953. — RICHARD-SCHWEINSBERG, J.: Versammlungswesen. Essen 1961.

Die Publizistik der Demonstrationen EMIL DOVIFAT

In der allgemeinen Publizistik sind die Demonstrationen Phänomene eigener Art. Sie sind die einzigen Aktionen, die an sich keines technischen Mittels bedürfen, keiner Schrift und keiner Feder, keines Mikrophons und keiner Kamera. In Demonstrationen stehen die Menschen persönlich für ihre Sache auf, bekennen sich im unmittelbaren Einsatz, zeigen von kleinen Gruppen anhebend bis zu großen Massen, mit welcher Stärke ihre Forderungen verteidigt werden und mit welcher Bereitschaft sie dazu stehen. Einzigartig und überzeugend sind solche Demonstrationen, wenn sie spontan ausbrechen. Heute allerdings bedarf auch ein spontaner Wille der agitatorischen Ansprache und der organisatorischen Ordnung. Sonst gehen die Forderungen der breiten Öffentlichkeit nicht ins Bewußtsein ein. Auch sind j a aus dem radikalen oder dem gläubigen Kern der Demonstrierenden heraus jeweils die Lauen und Unentschlossenen zu mobilisieren. Mitläufer, Interessierte, Gläubige, solidarisierte Anhänger zu gewinnen, ist der publizistische Zweck jeder Demonstration. Also ist die Größe und Opferfreudigkeit der Demonstrationen verschieden. In ihrer Technik reichen sie von der leichten Mühe zielgerichteten Spazierengehens bis zur Preisgabe des eigenen Lebens, im Wagnis gegen die Gewalt der Exekutiven, gegen die politische Anklage, den Verlust von Hab und Gut und der Gesundheit, etwa durch Hungerstreiks oder andere Demonstrationsübersteigerungen auf eigene Kosten. Das geht bis zur radikalsten Form, Zeugnis für die Sache zu geben und zugleich die Werbekraft des Martyriums zu entfachen: die öffentlichen Selbstverbrennungen, wie sie z. B. unter buddhistischen Mönchen in Vietnam geschehen sind. Der Vorgang ist letztlich religiös bedingt. Demonstrationen gehören in die publizistischen Mittel der Tat1. Wenn sie hier auch in vielfachen Arten zu finden sind, im Sprachgebraudi ist man gewohnt, sie als friedlich anzusehen. Solange man „demonstriert", zeigt man j a nur, was man will und möchte. Die Gewaltlosigkeit steckt an sich zunächst noch in der Aufgabe. Demonstrationen sind daher verfassungsrechtlich gesichert. Sie sind Mittel demokratischer Aktion und als solche geschützt. „Alle Deutschen haben 1 Theorie und Aufgliederung Bd. I S. 204. Die Theorie kennt tatbewußte Demonstration Aufmerkals Vorbild, als Opierleisiung (wahres und falsches Martyrium), als werbende aktion, als publizistisches Bekenntnis, als politisches Soldatentum, als (anarchistischen) Terror.

DIE PUBLIZISTIK DER D E M O N S T R A T I O N E N

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das Recht, sich, ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne W a f f e n zu versammeln." (Verf. Grundges. Art. 8,1) Jeder Demonstration in einer Demokratie ist also ihre Freiheit gesichert. Sie erhält in allen demokratischen Staaten polizeilichen Schutz, z. B. gegen die Gewalttätigkeiten gegnerischer Gruppen. Doch gibt es Demonstrationen, die, gewaltlos, und geordnet eingeleitet, zu aktiver Gewalt werden. Das geschieht z. B., w e n n sie unterwartet außer Kontrolle der Veranstalter geraten oder aber, daß sie bewußt gesetzeswidrig und ordnungsstörend angesetzt waren. Solche Demonstrationen mißbrauchen die ihnen verbürgte demokratische Freiheit, zumal wenn sie die Rechte anderer gefährden oder sie durch Gewalttätigkeit außer Kurs setzen. Solche „Demonstrationen" hören auf, Publizistik zu sein. Sie rangieren dann in die Gruppe der illegalen Aktionen. Sie suchen revolutionär zu politischer Macht zu kommen, werden revolutionäre Märsche 2 . Gewalt kommt ins Spiel und ruft zur A b w e h r durch Gewalt. Indem die Verfassungen gewaltlose Demonstrationen als demokratische Mittel ausdrücklich anerkennen und schützen, ergibt sich eine Eigenverantwortlichkeit der Demonstranten und ihre Einordnung unter die allgemeinen Gesetze. Sie ist in der Bundesrepublik im „Gesetz über Versammlungen und Aufzüge" genau festgestellt 3 . Gleichzeitig zeigt sich allerdings die Notwendigkeit, da, wo es der „friedlichen" und „gewaltlosen" Demonstration nicht gelingt, sich im Rahmen der Ordnung zu halten, daß polizeiliche Abwehr und Ordnungsmittel eingreifen. Sie tun es hier in einer milderen Technik, als etwa in Abwehr eines lebensbedrohenden revolutionären Umsturzes. Demokratien können gegen friedlich anhebende — also verfassungsgeschützte — Demonstrationen, auch da, wo sie ausarten, nicht mit modernen militärischen W a f f e n vorgehen, die fraglos jeder Demonstration spielend Herr würden, aber äußerst inhuman Hunderte von Toten auf dem Platze ließen. Also werden polizeiliche Abwehrmethoden entwickelt, ordnungsfeindliche Demonstrationen aufzulösen. Sie sind peinlich, aber nicht tödlich. So kam es zum Bau von Wasserwerfern, zur Entwicklung von Tränengas und neuerdings zu diemischen, über die Straßen verteilten Ausgleitmitteln, die es den Demonstranten unmöglich machen, über die so präparierten Straßenflächen einen Schritt zu wagen, ohne hinzufallen. Chemische Sperren, ohne das aufreizende Mittel des Stacheldrahtes. In jüngerer Zeit ist eine n e u e Taktik „gewaltloser"

Demonstrationen zunächst

2 Viel zitierte Beispiele — Sturm auf die Bastille (17. 7. 89), Sturm auf die Tuillerien 1830 in Paris, 1918 Ausmarscto der revoltierenden Matrosen aus Kiel in deutsche Städte, den Umsturz einzuleiten, Hitlers „Marsch zur Feldherrnhalle", d.h. zur Besetzung der Ministerien, am 9. 11. 1923, von der bayerischen Polizei durch Gewehrsalven aufgehalten. Aber auch friedliche Demonstrationen können verkannt werden. So die des Popen G A P O N im Anfang der russischen Revolution 1905 unternommene prozessionsartige Massendemonstration — mit Kreuzen und Fahnen — gegen das Winterpalais. Sie wurde mit den in totalitären Ländern üblichen härtesten Kampfmitteln abgewehrt. Die Palastwache feuerte mit Maschinengewehren. Viele Tote blieben auf dem Platze. 3 Vgl. die Ausführungen S. 40 f.

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Publizistik II

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noch publizistisch angelaufen. Es sind geschickt geplante Mittel, die in einer unblutigen, aber immer wirksamen Art Aufsehen erregen, praktisch aber jeder Ordnung hohnsprechen. Man ist dahinter gekommen, daß der Verkehrs- und Verwaltungsapparat moderner Großstädte höchst empfindlich ist. Kleine, zunächst harmlos friedliche Trupps, die sich an bestimmten Knotenpunkten hinsetzen, können das Ganze mindestens zeitweise lähmen. Es sind die in USA an den Universitäten entwickelten, international in Geltung gekommenen Methoden, in denen das Verfahren der Sitzstreiks zielbewußt weiterentwickelt ist. Wichtige Räume und Gebäude oder Verkehrsmittelpunkte werden also, natürlich „gewaltlos", von einigen Dutzend, einigen Hundert besetzt und damit jeder Verkehr in den Räumen oder der Straßenkreuzung lahmgelegt. Man besetzt zwar gewaltlos, weicht aber nur der Gewalt. Wird sie dann, selbst in rücksichtsvollen Formen (Heraustragen) angewandt, so gilt das als skandalöses, freiheitsfeindliches Verfahren. Es sind die mannigfach angewandten Methoden der „in-Technik", d. h. des Belegens und Außerverkehrsetzens wichtiger Räume, die dann auch jeweils propagandistisch Aufmerksamkeit erzwingen. Daher „sit in", „teach in", „shop in"4. Sie entstanden als gewaltlose Technik zunächst im Bürgerrechtskampf, dann im Kampf für akademische und soziale Ziele5. Ihr Antrieb ist also keineswegs wirtschaftliche Not, wenn auch meist die Erkämpfung studentischer Forderungen, ebenso aber auch ideologische Aufgaben oder soziale Verpflichtung, die Ursache sind, bis zum Kampf gegen die bestehende Gesellschaftsordnung. Die große Bewegung der Gewaltlosigkeit, mit der Mahatma Gandhi sein Land von der britischen Kolonialherrschaft befreite, mag bei einigen Verfahren dieser neuen Demonstrationsformen Anregungen gegeben haben. Als Ganzes sind sie mit der Bewegung Gandhis niemals vergleichbar. Was von der aufgekommenen „außerparlamentarischen Opposition" an Kampfvorgängen bisher aufgebracht und durchgeführt wird, hat mit dem tiefen Ernst und der religiösen Grundhaltung Gandhis nicht das allergeringste zu tun. Gandhis Demonstrationen verlangten von den Teilnehmern äußerste Opferbereitschaft. Seine Bewegung war „gewaltlos" im Grundsatz und allen Einzelaktionen*. Sie verlangte letzte Lebenshingabe, wie Gandhi sie selbst als Zeuge seiner Sache erfüllte. Am nächsten kommt der Idee Gandhis und seinen Demonstrationen der ermordete Führer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung M A R T I N L U T H E R * Vgl. dazu LIPSET, S. M. (Hrsg.): The Berkeley Revolt. New York 1965. 5 So verhüteten die Studenten der Columbia Universität im Frühjahr 1968 duTch Besetzung der Baustellen und dann der Verwaltungsbüros den Weiterbau einer Sporthalle, weil sie Grundstücke beanspruchte, die der armen Bevölkerung eines Wohnviertels wichtigen Raum wegnahm. Vgl. audi das „shop in"-Beispiel in Bd. I S. 209. * Vgl. RENFORDT, K . H . : Mahatma Gandhi. Ein Publizist der Tat u. des Beispiels. Berlin Diss. 1959. Hier ist die publizistische Natur der oft falsch gedeuteten Aktionen Gandhis klar entwickelt. — Vgl. NEHRU, J.: Indiens Weg zur Freiheit. Hamburg 1948. — FISCHER, L.: Das Leben Mahatma Gandhis. München 1951. — ROLLAND, R . : Mahatma Gandhi. München 1923. — „Non-violence in Peace and War. Vol. I u. II. Ahmedabad 1948/49.

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wenn es ihm auch — aufgrund der gänzlich anders gelagerten Verhältnisse im Rassenkampf der USA — nicht gelang, die Bewegung so zu zügeln, wie es Gandhi gelungen ist. Luther King konnte eine aufkommende gewalttätige Aktion „Black Power" nicht verhüten. Seine friedlichen Sternmärsche, so wie der nach seinem Tode erst angetretene „Marsch der armen Leute", vollzog sich gegen eine Teilopposition aber unter menschlicher Anteilnahme der helfenden und sorgenden Menschen an der Wegstrecke. Der Sinn der Sache! Der Marsch endete im „Dorf der Auferstehung" in einem bei Washington errichteten Zeltlager, wo den „Reichen" die Lebensart der „Armen" zu demonstrieren war. Man machte es sich also nicht leicht. Das Lager wurde später aufgelöst. KING,

Die drei schweren Grundforderungen G A N D H I S ZU erfüllen, war nur in einem Lande niedrigen Lebensstandards möglich. Eine Handvoll Reis genügte als Tagesration eines Demonstranten 7 . So blieben Gandhis Demonstrationen wirklich gewaltlos. Um das englische Salzmonopol zu brechen und an der Küste selbst Salz zu sieden, wanderte er monatelang durch Indien und brachte, wie man heute sagt, die Problematik in das Bewußtsein eines Volkes, das in drei religiöse Bekenntnisse geteilt und durch eine Sprachenvielzahl schwer als Einheit anzusprechen war. Der Kampf begann mit der — gewaltlosen — Ablehnung (aber 7 Man vergleiche dazu die heutigen Massendemonstrationen aus der Wohlstandssphäre. Sie rollen unter Zuhilfenahme moderner Verkehrsmittel und gesicherter Massenverpflegung (vgl. die Bergarbeiterkundgebungen nach Bonn, s. Bd. I S. 208). Auch die Sternkundgebungen der Ostermarsciiierer, dabei verbunden mit einer gegen die Notstandsgesetze gerichteten Aktion, zuletzt noch 1968 in der Richtung auf Bonn, sind polizeilich vereinbarte, ausreichend finanzierte und verpflegte Massenmärsche. Anfänge der Demonstrationsmärsche stammen aber aus Notzeiten und waren „Hungermärsche" im wörtlichen Sinne. Vgl. die Hinweise Bd. I S. 33. Bedeutende Demonstrationsbeispiele waren die Kundgebungen sozialistischer Arbeiter zum 1. Mai, die, ursprünglich als Kundgebungen für den 8-Stundentag geplant, sich schließlich zu allgemein gewerkschaftlichen Aufmärschen entwickelten. (Bd. I S. 211). Oft besprochen werden Demonstrationen, die durch allerlei symbolische Beigaben Auimerksamkeit zu erzwingen versuchten, sich, wie man sagt, „ originalisierten". Im Frühjahr 1968 waren in der Bundesrepublik Bauernkundgebungen mehrfach von Karren begleitet, die landwirtschaftliche Produkte kostenlos an die Bevölkerung verteilten, in Tragetüten, auf denen die Unterschiede zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen aufgedruckt waren. Im Mai 1968 demonstrierten in London 2000 Kinder zwischen 3 und 5 Jahren, von ihren Müttern begleitet, vor dem Amt des Erziehungsministers und verlangten den Bau neuer Kindergärten. Sie besuchten auch den Ministerpräsidenten in Downing Street. Der Erziehungsminister erklärte sich zu „Verhandlungen bereit", bat aber, dazu „ohne die Kinder wiederzukommen". (Berichte der Engl. Presse.) •— In den Kampfaktionen der englischen Frauenrechtlerinnen (Suffragetten) wurde — zum ersten Male — die heute übliche Störtechnik bei oitiziellen Gelegenheiten durchgeführt. Dabei kam es zu persönlichen Opfern. WTB-Meldung v. 5. 6. 1913: „Sensation des Derbys: Epsom. — Im schnellsten Galopp passiert das Feld der Pferde den Tottenham Corner. Plötzlich springt eine Dame in die Bahn, wirft sich dem Pferd des Königs, das an dem Rennen teilnimmt, in die Zügel. Anprall, Sturz. Bewußtlos wird der Jockey weggetragen. Die Dame erliegt ihren schweren Verletzungen. Es ist eine Suffragette, Emely Davlson. Durch ihre Tat wollte sie das Interesse der Hunderttausende auf die Stimmrechtsbewegung lenken." Die radikale Frauenbewegung hatte ihre Märtyrerin.

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nicht Sabotage!), praktischer Zusammenarbeit mit den Engländern (non Cooperation). Er war gefolgt durch Ablehnung jeglichen Widerstandes (non resistance), geschweige denn etwa des Anlaufens gegen Polizeiketten (non violence). Als den in ihrer Geduld bis zum letzten nervlich angespannten Massen einmal die Selbstbeherrschung riß und sie einige Polizeibeamte erschlugen (die Gewalttat von „Chauri Chaura"), brach Gandhi sofort den Kampf ab, stellte sich dem Richter, erklärte sich als alleinschuldig und verlangte für sich die allerstrengste Bestrafung. Dabei hatte er in Rechnung gestellt, daß ein •— wenigstens zeitweise — eingekerkerter Gandhi für die indische Befreiungsbewegung wirksamer war, als ein unbehelligt gelassener Politiker der Opposition. Das sind Bereitschaften, die in der „Außerparlamentarischen Opposition" europäischer Länder bisher nicht aufgetreten sind, wohl auch nicht auftreten können. Sie stehen dem politischen Lebensstil, der demokratischen Natur und dem Selbstbewußtsein der europäischen Völker allzu entgegen. Inzwischen haben Theoretiker der europäischen und der amerikanischen W e l t ihren Demonstrationsmethoden und einem bestimmten Machtstreben die Ideologie gegeben. Sie läßt die Idee des Klassenkampfes beiseite, rechnet nicht, wie Marx, auf den „Marsch der Arbeiterbataillone". Sie geht vom Rande her an das revolutionäre Ziel. Ihrer Mobilisierung fehlt die bisher wirksamste Triebkraft: die wirtschaftliche Not 8 . Es ist die Revolte oder auch die Revolution aus dem Wohlstand, Aktionen der Überflußgesellschaft, deren wirtschaftliche Erfolge aber wiederum ein Grundelement der kommenden Neuordnungen sein und bleiben sollen. Das hier entwickelte „Denkmodell" entwickelt Werbekraft. Es greift aber auch an die Grundfesten unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. W i e alle revolutionären Ideen nehmen auch diese ihre Berechtigung aus dem Versagen bestimmter Funktionen der Demokratie innerhalb der Wohlstandsgesellschaft. Sie hat einen Teil der Bevölkerung in absolute politische Gleichgültigkeit verfallen lassen („Ohne-mich-Demokratie"). Andere hat sie in der Politik nur auf die Vorteilssuche gestellt („Für-mich-Demokratie"). Die nach zwölfjähriger Zwangsherrschaft endlich wiedergewonnene publizistische Freiheit hat zu Teilen sich schärfster Nurkritik gewidmet und aufbauende Förderung allzu sehr beiseite gelassen. Nur ein kleiner, für die Übung der Macht oft zu kleiner Teil hat begriffen, daß Demokratie Arbeit, Mitarbeit und aktive Mitverantwortung sein muß. Aus diesen, und ähnlichen Gründen, verharsche sich — nach Meinung der Opposition — das demokratische System zu einer durch einen komplizierten bürokratischen Apparat „etablierten Macht", das „Establishment", ein Schlagwort, mit dem die Opposition eine Demokratie treffen möchte, die sie als vercliquete Kameraderie abtut, gegen die nicht anzukommen sei, weil sie in verschwenderischen Wohlfahrtskonsum sich behaupte. Auch die Arbeiterschaft sei durch den 8 Im Gange der Geschichte sind alle revolutionären Bewegungen geistig bestimmt, aber vom Hunger her in Gang gesetzt; von den Spartakusaufständen bis zu den Bauernkriegen, zu den Revolutionen 1789 bis 1848, von 1918, 1923 und 1933.

DIE PUBLIZISTIK DER DEMONSTRATIONEN

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wachsenden Wohlstand aus dem Klassenbewußtsein gefallen und in dieser Demokratie genau so gebunden, wie in totalitären Ländern zwangsweise dem Regime verpflichtet. Beide Systeme seien sich, so argumentiert die Opposition, in dieser Bindung gleich. Den wahren freiheitlichen Fortschritt könne nur eine „Dritte Welt" bringen. H E R B E R T M A R C U S E " ist der Prophet dieser Welt. Seine Ideologie sucht eine neue Freiheit in der Loslösung des in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung „eindimensional" gebundenen Menschen 10 . Der sei in falscher Verteidigung eines pluralistischen Systems und einer sogar gefeierten allgemeinen Toleranz künstlich in einer Freiheit beglückt, die ihn „repressiv" in „herrschenden Zwängen" hält, bis hinein in seinen ihm auferlegten, aber nur bestechenden Lebensstandard. Durch eine manipulierte Publizistik sei er „präformiert" in seinem Bewußtsein. Das Problem, so heißt es, könne nicht darin bestehen, „einen Kompromiß zwischen Freiheit und Gesetz in einer .etablierten Gesellschaft' zu finden". Es gälte, „eine Gesellschaft herbeizuführen, worin der Mensch nicht an Institutionen versklavt ist, welche die Selbstbestimmung von vornherein beeinträchtigen." Freiheit, so meint Marcuse, sei „selbst für die freieste der bestehenden Gesellschaften erst noch herzustellen". In der Werbung für diese Freiheit erhebt sich die Forderung nach einer Gesellschaftsordnung, „in der „das V o l k " zu autonomen Individuen geworden ist. Befreit von den unter herrschenden Zwängen, repressiven Erfordernissen eines Kampfes ums Dasein, werden sie nun ihre Regierung wählen und ihr Leben bestimmen" 18 . Marcuse sieht die Möglichkeit einer Zivilisationsstufe, einer technisch zu höchster Ergiebigkeit entwickelten Industriegesellschaft, in der „das Sozialprodukt bei vorangängiger Befriedigung der Lebensbedürfnisse mit einem Minimum von harter Arbeit und Ungerechtigkeit zu verteilen ist"; Marcuse ist des Glaubens, daß durch die wachsende Automatisierung des Arbeitsvorganges — so könnte man es deuten — die biblisch prophezeite „Arbeit im Schweiße des Angesichts" sich vereinfacht und nahezu aufhört, also daß praktisch eine Rückkehr in den Garten Eden möglich wäre. Da die Arbeiterschaft in ihrer durch Lohnabhängigkeit gegebenen Bindung an das „Establishment" für diese revolutionäre Aktion noch nicht frei sei, werden die Ideen Marcuses vor allem den Kreisen aufgegeben, die, wie Studenten und Schüler, noch nicht gebunden sind und deren Platz in der Zukunft noch offen sei. Dieser Gruppe also sei in der geschilderten gewaltlosen Demonstration das rechte publizistische Mittel politischer Bewußtseinsweckung gegeben. Dabei hat Marcuse das Umschlagen der gewaltlosen Technik in die ordnungsstörenden, bis zu illegalen Formen zugelassen. „ . . . ich glaube, daß es für die unterdrückten und * Geb. 1898 in Berlin, heute Professor der Soziologie an der „University of California". 10

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MARCUSE, H.: Der eindimensionale Mensch, Neuwied 1967. MARCUSE, H.: Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt 1968. 3. Aufl. S. 98. MARCUSE, H.: Kritik der reinen Toleranz. S. 116.

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überwältigten Minderheiten ein .Naturrecht" auf Widerstand gibt, außergesetzliche Mittel anzuwenden, sobald die gesetzlichen sich als unzulänglich herausgestellt haben 15 ." Nach dieser Ideologie wäre somit der Ubergang von gewaltloser Demonstration zu mindestens ordnungsstörendem Vorgehn des „sit-in" und zu weiteren gesetzwidrigen Aktionen zulässig. Die Auffassungen von Rudi Dutschke halten auch in der Entwicklung der zur Gewalt führenden Propagandatechnik des SDS das praktische Ergebnis fest 14 . Es geschah bei der Demonstration des SDS gegen den Besuch des Ministerpräsidenten Tschombe (1964). Dutschke nennt diese Demonstration deshalb als von entscheidender Bedeutung, „weil die Mehrheit der Demonstranten zu einer Illegalisierung der Demonstration gekommen ist1'." Indem die Demonstrationen zunächst zu mehr grotesken Kampfformen durch die sogenannten „Tomatenterror-Bombardements", durch den Wurf von faulen Eiern, Farbsäckchen und Puddingen ihre „sanften" Demonstrationsformen verhärteten, kam es bald zu verstärkten Ausgefallenheiten in der Besetzung von Verkehrsknotenpunkten und „teach-ins", die jede positive Arbeit lähmten. Im Kampf gegen die „präformierten" Meinungen, für die man den Springer-Konzern beschuldigte, kam es dann zu schweren Sachbeschädigungen und beim Versuch, die Auslieferung der Springer-Blätter zu verhüten, zu regelrechten Straßenschlachten, wobei durch die nun freigewordenen „harten" Wurfgegenstände (Pflastersteine und Balken) die ersten Toten zu beklagen waren. Mit diesen und weiteren Gesetzlosigkeiten hatte die „gewaltlose" Demonstration ihr Ende gefunden. Sie setzte sich durch neue „teach-ins" und dann auch durch die „Besetzung" und „Vergesellschaftung" von Universitätsinstituten weiter fort. Sie wird praktisch Gewaltanwendung und ist damit das Ende des publizistischen Kampfes. Marcuse weist weiter den Weg in die Gewalt, ohne daß er — wie das z. B. in kommunistischen Programmschriften immer geschieht und geschah — über das Bild der Zukunft, die realen Chancen und die Leistungsforderungen seiner Ideologie auch nur in Andeutungen sich bekennen würde1*. So zeigt sich in ihrer bisherigen Entwicklung die Ideologie Marcuses als ein intellektueller Illusionismus. Seine Forderung, die „präformierende Publizistik" zu verbieten und dann den „systematischen Entzug von Toleranz gegenüber rückschrittlichen und repressiven Meinungen" 17 , durchzusetzen ließe allerdings „sich nur als das Ergebnis eines massiven Druckes vorstellen, was auf eine Umwälzung hinausliefe". Damit verkündet Marcuse das Ende der demokratischen Freiheit, MARCUSE, H.: Der eindimensionale Mensdi. Neuwied 1967, S. 267. Vgl. Bergmann, Dutschke, Lefevre, Rabehl: Rebellion der Studenten oder die neue Opposition, rororo Hamburg 1 9 6 8 . S. 6 3 f. — Dokumentation der Gegner: W I N K L E R , H. J . : Das Establishment antwortet der APO. Opladen 1968, Leske-Vlg. 15 DUTSCHKE a.a.O. S . 6 3 . Ähnlich bei A G N O L I , J . : Die Transformation der Demokratie. Berlin 1967. 16 In einer Podiumsdiskussion in Berlin am 12. 7. 1967 hat Marcuse jede Stellungnahme zu der Praxis des nadirevolutionären Weges ausdrücklich abgelehnt. (Bericht des Verf.) 17 MARCUSE, H.: Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt 1967. S. 126. "

14

DIB PUBLIZISTIK DER DEMONSTRATIONEN

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ohne ein praktisch politisches Ziel zu nennen. Seine Ideologie verheißt uns einen „vom Kampfe um das Dasein freien Mensdien". Er ist der utopischen Hoffnung, aus der Vollendung der Technik einen paradiesischen Zustand zu schaffen und darin auch den Menschen zu vollenden. Emotionale Zukunftshoffnungen waren von jeher bestrickende Mittel einen politischen Glauben in die Massen zu bringen. Bisher hat Marcuse nur radikale Studenten in sein Gefolge gebracht, deren Demonstrationen in Intoleranz und Gewalttätigkeit umschlugen. So haben sie die breiten Massen nicht nur nicht gewonnen, sondern eine tiefe Kluft zwischen sich und ihnen aufgerissen. Es bleibt der Versuch der „neuen Demonstration", sich der Macht herausfordernd zu „konfrontieren". Stellt sie die Ordnung wieder her, fallen die „Märtyrer" (Geprügelte, Gefangene, usw.). Die damit entstehende propagandistische Wirkung wird bis zum letzten ausgekostet (s. Bd. I S. 131, S. 205 u. S. 209). Die illusionäre Theorie Marcuses und ihre Folgen können in einem Rechtsstaat nur mit demokratischen, dann allerdings entschiedenen Mitteln überwunden werden. Sie greift an die freiheitlichen Grundlagen unseres Lebens. Um solche Entwicklungen abzuwehren, müßte die freie politische Willensbildung kräftiger in Wirkung gesetzt werden. Das aber erfordert aktive Anteilnahme am politischen Geschehen nicht nur durch Kontrolle und Kritik, sondern durch Mitsorge und Mitverantwortung in allen demokratischen Aufgaben, insbesondere in den Parteien, bis herunter in die politische Kleinarbeit. Dies praktische Zupacken ist eines der wichtigsten Elemente demokratischen Lebens. Erkenntnisse aus dem Dabeisein vermitteln der politischen Aktion die erfolgreichste Sachkunde. Sie ist ein höchst reales Gegenmittel gegen die von Marcuse so angegriffene „präformierte Meinung", gegen alle von ihm behaupteten negativen Seiten des „Establishments" und die von ihm angeklagte: „Verdummungswirkung" der Massenpublizistik. Allerdings muß der größte Teil des Volkes von dieser demokratischen Aktivität auch wirklich erfaßt werden. Niemand rettet die Demokratie, wenn es die Demokratie nicht selber tut. Dazu freilich bedarf es eines moralischen Aufschwungs, der erst in den Anfängen sichtbar ist. LITERATUR AGNOLI, J . , U. F . BRÜCKNER: D i e T r a n s f o r m a t i o n d e r D e m o k r a t i e . B e r l i n 1 9 6 7 . — MANN, DUTSCHKE, LEF£VRE, RABEHL: R e b e l l i o n

der

Studenten

oder

die

neue

BERG-

Opposition,

rororo Hamburg 1968. — DENNERT, J.: Umsturz aus der Retorte. Anarchismus — Zwischen Marx und Mao. Sonntagsblatt, Hamburg 1967 Nr. 35. — GENRICH, CL.: Die neue Linke. H. Marcuse als einer der Inspiratoren der außerparlamentarischen Opposition. FAZ 1968 Nr. 88. — LIPSET, S. M. (Hrsg.): The Berkeley Revolt. New York 1965. — MARCUSE, H.: Der eindimensionale Mensch. Neuwied 1967. — DERS.: Das Ende der Utopie. Berlin 1967. — DERS.: Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt 1967. — PESCH, L.: Das Weltbild des neuen Radikalismus. Rh. Merkur 1967 Nr. 47. — DERS.: Das Paradies liegt rechts. Rh. Merkur 1968 Nr. 7. — RENFORDT, K. H.: Mahatma Gandhi. Ein Publizist der Tat und des Beispiels. Berlin Diss. 1959. — WINKLER, H. J.: Das Establishment antwortet der APO. Eine Dokumentation. Opladen 1968 Leske Verlag. — FABIAN, R.: Wenn das System „zuschlägt". Rh. Merkur 23/1968.

Das Recht der Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen H A N S - J Ö R G ERB

1. Die Regelung im Grundgesetz Nach Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden (Art. 8 Abs. 2 GG). Träger dieses Grundrechts sind alle Deutschen i. S. d. Art. 116 GG; es steht auch Minderjährigen zu, soweit Grundrechtsmündigkeit vorliegt (Richtschnur könnte hierbei § 107 BGB — beschränkte Geschäftsfähigkeit — sein1). Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist ein staatsgegebenes Grundrecht (Staatsangehörigenrecht)2, nicht ein Menschenrecht, obgleich es in Art. 11 der Europ. Menschenrechtskonvention verankert ist (str.)3. Ausländer genießen nicht den Grundrechtsschutz des Art. 8 GG4; jedoch wird ihnen durch einfaches Gesetz (§ 1 Abs. 1 VersG) ebenfalls das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten oder daran teilzunehmen, gewährt. Juristische Personen können sich — zumindest als Veranstalter — auf das Grundrecht des Art. 8 GG berufen (str.)6. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit richtet sich als klassisches Freiheitsrecht gegen den Staat (Abwehrrecht) 6 . Es schützt Veranstaltungen, die der öffentlichen Meinungsbildung dienen. Das Wesen der Versammlungsfreiheit ist daher nicht in erster Linie die Freiheit des räumlichen Zusammentritts, sondern die Freiheit, bestimmte Angelegenheiten kollektiv zu erörtern oder darüber eine Meinung kollektiv kundzugeben. Die Versammlungsfreiheit steht mit dem Recht auf freie

Meinungsäußerung

1 VON M Ü N C H , Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung Art. 8 , 1 9 6 4 , Rdnr. 4; Füßlein, Vereins- und Versammlungsfreiheit, S. 443 i. V. mit S. 430. 2 VON MANGOLDT-KLEIN, Das Bonner Grundgesetz, Anm. II 4 zu Art. 8 ; von Münch, a.a.O., Rdnr. 1. 8 VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. II 4 zu Art. 8 ; von Münch, a.a.O., Rdnr. 3 ; a. A. Ott, Das Recht auf freie Demonstration, S. 14 ff. 4 VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. II 4 zu Art. 8; von Münch, a.a.O., Rdnr. 2. 5 VON M Ü N C H , a.a.O., Rdnr. 5, mit weiteren Nachweisen zu der umstrittenen Frage. • VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. II 3 zu Art. 8; von Münch, a.a.O., Rdnr. 15.

DAS RECHT DER VERSAMMLUNGEN, KUNDGEBUNGEN UND DEMONSTRATIONEN

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(Art. 5 GG) in engem Zusammenhang. Sie ist jedoch kein Unteriall der Meinungsfreiheit; beide Grundrechte stehen vielmehr selbständig nebeneinander, wenngleich in der Regel ein Versammlungsteilnehmer gleichzeitig von beiden Grundrechten Gebrauch machen wird7. Versammlungsfreiheit und die übrigen Grundrechte stehen ebenfalls selbständig und gleichberechtigt nebeneinander. Die Behauptung, daß die Versammlungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechten Vorrang habe, findet im Grundgesetz keine Stütze. Als Sonderform des allgemeinen Freiheitsrechts findet die Versammlungsfreiheit ihre Schranken im Gemeinschaftsvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG8, d.h. insbesondere in den „Rechten anderer". Der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung" in Art. 2 GG bietet indessen keine Handhabe, die allgemeine Polizeiklausel als generelle Schranke der Versammlungsfreiheit anzuerkennen; insoweit ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit polizeifest (str.)9. Dies schließt jedoch nicht aus, daß Einschränkungen aus bau-, feuer, oder gesundheitspolizeilichen Gründen zulässig sind. Entgegen früheren Entwürfen sieht die jetzt in Kraft getretene Notstands Verfassung für den Notstandsfall keinerlei besondere Beschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit mehr vor. Der Begriff der Versammlung wird sowohl vom Grundgesetz als auch vom Versammlungsgesetz als bekannt vorausgesetzt. Er steht zumindest in höchstrichterlicher Rechtsprechung fest. Danach ist unter einer Versammlung „die Zusammenkunft einer Anzahl von Menschen zu dem Zweck öffentliche Angelegenheiten zu erörtern oder eine gemeinsame Kundgebung zu veranstalten" zu verstehen1®. Es genügt dabei bereits eine kleinere Zahl, mindestens aber drei Personen 11 . Voraussetzung ist weiterhin, daß zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks eine innere Verbundenheit vorhanden ist; dies unterscheidet gerade die Versammlung von der bloßen Ansammlung von Personen, die durch Art. 8 GG nicht geschützt ist12. Unter den Begriff der Versammlung i. S. des Art. 8 GG fallen öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen 13 , öffentlich ist eine Versammlung dann, wenn der Zutritt nicht auf einen individuellen Personenkreis beschränkt, sondern grundsätzlich jedermann gestattet ist, selbst wenn die Aufforderung zur Teil7 VON MÜNCH, a.a.O., Rdnr. 18; FÜSSLEIN, Vereins- und Versammlungsfreiheit, S. 449; ders., Versammlungsgesetz, S. 18. 8

VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. I V 3 zu A r t . 8 ; v o n MÜNCH, a.a.O., Rdnr. 31.

FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S. 19/20; VON MÜNCH, a.a.O., Rdnr. 33 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstreit. 10 BVerwGE 26, 135 [137]; VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. III 2 mit Hinweisen. 11 VON MÜNCH, a.a.O., Rdnr. 21; Füßlein, Vereins- und Versammlungsfreiheit, S. 444 Fußnote 88. 18 VON MÜNCH, a.a.O., Rdnr. 22; VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. III 2 zu Art. 8. 1 5 VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. III 3a zu Art. 8; von Münch, a.a.O., Rdnr. 23; Füßlein, Vereins- und Versammlungsfreiheit, S. 445. 9

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HANS-JORG ERB

nähme auf bestimmte Personen oder Personenkreise eingeschränkt war (sogen, beschränkte Öffentlichkeit) oder nicht". In der Literatur ist umstritten, ob eine Versammlung i. S. des Art. 8 GG auch dann vorliegt, wenn ihr Zweck sich nicht auf öffentliche Angelegenheiten, sondern auf solche privater Natur bezieht11. Indessen spricht die Entstehungsgeschichte mehr für die engere Auslegung"». Keine Versammlung i. S. des Art. 8 GG sind grundsätzlich rein unterhaltende Veranstaltungen, wie z. B. Konzert-, Theater-, Filmaufführungen, Sport- oder Lustbarkeitsveranstaltungen sowie Veranstaltungen rein kommerzieller Natur, z. B. Märkte, Messen u. ä.". Der Versammlungsbegriff, insbesondere auch der der Versammlung unter freiem Himmel (Art. 8 Abs. 2 GG), umfaßt auch Unterarten von Versammlungen, wie z. B. Kundgebungen oder Aufzüge, d. h. sich fortbewegende Versammlungen (Umzüge, Demonstrationen, Schweige- oder Protestmärsche) 17 , sowie die neuerdings aus den USA überkommenen Versammlungs- und Demonstrationsformen (sit-in, teach-in, go-in u. ä.). Nicht unter den grundrechtlich geschützten Versammlungsbegriff fällt die sogenannte „picketing-line" ( = einzelne Demonstranten tragen in großem Abstand voneinander Plakate mit politisch provozierenden Aufschriften), da es sich dabei mangels engen räumlichen Zusammenhangs lediglich um die auffällige Meinungskundgabe mehrerer Einzelpersonen handelt. Das Abhalten einer Diskussion gehört nicht unbedingt zu einer Versammlung. Es genügt, wenn ein Redner auftritt 18 . Bei Kundgebungen oder Demonstrationen braucht kein Redner aufzutreten. Kundgebung (Demonstration) bedeutet die Offenbarung einer Meinung zu bestimmten öffentlichen Angelegenheiten. Eine solche Meinungskundgabe ist nicht nur durch das gesprochene Wort, sondern auch auf andere Weise (Schriften, Plakate, Transparente) möglich. Nach Art. 8 GG ist nur das friedliche und waltenlose Sichversammeln grundrechtlich geschützt. Nicht friedlich ist eine Versammlung dann, wenn ein gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf angestrebt ist oder erfolgt". Das Waffenverbot bezieht sich auf alle Waffen im technischen und nichttechnischen Sinne, also auch auf gefährliche Werkzeuge i. S. d. § 223 a StGB 40 . 14

FÜSSLEIN,

zu Art. 8.

Versammlungsgesetz,

S.

23/24; von Mangoldt-Klein,

a.a.O.,

Anm. III 3a

VON M Ü N C H , a.a.O., Rdnr. 2 4 mit Nachweisen. » Im Ergebnis audi BVerwGE 26, 135 [ 1 3 7 ] , 1 1 FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S . 2 3 : VON M Ü N C H , a.a.O., Rdnr. 25; VON M A N G O L D T KLEIN, a.a.O., Anm. III 2 zu Art. 8. 1 7 VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. III 5; Füßlein, Versammlungsgesetz, S. 25. 1 8 FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S. 23. 1 8 FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S . 44; VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. I I I 4a zu Art. 8; VON M Ü N C H , a.a.O., Rdnr. 29. M VON M A N G O L D T - K L E I N , a.a.O., Anm. I I I 4b zu Art. 8; von Münch, a.a.O., Rdnr. 30. 15

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DAS RECHT DER VERSAMMLUNGEN, KUNDGEBUNGEN UND DEMONSTRATIONEN

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2. Die Regelung Im Versammlungsgesetz Der Gesetzgeber hat die Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 (BGBl. I S. 684), geändert durch Art. 3 des 6. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. Juni 1960 (BGBl. I S. 478) und §29 Vereinsgesetz vom 5. Aug. 1964 (BGBl. I S. 593) geregelt. Im Land Berlin besteht eine besondere landesreditliche Regelung (Gesetz über die Versammlungsfreiheit vom 29. Sept. 1950 (GVB1. I S. 442). Das Gesetz enthält im Wesentlichen nur Vorschriften für öffentliche Versammlungen. Umfang und Grenzen nichtöffentlicher Versammlungen ergeben sich unmittelbar aus dem Grundgesetz und der Auslegung seiner Bestimmungen11. Für sie gilt nach Art. 8 GG ebenfalls das Gebot der Friedlichkeit und das Waffenverbot. Die Verbots- und Auflösungsbestimmungen der § § 5 und 13 VersG sind entsprechend anwendbar, da in diesen Fällen kein Grundrechtsschutz besteht". Abschnitt I (§§ 1 bis 3) VersG enthält die allgemeinen Bestimmungen für öffentliche Versammlungen. Nach § 1 Abs. 1 VersG hat Jedermann das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen teilzunehmen. Die Versammlungsfreiheit wird somit auf Ausländer ausgedehnt. Das Recht der Versammlungsfreiheit besteht nicht (§ 1 Abs. 2 VersG): bei Verwirkung dieses Grundrechts nach § 18 GG, bei Förderung der Ziele einer nach Art. 21 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärten Partei oder Teil- oder Ersatzorganisation, für eine nach Art. 21 Abs. 2 GG als verfassungswidrig erklärte Partei sowie für eine nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotene Vereinigung.

§ 2 VersG enthält Vorschriften zur Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung einer öffentlichen Versammlung: Pflicht zur Angabe des Namens des Veranstalters, Verbot von Störungen und Waffenverbot. § 3 VersG sanktioniert — nicht nur für Versammlungen — ein generelles Uniformverbot; Ausnahmen hiervon sind für bestimmte Jugendverbände zulässig (§ 3 Abs. 2 VersG). Abschnitt II (§§ 5 bis 13) des VersG regelt speziell das Recht der öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen. Unter geschlossenem Raum ist ein überdachter Raum zu verstehen, der auch nach den — nicht unbedingt allen — Seiten hin umschlossen ist2*. Eine Versammlung unter einem Dach, aber ohne seitliche Umschließung, ist als solche unter freiem Himmel anzusehen. Auch wenn sich eine erhebliche Zahl von Versammlungsteilnehmern außerhalb des geschlossenen Raumes befindet, mit diesem aber mittels technischer Einrichtungen (z. B. FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S. 14. Ders., Versammlungsgesetz, S. 15. " VON MANGOLDT-KLEIN, a.a.O., Anm. III 3b zu Art. 8; S. 39. "

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Lautsprecher) in Verbindung steht, dürfte insgesamt gesehen eine Versammlung unter freiem Himmel vorliegen 24 . Die Abhaltung einer Versammlung in geschlossenen Räumen kann nur im Einzelfall und nur dann (präventiv) verboten werden (§ 5 VersG): wenn der Veranstalter unter § 1 Abs. 2 VersG fällt, der Veranstalter oder Leiter der Versammlung bewaffneten Teilnehmern Zutritt gewährt, ein gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf der Versammlung angestrebt ist oder wenn der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden, die Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgende Vergehen zum Gegenstand haben.

§ 13 VersG räumt der Polizei bei Vorliegen bestimmter Tatbestände das Recht ein, eine Versammlung in geschlossenen Räumen aufzulösen oder zu unterbrechen. Ist eine Versammlung insoweit aufgelöst worden, haben sich alle Teilnehmer sofort zu entfernen (§13 Abs. 2 VersG). § § 6 bis 11 VersG regeln die Rechte und Pflichten des Veranstalters bzw. Leiters und der Teilnehmer einer Versammlung. Der Veranstalter kann von vornherein in der Einladung bestimmte Personen oder Personenkreise, nicht aber Pressevertreter, von der Teilnahme ausschließen (§6 Abs. 1 VersG). Pressevertreter haben sich gegenüber dem Leiter der Versammlung auszuweisen (§ 6 Abs. 2 VersG). Jede öffentliche Versammlung muß einen Leiter haben, der auch das Hausrecht ausübt (§ 7 VersG). Leiter kann nur eine natürliche Person sein; er muß im Hinblick auf die ihm auferlegten Funktionen und Verantwortung wohl volljährig sein (str.)85. Der Leiter bestimmt den Ablauf der Versammlung und hat für ihre Ordnung zu sorgen. Er kann die Versammlung jederzeit unterbrechen und schließen (§ 8 VersG). Zur Durchführung seiner Rechte aus § 8 kann er sich einer angemessenen Zahl volljähriger, ehrenamtlicher und unbewaffneter Ordner bedienen, die ausschließlich mit weißen Armbinden mit dem Aufdruck „Ordner" gekennzeichnet werden dürfen (§ 9 VersG). Die Polizei kann die Zahl der Ordner angemessen beschränken (§9 Abs. 2 VersG). Alle Versammlungsteilnehmer sind verpflichtet, den Anweisungen des Leiters und der bestellten Ordner Folge zu leisten (§ 10 VersG). Ordnungsstörer kann der Leiter von der Versammlung ausschließen; der Ausgeschlossene hat die Versammlung sofort zu verlassen (§11 VersG). In die Versammlung entsandte Polizeibeamte haben sich dem Leiter zu erkennen zu geben; ihnen muß ein angemessener Platz eingeräumt werden (§ 12 VersG). Für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge hat der Gesetzgeber von der Beschränkungsmöglichkeit des Art. 8 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht und im III. Abschnitt (§§ 14 bis 20) des VersG besondere Vorschriften getroffen. 24 FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S . 4 0 ; im Ergebnis wohl auch Trubel-Hainka, Das Versammlungsgesetz, Anm. 1 zu § 5 (S. 35/36). 45 FÜSSLEIN, Versammlungsgesetz, S . 4 7 ; POTRYKUS, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, Anm. 1 zu § 7 Abs. 1.

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W e r die Absicht hat, eine derartige Versammlung zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde anzumelden und dabei den verantwortlichen Leiter zu benennen (§14 VersG). § 15 VersG regelt die Verbots- und Aullösungsmöglichkeiten. Eine Versammlung oder ein Aufzug kann verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den Umständen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit unmittelbar gefährdet ist (§ 15 Abs. 1). Sie können aufgelöst werden, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach § 15 Abs. 1 gegeben sind (§ 15 Abs. 2 VersG). § 16 VersG verbietet grundsätzlich öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb der befriedeten Bannkreise der Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder sowie des Bundesverfassungsgerichts; nähere Regelungen enthalten die Bannmeilengesetze des Bundes und der Länder. Die Vorschriften der §§ 14, 15 VersG (vorherige Anmeldung, Auflösungsrecht bei Niditanmeldung) sind jedenfalls für die Regelfälle, in denen eine vorherige Anmeldung möglich ist, verfassungskonform26. Umstritten ist ihre Geltung lediglich bei den in der Praxis seltener vorkommenden Fällen von Spontanveisammlungen, d. h. Versammlungen oder Aufzügen, die keinen Veranstalter oder Organisator haben, bei denen sich vielmehr die Teilnehmer aus eigenem Antrieb, in eigener individueller Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis zusammengefunden haben. Das Versammlungsgesetz enthält hierzu keine Aussage. Es könnte daher angenommen werden, daß Spontanversammlungen generell mit sonstigen Versammlungen rechtlich gleichzustellen sind27. Da die Anmeldepflicht für spontane Versammlungen indessen zu einem generellen Verbot dieser Versammlungsart führen würde, ist insoweit den besonderen Gegebenheiten durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 14, 15 und 26 VersG Rechnung zu tragen28. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i. S. d. § 15 VersG liegt immer dann vor, wenn die Voraussetzungen der §§ 5 und 13 VersG gegeben sind, insbesondere auch wenn die Veranstalter von vornherein Gewalttätigkeiten gegen Personen anstreben oder im Verlauf der Versammlung vornehmen. Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehen immer bei Beeinträchtigung der positiven Rechtsordnung (insbes. bei Gefahr für den Bestand des Staates und seiner Institutionen, für Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Eigentum) 29 . Daß die Versammlungsfreiheit nicht zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht werden darf, erhellt bereits Art. 18 GG (Verwirkung bestimmter Grundrechte). Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt auch vor, wenn Straßenverkehrsvorschriften verletzt werden 39 . Die Leichtigkeit des Verkehrs wird vor allem bei Aufzügen (Demonstrationen u. ä.) 28

BVerwGE 26, 135 ff.

27

s o FÜSSLEIN, V e r s a m m l u n g s g e s e t z , S . 6 5 .

HOFFMANN, Die polizeiliche Aufgabe bei öffentlichen Ott, a.a.O., S. 55 ff. 28

29

HOFFMANN, a . a . O . , S . 2 3 4 ;

DREWS-WACKE, A l l g e m e i n e s

Köln—München—Bonn 1961, S. 63 f. 30

HOFFMANN, a . a . O . , S . 2 3 4 ; v o n MÜNCH, a . a . O . , R d n r . 3 8 .

Demonstrationen,

Polizeirecht,

7. A u f l . ,

S. 234: Berlin—

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HANS-JÖRG ERB

regelmäßig beeinträchtigt. Gewisse Erschwerungen oder vorübergehende Störungen des Verkehrs müssen zwar in Kauf genommen werden. Die Beeinträchtigung des Verkehrs darf jedoch nur soweit gehen als es unbedingt erforderlich ist, um den Zweck der Versammlung oder des Aufzuges zu erreichen". Ist jedoch die Behinderung des allgemeinen Verkehrs oder sonst die Belästigung der Mitbürger ein Selbstzweck der Versammlung oder des Aufzuges (wie z. B. bei sit-in auf wichtigen Straßen einer Großstadt), so wird die von der Verfassung gewährte Toleranzgrenze überschritten und ist die Veranstaltung in ihre Schranken zu weisen. Der Sdiutz der öffentlichen Ordnung umfaßt den Schutz der nichtpositiven Ordnungsnormen, also der Normen, deren Befolgung nach herrschenden sittlichen und sozialen Anschauungen für ein menschliches Zusammenleben unerläßliche Voraussetzimg ist*1 (z. B. Schutz des religiösen Empfindens und der Gotteshäuser). Besondere Veranstaltungen (Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge, Wallfahrten, Leichenbegängnisse, Hochzeitszüge und hergebrachte Volksfeste) unterliegen nicht den Vorschriften der §§14 bis 16 VersG (§ 17). Für Versammlungen unter freiem Himmel gelten nach § 18 VersG die Vorschriften der §7 Abs. 1 (Pflicht zur Bestellung eines Leiters), § 8 (Rechte und Pflichten des Leiters), § 9 Abs. 1 (Bestellung von Ordnern, die jedoch der polizeilichen Genehmigung bedarf — § 18 Abs. 2), § 10 (Pflichten der Teilnehmer), § 11 Abs. 2 (Pflicht zur sofortigen Befolgung eines Ausschlusses aus der Versammlung), §12 (Anwesenheit von Polizei) und §13 Abs. 2 (Pflicht der Teilnehmer, sich nach polizeilicher Auflösimg einer Versammlung sofort zu entfernen) entsprechend. Bei Aufzügen gelten noch Sondervorschriften (§19 VersG); insbesondere ist der Leiter verpflichtet einen Aufzug aufzulösen, wenn er die Ordnung nicht aufrechterhalten kann. Bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen kann auch die Polizei Teilnehmer, die die Ordnung gröblich stören, ausschließen (§ 18 Abs. 3, § 19 Abs. 4 VersG). Abschnitt IV (§§21 bis 29) des VersG enthält Strafvorsdiriften, die dem Schutz der Versammlung (§ 21) und der Aufrechterhaltung der Ordnung in Versammlungen (§ 23) dienen sowie bestimmte Verstöße gegen versammlungsrechtliche Normen mit Strafe beschweren (§§ 23 bis 29).

LITERATUR Allgemeines MANGOLDT, F. von, H. KLEIN: Das Bonner Grundgesetz. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin—Frankfurt a. M. 1957, Erl. zu Art. 8 (S. 299 ff.) — MÜNCH, J. von: Kommentar zum Bonner Grund81

HOFFMANN, a . a . O . , S . 2 3 5 .

M

HOFFMANN, a . a . O . , S . 2 3 4 ; TRUBEL-HAINKA, a . a . O . , A n m . 5 z u § 1 5 (S. 5 8 ) .

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gesetz (Bonner Kommentar), Hamburg 1 9 5 0 ff., (Zweitbearbeitung Art. 8 1 9 6 4 ) •— FÜSSLEIN, R. W.: Vereins- und Versammlungsfreiheit in Neumann—Nipperdey—Scheuner, Die Grundrechte Bd. 2. Berlin 1954, S. 425 ff. Einzelgebiete

ENDERLING, G.: Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz), Stuttgart—Köln 1953 — FÜSSLEIN, R. W.: Versammlungsgesetz (Erläuterungsbudi). Berlin— Frankfurt a. M. 1954 — HOFFMANN, W.: Die polizeiliche Aufgabe bei öffentlichen Demonstrationen: In Staats- und Kommunalverwaltung, Heft 9 und 10 1957, S. 230 ff. und 261 ff. — O T T , S.: Das Recht auf freie Demonstration. Berlin—Neuwied 1967 — POTRYKUS, G.: Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz): In Erbs Strafrechtliche Nebengesetze. München—Berlin 1953 ff. — SEIFERT, K. H.: Das neue Versammlungsgesetz, Die Polizei 1953, S. 133 ff. — TRUBEL, H., U. HAINKA, F.: Das Versammlungsrecht. Hamburg 1953.

B. Publizistik des Bildes I. D A S S T E H E N D E BILD

Bildwert und Bildaufgabe im öffentlichen Leben RAINER

FABIAN

Das Leben der Photographen ist reich an augen-blicken. Einer der merkwürdigsten ereignete sich am 8. Juni 1954 am Fuße der großen Cheops-Pyramide, Gizeh, Ägypten. Dort lag ein Photograph auf der Erde, ausgestreckt im Sand und zwängte seine Kamera durch einen Spalt in das Innere einer halbfreigelegten Grabkammer. Während die Archäologen noch fürchten, daß der kostbare Schatz in der Gruft durch den Aufprall der ersten Sonnenstrahlen zerfallen könnte, atmet der Photograph den Staub einer vergangenen Welt, wieder und wieder drückt er auf den Auslöser, und am gleichen Tag schreibt er triumphierend in sein Notizbuch: „Niemand hat bisher das Sonnenboot des Cheops gesehen, obwohl ich es heute photographiert habe. Vom Bug bis zum Hede. Nur meinen Arm hatte ich in der Grabkammer. Das Geheimnis des alten Pharao, das 5000 Jahre lang unangetastet blieb, wird noch ein Wochenende überleben — bis die Redakteure von .Life' meine Filmrolle in den Händen haben . . . " Dieser Augenblick im Leben des LIFE-Photographen D A V I D D . D U N C A N ist selbst ein Bild. Es zeigt seine wesentliche Tat: Der Photograph erlöst die unbewußten, in der Tiefe ruhenden Bilder, aus ihrem Schlaf und reiht sie ein in das imaginäre Museum dieser Zeit. Diese Tat selbst ist nicht neu. Es gibt eine Identität zwischen den urzeitlichen Tierdarstellungen und der Mikroaufnahme der wuchernden Krebszelle, es gibt eine Übereinstimmung zwischen den Abbildern der Göttinnen der Altsteinzeit und den ersten Aufnahmen von der Rückseite des Mondes, zurückgestrahlt von automatischen Kameras, es gibt jene Identität, die den Urzeitmenschen, der den springenden Hirsch an die Decke seiner Höhle kratzt, mit dem Illustriertenreporter verbindet, der im Hubschrauber über das vietnamesische Kampfgebiet von Dak To fliegt und die von den Geschossen zerfetzten Bäume photographiert. Worin besteht diese Identität? Die Frage nach dem Verhältnis von Bild und Begriff, von Anschauung und Denken, bezeichnet ein Grundproblem der abendländischen Geistesgeschichte. Goethe war der Auffassung, daß es der bild- und gestalthafte Ausdruck sein muß,

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der zeitlich früher liegt. G O E T H E nannte es „Urphänomen", F R E U D sprach von den Bildern des kollektiven Unbewußten, C. G. J U N G von den „Archetypen" und J A K O B BURCKHARDT von „urältesten Erinnnerungen". Das Bild selbst taucht in der Vorzeit an die Oberfläche unseres archäologischen Erinnerungsvermögens. Als Umrißkunst in der Eiszeit, als Höhlenbild im Diluvium und Paläolithikum. In höchster Naturtreue kratzte der Mensch der Vorzeit das wilde Tier in den Fels: das Tier ist lebendig, es springt, verharrt und sichert wie in der Natur. Kein Bewußtsein schaltete sich zwischen die Natur und das Gehirn des wilden Menschen, von dem F. Schultze sagt: „Es ist, als ob alle äußerlichen Erscheinungen seinem, des Wilden, mit keinem abstrakten Gedanken beschäftigten Gehirn einphotographiert würden." Die Wissenschaft hat diese Fähigkeit das „eidetisdie Vermögen" (eidos = Gestalt, Bild) genannt. Der Höhlenmensch malte aus dem Schwung der Hand, er fühlte das Bild, er war es selbst im Augenblick, im Akt des Malens. Tanzend erlebte er das Wesen des Tieres, tanzend übertrug er seine Gestalt, in die er verwandelt war, tanzend wurde er selbst zum Tier, zu Bild und Beschwörung. Doch diese Zeit war kurz und eigentlich tritt das Bewußtsein des Menschen bereits in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit aus seiner Identität mit dem Bild heraus. In dieser Jungsteinzeit nabelt der Mensch sich ab zu seinem Ich. Seine Bilder werden zu „Urteilen über die Wirklichkeit'. Die Trennung zwischen Ich und Welt, zwischen dem warmen Hier und dem kalten Dort, wird vollzogen. In dieser Zeit werden die Zeichen geboren, die ersten Symbole, die Runen, die Hieroglyphen. Im Menschen der Jungsteinzeit erwacht die Fähigkeit, ein Erlebnis zu abstrahieren. Er, der für den springenden Hirsch das Zeichen des springenden Hirsches setzt, ist nicht mehr identisch mit dem Wild. Denn er hat jetzt einen Begriff davon. Er ist Jäger, der Hirsch sein Opfer. Triumphierend erlebt er diese Tatsache und verewigt sie durch die zeichenhafte Gebärde. Damit sind die beiden grundsätzlichen Positionen bezeichnet. Sie haben sich bis heute wohl entwickelt, aber nicht eigentlich geändert. Immer noch und gerade heute steht das Bild gegen den Begriff, die Formen der Sinnlichkeit gegen die des Verstandes, die Anschauung gegen das Denken, der Mythos gegen den Logos. Denn obwohl die Philosophie und Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit geradezu als Kampf um den höheren erkenntnismäßigen Wert von Anschauung oder Denken verlief, hat sich die magische Kraft des Bildes von Anbeginn erhalten. Die Kraft des Bildes ist selbst in der Neuzeit so stark, daß wohl keine der gewaltsamen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ohne den gleichzeitigen Sieg der Bilderstürmer über die Bilderverehrer stattgefunden hat. Wer einen Tyrannen stürzt, wer neue Götter auf den Thron setzt, beginnt damit, die Bilder des alten Tyrannen zu zerbrechen, die Bildnisse der alten Götter zu zerbrechen. Das reicht bis zu den Beamtenstuben und Schulzimmern im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands nach 1945. An die gleiche, beim Abnehmen des Hitlerportraits blaß gebliebene rechteckige Stelle an der Wand mußte das Portrait Stalins gehängt werden. 4 Publizistik II

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RAINER FABIAN

Die magische Kraft des Bildes, das heißt „die Erkenntnis durch das Anschauen" oder die „Beschwörung durch das Abbilden" wird durch die Jahrtausende belegt. „Seher" nannte man die der keltischen Zeit angehörenden Druiden, und was sie orakelhaft aussprachen, das waren Offenbarungen von Bildern, rätselhaft, weltverändernd, heilig. Dieser heilige Charakter des Gesehenen und Erschauten veranlaßte manche Religionen, den Bilderdienst abzulehnen als Götzendienst, der Islam zum Beispiel und das Judentum. So wird das Bilderverbot im Alten Testament nicht nur im Dekalog ausgesprochen („Du sollst Dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen"), sondern in viel schärferem Ton an anderen Stellen, so zum Beispiel im 5. Buch Moses: „Verflucht sei, wer ein geschnitztes oder gegossenes Bild macht, einen Greuel für den Herrn, ein Werk von den Händen der Werkmeister." Auf den späteren Konzilien taucht die Frage immer wieder auf, ob der „cultus imaginum" zulässig sei, diese Frage wurde schließlich im positiven Sinn entschieden, auf der Synode von Nicäa (325) und auf dem späteren Tridentinum (1545 bis 1563). Unabhängig von solchen Entscheidungen wurde das Bild seit jeher in seiner Zweiheit erlebt, als prometheische, schöpferische Tat und als Mittel, das Gute herbeizuzwingen oder das Böse abzuwerten. Vierzehn Jahrhunderte vor dem christlichen Zeitalter, in der Dynastie der Shang, erscheint der T'AO-T-IEH auf rituellen Bronzebildwerken. Sein Name bedeutet „Vielfraß". Die Chinesen malen sein Bild auf das Eßgeschirr, um Mäßigkeit zu lehren, ü b e r dreitausend Jahre später berichtet P A U L K L E E in seinem Tagebuch, daß er die Geister des Bösen, die er als Vierjähriger zeichnete, so fürchtete, daß er vor ihnen floh. Dieser, das Böse herbeizwingenden Kraft entspricht die Heilkraft des Bildes, wie es aus dem Antoniterhospital zu Isenheim bekannt ist. Dort wurde der um 1510 gemalte Altar von Matthias Grünewald benutzt, um eine der als unheilbar geltenden Krankheiten dieser Zeit, das Antoniusfeuer, eine Art von Epilepsie, zu heilen. Wenn ein Kranker eingeliefert wurde, so legte man ihn vor den dreiflügeligen Altar. Dort blieb er drei Tage und drei Nächte. Als erstes sollte er die gräßlichen Visionen der Dämonen erleben, die versuchen, peinigen und foltern. Als zweites erschaute er die Verkündigung als Hoffnung, den Dämonen zu entrinnen, um am dritten Tag, nach dem Todeskampf des gekreuzigten Christus, in dem Bewußtsein der Wiederauferstehung aus dem Unterbewußtsein seines Krankheitszustandes wieder aufzutauchen in die Gesundheit. Dieses Bildverständnis endete in der europäischen Wissenschaftsgesinnung, die seit Galilei und Descartes immer entschiedener die Grundüberzeugung vertritt, daß der Begriff an Wert der Anschauung vorzuziehen sei, daß sich logische Formel und Verstandesgesetzlichkeit über Bild und Gestalt erhebe, daß puristisches Denken höher zu setzen sei als die Imagination. Als Kind der reformatorischen Welt ist auch gerade die spätere deutsche Aufklärung von bilderstürmerischen Impulsen getragen. Diese — gegen das Bild gerichtete — Bewegung, die auf die alte Frage zurückzuführen ist, wonach wir die Welt beurteilen, auf meta-

BILDWERT UND AUFGABE IM ÖFFENTLICHEN LEBEN

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physische Weise, indem wir mit einem bestimmten Wissen über die Welt geboren . sind oder die empirische, wodurch alles Wissen aus der sensorischen Erfahrung stammt, endet, bedingt durch die Erfindung der Photographie in der bekannten und populären Problematik des Bildes, in Fragen wie diesen: Lügt die Photographie? Gibt es ein symbolverstehendes Denken, wie es die Tiefenpsychologen behaupten? Existiert eine dem Menschen nicht faßbare, gleichsam objektive Bilderwelt, vielleicht in der Form der Archetypen? Haben die Bilder (so Ludwig Klages) eine „eigene Wirklichkeit"? Verschärft und aktualisiert wird diese Problematik durch ein Paradox: Während sich scheinbar die Bewußtheit und Bilderfeindlichkeit naturwissenschaftlichen Denkens durchsetzt, erlebt der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts nicht nur eine gewaltige Rehabilitation der Unbewußtheit des Bildes (durch Kunstrichtungen wie Surrealismus und durch Wissenschaften wie die Psychologie Sigmunds Freuds und C. G. Jungs), sondern wird gleichzeitig einem Ansturm von Bildern ausgesetzt, den es in der Geschichte noch nie gegeben hat. Er lebt in einem imaginären Museum ungeheuerlichen Ausmaßes, in einer von Stellwänden umgebenen Welt, an deren Wände täglich einige Millionen neuer Bilder genagelt werden: die brennenden Mönche von Saigon und die Rückseite des Mondes, die obszönen Physiognomien in den Zeichnungen von Janssen und die Kopffüßler des Malers Horst Antes, den Stilettstoß eines japanischen Attentäters und einen im Weltraum fliegenden Menschen, den Embryo im Mutterleib und die Leichen vietnamesischer Bauern, die letzten Sekunden im Leben eines amerikanischen Präsidenten und die Heirat eines der vier Beatles. Allein an Werbeimpulsen notiert das Gedächtnis des Mitteleuropäers täglich etwa 1500 „Bilder". Sie sind angefertigt, reproduziert und vervielfältigt. Durch die Perfektion und Mechanisierung dieser drei Stadien einer „Bildbehandlung" erfährt das Bild seine Umwandlung in ein Gebrauchsgut. Das betrifft in gleicher Weise Malerei, Film und Photographie. Doch das ist nur die quantitative Seite des Problems, das man durch ein populäres Vorurteil verdeutlichen kann, das Vorurteil, die Photographie besitze im Unterschied zur Malerei, die Fähigkeit, zu dokumentieren. Die Malerei wäre dadurch einer Aufgabe enthoben, dem bloßen, naturgetreuen Konterfeien der Wirklichkeit, sie wäre frei. In diesem Vorurteil zeigt sich der Versuch, die uralte Frage nach dem Verhältnis von Bild und Begriff zu beantworten. Malerei — so sagt dieses Vorurteil — gehört auf die Seite der Bilder und des rein Bildhaften. Das Vorurteil wird unterstützt durch die zu Beginn dieses Jahrhunderts eingesetzte Hausse in Negerplastiken und Totems, in indianischen Fetischen und solchen der Eskimos und Kanaken, durch die Kunst der Primitiven, die das Gefühl für die Magie der Urbilder wieder aufgefrischt haben. Malerei — so sagt dieses Vorurteil — ist Imagination. Photographie — so sagt dieses Vorurteil — gehört auf die Seite der empirischen, der wissenschaftlichen Welterkenntnis, dorthin, wo mit Begriffen gearbeitet wird. Photographie dokumentiert und hat mit Wirk4'

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lidikeit zu tun. Ein Photo ist ein materieller Weltgegenstand wie der Gesteinsbrocken in der Hand des Archäologen. Das Photo ist verifizierbar, sein Wirklichkeitswert könnte von einem Computer entschlüsselt werden. Ein Gemälde ist nur erlebbar. Das ist nicht etwa ein abstraktes Problem, sondern betrifft die Tagesarbeit jedes Journalisten auf der Welt. Zum Vergleich möchte ich zwei Bilder heranziehen: das Gemälde „Erwartung" von R I C H A R D Ö L Z E und ein Photo von M I C H A E L FRIEDEL, das offenbare „Nur-Bild" und das scheinbare „Nur-Dokument". Das letztere zeigt einen Vulkanausbruch auf Costa Rica. Eine Gruppe von Menschen, eine Beobachtungsgruppe, sieht dem Naturereignis zu, wobei nicht auszumachen ist, ob es sich dabei um Touristen handelt oder eine Crew von Wissenschaftlern. Die Landschaft ist vulkanischer Natur, zwischen den beobachtenden Personen und der Eruption liegen flache Hügelzüge aus Schlackenstein, ein glatter Kratersee. Das ist der dokumentarische Gehalt des Bildes. Doch das Bild enthält noch mehr, nämlich das in jedem Photo vorhandene „überwirkliche" oder über den dokumentarischen Gehalt hinaus Abstrahierte. Was damit gemeint ist, erhellt aus dem Vergleich mit dem „Nur-Biid" von Richard ö l z e und einem Text, den Marcel Brion zu diesem Bild schrieb. Das Entscheidende daran ist, daß der Kommentar Marcel Brions auf beides paßt, auf das „Nur-Bild" und das „Nur-Dokument": „Alles scheint völlig banal auf diesem Bild, indem uns die Leere und das Unbekannte an der Kehle packen wie auf manchen Gemälden Chiricos . . . Es ist da weiter nichts als eine Menge von Männern und Frauen, mit dem Rücken zum Betrachter, die nach dem Himmel im Hintergrund des Bildes blicken, auf dem sich schwere und düstere Gewitterwolken ballen. Niemand vollführt eine Geste, zeigt Angst oder Erstaunen, diese Personen sind da — für wie lange, seit wie lange unbeweglich schweigend, wartend? Wird es regnen, naht ein Tornado, eine Invasion, eine Katastrophe mit Menschheitsvernichtung? Vielleicht wird dies die Haltung der Menschen am Tage des Weltunterganges sein . . . " Mit anderen Worten: Der Betrachter erkennt in dem photographischen „NurDokument" immer zugleich auch das „Nur-Bild". Für ihn existiert der Weltzerfall in Bild und Begriff nicht, nicht die Antinomie zwischen Anschauung und Denken, er sieht in dem Bild, in jedem Bild, ob gemalt oder photographiert, dasjenige, was er bereits weiß. Den Bildern außen trägt er seine Erinnerungs-Bilder innen an. Der Kunstästhet und Maler W I L L I BAUMEISTER formulierte diese Erkenntnis so: „Es ist fraglich, ob die Natur überhaupt ,aussieht'. Es ist fraglich, ob die Welt einen feststehenden Aspekt bietet. Es könnte sein, daß die Augen ein Netzwerk ins Dunkel auswerfen, das eine dem Menschen faßbare Welt durch den Menschen entstehen läßt. Die objektive Substanz der Welt ist für den Menschen sinngemäß nicht faßbar." Auch Keplers Denken enthielt schon diese Grunderfahrung, daß „Erkennen heißt, das sinnlich wahrnehmbare Außen mit den Urbildern innen zu vergleichen". Der W e g dieser Anschauung zu einer wissenschaftlichen Theorie führt über Goethe zu C. G. Jung. Goethe hat bereits einen Begriff entwickelt, den

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der Antizipation: „Hätte ich nicht die Welt durch Antizipation bereits in mir getragen, ich wäre sehenden Auges blind geblieben, und alle Erforschung und Erfahrung wäre nichts gewesen als ein ganz totes und vergebliches Bemühen. Das Licht ist da und die Farben umgeben uns: allein trügen wir kein Licht und keine Farben im eigenen Auge, so würden wir auch außer uns dergleichen nicht wahrnehmen." Die sogenannte Bilderflut der Jetztzeit ist also nichts als ein quantitatives Problem, und selbst die Erfindung der Photographie hat, wenn sie auch die Archivierung des Stattgefundenen mechanisiert, nichts Neues zur menschlichen Erkenntnis beigetragen; denn immer noch bezieht der Bildbetrachter den wahrgenommenen Baum, das Tier, das Kind, den Mann, die Frau, den Krieg, den Frieden in der Welt außen auf das Bild des Baumes, des Tieres, des Kindes, des Mannes, der Frau, des Krieges und des Friedens, das er in sich trägt. In den von C. G. Jung so genannten Archetypen, in den urtümlichen Bildern, finden sich jene Grundmuster und Urszenen in exemplarischer Weise abgebildet, wie sie sich seit urdenklichen Zeiten im Leben der Menschen immer wieder konstellieren. Handelt es sich um Archetypen mehr statischen Charakters, so treten sie personifiziert auf. Der Archetypus der Mutter kann erscheinen unter dem Bild von Priesterin und Hexe, von Madonna und Medusa, Erdmutter und Baubo, Himmelsgöttin und Mondgöttin, Bäuerin und Kindsmagd, Norne und Sphinx oder auch in Tiergestalt als Kröte, Fisch oder Krake. Bei anderen Archetypen steht die Szene im Vordergrund, zum Beispiel die Hadesfahrt mit ihren Schrecken; die Uberquerung des großen Wassers; der mühevolle Weg des Helden. Verwirklichungen dieser und ähnlicher Archetypen findet man in der Kunst, in der Literatur, in der Photographie, im Leben. Und hier ist auch die Übereinstimmung zwischen der urzeitlichen Tierdarstellung und der Mikroaufnahme einer wuchernden Krebszelle, die Identität zwischen den Abbildern der Göttinnen der Altsteinzeit und den ersten Aufnahmen von der Rüdeseite des Mondes, jene Identität zwischen dem Urzeitmenschen, der den springenden Hirsch an die Decke seiner Höhle kratzt, und dem Illustriertenreporter, der im Hubschrauber über den Hügel von Dak To fliegt, und die von Geschossen zerfetzten Bäume photographiert. Die ganze Welt kann in Bildern antransportiert werden, in Bildern multipliziert werden, und die ganze Welt wird doch immer nur feststellen, daß das Urbild schon vor den Bildern da war. Als der LIFE-Photograph triumphierend schrieb: „niemand hat bisher das Sonnenboot des Cheops gesehen, obwohl ich es heute photographiert habe", so schrieb er damit die Hälfte dessen nieder, was ein Bild bewirken kann. Die Welt hatte nicht alle Sonnenboote gesehen. Aber die Welt trug ein Bild von „dem Sonnenboot" in sich. Und sie erinnerte sich daran. Sie erkannte es wieder.

BILD W E R T U N D AUFGABE I M Ö F F E N T L I C H E N LEBEN

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LITERATUR B R I O N , M: Jenseits der Wirklichkeit. Wien 1962. — D . D A V I D : Der passionierte Augenzeuge (Bildband). Köln 1966. — BAUMEISTER, W.: Das Unbekannte in der Kunst. Köln 1960. — G O E T H E / S C H I L L E R : Briefwechsel. Frankfurt 1961. — BURCKHARDT, J.: Die Kultur der Renaissance in Italien. Wien 1936. — A U C L A I R , M.: Bilder Christi (Bildband). Bonn 1962. — KLAGES, L . : Die Sprache als Quell der Seelenkunde. Zürich 1948. — J U N G , C. G . : Die Dynamik des Unbewußten. Zürich 1967. — SEIFFERT F . , S E I F F E R T - H E L V I G , R . : Bilder und Urbilder. München 1967.

Frühformen der Bildpublizistik GÜNTER HUHNDORF

1. Vielfalt der frühen Bildpublizistik Sowohl die Fähigkeit der bildlichen Darstellung als auch die Möglichkeit publizistischer Aussagen reichen in Zeiten zurück, deren genaue Kenntnis sich uns entzieht. Der prähistorische Mensch hat nicht nur Skelettreste und Werkzeuge hinterlassen, sondern auch Ritzzeichnungen und mehrfarbige Malereien mit Jagdund Kampfmotiven. Obwohl die menschliche Gestalt seltener als das Tier zum Gegenstand der Bilder gemacht wurde, mögen doch in manchen Szenen publizistische Absichten im weitesten Sinne mitgespielt haben, ebenso wie es nicht ausgeschlossen ist, daß die in Schweden aufgefundenen, aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. stammenden eingeritzten Bilder von Jagden, Schiffahrten und Beutezügen der Verherrlichung der betreffenden Jäger und Krieger dienten. Das Tendenzbild in Form der verzerrenden Karikatur bei den Ägyptern und besonders bei den Griechen und Römern gehört zweifellos in den Bereich publizistischer Betrachtungsweise. Auch aus der Frühzeit des Christentums sind Bilder erhalten, die den neuen Glauben und die ersten christlichen Gemeinden verhöhnen. Im Mittelalter blieb die Bildpublizistik, abgesehen von den Darstellungen der Zeitgeschichte in Teppichen und Gobelins, zunächst im wesentlichen auf den Bereich des Kirchenraumes beschränkt. Mit der im Altertum wurzelnden symbolischen Anwendung der Tiergestalt enstand eine satirische Kirchenkunst in Stein, deren bekanntestes Beispiel die 1298 entstandenen Figuren des Straßburger Münsters sind. Hier liest ein Esel die Messe, Schweine und andere Tiere tragen einen schlafenden Fuchs als Monstranz. Mit diesen Steinfiguren, die im Laufe der Zeit von Anhängern und Gegnern des Papsttums für ihre Agitation benutzt wurden, waren ursprünglich, wie schon ihr Platz innerhalb der Kirche zeigt, keine konkreten Absichten für eine einschneidende Reform der Kirche verbunden, ganz im Gegensatz zu den scharfen, von Hand gezeichneten Karikaturen gegen den Papst und die Geistlichkeit, die in Prag, und nicht nur dort, lange vor Luther von den Hussiten in Umlauf gesetzt wurden. Wie sich im 15. Jahrhundert die geistlichen Spiele aus dem Raum der Kirche lösten, so wie bestimmte, ursprünglich nebensächliche Szenen mit Freude an schauspielerischer Darstellung diesseitiger, weltlicher Begebenheiten immer mehr ausgespielt wurden, so schuf der neue Drang zu realistischer Betrachtung der Umwelt mit der Entdeckung des Individuums neue Möglichkeiten der Bildkunst.

FRÜHFORMEN DER BILDPUBLIZISTIK

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Auf den Altarbildern wuchsen die einst ganz unwichtigen, typenhaften Zuschauer der Szene zu individuellen Gestalten heran, und der Auftraggeber nahm ohne Wahrung der mittelalterlichen Distanz seinen Platz neben den Heiligen ein, die nun nicht ausschließlich als Heilige in ihrer Beziehung zum Jenseitigen, sondern auch als Menschen dieser Welt in ihren ganz persönlichen Lebensverhältnissen interessant wurden. Alte Bräuche und Einrichtungen wurden, nicht nur im Bereich der Kirche, mit neuem Sinn erfüllt. Ein Baum, der mit seinen Schildern im Hochmittelalter dem Turnierspiel und später als Staffage für allerlei Spiele gedient hatte, wurde in Hildesheim gegen Ende des 15. Jahrhunderts für publizistische Aussagen in Bild und Wort benutzt. Die Bilder dieser „Tafelrunde" — sie zeigten den Kampf der Römer gegen Hannibal und Hamilkar — nahmen in allegorischer Form auf aktuelle Ereignisse, nämlich auf die Hildesheimer Stiftsfehde, Bezug und ersetzten die religiös-didaktischen Gemälde, die bis dahin den Baum geziert hatten. In geschickter Weise machte Bischof Johann von Hildesheim den „Schillegenbaum" zum Träger mahnender Aufrufe, um die Opferbereitschaft der Bürger und ihre Abneigung gegen seine Feinde zu fördern. Er bediente sich hierbei des Bildes mit erläuterndem Text und lieferte damit ein frühes Beispiel beeinflussender Bildpublizistik. Plastik, Gemälde und Zeichnung, die traditionellen Medien der Bildaussage, sind auch in der turbulenten Zeit der kirchlichen Auseinandersetzungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts eifrig benutzt worden, um die Zeitgenossen für die eine oder andere Partei zu gewinnen. Ihre ungeminderte Bedeutung wird freilich überschattet von der Flut bebilderter Einblattdrucke und Flugschriften, die wegen ihrer Billigkeit und Aktualität, nicht zuletzt aber auch wegen der Möglichkeit, eine räumlich verstreute Vielzahl von Menschen zu erreichen, ganz neue Möglichkeiten eröffneten. In diesem Zusammenhang müssen auch die Spottmünzen erwähnt werden, durch die tendenziöse Bilder, besonders Papstkarikaturen, im Volk verbreitet wurden. Eine solche Münze zeigt zum Beispiel den Papst und auf der Rückseite einen Teufelskopf.

2. Entstehung und Entwicklung d e s Bilddruckes Der eigentliche Bilddruck erreichte in Deutschland in wenigen Jahrzehnten einen hohen Grad von Ausdrucksfähigkeit. Weder der Holzschnitt noch der Kupferstich, das erste Tiefdruckverfahren, sind die Erfindung eines Einzelnen. Im 6. Jahrhundert schon bedruckte man in Ägypten Stoffe mit Hilfe von Holzstöcken, und spätestens im 7. Jahrhundert wurden in China Bücher von Holzplatten hergestellt. Im europäischen Raum wurden im Hochmittelalter Stoffe in ähnlicher Weise bedruckt. Der erste sicher datierte Holzschnitt stammt aus dem Jahr 1423, aber wir wissen, das es bereits gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Süddeutschland einige

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Formsdmeider gegeben hat. Die Technik des Kupierstichs läßt sich bis in die Anfänge der Goldschmiedekunst zurückverfolgen. Publizistisch interessanter ist allerdings, wann eine Metallplatte zum erstenmal bewußt zur Herstellung einer Anzahl gleicher Abdrucke auf Papier, also zur Vervielfältigung, benutzt wurde. Das geschah um 1400 ebenfalls in Süddeutschland, doch stammt die älteste Datierung erst aus dem Jahre 1446. Zu dieser Zeit hatte der Kupferstich seine erste Blüte schon fast hinter sich, denn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sank er zur Bedeutungslosigkeit herab, um dann erst von Dürer und den „Kleinmeistern" des 16. Jahrhunderts weitergeführt zu werden. Die Holzschnitte dagegen, die immer stärkere Verbreitung in den Städten fanden und besonders in der Form von Heiligenbildern und Präsenzzetteln für Wallfahrten in Erscheinung traten, wurden mit der Erfindung des Buchdrucks bald das alleinige Illustrationsmittel. Eine verfeinerte Technik machte die Farbe überflüssig, die anfangs mit der Hand oder auch mit Hilfe von Schablonen in die rohen Umrißlinien eingetragen worden war. Um 1500 war der einfarbige Bilddruck üblich, und erst im späteren 16. Jahrhundert gewann die Farbe durch neue Druckverfahren wieder an Einfluß. Die Blütezeit des Holzschnitts lag in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Damals bewährte er sich auch hervorragend als zeitgemäßes Medium für publizistische Ziele. Um die Wende zum 17. Jahrhundert war der Holzschnitt weitgehend vom Kupferstich verdrängt, der in seiner feineren Technik auch das Nachrichtenbild der immer zahlreicher werdenden Einblattdrucke auf eine neue Stufe hob. Diese Art der Illustration, die auch noch zwei Jahrhunderte später bevorzugt wurde, hatte allerdings mehrere Nachteile, die eine aktuelle Bildberichterstattung erschwerten. Einmal war das ganze Verfahren kompliziert und teuer und erforderte, da ja der Text im Hochdruck vervielfältigt wurde, einen zweiten Druckgang, zum anderen war der Kupferstock weniger leistungsfähig und erlaubte nur eine beschränkte Anzahl von Abzügen. Zwar führte die am Anfang des 19. Jahrhunderts erfundene Lithographie, besonders in Frankreich, zu beachtlichen Leistungen politischer Karikatur und bürgerlicher Satire, zwar erlaubte bei dem neuen Stahlstich die Widerstandskraft der Druckplatte die Herstellung größerer Auflagen, aber der entscheidende technische Fortschritt in der Bildpublizistik vor der Nutzbarmachung der Photographie wurde aus England importiert. Dort hatte der Engländer T H O M A S B E W I C K quergeschnittene Tafeln des äußerst harten Buchsbaumholzes mit dem Stichel bearbeitet und auf diese Weise Bildqualitäten erzielt, die in ihrer Feinheit dem Kupferstich nahe kamen. Mit diesem Holzstich konnten malerische Wirkungen erzielt werden, die wie ein Vorgriff auf die spätere Wiedergabequalität der Photographie erscheinen. Vor allem aber war das neue Verfahren billig und einfach und eröffnete durch die metallähnliche Härte des Materials wiederum ganz neue Möglichkeiten, die zuerst in England, 1833 aber von J. J. W E B E R mit dem „Pfennig-Magazin" und 1843 schließlich mit der Gründung der berühmten Leipziger „Illustrirten Zeitung" auch in Deutschland genutzt wurden.

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3. D a s innere Verhältnis v o n Bild u n d Text Selten steht eine Bildaussage völlig isoliert, fast immer wird sie vom Wort auf irgendeine Weise begleitet. Vor der Erfindung der Buchdruckerkunst mit beweglichen Lettern waren Wort und vervielfältigtes Bild in den sogenannten Blockbüchern schon eine enge Verbindung eingegangen. Text und Bild wurden in denselben Block geschnitten, zum erstenmal mit Sicherheit im Jahre 1430. Die meist volkstümlich-erbaulichen Blockbücher wurden bis etwa 1470 hergestellt, die erste Verbindung von Holzschnittillustrationen und beweglichen Typen stammt aus dem Jahre 1460. Beim Einsatz des vervielfältigten Bildes, der in Deutschland noch im 15. Jahrhundert in größerem Maße erfolgte, war das Verhältnis zum Text und damit das Gewicht der Bildaussage recht unterschiedlich. Die geringste Wirkung hatte, abgesehen von den rein dekorativen Schnitten wie Zierleisten, Ornamenten und Initialen, das untergeordnete oder dienende Bild ohne selbständige Aussagekraft, das nur im Zusammenhang mit dem Text verständlich war. Da erschienen etwa Luther und ein Bauer im Gespräch, wie überhaupt die Illustrationen zu den beliebten und oft scharf polemischen Dialogen fast ausschließlich untergeordnete Bildaussagen waren, die in erster Linie zum Kauf anreizen sollten. Seltener sind in den frühen publizistischen Drucken Bildaussagen, die dem Text gleichwertig gegenüberstehen. Hierbei wiederholt und erläutert der Text, was das Nachrichten- und Tendenzbild auf seine Weise mitteilt, oder, anders ausgedrückt, das Bild macht den Text anschaulich und verstärkt dessen Wirkving. Manche Karikaturen im politisch-religiösem Kampf der Reformationszeit sind in ihrem Bezug auf Luther oder den Papst durchaus ohne Text verständlich, doch wird ihre Wirkung zweifellos durch die beigegebenen Erläuterungen erhöht, wie umgekehrt der Text des Bildes nicht unbedingt bedürfte, aber durch die Illustration eine willkommene Unterstützung erfährt. Meist aber dominiert das Bild oder der Text. Die selbständige Bildaussage, deren hauptsächliches Wirkungsfeld der auch für Analphabeten bestimmte Einblattdruck war, ist charakteristisch für die kämpferischen Kleindrucke der Reformationszeit. Das selbständige Bild kann natürlich mit Text auftreten, aber seine Aussage wird vom Wort nicht erweitert oder verstärkt. Für das Blatt, das zwei Wölfe mit Papstkrone und Kardinalshut zeigt, wie sie eine Herde von Schafen anfallen, die sich um das Kruzifix schart, sind die erläuternden Verse recht unwesentlich, ebenso wie das Bild, das Luther in sehr realistischer, geradezu portraitähnlicher Weise zeigt, wie er dem Teufel die Hand reicht, in sich eine kraftvolle und einprägsame Aussage macht. Älter als die Buchdruckerkunst selbst ist auch die Praxis, ein an sich untendenziöses Bild auf bestimmte Weise zu interpretieren, ihm einen „steuernden Text" beizugeben. Auf diese Weise wurde eine Bildaussage verändert oder überhaupt erst geschaffen. So wandte SEBASTIAN B R A N T den steuernden Text auf Mißgeburten und einen Meteorstein an, um politische Propaganda zu treiben. Die Abbildung zweier zusammengewachsener Mädchen etwa diente der Verherrlichung König

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Maximilians und wurde als sicheres Zeichen Gottes für die bevorstehende königliche Machtvereinigung gedeutet. Eindrucksvoller noch sind die Beispiele, die LUTHER, insbesondere mit der berühmten Deutung des Papstesels und Mönchskalbs im Jahre 1523 gab. Beide Figuren waren für die Zwecke der Reformation bewußt verändert ins Bild gesetzt worden. Melanditon hatte die Deutung des Papstesels übernommen, Luther erklärte, was die Mißgeburt des Mönchskalbs zu bedeuten habe. Jeder Körperteil der beiden Gestalten wurde mit beißender Schärfe gegen die katholische Kirche und ihre Würdenträger ausgedeutet — ein Meisterstück der Propaganda in der Reformationszeit. Allerdings nahm später auch die „alte Lehre" in ihren Gegenaktionen das „Mönchskalb" auf und identifizierte es mit Martin Luther. Im Jahre 1526 ließ Luther ein kleines Büchlein erscheinen, das in 65 Bildern den Papst und die Geistlichen der Kirche und Mitglieder der Orden ohne jede Verzerrung in ihren Trachten zeigt. Die Verse aber, die jedes Bild begleiten, machen das Werk zu einem wirkungsvollen Kampfbilderbuch. Umgekehrt gibt es Fälle, in denen das Bild eine steuernde Funktion hatte, weil es eine Textaussage verstärkte, veränderte oder ihr einen ganz neuen Sinn gab. Luther, der als wortgewaltiger Publizist in enger Zusammenarbeit mit LUKAS CRANACH auch den Holzschnitt geschickt für seine Ziele einzusetzen wußte, ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, den Text, der die größte Verbreitung und Autorität besaß, mit steuernden Bildaussagen zu versehen. Als besonders geeignet innerhalb der Bibel bot sich die geheime Offenbarung an. Schon in der Ubersetzung des neuen Testaments aus dem Jahre 1522 tragen der Drache, der die Anhänger Gottes zu verschlingen droht, und die babylonische Hure die Papstkrone. Das brennende Babylon ist deutlich als Rom gekennzeichnet. Sowohl der steuernde Text als auch das steuernde Bild waren besonders scharfe Waffen im Bilderkampf der Reformationszeit.

4. Der Bilderkampf im Zeitalter der Glaubensspaltung Das vervielfältigte Tendenzbild, gegen Ende des 15. Jahrhunderts erst spärlich vorhanden, hat mit der Reformation und den folgenden politischen und religiösen Auseinandersetzungen einen mächtigen Aufschwung genommen. Beide Parteien hatten rasch seinen Wert für die Beeinflussung breiter Schichten erfaßt, doch war die protestantische Bildpublizistik, nach den überlieferten Beispielen zu urteilen, zunächst umfangreicher und schlagkräftiger, nicht zuletzt, weil sich namhafte Künstler, allen voran Lukas Cranach, in ihren Dienst gestellt hatten. LUTHER selbst hat dafür gesorgt, daß der Bilderkampf in aller Schärfe und Rücksichtslosigkeit entbrannte, daß kein Mittel gescheut wurde, um Abneigung und Abscheu vor dem Gegner zu erregen. Nicht selten kam es zu Darstellungen, die in ihrer ekelerregenden Art selbst in der vom Grobianismus geprägten Zeit nicht mehr zu überbieten waren; drastisches Beispiel ist die als „Abbildung des Papst-

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tums" bekannte Bilderfolge aus dem Jahre 1545. Von Anfang an konnte der Reformator und Publizist Luther an die bildliche Verspottung und Verhöhnung des Papsttums durch die Hussiten anknüpfen und sich, was noch wichtiger ist, die sittliche Entrüstung über offenkundige Mißstände in der alten Kirche zunutze machen. Die protestantische Identifikation von Papst und Antichrist ließ sich bildlich außerordentlich gut darstellen und bildete das Thema vieler Flugblätter. Schon 1521 entstand unter Mitwirkung Luthers das „Passional Christi und Antichiisti", das 13 antithetische Gegenüberstellungen des Heilands und des Papstes enthält. Auch diese wirkungsvolle Darstellungsweise — Christus geht zum Beispiel barfuß, der Papst läßt sich in einer Sänfte tragen — war im Prinzip von den Hussiten übernommen worden, die schon Anfang des 15. Jahrhunderts in Prag Bildertafeln herumgetragen hatten, die Christus auf dem Esel und den Papst in Pomp und Pracht zeigten. Die vielgestaltige Bildpublizistik der Protestanten trägt häufig auch sozialkritische Züge. Mit Vorliebe wurde das damals oft üppige Leben der Mönche und Nonnen kraß dargestellt und wirkungsvoll mit wahrer christlicher Lebensweise konfrontiert. Es geschah das, was wir heute das antithetische Kampfbild nennen. Zielscheibe der schärfsten Bilder aber blieben der Papst und das Papsttum, wobei sich die Formschneider oft der Tiergestalt und Teufelsgestalt bedienten, um ihren Abscheu vor Rom auszudrücken. Grundsätzlich mit denselben Mitteln arbeitete die katholische Seite, wenngleich sie, wie schon erwähnt, eine schwächere Position hatte. Ihre Angriffe konzentrierten sich naturgemäß auf Luther, der schon 1521 als „des Teufels Dudelsack" erschien. Dieser wirkungsvolle Einblattdruck zeigt den Teufel, wie er Luthers aufgeblasenen Kopf als Luftsack der Dudelpfeife benutzt. Luther als Werkzeug des Teufels, dieses Motiv taucht in den verschiedenen Variationen immer wieder auf, und auch Luthers Ehe diente als Ansatzpunkt für viele Kampfbilder. Zur Unterstützung des gedruckten Wortes bedienten sich die streitbaren Anhänger Roms, ebenso wie ihre Gegner, gern des Titelholzschnitts. So zeigte eine Schrift von Cochläus eine siebenköpfige Gestalt des Reformators, mit der auf die Widersprüche in seinen Lehren hingewiesen werden sollte. Willkommener Anlaß zu Angriffen gegen die neue Lehre bildete schließlich der Streit der Reformatoren untereinander, und auch in den Jahrzehnten nach Luthers Tod ging der Bilderkampf weiter, ja er erfuhr auf katholischer Seite erst seine eigentliche Steigerung durch sehr drastische Holzschnitte. Ein Einblattdruck stellte zum Beispiel im Bilde dar „wie das elend Luthertumb durch seine eigenen Verfechter gemartert, anotomiert, gemetzget, zerhackt, zerschnitten, gesotten, gebraten, und letztlich gar aufgefressen wird". Der Franziskaner J O H A N N E S NAS, der den Text verfaßte, arbeitete, ebenso wie sein großer Gegenspieler J O H A N N E S FISCHART, ständig mit Formschneidern zusammen, um seinen Streitschriften Nachdruck zu verleihen. Ähnlich arbeitete der Franziskaner THOMAS M U R N E R für die Sache der alten Lehre. Beide Seiten hatten erkannt, welche Erfolge der planmäßige Einsatz des Tendenzbildes zeigte, und die Bildpublizistik der Reformationszeit blieb in Deutschland unübertroffenes

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Vorbild auch für die großen religiösen und politischen Auseinandersetzungen des folgenden Jahrhunderts.

5. Die frühen Nachrichtenbilder Audi in den Jahrzehnten, als die Auseinandersetzungen für und gegen die Reformation das geistige Leben zu beherrschen schienen, widmeten sich vervielfältigte Bilder auch ganz anderen Themen. Schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich neben dem Tendenzbild der Typ des Nachrichtenbildes herausgebildet, das in Flugschriften und besonders in Einblattdrucken auftrat, wie sich überhaupt die Kleindrucke bei der Themenwahl viel eher als die Buchillustrationen aus dem Bereich der Kirche und der religiösen Verkündigung lösten. Zwar ist der Begriff des Nachrichtenbildes nur mit Vorsicht auf das erste Jahrhundert nach der Erfindung der Buchdruckerkunst zu übertragen, doch lassen viele Holzschnitte das Bestreben erkennen, eine Person, ein Ereignis oder einen Tatbestand objektiv und nicht selten mit großer Genauigkeit möglichst schnell wiederzugeben. Das gilt auch für zahlreiche Blätter, die Mißgeburten zeigen, obwohl hier, und stärker noch bei der Darstellung von Kometen und anderen Himmelserscheinungen, oft die Neigung der „Augenzeugen" durchbricht, alle außergewöhnlichen Erscheinungen mit göttlichem Ratschluß in Verbindung zu bringen. Die Phantasie manches Formschneiders tat ein übriges und produzierte fliegende Särge und Drachen, Kanonenrohre am Himmel und durch die Luft sausende Heerscharen. Daneben aber gibt es, wie sich nachweisen läßt, äußerst korrekte Bilder von kosmischen Erscheinungen. Ungewöhnliche Naturereignisse wie Himmelserscheinungen, Erdbeben und Unwetter, Mißgeburten, Schlangenplagen und ähnliches, Wundergestalten und auch Hexen bildeten einen unerschöpflichen und beim Publikum sehr beliebten Themenkreis. Zu einem weiteren, jetzt unmittelbar publizistischen Stoffkreis gehören die Türkenkriege, die Schlachtenbilder, Kriegsgreuel, Morde, Hinrichtungen und Folterungen. Besonders die genaue Wiedergabe der Hinrichtungen, auch der Hinrichtungs- und Folterungswerkzeuge, kam dem Sensationsbedürfnis der Massen mit ihrer Lust an Grausamkeiten entgegen. Die Bilder von Schlachten, Heerzügen und Belagerungen, so etwa der Belagerung Wiens, ergänzten die reichlich vorhandene Kriegsberichterstattung. Ferne Länder und exotische Tiere, zum Beispiel Dürers „Rhinozeros" von 1515, fanden im 15. und 16. Jahrhundert ebenso Interesse wie das persönliche Leben der Fürsten und anderer berühmter Persönlichkeiten. Jede Reise eines Herrschers wurde von illustrierten Kleindrücken begleitet, die sich in ihrem Inhalt und den Bildmotiven im Grunde wenig von derartiger Berichterstattung unserer Tage unterscheiden. Was außer diesen Themenkreisen und der Werbung für Lotterien, Darbietungen und Erzeugnisse mancherlei Art (des An-

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fanges der Wirtsdiaftswerbung) an frühen Nachrichtenbildern übrigbleibt, ist eine Fülle bunter Kuriositäten, die das zeitlose menschliche Bedürfnis nach ungewöhnlichen und unterhaltsamen Neuigkeiten überzeugend erweisen.

6. Vorläufer der „Illustrierten" 1 Einen großen Reichtum an bebilderten Flugblättern hat das 17. Jahrhundert hervorgebracht, in dem auch politische Themen stärker in den Vordergrund rückten. Das wachsende Interesse für die großen Ereignisse wie die englische Revolution und für diplomatische und kriegerische Aktionen in aller Welt ließ derartige Drucke zu einem guten Geschäft werden. Gleichzeitig kündeten viele Blätter in Wort und Bild von den Schrecken des Krieges, den Schandtaten der Soldaten, den Überfällen auf Klöster, von Brand und Mord und Elend in Deutschland. Auch bewußte Greuelpropaganda setzte systematisch an. Mit dem „Theatrum Emopaeum" von M E R I A N wurde im frühen 1 7 . Jahrhundert auch der Versuch unternommen, die ganze Vielfalt der Neuigkeiten in Text und Bild zu erfassen. War das Streben nach Universalität deutlich erkennbar, so fehlte der gewaltigen Chronik mit ihren vielen Kupferstichen doch weitgehend die Aktualität. Die damals schon erscheinenden periodischen Zeitungen verzichteten auf das Bild, und die Kupferstiche der gelehrten Zeitschriften waren alles andere als ein Meilenstein auf dem Wege zur modernen Bildpublizistik. Noch war die Zeit nicht reif für neue Formen der Bildaussage, für die periodischen Bilderzeitschriften des 19. Jahrhunderts oder auch nur für die berühmten Bilderbogen aus Neuruppin, die ein schon in alten Einblattdrucken überliefertes und im Straßen- und Bänkelsang fortlebendes Prinzip der bildlichen Darstellung weiterführten und deren bunte Illustrationen, wie FONTANE später richtig bemerkte, den Ereignissen nicht langsam nachhinkten, sondern ihnen auf dem Fuße folgten, lange bevor die erste „Illustrierte Zeitung" geschaffen war.

LITERATUR CLEMEN, O.: Die lutherische Reformation und der Buchdruck. Leipzig 1939. — COHN, W . : Untersuchungen zur Geschichte des deutschen Einblattholzschnitts im 2. Drittel des 15. Jahrhunderts. Straßburg 1934. — FEHR, H.: Massenkunst im 16. Jahrhundert. Berlin 1924. — FUCHS, E.: Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis zur Neuzeit. Berlin 1904. — MUTHER, R.: Die deutsche Buchillustration der Gotik und Frührenaissance. München 1884. — GEISBERG, M.: Der deutsche Einblattholzschnitt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1600 verkleinerte Abbildungen. München 1930. — GRISAR, H. U. F. Heege: Luthers

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Grundsätzliche Darstellung unter „Zeitsdiriit"

Bd. III des Handbuches.

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Kampfbilder. Freiburg 1921/23. — HOLLANDER, E.: Wunder, Wundergeburt und Wundergestalt. Stuttgart 1921. — CENTGRAF, A.: Martin Luther als Publizist. Frankfurt 1940. — KRÄMER, L.: Die Publizistik der alten Lehre während der Reformationszeit. Diss. Berlin 1941. — LUTHER, Joh.: Aus der Druckerpraxis der Reformationszeit. 2 Bd. Leipzig 1910. — KIESLICH, G.: Schillegenbaum und Tafelrunde. In: Publizistik 2. Jg. 1957. — SCHOTTENLOHER, K . : Flugblatt und Zeitung. Berlin 1922. — STIEWE, W.: Das Bild als Nadiridit. Berlin 1933. — TIMM, A.: Das Bild als publizistisches Mittel vor der Verbreitung des Buchdrucks. In: Publizistik Jg. 1, 1956. — WÄSCHER, H.: Das deutsche illustrierte Flugblatt. Dresden 1955. — ZIMMERMANN, H.: Vom deutschen Holzschnitt der Reformationszeit. In: Archiv für Reformationsgeschidite 23, 1926.

Die Karikatur KURT

REUMANN

Karikatur! Das bedeutet nach weitverbreiteter Meinung Abenteuer: Abenteuer für den, der sie zeichnet — hier hat der Wissenschaftler das erste Fragezeichen zu setzen. Abenteuer für den, der sie sieht, auf den sie wirken soll — hier ist ein noch größeres Fragezeichen angebracht. Abenteuer für den, der über sie schreibt — nur das ist sicher. Mit der Feststellung, daß oppositionell eingestellte Karikaturisten zuweilen abenteuerlich, ja gefährlich leben1, ist nicht viel gewonnen, über Karikaturisten ist nur wenig Zuverlässiges bekannt. W a s für Persönlichkeiten sind Karikaturisten? Welches Bild haben sie von sich selbst, von ihrem Beruf, ihren Aufgaben? Fühlen sie sich als Journalisten oder als Künstler? 2 Wollen sie unterhalten, wollen sie zur Diskussion stellen, wollen sie anprangern? Fühlen sie sich als Beobachter, als Leidende oder als Richter?' In welchen Beziehungen stehen Karikaturisten zu den Redakteuren, die ihre Arbeiten bringen, den publizistischen Institutionen, für die sie zeichnen? Sind sie fest angestellt — wie in der SBZ — oder sind sie freie Mitarbeiter? Arbeiten 1 Vgl. dazu das tragische Schicksal von ERICH OHSER (e. o. plauen): Katalog der Gedächtnisausstellung „e. o. plauen, Zeichnungen aus dem Nachlaß". Berlin 1964. REUMANN, K.: Vogel, der im Tyrannenbauch sang. In: Holsteinischer Courier, Neumünster 3.4.1964, S. 2. Opfer seines Kampfes für den Frieden wurde auch der Karikaturist A. FRANK. Siehe: W Ä SCHER, H.: Das deutsche illustrierte Flugblatt, Bd. II. Dresden 1956, S. 27 und S. 30 des Textes. In der Bundesrepublik ist das Handwerk des Karikaturisten natürlich nicht lebensgefährlich, aber an Mut darf es dem Karikaturisten auch heute nicht fehlen. Vgl. KOAR, H.: Narrenfreiheit oder Galgenhumor? Bemerkungen zum Aussterben der deutschen Karikatur. In: Rheinischer Merkur, Nr. 34 vom 22. 8. 1956, S. 10. 2 THOMAS THEODOR HEINE, politischer Kopf und eigentlicher Geist des alten „Simplicissimus", hob unmißverständlich hervor, daß er sich in erster Linie als Künstler sah: vgl. dazu etwa HEINE, T H . TH.: Randbemerkungen eines Karikaturisten. In: DGB-Blätter. Mitteilungen des Bundes deutscher Gebraudisgrafiker, 4/1927, S. 7—9. Ähnliches läßt sich auch von anderen bedeutenden politischen Karikaturisten nachweisen. Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß manche Karikaturisten der Versuchung erliegen, vielen Herren zu dienen. Eine Untersuchung über das künstlerische und das journalistische Engagement von Karikaturisten zu schreiben, wäre eine reizvolle Aufgabe. 3 Vgl. dazu die Stellungnahmen einiger führender Karikaturisten in der Bundesrepublik, veröffentlicht im Anhang von FREISBURGER, W. (Hrsg.): Konrad sprach die Frau Mama . . . Oldenburg und Hamburg 1955. Die Auffassungen von der sozialen Funktion der Karikatur und des Lachens wechseln mit der Weltanschauung. Vgl. REUMANN, K . : Das antithetische Kampfbild. Phil. Diss., Berlin 1964, S. 44 ff. und 85 ff.

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Publizistik II

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KURT R E U M A N N

sie auf W e i s u n g oder aus e i g e n e r Initiative? Bestimmen sie ihre T h e m e n selber? 4 Ordnen sie sich harmonisch in die Redaktion ein, oder sind sie Outsider? 5 Ferner: W e l c h e s Bild h a b e n sie v o n ihrem Publikum?' Und schließlich: In w e l c h e n allg e m e i n e n s o z i a l e n B e z i e h u n g e n s t e h e n sie? 7 Die Beantwortung dieser Fragen gäbe ein Bild des Karikaturisten als publizistische Persönlichkeit. Sie ließe auch Rückschlüsse zu auf die A u s s a g e selbst, auf die Karikatur, u n d w o m ö g l i c h k ö n n t e s i e sogar zur Bestimmung der W i r k u n g bestimmter Karikaturen beitragen. Die bislang v o r l i e g e n d e n Befunde über die Karikaturisten als Publizisten sind jedoch mehr impressionistisch als empirisch fundiert. 8 Leichter scheint die Definition der Karikatur (als der A u s s a g e ) zu sein. Karikatur kommt v o n caricare = überladen, übertreiben. 9 W a s aber wird überladen, pointiert: die formale oder die inhaltliche A u s s a g e ? Im Idealfall beides: die pointierte Form gibt den übertreibenden Inhalt adäquat wieder. Brauer u n d W i t t k o w e r

4 THOMAS T H E O D O R H E I N E und, gelegentlich, KARL A R N O L D waren die einzigen Zeichner des „Simplicissimus", die sidi die Themen zu ihren Karikaturen selber stellten und die auch die Texte dazu selbst abfaßten. Vgl. SCHOENBERNER, F.: Confessions of a European intellectual. N e w York 1 9 4 6 , S . 5 . KUNKEL, K . (Weder Schalmei noch Lästermaul. Geschichte eines Witzblatts. In: Der Monat, H . 1 2 7 , April 1 9 5 9 , S. 2 2 — 3 2 ) teilt mit, daß auch den Karikaturisten des Frischer Wind/Eulenspiegel wenigstens zeitweise die Themen für ihre Karikaturen geliefert wurden. 5 In demokratischen Ländern, besonders in England, vertreten Karikaturisten oft andere Meinungen als die Redakteure der Blätter, für die sie zeichnen. Immer wieder zitierte Beispiele: DAVID Low ( I ) , V I C K Y . In sozialistischen Ländern sind die Karikaturisten Angestellte wie die Redakteure. Vgl. K U R P A T , O.: Der Pressezeichner — gestern und heute. In: Neue Deutsche Presse, 7—8/1952, S. 11—14. 6 Ist das Publikum belehrbar oder ist es unverbesserlich, d. h. fällt dem Karikaturisten die Aufgabe belehrender Kritik oder vernichtender Geißelung zu? GEORGE GROSZ hielt sich für eine Geißel des Publikums (Vgl. REUMANN, K.: Der Narr als guter Teufel. In der Festschrift des Instituts für Demoskopie Allensbach zum 50. Geburtstag von Prof. ELISABETH N O E L L E - N E U M A N N , Allensbach 1966, unveröffentlicht). So unbarmherzige Richter des Publikums wie Grosz gibt es heute nicht mehr. 7 Dazu gehört etwa die Frage, ob sich der Karikaturist mit der Gesellschaft, in der er lebt, in großen Zügen identifizieren kann oder nicht. Vgl. dazu auch M A L E T Z K E , G.: Psychologie der Massenkommunikation. Hamburg 1963, S. 46. 8 Aus publizistischer Perspektive sind besonders das W e r k von Thomas Theodor Heine (TRÜBENBACH, A.: Th. Th. Heine. Phil. Diss., Berlin 1956) und das von Olaf Gulbransson ( W O L K E R S , U.: Beiträge zum publizistischen Schaffen Olaf Gulbranssons. Berliner Diss., Korbach 1964) untersucht worden. Die Bedeutung von W I L L I A M H O G A R T H und H O N O R É DAUMIER für die europäische Kunst ist so groß, daß die publizistische Seite ihres Werks weniger interessant erscheint (sehr zu unrecht, wie wir meinen). Vgl. A N T A L , F.: Hogarth and his place in European Art. London 1962. KLINGENDER, F. D.: Hogarth and English Caricature. 2. Aufl. London/New York 1945. GRÉNYI, J.: Honoré Daumier. Formprobleme seiner Kunst. Zürich 1946. In Deutschland ist zwar eine publizistische Dissertation über Gill ( H E U N , H.: André Gill, Der Karikaturist des zweiten Kaiserreiches. Phil. Diss. München 1951) erschienen, aber keine über Daumier. Dissertationen über noch lebende Karikaturisten sind gar nicht geschrieben worden, obwohl gerade solche Arbeiten die oben angeschnittenen Fragen am besten beantworten könnten. 9 BRAUER, H., und WITTKOWF.R, R.: Die Zeichnungen des Gianlorenzo Bernini. Berlin 1931, S . 180 ff. H O F M A N N , W.: Die Karikatur von Leonardo bis Picasso. Wien 1956.

DIE KARIKATUR

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bezeichnen nur diejenigen Karikaturen als rein, die komische Wirkung allein aus dem Strich ziehen. Gleichzeitig kommt es nach ihnen aber darauf an, was übertrieben wird: „Der Karikaturist dedct die keimhaft vorhandenen Disharmonien auf und bringt sie durch das Mittel der Übertreibung jedem zum Bewußtsein."1® Wie schon G E O R G SIMMEL sind B R A U E R und W I T T K O W E R der Meinung, daß die Karikatur das Karikatur-Sein des Getroffenen durch Übertreibung nur sichtbar macht.11 Es wäre indessen unsinnig, in der Publizistik als Karikatur nur anzuerkennen, was dem Ideal der Übereinstimmung von Inhalt und Form entspricht. Die Bezeichnung Karikatur ist zu einem Sammelbegriff geworden für alle Zeichnungen, die durch pointierten Inhalt oder überspitzte Form belustigen, angreifen oder kommentieren wollen. Eine „content analysis" würde das bestätigen. Derartige Analysen, die sowohl den Inhalt als auch die Form von Karikaturen untersuchen, können aber auch die besten Anhaltspunkte liefern für eine Gliederung der Karikatur 1 nach ihrer Aussage und 2 nach ihrer Form. Hier sei die Gliederung zusammengefaßt, die an anderer Stelle gegeben wurde 12 : 1.1. D i e b i l d m a g i s c h e K a r i k a t u r . Darunter fallen 1.1.1. das Schmähbild, das eine Verteuflung, Vertierung oder Verzerrung der angegriffenen Minus-Partei13 vornimmt und diese formale und/oder inhaltliche Verketzerung als objektiv erscheinen lassen möchte; 1.1.2. das Kampfbild, das in seiner schärfsten Form eine Hinrichtung in effigie ist; 1.1.3. die (glorifizierende) politische Werbezeichnung, die Personen oder Ideen, für die sie eintritt, ins Erhabene verklärt; und 1.1.4. das antithetische Kampfbild, das einer verketzerten Partei eine glorifizierte Partei werbend gegenüberstellt. 1.2. D a s s a t i r i s c h e Z e r r b i l d . Zu ihm zählen Karikaturen, die nicht an dem dargestellten Opfer, sondern auf den Betrachter wirken wollen. E R N S T K R I S hat diesen Gedanken in seinem Aufsatz „Zur Psychologie der Karikatur"14 überzeugend vorgetragen. Auch Karl Conrath definiert „die Karikatur als die gewollte Übertreibung von einer originalen Form, in der die Absicht begründet ist, daß man sie zunächst als die originale Form selbst, dann aber als Abweichung von dieser erfasse." 18 Beim Tatbestand der Beleidigung durch Karikaturen spielt es eine entscheidende Rolle, ob man die Karikatur 10

BRAUER; WITTKOWER: a . a . O . , S . 1 8 0 .

G.: Zur Philosophie der Kunst. Potsdam 1922, S. 93.

11

SIMMEL,

12

V g l . REUMANN, K . : a . a . O . , S . 2 3 4 f f .

13 Die Außen- oder „Die"-Gruppe (HOFSTÄTTER, P. R . : Gruppendynamik. Hamburg 1957, S. 97), wird zur Minus-Partei abgestempelt, wenn sie in scharfen Gegensatz zur „Wir"Gruppe gerät. Auf sie wird alles Böse projiziert. Vgl. REUMANN: a. a. O., S. 11. 14 KRIS, E.: Zur Psychologie der Karikatur. In: Imago, Bd. 20, S. 451—466. 15 CONRATH, K.: Deutschland im Spottbild der Pariser Nachkriegspresse. Phil. Diss., München 1936, S. 61. 5*

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KURT REUMANN

ihres satirischen Gewandes „entkleiden" und auf einen wahren Kern zurückführen kann.16 1.3.

D a s S c h e r z b i l d . Scherzbilder sind unpolemisch (müssen aber deshalb nicht unpolitisch sein). Sie wollen lachen machen und unterhalten. Ihre Haupttechnik ist nicht Übertreibung sondern Untertreibung.

1.4.

D e r p o i n t i e r t e B i l d k o m m e n t a r (editoiial cartoon). Er will nicht geißeln oder verspotten, sondern einen (häufig aber nicht immer) witzigen Kommentar geben, der Zusammenhänge schlaglichtartig veranschaulicht. Editorial cartoons werden daher auch oft als gezeichnete Leitartikel charakterisiert. 1 '

Wie diese Ubersicht zeigt, bestehen zwischen Stil, Aussage und Wirkungsabsicht der verschiedenen Arten der Karikatur typische Zusammenhänge. Die Einteilung der Karikaturen nach ihrer Form bietet dafür ebenso deutliche Belege. Einflüsse des Zeitstils und des persönlichen Stils erschweren die Einordnung. Neben reinen Formen treten Mischformen auf. 2.1.

B e s c h w i n g t e r S t i l . Offener Strich vermittelt den Reiz des Unfertigen, Unmittelbaren. Karikaturen dieser Art sind flüchtig wie der Witz. Sie schweben und sind daher zu leichtfüßig, um zu verletzen.

2.2.

D y n a m i s c h e r S t i l . Bewegung kennzeichnet auch diesen Stil. Sie ist aber nicht verspielt, sondern kraft- und temperamentvoll. Zeichnungen dieser Art wollen mitreißen, indem sie Auge und Wille in eine bestimmte Richtung zwingen. Zu unterscheiden sind

2.2.1. der dynamisch glorifizierende und der 2.2.2. dynamisch verzerrende Stil. 2.3.

D e r o r n a m e n t a l e S t i l . Auch ihm ist Bewegung nicht fremd. Aber er will nicht vibrierende Impression, nicht leidenschaftliche Expression, sondern fixierte Bewegung. Die Linie ordnet dynamisch widerstrebendes Leben zum Ornament. Sie entdämonisiert auf diese Weise und erhebt über den Stoff zur Freiheit reinen Vergnügens. Der ornamentale Stil kann eine satirische oder scherzhafte Intention haben:

2.3.1. ornamental verzerrend 2.3.2. ornamental scherzbildhaft. 2.4.

D e r s t a t i s c h v e r z e r r e n d e S t i l . Er hält übertreibend Abweichungen von der Natur fest, ohne expressiv oder ornamental zu werden. Die ersten Zeichnungen in Deutschland, die formal Karikaturen sind, waren in diesem Stil gezeichnet.

2.5.

D e r k u r z s c h r i f t a r t i g e S t i l ist die konsequente Fortentwicklung des statisch verzerrenden Stils. Dieser Stil der markantesten Andeutung fin-

19 RGSt. 64, Nr. 43, S. 124 ff. Weitere Literaturangaben siehe Anm. 54 a. 17

FREISBURGER, W . : a . a . O .

REUMANN:

a. a. O., S. 270,

DIE K A R I K A T U R

69

det für das Darzustellende ein Zeichen. Nicht durch Übertreibung des Charakteristischen, sondern durch Weglassen des Nebensächlichen erreicht er eine Röntgenaufnahme, die nur das Skelett des Darzustellenden wiedergibt. Der Stenogrammstil entbehrt aller Dynamik. Er wendet sich an den Verstand des Betrachters. 2.6. D e r g r o t e s k - v e r w i r r e n d e S t i l . Dieser Stil scheint keine Richtung, kein Zentrum zu kennen, sondern ein Labyrinth irrlichternder Striche schaffen zu wollen. Die Groteske wählt diesen Stil, wenn sie die verzweifelte Frage stellt, ob das Wesen dieser Welt das Chaos sei. 2.7. D e r f l ä c h i g e S t i l . Karikaturen dieser Art wirken nicht von der Linie, sondern von der Fläche her. Daumier hat Beispiele dafür geliefert. Hofmeister hat Karikaturen flächigen Stils aus Zeitungs- und Stoffetzen geschaffen. 2.8. D e r n a t u r a l i s t i s c h e S t i l . Karikaturen naturalistischen Stils ziehen ihre Komik nicht aus dem Wie, sondern aus dem Was der Darstellung. Für Bildmagie ist der naturalistische Stil besonders geeignet. An Inhaltsanalysen, die zu quantitativen Ergebnissen führen würden, fehlt es noch. Der eine oder andere Hinweis darauf, wann bestimmte Arten der Karikatur besonders häufig auftreten, soll im folgenden gegeben werden. Karikatur als Abenteuerl Ins Abenteuerliche reichen vor allen Dingen die Spekulationen über Funktionen und Wirkungen der Karikatur. Wirkung wurde

SZEWC7.UK: „Treibeis". Lage Deutschlands nach dem Zusammenbruch (1946). Pointierter Bildkommentar (1.4) im naturalistischen Stil (2.8.). Beispiel dafür, daß der Künstler seinen Stil dem Thema anpaßt: Szewczuk wählt für die Darstellung dieses menschlich bewegenden Themas nicht die übliche Technik der Karikatur, und er vermeidet den sonst von ihm bevorzugten verzerrenden Stil. MIRKO

KURT REUMANN

70

„Allzeit bereit, Winstonl" 1 4 . Mai 1 9 4 0 . Churchill bildet eine nationale Regierung aus Konservativen, Arbeiterpartei und Liberalen, als Hitler die britischen Inseln anzugreifen droht. In der ersten Reihe neben Churchill: Attlee, Bevin, Morrison, Amery. Politische Werbezeichnung (1.1.3.). Der Stil ist nicht, wie bei den meisten Werbezeichnungen, dynamisch glorifizierend. Ein (gemäßigter) Zerrbildcharakter ist beibehalten, wenn auch nicht in satirischer Absicht (2.2.). Werbezeichnungen dieser Art gibt es nur in Demokratien. -c DAVID L O V :

nicht an der Realität gemessen, sondern aus der Ideologie abgeleitet. 18 Kein Wunder, daß die Karikaturen, von deren Wirkung man am meisten überzeugt war, magischen Charakter tragen. Maßgebend für die Beurteilung der Wirkung von Karikaturen war (und ist heute noch vielfach) die Intention des Zeichners und nicht die Reaktion des Umworbenen. 19 Mit der Entwicklung der Tediniken der empirischen Sozialforschung (vor allem der Umfrage und des Experiments) wuchs die Möglichkeit, sich über die Reak-

18 Vgl. TANK, K. L.: Der Mut der Hoffnungslosen. In: Neue Literarische Welt, 19/1953, S. 1—2. Ders.: Lachen lernen— darauf kommt es an. In: Sonntagsblatt, 45/1954, S. 13—14. RBUMANN: a. a. O . , S. 86 ff. BADM, G . : Humor und Satire in der bürgerlichen Ästhetik. Berlin 1959, S. 166 f. 1 8 Zum erstenmal hat das Reichsgericht im Grosz-Prozeß die Reaktion des Publikums und nicht die Intention des Karikaturisten für maßgebend bezeichnet. Vgl. REUMANN, K.: Der Narr als guter Teufel. A. a. O.

DIE KARIKATUR

71

A . PAUL W E B E R : . . . . es lebt ein anders denkendes Geschlecht..." Satirisches Zerrbild (1.2.) in dynamisch verzerrendem Stil. (2.2.2.). Diese gesellschaftskritische Karikatur steht in einer langen abendländischen Tradition. Kritischer Kalender 1960.

tionen der Umworbenen zu unterrichten, und damit traten die Reaktionen auch in den Vordergrund des Interesses.20 Bevor man heute eine Antwort auf die Wirkung von Karikaturen gibt, wird man zunächst einmal klären, wer überhaupt unter normalen Verhältnissen zu den Beziehern satirischer Zeitschriften und zu den Betrachtern von Karikaturen zählt. Die satirische Zeitschrift ,pardon" hat sich über die Zusammensetzung ihres Leserkreises einen Uberblick durch eine Umfrage verschafft.81 Da „pardon" die satirische Zeitschrift mit der größten Leserschaft in der Bundesrepublik ist, sind die ermittelten Zahlen besonders aufschlußreich: „pardon" hat 68 % männliche und 32 % weibliche Leser. Reichlich die Hälfte der Leser (57 %) sind 30 Jahre und jünger. Weitere 19 % sind zwischen 31 und 39 Jahre alt. Der Prozentsatz der Leser mit Mittelschulbildung (40 %), Abitur (17 %) und 20 Auf diesen Zusammenhang hat ELISABETH NOELLE-NEUMANN mehrfach hingewiesen. Die Umkehrung der Frage: »Was machen die Massenmedien mit dem Publikum?" zu: »Was macht das Publikum mit den Massenmedien?" formulierte DOUGLAS WAPLES als erster. Vgl. BERELSON, B. und G. A. STEINER: Human Behavior. An Inventory of Scientific Findings. New York/Burlingame 1964, S. 528 f. 21 pardon und seine Leser. Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung. Divo-Institut Frankfurt a. M. 1964.

72

KURT REUMANN

akademischer Bildung (14%) liegt erheblich über dem Bundesdurchschnitt.22 Dementsprechend sind auch die oberen sozialen Schichten, die höheren Bildungsschichten und die Städter prozentual höher vertreten. Das Gros der Leser besteht aus Angestellten (52 % ; davon 19 % in leitender Position). An zweiter Stelle folgen die Selbständigen (13 %). 2S Der „pardon"-Leser stuft sich selbst als „weltoffen" und „modern" ein, er spricht sich Intelligenz, politisches Interesse und kritische Haltung zu, betont seine Tatkraft und seine gehobene soziale Stellung.24 Seine heutige wirtschaftliche Lage schätzt er in einem mit Abstand stärkeren Maße (48 %) für besser (im Vergleich zum Vorjahr) ein als der Durchschnitt (20 %).25 Er darf somit als jugendlich-optimistischer Typ gelten. Persönlichkeitstests ergaben26, daß „pardon"-Leser gut integriert sind, sich aber aufgrund ihrer überdurchschnittlich gut gefestigten Persönlichkeit eine eigene Meinung bilden und diese auch vertreten.27 HONORÉ

DAUMIER.

Ein

Arbeiter in Arbeitskittel und phrygischer Mütze bläst die Könige hinweg. (Julirevolution 1834) Antithetisches Kampfbild (1.1.4.) naturalistischen Stils (2.8.). Text: „Rois de L'Europe, tenezvous bien, le mois de juillet ne vous vaut rien". Charivari 15.7. 1834.

Das Institut für Demoskopie Allensbach legte einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung vier politisch kommentierende Karikaturen, darunter eine von Ernst Maria Lang und eine von Mirko Szewczuk, vor.28 Ergebnis: Etwa ein Viertel der Befragten lachten oder schmunzelten (Männer öfter als Frauen) über die Karikaturen, die in der Art pointierter Bildkommentare gezeichnet waren. Zwei der vier vorgelegten Karikaturen wurden aber nur von 6 bzw. 8 % der Befragten verstanden (wiederum blieben die Frauen erheblich hinter den Männern zurück). Die Karikatur von Lang erreichte den höchsten Veratehbarkeitsgrad: 40%. a. a. O., Anhang, S. I. a. a. O. 2 4 a. a. O., S. 25 f. 3 5 a. a. O., S. 22. 2 6 a. a. O., S. 23. 2 7 Vgl. Anm. 37. 2 8 NOELLE, E. und E. P. NEUMANN: Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1957. Allensbach 1957, S. 103—106. 22

23

DIE KARIKATUR

l^f wirtschaftliche und technische Themen betrafen. Mit der Gründung der „Deutschen Weile", eines für das gesamte Deutsche Reich errichteten Langwellensenders, wurde die belehrende Funktion des Rundfunks zur ausschließlichen Aufgabe. Ein zentraler Bestandteil des Programms der „Deutschen Welle" waren die pädagogischen und allgemein berufsbildenden Darbietungen, ferner berufsorientierte FortbildungsVorträge, die z. T. bis zu „zahnärztlichen Sondersendungen" sich differenzierten. Ferner wurde bereits 1927 bei der „Deut7 8

H. BREDOW, AUS meinem Archiv. Heidelberg Ebda., S. 40.

1950. S . 3 5 .

WESEN UND GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

269

sehen Welle" ein Schulfunk errichtet, der zur „gelegentlichen Illustration im Unterricht" dienen sollte. Das Jahresprogramm sah Vorträge und Besprechungen von Märchen, Anekdoten, Volksliedern, Szenen aus dem praktischen Leben und Werken der Literatur sowie der Musik vor'. Nach der „Deutschen Welle" errichteten in den folgenden Jahren auch die regionalen Rundfunkgesellschaften Schulfunkabteilungen. Es kam 1926 zur Gründung eines deutschen Schulfunkvereins, der schon ein Jahr später 2000 Mitglieder hatte. Zur Förderung des Schulfunkgedankens wurde seit 1927 eine eigene Zeitschrift herausgegeben. 1931 wurden 2000 verschiedene Sendungen den Schulen zur Auswahl angeboten. Nach 1933 wurde die begonnene Zusammenarbeit von Rundfunk und Schule jedoch unterbrochen, der Schulfunk wurde zum Funk für die nationalsozialistischen Jugendorganisationen. Mit dem Schulfunk in seinem Neuaufbau seit 1945 blieb, eingeordnet in die einzelnen Sender, dem deutschen Rundfunk wie schon in seiner Anfangszeit wieder eine Sonderaufgabe innerhalb seiner Verpflichtung, zur Unterrichtung und Belehrung und damit der schulischen Erziehung als ein Hilfsmittel zu dienen. Alle Vorstellungen dagegen, die auf eine Ersetzung des Lehrers durch den Schulfunk hinauslaufen, waren und sind auch heute noch falsch. Politik im eigentlichen Sinne jedoch hatte im Vortragsprogramm zunächst keinen Platz. Einzig in der täglichen dreimaligen „Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten" wurde der Informationspflicht genügt. Politik erschien allein unter dem Gesichtspunkt einer „Propaganda für den neutralen Staatsgedanken" würdig, ins Programm aufgenommen zu werden. Doch hätte gerade der Rundfunk in jenen Jahren mit einer Aufklärung der Bevölkerung über den demokratischen Parteienstaat segensreich wirken können. Sie unterblieb, weil man sich unter parteipolitischer Neutralität zunächst nur ein Weglassen und Abmildern des Politischen vorstellen konnte und nicht den Dialog der politischen Parteien. „Das Zeitgeschehen findet im Rundfunk keinen Partner. Das gesellschaftliche Zwiegespräch unterbleibt10." Aber es war auch nicht eine aufgezwungene Regierungsmeinung. Versucht wurde eine ideologisch ausgependelte Grundhaltung fem von jedem Versuch einer politischen Auseinandersetzung. Kennzeichnend ist die Tatsache, daß es der damalige Reichstagspräsident Loebe 1931 erst gegen den Willen seines Ältestenrates durchsetzte, daß ein einziges Mal eine Rede des Reichskanzlers (Dr. Brüning) über den Rundfunk übertragen wurde. So wurde die publizistische Natur des neuen Mittels verkannt, das Hitler wenig später rücksichtslos und diktatorisch einsetzte. Die anderen wesentlichen Momente der organisatorischen Fortentwicklung des Rundfunkwesens bis zum Einschnitt durch die Reform von 1932 sind die Dezentralisierung des Rundfunks und die Errichtung der „Reichsrundfunkgesellschaft". 9 10

Ebda., S. 35,130 ff. So urteilt W. B. LERG, a.a.O. S. 310.

270

KARL HOLZAMER

Technische Notwendigkeit und Berücksichtigung der regionalen Struktur des Reiches führten zur Dezentralisierung, die bis heute das Gesicht der deutschen Rundfunkorganisation prägt. Nach Meinung von H. Bausch hat Bredow mit der Gründung von Funkgesellschaften in neun Bezirken aus einer technischen Notwendigkeit eine kulturpolitische Tugend gemacht 11 . Die Funkgesellschaften wurden mit Ausnahme der bayerischen Rundfunkgesellschaft in einem Dachverband zusammengefaßt, der „Reichsrundfunkgesellschait" (1925). Den Vorsitz im Aufsichtsrat übernahm der dabei aus dem Reichspostministerium ausscheidende Hans Bredow als „Rundfunkkommissar des Reichpostministeriums" (Juni 1926). Zusammengefaßt erscheint der Rundfunk der Weimarer Republik als ein von der Regierung betreutes, aber nicht offiziöses Organ des Staates. Seine Entwicklung wurde als ein mehr staatspolitisch ausgleichendes als ein demokratisch frei diskutierendes Organ unter der Obhut der Ministerialbürokratie im Reichspostund im Reichsinnenministerium betrieben. Die Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik, waren in sogenannten Uberwachungs- und Beratungsgremien vertreten, aber von sich aus ohne jede Exekutive. Die Aufgabe des Rundfunks wurde bevorzugt als Unterhaltung (durch Konzerte, Opern, Operetten usw.) und als Belehrung begriffen. Die kulturelle Zielsetzung dominierte gegenüber einem mehr politischgesellschaftlichen Verständnis der Rolle des Rundfunks in einem demokratischen Staat, wie sie heute erkannt und entwickelt ist. K U R T M A G N U S , einer der Schöpfer des Weimarer Rundfunks, spricht selbst von der halbstaatlichen Form, die „beachtliche Leistungen der künstlerischen Programmgestaltung (ermöglichte), aber die Rundfunkleitung bei der Behandlung öffentlicher, insbesondere politischer Fragen (behindert)" 12 . Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Verantwortlichen dieser Entwicklung aus der sicheren Position dessen, der weiß, wie die Geschichte verlief, zu kritisieren, doch steht fest, daß die oben gezeichnete Struktur des Weimarer Rundfunks ihn mehr von der heutigen Konstruktion und dem heutigen Selbstverständnis des Rundfunks trennt als von der des nationalsozialistischen Rundfunks, vor allem nach dem Zwischenspiel der Rundfunkreform von 1932 während der Regierung von Papen. Diese nun war ein Kompromiß zwischen dem Reichsinnenministerium und den Ländern und gab der Reichsregierung, „wie immer sie fortan zusammengesetzt sein mochte, alle Möglichkeiten, den Rundfunk als Staatsinstrument zu benutzen, so oft und so intensiv es gewünscht wurde"1®. Die bisherigen Aktiengesellschaften, in denen noch Privataktionäre Anteile besaßen, wurden in staatliche Gesellschaften umgewandelt. Die Ernennung von „Staatskommissaren" für die einzelnen Rundfunkgesellschaften und die Konstituierung eines Beirats von Vertretern des Reichs und der Länder

11

H . BAUSCH, a . a . O . S . 17.

12

KURT MAGNUS. 19

Beiträge zum Lebenswerk. Hrsg. vom Hessischen Rundfunk. Frank-

furt 1957. S. 45. 13

H . BAUSCH, a . a . O . S . 9 5 .

WESEN UND GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

271

dehnte die Macht des Staates noch weiter auf die Programmgestaltung aus14. Der „Reichsrundfunkgesellschaft", deren Anteile zu 51 °/o der Deutschen Reichspost und zu den restlichen 49 % den Ländern Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hamburg gehörten, wurden zwei Rundfunkkommissare übergeordnet, ein Vertreter der Post und ein Delegierter des Reichsinnenministeriums. Diese Bestimmungen, die im einzelnen hier nicht näher ausgeführt zu werden brauchen, ebneten nach Meinung von Bausch und Pohle den Weg zur totalen Gleichschaltung des Rundfunks durch das nationalsozialistische Regime. Abschließend sollen noch einige Bemerkungen zur Rolle des Publikums angeführt werden. Die staatsorientierte Konstruktion des Weimarer Rundfunks und die Vorrangigkeit technischer Probleme führte dazu, daß die Verantwortlichen in dem Zuhörer nicht mehr als einen wirtschaftlich interessanten Partner betrachteten, ihn bloß als Gebührenzahler sahen und nicht als einen Empfänger im publizistischen Sinne. So wurde auch die Steigerung der Teilnehmerzahlen in erster Linie unter wirtschaftlichen Aspekten gesehen. Zwar veranstalteten bereits vor 1925 zwei Rundfunkzeitsdiriften Höreranfragen, organisierten sich Hörergruppen, teils aus technischem Interesse, teils politisch bedingt, doch registrierte man dies von Seiten des Rundfunks skeptisch. Gegen Hörerorganisationen argumentierte man, daß die Zuhörerschaft j a durch die „Kulturbeiräte" vertreten sei", gegen Umfragen, die die Meinungen der Zuhörer zur Programmgestaltung feststellen sollten, mit dem auch heute noch gängigen Vorwurf, der Rundfunk wolle sich nicht ein Programm vom Massengeschmack diktieren lassen, was mit dem kulturellen Auftrag unvereinbar sei1".

2. Der Rundfunk d e s nationalsozialistischen R e g i m e s Die Bedeutung des Hörfunks für die Errichtung des nationalsozialistischen Regimes steht weit hinter der der Rede, vor allem der Rede in Massenversammlungen, zurück. In dem vielzitierten Satz Hitlers „Ohne Kraftwagen, ohne Flugzeug und ohne Lautsprecher hätten wir Deutschland nicht erobert" 1 spricht Hitler nicht vom Rundfunk, sondern von den Lautsprecheranlagen bei Massenveranstaltungen. Vor der Machtübernahme 1933 war die Rundfunkpolitik der NSDAP gekennzeichnet durch eine konsequente Ablehnung der Weimarer Rundfunkpolitik und -praxis. 1934 interpretierte der damalige Reichssendeleiter Hadamowsky noch einmal die Haltung der NSDAP zum Rundfunk vor der Machtergreifung: „In der 14 18

"

Ebda., S. 205 ff. H. BREDOW, AUS meinem Archiv, a.a.O. S. 115. W . B. LERG, a.a.O. S. 2 7 4 f.

Dieses Zitat stand auf einem großen Transparent auf der „Großen deutschen Funkausstellung" 1936 in der Ehrenhalle. 1

KARL HOLZAMER

272

Opposition mußte jede menschliche Brücke und jeder Kontakt zwischen dem offiziellen Systemrundfunk und der nationalsozialistischen Rundfunkhörerschaft zerschnitten und zerstört werden. Die Hörerschaft mußte in geschlossener Front gegen den Rundfunk stehen. Sie mußte dazu gebracht werden, daß sie über die Rundfunkreden der Systemgewaltigen lachte oder überhaupt ausschaltete, sobald sie vor dem Mikrophon standen 1 ." Wenn auch bis auf eine Ausnahme — im Sommer 1932 nach Verhandlungen Hitlers mit von Papen, die zur Tolerierung der Regierung von Papen führten, — der Rundfunk der NSDAP verschlossen blieb, begannen dennoch bereits 1930 die Vorbereitungen der Partei zur Übernahme des Rundfunks. Innerhalb der Partei wurde eine spezielle Funkorganisation aufgebaut, die Deutschland mit einem Netz von Gau-, Kreis- und Ortsgruppenwarten überzog 8 . In den Rundfunkgesellschaften und Funkhäusern wurden „Betriebszellen" errichtet, im „Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer", einer 1930 gegründeten Organisation zur Zusammenfassung nationaler Hörervereinigungen, übernahm die NSDAP Ende 1931 die Macht, die sie im März 1932 noch ausweiten konnte 4 . Im Oktober 1932 übernahm J. Goebbels dessen Leitung, der zu dieser Zeit in seinem Tagebuch notierte: „Wir sind schon dabei, eine neue Personenliste für den Rundfunk aufzustellen, für den Fall, daß wir über Nacht an die Macht kommen." Und: „Wir sind an der Arbeit, ein Programm für die Übernahme des Rundfunks zu entwerfen 5 ." Nach der Machtergreifung am 30.1.1933 arbeitete Goebbels, der den Hörfunk für die NSDAP entdeckte, während Hitler auf die Wirkung seiner Reden auf Massenversammlungen mehr vertraute, systematisch auf die totale Inbesitznahme des Rundfunks hin. Auf gesetzlicher Ebene nahm man durch die Notverordnungen vom 4. 2. 1933 („Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes"), vom 28. 2. 1933 („Verordnung zum Schutze von Volk und Staat"), durch die Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda am 13. 3. 1933 und die Verordnung über dessen Aufgaben von Juni 1933 die verfassungsrechtliche „Legalisierung" für die vorgesehenen und die bereits vollzogenen personellen und ideologischen Veränderungen vor. Schon im März übernahm das Propagandaministerium die politische und wirtschaftliche Kontrolle des Rundfunks, dem Reichspostministerium blieben nur die Errichtung und der Betrieb von Sendestationen, Ausbau und Kontrolle des Rundfunkkabelnetzes, der Entstörungsdienst und die Gebühreneinziehung erhalten. Der „Drahtlose Dienst AG" wurde in die Abt. Presse im Propagandaministerium eingegliedert, die einzelnen Rundfunkgesellschaften wurden der Reichsrundfunkgesellschaft zugeführt, deren Geschäftsanteile vollständig an das Reich, vertreten durch das Goebbelssche Ministerium, übergingen. Am 1. 4.1934 wurden die bisherigen Rundfunkgesellschaften in „Reichs4

E. HADAMOVSKY, Dein Rundfunk. München 1934. S. 31.

® H. POHLE, a.a.O. S. 164. 4

5

E. HADAMOWSKI, a.a.O. S. 37. J. GOEBBELS, Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, München 1937, S. 177, 180.

WESEN UND GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

273

sender" umbenannt, drei Monate später folgte eine nochmalige Konzentrierung der Entscheidungsbefugnis, d. h. eine noch stärkere Kontrolle und Lenkung durch das Propagandaministerium. Die spätere „Reform" von 1937 brachte nur noch personelle Änderungen, wenn auch gewichtiger Art: Reichsintendant wurde H. Glasmeier, der Hadamowsky als Reichssendeleiter ablöste. Die Konzentration der Macht auf publizistischem Sektor im Reichspropagandaministerium führte dazu, daß Goebbels allein bestimmte, „was im deutschen Rundfunk gesendet wurde (Anweisungen für den Inhalt der Programme), wie es gesendet wurde (Anweisung für die formale Gestaltung), wann es gesendet wurde (Anweisungen über die Freigabe bzw. Zurückhaltung bestimmter Sendungen, Abstimmung der Sendungen auf die politische Situation und ihre Erfordernisse) und schließlich, wo es gesendet wurde (Anweisungen zur Benutzung der Langwelle, Mittelwelle und Kurzwelle oder bestimmter Sender bzw. Sendegruppen")". Die Programmgestaltung des nationalsozialistisch geführten Rundfunks stand anfangs im Zeichen einer totalen Politisierung. „Das entscheidend Neue in dem politischen Einsatz des Rundfunks durch den Nationalsozialismus ist . . . die Tatsache, daß die Politik nicht gelegentlicher Inhalt des Programms, sondern Ausgangspunkt der gesamten Rundfunkarbeit ist7." Da Politik mit monopolistischer nationalsozialistischer Politik gleichgesetzt wurde, bedeutete dies, „die bestehenden Mächte auf dem Gebiet der öffentlichen Meinung anzuerkennen, falls sie sich freiwillig unterwerfen, feindliche Dogmen und Widerstand aber mit Gewalt zu brechen und auszulöschen"8. Das Programm diente ganz allein dem Zweck, die nationalsozialistische Herrschaft zu festigen, die Bevölkerung im Sinne der Machthaber zu beeinflussen. Das Programm wurde nicht nach publizistischen Gesichtspunkten gestaltet, sondern vorrangig nach politisch-taktischen Überlegungen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah. So schaltete man z. B. 1934 nach der erwähnten Politisierung des Programms im ersten Jahr, auf die die Zuhörer ablehnend reagiert hatten, auf die sogenannte „Kulturpropaganda" um, deren hervorragendster Ausdruck der „Beethovenzyklus" im Januar 1934 war. Das Ziel dieser Aktion wurde von Hadamowsky unverhüllt eingestanden: „Der Rundfunk, wie er heute ist, enthält sich nur scheinbar der Propaganda, er bringt sie indirekt9." Ein Licht auf die Nachrichtenpolitik der Nationalsozialisten wirft eine Äußerung H. Fritzsches vom Nachrichtendienst als einer „Propagandawaffe" für die Sache des nationalsozialistischen Staates, dergegenüber die angebliche objektive Nachrichtengebung der demokratischen Staaten nur das „Feigenblatt einer getarnten Tendenz" sei10. 6

H. POHLE, a . a . O . S. 215.

G. ECKERT, Der Rundfunk als Führungsmittel, Heidelberg/Berlin/Magdeburg S. 246 f. 8 E. HADAMOWSKI, Propaganda und nationale Macht. Oldenburg 1937. S. 37. 7

9

10

18

Zit. b e i H. POHLE, a . a . O . S . 279.

Ebda., S. 301. Publizistik II

1941.

274

KARL HOLZAMER

So zeigt sidi der Hörfunk in Organisation und Kontrolle durch Lenkung und Steuerung des Programms als ein Mittel der Partei, die Bevölkerung in ihrem Sinne systematisch zu beeinflussen. Aus dem staatlich betreuten und ausgewogenen Rundfunk der Weimarer Republik, der in mangelndem Vertrauen auf den demokratischen Dialog die Politik an den Rand des Programms drückte, wurde der total politisierte Rundfunk in der Hand einer Partei. Doch soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß unterhalb der politischen Führangsstellen in den Redaktionen des Rundfunks auch sachliche Arbeit geleistet wurde von Personen, die dem Regime mehr oder weniger kritisch gegenüberstanden. Welche Wirkung ein nüchtern informierender Bericht, eine von Propaganda freie Reportage auf die Zuhörer im Deutschland jener Jahre hatte, wird heute kaum noch recht verstanden und gewürdigt11.

3. Der Rundfunk in der BRD Nach dem Zusammenbrach des reichsstaatlichen Rundfunks übernahmen 1945 die Besatzungsmächte den Rundfunk, wobei sie jeweils in ihrer Zone einen ihrer heimatlichen Rundfunkstruktur ähnlichen Rundfunk errichteten. Die Engländer und Franzosen gründeten Einheitssender in ihren Zonen, nämlich den NWDR und den SWF, die Amerikaner dagegen schufen Landessender in Frankfurt, München, Stuttgart und Bremen, ohne zugleich das Rundfunkwesen wie in den Vereinigten Staaten zu kommerzialisieren. Zwei Prinzipien ihrer Rundfunkpolitik haben die spätere bundesrepublikanische Entwicklung präjudiziert: die Dezentralisierung und die staatliche Unabhängigkeit. General Lucius D. Clay ordnete Ende 1947 an, „daß der entscheidende Einfluß auf die Mittel der öffentlichen Meinungsbildung, wie Presse und Rundfunk, diffus verteilt werden soll und von jeder Regierungseinwirkung freigehalten werden muß"1. In den Jahren 1948/49 entstanden dann die ersten deutschen Rundfunkgesetze, die das Rundfunkwesen wieder in das langsam beginnende deutsche Verfassungsleben einzufügen begannen. Allgemein wurde die Form der öffentlich-rechtlichen Anstalt gewählt, um die gewünschte Unabhängigkeit vom Staat zu erreichen. Bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Anstalten 1 prägt dies zuerst die Organisationsform des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland, der in der 11 Vgl. dazu auch: Darauf kam die Gestapo nicht. Beiträge zum Widerstand im Rundfunk. In: S.F.B. Bd. 4. Berlin 1966. 1 L . H. EISNER — H. FRIEDRICH, (Hrsg.) Film-Rundfunk-Fernsehen. Frankfurt 1 9 5 8 .

S. 143. 2

Zur rechtlichen Entwicklung und organisatorischen Struktur der Landesrundfunkanstalten siehe G . HERRMANN, Zur Entwicklung der Rundfunkorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. In: H . BRACK — G . HERRMANN — H . P . HILLIG, Organisation des Rundfunks 1948—1962. Hamburg 1962. S. 62 ff.

WESEN UND GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

275

SBZ ein totalitärer, der Kontrolle und Leitung durch die Einheitspartei dienender Wiederaufbau kontrastierte. Die politische Unabhängigkeit ist beispielsweise in der Satzung des NWDR wie folgt formuliert: „Der Rundfunk wird in voller Unabhängigkeit von Einflüssen des Staates und parteipolitischen Richtungen betrieben 3 ." Die Organisation der öffentlich-rechtlichen Anstalt unterscheidet sich deutlich nicht nur von dem totalitären Modell des nationalsozialistischen oder sowjetzonalen Rundfunkwesens, sondern auch vom Modell des staatlich betreuten apolitischen Rundfunks der Weimarer Republik. Das Unterscheidende ist die Rolle der gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die durch den Rundfunk- bzw. Fernsehrat am Rundfunkwesen beteiligt sind. Im Rundfunkrat sind die Vertreter der gesellschaftlichen Kräfte (Parteien, Gewerkschaften, Kirche, Industrie, Handel, Verbände usw.) Vertreter der Allgemeinheit. Er berät den Intendanten bei der Programmgestaltung und sorgt für die Einhaltung der Programmrichtlinien. Die zweite Institution jeder Rundfunkanstalt öffentlich-rechtlicher Art, der Verwaltungsrat, unterstützt und überwacht die Geschäftsführung der Anstalt. Der Intendant schließlich ist für den gesamten Betrieb seiner Anstalt verantwortlich. Diese Organisation des Rundfunkwesens ist 1961 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsmäßig gebilligt worden: „Für die Veranstaltung von Rundfunksendungen wird durch Gesetz eine juristische Person des öffentlichen Rechts geschaffen, die dem staatlichen Einfluß entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen ist; ihre kollegialen Organe sind faktisch in angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt; sie haben die Macht, die für die Programmgestaltung maßgeblichen oder mitentscheidenden Kräfte darauf zu kontrollieren 4 ." Auch der Bund hat faktisch die öffentlich-rechtliche Organisation des Rundfunkwesens anerkannt, indem er die Bundesrundfunkanstalten „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" als Anstalten des öffentlichen Rechts errichtete. Im Zuge der Bestrebungen einer weitgehenden staatlichen Unabhängigkeit sind zwei weitere Entscheidungen wesentlich. Einmal wurden die technischen Einrichtungen der Post entzogen und den regionalen Anstalten, die sich 1950 in der ARD einen lockeren Dachverband gaben, unterstellt. Bei der Gründung des ZDF ist man allerdings wieder den Weg gegangen, die für den Sendebetrieb notwendigen technischen Einrichtungen der Bundespost als Eigentum zu überlassen. Zum anderen fand die von der amerikanischen Besatzungsmacht betriebene Dezentralisierung in der deutschen Rundfunkorganisation und -gesetzgebung ihre Fortsetzung. Der NWDR wurde 1955 in NDR (Vertrag der Länder Niedersachsen, 3 H . BRACK — G. HERRMANN — H . P. Hamburg 1962, S. 62 ff. 4 Siehe bei G. HERRMANN, a.a.O. S. 90 f.

18*

HILLIG,

Organisation des Rundfunks 1948—1962.

276

KARL HOLZAMER

Schleswig-Holstein und der Freien Hansestadt Hamburg) und WDR (NordrheinWestfalen) aufgeteilt; in Berlin war 1953 der Sender „Freies Berlin" entstanden, und nach der Rückgliederung des Saarlandes kam der Saarländische Rundfunk 1956 zu den genannten Anstalten hinzu. Ein anderes Signum der nachkriegsdeutsdien — und auch außerdeutschen — Entwicklung des Rundfunkwesens ist nicht politisch-organisatorischer, sondern publizistischer Natur, nämlich die Einführung des Fernsehens. Das Fernsehen ist in der Bundesrepublik organisiert: 1. als gemeinsames Programm der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD), 2. als Programm der Länderanstalt ZDF und 3. als Programme einzelner regionaler Landesrundfunkanstalten (III. Programm des NDR, WDR, HR, BR). Das Gemeinschaftsprogramm der ARD wird nach einem Schlüssel, der den prozentualen Anteil jeder Rundfunkanstalt festlegt, gestaltet. Nach dem gegenwärtigen Stand WDR NDR BR

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8%> 8% 8 °/o

SFB RB SR

3% 3 °/o

Das ZDF entstand nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1961, das den Anspruch des Bundes auf ein bundeseigenes Fernsehen abwies und die Länder auf ein einheitliches Handeln in den Bereichen verwies, wo eine eindeutige Bundeszuständigkeit nicht im Wortlaut des Grundgesetzes niedergelegt worden war. Das ZDF ist, wie bereits gesagt, eine gemeinsame Anstalt aller Länder5. Ein Teil der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten veranstaltet „Dritte Programme", die — bei allem Unterschied in den einzelnen Konzeptionen — eine starke Ausrichtung auf ein Bildungs- bzw. Ausbildungsfernsehen haben. Um das Fernsehen haben sich seit Anfang der 50er Jahre mannigfache Diskussionen und Auseinandersetzungen abgespielt; sei es im politischen Raum, wo der Bund sich mehrfach um ein eigenes Fernsehen bemühte; sei es im wirtschaftlichen Bereich, wo Bestrebungen für ein privates kommerzielles Fernsehen gegen die etablierte Rundfunkordnung der öffentlich-rechtlichen Struktur gerichtet waren, 6 Zu den Rechtsstreitigkeiten über das ZDF siehe: Urteile in dem Rechtsstreit des Bayerischen Rundfunks gegen den Freistaat Bayern und das Zweite Deutsche Fernsehen. Schriftenreihe des Zweiten Deutschen Fernsehens 1966, Heft 4.

WESEN UND GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

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oder sei es im Bereich der öffentlichen Diskussionen um die Rolle dieses Mediums in einer pluralistischen Gesellschaft, in einem demokratischen Staat. So gewichtig auch politische, wirtschaftliche, organisatorische und technische Fragen gewesen sind und noch sein werden, das bedeutsamste Moment des Fernsehens liegt auf einem anderen Gebiet, auf dem publizistisch-sozialen Feld. Das Fernsehen ist heute ohne Zweifel das bedeutsamste und auch beliebteste Massenmedium. Dies verdeutlichen einige Zahlen. Knapp drei Viertel aller Haushalte in der Bundesrepublik besitzen gegenwärtig ein Fernsehgerät. Die anfänglich bestehenden sozialen Strukturunterschiede zwischen Besitzern und Nichtbesitzern bestehen kaum noch. Während 1954 der Anteil der Selbständigen unter den Fernsehteilnehmern weit überrepräsentiert war, in geringerem Maße auch der der Angestellten, die Arbeiter jedoch nur sehr gering vertreten waren, sind heute alle Berufsgruppen weitgehend ihrem Gesamtbevölkerungsanteil entsprechend Fernsehzuschauer. Durchschnittlich sehen rund 50 °/o Abend für Abend die Hauptabendprogrammsendungen von ARD und ZDF zusammen, das sind bei dem gegenwärtigen Stand der Teilnehmerzahlen (September 1967: 13,4 Mio gegenüber 18,4 Mio Hörfunkteilnehmer) etwa 6,7 Mio Fernsehhaushalte oder rund 17 Mio Zuschauer. Die Sehbeteiligung kann bei außergewöhnlichen Programmen Spitzenwerte von 80—90% erzielen. Aber nicht nur der Blick auf Superlative der Sehbeteiligung zeigt die quantitativ meßbare Bedeutung des Fernsehens an. Selbst bei Sendungen, die vergleichsweise niedrige Einschaltungen haben wie kulturelle Programme oder einzelne politische Sendungen, werden Zuschauerzahlen erreicht, die die Besucher- oder Leserzahlen konkurrierender Medien wie Theater, Oper und anspruchsvollerer Tageszeitungen in den Schatten stellen. Welche Wirkungen nun dieses Massenmedium auf seine Zuschauer hat, liegt vorläufig noch in einem Nebel von Vermutungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Die Dringlichkeit einer Wirkungsforschung liegt jedoch auf der Hand. Sie würde den Programmverantwortlichen und Programmgestaltern helfen, ein Gesamtprogramm vorzulegen, das einerseits die Wünsche des Publikums nicht ignoriert, sich andererseits jedoch nicht einem Diktat des „Massengeschmacks" unterwirft. Die Geschichte des Rundfunks in Deutschland hat seine enge Verbindung mit den staatlich-gesellschaftlichen Verhältnissen aufgezeigt. Der wechselvollen deutschen Geschichte in den letzten 50 Jahren korrespondiert eine vergleichbare Entwicklung des Rundfunkwesens vom staatlich betreuten Rundfunk der Weimarer Republik über den totalitären Rundfunk der Nationalsozialisten zum demokratischen Rundfunk der Bundesrepublik. Die gewonnene Freiheit gilt es zu bewahren und zu festigen gegen alle irgendwie einseitig orientierten Interessenten, seien sie wirtschaftlicher, politischer oder publizistischer Herkunft". Das Rundlunkwesen in ' K. HOLZAMER, Das Erworbene nicht aufs Spiel setzen. Rheinischer Merkur, Jg. 20, Nr. 4 vom 22.1.1965, zitiert in: O. B. Roegele, Pressereform und Femsehstreit. Gütersloh 1965. S. 207—210.

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KARL HOLZAMER

seiner Doppelgestalt als Hörfunk und Fernsehen darf sich niemals als ein „Staat im Staat" begreifen; es kann seine Verantwortung für eine bestmögliche Staatsund Gesellschaftsordnung nicht leugnen, will es seine Aufgaben — zu informieren, zu unterhalten und zu bilden — sach- und zeitgerecht erfüllen.

LITERATUR BAUSCH, H.: Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923—1933. Tübinger Studium zur Geschichte und Politik, Bd. 6. Tübingen 1956. — BRACK, H., G. HERRMANN U. H . P. H I L L I G : Organisation des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland 1948—1962. Hans-Bredow-Institut. Hamburg 1962. — BREDOW, H.: A U S meinem Archiv. Heidelberg 1950. — DERS.: Vergleichende Betrachtungen über Rundfunk und Fernsehen. Sonderheft „Rundfunk und Fernsehen". Heidelberg 1951. — DERS.: Im Banne der Ätherwellen, 2 Bde. Stuttgart 1954—1956. — EISNER, L. H., U. H. F R I E D R I C H : Film — Rundfunk — Femsehen. Fischer-Lexikon Bd. 9. Frankfurt 1958. — FISCHER, E . K.: Dokumente zur Geschichte des deutschen Rundfunks und Fernsehens. Quellensammlung zur Kulturgeschichte, Bd. 11. Göttingen 1957. — F U H R , E. W., U. W. K O N R A D : Verfassungs- und aktienrechtliche Uberlegungen zu dem novellierten saarländischen Rundfunkgesetz. In: UFITA Bd. 50 B. — HADAMOWSKY, E.: Dein Rundfunk. München 1934. — D E R S . : Propaganda und nationale Macht. Oldenburg 1937. — HOLZAMER, K.: Die Verantwortung des Menschen für sich und seinesgleichen. — Reden und Aufsätze. Hgb. von R. Wisser. Gütersloh 1966. S. 191—224. —• LERG, W. B.: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. Herkunft und Entwicklung eines publizistischen Mediums. Beiträge zur Geschichte des deutschen Rundfunks, hrsg. von der Historischen Kommission der ARD, Bd. 1. Frankfurt 1965. — ECKERT, G.: Der Rundfunk als Führungsmittel. Heidelberg—Berlin-Magdeburg 1941. — ROEGELE, O. B. (Hrsg.): Pressereform und Fernsehstreit. Texte zur Kommunikationspolitik 1932 bis heute. Gütersloh 1965. — PIFKE, G.: Rundfunk und Politik. Kleine Geschichte des Rundfunks in Deutschland. Hrsg. von der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung. Hannover 1961. — POHLE, H.: Der Rundfunk als Iflstrument der Politik. Zur Geschichte des deutschen Rundfunks von 1923 bis 1938 (Wissenschaftliche Schriftenreihe für Rundfunk und Fernsehen. Bd. 1). Hamburg 1955. — U R T E I L E in dem Rechtsstreit des Bayerischen Rundfunks gegen den Freistaat Bayern und das Zweite Deutsche Fernsehen (Schriftenreihe des Zweiten Deutschen Fernsehens 1966, Heft 4). — ZÖLLER, J. O.: Massenmedien — die geheimen Verführer. Ein Sachbuch über Presse, Film, Funk, Femsehen. Augsburg 1965.

Organisation und wirtschaftliche Grundlagen d e s Hörfunks HANS

BRACK

1. Allgemeine Einführung für Hörfunk und F e r n s e h e n 1. Unter den Organisationsformen, die für den Rundfunk — Hörfunk und Fernsehen— gefunden worden sind, gibt es sehr unterschiedliche Erscheinungen: vom Staat unabhängige öffentlich-rechtliche Anstalten; Rundfunksysteme, die ganz vom Staat beherrscht sind; Organisationen, in denen der Staat offen oder getarnt einen mehr oder weniger großen Einfluß ausübt; kommerzielle private Rundfunkgesellschaften, bei denen manchmal die einzige Bindung an den Staat das Erfordernis einer Sendelizenz ist. Schon diese Aufzählung, mehr noch ein näheres Studium der Statuten von Hörfunk und Fernsehen, zeigt, daß sich bei diesen Medien die Frage des Verhältnisses zum Staat sowie zu politischen und kommerziellen Gruppen viel stärker stellt als bei anderen publizistischen Mitteln: 2. Wegen des (beim gegenwärtigen Stand der Technik bestehenden) Mangels an Funkwellen, wegen ihrer nicht willkürlich zu begrenzenden Ausbreitung sowie aufgrund der internationalen Fernmeldeverträge werden die für den Rundfunk vorgesehenen Wellen von den staatlichen Fernmeldebehörden verwaltet (Funkhoheit). Um eine für die Verbreitung von Rundfunksendungen notwendige Welle benutzen zu können, bedürfen Sendeunternehmen regelmäßig einer Lizenz der Fernmeldebehörde. 1 Diese Beherrschung des technischen Mittels durch die staatliche Exekutive unterscheidet den Rundfunk von anderen Massenmedien, die eines staatlich verwalteten Verbreitungsmittels nicht bedürfen und die deshalb dem Einfluß des Staates weniger leicht zugänglich sind. Aus innenpolitischen und außenpolitischen Gründen neigen Regierungen aller Systeme dazu, sich des Rundfunks für ihre Zwecke zu bedienen. Diese Tendenz wurde dadurch verstärkt, daß sich der Hörfunk in politisch bewegten 1 Art. 14 Internationaler Fernmeldevertrag Genf 1959 (BGBl II 1962 S. 2173 ff.) und Art. 15 Internationaler Fernmeldevertrag Montreux 1965 (von der BRD z. Z. noch nicht ratifiziert; s. BT-Drucks. V/2783) i. V. m. Art. 18 der dazugehörigen Vollzugsordnung für den Funkdienst; vgl. auch Art. 10 I 3 Menschenrechtskonvention (BGBl II 1952 S. 685, BGBl II 1954 S. 14) und unten Anm. 33, S. 303. Zur Sendersituation in der BRD: RINDFLEISCH, in Rev. de l'U.E.R. Nr. 104 A August 1967 S. 138 f.

HANS BRACK

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Zeiten nach dem ersten Weltkrieg, das Fernsehen nach dem zweiten Weltkrieg, entwickelten. Das Interesse der Regierungen an der Benutzung des Rundfunks wirkte sich auf seine Organisation aus: sei es, daß zur Abwehr des Regierungseinflusses Vorkehrungen getroffen wurden, um die Unabhängigkeit sicherzustellen, sei es, daß im Gegenteil ein möglichst großer oder ein vollständiger Regierungseinfluß begründet wurde. Zu erwähnen ist auch die staatliche Einwirkung auf die Organisation im Interesse der allgemeinen Erziehung der Bevölkerung, vor allem in Entwicklungsländern. 3. Bei der Betrachtung einer Rundfunkorganisation ist zu bedenken, daß die Rechtsform der Rundfunkorganisation kein sicheres Indiz für ihr Verhältnis zum Staat, zu den politischen Parteien und anderen (z. B. kommerziellen) Gruppen und für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung sowie für ihren freien Zugang zu allen Nachrichtenquellen darstellt. Zu beobachten sind z. B. Rundfunkgesellschaften in Formen des Privatrechts, die durch Beteiligung des Staates am Stammkapital mehr oder weniger staatliche Unternehmen sind; 2 auf der anderen Seite ist z. B. die öffentlich-rechtlich organisierte „British Broadcasting Corporation" (BBC) in der Praxis von der Regierung unabhängig, obwohl gewisse Eingriffe rechtlich möglich wären. 8 Die Rechtsform ist für die Beurteilung der Informationsfreiheit sowie des Grades der Unabhängigkeit eines Rundfunkträgers z. B. gegenüber staatlichen, politischen oder kommerziellen Einflüssen also weniger entscheidend als die Antwort auf die Fragen: Wer bestimmt das Programm (und die für das Programm Verantwortlichen)? Wie wird das Programm finanziert? Hinzu tritt die Frage: Wer betreibt die Technik (die Studio-, die Sender- und die Leitungstechnik einschließlich der Satellitentechnik)? Bei der Beantwortung dieser Fragen trifft man auf vielfältige Aspekte der Rundfunkorganisation: a)

Programm

In einer Reihe von Ländern sind die Programme der Bestimmung durch die staatliche Exekutive ganz oder weitgehend entzogen. 4 In diesen Ländern sind im 2 Beispiele: Die Geschäftsanteile der „österreichischer Rundfunk GmbH" sind überwiegend im Besitz der Bundesrepublik Österreich und im übrigen im Besitz der österreichischen Bundesländer (durch das Gesetz vom 8. 7. 1966 wurde der politische Einfluß auf den österreichischen Rundfunk gelockert). Die Aktienmehrheit der „Radiotelevisione Italiana" (RAI) liegt in der Hand des Staatlichen Instituts für den industriellen Wiederaufbau (IRI). In Finnland gehören über 9 0 % der Aktien der „Oy. Yleisradio Ab." dem finnischen Staat. — Die privatrechtliche Form ist manchmal ein Relikt einer zunächst privatwirtschaftlichen Rundfunkorganisation. Beispiel: Die 9 deutschen Programmgesellschaften, die 1922/24 von privaten Geldgebern gegründet wurden, gingen zusammen mit der Reichsrundfunk-GmbH nach und nach in staatliche Hände über (s. u. S. 287). 8 Dazu s. BBC Handbook 1968, S. 152. 4 Dabei bilden eine besondere Gruppe die Programme, die aus politischen Erwägungen außerhalb staatlicher Verantwortung für einen Empfang im Ausland veranstaltet und gesendet werden (z. B. Radio Free Europe und Radio Liberty; s. u. S. 302).

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

281

Interesse einer möglichst umfassenden Programmgestaltung oft besondere gesetzliche oder statutarische Regelungen getroffen worden. Dabei kann vorgesehen sein, daß die am öffentlichen Leben beteiligten Institutionen (politische Parteien, Kirchen, Interessenverbände usw.) auf die Willensbildung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkträgers Einfluß haben („Integrationsrundlunk"; z. B. in der Bundesrepublik Deutschland [BRD]) oder daß die zur Verfügung stehenden Sendemöglichkeiten ganz oder teilweise auf mehrere weltanschaulich, kulturell oder politisch unterschiedlich orientierte Rundfunkinstitutionen aufgeteilt sind („Koordinationsrundfunk"-, sog. niederländisches System).5 Die Programmgestaltung kann auch in der Hand privatwirtschaftlicher Rundfunkgesellschaften oder unmittelbar in der Hand von werbungstreibenden Firmen liegen. In diesen Fällen ist die Gestaltung des Programms möglicherweise dem Einfluß bestimmter Wirtschaftsund Interessentenkreise ausgesetzt (z. B. in den USA; s. L O E W E N S T E I N , a.a.O.; R. A D A M : Hörfunk und Fernsehen in den USA. In: Frankfurter Hefte 1966, S. 321 ff. und 403 ff.). In anderen Staaten wird das Programm von der staatlichen Exekutive im Rahmen der Staatsverwaltung selbst bestimmt oder im Falle der Übertragung des Rundfunks auf öffentlich-rechtliche oder auch privatrechtliche Rundfunkträger durch Bestellung der Programmverantwortlichen, durch Genehmigungsbedingungen oder durch allgemeine oder Einzelweisungen gelenkt (z. B. Einparteienstaaten, autoritär regierte und sonstige Staaten in verschiedenem Ausmaß der Einflußnahme). Der Staatseinfluß auf das Programm kann zusätzlich hierzu oder allein auch in der Befugnis der Regierung bestehen, Sendezeit für ihre Sendungen (nicht nur für amtliche Verlautbarungen) in Anspruch zu nehmen (z. B. Belgien, Italien), den Rundfunkträger auf bestimmte amtliche Nachrichtenquellen zu beschränken (z. B. Weimarer Republik [DRADAG])" oder einzelne Sendungen zu untersagen (z. B. Irland, Niederlande). b)

Finanzierung

In vielen Ländern wird der Rundfunk — sei er öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert — durch Gebühren finanziert. Diese werden entweder von den Rundfunkträgern selbst erhoben oder vom Staate eingezogen, der sie an den 5 Näheres hierzu s. VAN SANTBRINK, in: EBU-Review, Nr. 98 B (Juli 1966), S. 55; KRAUSEABLASS, in: Internationales Handbuch (1965/66, S. F 9 4 f . , und 1967/68 S. F101); zu den Begriffen „Integrationsrundfunk" und „Koordinationsrundfunk" s. insbes. KRAUSE-ABLASS, RuF 1962, S. 113 ff. 6 Nach den Richtlinien für den Nachrichten- und Vortragsdienst (Bestandteil der Genehmigung des RPM aus dem Jahre 1926; s. u. S. 286 ff.) durfte jede Rundfunkgesellschaft nur solche (politischen) Nachrichten verbreiten, die ihr entweder von der vom Reich bestimmten Stelle (Aktiengesellschaft „Drahtloser Dienst" = DRADAG) oder von der zuständigen Landesregierung zugeleitet wurden. Näheres hierzu s. BAUSCH, a.a.O., S. 55 ff., 75 ff., 201 f.;

LERG, a.a.O., S. 264 ff.

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Rundfunkträger ganz oder teilweise abführt. Gebühreneinnahmen sind grundsätzlich geeignet, dem Rundfunkträger ein großes Maß von Unabhängigkeit zu geben (Beispiele: Großbritannien in bezug auf die BBC; Frankreich [wo die Gebühren von der Rundfunkanstalt selbst eingezogen werden, der Staatseinfluß aber u. a. durch die Art der Berufung der leitenden Personen und der Gremien gewahrt ist; Gesetz über das „Office de Radiodiffusion-Télévision Française" (ORTF) siehe JIR, 13. Bd., S. 534]; Schweden [Sveriges Radio, in dessen Aufsichtsrat die von der Regierung ernannten Mitglieder die Mehrheit bilden]; Japan in bezug auf die öffentlich-rechtliche Anstalt „Nippon Hoso Kyokai" [NHK], die die Gebühren selbst einzieht und deren Statut Ähnlichkeit mit dem Statut der BBC erkennen läßt). In einigen Ländern werden zur Finanzierung des Rundfunkbetriebes Gebühren und Werbeeinnahmen herangezogen (z. B. Landesrundfunkanstalten in der BRD; Italien, Österreich). Dabei werden die Rundfunkträger durch die Gebühreneinnahmen in ihrem Grundbestand sowie in ihrer Unabhängigkeit von der Wirtschaft (nicht in allen Fällen auch vom Staat) gesichert. Gleichzeitig wird jedoch der werbungtreibenden Wirtschaft eine begrenzte Werbemöglichkeit gegeben; die Rundfunkgebühren können verhältnismäßig niedrig gehalten werden. In anderen Staaten wird der Rundfunk ganz oder weitgehend aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert ;'a dabei wird manchmal auf die Erhebung von Rundfunkgebühren verzichtet, weil die Regierung eine möglichst weitreichende Verbreitung des Rundfunks bezweckt (z. B. UdSSR, dort in neuerer Zeit auch Fernsehwerbesendungen). Diese Regelung gibt Regierung oder Parlament eine besonders wirksame Möglichkeit, den Rundfunk zu lenken. Der von piivatwirtschaltlichen Gesellschaften betriebene Rundfunk wird demgegenüber ohne „Gebühren" oder öffentliche Mittel in der Regel nur aus Werbeeinnahmen — Einnahmen aus dem „Verkauf" von Sendezeit für die Wirtschaftswerbung—finanziert. Der kommerzielle Einfluß wirkt sich manchmal nachteilig auf das Programm aus, da es auf das Erreichen einer möglichst hohen Hörerzahl ausgerichtet wird. Kommerzielle Rundfunkorganisationen gibt es vor allem in den Ländern, in denen genügend Rundfunkwellen vorhanden sind, um viele Interessenten zu befriedigen (z. B. USA, Südamerika) ; im übrigen z. B. dann, wenn Teilnehmergebühren nicht ausreichen würden, Staatszuschüsse nicht gegeben werden oder die — legale oder auch illegale — Kommerzialisierung des Rundfunks aus besonderen Gründen hohe Einnahmen verspricht.7 Andere Formen 6a Auch hierbei trägt die breite Masse i. d. R. die Kosten; s. B R A C K , in: EBU-Review, Nr. 108 B (März 1968) S.41. 7 Beispiele: Sogenannte „periphere Sender" in Luxemburg, Monaco, Andorra und im Saarland (Europa Nr. 1) — an diesen Sendern ist der französische Staat mittelbar, z. T. maßgeblich beteiligt — sowie die sogenannten „Piratensender", die ohne fernmeldereditliche Genehmigung, insbesondere in Westeuropa meist auf Schiffen außerhalb der Hoheitsgewässer, betrieben werden; hierzu s. z.B. K R A U S E - A B L A S S , R U F 1964,S. 181 ff.;H.-R.KRÄMER, JIR, Band 10, S. 206 ff.; F . IEZZI: The politics of Piracy, in: Télévision Quarterly, Jg. 1966,

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privat-wirtschaftlicher Finanzierung (auf dem Gebiet des Fernsehrundfunks) bilden das sogenannte „Münzfernsehen" (pay television), bei dem die Abonnenten dem Veranstalter für jede empfangene Sendung eine Einzelgebühr zu zahlen haben, und das sogenannte „closed circuit television", bei dem bestimmte Sendungen über Leitungen in einen großen Empfangsraum übertragen und dort von Interessenten (nach Zahlung eines Eintrittsgeldes) gemeinschaftlich gesehen und gehört werden. Die Finanzierungsarten des Rundfunks können im wesentlichen in folgender Übersicht zusammengefaßt werden (S. 284). Neben den im Text und in der Aufstellung genannten Finanzierungsarten gibt es noch mannigfaltige Sonder- und Mischformen, die hier nicht erschöpfend aufgezählt werden können (Beispiele: In Luxemburg fließen die Rundfunk- und Fernsehgebühren in die Staatskasse, während der Rundfunk — wie erwähnt — nur aus Werbung finanziert wird und an den Staat Konzessionsabgaben entrichtet; in Griechenland wird der Rundfunk durch Gebühren und Werbung sowie besondere Zuschüsse der Regierung finanziert; in Südamerika kommt die Finanzierung des Rundfunks mittels Einnahmen aus den Einfuhrzöllen für Rundfunkgeräte vor; vgl. auch die unten Anm. 11 erwähnten und die in „The Report and Recommendations of the Carnegie Commission on Educational Television" für „Public Television" empfohlenen Abgaben der Gerätehersteller je verkauftes Rundfunkempfangsgerät [s. „Public Television", New York 1967, S. 8 u. 68 ff.]).

Vol. V, No. 4, S. 25 ff. Einige Staaten haben die Tätigkeit und Hilfeleistung für „Piratensender" gesetzlich unter Strafe gestellt (belgisches Gesetz vom 18. 12. 1962 in RuF 1964, S. 208 f., schwedisches Gesetz vom 6. 6. 1962 in RuF 1965, S. 257 [dazu s. G. HANSSON, in: EBU-Review, Nr. 101 B (January 1967) S. 521, finnisches Gesetz vom 27. 7. 1962 und niederländisches Gesetz vom 3.12.1964 in RuF 1966, S. 347 ff.; das britische Gesetz [The Marine, etc., Broadcasting (Offences) Act 1967] vom 14. 7.1967 ist am 15. 8.1967 in Kraft getreten). Einige Staaten haben bereits das „Europäische Übereinkommen zur Verhinderung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden" vom 22. 1. 1965 unterzeichnet, (die BRD am 6. 12. 1965; Text der Ubereinkunft [in deutscher Übersetzung] in: RuF 1966, S. 442). Diese Maßnahmen haben die Tätigkeit der Piratensender weitgehend behindert. Zur Unzulässigkeit der Errichtung und des Betriebes von Rundfunksendestellen an Bord von See- und Luftfahrzeugen oder anderen schwimmenden oder in der Luft befindlichen Objekten außerhalb nationaler Gebiete vgl. auch VO Funk Art. 7 § 1 Abs. 1. — S. auch ECK. BÖHME: JIR Bd. 13. S. 299 ff.; ROBBINS, E B U R e v . N r . 1 0 6 B ( N o v . 1 9 6 7 ) S . 8 1 .

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Übersicht über

Finanzierungsarten:

1. Nur Rundfunkgebühren: a) Rundfunkträger erhebt Gebühren b) Staat erhebt Gebühren u. führt sie ganz oder teilweise an Rundfunkträger ab

Beispiele:

Japan (NHK); Frankreich (gewisse Werbung im Fernsehen) Großbritannien (BBC), Schweden

2. Rundfunkgebühren + Werbeeinnahmen (Werbung teilweise selbst, teilweise durch Tochtergesellschaften vermittelt)

BRD (Länderrundfunk), DDR, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Finnland

3. Mittel des

UdSSR (ohne Erhebung von Rundfunkgebühren! in neuerer Zeit zusätzliche Einnahmen aus Werbesendungen und Verkaufszuschlägen beim Verkauf der Rundf.-Geräte)

Staatshaushalts

Nur Werbeeinnahmen: a) Staatliche Rundfunkorganisation b) Privatwirtschaftliche Unternehmen: aa) unter Gesetzwidrigkeitskontrolle, z. B. einer Fernmeldeaufsichtsbehörde bb) unter Mitwirkung und Aufsicht einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft c) Ausstrahlung im wesentlichen für auswärtige Gebiete d) illegal arbeitende (Piraten-) Sender

5. Sonstige Finanzierungsquellen: a) Staatszuschüsse für Auslandsdienste b) Einzelentgelte für den Empfang der Sendungen (pay television) oder Eintrittsgelder bei Empfang in Gemeinschaftsräumen über Leitung (closed circuit television) c) Herausgabe von Programmzeitschriften d) Verkauf von Produktionen (insbesondere ins Ausland) e) Mitgliederbeiträge oder Zuwendungen von Stiftungen f) Einnahmen aus einem Finanzausgleich bei föderalistisch organisiertem Rundfunk

Spanien USA (FCC) Großbritannien (ITA/ITCA) Radio Andorra, Radio-Télé-Luxembourg, Radio Monte-Carlo, Télé Monte-Carlo, Europa Nr. 1 Radio Veronica (vor der niederländischen Küste). Früher zahlreiche Sender vor den britischen, schwedischen und dänischen Küsten.

BRD (Bundesrundfunk), Frankreich, Großbritannien, USA Großbritannien, USA

Großbritannien (BBC: „Radio Times" u. a.), Niederlande Großbritannien: BBC-Enterprises USA (NET, NAEB) BRD (Landesrundfunk; dazu s. u. S. 300)

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c)

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Technik

Die Technik in den Funkhäusern, die sog. Studiotechnik, ist in den weitaus meisten Fällen Sache des Rundfunkträgers selbst. Hinsichtlich der Sendertechnik ist zu bedenken, daß die Verwaltung der für den Rundfunk notwendigen Frequenzen Sache der staatlichen Fernmeldeverwaltungen ist (s. o. S. 279). In einer Reihe von Fällen baut und betreibt die Fernmeldeverwaltung deshalb die Sender selbst (z. B. Niederlande, Dänemark, Schweden, Schweiz, BRD: DW, DLF, Fernsehen II und III). Diese Praxis kann eine gewisse Abhängigkeit des Rundiunkträgeis von der staatlichen Exekutive mit sich bringen. In anderen Ländern bauen und betreiben die Rundfunkträger nach Zuteilung einer entsprechenden Frequenz eigene Sendeanlagen (z. B. Hörfunk und Fernsehen I der ARD-Landesrundfunkanstalten, Frankreich [ORTF], Großbritannien [BBC], Italien [RAI], Österreich [ORF]). Unterschiedlich geregelt ist auch die Zuständigkeit für die zum Rundfunkbetrieb notwendigen Leitungsverbindungen (Kabel oder Richtfunkstrecken, z. B. zwischen den Studios und den Sendeanlagen); in einigen Ländern werden diese Leitungen vom Rundfunkträger betrieben (z.B. Belgien, Frankreich, Italien), in anderen Ländern von der staatlichen Fernmeldeverwaltung (z. B. Bundesrepublik Deutschland)! wegen der Satelliten vgl. unten S. 286, 304, 428 (Anm. 2 b), 441. 4. Zu erwähnen ist noch, daß innerhalb einzelner Staaten verschiedenartige Rundiunkorganisationen bestehen; so ist z. B. in Australien, Japan und Kanada neben einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisation eine Reihe von kommerziellen Stationen zugelassen. Audi in den Ländern, in denen kommerzielle Rundfunkorganisationen überwiegen, gibt es meist öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisationen, denen der für das Ausland bestimmte Rundfunk aufgetragen ist (z.B. die „Voice of America", die organisatorisch zur U.S.-Information-Agency [USIA], dem staatlichen Informationsdienst der USA, gehört; s. W. R U D O L F , R U F 1954, S. 47 ff. [53]). Bemerkenswert sind auch die der Erziehung dienenden, nichtkommerziellen Hörfunk- und Fernsehorganisationen der USA, für die Dachverbände „National Association of Educational Broadcasters" (NAEB) und „National Educational Télévision" (NET) bestehen, die teilweise aus den Zuwendungen großer Stiftungen finanziert werden (s. IHB 1967/68, S. H 136, 141, und „world communications — press radio télévision film", U N E S C O , 1964, S. 170 ff.). 5. Wie diese Betrachtung verschiedener Aspekte der Rundfunkorganisation zeigt, geben die Rundfunkverfassungen ein buntes Bild.8 Die häufig verwendete Dreiteilung der Rundfunkverfassungen — Staatsrundiunk, gemeinnütziger Rundfunk und kommerzieller Rundtunk — ist zwar zutreffend; man darf aber nicht die Vielfalt der Zwischenlösungen übersehen, in denen sich oft die differenzierten gesellschaftlichen, politischen und staatsrechtlichen Verhältnisse des Landes 8 Vgl. auch KRAUSE-ABLASS, Stichworte zur Systematik der Rundfunkorganisation, in: RuF 1966, S. 430; s. auch G. MALETZKE: Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg 1963; ders.; Grundbegriffe der Massenkommunikation. München 1964; NAMUROIS, a.a.O.

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widerspiegeln. Zudem müssen bei Betrachtung und Beurteilung der Hörfunk- und Fernsehsituation eines Landes jeweils auch die Organisationsformen und Eigentumsverhältnisse der Presse sowie deren Verhältnis zum Staat beachtet werden; die Wirkung der Hörfunk- und Fernsehorganisation bei der Bildung der öffentlichen Meinung kann nämlich auch davon abhängig sein, ob die Presse des Landes frei oder ob sie an Staat oder Pressetrusts gebunden ist.8a 6. In absehbarer Zukunft werden Programme, die über „Rundfunksatelliten" geleitet werden und von der Bevölkerung ohne Einschaltung von Bodenstationen empfangen werden können, eine neue Entwicklung mit sich bringen (vgl. auch unten Fernsehen S. 428 Anm. 2 b, S. 441). 7. Von der bisher behandelten äußeren Organisation ist die betriebliche Organisation des Hörfunks und des Fernsehens zu trennen, die häufig in einer gemeinsamen Institution betrieben werden (s. dazu unten Fernsehen S. 427). Die Betriebsorganisation von Hörfunk und Fernsehen enthält Elemente von Betrieben der Presse, des Theaters, eines Ordiesterunternehmens, der Filmproduktion, der Schallplattenindustrie, des Showgeschäftes usw. Eine eigene innere Betriebsorganisation hat sich im Laufe der Entwicklung von Hörfunk und Fernsehen herausgebildet. Da in diese Unternehmen große Summen investiert sind und da große Umsätze erzielt werden (in der BRD z. B. rd. 1,8 Mrd. DM Gesamtinvestitionen und etwa 2,0 Mrd. DM jährl. Umsatz), müssen sie — aus öffentlicher Verantwortung oder aus privatwirtschaftlichen Konkurrenzgründen—möglichst rationell verwaltet werden. Eine besondere Problematik für die betriebliche Organisation ergibt sich aus den besonderen Qualitäten der im künstlerischen, erzieherischen und politischen Bereich von Hörfunk und Fernsehen tätigen Personen, für deren Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen der betrieblichen Ordnung gesorgt werden muß.

2. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks In Deutschland A. Überblick ü b e r d i e E n t w i c k l u n g 9 1. Nach dem Ersten Weltkrieg baute das für das Funkwesen allgemein zuständige Reidispostministerium (RPM) Rundfunksender, die selbständigen Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden sollten; die Programmgestaltung betrachtete das RPM aus kompetenz- und auch aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht als seine Aufgabe.10 1922/24 entstanden neun regionale Programmgesellschalten (außerdem wurde am 29. 8. 1924 die Hierzu vgl. HELMUT ARNDT, a.a.O. sowie unten S. 433. • Einzelheiten s. o. Abschnitt „Geschichte" sowie die Darstellungen von BAUSCH, BREDOW,

8a

POHLE,

GOEBEL,

Literatur). 10

SCHUSTER,

MAGNUS,

LERG,

ECKNER

und

BRACK-HERRMANN-HILLIG

SCHUSTER, a.a.O., S . 3 0 9 ff. (313); GIESECKE, in: Rundfunkjahrbuefa 1930, S. 6 1 ;

Vier Jahre deutscher Rundfunk, S. 29; ECKNER, a.a.O., S. 13.

(s.

u.

Bredow:

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

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„Deutsche Welle GmbH" gegründet, die im Januar 1926 ihren Programmdienst aufnahm; LERG, a.a.O., S. 136, 208 ff., 228). Finanziert wurden diese Gesellschaften durch das von privaten Geldgebern eingebrachte Stammkapital, durch Anteile an den Rundfunkgebühren 11 und durch Einnahmen aus Werbesendungen, die vom 15. 9. 1924 an ausgestrahlt wurden. Zur Bewältigung gemeinsamer Probleme schlössen sich Rundfunkgesellschaften 1924 zum „Reichstunkverband" zusammen. Am 15. Mai 1925 wurde die „Reichsrundfunkgesellsdiaft mbH' (RRG) gegründet, der nach und nach alle Rundfunkgesellschaften (mit Ausnahme der „Deutschen Stunde in Bayern GmbH") beitraten. Die RRG sollte die gemeinsamen Interessen des Rundfunks und der Sendegesellschaften in ihrer Gesamtheit vertreten; sie bildete einen Finanzausgleichsfonds, regelte die Beziehungen zu den Autorenverbänden, nahm die Vertretung im Ausland wahr usw. (Näheres hierzu s. LERG, a.a.O., S. 236 ff., 248 ff.; BREDOW, Im Banne der Ätherwellen, Band 2, S. 255 f., 274 f.). 1925/26 führten der Wunsch der Rundfunkgesellschaften nach längerfristigen Sendelizenzen und das Streben der Regierungen nach einem größeren Einfluß auf den in seiner Bedeutung wachsenden Rundfunk zu einer bedeutsamen Umgestaltung des deutschen Rundfunks. Erst nachdem die Kapitalmehrheit der RRG, die ihrerseits die Mehrheit in den einzelnen Mitgliedsgesellschaften besaß, kostenfrei an die Reichspost abgetreten worden war, erteilte der RPM jeder Regionalgesellschaft die (längerfristige) „Genehmigung zui Benutzung von Funksendeanlagen der DRP für die Zwecke des Unterhaltungsrundfunks'. Diese Genehmigung des RPM zum Gebrauch technischer Einrichtungen enthielt Bedingungen, die auch in die Programmgestaltung der Rundfunkgesellschaften tief eingriffen (Regelung des Nachrichtendienstes, Einsetzung von politischen Uberwachungsausschüssen und von Kulturbeiräten). 11 Dadurch erreichte die staatliche Exekutive eine weitgehende zentrale staatliche Kontrolle des deutschen Rundfunks. Die Abhängigkeit des Rundfunks von der Exekutive führte insbesondere dazu, daß die Rundfunkintendanten in bezug auf kritische Programme immer vorsichtiger wurden und der Rundfunk seine Funktion als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung nicht in dem sachgerechten Maße erfüllen konnte: Die Weimarer Verfassung gewährleistete im Gegensatz zum Bonner Grundgesetz (Art. 5) nicht ausdrücklich die Unabhängigkeit der Rundfunkträger von der staatlichen Exekutive (dazu s. u. S. 289, 294). Durch die Neuregelung des deutschen Rundfunks13 im Jahre 1932 erhielt der Reichsinnenminister das Recht, (neben dem 1926 ernannten „Rundfunkkommissar des Reichspostministers") einen zweiten Reichsrundfunkkommissar mit politischen Funktionen zu berufen. Außerdem wurde für jede regionale Rundfunkgesellschaft ein Staatskommissar vorgesehen. Die Privataktionäre mußten ihre Anteile abgeben. Nach dieser Neuregelung hielten die RRG 51 °/o und die Länder der Sendegebiete 49 °/o der Kapitalanteile an den Programmgesellschaften; in die RRG-Anteile teilten sich DRP und Länder im Verhältnis 51 :49. Die damit erreichte Zentralisierung und Verstaatlichung des deutschen Rundfunks erleichterte die völlige Eingliederung in die staatliche Zentralexekutive, die die politische 11 Die Gebühr für die Genehmigung einer Rundfunkempfangsanlage betrug zunächst jährlich 25,— Mark Grundwert „vervielfacht mit der am Tage der Zahlung gültigen Verhältniszahl für die Berechnung der Telegraphengebühren im Verkehr nach dem Ausland"

(ECKNER, a . a . O . , S. 15; LERG, a . a . O . , S. 178 f.; GOEBEL, a . a . O . , S. 4 3 2 ; d o r t a u c h A n g a b e n ü b e r

weitere, von Rundfunkgeräteherstellern und -händlern zu entrichtende Gebühren). Vom 1. 1. bis 31. 3. 1924 betrug die Rundfunkgebühr 60,— RM jährlich, seit dem 1. 4. 1924 2,— RM ( o d e r D M ) m o n a t l i c h (s. a u c h LERG, a . a . O . , S . 375). 12

S. o. Abschnitt „Geschichte"; Näheres und Texte s. SCHUSTER, a.a.O., S. 315f. und

S . 3 3 0 f f . ; FISCHER, a . a . O . , S. 7 7 ; LERG, a . a . O . , S. 2 5 2 f f . — Z u r v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e n W e r t u n g dieser Maßnahmen s. z. B. RIDDER-STEIN, in: Staatslexikon, 6. Aufl. 1961, S . 1006; H. WILSENS,

a.a.O., S. 51, 61, 137; s. auch BVerfGE 12, 232 ff. und FR. DENCKER, Uberwadiungsausschüsse und Kulturbeiräte im Lichte des Rechts, Blätter für Funkredit, 1927, S. 9 ff. 18 Zu den „Leitsätzen", „Ausführungsbestimmungen" und „Richtlinien" s. o. „Geschichte", POHLE, a . a . O . , S . 124 f f . u n d BAUSCH, a . a . O . , S. 2 0 5 ff.

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HANS BRACK

Entwicklung des Jahres 1933 mit sich brachte. Unter Berufung auf das sog. „Ermächtigungsgesetz" vom 24. 3. 1933 beanspruchte die Reichsregierung die Kulturhoheit für das Reich und übertrug die Rundfunkaufgaben (mit Ausnahme der Sendetechnik) auf das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP); vgl. VO vom 30. 6. 1933, RGBl I S. 449. Unter der Führung des RMVP wurde der Rundfunk zu einem politischen Führungsmittel des NS-Regimes (vgl. POHLE, a.a.O., S. 186 ff.). 1945 brach mit der allgemeinen deutschen Staatsgewalt die Rundfunkorganisation zusammen. Jede unbeaufsichtigte Sendetätigkeit Deutscher wurde verboten. Die Sendeanlagen wurden von den Besatzungsmächten beschlagnahmt und zunächst als Soldatensender oder als Sender der Militärregierung benutzt. 14

2. Gemäß dem sukzessiven Übergang der öffentlichen Verwaltung in deutsche Hände wurden in den drei Westzonen für den Betrieb des Rundfunks 1948/49 deutsche Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet, die von besonderen Organen (Rundfunkrat oder Hauptausschuß, Verwaltungsrat, Intendant oder Generaldirektor) geleitet und von der bei Anstalten des öffentlichen Rechts sonst üblichen staatlichen Fadiaufsicht freigestellt wurden. Bei diesen Anstalten waren zunächst alliierte Kontrolloffiziere tätig. In Hamburg entstand mit Wirkung vom 1 . 1 . 1 9 4 8 für das Gebiet der britischen Besatzungszone (Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hansestadt Hamburg)15 die öffentlich-rechtliche Anstalt „Nordwestdeutschei Rundfunk' (NWDR). Die Entwicklung in Süddeutschland und in Bremen wurde von dem Bestreben bestimmt, für jedes Land eine eigene Rundfunkanstalt zu schaffen; so entstanden durch Gesetze der Länder die öffentlich-rechtlichen Anstalten „Der Bayerische Rundfunk" (BR) in München, „Hessischer Rundfunk" (HR) in Frankfurt/Main, „Radio Bremen" (RB) und „Süddeutscher Rundfunk" (SDR) in Stuttgart für Württemberg-Baden. In Südwestdeutschland wurde zur Rundfunkversorgung der Länder Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern die Anstalt des öffentlichen Rechts „Südwestfunk" (SWF) errichtet. Diesen deutschen Rundfunkanstalten wurden die Rundfunksendeanlagen übereignet, die in der Hand der zentralen Postverwaltung gewesen waren (s. SCHUSTER, a.a.O., S. 324, 336 f.; ECKNER, a.a.O., S. 34). In Berlin (Ost) nahm der „Berliner Rundfunk" (auch „Radio Berlin" genannt) den Betrieb auf und bildete später zusammen mit den Sendern Potsdam und Schwerin das „Norddeutsche Sendesystem", während in Leipzig das Zentrum des „Mitteldeutschen Rundfunks" mit den Sendern Leipzig, Dresden und Weimar lag. Alle Sender der sowjetisch besetzten Zone wurden später zentralisiert und der in Ostberlin residierenden „Generalintendanz des demokratischen Rundfunks" unter14 Hamburg sendete schon ab 4. 5. 1945 als Nachrichtensender der britischen Militärregierung in deutscher Sprache; dazu s. auch H. C. GREENE, RuF 1965, S. 119 ff. Vgl. auch DONALD D. REICH, a.a.O., und M. BALFOUR, Four-Power Control in Germany and Austria 1945—1946. London — New York — Toronto 1956, S. 219 ff. — Radio Berlin/Berliner Rundfunk war ebenfalls ab Mai 1945 unter sowjetischer Kontrolle in Betrieb. 15 Der NWDR nahm bis zum 31. 5. 1954 auch die deutsche Rundfunkversorgung in WestBerlin wahr (Aufnahme eines Programmbetriebes durch den SFB am 1. 6. 1954; s. dazu

BRAUN, R U F 1 9 5 5 , S. 1 5 7 ) .

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

stellt. Mit Wirkung vom 1.9. 1952 wurde diese Spitze in ein „Staatliches funkkomitee" umgewandelt (s. u. S. 302).

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Rund-

Die in den Westzonen vorgesehene Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten von der staatlichen Exekutive wurde 1949 durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestätigt: Das Grundgesetz gewährleistet in Art. 5 neben der Meinungs- und Unterrichtungsfreiheit ausdrücklich die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk („Rundfunkfreiheit"); es teilt dem Bund keine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Rundfunks zu (hierzu s. u. S. 294, 431 sowie BVerfGE 12, 205). Den Verantwortlichen der sechs deutschen Rundfunkanstalten (NWDR, BR, SDR, HR, SWF und RB) war bewußt, daß die — bezogen auf das Gesamtgebiet der Westzonen — föderalistische Rundfunkordnung nicht dazu führen durfte, daß überregionale Aufgaben des Rundfunks vernachlässigt würden. Deshalb begann man, in zunächst nicht organisierter Form gemeinsam zu beraten und zusammenzuarbeiten. Als sich zeigte, daß die lose Zusammenarbeit auf die Dauer nicht genügte, beschlossen die deutschen Rundfunkanstalten am 9J10.6. 1950 die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft. Die konstituierende Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" (ARD) fand am 5. 8. 1950 statt (zu Organisation und Aufgaben der ARD s. u. S. 298 ff.). Die Entwicklung hatte Rundfunkanstalten sehr unterschiedlicher Größe hervorgebracht: Im Sendegebiet des NWDR wohnten 1951 etwa 50 % und im Sendegebiet etwa des SDR 8 % aller in den Westzonen registrierten Rundfunkteilnehmer. Diese Lage konnte der Ausgangspunkt für zwei Entwicklungen werden: für die Bildung einer weiteren großen Rundfunkanstalt „Südwestdeutscher Rundfunk" neben dem NWDR und vielleicht einer besonderen Anstalt für Berlin oder für die Aufteilung des NWDR in Länderanstalten nach dem süddeutschen Muster. Da sich bald zeigte, daß die erste Möglichkeit keine Aussicht auf Verwirklichung hatte, lag die Auflösung des NWDR nahe. Nachdem durch Landesgesetze 1953 der „Sender Freies Berlin" (SFB)15 und 1954 für Nordrhein-Westfalen die Anstalt „Westdeutscher Rundfunk Köln" (WDR) gegründet worden waren, schufen die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg durch Staatsvertrag vom 16. 2. 1955 die Anstalt „Norddeutscher Rundfunk° (NDR) mit Sitz in Hamburg; sie erreichten durch diese rundfunkpolitisch bedeutsame Entscheidung den Zusammenhalt des „Rest-NWDR". Durch Staatsvertrag vom gleichen Tage vereinbarten die genannten drei Länder und Nordrhein-Westfalen die Auflösung des NWDR, der dann den Hörfunkbetrieb am 31. 12. 1955 und den Fernsehbetrieb am 31. 3. 1956 einstellte. Das Fernsehen wurde für das Sendegebiet des bisherigen NWDR bis zum 31. 3. 1961 im Nord- und Westdeutschen Rundfunkverband (NWRV) gemeinsam weiterbetrieben (s. u. S. 429 und B R A C K , R U F 1962, S. 30 ff.). Zu den nach dieser Umgestaltung bestehenden acht westdeutschen Rundfunkanstalten kam der „Saarländische Rundfunk" (SR) hinzu, der zunächst als GmbH 19

Publizistik II

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weiterbetrieben wurde und durch Gesetz vom 27. 11. 1956 wie die anderen Rundfunkanstalten die Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts erhielt (Aufnahme des SR in die ARD am 21. 5. 1959). 1960 schließlich wurden zwei Rundfunkanstalten des Bundesrechts „Deutsche Welle" (DW) und „Deutschlandiunk" (DLF) gegründet, mit der Aufgabe, Tonrundfunksendungen für das „Ausland" (DW) und für „Deutschland und das europäische Ausland" (DLF) zu veranstalten. Auch diese beiden Rundfunkanstalten sind Mitglieder der ARD (seit dem 7. 6. 1962). Die Entstehung dieser beiden Bundesrundfunkanstalten hat eine interessante Vorgeschichte, die hier — gleichzeitig zur Skizzierung der Bestrebungen des Bundes auf dem Gebiete des Rundfunks — kurz geschildert werden soll: 1 ' Nach der Bildung der ersten Bundesregierung im Jahre 1949 befaßte sich neben dem Bundespostministerium das Bundesinnenministerium in steigendem Maße mit dem Rundfunk. Es entwarf ein Gesetz über die „Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiete des Rundfunks'. Auf dem Text dieses Entwurfs (s. Fischer, a.a.O., S. 120 ff.) basierte ein Gesetzentwurf, der beim Bundestag am 18. 3. 1953 aus der Mitte des Bundestages eingebracht wurde (sog. „ VoGEL-MENDE-Entwurf"; BT-Drucksache 4198 [1. Wahlperiode]). Dieser Gesetzentwurf sah die Errichtung einer Anstalt „Der Deutsche Rundfunk" vor, die neben dem Fernsehen — das vom NWDR schon begonnen worden war (s. u. Fernsehen S. 428) — einen „Deutschen Kurzwellendienst", einen Inlandsgemeinschaftsdienst auf Langwelle „Deutsche Welle" und die technische Entwicklung und Forschung bundeseinheitlich betreiben sollte; außerdem sollte die Gebührenverteilung neu geregelt werden. Nachdem dieser Gesetzentwurf mit dem Ablauf der 1. Wahlperiode des Bundestages hinfällig geworden war, versuchten Bund und Länder, gemeinsam eine Lösung der aufgetretenen Probleme zu finden, insbesondere in bezug auf das Fernsehen, auf die Kurz- und Langwellensendungen und auf den Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten. Im Januar 1955 einigten sich die Referenten des Bundes und der Länder auf die Texte eines „Allgemeinen Rundfunkvertrages' und dreier Zusatzverträge, die jedoch bei den Regierungen auf Schwierigkeiten stießen.17 Diese Bund/Länderverhandlungen, die auch in der 3. Wahlperiode des Bundestages fortgesetzt wurden, unterbrach die Bundesregierung am 30. 9. 1959 durch den Beschluß, im Bundestag ein „Gesetz über den Rundfunk' einzubringen. Durch dieses Gesetz sollten drei Anstalten (für den Kurzwellendienst „Deutsche Welle", für den Langwellendienst „Deutschlandfunk" und zur Veranstaltung eines zweiten Fernsehprogramms „DeutschlandFernsehen") gegründet werden, die zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben zusammen den „Deutschen Rundfunkverband" bilden sollten. Diese zentralistische Ordnung sollte durch eine bei der Bundespost einzurichtende Rundfunkausgleichskasse ergänzt werden, die das gesamte Rundfunkgebührenaufkommen verwalten und verteilen sollte. Der Bundesrat lehnte diesen Gesetzentwurf am 13. 11. 1959 „aus verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Gründen" einstimmig ab. Die Bundesregierung hielt jedoch an dem Entwurf fest (BT-Drucksache 1434 [3. Wahlperiode] vom 26. 11. 1959). Der Bundestag verabschiedete schließlich nur die Teile des Gesetzentwurfes, die sich mit der Gründung der Bundesanstalten für den Auslandsrundfunk „Deutsche Welle" und „Deutschlandiunk' befaßten (BGBl I 1960 S. 862; zur Entwicklung des „Deutschland-Fernsehens" s. u. Fernsehen S. 430 f.).

" Näheres hierzu s. BRACK, RuF 1960, S. 156 und RuF 1962, S. 34 ff.; s. auch BVerfGE 12, 212 ff. und ECKNER, a.a.O., S. 41 ff. 17 Siehe BRACK, RuF 1960, S. 157 ff. und RuF 1962, S. 35, auch ECKNER, a.a.O., S. 53 ff. — Entwurfstext s. FISCHER, a.a.O., S. 132 ff.

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3. Die sowohl im Bundesgebiet als auch in anderen europäischen Ländern zu beobachtenden Bestrebungen verschiedener Interessenten, Rundfunk und Fernsehen privatwirtschaftlich zu veranstalten, haben im Saarland am 7. 6. 1967 zur Novellierung des saarl. Rundfunkgesetzes geführt, nach der unter bestimmten Voraussetzungen (Beirat) Aktiengesellschaften von der saarländischen Landesregierung durch einfachen Konzessionsakt zur Veranstaltung (auch deutschsprachiger) Hörfunk- und Fernsehsendungen zugelassen werden können (Saarländisches Gesetz Nr. 844 vom 7. 6. 1967, Amtsbl. Saar S. 478). Es wird allerdings bezweifelt, daß die saarländische Gesetzesänderung den vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Organisationserfordernissen gerecht wird (vgl. dazu BVerfGE 12, 262 und unten S. 431). Inwieweit die saarländische Gesetzesnovelle eine tiefergreifende Änderung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik mit sich bringen wird, ist heute noch nicht zu überblicken.

B. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland C1968)'8 1.

Übersicht

Programmgestaltung:

Technik: Studiotechnik: Leitungstedinik : Sendertechnik: Finanzierung:

18

19*

Hörfunksendungen der ARD-Landesrundfunkanstalten

Hörfunksendungen der Bundesrundfunkanstalten

9 Landesrundfunkanstalten (BR, HR, NDR, RB, SR, SFB, SDR, SWF und WDR)

2 Bundesrundfunkanstalten (DW [Hörfunksendungen für das Ausland] und DLF [Hörfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland])

9 Landesrundfunkanstalten Bundespost 9 Landesrundfunkanstalten

2 Bundesrundfunkanstalten Bundespost Bundespost

Hörfunkgebühr + (bei einigen Anstalten) Werbeeinnahmen

Bundeshaushalt und hinsichtlich des DLF z. Z. zusätz' liehe Zahlungen der ARDLandesrundfunkanstalten

Zur Organisation des Fernsehens s. S. 433 ff.

292

HANS BRACK

2. O r g a n i s a t i o n

der

Rundfunkanstalten1®

a) 9 öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten veranstalten regionale Hörfunkprogramme und strahlen sie über anstaltseigene Sendeanlagen aus (in der Regel 3 Hörfunkprogramme je Anstalt auf Mittel- oder Ultrakurzwelle, z. T. auch Kurzwelle; daneben betreiben die Landesrundfunkanstalten auch Fernsehen [dazu s. u. S. 433]; Angabe der Rundfunkteilnehmerzahlen hier jeweils für den 1.7. 1968): DER BAYERISCHE RUNDFUNK (BR), 8 München 2, Rundfunkplatz 1 Anstaltsbereich: Freistaat Bayern. Gesetzliche Grundlage: Gesetz vom 10. 8. 1948 in der Fassung der Gesetze vom 17. 3. 1950 und vom 22. 12. 1959 (Bekanntmachung des geänderten Textes: BayGVBl 1959 S. 314). Durchführungsverordnung vom 20. 1. 1960 in der Fassung der Verordnungen vom 8. 3. 1960 und vom 30. 1. 1962 (BayGVBl 1960 S. 2 und S. 27, 1962 S. 11). Satzung vom 9. 7. 1964, geändert 15. 12. 1966. Angemeldete Höriunkteilnehmer: 3 089 174. Hörlunkwerbung: Bayerischer Werbefunk GmbH, 8 München 2, Hopfenstraße 3. HESSISCHER RUNDFUNK (HR), 6 Frankfurt/Main, Bertramstraße 8 Anstaltsbereich: Land Hessen. Gesetzliche Grundlage: Gesetz vom 2. 10. 1948 (HessGVBl S. 123) in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Hessischen Landesrechts vom 6. 2. 1962 (HessGVBl S. 21 [26, 116)). Satzung vom 2. 7. 1949 (Staatsanzeiger Hessen 1949 Nr. 35, S. 357) in der Fassung vom 28. 11. 1959 (Staatsanzeiger Hessen 1960 Nr. 8, S. 246). Angemeldete Höriunkteilnehmer: 1 655 811. Hörlunkwerbung: Werbung im Rundfunk GmbH, 6 Frankfurt/Main, Bertramstraße 8. NORDDEUTSCHER RUNDFUNK (NDR), 2 Hamburg 13, Rothenbaumchaussee 132/134 Anstaltsbereich: Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Gesetzliche Grundlage: Staatsvertrag der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg vom 16. 2. 1955 (GVB1 Nds. S. 167; GVB1 Sdil.-H. S. 92; GVB1 Hamb. S. 197). Satzung vom 2. 3. 1956 in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 8. 12. 1958, vom 22.4. 1961, vom 31. 3. 1962, 6. 6. 1967 und 6. 7. 1968 (z.B. Hamb. Amtl. Anz. 1956 S. 347, 1961 S. 463, 1962 S. 485, 1967 S. 766, 1968 S. 869). Angemeldete Höriunkteilnehmer: 3 634 930. RADIO BREMEN (RB), 28 Bremen, Heinrich-Hertz-Straße 13 Anstaltsbereich: Land Bremen. Gesetzliche Grundlage: Gesetz vom 22. 11. 1948 in der Fassung der Änderungsgesetze vom 28. 2. 1949 und vom 12. 5. 1949 (BremGBl 1948 S. 225, 1949 S. 39 und S. 101). Angemeldete Höriunkteilnehmer: 262 377. Hörlunkwerbung:

Norddeutsche Funkwerbung GmbH, 28 Bremen, Heinrich-Hertz-Straße 13.

SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK Halberg Anstaltsbereich:

(SR), 6604 Brebach b. Saarbrücken,

Schloß

Saarland.

19 Einzelheiten der Rundfunkorganisation sind den jeweiligen Gründungsgesetzen und den Satzungen der Rundfunkanstalten zu entnehmen, die in D E L P , a.a.O., Band I V , und in HERRMANN, Rundfunkgesetze, abgedruckt sind. Zur Organisation der einzelnen Rundfunkanstalten vgl. auch BRACK-HERRMANN-HILLIG, a.a.O., HERRMANN, a.a.O. (Die Rundfunkanstalt), J A N K , a.a.O., LENZ, a.a.O., sowie I H B 1 9 6 7 / 6 8 , S . C 2 9 ff. mit Organisationsplänen der Anstalten.

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Gesetzliche Grundlage: Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland vom 2. 12. 1964 in der Fassung der Gesetze Nr. 824 vom 16. 12. 1965 und Nr. 844 vom 7.6.1967 (Amtsbl. Saar 1964 S. 1111, 1966 S. 49 und 1967 S.478). Durchführungsverordnung vom 22. 12. 1964 (Amtsbl. Saar S. 1131). Satzung vom 11. 7. 1966 (Amtsbl. Saar S.573). Angemeldete Höilunkteilnehmei: 319 094. Höriunkwerbung: Werbefunk Saar GmbH, 6604 Brebach b. Saarbrücken, Funkhaus Halberg. SENDER FREIES BERLIN (SFB), 1 Berlin 19 (Charlottenburg), Masurenallee 8-14 Anstaltsbereidi: Land Berlin. Gesetzliche Grundlage: Gesetz vom 12. 11. 1953 (mit Satzung) in der Fassung der Änderungsgesetze vom 22. 12. 1956 und vom 23. 10. 1964 (Berl GVB1 1953 S. 1400, 1957 S. 1 und 1964 S. 1152) sowie des Art. 14 des Haushaltsreditsanpassungsgesetzes vom 1.8.1966 (Berl GVB1 S. 1162). Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes vom 23. 5. 1967 (mit Satzung): Berl GVB1 S. 782. Angemeldete Höilunkteilnehmer: 929 146. Höriunkwerbung: Berliner Werbefunk GmbH, 1 Berlin 19, Masurenallee 8-14. SUDDEUTSCHER RUNDFUNK (SDR), 7 Stuttgart-O, Neckarstraße 145 Anstaltsbereich: Vom Lande Baden-Württemberg das Gebiet des ehemaligen Bundeslandes Württemberg-Baden. Gesetzliche Grundlage: Gesetz Nr. 1096 — Rundfunkgesetz — vom 21. 11. 1950 (mit Satzung) in der Fassung des Änderungsgesetzes Nr. 1113 vom 2. 8. 1951 (Württ.-Bad. RegBl. 1951 S. 1 und S. 63). Angemeldete Hörfunkteilnehmer: 1 728 149. Höriunkwerbung: Rundfunkwerbung GmbH, 7 Stuttgart-O, Neckarstraße 145. SÜDWESTFUNK (SWF), 757 Baden-Baden, Hans-Bredow-Straße 16 Anstaltsbereich: Land Rheinland-Pfalz und vom Lande Baden-Württemberg die Gebiete der ehemaligen Bundesländer Baden und Württemberg-Hohenzollern. Gesetzliche Grundlage: Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern vom 27. 8. 1951 in der Fassung der Staatsverträge vom 29. 2. 1952 und vom 16. 3. 1959 (z. B. Rh.-Pf. GVB1 1952 S. 71 und 1959 S. 109). Satzung vom 20. 6. 1952 in der Fassung der Beschlüsse vom 16. 10. 1959, vom 17. 3./15. 7. 1961, vom 10./11. 5. 1963 und vom 22. 5. 1964 (z. B. Bundesanzeiger 1952 Nr. 138 S. 15, 1960 Nr. 43 S. 6, 1961 Nr. 183 S. 11, 1964 Nr. 102 S. 10) sowie vom 5./6. 7. 1968. Angemeldete Hörlunkteilnehmer: 2 025 622. Höriunkwerbung: Deutsche Funkwerbung, Gesellschaft Handwerk & Kröger, 775 Konstanz/ Bodensee, Zollernstraße 10 (Gesellschaft nicht anstaltseigen). WESTDEUTSCHER RUNDFUNK KÖLN (WDR), 5 Köln, Wallrafplatz 5 Anstaltsbereich: Land Nordrhein-Westfalen. Gesetzliche Grundlage: Gesetz vom 25. 5. 1954 (GV. NW. S. 151). Verordnung vom 2. 2. 1956 in der Fassung der Verordnung vom 17.4.1962 (GV. NW. 1956 S.99 und 1962 S.210). Satzung vom 27. 1. 1956 in der Fassung des Beschlusses vom 13.9. 1966 (GV. NW. 1956 S. 107 und 1966 S. 473). Angemeldete Hörtunkteilnehmer: 5 144 879. b) 2 öffentlich-rechtliche

Bundesrundfunkanstalten

veranstalten besondere Hör-

funkprogramme (Ausstrahlung durch die Bundespost): DEUTSCHE WELLE (DW), 5 Köln, Brüderstraße 1 zur „Veranstaltung von Rundfunksendungen für das Ausland"

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Gesetzliche Grundlage: Bundesgesetz vom 29. 11. 1960 (BGBl I 1960 S. 862). Satzung vom 22. 2. 1962 in der Fassung der Beschlüsse vom 28. 8./9. 10. 1964.19* Werbesendungen im Ausland: PRO-FUNK GmbH, 5 Köln, Brüderstraße 1 (s. u. S. 298).

DEUTSCHLANDFUNK (DLF), 5 Köln-Marienburg, Lindenallee 7 zur „Veranstaltung von Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland" Gesetzliche Grundlage: Bundesgesetz vom 29. 11. 1960 (BGBl I 1960 S. 862). Satzung vom 1. 9. 1961 (Bundesanzeiger 1961 Nr. 174 S. 11).

c) Die genannten elf Rundfunkanstalten, die gemeinsam die ARD bilden (s. u. S. 298), sind in Einzelheiten unterschiedlich aufgebaut; dennoch läßt sich eine einheitliche Grundstruktur feststellen, so daß man in bezug auf die Rundfunkorganisation in der Bundesrepublik Deutschland mit gutem Grund von einem „allgemeinen westdeutschen Rundiunkrecht" sprechen kann. 20 Die neun Landesrundfunkanstalten zur Versorgung aller Teile der Bundesrepublik Deutschland mit Hörfunk und Fernsehen sind durch Gesetz oder Staatsvertrag der Bundesländer, die beiden Bundesrundfunkanstalten DLF und DW zur Veranstaltung von Hörfunksendungen insbesondere für Gebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind durch Bundesgesetz21 gegründet worden. Die Organisation des innerdeutschen Rundfunks durch die Länder entspricht der durch das Grundgesetz gegebenen Kompetenzverteilung, nach der der Bund für die Veranstaltung von Rundfunksendungen für das Bundesgebiet keine Kompetenz hat: „Die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunksendungen steht (also) den Ländern zu" (BVerfGE 12, 249; Näheres zum Fernsehurteil s. u. S. 431). Die durch Gesetze (Staatsverträge) gegründeten Rundfunkanstalten sind nicht staatliche oder „halbstaatliche" Anstalten, sondern gemäß Art. 5 GG von ihrem „Muttergemeinwesen" gelöste und in ihrem Betrieb vom Staat unabhängige Rundfunkträger: Die Rundfunkanstalten sind rechtsfähig, mit Selbstverwaltungsrecht, (meist) Satzungsrecht sowie mit haushaltrechtlicher Selbständigkeit ausgestattet. Die Regierungen können den Rundfunkanstalten verbindliche Weisungen nicht geben und nicht durch Maßnahmen einer Fachaufsicht in den Rundfunkbetrieb eingreifen. Die Rundfunkanstalten sind in ihren Ermessensentscheidungen selbständig auch gegenüber Regierung und Parlament. Die Rundfunkanstalten unterliegen jedoch der Rechtsauf sieht der Regierung; das der Rundfunkanstalt zustehende Grundrecht des Art. 5 GG darf dadurch nicht angetastet werden (vgl. z. B. Text der Satzung in HERRMANN, Rundfunkgesetze, S. 216. RIDDER, a.a.O., S. 40; MALLMANN, in: Fernsehstreit I, S. 269; ders., JZ 1963, S. 350; IPSEN, N J W 1963, S. 2049; BVerfGE 7, 104. Rundfunkredit wissenschaftl. vertreten durch das Institut für Rundfunkredit a. d. Universität Köln. 21 Im Schrifttum sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Bundesgesetz geäußert worden, insbesondere dagegen, daß der DLF Sendungen für das Bundesgebiet aus1,3 20

s t r a h l e n l ä ß t ; MALLMANN, J Z 1 9 6 3 , S. 3 5 0 ; KRAUSE-ABLASS, J Z 1 9 6 2 , S . 1 5 8 u n d I H B

S. C 6 und 8. Zu diesem Thema vgl. auch LERCHE, a.a.O., S. 18 und passim.

1967/68

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

295

§ 24 Abs. 3 WDR-Gesetz). Die Jahresredinungen der meisten Rundfunkanstalten werden durch die staatlichen Rechnungshöfe geprüft. Aufgrund dieser Sicherung ihres Bestandes durch Gesetze und aufgrund ihrer Unabhängigkeit von Staat und einzelnen Interessengruppen sollen die Rundfunkanstalten ausschließlich am öffentlichen Interesse orientierte Rundfunkträger sein. Daß die in der Bundesrepublik für den Rundfunk gefundene Organisationsform den Geboten des Art. 5 GG gerecht wird, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (BVerfGE 12, 261). d) Die Leitung der Anstalten liegt in der Hand besonderer Organe, zwischen denen meist Inkompatibilität besteht: Rundiunkrat, Verwaltungsrat und Intendant.21 aa) Der Rundlunkrat, zahlenmäßig stärkstes Aufsichtsgremium jeder Anstalt, vertritt die Allgemeinheit auf dem Gebiete des Rundfunks. Er wählt bei den meisten Anstalten den Intendanten und die Mehrheit oder alle Mitglieder des Verwaltungsrates. Er berät den Intendanten besonders in den Fragen der Programmgestaltung und sorgt für die Einhaltung der gesetzlichen Programmgrundsätze; er besitzt meist das Budgetrecht. Die Mitglieder der Rundfunkräte werden entweder ganz oder teilweise von den Volksvertretungen der Länder (oder des Bundes) oder von Verbänden/Institutionen des öffentlichen Lebens sntsandt oder gewählt (Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Autorenverbände, Hochschulen, Kirchen, Kommunalverbände, Kulturinstitute, Parteien, Presse, Regierung u. a.). bb) Der Verwaltungsrat, ein Gremium von sieben bis neun Personen, wird ganz oder teilweise vom Rundfunkrat gewählt; er kann aber auch „geborene" Mitglieder haben (beim BR z. B. sind der Präsident des Bayerischen Landtags [als Vorsitzender], der Präsident des Bayerischen Senats [als stellvertretender Vorsitzender] und der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes stets Mitglieder des Verwaltungsrats). Der Verwaltungsrat unterstützt und überwacht — teilweise mit Weisungsrecht — den Intendanten (den er bei einigen Anstalten auch [mit] wählt), besonders in bezug auf die Geschäftsführung, bei einzelnen Anstalten auch in bezug auf die Programmgestaltung. cc) Der Intendant leitet die Anstalt im Rahmen der Beschlüsse von Rundfunkund Verwaltungsrat und vertritt sie (teilweise unter Mitzeichnung eines leitenden Angestellten) gerichtlich und außergerichtlich. Er wird vom Rundfunkrat oder vom Verwaltungsrat oder von beiden gemeinsam auf eine bestimmte Zeit gewählt. 22 S. o. Anm. 19. — Besonderheiten gegenüber der im Text skizzierten Regel: Bei NDR und WDR werden zur Vertretung der Institutionen des öffentlichen Lebens bei der Programmberatung Programmbeiräte als besondere Anstaltsorgane gebildet. Beim SFB ist der Verwaltungsrat kein selbständiges Organ der Anstalt, sondern ein ständiger Ausschuß des Rundfunkrates.

296

HANS BRACK

e) Aufgabe der Rundfunkanstalten ist die Veranstaltung von Rundfunksendungen23 für die Allgemeinheit, bei den Landesrundfunkanstalten einschließlich der Sendetechnik für den Hörfunk (und für Fernsehen I).24 Die Rundfunkanstalten veranstalten Programme (mit Eigen- oder Fremdproduktionen) zur Unterrichtung, Bildung und Unterhaltung. 25 Außerdem stellen sie in besonderen Fällen Institutionen des öffentlichen Lebens Sendezeiten zur Verfügung; den Inhalt dieser Sendungen bestimmen diese Institutionen unter eigener Verantwortung (insbesondere amtliche Verlautbarungen der Regierungen und Wahlsendungen der Parteien). Wie das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen erklärt hat, erfüllen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine „öffentliche Aufgabe" (BVerfGE 12, 206) und sind zu hoheitlichen Akten ermächtigt (s. z. B. BVerfGE 7, 99; 14, 121 ; s. auch BFHE 89, S. 164 = BStBl. 1967, S. 582). Für die Gestaltung der Programme ist das Prinzip der Objektivität und der Unparteilichkeit verbindliches Gebot. Die Unparteilichkeit des Rundfunkbetriebes wird dabei besonders durch die Integration verschiedener bedeutsamer politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlicher Gruppen in den Rundfunkräten und Verwaltungsräten der Anstalten, die Objektivität der Berichterstattung gleichzeitig durch qualifizierte Mitarbeiter erreicht. Für die entsprechenden gesetzlich fundierten Richtlinien sei hier ein Auszug aus dem Rundfunkgesetz für den WDR wiedergegeben (§4): „ . . . Die Nachriditengebung muß allgemein, unabhängig und objektiv sein. Der Westdeutsche Rundfunk . . . darf nicht einseitig einer politischen Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen." Zum Funktionsbereich der Rundfunkanstalten kann auch die Veranstaltung von Werbefunksendungen (und Werbefernsehsendungen) gehören, die — mit einer Unterbrechung während der NS-Zeit — seit Beginn eines deutschen Rundfunkbetriebes üblich sind und zur Zeit von allen Landesrundfunkanstalten (beim Werbehörfunk mit Ausnahme von NDR und WDR) ausgestrahlt werden. 2 ' 23 Die 9 ARD-Landesrundfunkanstalten betreiben auch Fernsehen; dazu s. u. Fernsehen S. 433 ff. 24 Die gesamte Leitungstechnik und die Sendertechnik für DW, DLF sowie für das Fernsehen („Zweites" und „Drittes Programm" im Band TV/V) werden von der Bundespost betrieben, die dafür von den Rundfunkanstalten bestimmte Entgelte erhält. Dazu s. sogleich zu 3. und u. Fernsehen S. 437. 2 5 Die ARD-Landesrundfunkanstalten veranstalten zumeist'je ein Erstes Hörfunkprogramm über Mittelwelle, Ultrakurzwelle (UKW) und z. T. über Kurzwelle, ein Zweites und Drittes Programm (auch Gastarbeitersendungen u. stereophonische Sendungen) nur über UKW; Näheres hierzu s. u. Abschnitt „Programm". — Die ARD-Landesrundfunkanstalten stellen ihre Programme im Wege des Programmaustausches einander und den beiden Bundesrundfunkanstalten DW und DLF zur Verfügung (zur Überlassung der Programme an DW und DLF s. auch § 15 des Bundesgesetzes vom 29. 11. 1960). 2 6 Zur Zulässigkeit von Werbesendungen der Rundfunkanstalten s. u. S. 434 Anm. 9. — Zu Werbehörfunk und Werbefernsehen allgemein vgl. „La publicité à la radio et à la télévision" (Hrsg. UER, Genf 1966).

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

3. W i r t s c h a f t l i c h e

297

Grundlagen

Die 9 Landesrundfunkanstalten finanzieren ihren Betrieb und ihre Investitionen im wesentlichen durch Einnahmen aus Rundfunkgebühren und durch Werbeeinnahmen (letzteres beim Hörfunk mit Ausnahme von NDR und WDR), die beiden Bundesrundfunkanstalten im wesentlichen aus dem Bundeshaushalt. a) Hörfunkgebühren: Jeder Rundfunkteilnehmer hat an die örtlich zuständige Landesrundfunkanstalt eine Hörfunkgebühr in Höhe von monatlich 2,— DM zu zahlen (seit 1924 unveränderter Satz).27 Mit dem Einzug der Rundfunkgebühren ist die Deutsche Bundespost betraut. Nach Abzug eines Pauschalentgelts in Höhe von zumeist 20 °/o der Hörfunkgebühren (insbesondere für das Gebühreninkasso, für den Entstörungsdienst und für die Schwarzhörer-/-femseherermittlung) führt die Bundespost die Gebühreneinnahmen an die für den Wohnort des Rundfunkteilnehmers zuständige Landesrundfunkanstalt ab. Die Einnahmen aus Rundfunkgebühren sind von Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit (Hoheits- bzw. Gemeinnützigkeitsbetrieb).273 Die neun ARD-Landesrundfunkanstalten haben aus den Hörfunkgebühren im Jahre 1968 (Brutto-Aufkommen etwa 438 Mio DM) Netto-Einnahmen in Höhe von schätzungsweise 351 Mio DM (zu den Einnahmen aus den Fernsehgebühren vgl. unten Fernsehen S. 437). Die Rechtsnatur der Rundfunkgebühr war lange Zeit sehr umstritten: W ä h r e n d einerseits die Auffassung vertreten wurde, die Rundfunkgebühr sei eine Genehmigungsgebühr für die Errichtung und den Betrieb von Fernmeldeanlagen nach dem Fernmeldeanlagengesetz vom 14.1. 1928, Höhe und Verteilung der Rundfunkgebühren zu bestimmen sei eine Angelegenheit des Bundes, gingen die Länder in ihren Landesrundfunkgesetzen davon aus, daß die Rundfunkgebühr landesreditlidi als Anstaltsnutzungsgebühr mit Beitragscharakter zu regeln ist. Die Auffassung der Länder verdient bei der derzeitigen Rechtslage den Vorzug: Die Rundfunkgebühren dienen der Finanzierung landesrechtlich organisierter Rundfunkanstalten. Da zur Organisation einer öffentlich-rechtlichen Anstalt auch die Regelung ihrer Finanzierung gehört, kann nicht die Kompetenz f ü r die formale Organisation der Landesrundfunkanstalt bei den Ländern (s. BVerfGE 12, 205), die Kompetenz für ihre Finanzierung durch Rundfunkgebühren jedoch beim Bund liegen. Eine Bundesgenehmigungsgebühr würde auch Art. 5 GG verletzen, weil der Zugang des einzelnen Bürgers zur Informationsquelle Rundfunk nicht durch eine Bundeskonzessionsgebühr behindert werden darf. 28

b) Werbung: Die Landesrundfunkanstalten stellen beschränkte Sendezeiten für die Vermittlung von Wirtschaftswerbung zur Verfügung (im Hörfunk mit Aus27 S. auch oben Anm. 11. — Für Zweitgeräte beim Hörfunk wird keine besondere Gebühr erhoben (dies gilt seit dem 1. 1. 1960 auch für Koffer- und Autoradios, die Zweitgeräte sind; z. B. Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BR-Gesetz; § 1 Abs. 1 Satz 2 V O zum WDR-Gesetz). — Zur Fernsehgebühr von zusätzlich monatlich 5,— DM s. u. Fernsehen S. 437. Gebührenerhöhung wird angestrebt. 27a Zu der seitherigen Umsatzsteuerfreiheit vgl. das Urteil des BFH vom 6.7.1967 (BFHE 89, 164). Zu der am 1. 1. 1968 in Kraft getretenen Umsatzbesteuerung der Rundfunkgebühren (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Mehrwertsteuergesetz vom 29. 5. 1967; BGBl I S. 545) vgl. H. SCHNEIDER, a.a.O. (Rundfunkanstalten und Mehrwertsteuer), pass. 28 Zum Streitstand vgl. z.B. IPSEN, a.a.O.; ZEIDLER, a.a.O.; PETERS, Zuständigkeit, S. 38ff.;

KRAUSE-ABLASS, D O V 1 9 6 2 , S . 2 3 8 ; MALLMANN, J Z 1 9 6 3 , S . 3 5 0 , A n m . 2 ; HERRMANN, A Ö R 9 0 ,

S. 3 2 4 ff. u. UFITA 5 0 . Bd. ( 1 9 6 7 ) S. 1 4 7 ; BVerwGE 2 2 , S. 3 0 4 f.; im Sinne der hier vertret. Auffassung nunmehr ausführlich BVerwG in Urteilen vom 15. 3 . 1 9 6 8 , Urteilsbericht v. HERRMANN in Film u. Recht Nr. 6 , 1 9 6 8 .

HANS BRACK

298

nähme von NDR und WDR; Werbefernsehen betreiben alle Landesrundfunkanstalten [s. u. Fernsehen S. 435]). Die Werbeaussagen („Werbespots") werden in Unterhaltungsmusik oder andere Rahmenprogramme eingebettet und als Werbesendungen erkennbar zu bestimmten Zeiten ausgestrahlt. Die Abwicklung des Werbemittlungsgesdiäfts obliegt privatrechtlich organisierten Gesellschaften, deren Geschäftsanteile unmittelbar oder über Treuhänder in der Hand der betreffenden Landesrundfunkanstalt liegen (Ausnahme für das Sendegebiet des SWF). Die Einnahmen aus den Werbefunksendungen decken zunächst die Unkosten der Werbefunkgesellsdiaften; verbleibende Überschüsse werden — nach Versteuerung gemäß den allgemeinen steuerlichen Vorschriften — an die Landesrundfunkanstalten abgeführt (Deckung der Anstaltskosten, teilweise Ausschüttung für allgemeine kulturelle Zwecke). Die Werbefunkgesellsdiaften der 7 Werbehörfunk ausstrahlenden ARD-Landesrundfunkanstalten haben im Jahre 1968 einen BruttoUmsatz in Höhe von schätzungsweise 85 Mio DM: den betreffenden 7 Anstalten fließt daraus ein Netto-Gewinn in Höhe von schätzungsweise 16 Mio DM zu (Landesrundfunkanstalten erhalten noch Kostenerstattungen der Werbegesellschaften). c) Neben den beiden obengenannten Einnahmen aus Rundfunkgebühren und aus Werbung kennen die Landesrundfunkanstalten wie andere Unternehmen „sonstige Einnahmen". Dabei tritt zu den allgemeinen sonstigen Einnahmen (Zinsen, Erträge aus Beteiligungen usw.) bei den Rundfunkanstalten mit einem verhältnismäßig kleinen Anstalts- und Gebühreneinzugsgebiet eine besondere „sonstige Einnahme": der Zuschuß aus dem Finanzausgleich der ARD (s. u. zu 4.b). d) Die beiden Bundesrundfunkanstalten DW und DLF, deren Gründungsgesetz vom 29. 11. 1960 keine Bestimmungen über die Finanzierung dieser Anstalten enthält, werden mit Mitteln des Bundeshaushalts finanziert; dies stimmt mit der für die Finanzierung von politischen Auslandssendungen bestehenden internationalen Praxis überein (s. z. B. W. R U D O L F , R U F 1954, S. 47 ff, [53]; K R A U S E - A B L A S S , in: IHB 1967/68 S. C 11). Die Landesrundfunkanstalten der ARD zahlen jedoch an den DLF z. Z. einen jährlichen Beitrag in Höhe von 25 Mio DM (vgl. Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen vom 9. 2./12. 5. 1967; Text s. RuF 1967 S. 168). Die DW hat Ende 1966 die PRO-FUNK GmbH gegründet. Zu den Aufgaben dieser Tochtergesellschaft gehört u. a. die Vermittlung von Werbesendungen für Radio Rwanda. 4. G e m e i n s c h a f t s a u f g a b e n 2 " Die Rundfunkanstalten erfüllen die Gemeinschaftsaufgaben des deutschen Rundfunks vor allem im Rahmen ihrer 1950 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland' (ARD). 29

Näheres hierzu s.

5. 3 3 ff. =

MAGNUS, a . a . O . , S . 1 0 8 ff.; BRACK, R U F BRACK-HERRMANN-HILLIG, a . a . O . , S . 11 f f . u n d 3 9 f f .

1960,

S. 152

ff. und

1962,

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

299

Grundlage: Satzung i. d. F. d. Beschlusses v. 7. 6. 1962.»°

Mitglieder der ARD, die ein öffentlich-rechtlicher Zusammenschluß ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist, sind die obengenannten elf Rundfunkanstalten. Die Mitgliederversammlungen der ARD finden statt als „Hauptversammlungen", an denen auch die Vorsitzenden der Aufsichtsgremien der einzelnen Rundfunkanstalten teilnehmen, oder als „Arbeitssitzungen" (ohne die Vorsitzenden). Beschlüsse können nach Maßgabe der Satzung mit einfacher oder mit qualifizierter Mehrheit, in anderen Fällen nur einstimmig gefaßt werden. Jede Anstalt hat eine Stimme. Der Vorbereitung von Beschlüssen der Mitgliederversammlungen und dem sachlichen Gedankenaustausch dienen u. a. die regelmäßigen Sitzungen der Intendanten, der Programmdirektoren (Programmkommission), der Technischen Direktoren (Technische Kommission), der Verwaltungsdirektoren (Finanzkommission) und der Justitiare (Juristische Kommission). Teilnahme des RIAS S. 302 Anxn. 31*. Die Geschäftsiührung und die Vertretung der ARD obliegen der „geschäftsführenden Anstalt", die von der Mitgliederversammlung jeweils für ein Jahr gewählt wird (einmalige Wiederwahl ist ständige Übung). Vorsitzender der ARD ist der Intendant der geschäftsführenden Anstalt. Auf längere Dauer bestimmt die Mitgliederversammlung der ARD daneben für bestimmt umrissene Aufgaben (z. B. Urheberrecht, Kostenvergleich, Funkausstellungen) „federführende Mitglieder', die dann insoweit auch zur Vertretung der ARD nach außen ermächtigt werden können. Daneben gibt es Sachverständigen- und Verhandlungskommissionen. Allgemeine Aufgaben der ARD sind insbesondere die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Rundfunkanstalten und die Bearbeitung gemeinsamer Fragen des Programms sowie gemeinsamer Fragen rechtlicher, technischer und betriebswirtschaftlicher Art (§ 2 Abs. 1 ARD-Satzung). Hierzu gehören z. B. das gemeinsame Auftreten gegenüber dem Bund, der Programmaustausch, Beratung bei Verhandlungen mit Autoren, Verlegern, Künstlern und deren Verbänden, mit der Schallplattenindustrie, den Nachrichtenagenturen, Stellungnahmen zu den den Rundfunk betreffenden Gesetzentwürfen, Prüfung der Wellenfrage, Ausbau der Sendernetze. Um das Aufgabengebiet der ARD und damit deren Zuständigkeit den sich wechselnden Verhältnissen anpassen zu können, haben die Rundfunkanstalten vorgesehen, der ARD durch die Mitgliederversammlung weitere Aufgaben zuzuweisen (§ 2 Abs. 3 ARD-Satzung). Aufgrund entsprechender Beschlüsse nehmen sich die Rundfunkanstalten im Rahmen der ARD besonders folgender Angelegenheiten an: Deutsches Fernsehen (ARD-Gemeinschaftsprogramm der neun ARD-Landesrundfunkanstalten), Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten, Institut für Rundfunktechnik, Schule für Rundfunktechnik, Deutsches Rundfunkarchiv, gemeinsame Vertretung in internat. Organisationen (früher auch Kurz- und Langwellensendungen). 80 Abdruck der Satzung: Rundfunkgesetze, S. 229.

BRACK-HERRMANN-HILLIG,

a.a.O., S. 127;

DELP,

a.a.O.,

HERRMANN,

300

HANS

a) Deutsches

BRACK

Feinsehen

Zur Veranstaltung eines Gemeinschaftsprogramms „Deutsches Fernsehen" (Erstes Programm) haben die ARD-Landesrundfunkanstalten Vereinbarungen getroffen, die unten im Abschnitt Fernsehen (S. 438) dargestellt werden.

b)

Finanzausgleich31

Die Rundfunkanstalten haben je nach Größe und Rundfunkteilnehmerdichte ihres Anstaltsbereiches unterschiedliche Einnahmen. Bei den Überlegungen zur Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben war man sich einig, die finanziellen Beiträge der einzelnen Anstalten hierzu nicht „nach Köpfen", sondern im Verhältnis der Teilnehmerzahlen, später ausdrücklich „nach Maßgabe ihrer Finanzkraft" festzusetzen (§ 6 ARD-Satzung). Diese Regelung abgestufter Beiträge zur Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben reichte jedoch nicht aus, um den Rundfunkanstalten mit kleineren Gebühreneinzugsgebieten die notwendigen Mittel zu sichern. So wurde ein Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten vereinbart, der — neben der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben — den kleineren (und früher vorübergehend auch den mittleren) Anstalten Zuschußzahlungen der größeren Anstalten verschafft.

Der Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten, der neben dem wirtschaftlichen Lastenausgleich steht, der u. a. in dem der Größe der Anstalten angepaßten Umfang ihrer Beiträge zum Fernsehgemeinschaftsprogramm liegt (s. u. Fernsehen S. 438), wurde im Laufe der Jahre den sich ändernden Verhältnissen angepaßt und später durch Staatsvertrag aller Bundesländer vom 17. 4.1959 (Änderung des Staatsvertrages am 8. 11. 1961) rechtlich untermauert; vgl. z.B. GV. NW. 1959 S. 116 und 1962 S. 220. Die Finanzausgleichsmasse soll 6,25 °/o der Einnahmen aus den Rundfunkgebühren (Hörfunk und Fernsehen), die den ARD-Landesrundfunkanstalten insgesamt tatsächlich zufließen, nicht übersteigen. Die Finanzausgleichsmittel (im Jahre 1968 etwa 34 Mio DM) werden zu 60 °/o vom WDR, zu 21 °/o vom NDR, zu 11 °/ovom BR, zu 4 °/o vom SWF und zu je 2 °/o von SDR und HR aufgebracht. Der Finanzausgleich wird durch ein Finanzausgleichsgremium (FAG) der ARD-Landesrundfunkanstalten abgewickelt. Das FAG legt in gewissem finanziellen Rahmen durch Mehrheitsbeschluß die Aufgaben fest, die nach § 1 des genannten Länderabkommens durch den Finanzausgleich finanziert werden sollen, und bestimmt die Höhe der auf die einzelnen Aufgaben entfallenden Zuwendungen. Feste Zuschüsse erhalten SFB (jährlich 10 Mio DM) sowie SR und RB (jährlich je 5 Mio DM); § 3 Abs. 2 des genannten Länderabkommens. Eine Aufhebung dieser Begrenzung und eine Änderung des Aufbringungsschlüssels werden angestrebt. c) Institut für

Rundfunktechnik

1956 wurde das „Institut für Rundfunktechnik GmbH" (IRT) gegründet. An ihm sind alle ARD-Anstalten sowie — seit 3. 11. 1964 — das ZDF beteiligt (Anschriften: 8 Mündien-Freimann, Floriansmühlstraße 60; 2 Hamburg 13, Mittelweg 113). 51

Näheres hierzu s. B R A C K , RuF 1960, S. 158 ff. und RuF 1962, S. 40 = a.a.O., S. 20 ff. und 50 ff.

HILLIG,

BRACK-HERRMANN-

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

301

Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von wissenschaftlichen Arbeiten zum Zwecke der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiete der Hörfunk- und Fernsehtechnik. Die Tätigkeit der Gesellschaft ist ausschließlich gemeinnütziger Art. Finanziert wird das Institut mit Mitteln des ARD-Finanzausgleichs; das ZDF zahlt einen Zuschuß. d) Schule für

Rundfunktechnik

Die Rundfunkanstalten der ARD haben mit Wirkung vom 1. 1. 1964 die „Schule für Rundfunktechnik — rechtsfähige Stiftung des bürgellichen Rechts" gegründet (Anschrift: 85 Nürnberg, Wallensteinstraße 121). Das ZDF ist mit Wirkung vom 1. 1. 1966 als Zustifter beigetreten. Die Stiftung verfolgt den Zweck, Bewerber und Bewerberinnen für den technischen Betrieb der Rundfunkanstalten theoretisch und praktisch auszubilden sowie Fortbildungs- und Wiederholungskurse für Betriebsangehörige der Rundfunkanstalten durchzuführen. Die „Schule für Rundfunktechnik" wird durch ein Stiftungskapital und durch jährliche Zuschüsse der Rundfunkanstalten finanziert. e) Deutsches

Rundfunkarchiv

Die Rundfunkanstalten der ARD haben es übernommen, alle Bild- und Tonträger in Katalogen zu erfassen oder zu sammeln, deren „geschichtlicher, künstlerischer oder wissenschaftlicher Wert ihre Aufbewahrung und Nutzbarmachung für Zwecke der Kunst, Wissenschaft, Forschung, Erziehung und des Unterrichts rechtfertigt". Zu diesem Zweck gründeten sie das „Lautarchiv des deutschen Rundfunks" in Frankfurt/Main, das seit dem 13. 12. 1962 „Deutsches Rundfunkarchiv" heißt (Anschrift: 6 Frankfurt/Main, Bertramstraße 8). Die Anstalten wählten die Form der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts, um das Archiv durch Verselbständigung des Stiftungsvermögens vom Mitgliedsbestand unabhängig zu machen (Stiftungsurkunde vom 2. 12. 1952). Das „Deutsche Rundfunkarchiv" wird aus Mitteln des ARD-Finanzausgleichs finanziert. In diesem Zusammenhang ist die „Historische Kommission des deutschen Rundfunks" zu erwähnen, die sich mit der Geschichte des Rundfunks befaßt. Die Geschäftsstelle der „Historischen Kommission" ist dem „Deutschen Rundfunkarchiv" angegliedert. f) Vertretung g) Kurz- und

in internationalen

Rundfunkorganisationen:

vergl. S. 303 ff.

Langwellensendungen

Bis zur Aufnahme eines Kurzwellenbetriebes durdi die Bundesrundfunkanstalt „Deutsche Welle" und eines Langwellenbetriebes durch die Bundesrundfunkanstalt „Deutschlandfunk" (1. 1. 1962) haben die Landesrundfunkanstalten beide Rundfunkdienste als Gemeinschaftsaufgabe im Rahmen der ARD durchgeführt (Näheres hierzu s. BRACK, RuF 1960, S. 163 ff.).

302

H A N S BRACK

5. A u s l ä n d i s c h e H ö r f u n k s e n d e r a u f B u n d e s g e b i e t Außer den genannten elf deutschen Rundfunkanstalten betreiben einige ausländische Organisationen Hörfunksender im Bundesgebiet. In erster Linie handelt es sich dabei um Militärsender zur Rundfunkversorgung ausländischer Streitkräfte, die im Bundesgebiet stationiert sind: American Forces Network, Europe (AFN), British Forces Broadcasting Service (BFBS), Radio Forces Françaises de Berlin (FFB), Canadiern Forces Network (CFN) und Radio Canadian Army Europe (CAE). Die Zulassung dieser Sender war in den sog. Bonner Verträgen geregelt (BGBl 1955 II S. 301, 342, 378), ab 1.7.63 Zusatz zum Natostatut: BGBl 1961 II S. 1183, 1963 II S. 745. Als ausländische Stationen auf Bundesgebiet sind außerdem der „Rundfunk im amerikanischen Sektor Berlins' (RIAS)'13 und die „ Voice oi America Radiostation in Germany" (VOA) zu erwähnen, die organisatorisch zur U.S.-Information-Agency, dem staatlichen Informationsamt der USA in Washington, gehören (vgl. Abkommen zwischen der BRD und den USA vom 11. 6. 1952; BGBl 1953 II S. 515 ff; Bekanntmachung des Inkrafttretens: BGBl 1955 II S. 764). Außerdem wird ein Programm der British Broadcasting Corporation (BBC) über einen in Berlin stationierten Mittelwellensender ausgestrahlt. Eine andere Gruppe ausländischer Sender bilden die Stationen, die von Privaten betrieben werden. Zu nennen sind hier einmal die kommerzielle Station „Europa Nr. 1" (Europe No 1), die in Saarbrücken von der „Europäischen Rundfunk- und Fernseh-AG" (ERF) betrieben wird und in französischer Sprache Tonrundfunksendungen auf Langwelle ausstrahlt (vgl. hierzu §§ 38 ff. Gesetz über Rundfunksendungen im Saarland vom 2.12. 1964/7. 6.1967, nach denen Gesellschaften privaten Rechts, die Rundfunksendungen veranstalten wollen, einer Konzession der Landesregierung bedürfen und dafür eine Konzessionsabgabe entrichten), zum anderen die Rundfunkunternehmen „Radio Free Europe" (RFE) und „Radio Liberty", die, von Privaten organisiert und finanziert, politische Aufgaben, besonders in Richtung auf Osteuropa, erfüllen sollen (Näheres hierzu s. Internationales Handbuch [1967/68, S. C 117]; fff-press, Archivdienst, 1966, S. 139 ff. und S. 151 ff.).

C. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks Im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik 1. Alle Einrichtungen des Deutschen Demokratischen Rundfunks, durch die mehrere Programme über Mittel-, Lang-, Ultrakurz- und Kurzwelle ausgestrahlt werden, werden vom „Staatlichen Rundfunkkomitee" geleitet 82 (Anschrift: BerlinOberschöneweide, Nalepastr. 18—50). Gesetzliche Grundlage: Verordnung über die Bildung des Staatlichen Rundfunkkomitees vom 14. 8. 1952 (GBl S. 733), Verordnung über das Staatliche Rundfunkkomitee vom 18. 10. 1956 (GBl I S. 1181).32a Angemeldete Hörfunkteilnehmer: 5 873 955 (31. 12. 1967). Das Staatliche Rundfunkkomitee ist eine juristische Person mit Sitz in Berlin. Es ist das für alle Angelegenheiten des Rundfunks (Hörfunk und Fernsehen) in der DDR zuständige zentrale Organ des Ministerrates. Das Staatliche Rundfunkkomitee besteht aus dem Vorsitzenden, dem ersten Stellvertreter und den weiteren sla

Hierzu s. BROWNE, D O N . R.: Rias Berlin, in: Journal of Broadcasting XX (1966) Nr. 2, S. 119 und BALFOUR, M I C H A E L : Four-Power Control in Germany and Austria 1945—1946. London — New York — Toronto 1956, S. 219. — Teilnahme des RIAS an ARD-Sitzungen s. § 1 ARD-Satzung. 32 Das „Staatliche Rundfunkkomitee" betreibt unter dem Namen „Deutscher Fernsehfunk" auch das Fernsehen; s. u. Fernsehen S. 440. 323 Texte in HERRMANN, Rundfunkgesetze, S. 240 ff.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

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Stellvertretern des Vorsitzenden. Die Mitglieder werden vom Ministerrat berufen und abberufen. Der Vorsitzende des Staatlichen Rundfunkkomitees ist für die gesamte politische, ökonomische und administrative Tätigkeit des Staatlichen Rundfunkkomitees gegenüber dem Ministerrat verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Ihm sind die zentrale Programmabteilung, die Kontrollstelle, die Kaderabteilung und die Abteilung Internationale Verbindungen unmittelbar unterstellt (§§ 1, 2, 4 und 6 Anlage zur VO v. 18.10. 1956). Aufgabe des Staatlichen Rundfunkkomitees ist die Leitung aller Einrichtungen des Deutschen Demokratischen Rundfunks und des Fernsehfunks (s. u. Fernsehen S. 440). Das Staatliche Rundfunkkomitee hat die Programmgestaltung den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnissen des Arbeiter-und-BauernStaates entsprechend zu lenken und zu fördern, Jahrespläne, Haushalts- und Finanzpläne aufzustellen und durchzuführen (§ 3 Anlage zur VO v. 18.10. 1956). Außerdem regelt das Staatliche Rundfunkkomitee Organisation und Arbeitsweise der Rundfunk- und der Fernsehakademie (§11 der VO über die Bildungseinrichtungen zur Erwachsenenqualifizierung v. 27. 9. 1962, GBl II S. 687). Im Sendegebiet des Deutschen Demokratischen Rundfunks, in dem auch Werbesendungen ausgestrahlt werden, wird für den Hörfunk von jedem Rundfunkteilnehmer eine Gebühr in Höhe von 2,— M (DM-Ost) erhoben (§ 10 Rundfunkordnung vom 3. 4. 1959 i. d. F. der Anordnung v. 22. 6. 1962, GBl 1959 I S. 465 und 1962 II S. 387).Mb Die Rundfunkorganisation der DDR ist Mitglied der OIRT (dazu s. sogleich zu 3.c). 2. Als ausländische Rundfunkstation auf mitteldeutschem Gebiet ist „Radio Wolga' zu erwähnen, ein Militärsender der UdSSR, der insbesondere die in Mitteldeutschland stationierten sowjetischen Streitkräfte mit Rundfunksendungen versorgen soll. Außerdem werden aus Mitteldeutschland Sendungen abgestrahlt, die politische Aufgaben erfüllen sollen.

3. Internationale Rundfunkorganisationen a)

Allgemeines

Die Natur des Rundfunks als eines publizistischen Mittels, das „keine Ländergrenzen kennt", bedingt internationale Rücksichtnahme und internationale Übereinkünfte. So gibt es heute in der ganzen Welt — neben den besonderen internationalen Organisationen und Verträgen zur Regelung des Funkverkehrs 3 ® S2|

> Text in HERRMANN, Rundfunkgesetze, S. 252. Vgl. hierzu die Internationalen Fernmeldeverträge (Genf 1959: BGBl II 1962 S. 2173 ff.; II 1963 S. 790; Montreux 1965: s. o. S. 279 Anm. 1), die auch die Satzung der „Union internationale des télécommunications" (UIT) enthalten; s. auch JOEDEN, JIR, Band 6, S. 2 4 2 ff., GORENFLOS, JIR, Band 7 , S. 3 4 2 ff. und Band 8 , S. 1 2 7 ff., KRAUSE(-ABLASS), Der Internationale Fernmeldeverein, Frankfurt/Main und Berlin 1960, BRACK, Rundfunkrecht, internationales, in: Wörterbuch des Völkerrechts, 3 . Band, Berlin 1 9 6 2 , NAMUROIS, a.a.O., S. 9 ff., 2 6 . 33

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und zur Regelung des internationalen Urheberrechtsschutzes 34 — eine Anzahl internationaler Rundiunkorganisationen, die v o n Rundfunkunternehmen der einzelnen Staaten zur Lösung gemeinsamer Aufgaben gebildet worden sind. Es sind dies u. a. folgende Organisationen: Union Européenne de Radiodiffusion (UER) [s. u. zu b], Organisation Internationale de Radiodiffusion et Télévision (OIRT) [s. u. zu c], Union des Radiodiffusions et Télévisions Nationales d'Afrique (URTNA), Asian Broadcasting Union (ABU) [die ARD und das ZDF sind assoziierte Mitglieder], Association Interamericana de Radiodifusión (AIR), Association Sudamericana de Radiodifusión (USARD), British Commonwealth Broadcasting Conference, Communauté Radiophonique des Programmes de Langue Française, Association Catholique pour la Radiodiffusion et la Télévision (UNDA), World Association for Christian Broadcasting (WACB), Université Radiophonique et Télévisuelle Internationale (URI).35 A l s erste internationale Rundfunkorganisation war 1925 in Genf die Union Internationale de Radiophonie entstanden, in der sich fast alle europäischen Rundfunkgesellschaften zusammenschlössen (seit 1929: Union Internationale de Radiodiffusion [UIR])36. 1946 wurde in Brüssel die Organisation Internationale de Radiodiffusion (OIR) gegründet, der auch die UdSSR beitrat. Im Zusammenhang mit der allgemeinen politischen Nachkriegsentwicklung kam e s zu Spannungen und zur Spaltung: 1950 verlegte die OIR ihren Sitz nach Prag (seit 1959: Organisation Internationale de Radiodiffusion et de Télévision [OIRT]); ebenfalls im Jahre 1950 gründeten westeuropäische Rundfunkunternehmen die Union Européene de Radiodiffusion (UER) mit Sitz in Genf. 37 Die deutschen Rundfunkorganisationen sind an der UER (ARD seit 1. 5. 1952 [17./26. 9. 1951 bereits als Beobachter] und ZDF seit 20. 5. 1963) oder an der OIRT (Deutscher Demokratischer Rundfunk seit 11. 5. 1951; nunmehr: Staatliches Rundfunkkomitee der DDR) als aktive Mitglieder beteiligt. Deshalb soll hier die Organisation dieser beiden internationalen Rundfunkvereinigungen kurz dargestellt werden: 34 Vgl. Welturheberrechtsabkommen vom 6. 9. 1952 (BGBl 1955 II S. 101, 1965 I S. 1292¡ Bekanntmachung über das Inkrafttreten: BGBl 1955 II S. 892), die Berner Ubereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst vom 9. 9. 1886 in der Brüsseler Fassung vom 26. 6. 1948 (BGBl 1965 II S. 1213; Bekanntmachung über das Inkrafttreten: BGBl 1966 II S. 1565); vgl. jetzt die Stockholmer Fassung vom 14.7.1967 (UFITA, 50. Band [1967] S. 666), das Europäische Abkommen zum Schutze von Fernsehsendungen vom 22.6. 1960 (BGBl 1965 II S. 1234) mit Zusatzprotokoll vom 22. 1. 1965 (BGBl 1967 II S. 1785), seit 9. 10. 67 i. d. BRD in Kraft (BGBl 1968 II S. 134 f.), das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. 10. 1961 (BGBl 1965 II S. 1243; Bekanntmachung über das Inkrafttreten: BGBl 1966 II S. 1473) und das Europäische Abkommen über den Austausch von Programmen mit Fernsehfilmen vom 15. 12. 1958 (Text in: GRUR Ausl. 1959, S. 294); B A P P E R T - W A G N E R , Internationales Urheberrecht, 1956; BRACK, a.a.O. (s. o. Anm. 33); E. ULMER, Urheberund Verlagsrecht, 2. Aufl. 1960, S. 70 ff. 35 Näheres hierzu s. KRAUSE-ABLASS, JIR, Band 1 2 , S. 3 0 1 ff. sowie die Darstellungen in den Internationalen Handbüchern des Hans-Bredow-Institutes, Hamburg. Das 1967 mit Sitz in London gegründete „International Broadcast Institute" soll u. a. die internationale Zusammenarbeit in der Satellitentechnik fördern. 39 Satzung i. d. F. v. 5. 6. 1942 in: JIR, Band 12, S. 548 ff. 3 ' Zu dieser Entwicklung s. BRACK, R U F 1 9 6 2 , S . 2 4 0 ff.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES HÖRFUNKS

b) Union der Europäischen de Radiodiffusion)3* Grundlage:

Rundiunkorganisationen

(UER = Union

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Européenne

Satzung in der Fassung v o m 1. 7. 1966.3"

Die UER (oder: EBU = European Broadcasting Union) ist ein rechtsfähiger Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Genf. Ihre Satzung nennt drei Klassen von Mitgliedern: aktive Mitglieder (Rundfunkorganisationen oder Gruppen von Rundfunkorganisationen innerhalb der sog. europäischen Rundfunkzone j zugelassen sind höchstens zwei aktive Mitglieder je Staat), zusätzliche aktive Mitglieder (Rundfunkorganisationen oder Gruppen von Rundfunkorganisationen innerhalb der sog. europ. Rundfunkzone, die wegen der Begrenzung auf zwei aktive Mitglieder je Land nicht aktive Mitglieder werden können) und assoziierte Mitglieder (Rundfunkorganisationen oder Gruppen von Rundfunkorganisationen, zumeist außerhalb der sog. europäischen Rundfunkzone). Zur Zeit hat die UER 28 aktive Mitglieder (darunter die ARD und das ZDF) sowie 52 assoziierte Mitglieder (Liste der Mitglieder in den Ausgaben der Revue de l'U.E.R.). Nach Art. 2 der Satzung hat die UER u. a. die Autgabe, die Interessen der angeschlossenen Rundfunkorganisationen zu wahren und Verbindungen mit anderen Rundfunkorganisationen herzustellen, das Studium aller mit dem Rundfunk zusammenhängenden Fragen und die Weiterentwicklung des Rundfunks zu fördern sowie Meinungsverschiedenheiten auf dem Wege internationaler Zusammenarbeit zu lösen. Im besonderen erfüllt die UER zahlreiche Aufgaben auf den Gebieten des Programms (Programmaustausch im Hörfunk und im Fernsehen [zur „Eurovision" s. u. S. 440 ff.]), der Technik (u. a. Vorbereitung internationaler Wellenkonferenzen, Beratung der Mitglieder) und des Rundfunkrechts (Anregung zu Staatsverträgen und anderen internationalen Verträgen zur Förderung des internationalen Programmaustausches, Beratung der Mitglieder, z. B. auf dem Gebiete des internationalen und nationalen Urheber- und Leistungsschutzrechts, Vorbereitung von Maßnahmen gegen die sog. Piratensender 40 usw.). Oberstes Organ der UER ist die Generalversammlung, die aus der Gesamtheit der Mitglieder besteht; stimmberechtigt sind nur die aktiven Mitglieder. Die Beschlüsse der Generalversammlung werden in der Praxis in die Form von Empfehlungen gekleidet und von den Mitgliedern freiwillig durchgeführt, soweit es ihnen möglich ist. Die Generalversammlung wählt, jeweils auf 4 Jahre, aus dem Kreise der aktiven Mitglieder 10 Mitglieder des Verwaltungsrates; ein weiterer Sitz im Verwaltungsrat steht einem aktiven Mitglied aus dem Land des Sitzes (Schweiz) zu. Der Verwaltungsrat beobachtet u. a. die Durchführung der Be88 Näheres s. BRACK, RUF 1962, S. 232 ff. und Druckschrift der U.E.R. „Aufgaben und Ziele". 39 Zu den Änderungen der Satzung am 25.6. 1965 und am 1.7. 1966 vgl. Revue de l'U.E.R. Nr. 93 B (Septembre 1965), S. 59 und Nr. 99 B (Septembre 1966), S. 52. — Abdrudt der Satzung i. d. F. v. 20.11.1959 in: JIR, Band 10, S. 300 ff.; Auszug der Fassung v o m 25. 11.1960 in: JIR, Band 12, S. 525 ff. 40 Dazu s. auch oben S. 282 Anm. 7.

20

Publizistik II

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schlüsse der Generalversammlung, erstattet auf jeder ordentlichen Sitzung der Generalversammlung Bericht über die Arbeit der UER und stellt das vorläufige Arbeitsprogramm sowie den Haushaltsplan für das nächste Geschäftsjahr auf. Die Generalversammlung wählt außerdem jeweils für zwei Jahre als Spitze der UER einen Präsidenten und außerdem zwei Vizepräsidenten. Die vier Kommissionen der UER (Hörfunk-, Fernseh-, Technische und Juristische Kommission) bearbeiten alle Aufgabengebiete der UER und bereiten sachlich die Beschlüsse des Verwaltungsrates und der Generalversammlung vor. Jedes Mitglied hat das Recht, in jeder der vier Kommissionen vertreten zu sein. Ständige Dienstsitze der UER sind für die Verwaltungsdirektion und für die Juristische Direktion Genf und für das Technische Zentrum mit dem Technischen Direktor Brüssel. Die UER wird aus Beiträgen und Zuschüssen ihrer Mitglieder finanziert; bei den aktiven Mitgliedern wird die Beitragshöhe aufgrund der Anzahl der Rundfunk- und Fernsehteilnehmer bemessen (vgl. Art. 16 UER-Satzung). c) Internationale Rundfunk- und Fernsehorganisation nationale de Radiodiffusion et Télévision [OIRT])

(=

Organisation

Inter-

Grundlage: Satzung i. d. F. v. 20. 7. 1959."

Die OIRT ist eine internationale Vereinigung von Rundfunkorganisationen mit Sitz in Prag. Mitglieder der OIRT können werden: 1. staatliche Institutionen, die direkt den Rundfunk- und Fernsehdienst besorgen, 2. rechtsfähige Institutionen, die unter der Leitung oder mit Genehmigung des Staates den Rundfunk- und Fernsehdienst besorgen, 3. rechtsfähige Vereinigungen von Institutionen nach 1. und 2. Die Satzung der OIRT kennt aktive Mitglieder (z. Z. aus 17 Ländern) und teilnehmende Mitglieder; je Land ist höchstens ein aktives Mitglied zugelassen, weitere Rundfunkorganisationen des Landes können teilnehmende Mitglieder werden. Die Mitglieder haben an die OIRT Beiträge zu leisten, deren Höhe die Generalversammlung festsetzt. Die OIRT hat u. a. die Aufgabe, Verbindungen zwischen den Rundfunkorganisationen herzustellen, den Austausch technischer Informationen und die Entwicklung des Rundfunks und des Fernsehens zu fördern und allgemein die Interessen des Rundfunks zu wahren (zur „Intervision" s. u. S. 442). Leitende Organe der OIRT sind die Generalversammlung, die sich aus Vertretern der aktiven Mitglieder zusammensetzt, und der Verwaltungsrat, der aus 7 bis 13 Mitgliedern besteht und in dem die Rundfunkorganisationen der UdSSR, der VR China und der CSSR ständig einen Sitz haben. Ständige Organe der OIRT sind das Generalsekretariat und das Technische Zentrum, beide mit Sitz in Prag oder Umgebung. LITERATUR A R N D T , H . : Die Konzentration in der Presse und die Problematik des Verleger-Fernsehens. Frankfurt a. M., Berlin 1967. —• AUBERT, J.: Fernmelderecht. 2. A . Hamburg, Berlin 41

Abdruck in JIR, Band 12, S. 531 ff.

O R G A N I S A T I O N UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES H Ö R F U N K S

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1962. — BAUSCH, H . : Der R u n d f u n k im politischen Kräftespiel der W e i m a r e r Republik, 1923—1933. Tübingen 1956. — BETTERMANN, K.: Rundfunkfreiheit u n d Rundfunkorganisation. In: DVB1 1963, S. 41. — BETTERMANN, K.: Legislative ohne Posttarifhoheit. Beiträge zu Art. 80 Grundgesetz. Reditsgutachten über die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Postverwaltungsgesetz. (Beiträge zum Rundfunkredit 10) Frankfurt a. M., Berlin 1967. — BISMARCK, K. v.: Rundfunk und Information in Deutschland. Köln 1963. — BRACK, H.: La Radiodiffusion de la République Fédérale d'Allemagne. In: Revue de l'U.E.R., No 51 B (Octobre 1958), S. 2. — ders.: Die Organisation der übergeordneten A u f g a b e n des Rundfunks. In: RuF 1960, S. 152; gekürzte Fassung in: Revue de l'U.E.R., N o 62 B (Juillet 1960), S. 14 („L'organisation des fonctions supraregionales de la radiodiffusion sur le territoire de la République Fédérale d'Allemagne"). — ders.: Der Rundfunk zwischen Bund und Ländern, 1948 bis F r ü h j a h r 1961. In: RuF 1962, S. 30. — ders.: Die Union Européenne de Radiodiffusion. In: RuF 1962, S. 232. — ders.: Rundfunkredit, internationales. In: Wörterbuch des Völkerrechts, 3. Band. Berlin 1962. — ders.: Rôle du conseiller juridique au sein d'un organisme de radiodiffusion. In: Revue de l'U.E.R., No 99 B (Septembre 1966), S. 54. — BRACK, H., G. HERRMANN u. H.-P. H I L L I G : Organisation des Rundfunks 1948 bis 1962. Hamburg 1962 (Gesamtdarstellung durch W i e d e r g a b e mehrerer, in RuF vorveröffentlichter Aufsätze, ergänzt durch Aufsätze v o n Heitmann [Entwicklung der Rundfunkorganisation; s. u.] und Hillig [s. u.] u n d durch den Abdruck einiger Rundfunkgesetze sowie der ARD-Satzung). — BREDOW, H.: Vier J a h r e deutscher Rundfunk. Berlin 1927. — ders.: Aus meinem Archiv. Probleme des Rundfunks. Heidelberg 1950. — d e r s . : Im Banne der Ätherwellen. Band 1 : Stuttgart 1954. Band 2: Stuttgart 1956. — DELP, L.: Das gesamte Recht der Presse, des Buchhandels, des Rundfunks und des Fernsehens. Neuwied am Rhein, Berlin. — DILL, R. W.: R u n d f u n k und Gesellschaft. Eine internationale Literaturübersicht für Praktiker, Politiker und Pädagogen. In: Medium. Heft 4, 1966. —• ECKNER, H.: Der R u n d f u n k als bundesstaatliches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Rundfunks. In: Jahrbuch des Postwesens 1964. Bad Windsheim 1965. — Fernsehstreit I: s. u. Z E H N E R . — FISCHER, E. K.: Dokumente zur Geschichte des deutschen Rundfunks und Fernsehens. Göttingen 1957. — GOEBEL, G.: Der deutsche Rundfunk bis zum Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans. In: APF 1950, S. 353. — H E R R M A N N , G.: Zur Entwicklung der Rundfunkorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. In: RuF 1962, S. 368 (s. auch o. Brack). — ders.: Die Rundfunkanstalt. Eine Studie zum heutigen Rechtszustand. In: AöR 90 (1965), S. 286. — ders.: Rundfunkgesetze. Textsammlung. Köln, Berlin, Bonn, München 1966. — HESSE, K.: Die Regelung von Rundfunkleistungen der Bundespost durch Rechtsverordnung. Reditsgutachten. (Beiträge zum Rundfunkrecht 8). Frankfurt a. M . , Berlin 1966. •— HILLIG, H. P.: W e r d e g a n g und Organisation des Zweiten Fernsehprogramms. In: RuF 1962, S. 391 (s. auch o. Brack). — IPSEN, H. P.: Die Rundfunkgebühr. Ein Rechtsbeitrag zur Rundfunkdiskussion. 2. A. Hamburg 1958. — ders.: Zur Rechtsnatur der R u n d f u n k g e b ü h r nach dem Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Gutachtliche Stellungnahme. Hamburg 1961. — J A N K , K . P.: Die V e r f a s s u n g der deutschen Rundfunkanstalten. In: DVB1 1963, S. 44. •— KRAUSE-ABLASS, G. B.: Die Zuständigkeit zur Ordnung des R u n d f u n k w e s e n s in der Bundesrepublik Deutschland. Flensburg 1960. — ders.: Die Neutralitätspflicht der Rundfunkanstalten. In: RuF 1962, S. 113. — ders.: Die Bedeutung des Fernsehurteils des Bundesverfassungsgerichts für die Verfassung des deutschen Rundfunks. In: JZ 1962, S. 158. — ders.: Die internationale Rundfunkorganisation. Begriff, Zielsetzung, Struktur, Funktion und Rechtsstellung. In: JIR 1965, 12. Bd., S. 301. — ders.: Stichworte zur Systematik der Rundfunkorganisation. In: RuF 1966, S. 430. — K R Ü G E R , H.: Der R u n d f u n k im Verfassungsgefüge und in der Verwaltungsordnung v o n Bund u n d Ländern. Gedr. Rechtsgutachten. (Hamburger öffentlich-rechtliche Nebenstunden 2) Hamburg 1960. — LENZ, H.: Rundfunkorganisation und öffentliche Meinungsbildungsfreiheit. In: JZ 1963, S. 338. — LERCHE, P.: Zum Kompetenzbereich des Deutschlandfunks, Berlin 1963. — LERG, W. B.: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. H e r k u n f t und Entwicklung eines publizistischen Mittels. Frankfurt a. M. 1965. — LOEWENSTEIN, K.: Die Krise des amerikanischen Rundfunk- und Fernsehwesens. In: AöR 86 (1961), S. 404. — M A G N U S , K . : Der R u n d f u n k in der Bundesrepublik u n d Westberlin. Frankfurt a. M. 1955. — MALETZKE, G.: Psychologie der Massenkommunikation. Hamburg 1963. — MALLMANN, W.: Einige Bemerkungen zum heutigen 23'

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Hörfunk: Formen der publizistischen Aussage 1 HANS

ARNOLD

Einführung a) Der Rundfunk als Medium publizistischer

Aussage

Das in diesem Abschnitt des „Handbuchs" zu erörternde Thema läßt naturgemäß nur wenig Spielraum für eine eingehendere Betrachtung darüber, welchen Rang das Massenkommunikationsmittel „Rundfunk" gegenwärtig in der Gunst und im Urteil seiner Hörer einnimmt. Wenn man jedoch ganz davon absehen wollte, an dieser Stelle einige wichtige und auffallende Symptome allgemeinerer Art ausdrücklich zu erwähnen, so entstünde ohne Zweifel ein ungenaues und unzulängliches Bild der Wirklichkeit. Der Wandel im Erscheinungsbild dieses Mediums, der sich während der letzten zehn Jahre abgespielt hat, ist nicht mehr zu übersehen, und auch die Formen seiner publizistischen Aussage sind von diesem Prozeß der Veränderung erfaßt worden. Deshalb muß einleitend davon gesprochen werden. Durch die fast eruptiv zu nennende Ausbreitung des Fernsehens in der Bundesrepublik in diesem zurückliegenden Zeitabschnitt ist der Rundfunk zunehmend und mit nachlassendem Erfolg in die Zwangslage geraten — wie andere Massenkommunikationsmittel auch — sich mit den ihm adäquaten Mitteln und Formen konkurrierend um die Gunst eines Publikums bemühen zu müssen, das ihm noch bis in die Mitte der fünfziger Jahre fast ohne Vorbehalt zu folgen bereit war. Die gebotene Konsequenz war nahezu unausweichlich: eine Bestandsaufnahme des Erreichten, die Überprüfung des dem Medium Möglichen, ein zunächst tastendes, zuweilen auch als Opfer empfundenes, schließlich aber doch sehr selbstsicheres Zurücknehmen der Grenzen in den ihm und ihm allein vorbehaltenen Bereich. Die Einsicht, Terrain an ein anderes Medium abgeben zu müssen und das daneben einhergehende Bestreben, soviel Terrain wie möglich zu bewahren, hat 1 Dieser Beitrag bezieht sich auf die Situation des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland 1967. Er läßt, um das vielschichtige Thema nicht zu weit ausufern zu lassen, Aussageformen, die bereits zur Geschichte des Rundfunks gehören, wie etwa die Entartungserscheinungen in der Zeit des Nationalsozialismus, ebenso bewußt außer acht, wie die mannigfachen Spielarten, die in anderen Ländern bei der Handhabung des Mediums anzutreffen sind. Die Ausführungen werden — so meint der Autor — von solchen Varianten oder Entartungen im Grundsatz nicht berührt.

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H A N S ARNOLD

schließlich den Verzicht nicht nur auf ohnehin verloren erachtete Wirkungsmöglichkeiten, sondern auch auf das theoretische und praktische Bemühen um die Entwicklung neuer, im Experiment zu erprobender Formen der Aussage gebracht und unvermeidbar bringen müssen. Ein entscheidender Vorteil in dieser Entwicklung war, daß Rundfunk und Fernsehen von den gleichen Institutionen — Anstalten des öffentlichen Rechts — getragen werden. Sachfremde Überlegungen und Argumente schieden aus. Kommerzielle Aspekte spielten keine Rolle. Der „Kampf um den Kunden" geschah daher nicht in der Form der Auseinandersetzung sondern der Abstimmung. Da die Partner beider Medien weitgehend identisch sind — bis auf verschwindende Ausnahmen besitzt jeder Inhaber eines Fernsehgerätes auch einen Rundfunkapparat, und das wird in absehbarer Zeit auch umgekehrt gelten — konnte auf diese Weise die für den publizistischen Auftrag des Rundfunks vorstellbare drohende Gefahr ausgeschaltet, seine Aufgaben in Ruhe durchdacht, das Nebeneinanderbestehen der beiden Medien gesichert, der gegenwärtige Wirkungsbereich des Rundfunks definiert und aufgrund der durch Tests und Umfragen gewonnenen neuen Erkenntnisse stabilisiert werden. Diese einleitende Vorbemerkung bedarf, obgleich sie sich im Vorfeld des zu behandelnden Themas bewegt, kaum einer Begründung. Es ist evident, daß sich das Bild des Rundfunkprogramms im Jahre 1967 strukturell, inhaltlich und formal merkbar von dem Bild des Jahres 1957 unterscheidet. Vor zehn Jahren stand das Fernsehen zwar vorsichtig drängend aber doch recht unscheinbar und unkonturiert vor der Tür, der Rundfunk dagegen fühlte sich auf dem Zenith seiner Kraft, Universalität und Omnipotenz, wenn auch — nur ungern zugestanden — von den ersten Ahnungen heraufziehender Dämmerung überschattet. Die Überlegenheit des Rundfunks war unübersehbar. Er hatte eine gesicherte Basis für seine weitgespannten technischen Möglichkeiten, er besaß eine zuverlässig erprobte Bannkraft auf seine Zuhörer, die intellektuelle Präsenz war spürbar und wirksam, die Souveränität der Erfahrung hatte sich hergestellt, die dem Medium innewohnenden Möglichkeiten waren erkannt und wurden bis an die äußersten Enden der Skala genutzt. Dies ist nun — zehn Jahre später — nicht mehr der Fall. In manchen Bereichen hat die imaginierte, künstliche Welt des Rundfunks, der weit künstlicheren, aber viel effektiveren Welt des Fernsehens das Feld freigeben müssen. Der Umfang seiner Formensprache ist karger geworden. Anschaubarkeit des Gegenstandes macht immer wieder die Mühsal umständlicher, gequälter oder kunstloser, ja selbst einleuchtender und kunstvoller Schilderung überflüssig. Das Fernsehen, stürmisch nach vorn drängend, ist sich dieser Überlegenheit längst bewußt und setzt sie nun auch dort ein, wo das Bild der Sprache kaum eine neue Qualität hinzufügt. Dieses wichtige und reizvolle Thema kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Der Hinweis soll nur verdeutlichen, daß der Vorrat an Ausdrucksformen im Rundfunk größer ist, als er heute erscheint und ausgewertet wird, daß

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sich der Rundfunk aus wohlerwogenen Gründen in seinen ihm a priori zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten zurückgenommen hat, daß man ihn in mancher, vor allem technischer und massenkommunikativer Hinsicht als einen Wegbereiter und Vorläufer des Mediums Fernsehen ansehen muß, und daß ihm dessenungeachtet ein breit gefächertes Feld publizistischer Aussage sui generis weiterhin zur Verfügung steht, das ihm durch keine wie immer geartete Konkurrenz streitig gemacht werden kann. b) Der Rundfunk — ein Vorläufer des Fernsehens? In dem Begriff „Vorläufer" ist die Kategorie des „Vorläufigen" enthalten, so wenig sie sich mit ihm auch decken mag. Das Vorläufige ist das sich am Ende selbst Aufhebende oder durch die Veränderung der Umstände Aufgehobene, das dann überflüssige, allenfalls noch in eigener Automatik durch Routine, Konvention oder Gewohnheit Fortbestehende. Dies sollte bedacht werden, wenn dem Rundfunk der Charakter und das Prädikat eines Vorläufers des Femsehens beigegeben wird, und dafür gibt es ja genügend einleuchtende Argumente: Nicht nur aus der Optik der heutigen Situation ist das Massenkommunikationsmittel Rundfunk ein Wegbereiter und Vorläufer des Fernsehens gewesen. Daß er die ihm gemäßen Formen der Aussage gefunden hat, die nicht mehr in Frage stehen, nimmt ihm jedoch ein für allemal den oben geschilderten Charakter des Vorläufigen. Es ist also sicher richtig zu sagen, daß der Rundfunk entscheidend dazu beigetragen hat, die Entwicklung des Fernsehens vorzubereiten. Zugleich aber ist festzustellen, daß der Rundfunk nach wie vor ein publizistisches Medium eigener Art von großer Bedeutung ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch lange bleiben wird. Dies wird so nachdrücklich betont, weil zu definieren ist und definiert werden kann, inwieweit die Rolle, die der Rundfunk in der Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts sehr bald nach seiner Instituierung zu spielen begann, neuartige Fakten schuf, die jedoch erst mit dem Durchbruch des Fernsehens ihre ganze Wirksamkeit erreichten. Dies ist vor allem an vier wichtigen Stellen sichtbar und relevant: Es ist erstens das in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts sich vollziehende Eindringen einer durch technische Mittel künstlich hergestellten Fiktion einer nicht realen, aber als real imaginierten Außenwelt in die Intimsphäre familiärer Häuslichkeit; es ist zweitens die sich aus der Unmittelbarkeit der Kommunikation ergebende, durch keinen geistigen Filter gebremste Spontaneität des Kontakts zwischen Kommunikator und Rezipient, die vielberufene „persönliche Ansprache" also; es ist drittens die auf der millionenfach hergestellten Gleichzeitigkeit des Empfangs beruhende spürbare, wenn auch nur unvollkommen zu analysierende Massenwirksamkeit, und es ist schließlich die Parallelität oder, wenn man soweit nicht gehen will, die nahe Verwandtschaft der Aufgabenstellung für beide Medien im Grundsatz. Keine dieser vier Gegebenheiten und Arbeitsvoraussetzungen teilen die beiden Medien Rundfunk und Fern-

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sehen insgesamt oder zum Teil mit einem anderen publizistischen Kommunikationsmittel. Angesichts dieses Sachverhalts läge die Versuchung nahe, in diesem Beitrag eine vergleichende Analyse der in den beiden Medien angewandten Ausdrucksmittel vorzunehmen, und dies um so mehr, als der Verfasser dieses Beitrags einige Jahre, und zwar während der nach seiner Meinung für das Verhältnis der beiden Medien zueinander wichtigen Übergangsphase zwischen 1959 und 1961 Programmdirektor sowohl des Rundfunks wie des Fernsehens gewesen ist. Doch ist der Autor überzeugt, daß ein solcher Weg keinem der beiden Medien in ihrer Substanz gerecht werden kann, sowenig im Einzelfall auf einen Hinweis in dieser oder jener Richtung verzichtet werden soll. c) Der Auftrag des

Rundfunks

Die weiter oben angedeutete Zurücknahme des Aufgabenbereichs im Einzelnen bedeutet keine Aufweichung oder gar Veränderung des dem Rundfunk seit seinem Bestehen innewohnenden, aus seinen spezifischen technischen Möglichkeiten herrührenden Auftrags im Grundsatz. Was also ist das dem Rundfunk zur Verfügung stehende „Ausgangsmaterial" und von welcher Art sind die technischen Möglichkeiten, dieses Material zu verarbeiten? Die Antwort lautet: Alles, ohne jede Einschränkung alles auf dieser Welt, was dem menschlichen Ohr zugänglich ist, was mit Hilfe der Rundfunktechnik an den Menschen herangebracht werden kann: Also die Sprache in all ihren denkbaren Nuancierungen und Schattierungen, von der sachlichen Mitteilung bis zum ekstatischen Schrei, von der dramatischen Deklamation bis zum verhaltenen Flüstern der Angst, der Liebe oder des Sterbens, vom harmlosen Scherz bis zur Feierlichkeit des Gebets, vom vulgären Fluch bis zur zärtlichen Poesie. Die unendliche Skala des menschlichen Sprachbereichs braucht hier nicht ausgemalt zu werden. Dann die Musik — die Musik ohne jede Einschränkung, gesungen und gespielt, die große und die kleine Form, der Lärm des „beat" und die Innigkeit eines Kinderliedes, die Klangabstraktionen der Seriellen und die Orgel Bachs, die Fremdartigkeit indonesischer Volksweisen und der Schunkelwalzer des Karnevals — die Kunst und das Gekünstelte also, die Eingebungen der Genies und das simple, sentimentale Geklimpere des Gassenhauers und Schlagers, der Ohrenschmaus der „großen" Musik und die hektischen Rhythmen der „bands" — man nehme dies nur als Andeutung einer äußerst differenzierten, spezifischen Ausdrucksweise des Menschen und als die Andeutung einer ebenso vielfältig nuancierten „Ansprechbarkeit" in speziellen Teilbereichen menschlichen Verhaltens. Und schließlich alle übrigen akustischen Phänomene, die das menschliche Dasein unaufhörlich umlagern, in sein Bewußtsein oder in sein Unterbewußtsein eindringen: Geräusche, Lärm, Vogelstimmen, Tierlaute jeglicher Art, Gewitterdonner

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und Maschinengewehrfeuer, Ultraschallknall und Glockenläuten usw., usf., dies alles Emotionen auslösend, die von milder Beschaulichkeit bis zu leidenschaftlicher Erregung reichen, die Heiterkeit hervorrufen können oder Freude oder Mitleid oder Unruhe, Angst, Ärger, Zorn, und die ihn bis in den Schlaf hinein zu begleiten vermögen. Nun hat die Technik im Laufe der Jahrzehnte die Möglichkeit geschaffen, mit diesem Material in souveräner Weise umzugehen, es zu bearbeiten, zu verändern, bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen, ja es gleichsam „synthetisch" neu zu produzieren. Dem Programmproduzenten sind damit ganz neue, überraschende Bauelemente in die Hand gegeben, die im Laufe der Entwicklung auf die Form der Aussage im Rundfunk großen Einfluß gewonnen haben. Die einfachste Form der Bearbeitung geschieht auf mechanisch natürliche Weise gleichsam auf der Einbahnstraße vom Mikrophon zum Lautsprecher. Denn schon auf diesem W e g wird der akustische Vorgang selbst durch das Dazwischenschalten technischer Filter verändert, in Wahrheit denaturiert, ja selbst deformiert. Die Musik etwa, die in einem großen Konzertsaal erklingt, in einem Opernhaus oder auch in einem weiträumigen Studio wird zusammengepreßt in die kleine Schatulle ihrer Wiedergabe, die den Wohnraum füllt, der donnernde „Tor"-Schrei von Zehntausenden erhält zu Hause die gleiche Minidimension; aber auch die ins Mikrophon hauchende Stimme des Sprechers, die der Hörer zu Hause vernimmt, ist nicht die „wahre" menschliche Stimme. (Jedermann, der seine Stimme zum ersten Mal aus dem Lautsprecher eines Radioapparates vernommen hat, kennt den Schreckeffekt des „Ach das soll ich sein?") 2 Zwei Voraussetzungen sind es insbesondere, die es möglich machen, daß sich der Rundfunk wie seine Hörer ohne Mühe über den oben geschilderten Tatbestand hinwegsetzen und hinwegsetzen können: Die Fähigkeit zur Identifikation und die Bereitschaft zur Illusion des „Als ob". Ganz ohne Zweifel liegen hier einige der Wurzeln für die nicht versiegende Anziehungskraft des Hörfunks: Durch das Auffüllen mit eigenen Erfahrungselementen wird das Gehörte mit dem Original identifiziert und unbewußt zur Illusion der Realität zurückgefiltert. Der Hörer „überhört" alle Mängel und Unzulänglichkeiten, wenn das Gehörte seine eigene ganz persönliche Erlebnis- und Bildungswelt mobilisiert. Eine andere Weise, das Material zu „bearbeiten" erfolgt dadurch, daß der Weg nicht vom Mikrofon zum Ohr des Hörers führt, sondern auf einem Tonband endet. Die Aufnahme wird zur beliebig häufigen Verwendung hergestellt, konserviert und gespeichert. Eine technische Veränderung gegenüber der direkten Ausstrahlung tritt durch diesen „Umweg" nicht ein, jedenfalls nicht in einer dem Ohr des Hörers bemerkbaren Weise. Dagegen hat dieses Verfahren es dem Rundfunk 2 Um den hier beschriebenen Verlust an „Natürlichkeit" zu verringern oder so weit wie möglich auszugleichen, hat sich die Technik in den letzten Jahren sehr um die Entwicklung der Stereofonie bemüht — mit deutlichem Erfolg. Doch ändert dies den Sachverhalt nur graduell, nicht prinzipiell.

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möglich gemacht, sich im Laufe der Zeit einen immer wieder ergänzten und erneuerten Vorrat an Aufnahmen aller erdenklichen Art anzulegen, der es dem Programmgestalter erlaubt, viele, wenn nicht fast alle, von der Programmkonzeption an ihn herangetragenen Aufgaben zu meistern — von der heißen Aktualität natürlich abgesehen. Die bisher skizzierte Veränderung des Originals auf dem Weg zum Lautsprecher geschieht gleichsam auf natürliche Weise, durch die Mechanik der unerläßlichen Apparatur, die j a umgekehrt auch das Hörfeld des Menschen in einem Umfang erweitert hat, der es ihm zum mindestens in der Theorie gestattet, an jedem Ort der Erde präsent zu sein. Die Rundfunktechnik hat es inzwischen soweit gebracht, daß Menschen aus fünf Erdteilen sich gleichsam über Tausende von Kilometern hinweg an einem imaginären runden Tisch versammeln und miteinander sprechen und Menschen in einem abgelegenen Bauernhaus im Hochgebirge dem Gespräch zuhören können. Auch das ist, wenn man so will, eine Form der Aussage des Rundfunks, die noch immer, wenn auch nicht mehr lange, nur ihm allein zukommt. Daneben aber hat die Technik sich und damit auch den Programmproduzenten eine Reihe von Wegen erschlossen, das Basismaterial, also Sprache, Musik, Geräusch, Ton auf eine künstliche, vom Menschen beabsichtigte und herbeigeführte Weise zu verändern. Der Weg beginnt im Studio, führt über das Mischpult und endet im Schneideraum. Der wichtige, auch für das Thema dieses Beitrags wichtige Sachverhalt ist vielschichtig und weitverästelt und kann deshalb hier nur in Andeutungen behandelt werden. Durch bestimmte Arrangements im Studio kann bereits der natürliche Ausgangston „moduliert" werden, er kann durch einen „Hallraum" oder einen „schalltoten" Raum „geschleift" und dadurch fast bis zur Unkenntlichkeit verändert werden; man kann ihm am Mischpult die Höhen oder Tiefen wegschneiden, man kann den Ton beschleunigen oder verzögern, und man kann am Mischpult mehrere Aufnahmen aufeinander kopieren — man kann beinahe alles manipulieren. Man kann aus unentwickelten, unausgebildeten Stimmen von Schlagersängern- und -Sängerinnen Stimmen von Stars machen, was, wie man weiß, immer wieder geschieht, man kann die Stimme Carusos von alten Schallplatten „ablösen", mit neuen Ober- und Untertönen versehen, mit neuen Orchesteraufnahmen „unterlegen" und eine beinahe „echte" Caruso-„Qualität" herstellen — die Beispiele sind ohne Zahl. — Und schließlich kann man den Aufnahmen noch mit Schere und Leimtopf zu Leibe rücken. Man kann aus einer Aufnahme Sätze, Wörter, j a einzelne Buchstaben oder musikalische Passagen oder Töne herausschneiden und durch andere ersetzen, man kann ändern bis zur Fälschung. Man erinnert sich vielleicht an die empörte Diskussion vor manchen Jahren, als durch eine Indiskretion bekannt wurde, daß in einer sonst makellosen Aufnahme einer Oper an einer bestimmten Passage das hohe C vom Sänger verpatzt war, und daß dieses hohe C, da der Sänger gleich nach der Aufnahme abgereist war

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und also für eine Neuaufnahme nicht mehr zur Verfügung stand, durch das hohe C eines anderen Sängers aus einer anderen Aufnahme „ersetzt" wurde. Man versicherte damals, daß auch Experten die Korrektur nicht bemerkt hätten. Insgesamt hat sich der Rundfunk neben der von ihm „abgebildeten" Welt eine eigene künstliche völlig autonome akustische Welt herzustellen gelernt, von der an vielen Stellen der Produktion Gebrauch gemacht wird, vor allem zur besseren Bewältigung künstlerischer Probleme — in der Musik und im Hörspiel — vor allem dort. Dort ist ihre Verwendung ohne Frage ein legitimes Stilmittel. Wo aber mit ihrer Hilfe die Manipulation der Wirklichkeit beginnen könnte, bedarf es eines unerschütterlichen publizistischen Gewissens, um denkbaren Versuchungen zu widerstehen. Davon wird an geeigneter Stelle noch gesprochen werden. Wie verhält sich der Zuhörer zu den hier geschilderten Fakten? Fühlt er sich hintergangen, gar arglistig getäuscht, oder geschieht das — mit seinem stillschweigenden Einverständnis — nach dem Motto: „mundus vult decipil"? Wohl kaum. Nicht nur der Rundfunk, auch Schallplatte und Tonbandgerät haben ihn seit langem schon in dieser artifiziellen, präformierten, vorfabrizierten, konservierten Wirklichkeit heimisch werden lassen. Der Rundfunkhörer nahm a priori und nimmt auch heute noch bewußt in Kauf oder er findet sich — ohne sich bei Fragen lange aufzuhalten — damit ab, daß sich der Kosmos für ihn auf der Einschienenbahn eines einzigen Sinnesorgans darbietet, er belauscht das Universum gleichsam mit dem Ohr am Schlüsselloch zum zugesperrten Tor. Was ihm zuteil wird, ist eine Welt vom „Hörensagen", eine eigentümlich verengte, verzogene Reproduktion der Welt. Er nimmt dies hin aus Einsicht, aus Gewohnheit und aus mancherlei anderen Gründen, weil in dieser verengten, veränderten, ganz unnatürlichen Radiowirklichkeit für ihn noch immer genug übrig bleibt, was ihn zu interessieren, zu fesseln, zu unterhalten vermag. In dieser Hinsicht hat sich sein Verhalten auch heute, nachdem das Fernsehen die versperrte Tür weit aufgestoßen hat, nicht wesentlich geändert. Der Rundfunkhörer weiß und akzeptiert also, daß es sich bei dem, was er hört, um „Aufnahmen" handelt, vielleicht schon vor Jahren, vielleicht auch erst vorgestern hergestellt. Und weil er das alles weiß, erwartet er nun auch, daß der Rundfunk ihn mit diesem Material beliefert, tagaus, tagein, morgens, mittags, abends, nachts — 24 Stunden lang — rund um die Uhr. Er sieht im Rundfunk (dies ist vereinfachend und darum nicht ohne Vorbehalt gesagt) eine Art klingendes Warenhaus mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an Schallplatten und Tonbändern aller nur denkbaren Art: ununterbrochen in Betrieb zu seiner, des Hörers Unterrichtung, Erbauung oder Lustbarkeit. Er ist weniger wählerisch im Inhalt als unerbittlich im Anspruch, wie ein Kunde bedient zu werden, der, wann immer es ihm auch einfallen mag, von diesem Dienst Gebrauch machen will. Darin sieht er im wesentlichen den dem Rundfunk erteilten Auftrag, und ist um so zufriedener, je genauer ein Rundfunksender solchen Vorstellungen entspricht — (wie etwa Radio Luxemburg).

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Mit dieser auf grobes Maß angelegten Feststellung soll nun keineswegs bestritten werden, daß es den sich selektiv verhaltenden Rundfunkhörer immer gegeben hat und nach wie vor gibt, ja heute, im Zeitalter des Fernsehens, vielleicht sogar entschiedener und zahlreicher als früher. Doch bildet er, wenn man den Begriff des auswählenden Zuhörers nicht auch auf die verschiedenen ebenso einseitigen wie intoleranten Gruppen von Musik„fans" etwa oder von Nur-Sporthörern anwenden will, die Ausnahme und nicht den Regelfall. Wäre nun die Darbietung einer ununterbrochenen „Geräuschtapete" — wie man es gelegentlich formuliert hat, tatsächlich der auch vom Gesetzgeber gemeinte Auftrag des Rundfunks der Öffentlichkeit gegenüber, dann wäre sein publizistischer Rang gering und lohnte kaum den hohen Aufwand, der nach wie vor mit diesem Medium getrieben wird. So ist es jedoch nicht — weder in der Theorie noch in der Praxis. Trotz mancher deutlicher Züge, die die Absicht erkennen lassen, den Programmablauf stärker zu schematisieren, trotz mancher Anzeichen dafür, daß das Programm hie und da in der Routine ermüdet ist und leerläuft, zeigt ein Blick auf das Gesamtvolumen des Programms, daß der publizistische Impetus des Rundfunks ungebrochen ist, die Skala seiner Ausdrucksmöglichkeiten kaum verringert, sein Bestreben, die Wand zur Außenwelt so transparent und durchlässig wie möglich zu machen, voller Entschiedenheit, die Spannweite seiner Aussageformen, kaum geschmälert, reich in den Variationen und voll genützt. Der Rundfunk, dem als Thema das ganze Universum, der unausschöpfbare Kosmos Mensch offen steht, kennt seine Verpflichtung und definiert seinen Auftrag anders, als dies die meisten seiner Hörer im allgemeinen tun. Die ihm — in der Organisationsform von Anstalten des öffentlichen Rechts — übertragenen Aufgaben zwingen ihn, seine ihm innewohnenden Möglichkeiten auszuschöpfen und seine Chancen zum Nutzen seines Publikums zu wahren. Setzt man die Erwartungen und die Ansprüche, die der Rundfunk einerseits und seine Hörer andererseits an das Medium stellen, in Vergleich zu den Ausdrucksmitteln, über die der Rundfunk verfügt, und zu ihrer Aussagekraft, und reduziert man das Ergebnis auf seinen eigentlichen Kern, so wird evident, daß der Rundfunk vier Grundfunktionen wahrzunehmen und zu erfüllen hat: 1. 2. 3. 4.

Der Der Der Der

Rundfunk Rundiunk Rundfunk Rundfunk

muß informieren. dient der Erziehung und Belehrung. soll bilden und erbauen. soll unterhalten und zerstreuen.

Das sind die publizistischen Aufgaben, die sich der Rundfunk als Massenmedium zu eigen machen muß, und zwar insgesamt und ohne Vorrang im einen oder anderen Bereich. (Es sollte an dieser Stelle wenigstens angemerkt werden, daß die Frage, was denn der Autor unter „Rundfunk" verstehe, bewußt außer acht geblieben ist. Hier ist nur von Aussageformen des Rundfunks die Rede.) Gegen die oben skizzierte Definition der Aufgabenstellung des Rundfunks ist

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ein methodischer Einwand denkbar, der Beachtung verdient. Hat etwa, so könnte man fragen, die Ausstrahlung von zwanzig aufeinanderfolgenden Schlagertiteln, so wie man es etwa morgens als „Frühmusik" Tag für Tag hören kann, irgend etwas mit publizistischer Aussage zu tun? Wird hier nicht nur ein unkontrolliertes und unkontrollierbares Zerstreuungsbedürfnis befriedigt, bei dem es publizistisch völlig irrelevant ist, ob ihm entsprochen wird oder nicht? Die Frage ließe sich in anderen Bereichen des Rundfunkprogramms mit gleichem Recht und gleichem Nachdruck stellen. Hat ein Hörspiel, ein Sinfoniekonzert ästhetische oder publizistische Funktionen? Sind sie nicht nur Garnierungen für die Programme, die publizistische Aufgaben im genauen Wortsinn zu lösen haben, die Informationssendungen also, die Nachrichten, die Dokumentarsendungen, die Reportagen, die Kommentare usw.? Aus praktischer Erfahrung wie aus theoretischen Erwägungen wird diese Frage mit Entschiedenheit verneint. Wer „Rundfunk" sagt, muß immer das Ganze meinen und nicht nur einzelne Sparten. Das Rundfunkprogramm ist ein Kontinuum, in aller Regel in 24 Stunden am Tag sich abspulend, gewiß von niemand lückenlos zu verfolgen, aber nach einem Plan ablaufend, der z. B. der Uhrzeit und Hörergewohnheiten und Informationswünschen und politischer und soziologischer Verantwortung und intellektueller Gewissenhaftigkeit und vielem anderen mehr folgt. Das Rundfunkprogramm kann keine Einheit über den Tag oder über den Monat oder über das Jahr hin sein, das ist bei der täglichen Dauer des Programms undenkbar. Aber es ist eine Einheit in Abschnitten, und so wird es gemeinhin auch konsumiert — morgens, mittags, abends, nachts oder von speziellen Hörergruppen vormittags und nachmittags. Und es erhält seine Einheit und Einheitlichkeit und damit seine Anziehungskraft und damit seine publizistische Wirksamkeit durch den Wechsel der Schwerpunkte und durch die ausgeklügelte Mischung vieler und verschiedenartiger Elemente. Jeder Programmgestalter weiß, daß er seine Sendung „verkaufen" muß, wenn er den Hörer für ein Thema gewinnen will, daß er ihm einen „Blickfang" (wenn das Wort im Rundfunk erlaubt wäre) bieten muß, und gäbe es am frühen Morgen nur Nachrichten und Uhrzeit und Morgenandacht und Frauenfunk und Gartenkunde und keine „Rasiermusik", wie das im Fachjargon respektlos heißt, dann gäbe es um diese Zeit schon längst keine Hörer mehr, jedenfalls nicht für einen Sender, der sich so verhielte. Das Bindeglied zwischen dem Kommunikator „Rundfunk" und dem Rezipienten „Hörer" ist die Sendung, jede einzelne Minute des Programms. Ihr Aussagewert ist unterschiedlich, erkennbar oder verhüllt, kräftig oder kaum merkbar, für sich selbst sprechend oder nur in manipulierten Zusammenhängen wirksam — gleichviel. Der Rundfunk als Massenkommunikationsmittel hat in überlegtem Wechsel und in durchdachter Mischung alle ihm zugewachsenen oder angemessenen Formen zur Aussage zu verhelfen, wenn er seinen publizistischen Auftrag nicht verlieren will. Für diese Untersuchung ist es jedoch methodisch erforderlich, die einzelnen

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Programmsparten aus ihren Zusammenhängen herauszulösen und sie den genannten Funktionsbereichen zuzuweisen. Nur so kann eine systematische Übersicht über die Formen der publizistischen Aussage gewonnen werden, deren sich der Rundfunk bedient. Um Fehldeutungen der nun folgenden Formen-Analyse auszuschalten, ist aber noch ein letzter Hinweis allgemeinerer Natur notwendig. Er betrifft die eigentümliche Form des Kommunikationsprozesses zwischen Rundfunk und Hörer und ist deshalb so wichtig, weil dieser generelle Vorgang jeder Darstellung im einzelnen erst die rechte Proportion und den richtigen Zusammenhang gibt. Er bildet gleichsam den ständig sich zu vergegenwärtigenden realen Hintergrund für die Abstraktion des Methodischen. Das Massenpublikum, mit dem es der Rundfunk zu tun hat, entsteht nicht durch Multiplikation sondern durch Addition, wenn diese Formel hier angewandt werden darf. Der Kontrahent des Mediums ist also nicht die auf Tuchfühlung gebrachte, das individuelle Bewußtsein mehr oder weniger aufhebende Gruppengemeinschaft der großen Zahl, sondern die — oft millionenfache — Massenhaftigkeit von der Umwelt isolierter Individuen, denen der Rundfunk persönliche Erlebnisse, persönliche Erfahrungen ins Haus liefert. Das Milieu der „eigenen vier Wände" wirkt auf den „Abnehmer" von Rundfunksendungen ohne Frage sehr viel suggestiver als das Bewußtsein, mit einer unzählbaren Menge anderer Menschen verbunden zu sein, die zur exakt gleichen Zeit sich in der fast unterschiedslos gleichen Situation befinden wie er. Dementsprechend bestimmt dieses Faktum auch die „Tonlage" aller Rundfunksendungen, soweit es sich nicht um die schon erwähnte Wiedergabe großer öffentlicher Veranstaltungen handelt. Das Angemessene ist daher weder die Form der Ansprache an ein größeres Auditorium, noch die Deklamation, noch das Pathos, noch — ganz generell — das „Laute", sondern die kleine Form, der zurückhaltende, persönliche Ton, kurz die Dimension, die den Ausmaßen eines Wohnraumes angepaßt ist. (Künstlerische Produktionen zählen selbstverständlich nicht hierher, weil sie ihren eigenen Regeln und Maßstäben unterworfen sind.) Auch dies zählt also zu den seltsamen Fiktionen, die die Technik dem Rundfunk mit auf den Weg gegeben hat, daß er nämlich die faktisch totale Anonymität in die Illusion einer fast persönlichen Bekanntschaft m i t . . . — mit wem eigentlich? — umzuwandeln vermag. Darauf wird in diesem Beitrag noch mehrfach hingewiesen werden.

1. Information und Dokumentation Wie immer der Stoff beschaffen sein mag, über den der Rundfunkhörer unterrichtet werden soll, er ist zu allererst unter zwei Gesichtspunkten zu überprüfen: Ist er neu und aktuell und muß zum nächst möglichen Zeitpunkt verbreitet werden, oder bedarf er in erster Linie der Erhellung, der Auflichtung der Hintergründe,

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der sorgfältigen Analyse aller Zusammenhänge. Liegt also der publizistische Vorrang bei der Schnelligkeit der Verbreitung einer Mitteilung von allgemein interessierender Wichtigkeit oder bei der auf ausführlichen Ermittlungen und exakten Unterlagen beruhenden Dokumentation eines Sachverhalts von allgemeiner öffentlicher Bedeutung? Obwohl die Grenzen in der Praxis nicht immer sehr deutlich erkennbar sind, wird hier eine systematische Trennung der Sachgebiete versucht werden.

1. A k t u e l l e

Sendungen

a) Die Nachrichten Die Grundform aller aktuellen Berichterstattung ist die Nachrichtensendung. Sie kommt einem elementaren Bedürfnis des Menschen entgegen, „auf dem Laufenden" zu sein und das jeweils Neueste so schnell wie möglich zu erfahren. Die Nachrichtensendungen bilden daher in allen Rundfunkprogrammen das Gerüst des Programmschemas und tauchen über den Tag verteilt regelmäßig und in relativ kurzen Abständen immer wieder auf. Die Anforderung, die an die Nachricht gestellt wird, heißt: Schnelligkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Wahrheit. Außerdem muß ihr Inhalt allgemeines öffentliches Interesse besitzen. Der Nachrichtenredakteur bedient sich zu seiner Unterstützung der großen Agenturen, der Korrespondentenberichte und einiger anderer auf ihre Zuverlässigkeit überprüfter Informationsquellen. Sie alle zusammen versorgen ihn mit einem unablässig zufließenden Strom von Nadiriditenmaterial, das er nach dem Vorrang seiner Wichtigkeit beurteilen muß. Hat er sich für eine Meldung entschieden, wird er sie auf „Spredibarkeit" umschreiben, sie mit weiteren Meldungen für den nächsten Sendetermin zusammenfassen und dem Nachrichtensprecher zur Verlesung übergeben. Da dieses Verfahren so denkbar einfach ist, kann der Rundfunk in der Nachrichtenverbreitung bis heute durch kein anderes Publikationsmittel übertroffen werden. Praktisch kann eine Meldung eine Minute, nachdem sie aus dem „Ticker" gekommen ist, der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Das „Nachschieben" wichtiger Meldungen während einer laufenden Nachrichtensendung ist nicht die Ausnahme sondern die Regel. Weil der Vorteil der Schnelligkeit so eminent ist, wurde bis zum heutigen Tag mit der Form der Rundfunknachrichtensendung relativ wenig experimentiert. Einige Rundfunkanstalten stellen die wichtigsten Nachrichten als „Schlagzeile" an die Spitze, um den ganz ungeduldigen Zuhörer sofort auf die wichtigsten Neuigkeiten aufmerksam zu machen, andere Sender verzichten auf diesen Hinweis, weil die Meldungen ohnehin nach ihrer Wichtigkeit gruppiert werden. Der Versuch eines Nachrichtenmagazins, das es in anderen Ländern gibt, ist — soweit es der Autor dieses Beitrags zu übersehen vermag — in Deutschland nie ernsthaft unternommen worden. Das Prinzip der Trennung von Nachricht und Kommentar, das

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bei den Magazinen erhalten.

praktisch aufgehoben ist, wird hier sehr streng aufrecht-

Das Magazin geht von der Absicht aus, auch die Nachrichtensendung „aufzulockern", sie interessant und gefällig zu machen; es gibt zu jeder Meldung, soweit dies möglich ist, sogleich das Hintergrundmaterial. Ein Berichterstatter erklärt die Zusammenhänge. Wo es angeht, illustriert eine Reportage die Vorgänge, ein Journalist gibt seinen Kommentar zu dem Ereignis — im allgemeinen eine recht „farbige" Sendung mit unverkennbar subjektiver Note, die offenbar in anderen Ländern weniger als publizistische Sünde denn als journalistische Tugend empfunden wird. Natürlich gibt es auch in deutschen Rundfunkprogrammen „Magazinsendungen", davon wird noch gesprochen werden, doch ,.news" enthalten sie nicht. Zu den Hauptnachrichten der geschilderten Art, die mehrmals am Tage verbreitet werden und deren Inhalt im Wesentlichen über die wichtigen Ereignisse der Politik, der Wirtschaft und aus dem Umkreis der großen gesellschaftlichen Gruppen berichtet, gesellen sich Nachrichtensendungen, die weniger von allgemeiner Bedeutung als von Interesse für qualifizierte Minderheiten sind, aktuell nur an einigen fixierten Tagen der Woche — Börsenberichte z. B. und Sportnachrichten — und schließlich Nachrichten aus jenen Lebensbereichen, deren Aktualität sich nicht von Tag zu Tag, sondern in längeren Zeiträumen, in größeren Sprüngen entwikkelt: Nachrichten aus dem kirchlichen Leben, aus Wissenschaft und Technik, von der Mode, aus der Landwirtschaft usw. Natürlich gelten auch hier die für alle Nachrichten verbindlichen Maßstäbe: Also Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Objektivität, Wahrheit, wobei die Schnelligkeit natürlich vom Grad der jeweiligen Aktualität abhängt. Die äußere Aussageform ist auch hier die aller Rundfunknachrichten: Der vorbereitete, redigierte Text wird von einem Sprecher verlesen. Uber die Frage, inwieweit eine Nachrichtensendung generell den an sie gestellten Anforderungen, vor allem die der Objektivität, gerecht werden kann, hat sich der Verfasser dieses Beitrages ausführlich bei der Analyse der Fernsehnachrichten geäußert, so daß hier auf die entsprechende Stelle dieses Handbuches verwiesen werden darf. (s. S. 449 f.) b) Die

Reportage

Zu Zeiten, als die Berichterstattung über aktuelle Ereignissse die große Domäne des Rundfunks war, spielte die große Reportage, vor allem die live-Reportage, eine in ihrer publizistischen Funktion kaum zu überschätzende Rolle. Die Fähigkeit, aus der Improvisation des Augenblicks Vorgänge so plastisch zu schildern, daß sie dem Zuhörer gegenständlich wurden, sie im Ablauf zu ordnen und übersichtlich zu machen, sie in größere Zusammenhänge zu stellen und dennoch die Farbe des Beiläufigen und Nebensächlichen nicht zu übersehen, diese Fähigkeit, allein durch die Sprache eine sehr bildhafte Vorstellung beim Zuhörer zu erwecken, war von manchen Reportern zu wahrer Perfektion entwickelt worden. Heute kann sich der Reporter im Rundfunk mit solchen Aufgaben kaum noch messen. Hier hat ihm das

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Fernsehen die Arbeit abgenommen und denkbare Entwicklungen unterbunden. Dennoch ist auch im gegenwärtigen Stadium des Rundfunkprogramms die Reportage eine der Hauptquellen und -formen der Information. 1. Die live-Reportage Sie ist der Ausnahmefall geworden. Sie wird angewandt bei Ereignissen von spektakulärer Bedeutung nationaler oder internationaler Provenienz, natürlich auch hier und da bei regionalen Ereignissen, wenn sie für die Hörer des Sendegebietes der jeweiligen Anstalt erhöhtes Interesse besitzen. Die Form ist einfach: Der Reporter schildert mit seinen Worten, was vorgeht, was er sieht, er schweigt, wenn das, was sich gerade ereignet, zu hören ist — Ansprachen also, oder Musik, das Geräusch von Schritten oder was immer es sein mag — und fährt in seinem Bericht fort, sobald ihm dies notwendig erscheint. Er ist abhängig von der Gunst der Stunde und sein Zuhörer mit ihm, der genau so viel erfährt, wie der andere ihm mitzuteilen vermag, und der nun versuchen muß, sich aus dem, was er erfährt, ein eigenes Bild zu machen, das mit dem, was sich wirklich abspielt, viel oder wenig zu tun hat, je nach der Lage der Dinge und der inneren und geistigen Verfassung der an dem Kommunikationsvorgang beteiligten Personen. Ohne Zweifel handelt es sich hier um die schon fast archetypisch zu nennende Form des „Berichts auf den Mauern Trojas" — über Jahrtausende hinweg in Übung, in unseren Tagen nun durch die Technik in andere Dimensionen der Verbreitung gerückt. Am häufigsten findet die Form der Originalreportage noch immer Anwendung beim Sport. Das liegt nahe, weil der ganze Reiz des Geschehens in der Spannung des Augenblicks liegt und mit dem Ende des Wettkampfs fast in ein Nichts zusammensinkt. Die Anforderungen an den Reporter sind Sachkenntnis, rasche Auffassungsgabe, eine kunstlose aber exakte und fixe Sprache, Voraussetzungen, die nicht nur Routine, sondern auch mehr Talent verlangen, als man gemeinhin anzunehmen bereit ist. Im Zusammenhang mit unserem Thema ist noch einmal der Hinweis wichtig, wie stark gefiltert und vielfach „gebrochen" der Vorgang auf dem Sportplatz in das Bewußtsein des Hörers gelangt, der objektiv informiert werden soll und doch, wie er wohl weiß, völlig abhängig ist von den ganz subjektiven Fähigkeiten und Grenzen einer einzigen Person. (Zwei Anmerkungen hierzu, die subjektive Form der Aussage betreffend: nicht jeder Sporthörer will „objektiv" unterrichtet werden, und mancher Sportreporter hat noch nach Monaten mit Repressalien zu rechnen, weil er die Unsportlichkeiten eines Mitglieds der „eigenen" Mannschaft in seinem Bericht als solche charakterisiert hat. Und zweitens gibt es nicht wenige Anhänger des Sports, die den Ton des Rundfunks zum Fernsehbild einschalten, um den Sprecher auf Fähigkeit und Korrektheit zu überprüfen, eine zweifache Verstellung der Wirklichkeit, aber ganz sicher ein Beweis der magischen Kraft technischer Präsenz in der Weltbetrachtung des heutigen Menschen.) 21

Publizistik II

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2. Die zeitversetzte Reportage Sie ist gleichsam die konservierte Originalreportage. Ihr Weg reicht zunächst nur vom Mikrofon zum Tonband. Am Ort des Geschehens spricht der Reporter wie bei einer Live-Sendung seinen Bericht, den das Band festhält. Je nach der Dauer der zur Verfügung stehenden Sendezeit kann der Bericht nun noch verändert werden: korrigiert, gekürzt, auch durch „Nachsprechen" verlängert. Weniger geübte Reporter nehmen sogar nur die Geräusche auf, wenn ihnen bis zur Sendung genügend Zeit bleibt, dann schreiben sie ihren Bericht nach Notizen in ihrem Büro auf und sprechen im Studio auf die Geräuschkulisse des Bandes ihren Text auf. Verdienen solche Reporter ihren Namen? Kaum. Das Faktum wird nur erwähnt, um noch einmal auf die Rolle und Bedeutung des Tonbandes zurückzukommen und auf das Ausmaß an publizistischer Verantwortung bei seiner Anwendung. Der geschilderte Fall mag hingehen, weil der Reporter nichts falsches berichten wird, nur seine Schwäche verbergen will, wenn auch um den Preis der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Es liegt also gewiß ein Grenzfall vor, über den hinaus kein einziger Schritt erlaubt ist. Dennoch ist unverkennbar, daß auch im Bereich der Information und der Dokumentation die Versuchung zum „Spielen" mit Tonbandmaterial nicht gering ist. Das kann heißen, daß man um der gesteigerten Wirkung willen Effekte „einschneidet", wo sie nicht stattgefunden haben, das kann heißen, daß man Aufzeichnungen von Veranstaltungen „bearbeitet", um sie besser „verkaufen" zu können und derlei mehr. So unstatthaft dies auch ist, die Entscheidung, wo im Einzelfall die Grenze liegt, ist schwieriger zu treffen, als man auf den ersten Blick meinen mag. Es muß nicht immer intellektuelle Unredlichkeit vorliegen, wenn ein Redakteur der Versuchung erliegt, an dieser oder jener Stelle im Interesse des Gesamteindrucks ein wenig „nachzuhelfen". (Ein erfundenes aber mögliches Beispiel: Eine heiße Diskussion von zweistündiger Dauer muß auf 45 Minuten gekürzt, „zusammengeschnitten" werden. Ein Redner hat an einer Stelle Beifall erhalten, die der Schere zum Opfer fällt. An einer anderen Stelle, die gesendet werden soll, in der er ähnliche Gedanken vorgetragen hat, nicht. Es ist denkbar, daß der Redakteur sich entschließt, hier den Beifall „zuzufahren", obwohl dies objektiv eine Fälschung ist, der Wahrheit der Gesamtdiskussion jedoch entspricht.) Bevor wir auf die Form der Reportage noch einmal zurückkommen, sollen einige weitere im Inhalt oft höchst bedeutsame, in der Form jedoch ganz unkomplizierte Informationsmöglichkeiten erwähnt werden: Der Kommentar, das Interview, der runde Tisch, die Diskussion (im Studio oder öffentlich mit Publikum), die Originalsendung oder der Mitschnitt von Parlamentsdebatten oder öffentlichen Veranstaltungen jeder Art (als Extremfall etwa der „Countdown" bei einem Raketenstart), ja selbst der Wetter- und Straßenzustandsbericht, Sturmwarnungen und das Funksignal des ersten Sputnik sind Felder publizistischer Aussage, auf denen sich kein Medium wirkungsvoller, eindringlicher und meist rascher auszu-

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drücken vermag als der Rundfunk. Formanalysen erübrigen sich, der Titel definiert jeweils den Sachverhalt und seine formale Handhabung. In all den bisher aufgeführten Spielarten der Information kommen vor allem zwei Qualitäten zur Geltung, in denen der Rundfunk bis heute einen deutlichen Vorsprung vor anderen Kommunikationsmedien besitzt: Schnelligkeit und die Möglichkeit zur Improvisation. — Auf dem Wege zur reinen Dokumentation hat der Rundfunk jedoch eine andere ganz autonome, in keinem anderen Medium wiederholbare Form entwickelt, die auf dem wichtigsten Element des Rundfunks aufbaut, auf der Sprache. Es ist die Form der Reportage, die auch literarisch ernst genommen werden will, die mit der Sprache modelliert — Reportage in einem überhöhten Sinn. Vom Augenschein ausgehend, aber nichts dem Zufall, der Eingebung des Augenblicks überlassend. Der Ablauf der Sendung ist sorgfältig geplant, entwickelt und aufgebaut, geformt nach ästhetischen oder vorzugsweise ästhetischen Prinzipien, denen eine wohlüberlegte Dramaturgie des Berichts zugrunde liegt. Reportage, die so vordergründig wie hintergründig sein will, die in einem mehrfachen Arbeitsprozeß entstanden ist: draußen mit dem Mikrofon und Bandgerät, dann am Schreibtisch als Manuskript und zuletzt als Produktion im Studio. — Die erste Bandaufnahme ist nur mechanisch gespeichertes Gedächtnis: Fetzen von Interviews, Gesprächen, Geräuschen bleiben — vielleicht — erhalten. Das Wesentliche, die intellektuelle Durcharbeitung vollzieht sich nach der Rückkehr, nach sorgfältiger Überprüfung des Materials: von nun an bedarf es der formenden Sprache und der Beherrschung des ganzen technischen Instrumentariums des Rundfunks, damit jene Sendung entstehen kann, die nicht eine Situation nur im Abbild, sondern als Modellfall nachzeichnen soll. (Einige Namen von Autoren solcher Sendungen zur Verdeutlichung: ERNST — und mit etwas anderen Mitteln, unter anderen Vorzeichen: PETER BAMM und GREGOR VON REZZORI.) SCHNABEL, ALFRED ANDERSCH, PETER VON ZAHN

2.

Dokumentarsendungen

Die vorgenannte Form der Reportage ist sehr häufig ein Grenzfall auf dem Ubergang zur reinen Dokumentation. Nicht unbedingt steht die Aktualität und die Geschwindigkeit des Berichts im Vordergrund, obwohl auch dies der Fall sein kann. Doch ist sie Reportage insoweit, als sie ihr Material an der Quelle sucht, erforscht und prüft, also ein Bericht aus erster Hand und aus persönlicher Sicht werden und bleiben soll. Der Dokumentarbericht hat eine andere Ausgangsbasis. Er will informieren durch Tatsachen, die mit Hilfe authentischer Unterlagen verifiziert worden sind: die Vielschichtigkeit eines komplexen Tatbestandes soll untersucht und durchleuchtet werden, Aussagen, Dokumente, Berichte, Statistiken werden zur Abrundung des Bildes herangezogen. Die im Rundfunk am häufigsten angewandte Form, in der das auf solche Weise herangezogene Material verarbeitet und dem Hörer nahegebracht wird, ist 21*

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HANS ARNOLD

a) Das Feature Im Bereich der reinen Dokumentation bestand und besteht noch immer für den Rundfunk eine erhebliche formale Schwierigkeit. Die Forderungen, die an den Publizisten gestellt werden, heißen Genauigkeit, Objektivität, Zuverlässigkeit, umfassende Information, wohlabgewogenes Urteil, Zurückhaltung im Kommentar. Das allererste Gebot der Rundfunkarbeit heißt aber: Langeweile vermeiden. Auch die beste Sendung, die alle genannten Forderungen erfüllt, hat ihren Zweck verfehlt, wenn ihr niemand zuhört, weil sie langweilt, weil sie dem Ohr nichts bietet, weil sie nicht gefällt. Seriös u n d gefällig zu sein, das ist die Zwickmühle, in der ein Autor sich befindet, der interessantes, aber sprödes Material ausbreiten will. Der trockene Vortrag, der die Forderung nach Seriosität am leichtesten erfüllte, löst das Dilemma nicht. Zu leicht erschöpft er die Aufnahmebereitschaft und Aufnahmefähigkeit des Zuhörers. Die Faustregel, daß ein Sachvortrag nicht länger als 15 Minuten dauern darf, ist das Ergebnis vielj ähriger Erfahrung. Der Autor wird also seinen Bericht so farbig wie möglich machen müssen: häufiger, aber nicht verwirrender Sprecherwechsel, nicht mehr Informationen als ein der Sache unkundiger Hörer beim ersten und also fast immer einzigen Hören aufnehmen und innerlich verarbeiten kann (und das ist nicht sehr viel), gelegentlicher, aber nicht zu häufiger, weil sonst verwirrender Wechsel der Schauplätze, kurze „Statements" bekannter profilierter Persönlichkeiten oder Kurzinterviews (auch mit Straßenpassanten),Einblenden von Geräusch oder Musik—das alles sind geläufige Mittel, um dem zu behandelnden Thema eine geschmeidige Form zu geben, um so den Hörer am Apparat zu halten, damit er die „message", um die es dem Autor geht, mit auf den Weg, auf den Weg des eigenen Nachdenkens bekommt. Die Grenzscheide, auf der sich das Feature formal bewegt, ist wieder einmal die Grenzscheide intellektueller, also sittlicher und das heißt hier publizistischer Verantwortung. Die Vielfalt der Möglichkeiten, das Material zu verändern, es aufzupolieren, es mit akustischen „gags" zu versehen wurde geschildert. Leidet aber darunter die Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit der Dokumentation, so muß der Autor auf solche Mittel verzichten. Denn obwohl es ohne jeden Zweifel eine der Hauptaufgaben publizistisch wirkender Medien in einer demokratischen Gesellschaftsordnung ist, ihr Publikum zum Selbstdenken zu erziehen oder anzuhalten, gehen die Fortschritte in dieser Hinsicht nur zäh voran. Das Publikum glaubt nun einmal an die Autorität institutioneller Einrichtungen, also auch an die des Rundfunks. So sehr daher die Form des Features dazu verführen könnte, nach dem Goethewort zu verfahren „Erlaubt ist, was gefällt" und dies dem Autor deshalb nahelegen könnte, seine ganze Arbeit dem Erfolg zuliebe in diese Richtung zu lenken, er hätte dennoch kläglich versagt, wenn ihm dabei der Fehler unterliefe, daß er um der Wirkung willen die Sache selbst manipuliere. Nicht nur er, sondern der Rundfunk, der ihm das Wort erteilt, trägt also große Verantwortung.

HÖRFUNK: FORMEN DER PUBLIZISTISCHEN AUSSAGE

b) Historische

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Dokumentarsendungen

Ihr Schwergewicht und Hauptinteresse liegt in der Wiedergabe historischer Tonaufnahmen und in deren sachgerechter Interpretation. Das mögen technisch unzulängliche Schallaufnahmen aus den ersten Jahren dieses Jahrhunderts sein, Aufnahmen von Sängern oder Schauspielern aber auch von führenden Politikern jener Tage, oder aber jene wahrhaft unschätzbaren Dokumente aus den dreißiger Jahren, anhand derer uns Heutigen, aber auch noch den kommenden Generationen die unverstellte, erschütternde, grausige Wirklichkeit jener Zeit belegt werden kann. Auch machen diese, gerade diese Tondokumente die entarteten Formen publizistischer Aussage deutlich, von denen sonst in diesem Beitrag nicht gesprochen wird und nicht gesprochen werden muß, da er sich mit der Situation des Rundfunks in der Bundesrepublik im Jahre 1967 befaßt.. In allen autoritären oder nach den Gesetzen der Diktatur regierten Staaten verlieren die Massenmedien (wie die Einwohner des Landes) das Recht der freien Meinungsäußerung. Der Staat unterwirft sie seinen Zwecken und mißbraucht ihre Wirkungen. Alle publizistischen Grundsätze freiheitlich organisierter Gemeinwesen werden mißachtet. Erlaubt ist, was dem Staat nützt. Die Mittel sind Propaganda, Demagogie, Lüge, Unterdrückung oppositioneller Meinungen. Die Ziele sind Verherrlichung des Staates, seiner Einrichtungen und seiner Führer, sind Aufhetzung gegen Andersdenkende, sind Völkerhass. Dies darzutun ist der eigentliche publizistische Wert der Wiedergabe von Tondokumenten aus der Zeit des Nationalsozialismus. c) Die

Semidokumentation

Aufgrund authentischer Unterlagen werden Vorgänge von historischem oder gesellschaftlichem Interesse gleichsam in ihrem ursprünglichen Ablauf repetiert: der Text der beteiligten Personen wird von Schauspielern nachgesprochen. Bevor die Sendung vonstatten gehen kann, findet aufgrund dramaturgischer Gesetzmäßigkeiten natürlich ein Umwandlungs- und Einschmelzungsprozeß statt, der die sich oft über Wochen hinziehenden realen Vorgänge auf eine dem Rundfunkzuhörer zumutbare Dauer reduziert. Diese Verkürzung verändert zwangsläufig das Urbild des Ereignisses zu einem plausiblen und eingängigen Ablauf, sie folgt den Gesetzen der Wirksamkeit mehr als denen der historischen Treue und informiert daher zwar überzeugender, aber sicher ungenauer als eine sachlich nüchterne, exakte aber journalistisch wenig brauchbare Abhandlung. Da der Zuhörer zumeist über den zu behandelnden Stoff nur unzulängliche Kenntnisse mitbringt, wird er in aller Regel mit der Darbietung auch die Interpretation der Vorgänge akzeptieren und sich zu eigen machen. So gilt — noch mehr fast als bei allen übrigen Dokumentarsendungen — gerade für diese Form der Information, daß der Vorteil leichter Eingängigkeit sorgfältig abzuwägen ist gegen die Pflicht zur Solidität bei der Weitergabe von Informationen, welcher Art auch immer sie sein mögen.

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d) Andere Formen der Dokumentation Schließlich sollen hier noch einige andere Formen, mit denen im Rundfunk Sachverhalte oder Tatbestände dokumentiert werden, nicht unerwähnt bleiben — Spielarten der bisher genannten Formen und daher eine eingehende Darstellung überflüssig machend. Es sind der Vortrag (eines kompetenten Politikers oder Wissenschaftlers z. B.) oder das Vorlesen historischer Dokumente, Briefe, Tagebücher o. ä., vielleicht darf man hier auch noch jene Form heranziehen, die am Rande der Unterhaltung liegt, die auf eine leichte, beinahe spielerische Weise dokumentiert: das Feuilleton. Und — last but not least — gibt es noch eine besondere Form der Dokumentation, deren Erwähnung für wichtig gehalten wird, weil deren Darbietung einige interessante Probleme in sich birgt, die zu erörtern den Rahmen dieses Beitrags jedoch bei weitem sprengen würde: die Übertragung von Gottesdiensten. — Es mag dabei als Streitfrage offenbleiben, ob solche Übertragungen im Rundfunk der Form nach Dokumentation sind oder nicht.

2. Belehrung und Erziehung Wir gelangen damit in den Bereich der vielberufen „kulturellen Aufgaben" des Rundfunks. Der Zuhörerkreis für diese Gruppe von Sendungen ist mit Vorsatz eingeengt auf eine Schar potentieller oder sogar gezielt angesprochener Minderheiten, die sich über spezielle, erlernbare Dinge fortlaufend unterrichten wollen, oder denen mit den Mitteln des Rundfunks Unterricht erteilt werden soll.

1. D e r

Schulfunk

Die Zuhörer sind in erster Linie Kinder und Jugendliche, denen sich nicht selten als „Zaungäste" Erwachsene — Hausfrauen, Rentner, Kranke — hinzugesellen. Der Schulfunk nimmt in den Rundfunkprogrammen eine Sonderstellung ein. Er ist gedacht (und ist so auch in der Praxis wirksam) als Ergänzung des Lehrplans und des Schulunterrichts mit den Mitteln und Möglichkeiten eines modernen Massenmediums. Sein Programm wird gemeinsam mit Schulbehörden und Fachkommissionen erarbeitet. Es erfaßt alle Stoffbereiche des Unterrichts: Sprachen, Literatur, Geschichte, Geographie, Naturwissenschaften, Musik usw. usw. Die Formen der Darbietung passen sich dem Auffassungsvermögen der Altersklassen an, denen der jeweilige Stoff nahegebracht werden soll. Sie reichen vom einfachen Aufsagen bis zum Spannungsbogen szenischer Darstellung. So aufschlußreich es auch sein mag, dieses Gebiet des Rundfunkprogramms hier weiter zu verfolgen, und so wichtig nicht nur seine pädagogische, sondern auch seine im weiteren Sinne publizistische Funktion ist, es kann im Rahmen dieses

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Beitrags unbeachtet bleiben, weil es für eine Grundsituation des Rundfunks — die Anonymität seines Publikums — atypisch ist. Die publizistischen Aussagen der Massenmedien gehen immer ins Allgemeine, sie zielen mit ihrer Wirkung immer in grober Richtung und auf große Gruppen, die sich nach statistischen, soziologischen, staatspolitischen, religiösen, psychologischen und noch manchen anderen Gesichtspunkten unterteilen lassen. Ihre „Ansprache" richtet sich immer an den unbekannten Hörer, die Anonymität bestimmt ihre Form. Beim Schulfunk ist das alles ganz anders. Der Lehrer hört die Sendungen zusammen mit seiner Klasse. Er arbeitet den Stoff mit ihr durch aufgrund von schriftlichem, ergänzendem Lehrmaterial. Er berichtet auf Formularen und Fragebogen über den Niederschlag jedes einzelnen abgehörten Programms. Es gibt Konferenzen mit Lehrern und Besudle in den Schulen durch die Programm-Mitarbeiter. Der Schulfunk ist ein Teil des Schulunterrichts mit neuartigen Mitteln, er ist — auch wenn er, wie gesagt, nicht wenig Zaungäste hat — kein für die Allgemeinheit bestimmtes Rundfunkprogramm, er ist ein Sonderfall, der aus dieser Untersuchung ausgeklammert werden muß.

2. S e n d u n g e n

belehrenden

Inhalts

Der publizistische Wert ihrer Aussage liegt darin, daß der Kontakt des Hörers zu dem Medium engere, vertrautere, um nicht zu sagen persönlichere Formen annimmt. Man hat als Rundfunkhörer oft über Wochen, Monate, selbst über Jahre hin regelmäßig und zur gleichen Uhrzeit die freiwillig gesuchte Begegnung mit einem der Stimme nach wohlbekannten Gegenüber, das einen persönlich anzusprechen scheint, das einem etwas beibringt, dem man sich unterwirft — das technische Medium wird durch die Fiktion solcher persönlichen Kommunikation gleichsam humanisiert. Diese Sendungen helfen, die dem Rundfunk a priori innewohnende wechselseitige Anonymität wenigstens in einer Richtung zu mindern, auch an anderen Stellen den institutionellen Charakter zu lockern ¡ sie tragen nicht unwesentlich dazu bei, daß der Rundfunk, wo immer es geschehen kann, seiner Aussage eine persönlichere Note gibt, daß der Sprecher, der sich faktisch an Millionen wendet, doch die Vorstellung zu erwecken sucht, als wende er sich an jeden einzelnen Hörer in dessen Wohnung. Wer also morgens regelmäßig mit dem Rundfunk Frühgymnastik treibt oder zu anderen Tageszeiten an Sprach- oder sonstigen Kursen teilnimmt, befindet sich von vorneherein seinem „Radio" gegenüber in einem Klima der Zugänglichkeit oder gar des Wohlwollens, das ihn wahrscheinlich auch für „Anderes" empfänglich und geneigt bleiben läßt. Für unsere Darstellung ist also an dieser Stelle ganz gewiß nicht wichtig, in

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welcher Form der Rundfunk seine speziellen Inhalte dem Hörer nahebringt, wie er z. B. „Englisch" unterrichtet, von Wert ist allein die Feststellung, auf welchen Wegen und Umwegen er sich seinen Hörern nähert und nähern kann, um sich als Medium in seiner Aussage gewissermaßen selbst zu interpretieren. Das Bestreben, sein Wissen zu vermehren, ist ein elementares geistiges Bedürfnis des Menschen. Die Möglichkeit, dies auf vielen Wissensgebieten durch einfaches Zuhören zu erreichen, fördert ganz gewiß die Aufgeschlossenheit für ein Publikationsmittel, das solche Angebote unterbreitet. So muß der Rundfunk, indem er sich als Publikationsmedium artikuliert, Bauelemente belehrenden Charakters über die gesamte Fläche seines Programms verstreuen, um jenen einen Anreiz zum Zuhören zu geben, bei denen er eine durch Übung erprobte Fähigkeit des ZuhörenJcöijnens erwarten darf und deren Aufmerksamkeit er auch für andere Teile seines Programms gewinnen will.

3. S e n d u n g e n d e r Bildung und E r b a u u n g Das im vorangegangenen Kapitel Gesagte gilt auch für Sendungen, die der Bildung oder der Erbauung dienen sollen. Doch ist hier genauer zu differenzieren. Wie schon die Überschrift zu erkennen gibt, haben wir zur besseren Verdeutlichung und zur schärferen Abgrenzung zu anderen Programmtypen die in sich zusammenhängende Gruppe von Sendungen nadi dem Vorrang ihrer Funktion voneinander getrennt: Nicht alles, was den Menschen bildet, erbaut ihn auch, noch weniger hat vieles Erbauliche irgendeinen Bildungswert. Doch sollte man es auch nicht der reinen Unterhaltung zuredinen. Die Grenzen des Erbaulichen zur Bildung hin scheinen uns enger zu sein, die Ubergänge fließender. Eine Hilfskonstruktion der Strukturanalyse bleibt die Aufteilung ohnehin. Die Rundfunkprogramme aller Anstalten sind voll von Programmelementen, die dieser Gruppe zugehören. Will man ihrer habhaft werden, muß man sie unter folgenden Gesichtspunkten gliedern: 1. Sendungen der Wissenschaft, der epischen Literatur und der Poesie 2. Sendungen der szenischen Darstellung 3. Musiksendungen

1. S e n d u n g e n

der W i s s e n s c h a f t , der und der Poesie

epischen

Literatur

Der Vorrat an Stoff für diesen Sendetypus ist — wie nicht exemplifiziert werden muß — unerschöpflich. Die Form des Vortrags oder des Vorlesens bietet eine völlig ausreichende Handhabe, Wissenschaftler, Gelehrte, Forscher, Weltreisende an das Mikrofon zu holen und sie über Sachgebiete sprechen zu lassen, für die

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man allgemeines Interesse vermuten darf, und gleichermaßen kann man nach dem nie versiegenden Schatz der modernen und der Weltliteratur greifen, um berühmte oder beliebte Schauspieler oder Sprecher daraus vorlesen zu lassen: in Auszügen, als Fortsetzung, in mannigfacher Form. Man kann auch den Hörer an wissenschaftlichen Kongressen teilnehmen lassen, an Podiumsdiskussionen oder an Festansprachen zur Lobpreisung berühmter Zeitgenossen. Und je nach dem Stoff, der ihm angeboten wird, wird der Zuhörer sich erbauen oder bilden. Wird er sich bilden? Die Frage, kaum gestellt, wird bereits wieder fallen gelassen, weil sie in ein Dickicht kontroverser Meinungen führt, die hier nicht einmal in Andeutungen vorgestellt werden können. Nur soviel in unserem Zusammenhang: Von didaktischen Sendungen abgesehen, gibt es im Rundfunk keine Systematik im Inhaltlichen. Er bietet keine wissenschaftliche Kontinuität, keine Ausbildung, keine methodischen Unterlagen. Er ist weder gründlich noch konsequent. Er ist au fonds kein Bildungsinstitut sondern ein Instrument der Publizistik. Er gibt Streiflichter und Aspekte auf Gebieten des Geistes, die man gemeinhin den Grundlagen der Bildung zurechnet. Die oft berufene und geschmähte Diskontinuität des Rundfunks entspringt und entspricht seiner originären publizistischen Aufgabe. Seine Sache ist die Universalität dieser Zeit, die er einzufangen und weiterzureichen hat an ein Publikum, dessen Interessenlage und geistige Potenz weit auseinanderklafft. Die Aussageform des Rundfunkprogramms unterliegt in allen seinen Teilen den Regeln der Publizistik. Sie folgt dem Zeitgeist und auch der Mode. Sie gehört mehr dem Heute an als dem Gestern. Sie ist nicht beständig. Sie vergeht in der gleichen Sekunde, in der sie erscheint, und sie haftet im besten Fall im Gedächtnis der Hörer, die ihr begegnet sind. Darin vor allem liegt die Chance der Programme wissenschaftlichen oder literarischen Typs. Sie stützen den umfassenden Auftrag an den Rundfunk.

2. S e n d u n g e n s z e n i s c h e r

Darstellung

Wir befinden uns auf einem Feld, auf dem etwas differenzierter analysiert werden muß. Wir haben zunächst zu unterscheiden zwischen Sendungen aus dem Bereich a) der Musik b) der Sprache a) Szenische Darstellungen aus dem musikalischen Bereich Sie können hier in einem Satz abgehandelt werden: Es sind ohne Ausnahme Wiedergaben von Opern, entweder Direktübertragungen oder auf Band aufgezeichnete Übertragungen aus Opernhäusern oder berühmten Festspielorten (z. B. Salzburg oder Bayreuth) oder es sind vom Rundfunk

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selbst oder von den Schallplattengesellschaften hergestellte Studio-Aufnahmen, deren Vorzug in der technisch und künstlerisch ausgefeilten Qualität und der beliebig häufigen Wiederholbarkeit liegt. b) Szenisdie Darstellungen aus dem Sprachbereich Das Hörspiel Hier hat sich die Ausdruckskraft des Rundfunks im Laufe der Jahrzehnte zu voller Blüte entwickelt. Alle jene, in diesem Beitrag an anderer Stelle aufgezählten akustischen Variationsmöglichkeiten, die technischer Entdeckergeist sich hat einfallen lassen, werden hier voll entfaltet. Es ist eine neue Kunstform entstanden, die sich in ihrem eigenen selbst geschaffenen, der Realität entrückten Raum bewegt und künstlerische Wirkungen von seltsamer Eindringlichkeit hervorzurufen vermag. Es wäre ein hoffnungsloses und leichtfertiges Unterfangen, sollte hier auf den wenigen verfügbaren Zeilen, die erstaunliche Vielfalt formaler Ausdrucksweise, die dem Autor und Regisseur eines Hörspiels zu Gebote stehen, auch nur in knappen Andeutungen nachgezeichnet werden. Von allem Anfang an, schon in den zwanziger Jahren, hat die schöpferische Lust am Spiel mit neuen überraschenden Effekten einige Schriftsteller den Kontakt zum Rundfunk suchen lassen. Aufnahmen aus dieser Zeit sind noch vorhanden. Eine gewaltige Geräuschkulisse wurde gern bemüht, an Tonmalereien nicht gespart. Die dramatische Literatur wurde herangezogen, bearbeitet, umgeschrieben, dem Medium angepaßt, naturalistisch, realistisch, verfremdet inszeniert, bis schließlich das Hörspiel eigener Form entstand, das in seinen geglücktesten Realisationen die vollkommene Einheit von Sprache, Klang, Ton, Rhythmus, Musik in einem imaginären akustischen Raum herstellte. Aussage, Kunstverstand und Phantasie haben in einigen Hörspielen etwa von Günther Eich einen vollkommenen Ausdruck gefunden, der nur durch den Lautsprecher des Rundfunks erlebbar ist.3

3.

Musiksendungen

Mit dem bisher Gesagten ist die Darstellung dessen, was im Zusammenhang mit dem hier zu behandelnden Thema wichtig ist, auch für diesen Bereich vorweg genommen worden. Die Musikprogramme dieser Gruppe sind gleichsam die »Lockvögel" des Rundfunks für ein gebildetes, kundiges, kulinarisch eingestelltes Publikum. Sie werden 3 Der Verfasser muß es bei diesen wenigen Bemerkungen bewenden lassen. Der Interessierte findet eine ergiebige Literatur vor. Eine umfassende, genaue, detaillierte und engagierte Darstellung des Themas gibt vor allem der Leiter des Hörspiels des NDR, HEINZ SCHWITZKE, „Das Hörspiel".

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entweder aus Konzertsälen direkt übertragen oder als Platten- oder Bandaufnahmen „eingesetzt". Sie umfassen die Literatur von der klassischen und der vorklassisdien Zeit bis herauf zu unserer Gegenwart. Sie sollen den Gebildeten erfreuen und das schlichte Gemüt erbauen. Sie sollen dazu beitragen, den Geschmack zu schulen und das Gehör zu üben.

4. Sendungen der Unterhaltung und Zerstreuung Dies ist das bei weitem umfangreichste Feld des Rundfunkprogramms. Sein unmittelbarer publizistischer Aussagewert ist denkbar gering. Doch ist hier zu wiederholen, was schon mehrfach ausgeführt wurde: Die Unterhaltungssendungen sind der wahre Ohrenfang, sie ziehen noch immer den Hörer am nachhaltigsten zum Rundfunk, sie bilden den Teppich, auf dem der Rundfunk seine gewichtigeren „Botschaften" heranträgt. Weil das so ist, muß auch der Produzent von Unterhaltungssendungen sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, sich vor Routine, Eintönigkeit oder gar Langeweile hüten. Er muß seine Formen variieren, vor allem muß er wissen, was gefällt, heute noch, morgen vielleicht schon nicht mehr, er muß also Spürsinn dafür besitzen, was gerade en vogue oder in Mode ist auf dem von ihm verwalteten Gebiet. Zu seinem Repertoire gehören das Volksstück (auch das Dialektstück), das Lustspiel, der Schwank, die Operette, das Musical, das Quiz-Spiel und das Chanson, das Kabarett und der Jazz, der „blackout" und der Schlager, der „Bunte Nachmittag und -Abend", der Charme des Conférenciers und der Witz des Alleinunterhalters und noch vieles andere mehr. Neben diesem muß er vor allem die Kunst der „Verpackung" beherrschen. Er muß wissen, daß mancher Informationsstoff leichter eingeht, wenn er in eine einschmeichelnde Musiksendung eingebettet ist, und er muß seinen „seriösen" Kollegen behilflich sein, ihr Material auf den Weg zu bringen. Mit seiner Hilfe entsteht das Magazin, das als Aussageform des Rundfunks in den letzten Jahren mehr und mehr in den Vordergrund getreten ist. Es bietet en miniature eine Mischung fast aller Bauelemente eines Programms. Tagesinformationen von der Politik, für die Hausfrau, den Landwirt oder den Autofahrer wechseln ab mit kurzen Reportagen, Interviews, Stellungnahmen und Kommentaren, mit Wettermeldungen, mit Anekdoten oder einem kurzen besinnlichen Wort. Kein Beitrag dauert in der Regel länger als zwei bis drei Minuten, meist ist er kürzer; ihm folgt unterhaltende Musik abgestimmt auf den Geschmack möglichst vieler Hörer, meist eiliger und ungeduldiger Hörer, denen es darauf ankommt, auf eine unterhaltsame Weise auf dem Laufenden gehalten zu werden. Schließlich: die Zerstreuung? Gehört auch sie zu den legitimen Funktionen des Rundfunks? Ist sie eine echte Form der Aussage dieses Mediums? Der Verfasser weiß, daß er manchen Widerspruch erregt, wenn er diese Frage klar mit „ja" beantwortet. Dies soll hier kurz begründet werden:

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H A N S ARNOLD

Der Mensch dieses Jahrhunderts hat seine eigenen — neuen — Maßstäbe. Er ist in eine technische Welt hineingeraten oder hineingeboren, die ihn mit bisher unbekannten Angeboten überflutet. Er kann sich nicht dagegen wehren. Er wehrt sie nicht einmal mehr ab. Er versucht vielmehr sie für sich zu nutzen. Audi lebt er anders als früher mit Seinesgleichen zusammen, mit mehr Menschen als je zuvor um sich herum, und mehr als je für sich allein. Viele Menschen geraten dabei in ein seelisches Spannungsverhältnis, das ihnen Einsamkeit unerträglich macht. So holen sie den Gast ins Haus: das Radio. Sie hören oft gar nicht hin, aber ein Vakuum füllt sich unbewußt bei ihnen auf. Der Rundfunk hat sich dem Lauf der Welt zu unterwerfen, er ist ein Sammelbecken und ein Reflektor seiner Zeit, nicht mehr aber auch nicht weniger. Die Formen seiner publizistischen Aussage sind die Formen der Sprache unserer Gegenwart.

Hörfunk: Programm und Programmstruktur GERHARD PRAGER

1. Übermittlung und Grundgliederung Fast von Anfang an hat man in der Erfindung der drahtlosen Telephonie nicht nur den primären Nutzeffekt der mühelosen Überwindung von Raum und Zeit bei der Übermittlung von Nachrichten oder Daten gesehen, sondern auch die Chance einer breit gestreuten Unterhaltung und Belehrung begriffen. Schon 1919 hielt H A N S BREDOW, Leiter der neuerrichteten Funkabteilung im Reichspostministerium, vor Vertretern der Behörden, Wissenschaft und Presse einen Vortrag über die „zukünftige Nutzung der drahtlosen Telephonie als Mittel der Unterhaltung und Belehrung für alle Bevölkerungsschichten". In diesen Begriffen: „Mittel", „Unterhaltung", „Belehrung" und „für alle Bevölkerungsschichten" klingen schon wesentliche Merkmale des Rundfunks und seines Programms an, wie es sich uns heute, rund ein halbes Jahrhundert später, allenthalben darbietet. „Mittel" (heute sagt man mit etwas erweiterter Bedeutung gern „Medium") ist der Rundfunk vor allem da, wo es noch um ganz praktische, z. T. lebenswichtige Zwecke geht. So können für einen Schiffer die von vielen überhörten Wasserstandsmeldungen eine lebenswichtige oder -erhaltende Funktion bekommen. Als Mittel der Übertragung eines weit entfernt stattfindenden Ereignisses schenkte der Rundfunk dem Hörer das bis dahin nie gekannte Gefühl, unmittelbar bei einem Stück Gegenwart am anderen Ort dabeizusein, und als Mittel der schnellen, ja blitzartigen Information ist dieses Medium seit langem Bestandteil des modernen Lebens. Die „ Unterhaltung", die, vom Unterhaltungseffekt her verstanden, audi das künstlerische Erlebnis mit einbeziehen kann, bildet die zweite große Säule jedes Rundfunkprogramms. Der deutsche Rundfunk, der als „Berliner Radio-Stunde" (später als „Funk-Stunde") am 29. Oktober 1923 zum erstenmal vor sein Publikum trat, wurde dann auch oft, schon aus Unterscheidungsgründen, Unterhaltungsrundfunk genannt. Die „Belehrung" schließlich umfaßt alles, was zwar nicht für den Augenblick brennend oder anwendbar, doch so interessant und wichtig ist, daß man es dem Schatz der menschlichen Erfahrung und Bildung gern hinzufügt. Daß der Rundfunk aus seinen speziellen Möglichkeiten heraus eine eigene Kunstform entwickelt und damit vom reproduktiven zum produktiven Mittel*

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GERHARD PRAGER

werden würde, war wohl damals erst mehr zu ahnen als vorauszusehen. Diese schöpferische Seite des Rundfunks, die mit einemmal neue künstlerische Aussageweisen ermöglichte und neue Daseinsbereidie als Gegenstand dieser künstlerischen Aussage freigab, findet am reinsten im Hörspiel, aber auch im künstlerischen Feature oder Hörbild ihren Ausdruck. Auf ihr liegt seitdem im Rundfunkprogramm ein besonderer Schwerpunkt, der sich auch darin äußert, daß man in der Programmstruktur der meisten Sender das Hörspiel nicht gern unter irgendeinen größeren Aspekt (etwa „Wort" oder „kulturelles Wort") subsumiert.

2. Breitenwirkung „Für alle Bevölkerungsschichten" war der Rundfunk von Anfang an gedacht. Deshalb wirkt sich die Struktur der Bevölkerung und bestimmter Bevölkerungsschichten inhaltlich und organisatorisch auf die Programmstruktur aus. „Frauenfunk", „Landfunk", „Kirchenfunk" und „Jugendfunk" zeigen das Rundfunkprogramm in gewisser Weise als Spiegel der Gesellschaft. Nicht im ästhetisch gesehen zweitrangigen Nacheinander eines Programmtages, das in seiner Vielfalt Verwirrung stiften würde, da es ja den Wünschen vieler zu dienen hat, sondern im längsschnittartigen Nebeneinander immer wiederkehrender fester Sendetermine liegt primär die Kontinuität eines Rundiunkprogramms begründet. Aus der besonderen Offenheit und Eingängigkeit des Rundfunks resultiert eine Öffnung mancher Hörer zu Gebieten oder gesellschaftlichen Phänomenen hin, die sie bisher ignorierten, ein Umstand, der in den Programmüberlegungen durchaus ernst genommen wird. Warum sollte man beispielsweise eine Hausfrau als Schulfunk-„Zaungast" nicht begrüßen? Totalität in der Erfassung möglichst vieler Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Lebens und Vielfalt in der Befriedigung jedes Einzelnen sind zwei entscheidende Programmkomponenten. Rundfunk ist eine Sache der Öffentlichkeit. Er muß sich deshalb mit seinem Programm der Öffentlichkeit stellen und vor dem aus verschiedenen Vertretern des öffentlichen Lebens zusammengesetzten Rundfunkrat, Programmbeirat oder -ausschuß verantworten können. Die Organisationsform der „Anstalt öffentlichen Rechts" hält den Rundfunk und sein Programm ebensoweit vom unmittelbaren Zugriff des Staates wie von der privaten Willkür Einzelner entfernt. Das Programm nimmt deshalb inhaltlich auch immer eine gewisse Mittelstellung ein. Wenn auch die Vielfalt der Stimmen und Ausdrucksformen nicht unterdrückt, sondern im 1

„Reproduktivität und Produktivität im Rundfunk" ist der Titel der 1952 erschienenen Dissertation von Helmut Jedele. Hier liegt eine wichtige Ausgangsbasis für die Theorie des Rundfunkwesens. Es spricht nicht gegen den Rundfunk, sondern eher für seine hervorragende Eignung als publizistisches Medium, wenn mehr als 90 °/o aller Sendungen reproduktiven Charakter tragen und sich seiner gleichsam nur als Transportmittel bedienen.

HÖRFUNK: PROGRAMM UND PROGRAMMSTRUKTUR

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Gegenteil (schon durch die föderalistische Ordnung des Rundfunkwesens und die Existenz mehrerer Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik) gefördert wird, so darf das Programm in seiner Gesamtheit doch nie ein entscheidendes Übergewicht nach einer Seite hin aufkommen lassen. Kommentare, Meinungen und Diskussionen kann man natürlich als solche deklarieren und sie aus der allgemeinen Programmverantwortung ausklammern, desgleichen die Sendezeiten, die man den politischen Parteien etwa im Wahlkampf zubilligt.

3. Das „Normalprogramm" Soweit sie nicht mit Sonderaufgaben betraut sind (wie z. B. die „Deutsche Welle", die die Repräsentanz des Bundes gegenüber dem nahen und fernen Ausland zu wahren hat und deshalb auch ganz in seine Zuständigkeit fällt, oder der „Deutschlandfunk"), läßt sich aus den verschiedenen Rundfunkprogrammen der Bundesrepublik eine Art Normalprogramm ableiten, dessen typische Merkmale in verschiedenen Varianten bei allen Anstalten wiederkehren. Von der Programmdirektion, neben der Technischen und der Verwaltungsdirektion der dritte, für das eigentliche Programm verantwortliche Direktionsbereich einer Anstalt, gehen in der Regel drei Hauptstränge zu den Verästelungen detaillierter Programmarbeit: Politik und Zeitgeschehen, Kultur, Bildung und Erziehung sowie Musik. Sie dokumentieren sich im Gefüge der Anstalt häufig als Hauptabteilungen, die ihrerseits einzelne Abteilungen und Ressorts zusammenfassen. Manchmal gliedert sich auch ein solcher Strang noch in zwei Hauptabteilungen, ohne jedoch in Inhalt, Funktion und Arbeitsweise die Verwandtschaft zueinander zu verlieren. Das Hörspiel, z. T. auch mit ihm zusammen Funkerzählung und Hörbild oder Feature, ordnet man gern als selbständige Abteilung (gelegentlich auch schon Hauptabteilung) direkt der Programmdirektion unter, ebenso die Unterhaltung. Beim Hörspiel ist es vor allem die Eigengesetzlichkeit seiner Kunst, die es vom bloß medialen Charakter des Rundfunks am weitesten abhebt und eine Sonderstellung einnehmen läßt, bei der „Unterhaltung" die übliche Bedeutungsverengung auf das etwas Leichtere, Oberflächlichere, das die Programmerwartungen ganz bestimmter großer Hörerkreise charakterisiert. Ihrem vielfachen und durchaus legitimen Wunsch nach leichter Unterhaltung und nach Entspannung wird durch einen relativ großen Anteil an der Gesamtsendezeit stattgegeben. Diese spezielle Abteilung Unterhaltung hat nichts mit dem Unterhaltungswert fast jeder gelungenen Sendung zu tun. Sie entspringt einem Arbeitsbegriff, keinem Wesensbegriff. Wie fließend auch innerhalb der Abteilung selbst die Grenzen sind, zeigt die Tatsache, daß auch anspruchsvolles literarisches Kabarett unter „Unterhaltung" rangiert.

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In beiden, dem Hörspiel und der Unterhaltung, fällt außerdem auf, daß sie zwischen Wort und Musik stehen, an beiden großen Ordnungsprinzipien des Programms partizipieren oder sie kombinieren können, beim Hörspiel wiederum mit der zusätzlichen originären Kunstäußerung der Hörspielmusik. Im ganzen schafft also der Dualismus: Wort—Musik keine saubere Trennung des Rundfunkprogramms, aber, abgesehen von den eben dargelegten Ausnahmen und bestimmten Mischloimen, z. B. der Verbindung von Kammermusik mit Lyriklesung usw., liefert er von der Produktion her eine nützliche Aufteilung. Die Hauptabteilung Musik hat schließlich Musik nicht nur zu pflegen bzw. abzuspielen, sondern hervorzubringen. Sie ist mit ihren festen Orchestern, Chören und Dirigenten schon als eine Art Kulturinstitut innerhalb des Rundfunks zu betrachten und steht dabei künstlerisch in hohem Ansehen. Das „Wort" andererseits gibt bei „Politik und Zeitgeschehen" wie bei „Bildung und Erziehung" eindeutig den Ton an.

4. „Allve" und Konserve Mit diesen beiden Strängen sind wir im eigentlichen publizistischen Bereich des Rundfunks — und mit „Politik und Zeitgeschehen" sogar bei seiner Domäne. Uber alle Stufen der Aktualität, bis hin zur totalen Aktualität, nämlich der Gleichzeitigkeit von Ereignis, Übertragung und Empfang, reichen seine Möglichkeiten. Natürlich schöpft er diese Möglichkeiten auch in anderen Sparten, etwa bei der Liveübertragung2 einer Musikaufführung aus; bei Politik und Zeitgeschehen aber ist er an den Einsatz dieser Möglichkeiten von der Sache her gebunden, weil Aktualität ein Wesenszug dieser Phänomene ist. Das Neueste ist zunächst einmal das, was zählt, und dementsprechend nützt es dem Informierten. Im Laufe seiner Entwicklung hat der Rundfunk im Gegensatz zur direkten Übermittlung die Ton-Konserve geschaffen und in zunehmendem Maße sinnvoll nutzbar gemacht, von der fast noch totalen Aktualität eines soeben festgehaltenen und rasch noch ins Studio gebrachten oder überspielten Interviews über die nachträglich gestaltete Reportage bis hin zu dem Monate vor der Sendung produzierten und technisch wie künstlerisch perfektionierten Originalband eines neuen Hörspiels. Durch die Möglichkeit, ein Tonband zu schneiden, wie man etwa einen Film schneidet, Dinge wegzunehmen, Teile in eine andere Reihenfolge oder einen anderen akustischen Hintergrund zu stellen, verschiedene Ton-Konserven zu mischen usw., geht dem Rundfunk natürlich etwas von seiner Simultaneität und Spontaneität verloren, und sei es auch nur im Reiz eines sogenannten „Versprechers". Andererseits schaffen diese Verfahren Möglichkeiten der Verdichtung im Künstlerischen wie im Dokumentarischen, die diesen scheinbaren Verlust zu 2

Nach englisch: alive = lebendig.

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einem Gewinn umstempeln, wenn man nur weiß, welches Verfahren, „live" oder Konserve, man im jeweiligen Falle sinnvoller anwendet. Zwischen den Polen der Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit spielt sich auch die Piogiammplanung einer Anstalt ab, indem sie für den aktuellen Bereich nur den „Raster", also beispielsweise eine feste Nachrichtenzeit, auf längere Sicht festlegen kann, während in anderen Bereichen dieser Raster schon mehr oder weniger genau mit Inhalten gefüllt wird. So gleicht das Rundfunkprogramm einerseits dem für die letzte Meldung ausgesparten freien Platz im Satz einer Tageszeitung und andererseits einem Spielplan. Der Vorrang der Aktualität erweist sich jedoch gelegentlich bei unmittelbaren Programmänderungen aus besonders wichtigem und aktuellem Anlaß.

5. P r o g r a m m r a h m e n und Sendezeiten Das Rahmenprogramm ist nicht nur ein festes Zeitschema, sondern legt auch die geistige Linie des Programms für mindestens ein halbes Jahr im voraus fest. Diese geistige Linie trägt in nicht unmaßgeblicher Weise den persönlichen Stempel des betreffenden Programmdirektors und des Intendanten. Unter Berücksichtigung der großen jahreszeitlichen Einschnitte hat sich bei allen deutschen Rundfunkanstalten die Praxis herausgebildet, getrennte Rahmenprogramme für den Winter und für den Sommer zu entwerfen: das Winterprogramm und das Sommerprogramm. Die Sendezeit bzw. Zeitstelle innerhalb des Tages- oder Wochenablaufs ist ein wichtiger Gesichtspunkt in der Programmplanung. Es gibt bevorzugte Zeiten, zu denen sehr viele Hörer willens und in der Lage sind, Rundfunk zu hören, z. B. die Zeit zwischen 19 und 22 Uhr, und weniger günstige Zeiten, weil der Arbeitstag oder die fortgeschrittene Stunde das Rundfunkhören kaum erlauben. Hier bei der Belegung der besten Zeiten zwischen der Wichtigkeit des Anliegens und dem Wunsch der Mehrzahl zu vermitteln, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Bei gezielten Sendungen stellt sich das Problem einfacher. Der Schulfunk, der ja nicht mit der Schule konkurrieren will, sondern ein freies Angebot des Rundfunks an die Schulen ist, hat nur Sinn, wenn seine Ausstrahlung in die Schulzeit fällt; der Landfunk redet an seinen Hörern vorbei, wenn er die Mehrzahl der Landwirte und der Landbevölkerung überhaupt nicht zu Hause antrifft usf.

6. Zweite und dritte P r o g r a m m e Die zweiten und die im Ausbau befindlichen dritten Programme der Sender erlauben es, die statistisch gesehen beliebteren Zeiten mit „unbeliebteren" (und deshalb vielleicht gerade wertvollen) Sendetypen zu belegen. Das schafft für den 22 Publizistik II

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Zuhörer eine größere Wahlmöglichkeit und läßt Minderheiten nicht erst zu nachtschlafender Zeit (in sogenannten „Naditstudios") zu ihrem Recht kommen. Am Ausgangspunkt dieser zusätzlichen Programme stand die Idee des „versetzten Programms", in dem die gleichen Inhalte nur zu anderen Sendezeiten als im Hauptprogramm ausgestrahlt werden sollten. Ohne dieses Kontrastbestreben aufzugeben, ging die Entwicklung dann in Richtung auf eine besondere inhaltliche Prägung zum Anspruchsvolleren hin weiter. Die zweiten Programme sind, schon in der Programmstatistik ablesbar, durch die Bereitstellung größerer Teile des Sendevolumens für anspruchsvollere Dinge, im Niveau beträchtlich gehoben. Die dritten Programme haben teilweise den Charakter von Studienprogrammen. Sie führen z. B. langfristige Fortgeschrittenen-Sprachkurse durch oder bieten ein akademisches Studienkolleg. Andererseits nehmen sie sich einer Aufgabe ein, deren Notwendigkeit immer brennender geworden ist: sie gestalten Sendungen „Für ausländische Arbeitnehmer". Diese fragmentarische Beschreibung soll nur andeuten, wohin die Entwicklung geht und in wievielen Bereichen es dem Rundfunk möglich ist, den Konsumenten zu erreichen und ihn auf immer neue Weise durch neue Angebote zu Konsumenten zu machen. Abgesehen von dem großen programmbildenden Potential der meisten Sender ist dies der segensreichen (übrigens auch empfangsverbessernden) Erfindung der Ultrakurzwelle (UKW) zu danken, innerhalb deren Bereich den Sendern viel mehr Frequenzen zur Verfügung stehen als im Mittelwellen-Bereich.

7. Programmbildende Abteilungen und Ressorts Eine derartige Fülle von Aufgaben und der regellos den Funkhäusern zufließende Programmstoff bringen es mit sich, daß die Rundfunkanstalten ohne eine gewisse Schabionisierung bei der Aufgabenzuweisung und ohne klare Kompetenzen nicht auskommen. So haben sich innerhalb der vorstehend charakterisierten Hauptstränge der Programmarbeit bestimmte Ressorts gebildet, deren Bezeichnung zwar nicht überall die gleiche ist, die aber dennoch inhaltlich und methodologisch kongruent sind. „Politik und Zeitgeschehen" versieht den Aktuellen Dienst einer Anstalt. Ihr Leiter führt die Dienstbezeichnung „Chefredakteur". Der Chefredaktion unterstellt sind in der Regel die Politische Redaktion und die Nachrichtenredaktion. Während die Politische Redaktion für alle Kommentare, Interviews, Vorträge, Korrespondentenberichte und bestimmte Sondersendungen zuständig ist, obliegt der Nachrichtenredaktion oder -abteilung der reine Nachrichtendienst. Ihr steht eine moderne und schlagkräftige Nachrichtenapparatur zur Verfügung. Neben den eigenen Korrespondenten fungieren die großen Nachrichtenagenturen als Anlieferer für aktuelles Material. Aber auch andere Quellen werden — mit der gebotenen Vorsicht — ausgewertet. Die reinen Nachrichten haben am Gesamtprogramm immer-

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hin einen Anteil von 8—9 %>. Das ist ein Wert, der, auf einen ganzen Sendetag umgerechnet, bei 100 Minuten liegt. Das täglich bei den Sendern anfallende Nachriditenvolumen übersteigt indessen diesen Bedarf noch um ein Mehrfaches. Es ist selbstverständlich, daß die Auswahl der Nachrichten nach ihrer Bedeutung und nach dem Grad ihrer Verbürgtheit erfolgt. Jede Anstalt verfügt auch über ein eigenes Korrespondentennetz im In- und Ausland. Gelegentlich wird allerdings das Netz der Auslandskorrespondenten aus finanziellen und organisatorischen Gründen von mehreren Sendern gemeinsam getragen. Die Arbeit in der politischen Abteilung gliedert sich meist nach Innenund Außenpolitik. Doch ist auch durchaus eine weitere Spezifikation, z. B. auf das Ressort „Ostfragen", möglich. Gleichfalls zur Hauptabteilung Politik und Zeitgeschehen gehören: der „Zeifiunk", der „Sportfunk" und fast immer auch der „Landfunk' und der „Wir tschat tsfunk'. Der Zeitfunk leistet den aktuellen Übertragungsdienst mit Hilfe von Übertragungswagen oder einfachen Tonaufnahmegeräten. Das vom Zeitfunk auf seinen Reportagefahrten erarbeitete oder von weither überspielte Material findet in einer regelmäßigen täglichen Sendung" ihren Platz. Das Aufgabengebiet des Sportiunks umschließt die aktuellen Sportübertragungen, ferner Sportberichte, Sportglossen und Sportnachrichten (einschließlich der Ergebnisse von Toto und Lotto). Die Sportsendungen, insbesondere die Übertragungen, haben neben den Nachrichtendiensten eine bedeutende Anzahl von Stamm-Hörern. Der Wirtschaftsfunk hat seine Hauptklippe darin, die für Laien oft schwierige Materie möglichst populär darzustellen. Der Landfunk dagegen profitiert von einer größeren Lebendigkeit und Natürlichkeit seiner Themen. Hier ist auch der Faktor des persönlichen Angesprochenseins, womöglich noch in der gewohnten Mundart, viel naheliegender. Beiden Ressorts ist jedoch gemeinsam, daß sie in ständiger Fühlung mit den zuständigen Gremien, Verbänden, Forschungsinstituten usw. stehen. Da sich fast jede soziologisch bestimmbare Gruppe auch nach außen hin im öffentlichen Leben in irgendeiner Weise formiert, gehört die eine Hälfte der Rundfunkarbeit dieser offiziellen oder offiziösen Seite. Die andere Hälfte aber gilt der Bemühung um das Individuum innerhalb dieser öffentlichen Manifestationen, manchmal auch im Widerstreit mit ihnen. „Kultur", „Bildung" und „Erziehung' — unter diesen Begriffen sammelt sich eine andere große Gruppe des Rundfunk-Wortprogramms. Eine Literarische Abteilung hat jedes Funkhaus. Sie pflegt wertvolles literarisches Gut aus der Vergangenheit und bemüht sich ebenso um das Verständnis der modernen Literatur. Dies aber nicht nur in kritischen Äußerungen oder Analysen von Buchmessen und literarischen Treffen, in denen sie ihrer Chronistenpflicht nachkommt, sondern * Z. B. „Echo des Tages* oder , Zeit im Funk*. 22*

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auch in direkter Lesung neuer Erzählungen und Gedichte. Hiermit greift der Rundfunk eine Form auf, die im öffentlichen Veranstaltungsleben unserer lauten Zeit vielleicht ohne ihn schon längst übertönt worden wäre und die wie auf ihn zugeschnitten erscheint. Problematisch ist die sogenannte Dichterlesung im Rundfunk, d. h. die Rezitation von Lyrik oder auch Prosa durch den Autor selbst. Schriftsteller sind häufig sprecherische Laien und keine guten Interpreten ihrer eigenen Werke. Andererseits hat das Mikrophon eine entlarvende Kraft. Ohne die leibhaftige Anwesenheit des Dichters kann der Hörer, auf das womöglich wenig ästhetische Erlebnis der Stimme eingeengt, leicht desillusioniert werden. Was jedoch eine Dichterlesung, sofern sie auf Magnetophonband aufgenommen wird, jenseits künstlerischer Aspekte zu einem besonderen Rang erhebt, ist ihr dokumentarischer Charakter, überhaupt hat die Tonkonserve, von diesem scheinbar so flüchtigen Medium Rundfunk mitentwickelt, neue Möglichkeiten der Archivierung, des Festhaltens von lebendigen Vorgängen für spätere Zeiten, geschaffen. Das Ressort der „Kulturkritik' hat sich mit dem kulturellen Leben im weiteren Sinne, Bühnenaufführungen und Vorgängen aus dem Musikleben zu befassen. „Kirchenfunk", „Frauenfunk", „Jugendfunk", „Schulfunk", „Kinderfunk", „Hörbild" oder „Feature" und „Nachtstudio" runden die Intentionen dieses Bereiches und zugleich das Bild seiner Ressorts und Abteilungen ab. Dem „Kirchenfunk" kommt eine gewisse Sonderstellung zu, denn in bezug auf den Gesamtkomplex „Kirchliche Sendungen" besteht eine zwischen Kirchen und Kirchenfunkabteilung geteilte Programmverantwortung. Gottesdienst-Übertragungen, Morgenfeiern und Andachten werden von den Kirchen verantwortet und in eigener Hoheit gesendet. Die übrigen, nicht unmittelbar der Verkündigung dienenden religiösen Sendungen gestaltet und verantwortet der Kirchenfunk: so etwa biblische Hörspiele und Hörfolgen, Reportagen, Lesungen, Sendungen für Kranke u. a. Der Frauenfunk dokumentiert sich in relativ kurzen, aber dafür recht zahlreichen Sendeeinheiten. Da die Hausfrauen tagsüber das Gros der Hörerschaft ausmachen, ist die breite Berücksichtigung ihrer Interessen naheliegend. Die Themen sind nahezu unerschöpflich. Reine Informationssendungen mit großer Materialfülle und Glossen zu praktischen Fragen der Daseinsbewältigung stehen dabei im Vordergrund. Immer wieder taucht auch das Problem der alleinstehenden Frau und ihrer sozialen Vereinsamung auf. Mit dem Schulfunk begann man schon in der Frühzeit des Rundfunks (bei der damaligen N O R A G in Hamburg) zu experimentieren. Heute ist er ein nicht mehr wegzudenkender fester Programmbestandteil. Der Schulfunk will den Lehrer nicht ersetzen, sondern ihm lediglich Hilfestellung im Unterricht leisten. Er arbeitet eng mit pädagogischen Stellen zusammen. Meist ist den Schulfunkabteilungen ein Schulfunk-Ausschuß bzw. Schulfunk-Beirat zugeordnet, in dem Kultusministerium, Lehrerverbände und pädagogische Akademien vertreten sind. Auf die Schulfunkarbeit kommen immer wieder die vier folgenden Probleme zu: Stoffgliederung,

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Altersstufengliederung, Form der Einzelsendung, Autorenfrage. Die Stoffgliederung ist nicht restlos identisch mit der Einteilung der Schulfächer, sondern hält sich an die besonderen Gegebenheiten des Rundfunks. Die zumeist drei Altersstufen umfassen jeweils mehrere Klassen. Bei der Gestaltung der Sendungen ist die illustrative Szene nicht ohne Grund das am häufigsten verwendete Formelement, und die Empfänger der Schulfunksendungen bestätigen immer wieder, daß diese Darstellungsweise gefällig und eingängig ist und das stärkste Hörerlebnis sowie den besten Erinnerungswert vermittelt. Nirgends so sehr wie im Schulfunk feiert die Hörfolge, diese manchmal als charakterlos verschrieene funkische Form, Triumphe. Sie ist mit ihrer fast unbegrenzten Vielgestaltigkeit die eigentliche Gebrauchsform des Mikrophons. Zu ihren Mitteln gehören neben der illustrativen Szene unter anderem der Dialog, der einfache Sadibericht, die Originalreportage, das Interview, die Diskussion, gestellt oder echt, der verbindende Sprecherpart, ferner Zitate, Geräusche und musikalische Ausdrucksformen aller Art. Im Kinderfunk hat man die Erfahrung gemacht, daß nicht nur alte, zeitgemäße oder utopische Märchenspiele die kindlichen Hörer interessieren, auch nicht nur die Dramatisierung erfolgreicher Kinderbücher, sondern daß die willkommensten und lebendigsten Sendungen zweifellos jene sind, in denen Kinder für Kinder singen, erzählen, spielen oder raten. Der Kinderfunk hat die anhänglichsten, aber auch die kritischsten und, was die Hörerpost betrifft, schreibfreudigsten Hörer. über die produktive Rolle der Hauptabteilung Musik mit ihren verschiedenen künstlerischen Intentionen und Ensembles wurde schon gesprochen. Es läßt sich hinzufügen, daß der Rundfunk auch selber Kompositionsaufträge vergibt und Wettbewerbe veranstaltet, auf der Suche nach Werken, die im Rundfunk ihren idealen Aufführungsmodus finden, die „Funkoper" z. B. Die Erforschung und Entwicklung elektronischer Musik gehört in seinen Interessenbereich, und nicht zuletzt ist es die Erfindung der Stereophonie, die in der Musik wie auch im Hörspiel ein nicht nur mediales sondern produktives Neuland in Sicht bringt. Stereo-Programme gehören mittlerweile fast schon zum Rundfunkalltag. Die verschiedenen Arten von Musik, die es neben der ernsten Musik noch gibt (Unterhaltungsmusik oder Volksmusik), beliefern natürlich auch die anderen Sparten, so die Unterhaltungsmusik den „Bunten Abend", die Volksmusik den Heimatfunk usw. Unstillbar wie der Hunger des Publikums nach Unterhaltung ist das Verlangen der Unterhaltungsabteilungen nach neuen, noch unverschlissenen Formen. Der Bedarf ist immens, der Anteil am Gesamtprogramm der höchste überhaupt. Unterhaltendes Wort, unterhaltsame Szenen und Sketche, leichte Musik und öffentliche Spiel-Veranstaltungen wie Quiz-Sendungen sind die Grundformen, in deren Anwendung und Verbindung man das Programm immer wieder zu variieren sucht. Der „Bunte Abend" und die Schallplatten-Plauderei sind zwei der beliebtesten Mischformen zwischen Wort und Musik. Meist rechnet man auch den Jazz zur Unterhaltung, obwohl auch schon kombinierte Sendeformen zwischen Jazz und

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moderner Lyrik möglich waren — ein Beweis, wie fließend hier die Grenzen sind. Dem literarisch-satirischen Kabarett sind vor dem Mikrophon Grenzen gesetzt: der Rundfunk ist eine andere umfassendere, empfindlichere Art von Öffentlichkeit als etwa die Kabarettbühne, und um so empfindlicher sind auch die Ausschläge in der Reaktion.

8. Das Hörspiel und seine Produktion Der Gebrauch des Wortes Hörspiel im Sinne einer Gattungsbezeichnung geht auf zurück. Er prägte und deutete 1 9 2 4 das Wort „Hörspiel" erstmalig innerhalb des funkischen Bereichs und bezog es auf „... das arteigene Spiel des Rundfunks ...", „... das in uns die Illusion einer unmittelbar — vor unserem Ohr — sich abwickelnden lebendigen Handlung zu erwecken vermag..." Seit dieser Zeit ist das Hörspiel ein gesicherter literarischer Formbegriff wie etwa das Drama, der Roman oder das Gedicht. Schwieriger ist es schon, das Hörspiel nach seinen Wesensmerkmalen zu bestimmen. Schon die groben Einordnungsversuche in eine der Kategorien: „lyrisch", „episch" oder „dramatisch' scheitert an der partiellen Verwandtschaft des Hörspiels mit allen dreien. Die alten aristotelischen Einheiten von Zeit, Ort und Handlung sind aufgehoben, gelten nur bedingt oder sind spezifisch abgewandelt. Eine autonome Dramaturgie des Hörspiels als gegeben anzunehmen, bedeutet im Grunde tatsächlich nichts anderes als die radikale Abwendung von der Dramaturgie der Schaubühne. Seine Elemente sind Sprache, Ton, Geräusch und Musik. Aber, was die Sprache betrifft, so ist es ein fundamentaler Unterschied, ob jemand über die Rampe des Theaters hinweg angesprochen wird, oder ob ein Unsichtbarer aus dem Lautsprecher das Wort an ihn richtet. Das Geräusch als konstitutives Element der Wirklichkeit oder als Symbol für Inneres oder Transzendentes, die Stimme als Inbegriff eines lebendigen Ganzen — so verwendet sind diese Kunstmittel erst mit dem Hörspiel ins Leben getreten. Das Hörspiel hat die Möglichkeit, das moderne Phänomen des „inneren Monologs" hörbar zu machen und sich wirklich ereignen zu lassen. Die Sprache wird, gerade durch die Unterlegenheit des Gehörs gegenüber dem Gesichtssinn, zu ganz neuen Leistungen beflügelt. Dies sind nur einige der vielen Faktoren, die es Theoretikern wie Praktikern so schwer machen, eine festumrissene und vollständige Dramaturgie des Hörspiels zu schreiben. Das bisher wohl bedeutendste und fundierteste Werk über das Hörspiel stammt von H E I N Z SCHWITZKE 4 . Der Name dieses Praktikers ist mit der Entwicklung des Hörspiels nach 1950 untrennbar verbunden. Es gibt eine Reihe von dramaturgischen Faustregeln, es gibt handwerkliche Kniffe und technische Möglichkeiten — das genügt, um innerhalb dieser Kunstform nun schon seit Jahrzehnten eine immer wieder erstaunliche Aktivität und Originalität zu entfalten. Hier haben H A N S S . VON HEISTER

* SCHWTZKE,

H.: Das Hörspiel — Geschichte und Dramaturgie. Berlin

1963.

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Hunderte von jungen Autoren mit ihren Werken debütiert. Jährlich kommen allein in Deutschland — allerdings auch zum Teil von ausländischen Autoren — über hundert neue Originalhörspiele hinzu. Viele gedruckte Hörspiele und Hörspielsammlungen zeigen auch rein äußerlich die Verankerung des Hörspiels im literarischen Bewußtsein. Das deutsche Hörspiel hatte schon vor dem Krieg, Ende der Zwanzigerjähre eine Hochblüte. Nach 1945 ist die Geschichte unseres Hörspiels von zwei Ereignissen markiert: der Erstsendung von WOLFGANG BORCHERTS Hörspiel ,Draußen vor der Tür" (1947) und dem Hörspielschaffen GÜNTER EICHS, das mit dem Spiel .Träume' (1950) zum entscheidenden Durchbruch kam. Beide haben im Bereich der Rundfunkdichtung, zusammen mit vielen anderen berühmt gewordenen Namen, unverrückbare Maßstäbe gesetzt. Die Produktion eines Hörspiels ähnelt im Aufnahmeverfahren demjenigen des Films, nur das in dem einen Falle das Magnettonband, in dem anderen der Zelluloidstreifen zur Fixierung und Konservierung der darstellerischen Vorgänge dient. Auch hier kennt man die „Cutterin" oder den .Aufnahmeleiter". Auch hier wird, wie beim Film, die Chronologie nach organisatorischen Überlegungen und Darstellerterminen eingerichtet und manchmal gegenüber dem Ablauf des Werkes völlig umgestellt. Die Produktion erfolgt in einem eigenen Hörspiel-Studio (es gibt auch Musik- und Unterhaltungsstudios), das in mehreren schalldicht abgeschlossenen Räumen verschiedene räumliche Grundillusionen bis zum Freiton oder Hallton zu erzeugen vermag. Die Stellung und Schaltung der Mikrophone erlaubt dann auf diesen Grundkomponenten eine praktisch unbegrenzte Zahl von Variationsmöglichkeiten. Die einzelnen Sprechräume, wie auch der Aufnahme- und Einblendungsraum, sind gegen den Regieraum akustisch abgeschirmt, haben jedoch immer Sichtverbindung und können durch einen sogenannten Kommandolautsprecher erreicht werden. Zum Aufnahme-Team des Hörspiels gehören der Regisseur, der Toningenieur, der Aufnahmeleiter und zwei Tontechniker bzw. Tontechnikerinnen für die Aufnahme- und die Einblendungstechnik. Dank verschiedener Abspielvorrichtungen ist es ohne weiteres möglich, etwas momentan Aufgenommenes mit einer dazu eingespielten Tonkonserve zu einer unauflöslichen neuen akustischen Einheit zu vermischen. Wie beim Film ist auch hier die Blende ein wichtiges Kunstmittel. Sie hat hier sogar noch deutlichere Funktionen, weil sie nicht nur den Zuhörer in eine andere Zeiteinheit, sondern auch in eine andere Raumillusion, realer oder surrealer Art, hinüberführen hilft. Am Schluß der Produktion werden, bereits in Abwesenheit der Darsteller oder Sprecher, die einzelnen Aufnahmen während eines sogenannten Schneidetermins „verblendet", d. h. sie werden chronologisch geordnet und miteinander verbunden. Nach einem letzten Abhören wird die Produktion für sendefertig erklärt, nachdem zuvor das Urband mit seinen vielen Klebestellen auf ein zusammenhängendes Sendeband überspielt worden ist. Dieser Produktionsvorgang gibt, sinngemäß abgewandelt, auch eine Vorstellung von der Produktion anderer Sendetypen.

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9. Sprache im Rundfunk Die sprachformende oder spracherweckende Kraft des Rundfunks zeigt sich nicht nur im Hörspiel. Aus der Notwendigkeit, eine Nachricht klar und deutlich und nur für das einmalige Hören zu formulieren, hat der Rundfunk für die Entwirrung der Sprache und die Verknappung sonst ins Uferlose geratender Satzperioden viel getan. In anderer Richtung brachte er die Sprache im Reportage-Stil zum Aufblühen. Der Rundfunkreporter soll mehr sein als nur Berichterstatter. Seine persönlichen Wahrnehmungen gibt er, indem er Auge und Gedanken geistesgegenwärtig in den Dienst der Schilderung stellt, an den „blinden" Hörer weiter. Die Sprache muß für diesen Hörer gleichsam „sehen", und wo ein guter Reporter mit der verfügbaren Sprache nicht auszureichen meint, muß er notgedrungen in ihr schöpferisch werden. Die anspruchsvolle Schilderung mit ihren präzisen Details und zugleich ihrem großen Atem ist es wohl in der Hauptsache, die manche künstlerische Hörfolge entscheidend befruchtet und in den Rang des Hörspiels erhoben hat. Das Schilderungserlebnis, durch das Medium Rundfunk zum erstenmal so aktuell empfunden, hat somit auch den Stil der Konserve mitgeprägt. Auch in der An- und Absage, die z. T. die geschriebenen Überschriften ersetzen, in der Zwischenansage, der improvisierten Conférence, in Interview, Gespräch und Diskussion hat das akustische Medium seine eigene Sprache ausgebildet und ein Gegengewicht gegen das nur noch geschriebene und gelesene Wort geschaffen.

10. Weitere Programmaufgaben Neben den programmbildenden Kräften, die zweifellos das Gros im Programmdirektionsbereich ausmachen, gibt es noch einige Instanzen, die betreuend, organisierend und werbend dazu beitragen, daß das Programm erstens überhaupt produziert und zweitens der Öffentlichkeit in rechter Weise übergeben werden kann. Dem Büro des Programmdirektors ist meist eine sogenannte „Programmredaktion" angeschlossen, die in der Fixierung der Programmvorschläge und in der rechtzeitigen systematischen Information der Rundfunkfachpresse und der Tageszeitungen über das Programm ihre Aufgabe hat. Eine besondere Hauptabteilung bildet meist noch die Sendeleitung. Der Sendeleiter, üblicherweise der Vertreter des Programmdirektors, hat den Studiobetrieb und den Programmablauf zu ordnen und zu überwachen. Er bildet die Kontaktstelle von der Programmdirektion zur Technischen Direktion; denn für die Herstellung und die Ausstrahlung des Programms sind Techniker und technische Geräte vonnöten. — Für die künstlerische Seite der Herstellung ist dann die Produktionsabteilung oder -hauptabteilung zuständig, an ihrer Spitze der Oberspielleiter. Er vergibt die Regieaufgaben und leitet das Besetzungsbüro, das für das Engagement der Mitwirkenden sorgt. Programmaustausch, Hörerforschung,

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Nachwuchsförderung und, da ja die überwiegende Anzahl der Autoren aus freien Mitarbeitern besteht, Honorar- und Lizenzlragen runden den Aufgabenbereich der Programmdirektion ab und haben z. T. ihre eigenen Ressorts. Eine umfangreiche Bibliothek und ein reichhaltiges Schallarchiv sind unabdingbare Voraussetzungen für eine gute und fundierte Programmarbeit. Die Zahl der archivierten Tonkonserven hatte beispielsweise beim WDR schon 1958 die Hunderttausend überschritten, Außenstudios Die meisten Sender haben sich in ihrer Struktur etwas dezentralisiert und an bestimmten Schwerpunkten ihres Sendebereichs kleinere Studios errichtet. Ihnen obliegen die regionalen Sendungen, etwa die Pflege des Heimatlichen im engeren Sinne („Heimat") und der Mundart; manchmal werden sie aber auch mit besonderen Teilen des Programms überhaupt betraut. So findet man z. B. im Landesstudio Freiburg des Südwestfunks ebensowohl noch ein festes Unterhaltungsorchester als auch die Redaktionen für Schul- und Jugendfunk. Werbefunk Der Werbefunk ist eine Sondersparte des Rundfunkprogramms. Seine Programme fallen zwar in die unbegrenzte Verantwortung der Rundfunkanstalten, werden aber organisatorisch jeweils von einer GmbH betreut. Einerseits begründet man die Werbung mit einem Recht des Hörers auf Information über führende Produkte des Marktes, andererseits sieht der Rundfunk in den ihm zufließenden Einnahmen eine willkommene Quelle, den Etat zu stärken und damit wiederum das Programm zu verbessern. Da für die reine Werbezeit innerhalb des deutschen Rundfunks Höchstgrenzen festgesetzt sind, ist das niveaubewußte Rundfunkprogramm dadurch nicht wesentlich in Gefahr, zumal der Werbefunk ihm zwischen den einzelnen „Werbespots" die Aufgabe der leichten Unterhaltung zu einem nicht unbeträchtlichen Teil abnimmt. Verlagerung

des P r o g r a m m in t e r e s s e s

Zweifellos hat infolge der gewaltigen Ausbreitung des Fernsehens der Rundfunk diesem jüngeren Medium bestimmte Programmaufgaben mehr oder weniger abtreten müssen. Das Gefühl des Dabeiseins bei einer Direktübertragung ist eben im optischen Medium stärker. Dinge und Vorgänge, die der Demonstration bedürfen, erklären sich durch das Gezeigtwerden wie von selbst; bei Fremdsprachenkursen braucht man nicht zu buchstabieren, sondern bringt das neue Wort einfach auf den Bildschirm usw. Es wäre jedoch falsch, diese Entwicklung als Konkurrenzkampf zu sehen. Die Tatsache, daß er hier Ballast abwirft, hilft dem Rundfunk, sich auf sich selbst und

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seine Stärken zu besinnen. Er gleicht sich neuen Aufgaben schneller an. Er ist leichtfüßiger und weniger schwerfällig in der direkten Übermittlung, weil sein Apparat „schlanker" ist und zu entlegeneren Stellen durchdringen kann als ein Fernseh-Aufnahmeteam. Und schließlich ist die Emplangssituation günstiger. Während der Fernsehzuschauer ständige Blickverbindung zu seinem Empfänger haben muß, kann man Rundfunk auch „nebenbei" hören, ohne doch an Aufmerksamkeit nachzulassen. Der Hörfunk folgt dem Autofahrer auf seinen Reisen und dem Spaziergänger in den Wald, die Verantwortung für einen sinnvollen Gebrauch wie immer dem Menschen selbst überlassend.

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Wirkung des Rundfunks ELISABETH

NOELLE-NEUMANN

Die Frage nach der Wirkung des Rundfunks ist zum großen Teil eine historische Frage, und zwar aus zwei Gründen. Auf den Platz, den der Rundfunk als Medium aktueller Information und Unterhaltung bis in die Mitte der 50er Jahre innehatte, hat sidi zu einem erheblichen Teil das Fernsehen geschoben; insbesondere von einer politischen Wirkung des Rundfunks kann man heute unter normalen Verhältnissen kaum mehr sprechen. Bei voller Ausbreitung des Fernsehens, wie sie 1966 in England mit 90 Prozent Fernsehhaushalten anzunehmen ist, erreichen die Abendsendungen des Rundfunks selten mehr als ein bis zwei Prozent der Bevölkerung1. In Deutschland haben sich bisher die Hörerzahlen der Früh- und Mittagsnadiriditensendungen nicht vermindert. Man kann morgens um 7 Uhr mit 15 Prozent, mittags mit 12 bis 18 Prozent Hörbeteiligung rechnen2. Es fehlt aber an Untersuchungen, ob diese Nachrichtensendungen die politische Einstellung der Hörer beeinflussen. Die Frage nach der Wirkung des Rundfunks ist aber außerdem von historischer, nämlich wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung, weil sich vor allem ein Untersuchungen über die Wirkung des Rundfunks in den 30er und 40er Jahren die amerikanische Massenkommunikationsforschung entfaltete. In den Vereinigten Staaten siegte 1932 Franklin D. Roosevelt in den Präsidentschaftswahlen, obgleich er die Presse des Landes überwiegend gegen sich hatte8. Das erschütterte den Glauben an die Macht der Presse, der seit dem Erfolg der alliierten Propaganda im ersten Weltkrieg geherrscht hatte. Dafür hielt man jetzt unter dem Eindruck der Rooseveltschen „fireside chats", seiner „Plaudereien am Kamin" und seiner „golden voice" den Rundfunk für das wirksamste politische Beeinflussungsmittel4. 1

BBC, Audience Research Department: The 1966 General Election, April 1966, S. 6. Reichweite der Nachrichten des Süddeutschen Rundfunks um 7 Uhr: 16 Prozent, um 12.30 Uhr 18 Prozent. — Allensbacher Archiv: IfD-Bericht 1178, II, S. 7, Tab. 3. — Reichweite der Südwestfunk-Nachrichten Montag—Freitag um 7 Uhr: 15 Prozent (im Winter und Sommer). Um 12.50 Uhr im Winter: 12 Prozent, im Sommer: 14 Prozent. — Allensbacher Archiv: IfD-Bericht 1202, II, S. 4, Tab. 1. 3 MOTT, F. L.: Newspapers in Presidential Campaigns. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 8, 1944, S. 348—367, insbes. S. 358. 4 POHLE, H.: Der Rundfunk als Instrument der Politik, Hamburg: Verlag Hans Bredow1

WIRKUNG DES RUNDFUNKS

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Zwei besonders aufsehenerregende Ereignisse dieser Jahre demonstrierten die Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks. Ein Hörspiel: „Invasion from Mars" (Orson Welles, 31. 10. 1938, 20—21 Uhr) löste eine Panik im. ganzen Land aus, und eine „Marathon-Kampagne" für die Zeichnung von Kriegsanleihen durch den Rundfunkstar Kate Smith brachte am 21. Sept. 1943 zwischen Beginn 11 Uhr vormittags und Ende etwa 2 Uhr nachts Zeichnungen in Höhe von 39 Millionen Dollar Kriegsanleihe". Als Fallstudien wurden beide Ereignisse sozialpsychologisch analysiert und Grundsätze der Massenbeeinflussung über den Rundfunk daraus abgeleitet®. Als „Office of Radio Research", finanziell ermöglicht durdi Zuwendungen der amerikanischen Rundfunkgesellschaft CBS (Columbia Broadcasting System), beginnt in diesen Jahren zunächst in Princeton, dann ab 1940 an der Columbia University in New York unter Leitung von Paul F. Lazarsfeld, was später das „Bureau of Applied Social Research" wurde, ein Forschungszentrum, aus dem zahlreiche wichtige Arbeiten auf dem Gebiet der Massenkommunikationsforschung und allgemein der empirischen Sozialforschung hervorgegangen sind. Einen Querschnitt davon geben die drei Bände Radio Research 1941, 1942—1943, und Communications Research 1948—19497. Besonders starke Wirkungen sind von der Studie ausgegangen, mit der die Meinungsbildung im amerikanischen Wahlkampf von 1940 untersucht wurde (The People's Choice: How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign)8, zweifellos in erster Linie angeregt von der Absicht, den Einfluß des Rundfunks zu beobachten. Ebenfalls hat eine Serie von Studien über die „Daytime Serials", die „Soap Operas" (Liebes-, Ehe-, Familiendramen in Hörfolgen, für das Hausfrauenpublikum bestimmt) wissenschaftlich große Bedeutung gewonnen*. Institut, 1 9 5 5 , S . 2 6 9 . HOVLAND, C. I.: Effects of the Mass Media of Communication. In: Lindzey, Gardner (Hrsg.): Handbook of Social Psychology, 3. Aufl., Reading, Mass.: Addison-Wesley Publishing Co., 1959, Bd. II, S. 1070. • MERTON, R. K.: Mass Persuasion. The Social Psychology of a War Bond Drive, New York and London: Harper, 1946. Bei der vierten (von Merton nicht mehr analysierten) Kampagne von Kate Smith wurden, einige Monate später, sogar Kriegsanleihen für 110 Millionen Dollar gezeichnet (Merton, a.a.O., S. 178). 6 CANTRJL, H.: Invasion from Mars, Princeton University Press 1947. M E R T O N : Mass Persuasion, a.a.O. 7 LAZARSFELD, P. F . : Radio and the Printed Page: An Introduction to the Study of Radio and its Role in the Communication of Ideas, New York: Duell, Sloan & Pearce, 1940. — LAZARSFELD, P. F . ; S T A N T O N , F . N. (Hrsg.): Radio Research 1942—1943, New York: Duell, Sloan & Pearce, 1944. — LAZARSFELD, P. F . ; STANTON, F. N. (Hrsg.): Communications Research 1948—1949, New York: Harper, 1949. 8 LAZARSFELD, P. F . ; BERELSON, Bernard; GAUDET, Hazel: The People's Choice, New York: Columbia University Press, 1944, 6. Auflage, 1965. • HERZOG, H . : What Do We Really Know about Daytime Serial Listeners? In: LAZARSFELD, P. F.; S T A N T O N , Frank N. (Hrsg.): Radio Research 1942—1943, a.a.O., S . 3—33. — Neudruck in: BERELSON, Bernard; JANOWITZ, Morris: Reader in Public Opinion and Communication, 2. erweiterte Aufl., Glencoe, 111.: The Free Press, 1953, S. 352—365. — A R N H E I M , R.: The World of the Daytime Serial. In: LAZARSFELD; S T A N T O N (Hrsg.): Radio Research 1942—1943,

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ELISABETH N O E L L E - N E U M A N N

1. Methoden der Wirkungsforschung In der Mitte der 30er Jahre hatte sich in den Vereinigten Staaten mit der Gründung des amerikanischen Institute of Public Opinion durch Dr. George Gallup und seinem aufsehenerregenden Erfolg bei der Wahlprognose zur Präsidentschaftswahl 1936 die statistisch-repräsentative Bevölkerungsumfrage als Methode der Erforschung des Meinens und Verhaltens großer Bevölkerungsgruppen durchgesetzt10. Auch die Hörerforschung machte davon sogleich Gebrauch. Teils wurden kleine Stichproben „intensiv befragt", das heißt, sehr ausführlich, aber ohne strukturierten Fragebogen, sondern nach Leitfaden mit wenig festgelegten Fragen, in einer Technik, die heute vornehmlich für Leitstudien, zur Vorbereitung breit angelegter Untersuchungen üblich ist („Invasion from Mars", „Mass Persuasion", Mertons „Rovere"-Studie); teils wurde breite, repräsentativ-statistische Hörerforschung vorgenommen (ab 1936 BBC Hörerforschung, seit 1939 Survey of Listening mit täglich 800 Interviews, ab 1951 BBC Survey of Listening and Viewing mit seit 1965 2250 Interviews pro Tag), um festzustellen, was am Vortag gehört oder gesehen wurde. Teils wurden Fragen im Rahmen von „Omnibus-Umfragen" (wie man heute sagen würde; im Fragebogen sind Themenkomplexe verschiedener Auftraggeber vereint11) auf breiter statistisch-repräsentativer Basis bearbeitet. Mit den auf mehrere tausend repräsentativ-statistisch gestreuter Interviews gestützten Untersuchungen sollten die Größe und die charakteristischen Merkmale des Publikums bestimmter Rundfunksendungen festgestellt werden als notwendiger erster Schritt einer Untersuchung der Wirkung (Hertha Herzog, What Do We Really Know about Daytime Serial Listeners?12). Der Studiotest wurde entwickelt (Lazarsfeld/Stanton-Programme-Analyzer), bei dem Gruppen von Hörern während des Anhörens einer Sendung im Studio positive und negative Reaktionen durch Drucktasten registrierten. Anhand der technisch aufgezeichneten Verlaufskurve von Zustimmung und Ablehnung wurde im anschließenden Interview versucht, die Gründe zu erfragen. Ähnliche Verfahren werden auch heute noch in der Hörer- und Fernsehzusdiauerforschung benutzt. Ein Beispiel gibt die Studie des BBC über Reaktionen auf ein medizinisches Fernsehprogramm13. a.a.O., S . 34—85. Neudruck in: SCHRAMM, Wilbur (Hrsg.): Mass Communications, Urbana: University of Illinois Press, 1960, S. 392—411. — W A R N E R , Lloyd W . ; HENRY, W. E.: The Radio Daytime Serial: A Symbolic Analysis. In: BERELSON, Bernard; JANOWITZ, Morris (Hrsg.): Reader in Public Opinion and Communication, Glencoe, 111.: The Free Press, 2. Aufl., 1953, S. 423—437. — Zuerst in: Genetic Psychology Monographs, 37: 1940, S. 7—13; 55—64. 10 NOELLE, E . : Umfragen in der Massengesellschaft, Einführung in die Methoden der Demoskopie, 2. Auflage, Reinbek bei Hamburg (rde 177/178), 1963, 3. Aufl. 1967, S. 96. 11 NOELLE, a.a.O., S. 135. 12

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HERZOG, a . a . O .

BBC Audience Research Report: „Matters of Medicine". Studies of Reactions to, and the Effects of, the Television Programmes on Immunisation and Coronary Thrombosis, 1960.

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Eine Abwandlung stellt der „Heimtest' dar, bei dem die (nach repräsentativstatistisdien Gesiditspunkten ausgesuchten) Hörer oder Zuschauer in ihrer gewohnten Umgebung, in ihrem Wohnzimmer bleiben, und Interviewer während und unmittelbar nach der Sendung Reaktionen festhalten und Fragen stellen". Eine besondere Art von Wirkungskontrolle im Verlauf einer Sendung lieferte bei der etwa 14stündigen Kate-Smith-Kampagne die Höhe der Spendensummen, die nach bestimmten Appellen mit spontanen telefonischen Anrufen beim Sender gezeichnet wurden". Eine weitere Methode, die zur Wirkungsforschung benutzt wurde, war (und ist auch heute) die Inhaltsanalyse 1 ', das heißt, eine systematische quantitative Erfassung der Themen und Situationen, der Merkmale der dargestellten Personen, bestimmter Elemente im Handlungsablauf, der Wertakzente. Die Inhaltsanalyse ist ein wichtiges Hilfsmittel der Wirkungsforschung, aber man muß immer wieder der Versuchung widerstehen — wie Arnheim deutlich feststellt 17 —, einfach vom Inhalt aus schon auf die Wirkung zu schließen18. Als Hilfsmittel der Rundfunk- und Fernseh-Wirkungsforschung können auch die technischen „ratings" angesehen werden, die Aufzeichnungen mit Hilfe eingebauter oder angeschlossener Meßinstrumente, wann ein Gerät eingestellt ist und auf welchen Sender, um damit Schätzwerte für die Größe und Art des Publi" Allensbacher-Ardiiv, IfD-Beridit Nr. 589/1 Süddeutscher Rundfunk 1957, S. 34. — Nr. 1052 HEUTE und TAGESSCHAU. Erste Heimtest-Ergebnisse nach Beginn der Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1963. — Nr. 1056 Magazin-Sendungen. Erster Kurzbericht über eine Heimtestserie im April und Mai 1963. — Nr. 1067 Magazin-Sendungen IN DIESEN TAGEN, PANORAMA und REPORT. Ergebnisse einer Heimtestserie im April und Mai 1963. — Nr. 1068 HEUTE am Wochenende. Ergebnisse zweier Fernseh-Heimtests am 18. und 25. Mai 1963. — Nr. 1080 HEUTE und TAGESSCHAU. Zweite Heimtestserie: Die Situation Mitte Mai 1963 in der siebten Woche nach Beginn der Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens. — Nr. 1089 „Ärger von links". Ergebnisse eines Heimtests über die Sendung ZUR SACHE am 29. Mai 1963. — Nr. 1143 HEUTE und TAGESSCHAU. Dritte Heimtestserie: Die Situation im Februar 1964, knapp ein Jahr nach Beginn des Zweiten Deutschen Fernsehens. — Die Methode des Heimtests wurde entwickelt vom Institut für Demoskopie Allensbach. " M E R T O N , a.a.O., S. 6. 11 A R N H E I M : a.a.O.; W A R N E R , L . : a.a.O. — Zur Technik: BERELSON, Bernard: Content Analysis in Communication Research. Glencoe, III.: The Free Press, 1952. Zusammenfassung unter dem Titel: Content Analysis. In: LINDZEY, Gardner (Hrsg.): Handbook of Social Psychology, a.a.O., Bd. I, S. 488—522. — Zum inhaltlichen und formalen Aufbau von Tageszeitungen und Femsehen. Oberseminar 1963/64 am Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Fritz Eberhard. Fotodruck, Berlin 1964. 17 A R N H E I M : a.a.O., S . 8 5 . In SCHRAMM: Mass Communications, a.a.O., S . 4 1 1 . Ebenso HERZOG. In: Berelson/Janowitz: a.a.O., S . 3 5 2 . 18 TRÖGER, W.: Der Film und die Antwort der Erziehung. Eine Untersuchung zu soziologischen, psychologischen und pädagogischen Fragen des Films bei werktätigen Jugendlichen und Oberschülern. München, Basel: Ernst Reinhardt, 1963, S. 75 f. — H E I N R I C H , K.: Filmerleben, Filmwirkung, Filmerziehung. Der Einfluß des Films auf die Aggressivität bei Jugendlichen. Experimentelle Untersuchungen und ihre lernpsychologischen Konsequenzen. Berlin, Hannover, Darmstadt: Hermann Schroedel, o. J., S. 42—45: Die inhaltsanalytischen Verfahren (zur Ermittlung von Filmeinflüssen).

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kums verschiedener Sendungen zu erhalten 1 '. Die Methode wird besonders zur Messung der Reichweite von Werbesendungen gebraucht. Mit Wirkungsforschung im eigentlichen Sinne haben jedoch alle bisher angeführten Methoden und Untersuchungen noch nichts zu tun. Das Hervorrufen, Verstärken oder Verändern von Einstellungen und Verhaltensweisen, kurzfristig oder langfristig, unmittelbar oder durch „Sleeper effect"20, einmalig oder kumulativ, durch die bloße Existenz eines Massenmediums oder durch bestimmte Sendungen, ist ein Vorgang, der weder durch Inhaltsanalyse oder technische Messungen der Größe des Publikums, noch durch die direkte Befragung des Publikums, welche Wirkungen zu beobachten gewesen seien, ausreichend erfaßt werden kann. Lazarsfeld, Berelson, Gaudet, 1944: „Angenommen, wir würden die Leute einfach direkt fragen, welche Medien die stärkste Wirkung auf ihre Wahlentscheidung ausgeübt haben. Die Frage nur zu stellen, heißt bereits, sich der Gefahren eines solchen Vorgehens bewußt zu werden. Sind die Befragten überhaupt in der Lage, den relativen Einfluß selbst abzuschätzen, den die Medien im Verlauf einiger Zeit auf sie ausgeübt haben?"21 Zuverlässig — unabhängig von der Fähigkeit zur Selbstbeobachtung der Befragten, ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, Wirkungen zu beschreiben, unabhängig von ihrem Erinnerungsvermögen — lassen sich Wirkungen (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur durch experimentelle Untersuchungsanordnungen feststellen22. Das heißt, es müssen Untersuchungsanordnungen gewählt werden, durch die Einstellungen und Verhaltensweisen vor und nach der Berührung mit einem Medium oder einer bestimmten Kommunikation gemessen werden, und Gruppen, die dem 19

Die Market Research Corporation of America, Clark-Hooper, Inc., und andere Marktforsdmngsunternehmen erkundigten sich telefonisch bei den Rundfunkhörern, ob sie das Radio eingeschaltet hätten und welche Station und welches Programm sie gerade hörten. Vgl. dazu KAROL, John J.: Measuring Radio Audiences. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 1: April 1 9 3 7 , S . 9 2 — 9 6 , NOELLE, E . : Meinungs- und Massenforschung in USA. Umfragen über Politik und Presse, Frankfurt a. M.: Diesterweg, 1940, S. 130. 20 HOVLAND, C. I.; LUMSDAINE, Arthur A.; SHEFFIELD, F . D . : Experiments on Mass Communication, Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1949, S. 71: „... delayed or ,sleeper' effects that require a lapse of time to become evident ..."; S. 182; 188ff. — HOVLAND, C. I.: Effects of the Mass Media of Communication. In: Handbook of Social Psychology, a.a.O., Bd. II, S. 1096 ff. — HOVLAND, C. I.; WEISS, Walter: The Influence of Source Credibility on Communication Effectiveness. In: Public Opinion Quarterly, Vol.: 15: 1951, S. 645 ff. — WEISS, W.: A Study of a „Sleeper" Effect in Opinion Change. Unpublished Diss., Yale University 1952. — Weiss, W.: A „Sleeper" Effect in Opinion Change. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 48: 1953, S. 173—180. 21 The People's Choice, a.a.O., S. 125 f. 22 NOELLE-NEUMANN, E.: Die Rolle des Experiments in der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, 3/1965, S. 239—250. — Noelle-Neumann, E.: Heimtest und Experiment als Methoden der Fernsehwirkungskontrolle. In: Fernsehen in Deutschland. Gesellschaftspolitische Aufgaben und Wirkungen eines Mediums. Redaktion: Christian Longolius. Mainz: v. Hase & Koehler, 1967, S. 313—332.

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Eindruck des Mediums ausgesetzt sind, verglichen werden mit statistisch identischen Gruppen, die von diesem Eindruck nicht berührt wurden23. Laboratoriums- und Feldexperimente wurden von amerikanischen Forschern im zweiten Weltkrieg zu einem ständig gebrauchten Instrument entwickelt, und damit wurde eine hervorragende Grundlage geschaffen 24 . In der Wahlstudie von Lazarsfeld, Berelson, Gaudet von 1940 wurde bereits der entscheidende Schritt zur Panel-Methode als experimenteller Untersuchungsmethode getan. Derselbe Personenkreis (600) wurde im Verlauf von sieben Monaten siebenmal befragt, das letzte Mal unmittelbar nach der Wahl25. Auf diese Weise konnten „Vorher-Nachher-Messungen" vorgenommen werden, die unabhängig von den direkten Auskünften der Befragten zahlreiche Ergebnisse von Tragweite lieferten".

2. R u n d f u n k u n d Politik Eine bemerkenswert große Zahl von Erkenntnissen über die Wirkung der Massenmedien, die heute zum Gerüst der Kommunikationstheorie gehören, werden zum ersten Mal in dem Band von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet: „The People's Choice" 1944 ausgesprochen, zum Beispiel: Die Wirkung der Massenmedien liegt weniger im Verändern von Meinungen als im Verstärken bestehender Meinungen 2 '. 23

Solche Gruppen und Kontrollgruppen zu bilden, nicht etwa durch „Selbstauswahl" (weil damit schon die Gruppen verschieden wären), stellt eines der methodischen Hauptprobleme der Untersuchung der Wirkung der Medien dar. Vergleiche dazu auch die im Abschnitt „Wirkung des Fernsehens" erwähnten Studien. Einen Notbehelf, nur mit größter Vorsicht zu gebraudien, bietet die von Belson entwickelte Methode der „stable correlates", zitiert in BBC, Audience Research Report: Matters of Medicine, a.a.O., S. 33. Auch entwickelt in POQ mit der kritischen anschließenden Leserdiskussion. 24 Studies in Social Psychology in World War II, Vol. I: The American Soldier: Adjustment During Army Life. Vol. II: Combat and Its Aftermath. Für die Publizistikwissensdiaft am interessantesten ist Vol. III von Carl I. H O V L A N D , Arthur A. LUMSDAINE und Fred D. SHEFFIELD: Experiments on Mass Communication. Alle Bände erschienen 1949: Princeton University Press. 25 LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: a.a.O., S. X. 26 LAZARSFELD, Paul; FISKE, Majorie: The „Panel" as a New Tool for Measuring Opinion. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 2 : 1 9 3 8 , S. 5 9 6 — 6 1 2 . — LAZARSFELD, Paul: „Panel" Studies. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 4 : 1 9 4 0 , S. 1 2 2 — 1 2 8 . — LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: The People's Choice, a.a.O. — KENDALL, Patricia: Conflict and Mood. Factors Affecting Stability of Response. Glencoe, 111.: The Free Press, 1 9 5 4 . — NEHNEVAJSA, Jiri: Analyse von Panel-Befragungen. In: König, René (Hrsg.): Handbuch der empirischen Sozialforschung, Stuttgart: Ferdinand Enke, 1 9 6 2 , S. 1 9 7 — 2 0 8 . — ZEISEL, Hans: Say it with Figures, New York: Harper, 1947. 4. revidierte Aufl., New York, London: Harper & Row, o. J. 27 LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: a.a.O., Kap. IX und S. 124. 23

Publizistik II

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Das Angebot der Massenmedien wird selektiv wahrgenommen 88 : Die Menschen sehen, hören und lesen vornehmlich diejenigen Mitteilungen, die ihre schon bestehenden Meinungen unterstützen: Das Individuum strebt nach Stabilität seiner Einstellungen. Es versucht sich seine Sicherheit zu erhalten, indem es gegenüber einer Propaganda, die seine Einstellungen bedroht, Augen und Ohren verschließt 29 . Von hier aus führt einer der Wege zur späteren Theorie der „kognitiven Dissonanz" 50 . Mit der selektiven Wahrnehmung hängt zusammen, daß werbende, überzeugende, pädagogische Kommunikationen in erster Linie diejenigen erreichen, die schon gewonnen, aufgeklärt, erzogen sind81. Es gibt eine kumulative Tendenz im Gebrauch der Massenmedien. Wer viel Zeitung und Zeitschriften liest, hört auch viel Rundfunk, wer wenig Zeitung oder Zeitschriften liest, hört wenig Rundfunk82. Das hat sich später bei der Ausbreitung des Fernsehens weiter bestätigt 38 . Was der eigenen Ansicht entspricht, findet man objektiv, unparteiisch, neutral. „Aus dem Wert, der eigenen Parteiansicht zu entsprechen, wird der Wert der Wahrheit". 34 Im Zuge eines Wahlkampfes werden widersprüchliche Haltungen zunehmend bereinigt. Im Konfliktfall — Bevorzugung des Programms der Partei A und des Kandidaten der Partei B — gewann meist die Neigung zu bestimmten Personen die Oberhand85. 28

A.a.O., S. 89 f. A.a.O., Einleitung, S. XX: „A first point concerns the stability of attitudes . . . This stability was made possible by a sort of protective screen built around central attitudes . . . we find that he (the voter) elects to expose himself the propaganda with which he already agrees, and to seal himself off from the propaganda with which he might disagree." 30 A.a.O., S. XX: „By maintaining their attitudes intact, they are able to avoid or to minimize conflicts and disagreements with the persons in their social environments who share these attitudes." Uber „kognitive Dissonanz" siehe: HEIDER, Fritz: Attitudes and Cognitive Organization. In: Journal of Psychology, Vol. 2 1 : 1 9 4 6 , S . 1 0 7 — 1 1 2 ; FESTINGER, Leon: A Theory of Cognitive Dissonance, Evanston, III.: Row, Peterson, 1957; — ders.: Conflict, Decision, and Dissonance, Stanford University Press, 1964. 51 LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: a.a.O., S . X X und S . 9 0 . " A.a.O., S. 122. " Vgl. Tabelle auf S. 355. Eine Differenzierung dieser Regel scheint allerdings geboten: Personen, die überdurchschnittlich viel fernsehen, frequentieren in den unteren Schichten audi die anderen Medien in überdurchschnittlichem Maße, aber in den oberen Schichten verzichten sie weitgehend auf den Kontakt mit anderen Medien. Vgl. dazu MEYERSOHN, Rolf B.: Social Research in Television. In: ROSENBERG, Bernard; White, David Manning (Hrsg.): Mass Culture, The Popular Arts in America, 5. Aufl., Glencoe, III.: The Free Press, 1960, S. 345—357. ®4 LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: a.a.O., S. 1 3 1 : „A transfer was effected from partisan value to truth value." Vgl. BERELSON, Bernard; Steiner, Gary A.: Human Behavior. An Inventory of Scientific Findings. New York/Burlingame: Harcourt, Brace & World, Inc., 1964, Kap. XIII: Mass Communication, S. 536 f. 85 LAZARSFELD; Berelson; Gaudet: a.a.O., S. 72. 29

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Ein charakteristisches Verhalten zeigen Personen unter „Cross-Pressure", das heißt Personen, die sich Menschen oder Gruppen gleichermaßen verbunden fühlen, die entgegengesetzte Parteistandpunkte vertreten. Sie verfallen in Apathie, beachten nicht mehr, was zu den Streitfragen veröffentlicht wird, verlieren jedes Interesse®6. Im Vergleich zwischen der politischen Wirkung von Zeitung und Rundfunk meinen die Autoren Anhaltspunkte zu finden, daß der Rundfunk mehr Einfluß als die Zeitung ausübe. Die Belege dafür sind aber schwach37.

3. Funktionsanalyse Es wurde schon kurz erwähnt, daß eine bestimmte, dem amerikanischen, durch Werbung finanzierten Rundfunk eigentümliche Programmgattung ungewöhnlich gründlich auf ihre Wirkung hin untersucht wurde, die „Daytime Serials", Liebes-, Ehe- und Familiendramen, eine Hörfolge für Hausfrauen. Als erste Studie mit dem Frageansatz, „welche Bedürfnisse des Hörerpublikums befriedigte diese Sendung?" gilt Hertha Herzogs Arbeit38. Der Ausgangspunkt war dabei, daß das Publikum der Rundfunksendungen wie allgemein der Massenmedien normalerweise freiwillig ist, und daß diese Art von Sendungen den Hausfrauen etwas Wichtiges bedeuten müssen, wenn sie den banalen Hördramen so regelmäßig und in so großer Zahl folgen. Die Antwort entwickelte Robert K. Merton mit seiner Konzeption der Funktionsanalyse. Der Begriff „Funktion" wird in der Bedeutung gebraucht, die er in der Biologie hat: ein Organ hat eine bestimmte „Funktion". Es erhält die Lebensfähigkeit, die Stabilität des Organismus. übertragen auf die Wirkungsforschung im Bereich der Massenmedien, lautet die Frage: welche Funktion (manifest oder latent) erfüllt zum Beispiel ein bestimmter Sendetyp für die Gesellschaft, in welcher Hinsicht macht er sie lebensfähiger, den Realitäten besser angepaßt? Oder, bezogen auf das Individuum: in welcher HinVgl. a.a.O., Kap. VI, S. 61 ff. und Kap. VII, S. 67 f. A.a.O., S. 127 f. Einen ausführlichen Vergleich der Wirkung von Rundfunk und Presse gab LAZARSFELD in: Radio and the Printed Page. New York: Duell, Sloan & Pearce, 1940. Hadley CANTRIL und Gordon W. ALLPORT: The Psydiology of Radio. New York: Harper, 1933, S. 159, räumen dem Rundfunk ebenso eine leichte Überlegenheit ein wie W. H. WILKE: An Experimental Comparison of the Speech, the Radio and the Printed Page, as Propaganda Devices. In: Archives of Psydiology, No. 169: 1934. Wilke weist indessen darauf hin, daß Radioübertragungen eher einen Bumerang-Effekt zeitigen als Zeitungsartikel. Harry GOLDSTEIN: Reading and Listening Comprehension at Various Controlled Rates. New York: Teachers College, Columbia University, Bureau of Publications, 1940, kommt zu dem Ergebnis, daß Zeitungsartikel einen besseren Erinnerungswert haben: Einfaches Material behält man zwar ebenso gut, wenn man es hört, aber komplexes Material bleibt besser im Gedächtnis haften, wenn man es liest. 38 A.a.O. 38

87

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sieht wird das Individuum dadurch lebensfähiger, welchen Nutzen zieht das Individuum für seine Stabilität daraus? Die Wirkungen für die Gesellschaft und für das Individuum (oder für die Familie oder für den Staat) können gegenläufig sein, können in einer Hinsicht stabilisierend wirken, in anderer Hinsicht „ disfunktional", das heißt, die Stabilität verringernd, Spannungen schaffend. Dieser Ansatz erweist sich bei der Untersuchung der Wirkung der Massenmedien als fruchtbar. Er erklärt die Verhaltensweisen des Publikums, zum Beispiel, warum eine intensive Bemühung des Süddeutschen Rundfunks in den 50er Jahren, die Institution des Bundesrates bekannter zu machen, erfolglos war40 (eine bessere Information über den Bundesrat erfüllte keine Funktion für die Hörer), dagegen eine Serie von Filmen zur Verkehrserziehung („Clever und Schussel") in derselben Zeit durchaus Wirkung erzielte (sie erfüllte eine Funktion für die Filmbesucher)41. Herzog und Arnheim einerseits, Warner und Henry andererseits kamen zu entgegengesetzten Bewertungen der „Daytime Serials". Herzog und Amheim betonten das Element billiger Betäubung, das den Hausfrauen — ähnlich wie in Deutschland die Romanhefte — die Flucht in eine Welt von Illusionen erlaube, anstatt sie zu einer Bewältigung ihrer Probleme zu führen. Warner und Henry dagegen glaubten, diese Rundfunkdramen bedeuteten für die Hausfrauen eine Lebenshilfe, bestätigten ihr Selbstgefühl, versöhnten sie mit ihrer — keineswegs dankbaren — Rolle in der Gesellschaft. Funktionsanalyse — das betont Merton — läßt einen sehr weiten Spielraum für Interpretationen 42 .

4. Rundfunk als Mittel der Wirklichkeitsflucht und Betäubung ? In dem eben behandelten Fall handelt es sich bei Herzog und Arnheim um den Vorwurf, zur „escape", zur Wirklichkeitsflucht zu verführen (Traumfabrik), der den Massenmedien immer wieder gemacht worden ist. Tatsächlich, gibt es in der amerikanischen wie in der deutschen Hörerforschung Nachweise, daß Menschen, *• MERTON, R. K.: Manifest and Latent Functions. Toward the Codification of Functional Analysis in Sociology. In: Merton, R. K.: Social Theory and Social Structure. 9. bearb. und erw. Aufl., Glencoe: The Free Press, 1964, S. 19—84. 40 EBERHARD, F.: Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Beitrag zur empirischen Sozialforschung. Berlin: Colloquium Verl., 1962 (Abhandlungen und Materialien zur Publizistik, Bd. 1) S. 150. Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen Nr. 073 und Nr. 083. 41 Clever und Schussel — Verkehrsfilme 1958. Ergebnisse einer Erfolgskontrolle. Allensbacher Archiv, Bericht Nr. 684. Vgl. NOELLE, E.: Die Wirkung der Massenmedien. Bericht über den Stand der empirischen Studien. In: Publizistik, 6/1960, S. 212—223. NOELLE-NEUMANN, E.: Die Wirkung der Massenmedien. In: Programm der Kieler Woche 1966, Kiel 1966, 5. 23—28. 48 MERTON: a.a.O., S. 33f.: „ . . . j u s t as the same item may have multiple functions, so may the same function be diversely fulfilled by alternative items."

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die den Rundfunk beziehungsweise die Massenmedien allgemein besonders intensiv „konsumieren", überdurchschnittlich oft unzufrieden mit ihrem Leben sind. Wenn man aber nach Ursache und Wirkung fragt, wird mein eher in Lebensschwierigkeiten die Ursache eines übertriebenen Gebrauchs der „publizistischen Genußmittel" sehen als umgekehrt".

5. Rundfunk In der Ära des Fernsehens Wenn auch die politische Wirkung des Rundfunks durch die Ausbreitung des Fernsehens stark eingeschränkt ist — der Rundfunk behält offenkundig bestimmte spezielle Funktionen. Rolf B. Meyersohn formuliert: „Der Rundfunk ist durch das Fernsehen aus dem Wohnzimmer verdrängt und ist dafür jetzt überall außerhalb des Wohnzimmers anzutreffen."44 Er ist ein Medium, mit dem der einzelne — im Kontrast zur Familiengemeinschaft vor dem Fernsehschirm — sich zurückziehen kann. Er hat darum auch für junge Menschen besondere Bedeutung. Die BBCSendung „Family Favourites" vom Sonntagmittag verzeichnete beispielsweise am 28. April 1968 zwischen 12.30—13.00 Uhr eine Hörerbeteiligung von 38,2 °/o aller jungen Leute des Landes zwischen 15 und 19 Jahren45.

45 KATZ, Elihuj FOULKES, David: On the Use of the Mass Media as „Escape": Clarification of a Concept. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 26: 1962, S. 377—388. — PEARLIN, Leonard I.: Social and Personal Stress and Escape Television Viewing. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 23: 1959, S. 255—259, insbes. Tab. 258. — Vgl. dazu audi: Die Freizeit. Allensbacher Archiv, Bericht Nr. 643, Bd. III, S. 216—227. Gesellschaftsbild 1970. Allensbacher Archiv, Bericht Nr. 1109, S. 110 f. — SCHMIDTCHEN, Gerhard: ü b e r die gesellsdiaftsbildende Kraft der Massenmedien. In: ZV + ZV, 15. IX. 1962, S. 1332—1334. — ders.: Die Evolution der Rundfunkmedien. Soziologische Trendbeobachtungen zwischen 1950 und

1962. I n : P u b l i z i s t i k , 5 / 1 9 6 2 , S. 2 9 3 — 3 0 3 . 44 MEYERSOHN, a.a.O., S. 349: „Radio . . . has had to give up trying to entertain families in their living rooms, concentrating instead on trying to be everywhere else and counting on individual, irregular, and inattentive listening. Essentially radio is now designed to fill in those areas — temporal, spatial and perhaps even intellectual — which television can't r e a c h . . . " . Vgl. dazu in „Broadcasting-Telecasting vom 16. und 23. Januar 1956 die Zusammenfassung des Berichts von William N. McPhee und Rolf B. Meyersohn: Futures for Radio. A Report Submitted to the National Broadcasting Company. Bureau of Applied Social Research, Columbia University, 1955 (mimeographed). 45 Die Daten wurden einem Vorbericht der British Broadcasting Corporation über die Ermittlung des Hörerkreises der Sendung >Family Favourites< entnommen.

WIRKUNG DES RUNDFUNKS

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LITERATUR BERELSON, Bernard; STEINER, Gary A.: Human Behavior. An Inventory of Scientific Findings. New York/Burlingame: Harcourt, Brace & World, Inc., 1964, Kap. XIII: Mass Communication. — HOVLAND, C. I.: Effects of the Mass Media of Communication. In: Lindzey, Gardner (Hrsg.): Handbook of Social Psychology, 3.Aufl., Reading, Mass.: Addison-Wesley Publishing Co., 1959, Bd. II, S. 1070. — KLAPPER, Joseph T.: The Effects of Mass Communication, 3. Aufl., The Free Press of Glencoe, 1963. — LAZARSFELD, P. F.; BERELSON, Bernardi GAUDET, Hazel: The People's Choice, New York: Columbia University Press, 1944, 6. Aufl., 1965. — MALETZKE, G.: Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg: Hans Bredow-Institut, 1963. — SCHRAMM, Wilbur: The Process and Effects of Mass Communication, University of Illinois Press Urbana 1954, 6. Aufl., 1965. — SCHRAMM, Wilbur: Grundfragen der Kommunikationsforsdiung, München: Juventa, 1964. Siehe auch Literaturempfehlungen zu „Wirkung des Fernsehens".

Das Recht des Rundfunks (Hörrundfunk und Fernsehen) GÜNTER B . KRAUSE-ABLASS

1. Gegenstand Das Recht des Rundfunks umfaßt das speziell und nur für den Rundfunk geltende Recht (Rundfunkrecht im engeren Sinne) und Rechtssätze anderer Rechtsgebiete, die nicht speziell und nur sondern u. a. auch den Rundfunk betreffen. Im weiteren Sinne wird die Gesamtheit des Rechts des Rundfunks als Rundfunkrecht bezeichnet. Das Rundfunkredit ist Teil des Massenkommunikationsrechts. Gegenstand des Rundfunkrechts ist die massenkommunikationelle Institution, die sich des Publikationsmittels Funk bedient (Rundfunk). Vom Rundfunk zu unterscheiden ist der Rund-Funk, das verkehrstechnische Publikationsmittel, dessen sich der Rundfunk zur Publikation bedient. Der Gegenstand des Rundfunkrechts umfaßt Hörrundfunk und Fernsehen.

2. Bundesrepublik Deutschland Allgemeines Das Recht des Rundfunks ist enthalten in der Verfassung (GG), allgemeinen Regeln des Völkerrechts, Bundes- und Landesgesetzen, Entscheidungen mit Gesetzeskraft, Verordnungen, Rechtssätzen des Gewohnheitsrechts sowie in autonomen Rechtssätzen (Satzungen, Normatiwerträgen). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (also nicht alle Reditssätze des Völkerrechts) sind nach Art. 25 GG mit Vorrang vor den Gesetzen Bestandteil des Bundesrechts. Keine Rechtssätze sondern Rechtsakte sind Regierungs- oder Verwaltungsakte und Rechtsgeschäfte. Verwaltungsakte sind z. B. die Funkbetriebsgenehmigungen. Zuständig zur Gesetzgebung betreffend das Rundfunkwesen sind überwiegend die Länder (Art. 30, 70 in Verb, mit Art. 73—75 GG). Das ist durch das Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1961 (BVerfGE Bd. 12 S. 205, RuF 1961 S. 154) klargestellt. Das Urteil nimmt nicht ausdrücklich Stellung zur Frage der Verzeichnis der Abkürzungen s. S. 361 f., 385.

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Zuständigkeit für das Werbefernsehen. Audi das Werbefernsehen gehört zum Bereich des allgemeinen Rundfunkwesens und damit in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Der Bund ist zuständig zur Gesetzgebung betreffend staatliche Rundfunkanstalten des Bundes (Auslandsdienst, Bulletin-Rundfunk) und betreffend den funktechnischen Betrieb (Art. 73 Nr. 7 GG). Die Zuständigkeit zur Gesetzgebung betreffend das Rundfunkwesen beschränkt sich auf das Rundfunkrecht im engeren Sinne. Rundfunkrecht im engeren Sinne kann auch in anderen Gesetzen als speziellen Rundfunkgesetzen gesetzt sein. So enthalten z. B. die meisten Landespressegesetze auch Bestimmungen rundfunkreditlichen Inhalts. Im übrigen ergibt sich die Zuständigkeit je nach Zuständigkeit für den Sachbereich, dem der Rechtsnormgegenstand generell zugehört. Maßgebend für die Abgrenzung ist der Grundsatz der überwiegenden Zugehörigkeit. So hat das Bundesverfassungsgericht im parallelen Bereich des Rechts der Presse die Bestimmungen betreffend die Verjährung von Pressedelikten dem Presserecht zugeordnet (BVerfGE Bd. 7 S. 29). Gesetzestexte (Rundfunkgesetze, Rundfunkredit enthaltende Pressegesetze)

1. Amtliche

Veröffentlichung

a) Bundesrundfunkgesetz (BRfG): BGBl 1960 Teil I S. 862. b) Landesrundfunkgesetze und Staatsverträge: Bayerisches Rundfunkgesetz (BayRfG; BayGVBl 1959 S. 314), Hessisches Rundfunkgesetz (HessRfG; HessGVBl 1948 S. 123, 1962 S. 21), NDR-Staatsvertrag (StVNDR; HambGVBl 1955 S. 198, NdsGVBl 1955 S. 167, SchlHGVBl 1955 S. 93), Bremer Rundfunkgesetz (BrRfG; BrGVBl 1948 S. 225, 1949 S. 39, 1949 S. 101), Saarländisches Rundfunkgesetz (SaarlRfG; SaarlABl 1964 S. 1111, 1966 S. 49, 1967 S. 478), Berliner Rundfunkgesetz mit Anlage Satzung des Sender Freies Berlin (BerlRfG, SatzgSFB; BerlGVBl 1967 S. 782), Württemberg-Badisches Rundfunkgesetz mit Anlage Satzung des Süddeutschen Rundfunks (WBRfG, SatzgSDR; WBRegBl 1951 S. 1, 1951 S. 63), Südwestfunk-Staatsvertrag (StVSWF; BadGVBl 1952 S. 40, BWGB1 1959 S. 56, RhPfGVBl 1952 S. 71, 1959 S. 109, WHohenzRegBI 1952 S. 27), Staatsvertrag betreffend die Personal Vertretung beim Südwestfunk (StVPersVSWF; BWGB1 1964 S. 1, RhPfGVBl 1964 S. 21), Nordrhein-Westfälisches Rundfunkgesetz (NRWRfG; NRWGVB1 1954 S. 151), Staatsvertrag betreffend Zweites Deutsches Fernsehen (StVZDF; BWGB1 1961 S. 215, BayGVBl 1962 S. 111, BerlGVBl 1961 S. 1641, BrGVBl 1962 S. 49, HambGVBl 1962 S. 6, HessGVBl 1961 S. 199, NdsGVBl 1962 S. 10, NRWGVB1 1961 S. 269, RhPfGVBl 1961 S. 179, SaarlABl 1962 S. 67, SchlHGVBl 1961 S. 170), Staatsvertrag betreffend Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms (StVKoordi BayGVBl 1959 S. 319, HambGVBl 1959 S. 175, NdsGVBl 1959 S. 91, NRWGVB1 1959 S. 116, SaarlABl 1960 S. 483, SchlHGVBl 1959 S. 203), Staatsvertrag betreffend Finanzausgleich (StVFinAusgl; BWGB1 1962 S. 29, Bay-

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GVB1 1959 S. 318, 1962 S. 126, HambGVBl 1959 S. 178, 1962 S. 12, HessGVBl 1961 S. 205, NdsGVBl 1959 S.91, 1962 S. 15, NRWGVB1 1959 S. 115, 1962 S. 220, RhPfGVBl 1959 S. 237, 1961 S. 269, SaarlABl 1960 S. 484, 1962 S. 398, SdilHGVBl 1959 S. 201, 1962 S. 142). Zu § 3 Abs. 1 StVNDR s. BVerfG BGBl 1961 Teil I S. 269. c) Verordnungen: Durchführungsverordnung zum Bayerischen Rundfunkgesetz (DVOBayRfG; BayGVBl 1960 S. 2, 1960 S. 27, 1962 S. 11, 1967 S. 481), Durchführungsverordnung zum Saarländischen Rundfunkgesetz (DVOSaarlRfG SaarlABl 1964 S. 1131), Erste Verordnung zum Nordrhein-Westfälischen Rundfunkgesetz (VONRWRfG; NRWGVB1 1956 S. 99, 1962 S. 210). Zu § 4 Abs. 1 DVOBayRfG s. BayVerfGH BayGVBl 1967 S. 207. d) Landespiessegesetze, soweit rundfunkrechtliche Bestimmungen enthaltend: Baden-Württembergisches Pressegesetz (BWPrG; BWGB1 1964 S. 11), Berliner Pressegesetz (BerlPrG; BerlGVBl 1965 S. 744), Bremer Pressegesetz (BrPrG-, BrGVB1 1965 S. 63), Hamburgisches Pressegesetz (HambPrG; HambGVBl 1965 S. 15), Hessisches Pressegesetz (HessPrG; HessGVBl 1958 S. 183, 1966 S. 31), Niedersächsisches Pressegesetz (NdsPrG; NdsGVBl 1965 S. 9), Nordrhein-Westfälisches Pressegesetz (NRWPrG; NRWGVB11966 S. 340), Rheinland-Pfälzisches Pressegesetz (RhPfPrG; RhPfGVBl 1965 S. 107), Schleswig-Holsteinisches Pressegesetz (SchlHPrG; SchlGVBl 1964 S. 71). 2. Private

Textsammlungen

Delp, Recht der Publizistik (Loseblattsammlung), Bd. 2 Nrn. 63 ff., Bd. 4 Nrn. 439ff.; Herrmann, Rundfunkgesetze (Köln 1966). Rundfunkfreiheit Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit ist ein Betätigungsfreiheitsrecht. Betätigungsfreiheitsrechte sind Ansprüche, in einer Betätigung (hier: Produktion, Publikation, Rezeption) nicht behindert zu werden. Sie sind keine Garantie der Verfügbarkeit der Betätigungsmöglichkeit (Verfügbarkeit von Einrichtungen zur Publikation, von Angebot von Kommunikation). Die Rundfunkfreiheit umfaßt Rundfunkpublikationsfreiheit und Rundfunkrezeptionsfreiheit. Das Grundgesetz regelt die Rundfunkfreiheit in mehreren Grundrechtsartikeln. Art. 5 Abs. 1 GG bestimmt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." Satz 1 gibt das Grundrecht der ungehinderten Unterrichtung aus dem Rundfunk. Zu den allgemein zugänglichen Rundfunksendungen gehören auch die in der Bundesrepublik Deutschland empfangbaren aus dem Ausland. Die Rezeptionsfreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gegenständlich beschränkt auf das sich Unterrichten. Satz 2 gibt das gegenständlich beschränkte Grundrecht der

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Produktion und Publikation berichtender Rundfunkkommunikation. Das Grundrecht der Meinungskommunikation im Rundfunk ergibt sich aus Satz 1. Weitere spezielle Rundfunkkommunikationsfreiheiten geben Art. 4 GG (Sendungen mit Kommunikation zur Religionsausübung, Kommunikation religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses) und Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstkommunikation, Wissenschaftskommunikation). Im übrigen ist die Rundfunkfreiheit im Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) enthalten, insbesondere auch die Freiheit der Rundfunkwerbepublizistik. Grundrechtlich gewährleistet ist also die gesamte Rundfunkfreiheit. Die Rundfunkfreiheit richtet sich nicht nur gegen den Staat sondern auch gegen Dritte (Grundrechtsdrittwirkung). Die Rundfunkfreiheit ist beschränkt durch verfassungsunmittelbare Schranken (Beschränkungen aus dem Grundgesetz) und Einschränkungen auf Grund des Grundgesetzes. Einschränkungen dürfen den Wesensgehalt nicht antasten (Art. IS Abs. 2 GG). Verfassungsunmittelbare Beschränkungen sind nicht durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG begrenzt. Sie werden jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit ist der Wesensgehalt von Bedeutung. Zu den verfassungsunmittelbaren Beschränkungen gehören die Grundrechte Anderer und der Grundsatz der Demokratie. Solange der Stand der technischen Entwicklung nicht den Zugang aller Interessenten zum Rundfunkbetrieb zuläßt, kann die Rundfunkfreiheit nur in der beschränkten Form der Repräsentation aller gesellschaftlichen Rundfunkbetriebsinteressen durch die Rundfunkanstalten verwirklicht werden. Der Ausschluß privaten Betriebs entfällt, wenn der Fortschritt der technischen Entwicklung den Zugang aller Interessenten zuläßt. Der Grundsatz der Demokratie erfordert den Bestand pluralitärer Redaktionellpublizistik. Daher ist die Verbindung von in gleichem Verbreitungsgebiet publizierendem privatunternehmerischem redaktionellpublizistischem Presse- und Rundfunkbetrieb verfassungsrechtlich unzulässig (Grundsatz der publizistischen Gewaltenteilung). Auf Grund des Grundgesetzes eingeschränkt werden können nicht die Grundrechte des Art. 4 und des Art. 5 Abs. 3 GG. Diese Grundrechte beschränkende Bestimmungen sind jedoch wirksam, soweit sie nur verfassungsunmittelbare Beschränkungen konkretisieren (z. B. Persönlichkeitsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG). Die Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG werden eingeschränkt durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG), die des Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte Anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz (Art. 2 Abs. 1 GG). Zum Teil handelt es sich dabei auch nur um Konkretisierungen verfassungsunmittelbarer Beschränkungen. Die Freiheit der Betätigung im Bereich des Rundfunks als Beruf ist grundrechtlich garantiert durch Art. 12 Abs. 1 GG. Sie unterliegt den verfassungsunmittel-

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baren und den Beschränkungen gesetzlicher Regelung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Zu den verfassungsunmittelbaren Beschränkungen gehören der Ausschluß privaten Rundfunkbetriebs für die Dauer technischen Ausschlusses des Zugangs aller Interessenten und der Grundsatz der publizistischen Gewaltenteilung. Art. 2 Abs. 1 GG ist nur insoweit anwendbar, wie nicht die spezielleren Grundrechtsbestimmungen Anwendung finden. Aufgaben Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) erfordert den Bestand der massenkommunikationellen Leistungen, die dem Staatsbürger die sachgemäße Ausübung der Funktion des Wählers ermöglichen. Die Rundfunkanstalten sind verpflichtet, den im Bereich des Rundfunks erforderlichen Anteil an diesen Leistungen zu erbringen. Führt der Fortgang der technischen Entwicklung zur Möglichkeit freien Zugangs zur rundfunkuntemehmerischen Betätigung, obliegt diese Pflicht den privaten Rundfunkunternehmen nicht. Das Erfordernis des Leistungsbestands ergibt die Notwendigkeit, die privat nicht erbrachten Leistungen weiterhin durch Rundfunkanstalten zu erbringen. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) erfordert, daß der Staat den Bestand der massenkommunikationellen Leistungen gewährleistet, die zum Existenzbedarf der Staatsbürger gehören. Auch hierbei ist eventuelles Leistungsdefizit durch anstaltliche Leistungserbringung zu hindern. Politische

Parteien

Der Grundsatz der Mitwirkung der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG) erfordert, daß den politischen Parteien der Zugang zu den massenkommunikationellen Mitteln offensteht, die ihnen die sachgemäße Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes ermöglichen. Solange der Stand der technischen Entwicklung nicht den Zugang aller Interessenten zum Rundfunkbetrieb zuläßt, besteht der Anspruch nur in beschränkter Form. Auch den politischen Parteien ist für die Dauer des Ausschlusses freien Zugangs zum Rundfunkbetrieb der eigene Rundfunkbetrieb verwehrt. Ihnen ist jedoch die Möglichkeit zu geben, im Rahmen der Rundfunkanstalten selbst Kommunikation zu publizieren (Anspruch auf instrumentale Sendezeit). Staatsrundfunk Der Staat hat nur rundfunkkommunikationelle Staatsaufgaben zu erfüllen. Rundfunkkommunikationelle Staatsaufgaben sind die staatliche Rundfunkkommunikation ins Ausland (Auslandsdienst) und die staatliche Rundfunkkommunikation für den Staatsbürger (Bulletin-Rundfunk). Die Ausstrahlung kann nichtstaatlichen Rundfunkunternehmen übertragen werden. Die Tätigkeit staatlicher Rundfunkanstalten darf nicht den Rahmen der Staatsaufgaben übersteigen.

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Zur repräsentativen Verwirklichung der nichtstaatlichen Rundfunkbetriebsinteressen sind nicht Staatsanstalten zulässig. Der Staat hat für die Errichtung gesellschaftlicher Anstalten zu sorgen. Integrationsanstalten 1.

Allgemeines

Den Ländern obliegt die Vorsorge für den Bestand der Anstalten zur repräsentativen Verwirklichung der nichtstaatlichen Rundfunkbetriebsinteressen und zur Erbringung der durch Art. 20 Abs. 1 GG erforderten Leistungen. In den Anstalten sind die gesamtgesellschaftlichen Betriebsinteressen zu integrieren. Es bestehen folgende Integrationsanstalten: Bayerischer Rundfunk (BayRfG), Hessischer Rundfunk (HessRfG), Norddeutscher Rundfunk (StVNDR), Radio Bremen (BrRfG), Saarländischer Rundfunk (SaarlRfG), Sender Freies Berlin (BerlRfG, SatzgSFB), Süddeutscher Rundfunk (WBRfG, SatzgSDR), Westdeutscher Rundfunk (NRWRfG), Zweites Deutsches Fernsehen (StVZDF). 2.

Organisation

Die integrierten gesellschaftlichen Kräfte werden durch Kollegialorgane und den Intendanten repräsentiert. Als Kollegialorgane sind für alle Anstalten je ein Rundfunkrat (beim ZDF Fernsehrat) und ein Verwaltungsrat vorgeschrieben. § 9 Abs. 2 SatzgSFB bestimmt, daß es sich beim Verwaltungsrat des Sender Freies Berlin um einen ständigen Ausschuß des Rundfunkrats handelt. Für Norddeutschen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk ist zusätzlich ein Programmbeirat vorgeschrieben. Die Gesetze und Staatsverträge müssen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der paritären Zusammensetzung 1 der kollegialen Repräsentativorgane berücksichtigen. Unzulässige Abweichungen vom Grundsatz paritär-repräsentativer Zusammensetzung bestehen insbesondere hinsichtlich der Verwaltungsräte. Die Feststellung der paritären Zusammensetzung ist konkret im Gesetz zu treffen. Sie darf nicht dem Ermessen der Wahlgremien überlassen werden. Ebenso ist verfassungswidrig die parteipolitische Filterung, d. h. Auswahl der Organmitglieder durch (nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel) die politischen Parteien (s. dagegen § 8 Abs. 2 StVNDR, § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SatzgSDR, § 10 Abs. 2 Nrn. 2 und 11 StVSWF, § 6 Abs. 3 Nr. 1 SatzgSFB, § 8 Abs. 2 NRWRfG). Auch darf nicht der Regierung die Ernennung von Organmitgliedern (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StVNDR, §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 2 SaarlRfG) zustehen. Unzulässig ist weiter, da es sich nicht um staatliche sondern um gesellschaftliche Anstalten handelt, die Einbeziehung von Vertretern des Staats (s. dagegen Art. 6 Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 BayRfG, § 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HessRfG, §§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 1 BrRfG, § 4 Abs. 2 1 Die Behauptung „gewahrt" (Parität und Neutralität gewahrt) im Titel meines Beitrags in Das Parlament Nr. 3—4/1967 S. 3 ist dort von der Redaktion ohne mein Wissen und meine Zustimmung zugefügt worden.

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Nrn. 13 und 14 SatzgSDR, §§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 11, 12 Abs. 2 Satz 2 StVSWF, §§ 14 Abs. 1 Buchst, a, b, o, 17 Abs. 1 Buchst, a und c StVZDF). Die politischen Parteien haben nicht nur Instrumentalnutzungsanspruch sondern gehören auch zu den zu repräsentierenden gesellschaftlichen Kräften. Zu repräsentieren sind die Parteien, nicht die Landtagsfraktionen (s. dagegen Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 BayRfG, § 5 Abs. 2 Nr. 12 HessRfG, § 16 Abs. 3 SaarlRfG). Die Angelegenheiten des Werberundfunks (Kontraktieren der Aufträge, Produktion des Werberundfunkprogramms) werden, soweit Werberundfunk besteht, bei fast allen Anstalten durch in selbständiger Rechtsform (GmbH) ausgegliederte Anstaltsabteilungen betrieben. Die Ausgliederung ist zulässig. Sie dient der organisatorischen Absetzung der Werbung von der Anstalt. Ausdrücklich vorgeschrieben ist die Ausgliederung in § 4 SatzgSFB. Nicht ausgegliedert ist die Abteilung für die Angelegenheiten des Werbefernsehens beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Nicht von einer ausgegliederten Abteilung sondern von einem fremden Unternehmen werden die Angelegenheiten des Werberundfunks des Südwestfunk betrieben. Da der Betrieb der Angelegenheiten des Werberundfunks zu den Anstaltsaufgaben gehört und die Anstalten verpflichtet sind, ihre Aufgaben selbst zu erfüllen, ist die Übertragung unzulässig, wenn sie nicht gesetzlich ausdrücklich zugelassen (§ 35 Abs. 2 SaarlRfG) ist. 3.

Kommunikationsinhalte Anforderungen an den Programminhalt ergeben sich verfassungsrechtlich, aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aus den Landesrundfunkgesetzen (Art. 4 BayRfG, § 3 HessRfG, § 4 StVNDR, § 2 BrRfG, § 10 SaarlRfG, § 3 SatzgSFB, § 2 SatzgSDR, § 5 StVSWF, § 4 NRWRfG, § 2 StVZDF), aus den meisten Landespressegesetzen (§ 25 in Verb, mit §§ 5, 6 BWPrG, § 23 in Verb, mit §§ 5, 14 BerlPrG, § 25 in Verb, mit §§ 5, 6 BrPrG, § 5 HambPrG, § 25 in Verb, mit §§ 5, 6 NdsPrG, § 26 in Verb, mit §§ 5, 6 NRWPrG, § 24 in Verb, mit §§ 5, 6 RhPfPrG, § 25 in Verb, mit §§ 5, 6 SchlHPrG) sowie aus straf- und zivilreditlichen Gesetzesbestimmungen. Zu den verfassungsunmittelbaren Anforderungen gehört der Grundsatz der Neutralität. Neutralität bedeutet allseitig ausgewogene Gestaltung. Sie ist nicht negativer sondern positiver Art. Es ist nicht auf interessenrelevante Sendeinhalte zu verzichten. Der Grundsatz der Neutralität besteht unmittelbar verfassungsrechtlich, verpflichtet die Anstalten also auch insoweit, wie Rundfunkgesetze Bestimmung nicht enthalten. 4. Instrumentale

Nutzung

Anspruch auf instrumentale Nutzung haben der Staat, die politischen Parteien, die Gegendarstellungsberechtigten und die Werbekunden. Sonstige Vergabe von instrumentaler Sendezeit bedarf der Rechtfertigung im Einzelfall. Erteilung von Sendezeitanspruch an einzelne gesellschaftliche Kräfte (Art. 4 Abs. 2 Nrn. 1 und 2

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BayRfG, § 2 Abs. 5 BrRfG, § 2 Abs. 4 Nrn. 1, 2 und 3 SatzgSDR, § 6 Abs. 1 StVSWF, § 6 Abs. 3 und 4 StVZDF) ohne besondere Rechtfertigung verstößt gegen den Grundsatz der Integrationsgleichheit. Der Staat gehört nicht zu den zu repräsentierenden gesellschaftlichen Kräften. Seine Kommunikationsaufgaben sind durch Eigenkommunikation zu erfüllen. Der Kommunikationsraum dafür ist, soweit nicht ein besonderes Rundfunkunternehmen notwendig ist, in den Betrieb der Integrationsanstalten einzuordnen. Die Einordnung geschieht durch Gewährung instrumentaler Sendezeit. Sendezeitanspruch besteht nur für staatliche (amtliche) Kommunikation. Er besteht unmittelbar verfassungsrechtlich, also auch insoweit, wie Landesrundfunkgesetze Bestimmung (für Landesregierungen: Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRfG, § 3 Nr. 5 HessRfG, § 6 StVNDR, § 2 Abs. 4 BrRfG, § 3 Abs. 1 SaarlRfG, § 2 Abs. 4 Nr. 8 SatzgSDR, § 6 Abs. 1 und 2 StVSWF, § 6 NRWRfG, § 5 StVZDF; für Bundesregierung: § 6 StVNDR, § 3 Abs. 1 SaarlRfG, § 6 NRWRfG, § 5 StVZDF) nicht enthalten. Der Anspruch der politischen Parteien auf instrumentale Sendezeit ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Mitwirkung der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG). Er besteht auch insoweit, wie Landesrundfunkgesetze Bestimmung (Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRfG, § 3 Nr. 6 HessRfG, § 2 Abs. 5 BrRfG, § 2 Abs. 4 Nr. 4 SatzgSDR, § 6 Abs. 1 StVSWF, § 6 Abs. 1 und 2 StVZDF) nicht enthalten. Beschränkung auf Parteien, die im Landtag oder Bundestag vertreten sind (Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRfG, § 6 Abs. 2 StVZDF), oder gar auf Parteien, die im Landtag Fraktionsstärke erreichen (§ 6 Abs. 1 StVSWF), ist unzulässig. Hingegen ist Vergabe von Sendezeit für Wahlsendungen auf Parteien zu beschränken, die sich an der Wahl beteiligen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Bd. 7 S. 99, Beschluß vom 23. August 1961 in 2 BvR 286/61, BVerfGE Bd. 14 S. 121 = RuF 1962 S. 268) haben die Parteien nicht Anspruch auf gleiche Zeitdauersumme. Die vom Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegte Unterschiedlichkeit der Bedeutung der Parteien ist jedoch für die Frage nicht relevant. Der Wahlkampf ist zukunftgerichtet. Chancengleichheit erfordert Gleichheit der Kommunikationsmöglichkeit. Die Entscheidungen haben keine Gesetzeskraft, da sie nicht zu den in § 31 Abs. 2 BVerfGG genannten Entscheidungen gehören. Für den Hessischen Rundfunk bestimmt § 3 Nr. 6 HessRfG, daß die den politischen Parteien zu gewährende Wahlsendezeit gleichlang und gleichwertig sein muß. Die Vorschrift beschränkt jedoch den Anspruch auf die Parteien, die in allen Wahlkreisen Wahlvorschläge eingereicht haben. Die Beschränkung ist nicht zulässig. 5.

Gegendarstellungsanspruch

Zu unterscheiden sind der dem presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch parallele Anspruch auf Gegendarstellung zur Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung (z. B. § 4 StVZDF) und der Anspruch auf Gegendarstellung zur Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung im Bereich des

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öffentlichen Lebens. Zur zweiten Art gehören die Gegendarstellungsansprüche aus § 3 Nr. 8 HessRfG, § 2 Abs. 8 Satz 2 BrRfG, § 2 Abs. 4 Nr. 8 SatzgSDR. 6.

Kooperation

§§ 3 BayRfG, 5 NRWRfG bestimmen, daß die Anstalt mit den anderen in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Rundfunkanstalten zusammenarbeiten muß, § 12 SaarlRfG, daß die Anstalt mit den anderen in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Rundfunkanstalten zusammenarbeiten soll. § 5 StVNDR und § 2 Satz 2 SatzgSFB bestimmen, daß die Anstalt zu bestimmten Kooperationszwecken mit anderen Rundfunkanstalten Verträge schließen kann. Zum Abschluß von Verträgen zum Zweck der aufgabengemäßen Kooperation sind auch die Anstalten berechtigt, denen dieses Recht nicht ausdrücklich rundfunkgesetzlidi erteilt ist. Zur Kooperation zum Zwecke des gemeinsamen Betriebs des Ersten Fernsehprogramms sind die regionalen Rundfunkanstalten durch den Staatsvertrag betreffend die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms verpflichtet. Sie sind zum Zweck der Erfüllung dieser Aufgabe durch Vertrag (Fernsehvertrag, Delp Nr. 457) zum Betrieb des Ersten Fernsehens zusammengeschlossen. § 22 Abs. 4 StVZDF schreibt Zusammenarbeit des Zweiten Deutschen Fernsehens mit den Anstalten des Ersten Fernsehprogramms zur Koordination des Ersten und des Zweiten Fernsehprogramms vor; die Fernsehteilnehmer der Bundesrepublik sollen „zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen können". Die Anstalten des Ersten Fernsehprogramms sind verpflichtet, ihrerseits zur Verwirklichung der dem Zweiten Deutschen Fernsehen gesetzten Vorschrift mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen zu kooperieren. Zum Zweck der Erfüllung der Kooperationsaufgabe haben die Anstalten mehrfach Koordinationsabkommen (z. B. RuF 1963 S. 177, RuF 1964 S. 207, fff-Archiv Dokumentation 1968 S. 29) geschlossen. 7.

Atelierbetriebe

Die Anstalten dürfen nicht die Grenzen ihres Aufgabenbereichs überschreiten. Gemeinsame Atelierbetriebe zusammen mit privaten Unternehmern sind zulässig, wenn und soweit die Beteiligung des privaten Unternehmers erforderlich ist. Die Anstalten sind zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Die Notwendigkeit der Beteiligung eines privaten Unternehmers kann ihren Grund in der auf zu erwartende Ausdehnung des Atelierbedarfs angelegten Atelierkapazität haben. Die Ausnutzung der vorläufig nicht gebrauchten Kapazität durch private Filmunternehmen können die Anstalten wegen des Verbots der Überschreitung der Grenzen des Aufgabenbereichs nur in der Weise betreiben, daß sie diese Kapazität bis zum Zeitpunkt der Eigennutzung gegen äquivalentes Entgelt einem privaten Atelierbetriebsunternehmer überlassen. Die Beteiligung ist zeitlich in der Weise zu begrenzen, daß die Kapazität jeweils insoweit zur Verfügung der Anstalt steht, wie diese sie benötigt. Die Beteiligung darf dem privaten Unternehmer keine Beteiligung am anstaltlichen Anteil der Ateliernutzung geben.

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8. Personal Die festen Mitarbeiter der Anstalten sind Angestellte des (niditstaatlichen) öffentlichen Dienstes. Ihre Rechtsverhältnisse sind durch einzelanstaltliche Tarifverträge geregelt. Spezielle Anstaltspersonalvertretungsgesetze bestehen für den Südwestfunk (StVPersVSWF). Noch nicht in Kraft ist der Staatsvertrag betreffend die Personalvertretung beim Zweiten Deutschen Fernsehen (unterzeichnet am 4. März 1966). § 61 SaarlRfG bestimmt sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des Saarländischen Personalvertretungsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung (zur Zeit, Ende 1967, SaarlABl 1964 S. 881) auf die Personalvertretung beim Saarländischen Rundfunk. 9.

Strahlerbetrieb

Funkstrahler des Rundfunks dürfen nur mit Genehmigung der Bundespost betrieben werden (§ 2 FAG). Die Bundespost muß den Anstalten nach Maßgabe der internationalfernmelderechtlidi verfügbaren Funkfrequenzen die Betriebserlaubnis erteilen und Frequenzen zuweisen, soweit sie nicht selbst die Strahler betreibt. Sie kann die Strahler selbst betreiben, soweit dafür hinreichender Sachgrund besteht. Betreibt die Bundespost die Strahler selbst, hat sie die Rundfunksendungen der Anstalten technisch optimal auszustrahlen. 10.

Finanzierung

Die Anstalten erhalten ihre Ordentlichen Einnahmen aus den Rundfunkgebühren und aus dem Werberundfunk. Daneben kommen Außerordentliche Einnahmen in Betracht (z. B. aus Vergabe des Nachverwertungsrechts an Anstaltsproduktionen an fremde Unternehmen, aus Fremdbeteiligung an Atelierbetrieben). Das Rundfunkgebührenaufkommen steht den regionalen Anstalten und der Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen zu. Die Verteilung geht von der Grundlage aus, daß jeder regionalen Anstalt zunächst das gesamte Aufkommen aus dem Anstaltsbezirk zugerechnet wird. Die regionalen Anstalten haben als Entgelt für Leistungen der Bundespost einen rechnerischen Anteil an die Bundespost zu entrichten. Die Bundespost, die mit der Einziehung der Rundfunkgebühr beauftragt ist, behält dieses Entgelt ein. Von dem Fernsehgebührenaufkommen abzüglich des Postentgelts erhält die Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen 30 % (§ 23 Abs. 1 StVZDF). Die regionalen Anstalten untereinander sind zu angemessenem Finanzausgleich (§ 1 Satz 1 StVFinAusgl) nach Maßgabe der §§ 1—4 StVFinAusgl verpflichtet. Der Finanzausgleich ist gemäß § 4 StVFinAusgl durch den Finanzausgleichsvertrag nebst Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 1958 (RuF 1959 S. 282, Delp Nr. 458) geregelt.

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Publizistik II

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Steuern

Die Anstalten sind nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftssteuergesetzes (KStG, BGBl 1965 Teil I S. 450) und 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG, BGBl 1965 Teil I S. 459) von der Körperschaftssteuer und von der Gewerbesteuer befreit. Sie dienen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Die Gemeinnützigkeit bestimmt sich nach § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG, RGBl 1934 Teil I S. 925) in Verbindung mit der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemVO, BGBl 1952 Teil I S. 1592). In den meisten Rundfunkgesetzen des Landesrechts (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayRfG, § 1 Satz 1 StVNDR, § 8 Abs. 1 Satz 1 SaarlRfG, § 1 Abs. 1 Satz 2 BerlRfG, § 3 Abs. 2 Satz 1 WBRfG, § 1 Satz 1 NRWRfG, § 1 Abs. 1 StVZDF; § 3 Abs. 2 Satz 2 WBRfG bestimmt, daß dies nidit für den Werberundfunk gilt) ist Gemeinnützigkeit vorgeschrieben. Diese Bestimmungen begründen auch bei entgegenstehender Formulierung (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayRfG, § 3 Abs. 2 Satz 1 WBRfG) nicht unmittelbar selbst die steuerrechtliche Folge Steuerbefreiung. Für eine solche Bestimmung wäre der Landesgesetzgeber nicht zuständig, da der Bundesgesetzgeber die Befreiungen wegen Gemeinnützigkeit geregelt hat (Art. 105 Abs. 2 Nrn. 2, 3, 72 Abs. 1 GG). Die rundfunkgesetzlichen Bestimmungen verpflichten die Anstalten zur Gemeinnützigkeit mit der zur Anwendung der §§4 Abs. 1 Nr. 6 KStG, 3 Nr. 6 GewStG führenden Tatbestandswirkung. Da auch die Anstalten, für die die Rundfunkgesetze keine Gemeinnützigkeitsbestimmung enthalten, gemeinnützig sind (vgl. § 1 SatzgHessRf, Art. 4 Satz 2 SatzgSWF), sind auch sie von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit. Die Befreiung gilt auch für die nicht ausgegliederten und die in selbständiger Rechtsform ausgegliederten Werberundfunkabteilungen. Das Tatbestandsmerkmal Wettbewerb „zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang" „als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist" (§ 7 Abs. 1 GemVO) steht dem nicht entgegen. Der Werberundfunk ist Pflichtaufgabe der Anstalten. Audi § 3 Abs. 2 Satz 2 WBRfG steht hinsichtlich des Süddeutschen Rundfunks nicht entgegen. Zum Ausschluß der Gemeinnützigkeitsrechtsfolge ist der Landesgesetzgeber nicht zuständig. Die Anstalten sind nach § 2 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG, BGBl 1967 Teil I S. 545) umsatzsteuerpflichtig. Die Steuer beträgt 5 % vom Umsatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG). Die Heranziehung zur Umsatzsteuer ist nicht verfassungswidrig. Sie verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Anstalten sind nicht mit umsatzsteuerbefreiten staatlichen Einrichtungen vergleichbar, da sie nichtstaatliche Anstalten sind. Sie sind nicht umsatzsteuerrechtsrelevant von privaten Unternehmen verschieden. Die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Gebührenzahler muß bei der Festsetzung der Rundfunkgebühr berücksichtigt werden. Die Bestimmung der Tätigkeit der Anstalten „als gewerbliche oderberufliche Tätigkeit im Sinnedieses Gesetzes" (§2 Abs.3 Satz2UStG) hatkeine Rechtswirkung außerhalb des Umsatzsteuergesetzes. Für eine solche Bestimmung außerhalb des Umsatzsteuergesetzes wäre der Bundeisgesetzgeber nicht zuständig.

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12.

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Aufsicht

Als gesellschaftliche Rundfunkanstalten dürfen die Anstalten nicht der Staatsaufsicht unterliegen. Zulässig und geboten sind allein die Zuständigkeit der Länder zur Erhebung von Aufsichtsklage im Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtsweg und die Rechnungsprüfung durch den Landesrechnungshof. Ausschluß der Staatsaufsicht bestimmt ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 2 HessRfG. § 22 StVNDR, § 34 SaarlRfG und § 24 NRWRfG sehen Zuständigkeit der Landesregierungen zum rechtsaufsichtlichen Hinweis auf Verletzungen des die Anstalt betreffenden Staats Vertrags (StVNDR), der Gesetze (SaarlRfG), des Landesrundfunkgesetzes (NRWRfG) und, wenn die beanstandete Gesetzesverletzung nicht behoben wird, zur Anweisung vor. § 22 Abs. 3 Satz 2 StVNDR und § 24 Abs. 2 Satz 2 NRWRfG eröffnen der Anstalt den Verwaltungsgerichtsweg gegen die Anweisung. Auch für den Saarländischen Rundfunk ist der Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 GG, § 4 0 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VGO, BGBl 1960 T e i l l S. 17) gegeben. Die Anweisungsbefugnis ist verfassungswidrig. Nach §§ 19, 21 S t V S W F steht den Landesregierungen alternierend die rechtsaufsiditliche Beanstandung von Verletzungen des Staatsvertrags betreffend den Südwestfunk und, wenn diese nicht behoben werden, der Klage zum Landesverwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz zu. § 25 StVZDF bestimmt alternierende Zuständigkeit der Landesregierungen zur Rechtsaufsicht, ohne die Maßnahmen der Rechtsaufsicht zu bestimmen. Zulässig ist nur Aufsichtsklage zu dem nach § 52 V G O zuständigen Verwaltungsgericht, nachdem zuvor der Anstalt die Beanstandung mitgeteilt ist. Nach § 28 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes Berlin (BerlGVBl 1958 S. 947, 1964 S. 252) unterliegen alle auf Landesrecht beruhenden öffentlichrechtlichen Anstalten der Staatsaufsicht. Soweit die Bestimmung den Sender Freies Berlin betrifft, ist sie verfassungswidrig. Rechnungsprüfung durch den Landesrechnungshof bestimmen Art. 13 Abs. 2 Satz 4 BayRfG, § 19 HessRfG, § 19 Abs. 6 StVNDR („durch einen Rechnungshof, der von den Landesregierungen bestimmt wird"), § 30 Abs. 1 SaarlRfG, § 13 Abs. 2 SatzgSFB, § 18 Abs. 3 S t V S W F (Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz), § 22 Abs. 3 NRWRfG, § 2 4 Abs. 3 StVZDF. § 1 1 Abs. 1 SatzgSDR bestimmt Prüfung durch „einen vom Rundfunkrat zu wählenden öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer". § 19 Abs. 6 StVNDR verstößt gegen den Grundsatz, daß der Rechnungshof gesetzlich bestimmt sein muß. Staatliche

R u n d f u n k a n s t a 11en

Staatliche Rundfunkanstalten sind die Deutsche W e l l e und der Deutschlandfunk. Sie sind Bundesanstalten. Die Bestimmung des Aufgabenbereichs des Deutschlandfunk (§§ 5 Abs. 1, 26, 27 BRfG) ist nur insoweit wirksam, wie das Bundesrundfunkgesetz dem Deutschlandfunk die Aufgaben der Veranstaltung von zum Empfang im europäischen Ausland bestimmten Sendungen und der instrumentalen Publikation staatlicher Kommunikation (§ 26 BRfG), auch zum Empfang im Be-

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reich der Bundesrepublik Deutschland, und besonders gerechtfertigter Kommunikation gesellschaftlicher Kräfte setzt. Die Aufgabe der Veranstaltung sowie der instrumentalen Publikation von zum Empfang in Deutschland bestimmten Sendungen allgemein ist mangels Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers verfassungswidrig. Das Grundschema der Organe der Deutschen Welle und des Deutschlandfunk entspricht dem der Integrationsanstalten. Die Organe sind: Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Intendant (§§ 2, 6 BRfG). Die Rundfunkräte setzen sich gemischt staatlich-gesellschaftlich zusammen (§§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 BRfG). Die gesellschaftliche Beteiligung repräsentiert nur einen Teil der gesellschaftlichen Kräfte. Die Kommunikationsinhalte der Anstalten unterliegen Anforderungen aus dem Verfassungsrecht, aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aus §§ 23, 24 BRfG sowie aus straf- und zivilrechtlichen Gesetzesbestimmungen. Die Bundesregierung hat Anspruch auf instrumentale Sendezeit zur Bekanntgabe von Gesetzen, Verordnungen und staatlichen Verlautbarungen (§ 26 BRfG). Die Vergabe von Sendezeit an gesellschaftliche Kräfte ist abweichend vom insoweit uneingeschränkten Wortlaut des § 27 BRfG nur für zum Empfang im Ausland bestimmte Kommunikation zulässig! auch insoweit nur, wie im Einzelfall besondere Rechtfertigung besteht. Die Beschränkung des Anspruchs auf bestimmte gesellschaftliche Kräfte ist verfassungswidrig. Den spezifischen Anspruch auf Gegendarstellung zur Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung im Bereich des öffentlichen Lebens gibt das Bundesrundfunkgesetz nicht. Es gewährt nur den dem presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch parallelen Anspruch auf Gegendarstellung zur Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung (§ 25 BRfG). Kooperation ist den Anstalten im Rahmen ihres Aufgabenbereichs erlaubt. Eine ausdrückliche Kooperationspflichtbestimmung enthält das Bundesrundfunkgesetz nicht. Die festen Mitarbeiter der Anstalten sind Angestellte des staatlichen öffentlichen Dienstes. Das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVertrG, BGBl 1955 Teil I S. 1, 1967 Teil I S. 518 Art. V) findet Anwendung ( s. § 1 BPersVertrG). Audi die Bundesrundfunkanstalten bedürfen zum Strahlerbetrieb der Genehmigung der Bundespost (§§ 1, 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 FAG). Die vor Errichtung der Bundesanstalt Deutsche Welle vorhandenen Strahler der Deutschen Welle sind durch § 36 BRfG in das Eigentum der Bundesanstalt Deutsche Welle übertragen worden. Das Bundesrundfunkgesetz enthält keine Bestimmungen betreffend die Finanzierung der Anstalten. Sie sind aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Die Anstalten sind von Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit. § 16 Abs. 2 Satz 5 BRfG verpflichtet sie zur Gemeinnützigkeit im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung. Sie unterliegen mit 5 % vom Umsatz der Umsatzsteuer (§§ 2 Abs. 3 Satz 2, 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG). Gegen die Heranziehung zur Umsatzsteuer ist

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einzuwenden, daß es sich um staatliche Anstalten handelt, die aus dem Staatshaushalt zu finanzieren sind und die Umsatzsteuer nicht überwälzen können, § 21 BRfG bestimmt, daß die Anstalten keiner staatlichen Fachaufsicht unterliegen. Nach § 22 BRfG ist die Bundesregierung befugt zu rechtsaufsichtlichem Hinweis auf Verletzungen des Bundesrundfunkgesetzes und, wenn die beanstandete Gesetzesverletzung innerhalb gesetzter Frist nicht behoben wird, zur Anweisung. § 22 Abs. 3 Satz 2 BRfG verweist für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Anlaß auf die Verwaltungsgerichtsordnung. Kooperation Die regionalen Integrationsanstalten und die Bundesrundfunkanstalten sind in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten (ARD) zusammengeschlossen (Satzung RuF 1962 S. 408, Herrmann S. 229, Delp Nr. 456). Gemeinschaftseinrichtungen der Rundfunkanstalten sind das Institut für Rundfunktechnik (GmbH), die Schule für Rundfunktechnik (Stiftung) und das Deutsche Rundfunkarchiv (Stiftung). Die Anstalten und die Bundesrepublik haben zum Betrieb „eines Transkriptionsdienstes mit Bildprogrammen für außereuropäische, insbesondere in Entwicklungsländern gelegene Rundfunkstationen", durch den „die Rundfunkteilnehmer dieser Länder mit den politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten des heutigen Deutschlands in geeigneter Form vertraut" gemacht und durch den ihnen „darüber hinaus allgemeine Unterrichtung" vermittelt werden soll (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags), die Trans Tel GmbH errichtet (Gesellschaftsvertrag RuF 1966 S. 51). Private Ru n d fu n k u n t e r n e h m e n Solange der Stand der technischen Entwicklung nicht den Zugang aller Interessenten zum Rundfunkbetrieb zuläßt, können keine privaten Rundfunkunternehmen betrieben werden. Abschnitt C des Saarländischen Rundfunkgesetzes (§§ 38— 47b), der die Zulassung privater Unternehmen vorsieht, ist solange unwirksam. A u s l ä n d i s c h e Ru n d fu n k u n t e r n e h m e n Die Zulassung der ausländischen Militärrundfunksender beruht auf Art. 18 und Anhang B des Truppenvertrags (BGBl 1955 Teil II S. 321, 378, Auszug JIR Bd. 6 S. 336), die Zulassung der nichtmilitärischen Rundfunksender der USA in der Bundesrepublik Deutschland außer Berlin (Stimme Amerikas, RIAS Hof) auf dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik (BGBl 1953 Teil II S. 516, JIR Bd. 6 S. 338), die Zulassung des RIAS Berlin auf Art. 2 des Vertrags über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den drei Mächten (BGBl 1955 Teil II S. 305). Eine gesetzliche Grundlage für Radio Free Europe und Radio Liberty besteht nicht.

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„Piraten"- Sender Bestimmungen gegen den Betrieb von „Piraten"-Sendern bestehen nicht. U r h e b e r - und

Leistungsschutzrecht

Das Urheber- und Leistungsschutzrecht ist im Urheberrechtsgesetz (URG, BGBl 1965 Teil I S. 1273), im Verlagsgesetz, im Verwertungsgesellschaftengesetz und in in Recht der Bundesrepublik Deutschland transformierten internationalvertraglichen Bestimmungen geregelt. Es ist zu unterscheiden zwischen den Urheber- und leistungsschutzrechtlichen Beziehungen zwischen den Rundfunkunternehmen und den Urhebern und Leistungserbringern der für Sendungen verwerteten Werke und Leistungen und den Schutzansprüchen der Rundfunkunternehmen. Das Urheberrechtsgesetz erkennt den Grundsatz des originären Schutzanspruchs der Rundfunkunternehmen an (§ 87 URG). Der Schutz des Titels von Sendungen (insbesondere § 16 UWG) ist im Regelfall nicht urheberrechtlicher sondern wettbewerbsrechtlicher Art. I n f o r m a t i o n s a n s p r u c h der R u n d fu n k u n t e r n e h m e r Die meisten Landespressegesetze geben den Rundfunkunternehmen gegenüber den Behörden im einzelnen durch das Gesetz begrenzten Anspruch auf die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Rundfunks dienenden Auskünfte (§ 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 BWPrG, § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 BerlPrG, § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 BrPrG, § 4 HambPrG, § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 NdsPrG, § 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 NRWPrG, § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 RhPfPrG, § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 SchlHPrG). Eine entsprechende Bestimmung enthält § 2 SaarlRfG in Verbindung mit § 4 SaarlPrG. § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 BrPrG gibt den Anspruch auch gegenüber den der Aufsicht des Landes unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts. Gegendarstellung Dem presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch parallelen Anspruch auf Gegendarstellung zur Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung geben § 25 BRfG, Art. 17 BayRfG, § 3 Nr. 9 HessRfG in Verbindung mit § 10 HessPrG, § 2 SaarlRfG in Verbindung mit § 11 SaarPrG, § 7 StVSWF in Verbindung mit § 11 RPrG, § 4 StVZDF, § 10 BerlPrG, § 25 Abs. 2 in Verbindung mit § 11 BrPrG, § 11 HambPrG (nur gegenüber dem NDR), § 25 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 11 NdsPrG, § 26 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 11 NRWPrG, § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 RhPfPrG, § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 SchlHPrG.

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Strafrecht Die Strafbarkeit von auch publizistisch begehbaren Äußerungsdelikten (s. z. B. §§ 84, 93, 94, 96, 96a, 100, 185, 186, 187, 187a, 193 StGB) gilt auch für den Rundfunk. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs sind an den verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes abgegrenzt. Sie sind in ihrer die Grundrechte „beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung" des Grundrechts zu sehen und so zu interpretieren (BVerfGE Bd. 7 S. 208). Für die strafrechtliche Beurteilung einer Rundfunkäußerung kommt es nicht auf die subjektiven Motive des Publizisten (so u. a. BGHSt Bd. 18 S. 186) sondern auf die objektive Rechtslage an. Der persönliche Schutzanspruch findet Grenzen u. a. an den verfassungsrechtlichen funktionellen Erfordernissen z. B. der ungehinderten Auseinandersetzung im Wahlkampf (vgl. u. a. BGHSt Bd. 12 S. 287 ff). Weiter gilt u. a. der Grundsatz der Zulässigkeit des publizistischen Gegenschlags (s. u. a. BVerfGE Bd. 12 S. 113 ff). Zur Frage des publizistischen Landesverrats s. u. a. BVerfGE Bd. 20 S. 162 ff (dort auch Stellungnahmen zur Mosaiktheorie, BGHSt Bd. 15 S. 17 f). § 35 BRfG, Art. 19 BayRfG und die meisten Landespressegesetze enthalten spezielle Bestimmungen strafrechtlicher Haftung des Rundfunkredakteurs. In den meisten Ländern bestehen auch besondere rundfunk- und pressegesetzliche Verjährungsbestimmungen. Zivilrecht Das Zivilrecht gewährt u. a. Schutz der Persönlichkeit und Schutz des Gewerbebetriebs oder des nichtgewerblichen Unternehmens gegen verletzende Äußerungen. Jedoch ist nicht jede Verletzung unzulässig. Die zivilrechtlichen Bestimmungen sind an den verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes abgegrenzt. Auch sie sind in ihrer die Grundrechte „beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung" des Grundrechts zu sehen und so zu interpretieren (BVerfGE Bd. 7 S. 208). Auch im Zivilrecht gelten u. a. die Grundsätze der Beurteilung nach nicht den subjektiven Motiven sondern der objektiven Rechtslage, der Begrenzungswirkung der verfassungsrechtlichen funktionellen Erfordernisse und der Zulässigkeit des publizistischen Gegenschlags. Die Ansichten über die Grundsätze der Abgrenzung der gegenseitigen Rechte, auch über die hier genannten, oder ihre Konkretisierung gehen zum Teil noch erheblich auseinander. Als klagbare Ansprüche kommen insbesondere in Betracht: Unterlassungsanspruch, Widerrufsanspruch (nur bei Tatsachenbehauptungen), Schadensersatzansprüche. Zeugnisverweigerung,

Beschlagnahme

Gesetzliche Bestimmungen betreffend das Zeugnisverweigerungsrecht des Rundfunks enthalten Verfahrensgesetze (§ 53 Abs. 1 Nr. 6 StPO, § 38 Abs. 1 OWiG; s.

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auch § 383 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 ZPO) und Rundfunk- und Pressegesetze (§ 2 SaarlRfG in Verbindung mit § 23 SaarlPrG, § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 BWRfG, § 18 BerlPrG, § 26 Abs. 4 in Verbindung mit § 23 BrPrG, § 22 HamPrG, §§ 22 Abs. 2 HessPrG, § 25 Abs. 1, 3 in Verbindung mit § 23 NdsPrG, § 26 Abs. 1, 3 in Verbindung mit § 24 NRWPrG, § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 RhPfPrG, § 25 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 23 ScfalHPrG). Weiter enthalten das Saarländische Rundfunkgesetz (§ 2 SaarlRfG in Verbindung mit §§ 12—19 SaarlPrG) und mehrere Landespressegesetze besondere rundfunkrechtliche Bestimmungen betreffend Beschlagnahme sowie mehrere Landespressegesetze Bestimmungen betreffend Durchsuchung. Sie haben Vorrang vor §§ 49 ff StPO. Rundfunkempfang 1.

Genehmigung

Der Betrieb eines Empfangsgeräts bedarf der Genehmigung durch die Bundespost (§§ 1,2 FAG). § 2 Abs. 1 FAG stellt die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Bundespost. Die Bestimmung ist insoweit verfassungswidrig und daher nichtig (Art. 123 Abs. 1 GG). Durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht Anspruch auf Genehmigung, soweit kein Versagungsgrund besteht. Die Versagungsgründe müssen gesetzlich bestimmt sein (Art. 5 Abs. 2 GG). Der ungenehmigte Betrieb eines Empfangsgeräts ist strafbar (§15 FAG). 2.

Rundfunkgebühr

Für den Betrieb eines Empfangsgeräts ist, soweit nicht Befreiung besteht, die monatliche Rundfunkgebühr zu entrichten. Die Rundfunkgebühr ist keine Gebühr sondern ein Beitrag. Der Beitrag wird zur Finanzierung der Rundfunkanstalten dafür geleistet, daß die Rundfunkanstalten ihre Leistungen bereitstellen. Die Erhebung der Rundfunkgebühr kann nur durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes durch Verordnung angeordnet werden. Zur Gesetzgebung zuständig sind die Länder. Die Höhe der Rundfunkgebühr muß in dem Gesetz oder der Verordnung oder durch Verordnung zu dem Gesetz bestimmt werden. Die Rundfunkgebühr darf nicht unverhältnismäßig hoch sein. Den Erfordernissen der Anordnung der Beitragserhebung und der Bestimmung der Höhe durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes durch Verordnung ist entsprochen in den Bezirken des Bayerischen Rundfunks (Art. 14 Abs. 1 BayRfG), des Norddeutschen Rundfunks (§ 20 Abs. 1 StVNDR), des Saarländischen Rundfunks (§§ 48—50 SaarlRfG), des Westdeutschen Rundfunks (§ 28 Abs. 2 NRWRfG, §§ 1—3 NRWRfGebVO; § 28 Abs. 2 NRWRfG genügt nicht dem Grundsatz der Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm). In §§ 17 HessRfG, § 14 Abs. 2 BrRfG, § 5 Abs. 1, 2 WBRfG ist nur eine Rundfunkgebühr (da der Rechtsbegriff Rundfunk Hörrundfunk und Fernsehen umfaßt, betrifft die objektive Bedeutung der Bestimmungen Hörrundfunk- und Fernsehgebühr) von 2,— DM festgesetzt. Die Einziehung zu-

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sätzlicher 5,— DM Fernsehgebühr auf dieser Grundlage verstößt gegen die Grundsätze der gesetzlichen Grundlage und der Bestimmtheit! ebenso die Beitragserhebung in den Anstaltsbezirken, für die jede gesetzliche Bestimmung fehlt. § 2 Abs. 2 Satz 1 FAG ist als Grundlage der Beitragserhebung nicht geeignet.

3. International Allgemeines Als Rechtsquellen des Internationalen Rechts (Völkerrechts) nennt Art. 38 der Satzung des Internationalen Gerichtshofs (Documents UNCIO Bd. 15 S. 355, 386, 414, 444, 476): internationale Verträge, „die internationale Gewohnheit als Ausdruck einer allgemeinen als Recht anerkannten Praxis" und „die von den zivilisierten Nationen anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze" (Art. 38 Abs. 1 Buchst, a—c); weiter „als Hilfsmittel zur Bestimmung der Rechtssätze" mit auf den konkreten Rechtsfall beschränkter Bindungswirkung: richterliche Entscheidungen und „die Lehren der qualifiziertesten im öffentlichen Recht spezialisierten Autoren der verschiedenen Nationen" (Art. 38 Abs. 1 Buchst, d; nach herrschender Auffassung nicht Rechtsquelle sondern Erkenntnisquelle). Die Rechtssätze des Völkerrechts haben unterschiedlichen Geltungsbereich (mondial, regional, partikular). Sie richten sich an die Völkerrechtssubjekte, also insbesondere die Staaten. Völkerrechtliche Verhaltensnonnen betreffen inhaltlich nicht nur eigenes Verhalten der Staaten sondern auch Verhalten der innerstaatlichen Rechtspersonen. Die Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, die Befolgung das Verhalten innerstaatlicher Rechtspersonen betreffender Völkerrechtsnormen im Wege der nationalen Rechtsordnung durchzusetzen. Der Inhalt völkerrechtlicher Rechtssätze gilt innerstaatlich, wenn und soweit er Inhalt nationaler Rechtssätze (in nationales Recht transformiert) ist. Nur wenige Völkerrechtssätze verpflichten unmittelbar innerstaatliche Rechtspersonen (z. B. Verbot der Piraterie). Die Staaten sind im Rahmen der vom Völkerrecht gezogenen Schranken souverän. Die Souveränität umfaßt auch das Recht, ihren nationalen Bereich gegen Handlungen abzuschließen, die völkerrechtlich erlaubt sind. Ebenso steht es den Staaten völkerrechtlich im Rahmen der vom Völkerrecht gezogenen Schranken frei, den innerstaatlichen Rechtspersonen völkerrechtlich erlaubte Handlungen zu untersagen. Bei gewohnheitsrechtlichen Rechtssätzen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist zu berücksichtigen, daß die Auffassungen betreffend Bestand oder Inhalt zum Teil in besonderem Maße differieren. Kommunikationsinhalte Zu Betracht stehen Rundfunkkommunikation, die ohne Grenzüberschreitung durch ihren Inhalt Interessen fremder Staaten oder von Personen außerhalb des eigenen Landes berührt (Kommunikation mit außerhalbgerichtetem Inhalt) und grenzüberschreitende Rundfunkkommunikation. Das Völkerrecht erlaubt grundsätzlich die Verbreitung von Kommunikation mit außerhalbgerichtetem Inhalt und von grenzüberschreitender Kommunikation. Die Verbreitung von Rundfunksendungen mit außerhalbgerichtetem Inhalt sowie von Rundfunksendungen für Rezipienten in fremdem Staatsgebiet, auch die Verbreitung spezieller Auslandsdienste, sind grundsätzlich zulässig. Jedoch ist nicht jede Kommunikation erlaubt. Beschränkungen bestehen im Bereich der Propaganda, für bestimmte Tatsachenbehauptungen und zum Ehrenschutz. a) Gewohnheitsrecht und Rechtsgrundsatzrecht — Propaganda: Nichtfeindliche Propaganda ist zulässig. Staatlichen oder mittelbar dem Staat zuzurechnenden sowie nichtstaatlichen Rundfunkunternehmen sind verboten:

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- Auf einen Angriffskrieg oder die Bereitschaft für einen Angriffskrieg intendierte Propaganda. Auf zur Verteidigung notwendigen Krieg, Verteidigung im eventuellen Krieg, nichtkriegerische völkerrechtmäßige Sanktion, insbesondere völkerrechtmäßige Sanktion der OVN (Kap. VII der OVN-Satzung), sowie auf Bereitschaft dafür intendierte Propaganda ist zulässig. - Verbrechenspropaganda, z. B. Aufforderung zum Mord. Staatlichen oder mittelbar dem Staat zuzurechnenden Rundfunkunternehmen sind außerdem verboten: - Einmischungspropaganda. Verboten ist insbesondere subversive (gegen Verfassungsordnung, verfassungsmäßige Ordnung oder territorialen Bestand gerichtete) Propaganda. Weiter die — auch wenn innerstaatlich nach den Gesetzen des fremden Staates zulässig — Propaganda gegen Politik, Regierung, Regierungspartei, herrschende Ideologie, Religion oder Wirtschaftssystem eines fremden Staates (nur soweit, wie im Zusammenhang mit dem fremden Staat). Zulässig ist Propaganda, die sich gegen Verbrechen oder Verletzung von allgemeinen Menschenrechten oder völkerrechtlichen Rechtspflichten durch den oder in dem fremden Staat richtet. - Gegen bestimmte soziale Gruppen (Völker, nationale Minderheiten, Rassen, Religionsgemeinschaften) gerichtete Hetzpropaganda. - Einen fremden Staat oder Staatsrepräsentanten (insbesondere Staatsoberhaupt, diplomatischen Vertreter) beleidigende Propaganda. Zulässig sind Propagandaäußerungen in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Jedoch dürfen sie grundsätzlich nicht formalbeleidigend sein. Für die Frage der Unzulässigkeit wegen Formalbeleidigung ist der Grad eventuellen Unrechts, soweit sich die Kommunikation gegen solches richtet, zu berücksichtigen. Nicht der Einmischung sondern der internationalen Politik dienende Propaganda für oder gegen eine Verfassungsordnung, Politik, Ideologie, Religion, ein Wirtschaftssystem usw. ist erlaubt, auch wenn damit eine in einem fremden Staat bestehende Verfassungsordnung, Politik, Ideologie, Religion, ein Wirtschaftssystem usw. kritisiert wird. Auch die internationale nicht auf Einmischung abgestellte Boykottpropaganda als Mittel internationaler Politik ist erlaubt. Nichtstaatliche Rundfunkunternehmen haben die Staaten zu hindern außer an Angriffskriegpropaganda und Verbrechenspropaganda auch an: - Gegen bei dem Staat, dem das Rundfunkunternehmen angehört, akkreditierte fremde Diplomaten oder zu Gast weilende fremde Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Minister oder andere Staatsrepräsentanten vergleichbarer Funktion gerichteter beleidigender Propaganda. Zulässig sind Propagandaäußerungen in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Jedoch dürfen sie grundsätzlich nicht formalbeleidigend sein. Für die Frage der Unzulässigkeit wegen Formalbeleidigung ist der Grad eventuellen Unrechts, soweit sich die Kommunikation gegen solches richtet, zu berücksichtigen. - Nach partikularem Recht auch an gegen fremde Staaten oder Staatsoberhäupter gerichteter Propaganda. Auch insoweit gilt die zuvor genannte Grenze. - Nach partikularem Recht an subversiver Propaganda, soweit sie gegen den eigenen Staat gerichtet Hoch- oder Landesverrat wäre. Zulässig ist Propaganda gegen Verbrechen oder Verletzung von allgemeinen Menschenrechten oder völkerrechtlichen Rechtspflichten durch den oder in dem fremden Staat, für Wiederherstellung verfassungsgemäßer Ordnung oder für völkerrechtlich erlaubte Einwirkung des eigenen oder eines anderen Staats. Nach insbesondere für Großbritannien und die USA geltendem partikularem Recht besteht die Pflicht grundsätzlich nicht. Auch insoweit besteht jedoch die Pflicht, Aktionspropaganda (auf bewaffnete Aktionen gerichtete Propaganda) und Verbrechenspropaganda (insbesondere Mordaufforderung) zu hindern. Sowohl staatlichen oder mittelbar dem Staat zuzurechnenden als auch nichtstaatlichen Rundfunkuntemehmen ist die meiste sonst verbotene Propaganda erlaubt als völkerrechtmäßige Abwehr oder zur Unterstützung völkerrechtmäßiger Abwehr internationaler Angriffe, als völkerrechtmäßige internationale Repressalie oder zur Unterstützung völkerrechtmäßiger internationaler Repressalie oder in Ausführung oder zur Unterstützung völkerrechtmäßiger Sanktion der OVN. Unzulässig bleiben Angriffskriegpropaganda, Verbrechenspropaganda und gegen Diplomaten oder Staatsbesucher gerichtete Propa-

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ganda. Fast alle Propagandaverbote entfallen im Krieg. Auch im Krieg unzulässig ist Verbrechenspropaganda. b) Gewohnheitsrecht und Rechtsgrundsatzrecht — Tatsachenbehauptungen und Ehrenschutz: Ein Verbot unrichtiger Tatsadienbehauptungen besteht nicht. Die Rechtssätze gegen Beleidigung stimmen überein mit den oben bezüglich beleidigender Propaganda genannten Rechtssätzen. Ein Verbot der Beleidigung privater Rechtspersonen besteht nicht, ebensowenig ein Verbot des Eindringens in den Schutzbereich der Privatsphäre oder der ungenehmigten Publikation publizistisch nicht gerechtfertigter Abbildung einer Person. c) Vertragsrecht: Es bestehen zahlreiche mehrseitige oder zweiseitige vertragsrechtliche Rechtssätze; z.B.: Die 1936 geschlossene Internationale Ubereinkunft über den Gebrauch des Rundfunks im Interesse des Friedens (SdNRecTr Bd. 196 S. 302, JIR Bd. 9 S. 106) verpflichtet die Vertragsstaaten, „auf ihrem Staatsgebiet jede Sendung, die zum Nachteil der guten internationalen Verständigung ihrer Art nach die Bewohner irgendeines Gebietes zu Handlungen aufreizen kann, die gegen die innere Ordnung oder die Sicherheit eines Gebiets einer Hohen Vertragschließenden Partei gerichtet sind, zu untersagen und gegebenenfalls unverzüglich deren Einstellung herbeizuführen" (Art. 1), „dafür zu sorgen, daß die von Stationen auf ihrem Staatsgebiet ausgestrahlten Sendungen weder zum Krieg gegen eine andere Hohe Vertragschließende Partei noch zu Handlungen, die dahin führen können, aufreizen" (Art. 2), „auf ihrem Staatsgebiet jede Sendung, die geeignet ist, durch Behauptungen, deren Unkorrektheit den für die Ausstrahlung verantwortlichen Personen bekannt ist oder sein sollte, der guten internationalen Verständigung zu schaden, zu untersagen und gegebenenfalls unverzüglich deren Unterbrechung herbeizuführen" (Art. 3 Abs. 1), und „dafür zu sorgen, insbesondere in Krisenzeiten, daß die Stationen auf ihrem Staatsgebiet über die internationalen Beziehungen Informationen ausstrahlen, deren Korrektheit von den für die Ausstrahlung dieser Informationen verantwortlichen Personen mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln geprüft worden ist" (Art. 4). Die Ubereinkunft wurde ratifiziert von Ägypten, Brasilien, Chile, Dänemark, Estland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Luxemburg, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz; ihr traten bei: Australien, Großbritannien für die Britischen Kolonien, Protektorate und Mandatsgebiete, Großbritannien für Burma, Finnland, Frankreich für die Französischen Uberseegebiete, Guatemala, Irland, Laos, Lettland, Frankreich und Großbritannien für die Neuen Hebriden, Salvador, Schweden, die Südafrikanische Union, Großbritannien für Südrhodesien, der Vatikan; Argentinien, das unterzeichnet hatte, gab gegenüber dem Generalsekretär der OVN Anwendungserklärung ab; Kamerun und Malta haben Fortsetzung der von Frankreich bzw. Großbritannien begründeten Stellung als Vertragsteilnehmer erklärt (Stand 31. Oktober 1967). Die 1948 von der Vollversammlung der OVN (Resolution III/260) gebilligte und zur Annahme empfohlene Konvention betreffend die Verhütung und die Bestrafung des Völkermords (UNTrS Bd. 78 S. 278, BGBl 1954 Teil II S. 730) verpflichtet die Vertragsstaaten zur Setzung nationalen Rechts zur Bestrafung der direkten öffentlichen Aufforderung zum Völkermord (Art. 3, 5). Der Konvention sind mehr als 70 Staaten angeschlossen (Stand 31. Oktober 1967). Bei Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion (1933) verpflichtete sich die Regierung der Sowjetunion zur Unterlassung jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten der USA, aller Ruhe, Wohlstand, Ordnung und Sicherheit der USA beeinträchtigenden Akte, insbesondere jeder auf Aufforderung zur bewaffneten Intervention abzielenden Handlungen, und aller auf Verletzung der territorialen Integrität der USA oder auf Änderung ihrer politischen oder gesellschaftlichen Ordnung abzielenden Agitation oder Propaganda und zur Hinderung aller im Dienst der Regierung stehenden Personen, aller Organisationen der Regierung oder unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung stehenden Organisationen einschließlich derer, die von ihr finanzielle Unterstützung erhalten, an solchen Handlungen (Note des Volkskommissars des Auswärtigen der UdSSR vom 16. November 1933, AJIL 1934 Suppl. S.3). Die USA übernahmen für ihre Exekutive in den Grenzen der von Verfassung und Gesetzen der USA gegebenen Be-

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fugnisse die gleiche Verpflichtung (Note des Präsidenten der USA vom 16. November 1933, AJIL 1934 Suppl. S. 4). Art. 29 Satz 3 der Wiener Konvention betreffend die diplomatischen Beziehungen (UNTrS Bd. 500 S. 96, BGBl 1964 Teil II S. 957) verpflichtet die Vertragsstaaten, jeden Angriff auf die Würde des Diplomaten zu hindern. Mittelbar ergeben sich z. B. das Verbot der Angriffskriegpropaganda aus Angriffskriegverboten (Art. 2 OVN-Satzung, Kellogg-Pakt), das Verbot der Hinmischungspropaganda aus Einmischungsverboten (Art. 15 der Satzung der Organisation der Amerikanischen Staaten, Art. 8 des Pakts der Liga der Arabischen Staaten), das Verbot der Mordaufforderung im Krieg aus dem Verbot des Mordes im Krieg (Art. 23 der Haager Landkriegsordnung) . d) Völkerrechtliche Verantwortung innerstaatlicher Personen: Die Satzung des Nürnberger Internationalen Militärgerichtshofs (UNTrS Bd. 82 S. 280) bestimmte Verantwortlichkeit innerstaatlicher Personen für Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie für u. a. Anstiftung oder Beihilfe zu Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 6). Das Urteil des Gerichtshofs gründete Verurteilungen auch auf Propagandahandlungen. Mit Resolution 1/95 vom 11. Dezember 1946 (GAOR 1. Session Teil 2, 1946, Resolutions S. 188) hat die Vollversammlung der OVN Bestätigung „der von der Satzung des Nürnberger Gerichtshofs und dem Urteil des Gerichtshofs anerkannten Grundsätze Internationalen Rechts" erklärt. Es gibt jedoch bisher keinen nichtvertraglichen völkerrechtlichen Grundsatz völkerrechtlicher Haftung innerstaatlicher Personen für völkerrechtswidrige Kommunikationsinhalte. Vertragsrechtlich ist direkte völkerrechtliche Haftung innerstaatlicher Personen für direkte öffentliche Aufforderung zum Völkermord in Art. 6 der Konvention betreffend die Verhütung und die Bestrafung des Völkermordes vorgesehen, soweit Vertragsstaaten die in dem Art. 6 vorgesehene Errichtung und Zuständigkeit eines internationalen Gerichtshofs zur Bestrafung von Völkermorddelikten akzeptieren. Berichtigung Es ist zu unterscheiden zwischen der Pflicht zur Berichtigung oder Erwirkung der Berichtigung eines Sendeinhalts (internationale Berichtigungspflicht) und dem Recht, auf andere Weise die Berichtigung zu verbreiten (internationales Berichtigungsrecht). Eine gewohnheitsrechtliche oder aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz gegebene internationale Berichtigungspflicht besteht nicht. Vertragsrechtlich verpflichtet Art. 3 Abs. 2 der Internationalen Ubereinkunft über den Gebrauch des Rundfunks im Interesse des Friedens die Vertragsstaaten, „dafür zu sorgen, daß jede Sendung, die geeignet ist, durch unkorrekte Behauptungen der guten internationalen Verständigung zu schaden, so bald wie möglich mit den wirksamsten Mitteln korrigiert wird, selbst wenn die Unkorrektheit erst nach der Ausstrahlung in Erscheinung getreten ist". Ein internationales Berichtigungsrecht gibt die Konvention betreffend das internationale Berichtigungsrecht (UNTrS Bd. 435 S. 192, JIR Bd. 5 S. 332). Sie gibt jedem Vertragsstaat, der geltend macht, eine von einem Korrespondenten (Definition Art. 1 Nr. 3) oder einem Nachrichtenunternehmen (Definition Art. 1 Nr. 2), gleich welcher Nationalität, international, gleich ob aus und in einem Vertragsstaat, veröffentlichte oder verbreitete Nachrichtenkommunikation (Definition Art. 1 Nr. 1) sei falsch oder verzerrt sowie geeignet, seine Beziehungen zu anderen Staaten, sein Ansehen oder seine Würde zu beeinträchtigen, das Recht, den Vertragsstaaten, in deren Staatsgebiet die Kommunikation veröffentlicht oder verbreitet worden ist, ein auf Tatsachenbehauptungen und den notwendigen Umfang beschränktes Kommunique mit seiner Ansicht zu unterbreiten; beizufügen sind der Text der beanstandeten Kommunikation und die Beweismittel zum Nachweis der internationalen Veröffentlichung oder Verbreitung sowie der Herkunft von einem Korrespondenten oder Nachrichtenunternehmen; gleichzeitig ist dem Korrespondenten oder Nachrichtenunternehmen Kopie des Kommuniques zuzuleiten, um ihm Gelegenheit zur Berichtigung der beanstandeten Kommunikation zu geben (Art. 2). Der das Kommunique empfangende Staat hat es, ungeachtet seiner Meinung hinsichtlich der Tatsachen, innerhalb fünf ganzen Tagen

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den in seinem Staatsgebiet arbeitenden Korrespondenten u n d Nadirichtenunternehmen und, w e n n in seinem Staatsgebiet ansässig, der Unternehmensleitung des Nachrichtenunternehmens, dessen Korrespondent für die b e a n s t a n d e t e Kommunikation verantwortlich war, zu übermitteln (Art. 3 § 1). Erfüllt ein ein Kommunique empfangender Staat seine Vertragspflicht nicht, k a n n der Staat, der es unterbreitet hat, das Kommunique nebst Text der beanstandeten Kommunikation dem Generalsekretär der O V N unterbreiten; dem anderen Staat h a t er dies zu notifizieren; dieser h a t das Recht, innerhalb fünf ganzen Tagen dem OVN-Generalsekretär Erklärung zu unterbreiten, die sich auf Stellungnahme zur Behauptung der V e r w e i g e r u n g der Vertragserfüllung zu beschränken hat; der OVN-Generalsekretär h a t zehn ganze Tage nach Eingang des Kommuniques das Kommunique, die beanstandete Kommunikation und die Erklärung zu publizieren (Art. 4). Der Staat, der das Kommunique unterbreitet hat, k a n n außerdem seinerseits im u m g e k e h r t e n Fall die Übermittlung eines Kommuniques verweigern (Art. 3 § 2). Die Konvention ist in Kraft zwischen Frankreich, Guatemala, Jamaika, Jugoslawien, Kuba, Salvador, Sierra Leone und der Vereinigten Arabischen Republik (Stand 31. Oktober 1967).

N a c h r i c h t e n b e s c h a f f u n g Eine Pflicht, ausländischen Journalisten die Nachrichtenbeschaffung zu gestatten, besteht nur insoweit, wie sie vertraglich gegeben ist; z.B.: Art. 2 §§4—5 des Freundschafts-, Handels- u n d Schiffahrtsvertrags vom 29. O k t o b e r 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland u n d den USA (UNTrS Bd. 273 S. 3, BGBl 1956 Teil II S. 488) bestimmt, daß den Staatsangehörigen jedes der beiden Vertragsstaaten im Gebiet des anderen die Sammlung v o n Informationen zum Zwecke der „Veröffentlichung durch Presse, Rundfunk, Fernsehen, Film oder andere Mittel der Verbreitung" zu gestatten ist, soweit nicht Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder Schutz der guten Sitten oder der öffentlichen Gesundheit einschränkende Maßnahmen erfordern. Art. 2 des Freundschafts- und Handelsvertrages vom 18. Dezember 1960 zwischen Pakistan u n d J a p a n (UNTrS Bd. 423 S. 198) verpflichtet die Vertragsstaaten, den Staatsangehörigen j e des anderen das Sammeln u n d das Verbringen von Material zum Zwecke der öffentlichen Verbreitung im Ausland zu gestatten, soweit nicht einschränkende Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung u n d zum Schutz der öffentlichen Moral u n d Sicherheit notwendig sind.

K o o p e r a t i o n Eine allgemeine Kooperationspflicht besteht nicht. Jedoch sind in zahlreichen V e r t r ä g e n Kooperationspflichten gesetzt. Generell verpflichtet z. B. Art. 9 des Kulturabkommens vom 27. April 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden (BGBl 1962 Teil II S. 497) die Vertragsstaaten, sich gegenseitig bei der Vermittlung der Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes bei ihren Völkern durch u. a. „Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Ton- und Fernsehfunks" zu unterstützen. a) Zurveriügungstellung von Material: Eine solche Verpflichtung enthält z. B. Art. 6 der Internationalen Ubereinkunft über den Gebrauch des Rundfunks im Interesse des Friedens. Nach dieser Bestimmung haben die Vertragsstaaten den anderen Vertragsstaaten auf Verlangen die Informationen zur V e r f ü g u n g zu stellen, v o n denen sie annehmen, „daß sie ihrer Art nach die Ausstrahlung von Sendungen der verschiedenen Rundfunkdienste erleichtern können, deren Ziel es ist, ihre eigene Kultur u n d ihre eigenen besonderen Lebensbedingungen sowie die wesentlichen Züge der Entwicklung ihrer Beziehungen zu anderen Völkern und ihren Beitrag zur Organisation des Friedens besser b e k a n n t w e r d e n zu lassen", b) Kommunikationspilicht: Z.B. bestimmt Art. 10 des Kulturabkommens vom 11. April 1953 zwischen Spanien u n d Kolumbien (Boletin Oficial Spanien 1965 S. 584), daß die nationalen R u n d f u n k u n t e r n e h m e n ständig und in großem Umfang Kunst, Musik, Dichtung, Wissenschaft und a n d e r e kulturelle Ä u ß e r u n g e n der beiden Länder aussenden.

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c) Erleichterung der Einfuhr und der Kommunikation: Z. B. bestimmt Art. 9 des Abkommens vom 7. Juni 1966 zwischen Frankreich und Indien betreffend Kooperation im Bereich von Kultur, Wissenschaft und Technik (Journal Officiel Frankreich 1966 S. 6672), daß die Vertragsstaaten gegenseitig und im Rahmen je der nationalen Gesetze Einfuhr und Verbreitung in je ihrem Staatsgebiet von u. a. Hörrundfunk- und Fernsehwerken erleichtern und im Rahmen des Möglichen ihre Unterstützung für Veranstaltungen und für Austausch im Bereich von Hörrundfunk und Fernsehen gewähren. d) Untemehmenskooperation: Z.B. bestimmt Art.9 des Kulturabkommens vom 3. Dezember 1960 zwischen Italien und Jugoslawien (Gazzetta Ufficiale Italien 1963 S.588), daß die Vertragsstaaten die Zusammenarbeit im Bereich des Hörrundfunks und des Fernsehens auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen den zuständigen Unternehmen der Vertragsstaaten im Rahmen der Befugnisse und Möglichkeiten der Unternehmen fördern. e) Kooperation im Bereich der Technik: Z. B. sind durch das Abkommen vom 22. März 1965 zwischen Frankreich und der Sowjetunion betreffend die Zusammenarbeit im Bereich des Farbfernsehens (Journal Officiel Frankreich 1965 S. 5763) die Vertragsstaaten verpflichtet, durch Unterstützung der beteiligten Einrichtungen und Privatunternehmen Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und Technik und im wirtschaftlichen Bereich hinsichtlich des Farbfernsehens zum Zweck der Erarbeitung und Errichtung eines gemeinsamen Farbfernsehsystems auf der Grundlage von Secam zu schaffen (Art. 1) und sich für die Einführung eines einheitlichen Farbfernsehsystems auf der Grundlage von Secam in allen europäischen Ländern einzusetzen und zu diesem Zweck bei internationalen Verhandlungen, Konferenzen und Kongressen zusammenzuwirken (Art. 4). f) Funkstrahierbetrieb: Z. B. gewährt Art. 3 des Abkommens vom 6. Mai 1963 zwischen den Philippinen und den USA betreffend Rundfunkeinriditungen (UNTrS Bd. 477 S. 68) der Regierung der USA das Recht, bestimmte Funkstrahler für die Stimme Amerikas im Gebiet der Philippinen zu betreiben. Die Regierung der Philippinen ist berechtigt, bestimmte Funkstrahler zu benutzen (Art. 2). g) Entwicklungshilfe: Entwicklungshilfe ist Gegenstand z. B. des Abkommens vom 31. Mai 1963 zwischen Frankreich und Marokko betreffend Zusammenarbeit im Bereich von Hörrundfunk und Fernsehen (Journal Officiel Frankreich 1965 S. 3725). Gewährleistung innerstaatlicher

Rundfunkfreiheit

Eine allgemeine Pflicht der Staaten zur innerstaatlichen Gewährleistung von Rundfunkfreiheit besteht nicht. Zwar erklärt Art. 19 der Weltdeklaration der Menschenrechte (Resolution der OVN-Vollversammlung Nr. III/217 Teil A, GAOR 3. Session Teil I, 1948, Resolutions S. 71): „Jeder hat das Recht auf Freiheit der Meinung und der Äußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, ungehindert Meinungen zu haben und Informationen und Ideen mittels jeden Mediums und ungeachtet der Grenzen aufzusuchen, zu empfangen und zu verbreiten." Die Deklaration ist jedoch kein verbindliches Völkerrecht, weder konstitutiv noch deklaratorisch. Art. 19 des Internationalen Pakts betreffend bürgerliche und politische Rechte (UNO GAOR 21. Session, 1966, Suppl. Nr. 16 S. 52) bestimmt: „1. Jeder hat das Recht, ungehindert Meinungen zu haben. 2. Jeder hat das Recht auf Freiheit der Äußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, Informationen und Ideen aller Art mündlich, schriftlich oder im Druck, in künstlerischer Form oder durch jedes andere Medium seiner Wahl ungeachtet der Grenzen aufzusuchen, zu empfangen und zu verbreiten. 3. Die Ausübung der in § 2 dieses Artikels gegebenen Rechte bringt besondere Pflichten und Verantwortungen mit sich. Sie kann daher bestimmten Beschränkungen unterworfen werden; jedoch können dies nur solche Beschränkungen sein, die durch Gesetz bestimmt und notwendig sind: a) zur Achtung der Rechte oder des Ansehens Anderer; b) zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public) oder der öffentlichen Gesundheit oder Moral." Der Pakt tritt jedoch erst drei Monate nach Hinterlegung der fünfunddreißigsten Note der Ratifikation oder des Beitritts in Kraft (Art. 49 Abs. 1).

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Regional bestimmt Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (UNTrS Bd. 213 S. 222, BGBl 1952 Teil II S. 686): „(1) Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen. (2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte Anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich sind." Der Europäischen Menschenrechtskonvention sind angeschlossen Belgien, Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, die Türkei (Stand 31. Oktober 1967).

„P i r a t e n" - S e n d e r Die Ausstrahlung von Rundfunksendungen von Schiffen oder schwimmenden oder festen Anlagen auf der hohen See oder von Luftfahrzeugen im Luftraum über der hohen See zum Empfang innerhalb eines Staatsgebiets (bei dieser Tätigkeit handelt es sich nicht um im rechtstechnischen Sinne Piraterie) ist zulässig, soweit ihre Hinderung nicht vertragsrechtlich geboten ist. Ein Verbot besteht im femmelderechtlidien Vertragsrecht. Art. 7 § 1 Abs. 1 (Nr. 422) der Vollzugsordnung Funk von 1959 zum Internationalen Fernmeldevertrag bestimmt: „Die Errichtung und der Betrieb von Rundfunksendestellen (Ton- und FernsehRundfunksendestellen) an Bord von See- und Luftfahrzeugen oder anderen schwimmenden oder in der Luft befindlichen Objekten außerhalb nationaler Gebiete ist untersagt." Der Vollzugsordnung Funk sind nicht alle Staaten angeschlossen. Auch Rundfunksendungen von Bord von Schiffen, Luftfahrzeugen oder anderen schwimmenden oder luftgetragenen Objekten, die einem nicht der Vollzugsordnung Funk angeschlossenen Staat unterstehen, zu hindern ist das Ziel der Europäischen Ubereinkunft zur Verhinderung von Rundfunksendungen, die von Funksendestellen außerhalb nationaler Gebiete ausgehen (Europäische Vertragsserie Nr. 53, RuF 1966 S. 442). Nach Art. 1 bis 3 des Abkommens haben die Vertragsstaaten die Errichtung oder den Betrieb von Rundfunksendestellen an Bord eines Schiffes, Luftfahrzeugs oder sonstigen schwimmenden oder luftgetragenen Objekts gegenüber ihren Staatsangehörigen ungeachtet der Nationalität des Schiffes, Luftfahrzeugs oder sonstigen Objekts, gegenüber Ausländern nur bei Errichtung oder Betrieb innerhalb ihres Staatsgebiets oder an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs ihrer Nationalität oder eines anderen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden schwimmenden oder luftgetragenen Objekts strafrechtlich zu ahnden. Das Abkommen betrifft nicht Rundfunksendestellen auf Objekten, „die auf dem Meeresgrund befestigt sind oder sich auf ihn stützen" (Art. 4). Das Abkommen ist in Kraft für Belgien, Dänemark, Großbritannien und Schweden (Stand Ende 1967).

Störausstrahlungen Völkerrechtswidrigen Rundfunksendungen dürfen die Staaten auf ihrem Staatsgebiet durch Störausstrahlungen begegnen. Auf den Empfang im Gebiet dritter Staaten dürfen die Störausstrahlungen nur soweit einwirken, wie das zur Abwehr im eigenen Staatsgebiet unvermeidbar ist und ein wesentliches Abwehrinteresse besteht. Bei entgegenstehendem Interesse des dritten Staates ist die Störausstrahlung nur dann zulässig, wenn das eigene Interesse überwiegt. Das Recht der Störausstrahlungen wird nicht durch das fernmelde-

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rechtliche Verbot schädlicher Störungen, Art. 48 des Internationalen Fernmeldevertrags, gehindert. Schädliche Störung ist u. a. jede Ausstrahlung, die „einen Funkdienst, der nach der Vollzugsordnung für den Funkdienst arbeitet, ernsthaft verschlechtert, behindert oder wiederholt unterbricht" (Anhang 3 zum Internationalen Fernmeldevertrag Nr. 414). Rechtsgrundlage für die Störausstrahlungen der Staaten entgegen Art. 48 des Internationalen Fernmeldevertrags ist das Notwehrrecht der Staaten. Funkordnung Die Staaten haben dafür zu sorgen, daß der Funkstrahlbetrieb des Rundfunks den Bestimmungen des internationalen Femmelderechts entspricht. Funkausstrahlungen dürfen grundsätzlich über die nationalen Grenzen hinausgehen. Dabei ist die allgemeine Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme zu beachten. Zur Pflicht der gegenseitigen Rücksichtnahme gehört die Pflicht zur Respektierung der Notwendigkeit einer konkreten detaillierten Funkordnung. Das bedeutet nicht Gebundenheit an jedes Detail der konkreten Funkvertragsrechtsordnung, wenn ein Staat einer vertraglichen Regelung nicht angeschlossen ist. Verbindlich ist jedoch der Grundsatz der Ordnung. Zuständig zur Setzung der Rechtsnormen der Funkordnung sind die Gesamtheit der Staaten und der im Funkrecht völkerrechtsfähigen Organisationen, für Normen von nur regionaler oder zweiseitiger Bedeutung die beteiligten Staaten und Organisationen. Die internationale Funkordnung ist im Internationalen Fernmeldevertrag, der Vollzugsordnung Funk zum Internationalen Fernmeldevertrag, der Zusatzvollzugsordnung Funk zum Internationalen Fernmeldevertrag und einer Reihe von regionalen und zweiseitigen Verträgen geregelt. Die zur Zeit (Ende 1967) maßgebende Fassung des Internationalen Fernmeldevertrags ist die von 1965 (Montreux; amtliche Publikation des Generalsekretariats der Internationalen Fernmeldeunionj UKTrS Nr. 41/1967; Fassung von 1959, Genf, s. BGBl 1962 Teil II S. 2180). Der Vertrag enthält die rechtliche Regelung der Verfassung der Internationalen Fernmeldeunion und grundlegende Bestimmungen der internationalen Fernmeldeordnung. Die Details der Fernmeldeordnung sind in den Vollzugsordnungen geregelt. Die zur Zeit maßgebende Vollzugsordnung Funk ist die von 1959 (Genf) in der Fassung von 1963 (Genf) (amtliche Publikationen des Generalsekretariats der Internationalen Fernmeldeunion, deutschsprachig amtliche Publikationen des Bundespostministeriums). Die Vollzugsordnung enthält u. a. den internationalen Frequenzbandverteilungsplan. Der Plan verteilt nutzbare Frequenzen auf die verschiedenen Funkdienste (Rund-Funk, Flugfunk, Seefunk, Amateurfunk usw.). Die Verteilung für den Rundfunk vorgesehener Frequenzen auf die einzelnen Rundfunkstationen ist Gegenstand einer Reihe von Rundfunkfrequenzverteilungsplänen (z. B. Vertrag von Kopenhagen 1948 für Mittel- und Langwellenbereich für die Europäische Rundfunkzone, Vertrag von Stockholm 1962 für Ultrakurzwellenbereich für die Europäische Rundfunkzone, Verträge von Genf 1963 und 1966 für die Afrikanische Rundfunkzone). Daneben bestehen mehrseitige Verträge kleineren Regionalbereichs (z. B. Vertrag von 1961 zwischen Italien, Jugoslawien, Österreich und der Schweiz) oder zweiseitige Verträge (z. B. Vertrag zwischen Mexiko und den USA von 1962), soweit noch Details zur Regelung offen stehen. Art. 18 § 1 der Vollzugsordnung Funk bestimmt, daß grundsätzlich (Abs. 2 regelt eine Ausnahme) Funkstrahler von privaten Unternehmen nur mit Genehmigung der Regierung des Landes, zu dem der Funkstrahler gehört, betrieben werden dürfen. Urheber - und

Leistungsschutzrecht

Es besteht keine außervertragliche Völkerrechtspflicht der Staaten, Werke oder Leistungen von ausländischen Rechtspersonen urheberrechtlich/leistungsschutzrechtlich zu schützen. Der Schutz ist jedoch Gegenstand einer Reihe von mehrseitigen und zweiseitigen Verträgen. Dem Schutz der Urheberwerke dienen insbesondere die Revidierte Berner Uber-

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einkunft (RBU, in der Fassung von 1948, Brüssel, UNTrS Bd. 331 S. 218, BGBl 1965 Teil II S. 1214; Neufassung 1967 in Stockholm s. UFITA Bd. 50 Teil B S.666; Fassung von 1928, Rom, RGBl 1933 Teil II S. 890) und das Welturheberreclitsabkommen (WUA, UNTrS Bd. 216 S. 134, BGBl 1955 Teil II S. 101), dem internationalen Leistungsschutz insbesondere das Internationale Leistungssdiutzabkommen von 1961 (UNTrS Bd. 496 S. 44, BGBl 1965 Teil II S. 1244). Speziell fernsehurheberrechtliche und femsehleistungsschutzrechtliche Regelungen enthalten das Europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen von 1960 (UNTrS Bd. 546 S. 248, BGBl 1965 Teil II S. 1235) in der Fassung des Protokolls von 1965 (UNTrS Bd. 546 S. 268, BGBl 1967 Teil II S. 1785) und die Europäische Vereinbarung betreffend den Austausch von Programmen mit Fernsehfilmen von 1958 (UNTrS Bd. 546 S. 236).

Internationale

Rundfunkorganisationen

Regierungsamtliche internationale Rundfunkorganisationen gibt es zur Zeit nicht. Die bestehenden internationalen Rundfunkorganisationen sind nichtregierungsamtliche Organisationen. Das Völkerrecht hindert die Bildung niditregierungsamtlidier internationaler Organisationen nicht. Ihre Tätigkeit hat sich im Rahmen des Völkerrechts zu halten.

Vertragsteilnehmerübersichten Eine Zusammenstellung der Vertragsteilnehmer an mehreren den Rundfunk betreffenden internationalen Verträgen s. RfHbBrI 1967/68 S. E 29 ff. Abkürzungen ABl AJIL AnnAAA

= Amtsblatt = American Journal of Internional Law = Annuaire de l'Association des Auditeurs et Anciens Auditeurs de l'Académie de Droit International de la Haye AOR = Archiv des öffentlichen Redits BayVBl = Bayerische Verwaltungsblätter BayVerfGH = Bayerischer Verfassungsgerichtshof BB = Der Betriebsberater BGB = Bürgerliches Gesetzbuch BGBl = Bundesgesetzblatt BGHSt = Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ — Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BVerfGE = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG = Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwGE = Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts DDV = Die öffentliche Verwaltung DVB1 = Deutsches Verwaltungsblatt FAG = Fernmelde anlagen gesetz FuR = Film und Recht GAOR = General Assembly Officiai Records GBl = Gesetzblatt GG = Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GVB1 = Gesetz- und Verordnungsblatt JIR = Jahrbuch f ü r Internationales Redit JN = Justifia Nouä JPW = Jahrbuch des Postwesens S. weiter S. 352 f.

JZ NJW OVN OWiG PrG RC RegBl RevFacDerSäoPaulo RevUER RfG RfHbBrI RGBl RuF Satzg SdNRecTr StGB StPO StV TAGS UFITA UKTrS UNCIO UNTrS URG UWG ZPO

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Juristenzeitung Neue Juristische Wochenschrift Organisation der Vereinten Nationen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Pressegesetz Recueil des Cours Regierungsblatt Revista da Faculdade de Dereito da Universidade de Säo Paulo = Revue de l'UER = Rundfunkgesetz = Internationales Handbuch f ü r Rundfunk und Fernsehen = Reichsgesetzblatt = Rundfunk und Fernsehen = Satzung = Société des Nations Recueil des Traités = Strafgesetzbuch = Strafprozeßordnung = Staatsvertrag = Transactions of the Grotius Society = Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht = United Kingdom Treaty Series = United Nations Conference on International Organization San Francisco 1945 = United Nations Treaty Series = Urheberrechtsgesetz — Gesetz gegen unlauteren W e t t b e w e r b = Zivilprozeßordnung

LITERATUR Verweise. Ausführlichere Literaturangaben s. KRAUSE-ABLASS, in: RfHbBrI 1 9 6 7 / 6 8 S . C 1, 14, 16, E 2, 6, 9, 13, 14, 17, 19, 21, 22, 23, 25, 26, 27, F 5, 13, 17, 25, 40, 42, 56, 59, 81, 97, 101, 104, 110, 120, 123, 130, 135, 150, 158, 176, G 10, 11, 12, 15, 21, 25, H33, 172, 210, 13, 15, 16, 59, K l . 25 Publizistik II

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GÜNTER B. KRAUSE-ABLASS

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DAS RECHT DES RUNDFUNKS (HÖRRUNDFUNK UND FERNSEHEN)

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Rundfunktechnik W E R N E R NESTEL

Der Rundfunk bedarf zur Erfüllung seiner kulturellen Aufgaben der Rundfunktechnik. Diese muß in der Lage sein, die in den Studios produzierten Programme (Sprache und Musik) in jedes Rundfunkgerät und damit in jedes Haus, in jede Familie zu bringen und sie dort möglichst in der Qualität, mit der sie aufgeführt bzw. dargeboten wurden, zu Gehör zu bringen.

1. Technische Grundlagen Bevor dies technisch realisiert werden konnte, waren vier physikalisch-technische Grundaufgaben zu lösen: 1. Die Umwandlung der Schallwellen im Studio in analoge elektrische Vorgänge (Mikrophon). 2. Die Verstärkung der elektrischen Spannungen, die nach der Umwandlung gemäß 1. zur Verfügung stehen (Verstärkerröhre und Transistor). 3. Die Erzeugung elektromagnetischer Wellen, die sich durch den Raum ausbreiten und die als Transportmedium im Stande sind, die elektrischen Spannungen, die gemäß 1. und 2. zur Verfügung stehen, zu den Empfängern zu tragen (Sender). 4. Die Rüdsverwandlung der analogen elektrischen Spannungen in Schallwellen (Lautsprecher). Zu 1.: Das Gerät, das die Umwandlung der im Studio bei der Produktion der Rundfunkprogramme erzeugten Schallwellen, d. h. der medianischen Schwingungen von Luftteilchen, in genau analog verlaufende elektrische Vorgänge ergibt, ist das Mikrophon. Die Luftschwingungen in der Musik variieren von 16 bis 15 000 Hz (1 H E R T Z = 1 Schwingung pro Sekunde). Die Übertragung eines so großen Frequenzbandes wäre technisch sehr aufwendig. Sie ist aber nicht notwendig, da ein eingeschränkter Frequenzumfang von 40 bis 10 000 Hz schon eine ausgezeichnete Qualität und ein sogar noch weiter eingeschränkter Frequenzumfang von 100 bis 4000 Hz eine noch befriedigende Qualität ergibt.

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Z u 2.: Das Mikrophon gemäß 1. liefert nur kleinste Bruchteile der Leistung eines Watts. Zur Weiterleitung werden aber höhere Wattzahlen benötigt. Diese Verstärkung kann mit Radioröhren, neuerdings mit Transistoren, erzeugt werden. Beide haben im Laufe der technischen Entwicklung (bei der Röhre 50 Jahre, beim Transistor 10 Jahre) ein hohes Maß von Vollkommenheit erreicht, so daß jetzt Spezialtypen von Röhren und Transistoren für alle vorkommenden Verstärkungszwecke zur Verfügung stehen. Z u 3.: Die Niederfrequenz, die beim Besprechen des Mikrophons entsteht, kann auch nach ihrer Verstärkung durch Röhren oder Transistoren nur über Kabel weitergeleitet werden. Es wird deshalb ein Mittel benötigt, das eine freie und ungehinderte Ausbreitung durch den Raum ergibt und das dazu benutzt werden kann, die Niederfrequenz-Spannungen durch den Raum zu transportieren. Dieses Mittel ist die elektromagnetische Welle, die durch Wechselströme erregt wird, die mit einigen 100 000, oft einigen Millionen Wechseln pro Sekunde (Hz) in einem Leiter, der Antenne, fließen. Durch diese hohe Wechselzahl haben sie völlig andersartige Eigenschaften als etwa der Wechselstrom der Licht- und Starkstromleitungen, der 50 Hz hat und sich nicht im Raum ausbreitet. Erst die sehr hochfrequenten Wechselströme können, wenn sie der Antenne zugeführt werden, von dort in Form einer elektromagnetischen Welle frei durch den Raum abgestrahlt werden. Die elektromagnetische Welle muß durch die Niederfrequenz beeinflußt werden. Sie wird mit diesen Spannungen „moduliert", und erst dadurch wird sie zum Mittel, das das Programm weiterträgt und dahin bringt, wo es gehört werden soll. Z u 4. : Zum Hören werden die elektromagnetischen Wellen in einer Antenne aufgefangen und von dort in Form eines hochfrequenten Wechselstroms durch das Antennenkabel dem eigentlichen Empfänger zugeführt. Durch elektrische Mittel (Abstimmkreise mit Filterwirkung) muß diejenige Welle, die empfangen werden soll, von den anderen Wellen, die von anderen Sendern abgestrahlt werden aber nicht empfangen werden sollen, getrennt werden, Weiterhin muß jetzt im Empfangsgerät das niederfrequente Signal, z. B. die Musik, von dem hochfrequenten „Träger" in der „Demodulations-Stute" getrennt werden. Die so gewonnene „Niederfrequenz" wird nach einer vorherigen Verstärkung vom Lautsprecher in Schallschwingungen umgewandelt, die möglichst genau den Schallschwingungen bei der Produktion des Programms im Studio entsprechen. Einen kleinen Teil der Geräte der Rundfunktechnik finden wir bei den Jahrmarktschreiern angewandt. Sie vervielfachen die Leistung ihrer Stimme dadurch, daß sie in ein Mikrophon sprechen. Die vom Mikrophon gelieferte NiederfrequenzSpannung wird in einem Verstärker von etwa ein tausendstel Watt auf einige Dutzend Watt verstärkt und dann einem Lautsprecher zugeführt, der sie in Schall-

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Vorgänge zurückverwandelt. Aber trotz dieser vervielfachten Leistung ist die Reichweite nicht viel größer als etwa 100 m. Eine wesentlich andere Reichweite wird erst erzielt, wenn der Verstärker seine Leistung nicht direkt einem Lautsprecher zuführt, sondern wenn er sie an einen Sender für elektromagnetische Wellen weitergibt, in dem sie dazu benutzt wird, die elektromagnetische Welle zu modulieren. Da diese Wellen sich dann je nach Leistung und Welle bis zu den Reichweiten fortpflanzen, die gewünscht werden, kann dann auch ein Empfänger in großer Entfernung diese Wellen aus dem Raum aufnehmen und die darin enthaltenen Niederfrequenzspannungen über einen Lautsprecher zu Gehör bringen. So sind die Grundelemente der Rundfunktechnik: a) Mikrophon b) Niederfrequenz-Verstärker c) Sender zur Erzeugung der elektromagnetischen Wellen mit Modulation d) Empfänger mit Demodulation, Niederfrequenzverstärker und Lautsprecher H E I N R I C H H E R T Z hatte zwar schon 1888 durch seine Experimente und Berechnungen den Nachweis gebracht, daß es elektromagnetische Wellen gibt und wie sie sich verhalten; dennoch hat es bis zum Jahre 1923 gedauert, bis die Technik alle Einzelprobleme der Sender, aber auch der Mikrophone, der Verstärker und der Empfänger, so weit gelöst und verbessert hatte, daß der damalige Staatssekretär B R E D O W den Rundfunk in Deutschland etwa gleichzeitig mit einer Reihe von anderen Ländern der Welt beginnen konnte. Die ersten Versuche hatte Bredow schon 1916 im I. Weltkrieg mit einem kleinen, militärischen Sender gemacht, der zur Übermittlung von Befehlen und Informationen vom Divisionsstab zum vordersten Schützengraben diente. In solchen militärischen Sendern waren noch alle Elemente in einem Gerät vereint. An das Gerät wurden das Mikrophon, das besprochen wurde, und die Antenne zur Abstrahlung der Welle angeschlossen. Alle Einzelfunktionen wie Verstärkung, Erzeugung der Welle, Modulation durch die Mikrophonspannung, waren also in diesem einen Gerät zusammengefaßt. Die Rundfunktechnik mußte, um zu ihren hohen Leistungen zu kommen, dieses einfache, zusammengefaßte Gerät in eine Vielzahl von Geräten aufgliedern, die jeweils ihre spezielle Einzelfunktion mit der besten technischen Qualität und unter den besten Voraussetzungen erfüllen können.

2. F u n k h a u s t e c h n i k Als erster Schritt mußten die Produktion des Programms und die Ausstrahlung getrennt werden. Die Produktion erfolgt in Studios durch Künstler — wie Schauspieler, Musiker — oder auch z. B. durch Politiker. Sie muß deshalb im Zentrum der großen Städte liegen, wo verkehrsgünstige Verhältnisse es ermöglichen, diese

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schöpferischen. Kräfte schnell und ohne großen Zeitverlust an das Mikrophon zu holen. Die Abstrahlung der Wellen aber ist im Zentrum der Städte nicht mit gutem Wirkungsgrad möglich. Deshalb mußten die Sendeanlagen jeweils dort errichtet werden, wo bestmögliche Abstrahlungsbedingungen vorliegen — einige Kilometer von den Großstädten entfernt. Für die Programmproduktion werden immer eine ganze Anzahl von Studios benötigt, die meist in einem „Funkhaus" zusammengefaßt zur Verfügung stehen. Man braucht z. B. Studios für einzelne Sprecher, für Sprechergruppen, für die Aufführung von Hörspielen, für solistische Musikdarbietungen, für kleinere und für große Orchester, Studios mit und ohne Publikum. Selbst wenn aus diesem Grunde in einem Funkhaus ziemlich viele Studios vorhanden sind und nur wenige Programme produziert werden, so sind die Studios trotzdem fast immer belegt, denn jede Minute Programm erfordert viele Minuten vorhergehender Proben. Bei Musiksendungen ist die Probezeit meist zehn- bis zwanzigmal so lang wie die Zeit der Sendung, bei Hörspielen oft bis zu fünfzigmal so lang wie die Zeit des endgültig gesendeten Spieles. In den Studios sind die Mikrophone das wichtigste Gerät der Rundfunktechnik. Die hochwertigen Mikrophone liefern aber nur geringe elektrische Spannungen. Um sie trotzdem verwenden zu können, müssen deshalb sehr leistungsfähige Verstärker benutzt werden. Im Studio kommt man meistens nicht mit einem Mikrophon aus. Fast immer werden mehrere Mikrophone verwendet, oft zwei schon für einen einzigen Sprecher, um höchste Betriebssicherheit zu gewährleisten. Bei Musikaufnahmen werden häufig besondere Effekte dadurch erzielt, daß Solisten oder bestimmte Instrumentengruppen jeweils ihr gesondertes Mikrophon erhalten. Ähnliches gilt für die Produktion von Hörspielen. So ergibt es sich manchmal, daß bis zu zehn Mikrophone gleichzeitig in einem Studio in Benutzung sind. Jedem Studio wird ein sogenannter „Regieraum" zugeordnet. Zwischen Studio und Regieraum besteht durch ein schalldichtes Fenster Sichtverbindung. Im Regieraum arbeitet neben dem Regisseur ein Ingenieur, der „Toningenieur", der vor Beginn der Proben die Mikrophone mit den im Regieraum vorhandenen Verstärkern, Regel- und Mischeinrichtungen, Überwachungsinstrumenten und Lautsprechern zusammenschaltet. Während der Proben und insbesondere während der Sendung regelt er den Lautstärkeanteil der einzelnen Mikrophone und die Gesamtlautstärke, um ein gutes Klangbild des Programms und damit der Sendung zu erreichen. Die Tonqualität der Sendung z. B. eines Hörspiels hängt weitgehend von der Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur und dem Toningenieur ab, die sich beide im Regieraum aufhalten. Der Regisseur will ja so Regie führen, daß das fertige Programm am Lautsprecher möglichst vollkommen klingt. Im Studio selbst würde er es nicht so hören und deshalb nicht richtig beurteilen können. Für die Probenarbeit hat er im Regieraum ein Mikrophon, das über einen Verstärker einem Lautsprecher im Studio zugeleitet wird. Uber diese „Rücksprecheinrichtuncj" kann er

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den produzierenden Künstlern seine Regieanweisungen geben. Während der Sendung hat er Lichtsignaleinrichtungen verfügbar, die im Studio sichtbar werden, um z. B. den einzelnen Sprechern oder Musikern Zeichen zu ihrem Einsatz zu geben oder andere vereinbarte Zeichen zu übermitteln. Während in den ersten Jahren des Rundfunks mit Hilfe von Studios und Regieräumen alle Sendungen so produziert wurden, daß sie direkt über die Sender zur Ausstrahlung kamen, hat die im Kriege gemachte Erfindung der hochwertigen Aufzeichnung von niederfrequenten Spannungen auf Magnetophonbänder dazu geführt, daß der überwiegende Prozentsatz der Programme nicht mehr direkt gesendet, sondern „vorproduziert", also auf Band aufgenommen und zu einem späteren Zeitpunkt vom Band gesendet wird. Zu der Raumgruppe Studio mit Regieraum kommt deshalb in modernen Funkhäusern noch als dritter Raum eine „Schallaufnahme" mit Magnetophon-Aufnahmegeräten hinzu. Das Abspielen der dort aufgenommenen Bandaufzeichnungen bei der eigentlichen Sendung erfolgt meist nicht in diesem Raum, sondern von einem besonderen Raum aus, der in den Funkhäusern „Sende-Magnetophon" genannt wird. Der außerordentlich große Umfang, in dem Magnetophonbänder für Aufnahme und Wiedergabe benutzt werden, ist nur möglich geworden durch die hohe technische Qualität, die dieses Verfahren erreicht hat. Inzwischen haben die Aufnahmegeräte einen so weiten Tonumfang, so geringe Verzerrungen und ein so niedriges zusätzliches Rauschen, daß man eine Bandsendung kaum mehr von einer Direktsendung unterscheiden kann. Die Produktion von Sendungen auf Band ermöglicht verkürzte Probenzeiten, da mißglückte Stellen des Programms auf dem Band leicht gelöscht und durch einwandfreie Einblendungen ersetzt werden können. Bei großen Musikstudios gehört zu der Raumgruppe Studio, Regieraum, Schallaufnahme meist noch ein vierter Raum hinzu, ein kleines „Sprecherstudio". Damit können An- und Absagen großer Konzerte unabhängig von den Vorgängen im großen Saal erfolgen. Die Produktion von Hörspielen ist noch weiter dadurch verbessert worden, daß eine Gruppe von drei Studios benutzt wird. Davon hat eines die akustischen Eigenschaften eines normalen Studios, während das zweite besonders viel und das dritte besonders wenig Nachhall hat. Die einzelnen Szenen eines Hörspiels können auf diese Weise akustisch deutlich voneinander getrennt werden. Für Hörspiele werden viele unterschiedliche Schalleffekte benötigt. Die meisten sind als Bandaufzeichnungen vorhanden. Deshalb werden einem großen Hörspielstudio meist zwei Schallaufnahmeräume zugeordnet, von denen der eine zum Abspielen der jeweils gewünschten Schalleffekte dient, der andere zur eigentlichen Aufnahme des Hörspiels. Es bedarf einer wohlüberlegten Organisation, damit trotz dieses großen technischen Aufwandes noch die reibungslose Zusammenarbeit aller Stellen gewährleistet ist. Als bester Weg hat sich hierbei die weitgehend autarke Arbeitsweise der zusammengehörigen Raumgruppen ergeben, die es erlaubt, möglichst wenige

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Funktionen zu zentralisieren, nämlich nur diejenigen, die für die Abwicklung der Programmfolge notwendig sind. Ein Sondergebiet der Rundfunktechnik ist die Akustik. Zwei Hauptforderungen müssen hier erfüllt werden: 1. Jedes Studio muß akustisch so beschaffen sein, daß sich bestmögliche „Hörsamkeit" ergibt. Hierzu gehört nicht nur, daß der Klang des Studios, so wie er sich über den Lautsprecher auswirkt, gut und dem jeweiligen Programm entsprechend sein soll. Gleichzeitig müssen auch die Klangverhältnisse im Studio es den ausübenden Künstlern ermöglichen, daß sie sich selbst gut und kritisch hören können und sich zu höchsten künstlerischen Leistungen angeregt fühlen. Erst im Laufe der Entwicklung der Akustik hat man gelernt, diese Forderungen mit Sicherheit zu erfüllen. 2. Jedes Studio muß genügende Schaüisolation aufweisen, d. h. der Schall eines Studios darf nicht im Nachbarstudio hörbar sein. Geräusche, die manchmal in der Umgebung der Funkhäuser störend auftreten — wie z. B. Kirchenglocken, fahrende Straßenbahnen etc. —, dürfen nicht in den Studios zu hören sein. Hierfür sind oft recht aufwendige Maßnahmen notwendig. Meist müssen in den Studios die Wände, Fußböden, Decken und Türen doppelt ausgeführt und die inneren Bauelemente sorgfältig von den äußeren isoliert werden. Die Rundfunktechnik selbst hat im Laufe ihrer Entwicklung sehr stark dazu beigetragen, daß die beiden wesentlichen akustischen Probleme, die Hörsamkeit im Studio und die Schallisolation, so gut beherrscht werden, daß die StudioAkustik vorausberechnet werden kann. Es kommt auch häufig vor, daß der Rundfunk Programme aus Theatern, Musiksälen oder auch aus Büroräumen (z. B. bei Interviews) übernimmt, bei denen allerdings für die Hörsamkeit und Schallisolation weniger günstige Verhältnisse vorliegen. Sportprogramme müssen auch z. B. oft aus einem Stadion übertragen werden, wichtige Persönlichkeiten müssen manchmal an einem Flugplatz oder Bahnhof interviewt werden. Für solche Aufnahmen außerhalb der Funkhäuser hat der Rundfunk Wagen gebaut, die die erforderlichen technischen Einrichtungen enthalten („Übertragungswagen"). Sie transportieren die Mikrophone, die für die Außenaufnahmen benötigt werden; sie enthalten die Verstärker, Misch- und Regeleinrichtungen, Überwachungseinrichtungen und Lautsprecher zur technischen Abwicklung der Sendung ähnlich wie in einem Regieraum, und haben zwei oder drei Bandaufnahmegeräte eingebaut. Es gibt „kleine" Übertragungswagen, die nur dazu geeignet sind, kurze Beiträge für aktuelle Sendungen auf Band aufzunehmen. Das Band wird dann zum Funkhaus gebracht, wo es vor der Sendung, falls erforderlich, noch „geschnitten" wird. Dann gibt es „mittlere" Übertragungswagen, die schon alle technischen Einrichtungen enthalten, um mehrstündige Sendungen entweder auf Band aufzunehmen oder sie über eine Kabelleitung zum Funkhaus weiterzugeben. Schließlich gibt es „große" Übertragungswagen, mit denen nicht nur die Sendungen aufgenommen werden, sondern in denen die Bandaufzeichnungen auch noch sendefertig „geschnitten"

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werden. Reporter sind oft auch unterwegs mit kleinen, tragbaren Magnetophonbandgeräten, auf denen sie einfachere Programmbeiträge aufnehmen können. Das erwähnte „Schneiden", mit dem die Bandaufnahmen „sendefertig" gemacht werden, ist eine Arbeit, die in den Funkhäusern oft viele Stunden beansprucht. Hörspiele werden szenenweise produziert, und erst nach Schnitt und Zusammenfügung der gut gelungenen Teile entsteht das sendefertige Band. In Musikprogrammen werden schlechte Einsätze oder Fehler einzelner Musiker herausgeschnitten, das Orchester spielt nur wenige Takte neu, und diese Korrektur wird an der entsprechenden Stelle der Aufnahme eingefügt. In anderen Fällen muß durch „Schneiden" der Bänder das Programm gerafft, konzentriert und damit interessanter gemacht werden. In den Funkhäusern ist neben den technischen Geräten, die direkt der Sendung dienen, noch ein erheblicher technischer Aufwand auf folgenden Gebieten notwendig: 1. Große Fernschreibzentralen dienen dazu, die für Nachrichten- und WetterDienst erforderlichen Informationen aus allen Teilen der Welt heranzuholen oder sie an andere Funkhäuser weiterzugeben. 2. Die Telefonzentralen müssen für große Stoßbelastungen dimensioniert werden, um auch alle Gespräche vermitteln zu können, die sich manchmal als spontane Reaktion nach einigen Sendungen ergeben. 3. Jedes Funkhaus verfügt über eine Normaluhr mit hoher Ganggenauigkeit für die Abgabe der Zeitzeichen. 4. Jedes Funkhaus schließt sich möglichst an zwei Kraftwerke an, die Starkstrom erzeugen, um damit erhöhte Sicherheit bei Stromausfällen zu haben, überall sind auch Dieselaggregate verfügbar, um die Betriebssicherheit noch weiter zu erhöhen.

3. Programmvertellung Die Programmverteilung erfolgt über Kabel oder über Richtfunkstrecken. Es sind zwei Verbindungsnetze notwendig, die man „Zubringernetz" und „Verteilernetz" nennt. Das Zubringernetz führt einem Funkhaus Programme von anderen Funkhäusern zu. Dieser Austausch von Programmen erfolgt nicht nur zwischen Funkhäusern der Bundesrepublik, sondern häufig auch zwischen Funkhäusern aller europäischen Länder, in vielen Fällen auch mit überseeischen Ländern. Bei der Übernahme von Programmen aus Übersee stehen keine Kabel und Richtfunkverbindungen zur Verfügung; hier müssen Kurzwellen-Rundfunksender verwendet werden (s. Abschnitt 4). Das Verteilernetz ermöglicht es, daß das Programm allen Sendern des zum Funkhaus gehörenden Sendergebiets zur Ausstrahlung zugeleitet wird. Oft muß das Verteilernetz gleichzeitig die Sendegebiete mehrerer Rundfunkanstalten beliefern, z. B. wenn Rundfunkanstalten sich dem Programm anderer Funkhäuser an-

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schließen wollen. Das Gleiche gilt sinngemäß manchmal für die gesamte Bundesrepublik wie auch für den Zusammenschluß mehrerer europäischer Länder. In besonderen Fällen, wie z. B. im Sommer 1960 anläßlich der Olympiade in Rom, ging das Verteilemetz über fast alle Sender der Welt. Bei internationalen Übertragungen kommt die Schwierigkeit der Fremdsprachen hinzu. Bei wichtigen Programmereignissen entsenden die interessierten Länder ihre eigenen Reporter an Ort und Stelle. Für jede Sprache werden dann eigene Übertragungsleitungen bereitgestellt. Sowohl im Zubringernetz als auch im Verteilernetz gehört zu jeder Programmübertragungsleitung eine „ V e r s t ä n d i g u n g s l e i t u n g e i n e normale Fernsprechleitung, über die Verabredungen über Besonderheiten, Beginn und Ende des Programms und über technische Maßnahmen usw. getroffen werden. Während die Verständigungsleitungen die normale Fernsprechqualität aller Telefonverbindungen haben, also Frequenzen zwischen 300 bis 3400 Hz übertragen, müssen die Programmleitungen eine höhere Qualität aufweisen. Hier wird unterschieden nach sogenannten alten Programmleitungen, die Frequenzen von 50 Hz bis 6000 Hz durchlassen, und neuen Leitungen, die Frequenzen von 40 Hz bis 10 000 Hz übermitteln. Diese neuen Leitungen haben nicht nur bessere Frequenzbandbreite, sondern auch weniger Verzerrungen und Fremdgeräusche, so daß auch künstlerisch anspruchsvolle Programme über weite Entfernungen quer durch ganz Europa übertragen werden können.

4. Sender Für die Ausstrahlung der Programme werden, wie schon vorstehend ausgeführt, elektromagnetische Wellen benötigt, die als Transportmittel dienen. Diese Wellen sind elektrische oder magnetische Zustandsänderungen des Raumes, die mit sehr hoher Frequenz erfolgen. Um im Empfänger die Wellen verschiedener Sender mit Hilfe der eingebauten Abstimmkreise voneinander trennen zu können, müssen die Sendewellen unterschiedliche Frequenzen benutzen. Aus diesem Grunde können in dem für den Rundfunk wichtigsten Wellenbereich von 525 bis 1610 kHz (dem „Mittelwellenbereidi") nur 120 verschiedene Frequenzen benutzt werden, die dann untereinander Abstände von je 9, in einigen Fällen sogar nur je 8 kHz haben. Da es aber in Europa rund 700 Rundfunksender gibt, ist im Mittelwellenbereich ein beträchtliches Wellenchaos entstanden; auf jeder Welle strahlen mehrere Sender ihre Programme aus. Da diese Mittelbereichswellen sich über große Entfernungen ausbreiten, verursachen die Wellenmitbenutzer Störungen, die die eigentlichen Versorgungsgebiete der Sender stark einengen, also die Gebiete, in denen die Empfänger den von ihnen gewünschten Sender störungsfrei aufnehmen können. Reichweiten für Sender im Mittel Wellenbereich von 100 km sind deshalb nur selten vorhanden, oft gehen die Reichweiten durch die Wellenmitbenutzer zurück auf Werte von nur 30 km, in ungünstigen Fällen sogar bis auf nur 15 km.

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WERNER NESTEL

Im „Langwellenbereich" stehen nur wenige Wellen zur Verfügung, und zwar zwischen 150 bis 240 kHz. Aber auch dort benutzen mehr Sender diesen Bereich als gesonderte Wellen verfügbar sind. Deshalb stören sich die Sender auch in diesem Bereich gegenseitig. Die Zuteilung der Wellen an die Länder für ihre Sender erfolgt in Abständen von etwa 6 Jahren durch eine europäische internationale Wellenkonferenz. Die Gesichtspunkte für die Zuteilung sind häufig mehr politischer als technischer Art. So wurden Deutschland bei der letzten Wellenkonferenz in Kopenhagen im Jahre 1948 viele Mittelwellen weggenommen. Mit den wenigen Wellen, die uns damals verblieben, wäre es nicht möglich gewesen, eine Überdeckung des gesamten Gebiets der Bundesrepublik zu erreichen. Aus dieser Notlage heraus mußte ein neues „Transportmittel" für die Programme gefunden werden. Dieses Problem wurde durch Verwendung von Wellen mit sehr viel höheren Frequenzen gelöst. Nach internationalen Vereinbarungen ist vorgesehen, daß auch in dem Bereich 87,5—100 MHz Rundfunksender errichtet werden können. Es gab auch schon ab 1938 einige Sender in diesem Bereich in Amerika, aber weder die Sender- noch die Empfängertechnik war so weit entwickelt, daß ihre praktische Verwendung möglich war. In den Jahren 1948—1950 wurde in Deutschland mit großen Anstrengungen diese technische Entwicklung vorangetrieben. 1951 konnte dann der UKW-Rundfunk den Hörern angeboten werden. Glücklicherweise konnten alle technischen Einzelprobleme so gelöst werden, daß sich die Verwendung dieser Wellen ohne jede Schwierigkeit in der breiten Öffentlichkeit eingeführt hat. Heute gibt es in Deutschland nur noch ganz wenige Empfänger, die nicht auch für den UKW-Bereich eingerichtet sind. Diese Wellen schmiegen sich bei ihrer Ausbreitung der Erdoberfläche weniger gut an als die Mittel- und Langwellen, d. h. sie zeigen hinter Bergen und Tälern gewisse Schattenwirkungen. Diese Schatten sind aber nicht ganz schwarz, sondern nur grau, d. h. der Empfang ist zwar geschwächt, aber doch in den meisten Fällen noch möglich. Infolge ihrer Ausbreitungseigenschaften sind diese ultrakurzen Wellen nicht für sehr große Entfernungen geeignet. Dies ist aber kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil. Die Wellen stören sich auf große Entfernungen nicht gegenseitig, wie es im Mittel- und Langwellenbereich der Fall ist. Die Reichweiten liegen zuverlässig zwischen 50 und 100 km. Man kann diese Wellen in Abständen von etwa 300 km wieder benutzen, ohne daß die Sender dadurch eine Beeinträchtigung ihrer Versorgungsgebiete erfahren. Weiter trägt zur Störfreiheit mit bei, daß man bei diesen Wellen nicht darauf angewiesen ist, die Sendewellen dicht nebeneinander zu legen. Es ist genügend Platz im Frequenzspektrum vorhanden, um Abstände von rund 300 kHz von einer Welle zur Nachbarwelle einzuplanen. Solche Wellenabstände sind auch notwendig, um die Empfänger wirtschaftlich bauen zu können. Damit kann die Modulation dieser Wellen durch die Niederfrequenz nach einem anderen Verfahren erfolgen (dabei wird nicht die Amplitude der Welle, sondern die Frequenz moduliert, also Frequenzmodulation, nicht Am-

RUNDFUNKTECHNIK

397

plitudenmodulation), und dieses Verfahren ist für Störungen durch andere Sender sehr viel unempfindlicher. Heute sind in Deutschland über 200 UKW-Sender in Betrieb, und der Empfang im UKW-Bereich zeichnet sich durch besondere Störungsfreiheit aus. Auch der Niederfrequenzumfang kann bei diesen Wellen größer sein als im Mittelwellenbereich, wodurch die musikalische Qualität der Sendungen erheblich verbessert wird. In jüngster Zeit ist die Qualität durch den Ausbau zu Stereo (d. h. plastischem Hören) noch weiter vervollkommnet worden. Gleichzeitig mit Deutschland hat auch Italien UKW-Rundfunk eingeführt. Italien war ebenfalls im Kopenhagener Wellenplan benachteiligt worden. Inzwischen haben fast alle europäischen Länder die guten Eigenschaften dieses Wellenbereichs erkannt und ebenfalls UKW-Sendernetze errichtet und damit die Voraussetzungen geschaffen, daß auch dort die Empfänger mit UKW-Bereich zunehmend Verbreitung finden. Die Eigenschaften der ultrakurzen Wellen würden es technisch ermöglichen, den überfüllten Mittel- und Langwellen-Bereich zu entlasten. Es würde eine wichtige Aufgabe der Rundfunktechnik für die Zukunft sein, das heute im MittelwellenBereich bestehende Chaos zu beseitigen und eine größere Zahl von Sendern auf „Exklusiv-Wellen" zu legen, d. h. auf Wellen, auf denen nur ein einziger Sender arbeitet, also kein Wellenmitbenutzer diesen Sender beeinträchtigen kann. Dann könnten die Mittelwellensender wieder, wie es vor der Überfüllung ihres Wellenbereichs war, einen guten Fernempfang ermöglichen, und damit würden der Mittelwelle bedeutende Aufgaben zufallen. Zwischen dem Mittelwellenbereich und dem UKW-Bereich liegt noch eine Wellenart, die Kurzwelle, im Bereich von etwa 6—25 MHz. Sie hat ganz besondere Ausbreitungsbedingungen. Als sie das erste Mal entdeckt wurden, waren sie eine große Überraschung. Diese Wellen haben nämlich entlang der Erdoberfläche in der Umgebung des Senders nur eine sehr geringe Reichweite. Sie strahlen nach oben und finden in 200—300 km Höhe über der Erdoberfläche eine für diese Wellen als Reflektor wirkende Schicht. Diese Schicht wird nach ihrem Entdecker „Heavisideschicht'' genannt, man spricht auch häufig von der „Ionosphäre". Die Kurzwellen breiten sich auf ihrem Weg nach oben und zurück ungehindert aus und kommen mit brauchbarer Stärke nach einigen 1000 km Entfernung wieder zurück zur Erdoberfläche. Mit Hilfe solcher Kurzwellen können also überseeische Länder erreicht werden. Ihr Ausbreitungsverhalten hängt stark von der Tages- und Jahreszeit ab, und selbst Faktoren, wie die Zahl der Sonnenflecken, beeinflussen es. Daraus ergibt sich zwar eine gewisse Unzuverlässigkeit dieser Wellen. Man muß deshalb gleichzeitig mehrere solcher Wellen abstrahlen, um dem Empfänger die Auswahl zu geben, welche der Wellen gerade zu dieser Stunde, an diesem Tag und zu dieser Jahreszeit gut zu empfangen ist. überall in der Welt gibt es eine große Zahl dankbarer Kurzwellenhörer. Die Bundesrepublik hat in Jülich, 30 km westlich von Köln, eine Kurzwellensender-Anlage errichtet, die heute über 5 Sen-

398

WERNER NESTEL

der mit j e 100 k W Leistung und über 1 Sender mit 20 k W Leistung verfügt. Die Deutschen in Übersee haben dadurch eine direkte Verbindung mit der Heimat. Die Kurzwellensender-Anlage strahlt nicht nur deutschsprachige Programme für die Deutschen in Übersee aus, sondern auch fremdsprachige Programme, um auch den überseeischen Hörern anderer Nationalität Informationen über Deutschland und deutsche kulturelle Programme zu übermitteln. Leider werden die Möglichkeiten der Kurzwellensender aus politischen Gründen oft mißbraucht. Zahlreiche Sender der westlichen Welt versuchen, politische Programme über den Eisernen Vorhang weg nach Osten zu strahlen, und etwa ebenso viele östliche Sender versuchen, politische Programme nach dem Westen zu strahlen. Der Osten hat eine große Anzahl von Störsendern eingesetzt, die den Empfang der westlichen Programme unmöglich machen sollen. So herrscht also im Kurzwellenbereich auch ein ähnliches Chaos wie im Mittelwellenbereich, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Es bleibt zu hoffen, daß eines Tages die politischen Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß alle verfügbaren Wellen sinnvoll eingesetzt werden, so wie es die technischen Möglichkeiten anbieten. Erst dann würden in allen Wellenbereichen gute Empfangsverhältnisse vorliegen, und es würde sich noch offensichtlicher zeigen, zu welchen Leistungen die Rundfunktechnik im Dienste des Programms befähigt ist — noch über das hinaus, was sie heute leistet.

LITERATUR RICKMANN U. HEYDA: Elektroakustisches Taschenbuch. VDI-Verlag, Berlin. —

TERMAN,

F. E.: Radio Engineers Handbuch. McGraw-Hill Book Company. — ELSNER, O.: Taschen-Jahrbuch für Funk und hochfrequente Elektronik. Elsner Verlagsgesellsdiaft Darmstadt. — International Telecommunications Union Geneva: Radio Regulations. Geneva 1959. — NESTEL, W.: Radiodiffusion sur ondes metrique en Allemagne. In: Bulletin de Documentation et d'information Union Européenne de Radiodiffusion. Geneve-Bruxelles, Januar 1952. — NESTEL, W.: La radiodiffusion en ondes metriques et ses repercussions sur l'exploitation des studios. In: Bulletin de Documentation et d'information Union Européene de Radiodiffusion. Geneve-Bruxelles, Januar 1954.

Hörfunk - Statistik A R T U R JERGER

1. Begriff Statistische Zahlen sind normalerweise keine unterhaltsame Lektüre, doch vermitteln sie, vor allem in den Hörfunk-Statistiken manchen verblüffenden Eindruck. Die allgemeine und volkswirtschaftliche Bedeutung der Rundfunkarbeit wird durch den „Spiegel der Zahlen" verdeutlicht. Dabei sollen hier die anderen Verzweigungen der Rundfunkarbeit außerhalb der Rundfunkanstalten unberücksichtigt bleiben. Dies gilt auch für so wichtige Bereiche wie die Rundfunkgeräte-Industrie (Sendeund Empfangsanlagen), die Schallplattenindustrie, die Deutsche Bundespost, die Übertragungstechnik (Satelliten, Elektronik), das Rundfunkschrifttum, die Verhaltensforschung u. a. m. Mit anderen Worten: In der nachstehenden Abhandlung werden nur statistische Formen und Arten der Arbeit in den Rundfunkanstalten in Deutschland behandelt. Trotz solcher Einschränkungen offenbart sich in diesem Spiegel der Zahlen recht eindrucksvoll, wie groß das Ausmaß des öffentlichen Interesses, wie umfangreich die Skala der Hörfunk-Sende-, Programm- und Produktionsleistung und wieviel Arbeit nötig ist, um die Teilnehmer mit den täglichen Hörfunkprogrammen zu versorgen.

2. Zur Geschichte Von „Hörfunk-Statistik" speziell oder „Statistik" generell kann man erst sprechen, wenn ein gewisses Mindestmaß an Daten vorliegt und wenn — möglichst wissenschaftliche — statistische Methoden der Erfassung und Aufbereitung angewendet werden. Das war in der Anfangs- und Pionierzeit des Rundfunks bzw. des Hörfunks gewiß nicht der Fall, es mußten zuerst die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verbreitung dieses Massenmediums geschaffen werden. Die ersten statistischen Aufzeichnungen finden sich im „Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich 1925". Es handelt sich um die Feststellung der Teilnehmerzahlen am damals sogenannten „Unterhaltungsrundfunk". — Bald darauf aber erscheinen in den Geschäftsberichten der regionalen Rundfunkdienst G.m.b.H.'s und später in ausführlicher Weise in den Veröffentlichungen der

400

ARTUR JERGER

Reichsrundfunkgesellschaften (RRG) Statistiken über die Programm-Zusammensetzung, Programm-Produktion und -Ausstrahlung. Die erfreulicherweise recht korrekte und ohne die damals übliche „Braunfärbung" von der RRG im Jahre 1936 herausgegebene Broschüre „Rundfunkzahlen 1935" bringt statistisches Material in einer fast verwirrenden Fülle. Aus der heutigen Sicht muß gesagt werden, daß weniger mehr gewesen wäre; dennoch ist diese Veröffentlichung eine Fundgrube für den Statistiker. Neben langen Zahlenkolonnen werden grafische Darstellungen zum besseren Verständnis für den Laien angewandt, Block-Diagramme, KreisSegmente, Kurven-Verläufe in Schwarz-Weiß wie in Farbe beleben die sonst relativ leblosen Zahlen. — Nach dem 2. Weltkrieg veröffentlichten vor allem der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) und der Bayerische Rundfunk (BR), aber auch der Hessische Rundfunk (HR) und der Süddeutsche Rundfunk (SDR) recht bald methodisch richtig erfaßte Daten, gut aufbereitet und dargestellt in ihren Geschäftsberichten. Ein grundlegender Unterschied dieser Statistiken gegenüber denen der RRG besteht darin, daß man das Wesentliche vom Unwesentlichen getrennt hat. So gibt es heute aus Gründen der Kontinuität jährlich wiederkehrende Statistiken, die eine Tendenz erkennen lassen, und andere nur sporadisch oder gelegentlich erarbeitete, aus offensichtlichem Interesse an Details gebotene oder als Momentaufnahme gedachte Statistiken. Die Ursache hierfür liegt in der Notwendigkeit des zwischenzeitlichen oder neuerdings auch des zwischenbetrieblichen Vergleichs begründet.— Aber auch heute bedient man sich, da das Interesse an statistischen Veröffentlichungen der Rundfunkanstalten gestiegen ist, grafischer Darstellungen zur Veranschaulichung des Zahlenmaterials. Die Konzeption dieser Grafiken basiert auf dem Gedanken, die Dinge recht einfach darzustellen. Man verzichtet bewußt auf gekünstelt aussehende Photomontagen und künstlerisch ausgearbeitete Zeichnungen und beschränkt sich auf Kreis-Segment- und Block-Diagramm-Darstellungen einfacher Art. Lediglich der Farbe kommt mehr Bedeutung zu (z. B. beim Vergleich zweier oder mehrerer Jahre).

3. Arten, A u s s a g e n und Ergebnisse der Hörfunk-Statistik Während noch z. B. im Statistischen Jahrbuch 1926 Aufzeichnungen der Rundfunk-(Hörfunk-)Statistik unter dem überbegriff „Verkehrsstatistik" subsumiert werden, steht es heute außer Zweifel, daß die Statistiken des Rundfunks im wesentlichen der Rubrik „Kulturstatistik" zuzuordnen sind. In diesem größeren Zusammenhang ist die Interpretation der Teilnehmer-Statistik — Sendezeit-Statistik — Programmzeit-Statistik — Produktions-Statistik — Technische Statistik — Finanz-Statistik — Verbrauchs-Statistik und der — Sonstigen einschlägigen Statistiken zu sehen.

HÖRFUNK-STATISTIK

401

Wie schon zur Geschichte dargestellt, gibt es viele Formen der statistischen Darstellung. Sie alle dienen der Verbesserung der statistischen Aussage und dem Versuch, die Entwicklungslinien sichtbar zu machen. a) Teilnehmer Statistik Unter den Statistiken, die die Rundfunkarbeit kennzeichnen, war die HörfunkTeilnehmerstatistik, damals Rundfunk-Teilnehmerstatistik genannt, der Verkehrsstatistik zugerechnet. Staatssekretär D R . H A N S B R E D O W , „Vater des deutschen Rundfunks", schreibt in seiner 1928 herausgegebenen Broschüre „Vier Jahre deutscher Rundfunk": „Die Jahre 1924/1927 haben dem Rundfunk einen derartigen Aufschwung gebracht, daß es schwer fällt, in der Verkehrsgeschichte ein Beispiel mit nur annähernd demselben Entwicklungsgang zu finden". In diesen vier ersten Jahren des Hörfunks hatte der Teilnehmerstand bereits die Zahl von 2 Millionen überschritten. Versucht man mit Hilfe der Statistik charakteristische Eigenheiten der Hörerzahlbewegung zu finden, kommt man zu einer Reihe interessanter Erkenntnisse. Es ergeben sich — ähnlich wie bei sonstigen soziologischen Bewegungen — innere Gesetzmäßigkeiten, Zusammenhänge und wechselseitige Beziehungen, so z. B. — Der Winter bringt eine „Hausse", der Sommer eine „Baisse" der Zuwachsraten, — Mit zunehmendem Ausbau der Sendernetze (Hörfunkversorgung) nehmen auch die Teilnehmerzahlen zu, — Aktuelle Ereignisse (z. B. Olympiade etc.) begünstigen das Wachstum der Teilnehmerzahlen, — Erst nach Uberwindung der sogenannten Anlaufzeit ist mit einer kontinuierlichen Entwicklung zu rechnen, — Verordnungen über Art und Turnus des Gebühreneinzugs, das Ausmaß der Gebührenbefreiungen u. a. haben gleichfalls Einfluß auf den Entwicklungstrend. Diese bereits in den Anfangs] ahren beobachteten Fakten gelten auch heute noch. — Den heutigen Erhebungen über die Hörfunkteilnehmerentwicklung werden eine Reihe von Merkmalen zugrunde gelegt, so z. B.: — Die Oberpostdirektion, in deren Bereich der Teilnehmer den Betrieb seines Gerätes anmeldet, — Der Begriff des Rundiunkhaushalts (z. B. selbst verdienende Kinder mit eigenem Gerät sind gebührenpflichtig), — Zweitgeräte innerhalb eines Rundfunkhaushalts sind gebührenbefreit, — Geräte in Kraftfahrzeugen und Schiffen sind anmeldepflichtig, als Zweitgerät jedoch gebührenfrei, — Das Verhältnis der angemeldeten Geräte zur Zahl der Einwohner bzw. der Zahl der Haushaltungen (z. B. Teilnehmerdidite: 90%) u. a. m. Unterstellt man, daß jeweils etwa 3 Hörer auf ein Gerät kommen, so sind letzten Endes bei einer Teilnehmerzahl von über 18 Millionen (Stand 1. 7. 1967) potentiell über 50 Millionen Menschen in der Bundesrepublik und Westberlin erreichbar, nicht eingerechnet jene, die außerhalb der Grenzen Programme der ARD-Anstalten empfangen. 26

Publizistik II

402

ARTUR JERGER

Audi für die Wirksamkeit der Werbeausstrahlungen im Hörfunk ist der Grad der Teilnehmerdichte und der Versorgung innerhalb eines Gebietes und die Zahl der erreichbaren Hörer sehr wichtig. Nicht zuletzt richtet sich danach der Preis für die Werbeeinblendungen. b)

Sendezeit-Statistik

Die Hörfunk-Sendezeitstatistiken sind bei den Rundfunkanstalten die eigentlichen Leistungsnachweise. W e g e n der vielfältigen Darstellungs- und Auswertungsmöglichkeiten der Ergebnisse kommt ihnen deshalb sowohl in volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht als auch unter dem Aspekt der technischen Nutzung der Sendeanlagen große Bedeutung zu. — Vor dem statistischen Ergebnis steht ein großes Maß an organisatorischer Vorarbeit. Zuerst muß der bestmögliche Ort der Datenerfassung festgestellt werden (Leiter vom Dienst bzw. Toningenieur). Es werden in der Regel erfaßt: — Titel des Beitrags, — Zeit (Uhrzeit von — bis), — Spieldauer in Minuten, — Sendekomplex (aus dem die Sendung kommt), — Kanal (1., 2. oder 3. Programm), — Programmart (Schlüssel z. B. Schulfunk, Zeitfunk, Hörspiel etc.), — Produktionsherkunft. Die Aufbereitung der Daten geschieht in jüngster Zeit häufig mit Hilfe konventioneller oder elektronischer Datenverarbeitungsmaschinen. W i e aus dem obigen Katalog der Datenerfassung ersichtlich, können aus der Hörfunk-Sendezeitstatistik auch andere Statistiken abgeleitet werden. Die nächsten Abschnitte enthalten darüber Näheres. Die Sendezeitstatistik selbst bietet im wesentlichen zwei Aussagen an: •— Die Summe der ausgestrahlten Minuten im jeweiligen Programm (1., 2. und 3.) und — die Sendeleistung (bzw. Abspielleistung) der einzelnen Abspielkomplexe für einzelne Programmsparten (Unterhaltung, Wirtschaftsfunk, Nachrichten etc.). In der Regel strahlen die neun Landesrundfunkanstalten je 2—3 Hörfunkprogramme aus. Daneben gibt es die deutsch- und fremdsprachigen Programme der Deutschen Welle und des Deutschlandfunks. Daraus errechnet sich z. B. für 1964 eine Sendeleistung — bei den ARD-Landesrundfunkanstalten — bei der Deutschen W e l l e

von ca. 121 600 Stunden von „ 21 000 „

— beim Deutschlandfunk

von



9100



Insgesamt 151 700 Stunden Bei den Ausstrahlungen der Deutschen W e l l e ist anzumerken, daß die Sendungen vor allem im außereuropäischen Ausland gehört werden. c)

Programmzeit-Statistik Auf den ersten Blick hat es den Anschein, daß Sendezeitstatistik = Programm-

zeitstatistik sei; das trifft jedoch nicht zu. Zwar sind die Grundlagen der Datenerfassung dieselben, doch wird ein anderes Ergebnis erarbeitet. Während bei der

HÖRFUNK-STATISTIK

403

Sendezeitstatistik ein Programm, das über 2 verschiedene Senderketten gleichzeitig ausgestrahlt wird, auch zweimal (also doppelt) erfaßt und gezählt wird, führt die Programmzeitstatistik einen Beitrag, der über 2 oder mehrere Senderketten läuft, nur einmal auf. Die Programmzeitstatistik will zeigen, welche Beiträge in den einzelnen Programmsparten abgespielt wurden. Ob das nur im 1. oder 2. oder 3. oder in allen 3 Programmen erfolgte, interessiert weniger den Programmdirektor und die Programmgestalter als vielmehr den technischen Direktor. — Aus diesem Grunde dient die Programmzeitstatistik sowohl qualitativen als auch quantitativen Analysen und Untersuchungen. Die Programmbeobachtung (Analyse der Hörgewohnheiten und der Hörerechos) wie die Programmplanung (Konsequenzen für die künftige Programmgestaltung aufgrund der statistischen Aussage für die Vergangenheit) profitieren von der Programmzeitstatistik. Nicht zuletzt ist die Aussage über die Zusammensetzung der Hörfunkprogramme wichtig, so 1. nach — Wortsendungen, — Musiksendungen und — gemischten Sendungen, oder 2. nach der Programmgattung, z. B. — Politik und Zeitgeschehen — (Nachrichten, Kommentare, Zeitfunk, Wirtschaftsfunk, Sozialfunk, Sport etc.), Bildung und Erziehung (Jugendfunk, Kinderfunk, Frauenfunk, Erwachsenenbildung, Schulfunk etc.), — Kulturelles Wort (Features, Abendstudio, Theater, Hörspiel etc.), — Musik (Symphonische-, Kammer-, Chor- und Volksmusik), — Unterhaltung (Unterhaltungssendungen in Wort und Musik, Tanzmusik, Jazzmusik, Bunte Nachmittage und Abende etc.) sowie — Sonstige Sendungen (z. B. Werbefunk, Internationale Rundfunkuniversität, Programmhinweise u. a.). Gelegentlich will die Programmplanung nachprüfen, ob die von ihr gesetzten Akzente und Schwerpunkte in den einzelnen Programmen auch erreicht worden sind. Eine exakte Errechnung und Darstellung läßt sich mit Hilfe der Programmzeitstatistik erarbeiten. So kann z. B. demonstriert werden, mit welchem Prozentsatz die Unterhaltung und Information im 1. Programm, bildende Beiträge und ernste Musiksendungen im 2. Programm und Gastarbeiter- und MinderheitenProgrammbeiträge im 3. Programm vertreten sind. d)

Produktionsstatistik

Die produzierenden Abteilungen eines Funkhauses interessieren sich vor allem dafür, in welcher Zusammensetzung, von der Produktionsart und von der Herkunft gesehen, die Beiträge ausgestrahlt werden. Normalerweise unterscheidet man 5 Merkmale: — Original- oder Live-Sendungen, — Sendungen von eigenproduzierten Beiträgen (anstaltseigene Tonträger), — übernahmen von anderen Rundfunkanstalten, Industrietonträgern — Sendungen von (Tonbänder oder Schallplatten, Tonbänder von Filmmusiken usw.), 26*

404

ARTUR JERGER

— Sendungen von Tonträgern der Werbe/unJcgesellschaften. Die Hörfunk-Produktionsstatistik läßt absolute wie relative Aussagen zu, z. B. — das Verhältnis des Anteils der Eigen- und Fremdproduktionen, — das Verhältnis der Originalsendungen zu Sendungen von Tonträgern, — das Verhältnis von Eigenproduktionen und übernahmen (Programmaustausch) , — das Verhältnis der werbefreien und der Werbesendungen am Gesamtprogramm. Die Produktionsstatistik in Verbindung mit der Programmstatistik läßt aber auch ein weiteres Ergebnis erkennen bzw. errechnen: Die Häufigkeit des Einsatzes von eigenproduzierten oder erworbenen Tonträgern während eines bestimmten Zeitraumes im Programm. Damit läßt sich eine Art Rentabilitätskontrolle durchführen. Treibt man die Analyse weiter, so besteht auch die Möglichkeit zu prüfen, ob einzelne Tonträger nicht etwa allzu häufig im Programm erscheinen (Doubletten-Kontrolle). Sie kann die Kontrolle vor der Sendung jedoch nicht ersetzen. Mit Hilfe der Produktions-Statistik lassen sich aber auch andere Relationen untersuchen, u. a. das Verhältnis von Studiokapazität und Eigenproduktionsleistung. Ob ein Orchester z. B. für eine Opernproduktion ein Studio ein oder zwei Wochen beansprucht, ist nicht nur eine Kostenfrage; ebenso wichtig ist, daß das Studio als technische Einheit mit Regie- und Tonträgerräumen optimal genutzt werden kann. Dieser Katalog der Auswertungsmöglichkeiten für die Produktionsstatistik ist nicht vollständig, doch er zeigt die Vielfalt der Gesichtspunkte auf, nach denen die statistischen Ergebnisse erarbeitet werden können. e) Technische

Statistiken

Neben der Sendezeitstatistik, die letzten Endes auch eine technische Statistik ist, gibt es eine Reihe von Aufzeichnungen der technischen Daten eines Funkhauses, die im wesentlichen nur dem Techniker dienen. Dazu gehören Zahlen über die eingeschalteten Sender, über die Sender-Betriebszeit und Zeiten für die von der Bundespost beanspruchten Leitungen usw. Zwischen diesen Aufzeichnungen und der Sendezeitstatistik ergibt sich eine Diskrepanz, da die Sendezeitstatistik nur echte Programmbeiträge, nicht aber den Meßton bzw. Pausenzeichen unmittelbar ab der jeweiligen Inbetriebnahme der Sender erfaßt. f) Finanzstatistik Die Finanzstatistik soll nur kurz erwähnt werden, handelt es sich hier doch um eine Randform der Statistik. Darstellungen der Vermögens-, Liquiditäts-, Einnahmen- und Ausgabensituation in Wirtsdiafts- und Geschäftsberichten sind keine Statistiken im eigentlichen Sinne. Im zwischenzeitlichen Vergleich erst erlangt der aufgezeigte Trend eine quasi-statistische Aussage. Insbesondere die Fortschrei-

HÖRFUNK-STATISTIK

405

bung der Produktionskosten pro Minute innerhalb der Programmgattungen begegnet einem betriebswirtschaftlichen wie auch öffentlichen Interesse. g)

Verbrauchsstatistik

Die Verbrauchsstatistik dient als Hilfsstatistik betriebsinternen Zwecken. Auch als Schlüssel für Kostenumlagen in der Betriebsabrechnung der Rundfunkanstalten finden sie Verwendung. Wieviel Meter Tonband und wieviel Kilowattstunden Strom verbraucht, wieviel tausend Kilometer die Übertragungswagen gefahren und wieviel Ferngespräche geführt werden, um die Programme gestalten zu können, ist zweifellos interessant und für die Geschäftsführung wie auch für die Vorund Nachkalkulation wichtig. h) Andere

Statistiken

Es gibt außer den vorerwähnten Statistiken eine Reihe von wichtigen und weniger wichtigen ziffernmäßigen wie grafischen Darstellungen, die u. U. auch dem überbegriff Hörfunkstatistik zugeordnet werden könnten. Dazu gehören insbesondere Statistiken über die Zusammensetzung des festangestellten Personals. Die wesentlichen Aussagen hieraus sind: — Einsatz des Personals in Programm, Technik oder Verwaltung, — Altersmäßige Zusammensetzung, — Anteil des männlichen und weiblichen Personals, — Alterspyramide. Daneben gibt es eine Reihe von Sekundär-Statistiken. Dazu zählen z. B. soziologische Untersuchungen und die zwischenzeitliche Fortschreibung der Ergebnisse über die Zusammensetzung der Bevölkerung (männlich—weiblich, nach Lebensalter, nach Wohngebieten, nach Berufsgruppen etc.) und deren Hörgewohnheiten. Diese und andere Gesichtspunkte werden jedoch an anderer Stelle dieses Handbuchs gebührend berücksichtigt.

4. Statistische Vergleiche Wie bereits angedeutet können statistische Ergebnisse aufeinanderfolgender Jahre bei gleicher Erfassungsbasis in einem zwischenzeitlichen Vergleich gegenübergestellt, analysiert und Tendenzen aufgezeigt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß im Zeitablauf keine atypischen Veränderungen der Erfassungsmerkmale vorgenommen werden. Unter den gleichen Voraussetzungen sind auch zwischenbetriebliche Vergleiche, z. B. zwischen Rundfunkanstalten oder zwischen einer Rundfunkanstalt und einer privaten Schallplattenfirma möglich (Verhältnis der Eigen- zu den Fremdproduktionen). Ausblick Nicht nur das öffentliche Interesse, sondern auch gewisse Wettbewerbsverhältnisse (z. B. Presse, Film, Rundfunk) und die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse

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Statistische Ergebnisse a) Hörrundfunkprogramme der Landesrundfunkanstalten nach der Art der Sendung

Gesamt-S>endezeit in Mi:luten 1966 1967

Von der (ücsamt-Se ndezeit en tfallen auf Wortseildungen Werb äfunk Musiksendungen in % in % in % 1966 1967 1966 1967 1966 | 1967

NDR 1 RB WDR2 HR SWF SDR BR SR SFB

252903 276139 387105 374795 251480 255 223 481861 516827 505448 522448 463545 493682 443036 439318 523083 524218 495648 499541

57,9 49,9 62,6 59,3 54,3 55,8 55,0 47,2 42,7

NDR RB WDR HR SWF SDR BR SR SFB

371728 418960 145447 214145 385025 389720 350364 370640 523106 449765 409152 406032 385240 387083 224776 241497 197692 134477

69,3 60,5 63,0 61,0 51,6 53,1 66,2 64,3 68,9

NDR 3 NDR m. SFB4 Rß3 WDR WDR3 HR HR 3 SWF5 SDR5 BR 5 SR 5

85920 193356 91645 110184 89309 64540 81811 143110 138774 79840 91432

RundfunkAnstalt

1. Programm 54,5 46,4 63,1 61,1 60,3 62,2 53,9 45,0 44,6

42,1 39,8 37,4 33,5 38,4 35,4 37,5 21,0 48,9

45,5 41,1 36,9 31,1 32,1 29,5 38,6 21,9 46,8

30,7 39,5 37,0 33,0 40,6 36,5 33,8 35,7 31,1

38,9 29,6 35,3 28,8 31,3 41,1 34,5 40,2 40,4

76,5 30,5

77,9 26,7

-

10,3 -

7,2 7,3 8,8 7,5 31,8 8,4

-

12,5 -

7,4 7,6 8,3 7,5 33,1 8,6

2. P rogramm

84150 185236 98540 125697 95032 51248 77797 118573 130643 84235 85537

61,1 49,1 64,7 62,1 59,6 51,0 65,5 59,8 59,6

3. Programm 22,1 23,5 73,3 69,5 -

55.0 26,4 73,9

53,8 30,8 60,1 -

36,2 44,7 30,2 67,9

35,2 32,5 34,2 56,5

-

45,0 73,6 26,1 -

63,8 55,3 69,8 32,1

46,2 69,2 39,9 -

64,8 59,9 65,8 43,5

-



-

21,3

-

6,0 7,8 10,4

-

9,1 9,1 7,9

-

-

-

-



-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

7,6

-

-





1 Anteil des NDR am Gemeinschaftsprogramm des WDR und des NDR auf der Mittelwelle. 2 Anteil des WDR am Gemeinschaftsprogramm des NDR und des WDR auf der Mittelwelle. 3 Nur Gastarbeiterprogramm. 4 Anteil des SFB am Gemeinsdiaftsprogramm NDR/SFB 64 222 Minuten (1966), 24 471 Minuten (1967). 5 überwiegend Gastarbeiterprogramm.

HÖRFUNK-STATISTIK

407

b) Deutsche Welle'

Art der Darbietung

Musiksendungen Wortsendungen Fremdsprachige Sendungen

Dauer der Sendungen 1966 1967 Min. %

Min.

Insgesamt

347153 173702 73920 594775

58,4 29,2 12,4 100,0

352566 172260 86234 611060

% 57,7 28,2 14,1 100,0

c) Deutschlandfunk**

Art der Darbietung

Min.

1966

Dauer der Sendungen

1967

%

Min.

46,9 53,1 100,0

•251625 315414 567039

44,4 55,6 100,0

266361 848774 1115135

23,9 76,1 100,0

%

Deutsches Programm Musiksendungen Wortsendungen

Insgesamt

265818 300905 566723

Fremdsprachiges Programm Musiksendungen Wortsendungen

Insgesamt

243 211 791257 1034468

23,5 76,5 100,0

* Alle Sendungen sind für das Ausland bestimmt. " Der Deutschlandfunk veranstaltet Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland. Gemäß dem Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts soll der Deutsdilandfunk für die Gestaltung seines Programms soweit als möglich die Programme der Rundfunkanstalten des Landesrechts mitverwenden.

408

ARTUR JERGER

der Rundfunkanstalten selbst lassen die statistische Arbeit weiter vorantreiben. Audi neue Erkenntnisse der Fernsehstatistik wirken befruchtend (Erstsendung, Wiederholung, Ausschnittsendungen, Einblendungen u. a.). Neue Formen der Produktion und der Sendung verlangen auch der statistischen Arbeit neue und rascher erbrachte Ergebnisse ab. Die moderne Datenverarbeitung wird mithelfen müssen, die statistische Aussage weiter zu verbessern.

LITERATUR BREDOW, H.: Vier Jahre deutscher Rundfunk. Berlin 1928. — FISCHER, E. K.: Dokumente zur Geschichte des deutschen Rundfunks und Fernsehens. Göttingen, Berlin, Frankfurt 1957. — FISCHER, E. K.: Der Rundfunk. Stuttgart 1949. — Rundfunk-Zahlen 1935. Reidis-Rundfunk GmbH., Berlin 1936. — Statistische Jahrbücher für das Deutsche Reich. 1925 bis 1933. — Statistische Jahrbücher für die Bundesrepublik Deutschland. 1960 bis 1964. — Geschäftsberichte verschiedener ARD-Anstalten aus verschiedenen Jahren.

II. F E R N S E H E N

Begriffsbestimmung W O L F G A N G BRUHN

Das Fernsehen als jüngstes Phänomen publizistischer Aussageformen bedarf noch am ehesten einer detaillierten terminologischen Definition. Diese muß hilfsweise auch von den Unterschieden gegenüber anderen publizistischen Aussageformen ausgehen, um so eine größere definitorisdie Klarheit zu ermöglichen. Im gegenwärtigen Zustand des Fernsehens, in dem selbst für kürzere Fristen organisatorische Veränderungen nicht auszuschließen sind, kann dennoch davon ausgegangen werden, daß es sich vorerst um die Gesamtheit aller organisatorischen, geistigen (d. h. programmlichen) und technischen Einrichtungen handelt, die dazu dienen, Rundfunkprogramme (Sehfunk) in gleichzeitiger Verbindung von Bild und Ton an ein allgemeines, unbegrenztes Publikum zu übermitteln. Damit ist in erster und wichtigster Hinsicht der mediale Charakter des Fernsehens festgestellt. Eine solche Feststellung beinhaltet gleichzeitig die technischen Voraussetzungen, die sowohl auf der Sender- wie auf der Empfängerseite bestehen müssen. Im Gegensatz zu anderen Massenmedien, wie z. B. der Zeitung und der Zeitschrift, wie auch dem Film bedarf der einzelne Teilnehmer am Fernsehempfang des besonderen technischen Hilfsmittels eines Fernsehempfangsgerätes-, er hat also eigene Anstrengungen zu unternehmen, um sich in den Genuß der Fernsehsendung zu setzen. Der Gruppenempfang, z. B. in Gaststätten, und der hier und da geübte Projektionsempfang mit sogenannten Eidophor-Geräten kann hier außer Betracht bleiben, er entspricht nicht der normalen Empfangssituation und fällt zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Andererseits bedarf das Fernsehen auf der Senderseite, d. h. im Bereich oder zu Diensten der Programmträger, besonderer und gegenüber allen anderen Massenmedien größter technischer Aufwendungen, die nicht nur in der Erstellung und im Betrieb der eigentlichen Fernsehsender, Kleinsender und Umsetzer bestehen, sondern auch im Gegensatz zum adäquaten Rundfunk (Hörfunk) in komplizierten elektronischen Leitungswegen bzw. Richtfunkstrecken, Schaltstellen und Einspeisungspunkten. Darüber hinaus sind besondere elektronische Vorrichtungen zur Aufzeichnung und Speicherung bzw. Abtastung elektronischer Sendungen oder Sendungsteile und in immer mehr verstärktem Maße technische Geräte zur Erstellung von Fernsehfilmen und ihrer

410

WOLFGANG BRUHN

elektronischen Abtastung nötig. Diese entsprechen im wesentlichen der allgemein üblichen Filmtechnik. Dieser besondere technische Aufwand, der sowohl im Umfang wie auch in den Kosten unvergleichbar größer ist als bei allen anderen Massenmedien bzw. technischen Aussageformen, ist somit das erste bestimmende Charakteristikum des Fernsehens. Ein zweites ist die Totalität der Zuschauer der Fernsehsendungen. Während sich Zeitung, Zeitschrift, Theater, Film und selbst die Mehrzahl der Rundfunk-(Hörfunk)-sendungen an, wenn auch große, so doch spezifische Publikumsteile richten, so hat das Fernsehen in bisher allen Fernsehnationen eine Entwicklung genommen, die programmlich und technisch die Hinwendung zu einem totalen, dispersen und undifferenzierten Publikum sucht. Das bedeutet, daß selbst in Fernsehländern mit zahlreichen nebeneinander bestehenden Fernsehsystemen diese in der generellen Programmgestaltung keine deutliche Unterscheidung in sich selbst suchen. Selbst das Educational TV in den Vereinigten Staaten, die einzige von der Organisation her unterschiedliche Programmträgerform des Weltfernsehens, ist in Relation zu eben diesem und seinen durchschnittlichen Programminhalten nichts wesentlich anderes (auf einige spezifische Ausnahmen wird weiter unten noch zu kommen sein). Ein drittes Charakteristikum ist die Herkunft vom allgemeinen Rundfunk. Sie beinhaltet, daß die produzierten und ausgestrahlten Sendungen sich von vornherein auch technisch an alle wenden und jedem die Teilnahme am Empfang ermöglichen, der dies wünscht. Darin liegt der Gegensatz zum Richtfunk (z. B. Polizeifunk, Küstenfunk, Militärfunk usw.), dem im Fernsehen im allgemeinen bisher keine entsprechende Parallele entstanden ist. Zu den geringfügigen Ausnahmen gehören lediglich einige der bereits oben erwähnten Educational TV-Programmsysteme im closed-circuit-system mit Hilfe von Koaxial-Kabelnetzen oder das in dem gleichen Unterrichtsfernsehen geübte kurzgeschlossene Arbeiten. Sie gehören daher definitorisdi ebensowenig zum Fernsehrundfunk, wie Fernsehaufnahmeund Empfangsgeräte, die polizeilicher, industrieller oder auch wissenschaftlicher optischer Übersicht oder Kontrolle dienen und der Programmgestaltung entbehren. Wesentlicher als die bisher genannten Charakteristiken ist für das Gesamtphänomen Fernsehen die Totalität der verbreiteten Programme. Im Gegensatz zu anderen publizistischen Aussageformen hat das Fernsehen in den meisten Fernsehländern mehr oder weniger Programmtotalität gewonnen, d. h. daß in fast allen Programmen Elemente nicht nur meinungsbildenden und informativen, sondern auch ausschließlich unterhaltenden, erbaulichen, erzieherischen und gemischten Charakters enthalten sind. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß nur in den seltensten Fällen reine Aussageformen bzw. Sendungssparten erkennbar, vielmehr die meisten Mischformen der einen vorwiegenden mit anderen Sparten sind. Hierin liegt ein weiterer Unterschied zu den meisten Erscheinungsformen modernen Zeitungs- und Zeitschriftenwesens, vor allem aber auch zum modernen Theater. Diese Situation ergibt sich aus der historischen Entwicklung fast aller

BEGRIFFSBESTIMMUNG

411

Fernsehprogramme und ihren Ursprüngen in kostensparenden Versuchsbetrieben. Daraus haben sich in den meisten Fällen Programmverhältnisse herausgebildet, die stärkeren Repertoire- als Programmcharakter tragen. Dabei ist zu beobachten, daß alle Fernsehländer mit finanziell schwach, ausgestatteten Programmträgern zeitlich kürzere und überwiegend mit Aktualität, Information und Belehrung gefüllte, d. h. stärker publizistisch geprägte Programmformen besitzen, während in Fernsehnationen mit wirtschaftlich stärkeren Programmträgern diese Programmanteile immer mehr zurücktreten und bei ständiger zeitlicher Ausdehnung überwiegend unterhaltende und zum geringen Maße auch erbauliche Programminhalte den Zuschauern vermittelt werden. Außerdem ist auf die zeitliche Totalität des Fernsehens hinzuweisen, die dieses Medium damit lediglich mit dem Hörfunk verwandt sein läßt und deutlich von allen anderen Medien abhebt, die entweder vom Konsumenten zeitlich begrenzt genossen werden (Theater und Film) oder von ihm zu beliebiger Zeit in beliebig begrenzter Dauer empfangen und verarbeitet werden (Zeitung, Zeitschrift, Buch). Diese zeitliche Totalität des Fernsehens ist zwar noch nicht in allen Fernsehländern in gleichem Umfange erreicht, doch geht die allgemeine Entwicklung eindeutig in diese Richtung und wird bereits in den nächsten Jahren fast einheitlich ein annähernd gleiches Ausmaß erreicht haben. Eine beliebige Versetzung und damit zusätzliche Auswahlmöglichkeit der Fernsehsendungen ist jedoch gegenwärtig technisch bereits erschlossen und wird auch wirtschaftlich schon bald so weit entwickelt sein, daß derartige Geräte in Zukunft zum Gemeingut der meisten Fernsehbenutzer gehören werden. In einem besonderen Maße wesentlich ist ferner für das Phänomen Fernsehen, daß aufgrund der technischen Gegebenheiten in einem begrenzten Territorium infolge der spezifischen Ausbreitung und der ebenso spezifischen Bandbreite der elektronischen Trägerwelle für kombinierten Bild- und Tonfunk immer nur eine begrenzte Zahl von technischen Sendemöglichkeiten besteht. Diese Tatsache schließt einen völlig ungehinderten programmlichen Wettbewerb von Programmgestaltern bzw. der von ihnen getragenen Programmsysteme aus und zwingt zu einer Organisationsform, die entweder allen gesellschaftlich relevanten, d. h. pluralistischen, Kräften oder aber nur einer begrenzten Mehrheit dieser Kräfte den Zugang zur Programmgestaltung ermöglicht. Das häufig verwandte Beispiel der Fernsehverhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika und ähnlich wie dort organisierter Fernsehsysteme ist der Beweis des Gegenteils, da dort tatsächlich ein Oligopol einiger weniger publizistischer Kräfte auf dem Gebiet des Fernsehens besteht, das aufgrund seines technischen Raubbaus in wenigen, durch das Werbefernsehen kommerziell ergiebigen, Gebieten ein publizistisches Monopol in den verbleibenden Restgebieten oder gar eine gänzliche Fernsehunterversorgung erzwingt. Angesichts des gerade in diesen Verhältnissen bestehenden geringen publizistischen Charakters des Fernsehens und der dadurch dort ermöglichten

412

WOLFGANG BRUHN

stärkeren Behauptung anderer publizistischer Mittel ist diese Gefahr jedoch meist geringer als gemeinhin vermutet oder geschlußfolgert wird. Es soll in diesem Zusammenhang jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß zumindest theoretisch in absehbarer Zukunft die technische Möglichkeit bestehen wird, durch Fernsehsendungen und -empfang über Fernmeldesatelliten eine theoretisch unbegrenzte Zahl von Programmen auszustrahlen und zu empfangen. Doch dürfte nach dem gegenwärtigen Stand der Technik sowohl die Sende- wie die Empfangsseite so hohe finanzielle Aufwendungen zu machen haben, daß auch hier auf lange Zeit noch wieder oligopole oder monopole publizistische Organisationsformen entstehen werden. Derartige Fernsehorganisationsformen können daher gegenwärtig ebenso außer Betracht bleiben, wie die bereits genannten Fernsehorganisationsverhältnisse in den USA oder ähnliche, die wie bereits erwähnt, tatsächlich keinen entsprechenden Gegensatz zu den sogenannten allgemein-zugänglichen, d. h. öffentlich-rechtlichen oder staatlichen Systemen bilden. Diese sind von der kulturellen oder sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung her die Regelform und für das Weltfernsehen noch mehr oder weniger charakteristisch. Schließlich soll noch ein besonderes Charakteristikum des Fernsehens in seiner Wirkung auf den Zuschauer erwähnt werden. Kein anderes Massenmedium, den Spielfilm eingeschlossen, hat eine derartige faszinative und somit auch illusionierende Kraft, die auf Intellekt und Psyche wirkt. Der Grund dafür liegt in der Abwechslung und Vielfalt des bewegten Bildes, in den in glücklichsten Fällen gelungenen Verbindungen von Bild und Ton, d. h. z. B. Bilddokument und Kommentar, Spiel und Dialog, Persönlichkeit und Aussage. Ein anderer Grund besteht in den filmischen Möglichkeiten des Fernsehens, die vor allem durch Schnittwechsel und Montage in besonderem Maße den Fernsehzuschauer zu fesseln vermögen. In Anbetracht der Tatsache, daß alle weiterentwickelten Fernsehsysteme in ihren Programmen zur Mehrzahl aus filmischen Bestandteilen bestehen, gewinnt dieses Phänomen besondere Bedeutung und wird mit fortschreitender finanzieller und technischer Entwicklung des Fernsehens noch erheblicher werden. Darüber hinaus ist aber auch erwähnenswert, daß das Fernsehen empfangsseitig nicht, wie zum Beispiel analoge Spielfilme, als ein reines Kunstwerk empfunden wird, sondern daß es aufgrund seiner ursprünglichen und auch heute noch häufigen Gleichzeitigkeit von Vorgang und Sendung selbst in vielen vorproduzierten Sendungsformen als erheblich authentischer empfunden wird als andere Massenmedien. Die Glaubwürdigkeit des Fernsehens in Information und Aussage ist deshalb nur mit dem beträchtlich weniger faszinativen Hörfunk vergleichbar. Dies hängt zweifellos auch mit der staatlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Programmgestaltung und ihrer psychischen Wirkung auf den Zuschauer zusammen. Aus allem Gesagten ergibt sich ein Gesamtbild des Fernsehens, das definitorisch gegenüber jeder einzelnen anderen publizistischen Aussageform verschieden und gegenüber allen gemeinsam gänzlich neu entwickelt ist. Einige summarische Sätze sollen dies verdeutlichen:

BEGRIFFSBESTIMMUNG

413

1. Fernsehen hat am Endpunkt seiner Entwicklung ein wesentlich zahlreicheres Publikum als alle anderen Massenmedien. 2. Fernsehen fasziniert mehr als alle anderen Massenmedien, mit Ausnahme des Spielfilms. 3. Fernsehen ist authentischer als die meisten Massenmedien, mit Ausnahme von Zeitung und Zeitschrift, bzw. es wird zumindest vom Publikum als authentischer empfunden. 4. Fernsehen hat technisch gesehen eine ungehinderte und totale örtliche und zeitliche Ausdehnung. 5. Fernsehen kann aufgrund seiner Rundfunkeigenschaft potentiell von jedem Einzelnen empfangen werden, sofern dieser begrenzte technische und wirtschaftliche Aufwendungen betreibt. 6. Fernsehen steht in der Programmgestaltung organisatorisch entweder allen gesellschaftlichen Kräften gleichmäßig oder aber nur einigen wenigen publizistischen Faktoren direkt zur Verfügung. 7. Fernsehen hat deshalb gegenüber den meisten anderen Massenmedien besondere öffentliche oder in zahlreichen Ausnahmefällen oligopole Organisationsformen. 8. Fernsehen ist schließlich, wirtschaftlich gesehen, aufgrund seines besonderen technischen Aufwandes und seines Programmaufwandes das wirtschaftlich bedeutsamste Massenmedium. 9. Fernsehen enthält gleichermaßen alle programmlich denkbaren Sendungsformen, ohne sich zu spezifizieren. 10. Das Fernsehen ist in seinen verschiedenen Organisationssystemen programmlich nicht different.

LITERATUR ARONS, L. U. M., U. A. MARK: Television and Human Behavior. Appleton-Century Crofts, New York 1963. — BAUMEISTER, R. (Hrsg.): Directory 1964. The National Society for the Study of Communication. Sonderdruck aus: Journal of Communication. Vol. XIV, 3. 1964. — BEER, U.: Umgang mit Massenmedien. Vorschläge und Hilfen. Rau, Düsseldorf 1964. — BERLO, D. K.: The Process of Communication. Holt, Rinehart and Winston, New York 1960. — CHERRY, C.: Kommunikationsforschung — eine neue Wissenschaft. Fischer, Frankfurt 1963. — ECKERT, G„ und F. NIEHUS (Hrsg.): Zehn Jahre Fernsehen in Deutschland. Dokumentation — Analyse — Kritik. Verlag für Rundfunk- und Fernsehpublizistik, Frankfurt a. M. 1963. — FELDMANN, E., und E. MEIER (Hrsg.): Film und Fernsehen im Spiegel der Wissenschaft. Bertelsmann, Gütersloh 1963 (Neue Beiträge zur Film- und Fernsehforsdiung). — Fernseh-Rundsdiau, Hrsg.: Kurt Wagenführ. R. V. Decker's Verlag, G. Sehende GmbH, Hamburg. — HAAS, W . : Farbfernsehen. Düsseldorf 1967. — HABERMAS, J.: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Luditerhand, Neuwied 1962. — HALLORAN, J . D.: Wirkungen des Fernsehens. In: Studien zur Massenkommunikation, Band 3. Hans Bredow-Institut. Hamburg 1967. — Internationales Handbuch für Rundfunk und Fernsehen. Hans BredowInstitut. Hamburg 1963. — MALETZKE, G.: Psychologie der Massenkommunikation. Hans Bredow-Institut. Hamburg 1963. — PRAGER, G.: Reden und Aufsätze über Film, Funk und Fernsehen. Hans Bredow-Institut. Hamburg 1963. — REINISCH, L. (Hrsg.): Werden wir

414

W O L F G A N G BRUHN

richtig informiert? Massenmedien und Publikum. Ehrenwirth. München 1 9 6 4 . — RINGS, W . : Die 5. Wand — das Femsehen. Düsseldorf 1962. — Rundfunk und Fernsehen. Wissenschaftliche Vierteljahresschrift. Hrsg.: E. Zedilin. Hans Bredow-Institut. Hamburg, Jg. 1—15. SCHRAMM, W. (Hrsg.): Grundfragen der Kommunikationsforsdiung. Juventa. München 1964. — SPIESS, V.: Bibliographie zu Rundfunk und Fernsehen. In: Studien zur Massenkommunikation, Band 1. Hans Bredow-Institut. Hamburg 1967. [Das Recht des Fernsehens siehe S. 360]

Begriff und Geschichte d e s Fernsehens KURT WAGENFÜHR

Der Fernsehrundfunk ist die natürliche Weiterentwicklung des Hörrundfunks. Zum drahtlos-elektrisch verbreiteten Wort, Klang und Geräusch tritt das bewegte Schwarz-Weiß-Bild, das seine Vollendung im bewegten farbigen Bild und schließlich im dreidimensionalen Farbfernsehen findet. Die Aussendungen, in abgestimmter Folge als Programme bezeichnet, werden gleichzeitig von vielen, örtlich getrennten Einzelpersonen oder Gruppen empfangen. Die Personen und Gruppen bilden zusammen eine „Masse", die unorganisiert ist, aber verbunden durch das gleichzeitige Aufnehmen eines (oder mehrerer) Programms. Diese getrennt oder doch gemeinsam Teilnehmenden sind das Ziel des Sendenden, des organisierten Fernsehrundfunks. Erstrebt wird — insbesondere die publizistische — Unterrichtung, Unterhaltung, Belehrung und Erbauung des Zuschauers, sei es durch einen öffentlichen Dienst ohne Gewinnstreben; sei es durch eine staatliche oder halbstaatliche Fernsehorganisation; sei es durch kommerzielle Fernsehgesellschaften. Die erste Organisationsform will dabei Material zur Meinungsbildung im Zuschauer liefern; die zweite will die Meinung des Zuschauers in einer bestimmten Weise beeinflussen; die dritte will den Zuschauer zum Kauf von zwischen den Einzelsendungen angebotenen (angepriesenen) Erzeugnissen anregen bzw. überreden. Die Einnahmen werden aus Gebühren und/oder aus Zeitvermietung für Werbezwecke gewonnen. Der Fernsehrundlunk nahm in Deutschland am 22. März 1935 als der erste geordnete, regelmäßige Programmdienst der Welt seine Tätigkeit in der damaligen Reichshauptstadt Berlin auf. In ihr war zwölf Jahre vorher (29.10.1923) der erste regelmäßige tägliche Rundfunkprogrammdienst in Deutschland eingerichtet worden. Die Organisation, in deren Rahmen der Fernsehprogrammdienst begann, war der nach der totalitären Doktrin des Hitlerregimes staatlich, parteipolitisch und zentral geleitete Reichsrundfunk. Die Technik lag in den Händen der Deutschen Reichspost; die Finanzierung fand von Beginn an aus Hörrundfunkgebühren statt. Die Sendungen konnten in Berlin und näherer Umgebung aufgenommen werden. Es waren wenige Empfänger, wahrscheinlich nur 300 bis 500 Stück, in den Händen von Vertretern von Staat und Partei, von Angehörigen der Reichspost, der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, der Industrie, von wenigen Journalisten und wissenschaftlichen Unternehmen. Die Programme konnten aber auch in rund einem viertelhundert Fernsehstuben in Berlin — öffentliche Räume, in denen Empfänger aufgestellt waren — kostenlos verfolgt werden.

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KURT WAGENFÜHR

Die Programme setzten sich aus verschiedenen Wochenschauen zusammen, die abwechselnd gesendet wurden, aus Filmen, Spielen und Spielszenen, Unterhaltungssendungen, Interviews, Berichten usw. Diskussionen und Sendungen, in denen unterschiedliche Meinungen zu einem Thema geäußert werden könnten, fanden in der nationalsozialistischen Diktatur, die Meinungen erzeugen, nicht anbieten wollte, natürlich nicht statt. Höhepunkte des Programms waren die Direktübertragungen von den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin. Mit Kriegsausbruch (1.9. 1939) wurde der Programmdienst auf einige Zeit eingestellt, später aber bis zur Zerstörung der Anlagen durch Bomben im Jahre 1944 weitergeführt. Die Programme dienten während des Krieges fast ausschließlich der Unterhaltung von Verwundeten, die die Sendungen im Gruppenempfang in Lazaretten und Erholungsstätten verfolgten. Für die Programme verantwortlich zeichneten neben dem Fernsehbeauftragten der Reichssendeleitung, C . H . BOESE, die beiden ersten Intendanten H A N S J Ü R G E N N I E R E N T Z und HERBERT ENGLER, denen u. a. Regisseure wie H A N N S F A R E N BURG, LEOPOLD HAINISCH, H A N N E S KÜPPER, Dramaturgen wie A R N O L T BRONNEN, Berichter wie H U G O LANDGRAF, ELENA GERHARDT, H U G O M U R E R O , J O C H E N RICHERT, Komponisten wie Rio GEBHARDT und Bühnenbildner wie KARL JOKSCH und H E I N Z M O N N I E R zur Verfügung standen. Diese Aufzählung, die nicht vollständig ist, soll nur einige Namen registrieren, die mit der Aufbauarbeit und mit der Entwicklung eines Programms verbunden waren. Die rein technischen Daten sind von Gerhart Goebel in dem Sonderdruck „Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945" (in: Archiv für Post- und Fernmeldewesen, Jg. 5, Nr. 5, August 1953) und von Walter Bruch in Nr. 6 der SFB-Buchreihe unter dem Titel „Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens" (1967) behandelt worden. (Weitere Hinweise auf Fachliteratur am Ende dieses Beitrags.) Welches waren die Motive, die zur Eröffnung dieses ersten Fernsehdienstes führten? Der Deutsche Rundfunk hatte sich im ersten Jahrzehnt des Aufbaus (1923—1933) einen sehr guten Ruf in Europa und auch darüber hinaus erworben. Das Hitlerregime konnte diesen Rundfunk also nur weiterentwickeln und ihn in seinen Programminhalten und seiner Aufgabenstellung ausschließlich seinen totalitären Zielen und Zwecken nutzbar machen. Sowohl Kurzwellen-Sendungen für das überseeische Ausland wie Versuche mit UKW waren bereits vor 1933 durchgeführt worden. So waren Pionierverdienste nur noch auf dem Fernsehgebiet zu erwerben, soweit sie nicht die technischen Grundlagen betrafen, die auch schon vor 1933 entwickelt worden waren. Das Hitlerregime nutzte die verbleibende Möglichkeit propagandistisch und organisierte einen Programmdienst mit einem Sendebeginn, der vor dem der BBC lag, der bedeutendsten und profiliertesten Rundfunkorganisation in Europa, vielleicht sogar in der Welt. Innenpolitisch war dieser Programmdienst für das NS-Regime in keiner Weise nützlich, da durch ihn keinerlei „Massen" oder für den Nationalsozialismus zahlen-

B E G R I F F UND GESCHICHTE DES FERNSEHENS

417

mäßig kleine, aber einflußreiche Gruppen erreicht und damit beeinflußt werden konnten. Der Beginn des Programmdienstes am 22. März 1935 war rundfunkpolitisch ganz einfach eine Prestige-Angelegenheit. Damit soll nicht gesagt werden, daß das Projekt nicht reif für die Praxis gewesen wäre. Es war technisch so entwickelt, daß ein Betrieb mit 180-Zeilen-Bildern (ab 1937 = 441 Zeilen) gerechtfertigt war, um daraus Erfahrungen für einen Programmdienst größeren Stils zu gewinnen. Wie schon zu Beginn des Hörrundfunks und wenige Jahre später des Kurzwellendienstes hatten die Erfinder und Ingenieure auch diesmal technische Apparaturen den Programmgestaltern „für Versuche" übergeben. Diese waren aber auch diesmal nicht genügend vorbereitet, das technische Instrument mit den Inhalten zu erfüllen, die seinem Wesen und seinen Wirkungsmöglichkeiten entsprachen. Immerhin blieb Zeit, Erfahrungen und daraus entstehende Programmsicherheit zu gewinnen, bis der offizielle Programmdienst eröffnet werden konnte. Diese Chance ist in verschiedener Hinsicht genutzt worden. Zunächst wurde die erste Fernseh-Empiangsstelle außerhalb Groß-Berlins in Potsdam eingerichtet. Dann wurden Kabelverbindungen von Berlin über Leipzig und Nürnberg nach München geschaffen, die später nach Salzburg (und Wien) und nach den Wintersportplätzen in den deutschen Alpen verlängert werden sollten. Eine zweite Linie führte von Berlin nach Hamburg, wo gleichfalls eine Fernsehempfangsstelle eröffnet wurde. So entstand die erste durchgehende Linie von Nord- nach Süddeutschland. Eine weitere Verbindung lief nach Westen, also von Berlin über den Brocken (Harz) zum Feldberg (Taunus) und von dort nach Köln-, auf den beiden Bergen wurden Fernsehsender errichtet. Ganz deutlich zeichnet sich hier ein Fernsehnetz ab, das Berlin als technischen Mittelpunkt und politische Programmzentrale hatte und nur vermissen ließ, daß der Kabelweg auch frühzeitig nach dem Osten (Breslau und Königsberg/Pr.) angelegt wurde. An diesem Netz wurde aber deutlich, daß die damalige Rundfunkleitung erkannt hatte, daß das Fernsehen sein Fundament und damit die Voraussetzungen für eine große Zuschauerzahl (und damit große Einnahmen aus Gebühren) nur gewinnen konnte, wenn es Zentren einer dichten Besiedlung aufsuchen würde. Vor allem der Kabelweg nach dem Westen bewies das. Das Hitlerregime gab der Fernsehentwicklung nur eine begrenzte Publizität. Sie wollte zunächst einen Rundfunkempfänger in jedem Haushalt sehen, damit jederzeit jeder Einwohner an jedem Ort erreicht, angesprochen und politisch ausgerichtet werden konnte. Das Fernsehen mußte hinter diesem Vorhaben zunächst zurücktreten und durfte sich nur in bescheidenem Rahmen entwickeln. Wie die Partei- und Staatsführung aber im Rundfunkbereich darauf bedacht war, den Empfang durch billige Geräte (Volksempfänger und Einheitsempfänger) jedem Einwohner zu ermöglichen, so traf sie auch die Voraussetzungen, die zunächst sehr teuren Fernsehempfänger zum offiziellen Beginn des Programmdienstes durch möglichst preiswerte Apparate zu ersetzen. Also wurden fünf der bedeutendsten Firmen, die Fernsehgeräte bauten (zum Preis von über 1000 RM) ge27

Publizistik II

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KURT WAGENFÜHR

zwungen, ihre Erfahrungen zusammenzulegen und einen „Einheitsempfänger" (keinen Volks-Fernseh-Empfänger, der erst später zu noch billigerem Preis hergestellt werden sollte) für rund 650 RM zu entwickeln. Er stand im Herbst 1939 verkaufsbereit, wurde aber nicht auf den Markt geleitet, da der Krieg ausbrach. Die dritte erkennbare Tendenz war, daß keinerlei Aufmerksamkeit auf den nächsten Schritt der Fernsehentwicklung, auf das Farbfernsehen gelenkt werden sollte. Hinweise darauf wurden unterdrückt, denn niemand sollte, wenn der Einheitsempfänger auf den Markt kommen würde, mit dem Kauf zögern, weil Farbfernsehgeräte zu erwarten wären. Man darf übrigens nicht übersehen, daß auch in dem niedrigen Preis für den Rundfunk-Volksempfänger und Einheitsempfänger immer noch gewisse Beträge enthalten waren, die für rundfunkfremde Zwecke (wie z. B. Propaganda) abgezweigt wurden. Die Preise für Fernsehempfänger waren natürlich, keine „echten" Preise. Es steht außer Zweifel, daß trotz aller Hemmnisse und Bedrängnisse bemerkenswerte Programmleistungen erzielt wurden. Das gilt für Fernsehspiele, kleine Fernsehopern, für Berichte, aktuelle Übertragungen usw., wobei natürlich in Betracht gezogen werden muß, daß die Programme wie in jeder Diktatur eine festgelegte Tendenz hatten und Weisungen unterworfen waren, wenn auch der Fernsehdienst gegenüber dem Hörrundfunk eine gewisse „Narrenfreiheit" genoß, weil er nur wenige Zuschauer erreichte. Um ein Beispiel zu nennen: Lessings „Minna von Barnhelm" wurde in einer Rahmenhandlung gesendet, in der sich ein im Zweiten Weltkrieg verwundeter junger Offizier mit einem Kameraden über seine Verwundung unterhält; mühelos glitt dann die Handlung auf den verwundeten Tellheim über. Bemerkenswert ist übrigens, daß nach der Besetzung von Paris der dort bestehende Fernsehdienst von der deutschen Truppe wieder eröffnet und bis zum Zusammenbruch 1944 weitergeführt wurde. Fassen wir die erste Etappe der Fernsehentwicklung zusammen. Von 1935 bis 1941 waren die Fernsehprogramme in Berlin und Umgebung zu sehen. Die erste räumliche Ausweitung fand 1941 statt, als über Kabel fünf Fernsehstellen in Hamburg angeschlossen wurden. Diese Programme wandten sich zunächst an eine kleine Gruppe von Interessierten, also Techniker, Funkwirtschaftler, Reichspost- und Reichs-Rundfunk-Angestellte, Journalisten, Parteifunktionäre und solche Personen, die von einer Funkfirma einen Empfänger leihweise erhalten oder ihn erwerben konnten. Die Programme waren trotz der begrenzten technischen Möglichkeiten bis Herbst 1939 relativ vielseitig zusammengesetzt. Während des Krieges dienten sie dann vornehmlich der Unterhaltung von Verwundeten in Lazaretten und Erholungsheimen, ohne jedoch inhaltlich immer auf diesen Zuschauerkreis, der sie im Gemeinschaftsempfang sah, abgestellt zu sein. Der genannte Zweck war übrigens unter anderem eine Begründung für das Weiterbestehen des Programmdienstes in einer Zeit, in der alle Anstrengungen auf den Krieg, die Kriegstechnik, die Kriegswirtschaft usw. gerichtet sein sollten und in der alle nicht unbedingt in der Heimat benötigten Personen für Kriegsdienste

BEGRIFF UND GESCHICHTE DES FERNSEHENS

419

freigestellt werden mußten. „Truppenbetreuung" aber erlaubte Ausnahmen. In einem Aufsatz „Zur Entstehung des Fernsehens in Deutschland"1 wird in einer sorgsamen Darstellung davon gesprochen, daß das Fernsehen von 1935—44 ein publizistischer Torso und bloße Trockenübung, ein Medium ohne Publikum usw. geblieben sei. Wenn man allerdings an den damaligen Betrieb die Maßstäbe von 1967 anlegt, wenn man Vergleiche mit der damaligen Hörfunkzahl von über 7 Millionen Teilnehmern zieht, wenn man das Wort Massenmedien mit einer gewissen Betonung des Begriffsteiles „Masse" anwendet, dann kann man zu solchen Schlüssen kommen. Es ist aber falsch, solche Vergleiche zu ziehen und es zeigt ein geringes Einfühlungsvermögen in die damalige Zeit, ihre Forderungen, ihre Verbote, ihre Ziele, ihren Zwang, ihre Menschen und deren Möglichkeiten, wenn solche Maßstäbe angelegt werden. Auch das Auswerten damaliger Presseveröffentlichungen unter den heutigen Gesichtspunkten einer freien Presse oder eine leicht ironisierende Betrachtung der Terminologie (die manchmal aus reinen Schutzgründen benutzt oder nicht benutzt wurde) kann dazu führen, die damaligen Bemühungen in ein falsches Licht zu setzen. Daß Besprechungen von Fernsehsendungen von damals heute mit „einfühlenden" Augen gelesen, ja gedeutet werden müssen, wird jeder Publizist und Wissenschaftler für selbstverständlich halten. Leider wird aber nicht immer danach gehandelt. Es muß darauf hingewiesen werden, daß es für die damaligen Machthaber ein Leichtes gewesen wäre, eine für damalige Zeiten hohe Zahl von Fernsehteilnehmern zu erzielen, wenn Partei und Staat eine solche Absicht gehabt und eine solche Entwicklung gefördert oder forciert hätten. Ihnen aber war es zunächst wichtiger, nicht zuletzt als Vorbereitung für den Krieg, möglichst jeden Haushalt mit einem Hörrundfunkempfänger auszustatten und die dafür notwendigen billigen Geräte (die für den Fernempfang und damit für feindliche Rundfunkeinwirkung ungeeignet waren) auf den Markt zu bringen. Das Fernsehen sollte aber nicht so entwickelt werden, daß Käufer von Rundfunkempfängern veranlaßt werden könnten, zu warten „bis zum Ton auch das Bild tritt". Zweifellos war es auch eine wesentliche Überlegung der allgemeinen Propaganda, die Fernsehempfänger zu einem bestimmten Zeitpunkt in billigen Serien herauszubringen und die Tatsache des leicht möglichen Erwerbs durch jeden Volksgenossen als Verdienst des Nationalsozialismus hervorzuheben. Hatte der Staat mit einem Propaganda-Ministerium kein Interesse an Propaganda durch Fernsehen? Natürlich hatte er Interesse daran, jedes Instrument zur Propaganda für Partei und Staat einzusetzen. Aber Goebbels wußte auch, wie gefährlich das Fernsehen für die Nationalsozialisten werden konnte. War es zum Beispiel nicht heikel, den Redner Hitler als gestikulierenden, sich überschreienden Mann mit verzerrtem Gesicht und Mund im Fernsehen zu zeigen? Hatten 1 Zeitschrift „Rundfunk und Fernsehen", Heft 4, Jahrgang 1967 (Verlag Hans BredowInstitut, Hamburg).

IT

420

KURT WAGENFÜHR

nicht Kinobesucher im Schutze der Dunkelheit des Saales über den pathetischen Mussolini gelacht? Er wußte, daß die erste Rundfunkrede Hitlers am 2, 2. 33 wiederholt werden mußte, weil er fast unverständlich gesprochen hatte. Er wußte, daß Hitlers Auftreten in den Wochenschauen durch Schnitt und Ausschnitt vorteilhaft verändert werden konnte. Aber er fürchtete die Direktübertragungen im Fernsehen, die mit den damaligen Apparaten nicht so manipulierbar waren wie es für die Propagandawirkung notwendig gewesen wäre. Die längere Anlaufzeit eines Versuchsdienstes war zum Vorteil für die Tendenzen des Propagandaministers und seine Vorhaben; er kannte die überzeugende, aber auch enthüllende Macht des bewegten Bildes. Es steht fest, daß die im ersten Jahrzehnt beim Fernsehrundfunk Tätigen ihre Möglichkeiten nicht schlecht genutzt haben. Die Fernsehspiele, ein Maßstab für den Stand jedes Fernsehrundfunks, erreichten schon vor dem Krieg eine bemerkenswerte Höhe in Regie, Dramaturgie, Ausleuchtung, Dekorationen, Farbumsetzungen usw. Die Außenübertragungen zeigten Sicherheit, die Dokumentarspiele (wie wir sie heute nennen würden) und Dokumentarberichte klare Gliederung und Verständnis für die Möglichkeiten des neuen Mediums. Das gilt auch für die Interviews und in gewisser Hinsicht auch für die Bunten Abende. Hier kann nur aus einer verblassenden Erinnerung nach rund drei Jahrzehnten berichtet werden; das ist gewiß nicht „Akten-Quelle", aber doch gewisser Anhaltspunkt. Es wird kaum möglich sein, die damaligen Sendungen so zu rekonstruieren, daß sie wie von einer Aufzeichnung abgelesen und analysiert werden können. Meines Wissens gibt es überhaupt nur zwei kürzere Szenen, die als Filmstreifen erhalten geblieben sind, aber für eine Deutung nicht ausreichen. Vielleicht aber kann zum Beispiel aus gut erhaltenen Szenen- und Studiofotos ein ungefähres Bild von dem durchaus beachtlichen Stand der damaligen Programmleistungen rekonstruiert werden. Man soll allerdings dann nicht unterlassen, auch das noch vorliegende Foto — um nur ein Beispiel zu nennen — von der sogenannten Regiezentrale im Kuppelsaal des Reichssportfeldes, aus dem regelmäßig Übertragungen (live) vorgenommen wurden, zu zeigen. Es gibt mehr als hundert Worte einen Eindruck, unter welchen primitiven Bedingungen gearbeitet werden mußte. Keine Rolle spielt es, daß jahrelang für einen kleinen Kreis von Zuschauern gesendet wurde. Sicher aber ist, daß — wenn einmal das Startzeichen für den Beginn des „offiziellen" Fernsehdienstes gegeben worden wäre — der Fernsehprogrammdienst damals so eingespielt gewesen wäre, daß er vor den Augen und Ohren der Besitzer eines Empfängers bestehen konnte. Dabei waren in den Studios in der Rognitzstraße und später am Reichskanzlerplatz durchaus nicht Spitzenkräfte des Hörrundfunks, des Films oder Theaters beschäftigt. Eher hatten sich dort zusammengefunden, bzw. waren nach dort die Männer abgeschoben, die aus irgendwelchen, meist parteipolitischen Gründen an anderer Stelle nicht erwünscht waren. Natürlich waren eingeschworene Nationalsozialisten unter ihnen, aber auch viele Mitläufer und Leute, die sich nur als Pgs aufführten. Aber

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ihre Arbeitsintensität war nicht zu bestreiten und auf ihren Erfahrungen hätten kommende Fernsehgenerationen aufbauen können. Wie es nach. 1945 ja auch in Hamburg und Berlin der Fall war. Welchen Weg das Fernsehen allerdings einmal genommen hätte, wenn es als nationalsozialistisches Propagandainstrument ausgebaut worden wäre, kann man sich vorstellen, wenn man eine Parallele zum Hörfunk der damaligen Zeit zieht. Zweifellos hätte, nach Machtkämpfen und Intrigen, ein umfangreicher Personenwechsel stattgefunden und die Sprachregelung für die Programme wäre ebenso einschneidend und damit entwicklungshemmend geworden wie beim Hörrundfunk. Die BBC-Programme, die zwischen 1935 und 1939 gesendet wurden, halte ich für besser als die damaligen deutschen; ich konnte früher mehrfach in London einige Tage lang die Sendungen im Alexandra-Palace verfolgen.' Sie waren mit leichterer Hand, selbstverständlicher gemacht und zeigten natürlich einen weitaus freieren Programmaufbau als in Berlin. Nicht in gleich starker Weise haben mich die Fernsehprogramme in Paris beeindruckt, die zwar mit größerer Eleganz oder Nonchalance gemacht waren, aber nicht die Präzision der Sendungen in London oder Berlin aufwiesen. Allerdings sind die in der britischen und französischen Hauptstadt gewonnenen Eindrücke zu gering, um ein abschließendes Urteil zu erlauben. Immerhin dürfte die in diesen Ländern in der Presse veröffentlichten Fernsehkritiken eine gute Unterlage für Betrachtungen über den damaligen Stand liefern, während die in Deutschland vorhandene Fernsehkritik naturgemäß nur im Rahmen der Anweisungen für „Kunstbetrachtung" (Verordnung von 28. VI. 1936) schreiben konnte. Das war nicht leicht; regelmäßig schrieben damals Dr. G. Eckert und der Verfasser dieser Zeilen über Fernsehprogramme. Das neue große Fernsehhaus, das in Spandau entstehen sollte und von der Reichspost genau geplant war, blieb zwar eine Zeichnung auf dem Papier. Als erstes Zeichen einer „Produktion" im größeren Stil machte sich die Absicht bemerkbar, Fernsehspiele regelmäßig auf Film aufzuzeichnen, um sie betriebssicher festzuhalten und wiederholen zu können. Das Kriegsende brach diese Entwicklung ab. Das Kriegsende bedeutete auch die Zerstörung aller technischen Anlagen, der Senderäume, des Fundus, der Geräte; die Menschen, die am Fernsehprogramm und in der Fernsehtechnik gearbeitet hatten, wurden in alle Zonen verstreut. Einige Apparaturen, die gerettet und in deutscher Hand verblieben waren, tauchten in Hamburg auf. Die britische Besatzungsmacht erhielt Kenntnis davon und „borgte" sie sich zum überprüfen in London aus; sie kehrten nicht nach Hamburg zurück. In Hamburg aber bildete sich eine erste Gruppe, die das Fernsehen wieder aufbauen wollte: Techniker wie Prof. Dr. Werner Nestel und Hans Joachim Heßling und einige mit dem Programm vertraute Rundfunkleute wie Hanns Farenburg und Dr. Werner Pleister. Dazu kamen einige Fachjournalisten (Dr. G. Eckert, Dr. G. Krollpfeiffer, Dr. K. Wagenführ), die die Fernsehentwick-

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lung seit 1935 in Berlin verfolgt hatten. Der Kristallisationspunkt war der NWDR-Hamburg bzw. die Oberpostdirektion Hamburg, denn es war deutlich geworden, daß in Berlin kein neuer Fernsehdienst entstehen konnte. Die Zerstörungen waren groß, die wenigen noch vorhandenen Fernsehanlagen hatten die Russen abtransportiert, das Stadt-Fernseh-Kabel war für Übertragungen aus dem Sportpalast, aus Theatern usw. nicht zu gebraudien. Vier Besatzungsmächte hätten sich über die Wiederaufnahme des Fernsehdienstes in Berlin einigen müssen, das war unwahrscheinlich. Im übrigen gab es zunächst für alle vier Besatzungszonen wichtigere Aufgaben: der Hörrundfunk mußte wieder aufgebaut werden. Das hieß Sender errichten, Verbindungen zwischen ihnen schaffen, der Wellendemontage durch UKW-Netze begegnen, Rundfunkhäuser instand setzen, um einen regelmäßigen Programmdienst zu ermöglichen. Er war in dieser Zeit notwendiger als die Presse, die unter Papierverknappung litt und deren Verteilung stark behindert war. Der Rundfunk konnte jederzeit, überall jeden erreichen, der noch einen intakten Empfänger besaß oder der gebrauchsunfähige Empfänger reparieren ließ, um wieder Verbindung mit der Umwelt und damit „Informationen zum Uberleben" zu erhalten. Die für einen neuen Fernsehaufbau aufgeschlossenste Besatzungsmadit war die britische, der auch die größte Rundfunkorganisation, der NWDR mit seinen Zentren in Hamburg, Köln und Berlin (brit. Sektor) unterstand. Sie gab die Erlaubnis für einen Versuchsbetrieb in einem Bunker in Hamburg, der ab 1947 technisch und publizistisch durch Vorträge, durch interne Experimente, durch vorsichtige Unterstützung einiger Firmen und durch die Postverwaltung vorbereitet wurde. Zu überwinden waren neben technischen Schwierigkeiten vor allem die Unkenntnis über Fernsehfragen bei den meisten der für die Leitung des NWDR Verantwortlichen. Sie orientierten sich nämlich vorwiegend nach Informationen über das Fernsehen in den USA (anstatt das BBC-Fernsehen zu studieren) und das bewirkte Vorurteile und falsche Schlüsse über die zukünftige Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Vorstellungen von Programmmöglichkeiten, Finanzierungen, Organisation usw. waren unzureichend und bisweilen von so abwegigen Anregungen bestimmt, man solle mit dem Aufbau eines Fernsehdienstes so lange warten, bis das Farbfernsehen eingeführt werden könnte. So wurde der Weg zum Versuchsbetrieb von nur wenigen Menschen vorbereitet und geebnet, die bereits früher in Berlin in irgendeiner Weise mit dem Fernsehrundfunk verbunden waren, vor allem durch EMIL D O V I F A T , der unermüdlich anregend und ermutigend im NWDR tätig war. Wenn überhaupt eine der neuen Rundfunkanstalten das Fernsehen wieder zum Leben erwecken konnte, war es der NWDR. Er hatte die größte Rundfunkteilnehmerzahl in der Bundesrepublik und daher die Möglichkeit, Teile der Hörrundfunkgebühren zum Aufbau des Fernsehrundfunks abzuzweigen. Selbst das war nicht leicht zu bewirken, weil die Vertreter von Nordrhein-Westfalen im NWDR sich stark gegen einen Fernseh-Versuchsdienst aus kulturpolitischen,

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wirtschaftlichen und politischen Gründen sträubten. Schließlich setzten sich doch die Fachleute durch, die im Fernsehen die natürliche und notwendige Weiterentwicklung des Hörrundfunks sahen und wußten, daß die Zukunft dem bewegten Bild gehören würde. Entscheidend war für die Entwicklung in der ganzen Bundesrepublik, daß in einem kleinen Bereich — in Hamburg und Umgebung — durch Versuche systematisch Erfahrungen für alle Anstalten gesammelt wurden. Denn ein über die ganze Bundesrepublik Deutschland ausgedehnter Fernseh-Programm-Dienst mußte im Augenblick der offiziellen Einführung überzeugende Qualitäten haben: nur durch gute Programmleistungen würde sich das Fernsehen auf die Dauer durchsetzen können. So wurde am 27. November 1950 der Versuchsdienst eröffnet und mit Unterbrechung zwei Jahre lang durchgeführt, bis das Fernsehen in Deutschland offiziell wieder eingeführt wurde, diesmal mit 625 Zeilen (Europa-Norm). Hier muß übrigens auf eine zweite Quelle des Nachkriegsfernsehens hingewiesen werden, die leider oft übersehen oder unterbewertet wird. Im Herbst 1951, also ein Dreiviertel ahr nach der Eröffnung des Versudisdienstes in Hamburg, fand in Berlin eine Ausstellung statt, auf der Fernsehsendungen gezeigt wurden. Sie waren das Ergebnis von Versuchen, die der NWDR-Berlin (ohne besondere Genehmigung und Mittel) seit Monaten vorgenommen hatte. Es war nach der Beachtung und den Erfolgen der Vorführungen angebracht, daß der Versuchsbetrieb in Berlin weitergeführt wurde. Ab Oktober 1951 wurde t ä g l i c h gesendet. Die Programme, die vornehmlich aktuelle Sendungen enthielten, wurden unter den primitivsten technischen, räumlichen, personellen und finanziellen Bedingungen durchgeführt. Sie konnten nur in Berlin und naher Umgebung empfangen werden, also nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es sind also von Herbst 1951 bis zum offiziellen Programmbeginn des Nachkriegsfernsehens rund eineinviertel Jahre lang in Deutschland bereits einmal zwei Programme, allerdings unabhängig voneinander, ausgestrahlt worden. Der gesamte Programmdienst wurde unter Leitung von Heinz Riek und Dipl.-Ing. Udo Blässer und von Angehörigen des NWDR-Berlin neben deren eigentlicher Arbeit für den Hörrundfunk bewältigt. Das war eine Leistung, die in der neueren deutschen Rundfunkgeschichte wahrscheinlich einmalig ist. Die Entwicklung mußte dahin gesteuert werden, von Hamburg aus eine Zusammenarbeit zwischen allen Rundfunkanstalten auf dem Fernsehgebiet zu erreichen. Die Deutsche Bundespost ging systematisch daran, Verbindungslinien zwischen Hamburg, Hannover und Köln zu schaffen und sie über Frankfurt/Main, Stuttgart, Baden-Baden nach München auszubauen und schließlich auch das durch die weite räumliche Trennung von der Bundesrepublik Deutschland technisch schwer zu erreichende Berlin einzubeziehen. Auf der Programmseite forderte der föderalistische Aufbau des Rundfunkwesens eine freiwillige Absprache zwischen den einzelnen Rundfunkanstalten zum Aufbau eines gemeinsamen Fernsehprogramms. An diesem Gemeinschaftsprogramm, das nach 20 Uhr beginnt, sind nach

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Leistungskraft prozentual alle Anstalten beteiligt. Sie haben Anteil an allen Sparten eines Fernsehprogramms, wobei sich die Prozente nach der Zahl der Rundfunkteilnehmer berechnen, die im Gebühreneinzugsgebiet der jeweiligen Rundfunkanstalt vorhanden sind. In den ersten zwei Jahren haben der NWDRHamburg und -Berlin fast alle Erfahrungen allein erarbeitet, zumal der NWDRKöln dem Fernsehen zurückhaltend, wenn nicht abwehrend gegenüberstand. Hamburg entwickelte die Tagesschau, die Fernsehspiele, die Unterhaltungssendungen, die Außenübertragungen, die Kinderstunden, die Dokumentarberichte. In Hamburg werden die ersten Grundlagen für eine systematische Erforschung der Zuschauermeinung gelegt. Der erste Gottesdienst wird in Hamburg übertragen, Hamburg ist ein wichtiger Punkt der ersten europäischen Gemeinschaftssendung, die ihren ersten Höhepunkt in der Übertragung der Krönung der britischen Königin findet (1953). Ende 1954 sind alle deutschen Rundfunkanstalten, die einen Femsehprogrammaussdiuß gebildet haben, an das Fernsehnetz angeschlossen, und in diesem Gemeinschaftprogramm zeichnen sich zunächst deutlich erkennbar die unterschiedlichen Stilarten in Themenstellung, Regie, Formen und Neigungen ab. Das erste Regionalprogramm wird vom Bayerischen Fernsehen gesendet, und damit wird das Grundschema der Fernsehorganisation deutlich, das sich aus einem überregionalen Gemeinschaftprogramm und mehreren, für kleine Gebiete bestimmte Regionalprogrammen zusammensetzt. Ende 1955 führt der Bayerische Rundfunk als erster das Werbefernsehen ein und erschließt neben den Einnahmen aus Gebühren in Höhe von 5,— DM monatlich eine neue Finanzquelle aus Zeitvermietung. Im Jahre 1958 wird die erste Teilnehmermillion erreicht, ein Jahr später die zweite, und damit beginnt das Fernsehen publizistisch wirksam zu werden. Bundestagsdebatten werden übertragen, Sendungen für die Parteien während des Wahlkampfes eingeführt, die Tagesaktualität findet nicht nur in der Tagesschau, sondern in Sonderprogrammen, Diskussionen, Magazinen, Auslandsberichten usw. Platz. Die Eurovision erlaubt Direktübertragungen aus den meisten Ländern Europas, bis schließlich Mitte 1962 auch Direktübertragungen zwischen Europa und den USA über den ersten Fernsehsatelliten „Telstar" möglich sind. Der nächste Schritt, der W e g zum farbigen Bild, war eine naheliegende Weiterentwicklung; in der Bundesrepublik Deutschland wurde es am 25. 8. 1967 eingeführt. Aber schon vorher hatte das Fernsehen begonnen, seine Rolle als Mittel systematischer Weiterbildung (Erziehungsfernsehen, Telekolleg, Dritte Programme usw.) in Bayern beginnend aufzubauen. Das alles war aber erst möglich, nachdem den Zuschauern täglich mehr als ein Programm angeboten werden konnte. Die am Fernsehgemeinschaftsprogramm beteiligten Rundfunkanstalten hatten sich lange gesträubt, ein weiteres Programm als Kontrast oder als Konkurrenz einzuführen. Es entstanden Bestrebungen, ein Zweites Programm durch Werbung finanziert von Privatunternehmen

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zu gestalten oder es durch eine neue, mit den bestehenden konkurrierenden öffentlich-rechtliche Anstalten verantwortlich senden zu lassen. Nach jahrelangen Diskussionen über die rechtlichen Möglichkeiten eines privat-wirtschaftlich organisierten Fernsehens erteilte die Bundesregierung Ende 1959 einen Geheimauftrag zur Vorbereitung eines Fernsehprogramms an eine Privatgesellschaft „Freies Fernsehen". In ihr hatten sich BDI, Markenverband und Gruppen von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern treuhänderisch zusammengeschlossen. Die Bürgschaft für die entstehenden Kosten übernahm die Bundesregierung. Die Mitte 1960 erfolgte Gründung einer unter alleinigen Einfluß der Bundesregierung stehenden G.m.b.H. „Deutschland-Fernsehen" als potentieller Dachgesellschaft und Auftragsgeberin für das „Freie Fernsehen" war ein Schritt ins Ungewisse. Am 28. 2. 1961 machte das von den sozialdemokratisch regierten Bundesländern angerufene Bundesverfassungsgericht allen Plänen dieser Art ein Ende. Kurz darauf beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder für das zweite Fernsehprogramm eine neue unabhängige öffentlich-rechtliche Anstalt ins Leben zu rufen, deren Aufbau mit dem Namen des ersten Intendanten Prof. Dr. Karl Holzamer untrennbar verbunden ist. Damit war zum ersten Mal in der deutschen Rundfunkgeschichte das Monopol der Rundfunkanstalten gebrochen. Das 1962 ins Leben gerufene Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), eine gemeinsame Gründung aller Bundesländer, wird aus einem Anteil von 30 °/o an den Fernsehgebühren und durch Einnahmen aus Werbung finanziert. Es soll ein Konkurrenz- und Kontrastprogramm zum Ersten Programm („Deutsches Fernsehen") aufbauen, und zwar ab 1.4.1963 im Zusammenwirken durch KoordinationsAbkommen mit der ARD. Besonders bemerkenswert ist eine politische Aufgabe des Ersten Programms. Die ARD-Fernseh-Sender können nämlich bis weit in das mitteldeutsche Gebiet hinein ohne Zusatzgerät empfangen werden. Von dieser Möglichkeit wird reichlich Gebrauch gemacht, um in Bild und Ton einen ungeschminkten Eindruck über Persönlichkeiten und Ereignisse außerhalb des mitteldeutschen Gebietes zu gewinnen. Die sich aus Wiederholungen von ARD- und ZDF-Sendungen zusammensetzenden Vormittagsprogramme dienen gleichfalls dazu, diese Aufgabe zu erfüllen. Es kann damit gerechnet werden, daß die erste Sättigungsgrenze für das Schwarz-Weiß-Fernsehen bei rund 15 Millionen Empfängern liegen wird. Diese Zahl entspricht einem Viertel der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland, wobei die Einwohnerzahl mit rund 60 Millionen angesetzt wird. Im Deutschen Fernsehen haben nach dem Fernsehvertrag (27.3.1953 bzw. 1. 1. 1964) die einzelnen Rundfunkanstalten Pflichtbeiträge zum Gemeinschaftsprogramm zu leisten. (Westdeutscher Rundfunk = 25°/«, Norddeutscher Rundfunk = 20 °/o, Bayerischer Rundfunk = 17 %>, Hessischer Rundfunk, Sender Freies Berlin, Süddeutscher Rundfunk j e 8 °/o, Radio Bremen und Saarländischer Rund-

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funk je 3 %). Absprachen über das Gemeinschaftsprogramm werden in der Ständigen Fernsehprogrammkonferenz unter Vorsitz eines Programmdirektors getroffen. Sie hat Unterkommissionen für Politik und Fernsehberichte, für Fernsehspiele, für Unterhaltung, für das Nachmittagsprogramm und für kirchliche Sendungen, bzw. Koordinatoren für Spielfilme und für Sport und einen Beauftragten für Eurovisionsfragen. Ein Fernsehprogrammbeirat beurteilt gesendete Programme und gibt Anregungen für kommende Planungen. Je Werktag sollen nicht mehr als 20 Minuten Werbung gesendet werden. Das Deutsche Fernsehen (ARD) sendet im Jahr über 160 000 Minuten, davon rund 3 4 % Zeitgeschehen, 15% Unterhaltung, 13% Familienprogramm, 13% Fernsehspiele, 11 % Sport, 5 % Spielfilme. Das ZDF sendet im Jahr rund 150 000 Minuten Programm, davon rund 2 7 % Zeitgeschehen, 10% Unterhaltung, 17% Fernsehspiele und Filme, 13 % Sport. In der Bundesrepublik Deutschland wurden Ende 1956 rund eine halbe Million Fernsehteilnehmer gezählt. Ein Jahr später war die erste Million erreicht, dann stieg die Teilnehmerzahl jährlich um etwa eine Million. Mitte 1968 wurden bei 60 Millionen Einwohnern 14,5 Millionen Teilnehmer (und über 18 Millionen Hörfunkteilnehmer) gezählt, die Zahl der Sender hat die 1000-Marke überschritten. Die 7 Zeitschriften der Programmfachpresse erscheinen wöchentlich in einer Auflage von rund 8 Millionen Stück.

LITERATUR BECKER, K. U . SIEGEL, K. A.: (Hrsg.) „Femsehen unter Kontrolle? Grundsätze des Sendens und Sehens!" Frankfurt/M. 1 9 5 9 / 6 0 . — ECKERT, G.: Das Fernsehen in den Ländern Westeuropas — Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Gütersloh 1 9 6 5 . — ECKERT, G.: „Knaurs Fernsehbuch". München/Zürich 1 9 6 1 . — ECKERT, G.: „Von Nipkow bis Telstar — 8 0 Jahre Fernsehen in Daten und Zahlen". Frankfurt/M. 1 9 6 3 . — LONGOLIUS, CH. (Redaktion): „Femsehen in Deutschland — Gesellschaftspolitische Aufgaben und Wirkungen eines Mediums". Mainz 1 9 6 7 . — M A G N U S , U.: „Aussagenanalyse — Eine Untersuchung des 1. Fernsehprogramms". Hamburg 1 9 6 6 . — REINISCH, L. (Hrsg.): „Femsehen — heute und morgen. Eine Institution im Kreuzfeuer der Meinungen". Gütersloh 1963. — „Die Zukunft des deutschen Femsehens" (Tagung der Evangelischen Akademie für Rundfunk und Femsehen in Bad Boll. München 1 9 5 8 ) . — Zweites Deutsches Femsehen (Mainz), Jahrbücher ab 1 9 6 2 . — SPIESS, V.: „Bibliographie zu Rundfunk und Fernsehen". Hamburg 1 9 6 6 .

Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens H A N S BRACK

1. Einführung 1. Der Fernsehrundfunk ist der jüngere Bruder des Hörrundfunks. Beide haben oft dasselbe Heim und die gleiche finanzielle Grundlage. In vielen Fällen wurde der Träger des Hörrundfunks mit der Aufgabe des später aufkommenden Fernsehens betraut 1 (z. B. Bundesrepublik Deutschland [BRD] Fernsehen I und III und Großbritannien BBC I und BBC II). Audi soweit Fernsehaufgaben neuen Institutionen übertragen wurden, blieb die Organisation des Hörfunks oft Vorbild der Fernsehorganisation (in der BRD z. B. wurde das „Zweite Deutsche Fernsehen" [ZDF] ähnlich wie die ARD-Rundfunkanstalten organisiert; Gegenbeispiel: die unter Aufsicht der ITA tätigen britischen ITCA-Gesellschaften [Näheres dazu IHB 1967/68, S. F 50]). Das Fernsehen ist also mit dem Hörfunk nicht nur in bezug auf seine publizistischen, kulturellen, technischen und sonstigen Eigenschaften (s. Begriff, Technik, Programm), sondern auch in bezug auf seine Organisation nahe verwandt. Deshalb kann zunächst auf die Ausführungen zur Organisation und zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Hörfunks hingewiesen (s. o. S. 279 ff.) und die Darstellung der Fernsehorganisation hier auf die Besonderheiten des Fernsehens beschränkt werden. 2. Bei der Betrachtung der Fernsehorganisation in den einzelnen Ländern fällt auf, daß sich der Staat mit dem Aufbau der Fernsehorganisation im allgemeinen von Anfang an befaßt hat, während der Aufbau der Hörfunkorganisation in der „Pionierzeit" zunächst häufig privaten Kräften überlassen worden war. Dieses stärkere Engagement des Staates im Fernsehen hat seinen Grund wohl darin, daß sich der Rundfunk im Laufe der Zeit als wirksamer Faktor der öffentlichen Meinungsbildung erwiesen hatte. Aufgrund dieser Erfahrung wollten die Staaten das Fernsehen, das sich rasch als noch erheblich wirksamer als der Hörfunk zeigte und das nach dem derzeitigen Stand der Technik wegen der Knappheit der Fernsehwellen oft nur von wenigen betrieben werden kann,8 von Anfang an 1 Auf diese Weise konnte das Fernsehen unschwer mit Hilfe von Mitarbeitern und unter Verwendung von sachlichen und finanziellen Mitteln des Hörrundfunks entwickelt werden. Umgekehrt können auch Fernsehmittel für Hörfunkaufgaben Verwendung finden. 1 a) Für die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms (Bild und Ton) wird ein sehr viel breiteres Band und damit wesentlich mehr Frequenzraum benötigt als zur Ausstrahlung

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in die organisatorischen Bahnen lenken, die sie jeweils für richtig hielten, über die Wechselwirkungen zwischen Organisation, Programmgestaltung, Finanzierung und Technik ist oben in der Allgemeinen Einführung (S. 280 ff.) berichtet.

2. O r g a n i s a t i o n und wirtschaftliche G r u n d l a g e n d e s F e r n s e h e n s in D e u t s c h l a n d A. Überblick Uber die Entwicklung

1. Vor dem Zweiten Weltkrieg lagen die technische Entwicklung des Fernsehens (s. u. Technik) und die Versuche mit einem für die Allgemeinheit bestimmten Fernsehrundfunkdienst in der Hand der Deutschen Reichspost. Die Sendungen, an deren Gestaltung die Reichsrundfunkgesellschaft mbH (s. o. Hörfunk, S. 287) beteiligt war, wurden vorwiegend in öffentlichen Fernsehstuben empfangen (offizielle Eröffnung eines regelmäßigen Fernsehrundfunks am 22. 3. 1935; s. GOEBEL, a . a . O . , S. 353, H . POHLE, R u F 1956, S. 59). D e r Z w e i t e W e l t k r i e g v e r h i n d e r t e

eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Fernsehrundfunks. 1 9 4 8 / 4 9 wurde der Betrieb des Fernsehens in den Westzonen den einzelnen deutschen Rundfunkanstalten aufgetragen, deren Organisation oben beschrieben ist (s. o. Hörfunk S. 291 ff.). So hieß es z. B. in § 1 der NWDR-Satzung: „DieRundfunksendungen sollen in Sprache und Musik (später, sobald technisch möglich, auch im Bilde) Unterhaltung, Bildung, Belehrung und Nachrichten vermitteln." Der NWDR, der sich schon 1948 mit der Frage eines Fernsehrundfunkdienstes befaßt hatte, begann am 27. 11. 1950 mit regelmäßigen Fernsehversuchssendungen (dreimal wöchentlich) und eröffnete am 25. 12. 1952 den täglichen Programmdienst mit anstaltseigenen Strahleranlagen. Die anderen Rundfunkanstalten schlössen sich nacheinander an. Wie der Hörfunk nach dem Ersten Weltkrieg nahm das Fernsehen nach dem Zweiten Weltkrieg einen kaum vorausgesehenen Aufschwung.

Die mit dem Fernsehen beauftragten Rundfunkanstalten waren seinerzeit der Ansicht, daß nicht jede Anstalt ein eigenes, volles Fernsehprogramm finanzieren und veranstalten könne. Deshalb vereinbarten die damaligen sechs ARD-Landesrundfunkanstalten am 27. 3. 1953 die Veranstaltung eines gemeinschaftlichen eines Hörfunkprogramms. Zudem haben die für das Fernsehen vorgesehenen Wellen zumeist eine geringere Reichweite als die für den Hörfunk verwendeten Wellen. Frequenzen des Bandes VI können später die Möglichkeiten, Fernsehprogramme zu senden, vermehren (s. u. Technik). b) Audi die Entwicklung eines Fernsehdienstes, dessen Programme über Satelliten geleitet werden und ohne Einschaltung von Bodenstationen empfangen werden können („Rundfunksatelliten" im Gegensatz zu „Nachrichtensatelliten" und „Verteilungssatelliten"), wird möglicherweise zu neuen Organisationsformen führen. Näheres über die Fernseh-Satelliten ist den Aufsätzen „Satellites de télévision" in der Revue de l'U.E.R., N o 102 A (Avril 1967) S. 78, No 103 A (6. 1967) u. 109 A (6. 1968) S. 147 zu entnehmen; vgl. auch unten „Technik" und die unten S. 441 genannten Abkommen.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

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„Deutschen Fernsehprogramms", für das ein ständiger Programmausschuß gebildet wurde. Nach diesem „Fernsehvertrag" hatten die Anstalten zum Gemeinschaftsprogramm etwa nach dem Verhältnis ihrer Finanzkraft unterschiedlich hohe Programmbeiträge zu leisten (zunächst: NWDR 50 %>, BR 20 %>, HR, SDR und SWF je 10%). Das offizielle ARD-Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen" wird seit dem 1. 11. 1954 von allen ARD-Landesrundfunkanstalten ausgestrahlt. Die ARD-Landesrundfunkanstalten waren auch an der Gründung des Europa umfassenden Fernsehgemeinschaftsdienstes beteiligt, der anläßlich der britischen Krönungsfeierlichkeiten (1953) begann, seit 1954 unter dem Namen „Eurovision" im Rahmen der UER veranstaltet wird und internationale Programmübernahmen erleichtert (dazu s. u. zu 3. b, S. 440). Als 1954/55 der WDR und der NDR gegründet und der NWDR aufgelöst wurden (s. o. Hörfunk S. 289), blieb für die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen zunächst eine gemeinschaftliche Fernsehorganisation bestehen: „Nord- und Westdeutscher Rundfunkverband" (NWRV); s. Staatsvertrag dieser vier Länder vom 16. 2. 1955, §§ 11 ff. (z. B. GV. NW. S. 195). Diese Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Mitglieder NDR und WDR waren, betrieb vom 1. 4. 1956 bis zum 31. 3. 1961 das Fernsehen für die genannten Länder und beteiligte sich am Gemeinsdiaftsprogramm „Deutsches Fernsehen" mit Programmbeiträgen von 2 x 2 3 °/o = 46 °/o.3 Zur Auflösung NWDR vgl. B R A C K RuF 1962 S. 38. Seit sich dem Gemeinschaftsprogramm auch der Saarländische Rundfunk angeschlossen hat und seit NDR und WDR für ihre Sendebereiche die Fernsehaufgaben selbst übernommen haben, wird das ARD-Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen" jetzt von den ARD-Landesrundfunkanstalten BR, HR, NDR, RB, SDR, SFB, SR, SWF und WDR veranstaltet und über Sendeanlagen dieser Anstalten ausgestrahlt (s.u. S. 433 f.). Die Regelung eines Gemeinsdiaftsprogramms hat ihre gesetzliche Bestätigung in dem „Abkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms" gefunden, das alle Länder am 17. 4. 1959 abgeschlossen haben (z. B. GV. NW. S. 115). Neben dem Gemeinschaftsprogramm veranstalten die Rundfunkanstalten jeweils für ihren Sendebereich Regionalprogramme (s. Programm), in denen in beschränktem Umfang auch Werbesendungen enthalten sind.4 In Mitteldeutschland wurde die Veranstaltung des Fernsehprogramms dem 1952 gebildeten „Staatlichen Rundfunkkomitee" (s. o. Hörfunk S. 302) übertragen, 3

Zur Entwicklung im Sendegebiet des N W D R s. o. Hörfunk S. 288 und BRACK, RUF

1962, S. 30 ff. 4 Werbefernsehsendungen: BR ab 3. 11. 1956, SFB ab 4. 12. 1956, HR und SWF ab 2. 1. 1958, SDR ab 2. 1. 1959, NDR, RB und WDR ab 1. 4. 1959, SR ab 9. 11. 1959 (vorher, 1954—1958, durch Tele-Saar). Ein Versuch, die Werbefernsehsendungen (des BR) gerichtlich verbieten zu lassen, war erfolglos (rechtskräftiges Urteil des OLG München vom 24.10.1957; N J W 1958, S. 1298); hierzu s. auch u. Anm. 9 (S. 434).

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das ab 21. 12. 1952 regelmäßige Versuchssendungen ausstrahlte und seit dem 3. 1. 1956 das offizielle Fernsehprogramm „Deutscher Fernsehfunk' veranstaltet. 2. Mit der Erschließung des Bandes IV/V (s. u. Technik) wurde in der BRD die Veranstaltung und Ausstrahlung weiterer Fernsehprogramme möglich.5 Die ARD-Landesrundfunkanstalten erörterten schon am 14. 9. 1956 den Plan eines zweiten Fernsehprogramms; entsprechende Anträge auf Erteilung von Sendelizenzen wurden vom Bundespostminister jedoch zunächst abgelehnt. Die Länder planten, durch Staatsvertrag für die Veranstaltung eines zweiten Fernsehprogramms einen Verband der Rundfunkanstalten zu gründen (Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz vom 20. 6. 1959). Um ein zweites Fernsehprogramm bemühten sich auch freie Interessenten, die eine „Studiengesellschaft für Funkund Fernsehwerbung", eine „Pressevereinigung für neue Publikationsmittel" und eine „Freies Fernsehen GmbH" gründeten. Auch der Bund, in dessen Zuständigkeit bereits 1953 das Fernsehen I geregelt werden sollte,' erstrebte eine eigene Organisation des Zweiten Fernsehens: Die Bundesregierung beschloß am 30. 9. 1959 den Entwurf eines Gesetzes über den Rundfunk, durch das die Veranstaltung des zweiten Fernsehprogramms einer öffentlich-rechtlichen Anstalt „Deutschland-Fernsehen" aufgetragen werden sollte. Der Bundesrat lehnte diesen Gesetzentwurf am 13. 11. 1959 aus „verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Gründen" einstimmig ab. Die das Fernsehen betreffenden Teile wurden aus dem Gesetzgebungsvorhaben des Bundes herausgenommen (übrig blieb die Gründung der DW und des DLF; s. o. Hörfunk S. 290). Als dann auch neuerliche Versuche einer Kompromißlösung gescheitert waren, gründeten der Bundeskanzler (als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland) und der Bundesjustizminister (als nichtbeauftragter Treuhänder für die Länder) durch notariellen Akt vom 25. 7. 1960 für den Betrieb eines zweiten Fernsehprogramms die „Deutschland-Fernsehen-GmbH" (Satzung s. Fernsehstreit I, S. 16 ff.). Diese GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile vom 25. 8. 1960 an in der Hand der Bundesrepublik Deutschland waren, sollte nur aus Werbeeinnahmen finanziert werden. Am 7. 8. 1960 beschlossen einige Ministerpräsidenten, wegen dieser Bundesinitiative das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Dies geschah durch Antrag des Landes Hamburg vom 19. 8. 1960, dem sich die Länder Niedersachsen (am 25. 8. 1960) und Bremen (am 30. 8. 1960) anschlössen, sowie durch Antrag des Landes Hessen vom 19. 9. 1960 (das Material dieses Rechtsstreits ist veröffentlicht worden; s. Z E H N E R , a.a.O.). Nachdem das Bundesverfassungsgericht

am 17. 12. 1960 durch einstweilige An-

• Näheres zur Entwicklung des Zweiten Fernsehens s. HILLIG, a.a.O., S. 391 = BRACKHERRMANN-HILLIG, a.a.O., S. 93 ff. • Sog. „VoGEL-MENDE-Entwurf"; s. o. Hörfunk S. 290.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

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Ordnung jeglichen Betrieb eines „Zweiten Fernsehprogramms" vorläufig untersagt hatte (BVerfGE 12, 36), verkündete es am 28. 2. 1961 das sog. „Fernsehurteil" .6* Dieses Urteil enthält u. a. folgende Leitsätze: „3.a) Das Post- und Fernmeldewesen im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG umfaßt — wenn man vom Empfang der Rundfunksendungen absieht — nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sog. Studiotechnik. b) Art. 73 Nr. 7 GG gibt dem Bund nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln. 7.a) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt (auch dann, wenn er sich privatrechtlicher Formen bedient), wird sie zu einer „staatlichen Aufgabe" im Sinne von Art. 30 GG. 10. Art. 5 GG fordert Gesetze, durch die die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und die für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten."

Entsprechend der im Grundgesetz verankerten Rechtslage stellte das Bundesverfassungsgericht fest, für die Veranstaltung von Rundfunksendungen seien regelmäßig die Länder, nicht aber der Bund zuständig (möglicherweise mit Ausnahme von Sendungen für das Ausland oder für die außerhalb des Bundesgebietes wohnenden Deutschen; BVerfGE 12, 241); Gründung und Existenz der „DeutschlandFernsehen-GmbH" vom 25. 7. 1960 seien verfassungswidrig (BVerfGE 12, 207, 264); die Organisation der bestehenden Rundfunkanstalten entspreche dem Art. 5 GG (BVerfGE 12, 249, 261). Gleichzeitig bestätigte das Gericht dem Bund seine Zuständigkeit für den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sog. Studiotechnik (Art. 73 Ziff. 7 GG); das Gericht fügte hinzu, der Bund würde gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen, wenn er den öffentlich-rechtlichen (Landes-) Rundfunkanstalten das Verfügungsrecht über die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen betriebenen Sendeanlagen entziehen würde (BVerfGE 12, 239 f. und 250; entsprechend diesem Judiz betreiben die Landesrundfunkanstalten weiterhin die ihnen gehörigen Sendeanlagen für Hörfunk und Fernsehen I; s. auch u. S. 433 ff. u. S. 291). Nach Erlaß des „Fernsehurteils" verhandelten die in ihrer Zuständigkeit bestätigten Länder erneut über die Organisation eines zweiten Fernsehprogramms. Sie beauftragten zunächst die Landesrundfunkanstalten mit dem Betrieb eines vorläufigen zweiten Fernsehprogramms, das die ARD-Landesrundfunkanstalten am 23. 3. 1961 als Gemeinschaftsprogramm beschlossen und ab 1.6. 1961 (bis zum 31. 3. 1963) veranstalteten. Durch Staatsvertrag vom 6. 6. 1961 gründeten alle Länder die öffentlich-rechtliche Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen" (ZDF) mit Sitz in Mainz.7 Die Anstalt ZDF, «a BVerfGE 12, 205 = NJW 1961, S. 547 = JZ 1961, S. 217 = RuF 1961, S. 154 = UFITA, Band 34 [1961], S. 46; BGBl. 1961 I S. 269. ' Durch Urteil vom 5. 11. 1965 (BVerwGE 22, 299) hat das Bundesverwaltungsgericht eine gegen den Freistaat Bayern gerichtete Klage des Bayerischen Rundfunks abgewiesen, mit der u. a. geltend gemacht worden war, die Gründung des ZDF sei verfassungswidrig (die

432

HANS BRACK

die durch 30 %> der Fernsehgebühreneinnahmen der ARD-Landesrundfunkanstalten und aus eigenen Werbeeinnahmen finanziert wird (§ 23 ZDF-Staatsvertrag), hat die Veranstaltung eines eigenen Fernsehprogramms am 1. 4. 1963 aufgenommen. Ausgestrahlt werden die Sendungen des ZDF über Sendeanlagen der Deutschen Bundespost (im UHF-Bereich, Band IV/Vi s. u. Technik). ARD und ZDF stimmen ihre Programmvorhaben in Koordinationsgesprächen und-abkommen aufeinander ab (vgl. § 22 Abs. 4 ZDF-Staatsvertrag). 3. Später nahmen ARD-Landesrundfunkanstalten die Veranstaltung der „Dritten Programme" auf: Der BR am 22. 9. 1964, der HR am 5. 10. 1964, der NDR gemeinsam mit SFB und RB am 4. 1. 1965; der WDR hatte seit dem 1. 10. 1963 ein vorläufiges Drittes Fernsehprogramm („Prisma des Westens") ausgestrahlt und veranstaltet seit dem 17. 12. 1965 das Programm „wdr/Westdeutsdies Fernsehen" (seit 1.1. 1967 mit erweitertem Programm). Ausgestrahlt werden die Dritten Fernsehprogramme — durdiweg Regionalprogramme — über Sendeanlagen der Deutschen Bundespost (wie das Zweite Programm nur im UHF-Bereich, Band IV/V; s. u. Technik). Fragen der inneren Organisation sind von den einzelnen Anstalten unterschiedlich gelöst worden; während BR und WDR für ihre Dritten Programme neue Fernsehdirektionen eingerichtet haben, werden bei HR, NDR, RB und SFB die Dritten Fernsehprogramme im Rahmen der seitherigen Fernsehdirektionen gestaltet. 4. Mit der Einführung des Farbfernsehens am 25. 8. 1967 begann ein neuer Abschnitt im Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland. Das Farbfernsehen ist auch für die Entwicklung der wirtschaftlichen Grundlagen der Fernsehanstalten ein höchst bedeutsames Ereignis; denn die gegenüber Schwarz-Weiß-Sendungen höheren Produktions- und Ausstrahlungskosten werden die Anstalten so stark belasten, daß deshalb möglicherweise finanziell (Gebührenerhöhung, Farbfernsehgebühr) oder organisatorisch (Zusammenlegungen) sowie jedenfalls wirtschaftlich (Rationalisierung) Folgerungen gezogen werden müssen. Auch für die internationalen Beziehungen zwischen den einzelnen Fernsehunternehmen ist die Einführung des Farbfernsehens sehr wichtig. Die unterschiedlichen Farbfemsehnormen (NTSC, PAL und Secam) könnten den internationalen Farbfernsehprogrammaustausch trotz der Umwandelbarkeit der Signale zwischen den Ländern erschweren, die verschiedene Farbfernsehnormen haben. 5. In diesem Uberblick über die Entwicklung ist schon zum Ausdruck gekommen, daß verschiedene Kräfte ihre Beteiligung am Fernsehen oder eine Veränderung der Verhältnisse anstreben. So wurde vorgeschlagen, Herstellung und Lieferung des Mainzer Programms (ZDF) einschließlich der Werbesendungen einer von Zeitungsverlegern zu gründenden Aktiengesellschaft zu übertragen 8 sowie das Werbefernsehen der öffentlidi-reditUrteile dieses Verfahrens und drei Reditsgutaditen [Armbruster, Bachoi und P. Schneider] sind in den Heften 2—4 der Schriftenreihe des ZDF veröffentlicht worden; s. u. Literatur). 8 Text dieses Vorschlages s. ARD, Materialsammlung Band 1, S. 398; vgl. hierzu IPSEN, DÖV 1964, S. 793 ff.; HELMUT ARNDT, a.a.O.; s. auch nächste Anmerkung, ROEGELE, a.a.O., und Glotz, in: RuF 1966, S. 121.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

433

liehen Landesrundfunkanstalten als ersten Schritt auf dem Wege zu einer „Neuordnung" des Rundfunks zu verbieten. Eine auf Verlangen des Bundestages von der Bundesregierung eingesetzte unabhängige Kommission hat die Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film untersucht.9 Besonders die Pressekonzentration in der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen, war Aufgabe einer weiteren Kommission, die am 17. 5. 1967 von der Bundesregierung eingesetzt worden ist (Bericht der Kommission BTDrucksache V/3122). B. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen d e s Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland (1968)'° 1.

Übersicht: Fernsehsendungen der ARD-Landesrundfunkanstalten „Erstes Programm"

„Drittes Programm"

Fernsehsendungen der Länderanstalt ZDF „Zweites Programm"

ARD-Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen" für das Bundesgebiet

Regionalprogramme für einzelne Länder

Regionalprogramme für einzelne Länder

9 Landesrundfunkanstalten gemeinsam (BR/HR/NDR/RB/ SR/SFB/SDR/ SWF/WDR)

9 Landesrundfunkanstalten und deren Werbefernsehgesellschaften, zumeist einzeln (BR, HR, NDR/RB, SR, SFB, SDR/ SWF, WDR)

z. Z. 6 LandesZweites Deutsches rundfunkanstalten Fernsehen (Mainz) einzeln oder gemeinsam mit anderen Anstalten (BR, HR, NDR/ RB/SFB, WDR); geplant bei SWF, SDR, SR

Studiotechnik:

9 Landesrundfunkanstalten

9 Landesrundfunkanstalten

Zweites Deutsches z. Z. 6 Landesrundfunkans talten Fernsehen

Leitungstechnik:

Bundespost

Bundespost

Bundespost

Bundespost

Sendertechnik:

9 Landesrundfunkanstalten (Bänder I und III sowie TV/V)

9 Landesrundfunkanstalten (Bänder I und III sowie IV/V)

Bundespost (Band IV/V)

Bundespost (Band IV/V)

Finanzierung:

Femsehgebühr + Werbeeinnahmen (aus den regionalen Werbesendungen im „Ersten Programm")

Fernsehgebühr + Werbeeinnahmen (aus den regionalen Werbesendungen im „Ersten Programm")

Fernsehgebühr + Werbeeinnahmen (aus den regionalen Werbesendungen im „Ersten Programm")

Anteil an den den 9 ARD-Landesrundfunkanstalten zufließenden Fernsehgebühren (30 °/o) + Werbeeinnahmen

Programmgestaltung

Einheitliches Programm für das Bundesgebiet

Technik:

28

Publizistik II

434

HANS BRACK

2. O r g a n i s a t i o n d e r R u n d f u n k a n s t a l t e n

(Fernsehen)11

a) Die Veranstaltung des Fernsehens (mit Ausnahme des Fernsehens II; s. u. zu b) liegt in der Hand der neun Landesrundfunkanstalten, die auch den Hörfunk betreiben (Anschriften, Anstaltsbereiche, gesetzliche Grundlagen und Zahlen der angemeldeten Rundfunkteilnehmer s. o. Hörfunk S. 292 f.; nachstehend werden auch die Gesellschaften für die Fernsehwerbung genannt, deren Anteile unmittelbar oder über Treuhänder in der Hand der Landesrundfunkanstalten liegen; Angabe der Fernsehteilnehmerzahlen hier jeweils für den 1.7.1968): DER BAYERISCHE RUNDFUNK (BR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 2 150 951. Fernsehwerbung: Bayerisches Werbefernsehen GmbH, 8 München 2, Herzog-WilhelmStraße 18. HESSISCHER RUNDFUNK (HR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 1 281 299. Fernsehwerbung : Werbung im Rundfunk GmbH, 6 Frankfurt/Main, Bertramstraße 8. NORDDEUTSCHER RUNDFUNK (NDR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 2 918 033. Fernsehwerbung: Norddeutsches Werbefernsehen GmbH, 2 Hamburg 13, Rothenbaumdiaussee 159 (zusammen mit RB). RADIO BREMEN (RB) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 215 667. Fernsehwerbung: Norddeutsches Werbefernsehen GmbH, 2 Hamburg 13, Rothenbaumchaussee 159 (zusammen mit NDR). SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK (SR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 266 655. Fernsehwerbung: Werbefunk Saar GmbH, 6604 Brebach b. Saarbrücken. 9 Nach dem Bericht der sog. Michel-Kommission bestehen zwischen Presse und Rundfunk keine Wettbewerbsverzerrungen; ein Verlegerfernsehen begegnet verfassungsrechtlichen und wettbewerbspolitischen Bedenken; Bericht der Kommission s. BT-Drucksache V/2120, Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht s. zu BT-Drucksache V/2120; Sonderbericht der Kommission über Berlin S.Mitteilungen Nr. 16 des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin (5. Wahlperiode). — Die Zulässigkeit des Werbefernsehens der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ganz überwiegend bejaht; vgl. u. a. BACHOF, a . a . O . (Verbot des Werbefernsehens ...), S. 7 ff., 6 3 ; H . SCHNEIDER,

a . a . O . ; IPSEN, N J W 1963, S. 2 0 4 9 ff. u n d 2 1 0 2 f f . ; LERCHE, a . a . O . ; FRÖHLER, a . a . O . ; BUSSMANN,

a.a.O.; JECHT, Die öffentliche Anstalt, 1963, S. 59f.; vgl. auch OLG München, NJW 1958 S. 1298; a . M . LÖFFLER, i n : D e r B e t r i e b s b e r a t e r 1956, S. 729; HAMANN, i n : N J W 1957, S. 1422.

Insbesondere wird eine Kompetenz des Bundes zum Verbot des Werbefunks der Landesr u n d f u n k a n s t a l t e n v e r n e i n t ; H . SCHNEIDER, N J W 1965, S. 9 3 7 ; A . ARNDT, J Z 1965, S. 3 3 7 ; R. GROSS, DOV 1965, S . 4 4 3 ; KRAUSE-ABLASS, R U F 1963, S. 129; BACHOF, a . a . O . (Verbot des

Werbefernsehens ...) ; FRÖHLER, a.a.O. — Die ARD gibt eine Materialsammlung „Rundfunkanstalten und Tageszeitungen" heraus; s. u. Literatur. — Zum Werbefernsehen allgemein vgl. „La publicité à la radio et à la télévision" (Hrsg. U.E.R., Genf 1966). — Im Saarland ist durch Gesetz Nr. 844 vom 7. 6. 1967 die gesetzliche Möglichkeit für die Zulassung privatwirtschaftlicher Veranstalter deutschsprachiger Fernsehsendungen geschaffen worden (vgl. dazu auch oben Hörfunk S. 291). 10

Zur Organisation des Hörfunks s. o. S. 291 ff. Die Fernsehsendungen werden Schwarzweiß oder — seit dem 25. 8. 1967 — farbig ausgestrahlt (s. auch unten Technik und oben zu S. 432). 11

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

435

SENDER FREIES BERLIN (SFB) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 702 461. Fernsehwerbung: Berliner Werbefunk GmbH, 1 Berlin 19 (Charlottenburg), Masurenallee 8-14. SÜDDEUTSCHER RUNDFUNK (SDR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 1 145 131. Fernsehwerbung: Rundfunkwerbung GmbH, 7 Stuttgart-O, Neckarstraße 145. SÜDWESTFUNK (SWF) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 1 450 203. Fernsehwerbung: Werbung im Südwestfunk GmbH, Mainz, Zweigniederlassung 757 BadenBaden, Stadelhoferstraße 12. WESTDEUTSCHER RUNDFUNK KÖLN (WDR) Angemeldete Fernsehteilnehmer: 4 316 348. Fernsehwerbung: Westdeutsches Werbefernsehen GmbH, 5 Köln, Glockengasse 2. aa) Diese Landesrundfunkanstalten, deren Organisation oben beschrieben ist (Hörfunk S. 291 ff. u. 294 ff.), strahlen über anstaltseigene Sendeanlagen in den Bändern I, III und (vor allem für sog. Lückenfüllsender) IV/V als Erstes Fernsehprogramm das für das Bundesgebiet einheitliche ARD-Gemeinschaitsprogiamm „Deutsches Fernsehen" aus (dazu s. u. zu 4.). Außerdem werden in diesen Bändern achí Regionalprogramme der einzelnen Anstalten (NDR u. RB gemeinsam), in der Regel werktags 18 bis 20 Uhr, gesendet. Im Rahmen dieser Regionalsendungen des Ersten Fernsehprogramms strahlen alle Landesrundfunkanstalten in beschränktem Umfang Werbesendungen aus. Die Werbesendungen sind vom allgemeinen Programm deutlich getrennt; es gibt keine sog. „Sponsor-Sendungen" und keinen sonstigen Einfluß der Inserenten auf das Programm. Werbesendungen dürfen nicht an Sonn- und Feiertagen und nicht nach 20 Uhr ausgestrahlt werden. Die tägliche Werbesendezeit darf eine von den Ministerpräsidenten bestimmte Grenze (20 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt) nicht überschreiten (vgl. hierzu § 22 ZDF-Staatsvertrag und das dazugehörige Schlußprotokoll); zur Zulässigkeit des Werbefernsehens s. o. Anm. 9. bb) Daneben veranstalten ARD-Landesrundfunkanstalten programme

(„Dritte Fernsehprogramme"),

weitere

Regional-

die in Band I V / V über Sender der Deut-

schen Bundespost ausgestrahlt werden (z. Z. BR [dort seit 1 . 1 . 1967 Veranstaltung eines „Telekollegs"], HR, NDR, SFB, RB und WDR; geplant bei S W F , SDR, SR; dazu siehe auch oben S. 432 und D.Ross. Die Dritten Fernsehprogramme. Dokumentation und Analyse. Hamburg 1967). b) Die Veranstaltung

des Zweiten

Fernsehprogramms

liegt in der Hand einer

von allen Bundesländern gegründeten öffentlich-rechtlichen Anstalt, deren Sendungen von der Bundespost über Sender des Bandes I V / V ausgestrahlt werden: ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN (ZDF), 65 Mainz, Große Bleiche. Anstaltsbereidi: Alle 11 Bundesländer. Gesetzliche Grundlage: Staatsvertrag aller Länder über die Errichtung der Anstalt des 28*

436

HANS BRACK

öffentlichen Redits „Zweites Deutsdies Femsehen" vom 6. 6. 1961 (z. B. GV. NW. S. 269)." Satzung vom 2. 4. 1962 (z. B. Rh.-Pf. Staatsanzeiger 1962 Nr. 38 S. 10). Fernsehwerbung: Das Werbefernsehen wird von einer Abteilung des ZDF betrieben.

Die Organisation des ZDF lehnt sich im großen und ganzen an die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß bestätigte (BVerfGE 12, 261) Organisation der Rundfunkanstalten an, die Anfang 1961 schon bestanden haben. Das ZDF ist mit Selbstverwaltungsredit ausgestattet und unterliegt nicht der Fadiaufsidit einer Regierung, sondern nur der Rechtsaufsicht (s. § 25 ZDF-Staatsvertrag; Näheres zu diesen Organisationsprinzipien s. o. Hörfunk S. 294). Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des ZDF unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz. Organe des ZDF sind der Fernsehrat, der Verwaltungsrat und der Intendant. aa) Der Fernsehrat hat u. a. die Aufgabe, für die Sendungen des ZDF Richtlinien aufzustellen, den Intendanten bei der Programmgestaltung zu beraten, die Satzung des ZDF zu beschließen und zu ändern sowie den Haushaltsplan und den Jahresabschluß zu genehmigen. Die 66 Mitglieder des Fernsehrates werden von den Regierungen der vertragschließenden Länder (11 Vertreter), von der Bundesregierung (3), von den im Bundestag vertretenen politischen Parteien (12) und von den Kirchen (5) entsandt und (35) von den Ministerpräsidenten aus Vorschlägen verschiedener Institutionen oder aus besonderen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgewählt und berufen (§14 ZDF-Staatsvertrag). bb) Der Verwaltungsrat des ZDF überwacht die Tätigkeit des Intendanten und beschließt Haushaltsplan und Jahresabschluß (die vom Fernsehrat zu genehmigen sind). Der Verwaltungsrat besteht aus neun Mitgliedern, und zwar aus drei Vertretern der Länder, einem Vertreter des Bundes und fünf vom Fernsehrat gewählten Mitgliedern (auch Mitglieder des Fernsehrates selbst sind wählbar; sie scheiden jedoch mit ihrer Berufung oder mit der Annahme ihrer Wahl in den Verwaltungsrat aus dem Fernsehrat aus). cc) Der Intendant vertritt das ZDF gerichtlich und außergerichtlich; er ist für die Geschäfte der Anstalt einschließlich der Gestaltung des Programms verantwortlich. Der Intendant wird vom Fernsehrat auf fünf Jahre mit mindestens drei Fünftel der Stimmen der Mitglieder gewählt. Aufgabe des ZDF ist die „Verbreitung des Zweiten Fernsehprogramms", durch das „den Fernsehteilnehmern in ganz Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden" soll (§ 2 ZDF-Staatsvertrag). Zum Funktionsbereich des ZDF gehören auch Werbesendungen, die den oben S. 435 genannten Bindungen unterliegen (§ 22 III ZDF-Staatsvertrag; s. auch oben Anm. 9). 3. W i r t s c h a f t l i c h e

Grundlagen

Die Rundfunkanstalten — die neun ARD-Landesrundfunkanstalten und das 12

Siehe auch oben Anm. 7 (S. 431).

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

ZDF — finanzieren ihren Femsehbetrieb im wesentlichen aus gebühren" und Einnahmen aus Weibesendungen:

437

Fernsehrundtunk-

a) Fernsehgebühren: Jeder Fernsehteilnehmer hat neben der Rundfunk(grund)gebühr von monatlich 2,— DM11 eine Monatsgebühr von 5,— DM zu zahlen (seit Beginn des deutschen Fernsehens unveränderter Satz; eine zusätzliche Farbfemsehgebühr wird angestrebt.) Die Bundespost, die mit dem Einzug der Gebühren betraut ist, zahlt die Gebühreneinnahmen nach Abzug von Pauschalentgelten für ihre Leistungen (zumeist 20 °/0 der Rundfunkgebühren zuzüglich 28°/0 [seit 1.1. 1966; vorher: 27'0/0] der Fernsehzusatzgebühren) an die für den Wohnort des Fernsehteilnehmers zuständige Landesrundfunkanstalt aus. Die ARD-Landesrundfunkanstalten führen 30 °/0 ihrer Nettoeinnahmen aus den Fernsehgebühren (d. h. 30 °/0 nach Abzug des Pauschalpostentgelts) gemäß § 23 I ZDF-Staatsvertrag an das ZDF ab. Die neun ARD-Landesrundfunkanstalten haben aus den Fernsehgebühren (von monatlich 5,— DM je Fernsehteilnehmer) im Jahre 1968 (Brutto-Aufkommen etwa 856 Mio DM) Netto-Einnahmen in Höhe von schätzungsweise 431 Mio DM, das ZDF in Höhe von schätzungsweise 185 Mio DM (zu den weiteren Einnahmen der ARD-Landesrundfunkanstalten aus den Hörfunkgebühren vgl. oben Hörfunk S. 297). Die Ausführungen zur Rechtsnatur der Rundfunkgebühr (s. o. Hörfunk S. 297) gelten auch für die Femsehgebühr.

b) Werbung: Die Rundfunkanstalten, die — wie erwähnt — Sendezeiten für Wirtschaftswerbung zur Verfügung stellen, haben zur Abwicklung des Werbemittlungsgeschäftes privatrechtlidi organisierte Gesellschaften (GmbH) gegründet, deren Geschäftsanteile in der Regel unmittelbar oder über Treuhänder in der Hand der betreffenden Landesrundfunkanstalten liegen (das ZDF betreibt das Werbefernsehen in einer Abteilung der Anstalt). Die Einnahmen aus den Werbefernsehsendungen decken zunächst die Kosten der Werbefemsehgesellschaften selbst. Die Überschüsse werden — nach Versteuerung gemäß den allgemeinen steuerlichen Vorschriften — an die Landesrundfunkanstalten abgeführt (Deckung der Anstaltskosten, teilweise Ausschüttung für allgemeine kulturelle Zwecke). Ohne Werbeeinnahmen könnten die Rundfunkanstalten bei der jetzigen Höhe der Rundfunkgebühren die Programme in derzeitiger Güte und Menge nicht finanzieren. Die Werbefernsehgesellschaften der 9 ARD-Landesrundfunkanstalten haben im Jahre 1968 einen Brutto-Umsatz in Höhe von schätzungsweise 370 Mio DM; den Anstalten fließt daraus ein Netto-Gewinn der Werbefernsehgesellschaften in Höhe von schätzungsweise 57 Mio DM zu. (Neben den Netto-Gewinnen erhalten die Landesrundfunkanstalten noch Kostenerstattungen der Werbefunk- und Werbefernsehgesellschaften. Wegen der Einnahmen der 7 Werbehörfunk ausstrah13 Audi Hörfunkgebühren wurden zur Finanzierung des Fernsehbetriebes herangezogen; s. auch o. Anm. 1 (S. 427). 14 Diese Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der Fernsehteilnehmer ein besonderes Hörfunkempfangsgerät nicht betreibt. Zur Rundfunkgebühr s. o, Hörfunk S. 297,

438

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lenden ARD-Landesrundfunkanstalten aus der Hörfunkwerbung vgl. o. S. 298.) Das ZDF hat 1968 aus der Vermittlung von Werbesendungen einen Brutto-Umsatz in Höhe von schätzungsweise 210 Mio DM. c) Schließlich haben die Anstalten auch sonstige Einnahmen, zu denen bei den kleineren Anstalten die Zuschüsse aus dem Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten zu zählen sind (s. o. Hörfunk S. 298 f.). 4.

Fernsehgemeinschaftsaufgaben

Die obengenannten neun Landesrundfunkanstalten (BR, HR, NDR, RB, SR, SFB, SDR, SWF und WDR) erfüllen die Gemeinschaftsaufgaben des deutschen Rundfunks vor allem im Rahmen der 1950 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" (ARD)." Die allgemeine Organisation der ARD sowie die Gemeinschaftsaufgaben Finanzausgleich, technische Forschung und Entwicklung, Schule für Rundfunktechnik, Rundfunkarchiv u. a. betreffen naturgemäß auch das Fernsehen; sie sind bereits oben im Abschnitt Hörfunk (S. 298 ff.) geschildert, so daß die Darstellung hier auf die Gemeinschaftsaufgaben „Fernsehen* beschränkt werden kann: a) ARD-Gemeinschaftsprogramm

„Deutsches

Fernsehen"

Wie im organisationsgeschiditlichen Uberblick bereits erwähnt (s. o. S. 428 f.), haben die ARD-Landesrundfunkanstalten im „Fernsehvertrag" vom 27. 3. 1953 die Veranstaltung eines Gemeinschaftsprogramms vereinbart, das täglich über alle Fernsehsender der Landesrundfunkanstalten ausgestrahlt wird („Deutsches Fernsehen") und durch das Länderabkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms vom 17. 4. 1959 eine normative Grundlage erhalten hat (Länderabkommen siehe z. B. GV. NW. 1959 S. 115).

Aufgrund des Staatsvertrages und des — mehrfach veränderten Verhältnissen angepaßten — ARD-Fernsehvertrages (letzte Fassung vom 2. 7. 1964) stellt sich die Organisation des Fernsehgemeinschaftsprogramms jetzt wie folgt dar: Die neun ARD-Landesrundfunkanstalten veranstalten ein gemeinsames Fernsehprogramm „Deutsches Fernsehen", das aus folgenden Teilen besteht: Abendprogramm ab 20.00 Uhr, Nachmittagsprogramm Montag bis Freitag, Wochenendprogramm (Samstagnachmittag sowie Sonntagvormittag und -nachmittag). Das Femsehgemeinschaftsprogramm setzt sich aus Programmbeiträgen zusammen, die die ARD-Landesrundfunkanstalten nach einem vereinbarten Schlüssel zur Verfügung stellen (zur Zeit betragen die Anteile: WDR 25 °/o, NDR 20 %>, BR 17 %>, HR, SFB, SDR und SWF je 8 %>, RB und SR je 3 %>). Soweit mit der Gestaltung einer bestimmten Sendung oder Sendereihe für das Gemeinschaftsprogramm eine Anstalt beauftragt ist, tragen alle ARD-Landesrundfunkanstalten nach dem genannten Schlüssel die Kosten (z.B. Tagesschau [NDR], Magazin der Woche und Wetterkarte [HR], Sportschau und Programmvorschau [WDR]). Die gleiche Kostenteilung wird bei sog. Gemeinschaftsbeiträgen vorgenommen, die nicht von einer einzelnen Anstalt eingebracht werden (z. B. Übertragungen der Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften, Ausstrahlung von Spielfilmen, die für alle An" Das ZDF ist nicht Mitglied der ARD geworden.

ORGANISATION UND WIRTSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DES FERNSEHENS

439

stalten erworben wurden). Einzelne Gemeinschaftseinrichtungen (Sternpunkt, Koordination u. a.) werden vom Finanzausgleich finanziert. Jede Rundfunkanstalt ist berechtigt, auf die Ausstrahlung von Teilen des Fernsehgemeinschaftsprogramms zu verzichten; auch kann sie vor Beginn oder nach Beendigung des Gemeinschaftsprogramms regionale Programme ausstrahlen. Die Gestaltung des Gemeinschaftsprogramms ist Aufgabe des hauptamtlichen „Programmdirektors" und der von ihm geleiteten „Ständigen Programmkonferenz". In der Ständigen Programmkonferenz, die mit einfacher Mehrheit beschließt, werden die Pläne und Vorschläge der einzelnen Rundfunkanstalten für das Fernsehgemeinschaftsprogramm dargelegt und erörtert; der Vorsitzende erarbeitet das Gemeinschaftsprogramm mit den Mitgliedern unter Beachtung der im Fernsehvertrag vorgesehenen Anteile (s. dazu auch § 4 des Länderabk.). Zur Beratung der Ständigen Programmkonferenz wurde ein Fernsehbeirat gebildet, in den jede Rundfunkanstalt ein Mitglied eines ihrer Aufsichtsgremien entsendet (Geschäftsordnung des Fernsehbeirats in der Fassung vom 8. 7. 1966). b) Vormittagsprogramm ARD/ZDF Zusätzlich zu diesem Gemeinschaftsprogramm veranstalten die Landesrundfunkanstalten ein „Vormittagsprogramm", das vom SFB geplant, aus Beiträgen der Anstalten (nach dem genannten Fernsehprogrammschlüssel) zusammengesetzt und über Sender des SFB, des BR, des HR sowie des NDR besonders für die Bewohner Mitteldeutschlands ausgestrahlt wird. Seit dem 1. 1. 1966 beteiligt sich am Vormittagsprogramm das ZDF mit 50 % der Programmbeiträge. c) Fernsehtranskription (TRANS-TEL GmbH) Zur Durchführung eines Fernsehtranskriptionsdienstes für außereuropäische, vor allem in Entwicklungsländern gelegene Rundfunkstationen haben die ARD-Rundfunkanstalten, das ZDF und die BRD am 11. 5. 1965 die „TRANS-TEL Gesellschaft für Deutsche Fernsehtranskription mit beschränkter Haftung" gegründet (Anschrift: 5 Köln, Gertrudenstraße 30—36). Organe der gemeinnützigen TRANS-TEL GmbH sind die Geschäftsführer, der Programmbeirat, der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung. Die für die Transkription bestimmten Programme, die insbesondere von den beteiligten Rundfunkanstalten zur Verfügung gestellt und, soweit möglich, mit den personellen und sachlichen Mitteln der „Deutschen Welle" adaptiert und synchronisiert werden, sollen die Rundfunkteilnehmer der Empfangsländer mit den politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten des heutigen Deutschland vertraut machen und darüber hinaus allgemeine Unterrichtung vermitteln. 5. A u s l ä n d i s c h e F e r n s e h s e n d e r a u f

Bundesgebiet

Die amerikanische Luftwaffe betreibt für Teile der auf Bundesgebiet stationierten Truppen Fernsehsender in Spangdahlem/Eifel, Ramstein, Wiesbaden, Berlin (West) und bei Frankfurt (Rhein-Main); zur Rechtsgrundlage s. o. Hörfunk S. 302.

440

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C. Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Fernsehens im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik Das Fernsehen wird unter dem Namen „Deutscher Fernsehfunk" — ebenso wie der Hörfunk — vom Staatlichen Rundfunkkomitee betrieben (Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee 116). Die allgemeine Organisation des Staatlichen Rundfunkkomitees und seine gesetzlichen Grundlagen sind oben (Hörfunk S. 302 f.) geschildert (angemeldete Fernsehteilnehmer: 3 902 408 [31. 12. 1967]). Im Rahmen der Gesamtorganisation des Staatlichen Rundfunkkomitees wird der „Deutsche Fernsehfunk" von einem Intendanten geleitet, der ein stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees ist. Er hat damit für den Sendebereich Fernsehfunk „die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Aufgaben des Staatlichen Rundfunkkomitees im Rahmen der Politik der Regierung, nach den Beschlüssen des Staatlichen Rundfunkkomitees und den Weisungen des Vorsitzenden durchzuführen" (§ 8 Abs. 2 Anl. zur VO v. 18. 10. 1956).15a Veranstaltet wird z. Z. ein für das Gebiet der DDR einheitliches Fernsehprogramm mit zur Zeit schwarz-weißen Sendungen (im VHF-Bereich; s. u. Technik). Ausgestrahlt werden auch Werbespots („Tele-Tips"). Von jedem Fernsehteilnehmer wird eine Gebühr von monatlich 7,— M (DM-Ost) erhoben (für den Betrieb eines besonderen Hörfunkempfanggeräts wird daneben eine besondere Gebühr nicht entrichtet)."

3. Internationale Rundfunkorganisationen (Fernsehen) a)

Allgemeines

Die internationalen Rundfunkorganisationen, die oben im Abschnitt Hörfunk (S. 303 ff.) geschildert sind, befassen sich auch mit den Aufgaben, die das Fernsehen mit sich bringt. Das geschieht einmal im Rahmen der allgemeinen Arbeitsgebiete (allgemeine Organisation, Technik und Recht), im besonderen aber durch Erfüllung bestimmter Fernsehprogrammaufgaben. b) Union der europäischen

Rundfunkorganisationen

(UER):

Eurovision17

Die Fernsehaufgaben der UER, deren Organisation und sonstige Aufgaben oben (Hörfunk S. 305 f.) dargestellt sind, stehen im Zeichen der „Eurovision", des zeitText in: HERRMANN, Rundfunkgesetze, S. 243 ff. Vgl. § 10 Abs. 1 der Rundfunkordnung v. 3. 4. 1959 i. d. F. der Anordnung v. 22. 6. 1962 (GBl II S. 387). — Vom 1. 7. 1956 bis zum 30. 6. 1962 hatte die Fernsehgebühr 4,— DM(-Ost) betragen (§ 5 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den FernsehRundfunk v. 1 . 6 . 1956, GBl I S. 495, und § 10 Abs. 1 der Rundfunkordnung v. 3. 4. 1959, GBl I S. 465). — Text der VO vom 3. 4. 1959/22. 6. 1962 s. HERRMANN, Rundfunkgesetze, S. 248 ff. lta 11

17

N ä h e r e s s. BRACK, RUF 1962, S. 233 ff. — Zur Vorgeschichte der Eurovision s. BELLAC,

in: Fernsehrundsdiau 1962, S. 10 ff. und S. 56 ff.? ders., RuF 1964, S. 26 ff.

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weiligen Zusammenschlusses aller oder einiger Mitglieder der UER zu einem gemeinsamen Fernsehprogramm. Die Eurovision hat sich außerordentlich günstig entwickelt: Zu Beginn (1954) waren an ihr nur die Fernsehorganisationen von Belgien, Dänemark, Deutschland (ARD), Frankreich, Großbritannien (BBC), Italien, Niederlande und Schweiz beteiligt (damals 3,2 Mio Fernsehteilnehmer); heute erfaßt sie 21 Länder mit insgesamt über 60 Mio Fernsehteilnehmern. Die Autgabe der UER bei der Eurovision besteht neben der Beschaffung von Programmen (z. B. Übertragung der Olympischen Spiele oder von Weltmeisterschaften) in der Weitervermittlung von Programmen der UER-Mitglieder, die übernationales Interesse finden (z. B. Berichte von Staatsakten und sonstigen Feierlichkeiten, von Opernaufführungen oder Sportveranstaltungen). Zur Vorbereitung dieses Programmaustausches werden die Angebote der einzelnen Fernsehorganisationen von der Verwaltungsdirektion der UER in Genf gesammelt und sodann allen Mitgliedern bekanntgegeben, die sich die Teilnahme ein der Fernsehsendung (unter Berücksichtigung der urheberrechtlichen und sonstigen Voraussetzungen) durch eine Erklärung gegenüber der Verwaltungsdirektion sichern können. Das Technische Zentrum der UER in Brüssel sorgt dann technisch für die internationalen Übertragungen, die durch Unterschiede in den Zeilennormen und Farbfernsehsystemen der einzelnen Länder erschwert werden.18 Ein dauerndes Tonübertragungsnetz steht zur Verfügung, ein internationales Bildleitungsnetz muß jedoch z. Z. jeweils ad hoc geschaltet werden (die Möglichkeiten eines dauernden Eurovisions-Netzes für die Bildübertragungen oder der Benutzung eines Satelliten werden geprüft). Eine besondere Bedeutung gewinnt die Eurovision dadurch, daß sie es kleineren Ländern erleichtert, ihre Fernsehprogramme um nach internationalem Maßstab hochwertige und teuere Produktionen zu bereichern, wobei die Kostenverrechnung unter den Eurovisionsmitgliedern bis zu einem gewissen Grade nach der Finanzkraft gestaffelt wird. Eine neue Aufgabe stellt sich der UER und der Eurovision mit der Möglichkeit interkontinentaler Fernsehübertragungen über SatellitenDie Feuerprobe bestand dieses weltweite Fernsehen bei der Übertragung der Olympischen Spiele 1964 aus Tokio nach Amerika und Europa. (Vgl. hierzu auch das „Ubereinkommen zur Vorläufigen Regelung für ein Weltweites Kommerzielles Satelliten-Fernmeldesystem" vom 20. 8.1964 sowie das dazugehörige Sonder-Übereinkommen, das insbesondere die Finanzierung der Fernmeldesatelliten betrifft; s. BGBl 1965 II S. 1498 ff.) Die Olympischen Spiele 1972 in München werden möglicherweise über europäische Satelliten übertragen werden können. Es liegt auf der Hand, daß der internationale und interkontinentale Austausch von Fernsehprogrammen eine Reihe schwieriger technischer und juristischer 18 19

Vgl. dazu audi oben S. 432. Zur Satellitenfrage vgl. S. 286, 304 (Anm. 35), 427 (Anm. 2 b).

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Probleme aufwirft, die von der Technischen und der Juristischen Kommission der UER zu behandeln sind. Unter Mitwirkung der Juristischen Kommission sind z. B. zwei für den internationalen Programmaustausch wichtige Staatsverträge zustande gekommen: Das „Europäische Abkommen über den Austausch von Programmen mit Fernsehfilmen" vom 15. 12. 1958 und das „Europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen" vom 22.6.1960 (Fundstellen s. o. S. 304 Anm. 34); vgl. auch das oben S. 282 Anm. 7 genannte Europäische Ubereinkommen. c) Internationale Rundfunk- und Fernsehorganisation (OIRT): Intervision Der Erfolg der Eurovision veranlaßte die OIRT (s. o. S. 306), im Jahre 1960 ebenfalls ein Programmaustauschsystem einzurichten, das den Namen „Intervision" erhielt (Sitz: Prag). Die mit einer eigenen Satzung ausgestattete Intervision, der zunächst die Fernsehorganisationen Polens, der Tschechoslowakei, Ungarns und Mitteldeutschlands (DDR) angehörten, umfaßt nunmehr auch die Fernsehorganisationen der Sowjetunion, einiger Sowjetrepubliken, Bulgariens, Rumäniens und Finnlands; sie stellt Programme auch Nichtmitgliedern zur Verfügung. d) Zusammenarbeit UER u. OIRT Abschließend soll erwähnt werden, daß UER und OIRT beim Programmaustausch sowie auf technischem und juristischem Gebiet zusammenarbeiten, über die Netze der Eurovision und der Intervision (nunmehr auch über Satelliten) werden vor allem Sportveranstaltungen verbreitet, an denen Sportler aus Ost und West teilnehmen. Das für alle gemeinsame Fernsehbild wird dabei jeweils von einem Sprecher in der nationalen Sprache kommentiert.

LITERATUR Einige der im Abschnitt Hörfunk (S. 306) genannten Werke befassen sich auch mit der Organisation des Fernsehens. Auf diese Titel sowie auf die a.a.O. genannten Periodika wird Bezug genommen. ARD (Hrsg.): Rundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Materialsammlung. Dokumentation 1 Tatsachen und Meinungen, 1965; Dokumentation 2 Parlamentarische Diskussion, 1965; Dokumentation 3 Wissenschaftliche Beiträge, 1965 (enthält die untengenannten Arbeiten von A. Arndt, Bussmann, Fröhler, R. Groß, Ipsen, Krause-Ablaß, Herbert Krüger, Lerche, Hans Schneider); Dokumentation 4 Meinungsumfragen und Analysen; zit.: ARD, Materialsammlung. — ARMBRUSTER, H.: Rechtsgutachten zum Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen". (Schriftenreihe des Zweiten Deutschen Femsehens 3) Mainz 1965. — ARNDT, A.: Das Werbefernsehen als Kompetenzfrage. In: JZ 1965, S . 3 3 7 . — BACHOF, O . : Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrages vom 6. Juni 1966 über die Errichtung der Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen". (Schriftenreihe des Zweiten Deutschen Femsehens 2) Mainz 1965. — Ders.: Verbot des Werbefernsehens durch Bundesgesetz? Rechtsgutachten. (Beiträge zum Rundfunkrecht 9) Frankfurt a. M., Berlin 1966. — BUSSMANN, K.: Die Beziehung der Rundfunkanstalten zu den Zeitungsverlagen unter der Sicht des Wettbewerbsrechts. Rechtsgutachten. (Beiträge zum Rundfunkrecht 3) Frankfurt a. M., Berlin 1965. — ECKERT, G.: Das Femsehen in den Ländern Westeuropas. Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Gütersloh 1965. — ECKERT, G., U. F. N I E H U S (Hrsg.): Zehn Jahre Femsehen in Deutschland. Dokumentation — Analyse —

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Kritik. Frankfurt a. M. 1963. — FRÖHLER, L.: Werbefernsehen und Pressefreiheit. (Beiträge zum Rundfunkredit 4) Frankfurt a. M.r Berlin 1965. — FRÖHLER, L.: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für ein Verbot des Werbefernsehens durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. (Beiträge zum Rundfunkredit 6) Frankfurt a. M., Berlin 1965. — GOEBEL, G.: Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945. In: APF 1953, S . 259. — GROSS, R.: Zur Zulässigkeit eines bundesgesetzlidien Verbots der Werbesendungen in Funk und Fernsehen. In: DÖV 1965, S . 443. — IPSEN, H . P.: Zur Legalität des Werbefernsehens. In: NJW 1963, S. 2049. — IPSEN, H. P.: Rechtsfragen zur „Ausgliederung" des Werbefernsehens. In: NJW 1963, S . 2102. - IPSEN, H . P.: Der Fernsehvorschlag der Zeitungsverleger. Zur Frage seiner Vereinbarkeit mit dem Staatsvertrag über das „Zweite Deutsche Fernsehen". In: DDV 1964, S. 793. — KRAUSE-ABLASS, G. B.: Zur Diskussion um das Werbefernsehen: verfassungsrechtliche Grundlagen und Möglichkeiten der Organisation. In: RuF 1963, S . 129. — KRAUSE-ABLASS, G. B.: Zur Koexistenz von Presse und Fernsehen. Verfassungsrechtliche Aspekte des Plans der Zeitungsverleger. In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 1965, S. 123. — KRÜGER, H.: Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien. (Beiträge zum Rundfunkrecht 5) Frankfurt a. M., Berlin 1965. — LERCHE, P.: Rechtsprobleme des Werbefernsehens. (Beiträge zum Rundfunkrecht 2) Frankfurt a. M., Berlin 1965. — ROEGELE, O. B.: PresseReform und Fernseh-Streit. Texte zur Kommunikationspolitik 1832 bis heute. Gütersloh 1965. — SCHNEIDER, H.: Werbung im Rundfunk. Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit von Werbesendungen durch die Rundfunkanstalten. (Beiträge zum Rundfunkrecht 1) Frankfurt a. M., Berlin 1965. — SCHNEIDER, H . : Werbesendungen der Rundfunkanstalten als Gegenstand eines Bundesgesetzes? In: NJW 1965, S . 937. — SCHNEIDER, P.: Rechtsgutaditen zum Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen". (Schriftenreihe des Zweiten Deutschen Fernsehens 3) Mainz 1965. — Nachtrag: KRAUSEABLASS: Der Grundsatz der publizist. Gewaltenteilung im Verhältnis von Presse und Fernsehen. Flensburg 1968. — HEIL, K . H.: Das Fernsehen in der Sowjetischen Besatzungszone 1953—1963 Bonn-Berlin 1967. — LEISNER, W.: Werbefernsehen und öffentliches Recht. Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 56, Berlin 1967.

Fernsehen: Formen der publizistischen Aussage HANS

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Einführung Dieser Darstellung liegt die These zugrunde, daß Fernsehen als Massenkommunikationsmittel seiner Natur nadi insgesamt Medium und Form publizistischer Aussage ist. Nicht nur einige Teilbezirke seines Programms tragen publizistische Merkmale. Dies ist zu begründen. Das unausweichliche und kontinuierliche „Gegenüber", in dem der Zuschauer sich zu seinem Fernsehschirm befindet, versetzt ihn in eine Zone der Beeinflussung, der er unterworfen ist, die er kaum wahrnimmt, und die er höchst selten bei sich kontrolliert. — Er befindet sich als Zuschauer nicht in der Situation echter Partnerschaft. Die Einflüsse, denen er ausgesetzt ist, können von ihm nicht gesteuert werden, und sind seiner Einwirkung fast ganz entzogen. — Auf der „anderen Seite", bei denen, die sich ausdenken, was auf dem Schirm erscheinen soll, und die dafür sorgen müssen, daß die den Zuschauer so faszinierenden Bilder flimmern können, w i l l man die Wirkung und die Einwirkung — auf den Einzelnen und auf die Millionen von Einzelnen, die zuschauen. Man will die Wirkung insgesamt und immer und nur nach Graden abgestuft. Das Fernsehen transportiert mit seinen Programmen auch diese Absicht, und zwar solange, wie auf dem Bildschirm etwas erscheint. Indem es publiziert, was auch immer, sucht es die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. — Je vielfältiger, „farbiger" es publiziert, desto enger wird der Kontakt mit seinem Publikum. So muß es „mischen": Sprödes und Lockeres, Spannendes und in die Tiefe Lotendes, „Kulinarisches" und „Kantiges" oder anders ausgedrückt: Das heitere Spiel und die politische Dokumentation, die große Show und die Wirtschaftsdiskussion, das „Welttheater" und den Zirkus, die Attacke und die kühle Information, das Neueste vom Tage und den Schwank oder Krimi usw., usf. Eine Gattung „stützt" die andere in überlegtem Wechsel — die heiteren Programme die der politischen Information gewiß stärker als umgekehrt. Aber wer wird bestreiten, daß nicht auch dies ein Mittel publizistischer Wirkung sei. Und wer will ferner sagen, in welcher „Sparte" sich am nachhaltigsten Meinung bildet und Meinung bilden läßt: dort wo sie vordergründig vorgetragen wird, oder dort wo sie eingehüllt in das Gewand des Spiels oder auch scharf gewürzter Unterhaltung in unterschwelligen Regionen landet? Gestützt auf diese These vom „Gesamtprogramm" ist unsere Untersuchung angelegt. Das Herausschälen einer einzelnen Gruppe von Programmen, also der

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Information und Dokumentationssendungen etwa, erschien dem Autor als eine unzureichende Betrachtungsweise. Dem Beitrag ist eine Vorbemerkung vorauszuschicken. Eine umfassende oder auch nur ausführliche, wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das hier zu behandelnde Thema liegt bisher nicht vor. Der Verfasser ist deshalb in beträchtlichem Umfang auf seine aus der praktischen Arbeit herrührenden Erfahrungen und Beobachtungen angewiesen. Das gilt ebenso für seine gelegentlichen theoretischen Ableitungen; seine Urteile und Schlußfolgerungen sind durch diese subjektive Begrenzung eingeengt. Es soll versucht werden, den Auskunft- oder Ratsuchenden an diesen Überlegungen und Erfahrungen teilhaben zu lassen. Mehr als ein solcher Versuch der Analyse, als ein vorsichtiger Schritt zur Klärung eines ebenso komplexen wie komplizierten Sachverhaltes kann diese Ubersicht in einem Zeitpunkt, in dem das Fernsehen in Deutschland — nach Beendigung der Pionierjahre — kaum länger als zehn Jahre existiert, nicht sein. Diese Vorbemerkung hat natürlich sachliche Gründe und ist keine Ausflucht. Das Fernsehen in Deutschland hat sich, wie jedermann weiß, seit seinem Bestehen so rasant und in einer Weise entwickelt, daß den Praktikern wenig Zeit zu Betrachtungen über die theoretischen Grundlagen ihres Metiers blieb. Sie hatten den Forderungen des Tages nachzukommen, und das heißt bis heute: nach immer neuen Inhalten Ausschau halten und nach immer neuen Formen suchen. Der Mangel an gefestigten unbestreitbaren Ergebnissen wird auch diesem Beitrag anhaften; das liegt in der Sache selbst. Was vor fünf Jahren etwa als „gesichert" gelten mochte, ist heute längst überholt, auf Erfahrung sich verlassende Routine bleibt auf der Strecke. Eine zweite Vorbemerkung ist anzufügen. Fundierte Erfahrung für die vorliegende Untersuchung besitzt der Autor durch jahrelange Tätigkeit im deutschen Fernsehen. Seine Kenntnisse des Fernsehens in anderen Ländern sind zu lückenhaft, um ihm systematische Vergleiche zu erlauben. Sein Uberblick begründet jedoch die Feststellung, daß die Ausweitung des Themas in die angedeutete Richtung eingehende Forschungsgrundlagen zur Voraussetzung hätte. So lange es sie nicht gibt, böte sich dem Unkundigen eher ein Bild der Verwirrung als der Erhellung. Denn ein Blick über die Landesgrenzen fördert zwar einige allgemeine strukturelle Übereinstimmungen zu Tage, noch deutlicher aber zeigt er die Abhängigkeit des Mediums von spezifischen, nationalen Merkmalen und Mentalitäten, von soziologischen und ökonomischen Voraussetzungen, von den Absichten ihrer Initiatoren, und nicht zuletzt auch von dem Zeitpunkt, in dem das Fernsehen in dem jeweiligen Lande eingeführt wurde. Das Meditieren darüber, auf welche Weise Fernsehen sich auszudrücken habe, welche Mittel, sich zu artikulieren, ihm zu Gebote stehen, führt unausweichlich auf die Frage zu, (die an dieser Stelle nur in den Blick gerückt, aber nicht erörtert werden soll) wie Fernsehen an sich zu definieren sei. Der Chor der Antworten zeigt, wie schwierig das Unterfangen theoretischer

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Erhellung ist. Er ist vielstimmig und — je nach Standort und Lautstärke des Mitwirkenden — recht dissonant: Fernsehen soll bilden, Fernsehen soll unterhalten, es soll belehren und spannend sein, es soll informieren und provozieren; Fernsehen heißt „Dabeisein", Fernsehen ist „Heimkino"; es soll die ganze Welt ins Haus bringen, es soll jugendgeeignet sein oder „familiengerecht"; für diejenigen, die kommerzielle Interessen haben, ist es ein verlockendes Mittel, damit Geld zu verdienen. Fernsehen soll für alle da sein und ansprechend für den einzelnen; nach dem Gesetz ist es der Wahrheit und zur Objektivität verpflichtet, aber es soll auch pointierten Meinungen Raum geben usw. usw. Und je größer die tägliche Zahl der Zuschauer im Laufe der Jahre geworden ist, je größer der tatsächliche, vermeintliche oder vorgegebene Einfluß auf die Meinung der Zuschauer und damit die häufiger behauptete als nachgewiesene „Macht" des Fernsehens, desto nachdrücklicher, unnachgiebiger, unversöhnlicher bemühen sich die Verfechter der jeweils einzelnen Standpunkte, ihre Auffassungen durchzusetzen. Aus diesen „Pressionen" — ein legitimes und nach ganz demokratischen Regeln verlaufendes Kräftespiel — haben sich in der Tat im Laufe der Jahre einige Aufgaben herauskristallisiert, deren Aussageformen sich so beschreiben lassen: 1. Das Fernsehen muß informieren. 2. Das Fernsehen kann bilden und belehren. 3. Das Fernsehen soll unterhalten. Auf diesen drei Säulen ruht alle Programmarbeit des Fernsehens, ruhen alle seine Inhalte, alle seine Formen. Die Aufgaben sind dem Fernsehen als einem Produkt spezifisch technischer Erkenntnisse und Erfindungen zugewachsen. Es löst sie mit den Hilfsmitteln, die die Technik ihm zur Verfügung stellt. — Das Auge des vor dem Fernsehgerät sitzenden Menschen erblickt nie die „Wirklichkeit", sondern eine ihm durch Technik ins Haus transportierte, transponierte, projizierte Wirklichkeit. Die Unmittelbarkeit und Lebendigkeit des Bildeindrucks aber suggeriert dem Zuschauer häufig „echte" Wirklichkeit, und er vergißt darüber, daß ihm die Welt in einem Ausschnitt von etwa 50 X 60 Zentimetern dargeboten wird. Dies aber ist die Realität, die Manifestation des Fernsehens: Segmente erreichbarer Wirklichkeit in diesen kleinen Ausschnitt projiziert. Es ist also eine durch und durch veränderte Welt, die der Zuschauer erblickt, ein Phantom der Technik'gleichsam, mit ihren Werkzeugen hergestellt. Es ist das Produkt von Kameras, Mikrophonen und Licht, (natürlich auch einer Fülle anderer technischer Hilfsmittel, wie der Bildröhre, elektrischer Wellen, Verstärker, Strahler, usw., aber deren Funktionen sind mechanischer Natur und für diese Untersuchung irrelevant) mit deren Hilfe Menschen das Fernsehen herstellen. Die Kamera „sieht" alles anders als das menschliche Auge, das Mikrophon „hört" anders als das menschliche Ohr, und das Licht, dessen die Kamera bedarf, verändert den Gegenstand ein weiteres Mal. Und doch ist diese durch Kamera, Mikrophon und Licht

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von Menschen hergestellte künstliche Welt oft von einer frappierenden „Natürlichkeit". Das Erkennen und Wiedererkennen von Menschen, von Schauplätzen, von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen, das also, was den Geist des Menschen ein Leben lang zu bewegen vermag, gehört zu den wichtigen Kriterien, denen das Fernsehen seine Anziehungskraft verdankt. Darzustellen, in welchen Formen sich das vollzieht, ist Aufgabe dieses Berichts. Vor der methodischen Aufschlüsselung der einzelnen Sachgebiete sei noch ein wichtiger Hinweis gegeben. Um es zu wiederholen: Alles, was das Fernsehen auf die geschilderte Weise dem Zuschauer „ins Haus liefert", trägt den Stempel der Information oder der Bildung oder der Unterhaltung (mit zahlreichen Nuancierungen). Wer aber vom Fernsehen spricht, muß immer das Ganze meinen, nicht nur das bevorzugte Detail. Nicht der jeweils einzelne Bereich, so sehr er auch dem partiell interessierten Zuschauer als der allein wichtige erscheinen mag, ist repräsentativ für das Fernsehen, sondern erst das Zusammenspielen aller Elemente, das sich durch die zeitliche Abfolge mehrerer Gattungen herstellt, bringt das zur Geltung, was sich phänomenologisch, publizistisch, soziologisch, psychologisch (auch massenpsychologisch) als das „Fernsehen" begrifflich zusammenfassen läßt. Der einzelne Programmbeitrag mag also in keiner erkennbaren Beziehung zu der vorangegangenen und der nachfolgenden Sendung stehen, dennoch stellt er ein Kontinuum in der Zeit her, auch ein Kontinuum im Wechsel der Sparten und Themen. Dieser kontinuierliche Wechsel ist das Ergebnis planender Arbeit, der einerseits Erhebungen verschiedener Art zugrunde liegen (Zuschauerbefragungen z. B.)r zum andern Überlegungen formaler, ästhetischer, wirtschaftlicher, auch edukativer, oder auf Fragen der Kommunikationsmöglichkeiten gerichteter Art. So also kommt das Angebot eines „Gesamtprogramms" an das Publikum zustande, das alle Möglichkeiten des Auswählens eröffnet, und nicht auf festgelegte (etwa pädagogische, politische oder kommerzielle) Ziele gerichtet ist. Das Gesamtkonzept ist demnach in erster Linie formaler Natur: möglichst viele „Farben" in möglichst breiter Streuung. Als Basis jeder Analyse gilt also nur das Gesamtbild des Fernsehens. Die Auffassungen darüber, ob man diesen Sachverhalt auch formal lösen könne oder solle, gehen auseinander. Gegenwärtig wird die Praxis bevorzugt, das „Aneinanderbündeln" dem Zuschauer zu überlassen, um ihm die Freiheit der Entscheidung darüber zu geben, ob er noch mehr und meistens etwas ganz anderes „konsumieren" will oder nicht. In den Dritten Programmen einiger Anstalten werden dagegen formale Versuche in entgegengesetzter Richtung unternommen. Um die angestrebte Einheitlichkeit eines Abendprogramms sichtbar zu machen, führt ein „Gastgeber" von Beitrag zu Beitrag, knüpft sie aneinander, erläutert ihren inneren Zusammenhang und unternimmt es, die Zuschauer einen Abend lang an der Hand zu halten. Prognosen für die zukünftige Entwicklung dieser Form, ein Programm anzubieten, können nicht gewagt werden. Das auch formal wichtige Problem der Zuordnung einzelner Programmbereiche

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in einen Gesamtplan, in dem das Aufeinanderfolgen von „Sendungen" reguliert wird, das Zuweisen bestimmter Tage, bestimmter Tageszeiten an bestimmte Programmbestandteile wird an einer anderen Stelle dieses Handbuchs behandelt. Wir können und werden also hier die einzelnen Sparten aus ihrer faktischen Zugehörigkeit herauslösen, den angegebenen Gruppierungen eingliedern, und den Versuch einer A n a l y s e der Formen unternehmen, die für die jeweils einzelnen Gruppen in ihrer Aussage relevant sind oder zu sein scheinen.

1. Information und Dokumentation W i r bedienen uns hier notgedrungen einer Terminologie, die eine punktuelle Definition nicht immer zuläßt. A n den Rändern beginnen die Grenzen zu zerfließen. In der Darstellung wird das erkennbar werden. W i r fügen daher die Begriffe „Aktualität" und „zeitkritische A n a l y s e " hinzu. A. Aktuelle oder vorwiegend aktuelle Programme 1. D i e

Nachrichten

Die Elementarform der Information ist die Nachricht. Wie. bei Presse und Rundfunk gehört es zu den sowohl durch Gesetze zugewiesenen als auch zu den aus dem W e s e n der Massenkommunikationsmittel entspringenden Aufgaben des Fernsehens, sein Publikum laufend über wichtige Neuigkeiten zu informieren, d. h. täglich und — soweit der zeitliche Ablauf des Programms dies gestattet — mehrmals täglich. Zur Übermittlung der Nachricht kann sich das Fernsehen verschiedener Formen bedienen. Die erste und einfachste Möglichkeit ist die, eine Meldung durch einen Sprecher vorlesen zu lassen. Dagegen wurden zunächst Einwände erhoben. Man verwarf diese Form als dem Medium Fernsehen nicht angemessen. Sie müsse dem Tonrundfunk vorbehalten bleiben. Das Argument wich später der Einsicht, daß die Zeitspanne zwischen dem zu meldenden Ereignis und der Pflicht zur Mitteilung oft viel zu kurz für jede andere Form der Darstellung war. So wird sie heute ohne Vorbehalt angewendet. (Diese Konsequenz macht einen wichtigen Vorgang deutlich, auf den in dieser Untersuchung nicht immer wieder eingegangen werden kann, auf den aber generell und mit Unterstreichung hingewiesen werden muß: Das Fernsehen hat im Laufe der Zeit mit Rücksicht auf Bedürfnisse seines Publikums Vorstellungen preisgegeben, die ihm immanent zu sein scheinen.) Die Zeitspanne, durch die die Form der Wortnachricht erzwungen wird, leitet sich her vom Termin der nächsten Sendung. Eine Nachricht aus formalen Gründen zurückzuhalten, gilt als unstatthaft. Die Notwendigkeit, sich zur Wortnachricht zu entschließen, wird vollends evident bei Ereignissen außerordentlicher Art. (Der Tod J O H N F. KENNEDY'S, die Hamburger Flutkatastrophe o. ä.) Sie machen eine alsbaldige und wiederholte Unterbrechung des laufenden Programms unausweichlich.

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Für die Analyse der Form, wie eine Nachricht sich von der ersten Meldung ab weiterentwickelt, sind solche Anlässe beinahe exemplarisch: Zuerst kommt die reine Tatsachenmeldung, je nach Art und Ausmaß des Ereignisses durch ergänzende Mitteilungen „gestützt". Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wird die Meldung durch Bilder angereichert: durch Standphotos, Graphiken, Landkarten usw. Später wird die Nachricht ergänzt durch Sequenzen aus dem Filmarchiv, falls dies die Information für den Zuschauer übersichtlicher, fundierter und anschaulicher werden läßt. Schließlich, d. h. so bald als irgend möglich wird der Originalfilmbericht vom Ort des Geschehens in die Nachrichtensendung übernommen. Unabhängig von der Bildqualität ist er die eigentliche Basis der Nachrichtensendung im Fernsehen. (Welchen Aussagewert solche Berichte haben können, zeigten z. B. im Falle der Ermordung J O H N F. K E N N E D Y ' S die völlig „verwackelten", aber sensationellen Aufnahmen, die ein Amateur mit seiner Schmalfilmkamera hergestellt hatte.) Eine Femsehnadirichtensendung kann des weiteren ergänzt werden durch „statements" (das sind kurze Erklärungen kompetenter Personen), durch Kurzinterviews und schließlich durch das unmittelbare „Hineinschalten" in den Ort der Handlung, über die berichtet werden soll. Wortnachrichten werden vorgelesen durch einen Sprecher „im Bild", Filmnachrichten durch den Filmsprecher (Sprecher aus dem „off"). Die hauptsächlichen formalen Bauelemente einer Nachrichtensendung sind also: 1. die gesprochene Nadiricht, 2. die bebilderte Nachricht (Standphoto, Landkarte, o. ä.), 3. die gefilmte Nachricht, 4. das Statement, 5. das 6. der live-Bericht.

Graphik, Interview,

Die Handhabung dieser Mittel geschieht in verschiedenartiger, möglichst beweglicher Weise. Die Regeln dafür leiten sidi ab vom Gewicht der Meldung. So wird nicht jeder „Wort"meldung später ein Filmbericht folgen, und nicht jedem Filmbericht ist eine Wortmeldung vorangegangen. In der Grundlage der Nachrichtensendungen im Fernsehen sind in den letzten Jahren deutlich zwei Tendenzen erkennbar geworden. 1. Die „orthodoxe" Richtung, die sich bei aller Variationsbreite der formalen Aussage auf die genannten Elemente begrenzt, um der Nachrichtensendung den Charakter absoluter Glaubwürdigkeit und größtmöglicher Zuverlässigkeit zu geben, und damit den Rang eines fast offiziösen „Bulletins". 2. Die ganz konträre Richtung, die in einer aufgelockerten Form der Darbietung auf die Nachricht die Hintergrundanalyse und selbst den Kommentar folgen läßt und um den Vorteil der kommentierten allround-Information den Preis der strikten, auch dem unkundigen Zuschauer klar erkennbaren Trennung zwischen Nachrichten und Kommentar dreingibt. Die Frage, welcher Form einer Nachrichtensendung der Vorzug zu geben sei, kann hier nur sichtbar gemacht, aber nicht beantwortet werden. Darunter liegt die sehr viel umfassendere Frage nach der Objektivität und dem Wahrheitsgehalt von Nachrichtensendungen überhaupt. Ihre ausführliche Erörterung ist höchst 29 Publizistik II

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reizvoll, doch können hier nur ein paar Andeutungen gegeben werden. Da sie eine Frage der Metaphysik ist, also dem Menschen an sich zugehörig, betrifft sie den Kern jeder denkbaren Form der Information: Ist die Weitergabe eines bekanntgewordenen Sachverhalts von einem Menschen an einen anderen noch objektiv, noch die Wahrheit? Das Dilemma ist deutlich. Der Anspruch kann nur lauten: Die Meldung muß so genau wie möglich, so zuverlässig wie möglich, so unbeeinflußt von subjektiver Meinung (auch subjektiver Gruppenmeinung) wie möglich sein. Schon durch den Zwang zur Auswahl aus dem zur Meldung zur Verfügung stehenden Nachrichtenstoff können Schwierigkeiten (auch redaktioneller Natur) entstehen. Zur Illustration des Problems: Es wäre eine Nachrichtensendung denkbar (hier nur zur theoretischen Erhellung konstruiert), in der jeder einzelne Beitrag sachlich nicht zu beanstanden ist, in der so korrekt, so objektiv wie möglich, dabei informativ, auch attraktiv berichtet wird. Eine Sendung, die dem Publikum sehr zusagt, die z. B. Berichte enthält von Pferderennen und Modeschauen, von einem Sensationsprozeß und einer Verbrecherjagd, nur Material vom Tage verwertend, und — alle wichtigen Ereignisse beiseite lassend. Dieser willkürlich konstruierte Fall wird hier nur angeführt, um auf eine Qualität aufmerksam zu machen, die in jeder Nachrichtensendung des Fernsehens an erster Stelle stehen muß: Verantwortung bei der Prüfung der Substanz des angebotenen Materials, Verantwortung gegenüber dem Publikum, das sich darauf verlassen will und muß, daß ihm alles aktuell Wichtige mitgeteilt wird, daß ihm keine Information von Rang vorenthalten wird. Dieser Anspruch schränkt den Spielraum in der Auswahl von Informationsstoff nach vorwiegend formalen Gesichtspunkten erheblich ein. Eine Nachrichtensendung der oben skizzierten Art kann es daher nicht geben. 2. D i e

Originalreportage

Eine andere Grundform der Information im Fernsehen ist die iive-Reportage. Sie ist das Feld des Fernsehens, und in der Verknüpfung von Bild, Wort und Ton das Feld des Fernsehens allein. Von ihr leitet sich der Slogan her: „Fernsehen heißt Dabeisein", ihr verdankt das Fernsehen zu einem guten Teil seine großen Siege in der Gunst des Publikums. Modellfälle seien angeführt: Die Krönung der englischen KÖNIGIN ELISABETH II., die HAMBURGER Flutkatastrophe, die Bergung der verschütteten Bergleute in LENGEDE, die über einen amerikanischen Nachrichtensatelliten weitergeleitete Übertragung der Trauerfeierlichkeiten für KENNEDY, der über vier Stunden dauernde Bericht von der Trauerzeremonie für CHURCHILL, die Eröffnung des römischen Konzils und last not least viele Reportagen von Sportveranstaltungen internationalen Ranges wie zuletzt 1966 die Fußballweltmeistersdiaft. Darüber hinaus gibt es natürlich zahllose live-Reportagen von Ereignissen minderer Bedeutung, deren Aufzählung hier unterbleiben kann. Formprobleme des Fernsehens lassen sich besonders deutlich exemplifizieren an der live-Reportage. Der um theoretische Einsichten sich bemühende Beobachter kann an diesem Spezialgebiet sehr gut erkennen, was das Fernsehen zu leisten vermag und was nicht, was ihm gemäß ist und was nicht. Denn nirgends sonst entsteht beim Zuschauer so intensiv, so vorbehaltlos die in ihrer Bedeutung für

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die „Fernseh-Wirklichkeit" bereits ausführlich charakterisierte Suggestion persönlicher Anwesenheit am Ort des Geschehens. Seine Anteilnahme ist durch die Künstlichkeit der Bilder um nichts vermindert, seine Reaktionen etwa bei dramatischen Sportereignissen sind spontan und nicht selten stürmisch, ja explosiv. (Bei den Übertragungen von der Fußballweltmeisterschaft wurden mehrfach Herzattacken mit Todesfolge gemeldet, die durch allzu heftige Aufregung vor dem Fernsehschirm verursacht worden waren.) Und doch ist es eine prätormierte Erlebniswirklichkeit, die der Zuschauer erblickt, vorgeformt durch die ganz subjektiven Tätigkeiten von Kameraleuten, Bildmischern und Regisseuren, die ihre Bilder anbieten und auswählen nach vielen Gesichtspunkten, nicht nur denen der reinen Information, sondern z. B. auch nach bildästhetischen, dramaturgischen, auf Spannung und Abwechslung bedachten, also nach Effekten suchenden Momenten und dergleichen mehr. Und da 4, 5, 6 und bei entsprechenden Gelegenheiten auch 50 bis 60 Kamera-„Augen" das Geschehen „betrachten", sieht der Fernsehzuschauer immer sehr viel mehr, als der Zuschauer am Ort der Handlung. Oft sieht er aber auch, ohne es zu ahnen, etwas ganz anderes als die Sache selbst. (Besucher der Spiele bei der Fußballweltmeisterschaft wußten zu berichten, daß der Ablauf des einzelnen Matdi's sich für sie oft ganz anders dargestellt habe als die Übertragung im Fernsehen, die sie später in einer Aufzeichnung besichtigen konnten.) Zwischen dem Objekt und dem Zuschauer regiert eben nicht nur die Technik, nicht nur die Veränderung der Dimensionen, sondern vor allem sind Menschen eingeschaltet mit subjektiven Spontaneitäten, Begabungen, kurz Fähigkeiten verschiedener Art; Menschen, die zwar gewiß nichts anderes wollen, als zuverlässig und objektiv informieren, deren „Handwerkszeuge" aber so beschaffen sind, daß sie der raschen subjektiven Entscheidung bedürfen. Nicht nur die Vielzahl, auch die spezifischen Fähigkeiten der Kameras zwingen zu solchen Entscheidungen. Die Kamera kann die „Totale" bringen, die eine möglichst umfassende Ubersicht über das Gesamtgeschehen bietet, über das berichtet wird (man wählt dafür einen relativ weit entfernten Standort, um möglichst viel ins Bild zu bekommen; der Fernsehzuschauer kann dementsprechend wenig Details erkennen). Die Kamera erlaubt den Bildausschnitt und mit Hilfe der Gummilinse die Einzelszene und die Großaufnahme, die den Zuschauer näher an Ort und Personen heranrückt, als es ihm in der „Wirklichkeit" je gestattet wäre. Für den Bildwechsel gibt es nur eine in groben Umrissen festgelegte Ablaufdramaturgie. Die Improvisation, der Einfall des Augenblicks hat hier noch ein freies Feld. Das Ergebnis solcher Spontaneitäten einerseits und des komplizierten Zusammenspiels technischer Funktionen zum anderen ist schließlich das Bildgeschehen, das den Zuschauer wegen seiner „Echtheit" so häufig in seinen Bann schlägt. 3. D i e z e i t v e r s e t z t e

Originalreportage

Die Technik bietet seit einer Reihe von Jahren eine Möglichkeit an, die nur scheinbar ein Widerspruch in sich selbst ist: die zeitversetzte Oiiginalreportage. Der Bericht wird während der Veranstaltung, oder um was immer es sich handeln 29*

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mag, auf einem magnetischen Bild- und Tonaufzeichnungsgerät (MAZ) festgehalten und zu einem späteren Zeitpunkt, der meistens gewählt wird, um mehr Zuschauer zu haben, abgespielt. Formal bietet dieses Verfahren gegenüber dem Originalberidit keine neuen Gesichtspunkte, da in diesem Fall faktisch nur die Mechanik der Technik eingeschaltet ist. Der Sachverhalt ändert sich jedoch im Kern, wenn der Bericht nicht mehr dem ursprünglichen Ablauf entspricht, sondern bearbeitet wird. Das ist sowohl bei der magnetischen wie bei der Filmaufzeichnung möglich. Der Bericht wird gerafft, gekürzt, „geschnitten". Die „Schere" tritt als neues Hilfsmittel in Funktion. Leere, „tote" Stellen werden herausgenommen, nur das „Wesentliche" soll stehenbleiben oder das, was der zuständige Redakteur oder Bearbeiter für wesentlich hält. Der Zuschauer ist nun nicht mehr unmittelbar „dabei", er weiß das auch, er erhält nur noch den Bericht eines Berichts, gleichsam den „Kommentar" des Redakteurs in der Form der Abbreviatur. In dessen Hand liegt dann die Entscheidung, ob er einen Bericht von möglichst hohem Informationswert herausarbeitet, sachlich, knapp, nüchtern, oder ob er auf „Wirkung" schneidet, um mit den Mitteln des Fernsehens den Zuschauer nicht nur zu informieren sondern z. B. auch zu unterhalten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß jeder seriöse Redakteur den zuerst genannten Weg wählen wird, ohne deshalb die formalen „Spielregeln" des Fernsehens außer acht zu lassen, übrigens legt ihm auch das „Interesse" der „Akteure" große Sorgfalt nahe. Bei Ausschnitten aus Parlamentsdebatten etwa hat sich die Methode der „Ausgewogenheit" aufs Äußerste verfeinert und „Kommentare" durch unangemessene Bildschnitte würden dem verantwortlichen Redakteur kaum gut bekommen. Als Modellfälle für bearbeitete zeitversetzte live-Reportagen mögen gelten: Debatten aus dem Bundestag, Übertragungen von den Olympischen Spielen in Tokio, die Reise PAPST PAUL VI. nach Israel. Bei dieser Darstellungsform bedient man sich immer zur Verknüpfung der einzelnen „takes" oder auch zur Erläuterung des Geschehens eines „off"-Sprechers. 4. D i e

Filmreportage

Die Schilderung des oben angeführten Verfahrens bringt uns konsequent weiter zur Analyse der Filmreportage im exakten Wortsinn. Doch sind hier Absicht, Ausgangspunkt und Ziel andere. Es wird nicht der Berichtsgegenstand als Ganzes gefilmt, aus dem dann im Nachhinein ausgewählt und geschnitten wird, sondern viele Einzelteile werden — zunächst ohne zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang — aufgenommen, dann am Schneidetisch „gecuttet" und zuletzt so zusammengefügt, daß sich die beabsichtigte Gesamtübersicht über das gefilmte Thema ergibt. Ein Modellfall, an dem das Gesagte leicht erkennbar wird, wäre ein Bericht über den Krieg in V I E T N A M , der natürlich an verschiedenen Schauplätzen zu unterschiedlichen Zeiten angefertigt werden muß. Viele Rollen Film werden zunächst dafür belichtet. Sie sind das notwendige Rohmaterial, das mit „nach Hause" gebracht wird. Seine Gesamtlänge beträgt in aller Regel das fünf- bis zehnfache

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dessen, was der Zuschauer schließlich nach der Bearbeitung auf seinem Bildschirm als fertige Sendung zu Gesicht bekommt. Das Beispiel ist beliebig auswechselbar und gilt generell für die Gattung. Aufgabe der Filmreportage ist es, dem Zuschauer zu Hause eine über die Kurzberichte der Nachrichtensendungen und auch über die Zeitungs- und Rundfunkinformation hinausgehende, aktuelle und ausführliche Bildinformation zu geben, die durch die Anschaulichkeit und Eindringlichkeit des bewegten Bildes seine Vorstellungen von Ereignissen auffüllt, die sein Interesse haben. Im Unterschied zum Dokumentarfeature nimmt sie nicht Stellung, verzichtet auf Analyse und Wertung. Darauf wird am gegebenen Ort noch einmal zurückzukommen sein. 5. D i e

Originalübertragung

Wir berühren nun einen anderen Bereich der Information, den vorangegangenen eng benachbart, auch unter das Motto zu stellen: „Fernsehen heißt Dabeisein". Die Originalübertragung unterscheidet sich prinzipiell von der Reportage jedoch dadurch, daß die Darbietung nicht kommentiert oder durch einen Sprecher erläutert wird. Das Ereignis selbst läßt das nicht zu. Als Modellfälle dienen: Gottesdienstübertragungen, Übertragungen von Theatervorstellungen und Konzerten o. ä. In den genannten Fällen wird die Form der Aussage auf dem Bildschirm j e nach dem Rang des Ereignisses zu einer Frage der Einfühlungsgabe oder auch der Diskretion des Regisseurs, dem es gelingen muß, im jeweils einzelnen Augenblick das „adäquate" Bild auszuwählen. Originalübertragungen gibt es jedoch auch von zahlreichen Veranstaltungen des Unterhaltungsbetriebs, etwa des Karnevals. 6. A n d e r e F o r m e n d e r a k t u e l l e n

Information

Wir verlassen dieses Gebiet, in dem das Fernsehen dadurch informiert, daß sich sein Kamera-Auge gleichsam auf die Sache selbst richtet und gehen über auf die Formen der Information, bei denen zuständige Personen Auskunft über ihr Sachgebiet oder über sich selbst geben. Folgende Varianten sind dafür bisher vom Fernsehen entwickelt worden und werden regelmäßig und ohne Vorrang angewandt: a) Das Statement Das Statement ist die einfachste Form. Das Modell dafür: Der Bundespräsident oder ein Sprecher der Regierung, des Parlaments, eines Verbands oder einer großen Organisation von hohem öffentlichen Interesse gibt aus aktuellem Anlaß eine vorbereitete Erklärung ab. Dieser Sprecher erscheint im Bild. Die Statements sind meist von kurzer Dauer, weil sie durch ihre formale Unergiebigkeit den Zuschauer rasch ermüden. Auch ein bedeutender und den Zuschauer unmittelbar angehender Inhalt vermag ihn offenbar nicht zu fesseln, wenn er ihm nicht in einer „interessanten" Form angeboten wird. Ein Dilemma übrigens, an dem die Kirchen mit ihrer Sendereihe „Das Wort zum Sonntag" lange herumlaboriert

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haben. Flüssiger, dem Publikumsgeschmack: näherkommend wird die beabsichtigte Aussage sofort dann, wenn man den Kreis der Personen erweitert. b) Das Interview Der Auskunftgebende hat einem oder mehreren Befragern Rede und Antwort zu stehen. Je nach der Geschicklichkeit der Beteiligten kann dabei echte Spannung entstehen. Die Reihe „Zur Person" (jetzt: „Zu Protokoll") von G Ü N T E R G A U S soll als Modellfall dienen. Der Frager ist fast nie „en face" zu sehen, der Befragte fast immer und kann so kaum eine seiner Reaktionen auf die für ihn unerwarteten Fragen verbergen. Es entsteht dadurch Aussage in wenigstens zweifacher Hinsicht: a) die Textaussage (die auch der Rundfunk vermitteln könnte) und b) die Bildaussage (z.B. durch das Mienenspiel oder das Spiel der Hände), die nicht selten mehr enthüllt als der überlegte, häufig nach Absicherung oder Verschleierung suchende Text. Ähnlicher Methoden bedienen sich Sendungen wie „Hand aufs Herz" oder „Meet the Press" u. a., doch treten hier mehrere Befrager in Aktion. Die Art des Ausfragens weicht gelegentlich von einem Verhör nicht sehr weit ab. Die Absicht ist, auf diese Weise ein Höchstmaß an kompetenter Information zu erhalten. Form und Inhalt sind in solchen Programmen auf dieses gleiche Ziel gerichtet. Eine Abwandlung dieses Verfahrens ist c) Der „Runde Tisch" Ein Gesprächsleiter, der „chairman", sucht in einem Kreis gleichberechtigter Sachkundiger eine möglichst breite Skala differenzierter Meinungen zu ermitteln, die ein Thema in verschiedenen Facettierungen spiegeln sollen. A m konsequentesten wird der „Runde Tisch" von W E R N E R H Ö F E R in seinem „Frühschoppen" demonstriert (dabei darf nicht übersehen werden, daß es sich um die Fernsehausstrahlung einer Rundfunksendung handelt). Die Frage, ob das Fernsehen außer seinem „Dabeisein" ein wesentliches Element in den Ablauf der Sendung hereingebracht hat, soll jedoch hier nur aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden. Zahlreiche Sendereihen lehnen sich an diese Grundform an und adaptieren sie bei Diskussionen auf dem Podium oder im Studio mit oder ohne Publikum („Bürger fragen Prominente", „Journalisten fragen — Politiker antworten" u. v. m.). Varianten und Mischformen sind zahlreich. Anlagen und Ablauf dieser Programmtypen machen es unvermeidbar, daß Information und Meinung ständig ineinander übergehen. Weil im allgemeinen jedoch mehrere, voneinander abweichende Auffassungen gehört werden können, bieten sie insgesamt dem Zuschauer gleichsam auf Umwegen Information. Die einzelne profilierte Meinung äußert sich seit einiger Zeit im Fernsehen in den d)

Kommentaisendungen Formal unterscheiden sie sich kaum vom Statement, und bisher sind auch noch keine über den Rundfunkkommentar hinausgehende Form- oder Stilelemente entwickelt worden. Auf dem Fernsehschirm erscheint ein Sprecher, ein Journalist

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oder Redakteur also, der in freier Rede oder vom Blatt ablesend seine Auffassung zu wichtigen, meist tagesaktuellen Ereignissen aus der Politik, der Wirtschaft und gelegentlich auch aus anderen Sachgebieten vorträgt. Eine „telegene" Lösung ist das gewiß nicht, aber hier gilt, was vorher über die Nachrichten im Fernsehen gesagt wurde: Das Fernsehen, als das gegenwärtig am häufigsten in Anspruch genommene Massenkommunikationsmittel, unterwirft sich aus Sachnotwendigkeiten formalen Kompromisslösungen. Es kann nicht völlige Abstinenz nur deshalb üben, weil auf dem einen oder anderen Gebiet die „fernsehgerechte" Form der Darbietung nicht oder noch nicht gefunden werden konnte. — Die Dritten Fernsehprogramme, die von einzelnen Anstalten vor einiger Zeit begonnen wurden, sind in diesem Punkt noch weniger voreingenommen; unbekümmert stellen sie formale Bedenken zurück, auf ein einverständiges Publikum zählend, dem vor allem an exakter, umfassender Information zu liegen scheint.

B. Dokumentarsendungen 1. P r o g r a m m e m i t k r i t i s c h e r o d e r v o r w i e g e n d Analyse

kritischer

Zu Beginn der Untersuchung über Informationssendungen wurde darauf hingewiesen, daß wir, um bessere Unterscheidungsmerkmale zu gewinnen, die Begriffe „Aktualität" und „zeitkritische Analyse" heranziehen müssen. Bei allen bisher aufgeführten Sendeformen hat die Aktualität den Vorrang. Fast alle Sendungen dieses Bereichs dienen dem Tag, allenfalls dem Ereignis der Woche. Sie werden rasch hergestellt, sie erzählen in Bildern vom Stand der Fakten oder über den Habitus von Personen, sie befriedigen zumeist nur eine rasch entflammte Neugierde des Publikums, die im allgemeinen ebenso rasch wieder erlischt. Wir wenden uns jetzt jener Kategorie von Informationssendungen zu, die über den aktuellen Anlaß hinaus dokumentieren wollen, was in dieser Welt in unserer Zeit geschieht, die Zusammenhänge und Hintergründe aufspüren, die analysieren und kommentieren, a) Das Feature An der Spitze steht die Gattung, die im Fachjargon die undeutliche, weder Form noch Inhalt beschreibende, aber unausrottbare Bezeichnung „feature" erhalten hat. Eine exakte Definition ist deshalb schwierig, weil auch im internen Betrieb keine Klarheit und Ubereinstimmung darüber herrscht, was denn ein feature sei. Darum wird gern bei vielen, auch sicher unangebrachten Gelegenheiten über die Nomenklatur verfügt. Zur begrifflichen Klärung an dieser Stelle muß jedoch der das Thema umschreibende Kreis möglichst eng gehalten werden. Zunächst: Für die „Gattung" ist die Themenstellung, also der Inhalt, der „Stoff" nicht das Primäre; ob er in der Außenpolitik, der Innenpolitik, der Wirtschaft, im regionalen oder sogar lokalen Bereich gesucht wird, ist zwar von Bedeutung für

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den formalen Duktus der Einzelsendung, nicht jedoch für die generelle Aufgabe: Durch Bilder — in bestimmter Abfolge — einen bestimmten Sachverhalt zu dokumentieren und zu beleuchten. „Verfietschern" also •— um eine Ausdrucksweise kritischer süffisanter Journalisten zu verwenden — läßt sich alles. (Zeitweise enthielt die Liste der ARD-Koordination viele hundert Themenvorschläge.) Der Zugang eröffnet sich leichter über die Definition der Filmreportage. Gefilmt wird hier wie dort in vielen Einzelteilen, alles, was das Gesamtbild bereichert oder abrundet; mit Vorrang natürlich das den Kern der Fragestellung Berührende, dann aber auch das von außen Ergänzende, das Kontrastierende, das „ambiente", Elemente der Reflexion, Meinungsäußerungen der Beteiligten oder in Mitleidenschaft Gezogenen, auch von Passanten auf der Straße und Akteuren in Konferenzsälen. Noch bevor aber der erste Meter Film gedreht wird (das bedeutet viele Wochen zuvor) — und zu diesem Zeitpunkt bereits verläßt das feature den Bereich der Reportage — beginnen die Recherchen, das Studium der Fachliteratur, die Vorgespräche mit den sachkundigen Partnern, beginnt das Bewerten und Beurteilen, das Abschätzen der Gewichte, das Aufhellen der Hintergründe, das Abtasten der Schwierigkeiten, die sich verbindlichen Aussagen entgegenstellen könnten, und last not least das Einschalten persönlicher Erfahrung und persönlichen Engagements. Aus dem Reporter wird der abwägende, reflektierende, kritische Chronist. Bei diesem Verfahren scheidet Tagesaktualität fast immer aus. (Die Tagesaktualität kann dem Autor gelegentlich unerwartet zu Hilfe kommen.) Die bei der Vorbereitung und Ausarbeitung der Sendung gebotene Sorgfalt läßt a priori nur Themen zu, die nicht in vierzehn Tagen veralten. Fragen von „permanenter" Aktualität sind darum bevorzugter Stoff, profilierte Meinung ist letztlich das angestrebte Ergebnis. Davor jedoch steht als normative Regel — die für jede Informationssendung zu gelten hat — der Anspruch auf ein Höchstmaß an Authentizität (soweit diese mit anderen als wissenschaftlichen Mitteln überhaupt zu erreichen ist). Diesen Anspruch erheben der Autor ebenso wie der Zuschauer und der Kritiker. Meinung läßt sich im Fernseh-feature auf sehr verschiedene Weise ausdrücken: Durch Bildabfolge, also den Bildschnitt — durch Bildauswahl — durch Kameraführung — durch Bildwiederholung — durch Bildkommentierung — durch Trick, Montage, Zeitraffer und Zeitlupe — durch das Wort — durch die Kombination von Text und Bild in jeweiliger Wechselbeziehung (Wort kommentiert Bild, Bild kommentiert Wort), um nur einige der hervorstechenden Möglichkeiten zu nennen. Nur ein Autor, der souverän über diese Mittel verfügt, versteht es auch, die Akzente so zu setzen, daß seine Auffassung über das Thema klar zur Geltung kommt. Profilierte Meinung ist hier wie überall Sache des publizistischen Standards. So zeigt — deutlicher als bei fast allen anderen Informationsprogrammen des Fernsehens — das feature die persönliche Handschrift des Autors. Seine Fähigkeit und seine individuelle Veranlagung haben sich oft als form- und stilbildende Kräfte im Fernsehen erwiesen. (Einige Namen: PETER V O N Z A H N , T H I L O K O C H , PETER S C H O L L - L A T O U R , R A I N E R ERLER.)

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Für den formalen Ablauf der einzelnen Sendung, um diese Feststellung zu wiederholen, ist natürlich der Inhalt der Sendung von großer Bedeutung. Eine Dokumentarsendung über die Politik der Amerikaner in Vietnam muß sich anderer Formelemente bedienen als die über eine Fußballmannschaft in der Bundesliga oder die über den sozialen Wohnungsbau. Dies muß als Hinweis genügen. Eine strukturelle formale Schwierigkeit auf dem W e g zu gültiger Aussage, über die berichtet werden muß, taucht jedoch dann auf, wenn das zu behandelnde Thema der Vergangenheit angehört. Der Autor kann an die Sache selbst, die er meint und die er mit den originären Mitteln des Fernsehens in den „Griff" bekommen möchte, nicht mehr heran. Zwei Wege sind versucht worden: Verwendung von historischem Bildmaterial, also Graphik, Photo, Gemälde, das durch „Abschwenken" belebt wird und Verwendung von Filmdokumenten, auch wenn sie unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden sein mögen. (Modelle: Serie über den NS-Staat, Serie der BBC über die Geschichte des Ersten Weltkrieges.) Der andere W e g ist der des „Nachdrehens" historischer Szenen und des nachträglichen Einfügens dieser Passagen in vorhandenes authentisches Dokumentarmaterial. In ihrer Serie über den Seekrieg im Pazifik haben die Amerikaner diese Technik verwandt. In Deutschland ist das Verfahren bisher nicht nachgeahmt worden. Es ist evident, daß auf beiden Wegen die formalen Schwierigkeiten für die Gültigkeit der Aussage ein großes Handicap darstellen, das oft nur durch die auf überlegener Stoffbeherrschung beruhende Textaussage überwunden werden kann. Das Bemühen, dem in der Form des feature dargebotenen Stoff soviel Wahrheit, Objektivität und damit Authentizität wie möglich zu geben, hat in den letzten Jahren einige jüngere, vorwiegend amerikanische Regisseure und Kameraleute zu neuen Versuchen und damit zu neuen Arbeitsmethoden veranlaßt, um eine neue Form für das feature zu finden. Nicht der „Autor" führt das Thema, sondern der Regisseur mit seinem Kameramann, die häufig identisch sind. Das „literarische" Element ist verschwunden, ein Höchstmaß an Unbefangenheit der „Akteure" ist das Ziel, nichts soll abgesprochen oder gestellt wirken, das „Leben selbst" soll die Geschichte erzählen; das Vorhandensein der Kamera soll sich aus dem Bewußtsein verlieren, gelegentlich bleibt sie den handelnden Personen tatsächlich verborgen. Die Komposition des auf diese Weise erarbeiteten Materials zu einem feature geschieht später am Schneidetisch, der Kommentar liegt nicht mehr im Text, sondern nur noch in den Szenen und in der Bildmontage. (Bemerkenswerte Ergebnisse solcher Arbeitsweise waren z. B. ein Bericht über die „Bowery", New Yorks Elendsstraße, und „The Chair", eine Dokumentation über die Geschichte der letzten Tage eines zum Tode Verurteilten, der schließlich wenige Stunden vor seiner Hinrichtung begnadigt wird.) Diese Vorbilder haben auch in Deutschland sehr rasch Schule gemacht. Immer häufiger begegnet man — vor allem in den III. Programmen — den Ergebnissen dieser neuen feature-Technik.

458 b) Andere

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Dokumentarsendungen

So dominierend die Form des feature für die Dokumentation im Fernsehen wurde — mit all ihren hier nidit einmal angedeuteten Variationsmöglichkeiten — so sind doch daneben noch einige andere Formen für diesen Bereich entwickelt worden. 1. Das Portrait Das Fernsehen hat in den letzten Jahren mehr und mehr die optische Faszination bedeutender Persönlichkeiten der Zeitgeschichte entdeckt. Ihre Präsentation mag formal als Interview, ja sogar als Statement erscheinen, faktisch ist das Abfilmen der „Sprache" eines Gesichts häufig die Dokumentation eines Zeitalters. (CASALS, STRAWINSKY, ADENAUER, BEN GURION, KOKOSCHKA.)

2. Das Fernsehfeuilleton Es ist eine noch nicht kontinuierlich erprobte, hie und da aber recht geglückte Form der Dokumentation, an der Grenze zwischen Information und Unterhaltung angesiedelt, manchmal ins Spielerische abgeleitet, am überzeugendsten entwickelt von STEFAN GEORG TROLLER in den einzelnen Beiträgen seines „Pariser Journals". 3. Wissenschaftliche Dokumentarsendungen Dieser Programmtyp steht häufig auf der Grenze zwischen der nichtaktuellen Filmreportage und der Dokumentarsendung. Reiseberichte, auch wenn sie wissenschaftlichen Zwecken dienen, sind durch die Art ihrer Aufbereitung überwiegend der Film-Reportage zuzuzählen, doch hat sich auch die Dokumentationssendung auf dem Gebiet der Wissenschaft ein breites Feld erobert. (SIELMANN: „Galapagos", die Serie: „In Deiner Hand" u. v. a.) Man gewinnt über die durch eine vielfältige, anpassungsfähige und anwendungsreiche Formensprache sich auszeichnende Gruppe der Informationssendungen nur dann eine ausreichend vollständige Ubersicht, wenn zwei Mischformen behandelt worden sind, die in der letzten Zeit von den Fernsehanstalten in steigendem Umfang in ihr Programm aufgenommen wurden: die Semidokumentation und das Magazin. 4. Die Semidokumentation Die Bezeichnung trifft die Sache, die gemeint ist, recht genau. Verbindliche Aussage wird angestrebt nicht durch das „Abbilden" der Wirklichkeit (durch Filmen) sondern durch das „Nachbilden" der Wirklichkeit nach gedruckten Quellen und Unterlagen. Der Vorgang ist folgender: es entsteht ein Drehbuch, das zunächst den originalen Vorgang zu rekonstruieren und zu kopieren sucht, das auch den Originaltext soweit wie möglich übernimmt (von Gerichtsverhandlungen z. B.), sich aber bald den Regeln des Fernsehens beugen muß. Das heißt: der Stoff wird gerafft, die Gesetze der Dramaturgie kommen zur Geltung, und damit vollzieht sich etwas Wichtiges: der ursprüngliche Vorgang wird „Material", „Vorlage", er wird zwar repetiert, aber fast immer (aus zwingenden formalen Gründen) in der Manier des „Readers Digest". In solcher Kurzfassung werden dann Ereignisse,

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die oft leidenschaftliche Anteilnahme einer großen Öffentlichkeit zu erregen vermochten, ein weiteres Mal zum Leben erweckt durch Schauspieler, die die Rollen derer nachspielen, die einmal im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben. Die Wirksamkeit dieser Darstellungsform legt zugleich die Schranken frei, an die das Fernsehen mit seinem Auftrag zur Information und Dokumentation stoßen kann. Die sich zwingend auf den Zuschauer übertragende Suggestivkraft szenischer Darstellung läßt in ihm allzu leicht die angemessene skeptische Haltung: „So könnte es gewesen sein" zurücktreten hinter die feste Überzeugung: „So war es!". Die simulierte Wirklichkeit des „als ob" bietet dem auf Authentizität seiner „Nachbildung" bedachten Autor hinreichenden Anlaß zur strikten Unterordnung unter die ihm bekannt gewordenen Fakten unter Verzicht auf unangemessene szenische Effekte. (Diesen Vorsatz lassen nicht alle gezeigten Darbietungen immer spüren.) Andererseits haben es manche Autoren verstanden, ihre Stoffe in jenem Bereich künstlerischer Aussage zu entwickeln, in dem weniger die dokumentierte Wirklichkeit als die innere Wahrheit entscheidet. ( M A T R A Y / K R Ü G E R : „Carl v. O.", KIPPHARDT: „Oppenheimer", PETER W E I S S : „Ermittlung".) Eine andere Form der Semidokumentation wird in den angelsächsischen Ländern häufig, in Deutschland nur an einer Stelle gezeigt: In der seit Jahren laufenden Serie: „Das Fernsehgericht tagt". Nicht eine tatsächliche Handlung wird nachgebildet, sondern die Szenerie imitiert. In freier Improvisation werden „Fälle", die es so nie gab, entwickelt und dann sich selbst überlassen — auf diese Weise Wirklichkeit im Fernsehen nachahmend. Schließlich ist als die neueste Form der Semidokumentation die Gattung der „science ficfion'-Sendungen zu nennen, in denen nicht Vergangenheit oder Gegenwart, sondern Ereignisse einer in dunkler Ferne liegenden Zukunft „nacherzählt" werden. Erfahrungen auf diesem Gebiet stehen in Deutschland noch aus. 5. Das Magazin Eine Mischform anderer Art ist das Magazin. Formal ist daran nur seine Konzeption und Komposition bemerkenswert. Unter den Bausteinen der Magazine befinden sich nahezu alle bisher für Informationssendungen aufgeführten Formelemente in nuce. Nachricht, Kommentar, Statement, Interview, Reportage, feature usw. Jedoch ein bisher nicht erwähntes Ingredienz ist ein in die Augen fallender Bestandteil einiger dieser Sendungen: Kritik bis zur Aggression, Meinung bis hin zur Polemik akzentuiert. Sie können sich sowohl im Bild wie im Text niederschlagen. Zu diesem Programmtyp zählen Sendungen wie „Report", „Monitor" und „Panorama". Sie setzen sich in der Regel zusammen aus drei bis vier einzelnen Beiträgen, die von einem „Moderator" vorgestellt, interpretiert und auch kommentiert werden. In den einzelnen Beiträgen findet sich durch Text- und Bildauswahl nicht selten eine kommentierende oder polemische Aussage. Sie zeigen häufig nur einen hervorstechenden Aspekt des Themas und geben selten erschöpfende Information. Diese Konzeption hat immer wieder zu scharfen Kontroversen geführt. Der Einwand war, die Einseitigkeit, durch die nicht alle Seiten des Themas

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beleuchtet werden, verstoße gegen die Pflicht zur Objektivität. Dort jedoch, wo der polemische Charakter fehlt, bleibt die Form des Magazins trotz der ebenso mangelnden Ausführlichkeit in der Behandlung der Themen unbeanstandet (Beispiele: Der Wochenspiegel, der Weltspiegel, die Sportschau, der Markt, der Jahresrückblick). C. Die Werbung Dieser Bericht wäre unvollständig, wenn eine besondere „Spielart" der Orientierung der Öffentlichkeit unerwähnt bliebe, die der Werbung. Der Genauigkeit halber muß zwischen nichtkommerzieller und kommerzieller Werbung unterschieden werden, also zwischen Wohliahrtswerbung (Fernsehlotterie), Verkehrswerbung o. ä. und Firmenwerbung. Hier wie dort bedient man sich jedoch für seine Aussage der gleichen Hilfsmittel, der „spots". Die Form des spots wird durch die Dauer der Ausstrahlung bestimmt (in der Regel zwischen 10 und 70sec.). Er verwendet den Zeichentrick oder die Montage, das Standphoto, die gespielte Kurzszene, den Miniaturvortrag und die mehr oder minder ausgetüftelte, auf Blick- und Seelenfang berechnete Mischung dieser und einiger anderer Mittel. Dazu zählt häufig auch die spezifische Art der musikalischen Untermalung.

2. Bildung und Erbauung Wir bedienen uns — notgedrungen — für eine zweite Gruppe von Sendungen des Fernsehens eines Sammelbegriffs, der nur in der Dreigliederung: Information — Bildung—Unterhaltung als ein brauchbares Vehikel der Terminologie erscheint, bei der Einzelanalyse sich jedoch als eine recht unsichere, fragwürdige, jedenfalls nicht sehr tragfähige Basis erweist. Man akzeptiere sie wie der Autor dieses Beitrags als Hilfskonstruktion, weil eine andere, das gesamte Sachgebiet exakter absteckende Begriffsbestimmung nicht zur Verfügung steht. Das Terrain kann besser aufgehellt werden durch folgende Untergliederungen: 1. Darbietungen der Literatur 2. Darbietungen der Musik 3. Darbietungen pädagogischer Provenienz a) der Belehrung b) der Erziehung Damit ist etwas, wenn auch nicht sehr viel gewonnen, letztlich nur das Abstützen des nach eigenen Ausdrucksformen suchenden Fernsehens durch aus ganz anderen Quellen gespeiste Äußerungsformen geistigen Lebens. Doch selbst wenn augenscheinlich sein sollte, daß Literatur oder gar Musik nicht die tragenden Faktoren einer Fernsehsendung sein können oder sein sollten, so ist die Anleh-

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nung an sie in vielen Fällen — aus welchen Gründen auch immer — ebenso erkennbar und unsere begriffliche Zuordnung darum unvermeidlich. Auf dem Gebiet der Bildung wird deutlicher als bei den Programmen der Information oder der Unterhaltung, daß das Fernsehen erst vor wenig mehr als fünfzehn Jahren in die Welt gesetzt wurde, daß es lange Zeit hindurch nur tastende Schritte in das vor ihm eröffnete Neuland tat, daß es noch immer nach ihm gemäßen Ausdrucksformen sucht, daß es zunächst den Boden dort beackerte (und es auch heute noch tut), wo er fruchtbar zu sein schien, und daß man sich nur zögernd und vorsichtig in Gebiete hinauswagte, in denen Erfahrung einen im Stich läßt. Das etwa war die Situation im Jahre 1967. A. Darbietungen der Literatur

Was ist darunter zu verstehen? Das Fernsehen, in seinem Anfangsstadium und auch heute noch bestrebt, seinen Zuschauern neben Information auch „Bildungsgut" nahe zu bringen, übernahm für sein Programm neben den bisher geschilderten, den Zwecken der Information angepaßten Ausdrucksformen die Darstellungsmittel von Bühne und Film in entsprechender Abwandlung. Die Anziehungskraft einer in der Form einer Spielhandlung erzählten Geschichte wurde erprobt und, wie vorauszusehen war, als äußerst tauglich befunden. Die Frage war, ob man sich neue, für das Fernsehen erfundene und für seine spezielle Funktion zugeschnittene Geschichten erzählen lassen oder sich auf das vorhandene, kaum übersehbare, kaum ausschöpfbare Material der Weltliteratur beziehen sollte. Angesichts der für Programme dieser Art zur Verfügung stehenden und auszufüllenden Sendezeiten liegt die Antwort auf der Hand. Autoren — mit dem Medium Fernsehen vertraut — die diese Aufgabe hätten übernehmen können, gab es nicht. Sie sind auch heute nach fünfzehn Jahren nur in spärlicher Zahl vorhanden. So war die Adaption literarischer Werke nicht nur der nächstliegende, sondern auch der gebotene Weg. In erster Linie wird die dramatische Literatur herangezogen, aber auch epische Stoffe werden nicht selten übernommen und für das Fernsehen überarbeitet. Es ist zu unterscheiden: 1. Die live-Sendung aus dem Studio. Die Schauspieler versammeln sich auf der Szene und spielen wie auf der Theaterbühne ein zu Ende probiertes Stück, während die Sendung „läuft". Die Zuschauer sehen also — wie bei einer Direktübertragung aus dem Theater — das Originalgeschehen. Diese Form hatte in der Anfangszeit des Fernsehens, als man das Motto „Fernsehen heißt Dabeisein" auch auf Programme solcher Art übertrug, heiße Verfechter. Heute wird sie aus vielen, sowohl grundsätzlichen wie praktischen Gründen (Schauspielertermine) nicht mehr angewandt. 2. Die auf Magnetband (MAZ) aufgezeichnete Aufführung im Studio. Es ist eine der live-Sendung sich annähernde Form. Die Schauspieler probieren ihre Szenen sendereif. Aufgezeichnet wird in langen „takes", die später zu einem Ganzen

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zusammengefügt werden. Dank immer stärkerer Verfeinerimg der Technik kann diese so zustande gekommene Aufführung durch Schnitte bearbeitet werden. 3. Die Übernahme einer Bühnenaullührung unter 2. genannten nahe.

ins Studio. Das Ergebnis kommt dem

4. Der Film. Er bietet die gleiche Variationsbreite der Aufnahmetechnik, die dem Kinofilm zur Verfügung steht: Keine Beschränkung des Drehorts, lange Drehzeiten, kurze „takes" usw. Das Drehbuch paßt sich diesen Bedingungen an. Handelt es sich bei der Vorlage um ein Bühnenstück, so wird es im allgemeinen völlig verändert und den Bedingungen des Films angepaßt. Bei der Herstellung eines solchen Programms werden Totale, Szenenausschnitt, Großaufnahme angewandt, aber nun nicht zum Zwecke deutlicher Information, sondern als Mittel künstlerischer (auch pseudo-künstlerischer) Aussage. Die sehr reizvolle Untersuchung, in welcher Hinsicht Film für die Kinoleinwand und Film für den Fernsehschirm sich voneinander unterscheiden, würde ein Kapitel für sich in Anspruch nehmen. Deshalb kann an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden. 5. Die Direktübernahme von Theaterauiführungen. Sie stellt zwar scheinbar nur den technischen Transport einer „fremden Ware" dar. Faktisch gilt für sie das unter dem Titel „Originalreportage" Gesagte. Während der Zuschauer im Theater stets den ganzen Bühnenraum vor Augen hat und mehr oder weniger bewußt die Einzelszene zum Gesamtbild in Beziehung setzt, ändert das Fernsehen diesen Vorgang vollständig. Die Totale spielt eine untergeordnete Rolle. Dagegen wird dem Zuschauer ständig die Einzelszene nahegebracht, im mehrfachen Sinn des Wortes. Bei allen unter 1—5 aufgeführten Programmen läßt sich eine formale Grundsituation aller Fernsehdarbietungen erneut verdeutlichen. Der technischen Vorentscheidung, welches Aufnahmeverfahren gewählt werden soll, folgen die entsprechenden Festlegungen im Drehbuch. Die Kamerafahrten, die Optik, das Licht im Studio werden fixiert, eine literarische Vorlage wird in die Gegebenheiten einer technischen Apparatur eingearbeitet. Die Hilfe der Technik wird dabei zu einem formal und dramaturgisch entscheidenden Faktor. Die optische Distanz zwischen dem Zuschauer und dem, was er auf dem Bildschirm sieht, wird nach bestimmten Regeln fortgesetzt verändert. Ohne daß der Betrachter den Zusammenhang verlieren darf, wird ihm das Gesamtbild der Szene fast ständig vorenthalten, die Einzelszene nahe gebracht, und das Detail soweit mobilisiert, daß gelegentlich ein Gesicht, ja selbst nur das Auge oder der stumme, sprechende, schreiende, lachende oder lächelnde Mund den ganzen Bildschirm ausfüllt. Die dichterische oder literarische Aussage wird optisch gestützt oder interpretiert oder zurüdegedrängt oder bis zur Beiläufigkeit entleert. Es bedarf keiner Erläuterung, daß auf diese Weise, d. h. durch die Veränderung in der Form der Aussage auch eine Veränderung der geistigen Aussage stattfindet. Das gilt nicht nur für das adaptierte Bühnenstück, sondern auch und viel stärker für jede Bearbeitung epischer Literatur.

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Die Kundigen sind sich darüber längst im klaren und fördern, wo immer es möglich ist, das für das Fernsehen geschriebene und in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Fernsehens entstandene Spiel. (Modelle: „Schlachtvieh" von C H R I S T I A N G E I S S L E R , „Ein Tag" von G U N T E R LYS). Die vorliegende Untersuchung berührt nur Formfragen, die sich aus der Transposition literarischer Stoffe für das Medium Fernsehen ergeben und läßt die höchst komplizierten Formprobleme dramatischer oder epischer Aussagen völlig außer acht. Die Beschränkung auf einige wenige Hinweise, die weniger aus dem künstlerischen als aus dem technischen Aspekt kommen, ist hier geboten. Ebenso kann hier außer Betracht bleiben die Darbietung literarischer Stoffe durch Vorlesen mit verteilten Rollen nach Manuskript, wie sie gelegentlich in den Dritten Programmen zu sehen ist. Das Fernsehen übernimmt dabei für sein Publikum nur die Rolle des dabei Zuschauenden. B. Darbietungen der Musik

Das Fernsehen befindet sich hier in einem wirklichen Dilemma. Für die Musik ist wesentlich, wie sie sich anhört, und nicht, wie sie entsteht. So ist das Fernsehen stets in der Gefahr, bei der Umsetzung ins Bild mit den ihm angemessenen Mitteln (Kameraführung, Licht etc.) vom Wesentlichen abzulenken. Diese Hürde ist nicht nur theoretisch, sondern auch im praktischen Vollzug erkannt, aber bisher meist nur unvollkommen überwunden. 1.

Opernaufführungen

Sie können hier fast ganz außer Acht bleiben, weil das im vorigen Abschnitt Erläuterte auch für sie gilt. Nur zwei Besonderheiten müssen erwähnt werden: a) das Doublen, b) das Synchronisieren. a) Das Doublen Darunter ist die Methode zu verstehen, den musikalischen Part auf Tonband aufzuzeichnen, den szenischen Part aber nicht von den Sängern, sondern von Schauspielern spielen zu lassen. Diese Methode wird heute nicht mehr versucht. b) Das Synchronisieren Wie bei a) wird zunächst ein Tonband hergestellt, bei der Bildaufzeichnung aber singen und agieren die Sänger selbst, so daß Bild und Ton sich wieder decken und eine Einheit hergestellt ist. Da diese Methode viele Vorteile bietet, wird sie heute fast immer angewandt; eine Form der Darbietung, wie sie nur dem Fernsehen zur Verfügung steht. 2. I n s t r u m e n t a l - u n d V o k a l d a r b i e t u n g e n

(Solo und Chor)

Mit Aufführungen von Symphonie, Kammer- und Solistenkonzerten ist formal viel experimentiert worden. Die Tatsache, daß viele Fernsehzuschauer gern und häufig Musik „konsumieren"

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oder fleißige Konzertbesucher sind, legt es nahe, auch diesen dem Hören und nicht dem Zuschauen zugehörigen Bereich dem Fernsehen nicht zu versperren. a) Versuch der Imitation der Konzertsituation. Die Kamera bleibt möglichst lange in der Totale und zeigt nur gelegentlich den Dirigenten oder Ausschnitte aus dem Orchester. Das Verfahren ermüdet den Zuschauer, weil er zu wenig sieht. b) Versuch, die Situation eines Konzertbesuchers zu imitieren. Die Kamera folgt gleichsam den Augen und verweilt an beliebigen Objekten. Die dadurch entstehende Irritation zerstört den Eindruck der Musik vollständig. c) Versuch, der Partitur zu folgen. Die Kamera stellt die Stimmen heraus, die gerade „führen". Da die gezeigten Objekte häufig wenig „telegen" sind, stützt auch dieses Verfahren kaum das Interesse an der Musik. d) Versuch der Bildinterpretation. da) Durch Zeigen passender Dekors wie Landschaften, Gemälde o. ä. (Von Musikkennern scharf verurteilt, von Musikkonsumenten ais denkbare Möglichkeit hingenommen.) db) Durch kontrapunktische Licht- und Kamerawirkungen. Versuche vorgenommen worden.

Hier sind allererste

e) Versuch durch gesprochene Interpretation. Dirigenten werden bei der Probenarbeit gefilmt oder sie geben vor ihrem Konzert Einführungen in das Werk. (Dies ist der bisher erfolgreichste Weg.) f) Versuch der „Bildgestaltung". Durch Kamerafahrten soll der musikalische Vorgang „belebt" werden, z. B. erblickt man durch den geöffneten Flügel den Kopf des „Meisters" u. ä. Das ist mißverstandene Autonomie des Fernsehens. Es sind einige formale Versuche des Fernsehens aufgezählt worden, die zeigen sollen, wie groß die Unsicherheit ist, die noch immer in diesem Metier angetroffen wird. — Musik schaubar zu machen, wird immer ein Experiment bleiben, dem nur in Ausnahmefällen nicht der Stempel des Ungenügens aufgeprägt ist. C. Darbietungen pädagogischer Provenienz

Dieser Abschnitt braucht nur gestreift zu werden, da sich Sendungen dieses Sachgebiets im allgemeinen der formalen Möglichkeiten bedienen, die in anderen Zusammenhängen schon erwähnt wurden. Das Didaktische manifestiert sich vorwiegend im Inhalt und weniger in der Form. Ausgenommen von dieser Regel sind vor allem zwei Gruppen: 1. Kursusprogramme und 2. Der Fernsehunterricht. 1. Das Kursusprogramm Es enthält Sendungen, die als Hilfe und zur Wissensergänzung für Sachgebiete gedacht sind, an Genen Zuschauer ein Spezialinteresse haben. Dies sind vor allem Sprachkurse, Kurse für Mathematik und Physik, aber auch Kurse über Dinge des praktischen Lebens, also Rechtsbelehrung, Verkehrsunterricht o. ä.

FERNSEHEN: FORMEN DER PUBLIZISTISCHEN AUSSAGE

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Das formal Interessante und von allen bisher geschilderten Darstellungsformen im Kern der Aussage Abweichende ist folgendes: Der Kursusleiter hat nicht die Funktion eines Sprechers, Ansagers, Moderators, Kommentators o. ä. im bekannten Sinn. Er wendet sich nicht an eine beliebig große, unbekannte, mehr neugierige und erwartungsvolle und nur in einzelnen Fällen speziell interessierte (Sport z. B.) Zahl von Zuschauern, sondern er spricht mit einem zwar ebenfalls anonymen, auch der Zahl nach unbekannten Publikum, das aber durch sein gezieltes Interesse am „Stoff" die Fiktion einer „Klasse" erlaubt, mit der er arbeiten kann. Der Kursusleiter gibt den Teilnehmern Hilfe, er diktiert, läßt mitschreiben oder nachsprechen usw., kurzum er verhält sich so, als ob seine „Schüler" sichtbar vor ihm säßen, und zur Steigerung dieser Illusion wird nicht selten der Weg gewählt, daß diese Kurse sich faktisch in einer Art Modellklasse abspielen. 2. Der Fernsehunterricht Er steckt noch in den allerersten Anfängen, geht aber methodisch noch einige Schritte weiter als der Fernsehkursus. Bei diesen Sendungen ist der Zuschauer nicht mehr anonym, sondern dem Lehrer — und darum handelt es sich nun tatsächlich — auch dem Namen nach bekannt. Der Teilnehmer wird nach einem festen Lehrplan ausgebildet, er wird geprüft und nach einem Abschlußexamen mit einem Diplom entlassen. Mit dieser neuen Form betritt das Fernsehen in Deutschland bisher unerschlossene Wege. In vielen anderen Ländern der Welt ist sie dagegen längst erprobt.

3. Unterhaltung Die dritte tragende Säule des Fernsehens, von vielen Zuschauern als die bei weitem Begehrteste angesehen, ist die Unterhaltung. Wir haben nicht zu untersuchen, womit das Fernsehen sein Publikum unterhält, sondern welche formalen Möglichkeiten ihm dafür zur Verfügung stehen. Um es noch weiter zu verdeutlichen: Nicht Formen der Unterhaltung stehen im Vordergrund der Untersuchung, sondern die Formen der Unterhaltungssendungen des Fernsehens. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bedienen wir uns wieder einer Hilfskonstruktion. Wir unterscheiden: 1. Unterhaltung durch das Wort. 2. Unterhaltung durch die Musik. 3. Unterhaltung aus anderen Bereichen. A. Unterhaltung d u r c h d a s W o r t

Das Gebiet ist recht groß. Eine Vielzahl der Positionen der Fernsehunterhaltung besteht jedoch aus Adaptionen anderer Medien, wie des Theaters, des Kabaretts, 30

Publizistik II

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des Rundfunks. Nicht selten adaptiert die Unterhaltung aber auch aus den Grenzbereichen anderer Programmgruppen des Fernsehens das für sie Brauchbare. Dazu zählt das Fernsehspiel ebenso wie die Dokumentation; denn jeder Sketch z. B., ja jeder „blackout" ist ein „Spiel" en miniature, formal zum Heiteren, Komischen, Skurrilen, Grotesken, Parodistischen, Satirischen hin verzogen. Um sein Publikum zu unterhalten, übernimmt das Fernsehen für sein Programm häufig Veranstaltungen des Theaters (Ohnsorg, Millowitsch, Komödienstadl, Boulevard- und Volkstheater aller Art), des Kabaretts (Kom(m)ödchen, Lach- und Schießgesellschaft, Stachelschweine usw.), des Varietés, des Zirkus usf. Wie das geschieht, ist an gegebenen Ort ausführlich behandelt worden. Auf zwei Gebieten aber hat die Unterhaltung im Fernsehen sich von ihren Vorbildern freigemacht und ist zu eigenen Formen durchgedrungen. a) Das Quiz b) Fernsehkabarett a) Das Quiz Es ist ein Rate- und Antwortspiel, geleitet von einem Quizmaster, gespielt von einer beliebigen Zahl kundiger oder sich für kundig haltender Personen. Der Spannungs- und Unterhaltungseffekt kommt aus schlichten Wurzeln, stellt sich jedoch fast mühelos ein. Als Programmart ist es durch den Rundfunk ausgearbeitet und im Laufe der Jahre sehr verfeinert worden. Das Femsehen hat die Vielfalt optischer Manifestationen hinzugegeben und den Reiz für den Zuschauer wesentlich erhöht. Die Quizsendung findet entweder im Studio statt, mit oder ohne Publikum, oder als öffentliche Veranstaltung in einem Saal, oder — in seiner aufwendigsten Form — auf Plätzen in kleinen Städten unter Beteiligung größerer Bevölkerungsgruppen. Es sind fast immer live-übertragungen, und die Technik hat einen großen Anteil am Gelingen. (Modell: Interville; der simultan geführte Wettkampf findet zwischen Städten statt, die manchmal Hunderte von Kilometern von einander entfernt in zwei verschiedenen Ländern Europas liegen.) b) Das Fernsehkabarett Es hat sich mehr und mehr von der Adaption erprobter Kabarettformen entfernt und neue Stilelemente zum Vorschein gebracht. Es ist eine Mischung von Dokumentarsendung, Nachricht, Sketch, Glosse, Kommentar, aber auch Song und Musical. Alles wird jedoch zur Satire, Parodie, Groteske, Burleske verändert, vergröbert oder verkleinert, nicht nur im Text, sondern ebenso sehr auch durch optische Mittel, also durch Kameraeinstellungen oder Montagen, oder durch Verwendung der Zeitlupe oder des Zeitraffers, durch Karikatur u. v. a. m. Auf diesen Wegen versucht das Fernsehkabarett für sein Publikum zu Tage zu fördern, was Kabarett immer will: Hinter dem äußerlichen, trügerischen Abbild der realen Welt die andere, versteckte, aber wirksame Wirklichkeit enthüllen. Ein formales Rezept hat das Fernsehen für diese Sendungen bisher nicht gefunden. Das Ausprobieren von Fall zu Fall ist unvermeidlich.

FERNSEHEN: FORMEN DER PUBLIZISTISCHEN AUSSAGE

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B. Unterhaltung d u r c h M u s i k

Audi hier finden wir ein breites Feld mit einigen gut entwickelten eigenen Positionen des Fernsehens vor. Wir unterscheiden: a) Die öffentliche Veranstaltung. b) Die „kleine Show". c) Die große Show. a) Die öffentliche Veranstaltung Meist sind dies Bunte Nachmittage oder Abende. (Modelle: Der Blaue Bode, Das Fröhliche Weinfest, Mainzer Karneval, Internationaler Chansonwettbewerb.) Bei diesen Programmen werden verschiedene Bestandteile, also Chansons, Ballett-, Variete- oder Zirkusnummern durch einen Conferencier oder manchmal auch nur durch eine Ansagerin zusammengefaßt und präsentiert. In der Regel werden solche Veranstaltungen direkt auf den Fernsehschirm übertragen. b) Die „kleine Show" Ein „Showmaster" stellt den Zuschauern einen „Star" oder mehrere „angehende Stars" oder die „Hits" des Show- oder Schallplatten-„business" vor. (Wir verwenden den internationalen Jargon dieses Metiers.) Werden diese Programme live gebracht, so zwingt die dadurch notwendig werdende Begrenzung technischer Entfaltungsmöglichkeiten zu einem einfachen Ablauf, der häufig die Form eines simplen Nacheinander hat und viel der Geschicklichkeit des „Showmasters" überläßt. Die meisten dieser Programme werden jedoch gefilmt und bieten so dem Regisseur manche Chancen der optischen Manipulation durch Kameraeinstellungen und Blenden, durch Lichtprojektionen, durch optische „gags", durch Montage oder Trick. Inhaltlich begnügt sich die „kleine Show" meistens mit der Präsentation eines oder zweier Stars, Schlager- oder Chansonsänger also, deren Auftritt durch Chor- oder Ballettnummern „angereichert" wird. c) Die große Show Sie entsteht nach langer Vorbereitungszeit in vielen einzelnen „takes" im Filmatelier (seit einiger Zeit auch in nicht geringem Umfang im Freien), am Trick- und am Schneidetisch. Die damit gebotenen Möglichkeiten haben manche Sendungen dieser Programmart zu äußerster Perfektion gedeihen lassen. Der rasche Wechsel zwischen den Schauplätzen, zwischen Ensemble- und Soloszenen, zwischen Gesangund Ballettszenen, zwischen scharfer und milder Würze, zwischen heißer und sanfter Musik, zwischen allen erdenklichen „Schüssen" der Kamera wird zu einer Einheit von Wort, Ton und Bild verschmolzen, in der die verschiedenen Ausdrucksformen mit ihren Mitteln die jeweils „adäquate" Übereinstimmung anstreben. Durch die Überlegenheit und Vielfalt ihrer Darstellungsmöglichkeiten hat die große Show des Fernsehens die Bühnenrevue nach und nach vom ersten Platz in der Gunst des Publikums verdrängt. 30'

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C. Unterhaltungen a u s anderen Berelchen

Bei fast allen übrigen Unterhaltungssendungen des Fernsehens handelt es sich um Adaptionen von „draußen" oder um Mischformen. Ab und an finden sich Ansätze in neuer Richtung wie z. B. beim Musical, bei Volks- und Kunsttänzen, bei Programmen, die sich auf der Grenze zwischen Ballett und Pantomime halten o. ä. Sonst jedoch zehrt das Fernsehen von dem großen (vielleicht auch ni dit mehr so großen) Vorrat an Unterhaltungsstoff, den es überall in der Welt aufliest. Es benutzt ihn als Material, verändert seine Formen, um ihn sich zu unterwerfen und ihn für seine Zuschauer so aufzubereiten, daß sich der zündende Funke, der eigentlich nur im unmittelbaren Kontakt zwischen dem Künstler, Komiker, Artist oder Clown und seinem lachenden, kichernden, juchzenden, jauchzenden oder staunenden Publikum entsteht, auch den Menschen mitteilt, die allein oder in kleinen Gruppen vor einem technischen Gerät sitzen, das flimmernde Bilder zeigt, von Wörtern, Geräuschen, Klängen untermalt oder begleitet oder durch sie ergänzt. Die Aufgabe, „Unterhaltung" in der ihm vorgeschriebenen und zugewiesenen Form mit den ihm gemäßen Mitteln über den Bildschirm seinen Zuschauern „ins Haus" zu bringen, stellt das Fernsehen immer wieder vor die gleiche Frage, nach welchen Regeln dies am wirkungsvollsten geschehen könne und in welchen Bahnen die Entwicklung wohl laufen werde. — Hier wie in den beiden anderen großen Bereichen des Fernsehprogramms: „Bildung" und „Information" ist die Sprache der Formen nicht selten bereits bis zur Perfektion entwickelt. Gesetze jedoch sind nicht etabliert, es sei denn das eine unerbittliche: Daß jeder Tag etwas Neues zu bringen habe, und daß dem Fernsehen nur eine Form der Aussage untersagt ist: die Langeweile. LITERATUR Abkürzungen: R. F. — Rundfunk u. Fernsehen Hamburg. R. H. = Rufer u. Hörer (eingegangene Zeitschrift). BECKER, K.: Rundfunk, Fernsehen und Seelsorge. In: Seelsorge in der Zeit. 8. Jahrgang, Heft 1—3. Freiburg 1953. — BECKER, K., U. SIEGEL, K.-A.: (Hrsg.) Rundfunk und Fernsehen im Blick der Kirche. Ein Werkbuch. Frankfurt a. M. 1957. — BÖLLING, K.: Politisches Fernsehen — Gefahr und Auftrag. In: R. F. Heft 4, 1963, S. 365—374. — BURKERT, D. G.: Live — Film — Band. In: R. F. Heft 1, 1961, S. 49—52. — ders.: Fernsehen — Film — Fernsehfilm. In: R. F. Heft 4, 1958, S. 341—345. — CASSIRER, H. R.: Télévision, a World Survey. UNESCO, Paris 1953. — CHESTER, G., and Garnet R. Garrison: Radio and Télévision. 2. A. New York 1956. — CLAUSSE, R.: Les Nouvelles. Centre National d'Etude des Techniques de Diffusion Collective. Editions de l'Institut de Sociologie de l'Université Libre de Bruxelles. Bruxelles 1963. — DROMMERT, R.: Dem Theater oder dem Film näher? Eine Betrachtung zur Theorie des Fernsehens. In: R. F. Heft 3, 1956, S. 240—247. — ECKERT, G.: Die Kunst des Fernsehens. Umrisse einer Dramaturgie. Emsdetten 1953. — ECKERT, G.: Knaurs Femsehbuch. München, Zürich 1961. — EISNER, L. H., u. Friedrich H.: (Hrsg.) Film, Rundfunk, Fernsehen. Frankfurt a. M. 1958. — ESSEN, O. von: Sprecherische Ausdrucksgestaltung. Schriften zur Rundfunk- und Femsehpraxis. Hamburg 1953. — FISCHER, H.-D.: Funktionsanalyse der Quizreihe „Hätten Sie's gewußt". In: R. F. Heft 1, 1962, S. 47—51. — FRANKS, A. H.: Ballet for Film and Télévision. London 1950. — FRÖHNER, R.: Kritik der Aussage. Heidelberg 1954. — FUNKE: Interpret moderner Wirklichkeit. In: R. F. Heft 1, 1964, S. 33—35. — GIROCK, H.-J.: Die

FERNSEHEN: F O R M E N DER PUBLIZISTISCHEN A U S S A G E

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Das Fernseh-Programm: Voraussetzungen und Aufgaben CLEMENS

MÜNSTER

1. Voraussetzungen a) Einleitung Die Verständigung zwischen Menschen vollzieht sich durch Mienen, Gesten und die Sprache, sowie in gemeinsamem Verhalten, in der Familie, bei der Arbeit, bei der Feier. Ist der Partner nicht anwesend, bedient man sich der Kommunikationsmittel. Solche sind zunächst die Zeichen, Feuer etwa oder die Trommel im Busch, ein Steinmal, ein Schnitt in die Rinde eines Baumes, schließlich die Inschrift, sei es die freche Kritzelei an der Mauer, sei sie in Stein gehauen, schließlich der Bote, der mündlich berichtet oder ein Zeichen oder einen Brief überbringt. Der Austausch von Mitteilungen vollzieht sich im persönlichen Gespräch, die Kommunikation einer größeren Zahl von Menschen bei Zusammenkünften aus festlichem oder kultischem Anlaß, in der politischen Versammlung und im Parlament, in Schulen und Akademien. Schon hier treten Unterschiede zutage zwischen dem Gedankenaustausch, dem gemeinsamen Verhalten gleichberechtigter Teilnehmer und der mehr oder weniger einseitigen „Ansprache" von Lehrer oder Redner an eine größere Zahl von „Zuhörern". Diese Einseitigkeit prägt sich deutlicher aus, wenn die Mitteilung indirekt erfolgt, etwa schriftlich, noch deutlicher, wenn die Technik in den Dienst der Reproduktion und der Vervielfältigung von Mitteilungen gestellt wird. Das geschieht zunächst durch den Druck, später durch Rundfunk und Fernsehen. Hier überall ist der Adressat unbekannt, von „Kontakt", etwa zwischen Autor und Leser oder Rundfunksprecher und Hörer, kann allenfalls im uneigentlichen Sinn eines „einseitigen Kontaktes" (v. Wiese) die Rede sein. Telefon und Telegraf stellen Instrumente zur Ausübung der ursprünglichen Form der Verständigung von Mensch zu Mensch dar, oft machen sie die persönliche Kommunikation in der zivilisatorischen Umwelt erst möglich. Auflage, Verbreitung und Wirkung von Druckerzeugnissen bleiben begrenzt, die Zahl der Empfänger von Hörfunk- und Fernsehsendungen ist unbegrenzt. Erst diese Mittel sind auf Mengen von Menschen bezogen, mögen diese als „viele Einzelne", als „Organisationen", „Kollektive" oder als „Massen" erscheinen. Trotzdem ist der zu ihrer Kennzeichnung aus dem Englischen übernommene Ausdruck „Medien der Massenkommunikation" begrifflich und sprachlich falsch. Denn Rundfunk und Fernsehen

DAS FERNSEH-PROGRAMM: VORAUSSETZUNGEN UND AUFGABEN

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sind weder Mittel der Kommunikation von Massen untereinander, noch üben sie ihre Wirkung vorzugsweise auf Massen aus; in der Regel werden die Sendungen von einzelnen kleinen Gruppen, insbesondere im Kreis der Familie empfangen. Allerdings können sie der Entstehung von Massen durch Uniformisierung des Bewußtseins, durch Propaganda und Agitation Vorschub leisten. b) Herkunft und

Unterscheidungen

Jede neue Erscheinung weist auf ältere zurück, auf Vorläufer und Abhängigkeiten. Fragt man so nach der Herkunft des Fernsehens, so zeigt sich: zu einem guten Teil stammt seine Technik vom Hörfunk, seine publizistische Tradition von Hörfunk und Presse, die Dramaturgie vom Theater und die Handhabung bewegter Bilder vom Film. Vom Film unterscheidet sich das Fernsehen durch geringere optische Qualität, durch die Möglichkeiten, das Bild eines Vorgangs wahlweise gleichzeitig oder zeitlich versetzt, kontinuierlich oder diskontinuierlich auszustrahlen, durch schnellere Produktion und geringere Herstellungskosten. Jedoch kann man im Fernsehen auch Filme produzieren und senden. Wie der Film wechselt das Fernsehen den Standort und die Optik der Kamera, also Perspektiven und Distanzen, bis zur Großaufnahme; anders als beim Film kann dieser Wechsel ohne Unterbrechung der Aufnahmen (unter Verwendung mehrerer Kameras) erfolgen. — Im Gegensatz zum Film hat die Sprache im Fernsehspiel dieselbe Bedeutung wie im Bühnenstück, ist wie bei diesem die Bindung an Ort und Zeit und kontinuierliche Handlung enger. Demgemäß sind auch die Schauspieler und die Art der künstlerischen Arbeit bei Theater und Fernsehen im wesentlichen die gleichen, stimmt selbst das Repertoire oft zu einem großen Teil überein. Theater und Fernsehen unterscheiden sich darin, daß beim Fernsehen die Distanzen und Perspektiven wechseln und die Skala der Nuancen des Optischen und Akustischen bedeutend reicher ist. — Wie die Zeitung bringt auch das Fernsehen Nachrichten, Kommentare und Dokumente. Es ist der Presse überlegen durch die Schnelligkeit der Übermittlung, durch das ins Haus gelieferte bewegte Bild und die Möglichkeit, das Bild eines Vorgangs mit diesem synchron, also mit einem hohen Grad an Authentizität zu übertragen. Hörfunk und Fernsehen haben gemeinsam die größte Ausbreitungsgeschwindigkeit bei weiter Verbreitung; die Live-Sendungen, also die gleichzeitige Teilnahme an Ereignissen; die Übertragung von Wort und Klang ohne den Umweg über die Schrift; dieselbe Flüchtigkeit, die auch die unmittelbare Teilnahme an einem Ereignis kennzeichnet und die es nicht erlaubt, zu verweilen oder etwas „nachzulesen"; die Bindimg der Teilnehmer an ein festgelegtes Programm ohne die Freiheit der Wahl, die einer der Vorzüge des Lesens ist. Uber diese dem Hörfunk und dem Fernsehen gemeinsamen Eigenschaften hinaus ist das Fernsehen ausgezeichnet durch die Übertragung von Bild und Ton; Auge und Ohr werden in Anspruch genommen. Das übermittelte Bild ist in der Regel bewegt, „lebend" in demselben Sinne, wie man die ersten Geräte zur Erzeugung

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CLEMENS MUNSTER

bewegter Bilder „Bioskope" nannte. Damit werden für die schnelle Verbreitung sehr verschiedener Inhalte die besonderen Ausdrucksmöglichkeiten des Bildes und der Bewegung erschlossen. So wird der Zuschauer zum Augen- und Ohrenzeugen. Im Gegensatz zum Hörfunk schließt das Fernsehen jede andere Beschäftigung des Zuschauers aus; es zwingt ihn in die Nähe des Bildschirms und läßt bei den üblichen Empfangsgeräten nur eine kleine Anzahl von Betrachtern zu. Die visuelle Faszination des gleichzeitig mit dem Ton übermittelten Bildes gibt der Fernsehsendung zu ihrer Authentizität einen hohen Grad von Eindringlichkeit. c) Technische Voraussetzungen.

Einige

Begriiie

Fernsehsendungen sind entweder „live", also gleichzeitig mit dem zu übermittelnden Vorgang, oder zeitlich versetzt. Bei Live-Sendungen muß man sich elektronischer Kameras bedienen; bei zeitlich versetzten Sendungen kann die Aufnahme entweder mit elektronischen oder mit Filmkameras erfolgen. Zur Speicherung des Bildes dienen bei elektronischen Aufnahmen die Aufzeichnung auf Film oder auf Magnetband; der Ton wird in der Regel auf Magnetband gespeichert. Filme werden von Filmabtastern, Magnetbänder von eigenen Wiedergabeapparaturen abgespielt. Bei elektronischen Aufnahmen oder Sendungen werden je nach der Art des zu übertragenden Vorgangs eine, in der Regel aber drei oder mehr Kameras verwendet. Jede dieser Kameras liefert ein Bild in den Regieraum; aus diesen Bildern wird jeweils eines zu Sendung oder Aufzeichnung ausgewählt; vom Bild einer Kamera zum Bild einer anderen geht man über entweder durch harten Schnitt oder durch weiche Blende. Die Kameras sind beweglich, sie nehmen den Vorgang aus verschiedenen Richtungen mit verschiedenen Objektiven in verschiedenen Abständen, Größen und Ausschnitten auf. Die Bildgröße, genauer der Informationsinhalt des Fernsehbildes ist aus physikalischen Gründen enger begrenzt als der eines durch einen normalen Projektor entworfenen Filmbildes. Der Kontrastumfang ist auf etwa dreißig Stufen beschränkt gegenüber den hundert, die das Auge zu unterscheiden und der Film darzustellen vermag. Die Wiedergabe natürlicher oder vorgegebener Farben ist noch mangelhaft. Die Eigenschaften des Auges machen diese Mängel jedoch weniger spürbar. Aufnahmen mit elektronischen Kameras erfolgen entweder im Studio oder mit Hilfe eines Übertragungswagens, der durch eine eigene Richtfunkstrecke mit dem Studio oder den Sendern in Verbindung steht. Filmkameras sind durch leichtere Handhabung und Beweglichkeit überlegen, elektronische Kameras durch den elektronischen Schnitt und die Möglichkeit der Livesendung. Durch Richtfunkstrecken oder Spezialkabel sind die Studios mit den Sendern und untereinander verbunden. So entsteht ein Netz („network") von Richtfunkstrecken. Die Reichweite eines einzelnen Senders ist nicht wesentlich größer als es seine Sichtweite bei günstigsten Bedingungen ist. In der Bundesrepublik gibt es zur Zeit drei Netze. In das erste speisen neun Länder-Rundfunkanstalten, die in der ARD, der Arbeitsgemeinschaft der Rund-

DAS FERNSEH-PROGRAMM: VORAUSSETZUNGEN UND AUFGABEN

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Deutschland zusammengeschlossen sind, ihre ¡unkanstalten der Bundesrepublik Produktionen ein; die durch dieses Netz verbundenen Sender versorgen über 90 °/o der Bevölkerung. Das zweite Netz dient dem Programm des ZDF, des Zweiten Deutschen Fernsehens, ü b e r das dritte Netz werden die Dritten Programme mehrerer Anstalten der ARD verbreitet. Beim Programm des Deutschen Fernsehens, dem Programm der ARD, ist zu unterscheiden: 1. das Gemeinschaitsprogramm aller Rundfunkanstalten, das in der Regel über alle Sender gleichzeitig ausgestrahlt wird; Inhalte und Sendezeiten der von den einzelnen Anstalten zu liefernden Produktionen werden von der Ständigen Programmkonferenz unter dem Vorsitz des Programmdirektors (früher Koordinators) aufeinander abgestimmt. Einbezogen in dieses Gemeinschaftsprogramm sind: 2. die Sendungen der Eurovision, die durch Anschluß an das Netz eines anderen europäischen Landes oder an die Netze mehrerer Länder übernommen werden. Unabhängig vom Gemeinschaftsprogramm strahlt 3. jede Rundfunkanstalt Regionalprogramme nur für die Zuschauer ihres Sendegebiets aus. Das Programm des ZDF wird ausschließlich über alle Sender seines Netzes gleichzeitig ausgestrahlt; es gibt kein Regionalprogramm, wohl aber Teilnahme an der Eurovision. — Uber Nachrichtensatelliten können Programme von Kontinent zu Kontinent übertragen werden. d) Soziologische

Voraussetzungen

Jedes Fernsehprogramm ist Produkt und Spiegel der Gesellschaft, in der und für die es gemacht wird. Durch Einwirkung politischer Mächte kann dieser Spiegel mehr oder minder blind werden oder verzerrte Bilder liefern; solche Einwirkungen sind nicht auf totalitäre Staaten beschränkt. Ein Fernsehprogramm kann nicht besser sein als die Gesellschaft, die es hervorbringt. Die Wechselwirkung zwischen Programm und Gesellschaft ist recht verwickelt: das Programm wird weitgehend bestimmt durch das Publikum, für das es bestimmt ist, nicht durch unmittelbare Einflußnahme sondern als Folge der Tatsache, daß die Programmleute selbst zu dieser Gesellschaft gehören. Der Inhalt ist zu einem guten Teil die Gesellschaft selbst, ihre Daseinsbedingungen, Vorstellungen und Wünsche; das Programm übt aber auch eine starke informierende, formende und bildende Kraft auf sie aus. So kommt eine Art „Rüdskoppelung" zustande: indem das Programm Spiegel und Produkt der Gesellschaft ist, wirkt es auf diese zurück, verstärkt die in ihr bereits vorhandenen Tendenzen, stärkt aber auch die Gegenkräfte („Polarisation"). Das Zustandekommen des Programms wird verständlicher, wenn man die beiden Gruppen betrachtet, die mit dem Fernsehen zu tun haben: die Leute hinter dem Sender, die produzieren, und die Leute vor dem Bildschirm, die konsumieren. Hinter dem Sender arbeitet zunächst das angestellte Personal der Rundfunkanstalten, die Techniker, das Verwaltungspersonal und die Programmleute. Sie bilden bei jeder Station ein Kollektiv, ein Team mit strenger Arbeitsteilung, recht komplizierter Organisation und enger Bindung an die technische Apparatur,

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die finanziellen Gegebenheiten und den Zeitplan von Produktion und Ausstrahlung. Die leitenden Mitarbeiter des Programms kommen in erster Linie von der Zeitung, vom Rundfunk, von Theater und Film, im übrigen aus sehr verschiedenen Berufen mit mehr oder minder bunten Lebensläufen, der Nachwuchs auch frisch von Schule und Hochschule. Alle entstammen derselben Gesellschaft, die auch das Publikum des Fernsehens bildet. Rundfunk und Fernsehen werden durch Ländergesetze geregelt. Der föderalistische Aufbau des Fernsehens in Deutschland entspricht ebenso dem Grandgesetz der Bundesrepublik wie der Geschichte und der stammesmäßigen und kulturellen Struktur des Landes. Er gibt einer größeren Zahl sehr verschiedenartiger Persönlichkeiten Gelegenheit, zum Programm beizutragen; es erhält dadurch Spannweite und Farbigkeit. Die verhältnismäßig kleine Gruppe der Programmleute steuert einen Apparat von kaum zu überschätzender Wirksamkeit. Wie immer und überall in solchen Fällen ist die Gruppe von einer inneren und einer äußeren Gefahr bedroht. Die innere ist die Versuchung der publizistischen Macht, über Gebühr selbst Einfluß auszuüben und sich am politischen Kräftespiel zu beteiligen, die Uberschätzung des eigenen Wertes und Urteils, eine gewisse Leichtfertigkeit in der Handhabung des Mediums Fernsehen. Die äußere Gefahr liegt umgekehrt darin, daß die organisierten Kräfte der Politik, der Wirtschaft, der Interessenverbände und der Funktionäre das Fernsehen (wie auch den Rundfunk) in ihren Dienst zu nehmen trachten. Die Voraussetzung aber für die Erfüllung der dem Fernsehen gestellten Aufgaben im demokratischen Staat und seiner Gesellschaft ist seine Unabhängigkeit. Die Wahrheit der Berichterstattung, ihre Glaubwürdigkeit und damit ihre Wirkung stehen und fallen mit dieser Unabhängigkeit. Regulative sind also unerläßlich. Wiederum sind äußere und innere zu unterscheiden. Äußere Regulative, die sowohl einer gewissen Hybris der Programmleute als auch den Machtgelüsten der Gruppen und Verbände Grenzen setzen, sind in erster Linie die allgemeinen sittlichen Normen und die staatlichen Gesetze, insbesondere die Rundfunkgesetze — sofern diese nicht bereits bedenkliche Abhängigkeit legalisieren — und die durch sie eingerichteten kontrollierenden Gremien. Regulierend könnte auch die öffentliche Kritik wirken, sofern sie ihrer Aufgabe gewachsen ist. Bedeutend ist die Wirkung der Gesellschaft selbst, insbesondere die Reaktionen des Publikums, die Spielregeln des Umgangs, der gute Geschmack, die geistige Uberlieferung. Das wichtigste innere Regulativ ist das Bewußtsein der Verantwortung bei den Programmleuten, das sich in einem System fruchtbarer Gegensätze und in ihrer dialektischen Spannung konkretisiert. Man kann dieses System etwa folgendermaßen formulieren: Loyalität und Unabhängigkeit; Dienst am Zuschauer und Herausforderung des Zuschauers, also die Pflicht zu senden, was er sehen will und was er sehen soll; Tradition und produktive Respektlosigkeit; ehrliche Subjektivität und wirkliches Verständnis für Personen und Sachverhalte. Diese Span-

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nungen können in einzelnen Personen vorhanden sein, in der Regel werden sie durch verschiedene Personen innerhalb eines Teams repräsentiert. Die Gesellschaft vor dem Bildschirm, das Publikum des Fernsehens also, ist die pluralistische, um nicht zu sagen heterogene Gesellschaft unserer Tage. Eine gewisse äußere Ordnung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie weit die innere Auflösung dieser Gesellschaft, vor allem in der Bundesrepublik, fortgeschritten ist. Dementsprechend sind die durch Herkunft, Schulbildung, Erfahrung und Beruf bestimmten Voraussetzungen für die Aufnahme und Verarbeitung von Fernsehsendungen so vielfältig, ja widerspruchsvoll wie die Wünsche für das Programm. Gemeinsam ist allen Zuschauern nur, daß sie seit kürzerer oder längerer Zeit Zuschauer des Fernsehens und infolgedessen seinem formenden Einfluß unterworfen sind. In gewissem Sinn schafft das Fernsehen selbst die Voraussetzungen für seine Aufnahme und Verarbeitung. Darauf ist es auch zurückzuführen, daß das Publikum soviel besser, d. h. vernünftiger und geschmackssicherer erscheint, als sein Ruf es erwarten ließe. Was wir vom Publikum wissen, wissen wir vor allem aus der Statistik und aus der systematischen Befragung soziologisch repräsentativer Gruppen. Die Reaktionen der verschiedenen soziologischen Gruppen auf bestimmte Sendungen unterscheiden sich nur wenig, wenn man von ausgesprochenen Minderheitensendungen absieht. Mit hinreichender Näherung gilt der Satz: vor dem Fernsehschirm sind alle Menschen gleich... Weiterhin gibt es so gut wie keine Sendung, die allen Zuschauern gefällt, und keine, die allen Zuschauern mißfällt; immer ergibt sich ein Urteilsspektrum, sowohl bei der Kritik als auch bei der Publikumsbefragung. Warum aber im einzelnen Fall eine bestimmte Sendung der Mehrheit gefällt und eine andere nicht, das zu ermitteln bedarf jedesmal einer sorgfältigen Analyse. Allgemeingültige Regeln lassen sich kaum aufstellen. Aber es sollte festgehalten werden, daß kein Gegenstand dem Zuschauer zu hoch ist, wenn er nur richtig, d.h. vor allem induktiv behandelt wird. Zu literarischen Ansprüchen wird er allein dadurch erzogen, daß er im Jahr fünfzig bis über hundert Dramen sieht und aus dem Vergleich Maßstäbe gewinnt. Er hat ein gesundes Empfinden dafür, daß Mängel der technischen durch die künstlerische Qualität oder durch Aktualität ausgeglichen werden. Er reagiert jedoch mit heftiger Ablehnung, wenn er sich überfordert fühlt, sei es durch zu große Anforderungen an Wissen und Bildung, sei es durch Ironie, sei es durch Verletzung gewisser Tabus. Es muß allerdings angemerkt werden, daß „der Zuschauer" eine statistische Fiktion ist: es gibt ihn sowenig wie „das Publikum"; es gibt gleichartig reagierende Gruppen wechselnder Zusammensetzung, es gibt vor allem Familien und einzelne Zuschauer. Sie sind die eigentlichen Adressaten des Programms.

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2. A u f g a b e n d e r

Programmgestaltung

In gewissem Sinn sind die Aulgaben von Hörfunk und Feinsehen gleich. Das gilt insbesondere dort, wo Fernsehempfang nicht möglich ist und im Hinblick auf die nicht zu unterschätzende Zahl derjenigen, die sich mit dem Hörfunk begnügen müssen. Sonst ließe sich eine Aufgabenteilung sehr einfach in der Weise vornehmen, daß der Hörfunk in erster Linie für Nachrichten, Kommentare und Reportagen, für die epische oder dramatische Erzählung und die Musik zu sorgen hätte. Auf anderen Gebieten wirkt das Fehlen des Bildes seit dem Augenblick als Mangel, in dem das Fernsehen auf den Plan trat. Weil das Fernsehen die sichtbare und hörbare Wirklichkeit, insbesondere den ganzen Menschen „abbildet" und das stärkste Interesse nicht nur der Zuschauer selbst, sondern auch der an diesen Zuschauern und ihren Reaktionen Interessierten auf sich gesammelt hat, müssen jene Aufgaben neu durchdacht werden. Sie lassen sich auf eine einfache Formel bringen, die wiederum auch auf den Rundfunk anwendbar ist: Teilnahme und Unterhaltung. a)

Teilnahme

Der Mensch ist seiner Natur nach darauf angewiesen, teilzunehmen am Schicksal seiner Mitmenschen, an allem Seienden, an den Werten der Kultur, an der Geschichte und an solchen Ereignissen, die sein eigenes Schicksal beeinflussen können. Mit anderen Worten: er ist potentiell auf das Ganze der Wirklichkeit bezogen. Jede Störung dieser Beziehung hat bedenkliche Folgen. Der Mensch muß sie zwar selbst verwirklichen, aber in der modernen Gesellschaft ist er dabei weitgehend auf Institutionen und Instrumente angewiesen. Teilnahme vermittelt das Fernsehen auf dreierlei Weise: durch kurze Information, durch den umfangreicheren kritischen Bericht, durch das Drama. Die Teilnahme hat einen bildenden und einen politischen Aspekt. Die Unterrichtung über Ereignisse, Meinungen und Personen geschieht in Nachrichten, Kommentaren, Interviews und Diskussionen. Die Nachrichten des Fernsehens setzen sich zusammen aus Wortnadirichten, die sich nicht von denen anderer Kommunikationsmittel unterscheiden, Standfotos, die in der Regel mit dem Bildtelegrafen übermittelt werden und kurzen Filmberichten. Die Regel heißt: wo noch kein Filmbericht verfügbar, Standfoto; wo auch das fehlt, reine Wortnachricht. So wird eine regelmäßige Teilnahme an den wichtigeren Ereignissen des Tages erreicht; die Bilder zeigen das, was das Wort allein weder in der gebotenen Kürze noch in den Nuancen ausdrücken kann: etwa das wirkliche Ausmaß einer Katastrophe, Gesicht und Haltung der Betroffenen, der Helfer, der Beobachter. Die Miene des aus einer Konferenz kommenden Staatsmanns sagt oft mehr, als seine Worte es könnten. Damit ist schon die eminente politische Bedeutung des Fernsehens angedeutet. Demokratie wird um so schwieriger, je größer und dichter die Bevölkerung ist. Denn die innere und äußere Distanz zwischen Wähler und Kandidat, Staatsbürger und Regierung nimmt mit der Einwohnerzahl ebenso zu wie die zu einer Entscheidung notwendige Kenntnis

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von Personen und Tatsachen abnimmt. Das Fernsehen aber präsentiert über den Sachverhalt und die Argumente hinaus die Person selbst, den Menschen, der seine Sache vertritt. Es gibt auch Gelegenheit zu lernen, wie man Physiognomien und Verhaltensweisen deutet („so also sieht der Mann aus, der dieses oder jenes gesagt, getan, erlebt hat"). Schließlich dient es der Wahrheit, wenn der Sprecher sichtbar ist. So entsteht eine aufschlußreiche Verbindung zwischen dem in seiner Aktivität auf den Wahlakt beschränkten Staatsbürger und den sich ihm vorstellenden Kandidaten, Abgeordneten und Publizisten, überhaupt den Leuten, die „es machen", und denen, die darüber nachdenken, was gemacht wird und wie es gemacht werden sollte. Das Fernsehen wird so zu einem Forum, auf dem die Redner und die streitenden Parteien nach gewissen Regeln auftreten, während das Publikum an den Gegenständen und denen, die sie vertreten, an Aufklärung und Argumentation teilnimmt. Der Fernsehbericht erscheint im „nachrichten" Magazin und als selbständiges „Feature". Dieses hat sich zu einem eigenen Typus entwickelt. Der Fernsehberidit dient Information und Bildung, er soll zugleich, auf seine Weise und bis zu einem gewissen Grade, unterhaltend sein. Die Gegenstände liegen im Feld der gesamten Wirklichkeit; die Methode ihrer Behandlung ist jeweils eine Funktion des Inhalts. Sie variiert von der harten Bestandsaufnahme und der kritischen Analyse bis zur feuilletonistisdien oder gar dichterischen verweilenden Betrachtung. So werden wichtige und interessante Sachverhalte aus den Gebieten der Innen-, Kultur- und Sozialpolitik, der Wirtschaft, des geistigen und künstlerischen Lebens behandelt, auf Leistungen, Mißstände, Gefahren und Entwicklungstendenzen hingewiesen, über Vorgänge und Zustände in anderen Ländern, in den neuen Staaten, über die Elemente der Weltpolitik berichtet und damit Voraussetzungen für das Verständnis anderer Völker und für ihre wechselseitigen Abhängigkeiten geschaffen. Auf den genannten Gebieten liegen die besonderen Aufgaben und Möglichkeiten des Fernsehens darin begründet, daß es ausführlicher berichten kann als irgendein anderes allen zugängliches Publikationsmittel und daß es eine ihm vom Gesetzgeber garantierte, wenn auch immer wieder angefochtene Unabhängigkeit besitzt. Diese erlaubt es ihm, auch „Tabus" und „heiße Eisen" anzufassen und umstrittene Themen in einer Weise zu behandeln, die für die Sache und das politische Leben des Landes förderlich sein kann. Neben Presse und Hörfunk repräsentiert das Fernsehen eine kontrollierende Öffentlichkeit) es hat die Funktion eines ständigen Korrektivs zugleich mit der Aufgabe, Teilnahme am aktuellen Geschehen zu vermitteln. Das Fernsehen gehört zu denjenigen Einrichtungen, mit denen die demokratische Staatsmacht sich selber eine kritische Instanz geschaffen hat. Wir sagten, der Mensch sei ein auf das gesamte Sein bezogenes Wesen. Diese Beziehung verwirklicht sich in teilnehmendem Wissen und eingreifendem Handeln. Unterstützt durch „Information", bewirkt das teilnehmende Wissen „Bildung".

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Bildung darf aber nur dann als solche bezeichnet werden, wenn sie universal, d. h. dem Einen, also dem Ganzen und Allem zugewandt ist, ohne etwa Vollständigkeit anstreben zu wollen. Die Teilnahme ein dem, was geschieht, an den Ereignissen und Schicksalen, gehört also zur Bildung, aber das allein genügt noch nicht. Zur Teilnahme an den Ereignissen muß die an der Natur, an den Erkenntnissen, an den Werken treten. Damit werden Landschaften, Pflanzen, Tiere ebenso wie die Ergebnisse der Wissenschaft und die Werke der Kunst und der Technik zu legitimen Themen des Fernsehprogramms. Sie bieten sich in unübersehbarer Fülle an, für ihre Auswahl darf aber nicht die Zufälligkeit von Angebot und Gelegenheit maßgebend sein. Da jeder einzelne Gegenstand mehr oder weniger für ein ganzes Sachgebiet, ja für das Ganze überhaupt steht, kommt es darauf an, repräsentative Themen auszuwählen und sie repräsentativ darzustellen. Ein einziges von ihnen vertritt, was die Bildungsaufgabe angeht, zahllose andere, auf deren Behandlung dann verzichtet werden darf. Nicht in Betracht kommen dagegen solche Themen, deren Darstellung ihrer Natur nach einem begrenzten Kreis vorbehalten ist oder Kenntnisse voraussetzt, die das Fernsehen selbst nicht vermitteln kann. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Möglichkeiten des Fernsehens, Bildung zu vermitteln, im Rahmen der üblichen Programme nicht auszuschöpfen sind. So sind vielerorts eigene Bildungsprogramme entstanden, die Wissen und Bildung unter weitgehenden Ausschluß von Unterhaltung und unter Vereinbarung der aktuellen Berichterstattung systematisch zu vermitteln suchen. Von jeder Darstellung ist zu verlangen, daß sie objektiv richtig ist, darüber hinaus aber auch den Zuschauer zu fesseln vermag. Mit anderen Worten, die Gegenstände müssen interessant und relevant sein. Zu entnehmen aber sind sie sowohl dem nahen und vertrauten Bereich als auch entlegeneren Gebieten, der „Heimat" sowie der „Welt". Zwar ist das dokumentarische Gewicht eines Fernsehberichts durch den höheren Grad an Authentizität größer als der jedes anderen Publikationsmittels. Aber auch hier ist Wahrheit nicht selbstverständlich. Sie ist bedingt durch die Auswahl der Bilder, Bild-Ausschnitte, -Augenblicke, durch den Kommentar zu den Bildern und die Deutung, die für das gegeben wird, was nicht im Bild gezeigt werden kann. Darum ist bei allen Themen und Gegenständen, deren Deutung strittig ist, die Anwendung der dialektischen Methode in Bilddokumenten und Text unerläßlich. Durch sorgfältiges Abwägen der Tatsachen, durch Wechsel der Gesichtspunkte und durch die Suche nach Synthese und Schluß verliert der Bericht zwar an Wirkung, gewinnt aber an Wahrheit. Nur durch die dialektische Methode kann ein hoher Grad an Teilnahme erreicht werden, weil die Problematik des Gegenstandes vom Zuschauer unmittelbar erfahren wird. Da es eine Krankheit der zeitgenössischen Publizistik ist, die Wirkung über die Wahrheit zu stellen, leidet darunter auch das Fernsehen. Aus den bereits erwähnten Gründen ist es leichter

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zu kontrollieren als die übrigen Publikationsmittel; die von ihm gemachten Fehler wiegen wegen der Breite und Eindringlichkeit seiner Wirkung um so schwerer. Die reine, wenn auch unverbindliche Teilnahme vermittelt das Drama. Ihr hat Aristoteles für alle Zeiten gültigen Ausdruck gegeben in seiner These: „Es ist also die Tragödie die nachahmende Darstellung einer ernsten und in sich abgeschlossenen Handlung, die durch Mitleid und Furcht erregende Vorgänge die Reinigung (Katharsis) dieser und ähnlicher Gemütsbewegungen bewirkt." Für den Zuschauer des Dramas geht also die Teilnahme bis zur Identifikation, die Krisis wird als eigene erfahren, jedoch gefahrlos. Der Zuschauer erlebt „der Menschheit ganzen Jammer". Weil er an diesem Schicksal teilnimmt, ohne daß es sein eigenes ist, weil es ihn aber doch so sehr angeht, daß es über das Mitleid hinaus Furcht auslöst, werden seine Affekte, insbesondere Mitleid und Furcht, geläutert, das heißt benannt, geklärt, erträglich und fruchtbar gemacht. Damit ist aber der ganze Mensch „ergriffen"; denn das „Mitleid" betrifft sein soziales Sein, die „Furcht" die „Grundbefindlichkeit" seines Daseins, nämlich die Angst. Nun wird das Drama durch das Fernsehen einer ganzen Bevölkerung zugänglich gemacht. Die Fernsehprogramme in der Bundesrepublik bieten im Jahr über zweihundert Fernsehspiele an, von denen der Durchschnittszuschauer etwa sechzig sieht, nicht gerechnet die Spielfilme. Ihm wird dadurch die dramatische Kunst aller Länder und Zeiten vermittelt; er erfährt darüber hinaus mit einer gewissen Regelmäßigkeit jene therapeutische Erschütterung, von der Aristoteles spricht. Man darf im übrigen vom Fernsehen eine Belebung der dramatischen Literatur erwarten; bisher ist sie allerdings nur in bescheidenen Ansätzen zu erkennen. Im Gegensatz zum Film, dessen technisch, künstlerisch, kommerziell bedingte Wortarmut ihn vom eigentlichen Bereich des Dramas fast ausschließt, lebt das Fernsehspiel weitgehend vom Wort und ist wie das Theater durch relative Kontinuität gekennzeichnet. Eingeschränkt wird die Ubereinstimmung der Dramaturgien von Theater und Fernsehen jedoch durch eine Reihe von Tatsachen. Das Spiel wird nur indirekt, durch die Apparatur modifiziert sichtbar. Abstände, Perspektiven und Ausschnitte wechseln, vor allem gibt es die Nahaufnahme. Das Gesichtsfeld ist klein, die Grauskala beschränkt. Der Spielraum der handelnden Personen ist eng begrenzt; wenn man nicht zulassen will, daß ihre Bilder sehr klein und schon durch das Auflösungsvermögen der Apparatur beeinträchtigt werden, muß die Kamera ihren Bewegungen folgen; das beeinträchtigt die künstlerische Wirkung der Bewegung. Der auf dem Schirm erscheinende Raum ist ohne Tiefe; denn der notwendige Mindestabstand des Zuschauers ist zu groß, um diesen in der Nähe der Perspektivitätszentren zu placieren, und zu klein, als das sich der verbleibende Rest an Perspektive ohne zusätzliche Hilfsmittel gegen die stereoskopische Lokalisierung des Bildes in der Fläche des Bildschirmes durchsetzen könnte. Der hohe leere Raum über den Köpfen der Darsteller, der so wichtig für das Theater ist, fehlt im Fernsehen. Während der Raum des Theaters, der Guckkasten, von außen, nämlich von seinen Wänden, den Kulissen her bestimmt ist,

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baut sidi der Raum des Fernsehens und seines Szenenenbildes von innen auf, vom Requisit und von der Gestalt des Darstellers her. Schließlich fehlt die Wechselwirkung zwischen Bühne und Publikum. Auf ihr beruht der ganze Inszenierungsstil des Theaters, der das real anwesende Publikum in die Spannung des Dramas einbezieht. Wenn irgendwo, dann zeigen sich hier die Grenzen des Fernsehens, die durch seinen reproduktiven Charakter gezogen sind: die Teilnahme bleibt mittelbar. Trotzdem darf nicht unterschätzt werden, daß das Fernsehen dem Schauspieler Entfaltungsmöglichkeiten bietet, die die Bühne ihm schuldig bleibt. Nur darum kann auch vor dem Fernsehschirm etwas von der Erschütterung spürbar werden, die das Theaterpublikum bewegt. Gerade beim Drama zeigt sich, daß der eigentliche Gegenstand jeglicher Teilnahme immer der Mensch selbst ist. Als Abbild in seiner tragischen So-Beschaffenheit, als Vorbild kann er unter den Kommunikationsmitteln nur im Fernsehen vorgestellt werden. Nur dadurch, daß es den ganzen Menschen präsentiert, erhält das Fernsehen seine Bildungskraft. Wieweit sie im Zuge der weiteren Entwicklung genutzt, wieweit sie vertan werden wird, steht dahin. b)

Unterhaltung

Das Wort „unterhalten" hat eine doppelte Bedeutung. Das Deutsche Wörterbuch von Paul und Euling unterscheidet a) „die Existenz einer Person oder Sache sichern": ein Heer, einen Diener, eine Maitresse, Pferde, Feuer auf dem Herde unterhalten; b) „angenehm beschäftigen", „einem die Zeit vertreiben"; c) sich im Gespräch unterhalten; man sagt auch d) das Spiel, die Musik, der Wechsel unterhält. — Es gibt nun ein Phänomen, das nahelegt, zur Interpretation des Begriffs Unterhaltung, wie er in Hörfunk und Fernsehen gebräuchlich ist, diese Bedeutungen zusammenzufassen. Das ist die Heftigkeit, der verbissene Ernst, mit denen ein großer Teil des Publikums auf seinem Spaß ebenso wie auf seinem Lebensstandard besteht: es ist der Schrei nach panem et circenses, den wir seit Jahrtausenden kennen. Die Koppelung in der Parole ist nicht zufällig. Unterhaltung ist eben mehr als angenehme Beschäftigung. Indem sie „die Zeit vertreibt" und damit die Wolken des Unbehagens, das die verrinnende Zeit und die Vergänglichkeit aller Dinge mit sich bringen, „zerstreut", Unsicherheit und Daseinsangst vergessen läßt, dient die „angenehme Beschäftigung" zugleich dazu, diese „Existenz zu sichern". Daß diese Art der Existenzsicherung ein Surrogat in einer zerfallenden und götterlosen Gesellschaft ist, daß sie in totalitären Staaten als pures Ablenkungs-, ja Betäubungsmittel mißbraucht wird, mag auf sich beruhen. So wie die Dinge heute liegen, stellt die „Unterhaltung" als „Daseinshilfe" eine ebenso legitime Aufgabe des Fernsehens dar wie es die „Teilnahme" ist. Auf der anderen Seite scheint nichts schwieriger zu sein, als seine Mitmenschen „angenehm zu beschäftigen", zumindest dann, wenn es sich um Unterhaltung im engeren Sinne handelt. Denn unterhaltend soll auch die Teilnahme sein, Information, Bildung, Belehrung und vor allem das Drama. Hier aber ist eine strengere

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Definition herausdestilliert, das „nichts anderes als unterhaltend sein". Allerdings spielt umgekehrt die Teilnahme auch bei der Unterhaltung eine gewisse Rolle; man nimmt j a auch an einem Spiel, einer Gesellschaft und einer Unterhaltung teil. So müssen wir die Unterhaltung, die den Zuschauer noch zu einer gewissen Beteiligung oder gar Aktivität herausfordert, von derjenigen unterscheiden, die ihn völlig passiv läßt. Reste von Anteilnahme verlangen neben Volksstück, Schwank und Operette vor allem Zirkus, Sport und Quiz, dessen Wert eben darin liegt. Mehr oder weniger angenehm passiv beschäftigt wird der Zuschauer beim „Bunten Abend", bei der Schlagerparade und beim Variété. — Es mag überraschen, auch den Sport bei der Unterhaltung zu finden. Aber wie der Sportbetrieb weitgehend zu einer Angelegenheit des Geschäfts oder des nationalen Prestiges geworden ist, so der Wettkampf, das Spiel, zur Show. W o man Sport noch als Sport betreibt, wird er kaum für fernsehwürdig gehalten. — Eine Sonderstellung nimmt das Kabarett ein, sowohl das literarische wie das politische. Es gehört seiner Thematik und seines Engagements wegen eigentlich mehr in den Bereich der Aktualität. Nur weil es Nichts ist, wenn es nicht zugleich amüsant ist, und weil es seine ernste Aufgabe nicht erfüllt, wenn es sie nicht heiter erfüllt, gehört es hierher. Es ist deshalb auch derjenige Programmbestandteil, in dem sich noch am meisten von dem findet, was der üblichen Unterhaltung oft fehlt, nämlich Humor und Witz, Heiterkeit und Geist. Wenn die vorhanden sind, wird die Form einer Unterhaltungsproduktion ziemlich gleichgültig. Wenn sie fehlen und mit ihnen auch die Persönlichkeit, die dann durch den Routine-Conferencier ersetzt wird, breitet sich böse, j a tödliche Langeweile aus, die Traurigkeit des professionellen Amüsierbetriebes. Ein guter Ausweg ist immer noch das klug erdachte und brillant produzierte Kriminalstück. Die schönste Unterhaltung ist seit jeher die Musik. Mehr und mehr wird durch die Praxis die Auffassung widerlegt, nichts sei überflüssiger, als Musikanten auch noch zu sehen und daher spiele die Musik im Fernsehen nur dort eine Rolle, wo zugleich etwas gezeigt wird, in Oper und Operette, im Ballett und in den Shows. Aber noch ist die rechte Form für Instrumentalmusik im Fernsehen nicht gefunden. Mißbraucht wird sie als Pausenfüll- und Hintergrundmusik sowie als schlechter Regieeinfall bei Fernsehspielen. — Oper und Operette stellen das Fernsehen vor Probleme eigener Art. Deren Wurzel liegt darin, daß das Studio in der Regel weder Platz für das Orchester noch einwandfreie akustische Bedingungen für die Sänger besitzt; deshalb ist die Übernahme von der Bühne vorzuziehen. Es wurden drei Verfahren entwickelt, um einigermaßen befriedigende Ergebnisse zu erhalten. Das einfachste besteht darin, daß man eine akustisch einwandfreie Aufnahme herstellt und die Sänger im Studio oder auf der Bühne in der Studio- oder Bühneninszenierung sich selbst nachsingen läßt, während die Tonaufnahme überspielt und gesendet wird („play back"). Beim zweiten Verfahren läßt man die Sänger im Studio durch Schauspieler „doubeln". Beim dritten sind Orchester und Spielstudio räumlich getrennt, aber ton- und videotechnisch verbunden. Die Sänger singen 31

Publizistik II

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zu dem durch Lautsprecher übertragenen Orchester, der Dirigent sieht die Szene mit den Sängern auf einem Monitor und hört die Sänger mittels Kopfhörer, die Sänger erhalten ihre Einsätze von einem Hilfsdirigenten, der in der Dekoration steht. Diese entspricht soweit wie möglich den raumakustischen Forderungen.

3. D a s P r o g r a m m (Planung) Das Wort „Programm" hat bei Hörfunk und Fernsehen zweierlei Bedeutung-, es bezeichnet in der Organisation der Rundfunkanstalten neben „Technik" und „Verwaltung" denjenigen Bereich und das Personal, das unmittelbar Planung, Vorbereitung und Produktion der Sendungen besorgt. Es bezeichnet weiterhin den Zeitplan dieser Sendungen an einem Tag, in einer Woche und während einer Planungsperiode, die beim Fernsehen etwa sechs Monate umfaßt; es stellt so gewissermaßen das Angebot an den Zuschauer dar. In diesem Sinn soll hier vom Programm die Rede sein. In ihm werden die einzelnen Sendungen der verschiedenen Gattungen, von denen oben die Rede war, nach gewissen Regeln zusammengestellt. Es gibt zwei Grenzfälle: Homogenität und Kontrast. Ein extremes Beispiel für den ersten ist ein Abend, der mit einem Bericht über Ausgrabungen beginnt, auf den ein griechisches Drama folgt und mit klassischer Musik schließt. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist die Folge: politischer Bericht, Kriminalstück, Show, Diskussion. Den Programmen aufeinanderfolgender Tage gibt man eine möglichst unterschiedliche Note. Dabei trägt man zugleich einem bewährten Schlüssel für die Verteilung der verschiedenen Sparten auf die verfügbare Sendezeit Rechnung. Fragen eigener Art stellen die gesamte Sendezeit des Tages dar, in der Bundesrepublik im Mittel etwa 7 Stunden, die Länge der einzelnen Sendungen, die Stunde ihrer Ausstrahlung und die Abstimmung des gesamten Programms auf Jahreszeiten, Feste, Gedenktage und Lebensgewohnheiten. Diese Fragen gehören zu dem Komplex der Beziehungen des Fernsehens zur Zeit; ebenfalls dazu gehören die Länge und der Rhythmus der Bildschnitte, die gesamte Dramaturgie und die Speicherung und zeitlich versetzte Ausstrahlung von Produktionen. Diese Fragen können hier nicht behandelt werden. Hingewiesen sei nur noch auf die in der Bundesrepublik geltende Regel, Produktionen, von denen angenommen wird, daß sie für Jugendliche nicht geeignet seien, erst ab 21 Uhr auszustrahlen. Zu jenem Komplex zeitlicher Fragen gehört auch die Notwendigkeit, das Programm lange im Voraus zu planen, weil alle größeren Sendungen einer Vorbereitungszeit von vielen Monaten bedürfen, für Vertragsverhandlungen mit Autoren, Verlagen, Mitwirkenden, für Recherchen und Manuskripte, schließlich für die Herstellung selbst. Die Länge der Zeit, die jeweils für den Ausdruck der Programmzeitschriften benötigt wird, macht Programmänderungen wegen aktueller Ereignisse oder Produktionsschwierigkeiten unvermeidlich. Schließlich muß in diesem

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Zusammenhang die Wiederholung gewichtiger Sendungen erwähnt werden. Da eine Sendung, etwa ein Fernsehspiel, nur von etwa einem Drittel der potentiellen Zuschauer gesehen wird und jährlich eine große Zahl von Zuschauern hinzutritt, wäre es finanziell, publizistisch und künstlerisch unökonomisch, sich mit einer Ausstrahlung zu begnügen. Durch die Wiederholung nach frühestens dreiviertel Jahren wird dem Wert einer Produktion ebenso Rechnung getragen wie dem Anspruch derjenigen Zuschauer, die die Erstsendung nicht gesehen haben oder ihren ersten Eindruck erneuern möchten. Zwei Programme können miteinander kontrastieren, das heißt gleichzeitig gesendete Produktionen oder auch ganze Abende sind von wesentlich verschiedener Art, so daß etwa neben einem Fernsehspiel eine Unterhaltung, neben einem Bericht Sport gesendet wird. Natürlich wird es auch so nicht möglich sein, allen Wünschen gerecht zu werden, da etwa derselbe Zuschauer ebenso an dem Bericht wie an dem Fußballspiel interessiert sein kann, so daß die Wahlfreiheit mit dorn Zwiespalt der Wünsche bezahlt wird. Trotzdem scheint Kontrast, wie er in der Bundesrepublik vorgeschrieben ist, befriedigender zu sein als Parallelität, bei der über beide Senderketten jeweils gleichartige Produktionen ausgestrahlt werden, also hier und dort Fernsehspiel, Sport, Reisebericht, Bunter Abend. Dieses System, das jahrelang in England praktiziert wurde, ist lediglich ein Mittel im Konkurrenzkampf, wenn materielle oder ideologische Interessen auf dem Spiel stehen. Die Frage nach dem Verhältnis von mehreren Programmen zueinander läßt sich aber noch auf einer anderen Ebene als der der Sendegattungen stellen. Man kann etwa, nach Vorbildern beim Hörfunk, ein drittes Programm auf andere, etwa höhere Ansprüche systematischer Bildung, und auf die Wünsche wechselnder Minderheiten abstellen. Das ist zum Beispiel das Programmprinzip des Studienprogramms des Bayerischen Rundfunks. Hier jedoch erhalten ernste Bedenken gegen die Vervielfachung der Programmangebote Gewicht. Abgesehen davon, daß der Zuschauer gelegentlich Grund haben sollte, nicht fernzusehen, da ihm außerdem um so weniger Substanz geboten wird, je mehr verschiedenartige Programme es gibt, muß nach Art, Umfang und Ergiebigkeit der Quellen gefragt werden, aus denen diese Programme gespeist werden. Es sind zunächst Personen, also die Manager, Redakteure, Dramaturgen, kurz die Programmleute der produzierenden Anstalten oder Gesellschaften, dann die Schauspieler, Sänger, Regisseure, die Anreger, Autoren und Reporter, nicht zu reden von den Kameraleuten und dem technischen Personal. Dazu das Volk, die Landschaft, Kunst, Wissenschaft und Technik des Landes und was für die Zuschauer aus der ganzen Welt angeeignet werden kann. Das eigentliche Einzugsgebiet aber für den wahrhaft ungeheuren Bedarf des Fernsehens an Bildern und Worten deckt sich weitgehend mit seinem Ausstrahlungsbereich: es ist das Gebiet der eigenen Sprache. Da nun im Gegensatz etwa zum englischen Sprachraum der deutsche sehr klein ist, bedarf das Quellgebiet der Programme behutsamer Pflege, wenn es nicht am Raubbau oder das Programm selbst an Auszehrung und Ver31*

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flachung zugrundegehen soll. Pflege aber heißt zumindest Verständigung und Koordinierung nicht nur der Programme sondern auch ihrer Produktion. Aus alledem folgt, daß man sich auf eine sachlich vertretbare Zahl von Programmen beschränken sollte. Sie dürfte in der Bundesrepublik nicht über drei liegen.

4. Ausblicke und Gefahren Um existieren zu können, rüsten sich die Menschen mit einem immer umfangreicher werdenden Instrumentarium aus, zu dem auch die Verkehrs-, die Nachrichten- und die Kommunikationsmittel gehören. Dazu gehört auch das Fernsehen. Es spricht einiges dafür, daß es, ähnlich wie seinerzeit die Buchdruckerkunst, im richtigen Augenblick zur Verfügung stand, um den dringenden Bedarf der zivilisierten Gesellschaft an Teilnahme und Unterhaltung zu decken. Aber wie der Fortschritt sich in einem gewissen Sinn immer selbst aufhebt, bedeutet auch das Fernsehen eine Vergrößerung der Gefahren, vor denen es zugleich schützen soll. Denn es darf nicht verschwiegen werden, daß die Teilnahme, die es vermittelt, eine indirekte und unverbindliche und daß die Unterhaltung, die es bietet, ein Surrogat ist. Die Wirklichkeit der Welt, von der er ohne das Fernsehen sicher viel weniger wüßte, wird dem Zuschauer in einer präparierten und standardisierten Form dargeboten. Die Kunst, so hoch sie sein und so streng sie ihm ohne das Fernsehen verschlossen sein mag, lernt er nur in der Reproduktion und in einer speziellen Aufbereitung kennen. Die Begegnung mit Menschen außerhalb des Kreises der Familie und der Arbeitsstätte vollzieht sich nur noch „im Bilde". Er wird sich vermutlich an das alles schnell gewöhnen und den Geschmack der Dinge selbst vergessen, an deren Stelle immer mehr ihre Zeichen treten. Damit leistet das Fernsehen einer sich bereits abzeichnenden Daseinsform Vorschub, von der man sagen könnte, daß sie den Menschen sich selbst und der Welt entfremdete, wenn sie nicht zugleich sein eigenes menschliches Werk wäre, das ihm die Welt ja auch erschließt. Die Synthese dieser Realdialektik vollzieht sich in den Menschen selbst, in denen, die das Programm machen im wachen Bewußtsein ihrer Verantwortung und mit der ganzen Skepsis, die sich aus der Analyse der geistigen Situation ergibt, und in den Zuschauern, die von diesem Programm mit Maß Gebrauch machen. Der Sinn jedoch des Fernsehens ist in dem Maß gefährdet, in dem sachfremde Einflüsse in ihm die Oberhand gewinnen, insbesondere solche wirtschaftlicher und politischer Art. Zwischen beiden droht das Fernsehen zerrieben und zu einem staatlich konzessionierten Propaganda- und Amüsierinstrument zu werden.

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Wirkung des Fernsehens ELISABETH NOELLE-NEUMANN

An die Frage der Wirkung eines bestimmten publizistischen Mediums kann man erst herantreten, wenn man einiges Allgemeine über die Wirkung der Massenmedien und über die angemessenen Methoden zu ihrer Erforschung vorausgeschickt hat. Für alle Medien gilt, daß man sich diese Wirkung nicht als Einbahn-Prozeß vorstellen darf. Der wirkliche Sachverhalt wird eher getroffen mit der bekannten Umkehrung: Man muß nicht fragen, was machen die Massenmedien mit den Menschen, sondern was machen die Menschen mit den Massenmedien1. Und ganz allgemein liefert die Funktionsanalyse einen besonders wichtigen Schlüssel, um zu verstehen, was die Menschen mit den Massenmedien machen (ausführlicher zum Stichwort Funktionsanalyse siehe Artikel: Wirkung des Rundfunks). Auch die Forschungsmethoden folgen weithin übereinstimmenden Grundsätzen: für die Untersuchung von Wirkungen und insbesondere kumulativer Wirkung (worum es sich bei den publizistischen Medien meist handelt) kommen nur die verschiedenen Verfahren des kontrollierten Experiments — zum Teil verbunden mit Inhaltsanalyse — in Betracht. Da es keine Schwierigkeiten mehr bereitet, Fernsehsendungen aufzuzeichnen, können sie für Untersuchungszwecke beliebig wiederholt werden; die Lage ist also auch in diesem Punkt ähnlich wie bei anderen publizistischen Mitteln. Eine Besonderheit der Erforschung der Wirkung des Fernsehens ist allerdings zu vermerken. Zum ersten Mal standen sozialwissenschaftliche Beobachtungsmethoden zur Verfügung, um die Ausbreitung eines neuen technischen Mediums von Anfang an zu verfolgen. Wie sich Fernsehen auswirkt — ganz allgemein die Teilnahme an diesem Medium, noch unabhängig von Inhalt bestimmter Sendungen, — ließ sich durch große Feldexperimente studieren, bei denen die Möglichkeit systematischer Vergleichsgruppenbildung im Sinne des kontrollierten Experiments bei der Untersuchungsanlage voll ausgenutzt wurde (in England, USA, Japan), und zwar teils räumlich — man verglich Gruppen in Gebieten, in denen das Fernsehen bereits ausgebreitet war, mit Gruppen in Regionalbereichen, die noch kein Fernsehen empfangen konnten — und teils zeitlich: Einstellungen und Verhaltensweisen 1 DOUGLAS WAPLES wird diese oft gebrauchte Wendung zugeschrieben von BERNARD BERELSON und GARY A. STEINER: Human Behavior. An Inventory of Scientific Findings, New York/Burlingame: Harcourt, Brace & World, Inc., 1964, S. 528 f.

WIRKUNG DES FERNSEHENS

487

wurden vor und einige Zeit nach der Ausbreitung des Fernsehens gemessen. In Deutschland wurde diese nur wenige Jahre bestehende wissenschaftliche Chance nur in ganz kleinem Maßstab 2 und — auf breiterer statistischer Basis — erst genutzt, als es fast zu spät war3. Für die Untersuchung der Massenmedien gäbe es kein überzeugendes Ordnungsprinzip, klagt Hovland4. Lazarsfeld und Merton 5 schlagen vor, zu untergliedern nach der Wirkung, die ein Massenmedium durch seine bloße Existenz ausübe, dann nach der Auswirkung der Rechtsform, der institutionellen Verfassung und schließlich nach der Wirkung der Inhalte, die verbreitet werden. Die umfangreichsten Forschungsarbeiten über die Wirkung des Fernsehens haben aber einen anderen Gesichtspunkt vorgezogen. Es wurde nach der Wirkung des Fernsehens auf bestimmte Bevölkerungsgruppen gefragt, und dabei vor allem nach dem Einfluß auf die Jugend. Eine deutsche Studie (1966/67)8 wurde besonders darauf gerichtet, welche Auswirkungen das Fernsehen auf das Leben alter Menschen hat. Andere Untersuchungen prüften die Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben, zum Beispiel in der Familie oder für den demokratischen Prozeß. Oder die Frage lautete, wie sich die Ausbreitung des Fernsehens auf die anderen Massenmedien, die schon vorher existierten, auswirkte. Dazu kamen dann die Arbeiten über die Wirkung bestimmter Sendetypen, Sendereihen oder einzelner Sendungen. Im folgenden werden einige der Forschungsergebnisse mitgeteilt.

1. Fernsehen und Jugend Das Übergewicht der Studien über die Wirkung des Fernsehens auf Kinder und Jugendliche wird damit erklärt, daß Kinder auffallend stark von diesem Medium gefesselt werden. Sie beginnen früher fernzusehen als Rundfunk zu hören, 2 MALETZKE, G . : Fernsehen im Leben der Jugend, Hamburg: Verlag Hans BredowInstitut, 1959. — FÜLGRAFF, B.: Fernsehen und Familie. Die Rolle des Fernsehens im Prozeß des strukturellen Wandels der Familie, Freiburg: Rombach, 1965. — WEBER, A.: Fernsehen und Freizeitverhalten 12—13jähriger Kinder. In: Rundfunk und Fernsehen, 1/1963, S. 33 bis 42. — WODRASCHKE, G . : Die Beschäftigung des Kindes mit dem Fernsehprogramm, Diss. München 1964. * Auswirkungen des Fernsehens in Deutschland. Lebensgewohnheiten, Interessen und Bild der Politik vor und nach der Anschaffung eines Fernsehgeräts. ALLENSBACHER ARCHIV: IfD-Bericht Nr. 1489. 4 HOVLAND, C. I.: Effects of the Mass Media of Communication, In: Lindzey, Gardner (Hrsg.): Handbook of Social Psychology, 3. Aufl., Reading, Mass.: Addison-Wesky Publishing Company, 1959, Bd. II, S. 1062. 5 LAZARSFELD, P. F . ; MERTON, R . K . : Mass Communication, Popular Taste and Organized Social Action. In: Bryson, Lyman (Hrsg.): The Communication of Ideas, New York: Harper, 1948, S. 98. 6 Siehe Fußnote 3.

488

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und sie verwenden viel mehr Zeit auf das Fernsehen 7 . Man kann vergleichen mit der Faszination, die der Film für Kinder und Jugendliche besitzt. Die Fernsehwirkungsforschung knüpfte auch an Arbeiten über die Wirkung des Films auf Kinder an8. Im Unterschied zum Film steht aber Fernsehen immer gleich zur Verfügung, und zwar im häuslichen Bereich, in dem man sich sowieso aufhält, und es kostet nichts; im Vergleich zum Lesen ist es bequemer. Nach Schramm (1961)* sehen in den USA Zweijährige zu 14 Prozent, Vierjährige zu 65 Prozent, Sechsjährige zu 91 Prozent fern. Dreijährige sehen durchschnittlich pro Tag etwa 45 Minuten ein Fernsehprogramm, Fünf- bis Sechsjährige durchschnittlich zwei Stunden, der Höhepunkt wird mit 12 bis 13 Jahren erreicht (drei Stunden pro Tag), sinkt dann zwischen 14 und 16 wieder auf zwei Stunden ab10. Ähnlich sind die Befunde in England11 und Japan 12 (Schramm, UNESCO-Bibliographie, Seite 9). Die ausgezeichnete Studie von Himmelweit, Oppenheim und Vince: „Television and the Child" (1958) setzte sich zum Ziel, zu überprüfen, wieweit die Befürchtungen und die Hoffnungen gerechtfertigt waren, die über die Auswirkungen des Fernsehens auf Kinder in der Öffentlichkeit diskutiert wurden: Verdirbt das Fernsehen die Augen? Verursacht es Schlafstörungen? Werden die Kinder dadurch geistig passiv, träge? Werden sie aggressiv, werden kriminelle Neigungen geweckt (durch Kriminalstücke, Wildwest- und Abenteuer-Serien)? Werden dadurch die Leistungen schlechter, weil die Kinder übermüdet oder weniger interessiert sind? Und umgekehrt: Wirkt das Fernsehen geistig anregend, bildend, vergrößert es den Horizont? Sind die Kinder dadurch wieder lieber zu Hause? Vermittelt es Eltern und Kindern gemeinsame Erlebnisse? Die englische Studie und zwei wenige Jahre später durchgeführte Untersuchungen in USA — Schramm, Lyle, Parker: Television in the Lives of Our Children, 1961 — und in Japan — Takeo Furu: Television and Children Life, 1962 — kom7 SCHRAMM, W. (Hrsg.): The Effects of Television on Children and Adolescents, Paris 1964 (UNESCO: Reports and Papers on Mass Communication, Nr. 43), S. 9 f. Himmelweit, H. T.; OPPENHEIM, A. N.; VINCE, P.: Television and Child. An Empirical Study of the Effect of Television on the Young. London, New York, Toronto: Oxford University Press, 1958, S. 427: Fernsehkonsum pro Woche. Gegenüberstellung der Ergebnisse verschiedener Autoren. 8 Etwa an eine Filmstudie über das Schlafen von Kindern nach dem Ansehen von Filmen: CHARTERS, W. W.: Motion Pictures and Youth: A Summary. New York: Macmillan, 1933. Vgl. audi: The Influence of the Cinema on Children and Adolescents; an Annotated International Bibliography. Paris 1961 (UNESCO: Reports and Papers on Mass Communication, Nr. 31.) 9 SCHRAMM, W.; LYLE, J.; PARKER, E. B.: Television in the Lives of Our Children, Stanford: Stanford University Press, 1961, S. 27. 10

11

SCHRAMM, LYLE, PARKER, a . a . O . , S . 3 0 ; v g l . A p p e n d i x III, S . 2 1 3 ff.

et al.: a.a.O., S. 98 ff. FURU, Takeo: Die Rolle des Fernsehens im Leben der Kinder. In: Rundfunk und Fernsehen, 1962, H. 4, S. 325—367. 12 FURU, a.a.O., S. 330. HIMMELWEIT

WIRKUNG DES FERNSEHENS

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men zu bemerkenswert übereinstimmenden Ergebnissen. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß entsprechende Untersuchungen in Deutschland zu ziemlich ähnlichen Resultaten führen würden. Die englische Studie ist auch interessant wegen der Vielfalt der Methoden, die dabei angewandt wurden. 1. Befragung von 4500 Schulkindern in vier Städten 13 . Beschränkung auf zwei Altersgruppen". Die Fragebogen mit Fragen über den Ablauf des vorangegangenen Tages wurden im Klassenzimmer ausgefüllt. Nach der Methode des Paarvergleichs wurde zu jedem Kind aus einem Fernsehhaushalt ein zweites für die Analyse ausgewählt, das zu Hause kein Fernsehen hatte, aber dem ersten in bezug auf Geschlecht, Alter, Intelligenz und sozialer Schicht entsprach15. 2. Analyse der von allen Kindern geführten Tagebücher. Das Verschlüsseln der Tagebücher erwies sich als so langwierig, daß nur von 168 statistischen Zwillingen die Tagebücher ganz analysiert wurden. 3. Eine mündliche Elternbefragung. 4. Eine Lehrerbefragung. 5. Eine Studie nach dem „Vorher-Nachher-Modell" in der Stadt Norwich, in der es bei Beginn der Forschungsarbeit noch kein Fernsehen gab. 2200 Kinder füllten Fragebogen in der Schule aus, bevor das Fernsehen in der Stadt empfangen werden konnte, 370 Kinder wurden zum zweiten Mal befragt, nachdem ihre Eltern ein Fernsehgerät angeschafft hatten. 6. Inhaltsanalyse der Kinderprogramme der BBC und ITV. Die Untersuchung von Schramm et al. (1961) stützte sich auf Vergleiche von Kindern, die in einer Stadt mit und einer Stadt ohne Fernsehempfang lebten. In Japan wurden dieselben Kinder vor und nach der Einführung des Fernsehens befragt. Ein sorgfältig behandeltes Problem bestand bei der japanischen Untersuchung darin, zwischen Veränderungen, die auf das Heranwachsen zurückzuführen waren, und Veränderungen zu unterscheiden, die Auswirkungen des Fernsehens waren. Eine Reihe verbreiteter Befürchtungen wurde durch diese Untersuchungen entkräftet. Es ließ sich keine Schädigung der Augen feststellen 16 , kein Nachlassen 13 HIMMELWEIT, Oppenheim, Vince: a.a.O., S. 5: Es handelte sich um die Städte London, Portsmouth, Sunderland, Bristol. 14 HIMMELWEIT, Oppenheim, Vince: a.a.O., S. 8; Die eine Gruppe war 1 0 — 1 1 , die andere 13—14 Jahre alt. Zusätzlich wurden Studien unternommen, um die Reaktionen jüngerer Kinder zu ermitteln. 15 HIMMELWEIT et al.: a.a.O., S . 8 5 , Tabelle 5 . Gruppe 1 ( 1 0 — 1 1 Jahre): 4 5 4 Paare Gruppe 2 ( 1 3 — 1 4 Jahre): 4 7 3 Paare zusammen 927 Paare Für die Analyse wurde nicht alles Material benutzt (siehe dazu auch unter 2.). 18 HIMMELWEIT; Oppenheim; Vince: a.a.O., S. 367 f. und S. 375; Schramm; Lyle; Parker: a.a.O., S. 146 f. Vgl. dazu: Sicker, A.: Kind und Film, Bern und Stuttgart: Huber 1956, S. 58.

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der Leistungen. Viele englische Lehrer vertraten zwar die Ansicht", die Kinder seien wegen des Fernsehens müde in der Schule, aber sie widerlegten sich selbst, als sie in einem anderen Teil der Befragung ihre Schüler nach Interesse am Unterricht, Wachheit und Beteiligung einstuften: zwischen Schülern, die zu Hause Fernsehen hatten, und anderen fand sich kein Unterschied18. Kinder aus Fernsehhaushalten kamen 10—20 Minuten später ins Bett", aber das glich sich wieder aus, weil Kinder ohne Fernsehen im Bett vor dem Einschlafen häufiger lasen, Radio hörten, sich unterhielten2®. Ruhiger und unruhiger Schlaf fand sich bei Kindern mit und ohne Fernsehen gleich verteilt 21 . Besonders eingehend wurden die „Verdrängungseffekte" untersucht. Wenn täglich zwei bis drei Stunden ferngesehen wird — von welchen anderen Tätigkeiten wird diese Zeit abgezogen? Nicht vom Spielen im Freien und „aktivem" Zusammensein mit Gleichaltrigen: diese Art von Geselligkeit rangiert im Wert für die Kinder vor dem Fernsehen und wird darum nicht verkürzt 22 . Auch die Beschäftigung mit Hobbies (Basteln, Sammlungen und so weiter) wird höher bewertet und nicht verkürzt 2 '. Es wurde weniger gelesen. Aber nicht die gehaltvolle Lektüre wurde eingeschränkt, sondern das Lesen von Comics und Abenteuergeschichten, das heißt, leichte Unterhaltung wurde eher vom Fernsehen bezogen, das offenbar das Bedürfnis danach besser befriedigte 24 . Das Bedürfnis nach geistiger Nahrung erschien als eine Konstante und Lektüre besser als das Fernsehen dazu geeignet, es zu erfüllen. Das Fernsehen drang nach den englischen Befunden vor allem 17

HIMMELVEIT e t a l . : a . a . O . , S . 2 7 7 f f .

18

HIMMELWEIT; OPPENHEIM; VINCE; a.a.O., S. 301 ff.; Z u s a m m e n f a s s u n g der

S. 3 0 8 . —

Ergebnisse:

SCHRAMM; L Y L E ; PARKER; a . a . O . , S . 1 5 1 ff. u n d K a p . 5 . FURU t e i l t m i t (S. 3 4 1 f.), d a ß

sich die Lesefähigkeit der älteren fernsehenden Jungen aufgrund der Tatsache, daß sie weniger lesen, deutlich verschlechterte, daß aber ihre Leistungen in mathematisch-naturwissenschaftlichen und gemeinschaftskundlichen Fächern nicht nachließen. 19

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S . 3 6 9 — 3 7 1 . —

SCHRAMM, LYLE u n d PARKER s t e l l t e n f e s t

(S.

147), daß die Kinder in Televisiontown im Durchschnitt nur 13 Minuten später ins Bett kamen als die in Radiotown. — MACCOBY, Eleanor E.: Television: Its Impact on School Children, in: Public Opinion Quarterly, Vol. 15: 1951, S. 431 teilt mit, daß Kinder in Haushalten mit kürzlich installiertem Fernsehen wochentags ungefähr 25 Minuten später und sonntags 15 Minuten später schlafen gingen als Kinder in Haushalten ohne Fernsehen. — FURU, a.a.O., S. 332 gibt einen Unterschied (zwischen der Fernsehgruppe und der Kontrollgruppe) von 17 Minuten an. — MALETZKE, G.: Fernsehen im Leben der Jugend, a.a.O., S. 102: „Während bei den Jungen die Seher und Nichtseher nahezu gleich lange schlafen..., schlafen bei den Mädchen die Seher täglich rund 18 Minuten weniger als die Nichtseher." 20

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S . 3 7 2 .

21

HIMMELWEIT et al.: a.a.O., S. 373 f.; S. 374, Tabelle 77.

A

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S . 3 4 6 — 3 5 1 . FURU, a . a . O . , S. 3 3 8 f. u n d S . 3 5 2 ff., T a b e l l e n 2 0 ff.

MALETZKE, S . 6 5 ; S . 1 2 5 . 2 3 FURU, a.a.O., S. 337: „ . . . die Zeit, die für schöpferische Tätigkeiten wie Musizieren, Singen oder Herstellen von Puppen, für Malen oder Gedichtesdireiben vorgesehen ist, (wird) kaum durch das Fernsehen beeinflußt." (Tabellen 16 und 17). — MALETZKE, a.a.O., S. 120 ff. 24

HIMMELWEIT e t al.: a.a.O., S. 35, S. 3 2 9 ; S. 335, S. 3 6 3 f., S. 487. FURU, a.a.O., S. 335.

WIRKUNG DES FERNSEHENS

491

in die l e e r e n Zeiten ein, es w u r d e w e n i g e r getrödelt 2 5 ; in J a p a n v e r m i n d e r t sich die Mithilfe im H a u s h a l t drastisch 28 . A u s Deutschland liegen g r ö ß e r e Studien ü b e r die „ V e r d r ä n g u n g s e f f e k t e " des F e r n s e h e n s bei Kindern u n d Jugendlichen nicht vor. Eine k l e i n e r e Studie zeigt aber die gleichen Tendenzen. 2 '

Verdrängungseffekte des Fernsehens bei 12 — 13jährigen Kindern Seher

Nicht-Seher wöchentliche Stundenzahl

wöchentliche Stundenzahl

Fernsehen 11 1 /4 Schularbeiten Schularbeiten 8 3 U Haus- u n d Gartenarbeit, Spielen 5 *U Babysitting Besuche 4 Lesen H a u s - u n d Gartenarbeit, Spielen Babysitting 3 Va Besuche Lesen 3 Gesellig Z u s a m m e n s e i n Radfahren, Spazierengehen . 3 Radfahren, S p a z i e r e n g e h e n . Gesellig Zusammensein 1 s /4 R u n d f u n k h ö r e n Sport t r e i b e n l ' / s Handarbeiten Handarbeiten 1 1 A Sport t r e i b e n Musizieren, g u t e Spezielle Hobbies Musik hören V2 Schallplatten Rundfunk hören V« Musizieren, g u t e Kino Vi Musik h ö r e n Spezielle Hobbies V4

9 V4 7V2 5 V2 4 V2 4V2 3 3/4 2 3/i 2 l'/i 1 V2 Vi V4

Quelle: W E B E R , A . : Femsehen und Freizeitverhalten 12—13jähriger Kinder. In: Rundfunk und Fernsehen, 1/1963, Tabelle S. 38, Eine Z u n a h m e p a s s i v e r T e n d e n z e n w u r d e nicht festgestellt, auch nicht in J a p a n , w o diese Frage b e s o n d e r s e i n g e h e n d g e p r ü f t wurde 2 8 . M a n fand auch k e i n e Anet al.: a.a.O., S. 365. a.a.O., S. 336 f. 27 Braunschweiger Fallstudie an Kindern des 6. Schuljahres. Die Ergebnisse wurden mitgeteilt von W E B E R , A.: Fernsehen und Freizeitverhalten 12—13jähriger Kinder, a.a.O., S. 38, Tabelle. 28 HIMMELVEIT et al.: a.a.O., S . 3 5 3 ff. Zusammenfassung: S . 3 6 1 . — SCHRAMM: a.a.O., S . 1 6 0 : „ . . . we see no e v i d e n c e . . . that television makes a child withdrawn, or makes passivety. 15

HIMMELWEIT

28

FURU,

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zeichen, daß sich Aggressivität verstärkte, aber konnte auch nicht die sogenannte „Feshbach-Hypothese" bestätigen, daß aggressive Energie unschädlich abreagiert wurde". Kinder, Jugendliche, die in ihrer Umwelt unglücklich sind, psychologische Anpassungsschwierigkeiten haben oder zu wenig Anregungen erhalten, werden eher fernsehsüchtig®0. Die Reaktion von Kindern auf Fernsehen ist stark abhängig vom Alter und Intelligenzniveau (die englische Studie zeigte: je intelligenter, desto früher wird ein Kind vom Fernsehen angezogen, fängt aber auch früher, schon mit 12 Jahren, an, das Fernsehen wieder einzuschränken) 81 . Im Gegensatz zu englischen 32 und deutschen 33 Untersuchungen betont die amerikanische Studie den Einfluß der

Rather, it encourages and reinforces those tendencies when they exist in dangerous amounts. It seems to us fair to assume . . . that a child with normally active personality, with a happy home and satisfactory peer group relationships, is not in danger of being made abnormally passive by television." — F U R U , a.a.O., S. 343: „Dies Ergebnis beweist, daß das Fernsehen bei den Kindern keinen Nährboden für eine Tendenz zur Passivität bietet." — MALETZKE, G . : Passivität durch Fernsehen? In: Rundfunk und Fernsehen, 1 9 6 2 , H . 1, S . 1 — 1 7 . FESHBACH, S.: The Drive-reducing Function of Fantasy Behavior. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 50: 1955, S. 3—11. Schramm; Lyle; Parker: a.a.O., S. 120—134. S. 131 ff. setzen sich die Autoren mit der Feshbach-Hypothese auseinander. Ihre Überlegungen klingen mit dem Satz aus: „... we do not know that television is by no means an automatic outlet for aggressive impulses, and it probably builds aggression and frustration as often as it reduces them." S. 161—166 wird die Frage behandelt, unter welchen Bedingungen das Fernsehen Aggressivität schüren kann. Ergebnis: normal veranlagte Kinder werden nicht negativ beeinflußt. — MACCOBY, E . E.: Role-taking in Childhood and Its Consequences for Social Learning. In: Child Development, Vol. 30: 1959, S. 239—252, weist darauf hin, daß frustrierte und latent aggressive Kinder sich eher an aggressive Akte aus Fernsehfilmen erinnern als andere. — Furu: a.a.O., S. 346: Zwischen stark und schwach fernsehenden Kindern ließ sich bezüglich der Aggression kein eindeutiger Unterschied feststellen. "> HIMMELWEIT; O P P E N H E I M ; V I N C E : a . a . O . , S. 385 ff.; bes. S. 394 f. Riley, M. W.; Riley, J. W., Jr.: A Sociological Approach to Communication Research, in: Schramm, W. (Hrsg.): The Process and Effects of Mass Communication, Urbana: University of Illinois Press, 1954, S. 389—401. — BAILYN, L . : Mass Media and Children: A Study of Exposure Habits and Cognitive Effects, in: Psychological Monographs, 73: 1959, S. 1—48. — W O L F E , K. M.j FISKE, M.: Why They Read Comics. In: SCHRAMM, W. (Hrsg.): The Process and Effects of Mass Communication, Urbana: University of Illinois Press, 6. Aufl., 1965, S. 48 f. Renate Hausins Untersuchungsergebnisse (Eine empirische Studie über den Einfluß des Fernsehens auf den Prozeß der sozialen Integration von Kindern. In: Rundfunk und Fernsehen, 1965, H. 2, S. 129—139) lassen aber davor warnen, umgekehrt Vielseher ohne weiteres als kontaktarm usw. einzustufen. Ihre „Resultate widerlegen sowohl für Kinder wie für Jugendliche, für die Vielseher wie für die wenig fernsehfreudigen Schüler beider Altersgruppen und aller Intelligenzschichten die Vermutung, daß zwischen Kontaktarmut bzw. Kontaktfreudigkeit sowie sozialer Reife einerseits und dem Fernsehkonsum andererseits ein unmittelbarer Zusammenhang besteht." (S. 137). 31

S.

HIMMEL-WEIT e t a l . : a . a . O . , S . 3 0 f . , 9 9 , 1 1 6 , 3 8 5 f . , 3 9 4 f f . SCHRAMM; LYLE; PARKER:

32 f.

a.a.O.,

32 HIMMELWEIT et al.: a.a.O., betonen wiederholt, daß der Einfluß des sozialen Status der Eltern kaum von Bedeutung ist (S. 12, 33, 101, 111, 385 ff., 399 ff.). " BLÜCHER, V. Graf: Jugend, Bildung und Freizeit. Dritte Untersuchung zur Situation der Deutschen Jugend im Bundesgebiet, durchgeführt vom Emnid-Institut, Bielefeld 1966, S. 41.

WIRKUNG DES FERNSEHENS

493

sozialen Schicht34. Einheitlich ist die Feststellung, daß gutes oder schlechtes Vorbild der Eltern die Sehgewohnheiten der Kinder maßgeblich prägt35. Die Hoffnungen, die auf den pädagogischen Einfluß des Fernsehens gesetzt wurden, ließen sich ebensowenig wie die Befürchtungen durch die bisherigen Studien untermauern. Der Wortschatz wird nur bei Kindern im Vorschulalter durch das Fernsehen vergrößert, in den ersten Schuljahren ziehen die anderen Kinder nach, das Wissen wird nur in nebensächlichen Dingen vermehrt (Kenntnis von Unterhaltungskünstlern)3e. Versuche, durch das Fernsehen zu Museumsbesuchen anzuregen, schlugen fehl37 (im englischen Forschungsbericht wird daraus die allgemeine Regel abgeleitet: das Fernsehen regt ein, löst aber keine Aktivität aus)88. Neue Interessen werden geweckt, falls keine bequemen, leichten Auswahlprogramme zur Verfügung stehen, zu denen man übergehen kann, wenn eine Sendung nicht spontan interessiert. Solche günstigen Verhältnisse zur Erweiterung des Horizontes bestanden aber in England nur vor Beginn des ITV-Programms39. Eingehendes Material liegt schließlich vor zu der Frage, unter welchen Umständen Fernsehsendungen Kindern Furcht einflößen: Fernsehen allein ohne Erwachsene, im dunklen Zimmer, realistische Darstellungen von Streit, Grausamkeit, Leiden von Menschen und Tieren, mit denen sie sich identifizieren, erregen Furcht. Wildwest-Stücke in dem den Kindern bekannten schematischen Verlauf haben für sie keine Schrecken, und auch die Darstellung von Katastrophen in der aktuellen Berichterstattung läßt sie unberührt40. In allen Studien über Kinder und Fernsehen wurde festgestellt, daß die Kinder überwiegend Programme für Erwachsene ansehen41. Von größter Bedeutung dagegen ist (auch nadi der EMNID-Untersuchung) der Bildungsstand. M SCHRAMM et al.: a.a.O., S. 35 und S. 226 f. Tabellen 18—21. HIMMEL-WEIT e t a l . : a . a . O . , S. 1 0 2 f. SCHRAMM e t a l . : a . a . O . , S. 3 5 u n d S. 2 2 6 f. HIMMELVEIT e t a l . : a . a . O . , S. 2 8 2 ff. Z u s a m m e n f a s s u n g d e r E r g e b n i s s e : S . 2 9 1 . SCHRAMM e t al.: a.a.O., S. 8 5 — 8 8 . 5 7 HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S . 2 9 3 ff. 35

86

38 Das Fernsehen regt in der Regel nur diejenigen zu schöpferischer Aktivität an, die Gruppen und Vereinen angehören, in denen derartige Aktivität ohnehin gefördert wird (Schramm et al.: a.a.O., S. 153 f.). Vgl. dazu LAZARSFELD, P. F.: Radio and the Printed Page, New York: Duell, Sloan & Pearce, 1940, S. 46. — HIMMELWEIT betont jedoch S. 297: „More could be done to turn the interest aroused by televisión programmes into a c t i o n . . S i e fragt sich (S. 362) angesichts der Tatsache, daß das Fernsehen Erwachsene anregt, ob die Fernsehsendungen für Kinder womöglich im Thema oder in der Form zu wenig ansprechen, um Kinder anzuregen, oder ob die Kinder zum Mitmadien Materialien gebrauchen, die gerade nicht bei der Hand sind. Wodraschke (a.a.O., S. 62) erwähnt, daß selbst die Kinder, die Werkmaterial zum Mitbasteln vorbereitet hatten, über das zu schnelle Tempo der Vorführarbeit im Femsehen klagten. SI

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S. 1 7 0 ff.

40

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S. 3 8 f.¡ S. 1 7 9 ff. SCHRAMM e t a l . : a . a . O . , S. 1 4 8 f. U N E S C O :

Reports and Papers on Mass Communication, Nr. 43, S. 15. 41

HIMMELWEIT e t a l . : a . a . O . , S. 126. SCHRAMM e t a l . : a . a . O . , S. 4 2 — 4 5 , S. 2 3 1 .

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2. Fernsehen und Familie Verschiedene Studien wurden unternommen, um zu prüfen, ob sich das Familienleben unter dem Einfluß des Fernsehens verändert42. Bedenkt man, wieviel Stunden die Familien gemeinsam in einem Raum mit dem Fernsehen zubringen, ist die Frage naheliegend. Es konnten aber bisher keine Veränderungen des Familienlebens durch Fernsehen festgestellt werden. Eleanor Maccoby43 meint, nur räumliche Nähe verbinde diejenigen, die in einem Zimmer zusammen fernsehen. Psychisch sei jeder dabei isoliert. Äußerst selten komme es zwischen den Familienmitgliedern zu einem Gespräch über das Gesehene. In einer von Friedrich Tenbruck angeregten Studie in Freiburg untersuchte Barbara Fülgraff44, ob die Familie durch das Fernsehen einen Funktionsverlust erleidet; möglicherweise vermittle heute nicht mehr die Familie, sondern das Fernsehen dem Heranwachsenden die Rollenvorstellungen (bekannte, erwartete und gebilligte Verhaltensweisen in verschiedenen Lebenssituationen). Die Freiburger Leitstudie war nicht breit genug angelegt, um eine solche These zu bestätigen oder zu widerlegen; aber englische und amerikanische Untersuchungen45 sprechen eher dagegen. Kinder beziehen sich vor allem auf Primäreindrücke (Familie, Nachbarn, Bekannte), wenn sie Rollenvorstellungen beschreiben.

4 S MACCOBY, E . E . : Television: Its Impact on School Children. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 15: 1951, S. 421—444, bes. S. 424 ff. BELSON, W. A.: Television and the Family. BBC Audience Research Department 1959. — FÜLGRAFF, B.: Fernsehen und Familie. Die Rolle des Fernsehens im Prozeß des strukturellen Wandels der Familie. Freiburg: Rombach, 1965. — SWF-SDR Allensbadier Studie: Auswirkungen des Fernsehens in Deutschland. Lebensgewohnheiten, Interessen und Bild der Politik vor und nach der Anschaffung eines Fernsehgerätes. ALLENSBACHER A R C H I V , IfD-Umfragen Nr. 551, 552 J IfD-Bericht Nr. 1489. 4 3 RILEY, J . W . ; CANTVELL, F . V.; RUTLINGER, K . F.: Some Observations on the Social Effects of TV. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 13: 1949, S. 223—234. In der Anfangszeit des Fernsehens führte Riley aus (S. 223): „Regardless of the length of ownership, the changes reported by TV families (Frage: „Since you have had your television set, has the family's circle of friends and acquaintances changed any? In what ways?") are entirely in the direction of increased sociability." Aber Maccoby, a.a.O., S. 427, faßt als Ergebnis ihrer Studien zusammen: „It appears that the increased family contact brought about by television is not social except in the most limited sense: that of being in the same room with other people." M A C C O B Y überholt mit diesem Ergebnis nach ihrer eigenen Aussage (a.a.O., S. 425) Riley. 44 FÜLGRAFF, a.a.O., auch Elkin F . : The Child and Society: The Process of Socialization, New York: Random House, 1960, glaubt, daß die Massenmedien das Kind im allgemeinen umfassendere Rollen-Modelle lehren als die häuslich-familiäre Umgebung. 4 5 HIMMELWEIT et al.: a.a.O., S. 17; S. 221 ff. HIMMELWEIT: Wirkungsmöglidikeiten des Fernsehens. In: Rundfunk und Fernsehen, 1963, H. 3, S. 261—265. Hausin, R.; a.a.O., S. 138: „Das Femsehen verhält sich indifferent gegenüber dem sozialen Reifeprozeß Jugendlicher."

W I R K U N G DES F E R N S E H E N S

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3. F e r n s e h e n u n d D e m o k r a t i e Unbestritten ist die große Wirksamkeit des Werbefernsehens46. Eine ähnlich starke Wirkung erwartet man vielfach im politischen Bereich — positiv im Sinne der Ausbreitung von staatsbürgerlichem Wissen, Erweckung von Interesse an politischem Leben, negativ im Sinne der Manipulation der Wähler. Die Einflußmöglichkeiten des Mediums sind aber völlig verschieden, je nachdem, ob es sich um einen Bereich mit stark verankerten Überzeugungen — wie in der Politik — handelt, oder um einen Bereich ohne tiefgehendes Engagement wie im Bereich der Waren, der Markenartikel. „Fernsehen verkauft gut, aber formt nicht politische Meinungen . . . Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Waren und Überzeugungen.1147 Das politische Wissen läßt sich offenbar durch Fernsehen ebenso schwer wesentlich verbessern wie durch den Rundfunk48. Fernsehgeräte werden eben vor allem zum Zwecke der Unterhaltung gekauft. In Deutschland ließ sich nidit feststellen, daß durch das Ansehen der Fernsehnachrichten mit den laufend gezeigten Kartenskizzen die geographischen Kenntnisse der Fernsehzuschauer zunehmen48. Eine deutsche Panel-Studie (1966/67) brachte aber den Nachweis, daß das Interesse an der Politik durch das Fernsehen belebt wird. Man kann darum die langsame Zunahme des Interesses an der Politik, die sich in der BRD im Verlauf der letzten zehn Jahre gezeigt hat, auch auf die Wirkung des Fernsehens zurückführen49". 46 Die meisten Studien, in denen diese Wirkung nachgewiesen wird, sind nicht veröffentlicht. Ein Beispiel einer solchen Studie: Beziehungen zur Elektrizität. ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Bericht Nr. 1 3 3 9 , H O V L A N D , C . I . : Effects of the Mass Media of Communication, a.a.O., S. 1062. 47 S A L A N T , R. S . : The Television Debates: A Revolution that Deserves the Future, in: Public Opinion Quarterly, Vol. 2 6 : 1 9 6 2 , S . 3 3 5 — 3 5 0 . Zitat auf S . 3 4 0 . Vgl. K R U G M A N , H . : The Impact of Television Advertising: Learning without Involvement. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 2 9 : 1 9 6 5 , S . 3 4 9 — 3 5 6 . W I E B E , G . D.: Merchandising Commodities and Citizenship on Television. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 1 5 : 1 9 5 1 , S . 6 7 9 — 6 9 1 . 48 EBERHARD, F.: Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Beitrag zur empirischen Sozialforsdiung, Berlin: Colloquium Verlag, 1962 (Abhdlgn. und Materialien zur Publizistik. 1), S. 150. 49 1 6 % der Erwachsenen, die im Hause über ein Fernsehgerät verfügten, konnten im September 1959 (während der Unruhen in Laos) auf einer Weltkarte Laos finden und 13 •/• derer, die über kein Fernsehen verfügten. ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Umfrage-Nr. 1035. Im Juli 1963 wußten 34°/o der Erwachsenen, die im Haushalt über ein Fernsehgerät verfügten, wo Israel liegt, und 33 °/o derer, die nicht über ein Fernsehgerät verfügten. ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Umfrage-Nr. 1079. 4ga Das Interesse an Politik ist in den letzten Jahren tendenziell • gestiegen. Vgl. die einschlägigen Trendwerte der Frage: „Einmal ganz allgemein gesprochen: Interessieren Sie sich für Politik?" in den Jahrbüchern der öffentlichen Meinung, hrsg. von Elisabeth Noelle und Erich Peter Neumann, Verlag für Demoskopie, Allensbach und Bonn. Der Nachweis, daß politisches Interesse durch das Fernsehen angeregt wird, gelang jetzt in einer Panel-Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie: Auswirkungen des Fernsehens in Deutschland. Lebensgewohnheiten, Interessen und Bild der Politik vor und nach der Anschaffung eines Fernsehgeräts, ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Umfragen Nr.

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Eine Aufklärungssendung der BBC über die Todesstrafe verbesserte die Information, aber nicht die Einstellungen, wie man das schon früher bei Untersuchungen über die Wirkung der Massenmedien beobachtet hatte50. Bestehende Einstellungen — für Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe — wurden aber durch die Sendung verstärkt51. Eine Studie, ob man durch das Fernsehen die Wahlbeteiligung verbessern könne, brachte keine Bestätigung. Die Zeitungen waren anscheinend in dieser Hinsicht wirksamer52. Dennoch läßt die starke Resonanz von Wahlkampfsendungen im Fernsehen erwarten, daß das Fernsehen auf diesem Wege einen erheblichen Einfluß in der Demokratie bereits ausgeübt hat und ausüben wird. Eine dramatische Demonstration seiner Möglichkeiten lieferten die berühmten vier großen Debatten im Fernsehen, in denen sich die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Kennedy und Nixon 1960 miteinander maßen. Sie wurden als Revolution empfunden, weil das Fernsehen es ermöglichte, daß „sich alle Stämme Amerikas auf einmal versammelten, um in der größten politischen Versammlung in der Geschichte der Menschheit eine Entscheidung zwischen zwei Häuptlingen abzuwägen"5®. „Durch das Fernsehen mehr als durch irgend etwas anderes kam der Umschwung", erklärte Kennedy nach der Wahl seinen Sieg54. Die vier Debatten wurden durchschnittlich von 71 Millionen Amerikanern gesehen (fast 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung). Insgesamt sahen 115 Millionen eine oder mehrere Debatten55. Der persönliche Eindruck, den die Zuschauer gewannen, stärkte in erster Linie den bis dahin unbekannten Kandidaten Kennedy5*. Illustrativ ist eine Tabelle aus einer New Yorker Panel-Studie von Kurt Lang und Gladys Engel-Lang57. 551, 552, IfD-Beridit Nr. 1489. In einer anderen Studie konnte gezeigt werden, daß die Nachrichtensendungen des Fernsehens im Gegensatz zu den Rundfunknachrichtensendungen in ebenso großem Maße die politisch Desinteressierten erreichen wie die Interessierten. (Gerhard Schmidtchen: Soziologische Funktionsteilung zwischen den Nachrichten in Hörfunk und Fernsehen. In: Rundfunk und Fernsehen, 13. Jg., Heft 3, 1965). 50 HYMAN, H. H.; Sheatsley, P. B.: Some Reasons Why Information Campaigns Fail. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 1947, S. 412—423. 51 BBC Audience Research Report: „The Death Penalty". 9.25 pm, 24th October 1961, Television Service. The Effect of this Broadcast upon Viewers' Knowledge of and Attitudes towards Murder and Capital Punishment, Februar 1962, S. 6 ff. Die Intensität der Uberzeugung wurde jedoch abgebaut: Eine Reihe von „strong retentionists" wurde zu „retentionists" (S. 9). 52 GLASER, W. A.: Television and Voting Turnout. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 1965, S. 84, Tab. 8. ss WHITE, TH. H.: The Making of the President 1960. New York: Atheneum, 1962, S. 279. 54

WHITE, a.a.O., S . 294.

55

SALANT, a.a.O., S. 338.

SALANT, a.a.O., S. 341. Siehe auch Gallup-Pressedienst vom 12. 10. 60: Doppelt so viele Leute meinten, Kennedy habe besser abgeschnitten als Nixon. 67 LANG, K.: Engel-Lang, Gladys: Ordeal by Debate: Viewer Reactions. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 25: 1961, S. 277—288. Tab. S. 279. Ins Deutsche übersetzt erschien 55

WIRKUNG DES FERNSEHENS

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Wahlentscheidung* Nach der 1. Debatte

Nach der 4. Debatte

37 2

47 6

52 4

39

53

56

Unentschieden

23

12

7

Entschieden für Nixon zu Nixon neigend

2 31

2 28

1 31

33

30

32

95

95

95

Vor den Debatten Entschieden für Kennedy zu Kennedy neigend

Insgesamt

* Zugrunde liegen die Antworten von den Befragten, die dreimal interviewt wurden.

Drei Typen von Wahlsendungen im Fernsehen sind zu unterscheiden: Von den Parteien gestaltete Sendungen, in denen sie sich den Wählern präsentieren; von den Sendern ausgehende Programme, in denen einzelne Politiker vorgestellt oder über Parteiveranstaltungen berichtet wird (Interviews, Reportagen); Forumsdiskussionen, bei denen sich zwei oder mehrere Politiker verschiedener Parteien miteinander messen. Die von den Parteien ausgehenden Veranstaltungen sind beim Publikum nach übereinstimmenden englischen und amerikanischen Untersuchungen am wenigsten beliebt, die Zuschauerzahlen bleiben bis 30 Prozent hinter den sonst bei Sendungen zur gleichen Zeit üblichen Zuschauerzahlen zurück58. Die Zuschauerreaktionen könnten als Schulbeispiel dienen für die seit 1940 entdeckten Regeln des Kommunikationsverhaltens59: Anhänger jeder Seite sehen sich „ihr" Programm an („selektive Wahrnehmung", „bestehende Einstellungen der Artikel unter dem Titel: Zuschauerreaktionen bei den Kennedy-Nixon-Debatten. In: Rundfunk und Fernsehen, 1961, S. 262—274. Tab. S. 264. 58 SALANT: a.a.O., S. 338. BBC Audience Research Report: The General Election. The Campaign and the Results on Television and Sound Radio; Sept./Okt. 1959, S. 9, §§ 7 und 8. BBC Audience Research Report: The 1964 General Election, Dec. 1964, S. 5, § 8. BBC Audience Research Report: The 1966 General Election, April 1966, S. 5, § 8. 59 LAZARSFELD, P. F.; Berelson, B.; Gaudet, H.: The People's Choice, 1944, S. 89 f.; HOVI.AND, Carl I.: Effects of the Mass Media of Communication, a.a.O., S. 1062—1103; KLAPPER, J. T.: The Effects of Mass Communication, a.a.O., S. 19 ff. und S, 64 f. MALETZKE, G.: Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg: Hans Bredow-Institut, 1963, S. 92 b i s 9 7 u n d S. 1 4 7 — 1 5 6 . 32 Publizistik II

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werden verstärkt"). Sie finden die Sendungen der eigenen Seite gut, die der gegnerischen Seite schlecht"0. Die Stärke der Forumsdiskussionssendungen liegt umgekehrt gerade darin, daß hier die Partisanenhürde überspielt wird, die Politik der freiwilligen Scheuklappen der demokratischen Bürger. Wenn man den eigenen Mann hören und sehen will, hört und sieht man zugleich, was die Gegner zu sagen haben. Damit wird für selbständige Urteilsbildung die relativ günstigste Situation geschaffen. Ob damit die besseren Politiker gefördert werden, oder die besseren Schauspieler an die Regierung gelangen, ist das Thema verschiedener Autoren". Die Frage, ob es besondere persönliche Ausstrahlungskraft im Fernsehen gibt (wie immer wieder behauptet worden ist), ist anscheinend noch nicht eingehend untersucht. Die Fommsdiskussionen haben auch wesentlich mehr Anziehungskraft für das Publikum als die von den Parteien gemachten Sendungen. Bei den Kennedy-NixonDebatten war die Zahl der Zuschauer etwa um 20 Prozent größer als normalerweise zur gleichen Zeit62. Sie war bei der vierten Debatte noch fast genauso hoch wie bei der ersten. Ein Zeichen für anhaltende Spannung. Das in der Massenkommunikation immer wirksame Element des Wertkampfes' 3 macht diesen Typ politischer Sendung besonders attraktiv. Die dreizehn Fernsehsendungen (Sendezeit 21.10 Uhr) der Parteien vor den englischen Parlamentswahlen 1966 sahen durchschnittlich rund ein Drittel der Bevölkerung (ab 6 Jahre).' 4 Die Wahlsendungen im Rundfunk hörten durchschnittlich etwa 1 Prozent65. Vor den deutschen Bundestagswahlen 1965 sahen 57 Prozent der Bevölkerung Wahlkampfsendungen im Fernsehen66. Die Spitzenpolitiker der Parteien sahen zwischen 47 und 52 Prozent67. The General Election. 1959, a.a.O., S. 21. The 1964 General Election, a.a.O., S. 11. The 1966 General Election, a.a.O., S. 10. 61 KELLEY, S., Jr.: Campaign Debates: Some Facts and Issues. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 26: 1962, S. 351—366, insbes. S. 354 f. LANG, K.; Engel-Lang, Gladys: The Television Personality in Politics: Some Considerations. In: Public Opinion Quarterly, Vol. 20: 1956, S. 110. 62 S A L A N T : a.a.O., S . 338. 63 KELLEY: a.a.O., S. 358: „Conflict is the most obvious entertainment appeal of political campaigns." Vgl. Merton, R. K.: Mass Persuasion. The Social Psydiology of a War Bond Drive, N e w York and London: Harper & Brothers Publishers, 1946, S. 64 ff. MAY, M. A.; DOOB, L. W.: Competition and Cooperation, New York: Social Science Research Council, 1937. 64 The 1966 General Election, a.a.O., S. 5, § 6. 68 The 1966 General Election, a.a.O., S. 6, § 9. 68 ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Umfrage-Nr. 2008. Okt./Nov. 1965. 22 % hörten im Radio Sendungen der Parteien zur Wahl. 67 ALLENSBACHER A R C H I V : IfD-Umfrage Nr. 2008. Brandt sahen nach eigener Erinnerung 52%>, Erhard 51 °/o, Mende 47 °/o, Strauß 34%, Adenauer 31 %>, Erler 30%, Barzel 29%, Gerstenmaier 28%, Wehner 25%, Sdirödei 19 % und Carlo Schmidt 15 %.

WIRKUNG DES FERNSEHENS

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4. Wirkungen der Fernsehperspektive Mit einer Leitstudie wurde 1952 gezeigt, daß Personen, die ein öffentliches Ereignis (Empfang des amerikanischen Generals McArthur in Chicago) selbst miterleben, und Personen, die es am Fernsehschirm sehen, zu vollkommen verschiedenen Eindrücken kommen"8. Für das Femsehpublikum war es ein triumphaler Empfang. Auf das Publikum am Straßenrand wirkte er matt und aus verschiedenen Gründen enttäuschend. Das Fernsehen schafft auf Grund von technischen und psychologischen Bedingungen des Mediums eine fiktive Wirklichkeit, die dann sogar als echt von den Zeitungen übernommen wird und nicht mehr zu korrigieren ist. Das Publikum lernt außerdem, daß große öffentliche Ereignisse viel spannender sind, wenn man sie zu Hause am Fernsehschirm sieht. Die „Volksmassen" bei öffentlichen Ereignissen werden immer sparsamer werden — ein Vorgang, der auf die Dauer vielleicht Veranstaltungen mit Massenpublikum im Freien, das nur als Zuschauerkulisse dient, zu einem Risiko werden läßt. So enttäuschten zum Beispiel die „Volksmassen" beim Hochzeitszug der holländischen Thronfolgerin 1966, weil die meisten Holländer die Ereignisse lieber im Fernsehen sahen.

LITERATUR BERELSON, Bernardi STEINER, Gary A.: Human Behavior. An Inventory of Scientific Findings. New York/Burlingame: Harcourt, Brace & World, Inc., 1964, Kap. XIII: Mass Communication. — HOVLAND, C. I.: Effects of the Mass Media of Communication. In: Lindzey, Gardner (Hrsg.): Handbook of Social Psychology, 3. Aufl., Reading, Mass.: Addison-Wesley Publishing Co., 1959, Bd. II, S. 1070. — KLAPPER, Joseph T.: The Effects of Mass Communication, 3. Aufl., The Free Press of Glencoe, 1963. — LAZARSFELD, P. F.; BERELSON, Bernard; GAUDET, Hazel: The People's Choice, New York: Columbia University Press, 1944, 6. Auflage, 1965. — MALETZKE, G.: Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg: Hans Bredow-Institut, 1963. — SCHRAMM, Wilbur: The Process and Effects of Mass Communication, University of Illinois Press Urbana 1954, 6. Auflage, 1965. — FERNSEHEN IN DEUTSCHLAND. Gesellschaftspolitische Aufgaben und Wirkungen eines Mediums. Redaktion: Christian Longolius. Mainz: v. Hase & Koehler, 1967. — STEINER, GARY A.: The People Look at Television. A Study of Audience Attitudes. New York: Alfred A. Knopf, 1963. — BELSON, WILLIAM A.: The Impact of Television. Methods and Findings in Program Research. London: Crosby Lockwood & Son Ltd., 1967. Siehe auch Literaturempfehlungen zu „Wirkung des Rundfunks".

6 8 LANG, K.J Engel-Lang, Gladys: The Unique Perspective of Television and Its Effect. In: American Sociological Review, Vol. 18: 1953, S. 3—12.

32-

Fernsehtechnik U D O BLÄSSER

Das Fernsehen im allgemeinen Sinn umfaßt die Aufnahme von stehenden oder bewegten Bildern, die Umwandlung solcher Bilder in elektrische Werte, die Weiterleitung dieser Werte und die Rückwandlung der elektrischen Größen und damit die Wiedergabe der gleichen Bilder an einen von der Aufnahme mehr oder weniger weit entferntem Ort. Die Übertragung eines Bildes kann entweder nur für einen oder wenige Empfangsorte notwendig sein, beispielsweise für die Übertragung der Vorgänge bei einer Operation aus dem Operationssaal in einen Vorlesungsraum, oder der Bilder von einem verkehrsreichen Platz zur Zentrale der Verkehrspolizei, oder der Vorgänge an schwer zugänglichen Beobachtungsstellen (wie Feuerkessel, Atomreaktoren) zu den Überwachungsstellen. Die Übertragung eines Bildes kann andererseits einem Rundfunk-FernsehSender zugeführt, von diesem ausgestrahlt und damit einem sehr großen Kreis von Empfängern, nämlich den Fernseh-Rundfunk-Teilnehmern, zugeführt werden. Im ersteren Falle spricht man von industriellem Fernsehen, im zweiten Falle vom Femsehen allgemein, genauer vom Fernseh-Rundfunk. Die physikalischen und technischen Grundlagen dieser beiden Anwendungsarten der Fernsehtechnik sind die gleichen. Das Bild wird nach einem Verfahren, auf das man sich allgemein geeinigt hat, gewissermaßen punktweise und zeilenweise nacheinander abgetastet, durch ein Medium, das es gestattet, die Helligkeitswerte des abzutastenden Bildes in entsprechend starke elektrische Strom- oder Spannungswerte umzusetzen. Als Medium wird dafür heutzutage ein elektrischer Strahl benutzt, der durch die Veränderung von elektrischen und magnetischen Feldern so abgelenkt wird, daß er das zu übertragende Bild in Zeilen von links nach rechts abtastet und schreibt und die einzelnen Zeilen von oben nach unten untereinander setzt. Der abtastende Strahl springt dabei sehr schnell von dem Ende jeder Zeile auf der rechten Seite zum Anfang der darunterliegenden Zeile auf der linken Seite des Bildes zurück und ebenso von dem rechten unteren Ende der letzten Zeile des Bildes zum Anfang der obersten Zeile ein der linken oberen Ecke des Bildes zurück. Die Trägheit des menschlichen Auges gestattet es, ein Bild auf diesem Wege punkt- und zeilenförmig hintereinander aufzubauen, wenn diese Vorgänge der Abtastung wie der Wiedergabe genügend schnell erfolgen. Vom Film her ist bekannt, daß zu einer fließenden (nicht ruckweisen) Darstellung

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eines Bewegungsvorganges etwa 12—16 Bilder in der Sekunde aufgenommen und wiedergegeben werden müssen. Für den normalen Kinofilm von 35 mm Breite ist diese Bildwechselzahl auf 24 Bilder pro Sekunde festgelegt worden. Diese Bildwediselzahl wird bei der Filmwiedergabe durch die Zwischenschaltung einer Zweiflügelblende, die mit dem einen Flügel nicht nur den zu projizierenden Film während des Bildwechsels, sondern mit dem anderen Flügel auch das stehende Bild für den gleichen Zeitbetrag abdeckt scheinbar auf das Doppelte, nämlich auf 48 Bildwechsel gebracht, um vornehmlich bei großer Helligkeit der Wiedergabe des Films ein sonst noch merkbares Flimmern (eine periodische Schwankung der Bildhelligkeit) zu verhindern. Ähnlich wie die Filmtechnik verfährt auch die Fernsehtechnik: Hier hat man sich entschlossen, die Bildwechselzahl auf 25 Bildwechsel in der Sekunde festzulegen, dies entspricht der Hälfte der Frequenz von 50 Hertz des Starkstroms in den Energieversorgungsnetzen der meisten Länder. In den USA allerdings beträgt die Netzfrequenz zumeist 60 Hertz, dementsprechend sieht die amerikanische Fernseh-Norm eine Bildwechselzahl von 30 Bildern vor.

1. Zeilen und Zellenzahlen Da auch bei dieser Bildwechselzahl die Gefahr einer Beeinträchtigung des Bildes durch Flimmern noch möglich ist, hat man das Zwischenzeilenveriahren eingeführt. Danach steuert man den abtastenden und wieder aufzeichnenden ElektronenStrahl so, daß er einmal nur die 1., 3., 5. usw., also alle ungradzahligen Zeilen und danach die 2., 4., 6. usw., also alle gradzahligen Zeilen, abtastet. Jedes Einzelbild setzt sich nach diesem Verfahren aus zwei ineinandergefügten Halbbildern zusammen. Man erhält auf diese Weise 50 Halbbilder pro Sekunde und hat damit die Bildwechselzahl scheinbar auf 50 erhöht. Am Ende jeder Zeile und am Ende jedes Halbbildes wird der schreibende Elektronenstrahl während des Zurückspringens auf den nächsten Zeilenanfang oder auf den Anfang des nächsten Halbbildes in seiner Intensität abgeschwächt (ausgetastet), damit die Rückführung des Strahls nicht sichtbar wird. In diese Austastlücken werden die für den Gleichlauf zwischen Sende- und Empfangsseite erforderlichen Gleichlaufsignale ( S y n c h r o n i s i e r i m p u l s e ) eingefügt. Die Zeilenzahl, die bei der Fernseh-Übertragung eines Bildes auf der Senderseite abgetastet und auf der Empfangsseite geschrieben wird, gilt als ein wesentliches Maß für die Qualität des übertragenen Bildes. Während bei den ersten Ubertragungsversuchen noch mit so geringen Zeilenzahlen gearbeitet wurde, daß nur Bilder mit wenigen Einzelheiten wiedergegeben werden konnten, stieg die Zahl der Zeilen und damit die Qualität des Bildes bei der Einführung des Fernsehens in Deutschland in den dreißiger Jahren auf 441 Zeilen pro Bild. In England wurden 405 Zeilen pro Bild als Norm eingeführt und bis heute bei-

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behalten, während die Technik der Vereinigten Staaten sich auf 525 Zeilen pro Bild festgelegt hat. Frankreich versuchte, sich auf eine Zeilenzahl von sogar 819 Zeilen pro Bild einzustellen und die übrigen europäischen Länder von der Zweckmäßigkeit der Einführung dieser Norm zu überzeugen. Die Zunahme der Zeilenzahl über ein bestimmtes mittleres Maß hinaus erhöht aber die Schwierigkeit bei der Übertragung solcher Bilder derart, daß die Verbesserung dieser Bilder in keinem Verhältnis dazu steht. Man einigte sich daher in den übrigen europäischen Ländern auf die technisch und wirtschaftlich optimale Norm von 625 Zeilen pro Bild. Diese Norm wurde dann auch von einigen nichteuropäischen Ländern, auch solchen, die dem britischen Commonwealth angehören (z. B. Australien und Neuseeland) übernommen. Neuerdings gehen auch England und Frankreich mit neuen Fernseh-Rundfunk-Netzen auf die Zeilenzahl von 625 Zeilen über, was insbesondere für die Einführung des Farbfernseh-Rundfunks von besonderer Bedeutung ist. Weitere, bei der Fernsehrundfunktechnik zu vereinbarende Normen sind, neben der Zeilenzahl, z. B. das normierte Seitenverhältnis der Bilder (3:4) und einige weitere physikalische und technische Daten. Diese Normen sind, genau genommen, nur für den Fernseh-Rundfunk notwendig, weil jede in sich geschlossene industrielle Fernseh-Ubertragungsanlage an sie nicht gebunden ist. Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Fertigung solcher Anlagen wird aber auch hier nur in besonderen Fällen von der jeweiligen Norm des FernsehRundfunks abgewichen. Von der mechanischen Zerlegung und Abtastung des Bildes durch verschiedene, hierfür entwickelte Apparaturen, von denen die umlaufende Lochscheibe — nach ihrem Erfinder Nipkow-Scheibe genannt — wohl die bekannteste war, kam man innerhalb der Entwicklung sehr bald zu der Abtastung und Wiedergabe durch den fast trägheitslos zu steuernden Elektronenstrahl.

2. Die Fernsehkamera Die Femseh-Kamera von heute besteht in ihrem optischen Teil aus einem oder mehreren — in einem sogenannten Revolver zusammengefaßten — festen Objektiven mit verschiedener Brennweite oder neuerdings auch immer mehr und mehr aus Objektiven mit stetig veränderlicher Brennweite und damit mit kontinuierlich veränderlicher Vergrößerung und veränderlichem Bildwinkel („Gummilinse"). Das Objektiv wirft ein optisches Bild auf eine Fläche in einer Vacuumröhre, der eigentlichen Bildempfangsröhre, welche das optische Bild in ein „elektrisches Bild" verwandelt, d. h., daß jedem einzelnen Punkt des optischen Bildes eine elektrische Ladung an diesem Punkt auf der „Bildwandlerplatte" je nach Helligkeit entspricht. Dieses elektrische Bild wird von einem Elektronenstrahl abgetastet, in der Art, wie sie vorher beschrieben wurde. Dabei erfährt die Stärke dieses

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Elektronenstrahles je nach der Helligkeit und damit der elektrischen Aufladung, die der jeweilige abgetastete Bildpunkt aufweist, eine entsprechende Veränderung. Gleichzeitig wird die elektrische Ladung des betreffenden abgetasteten Bildpunktes dabei gelöscht, und dieser Bildpunkt ist, wie alle nachfolgend abgetasteten Bildpunkte, und damit schließlich das ganze Bild, für ein neues, optisches und „elektrisches" Bild bereit. Wenn diese Abtastung wie schon geschildert, 25mal in der Sekunde erfolgt, jedes Bild also in 40 Millisekunden abgetastet und in der gleichen Zeit am Empfangsort neu geschrieben wird, so erscheint auch ein bewegter Vorgang für das Auge als kontinuierlicher Ablauf. Die in den Fernsehkameras verwendeten Bildröhren weisen zum Teil verschiedene Konstruktionsmerkmale, und damit gegeneinander verschiedene Vor- und Nachteile auf. Im deutschen Studiobetrieb verwendete man anfangs fast nur sogenannte Super-Ikonoskop-Röhren, die den Vorteil einer weicheren Durchzeichnung der Bilder mit besonders wenig Störeffekten aufweisen, aber den Nachteil besitzen, eine höhere Beleuchtungsstärke zu benötigen. Außerhalb der Studios wurden zumeist Fernsehkameras mit Super-OrthikonRöhren verwendet, die schon bei geringeren Lichtstärken ein gutes Bild ergeben, aber mehr Störeffekte aufweisen, wie z. B. den, daß sie bei relativ hohen punktförmigen Lichtstärken im Bild, wie sie etwa durch Lichtreflexe von spiegelndem Schmuck oder durch das Licht von Kerzen, oder beim Aufleuchten von Streichhölzern usw. entstehen, einen schwarzen Ring um diesen Lichtpunkt aufweisen (Halo-Effekt). Bei geschickter Bedienung der Kameras mit solchen Röhren lassen sich diese Störeffekte jedoch vermindern oder vermeiden, so daß dieser Bildröhren typ wegen seines Vorteils des geringen Lichtbedarfs auch in den Studios mehr und mehr Eingang gefunden hat, da mit der geringeren Leuchtstärke auch ein geringerer Wärmeanfall verbunden ist und damit der Umfang und die Kosten für die notwendigen Klimatisierungsanlagen vermindert werden können. Ein dritter ebenfalls verwendeter Röhrentyp ist das sogenannte Vidikon, das kleiner, leichter und billiger gebaut werden kann, jedoch sehr raschen Bewegungsvorgängen noch nicht so gut folgen kann, wie die beiden vorgenannten Bildröhrentypen. Seine Anwendungsgebiete nehmen aber inzwischen auch immer mehr zu.

3. Wiedergabe von Diapositiven Die Wiedergabe von Diapositiven, also von stehenden, nicht bewegten Bildern wird in der Fernsehtechnik dadurch erreicht, daß man statt der konstanten Lichtquelle eines Dia-Projektors eine Kathodenstrahlröhre benutzt, auf deren Leuchtschirm ein stets gleich starker Elektronenstrahl ein Raster nach den vorerwähnten

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Normen schreibt, also wieder eine punkt- und zellenförmig aufgebaute, aber in diesem Fall überall gleich helle Leuctitfläche entstehen läßt, die über optische Linsensysteme das Diapositiv durchleuchtet und j e nach dessen Lichtdurchlässigkeit ein über die Fläche von verschieden hellen Bildpunkten erzeugtes Bild entstehen lassen würde, wenn dieses Bild auf eine Projektionswand geworfen werden würde. Statt der Projektionswand benutzt man aber eine Fotozelle, einen optischelektrischen Wandler, der die Helligkeitsänderungen in elektrische Signale umwandelt, die bei der in Wirklichkeit zeitlich nacheinander erfolgenden punktförmigen Abtastung des Bildes in der oben geschilderten Weise auch nacheinander entstehen, wenn auch mit fast unvorstellbarer Geschwindigkeit („Flying spot"Verfahren). Ähnlich kann die Übertragung von Bildvorlagen (auch aus Büchern, Zeitschriften, Zeitungen usw.) mit Hilfe von Episkopen durchgeführt werden.

4. Wiedergabe von bewegten Bildern Die Wiedergabe von bewegten Bildern, also Filmen (sowohl von Normalfilm von 35 mm Breite wie von Schmalfilm von 16 mm Breite) wird im Prinzip nach dem gleichen Verfahren durchgeführt. Durch eine mechanisch-optische Spezialeinrichtung wird es ermöglicht, daß der Film dabei kontinuierlich ablaufen kann, also nicht wie sonst ruckweise durch das Bildfenster gezogen werden muß, wie beim normalen Filmprojektor, was unter anderem wesentlich zur Schonung des Films und des Laufwerkes beiträgt. Andererseits sind neuerdings auch Schnellschalt-Laufwerke entwickelt worden, die in der sehr kurzen Zeit der Bild-Austastlücke, also in der Zeit, in der ein Bild geschrieben wurde und der Elektronenstrahl in seine Ausgangsstellung zurückspringt, um erneut zwei ineinandergefügte Halbbilder abzutasten, das Filmbild im Filmfenster gegen das nächste Filmbild auswechseln. Bei solchen Fernseh-FilmProjektoren kann das Bild von einer normalen Lichtquelle durchleuchtet werden und auf die Bildwandlerplatte einer normalen üblichen Fernseh-Bildwandlerröhre, beispielsweise einem Vidikon, projiziert werden. Beim Fernseh-Rundfunk ist es wie beim Ton-Rundfunk üblich geworden, die meisten Programm-Beiträge zunächst erst einmal auf Film oder Magnetband aufzuzeichnen, um sie dann später zum vorgesehenen Sendetermin abzuspielen und auszustrahlen. Solche Fernseh-Produktionen wurden zunächst ausschließlich auf Schmalfilm von 16 mm Breite oder auf Normalfilm von 35 mm Breite aufgezeichnet. Bei der Aufzeichnung auf Umkehrfilm, der beim Fernseh-Rundfunk sehr viel verwendet wird, muß die Entwicklung einschließlich Umkehrung abgewartet werden, bei der Aufzeichnung auf Negativfilm muß nicht nur dessen Entwicklung, sondern dazu auch noch die Herstellung einer Positivkopie abgewartet werden, um die

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aufgezeichnete Produktion hinsichtlich ihrer technischen und künstlerischen Güte einwandfrei beurteilen zu können. Seit längerer Zeit ist es aber auch möglich geworden, nicht nur den Ton, sondern auch das Bild auf Magnetband aufzuzeichnen. Das hat gegenüber dem vorgenannten Verfahren den Vorteil, daß die Aufnahmen in Bild und Ton sofort wieder abgespielt werden können. Produzenten, Regisseure und Redakteure können umgehend nach einer solchen Aufnahme feststellen, ob ihnen die jeweilige Szene gelungen ist, anderenfalls können sie die Szene und die Aufnahme wiederholen bis zu einer gewissen Perfektion. Da man in neuerer Zeit auch gelernt hat, das Band zu schneiden, zu cutten, können auch ganze Szenen aus einer solchen Aufnahme herausgenommen werden und neue Szenen eingefügt werden, ohne daß dies bei der Wiedergabe des Bandes, also auch bei der Sendung, störend in Erscheinung tritt. Besonders aber bei der Aufnahme von aktuellen Ereignissen kurz vor der hierfür vorgesehenen Sendezeit im Gesamtprogramm ist die Eigenschaft des Magnetbandes, fast unmittelbar nach der Aufnahme wieder abspielbereit zu sein, von außerordentlicher Bedeutung. Dazu kommt, daß auch das Magnetband, das das Bild mitsamt dem zugehörigen Ton enthält, sich löschen läßt, wie das allgemein bekannte Tonband des Ton-Rundfunks und damit im Gegensatz zum Film fast unbegrenzt wiederverwendbar bleibt.

5. Das Studio Die Rundfunk-Studios im Ton-Rundfunk, wie im Fernseh-Rundfunk, haben miteinander gemeinsam, daß ihre akustischen Eigenschaften ihrem besonderen Verwendungszweck angepaßt sein müssen. Es wird bei ihnen immer darauf ankommen, sie so zu gestalten und einzurichten, daß die Beeinflussung durch die Außengeräusche so gering wie möglich bleibt, und daß die akustischen Verhältnisse im Innern so gut wie möglich werden. Während man jedoch im Ton-Rundfunk-Studio fast immer für alle in ihm vorkommenden Produktionen die akustischen Verhältnisse gleichmäßig gut halten kann, werden die akustischen Daten in einem Fernseh-Studio Veränderungen unterworfen, die sich durch die Zahl und die Art der jeweils in die Studios einzubringenden Kulissen und Requisiten ändern. Weiterhin unterscheiden sich die Fernseh-Studios von den Ton-Studios dadurch besonders, daß sie eine viel stärkere Beleuchtung und, dadurch bedingt, auch eine umfangreichere Belüftung oder Klimatisierung benötigen. Wegen des Platzbedarfs für die zahlreichen Beleuchtungselemente, die zum größten Teil verstellbar sein müssen, werden die Fernseh-Studios auch höher gebaut, als die Ton-Rundfunkstudios gleicher Grundfläche. Die Größe der Grundfläche der Fernseh-Studios liegt im Mittel bei 200 bis etwa 800 qm, die Höhe dieser Studios beträgt entsprechend 6 bis 12 m und mehr. Viel kleinere oder

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größere Fernseh-Produktions-Studios sind sehr viel seltener. Die Regieräume für Fernseh-Studios werden, der besseren Übersicht wegen, gern mehrere Meter über dem Fußboden des Fernsehstudios angeordnet und enthalten einen Bild-Regie-Platz, einen Ton-Regie-Platz und einen Platz für die Beleuchtungs-Regelung.

6. Die Regie In der Bild-Regie werden die von den elektronischen Kameras abgetasteten Bildszenen, die auf sogenannten Monitoren für den Bild-Regisseur und den BildMischer sichtbar gemacht werden, über verschiedene Regel- und Mischeinrichtungen im Laufe der Handlung gewechselt, überblendet oder gemischt, wie es das Drehbuch des Autors oder die Idee des Regisseurs es vorsieht. Im benachbarten Ton-Regieraum, in dem das ausgehende Bild ebenfalls auf einem Monitor sichtbar ist, wird der dazugehörige Text in Sprache oder Gesang oder die zu unterlegende Musik hinzugefügt. Dem Toningenieur steht dafür ein großes Regiepult mit vielen Reglern zur Verfügung, mit deren Hilfe er die verschiedenen Tonquellen, die Mikrophone, Schallplatten oder Magnetbänder, je nach gewünschter Art und Lautstärke, einblenden kann. In dem Raum für die Beleuchtungsregehing wird die für die jeweilige Szene notwendige Beleuchtung eingeschaltet, in ihrer Helligkeit geregelt und in ihrer Lichtverteilung so verändert, wie dies der Ablauf der Handlung erfordert und wie dies aus dem Wirken der Theater-Bühnenbeleuchtung bereits bekannt ist. Jeder der drei Regieplätze hat die Möglichkeit, seine, im Studio tätigen Mitarbeiter über Leitungen oder auch über drahtlose Sende- und Empfangsanlagen anzusprechen, um Änderungen an der Einstellung der Kameras, der Mikrophone und der Scheinwerfer vornehmen zu lassen oder weitere Regieanweisungen zu erteilen. Die erwähnten Mitarbeiter sind dazu mit Kopfhörern und — sofern „drahtlos" gesprochen wird — mit tragbaren Empfängern ausgerüstet, die ihnen gestatten, jeweils nur die für sie bestimmten Anweisungen aufzunehmen. Im Studio selbst wird bei größeren Produktionen zumeist mit mehr als drei bis zu sechs elektronischen Kameras gearbeitet, die auf Stative, schwenkbar und fahrbar, aufgesetzt sind. Bei Außenaufnahmen führen die Fernseh-Ubertragungswagen jeweils drei bis vier elektronische Kameras mit und sind damit in der Lage, über mitgeführte bewegliche Richtfunkstrecken (auf Dezimeterwellen, daher kurz Dezi-Strecken genannt), nicht nur Produktionen auf Magnetband sondern auch Direktsendungen (Life-Sendungen) durchzuführen. Diese Möglichkeit besteht nicht bei den von Film-Trupps mit normalen Reportage-Film-Kameras gemachten Aufnahmen (vom aktuellen Zeitgeschehen beispielsweise), die wegen der Filmentwicklung erst mit einer Zeitverzögerung von

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einigen Stunden gesendet werden können. Trotzdem bilden diese Film-Aufnahmen einen wichtigen Beitrag des täglichen Fernseh-Programms. über die sogenannte Senderegie und den Hauptschaltraum gehen diese verschiedenen Produktionen als Programmteile mit den von anderen Rundfunkgesellschaften über Fernseh-Fernverbindungen zugelieferten Programmbestandteilen, einschließlich der Zwischenansagen, zu den Sendern.

7. Der Fernsehsender Die Fernseh-Rundfunk-Sender bestehen aus je einem Bild-Sender und einem Ton-Sender, deren Frequenzabstand nach den schon erwähnten -»- Nonnen auf genau 5,5 MHz eingestellt und automatisch konstant gehalten wird. Die beiden einander in diesem Abstand zugeordneten Träger-Frequenzen für Bild und Ton werden über eine „Frequenz-Weiche" zusammengeführt und so über ein gemeinsames Antennen-Kabel der ebenfalls für beide Trägerfrequenzen und deren Modulation gemeinsamen Antenne zugeführt. Für die Sende-Antennen haben sich, wie beim Ultrakurzwellen-Rundfunk, zu dem der Fernseh-Rundfunk hinsichtlich der hierbei verwendeten Sendefrequenzen im weiteren Sinne auch gehört, verschiedene Antennenformen herausgebildet, die nach den örtlichen Bedingungen wie nach den für den betreffenden Sender-Standpunkt gegebenen (internationalen) Auflagen ausgewählt werden. Allen diesen Antennen-Formen ist gemeinsam, daß sie die auszustrahlende Sendeleistung bündeln wie die Scheinwerfer eines Leuchtturmes, der horizontal nach allen Richtungen, vertikal aber — zum Boden unter sich und zum Himmel über sich — nicht strahlt. Dadurch wird die Sendeenergie nur dorthin gestrahlt wo sie nutzbringend verwendet werden kann, nämlich zu den Femseh-RundfunkEmpfängern im Umkreis um den Strahler bis an den scheinbaren Horizont dieses „Leuchtturms". Je höher diese Sendeantenne angebracht ist, desto weiter sind demnach die von ihr ausgestrahlten Sendungen zu empfangen. Am Empfangsort wird durch diese Bündelung der Sendeenergie eine höhere Empfangsintensität erzielt gegenüber der, die von einer die Energie kugelförmig in den Raum ausstrahlenden Sendeantenne zu erhalten wäre. Man spricht in diesem Fall von dem „Gewinn" der Sendeantenne, der beispielsweise im FernsehBand III je nach Antennen-Form den Wert von 3—5 annehmen kann und das bedeutet, daß bei einem Sender mit einer Senderleistung von 10 kW eine wirksame Strahlungsleistung von 50 kW bis 100 kW ermöglicht wird.

8. Der Fernsehempfänger Beim Fernseh-Rundfunk-Empiang benötigt man ähnlich wie beim Empfang des Ton-Rundfunks über Ultrakurzwellen (UKW) besondere Empfangsantennen, zu-

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UDO BLÄSSER

meist in Form von Dipol-Antennen, die möglichst aus mehreren Elementen aufgebaut sein sollten, das heißt, das sie neben dem eigentlichen Empfangs-Dipol noch einen „Reflektor" und möglichst auch noch einige „Direktoren" aufweisen, die der Empfangsantenne einen in Richtung auf den zu empfangenden Sender erhöhte Empfangsenergie liefern und gleichzeitig den ungewünschten, durch Reflexionen des Sendestrahls an hohen Häusern, Türmen, Gasometern usw. entstehenden Empfang unterdrücken. Solche Reflexionen, die einen gegenüber dem direkten Strahl vom Sender verlängerten Weg des Signals darstellen, erzeugen im Fernseh-Empfänger, wenn sie mit noch nennenswerter Energie dort eintreffen, Doppel- oder sogar Mehrfadikonturen (auch „Echos" oder „Geister" genannt) und beeinträchtigen so die Qualität des Bildes stark. Die Fernseh-Empfangsantennen werden horizontal (Normalfall in Deutschland) oder vertikal (Normalfall z. B. in England) angeordnet, j e nachdem die zu empfangenden Fernseh-Rundfunk-Sender horizontal oder vertikal polarisiert ausstrahlen, was zur Vermeidung von gegenseitigen Störungen in dem schon recht engen europäischen Fernseh-Rundfunk-Sendernetz an einigen Stellen notwendig wird. („Ochsenköpfe" = Beispiel für die Form der Antennen zum Empfang des vertikal polarisiert ausstrahlenden Fernseh-Rundfunk-Senders Ochsenkopf im Fichtelgebirge, zugehörig dem Netz des Bayerischen Rundfunks.) Dem Fernseh-Empfänger wird die der Empfangsantenne entnommene Energie auf einer möglichst kurzen, elektrisch angepaßten, Antennenleitung zugeführt. Dieser Fernseh-Empfänger hat wie ein Ton-Rundfunk-Empfänger ein Abstimmteil (Tuner), mit dem der zu empfangende Femseh-Rundfunk-Kanal eingestellt wird, er hat ferner, wie andere Rundfunk-Empfänger auch, Misch- und Zwischenfrequenz-Verstärkerstufen, in denen das Signalgemisch verstärkt wird und er hat schließlich Demodulations- und Trennstufen, von denen aus — nochmals verstärkt — das Bild der Bildröhre, der Ton den Lautsprechern und schließlich die Synchronisiersignale den Ablenkstufen für die Ablenkung des Elektronenstrahls in der Bildröhre zugeführt werden. Moderne Fernseh-Empfänger weisen meist weitgehend automatische Regelungen auf, so daß außer dem zu wählenden Programm und damit dem zu wählenden Kanal nur noch der gewünschte Bildkontrast, die Bildhelligkeit und die Lautstärke eingestellt wird.

9. D a s Farbfernsehen Das Farbfernsehen übermittelt in Erweiterung des Schwarz-Weiß-Fernsehens nicht nur, wie dieses, die verschiedenen Helligkeitswerte eines Bildes, sondern auch noch die Information über die Farben eines Bildes.

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Nach den Erfahrungen der Farbfotographie genügen drei Grundfarben zur Darstellung aller dem menschlichen Auge bekannten Farben. Beim Farbfernsehen werden alle diese Farben durch Mischung (Addition) der drei Grundfarben rot, grün und blau erzeugt. Jede Farbe ist gekennzeichnet durch den Farbton (Frequenz oder Wellenlänge der elektromagnetischen Schwingungen im sichtbaren Bereich) und durch die Farbsättigung. Das Maß der Farbsättigung ist gegeben durch die Beimischung von mehr oder weniger Weiß zum Farbton. Im ersteren Fall entstehen zarte (pastellartige) Farbtöne (geringe Farbsättigung) im zweiten Fall entstehen kräftige (satte) Farbtöne (hohe Farbsättigung). Beim Farbfernsehen kommt es nun darauf an, zusätzlich zur Übermittlung der Helligkeitswerte eines Bildes (Luminanz) den Farbinhalt eines Bildes (Chrominanz) mit Hilfe seiner beiden Komponenten, Farbton und Farbsättigung, zu übermitteln. Beim Farbfernsehen im Fernseh-Rundfunk kommt es außerdem noch darauf an, diese beiden zusätzlichen Informationen möglichst in den vorhandenen Ubertragungskanälen unterzubringen und über sie zu übermitteln. Dazu ist es notwendig, in dem üblichen Fernseh-Rundfunk-Kanal, den die Fernseh-Rundfunksender ausstrahlen, für das Farbfernsehen im Rundfunk noch einen Hilfsträger einzuführen, dessen Frequenz innerhalb der Bandbreite des Kanals in einem Abstand von etwas mehr als 4 MHz höher liegt, als der eigentliche Grundträger des ganzen Kanals. Während der Grundträger, wie beim Schwarz-Weiß-Fernsehen, die (Grund-) Helligkeit des Bildes überträgt, übernimmt der Hilfsträger die Übermittlung der Farbinformationen. Da aber die Bildquellen (Bildwandler) bei den heute üblichen Verfahren nicht die Helligkeit, den Farbton und die Farbsättigung getrennt, sondern die drei Grundfarben anliefern, müssen diese Informationen erst für die Übertragung auf den Sender aufgeschlüsselt werden, sie müssen codiert werden, in einem Coder umgesetzt werden. Diese Bedienung wird einmal so vorgenommen, daß drei verschieden große Anteile der drei Grundfarben rot, grün und blau nach ihrer physiologischen Wertigkeit für das menschliche Auge zusammengefaßt, den Maßstab für die Helligkeit (Leuchtdichte) des Bildes geben und dann dem Grundträger aufmoduliert werden, während für die Farbinformationen aus den drei Grundfarben zwei Signale gebildet werden, die dem Hilfsträger aufmoduliert werden. Der Farbfernseh-Rundfunkempfänger demoduliert und decoriert aus dem Helligkeitssignal und den beiden über den Hilfsträger übertragenen zusätzlichen Farbsignalen die drei Grundfarben in den dem abgetasteten Bild entsprechenden Werten hinsichtlich Helligkeit (Leuchtdichte), Farbton und Farbsättigung. Der Schwarz-Weiß-Fernseh-Rundfunkempfänger empfängt von dem gleichen übertragenen Signalgemisch nur den dem Grundträger aufmodulierten HelligkeitsWert und liefert so von dem gleichen übertragenen Farb-Bild ein unbuntes Schwarz-Weiß-Bild. Dieses Verfahren nennt man daher kompatibel, verträglich für

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beide Arten von Empfangsgeräten. Man hat unter den möglichen FarbfernsehUbertragungssystemen nur die ausgewählt, die kompatibel sind. In den USA wurde ein solches Verfahren unter der Bezeichnung NTSC-Verfahren standardisiert. (NTSC = National Television System Committee) Des gleichen Verfahrens bedient sich Japan, das nach den USA die meiste Initiative bei der Einführung des Farbfernsehens an den Tag legte. Die unmittelbare Übernahme des NTSC-Verfahrens in anderen Ländern, vornehmlich in Europa, wäre nach Anpassung an die andersgearteten Zeilenzahlen möglich gewesen. Da eine gewisse Änderung (Adaption) an die Europäischen Verhältnisse aber sowieso vonnöten war, entschied man sich, das NTSC-Verfahren gleichzeitig auch in Richtung auf eine noch größere Stabilität, besonders hinsichtlich der Farbton-Übertragung, auszubauen. Von den möglichen Varianten dafür kamen bei den internationalen Gremien zur Klärung dieser Fragen schließlich nur noch zwei Verfahren in die engere Wahl: das in Frankreich entwickelte Secam-Verfahren (Secam = Sequentiel ä memoire) und das in Deutschland entwickelte PALVerfahren (Pal = Phase AJternating Line). Den Vor- und Nachteil beider Systeme gegeneinander aufzuzeigen, würde hier zu weit führen. Beide Systeme aber haben, auf dem NTSC-Verfahren aufbauend, gegenüber dem Original auch bei der Übertragung über weite Entfernungen und beim Empfang in gebirgigen Gegenden wesentliche Vorteile aufzuweisen. Der nach diesen Systemen arbeitende Empfänger braucht keine Einstellungen mehr, um den Farbton zu korrigieren, ein Verfahren, das sowieso umstritten sein kann, da dem Empfänger in den meisten Fällen der jeweilige Farbton des Originals nicht bekannt sein wird. Das PAL-Verfahren hat darüber hinaus noch den Vorteil, sich leichter als das SECAM-Verfahren in das NTSC-Verfahren umwandeln zu lassen und umgekehrt, was beim internationalen Fernseh-Programmaustausdi mit den das NTSC-Verfahren anwendenden Ländern, wie den USA und Japan, besondere Bedeutung hat. So haben sich denn die meisten europäischen Länder auf der Konferenz in Oslo im Juli 1966 für die Einführung des Farbfernsehens nach dem PAL-Verfahren entschieden, wie Deutschland, Großbritannien, Italien, die Schweiz, Holland und alle skandinavischen Länder. Mit dem Anschluß an dieses System durch weitere europäische (und außereuropäische) Länder ist zu rechnen.

LITERATUR v.

H. J.: Film, Rundfunk, Fernsehen. Forscherlexikon Bd. 9. Frankfurt 1958. W.: Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens, Bd. 6. Buchreihe des SFB. Berlin 1967. — KERKHOF, F.: Femsehen, Einführung in die physik. u. tedin. Grundlagen der Fernsehtechnik. Eindhoven 1954. — KIRSCHSTEIN, Fr. u. KRAHWINKEL, G.: Fernsehtechnik. Stuttgart 1952. — SCHRÖTER, F.; THEILE, R.; W E N D T , G.: Fernsehtedinik, Grundlagen des elektronischen Femsehens, 1. Aufl. Berlin—Göttingen—Heidelberg 1956. —

BRAUNMÜHL,

BRUCH,

Fernseh-Statistik ELISABETH BERG U N D A R T U R J E R G E R

1. A b g r e n z u n g u n d Entwicklung Die Fernseh-Statistik der Bundesrepublik Deutschland hat ihr Gegenstück in der Hörfunk-Statistik. Die Aufgabe der Fernseh-Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung und Darstellung der Arbeit und Leistung der Landesrundfunkanstalten und des Zweiten Deutschen Fernsehens. Die Bedeutung des Fernsehens in der Bundesrepublik und West-Berlin läßt sich ermessen, wenn man sich vor Augen hält, daß im Herbst 1967 bereits 13,4 Millionen Teilnehmer d. h. angemeldete Fernsehapparate verzeichnet wurden. Geht man davon aus, — was statistisch nachgewiesen ist — daß mit jedem Gerät etwa 3 Personen erreicht werden können, dann besteht theoretisch die Möglichkeit, schon heute etwa 40 Millionen Bundesbürger mit einer einzigen Sendung anzusprechen, d. i. 67 °/o der Gesamtbevölkerung (potentielle Zuschauer). Hinzu gerechnet werden müßten die Fernsehteilnehmer, die jenseits der Grenzen der Bundesrepublik die deutschen Programme empfangen. Allein diese große Zahl zeigt, daß das Massenmedium Fernsehen einen eminent politischen, kulturellen und volkswirtschaftlichen Faktor darstellt. Seine Auswirkungen auf andere Medien, wie Theater, Film, Presse und insbesondere den Hörfunk, sind groß. Die erste Andeutung einer Fernseh-Statistik findet sich in der Chronik des Fernsehens. Anläßlich der XI. Olympischen Spiele in Berlin im Jahre 1936 konnten 150 000 Personen in 28 Fernsehstuben der Reichspost die Wettkämpfe optisch und akustisch miterleben, also fernsehen. Am 1. 9. 1953 verzeichnete die Deutsche Bundespost 3961 angemeldete Fernsehteilnehmer. Schon früher wurden in den einzelnen Rundfunk-Anstalten Aufzeichnungen über die Zusammensetzung der Programme nach Programmgattungen und über den Ablauf der Sendungen gemacht. Diese Registrierungen können als Vorläufer der Femseh-Programmzeit-Statistik bezeichnet werden. Als die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten am 1.11. 1954 das Gemeinschaftsprogramm des Deutschen Fernsehens eröffneten, begann man damit, spezielle Programmzeit-Statistiken zu erstellen. Diese wurden für die Koordinierung der Sendungen notwendig, steuern doch die einzelnen Rundfunkanstalten nach einem festgelegten Schlüssel Sendungen zum Gesamtprogramm bei.

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ELISABETH BERG • ARTUR JERGER

Die Produktions-Statistik, die einen Überblick über die Programm- und Produktionsstruktur (z. B. Eigen- und Fremdproduktion) ermöglicht, gewann zunehmend an Bedeutung. § 22 Abs. 4 des Staatsvertrages über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" schreibt vor: „Der Intendant hat durch Zusammenarbeit mit den für das erste Fernsehprogramm Verantwortlichen darauf hinzuwirken, daß die Fernsehteilnehmer der Bundesrepublik zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen können." Demzufolge waren, als das ZDF am 1. 4. 1963 als zentrale Länderanstalt mit der Ausstrahlung seines Programms begann, für ARD und ZDF Programmschemata gleicher Art zu erarbeiten. Diese finden in den entsprechenden Fernseh-Statistiken ihren Niederschlag. Auch die Sendungen, die auf Grund des internationalen Programmaustauschs ausgestrahlt werden und in den Statistiken der Union Européenne de Radiodiffusion (U. E. R.) erscheinen, können den Programmzeit-Statistiken der ARD und des ZDF entnommen werden. Ähnlich wie bei der Hörfunk-Statistik zeichnet die Fernseh-Statistik auch Fakten auf, die in diesem Handbuch an anderer Stelle — z. B. in dem Beitrag „Wirkung und Wirkungsforschung" — behandelt werden.

2. Arten, Ergebnisse und Aussagen a)

Teilnehmer-Statistik

Im allgemeinen gilt für die Fernsehteilnehmer-Statistik das gleiche wie für die Hörfunkteilnehmer-Statistik. Die Entwicklung der Teilnehmerzahlen verlief erstaunlich rasch. Zwei Jahre nach dem Beginn der ersten Ausstrahlung waren im Bundesgebiet 160 000 Fernsehgeräte angemeldet. Am 1. 9. 1967 betrug die Zahl der Fernsehteilnehmer bereits 13,4 Millionen, das bedeutet, daß heute auf drei Hörfunk- zwei Fernsehteilnehmer kommen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß jeder Fernsehteilnehmer auch eine Hörfunkgenehmigung haben muß. Die Entwicklung in Deutschland entspricht der in anderen Ländern, wie z. B. in USA und Großbritannien. Die Fernsehteilnehmerdichte beträgt zur Zeit — auf die Zahl der Haushalte in der Bundesrepublik berechnet — 62,6 %>. Neben dieser Teilnehmerdichte ist auch der sendertechnische bzw. empfangstechnische Grad der Versorgung interessant. Zunächst konnte man mit einem Fernsehgerät nur ein einziges Programm empfangen. Erst als die ARD ein vorläufiges und später das ZDF ein vollständiges zweites Fernsehprogramm ausstrahlten, wurden die Empfangsgeräte für zwei und mehr Programme eingerichtet. Für die Bundespost als gebühreneinziehende und primärstatistisch erfassende Stelle war dies ohne Belang. Jedes Gerät ist anzumelden und in der Regel gebührenpflichtig, wobei es gleichgültig ist, ob ein, zwei

FERNSEH-STATISTIK

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oder mehrere Programme empfangen werden können; Gebührenbefreiung kann aus sozialen oder dienstlichen Gründen gewährt werden. Für die Programmgestaltung wie auch für die Werbung im Fernsehen ist es wichtig, die Zahl der Fernsehzuschauer zu kennen. Wenn man annimmt, daß — wie schon erwähnt — ein Fernsehgerät im Durchschnitt drei Zuschauer erreicht (auf die Fernsehhaushalte berechnet), dann können heute in der Bundesrepublik etwa 40 Millionen das erste Programm der ARD und von diesen etwa 35 Millionen das Programm des ZDF sehen. Es ist wahrscheinlich, daß bis zum Jahre 1970 sowohl ARD als auch ZDF 45—50 Millionen, d. h. mehr als 80% der Bevölkerung der Bundesrepublik und West-Berlins erreichen können. Zusätzlich werden mit der Ausstrahlung eines gemeinsamen Vormittagsprogramms der ARD und des ZDF auch Millionen Zuschauer im anderen Teil Deutschlands angesprochen. Die Zahl der Fernsehzuschauer, die im angrenzenden Ausland das Programm der deutschen Anstalten sehen und hören, ist nicht zu ermitteln. Die Teilnehmer-Statistik enthält die von der Bundespost registrierten Fernsehteilnehmer der Bundesrepublik und West-Berlins, gleichgültig, ob der Teilnehmer gebührenpflichtig ist oder nicht. b)

Sendezeit-Statistik Aufgabe dieser Statistik ist die Darstellung der verschiedenen Programmgattungen im Gesamtprogramm. Das Erste Fernsehprogramm („Deutsches Fernsehen") wird als Gemeinschaftsaufgabe der Landesrundfunkanstalten Bayerischer Rundfunk, Hessischer Rundfunk, Norddeutscher Rundfunk, Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk, Sender Freies Berlin, Süddeutscher Rundfunk, Südwestfunk und Westdeutscher Rundfunk gestaltet. Jede dieser Anstalten sendet außerdem in der Zeit zwischen 18 und 20 Uhr ein Regionalprogramm zu dem als wesentlicher Teil das Werbefernsehen gehört. Das Zweite Deutsche Fernsehen gestaltet sein Programm allein und strahlt es zentral für die Bundesrepublik und West-Berlin aus; dies gilt auch für die Werbesendungen. Die ARD-Anstalten produzieren neben den oben angeführten Programmen allein oder mit anderen Anstalten dritte Programme (Studienprogramme, Bildungsprogramme, Landesprogramme, Minderheitenprogramme u. a.). Das Vormittagsprogramm für die Zone auf den Kanälen des Ersten Programms wird seit Januar 1966 von der ARD und dem ZDF gemeinsam bestritten. Die Sendezeit-Statistik innerhalb der jeweiligen Programme liefert folgende Aussagen: die Leistung der Sender, die Leistung der Anstalten, die Sendeleistung nach den einzelnen Programmgattungen. Die jährliche Sendeleistung, nach Programmgattungen gegliedert, wird im Rahmen der Kulturstatistik im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik veröffentlicht. Für interne Zwecke, insbesondere Kostenanalysen, ist auch die Aufgliederung nach weiteren Merkmalen gebräuchlich, nämlich die Unterteilung in Erstsendungen 33

Publizistik II

ELISABETH BERG • ARTUR JERGER

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und Wiederholungen, Live-Sendungen und Abspielung von Produktionen, Filmproduktionen und elektronischen Produktionen. c)

Programmzeit-Statistik

Entsprechend der Darstellung der Programmzeit-Statistik beim Hörfunk könnte auch beim Fernsehen der Eindruck entstehen, daß Sendezeit gleich Programmzeit sei. Hier wie dort sind die Basiszahlen die gleichen. Wird aber ein Programm, z. B. die Tagesschau, über verschiedene Senderketten (1. und 3. Programm) gleichzeitig ausgestrahlt, so wird die Zeit in der Sendezeit-Statistik zweimal erfaßt, bei der Programmzeit-Statistik jedoch nur einmal, weil es sich um ein und dasselbe Programm handelt. Werden dagegen Sendungen zeitlich versetzt im ersten und dritten Programm ausgestrahlt, so werden sie jeweils gesondert erfaßt und tragen somit zur Erhöhung der Programmzeit bei. Die Vergleichbarkeit der Programmgattungen innerhalb der Beitragsleistungen der einzelnen Landesrundfunkanstalten und im "Verhältnis der ARD zum ZDF wird durch das Programmschema ermöglicht. Darin werden unterschieden: Fernsehspiele, Spielfilme, Dokumentarspiele, Musikalische Sendungen, Große Unterhaltung, Kleine Unterhaltung, Unterhaltung in Spielform, Features (politische, kulturelle), Sport, Nachrichten („Tagesschau", „heute"), Wetterbericht, Werbeblöcke, Werbefreie Regionalprogramme, Programmverbindungen. Bei den dritten Programmen, in denen die genannten Programmgattungen gleichfalls vorkommen können, sind zusätzlich zu erwähnen: Schulfernsehprogramme, andere Unterrichtsprogramme, regional informierende Programme. Obwohl bei ARD und ZDF in den einzelnen Programmgattungen unterschiedliche Akzente gesetzt werden, ist die Aussage der Programmzeit-Statistik bei beiden Organisationen gleichartig und vergleichbar. Dagegen haben die dritten sowie die Regionalprogramme der ARD-Anstalten und das Vormittagsprogramm für die Zone einen anderen Charakter und sind mit den Sendungen des ersten und zweiten Programms nicht vergleichbar. Aber auch die Sendungen des dritten Programms sind thematisch unterschiedlich ausgerichtet. So überwiegen z. B. beim Bayerischen Rundfunk die Bildungsprogramme, während beim Hessischen Rundfunk verschiedene Themenkreise der Bildung, der Information und der regionalen Unterrichtung gleichrangig angesprochen werden. Die Programmzeit-Statistik liefert sowohl den Nachweis für die Einhaltung des von den Programmverantwortlichen gesteckten Rahmens wie auch Erkenntnisse für die zukünftige Programmgestaltung. d)

Produktions-Statistik

Man kann darunter zweierlei verstehen: eine Statistik über die Ausstrahlung, gegliedert nach der Herkunft der Programme, und die Darstellung der Programmbeiträge nach der Produktionsart, gleichgültig, ob sie schon ausgestrahlt sind oder nicht.

FERNSEH-STATISTIK

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Hier sollen in erster Linie die Programme interessieren, die schon ausgestrahlt worden sind, je nachdem ob sie Eigen- oder Fremdproduktionen, Studio- oder Außenproduktionen sind, oder als Live-Sendungen, Filme, Filmaufzeichnungen und Magnetbildbandaufzeichnungen produziert wurden. Die Produktions-Statistik für den Bereich der Eigenproduktionen ermöglicht auch die Errechnung bestimmter Relationen, die für betriebswirtschaftliche Uberlegungen unerläßlich sind, z. B.: ob die Studiokapazität optimal ausgelastet wurde, ob die technischen Einrichtungen rationell genutzt wurden (Filmstudios nur für Filmproduktionen, elektronisch ausgerüstete Studios nur für Live oder elektronische Vorproduktionen). Die Zulieferung von Programmbeiträgen durch die Korrespondenten und die Studios im In- und Ausland ist in dieser Statistik ebenfalls zu berücksichtigen. Die Durchschnittskostensätze speziell für die aktuelle Produktion der Außenstudios zeigen in der Regel große Unterschiede auf. Aus diesen Unterschieden ergibt sich eine Aussage über die Produktivität der Studios. e)

Finanzstatistik

Die Finanzstatistik für das Fernsehen mit ihrer Darstellung der Vermögens-, Liquiditäts-, Einnahmen- und Ausgabensituation soll in diesem Rahmen nur kurz erwähnt werden. Betriebswirtschaftliche Daten, wie z. B. die Fortschreibung der Produktionskosten pro Sendeminute innerhalb der Programmgattungen einerseits und zwischen verschiedenen Produktionen (Kostenträger) andererseits, ergeben Anhaltspunkte für die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit der Produktionsart. Auch die Entscheidung für Eigen- oder Fremdproduktion (Auftragsproduktion bzw. Ankauf) wird durch solche Fakten beeinflußt. f)

Verbrauchsstatistik

Der Einsatz von Maschinen und Material (z. B. unbespieltes Magnetbild- und Tonband), die Ermittlung der Betriebsstunden der Kopierwerke, der Schneidetische, der Filmabtaster, der Übertragungswagen (im Verhältnis zu den zurückgelegten Strecken) und eine Reihe anderer Faktoren ergeben Hilfsstatistiken. Diese dienen im wesentlichen betriebsinternen Zwecken. Mit ihrer Hilfe können die betrieblichen Leistungen den einzelnen Produktionen, d. h. den Kostenträgern, zugerechnet werden. Nicht direkt zurechenbare Leistungen können nach dem Sendeminutenschlüssel auf die einzelnen Kostenträger umgelegt werden. g)

Personal-Statistik

Seit Beginn des Fernsehens gibt es Aufzeichnungen über die Personalentwicklung bei den Fernsehanstalten. In Tabellen und Grafiken werden die Berufsgruppengliederung (Redakteure, Regisseure, Produzenten, Kameramänner, Cutter, Techniker, Verwaltungspersonal usw.), die Personalfortschreibung, der Altersaufbau, der Krankenstand und andere Daten dargestellt. 33"

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h) Sonstige Statistiken In engem Zusammenhang mit den vorgenannten statistischen Arbeiten stehen zwischenzeitliche Fortschreibungen von Ergebnissen verschiedener anderer Betriebs-Statistiken. Die auf Grund statistisch-empirischer Methoden regelmäßig durchzuführenden Untersuchungen über Zuschauergewohnheiten, Programmauswahl, Beliebtheit oder Unbeliebtheit von einzelnen Sendungen oder Sendereihen werden im Rahmen des Kapitels über die Wirkungsforschung behandelt.

3. Statistische Vergleiche Zwischenbetriebliche Vergleiche sendezeit-statistischer und kostenmäßiger Art nehmen an Bedeutung zu. Ursprünglich waren lediglich Vergleiche zwischen Fernsehgesellschaften des Inlandes und des Auslandes von besonderem Interesse. Neuerdings rücken Vergleiche zwischen den ARD-Anstalten untereinander sowie der ARD und dem ZDF in den Vordergrund. Bei gleichen Basiszahlen, gleichen Programmgattungen, gleicher Kostenstrukturierung sind die Ergebnisse der statistischen Vergleiche aus dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit von großer Bedeutung. Unter der Voraussetzung der gleichen Erfassungsbasis gilt dies auch für zwischenzeitliche Vergleiche.

4. Ausblick Die Existenz verschiedener Fernsehanstalten zwingt zum Vergleich. Vergleichen kann man aber nur vergleichbare Daten. Eine Präzisierung sowohl des Begriffs Programmgattung als auch der einzelnen Untergliederungen innerhalb der Programmgattungen, zusätzliche Vereinbarungen über die Konkretisierung der Programmzeit-Gruppen (Vormittagsprogramm, Nachmittagsprogramm, Abendprogramm, Wochenendprogramm) und über die Kostenstruktur müssen folgen. Gleiche Konten- und Kostenstellenpläne sind Voraussetzung für einen exakten Vergleich der Leistungen. Da die manuelle Erarbeitung statistischer Ergebnisse der mechanischen oder gar elektronischen Datenverarbeitung weichen muß, ist es notwendig, möglichst genaue Basisbegriffe und -zahlen zu schaffen. Während beim Hörfunk die Kosten-Statistik gegenüber der Sendeminuten-Statistik geringeres Gewicht hat, ist beim Fernsehen neben der Zeit-Statistik auch die Kosten-Statistik von Bedeutung. Beide gilt es künftig zu präzisieren.

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Statistische Ergebnisse Fernseh-Rundfunkprogramm

Deutsches

Fernsehen

Gemeinschaftsprogramm

Art der Darbietung

Insgesamt:

I. Programm 1

1967

%

Minuten

40655 20111 1114 21620 20547 11949 10118 14143 6355 13693

25,4 12,5 0,7 13,5 12,8 7,5 6,3 8,8 4,0 8,5

39211 21100 2507 21697 20554 18442 9622 14916 *) 12467

24,4 13,1 1,6 13,5 12,8 11,5 6,0 9,3

160305

100,0

160516 1 11 1

100,0

Minuten

Zeitgeschehen Fernsehspiele Musiksendungen Unterhaltung Kinder-, Jugend- u. Frauenfunk Sport/Akt. Übertragungen Spielfilme von Verleihern Tagesschau, Wochenspiegel Eurovision (nur Auslandsübernahmen) Programmverbindung

1966

%

7,8

~

* Ab 1967 werden die Eurovisions-Sendungen den vorstehend genannten ProgrammDarbietungen zugeordnet.

Vonnittagsprogramm 2

Art der Darbietung

Minuten

1966

Zeitgeschehen Tagesschau, Wochenspiegel Sonstige Beiträge

16509 6692 17695 -

Insgesamt:

40896

Anteil an den Sendungen ARD und ZDF:

ARD Minuten

%

1967

%

40,3 16,4 43,3

16074 6928 16337

40,9 17,6 41,5

100,0

39339

100,0

9824

39,9

62,7 ZDF

Zeitgeschehen Tagesschau, Wochenspiegel Sonstige Beiträge

10290 14082

57,8

14786

60,1

Insgesamt:

24 372

100,0

24610

100,0

Anteil an den Sendungen ARD und ZDF:

-

42,2 -

-

-

37,3

1 Dieses Programm wird von sämtlichen Fernsehsendern der Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland täglich gleichzeitig ausgestrahlt. Auf die Rundfunkanstalten entfallen folgende Pflichtbeiträge: Norddeutscher Rundfunk 20°/o, Westdeutscher Rundfunk 25 o/o, Bayerischer Rundfunk 17 °/o, Hessischer Rundfunk, Süddeutscher Rundfunk,

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ELISABETH BERG • ARTUR JERGER

Fernseh-Programm (Zweites Deutsches Fernsehen)

Programm sparte

Dauer der Sendungen

%

in Min.

16915 18796 5682 20008 15034 6865 25564 8029 13 260

11,3 12,5 3,8 13,3 10,0 4,6 17,0 5,4 8,8

17639 18662 5805 14969 16177 7265 31770 8124 18603

4597 6120 1850 7237 123

3,1 4,1 1,1 4,9 0,1

150080

100,0

in Min.

Tagesgeschehen Politik und Zeitgeschehen Dokumentation Sportsendungen Unterhaltungssendungen Dokumentarspiele Fernsehspiele und -filme Theater- und Musiksendungen Kulturelle Sendungen Kinder-, Jugend- und Gastarbeiteiprogramme Werbefernsehen (Spots) Werbefernsehen (Mainzelmännchen) Programmverbindungen** Sonstige Beiträge Gesamt

1966

1967

% 11,4 12,0 3,7 9,6 10,4 4,7 20,4 5,2 12,0

_ *

-

6080 1967 8419 172

3,9 1,3 5,3 0,1

155652

100,0

* Das Kinder- und Jugendprogramm ist in der Sparte Kulturelle Sendungen, das Gastarbeiterprogramm in der Sparte Unterhaltungssendungen mitenthalten. " Ansagen, Pausen, Vorschau. R e g i o n a l p r o g r a m m und W e r b e f e r n s e h e n Regionalprogramm

Rundfunkanstalt

1966

1967

Davon Werbefernsehen Insgesamt darunter reine Werbg. (Spots) 1966

1967

1966

1967

Dauer der Sendungen in Minuten Nordd. Rundfunk m. Radio Bremen1 Westd. Rundfunk Hessischer Rundfunk *Südd. Rundfunk Südwestfunk 2 Südwestfunk 3 Bayerischer Rundfunk Saarland. Rundfunk Sender Freies Berlin *davon entfallen auf Südd. Rundfunk Südwestfunk

33123 32091 31998

33363 34034 32244

30855 14659 23490

30975 18297 23644

6098 4017 5755

6060 4021 5974

32811 9232 28783 47469 80398«

32794 9354 27545 45901 84687

22702

23383

6047

6069

25821 21919 33672

25161 21158 32105

6054 6185 6079

6056 6215 6057

18528 14283

18787 14007

11706 10996

11734 11649

3034 3013

3011 3058

-

-

-

Südwestfunk und Sender Freies Berlin je 8°/o, Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk je 3 %. 2 Ab 4. 9.1961 bringt der Sender Freies Berlin unter Beteiligung aller Rundfunkanstalten der ARD, und ab 1. 1. 1966 des ZDF, ein Vormittagsprogramm für die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und des Sowjetsektors von Berlin. Das Programm wird von den Sendern folgender Rundfunkanstalten ausgestrahlt: Sender Freies Berlin, Norddeutscher Rundfunk, Radio Bremen, Bayerischer Rundfunk (Ochsenkopf und Kreuzberg), Hessischer Rundfunk (Hoher Meissner).

519

FERNSEH-STATISTIK

3. F e r n s e h p r o g r a m m

Rundfunkanstalt Nordd. Rundfunk m. Radio Bremen s Westd. Rundfunk Hessischer Rundfunk Sender Freies Berlin 6 Bayerischer Rundfunk

Gesamt Minuten 1966 1967 42910 76171 35906 2860 53 880

59656 85185 41169 2510 79214

211727

267734

1

Gemeinschaftlidies Regionalprogramm. Anteil des Süddeutschen Rundfunks u n d des Südwestfunks am Gemfiinsdiaftsprogramm dieser Sender. 3 Regionalprogramm für Rheinland-Pfalz. 4 Ab 1966 sendet der SFB zusätzlich mittags ein regionales Programm von 2 Stunden. 5 Gemeinschaftliches Regionalprogramm mit dem SFB. 6 N u r Regionalprogramm. 2

LITERATUR FISCHER, E. K.: „Dokumente zur Geschichte des deutschen Rundfunks und Fernsehens". Göttingen, Berlin, F r a n k f u r t 1957. — ders.: „Der Rundfunk". Stuttgart 1949. — Statistische Jahrbücher für die Bundesrepublik Deutschland 1960 bis 1966. Stuttgart u n d Mainz. — Jährliche Geschäftsberichte der Landesrundfunkanstalten seit 1958. — Zweites Deutsches Fernsehen Jahrbuch 1966. — GRUNZKE, G.: Sender Freies Berlin, und Jerger, A.: Hessischer Rundfunk: „Anwendung betriebswirtschaftlicher M e t h o d e n in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten". Berlin, Frankfurt 1965.

D. Publizistik des Theaters und des Liedes

Theater und theatralische Mittel JULIANE WEISS

Bei der Betrachtung publizistischer Erscheinungsformen nimmt eine der ältesten, das Theater, einen besonderen Rang ein. Ohne die künstlerische Eigengesetzlichkeit dieser Gattung anzutasten, muß das publizistische Moment in seinen geistig-künstlerischen und technischen Bedingtheiten nachgewiesen werden. Es handelt sich also um eine Teilbetrachtung des Phänomens Theater, wobei die Möglichkeiten angesprochen werden sollen, wie, wann und wo das Theater zu eigener, speziell publizistisch bedeutungsvoller Wirkung gelangen kann. Die Grundvoraussetzungen für eine publizistische Aussage, die öffentiichkeitsbedingtheit und die Aktualitätsgebundenheit, sind auch bei der darstellenden Kunst in hohem Maße gegeben. Wohl noch offenkundiger und wirkungsvoller treten die publizistischen Aspekte bei der Erscheinungsform Kabarett hervor1. Theater bedarf der Öffentlichkeit als Wirkungsgrundlage, „denn es gehört zum Ursprung des Theaters und zu seiner Eigenart, daß sich der künstlerische Vorgang in der Öffentlichkeit vollzieht"2. Die Öffentlichkeit als Wesensmerkmal des Theaters gesehen ist also mitbestimmend für seine Existenz und Bedeutung. Daher können auch die Maßstäbe der Wissenschaft von der Publizistik bei der Betrachtung des Phänomens Theater angelegt werden. „Die Öffentlichkeit ist Lebenselement jeder Publizistik. Jede publizistische Aktion geht durch ihr Medium. In ihm wirkt sie und hat sie sich durchzusetzen*." Die sichtbare Form der Öffentlichkeit ist das Publikum, ohne dessen Anwesenheit kein theatralisches Kunstwerk zustande kommt. Die Theaterbesucher sind 1 Vgl. dazu die Darstellung von C . WOLFGANG MÜLLER. In: Handbuch der Publizistik. Bd. II, S. 529. 1 WAGENER, M.: Die Wirkung des Theaters. ® EMIL DOVIFAT: Publizistik. In: Universitas Litterarum. Lieferung 5, Berlin 1 9 5 4 . DERS.: Zeitungslehre I. Berlin 1967. S. 5 f.

DAS PUBLIZISTISCHE THEATER

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ein Präsenzpublikum, das sich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit versammelt, um eine öffentliche Aussage auf sich einwirken zu lassen. Durch das Theatererlebnis wird das Publikum trotz seiner verschiedenartigen Zusammensetzung zu einer Einheit geformt. Die Möglichkeiten für eine publizistische Wirkungsabsicht sind um so größer, je stärker die Gemeinschaft empfunden wird. „Nirgendwo hat das Volk eine empfänglichere Haut als im Theater. . . . Im Theater stecken die Ideen am meisten an, teilen sich die Eindrücke am schnellsten und im weitesten Umkreis mit. Was Katheder, Kanzel und Klub als vereinzelte Mittel leisten, dasselbe leistet — für sich allein — unendlich durchschlagender und wenigstens gleich nachhaltig die Bühne4." M A J A W A G E N E R , die das Theater vom soziologischen Standpunkt aus untersuchte, bewies, daß das dramatische Element der Auseinandersetzung das Theater besonders geeignet macht, im publizistischen Sinn zu wirken, da auch das Gebiet der Publizistik Kampf, Angriff und Verteidigung ist5. Während des nationalsozialistischen Regimes wurde die publizistische Wirkung des Theaters, in der Öffentlichkeit und auf die Öffentlichkeit zu wirken, zu gezielter politischer Beeinflussung des Publikums ausgenutzt, der Staat nahm für sich das Recht der Einflußnahme in Anspruch, da das Theater als öffentliche, durch den Staat zu lenkende Aufgabe angesehen wurde. Das Theater wurde als Instrument zur Unterstützung der politischen Bestrebungen der nationalsozialistischen Führung eingesetzt und sollte dazu dienen, gewünschte Stimmungen im Volk zu erzeugen". Nach nationalsozialistischer Auffassung war das Theater in erster Linie Publizistik. In anderen totalitären Staatssystemen, wie z. B. der SOWJETUNION, werden künstlerisch-theatralische Mittel zu außerkünstlerischen Zwecken, also zur politisch-publizistischen Beeinflussung des Volkes eingesetzt7. Die Werktätigen werden möglichst stark zur Theaterarbeit herangezogen, um sie für die erstrebte Wirkung aufgeschlossen zu machen. Der politische Auftrag bestimmte vor allem in den Jahren nach der Revolution 4 FRANZ VON DINGELSTEDT: Literarisches Bilderbuch. Berlin 1878, zitiert in: Widxnann: Theater und Revolution. S. 12. 5 WAGENER, M.: Die Wirkungen des Theaters auf die Öffentlichkeit. Diss. Heidelberg

1948.

6 Die wertvolle Dissertation von ILSE PITSCH: Das Theater als politisch-publizistisches Führungsmittel im Dritten Reich. Münster 1952, gibt eine genaue Analyse der nationalsozialistischen Theaterpolitik unter besonderer Berücksichtigung der nationalsozialistischen Dramatik, ebenso behandelt werden das Theatergesetz und seine Durchführungsbestimmungen. 7 Vgl. HAIN, S.: Vom Volkstheater zur politischen Massenveranstaltung. Eine Studie über die theatralischen Wirkungselemente in der Sowjet-Publizistik. 1958. Die Autorin untersucht die Erscheinungsformen Agitationsbühne, Laienspiel, Kolchostheater, Bauerntheater, Wanderbühne, Betriebsgruppen, aktuelles Kabarett, Massenkundgebungen, Chorveranstaltungen, Demonstrationen, Festzüge, Parade in ihrem Einsatz und im Hinblick auf die bolschewistische Kunstauffassung.

522

JULIANE WEISS

das Sowjettheater; es ging aus dem politischen Leben, aus Versammlung, Meeting und Demonstration hervor8. Das erste 1918 auf einer Sowjetbühne in Petrograd aufgeführte Werk „Mysterium buffo" von W L A D I M I R MAJAKOWSKI war ein Hymnus auf die Machtergreifung durch die Werktätigen. Aus der Erkenntnis, welch geeignetes Mittel das Theater zur Verbreitung, Verkündung und Publizierung bestimmter Meinungen und Ideen darstellt, entwikkelte sich das sowjetisch-propagandistische Drama. Die für das totalitäre Staatssystem typische Form des agitatorischen Dramas, das Ausdruck der Tagespolitik ist und entsprechende Wirkung anstrebt, entstand ebenfalls in der Sowjetunion nach der Revolution". Es erlangte großen Einfluß und trug mit Erfolg dazu bei, den sowjetischen Menschen durch theatralische Mittel mit Gegenwartsproblemen bekannt zu machen10. Bedeutsam für die publizistische Wirkung des Theaters ist also das Kriterium der Aktualität. Die Aktualitätsgebundenheit ist eine notwendige und gegebene Eigenschaft für die publizistische Komponente des Theaters und gleichzeitig für die Publizistik, wie STARKE formuliert: „Das Merkmal der Aktualität in den publizistischen Mitteln bedeutet die spezifische Art, etwas aus der politischen Situation (im weitesten Sinne) heraus Wichtiges so darzustellen, daß es infolge dieser Situationsbezogenheit und des darin liegenden Drucks einen Einfluß auf die politische Meinungsbildung ausübt. Aktualität ist ein notwendiges Merkmal der Publizistik und von ihr nicht zu trennen11." RAUSCHENBACH benutzt den Begriff der „Wirkungsaktualität des Dramas" und stellt fest, daß sich das publizistische Interesse bei der Betrachtung dieser Wirkungsaktualität „1. auf die durch die Gegenwart gegebenen Beziehungs- und Deutungsmöglichkeiten, 2. auf die Kenntnis des jüngsten Gegenwartsgeschehens, 3. auf die Erscheinungsform des in solcher Weise zu direkt aktueller Bedeutung gelangten Dramas" richtet12. Aktualitätsgebundene Dramen in den Erscheinungsformen Gegenwartsdrama, Tendenzdrama, gesellschaftskritisches Drama, propagandistisches Drama, agitatorisches Drama stehen in einem engen Verhältnis zu den sozialen, wirtschaftVgl. hierzu die Ausführung von J. RÜHLE a. a. O. Vgl. die ausführliche Aufstellung über sowjetische Dramen in der grundlegenden Dissertation von RAUSCHENBACH, R.: Publizistische Elemente im Theater. Berlin 1954. 10 P. M. KERSCHENZET führt dazu in seinem Werk: Das schöpferische Theater. 1922, S. 226 aus: „Ein charakteristisches Merkmal ist die Darstellung der brennendsten Tagesfragen und die Verflechtung der theatralischen Themen mit solchen des täglichen Lebens." 11 STARKE, G.: Die Einheit der Publizistik und ihre geistigen Grundlagen. Leipziger Beiträge zur Erforschung der Publizistik. Band 1, Dresden 1939. 12 RAUSCHENBACH a.a.O., S. 22. 8

9

D A S PUBLIZISTISCHE THEATER

523

liehen und politischen Geschehnissen und Bedingungen ihrer Gegenwart und sind in ihrer Aussage aktiv um die Lösung aktueller Probleme bemüht. In einer geschichtlichen Betrachtung des Theaters und Dramas im Hinbiidt auf ihre publizistische Wirksamkeit durch ihre Aktualitätsgebundenheit und Öffentlichkeitsbedingtheit läßt sich die publizistische und politische Wirkung immer wieder belegen. Bereits das Theater der Antike nutzte bewußt besonders die Form des Satyrspiels und der Komödie zur publizistischen Wirkung. Politische Kundgebungen und Demonstrationen entwickelten sich bei Theateraufführungen in den großen Massentheatern durch die Einwirkung des Spiels, besonders in politisch unruhigen Zeiten. Das von einem unbekannten Dichter in lateinischer Sprache zwischen 1160 und 1180 verfaßte nachweisbar älteste deutsche „Drama", das Tegernseer Spiel vom Antichrist, kann insofern in die Betrachtung mit einbezogen werden, als es durch seine enge Bindung an die Aktualität der politischen Situation, für die es und aus der heraus es geschrieben wurde, publizistische Bedeutung erlangt. Eine Legende aus dem 10. Jahrhundert wurde in die aktuelle politische Zeitsituation übertragen. Im christlichen Theater des deutschen Mittelalters waren herausragende Schauspiele auch immer ein wirkungsvolles Element der Zeitkritik. Das sogenannte Innsbrucker Osterspiel und das Wiener Passionsspiel aus dem 14. Jahrhundert oder das Redentiner Osterspiel von 1464 sind Beispiele, wie dieses Volkstheater großen Stils — bei dem den Mitspielenden oft größere Bedeutung zukam als den Zuschauern — besonders durch Einführung der Elemente der Komik und des Volkstümlichen publizistische Wirksamkeit erreichte und mit großer Offenheit sogar satirische Angriffe gegen die Geistlichkeit nicht scheute. Das protestantische Drama der Reformationszeit wurde bewußt als Kampfmittel eingesetzt1®, ebenso ist das Jesuitentheater in der Zeit der Gegenreformation als publizistisches Mittel zur Wirkung gelangt14. Auch dem Schultheater des Humanismus kann man als Randerscheinung den Einsatz von publizistischen Elementen, z. B. der Rhetorik, nicht absprechen15. Bei politischen Umwälzungen fiel dem Theater in der Geschichte oft eine bedeutende Rolle zu, besonders, als die Wirkungskraft der publizistischen Elemente des Theaters durch die Nichtexistenz der Medien Funk und Fernsehen und durch weniger intensive Verbreitung von Bild und geschriebenem Wort noch beherrschenden Einfluß hatte. Zur revolutionären Aktion entwickelten sich

15 BERGER, A.: Die Schaubühne im Dienste der Reformation. In: Deutsche Literatur. Hrsg. H. Kindermann. Leipzig 1 9 3 5 . FRONING, R.: Das Drama der Reformationszeit. In: Deutsche Nationalliteratur. Hrsg. J. Kürschner. Bd. 22, Stuttgart. 14 FLEMING, W.: Geschichte des Jesuitentheaters in den Landen deutscher Zunge. In: Schriften der Gesellschaft für Theatergesdiichte. Bd. 32, Berlin 1923. 15 SCHMIDT, P . E . : Die Bühnenverhältnisse des deutschen Schuldramas und seiner volkstümlichen Ableger im 16. Jahrhundert. In: Forschungen zur neueren Literaturgeschichte. Hrsg. F. Munker, Bd. 24, Berlin 1903.

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im 16. Jahrhundert im schwäbischen Raum Aufführungen sogenannter „Narrenspiele" und waren der auslösende Faktor für den Bauernaufstand von 1514". Die Bedeutung von BEAUMARCHAIS' „Figaros Hochzeit" für die Öffentlichkeit seiner Zeit ist schon wiederholt in der Theatergeschichte behandelt worden. Die Kritik am Adel, an der damaligen gesellschaftlichen Situation, die Forderung nach Gleichheit und die Darstellung der ersehnten Zukunft waren, im rechten Augenblick an die Öffentlichkeit gebracht, mitauslösende Faktoren für die Bewegung der französischen Revolution. „Nach dem Zeitpunkt, an dem der Einzelne die Zustände zur Zeit angreift oder neue Werte oder Daseinsformen schafft, richtet sich auch die Wirkung auf die Öffentlichkeit: es kommt darauf an, inwieweit die alten Überzeugungen zerbrochen und die neuen Ideen schon allgemein geworden sind17." Auch SCHILLERS Erstlingsdrama „Die Räuber" hatte ähnliche Wirkung auf die Zeit. Bezeichnend ist, daß klassische Dramen wie Schillers „Die Räuber", „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua" und „Don Carlos" in Epochen politischer Unterdrückung bei Theateraufführungen zu Kampfaufrufen gegen Willkürherrschaft und staatlichen Absolutismus wurden. Während der revolutionären Bewegungen der 1830er und 1840er Jahre wurde schon durch die Gestaltung des Spielplans versucht, eine Erregung des Publikums gar nicht erst aufkommen zu lassen. So waren Aufführungen von A U B E R S „Die Stumme von Portici", ROSSINIS „Wilhelm Teil" oder M E Y E R B E E R S „Die Hugenotten" in ihrer publizistischen Wirkung nicht zu unterschätzen18. Das Theater wurde während der Märzunruhen 1848 wie ein Versammlungsort angesehen, wo jeder sein politisches Glaubensbekenntnis ablegen konnte. Während des „Dritten Reiches" führten bestimmte, auf aktuelle Situationen beziehbare Sentenzen der Dramenliteratur zu Kundgebungen des Publikums, eine unbestreitbare publizistische Wirkung des Dramas. Publizistische Bedeutung des Dramas in Amerika weist R A U S C H E N B A C H besonders am Beispiel des von G E O R G E L . A I K E N dramatisierten Romans von H A R R I E T B E E C H E R - S T O W E „Uncle Tom's Cabin" nach". Das Stück über die Sklavenfrage bewirkte stärker als andere publizistische Mittel eine Auseinandersetzung des Publikums im amerikanischen Norden mit den Ideen der Demokratie. Autoren wie S H A W , IBSEN, H A U P T M A N N und K A I S E R haben in ihren sozial- und gesellschaftskritischen Werken nicht auf die publizistischen Wirkungselemente verzichtet, da sie ihre oppositionelle, kritische Haltung gegenüber den herrw 17

Vgl. das Drama von FRIEDRICH WOLF: V g l . WAGENER, M . , a . a . O . , S . 2 5 .

„Der arme Konrad", 1924.

18 Der auslösende Faktor für den Aufstand, der zur Aufspaltung der „Vereinigten Niederlande" und zur späteren Gründung eines selbständigen Staates Belgien führte, war die Aufführung der Oper „Die Stumme von Portici" von Auber in Brüssel im August 1830. In Berlin wurde z. B. die in Paris bereits im August 1829 aufgeführte Oper „Wilhelm Teil" von Rossini erst 1842 in der Berliner Hofoper zugelassen, da sie als „staatsgefährlich" galt. 19

RAUSCHENBACH a . a . O . S . 5 7 ff.

DAS PUBLIZISTISCHE THEATER

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sehenden Zuständen ausdrücken wollten. Keineswegs hat die künstlerische Substanz ihrer Stücke dabei gelitten. In HAUPTMANNS „Die Weber" sind schon vor der Jahrhundertwende die Anzeichen für die soziale Revolution zu ahnen. 1918 gab die Aufhebung der Zensur in Deutschland den Weg frei für Stücke mit radikaler und revolutionärer Gesellschaftskritik. Viele dieser Informationsstücke über bestimmte Vorgänge der jüngsten Geschichte, u. a. „Feuer aus den Kesseln" von TOLLER, „Die Matrosen von Cattaro" von W O L F oder „Des Kaisers Kulis" von PLIVIER erreichten in der Inszenierung von PISCATOR besondere Wirkung auf die Öffentlichkeit. Piscators „Proletarisches Theater", das er 1920 in Berlin gründete, stellte sich die Aufgabe einer „bewußten Betonung und Propagierung des Klassenkampfgedankens". Die Stücke sollten Aufrufe sein, mit denen man in das aktuelle Geschehen eingreifen wollte. Die Kraft von PISCATORS publizistisch-politischem Theater bestätigt RÜHLE in einer Beschreibung einer Aufführung eines „Dokumentarischen Dramas" mit dem Titel „Trotz alledem" zur Eröffnung des kommunistischen Parteitages 1925. „An der Bewältigung dieses szenisch-dokumentarischen Sammelsuriums bewährte sich Piscators ungestüme Gestaltungskraft, er erzielte — auch nach den Berichten Außenstehender — einen faszinierenden und mitreißenden Eindruck. ,Die Masse begann mitzuspielen.', schrieb die ,Rote Fahne', ,und sehr bald war es nicht mehr Bühne gegen Zuschauerraum, sondern ein einziger großer Zuschauerraum, ein einziges großes Schlachtfeld, eine einzige große Demonstration2"." In seiner Dissertation sagt M U D R I C H zum extrem politischen Zeitstück, mit dem PISCATOR bei seinen Inszenierungen im „Proletarischen Theater" besondere Wirkung erzielte, u. a. folgendes: „Das politische Zeitstück ist eine szenische Form, die direkte publizistische Wirkung anstrebt, indem sie mit den Mitteln des Theaters für eine bestimmte politische Anschauung wirbt, andere Anschauungen bekämpft und gegen sie und ihre Einrichtungen zur Tat aufruft 21 ." Mudrich beschreibt die wichtigsten Aufführungen unter Piscators Regie an den verschiedenen Berliner Bühnen und betont, daß die neuartigen Inszenierungsmittel, das Einblenden von Film vor allem, dabei eine Aktualisierung der Stücke erleichterten. Erst durch die Art der Inszenierung bekamen nicht nur die modernen, mit tagespolitischem Bezug geschriebenen Stücke ihren agitatorischen Charakter, sondern auch klassische Werke, so SCHILLERS „Räuber", die Piscator 1926 am Staatstheater herausbrachte, „wobei Schillers Erstlingswerk zu einem radikalen Propagandastück des 20. Jahrhunderts herabgewürdigt wurde22." GENTSCH weist in seiner Untersuchung über die politische Struktur der Theaterführung in den Jahren 1918 bis 1933 (die allerdings von nationalsozialistischer Tendenz geprägt ist) darauf hin, daß mit der Stücfcauswahl die in der Öffentlichkeit wirkende Arbeit der Bühnenkünstler beginnt.

20

J. RÜHLE: Das gefesselte Theater. a.a.O. S. 168. MUDRICH, H.: Die Berliner Tagespresse der Weimarer Republik und das politische Zeitstück. Berlin. Diss. 1955. S. 16/17. 21

22

MUDRICH a . a . O . S. 54.

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JULIANE WEISS

„Die Themen, die insbesondere bei den .aktuellen' dramatischen Werken, aber auch bei jenen bevorzugt wurden, deren Handlung nur in indirekten Wertungsbeziehungen zur Gegenwart stand, lagen auf rechtlichem, sozialem und zeitgeschichtlichem Gebiet2®." Die politischen Aspekte in der Theaterkunst standen also bei PISCATOR radikal im Vordergrund. Er forderte und vertrat entschieden das politische Theater. Für ihn wie für B R E C H T galt der Grundsatz, daß Drama und Theater als Abbildung der Wirklichkeit dem Zweck der Einflußnahme auf die Wirklichkeit zu dienen habe, also ein politisch-publizistisches Ziel. Im Zeitalter der Massenmedien hat wohl vor allem das Gegenwartsstüdi eine Chance, beim Zuschauer zu publizistischer Wirksamkeit zu gelangen. Stücke wie „Joel Brand" und „In der Sache J. Robert Oppenheimer" von K I P P H A R D T , „Der Stellvertreter" von H O C H H U T H und „Die Ermittlung" von W E I S S , die die Moralität der heutigen Zeit in Frage stellen und in ihrer Tendenz politische Aspekte aufweisen, beziehen sich in ihrer Aktualität vorwiegend auf die jüngste geschichtliche Vergangenheit. Der Prozeß der gegenwärtigen Dramatik, die Vergangenheit bewußt zu machen, die Gefährdung der Gegenwart zu zeigen und vor der Vernichtung der Zukunft zu warnen, läßt für die Zukunft der publizistischen Wirksamkeit in Dramatik und Theater hoffen. Es zeigt sich, daß auch Regie und Darstellung ihren großen Anteil an der publizistischen Wirkung des Theaters haben. Regie und Darstellung sind zeitgebunden, ihr Stil ist epochal bedingt. Die größtmögliche Wirksamkeit gelingt den Bühnenkünstlern durch die Konzentrierung ihrer künstlerischen Mittel auf den Augenblick. Der Einsatz der Schauspieler und aller anderen in Betracht kommenden Mittel zur Erzielung einer theatralischen Gesamtwirkung hängt vom Regisseur ab. Er hat eine publizistische Funktion. Seine Konzeption, verkörpert durch die elementar-lebendige Menschendarstellung der Schauspieler, vermag erst das Theaterstück zu voller publizistischer Wirkung zu führen und beim Zuschauer die erwartete schöpferische Erschütterung auszulösen, ihn in Bann zu schlagen und zu verzaubern. Das rhetorische Moment in der Schauspielkunst steht als Wirkungsfaktor an mitbestimmender Stelle. Berühmte Bühnenreden haben bei entsprechender Inszenierung und Darstellung die Macht, zur „Volksrede" zu werden und durch faszinierende Überzeugungskraft stärksten Einfluß auf das Publikum auszuüben. Auf die Einflußnahme des Staates auf das Theater und die staatlichen Möglichkeiten zur Beschneidung der freien Wirkung der publizistischen Elemente des Theaters durch entsprechende Theatergesetze und Verordnungen in verschiedenen Ländern in Vergangenheit und Gegenwart wird bereits von Dovifat hingewiesen 24 . Erwähnt seien noch einige Spezialgebiete im Bereich des Theaters, GENTSCH, A.: Die politische Struktur der Theaterführung. Dresden 1942. S. 138. DOVIFAT, E.: In: Handbuch der Publizistik. Bd. 1, Berlin 1968, S. 216 f. Außerdem wird dieses Spezialproblem in den einzelnen bereits erwähnten grundlegenden Untersuchungen 23

24

DAS PUBLIZISTISCHE THEATER

527

bei denen publizistische Elemente wirksam werden, u. a. Kinder- und Jugendtheater, Arbeiter- und Agitationstheater, Kolchos- und Bauerntheater, Massentheater25 sowie die Randgebiete Theaterkritik, Theaterkarikatur, Vorhangdekoration2', Programmheft, Theaterplakat und Theaterzeitschrift, die publizistische Bedeutung erlangen können. Nach wie vor gilt jedoch das Wort S C H I L L E R S über das Theater, in dem gültig formuliert ist, worin Wesen, Aufgabe und Bedeutung des Theaters liegen. „... Die Schaubühne ist mehr als jede andere öffentliche Anstalt des Staats eine Schule der praktischen Weisheit, ein Wegweiser durch das öffentliche bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. ... Hier nun hören die Großen der Welt, was sie nie oder selten hören: — die Wahrheit; was sie nie oder selten sehen, sehen sie hier: — den Menschen. So groß und vielfach ist das Verdienst der besseren Bühne um die sittliche Bildung; kein geringeres gebührt ihr um die ganze Aufklärung des Verstandes. Eben hier in dieser höheren Sphäre weiß der große Kopf, der feurige Patriot sie erst ganz zu gebrauchen. ... Nicht weniger ließen sich — verstünden es die Oberhäupter und Vormünder des Staats — von der Schaubühne aus die Meinungen der Nation über Regierung und Regenten zurechtweisen. Die gesetzgebende Macht spräche hier durch fremde Symbole zu dem Untertan, verantwortete sich gegen seine Klagen, noch ehe sie laut werden, und bestäche seine Zweifelsucht, ohne es zu scheinen2''." Die Verantwortung des Theaters für seine publizistische Wirkung in der Öffentlichkeit und die Verantwortung und Verpflichtung des Staates gegenüber dem Theater als kulturellem und publizistischen Faktor werden damit bestätigt.

LITERATUR BRENNER, H.: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus. Hamburg 1963. — D AIBER, H.: Theater — Eine Bilanz. München 1965. •— DOVIFAT, E.: Zeitungswissenschaft I, Allgemeine Zeitungslehre (Sammlung Göschen). Berlin 1967. — DOVIFAT, E.: Publizistik. In: Universitas behandelt, besonders bei RAUSCHENBACH a.a.O. S. 137 ff. — I. PITSCH untersuchte in ihrer Dissertation die politisch-publizistischen Aufgaben des Theaters im N.S.-Kultursystem und wies nach, wie das Theater „als Instrument zur Propagierung des N.S.-Mythos" und „als Instrument zur Unterstützung der politischen Bestrebungen" durch Erlaß von Gesetzen und durch die geschickte Ausnutzung der Institution der Volksbühnen mißbraucht wurde. 2 5 S. HAIN gibt eine genaue Analyse über den Einsatz theatralischer Mittel bei der ideologischen Beeinflussung durch Massenveranstaltungen im kommunistischen Machtbereich unter besonderer Berücksichtigung Mitteldeutschlands. Sie beweist und belegt überzeugend, wie auch das Theater „zum wirkungsberechneten Mittel im Propagandaeinsatz bei politischen Massenveranstaltungen und im Parolenfeldzug eines totalitären Staatswesens" wird. (a.a.O., S. 33.) 2 8 Z. B. Verwendung der PicAsso-Friedenstaube auf dem Vorhang des „Berliner Ensembles" in Ostberlin. 27 FRIEDRICH VON SCHILLER: Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet. Historisch-kritische Gesamtausgabe von G. v. Witkowski, 1909/11.

528

JULIANE WEISS

Litterarum. Handbuch für Wissenschaftskunde. Berlin 1955. •— DOVIFAT, E.: Handbuch der Publizistik, Bd. 1. Allgemeine Publizistik. Berlin 1968. — G E N T S C H , A.: Die politische Struktur der Theaterführung. Dresden 1942. — H A G E M A N N , W.: Vom Mythos der Masse. •— Ein Beitrag zur Psychologie der Öffentlichkeit (Beiträge zur Publizistik Bd. 4). Heidelberg 1951. — H A I N , S . : Vom Volkstheater zur politischen Massenveranstaltung. München 1958. — H U P P E R T , H.: Wladimir Majakowski in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg 1965. — K N U D S E N , H.: Fernsehen und Theater. In: Rundfunk und Fernsehen, H. 3, 1956. — M A L E T Z K E , G . : Psychologie der Massenkommunikation — Theorie und Systematik. Hamburg 1963. — M E L C H I N G E R , S.t Drama zwischen Shaw und Brecht. Ein Leitfaden durch das zeitgenössische Schauspiel. Bremen 1961. — M E Y E R , C.: Alt-Berliner politisches Volkstheater (1840—1850). In: Die Schaubühne. Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte, Bd. 40. Emsdetten 1951. — M U D R I C H , H.: Die Berliner Tagespresse der Weimarer Republik und das politische Zeitstück. Berlin. Diss. 1955. —• PISCATOR, E.: Das politische Theater. Berlin 1929 und Hamburg 1963. — PITSCH, I.: Das Theater als politischpublizistisches Führungsmittel im Dritten Reich. Diss. Münster 1952. •— RAUSCHENBACH, R. F.: Publizistische Elemente im Theater. Diss. Berlin 1954. — R Ü H L E , J.: Das gefesselte Theater. Vom Revolutionstheater zum sozialistischen Realismus. Köln, Berlin 1957. — T A I R O V , A.: Das entfesselte Theater. Köln 1964. — W A G E N E R , M.: Die Wirkungen des Theaters auf die Öffentlichkeit. Eine Untersuchung zur Soziologie des Theaters. Diss. Heidelberg 1948. — W I D M A N N , W.: Theater und Revolution. Ihre gegenseitigen Beziehungen und Wirkungen im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Berlin 1920. — W U L F , J.: Theater und Film im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Hamburg 1966.

Das Kabarett C . WOLFGANG MÜLLER

Das Kabarett gehört zu den Erscheinungsformen der darstellenden Kunst, die sich am ehesten unter publizistischen Aspekten beschreiben und analysieren lassen. Das, was wir heute unter diesem Begriff (meist mit dem Zusatz „literarisch" oder „politisch") verstehen, gibt es seit dem 18. 11. 1881 in Paris, seit dem 18. 1. 1901 in Berlin und seit dem 13. 4. 1901 in München. Seither kann man Kabarett als eine Form der darstellenden Kunst definieren, „die die Autorität von öffentlichen Personen, Institutionen und Tatbeständen mit dem Mittel der subjektiven und objektiven Komik wertmindernd in Frage stellt und einem als soziales Korrektiv wirkendem Lachen preisgibt."1

1. F r ü h f o r m e n Das erste große Beispiel der komischen Wertminderung öffentlicher Autoritäten durch die darstellende Kunst fällt in die Blüte- und Verfallszeit der griechischen Demokratie. Die Träger dieser publizistisch wirksamen Kleinkunst waren die Mimen. Sie genossen unter der Bevölkerung eine Popularität, die sich mit der unserer Fußballstars und Filmschauspielerinnen vergleichen läßt. Man stellte die Bilder und Statuen der Mimen in öffentlichen Gebäuden aus. Sie verdienten Summen, die auch für heutige Verhältnisse beachtlich sind: die Mimin Dionysia erzielte ein jährliches Einkommen von wenigstens 200 000 Sesterzen, und Nero verschleuderte für seine Mimen und Jokulatoren ein Staatsvermögen8. Die aktuellen Anspielungen dieser Darsteller wurden von den Staatsmännern in Athen und Rom als zuverlässiges Zeichen für die allgemeine politische Stimmung aufgefaßt. Ihre frechen, an politischen Anspielungen reichen Couplets wurden vom Volk auswendig gelernt und auf der Straße gesungen. Lang ist die Liste der politischen Herrscher, die sich selbst als Mimographen und Mimologen betätigten. Sie reicht von Dionys dem Älteren über Alexander, Julius Cäsar und Kaiser Augustus bis hin zu Nero und den flavischen Herrschern. Auch Theodora, die spätere Kaiserin von Byzanz, war in ihrer Jugend eine Mimin8. 1 MÜLLER, C. W.: Das Subjektiv-Komische in der Publizistik, dargestellt an den Anfängen des politischen Kabaretts in Deutschland. Phil. Diss. Berlin 1955, S. 221. * REICH, H.: Der Mimus. Berlin 1903. Bd. 1, S. 159. 3 REICH, H.: Der Mimus. Band 1.

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Publizistik II

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Politische Aktualität und publizistische Wirkung zeichnen den Mimus aus. Beide Elemente hat er mit der aristophanischen Komödie gemeinsam. Aber während die Schauspiele des Aristophanes formal Komödien sind, löste sich der Mimus von der großen Form des tagesfüllenden Kunstwerkes und strebte zur kleinen Form, zum bunten Mosaik eines aus in sich geschlossenen Liedern und Szenen bestehenden „Nummernprogramms". Der Niedergang des hellenistischen und römischen Staatswesens führte zur Re-Privatisierung der Inhalte komischer Wertminderung, zur „mittleren Komödie" des Menander. Erst in den Glaubenskämpfen des ausgehenden Mittelalters und den kulturpolitischen Richtungskämpfen zwischen Klassik und Romantik werden Elemente der Kleinform politischer Auseinandersetzung wieder in die Literatur und in die darstellende Kunst eingeführt4. Als eigentlicher „Erfinder" des, spezielle Inhalte und spezielle Formen publizistischer Aussage zu einer neuen Einheit verbindenden Kabaretts im modernen Sinne, gilt RODOLPHE SALIS.

2. Die Anfänge d e s Cabarets in Paris Salis, Sohn eines Likör-Fabrikanten und Bierbrauers, eröffnete am 18. November 1881 auf dem Boulevard Rochechouart 84 am Montmartre eine Kneipe und nannte sie, angeregt durch seine Illustrationen für Edgar Allan Poe's „The Black Cat", „Chat Noir". Der im Stil Louis XIII. eingerichtete große Saal seines Restaurants wurde schnell zum Zentrum der kulturpolitischen Revolte der Pariser Boheme gegen das Bürgertum. Schriftsteller, Sänger und Komponisten trafen sich jeden Freitag zu einer künstlerischen Soiree bei Rezitationen, Liedern und Schattenspielen. Als Salis 1885 in das Haus des Malers Alfred Stevens in der Rue de Laval umzog, setzte er dort bis zu seinem Tod die Tradition des „cabaret artistique" fort. Im alten „Chat Noir" eröffnete bald darauf der Volkssänger A R I S T I D E B R U A N T das Cabaret „Le Mirliton". Während RODOLPHE SALIS als „gentilhomme-cabaretier" galt, der seine Gäste mit ausgesuchter Höflichkeit behandelte und mit „mein Fürst" begrüßte, pflegte A R I S T I D E B R U A N T als „revolutionärer Kneipwirt und Volkssänger, der dem behäbigen Bürgerpublikum seine wilden Anklagen ins Gesicht schrie" ( H A N N S H E I N Z EWERS) einen ausgesprochenen Apachen-Stil, dessen Sozialkritik sich häufig in lyrischer oder sentimentaler Glorifizierung des Lumpenproletariats erschöpfte. In den 90er Jahren stand Y V E T T E GUILBERT, „dieses lebendig gewordene Plakat, dieses Mannweib, halb verblühte Kokotte, halb englische Gouvernante" (ERICH KLOSSOWSKI) ebenbürtig neben Salis und Bruant. Das Pariser „cabaret artistique" setzte sich vom Unterhaltungsstil des „cabaret chantant" und des Konzert-Cafes („caf-conc") ab. Es war sozialkritisch und lite4

GÜTTINGER,

F.: Die romantische Komödie und das deutsche Lustspiel. Leipzig 1939.

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rarisch, die kleinste Einheit der Darstellung bestand aus Gedicht, Chanson und Pantomime oder Schattenspiel. Es war unlöslich an die großstädtische Subkultur der Pariser Boheme gebunden, an die Improvisation des Programmablaufs und an die Personalunion zwischen produktiven und reproduktiven Künstlern.

3. Die A n f ä n g e d e s Kabaretts In D e u t s c h l a n d Seit 1899 unternahmen einige Pariser Cabarets Gastspielreisen ins deutschsprachige Ausland, und zur Pariser Weltausstellung ( 1 9 0 0 ) hatten deutsche Touristen die Möglichkeit, sich an Ort und Stelle von dieser neuen Möglichkeit der Kleinkunst zu überzeugen. In den Zentren der deutschen Bohème, in München und Berlin, hatte man schon einige Jahre vorher die Möglichkeit einer deutschen Version des „cabaret artistique" diskutiert. A R T U R K U T S C H E R vermutete, daß O T T O J U L I U S BIERBAUM diese Idee bereits 1 8 9 5 mit FRANK W E D E K I N D in Berlin erörterte 5 . Sicher ist, daß Bierbaum das Projekt zum ersten Male in seinem Roman „Stilpe"* öffentlich aussprach. In München plante A L B E R T LANGEN im Sommer 1 8 9 8 ein literarisches Kabarett, und in Berlin eröffnete E R N S T F R E I H E R R VON W O L Z O G E N („Ich bin ein radikaler Aristokrat") am 18. Januar 1901 im Haus der Secessions-Bühne in der Alexanderstraße 40 ein „Buntes Theater (Überbrettl)". Das erste Programm enthielt Gedichte ( W O L Z O G E N , BIERBAUM, H U G O SALUS), Chansons ( V I C T O R HOLLAENDER, BOGUMIL Z E P L E R ) , eine Gabriele d'Annunzio-Parodie („II pranzo") von C H R I STIAN M O R G E N S T E R N , einen Einakter von A R T H U R SCHNITZLER, eine Ballade von D E T L E V VON LILIENCRON mit begleitendem Schattenspiel und eine Pantomime von RUDOLPH SCHANZER nach der Musik von O S C A R STRAUSS. W O L Z O G E N selbst trat als Conferencier auf und rezitierte ein Gedicht von HANNS H E I N Z EWERS und eine Parodie auf A L F R E D K E R R . Später teilte W O L Z O G E N sein aus Berufskünstlern von Varieté und Operette bestehendes Ensemble und zog in das „Bunte Theater" in der Köpenicker Straße 6 7 / 6 9 um. Der erhoffte Rückhalt durch die Berliner Bohème blieb aus, und das Unternehmen endete ziemlich kläglich. Erfolgreicher als W O L Z O G E N S „Überbrettl" war das Kabarett „Schall und Rauch", das aus einer Vereinigung junger Kräfte des Deutschen Theaters („Brille") hervorgegangen war und mit einem parodistischen Programm seit 1898 in Prag, Salzburg, Wien und Budapest gastiert hatte. Es trat in Berlin erstmals am 23. Januar 1901 mit einer nächtlichen Benefizvorstellung für den lungenkranken Christian Morgenstern öffentlich auf7, bezog unter Leitung von M A X REINHARDT am 9 . Oktober 1901 im ehemaligen Hotel Arnim, Unter den Linden 44 ein eigenes Haus und wurde in der Saison 1 9 0 3 / 0 4 von M A X REINHARDT fest übernommen.

5

KUTSCHER, A . :

1922 ff., Bd. 2, S. 79. • BIERBAUM, O . J . : 34*

Frank Wedekind, Sein Leben und seine Werke. Stilpe, Roman aus der Froschperspektive, Berlin

3

1897.

Bände. München

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Im Gegensatz zu Berlin, dessen Boheme über die ganze Stadt verstreut war, brachte das München der Jahrhundertwende günstigere Voraussetzungen für ein Kabarett mit. Die politisch Diffamierten, sozial Ausgestoßenen, die Schwarmgeister aus ganz Europa konzentrierten sich in dem Intellektuellen-Getto Schwabing. In schneller Folge entstanden kulturpolitische Kampfzeitschriften der .Jungen' („Jugend" [1896], „Simplicissimus" [1896], „Insel" [1899]). In dieser geistigen Atmosphäre eröffneten die „Elf Scharfrichter" 8 am 13. April 1901 in der Türkenstraße 28 im Hinterteil des Wirtshauses „Zum Hirschen" ihr Kabarett. Es war von v o m herein eine markante Antithese zu Wolzogens „Überbrettl". Spielte WOLZ O G E N in einem großen Theater mit zunächst 650, später knapp 1000 Plätzen, so faßte der intime Saal der S C H A R F R I C H T E R nur 100 Personen. Spielte W O L Z O G E N mit gutbezahlten Schauspielern, so verfügten die S C H A R F R I C H T E R über ein Kollektiv aus bildenden Künstlern, Schriftstellern und Komponisten, die auf Teilung spielten und sich mit geringen Gagen (anfänglich 100 Mark monatlich) zufrieden gaben. Das Berliner Publikum bildete weder eine soziale noch eine psychische Einheit, die Gäste der S C H A R F R I C H T E R bestanden aus Schwabinger Künstlern und kunstinteressierten Kreisen der Münchner Intelligenz und des Bürgertums. Die wichtigsten Unterschiede liegen im Thematischen, in der publizistischen Zielrichtung. Nichts charakterisiert sie besser als die Thema-Melodien der „Berliner" und „Münchner". W a r für W O L Z O G E N die Anakreontik des „Lustigen Ehemanns" typisch („Die Welt, die ist da draußen wo, mag auf dem Kopf sie stehn! Die interessiert uns gar nicht sehr, und wenn sie nicht vorhanden war, würds auch noch weitergehn"), so hieß es im „Scharfrichtermarsch" von L E O G R E I N E R : „Wer mit dem Tag verfeindet ist, wird blutig exequiret! Wer mit dem Tod befreundet ist, mit Sang und Klang gezieret." Während sich Wolzogen in Berlin auf die NeoAnakreontik spezialisierte, auf die burleske Freude am Vermenschlichen gesellschaftsverbindlicher Autoritäten, tritt in München der publizistische Aussagewille durch die Verletzung gesellschaftlicher Tabus (etwa durch die Lieder F R A N K W E D E K I N D S und L U D W I G T H O M A S und durch die „chansons macabres" der M A R Y A D E L V A R D ) deutlich hervor. Obwohl sich die alten S C H A R F R I C H T E R nach wenigen Jahren auflösten, haben sie zu Beginn der deutschen Kabarett-Entwicklung deutliche Maßstäbe gesetzt: sie schufen einen einheitlich grotesken Stil, der die kulturpolitische Stoßrichtung der Künstler-Zwischengeneration zwischen Naturalismus und Expressionismus in eine publizistisch wirksame Aussageform brachte, sie verankerten das Chanson im Bewußtsein eines interessierten Publikums, sie vollzogen

7 Das Programm liegt gedruckt vor: REINHARDT, M.: Schall und Rauch, Berlin—Leipzig 1901. 8 Das ursprüngliche Ensemble bestand neben M A R C H E N R Y und M A R Y A DELVARD U. a. aus dem Regisseur O T T O FALCKENBERG, dem Lyriker LEO GREINER, dem Maler V I K T O R FRISCH, dem Bildhauer W I L H E L M HÜSGEN, den Architekten M A X LANGHEINRICH und E R N S T N E U M A N N und dem Komponisten H A N S R I C H A R D W E I N H Ö P P E L . ' D I E E L F SCHARFRICHTER: Bd. 1, Berlin/Leipzig 1 9 0 1 .

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die szenische Auflösung des gesungenen Liedes in die gespielte Szene, sie erprobten eine neue Kabarett-Bühne, die einen reibungslosen Spielablauf einzelner „Nummern" ermöglichte und sie setzten zum ersten Mal das Bühnenlicht kabarettistisch ein10. Paris und München machen deutlich, daß das Kabarett die publizistisch wirksame Aussageform der darstellenden Kunst in einer gesellschaftlichen Übergangszeit ist, in der die alten Normen und Autoritäten noch lebendig genug sind, um die eigentümliche Lust an ihrer komischen Wertminderung zu speisen, aber doch nicht mehr so lebendig, daß ihr Anspruch auf Tabuierung aufrechterhalten werden kann. Die ersten Kabaretts in Berlin und München hatten viele Nachfolger. Mindestens 32 Kabaretts wurden vom Berliner Magistrat zwischen 1901 und 1905 konzessioniert. In München konzentrierten sich linke Dichter wie E R I C H M Ü H S A M und LUDWIG SCHARF im „Simplicissimus" der K A T H I KOBUS in der Türkenstraße 5 7 , dazu der Karikaturisten-Kreis des „Simplicissimus" (TH. T H . H E I N E , GULBRANSSON, T H Ö N Y , REZNICEK und WILKE), die Scharfrichter H E N R Y , W E D E K I N D , DELVARD und J O A C H I M RINGELNATZ.

Für die Entwicklung des Kabaretts in der wilhelminischen Zeit spielte die Vorzensur eine große Rolle. Sie wurde in Bayern nicht so streng gehandhabt wie in Berlin, trotzdem mußten auch dort die „Scharfrichter" in .geschlossene' Veranstaltungen ausweichen. Die Vorzensur des Berliner Polizeipräsidiums war als besonders kleinlich bekannt. Die vorliegenden, vom Zensor eingestrichenen Texte der Berliner Kabaretts lassen erkennen, daß es vor allem Verletzungen politischer, sozialer und erotischer Tabus waren, die regelmäßig gestrichen wurden". Aber auch ohne diese Vorzensur war die Schlagkraft des deutschen Kabaretts in den letzten Jahren des wilhelminischen Deutschland erschöpft. Nur der modisch pikante aber gründlich unpolitische Revue-Stil RUDOLF NELSONS, dessen LadenmädelChanson („Erst fielen die Blusen, die Kleider...") selbst Wilhelm II derart entzückte, daß er sich das Lied fünfmal hintereinander vorsingen ließ12, konnte sich über den ersten Weltkrieg retten und bestimmte in den 20er Jahren die Entwicklung der unpolitischen, kabarettistischen Kleinkunst-Revuen NELSONS und der „Revuetten" FRIEDRICH HOLLAENDERS. Das politische Gesinnungs-Kabarett hingegen konzentrierte sich nach dem 1. Weltkrieg zunächst im wiederbelebten „Schall und Rauch", für dessen Programme die Kriegsgeneration der K U R T TUCHOLSKY, KLABUND, W A L T E R M E H R I N G Beiträge schrieb, während G E O R G E GROSZ und J O H N HEARTFIELD sich um Ausstattung und Bühnenbild verdient machten. In der Inflation verlagerte sich der Schwerpunkt des Berliner Nachtlebens von der Friedrichstraße in den Westen (zwischen Kurfürstendamm und Kantstraße). Auch hier konnte eine Zweiteilung in politisch engagierte Kabaretts und Unterhaltungskabaretts be-

10 11 12

MÜLLER, C. W.: a.a.O., S. 205 ff. MÜLLER, C. W . : a . a . O . , S. 131 ff. BUDZINSKI, K.: Die Muse mit der scharfen

Zunge. München

1961, S. 91.

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obachtet werden. Die .linken' Texter und Darsteller sammelten sich in ROSA V A LETTAS „Cabaret Größenwahn": dort traten neben der V A L E T T I die junge K A T E K Ü H L und ERNST BUSCH auf, Unterhaltung auf hohem Niveau wurde ab 1 9 2 1 in TRUDE HESTERBERGS „Wilder Bühne" geboten. Die wirtschaftliche Konsolidierung Deutschlands in der Mitte der „goldenen zwanziger Jahre" trug zum Erfolg einer neuen, an Nelson-Revuen und Revuetten anknüpfenden Form des Nummernprogramms mit durchlaufendem roten Faden bei, die vom „Kabarett der Komiker" des Wieners K U R T ROBITSCHEK gepflegt wurde. Ab September 1928 hatte das „Kadeko" sein festes Haus am Lehniner Platz. Es konnte sich, bezeichnenderweise, als einziges Kabarett der Republik über das Dritte Reich retten, nicht zuletzt unter der vorsichtigen Regie VON W I L L Y SCHAEFFERS. Es brannte 1944 aus. 1930 belebten zwei Neugründungen in Berlin die Tradition des unverbundenen Nummernprogramms: FRIEDRICH HOLLAENDER eröffnete in der „Wilden Bühne" sein „Tingeltangel" mit BLANDINE EBINGER, H U B E R T VON MEYERINCK und anderen; und W E R N E R FINCK eröffnete mit H A N S DEPPE (und später E . O . PLAUEN, E R I C O D E , ROBERT A D O L F STEMMLE und RUDOLF PLATTE) die „Katakombe", in der nacheinander der spätere Gründer der Westberliner „Insulaner" G Ü N T E R N E U M A N N und der spätere Komponist der „Nationalhymne der DDR" H A N N S EISLER am Klavier saßen. Diese beiden Kabaretts, die bei aller Unterschiedlichkeit beide den Versuch machten, politisches Kabarett gegen NSDAP und SA zu machen, bis sie 1935 — wie alle anderen Kabaretts — geschlossen wurden und die meisten ihrer Texter, Komponisten und Darsteller in Konzentrationslager eingewiesen wurden, haben in den fünf Jahren ihres Wirkens die Kabarett-Entwicklung nach dem Ende des 2. Weltkrieges wesentlich beeinflußt. W E R N E R FINCK hat in der Entwicklung des Kabaretts eine Sonderrolle gespielt. Er steht für jenen Typ des oppositionellen Einmann-Kabarettisten in der Diktatur, dessen besondere Funktion darin besteht, so viel wie möglich zu sagen und dabei so wenig wie möglich verhaftet zu werden. Diese Fertigkeit hat er in der kurzen Zeit zwischen 1933 und 1935 bis zur Vollkommenheit entwickelt. Es ist verständlich, daß er in einer bürgerlichen Demokratie, die Kritik nicht nur toleriert, sondern als Nachweis ihres demokratischen Charakters geradezu fordert, weder inhaltlich noch stilistisch eine Renaissance erlebt hat.

Eine Spezialform publizistischer Aussage entwickelte die kommunistische Arbeiterbewegung in der ersten deutschen Republik mit den sogenannten „Agitp r o p g r u p p e n („Die junge Garde", „Die Roten Ratten", „Die Blauen Blusen"). Diese Laienspielgruppen machten den Versuch, den letztlich .lukullischen' (BERTOLT BRECHT) Charakter des bürgerlichen politischen Kabaretts in direkte politische Agitation zu verwandeln 13 . 15 HOFFMANN-OST-WALD, D. (HG.): Auf der Roten Rampe. Erlebnisberichte und Texte aus der Arbeit der Agitproptruppen vor 1933. Berlin 1963.

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Nach 1935 gab es in Deutschland kein politisches Kabarett mehr. Die Kabarettisten, die sich in Freiheit befanden, wichen auf die Theater-Bühne oder in den Rundfunk und später in die Truppenbetreuung aus. ERIKA M A N N , die am 1. Januar 1933 in München das Kabarett „Bonbonnière" gegründet und nach dem Reichstagsbrand in die Schweiz geflüchtet war, eröffnete am 1. Oktober 1933 im Züricher .Hotel Hirschen' mit THERESE GIEHSE und anderen die „Pfeffermühle" mit einem politisch pointierten antifaschistischen Programm. Nach Interventionen der Reichsregierung wurde das Kabarett Ende 1934 durch das „Lex Pfeffermühle" verboten. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches schössen in Deutschland die politischen Kabaretts wie Pilze aus dem Boden. Wieder waren München und Berlin die Hauptzentren der Kabarett-Renaissance. In München entstanden: „Die Schaubude" (1945), „Die kleine Freiheit" (1948), „Die kleinen Fische" (1953), „Die Zwiebel" (1954), „Die Namenlosen" (1955), die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft" (1956). In Berlin waren es vor allem die „Stachelschweine" (1949), der „Nürnberger Trichter" (1951), „Die Distel" (1953), „Die Wühlmäuse", „Die Bedienten" „Das Reichskabarett" und viele andere. Neben München und Berlin machte sich Düsseldorf mit dem „Kom(m)ödchen" als Kabarett-Stadt einen Namen. Daneben können die „Amnestierten" in Kiel, „die Schmiere" in Frankfurt und eine Reihe von Reisekabaretts genannt werden. Bei aller Vielfalt der Entwicklung des Kabaretts nach 1945 gibt es einige gemeinsame Züge. Einmal ist es erstaunlich, daß sich — gemessen an der Kurzlebigkeit dieses Genres im wilhelminischen Deutschland und in der ersten deutschen Republik — einige Kabaretts über zehn Jahre oder länger gehalten haben und daß sie (etwa die „Stachelschweine" in Berlin, die „Lach- und Schießgesellschaft" in München und das „Kom(m)ödchen" in Düsseldorf) inzwischen zu einem festen Bestandteil ihrer Heimatstadt und darüber hinaus im Bewußtsein der Öffentlichkeit geworden sind. Das mag damit zusammenhängen, daß sich zunächst der Rundfunk und später das Fernsehen dieser Form politischer Aussage in zunehmendem Maße bedienten, um ihr Programm zu bereichern und gleichzeitig kurzweilig zu machen. Mit dem Einsickern des politischen Kabaretts in die Massenmedien tauchte ein neues Problem der Vorzensur in einer grundsätzlich zensurfreien Gesellschaft auf. Nahezu jedes Kabarett, dessen Programme insbesondere vom Fernsehen übernommen wurden, beklagt sich über Streichungen gerade von solchen Szenen und Liedern, die den politisch engagierten Kabarettisten besonders am Herzen lagen. Dort, wo nicht gestrichen wurde, gab es ab und an nicht ganz eindeutig begründete „Bildstörungen" oder eindeutige akustische Störungen ( W O L F G A N G NEUSS' ,Testamentseröifnung'). Intendanten und Redakteure begründeten die Vorkommnisse mit dem Argument, es sei ein Unterschied, ob ein polistisches Kabarett-Programm in der Intimität eines nur 100 Zuschauer fassenden Raumes abrollt oder ob es einem, dazu noch intellektuell unvorbereiteten Millionenpublikum angeboten wird. Die Kabarettisten wehren sich mit dem Argument der grundsetzlich verbürgten Meinungsfreiheit und diskutieren immer wieder

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die Frage, ob man unter diesen Umständen nicht lieber grundsätzlich auf die Ausstrahlung im Fernsehen verzichten sollte. Da die Popularität eines Kabaretts aber offensichtlich von der Werbewirkung der ausgestrahlten Programmteile abhängt, ist diese Vorstellung bisher nicht realisiert worden. Die Rundfunk- und Fernsehgesellschaften weisen auf ihren Monopolcharakter hin und machen geltend, daß sie bei besonders prononcierten Angriffen der Kabarettisten auf Personen des öffentlichen Lebens fairerweise die Angegriffenen im Anschluß an die jeweilige Sendung selbst zu Wort kommen lassen müßten14. Zweifellos hat das Aufkommen der sogenannten Massenmedien der alten Frage der Zensur einen neuen, quantitativen Aspekt hinzugefügt. Es scheint ein Unterschied zu sein, ob sich die kabarettistische Satire im kleinen Kreis einer Urbanen, oppositionellen Subkultur äußert, oder ob sie von Rundfunk und Fernsehen bis ins letzte Dorf ausgestrahlt wird und dort den Eindruck erweckt, als habe die Umwertung aller Werte in den Metropolen bereits stattgefunden. Das genuine Kabarett-Publikum, so sagt man, sei gebildet genug, die Distanzierung von den anerkannten Normen auch auf die kabarettistische Aussage selbst zu beziehen und diese Aussage dadurch im Hinblick auf Tun und Handeln zu neutralisieren. Ein Massen-Publikum, das an diesen Prozeß der generellen Distanzierung noch nicht gewöhnt ist, müsse erst langsam an die komische Wertminderung öffentlicher Autoritäten gewöhnt werden. Formal hat das Nachkriegs-Kabarett in Deutschland an der Form des durch einen lose geknüpften roten Faden zusammengehaltenen Nummernprogramms festgehalten. Einzelne Versuche, die „Revuette" der zwanziger und dreißiger Jahre neu zu beleben ( G Ü N T E R NEUMANN'S „Schwarzer Jahrmarkt" und RUDOLF NELSON'S „Berlin W-Weh"), waren zwar erfolgreich, wurden jedoch nicht fortgesetzt. Auch Versuche, das formale Instrumentarium des politischen Kabaretts durch den Einsatz von Tonbändern, Diapositiven („Die Stachelschweine", „Die Distel") und Trickfilmen (CONRAD REINHOLD'S Film „Ulbricht in Bonn") zu erweitern, blieben bisher ohne Nachahmer. Thematisch scheint das moderne politische Kabarett in Deutschland — bei aller gebotenen Vorsicht im Verallgemeinern — pragmatischer, aber gerade darum politischer zu sein, als das Kabarett des wilhelminischen Deutschland und der ersten deutschen Republik. Sicherlich setzen die einzelnen Kabaretts unterschiedliche politische Akzente, aber sie setzen politische Akzente und sie haben es verstanden, die in der bundesrepublikanischen Gesellschaft sich neu formierenden Tabus auszumachen und anzutasten. Waren es nach dem Zusammenbruch Deutschlands die alten Nazis, die Alliierten und der Schwarzmarkt, die bevorzugt The14 Die Länderrundfunkgesetze und die Satzungen der einzelnen Sender verlangen in Fällen des Angriffs auf Persönlichkeiten und Einrichtungen des öffentlichen Lebens einen .politischen Ausgleich' und eine ,nur angemessen sachliche Kritik' (Hessisches RundfunkGesetz, § 3 (8); Radio Bremen, § 2 (2) f Westdeutscher Rundfunk, § 4 (2).

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men des Kabaretts abgaben, waren es in den 50er Jahren die verschiedenen Aspekte der sich formierenden Wohlstandsgesellschaft und der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, so sind es heute vor allem die ,pragmatischen' Themen einer ,neuen' Ost-Politik, einer realistischen' Betrachtung der Probleme des geteilten Landes und der Frage der Ost-Grenzen. Man kann sicherlich nicht sagen, die politischen Kabaretts in Deutschland seien heute alle ,links', aber sie sind auch nicht .konformistisch' und — weil das wahrscheinlich ein Widerspruch in sich wäre — sie weichen auch nicht allzu deutlich in allgemeinverbindliche Unverbindlichkeiten aus. Bei der Betrachtung des Kabaretts als Institution darf nicht übersehen werden, daß es neben dem Kabarett-Ensemble immer schon kabarettistische Einzelgänger gegeben hat, die nicht in die Routine und die Verbindlichkeit eines Ensembles eingefügt werden konnten. Früher waren das FRANK W E D E K I N D , J O A CHIM RINGELNATZ, KARL VALENTIN, VALESKA G E R T , RODA-RODA, Conferenciers wie PAUL M O R G A N und FRITZ GRÜNBAUM, O T T O REUTTER und andere. Die Nachkriegszeit hat in Deutschland eine neue Generation von Kabarettisten hervorgebracht, die ihre eigentliche Aussageform als Solisten gefunden haben. Neben W E R N E R FINCK, dessen Stil und dessen Inhalte offensichtlich nicht mehr mit dem Bewußtsein der jungen Generation in Deutschland zu synchronisieren sind, ist dies vor allem W O L F G A N G NEUSS („Das jüngste Gerücht" und „Testamentseröffnung"), der Österreicher HELMUT QUALTINGER („Der Herr Karl") und der Wiederbeleber des „chanson macabre" GEORG KREISLER, der an die komisch-düsteren Visionen des Amerikaners T O M LEHRER anknüpft. Die Massenmedien haben den, teilweise erfolgreichen Versuch gemacht, den Geist des politischen Kabaretts nicht nur von bestehenden Kabaretts durch Programmaufzeichnungen zu übernehmen, sondern in medien-gemäßen Formen selbst zu produzieren. Beispiel dafür sind die langjährigen Sendungen des RIAS („Die Insulaner") und die Fernsehsendung „Hallo Nachbar". Bei der eigentümlich kurzgeschlossenen Rückkopplungsstruktur des politischen Kabaretts mit einem physisch anwesenden Publikum scheint diese Form medienspezifischen Kabaretts jedoch nicht die optimale Lösung zu sein, und die Ausstrahlung tatsächlicher Kabarettprogramme dürfte auch in Zukunft nicht durch andere Formen der komischen Wertminderung öffentlich anerkannter Autoritäten zu ersetzen sein.

4. Publizistischer P r o z e s s und publizistische F o r m e n So unbefriedigend die bisherige Diskussion des komischen Prozesses in der traditionellen Ästhetik ist, so lassen sich doch anhand von THEODOR LIPPS 1 5 , S I G 15

LIPPS, TH.: Komik und Humor. Leipzig 1922.

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und F R I T Z G Ü T T I N G E R 1 8 einige Grundzüge des komischen Prozesses herausarbeiten, dessen sich, auch das Kabarett bedient: Der komische Prozeß besitzt eine gesellschaftliche Funktion. Er kann überall dort vollzogen werden, wo Personen, Personengruppen oder Institutionen hinter bestimmten Erwartungen zurückbleiben oder gegen gesellschaftliche Normen verstoßen. J e nachdem, ob sich der komische Prozeß unbewußt und ohne fremdes Zutun vollzieht, oder ob er durch einen selbst nicht komischen Dritten bewußt gemacht wird, unterscheiden wir zwischen objektiver Komik und subjektiver Komik. Die komische Situation entsteht, wenn ein empirisch gewonnener oder gesellschaftlich gesetzter Wert bzw. eine Norm sich als Scheinwert enthüllt oder als Scheinnorm entlarvt wird. Die komische Situation bindet zunächst im Betrachter ein gewisses seelisches Energiequantum. Gleichzeitig macht sie einen Teil der gebundenen Energie durch den Prozeß der komischen Wertminderung wieder frei. Die durch das entstandene komische Wertgefälle frei werdende Energie kann in Lachen überführt werden, sofern sie nicht dazu verwendet wird, der komischen Wertminderung entspringende, aber das Lachen hemmende Affekte zu speisen. Dabei muß das Objekt des komischen Prozesses dem Betrachter bekannt sein oder unter Umständen bekannt gemacht werden, die seine Identifizierung mit bereits vorhandenen Wahrnehmungsinhalten ermöglichen oder erleichtern. Dazu muß der Betrachter eine gewisse Fähigkeit zu mühelosen Assoziationen mitbringen. Die Größe des im komischen Prozeß hergestellten Wertgefälles hängt vom Konventionswert des komisch gemachten Gegenstandes und vom aus der komischen Situation hervorgehenden Situationswert dieses Gegenstandes ab. J e schneller der Konventionswert in den Situationswert umschlägt, um so größer der Uberraschungseffekt. Der Konventionswert eines komisdi gemachten Gegenstandes ist zwar gesellschaftlich vorgegeben, er hängt aber mindestens auch von den Überzeugungen und Gesinnungen des Betrachters ab. Sind diese Gesinnungen sehr stark an das Objekt der komischen Wertminderung gebunden, dann tritt der sogenannte „Gefahrlosigkeitsvorbehalt" in Kraft: der Betrachter ist nicht mehr in der Lage, über den Gegenstand des komischen Prozesses zu lachen, er ärgert sich über seinen Verursacher. MUND F R E U D 1 6 , H E N R I B E R G S O N 1 7

Objektive Komik äußert sich zumeist als Situationskomik und kommt im Kabarett nicht allzu häufig vor — häufiger dagegen im Lustspiel, im Lustspielfilm und im Zirkus. Subjektive Komik tritt im Kabarett meist als Witz (Assoziationswitz oder Apperzeptionswitz) auf. Der Prozeß der komischen Wertminderung kann mit den Mitteln der Satire oder der Ironie, der Burleske oder der Groteske, der Parodie oder Travestie befördert werden". 16 FREUD, S.: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, In: Gesammelte Schriften, Band 9. Leipzig 1925. " BERGSON, H.: Le Rire. Paris 1902. 18 GÜTTINGER, F.: Die romantische Komödie und das deutsche Lustspiel. Leipzig 1939. 19

MÜLLER, C . W . : a . a . O . , S. 4 4 ff.

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Die musikalischen Formen des Kabaretts sind vor allem Quodlibet, Couplet, Chanson und Song. Das Quodlibet ist eine Montage von Liedparodien meist schlagerhaften Charakters. Aktuelle, oder mindestens allgemein bekannte Melodien werden in ihren charakteristischen Passagen mit neuen, „ungemäßen" Inhalten gefüllt und aneinander gekoppelt. Die Parodie eines vorhandenen Liedgutes war schon immer das Zeichen für eine kämpferische Auseinandersetzung mit ästhetischen Formen, die im Bewußtsein des Publikums noch lebendig, aber gleichzeitig fragwürdig geworden waren. Das Chanson hat in seinem Ursprungsland Frankreich eine uns unbekannte, kämpferische Vergangenheit. Wenn die Zeit vor der französischen Revolution die Zeit „einer absoluten Monarchie, gemildert durch Chancons" (CHAMFORT) war, dann bestand diese Milderung nicht darin, daß das Chanson das Elend der Zeit wohltätig verschwieg, sondern gerade darin, daß es dieses Elend brutal aussprach. Das französische Chanson ist im allgemeinen balladesk, erzählend mit finalisierender Tendenz. Die Struktur des Couplet ist ähnlich: immer neue, disparate Situationen werden durch eine stereotype Schlußzeile zusammengehalten ( O T T O REUTTER). Der Song taucht nach dem 1. Weltkrieg mit dem Eindringen anglo-amerikanischer Formen auf ( W A L T E R MEHRING, K U R T TUCHOLSKY, BERTOLT BRECHT).

Allen diesen musikalischen Formen ist gemeinsam: (1) die Kürze der dargestellten Einzelsituationen, (2) die Technik der Montage disparater Sachverhalte, die durch „kader" zusammengehalten werden, (3) die finalisierende Tendenz des Reimes und (4) der Assoziationscharakter, der auf im Zuhörer vorausgesetzte Bewußtseinsinhalte verweist. Spielformen des Kabaretts sind das opening, das Finale, der black out, die Szene (der Sketch) und die Conference. Opening, Finale und Conference halten normalerweise ein überhaupt nicht oder nur lose verbundenes „Nummernprogramm" zusammen und fungieren als sein „Korsett". Den black out kann man als einen gespielten Witz charakterisieren, er besteht aus kurzer Rede und Gegenrede und einer schnellen Pointe, nach der das Bühnenlicht schlagartig gelöscht wird. Die Szene wird meist (im Gegensatz zum black out) auf tiefer Bühne gespielt, sie entfaltet sich langsamer und enthält sowohl Situationskomik als auch eine Fülle von Wortwitzen. Bei bestimmten Kabarett-Programmen werden die einzelnen Kabarett-Nummern säuberlich voneinander getrennt, in anderen Programmen gehen sie nahtlos ineinander über. Thema des Kabaretts ist alles, was die Öffentlichkeit bewegt. Im Kabarett findet das Publikum die öffentlich gewordenen Inhalte seines eigenen Bewußtseins wieder, verzerrt durch den Prozeß der komischen Wertminderung, in Frage gestellt und relativiert. Die Lust am Wiedererkennen wertgeminderter Normen und Autoritäten ist ein wesentlicher Teil des kabarettistischen Wirkungsmechanismus. Allgemein gesprochen: das Kabarett als publizistische Ausdrucksmöglichkeit der darstellenden Kunst kann durch folgende Charakteristika gekennzeichnet werden:

C. W O L F G A N G MULLER

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(1) durch die Emanzipation der kleinen Form („Kleinkunst") und ihre Montage im „Nummernprogramm"; (2) durch die Politisierung des Vergnügens und der Unterhaltung; (3) durch die Reduzierung und Relativierung gesellschaftlicher Autoritäten und Autoritätsansprüche, und damit (4) durch die Demokratisierung, die Kontrolle der Macht und derer, die sie ausüben80.

LITERATUR Allgemeines: Bretter, die die Zeit bedeuten. Die Kulturgeschichte des Kabaretts. Köln K.: Die Muse mit der scharfen Zunge. Vom Cabaret zum Kabarett. München 1 9 6 1 . — BUDZINSKI, K.: S O weit die scharfe Zunge reicht. Die Anthologie des deutschsprachigen Cabarets. Mit einem Essay von Werner Finde. München/Bern/Wien 1964. Der komische Prozeß: M U C H E L E , M.: Der komisdxe Prozeß. Phil. Diss. München 1957. — MÜLLER, G.: Theorie der Komik. Würzburg 1964. GREUL, H . :

1 9 6 7 . — BUDZINSKI,

Die Anlange des Kabaretts: MÜLLER, C. W., und HAMMER, C.: Narren, Henker, Komödianten. Geschichte und Funktion des politischen Kabaretts. Bonn 1956. — KLOSSOWSKY, E.: Die Maler von Montmartre. Berlin 1903. — EWERS, H. H.: Das Cabaret. Berlin/Leipzig o.J. (1904). — C O T T A , J.: Der Kabarettkünstler. Leipzig o.J. — CAROSSA, H . : Der Tag des jungen Arztes. Wiesbaden 1955. — M A N N , V.: Wir waren fünf. Konstanz 1949. — GREUL, H.: Die elf Scharfrichter. Zürich 1962. — RINGELNATZ, J.: Simplicissimus, Künstlerkneipe und Kathi Kobus. München 1925. — Elf Scharfrichter. Sondernummer der Zeitschrift „Bühne und Brettl". Berlin 1903. — GUILBERT, Y.: Lied meines Lebens. Berlin 1928. — K E R R , A.: Die Welt im Drama, Bd. 4. Berlin 1917. — MOELLER-BRXJCK, A.: Das Varieté. Berlin 1902. Kabarett-Texte: BERN, M. (Hrsg.): Die zehnte Muse. Berlin 1911, 1917», 1922, 1925, 1929ff. — BIERBAUM, O. J. (Hrsg.): Deutsche Chansons (Brettl-Lieder). Berlin 1900/Leipzig 1919. — LEWETZOW, K. Freiherr v. (Hg.): Ernst von Wolzogens officielles Repertoir, Bd. 1 und 2. Berlin 1902. — HOLLAENDER, F.: Lieder und Chansons für Blandine Ebinger. Freiburg/Br. 1957. — M E H RING, W.: Das politische Cabaret. Dresden 1920. — M E H R I N G , W.: Das Ketzerbrevier. München 1921. — M Ü L L E R , H . C.: Lieder von Montmartre. München 1957. — MORGENSTERN, CHR.: Die Schallmühle, Grotesken und Parodien. München 1928. — ROLFS, R.: Die Schmiere — das schlechteste Theater der Welt, Bd. 1—8. Frankfurt/M. 1956—1961. — SCHARF, L.: Tschandala-Lieder. Stuttgart 1905. — SINGER, E.: Bänkelbuch (Deutsche Chansons). Köln/Berlin 1953. — W E D E K I N D , F.: Brettllieder, H. 1—5. Berlin 1901/1902. — G U M P PENBERG, H. v.: Das teutsche Dichterross. München 1901", Zeitgenössische Kabaretts: KUEHL, S.: Deutsches Kabarett, Kom(m)ödchen, Die Stachelschweine, Münchner Lach- und Schießgesellsdiaft, Die Schmiere. Düsseldorf 1962. — BREHM, E.: Distel blüht zum Spaße. Berlin 1959. — KRAUSE, H. H. (Hrsg.): Das war Distel's Geschoß. Berlin 1961. — U L R I C H , R., 20

215.

MÜLLER,

C. W.: Die Anfänge des politischen Kabaretts. In: Publizistik, 1958, 4, S. 204—

DAS KABARETT J . HERBST, THIERRY: D i e S t a c h e l s c h w e i n e . B e r l i n 1 9 5 6 . —

541 DIE AMNESTIERTEN: A u s w a h l

von

Texten für den Hausgebraudi, H. 1—6. Selbstverlag Die Amnestierten. Hamburg o.J. — NEUSS, W . : Das jüngste Gerücht. Reinbek 1965. Discographie:

In: GREUL, H.: Bretter, die die Zeit bedeuten. Köln 1967. S. 521 ff.

Politische Lieder und Dichtungen GÜNTER

KIESLICH

1. Zur Wesensbestimmung Seit Caspar von Stieler in seinem Anleitungsbucäi „Zeitungs Lust und Nutz, Oder: derer so genanten Novellen oder Zeitungen wirckende Ergetzlichkeit" vom Jahre 1695 erstmals nach den Anfängen der ,Zeitungen' fragte und ihre Erfindung schließlich Gott selber zuschrieb, der zuerst den Menschen „Zeitung gegeben (durch) seine heiligen Zeitungsschreiber", die Propheten und Apostel1, hat die Suche nach materialisierten frühen Zeugnissen von Kommunikationen in der Gesellschaft nicht mehr aufgehört2. Aber erst seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts, das heißt seit Youngs, Percys und Herders Entdeckung der Schönheit der sogenannten .primitiven Dichtung' und der damit einsetzenden Suche nach den verschütteten Quellen der .Stimmen der Völker in Liedern', seit Esdienburgs erster Veröffentlichung einer Reihe von .historischen Volksliedern' in Boies Zeitschrift „Deutsches Museum" (Jg. 1780) datiert das ernsthafte wissenschaftliche Interesse an Vorgängen, die etwas mit pseudoliterarischer mündlicher Kommunikation im Volke selbst zu tun haben. In der nun einsetzenden gelehrten Diskussion um die Entstehung der .Volkspoesie', die Klassiker wie Romantiker gleich intensiv beschäftigte und die Lager in Anhänger der Produktions- und der Rezeptionstheorie spaltete, blieb bis zu Ludwig Uhland hin das sogenannte historische Volkslied — das politische Lied und Gedicht — allerdings weitgehend unberücksichtigt3. „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied, Ein leidig Lied!...", diese Feststellung des Studenten Brander in Auerbachs Keller bringt etwas zum Ausdruck von der Wertschätzung, der sich politische Dichtung im akademischen Bereich bis heute vielfach erfreut. L U D W I G U H L A N D S Verdienst ist es, erstmalig auf die besondere Erscheinungsform mündlicher Kommunikation in der Öffentlichkeit ausdrücklich aufmerksam gemacht zu haben, die etwas mit der Weitergabe und Verbreitung von aktuellen Gescheh-

1 CASPAR VON STIELER (gen. Der Spate): Zeitungs Lust und Nutz, Oder: derer so genanten Novellen oder Zeltungen wirdeende Ergetzlichkeit, Anmut, Notwendigkeit und Frommen: Auch, was bey derer Lesung zu lernen, zu beobachten und zu bedendten sey. Hamburg 1695. S. 34. 2 S. zuletzt HENK PRAKKE: Zur Frage der Ur-Publizistik. In: „Publizistik". 5/6—1963, S. 541 ff. (Audi als „Münsteraner Marginalien zur Publizistik". Heft 5. Assen 1964). 3 Vgl. WILL-ERICH PEUCKERT und O T T O LAUFFER: Volkskunde. Quellen und Forschungen seit 1930. Bern 1951. S. 226 ff.

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POLITISCHE LIEDER UND DICHTUNGEN

nissen oder Meinungen zu tun hat. Uhland definiert die „Historischen Volkslieder" als „diejenigen Lieder, welche unmittelbar aus geschichtlichen Ereignissen und Zuständen hervorgingen oder sich auf solche beziehen und im Gesänge des Volkes zu wirken bestimmt waren, mögen sie nun mehr darstellend oder mehr polemisierend hervortreten." Er stellte ihnen aber audi „solche kürzere Zeitgedichte" an die Seite, „die nicht in sangbarer Form, sondern unstrophisch, als Sprüche, verbreitet wurden, aber jenen nach Zweck und Inhalt verwandt sind"4. Unbewußt hat Uhland mit dieser Umschreibung die historischen Volkslieder — als aktuelle politische Aussagen, die über politisches Geschehen informierten oder Meinungen in der Öffentlichkeit bestärkten, korrumpierten oder erst schaffen wollten — der damals noch nicht etablierten Wissenschaft von der Publizistik als Forschungsgegenstand zugeschrieben. R O C H U S F R E I H E R R V O N L I L I E N C R O N , dem wir eine der umfassendsten Sammlungen historischer Volkslieder verdanken, sieht die Funktion dieser literarisch-publizistischen Erzeugnisse dann noch deutlicher als Uhland5. Im Vorwort zum 1. Bandseiner Quellenedition macht er 1865 darauf aufmerksam, daß diese Lieder ja nicht auf einen schon abgeschlossenen und somit „historischen" Verlauf zurückblicken, sondern daß sie vielmehr in den jeweils noch fortdauernden politischen Prozeß mit hineingehören. Sie sind „eine Seite des lebendigen Treibens, welches sich zugleich in ihnen abspiegelt". Sie werden in erster Linie nicht deshalb „gedichtet, um Unkundige über das Geschehen zu belehren, sondern (sie) wenden sich an solche, die in dem eben Geschehenden mitleben und mitwirken"'. Und an anderer Stelle — im Vorwort zum 2. Band —: „Sie wachsen aus den Begebenheiten selbst, und ihre nächste Absicht ist darauf gerichtet, auf den weiteren Verlauf der Dinge einzuwirken, indem sie die Gemüter stimmen und die Geister im Volke für eine bestimmte Auffassung der Sachlage gewinne"7. Von dieser Erkenntnis ausgehend stellte Liliencron dann mit Recht die Gattungsbezeichnung .historisches Volkslied' in Frage und schlug den neuen Terminus „politische Volksdichtung" vor8. Aber auch diese Bestimmung ist noch nicht ganz exakt, weil zahllose Produkte der „politischen Volksdichtung" nicht aus dem Volke stammen, sondern weil politische Lieder und Sprüche in der Vergangenheit wie in der Gegenwart zum größten 4 LUDWIG UHLAND: Die historischen Volkslieder des 15. Jahrhunderts. In: Gesammelte Werke. 6. Bd. Stuttgart 1887. S. 117. S

ROCHUS FREIHERR VON LILIENCRON: D i e h i s t o r i s c h e n

Volkslieder

der

Deutschen

vom

13. bis 16. Jahrhundert. Auf Veranlassung und mit Unterstützung Seiner Majestät des Königs von Bayern Maximilian II., hrsg. durch die historische Commission bei der Königlichen Academie der Wissenschaften, 4. Bde. und Nachtrag (Melodien). Leipzig 1865—69. — Eine Übersicht über weitere Quellensammlungen bringt GÜNTER KIESLICH: Das „Historische Volkslied" als publizistische Erscheinung, Münster/Westf. 1958 ( = „Studien zur Publizistik". Bd. 1). S. 150 ff. • LILIENCRON, a.a.O., 1. Bd., Vorrede, S. IV. 7 LILIENCRON, a.a.O., 2. Bd., Vorrede, S. I. 8 Ebenda.

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GUNTER KIESLICH

Teil von berufsmäßigen Schriftstellern, häufig als Auftragsarbeit, iür das Volk zurechtgemacht wurden und werden. Politische Dichtung bzw. gereimte Publizistik steht immer im Bündnis mit dem Tage; sie ist kein poetisches Gebilde, das sich auf dichterische Weise mit historischen oder politischen Themen wertfrei beschäftigt. Politische Dichtung, gereimte Publizistik, will verkünden, aus dem Geist der Zeit heraus und für die Zeit einen Helden feiern, einen Sieg rühmen, eine Ideologie preisen, — sie will bestärken, aufbauen, verteidigen oder opponieren, zerstören, hassen lehren. Sie will beeinflussen und in der Beeinflussung zugleich informieren. Sie will nicht—wie etwa das .Kunstlied' — zeitlos gültig sein. Sie ist an den Geist der Zeit gebunden, in der sie entsteht. Sie will „unmittelbar gesprochen und gesungen werden, um die verhaltenen Affekte der Gruppe zu einer gemeinsamen Energie zusammenzuballen"". Als Träger aktueller Meinungen (früher auch: aktueller Informationen) sind politische Lieder und Gedichte von ihren Anfängen bis in die Gegenwart hinein eine Erscheinungsform der politischen Publizistik.

2. Autoren Drei unterschiedliche Gruppen von Autoren bzw. Kommunikatoren halten die Liedpublizistik seit ihren Anfängen in Gang. Die ohne Zweifel wichtigste und in der Gegenwart fast ausschließlich noch wirksame Gruppe bilden die (vom 13. bis zum 19. Jahrhundert meist aus der gesellschaftlichen bzw. intellektuellen Oberschicht stammenden) Meinungspublizisten. Sie gaben und geben entweder ihren persönlichen Überzeugungen oder den Vorstellungen und Wünschen einer politischen, ideologischen, religiösen Gruppe oder Gemeinschaft im Lied und Gedicht Ausdruck. Im deutschen Sprachraum reicht der Bogen von Walther von der Vogelweides politischer Spruchdichtung aus der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert über das ereignisbezogene, politisch-religiöse Liedschaffen der Reformationszeit (Ulrich von Hutten, Martin Luther), über die patriotischen Sänger der Freiheitskriege (E. M. Arndt, Th. Körner, M. v. Schenkendorf usw.), über die liberalen, demokratischen oder sozialistischen Ideen anhängenden Dichterpublizisten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (H. Heine, A. H. Hoffmann von Fallersleben, F. Freiligrath, R. Prutz, G. Herwegh usw.), über die Barden des Nationalsozialismus (D. Eckart, H. Anacker, H. Baumann, H. Menzel, B. v. Schiracti, G. Schumann usw.) bis zu den Arbeiter- und Bauerndichtern Mitteldeutschlands (J. R. Becher, K. Barthel/ Kuba, B. Brecht, W. Dehmel, L. Fürnberger usw.) bis zu den Protest-Sängern und den Anhängern der sing-out-Bewegung10. ' Vgl. auch BENNO VON WIESE: Politische Dichtung Deutschlands. Berlin 1931. S. 13. Vgl. über nationalsozialistische und kommunistische Lyrik vor allem die vorzügliche Studie von ALBRECHT SCHÖNE: über Politische Lyrik im 20. Jahrhundert, Göttingen 1965. (Kleine Vandenhoeck-Reihe 228/229). 10

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So klar die publizistische Bedeutung der politischen Lieder und Gedichte im 19. und 20. Jahrhundert zutage tritt und allgemein anerkannt wird, so umstritten ist nodi die Zuordnung früher Zeugnisse der Meinungspublizistik in literarischer Form vor allem aus dem hohen Mittelalter. Der bekannte Germanist W I L H E L M S C H E R E R hat vor einigen Jahrzehnten eine literaturwissenschaftliche Kontroverse dadurch ausgelöst, daß er den Abschnitt seiner „Geschichte der deutschen Dichtung Im 10. und 11. Jahrhundert", der die Spielmannsdichtung beinhaltet, mit der unorthodoxen Überschrift „Wandernde Journalisten" bedachte. Als Scherer wegen dieses sozialwissenschaftlichen Ansatzes, der radikal mit allen konservativen Vorstellungen brach, von seinen Kollegen heftig kritisiert wurde, rechtfertigte er sich in einer Gegendarstellung: „Ich werde den Ausdruck (Wandernde Journalisten) gern fallen lassen, wenn man mir einen anderen nennt, der die Träger der älteren Tagespoesie, der späteren Tagesliteratur, ebenso bestimmt in ihrer entscheidenden Funktion kennzeichnet. Im 10. Jh. ist es doch mit Händen zu greifen, daß ein Gedicht, welches eine neue Nachricht verbreitet, eine Flugschrift, welche das öffentliche Urteil zu leiten sucht, und die Anfänge unseres Zeitungswesens genau derselben Sphäre geistigen Wirkens angehören. Der berufsmäßige deutsche Dichter des 9. und 10. Jahrhunderts wohnte nicht im Kloster, er wohnte überhaupt nicht, er war ein unsteter Sänger, der, von Ort zu Ort ziehend, sein Brot verdiente. Und wollen wir sein Wesen vollkommen scharf zeichnen, so müssen wir ihn für den Journalisten jener Zeit erklären, denn der Journalist ist nicht an Feder, Tinte, Papier und Druckerschwärze gebunden. Journalist ist, wer von Zeit zu Zeit, in kürzeren oder längeren Pausen, das Publikum über wichtige Vorkommnisse der Gegenwart unterrichtet. Das Mittel, dessen er sich dabei bedient, ist heute die Zeitung, vor 300 Jahren war es die Flugschrift, vor 600 Jahren war es das Lied."11

Von den Meinungspublizisten, die sich der Liedform oder des Gedichts bedienen, um in die Öffentlichkeit zu wirken, hebt sich deutlich die Gruppe der Berichterstatter ab: das fahrende Volk, insbesondere Jahrmarktssänger, Landsknechte, Bettler usw. Sie hatten entweder selbst etwas miterlebt und erzählten das Erlebte als Lied weiter, oder sie traten als Nacherzähler dessen auf, was sie von anderen gehört hatten, sei es nun, daß sie das Erfahrene selbst ,in Form brachten", sei es, daß sie bereits ,in Form Gebrachtes' nur kolportierten. Die Motive, die dabei ihren kommunikativen Bemühungen zugrunde lagen, lassen sich häufig aus den Aussagen selbst ablesen: einmal ist es die bloße Mitteilungsfreude, ein andermal spontane Gefühlsäußerung, wieder ein andermal die Hoffnung, mit der Produktion oder Reproduktion dieser Lied-Berichte Geld verdienen zu können12. — Die modernen Massenmedien haben diesen Typ von Kommunikatoren und Kommunikation (die berichtende Liedpublizistik) wie auch ihre Nachfahren, die Bänkelsänger13, in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts bei uns aussterben lassen. In Gebie11

Zit. nach KARL D'ESTER: Zeitung und Zeitschrift. Sonderdruck aus Deutsche Philologie im Aufriß. Hrsg. v. W. Stammler. Berlin/Bielefeld/München o. J. S. 14. 12 Vgl. dazu vor allem THEODOR HAMPE: Fahrende Leute in der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1902. 13 Vgl. KARL V E I T RIEDEL: Der Bänkelsang. Wesen und Funktion einer volkstümlichen Kunst. Hamburg 1963. 35

Publizistik II

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teil, die von der Zivilisation bisher nicht oder nur wenig berührt sind, leben diese alten publizistischen Formen jedoch fort. In einer dritten Gruppe der Liedpublizistik sind die Kommunikatoren, d. h. die Urheber, nicht mehr auszumachen: sie bleiben anonym. Träger der Aussagen ist — wie auch in anderen Bereichen der Mundpublizistik, insbesondere beim politischen Witz — die Öffentlichkeit, ,das Volk' selbst. Ein Großteil der älteren Reimpublizistik bediente sich der einfachsten, in der Öffentlichkeit fest verwurzelten Aussageformen. Sie trat in der Formfolie des einfach gereihten Spottverses, des Gebets, des Rätsels in Erscheinung, in die immer wieder neue aktuelle, politischpropagandistische Inhalte verpackt und durch die bekannte Form fest zusammengehalten wurden. Diese anonyme Reimpublizistik reicht bis in unser Jahrhundert hinein14.

3. Zur Typologie der gereimten Publizistik Der Versuch, eine Typologie der gereimten Publizistik zu entwerfen, kann ausgehen von der Thematik, die sich fast immer mit dem sozialen Gehalt der Aussagen deckt ii. Aktuell-weltanschaulich-politische Lieder: Partei- und Aktionslieder, Feierlieder, Kirchenlieder; 2. Nicht unbedingt politische oder unpolitische Lieder: Kinderlieder, Jugendlieder, Arbeiterlieder, Bauernlieder, Soldatenlieder, Zeitungs- und Bänkellieder — Volkslieder, Schlager, Studentenlieder, Spiellieder, Tanz- und Schullieder, Wanderlieder)15. Sie kann aber auch, alte abgestorbene Erscheinungsformen der gereimten Publizistik mitumfassend, ausgehen von den literarisch vorgeprägten Grundhaltungen der einzelnen Aussageerscheinungen: der lyrischen, der epischen und der dramatischen Grundhaltung und Mischformen zwischen diesen Grundhaltungen. Auf dieses Fundament lassen sich folgende, von der jeweiligen Intention, weniger vom Thema her bestimmte Gruppen aufbauen: Lyrische Grundhaltung: Agitatorische Lieder, Spottlieder, Loblieder, Bittlieder, Klagelieder; Lyrisch-epische Grundhaltung: Songs, Zeitungslieder — Politische Sprüche, „Gebete", Neckverse; Epische Grundhaltung: Politische Kurzepen, gereimte Predigten, gereimte Leitartikel, gereimte ,Zeitungen'. a) Lieder mit lyrischer Grundhaltung

Dem politischen Lied eignet, wie oben näher ausgeführt, eine organisierte, gezielte Zusammenfassung der Erlebnisse und Erfahrungen, der Uberzeugungen 14 Vgl. G E R H A R D E . S T O L L : Gebete in publizistischer Umgestaltung. In: „Publizistik", 6/1958. S. 337 ff. 15 Vgl. G E R T H A G E L V E I D E : Probleme publizistischer Liedforschung. In: „Publizistik", 1/1967, S. 4.

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und Stimmungen zu, kurz: eine bestimmte Tendenz. Politische Dichtung bedient sich deshalb so häufig der lyrischen Form und Grundhaltung, weil diese etwas „Punkthaftes und Momentanes" 1 ' und den Reim integriert, der ein Ausbrechen aus der Vorlage nur selten zuläßt, und weil die kurze Dauer des sprachlichen Nachvollzuges und die Melodie „die verhaltenen Affekte der Gruppe zu einer gemeinsamen Energie zusammenballen"17. Als weiteres, für eine „funktional" verstandene Publizistik besonders wichtiges Merkmal hat G E R T HAGELWEIDE kürzlich die gerade für das Lied „spezifische Interdependenz zwischen Kommunikator und Rezipienten" herausgestellt. „Text und Musik gehen im Lied geradezu eine Symbiose ein: sie treten zu einem neuen publizistischen Gebilde zusammen, von dessen Aussage der Autor erhofft, daß sie von einer größtmöglichen Zahl von Sängern nachvollzogen werde. Diesem Willen zur gezielten Kommunikation kommt die Art und Weise der gesanglichen Reproduktion entgegen. Kein Medium ist so dem Rezipienten zugewandt wie das Lied"18. In Anlehnung an Henk Prakke kommt Hagelweide dann auch zu einer neuen Definition des (publizistisch relevanten) Liedes. Er versteht darunter „jede singbare und für den Gesang bestimmte Aussage, . . . die öffentliche Leistungen als Informator, Kommunikator und Sozius übernimmt und in der zwischenmenschlichen Kommunikation einer gesellschaftlichen Regelung unterliegt"". Von solchen Überlegungen ausgehend lassen sich die Untergruppen der Reimpublizistik mit lyrischer Grundhaltung etwa wie folgt näher charakterisieren: Im agitatorischen Lied schaltet der Liedpublizist sein privates Erlebnis zumeist aus. Der Autor und mit ihm dann die seine Aussage nachvollziehende singende Gemeinschaft fühlen sich als Anwälte einer Idee oder Ideologie. Das jeder wertund zweckfreien Lyrik wesenseigene „Inne-sein" wird dabei aufgehoben. Das Drängen und Fordern des agitatorischen Liedes schaffen vielmehr eine „ Gegenüber-Haltung. Diese „Gegenüber"-Haltung, die im agitatorischen Lied fast immer ideologischer Natur ist, verdichtet sich im Spottlied zum realen „Gegenüber". Der Gegner wird direkt angesprochen, beim Namen genannt und lächerlich gemacht. Loblieder sind häufig nur eine spezifische Abart der agitatorischen Lieder: .gelobt" wird, meist auf ein aktuelles Ereignis (einen Sieg, eine Erfindung, eine besondere gesellschaftliche Errungenschaft) oder auf eine Person bezogen, die dahinterstehende Ideologie oder die Person (der Sieger, der Erfinder). Aber gerade beim Loblied wird, im Unterschied zum agitatorischen Lied, oft deutlich, daß das in der Aussage enthaltene Lob weniger einer emotional erlebten Begeisterung als vielmehr einer Distanz zwischen Untergebenem und Gebietendem entspringt.

16

BENNO VON WIESE, a . a . O . , S. 13.

Ebenda. GERT HAGELWEIDE: Probleme publizistischer Liedforschung. In: „Publizistik" 1/1967. S. 3 ff. " Ebenda. 17

18

35*

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GÜNTER KIESLICH

Die meisten Loblieder wirken deshalb in ihrem odischen Pathos nach kurzem ,Hit'-Sein unehrlich und verbraucht; sie nutzen sich trotz vorübergehender Erfolge in der Öffentlichkeit (wie die Schlager) schnell ab. In echten Bitt- und Klageliedern ist dagegen fast nie etwas von der ideologischen Überheblichkeit der Spottlieder oder dem aufgetragenen Pathos der Loblieder zu finden. Soldie Aussagen entstehen meist in einer Grenzsituation: sie sind passiv im Gegensatz zur aggressiven, optimistisch-pathetischen Haltung der vorgenannten Liedgruppen. In Bitt- und Klageliedern findet zugleich ein persönliches, gleichsam privates Gestimmtsein seinen Ausdruck, das sich freilich mit der Stimmung weiter Öffentlichkeitskreise oder Gruppen deckt. Aus einem Kollektivgefühl heraus klagt, bittet, ermahnt, ermuntert, droht der Liedpublizist und schließt die Rezipienten in dieses sein privates Gestimmtsein ein. b) Lieder mit lyrisch-epischer Grundhaltung Der moderne Song oder Protest-Song kann alle bisher beschriebenen Intentionen des politischen Liedes betreffen und sogar in sich vereinigen. B E R T O L T B R E C H T verstand die Songs, die durch ihn allererst politisch-publizistisch wirksam wurden, schon gar nicht mehr als Produkte der .lyrischen' Grundhaltung; er ordnete sie als „Anfänge eines anderen, neuzeitlichen Theaters" seiner nicht-aristotelischen epischen Dramatik zu. Er will „Songmusik als . . . sozusagen gestische Musik" verstanden wissen, „die den gesellschaftlichen Zweck (politischer) Neuerungen herausarbeiten kann", die es „dem Schauspieler ermöglicht, gewisse Grundgesien vorzuführen" 20 . Der Schauspieler, so meint Brecht an einer anderen Stelle, darf dabei „nicht so sehr den Gefühlsinhalt seiner Lieder hervorholen, sondern er zeigt Gesten, welche . . . die Sitten und Gebräuche des Körpers sind . . . Besonders beim Lied ist es wichtig, daß, ,der Zeigende gezeigt wird'"11. Auch wenn wir von diesen extremen, mehr theoretischen Festlegungen Brechts absehen, fällt der moderne Song doch aus der Begrenzung des liedhaften Gestimmtseins heraus und tendiert in der Grundhaltung entweder mehr zur Epik oder zur Dramatik, mag er sich auch aller Attribute des Liedes (Orchesterbegleitung, musikalische Stütze durch ein Instrument, meist Gitarre) bedienen. Der publizistisch wesentliche Unterschied des modernen Songs gegenüber anderen Formen politisch-publizistischer Liedproduktion liegt jedoch darin, daß Songs einem Publikum vorgetragen werden; sie sind gereimte Leitartikel; sie sind nicht dazu bestimmt, im „Gesänge des Volkes zu wirken" (Uhland), d. h. als Massenlied singend gemeinschaftlich nachvollzogen zu werden. Sie sind mehr artifizielle Produkte, denen der Willen zur „gesanglichen Reproduktion" (Hagelweide) durch die Öffentlichkeit fehlt.

2 0 BERTOLT BRECHT: Uber die Verwendung von Musik für ein episches Theater. In: Schriften zum Theater. Uber eine nichtaristotelische Dramatik. Berlin, Frankfurt a. M. 1957. S. 244.

"

BERTOLT BRECHT: Anmerkungen zur „Dreigroschenoper". In: Bertolt Brecht: Stücke,

Bd. III. Berlin 1956. S. 155 f.

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Ähnliche gesellschaftliche Funktionen (aber nicht formale Intentionen) zeigte das durch die Massenmedien längst überholte Zeitungslied. Mit „liedhaftem Innesein" und dem „Punkthaften und Momentanen" der lyrischen Dichtung hatte das Zeitungslied nie etwas zu tun. In ihm ging es um die Beschreibung von Erlebnissen und Tatsachen. Die Zweckbestimmtheit dieser Liedgruppe lag in der aktuellen Unterrichtung über Geschehenes. Dabei wurde ein durchaus epischer Stoff nur deshalb in liedhafter und strophischer Form mitgeteilt, weil er sich so leichter einprägt, weil einem zerfließenden Inhalt Reim und Melodie gewisse Stützen geben und weil die publizistische Wirkung größer ist. Allerdings wird die ,Liedhaftigkeit" in den meisten Zeitungsliedern durch die notwendige Breite und nuancierte Kleinmalerei des epischen Berichts wieder aufgehoben. Viele Zeitungslieder blähten sich zu 30- bis 60strophigen Gebilden auf; ein gemeinschaftlicher Nachvollzug wird unmöglich; sie sind fast immer (wie die älteren Heldenlieder oder -epen) zum Vorsingen bestimmt. R O B E R T E. P R U T Z hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Zeitungslieder eine Umschichtung im Wesen des politischen Liedes bedeuten, die zudem durch die Möglichkeit der gedruckten Vervielfältigung mitbewirkt wird. Erst dem gedruckten Lied wurde das „Detail möglich, auf welches das (nicht gedruckt fixierte) Lied, seiner Natur nach, verzichten mußte. Aber dieses Detail wurde jetzt von Wert. Die mittelalterliche Zeit, in ihrer Flucht vor der Wirklichkeit der Geschichte, hatte sich mit den allgemeinen Anregungen begnügen können, welche das historische Volkslied zu geben vermag. Dagegen eine Zeit, welche wesentlich eine politische werden und in der vollständigsten Durchdringung der historischen Zustände ihre Aufgabe finden sollte, konnte auch die Spezialitäten und jenen großen Apparat... nicht mehr entbehren. Daher je zahlreicher die Pressen, je sparsamer die Lieder"22! Wiederum anders gibt sich die politische Spruchdichtung, in der Neckverse und politisch-publizistisch umgemünzte Gebete charakteristische Untergruppen bilden. In der punkthaften Aussage des Spruches hat sich, wie Robert Petsch einmal formulierte, aus uralter Zeit ein Zug des „Bescheidwissens" um die Dinge und ihre Hintergründe erhalten. Im Spruch wird das Wort „zur Handlung und will irgend etwas in der Wirklichkeit (nicht bloß in der Einbildungskraft der Menschen) bewirken, indem es das Gegebene verwandelt und neu gestaltet"®2. Politische Sprüche, die meist zum sprechchorartigen Gemeinsdiaftsnadivollzug oder zum Sprechen mit verteilten Rollen auffordern, — wie besonders die politischen .Litaneien' aus der Reformationszeit und aus dem Zeitalter des 30jährigen Krieges, aber auch die Erzeugnisse der modernen Agitprop-Arbeit — wurden und werden 2 2 ROBERT E. PRUTZ: Geschichte des deutschen Journalismus, 1. (einziger) Teil. Hannover 1845. S. 99. S J ROBERT PETSCH: Spruchdichtung des Volkes. Vor- und Frühformen der Volksdichtung. In: Volk. Grundriß der deutschen Volkskunde in Einzeldarstellungen. 4. Bd. Halle 1933. S. 8.

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GUNTER KIESLICH

vor allem in revolutionären Zeiten und in totalitären Regimen publizistisch geschickt und wirkungsvoll zum Einsatz gebracht c) Reimpublizistik mit epischer Grundhaltung Im Gegensatz zu den bisher charakterisierten Gattungsformen der Reimpublizistik erscheinen das politische Kurzepos, die gereimten Leitartikel, Zeitungen und Predigten stets ohne Melodie und sind auch nicht, wie echte politische Gedichte, vertonbar. Reimpublizistik mit epischer Grundhaltung kann zwar vorgetragen werden, in der Regel aber wurde sie — als Flugblatt oder Flugschrift verbreitet — vom Empfänger selbst „still" gelesen. Ein gemeinschaftlicher Nachvollzug fand nicht statt. Solche Erscheinungsformen der Reimpublizistik hatten ihre Berechtigung und Wirkung, als die gedruckte periodische Zeitung noch nicht Allgemeingut war. Sie sind seit langem ausgestorben. Neue Gesichtspunkte, Möglichkeiten und publizistische Wirkungsweisen ergeben sich für das politische Lied und Gedicht seit etwa einem halben Jahrhundert durch die Massenmedien, insbesondere durch Hörfunk und Fernsehen. Die Funktionen der Multiplikation, der Entgrenzung und Wirkung einer so verbreiteten Liedpublizistik sind — soweit wir sehen — jedoch noch nicht exakt erforscht.

LITERATUR Allgemeines: ADORNO, T H . W.: Einleitung in die Musiksoziologie. 12 theoretische Vorlesungen. Frankfurt a. M. 1962. — BALD, G.: Die politisch-satirische Lyrik, ein publizistisches Kampfmittel. Phil. Diss. Erlangen 1933. — ENZENSBERGER, H. M.: Poesie und Politik. In: Einzelheiten. Frankfurt a. M. 1962, S. 334 ff. — D'ESTER, K.: Gesprochene Zeitung. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft. Leipzig 1940. Sp. 1288 ff. — HAGELWEIDE, G.: Probleme publizistischer Liedforschung. In: „Publizistik", 1/1957, S. 3 ff. — KLEMPERER, V.: Die Arten der historischen Dichtung. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 5/1923, S . 370 ff. — MEYER, E.: Musik im Zeitgeschehen. Berlin 1952. — MÜLLER, G.: Geschichte des deutschen Liedes vom Zeitalter des Barode bis zur Gegenwart. München 1925. — WEDDINGEN, O.: Geschichte der deutschen Volksdichtung seit dem Ausgange des Mittelalters bis auf die Gegenwart. 2. Aufl. Wiesbaden 1895. — W I E S E , B. V.: Politische Dichtung Deutschlands. Berlin 1931. Spezielles: BALLUSECK, L. V.: Dichter im Dienst. Der sozialistische Realismus. Wiesbaden 1 9 5 6 . — ELBERS, W.: Das deutsche Soldatenlied im ersten Weltkrieg und seine publizistische Bedeutung. Phil. Diss. Münster 1 9 6 3 . — HAGELTEIDE, G.: Das publizistische Erscheinungsbild des Menschen im kommunistischen Lied. Eine Untersuchung der Liedpublizistik der KPD ( 1 9 1 9 — 1 9 3 3 ) und der SED ( 1 9 4 5 — 1 9 6 0 ) . Phil. Diss. Münster 1 9 6 5 . — H A MERSKI, W.: „Gott" und „Vorsehung" im Lied und Gedicht des Nationalsozialismus. In: „Publizistik", 5 / 1 9 6 0 , S. 2 8 0 ff. — KIESLICH, G.: Das „Historische Volkslied" als publizistische Erscheinung. Münster 1 9 5 8 . — RAHMELOW, J . M.: Die publizistische Natur und der historiographische Wert deutscher Volkslieder um 1530. Phil. Diss. Hamburg 1966. — SEEMANN, E.: Newe Zeitung und Volkslied. In: Jahrbuch für Volksliedforsdiung 1 9 3 2 , S. 8 7 ff. — SCHÖNE. A.: Uber Politische Lyrik im 2 0 . Jahrhundert. Göttingen 1 9 6 5 . — STEINITZ, W.: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. 2 Bde. Berlin 1 9 5 5 / 6 2 . — BROKERHOFF, K. H.: Gedichte von Drüben. Literatur aus dem anderen Teil Deutschlands. Textsammlung f. d. Unterricht Bd. I u. II Bad Godesberg 1963 u. 1968.

E. Die Schallplatte

Schallplatte und Tonband als publizistische Mittel J.

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„Die Schallplatte gehört mit den Teilen ihrer Aufzeichnung und Verbreitung in die Publizistik, die öffentlich, das heißt aktuell bedingt und gesinnungsbestimmt ihre Wirkung tun". Diese Auffassung hat der Herausgeber dieses Handbuches, Emil Dovifat, in dem der allgemeinen Publizistik gewidmeten ersten Band vertreten 1 . Es ist zu begrüßen, daß die Rolle der Schallplatte8 — allerdings nach Dovifat nur bedingt — als eines publizistischen Mittels, über die eines reinen Massenkommunikationsmittels hinaus, mehr und mehr auch in Wissenschaft, Gesetzgebung und öffentlicher Meinung anerkannt wird. — Leider hat sich diese Auffassung noch nicht allgemein durchgesetzt. Von den ersten Augenblicken ihrer — noch nicht hundertjährigen — Geschichte an hat es „aktuelle" Aufnahmen auf Tonträgern gegeben. Bevor noch der Kampf zwischen Edisons im Jahre 1878 als Patent registrierten „Phonograph" und Emil Berliners zehn Jahre später zum Patent angemeldeten „Grammophon"® zugunsten des letzteren entschieden war, sprach bereits Kaiser Wilhelm II. höchst persönlich für den Phonographen einen Text, der für das Nationalmuseum und die

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a.a.O. S. 238. In den letzten Jahren ist neben die Schallplatte in ständig wachsendem Maß das bespielte (Ton-)Band getreten. Man kann hier weniger von einer Konkurrenz zur Schallplatte als von einer Ergänzung sprechen, zumal das Repertoire von den bestehenden Schallplattenfirmen gestellt wird und diese auch den Vertrieb durchführen. Wenn in diesem Beitrag von der „Schallplatte" gesprochen wird, ist stets der bespielte Tonträger in allen nur denkbaren Formen gemeint. Die Kennzeichen sind, mit nur geringen Unterscheidungen, die gleichen. 5 Bei Edisons „Phonograph" war Tonträger eine Walze, bei Berliners „Grammophon" eine Platte, in welche die schwingende Membrame ihre Bewegungen als flache Schlangenlinie gravierte. Im Gegensatz zur Edisonschen Walze konnten von dieser Platte beliebig viele Kopien gezogen werden, was die weltweite Verbreitung der Schallplatte erst ermöglichte. — Der Name „Grammophon" ist heute in Deutschland geschützt für die Schallplattenfirma Deutsche Grammophon GmbH. 2

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„Congressional Library" in Washington bestimmt war. Diese Walzen brachten der „American Trading Company" viel Geld, dem Kaiser jedoch zahlreiche Karikaturen in ausländischen Zeitungen ein, weil er sich eines so seltsamen Publikationsmittels bedient hatte 4 . Das Repertoire der ersten Schallplatten bestand übrigens durchaus nicht nur aus Musikaufnahmen; „Bestseller" jener Jahre war eine Sprechplatte: eine Aufnahme des „Vater Unser". Und das erste Fachorgan aus jener Pionierzeit der Schallplatte, „Phonoscope", nannte sich im Untertitel „Fachzeitschrift für Sprechmaschinen". Ein Zweig der Publizistik war die Schallplatte in diesen Gründerjahren sicherlich noch nicht; schon die kurze Spieldauer der Schellackplatten von 21h, später 4 Minuten ließ eine derartige Funktion gegenüber den echten publizistischen Mitteln des Buches und der Zeitungs- bzw. Zeitschriftenpresse nicht zu. Freilich gab es schon sehr früh literarische Platten, so von Josef Kainz und Alexander Moissi, sowie Kabarett-Platten, beispielsweise von Karl Valentin. Das Kabarett stand jedoch damals erst im Anlauf in seine politischen Möglichkeiten, die sich dann auch die Schallplatte sehr bald nutzbar machte. Hinzu kamen die Möglichkeiten der Dokumentation durch die Schallplatte, die zunächst, wiederum wegen ihrer kurzen Spieldauer, nur in sehr beschränktem Maße genutzt werden konnten. Es sind zwar aus den Jugendjahren der Schallplatte u. a. die Stimmen von Kaiser Franz Joseph und Conrad von Hötzendorf, von Emil Berliner und Leo Tolstoi erhalten. Ein publizistisches Medium war die schwarze Scheibe jedoch trotzdem noch nicht. Erst die Erfindung der Langspielplatte aus Kunststoff 5 ermöglichte der Schallplatte den Eingang in die Reihe der Massenmedien und damit auch ihre Anerkennung als publizistisches Mittel. Daß die Schallplatte ein echtes Massenmedium ist, wird heute nicht mehr bezweifelt. Dabei gilt diese Charakterisierung nicht etwa nur für Sprech- und Dokumentaraufnahmen; Platten und Bänder der Beatles oder der Rolling Stones, aber auch von „Protestsängern" wie Degenhardt oder Süverkrüp erfüllen ebenfalls die an ein Massenmedium zu stellenden Voraussetzungen. Mit Recht bezieht daher Löffler" die Schallplatte als solche7 in den Kreis der Massenmedien ein, für die er folgende Definition gibt: „Massenmedien sind * Zitiert nach HAAS-KLEVER: „Die Stimme seines Herrn — eine Geschichte der Schallplatte" und „Schallplatten-Brevier". Ullstein-(Taschen)Budi Nr. 246 bzw. 203. 5 Vorgängerin der eigentlichen Langspielplatte war während einer kurzen Zwischenspanne die „Platte mit verlängerter Spieldauer", die noch aus Schellack bestand. Heute gibt es Langspielplatten (LP = Long Play) mit einem Durchmesser von 25 und 30 cm; abgespielt werden sie mit 33 Umdrehungen pro Minute (UpM). Daneben gibt es die sogenannte kleine Langspielplatte (EP = Extended Play), auch als „Füllschriftplatte" nach dem von dem Journalisten Eduard Rhein erfundenen Verfahren auf dem Markt. Sie wird mit 45 UpM abgespielt und hat eine Spieldauer von etwa 12 Minuten. Bei den beiden LP-Kategorien beträgt die Spieldauer etwa 25 bis 50 Minuten.

SCHALLPLATTE U N D T O N B A N D ALS PUBLIZISTISCHE MITTEL

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Unternehmen oder Institutionen, die sich mit dem technischen Mittel der Massenvervielfältigung geistiger Sinngehalte der Unterrichtung, Erbauung oder Unterhaltung des Publikums widmen". Löffler erklärt ausdrücklich, daß diese Begriffsbestimmung auf die bekannten Massenmedien Zeitungs-, Zeitschriften und Budipresse, auf Hörfunk, Fernsehen, Film und Schallplatte gleichermaßen zutreffe 8 . Wenn somit die Schallplatte ein Massenmedium und auch ein Massenkommunikationsmittel ist, erhebt sich die weitere Frage, ob sie (damit?) auch einen Zweig der Publizistik darstellt. Maletzke' vertritt die Ansicht, daß die Begriffe „Massenmedien" und „Publizistik" sich nach allgemeiner Auffassung zwar decken, daß das im Verhältnis von „Massenkommunikation" und „Publizistik" jedoch nicht der Fall sei. Ein wesentliches Merkmal der Publizistik sieht der genannte Autor in der Aktualität der Aussage; künstlerische, belehrende und unterhaltende Inhalte könnten demnach (allerdings nur dann) unter den Begriff „Publizistik" fallen, wenn sie auch aktuelle Elemente enthielten. Diese Beschränkung auf die Aktualität wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Eine derartige Einengung würde auch einer Reihe der klassischen publizistischen Medien — zumindest teilweise — ihre Zugehörgkeit zu dieser Disziplin absprechen. Man wird dem Wesen der Publizistik nur gerecht, wenn man bei einer Bestimmung ihres Standortes das Erfordernis der Aktualität nicht absolut gelten läßt, sondern mit Dovifat10 als Wesensmerkmal der publizistischen Mittel ansieht, daß sie ihren Weg durch die Öffentlichkeit gehen. Von ihr (publice = öffentlich) habe die Publizistik ihren Namen. Alle diese Mittel seien „öffentlich bewirkt" in ihrer Erscheinung und „öffentlich bedingt" in ihrem Inhalt. In dem Handbuch „Der Journalist" 11 heißt es, nach 1945 habe sich die Ausweitung 6 LÖFFLER, M.: „Massenmedien . . . als Rechtsbegriffe". In: „Das Recht am Geistesgut", Festschrift für Walter Bappert, hrsg. von F. HODEIGE. Freiburg/Brsg. 1964. 7 Nach dem Wirtschaftsbericht des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e. V. in Hamburg für das Jahr 1967 (Presse-Information vom 2. 4. 1968) wurden im Jahr 1967 in der Bundesrepublik — einschließlich des Exports — 76 Millionen Stück Schallplatten abgesetzt. 8 Weitere Literatur über die Schallplatte als Massenmedium: Bejahend SILBERMANN, A.: „Schallplatte und Gesellschaft". In: „Bertelsmann-Briefe" Nr. 2 4 / 1 9 6 3 . MALETZKE, G.: „Psychologie der Massenkommunikation — Theorie und Systematik". Hamburg 1963 (insbes. S. 1 4 und 3 4 ) . LÖFFLER, M.: a.a.O. und in „Presserecht", S. 9 7 . München 1 9 5 5 . VIEDEBANTT, J . : „Die Rolle der Schallplatte". In: Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie. (Schriftenreihe der Deutschen Studiengesellschaft für Publizistik, Band 6.) München 1966, S. 52 ff. WASEM, E . : „Presse, Rundfunk, Fernsehen, Reklame — pädagogisch gesehen". München 1955 und FELDMANN, E . : „Technik der Massenmedien". München 1962. beziehen die Schallplatte zwar nicht in den Kreis der von ihnen behandelten Massenmedien ein, verkennen allerdings auch nicht ausdrücklich ihre Zugehörigkeit dazu. Ablehnend dagegen Tiburtius (vgl. „fono forum" Nr. 10/1964, S. 377). » a.a.O. S. 14. 10 DOVIFAT, E.: „Zeitungslehre" Bd. I (Sammlung Göschen, Bd. 1039/40 1039/1039 a, S. 5). Berlin 1967.

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der „Zeitungswissenschaft" zur „Publizistik" erfolgreich durchgesetzt, wobei als „Publizistik" die „Wissenschaft vom öffentlichen Leben und den publizistischen Führungsmitteln" bezeichnet wird. Wilmont Haacke 18 versteht formuliert: „Publizistik ist eine Sammelbezeichnung, unter der jene Mittel erfaßt werden, mit deren Hilfe sich die Menschen ständig von neuem unterrichten, belehren, aber auch unterhalten und vergnügen lassen". Wenn man der Meinung der Autoren folgt, ist also auch die Schallplatte ein Zweig der Publizistik. Bereits eine Reihe äußerer Kriterien scheint diese These zu bestätigen: Der Herausgeber dieses Handbuches hat die Schallplatte als publizistisches Mittel eingeordnet. In der Deutschen Studiengesellschaft für Publizistik ist die Schallplatte gleichberechtigtes unter den anderen publizistischen Mitteln. In einer Reihe von Gesetzen ist sie dem Verlagserzeugnis gleichgestellt, so im „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften", in den Pressegesetzen der meisten deutschen Bundesländer, im Urheberrechtsgesetz, im Versammlungsgesetz und in dem noch nicht verabschiedeten „Entwurf eines Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtstücken an die Deutsche Bibliothek". Nach der Rechtsprechung zu den Bestimmungen des Strafgesetzbuches fallen Schallplatten unter den Begriff der „Schriften". In Bibliotheken hat die Schallplatte ebenfalls Einzug gehalten. Der Ehrenpräsident des Deutschen Musikrates, Hans Mersmann1®, weist darauf hin, daß die meisten öffentlichen Bibliotheken heute über eigene Discotheken verfügen. Die Beziehungen der Schallplatte zu den übrigen publizistischen Mitteln sind sehr eng: Die Interpreten im Fernsehen und auf Schallplatten sind in vielen Fällen identisch. Im Wege der Zusammenarbeit veranstaltete die ARD 1967 den ersten „GalaAbend der Schallplatte". Dieser der Unterhaltung dienenden Veranstaltung folgte im Herbst 1968 eine ähnliche Veranstaltung mit klassischem Programm. Das ZDF überträgt die Endveranstaltung des Deutschen Schlager-Wettbewerbs, bei dem die Schallplattenhersteller die vortragenden Künstler stellen. Die Musikprogramme der deutschen Rundfunkanstalten bestehen zu etwa 60 °/o (im Schnitt) aus der Wiedergabe sogenannter „Industrie-Schallplatten". — Mehr und mehr wird Büchern eine den Inhalt akustisch erläuternde Schallplatte beigefügt. Zahlreiche Verleger haben ihren Buchverlagen eigene Schallplattenverlage

11 „Der Journalist — das Handbuch für den Publizisten", hrsg. von E. W. REMY, 2. Bd. 1956, Verlag B. C. Heye & Co., Bremen, S. 153. 12 HAACKE, W . : „Vom Studium der Publizistik". In: „Handbuch der publizistischen Praxis" (früher: „Der Journalist"). Hrsg. von Ewald W. Remy, 6. Bd. 1960, Verlag B. C. Heye & Co., Bremen S. 205 ff. 13 MERSMANN, H.: „Reichtum frei Haus die Bildungsmöglichkeiten der Schallplatte". In: „fono forum" Nr. 5/1967, S. 265.

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angegliedert (Bertelsmann, Herder, Schwann, Bärenreiter, Gräfe & Unzer, Voggenreiter und andere). Das gleiche gilt für die Buchgemeinschaften. Vielfach erscheint auch gleichzeitig mit einem Buch eine Schallplatte oder eine Kassette des gleichen Autors, wobei bereits die Identität der Titelbilder auf Buchumschlag und Plattentasche den Zusammenhang beweist. An Veröffentlichungen der letzten Zeit seien hier genannt „Bretter, die die Zeit bedeuten", eine in Buchform und auf Schallplatten niedergelegte Geschichte des Kabaretts von Heinz Greul (Buch: Verlag Kiepenheuer & Witsch, Plattenkassette: Polydor) und „Mein Leben — meine Lieder" von Robert Stolz (Buch: Marion von Schröder-Verlag, Plattenkassette: Ariola). Letzter Punkt in der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung ist im Augenblick die direkte Co-Produktion zwischen Buchverlag und Schallplattenfirma: so zeigten kürzlich der Henry Goverts-Verlag und die Schallplattenfirma TELDEC in einer gemeinsamen Anzeige14 ein Buch und eine Schallplatte von Hermann Mostar mit demselben Titel an. Während früher die Verlage von Tageszeitungen Buchprämien für die Werbung neuer Abonnenten ausgesetzt haben, hat der Werber heute in den meisten Fällen (FAZ, „Die Welt" und andere) die Möglichkeit der Wahl zwischen einem Buch und einer Schallplatte. Eine Reihe von Zeitschriftenverlagen, nicht etwa nur von Publikumszeitschriften, produziert entweder selbst Schallplatten oder hat entsprechende Vereinbarungen mit Schallplattenfirmen getroffen. So gibt der Verlag Franckh unter dem Titel „Kosmos" sowohl eine Zeitschrift wie Schallplatten naturwissenschaftlichen Inhalts heraus. Der Werk-Verlag stellt seinen zahlreichen ärztlichen Fachzeitschriften Schallplatten mit dem Label" „Distar — die Stimme des Arztes", die monatlich erscheinen, zur Seite. Die (inzwischen eingestellte) Zeitschrift „Kristall" produzierte — gemeinsam mit der Schallplattenfirma Electrola — anläßlich ihrer Serie „Die goldenen zwanziger Jahre" eine Schallplatte mit gleichem Titel. Eine Reihe von Publikumszeitschriften arbeitet bei der Herausgabe von Schallplatten, die unter dem Signet der Zeitschrift erscheinen, mit den entsprechenden Herstellern zusammen. Mehrfach sind auch bereits Schallfolien Zeitschriften als Beilagen beigefügt worden. Eine neuartige Kombination von Zeitschrift und Schallplatte stellt die Serie des Bastei-Verlages „Die großen Musiker" dar: in jeder der im Zeitschriften-Rhythmus erscheinenden Ausgaben illustrierter Monographien von Komponisten und Artikeln über deren Leben und Werk erscheinen Schallplatten mit Aufnahmen der betreffenden Komponisten. In der Werbung — Wasem1* rechnet auch die Reklame zu den publizistischen Mitteln — brachte die technische Entwicklung neue Möglichkeiten: die WerbeSchallplatte sowie die sogenannte „Beschallung" von Briefen und Prospekten, „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" Nr. 15 vom 20. 2. 1968, S. 1072. „Label" ist der Fadlausdruck für das Schallplatten-Etikett. " a.a.O. S. 16 ff., insbes. S. 32. 14

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auch „tönende Haut" genannt. Wenn auch von diesen neuen Werbemöglichkeiten anfangs nur zögernd Gebrauch gemacht wurde, wuchs das Interesse der werbungtreibenden Wirtschaft an diesem neuen Reklame-Medium sehr schnell17. „Die hörbare Werbung hat manchen Orts die Bedeutung der optischen Werbung erreicht — kein Wunder angesichts der Flut von Prospekten und Broschüren, unter denen eine Schallplatte immer noch auffällt und beachtet wird18." Inwieweit wird nun die Schallplatte den klassischen Aufgaben der Publizistik gerecht? Vorangestellt seien im Hinblick auf die noch nicht allseits anerkannte Rolle der Schallplatte Gedanken, die Elisabeth Noelle 1 ' entwickelt hat. Sie schreibt, obwohl wir heute über die großen Kommunikationsmittel und ihr Publikum mehr wüßten als je zuvor in der Geschichte Publizisten gewußt hätten, fühlten wir uns unsicher, wenn wir ausdrücklich auf Funktion und Wirkung der Massenmedien angesprochen würden. In Beantwortung der Frage, wie man aus dieser Unsicherheit herauskommen könne, meint Frau Noelle: „Wir sollen, glaube ich, diese Epoche des Ubergangs, während die neuen Beobachtungsmethoden entwickelt werden, schätzen lernen als eine Zeit, in der wirklich ernsthaft erforscht werden kann, was es mit der Wirkung und der Funktion der Massenkommunikationsmittel auf sich hat." Dem Erfordernis der Information des Staatsbürgers wird natürlich in erster Linie durch die Dokumentarplatte entsprochen. Einige Beispiele wurden bereits genannt. Ganz besonders erwies sich die Bedeutung der Schallplatte als eines aktuellen Informationsmittels im Hinblick auf Konrad Adenauer: sechs Firmen haben im Laufe der Jahre Adenauer-Platten herausgebracht, auf denen auch die Stimmen zahlreicher anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aufgezeichnet sind. Eine Adenauer-Schallplatte der Electrola aus dem Jahr 1961 präsentiert praktisch einen Teil der Memoiren Adenauers. Die akustische Form hatte somit zeitlichen Vorrang vor der literarischen Veröffentlichung". Publizistik im engsten Sinne enthält auch die Dokumentations-Serie der Ariola „Die Schallplatte des Jahres". Hier werden die wichtigsten Ereignisse eines Jahres festgehalten. Echte Information vermitteln schließlich auch die Schallplatten des Deutschen wirtschaftlichen Steuerinstituts der Steuerbevollmächtigten, auf denen Fachbeamte des Bundesministeriums der Finanzen Probleme der neuen Mehrwertsteuer behandeln21. " „Schallplatten für Werbung und Verkaufsförderung". In: Stamm, „Leitfaden für Presse und Werbung". Essen 1967, S. 8/65. 18 „Beethoven konkurriert mit dem Frühstüdeskorb — die Rolle der Schallplatte in der Werbung". In: „Industriekurier" vom 22. 4. 1967. 19 NOELLE, E . : „Die Wirkung der Massenmedien — Bericht über den Stand der empirischen Studien". In: „Publizistik — Festschrift für Emil Dovifat". Red.: KIESLICH, G. und SCHÜTZ, W . J. Bremen 1960, S. 212 ff. 20

„Die Schallplatte als historisches Dokument". Sechsseitiger Sonderdrude der Zeitschrift „Der Musikmarkt" Nr. 5/1967. 21 Informationsdienst „Politik und Wirtschaft" Nr. 34 vom 8. 5.1968, S. 4.

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Dem neuen Pressezentrum der württembergisdien Landeskirche in Stuttgart ist ein Tonbandarchiv angegliedert. Bei der Einweihung am 22. Januar 1968 mahnte Landesbischof Lilje, der Vorsitzende der Publizistischen Kammer der EKD ist, die Kirchen, die Massenkommunikationsmittel als Ausdruck unserer Zeit ernst zu nehmen und in ihren eigenen Gesetzen verstehen zu lernen22. Kontrolle und Kritik des öffentlichen Lebens bietet die Schallplatte so viel oder so wenig wie beispielsweise das Buch. Kabarett-Aufnahmen stehen hier neben Schallplatten wie „Kämpfendes Vietnam" und „Wolf Biermann zu Besuch bei Wolfgang Neuss". So weit sind die Stoffgebiete gespannt. Die Mitwirkung der Schallplatte bei Bildung der öffentlichen Meinung ist nicht zu bezweifeln, zumal in diesen Begriff auch die Unterhaltung einzubeziehen ist. Wilmont Haadce23 betont, daß die öffentliche Meinung nicht nur durch politische Publizistik, sondern auch durch Romane, Fernseh- und Rundfunksendungen, Theaterstücke usw. gebildet werde. Hier sei u. a. nur Rolf Hochhuths umstrittenes Schauspiel „Der Stellvertreter" genannt, das einen wesentlichen Teil seiner Verbreitung der Schallplatte verdankt. Auf die meinungsbildenden Auswirkungen von Schlagern weist der frühere Münchener Studenten-Seelsorger Günter Hegele24, auch „Schnulzenpfarrer" genannt, hin: „Der Schlager läßt sich aus unserem Leben nicht wegdiskutieren. Er ist da. Er tönt lautstark selbst in die stillsten Winkel unseres Landes. Er ist eine Macht, die Menschen in ihren Bann schlägt, die sie aufpeitscht, einlullt, tröstet und unterhält". In der Förderung der Bildung, insbesondere auch der Erwachsenen-Bildung, sei u. a. auf die zahlreichen Sprachkurse hingewiesen, weiterhin die Vorträge auf den verschiedensten Gebieten von Literatur, Kunst und Wissenschaft sowie musikkundliche Aufnahmen von Vivaldi bis Hans Werner Henze. Die Rubriken „Jugend- und Erwachsenen-Bildung" (mit den Gruppen Politik, Kunst, Wissenschaft, Medizin, Musikkunde und -dokumente, Erdkunde, Sport) sowie „Religiöse und kultische Aufnahmen" (mit den Gruppen Christentum, Jüdischer Kulturkreis, Orientalische Religionen) nehmen im letzten Sprechplattenkatalog 25 je vierzehn Seiten ein. Dabei darf man nicht dem Trugschluß unterliegen, daß lediglich die Schallplatten, deren Bildungsziel gewissermaßen aus dem Etikett ersichtlich ist, der Förderung der Bildung dienen. Auch eine Symphonie von Beethoven oder Mahler, ein von Thomas Mann selbst gelesener Auszug aus seinem Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Knill" oder die einer bestimmten zeit2 2 SCHÜTZE, Ch.: „Kirche muß Massenmedien verstehen". In: „Süddeutsche Zeitung" vom 23. 1. 1968. 28 „Die öffentliche Meinung — Publizistik als Medium und Faktor der öffentlichen Meinung". Schriftenreihe der Deutschen Studiengesellschaft für Publizistik, Bd. 4, München 1962. 2 4 HEGELE, G.: „Heiße Liebe und Heiße Musik". München 1961. 25 „Sprechplatten-Katalog", Verzeichnis der Literatur- und Spezial-Sdiallplatten, bearb. von H. Hartmann, Bielefelder Verlagsanstalt 1967.

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lidien Epoche („Musik aus alten Städten und Residenzen") oder der Struktur einer Landschaft (Salzburg) gewidmete Schallplatte kann — und wird vielfach — der Erwachsenen-Bildung wertvolle Dienste erweisen. Die Bedeutung der Schallplatte im Schulunterricht und im Hörsaal braucht nicht besonders herausgestellt zu werden, umfaßt doch das Gesamtrepertoire 2 ' der Schallplattenhersteller v o n Rumpelstilzchen bis zu der kürzlich in England herausgekommenen Langspielplatte, auf der Christiaan Barnard v o n seiner ersten Herzverpflanzung erzählt, alles, w a s v o n der ersten Volksschulklasse bis zum Universitätsabschluß unterrichtsmäßig v o n Bedeutung sein kann. Daß die Schallplatte im Zeitalter der modernen Völkerwanderung, die Gastarbeiter und Touristen um die ganze Welt treibt, eine besondere Funktion hat, sei der Vollständigkeit halber erwähnt". Zusammenfassend ist festzustellen: Die Schallplatte ist heute ein echtes publizistisches Mittel.

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SCHALLPLATTE UND TONBAND ALS PUBLIZISTISCHES MITTEL

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den — eine Schallplattensammlung von einzigartigen Originalaufnahmen. In: „Kurier" (Wien) vom 1. 4. 61. — RÜHLE, G . : Dichtung in schwarzen Scheiben. Ein Bericht über die Literarische Schallplatte. In: FAZ Nr. 167/1962. — THIEL, J.: Mikrophon und Tonband in der Hand des Musikerziehers. In: „Musik und Bildung in unserer Zeit". Mainz 1961.

Die Autoren

Biographische

Notizen

Hans Arnold, geb. 1908 in Mannheim. 1928 bis 1933 Studium in Heidelberg und Berlin: Germanistik, Geschichte, Philosophie. 1933 Dr. phil., Dissertation: „Lebensdrang und Todesverlangen in der deutschen Literatur von 1850—1880 im Zusammenhang mit der Philosophie Schopenhauers." — 1934—1947 Dramaturg am Nationaltheater Mannheim. (1945/6 amerikanische Kriegsgefangenschaft.) 1948 Programmdirektor bei Radio Bremen. 1955—1961 stellv. Intendant und Programmdirektor des Norddeutschen Rundfunks, 1961—1966 Fernsehprogrammdirektor des NDR. Danach Vorträge und Gastvorlesung an der Freien Universität Berlin. Ab 1969 Stellv. d. Programmdirektors des Deutschen Fernsehen in München. — 2 Hamburg 13, Mittelweg 48.

Hans-Hennann Atorf, Dr.-Ing., Oberregierungsrat, geb. 1906 in Gebweiler (Elsaß). Diplomexamen und Promovierung zum Dr.-Ing. Techn. Hochschule Stuttgart, Lehrbeauftragter Techn. Universität Berlin-Charlottenburg „Einführung in die Filmtechnik". Nach Industriepraxis Tätigkeit als Referent für Filmwesen bei einer Reichsbehörde, dann Sachbearbeiter für Film- und Phototechnik bei der Treuhandstelle des Deutschen Patentamtes, Dienststelle Berlin. — 1 Berlin 37, Sdilettstädterstr. 116. Alfred Clemens Baumgärtner, geb. 1928 in Wiesbaden. Studium 1946—1952 an der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, Dr. phil., Tätigkeit als Lehrer. Ab 1960 Wissenschaftlicher Assistent am Pädagogischen Institut Jugenheim, 1962 Dozent für Deutsch, P.A. Eßlingen, seit 1965 Professor für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Gießen. Schrieb u. a.: „Die Ballade als Unterriditsgegenstand" (München: 1964), „Die Welt der Comics" (Bochum: 1966), „Aspekte der gemalten Welt" (Hrsg.-Weinheim: Beltz 1968). — 62 Wiesbaden, Fritz-Kalle-Straße 5 a. Elisabeth Berg, geb. 1924 in Mainz. Diplomvolkswirt 1950 (Johannes-GutenbergUniversität, Mainz), anschließend 10jährige volkswirtschaftliche Tätigkeit in einem Großunternehmen. 1961—63 Mitarbeiterin von Prof. Gunzert, Prof. für Statistik und Soziologie an der Universität Frankfurt. Seit 1. 4. 63 beim „Zweiten Deutschen Fernsehen" in Mainz (Referat für Zentralstatistik und Grundsatzfragen

DIE AUTOREN

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in der Hauptabteilung Programmplanung). Ständige Mitarbeiterin in der ZDFJahrbudiredaktion. — 65 Mainz, Postfach 4040. Udo Blässer, geb. 1904 in Iditerhausen (Thüringen). Technische Hochschulen München und Berlin. Dipl.-Ing. Reidispostzentralamt, Reichsrundfunkgesellschaft, übernahm 1948 den von den Engländern in Westberlin errichteten Sender und baute ihn zur Zweigstelle Berlin des NWDR aus. Leistete im Berliner Studio dieses Senders Pionierarbeit im Neuaufbau des deutschen Fernsehens. Heute: Technischer Direktor des Senders Freies Berlin, Anstalt öffentlichen Rechtes. — 1 Berlin 20, Am Pichelsee 11. Hans Bradc, geb. 1907 in Gießen: Studium der Rechtswissenschaft, Assessor, Dr. jur. Diplomkaufmann, Diplomdolmetscher. Schrieb: Internationales Rundfunkrecht, in Bd. III, Wörterbuch des Völkerrechtes Berlin 1962 — Organisation des Rundfunks 1948—62, Hamburg 1962 (zusammen mit G. Herrmann u. H. P. Hillig). Fachl. Aufsätze über Rundfunkorganisation und Rundfunkurheberrecht in R. u. F., UFITA u. Rev. de l'UER. Verwaltungsdirektor und Justitiar des WDR, Köln, Hauptgeschäftsführer der Westdeutschen Werbefernsehen G.m.b.H., Köln, Präsident der jurist. Kommission der Union Europ. de Radiodiffusion, Honorarprofessor u. Mitarbeiter des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität Köln. — 5 Köln, De-Vries-Str. 4. Wolfgang Brulrn, geb. 1928. Studium in Berlin: Geschichte, Germanistik, Publizistik und Kunstgeschichte; 1950 Assistent am „Institut für Politische Wissenschaften"; 1952 Promotion Dr. phil.; 1954 journalistische Tätigkeit für Hamburger Tageszeitungen und stellvertretender Pressechef der FDP. 1956 persönlicher Referent und Pressereferent des nordrhein-westfälischen Kultusministers; 1957 wissenschaftlicher Referent und Verlagsleiter im Hans-Bredow-Institut (Herausgeber des Internationalen „Handbuches für Rundfunk und Fernsehen" 1958/64; Zeitschriften-Aufsätze zu Rundfunk und Fernsehen), Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg für Rundfunk- und Fernsehkunde. Seit 1.1. 1965 Leiter der Hauptabteilung Dokumentarspiel im ZDF. — 65 Mainz, An der Allee 116. Gerhard Eckert, geb. 12. 2. 1912 in Oberlössnitz. Promovierte 1936 und habilitierte sich 1941 bei Professor Dovifat, Assistent im Institut für Zeitungswissenschaft; 1942—45 Soldat. Tätigkeit als freier Wissenschaftler und Schriftsteller, schrieb u. a. „Die Kunst des Fernsehens" (1953), „Knaurs Fernsehbuch" (1962), „Das Fernsehen in den Ländern Westeuropas" (1965), „Von Nipkow bis Telstar" (1963). Lebt als Schriftsteller und Landwirt in Grube/Holstein auf seinem Melusinenhof. 36

Publizistik II

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DIE AUTOREN

Hans-Jörg Erb, Regierungsdirektor, geb. 1930 in Ravensburg. Studium der Rechts- und Staats Wissenschaften an der Universität Tübingen; Rechtsanwalt in Ravensburg; seit 1960 im Bundesdienst, seit 1965 in der Verfassungs-, Staatsrechts- und Verwaltungsabteilung im Bundesministerium des Innern in Bonn. — 5023 Weiden, Ludwig-John-Str. 17. Rainer Fabian, geb. 17. 12.1935 in Erfurt/Thüringen. Abitur in Ostberlin; Studium an der „Deutschen Hochschule für Filmkunst" in Potsdam/Babelsberg in den Fächern Filmregie und Filmdramaturgie; 1955 Flucht in den Westen; Volontariat an der „Rhein Neckar Zeitung"; 1962—1968 Redakteur beim „Rheinischen Merkur"; 1964Theodor-Wolff-Preis für die beste kulturelle Reportage. Redigierte beim „Rheinischen Merkur" die Ressorts Bild, Reportagen und Literatur, Jury-Mitglied beim „Deutschen Lichtbild", kulturkritisdie Dokumentarfilme für das Deutsche Fernsehen (ARD), schrieb u. a.: Taschenbuch 1967 „Idole in unserer Zeit". Ab 1. 1.1969 Redaktion „Die Welt", Hamburg.

Theo Fürstenau, geb. 1916 in Horstmar. Abitur 1935. Publizistisches und Germanistisches Studium in Berlin, Promotion Dr. phil. 1941. 1941—1945: Feuilletonredakteur „Deutsche Allgemeine Zeitung", Berlin. 1944—1952 Kritiker (Theater, Film, Bildende Kunst) bei den „Westfälische Nachrichten", Münster. 1952 bis 1967 Hauptamtlicher Vertreter des Bundes in der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft". Ab 1958 stellvertretender Vorsitzender, ab 1962 Vorsitzender und Repräsentant der Filmbewertungsstelle der Länder, Wiesbaden. Ab 1968 Vorstand und Leiter des „Deutschen Instituts für Filmkunde". — WiesbadenBiebrich, Schloß.

Horst von Hartlieb, geb. 1910, Mühlhausen (Elsaß). Rechtsanwalt. Geschäftsführender Vorstand des Verb, des Filmverleihes e. V., Justitiar der Exportunion der Deutschen Filmindustrie, des Verbandes deutscher Dokumentär- und Kurzfilmproduzenten e. V., der Vereinigung der Industriefilmproduzenten e. V., des Verbandes deutscher Werbefilmproduzenten e. V. — Vorsitzender der Richtlinienkommission der Filmförderungsanstalt. Zahlreiche Schriften über Filmrecht, u. a.: Filmrecht, München u. Berlin 1957 — Filmrecht i. Handbuch der Sozialwissenschaften Göttingen 1961 — Film u. Persönlichkeitsschutz i. Schriftenreihe der Deutschen Studiengesellschaft für Publizistik Bd. 1 1959 — Ebendort: Die rechtliche, insbes. die verfassungsrechtliche Seite der Selbstkontrolle, Bd. 2 — Ebendort: Die Rolle des Films in der Demokratie, Bd. 6 — Der Film und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Juristische Rundschau 1954, S. 215 ff. — Die Filmbestimmungen der Jugendschutznovelle. Schriften d. UFITA, Heft 7 1957. — 62 Wiesbaden-Sonnenberg, Sooderstr. 2.

DIB AUTOREN

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Karl Holzamer, Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, geb. 1906, Frankfurt. Gymnasium Frankfurt, Universitäten Mündien (Promotion 1929), Paris, Frankfurt, Pädag. Akademie Bonn. Sdiulamtsbewerber, Assistent Psych. Instit. Univ. Bonn, ab 1931 Sachbearbeiter Westd. Rundfunk bzw. Reichssender Köln, Wehrdienst u. Kriegsgefangenschaft, 1946—1962 a. o. Prof. Phil., Psych., Pädag. Univ. Mainz (ab 1952 o. Prof.); 1949—1960 Mitglied u. Vorsitzender im Rundfunkrat Südwestfunk. Seit 1962 Intendant des ZdF. Schrieb u. a.: „Die Verantwortung des Menschen für sich und seinesgleichen", 1966; „Philosophie — Einführung in die Welt des Denkens", 1962; „Die Kunst des Denkens", 1952; „Grundriß einer praktischen Philosophie", 1951; „Einführung in die Pädagogik," 1949; „Einführung in die Philosophie", 1947. — Mainz, Zweites Deutsches Fernsehen, Große Bleiche. Günter Huhndori, geb. 1933 in Freiburg (Schlesien). Studium in Münster und Berlin Publizistik, Germanistik, Anglistik, 1959 Dr. phil. Dissert.: „Publizistische Kleindrücke in England vor 1558" — Praktische journalistische Arbeit in Presse und Rundfunk. Pressereferent der Ind.- u. Handelskammer zu Dortmund. 1964 Stellvertr. Leiter Abt. Öffentlichkeitsarbeit d. Deutschen Ind.- u. Handelstages Bonn. 1965 und 1967 Leiter der Pressestelle der Ev. Kirchentage in Dortmund und Hannover. Führt in Krefeld das publizistische Seminar an den Werkkunstschulen. — Geschäftsführer der Industrie- u. Handelskammer Krefeld. Artur Jerger, geb. 1930 Oberbruch/Bühl. Gymnasium Baden, Abitur 1949. Studium der Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft an den Hochschulen Karlsruhe, Mannheim, Universitäten Innsbruck u. Sorbonne Paris. Bearbeitet publizistisch volkswirtschaftliche und betriebsfachliche Themen, schrieb u. a.: „Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten." Z. Zt. Leiter der Hauptabteilung Finanzverwaltung im Hessischen Rundfunk. — Frankfurt/M., Eschersheimer Landstraße 175. Günter Kieslidi, geb. 24. 1.1924 in Breslau. Abitur — Wehrdienst — Kriegsgefangenschaft bis 1949, Studium der Publizistik, Germanistik, Geschichte in Münster, 1954 Dr. phil., 1955—59 wiss. Assistent am Institut für Publizistik in Münster, 1960—62 wiss. Rat am Institut für Publizistik der FU Berlin, 1962—67 Pressereferent der Kultusministerkonferenz, ab 1968 o. Univ.-Professor und Vorstand des Instituts für Publizistik und Kommunikationstheorie der Universität Salzburg; wiss. Leiter des Deutschen Instituts für publizistische Bildungsarbeit, Düsseldorf; 1956 Redakteur, 1963 Mitherausgeber der „Publizistik". — Schrieb u. a.: Freizeitgestaltung in einer Industriestadt (1956), Das .Historische Volkslied' als publizistische Erscheinung (1958), Werbung in alter Zeit (2./1965), zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften. — Salzburg, Siegmund-Haffner-Gasse 8 III. 36*

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DIE AUTOREN

Günter B. Krause-Ablass, geb. 1931. Studium in Kiel, Innsbruck, Turin, München, Nancy, Paris, Dr. jur. (Kiel 1961). Rechtsanwalt (1962). Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kiel (1966). Wintersemester 1966/67 Lehrauftrag an der Freien Universität Berlin (Philosophische Fakultät). Ständiger Verfasser des rundfunkrechtlichen Teils des „Internationalen Handbuchs für Rundfunk und Fernsehen". Publikationen: Der Internationale Fernmeldeverein (1960), Die Zuständigkeit zur Ordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland (1960), Der Grundsatz der „publizistischen Gewaltenteilung" im Verhältnis von Presse und Fernsehen (1968); Aufsätze in Zeitschriften. — 2 Hamburg 20, Moltkestr. 29. Franz Hugo Mösslang, geb. 1904 München. Studium der Geschichte, Germanistik, Publizistik. 1928—45 Verlag Ullstein Berlin, Redakteur u. Chef v. Dienst der „Berliner Illustrierten". Ab 1947 Chefred. „Revue", München, „Sie", Ullstein. 1950/53 Chefred. u. Redaktionsdirektor „Quick". Ab 1964 Leiter der „Deutschen Journalistenschule e.V.", München. Bis 1967 auch Chefredakteur „Epoca", Südd. Verlag, München. Zeitungsfachliche Lehraufträge Univ. München. — 8 München 2, Altheimer Eck 3. C. Wollgang Müller, 1928 in Dresden geboren. Studium der Publizistik, der Soziologie und der Erziehungswissenschaft in Berlin, Basel, New York, Minneapolis und Berkeley. — 1956 bei Emil Dovifat zum Dr. phil. promoviert. Journalistische Tätigkeit bei Tageszeitungen und beim SPIEGEL. Sozialpädagogische Tätigkeit als Direktor des Instituts für Jugendgruppenarbeit in Berlin. 1965 a. o. Professor für Sozialpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Berlin. — 1 Berlin 21, Mommsenstr. 7. Walter Mttller-Bringmann, geb. 20. 8. 1919 im Eichsfeld. Journalistische Ausbildung und Tätigkeit bei großen Tageszeitungen; z. Zt. verantwortlicher Redakteur bei der „Rheinischen Post" in Düsseldorf. Fachgebiete: Film, Funk, Fernsehen. Ständiger Mitarbeiter von Fachblättern. Leiter der Gruppe „Film" im „Deutschen Institut für publizistische Bildungsarbeit" in Düsseldorf. Schrieb u. a.: „Das Buch von Friedland"; Mitautor der Jahrbücher der Deutschen Filmkritik. Hörspiel: „Eine Grenze gibt Antwort". — 407 Rheydt, Hegartstraße 11. Clemens Münster, geb. 1906 Kochern (Mosel). Studium: Physik, Mathematik und Chemie in Münster und München. 1928 Dr. phil., 1929 wissenschaftl. Lehramtsprüfung. 1929—1932 Assistent (wissenschaftl. Mikroskopie und angewandte Optik) in Jena. 1932—1934 Assistenz physik. Institut in Bonn. 34—45 Wiss. Mitarbeiter bei Carl Zeiss in Jena. 1941 Leiter der dortigen Entwicklungsabteilung.

DIE AUTOREN

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1945—1949 Mitherausgeber der „Frankfurter Hefte", 1945—1953 Bayerischer Rundfunk Referat: Kultur und Erziehung, seit 1954 dort Femsehdirektor. — Schrieb u. a.: Mengen, Massen, Kollektive, München 1952. — 8 München 45, Sondermeierstr. 58. Werner Nestel, geb. 1904 in Stuttgart. 1927 Dipl.-Ing. (Elektrotechnik) TH Stuttgart, 1933 Dr. Ing. TH Berlin, 1937 Telefunken (Abt. Großsender), 1947 Technischer Direktor des „Nordwestdeutschen Rundfunks", Hamburg. — Wiederaufbau der Rundfunkstudios und des Mittelwellen-Sendenetzes. Schuf nach dem für Deutschland katastrophalen Kopenhagener Wellenplan und in Überwindung des Wellenmangels den UKW Rundfunk. Neueinführung des Fernsehens, Wiederaufbau des Langwellen- und Kurzwellen-Rundfunks. — 1950 Honorarprofessor TH Hannover. 1956 nach Auflösung des NWDR bei Telefunken Vorstandsmitglied für Forschung und Entwicklung. Für Verdienste um den UKW-Rundfunk und das Fernsehen 1962 Dr. Ing. h. c. der TH Karlsruhe. — 1965 Fellow IEEE (Inst, of Electrical and Electronics Engineers). — 79 Ulm, Elisabethenstr. 3. Elisabeth Noelle-Neumann, geboren in Berlin. Studium: Philosophie, Geschichte, Zeitungswissenschaften und Amerikanistik an Universitäten in Deutschland und den USA (School of Journalism, Columbia, Staatsuniversität von Missouri). 1940 Promotion in Berlin. Diss.: Meinungs- und Massenforschung in USA, Umfragen über Politik und Presse, Diesterweg, Frankfurt am Main, 1940 bis 1943 Redakteurin (Allgemeine Deutsche Zeitung, Das Reich, Frankfurter Zeitung), ab 1943 anonyme journalistische Tätigkeit. Anfang 1947 zusammen mit ihrem Mann E R I C H P E T E R ' N E U M A N N , CDU-Bundestagsabgeordneter von 1961 bis 1965, Gründung des ersten deutschen Meinungsforschungsinstitutes, Institut für Demoskopie Allensbach, das sie seitdem leitet. Von 1961 bis 1964 Lehrbeauftragte für Publizistik der Freien Universität Berlin, seit 1964 a. o. Professorin, seit 1968 o. Professorin für Publizistik und Direktorin des Instituts für Publizistik der Universität Mainz. Schrieb u. a.: „Umfrageforschung in der Rechtspraxis", 1961 (zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Carl Schramm); „Umfragen in der Massengesellschaft. Einführung in die Methoden der Demoskopie" rde 1963, 2. Auflage 1965, 3. Auflage 1967, französische und holländische Ausgabe 1966, spanische und tschechische in Vorbereitung. Zusammen mit Erich Peter Neumann Herausgeberin der Jahrbücher der öffentlichen Meinung 1947 bis 1967, englische Ausgabe: „The Germans" 1967. — 7753 Allensbach, Institut für Demoskopie. Enno Patalas, geboren 1929 in Quakenbrück. Studium der Publizistik, Germanistik und Kunstgeschichte in Münster, Chefredakteur der Zeitschrift „Filmkritik", Herausgeber der Reihe „Cinemathek", Verfasser der Bücher „Sozialgeschichte der Stars" (Hamburg 1963; als Taschenbuch: „Stars — Die Geschichte der Film-

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DIE AUTOREN

idole", Frankfurt 1967) und (zusammen mit Ulrich Gregor) „Geschichte des Films" und „Geschichte des modernen Films", zahlreiche Beiträge in Monats- und Wochenzeitschriften. — 8 München, Ainmillerstr. 7. Götz Graf von Pestalozza, geb. 1925 in Frankfurt. 1943—1945 Kriegsmarine, 1946—1948 Studium der Betriebswirtschaft, 1949—1963 Leiter der Statistischen Abteilung der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (Spio), seit 1964 Geschäftsführender Gesellschafter der Arthur Türke GmbH, Wiesbaden. Fachgebiet: Filmstatistik. Filmstatistische Arbeiten, Filmstatistische Jahr- und Taschenbücher. Fachartikel für die Fachpresse Deutschlands u. des Auslandes. — Wiesbaden-Schierstein, Freudenbergstr. 87. Gerhard Prager, geb. 1920 in Zwickau. Abitur, Studium der Theaterwissenschaft. Im Krieg Offizier der Luftwaffe. 1945/46 Dramaturg am Stuttgarter Schauspielhaus, Verlagslektor, 1948/53 Chefdramaturg im Süddeutschen Rundfunk. 1953/58 Chefredakteur der Informationsdienste „Kirche und Rundfunk" und „Kirche und Fernsehen". 1958/62 Abteilungsleiter im Fernsehen des Süddeutschen Rundfunks, seit 1962 Hauptabteilungsleiter im Zweiten Deutschen Fernsehen. — Schrieb Gedichte und Erzählungen. Fachliteratur: 1955: „Programm und Programmstruktur des Hörfunks", 1963: „Reden und Aufsätze über Film, Funk, Fernsehen". Laufende Veröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen, Hörfolgen für den Rundfunk, Kabarettistische Arbeiten, Herausgabe von Büchern und Anthologien. — 6507 Ingelheim/Rhein, Alemannenstr. 26. Kurt Reumann, geb. 1934 in Wesselburen, Dithmarschen. 1955 bis 1957 Redaktionelle Arbeit, Studium Freie Universität Berlin, Publizistik, Germanistik, Kunstgeschichte, Dissertation bei Emil Dovifat: „Das antithetische Kampfbild" 1964 Promotion. 1964 bis 1965 Assistent. 1965 Fachliche Arbeit am „Institut für Demoskopie" Allensbach. Seit Wintersemester 1966/67 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik in Mainz. — 65 Mainz, Alf. Mumbächerstr. 67 a. Henry Ladd Smith, geboren 1906 in Cleveland. Erwarb an der Universität Yale das Philosophische Bakkalaureat, in Wisconsin den philosophischen Doktor. Sechs Jahre redigierte er Tageszeitungen. Nach Arbeiten über Flugwesen und Flugtransport gewann er 1955 mit seinem Buche über die „Geschichte des amerikanischen Journalismus" den Forschungspreis Sigma Delta Chi. Von 1949—1952 war er leitender Direktor der School of Journalism der Universität Wisconsin, 1955 Direktor der dortigen School of Comminications. Emeritiert 1961, führt ei seine Lehrtätigkeit fort. 1951 wurde er Präsident der Nordamerikanischen Organisation der Lehrer der Publizistik — Seattle 5, Washington 98105, School of Communications.

DIE AUTOREN

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Fritz Stückrath, geb. 1902 in Hamburg. Lehrerseminar, Schuldienst, Studium (Erziehungswissenschaft, Mathematik, Psychologie), Promotion Dr. phil. 1929, Dozent 1936, Professor 1947, Lehrtätigkeit: P.H. Kiel, Universität Hamburg in Pädagogik und Psychologie. Schrieb u. a.: Der Film als Erziehungsmittel, 1953; Psychologie des Filmerlebens in Kindheit und Jugend 1955; Vom Ausdruck des Kindes, 1963; Studien zur Psychologie, 1965; Fernsehen und Großstadtjugend, 1967; Kind und Raum, 1968; — Vorsitzender der Gesellschaft für Filmkunde — Kuratorium Institut für Film und Bild — Beirat Institut für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen — Jury Kindes- und Jugendfilmpreis. — Hamburg, Universität. Rudolf Strietholt, geb. 1913 in Münster. Gymnasium Paulinum. Studium in Berlin: Publizistik, Germanistik und Geschichte. Photographische Fachausbildung, 1940—1945 Wehrdienst und Gefangenschaft. Seit 1949 fachwissenschaftlicher Mitarbeiter (Bild und Bildtechnik) im Archiv des „Institutes für Publizistik" der Freien Universität Berlin. 1961—1963 Referent im „Institut für Publizistische Bildungsarbeit" in Düsseldorf; gestorben nach langer Krankheit 18. 7. 1967. Joachim Viedebantt, geb. 1911 in Potsdam. Gymnasium in Berlin. Juristisches Studium in Freiburg, Berlin und Göttingen. Große Staatsprüfung, Richter in Düsseldorf. Wehrdienst und Gefangenschaft bis 1947. Justitiar und Vertriebsleiter beim „Neuen Verlag" in Düsseldorf, dann Hauptgeschäftsführer beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und anschließend Verlagsleiter „NEUE Illustrierte" in Köln. Seit 1962 Geschäftsführer des Bundesverbandes der phonographischen Wirtschaft, seit 1966 Anwalt. Zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften des Pressewesens und der Schallplatte. — 2 Hamburg 13, Alsterchaussee 18. Kurt Wagenführ, geb. 1903 in Schoenebeck/Elbe. Gymnasium Magdeburg, Univ. Halle und Leipzig, 1925 Dr. jur. Redakteur „Deutsche Allgemeine Zeitung", 1930 Pressestelle der damaligen „Deutschen Welle", 1933 ausgeschieden. Freier Fachjoumalist. 1940 Lehrbeauftragter an der Univ. Leipzig und Berlin. 1946 Pressestelle Radio Hamburg, Lehrbeauftragter Münster und Hamburg, Mitbegründer des heutigen Hans Bredow Instituts und seiner Zeitschrift sowie der Zeitschrift „Fernsehen" später „Fernsehrundschau". Seit 1962 Leiter der Pressestelle des „Deutschlandfunks". — 5039 Sürth b. Köln, Ulmen Allee 18. Juliane Weiß, geb. 1934 in Weidenau/Sieg. Studium der Theaterwissenschaft. Germanistik, Publizistik und Kunstgeschichte in München und Berlin. 1961 Promotion zum Dr. phil. an der Freien Universität Berlin. — Drei Jahre Dramaturgin am Düsseldorfer Schauspielhaus Karl Heinz Stroux. Ubersetzung von Bühnenwerken. — Seit April 1965 Redakteurin in der Hauptabteilung Dokumentarspiel des Zweiten Deutschen Fernsehens. — Mainz, Bauhofstr. 5.

Personenregister

In das nachfolgende Personenverzeichnis sind auch die Verfassernamen des zitierten Fadisdirifttums, das jeweils am Ende der einzelnen Artikel genannt ist, einbezogen. Becker, J. 162 f., 166 Becker, K. 346, 426, 468 f., 485 Beecher-Stowe, H. 524 Beer, U. 413 Beethoven, L. v. 557 Bellac 440 Bellingroth, F. 216 Bellocchio, M. 170 Belson, W. A. 353, 494, 499 Badiof, O. 386, 432, 434, 442 Ben Gurion, D. 458 Berelson, B. 71, 76, 349 ff., Bädilin, P. 184, 205 359, 486, 497, 499 Bailyn, L. 216, 492 Berg, E. 511 Balaz, B. 141 Berger, A. 523 Bald, G. 550 Bergler, E. 78, 80 Balfour, M. 288, 302 Bergman, I. 164, 167, 171, Balluseck, L. v. 550 185 f., 193, 197 Baltes 239 Bergmann 38 f. Baltrusaitis, J. 88 Bergson, H. 538 Bamm, P. 323 Berlanga, L. G. 167 Bandura, A. 87 Berliner, E. 551 f. Bappert, W. 304, 553 Berlo, D. K. 413 Bara, Th. 149 Bern, M. 540 Barcus, F. E. 126 Bernhard von Clairvaux 29 Bardedie, M. 171 Bernhardt, S. 147 Bardem, J.-A. 167 Berten, W. M. 558 Le Bargy 148 Berthold, F. J. 226 Barnard, Ch. 558 Berthon 228 Barthel, K. (Kuba) 544 Bertolucci, B. 170 Barzel, R. 498 Bethge, H. 308 Armbruster, H. 386, 432, 442 Baucken, R. 104, 115 Bethmann-Holweg, v. 13 Arndt, A. 434, 442 Baum, G. 70 Bettermann, K. 307, 386 Arndt, E. M. 544 Baumann, H. 544 Bevin 70 Arndt, H. 286, 306, 432 Baumeister, R. 413 Bewick, Th. 58 Arnheim, R. 141, 349, 351, Baumeister, W. 52, 55 357 Baumgärtner, A. C. 126 f., Biehle, H. 16, 31 Bierbaum, O. J. 531, 540 132 Arnold, H. 309, 444 Bischoff, F. W. 346 Arnold, K. 66, 84 Bausch, H. 266, 270 f., 278, Bismarck, K. v. 307, 346 Arons, L. 413 281, 286 f., 307, 346 Bismarck, O. v. 14, 16, 146 Arons, M. 413 Beaumarchais 524 Blässer, U. 423, 500 Arpe, V. 171 Beccaris, J. B. 142 Blank, D. M. 126 Asquith, A. 157, 161 Becher, J. R. 544 Blaset«, A. 160 Atorf, H.-H. 227 Becker 115 Abel, R. H. 126 Abraham a Santa Clara 29 Adam, R. 281 Adam, W. 184 Adenauer, K. 12 f., 458, 498, 556 Adorno, Th. W. 550 Agee, J. 149 Agel, H. 216 Agnoli, J. 38 f. Aiken, G. L. 525 Alberini, F. 144, 241 Aldridi, R. 168 Alexander 529 Alexejew 134 Allport, G. W. 356 Amery 70 Anadcer, H. 544 Anders, G. 485 Andersch, A. 323 Anderson, L. 170 Andres, St. 130 d'Annunzio, G. 148, 530 Antal, F. 66 Antes, H. 51 Antonioni, M. 166, 185 d'Arcy, P. 143 Aristophanes 530 Aristoteles 1, 3, 6, 11, 21, 31 Armat 144

Attlee, C. 70 Auber 524 Aubert, J. 306 Auclair, M. 55 Augustinus 29, 31 Augustus (Kaiser) 529 Aulich, Th. 245 Autant-Lara, C. 162 Ayres, W. A. 239

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PERSONENREGISTER

Blaukopf, K. 558 Blücher, V. Graf 492 Blumenthal, H. 184 Blumer, H. 216 Böhme 387 Böhme, E. 283 Boehmer, H. v. 184, 226 Bölling, K. 468 Boese, C. H. 416 Bogher, F. 88 Bohne, F. 84, 89 Boie 542 Bordiert, W. 343 Borelli, L. 150 Bose, F. 558 Bossack 189 Bossuet 29 f. Boulting, R. 161 Bouly, G. 228 Bourke-White, M. 104 Brack, H. 274 f., 278 f., 282, 286, 289 f., 292, 298 ff., 303 ff., 307 f., 346, 427, 429 f., 440 Braive, M. F. 104 Brandt, W. 498 Brant, S. 59 Brasillach, R. 171 Brauer, H. 66 f. Braun, A. 263, 288 Braunmühl, H. J. v. 510 Brecht, B. 526, 534, 539, 544, 548

Bruder Berthold 29 Brudny 216 Brückner, F. 39 Brüggemann, Th. 132 Brühl, F. 346 Brüning, H. 269 Bruhn, W. 409 Bryson, L. 487 Budiowetzki, D. 151 Budzinski, K. 533, 540 Bühl, F. 87 Bunuel, L. 154, 169 Burckhardt, J. 49, 55 Burgdörfer, F. 259 Burkert, D. G. 468 Burroughs, E. R. 120 Busch, E. 534 Busch, W. 118 Bussmann, K. 434, 442

Chester, G. 468 Chrétien 240 Chruschtschow, N. 27, 85, 167 Churchill, W. 14 ff., 70, 450 Chytilovà, V. 171 Cicero, M. T. 1,10 ff., 31 Clair, R. 154, 156, 162, 187 Clarke, M. L. 17, 31 Clarke, S. 171 Clausse, R. 204, 468 Clay, L. D. 274 Clemen, O. 63 Clemenceau, G. 14 Clément, R. 162 Clostermann, G. 216 Clouzot, H.-G. 162 f. Cochläus 61 Cocteau, J. 163, 189 Cohl, E. 148 Cohn, W. 63 Collins, A. 146 Conrath, K. 67 Cooper, E. 76 Corbett, J. 144 Cordt, W. K. 132 Corot 107 Cotta, J. 540 Courtet, E. 148 Cranach, L. 60 Crosby, P. T. 117

Cäsar, J. 529 Calmettes 148 Camerini, M. 160 Cantril, H. 349, 356 Cantvell, F. V. 494 Capa, R. 104 Capra, F. 159 Carné, M. 158, 162 f. Carnegie, D. 3 Carossa, H. 540 Cartier-Bresson, H. 104 Caruso, E. 314 Dadek, W. 184 Casals, P. 458 Daguerre, M. 142, 22 Bredow, H. 260, 267 f., 270 f., Caselmann 216 Dahm, P. 387 278, 286 f., 307, 333, 346, Caserini, M. 148 Dahrendorf, R. 87 f. Cassavetes, J. 171 390, 401, 408 Daiber, H. 527 Cassirer, H. R. 468, 485 Brehm, E. 540 Damaschke, A. 31 Brenner, H. 527 Dambmann 387 Castellani, R. 160 Brennidee, H. 558 Dangl, H. 89 Cato 4, 15 Bresson, R. 162 f., 166 Danler, K. R. 558 Centgraf, A. 64 Briand, A. 16, 27 Darwin, Ch. 80, 86 Ceram, C. W. 198, 205 Briggs, C. 120 Daumier, H. 66, 69, 72 Chabrol, Cl. 169 Brincourt, A. 485 David, D. 55 Chamfort 539 Davis, D. 99, 104 Brion, M. 52, 55 Champfleury, J. H. 89 Brobeil, W. 346 Chaplin, Ch. 148, 150, 154, Davison, E. 35 Davy, H. 142 Brokerhoff, K. H. 550 159, 165, 168 Decurtins, L. 216 Bronnen, A. 416 Charell, E. 156 Degenhardt 552 Brooks, R. 168 Charensol, G. 171 Dehler, Th. 6 Browne, D. R. 302 Charters, W. W. 488 Dehmel, W. 544 Bruant, A. 530 Chaussier 142 Delluc, L. 152 Bruch, W. 416, 510 Cherry, C. 413

570

PERSONENREGISTER

Delp, L. 292, 299, 307, 362, Duvivier, J. 154, 158, 162 Euling 480 368, 373 Evensen 387 Delvard, M. 532 f. Eastman 228 Ewers, H. H. 530 f., 540 Demeny, G. 155 Eberhard, F. 351, 357, 495 Demosthenes 4, 6, 10 Faasch, W. 229, 242 Ebinger, B. 534 Dencker, F. 287 Fabian, R. 39, 48 Eckard, F. v. 6, 27 Dennert, J. 39 Fabri, Z. 167 Eckart, D. 544 Deppe, H. 534 Facius, W. 558 Ecke, Ch. 558 Descartes 50 Eckert, G. 260, 265, 273, 278, Fairbanks, G. 150 Dessoir, M. 1 f., 19, 31 347, 413, 421, 426, 442, 468, Falckenberg, O. 532 Dickens, Ch. 162 Faraday, M. 143 485 Dickson, W. K. L. 144 Eckner, H. 286 ff., 290, 307, Farenburg, H. 416, 421 Dienstag, P. 226 Fearing, F. 83 386 Dietrich, M. 159 Fechter, P. 133, 141 Eckstein, E. 226 Dietze, E. R. 263 Fehr, H. 63 Eden, A. 110 Dill, R. W. 307 Feininger, A. 104, 108 Eder, J. M. 115 Dingelstedt, F. v. 521 Edison, Th. A. 144, 155, 228, Feldmann, E. 141, 199, 205, Dionys der Ältere 529 216, 413, 485, 553 233, 551 Dionysia 529 Fellini, F. 136, 166 Eek 387 Disch, U. 10, 25, 31 Fendt, L. 31 Eggeling, V. 154 Disney, W. 132, 159, 237, 239 Ehrhardt, K. 88 Fenelon 29 Dmytryk, E. 165, 168 Fenwick 387 Eich, G. 330, 343 Dockhorn, K. 17, 31 Eisenstein, S. M. 138, 153, Fernandez, E. 168 Doetsdi, M. 126, 130, 132 157, 163, 186 f., 191, 196 f. Feshbach, S. 86, 492 Donskoj, M. 157, 163 Festinger, L. 76 f., 354 Eisler, H. 534 Doob, L. W. 498 Eisner, L. H. 198, 205, 274, Feuerer, K. 347 Dorian 228 Feuillade, L. 148 278,468 Doublier 145 Feyder, J. 154, 158, 162 Elbers, W. 550 Fichte 21 Dovifat, E. 1, 13 f., 32, 73, Elkin, F. 494 Field, M. 216 104, 114 f., 198, 205, 308, Eisner, O. 398 Fikentscher, W. 558 422, 520, 526 ff., 551, 553, Elster, A. 226 Finck, W. 534, 537, 540 Emde Boas, v. 387 556 Fischart, J. 61 Dowshenko, A. 153, 157, 163 Enderling, G. 47 Enders, H. 132 Doyle, J. 83 Fischer, E. K. 266, 278, 287, Engel, E. 163 290, 307, 347, 408, 519 Drews 45 Engel, M. 171 Fischer, H.-D. 468 Dreyer, C. Th. 154, 164 Engel-Lang, G. 496, 498 f. Fischer, L. 34 Driel 216 Engels, F. 85 Fischinger 154 Drommert, R. 468 Engl 155, 228 Fisher, H. C. „Bud" 120 Dubosq. J. 142 f. Engler, H. 416 Fiske, M. 126, 353, 492 Dudow, S. 156 Dürer, A. 58, 62 Enzensberger, H. M. 201, 205, Fitton, H. 143 Fitzsimmons 144 Dürig 386 550 Flaherty 188 Düring, I. 3, 11, 31 Epstein, J. 152 Fleming, W. 523 Dulac, G. 152 Erb. H.-J. 40 Flögel, C. 88 Dulles, J. F. 78 Erhard, L. 498 Flügel, J. C. 74, 78 Dumont-Thomas, H. 143 Erler, I. 498 Fontane, Th. 63 Duncan, D. D. 48 Erler, R. 456 Ford, Ch. 171 Dupont, E. A. 153 Eschenburg 542 Ford, J. 159, 165 Dupreel, E. 83 Eschenburg, Th. 267 Forman, M. 171 Durand, J. 184 Essen, O. v. 468 Forsthoff 386 Dutsdike, R. 38 f. d'Ester, K. 89, 545, 550

PERSONENREGISTER

571

Fosco, P. 148 Foulkes, D. 358 Fox, W. 150, 155 Fraenkel, E. 25 f. Frank, A. 65 Frank, J. 123 Frank-Böhringer, B. 3, 31 Franks, A. H. 468 Fredersdorf, H. 163 Freese, F. 237, 242 Freiligrath, F. 544 Freisburger, W. 65, 68, 86 Frend, Ch. 161 Freud, S. 49, 51, 80, 86, 537 f. Friedel, M. 52 Friedrich, H. 198, 205, 274, 278, 468 Friedrich II. 13 Frisch, V. 532 Friese-Green, W. 228 Fritzsche, H. 273 Fröhler, L. 386, 434, 442 f. Fröhner, R. 468 Fromm 386 Froning, R. 523 Fuchs, E. 63, 79, 82 Fülgraff, B. 485, 487, 494 Fürnberger, L. 544 Fürstenau, Th. 133, 185 Füsslein, R. W. 40 ff., 44 f., 47 Fuhr, E. W. 278, 386 Fulton-Sheen 30 Funk, A. 216 Funke 468 Furu, T. 87, 488, 490 ff.

Gaudet, H. 349, 352 ff., 359, Goodwin 228 Gorenflos 303, 387 497, 499 Gauger, H. 7, 15 f., 19, 31 Gorz, A. 39 de Gaulle, Ch. 263 Gosho, H. 169 Gaumont, L. 228 Gottschalk, H. 467 Gaus, G. 454 Graham, B. 30 Gebhardt, R. 416 Grand-Carteret, J. 89 Green 387 Gehring, Ch. 89 Greene, H. C. 288 Geisberg, M. 63 Gregor VII. (Papst) 29 Geissler, Ch. 463 Gregor, U. 171, 198, 205 Genridi, Cl. 39 Gentsch, A. 525 f., 528 Greiner, L. 532 Grémillon, J. 162 George, M. D. 89 Grényi, J. 66 Gercke, E. 184 Greul, H. 540 f., 555 Gerhardt, E. 416 Grierson, J. 157, 161 Gerhardt, P. 347 Griffith, D. W. 149 f., 153 f. Gerhartz-Franck, J. 216 Griffith, R. 171 Germi, P. 160 Grimoin, R. (Sanson) 239 Gerstenmaier, E. 498 Grisar, H. 63 Gert, V. 537 Groos, K. 77 Gessner, A. 184 Grose, F. 88 Ghiradini, L. L. 171 Gross, R. 434, 442 f. Giehse, Th. 535 Grosz, G. 66, 70, 533 Giesecke 286 Gruber, L. F. 104 Gill, A. 66 Grünbaum, F. 537 Girock, H.-J. 468 Grüner, K. A. 346 Gladstone 7, 19 Grünewald, M. 50 Glaser 387 Grunzke, G. 519 Glaser, W. A. 496 Glasmeier, H. 273 Grzymek, B. 108 Glietenberg, I. 126 Guazzoni, E. 148 Glogauer, W. 216 Guben, G. 109 Glotz 432 Güttinger, F. 530, 538 Godard, A. v. 141 Guilbert, Y. 530, 540 Godard, J.-L. 169 f., 185, 189 Gulbransson, O. 66, 81, 533 Goebbels, J. 9, 14, 16, 24, Gumppenberg, H. v. 540 Gut jähr-Ackermann, G. 126 272 f., 419

Galeen, H. 152 Galen, Graf v. 29 Galilei 50 Galli, M. 30 f. Gallup, G. 350 Gambetta, L. 27 Gamm, O.-F. v. 226 Gance, A. 152, 240 Gandhi, M. 34 ff. Gapon 33 Garbo, G. 151 Garrison, G. R. 467 Gaspard, E. 234

Goebel, G. 286 f., 307, 416, 428, 443 Gönnerwein, W. 558 Görgen, H. M. 216, 485 Göring 102 Görres, J. 21 Goethe, J. W. v. 3, 49, 52, 55, 91, 96 Goldbaum, W. 226 Goldowskij, E. M. 241 f. Goldstein, H. 356 Goldwyn, S. 150 Gombrich, E. H. 88 Gomulka 167

Haacke, W. 554, 557 Haas, W. 413 Haas-Klever 552 Habermas, J. 413 Hadamowsky, E. 271 ff., 278 Haendler, O. 30 f. Haensel 386 Haensel, C. 469 Hafner, G. 132 Hagelweide, G. 546 ff., 550 Hagemann, W. 197, 216, 265, 346, 469, 528 Hain, S. 521, 527 f.

572 Hainisch, L. 416 Hainka, F. 44, 46 f. Halas, J. 237, 242 Halloran, J. D. 413 Hamann 386, 434 Hamer, R. 162, 167 Hamerski, W. 550 Hamilkar 57 Hamilton, W. G. 1, 25, 31 Hammer, C. 540 Hammerschmidt, H. 346, 469 Hampe, Th. 545 Hanfstaengl, E. 83, 86 Hannibal 57 Hansson, G. 283 Harden, M. 20 Harlan, V. 156, 163 Harnack, Th. 21, 31 Hartlieb, H. v. 172, 217, 226 Hartmann, H. 557 Haskins, J. B. 126 Hauptmann, G. 524 f. Hauser, A. 216 Hausin, R. 492, 494 Hawks, H. 158 Hayworth, D. 80 Hearst, W. R. 119, 164 Heartfield, J. 107, 115, 533 Hebecker, K. 469 Heege, F. 63 Hegel 21 Hegele, G. 557 Heiber, H. 13, 25, 31, 205 Heider, F. 77, 354 Heil, K. H. 443 Heimann, P. 216, 485 Heine, H. 544 Heine, Th. Th. 65 f., 81, 533 Heinrich, K. 215 f., 351 Heinrichs, H. 347 Heinz, W. H. 184 Heiss 216 Heister, H. S. v. 262, 342 Henry, M. 532 f. Henry, W. E. 350, 357 Henze, H. W. 557 l'Herbier, M. 152 Herbst, J. 541 Herchenröder, J. 558 Herder 542 Hermann, G. 89

PERSONENREGISTER

Herrmann, G. 274 f., 278, 286, 292, 294, 297 ff., 302 f., 307 f., 346, 362, 373, 386, 430, 440 Hertz, H. 390 Herwegh, G. 544 Herzfeld, F. 558 Herzfelde, H. 107 Herzfelde, W. 107, 115 Herzog, H. 349 ff., 356 f. Hesse, K. 307, 386 Hesse, K.-W. 132 Hessling, H. J. 421 Hesterberg, T. 534 Heun, H. 66 Heuß, Th. 14, 31, 88 f., 114 Heyda 398 Hilliard, R.-L. 469 Hillig, H. P. 274 f., 278, 286, 292, 298 ff., 307, 346, 430 Himmelweit, H. T. 485, 488 ff. Himpele, F. 89 Hippler 189 Hitchcock, A. 157 Hitler, A. 9, 13, 15 f., 22, 33, 49, 70, 83, 262, 269, 271 f., 419 f. Hobbes, Th. 78 Hodihuth, R. 526, 557 Hodeige, F. 553 Höfer, W. 454 Hoehl, E. 558 Hötzendorf, C. v. 552 Hofer, J. 29 Hoffmann, W. 45 ff. Hoffmann von Fallersleben,

Hovland, C. I. 86, 349, 352 f., 359,487, 495, 497, 499 Huber, H. 469 Hubmann 386 Hürfeld, W. 184 Hürlimann, B. 132 Hüsgen, W. 532 Huhndorf, G. 56 Huizinga, J. 82 Huppert, H. 528 Husson, J. F. siehe Champfleury Huston, J. 165, 168 Hutten, U. v. 544 Hyatt 144 Hyman, H. H. 496 Hymmen, F. W. 308 Ibsen, H. 524 Idiikawa, K. 169 lezzi, F. 282 Ipsen, H. P. 294, 297, 307, 386, 432, 434, 442 f. Iros, E. 139 ff. Itkyal, N. L. 216

Jaedicke, H. 469 Jahoda, M. 76 Jank, K. P. 292, 307, 386 Janowitz, M. 84, 349 ff. Janssen 51 J a n s s e n , H . 308 Janssen, J. 143 Jason, A. 184, 244 f., 259 Jaurès, J. 27 Jeanne, R. 171 A. H. 544 Jedit 434 Hoffmann-Ostwald, D. 534 Jedele, H. 334 Hofmann, W. 66, 88 Jefimow, B. 78 Hofmannsthal, H. v. 88 Jenkins 144 Hofmeister 69 Jennings, H. 161 Hofstätter, P. R. 67 Jens, W. 2, 31 Hogarth, W. 66 Jerger, A. 399, 511, 519 Holländer, E. 64 Jessner, L. 152 Hollaender, F. 533 f., 540 Joeden 303, 387 Hollaender, V. 531 Johann von Hildesheim 57 Holzamer, K. 266, 277 f., 347, Johnston, W. 122 425 Joksch, K. 416 Hoover, J. E. 123 Jolson, A. 155 Horner, W. G. 143 Joly 155 Hotsdiewar, V. 237, 242 Jones, R. L. 126

573

PERSONENREGISTER

Jünger, G. F. 77 Jung, C. G. 49, 51 f., 54 f. Junge, E. 346 Jungermann, J. 558 Jungk, K. 230 f., 242 Junkers, H. 469 Jutkewitsch, S. 163 Jutra, Cl. 171 Jutzi, Ph. 156 Kadelbach, G. 347 Käutner, H. 163, 168 Kahles, C. W. 118 Kainz, J. 552 Kaiser, G. 524 Kaiser, J. 469 Kalatosow, M. 167 Kaibus, O. 184 Kaljushnaja 387 Kant, I. 2, 77, 88 Kapistran, J. 29 Karmen, B. 163 Karol, J. J. 352 Karrer-Kharberg, R. 88 Katholnigg, O. 226 Katz, A.-R. 469, 485 Katz, D. 76 Katz, E. 358 Kaup, G. 89 Kavalerowicz, J. 167 Kazan, E. 165, 168 Keaton, B. 148 Kefauver, E. 124 Keilhacker, M. 216, 485 Keller 228 Kelley jr., S. 498 Kempe, F. 104, 115, 197, 216 Kendall, P. 76, 353 Kennedy, J. F. 14 ff., 23, 85, 99, 448 ff., 496 ff. Kepler 52 Kerkhoff, F. 510 Kerr, A. 197, 531, 540 Kersdienzew, P. M. 522 Kersten, H. 205 Kieslich, G. 64, 542 f., 550, 556, 558 Kindermann, H. 523 King, M. L. 34 f. Kinoshito, K. 169 Kipphardt, H. 459, 526

Kircher, A. 227 Kirschstein, F. 510 Kisker 386 Klabund 533 Klages, L. 51, 55 Klapper, J. T. 76, 84, 359, 497, 499 Klee, P. 50 Klein, H. 40 ff., 46, 386 Kleist, H. v. 8, 15 Klemperer, V. 550 Klingender, F. D. 66 Klose, W. 347, 469 Klossowski, E. 530, 540 Kniiii, F. 132, 347 Knudsen, H. 469, 528 Koar, H. 65 Kobus, K. 533 Koch, Th. 456 Koenig, L. 113 König, R. 353 Koenigil, M. 216 Körner, Th. 544 Köser, W. 347 Kokoschka, O. 458 Kolaja, J. 126 Konrad, W. 278, 386 Konstantin (König) 261 Korda, A. 157 Koster, E. 469 Kotulla, Th. 197 Kracauer, S. 140 f., 198, 200, 205

Kuckei, U. 308 Kühl, K. 534 Kuehl, S. 540 Kuehner, O. H. 347 Kühner, R. 31 Küpper, H. 416 Kürsdiner, J. 523 Kuleschow, L. W. 153 Kunkel, K. 66 Kurosawa, A. 169 Kurpat, O. 66 Kutscher, A. 531 Kytzler, B. 11

Lacordaire, H. D. 29 Ladd-Smith, H. 116 Lademann 386 f. Laemmle, C. 150 Lalande 216 Lama, F. Ritter v. 89 Lammers 216 Landgraf, H. 416 Lang, E. M. 72, 74 Lang, F. 152 f., 156 Lang, K. 496, 498 f. Lange, D. 89 Lange, E. 259 Lange, H. 89 Langen, A. 531 Langheinrich, M. 532 Lantzius-Beninga, S. 88 Lapierre, M. 171 Larson 387 Lattuada, A. 160 Krämer, H.-R. 282, 387 Lauffer, O. 542 Krahwinkel, G. 510 Laun, R. 308 Kramer, L. 63 Lauterpacht 387 Kratzer 386 Lavedan 148 Kraus, K. 20 Laven, P. 263 Krause, H. H. 540 Krause-Ablass, G. B. 281 f., Lavies, H. W. 215 f. 285, 294, 297 f., 303 f., 307 f., Lazarsfeld, P. F. 74, 76, 349 f., 352 ff., 356, 359, 487, 493, 360, 385 ff., 434, 442 f. 497, 499 Kreisler, G. 537 Leacock, R. 171 Kremer, K. 25 Lean, D. 161, 167 Kris, E. 67, 88, 126 Lefevre 38 f. Krollpfeiffer, G. 421 Legg, St. 157 Krüger 459 Lehnich, O. 259 Krüger, H. 307, 386, 442 f. Lehrer, T. 537 Krugman, H. 495 Leiling 386 Kuba siehe Barthel, K. Leiser, E. 189 Kubrick, St. 168

574 Leisner, W. 386, 443 Leni, P. 152 Lenin 22, 153 Lenz, H. 292, 307, 386 Leppidi, Pater 30 Leprohon, P. 171 Lerche, P. 294, 307, 386, 434, 442 f. Lerg, W. B. 260, 266 ff., 271, 278, 281, 286 f., 307 Lessing, G. E. 107, 418 Lester, R. 170 Lewetzow, K. Frh. v. 540 Lewin 387 Lewis, H. 184 Lichte, H. 231, 242 Lichtinghausen, L. 469 Liebeneiner, W. 163 Liebknecht, K. 23 Liesegang, F. P. 227 f., 238, 242 Liliencron, D. v. 531 Liliencron, R. Frh. v. 543 Lilje (Bischof) 557 Linder, M. 148 Lindner, H. 469 Lindzey, G. 74, 78, 349, 351, 359, 487, 499 Link, E. 469 Lipps, Th. 537 Lipset, S. M. 34, 39 Littmann, A. 558 Lloyd, H. 148 Lloyd George, D. 13 Löbe, P. 269 Löffler, M. 386, 434, 552 f. Loew, M. 150 Loewenstein, K. 281, 307 Lommerzheim, H. H. 184 Longhaye, G. 30 f. Longolius, Ch. 352, 426, 499 Lorenz, K. 106 Louis-Philippe 73 Low, D. (Vicky) 66, 70 Lowrie, S. D. 118 Lubitsch, E. 151, 153 f. Luks, G. 119 Lullak, F. 237, 242 Lumet, S. 168 Lumière, A. 144 f., 147 f., 198, 228

PERSONENREGISTER

Martoglio, N. 149 Marx, K. 36, 85 Maselli, F. 170 Masolle, J. 155, 228 de Mattos 387 Matray 459 Maunz, Th. 308, 386 f. Maximilian 59 f. May, M. A. 498 Mayer, J. 216 Mayer, L. B. 150 McArthur 499 McPhee, W. N. 358 Meggendorfer, L. 89 Maccoby, E. E. 490, 492, 494 Mehring, W. 533, 539 f. MacComas, H. C. 80 Meier, E. 413 Machill, H. 558 Meisenbach, G. 91, 105 Mackendrick, A. 167 Mekas, A. 171 MacManus, G. 121 Melanchton, Ph. 60 Maddox, R. L. 143 Melchinger, S. 528 Maeterlinck, L. 90 Melies, G. 145 f., 155, 234 Maetzig, K. 163 Menander 530 Magas, W. 2 Mende, E. 290, 430, 498 Magnifico 155 Magnus, K. 270, 286, 298, 307 Menzel 387 Menzel, H. 544 Magnus, U. 426 Merian 63 Mahler 557 Mersmann, H. 554 Maier, W. 132 Merton, R. K. 77, 349 ff., Majakowski, W. 522 Malenkow 107 356 f., 487, 498 Maletzke, G. 66, 216, 285, Messter, O. 146, 155, 198 f., 228 307, 359, 413, 469, 487, 490, 492, 497, 499, 528, 553 Metzger, H. 31 Malle, L. 170 Meyenn, H.-W. v. 346 Mallmann, W. 294, 297, 307 f., Meyer, C. 152, 528 Meyer, E. 550 386 Mangoldt, F. v. 40 ff., 46, 386 Meyerbeer 524 Meyerinck, H. v. 534 Mangoldt, H. v. 308 Meyersohn, R. B. 354, 358 Mann, D. 168 Michael, F. 558 Mann, E. 535 DeMille, C. B. 154 Mann, Th. 88, 557 Mirabeau, H. 15 f. Mann, V. 540 Mizoguchi, K. 169 Mao Tse Tung 22, 107 Mjölnir siehe Schweitzer, H. Marcuse, H. 37 ff. Le Moal 216 Mardersteig 387 Möller, I. 346 Marey, E. J. 143 Möller, J. 346, 469 Marie, J.-E. 469 Moeller-Bruck, A. 540 Mark, A. 413 Mösslang, H. 91 Marker, Ch. 170 Mohl, R. v. 1, 25, 31 Marston, W. M. 116 Moissi, A. 552 Martin 387 Monnier, H. 416 Martin, L. A. C. 115 Lumière, L. 144 f., 147 f., 198, 228 Lumsdaine, A. A. 86, 352 f. Lunders, L. 216 Luther, J. 64 Luther, M. 15, 28 f., 31, 59 ff., 63, 79, 544 Lutz, J. 31 Luxemburg, Rosa 23 Lyle, J. 86, 488 ff., 492 Lynch, B. 88 Lys, G. 463

PERSONENREGISTER

Nehnevajsa, J. 353 Nehru, J. 34 Neitzel, L. 346 Nelson, R. 533 f., 536 Nemec, J. 171 Nero 529 f. Nestel, W. 388, 398, 421 Neugebauer, E. 308 Neumann 47 Neumann, E. 532 Neumann, E. P. 72, 74, 495 Neumann, G. 534, 536 Neuss, W. 535, 537, 541 Nevins, A. 90 Niehus, F. 413, 442 Niemann, A. 13 Niemöller, M. 29 Niepce, N. 142 Niepce de Saint Victor 142 Nierentz, H. J. 416 Nietzsche, F. 21, 31 Nilsson, L. T. 169 Nipkow 502 Nipperdey 47 Nixon 496 ff. Noelle, E. 72, 74, 80, 82, 350, 352, 357, 495, 556 Noelle-Neumann, E. 66, 71, 74, 77, 80, 86, 348, 352, 357 Noltenius, J. 226 Nordemann 386

575

Pabel, H. 104 Pabst, G. W. 153, 156, 163 Panhuys, van 387 Paolella, R. 171 Papen, F. v. 270, 272 Paris, J. A. 143 Parker, E. B. 86, 488 ff., 492 Pasolini, P. P. 170 Pastrone, G. 148 Patalas, E. 142, 171, 197 f., 205 Pathé, Ch. 145 f. Patrick, G. Th. W. 80 Paul 480 Paul, W. 144 Paul VI. (Papst) 27, 452 Pawek, K. 104, 115 Pearlin, L. 358 Percy 542 Perrigot 145 Pesch, L. 39 Pestalozza, G. v. 243, 259 Peters 216 Peters, H. 297, 308, 386 Peters, J. M. L. 469 Petri, E. 170 Petsch, R. 549 Peuckert, W.-E. 542 Philipon, Ch. 73 Pick, L. 152 Pickford, M. 149 f. Pierce, J. R. 346 Pipke, G. 267, 278 Ode, E. 534 Piscator, E. 525 f., 528 ölze, R. 52 Pitsch, I. 521, 527 f. Oerter, R. 132 Pitt, der Ältere 19 Ohser, E. 65 Pizetti, I. 148 Olivier, L. 162 Plateau, J. 143, 227 Ollenhauer, E. 87 Plath, R. 184 Olmi, E. 170 Plato 3, 11 Ophüls, M. 166 Platte, R. 534 Oppenheim 387 Oppenheim, A. N. 485, 488 ff., Plauen, E. O. 65, 75, 534 Pleister, W. 421 492 Nafziger, R. O. 126, 132 Plivier, Th. 525 Ott, A. 90 Namurois, M. A. 285, 303, Ott, R. 184 Poe, E. A. 530 308, 387 Ott, S. 40, 45, 47 Pohle, H. 266, 271 ff., 278, Napoleon 102 Otto 115 286 ff., 308, 348, 428 Narath, A. 231, 242 Polanski, R. 171 Outcault, R. F. 118 f. Naruse, M. 169 Pons, E. 308 Owen, D. 171 Nas, J. 61 Porten, H. 149 Oxilio, N. 148 Naumann, F. 4, 31 Porter, E. S. 146 f. Ozu, Y. 169

Moore, W. 124 Moreck, C. 197 Morgan, P. 537 Morgenstern, Ch. 531, 540 Morin, E. 188, 216 Morosow 387 Morrison 70 Moser, G. 469 Mosse, H. L. 130, 132, 267 Mostar, H. 555 Mott, F. L. 348 Moussinac, L. 171 Mouton 387 Muchele, M. 540 Mudridi, H. 525, 528 Mühlbauer, H. 558 Mühsam, E. 533 Müller, A. 2, 7, 31, 469 Müller, C. W. 520, 529, 533, 538, 540 Müller, G. 540, 550 Müller, H. 216 Müller, H. C. 540 Müller-Bringmann, W. 198 Müller-Freienfels, R. 78 Münch, J. v. 40 ff., 45 f. Münster, C. 470 Münz, S. 469 Münzer, Th. 29 Muller 216 Münk, A. 167 Munker, F. 523 Murell, L. 125 Murero, H. 416 Murnau, F. W. 152 f. Murner, Th. 61 Murray 210 Murrell, W. 90 Mussolini, B. 103, 420 Muth, H. 216 Muther, R. 63, 88 Muybridge, E. 143, 228

576

PERSONENREGISTER

Potrykus, G. 44, 47, 226 Renoir, J. 154, 157 f., 160, 162, Prager, G. 333, 346 f., 413, 187 469 Resnais, A. 170 Ressing, K. H. 308 Prakke, H. 542, 547 Reumann, K. 65 ff., 70, 77 f., Preissmann, F. 89 Pressler 387 80, 82, 87 f. Preuss 387 Reuter, E. 15 Prevert, J. 158 Reutter, O. 537, 539 Prieberg, F. 469 Reville 143 Privett, B. 237, 242 Reynaud, E. 147 f. Pross, H. 132 Reznicek 533 Prutz, R. E. 544, 549 Rezzori, G. v. 323 Ptolemäus 142 Rhein, E. 552 Pudowkin, W. I. 138, 141, Rhotert, B. 485 Ribbentrop 102 153, 157, 187 Richard-Schweinsberg, J. 31 Pulitzer, J. 118 f. Richardson, T. 170 Pumphrey, G. H. 126 Richert, J. 416 Richter, H. 154 Qualtinger, H. 537 Rickmann 398 Quaritsdi 386 Quigley jr., M. 238, 240 ff. Ridder, H. 287, 294, 308, 386 Quintilian(us), M. F. 1, 7, 10, Rider, R.-L. 469 13, 31 Riedel, K. V. 469, 545 Riek, H. 423 Rabehl 38 f. Riess, C. 558 Radek 23 Riha, K. 126, 132 Rahmelow, J. M. 550 Riley, J. W. 494 Rajsman, J. 163 Riley jr., J. W. 492 Ramseger, G. 76 Riley, M. W. 492 Rank, J. A. 159 Rindfleisch 279 Ranke, L. v. 21 Ringelnatz, J. 533, 537, 540 Rausciienbach, R. F. 522, 524, Rings, W. 414, 469, 485 527 f. Ritt, M. 168 Ray, S. 169 Ritter, K. 156 Rayfield, St. 104 Ritzel, W. 8 Reed, C. 157, 161 f., 166 Rivette, J. 169 Rehbinder 386 Robbins 283 Reich, D. D. 288, 308, 387 de Roberti, F. 160 Reich, H. 529 Robespierre 16 Reidiardt, R. 558 Robinson, E. J. 126 Reimers, K. F. 200, 205 Robitschek, K. 534 Reiners, L. 91, 104 Rocha, G. 171 Reinhardt, M. 151, 531 f. Roda-Roda 537 Reinhold, C. 536 Roeber, G. 308 Reiniger, L. 237 Roegele, O. B. 277 f., 432, 443 Reinisdi, L. 413, 426 Rösemeier, Ch. 89 Reisz, K. 170 Roessel-Majdan, K. 346 Reitz, E. 171 Roget, P. M. 143 Reitz, H. 184, 226 Rogosin, L. 171 Remy, E. W. 469, 554 Rohde, G. 11 Renfordt, K. H. 34, 39 Rohde, I. 11

Rohmer, E. 170 Rolfs, R. 540 Rolland, R. 34 Komm, M. 163 Roosevelt, F. D. 158, 262, 348 Rose, A. M. 126 Rosenberg, B. 126, 354 Rosenberg, M. J. 82 Rosi, F. 170 Ross, D. 87, 435, 469 Ross, S. A. 87 Rosselini, R. 160 f., 165, 187 Rossini 524 Rötha, P. 157, 161, 171 Rouch, J. 170 Rouquier, G. 162 le Roy, M. 158 Rudolf, W. 285, 298, 386 f. Rühle, G. 559 Rühle, J. 525, 528 Ruf, A.-K. 469 Rutlinger, K. F. 494 Ruttmann, W. 154 Rutz, H. 558 Sadoul, G. 171 Sänger, F. 469 Sagan, L. 156 Salant, R. S. 495 ff. Salis, R. 530 Salomon, E. 104, 114 f. Salus, H. 531 Sandberg, H. 88, 90 Sandberger, G. 558 Sandow, J. 26, 31 Santbrink, v. 281 de Santi, G. 160 dos Santos, N. P. 171 Sarkasmus 132 Sawatzki, G. 469 Schaaf, J. 171 Sdiaefer, H. 308 Schaeffers, W. 534 Schanzer, R. 531 Scharf, L. 533, 540 Sdieffler, E. A. 89 Scheidemann, Ph. 15 Schenkendorf, M. v. 544 Scherer, W. 545 Scherl 267 Scheuner 47

577

PERSONENREGISTER

Scheuner, U. 308, 386 Schiller, F. v. 2, 55, 524 f., 527 Schilling, R. 131 Schirach, B. v. 544 Schlöndorff, K. 171 Schmid, C. 8 f., 498 Schmidt, A. 29 Schmidt, P. E. 523 Schmidt-Henkel, G. 132 Schmidtdien, G. 84, 358, 496 Schmücker, P. R. 308 Schnabel, E. 323 Schneider, H. 297, 308, 386, 434, 442 f. Schneider, P. 386 f., 432, 443 Schneider, R. 29 Schnitzler, A. 531 Sdioenbemer, F. 66 Schöne, A. 544, 550 Sdioll-Latour, P. 456 Schölte, H. J. 82 Schopenhauer, A. 3, 31 Schorn, E. 171 Sdiottenloher, K. 64 Schottmayer, G. 216 Schramm, W. 76, 86, 350 f., 359, 414, 485, 488 ff., 499 Schröder, G. 498 Schröder, J. 205 Schroers, G. 8, 31 Schröter, F. 510 Schubert, R. 469 Schütz, W. J. 556 Schütze, Ch. 557 Schultz, W. D. 346 Schultze, F. 49 Schultze, J. H. 142 Schumacher, K. 8 f., 14 Schumann, G. 544 Schuster 286 ff., 308, 387 Schwalbe, H. H. 88 Schweinsberg, F. 31 Schweitzer, H. (Mjölnir) 75 Schwitzke, H. 330, 342, 347, 469 Seemann, E. 550 Seidel, H. 205 Seidl-Hohenveldern 387 Seifert, K. H. 47 Seiffert, F. 55 Seiffert-Helwig, R. 55 37

Publizistik II

Seldes, G. 117 Semler, J. 184 de Seta, V. 170 Seyfarth, H. 469 Shakespeare, W. 76, 162 Shaw, B. 524 Sheatsley, P. B. 496 Sheffield, F. D. 86, 352 f. Shils, E. A. 84 de Sica, V. 160, 165, 187 Sicker, A. 216, 489 Siclier, J. 197 Sieburg, F. 91 Siegel, K. A. 346, 426, 468 f., 485 Sielmann 458 Silbermann, A. 347, 553 Simmel, G. 67 Singer, E. 540 Sjöberg, A. 164, 167 Sjöman, V. 170 Sjöström, V. 151 Skladanowski, E. 144, 146 Skladanowski, M. 144, 146 Skolimowski, J. 171 Skouras 240 Smith, G. A. 145 f. Smith, K. 349, 351 Sonnenschein, C. 29 Sorensen 387 Spanner, H. 308 Spencer, H. 86 Spiegelmann, M. 83 Spieker, F. 171 Spieker, R. 115 Spiess, V. 346, 414, 426, 485 Spitta, Th. 132 Spranger, E. 11, 130 Stalin, J. W. 49, 107, 164, 167 Stammler, W. 545 Stampfer, S. Ritter v. 143, 227 Stanton, F. N. 76, 349 f. Starke, G. 522 Staudte, W. 163,168 Steichen, E. 104 Stein 287, 386 Steinberg, S. 81 Steiner, G. A. 71, 76, 354, 359, 469, 485 f., 499 Steiner, H. 88 Steinhoff, H. 156, 163

Steinitz, W. 550 Steinmetz 387 Stemmle, R. A. 534 Stepun, F. 134 f., 137, 140 f. Stern, K. 308 Sternberg, J. v. 156, 159 Stevens, A. 530 Stieler, C. v. 542 Stiewe, W. 64 Stille, C. 232 Stiller, M. 151 Stoll, G. E. 546 Stolz, R. 555 Storck, H. 216 Stratenheim, v. 387 Straub, J.-M. 171 Strauss, F. J. 498 Strauss, O. 531 Strawinsky, I. 458 Streicher, F. 104 Strelow, L. 115 Stresemann, G. 16, 27 Strickland, J. F. 87 Strietholt, R. 102, 105 Strobel-Tichawsky 188 Stroheim, E. v. 154 f. Stückrath, F. 206, 216 Sturges, P. 164 f. Süverkrüp 552 Supper, O. 89 Sveistrup, O. 90 Sybel, H. v. 21 Sympher, P. 308 Szewczuk, M. 69, 72, 74, 76, 80, 87 Tacitus, C. 31 Tairow, A. 528 Talbot, F. 142 Tank, K. L. 27, 70, 89 Tati, J. 166 Tauber, E. 346 Taylor, J. R. 485 Tebell, J. 116 Tenbruck, F. 494 Terman, F. E. 398 Terwillinger, C. 83 Theile, H. 132 Theile, R. 510 Theodora 529 Thiel, J. 469, 559

578 Thiele, W. 156 Thieme 387 Thierry 541 Thimme, H. 84 Thöny 533 Thoma, L. 81, 532 Thomas, H. 485 Thomsen 387 Thürk, W. 308, 387 Tiburtius 553 Timm, A. 64 Todd, M. 241 Todd jr., M. 241 Toeplitz, J. 171 Toller 525 Tolstoi, L. 552 Toyoda, S. 169 Traub,H. 227, 242 Treitschke, H. v. 21 Trnka, J. 167 Tröger, W. 216, 351 Troll, Th. 89 Troller, S. G. 458 Trotzki 22 Trubel, H. 44, 46 f. Trübenbadi, A. 66 Truffaut, F. 169 Tschombe, M. 38, 103 Tsdiuchraj, G. 167 Tucholsky, K. 115, 533, 539 Tunkin 387 Uchatius, F. v. 143, 147, 228 Ucicky, G. v. 163 Uhland, L. 542 f., 548 Ullrich 387 Ullstein 92 Ulmer, E. 304 Ulrich, R. 540 Valentin, K. 537, 552 Valetti, R. 534 Vancini, F. 170 Varda, A. 170, 187 Venken, E. 205 Verdross 387 Vergano, A. 160 Verosta 387 Veth, C. 90 Vicky siehe Low, D. Victoroff, D. 83

PERSONENREGISTER

Vidor, K. 159 Viedebantt, J. 551, 553 Vigo, J. 156 Vince, P. 485, 488 ff., 492 Vincent, C. 171 Virchow 21 Visconti, L. 160, 166 Vivaldi 557 Vogel 290, 430 Vogel, H. 469 Vogt 155, 228 Volkmann, Th. 200, 205 Volle 387 Voss, C. D. 558

Weiß, Juliane 520 Weiss, P. 459, 526 Weiss, W. 86, 352 Weitenkampf, F. 90 Weithase, J. 29, 31 Welke, M. 126, 132 Weller, M. 17, 31 Welles, O. 164 f., 168, 349 Wendel, F. 89 Wendt, G. 510 Wenzel 386 Wernicke, R. 263 Wertham, F. 123 f. Wertow, D. 153, 157 Werwie, B. 27 Wetterling, H. 130, 132 Wacke 45 Wheatstone 142 f. Wäscher, H. 64 f. White, D. M. 126, 354 Wagemann, E. 259 White, Th. H. 496 Wagener, M. 520 f., 524, 528 Wagenführ, K. 308, 413, 415, Whitton 387 Widerberg, B. 170 421 Widmann, W. 521, 528 Wagner 304 Wiebe, G. D. 495 Wajda, A. 167 Wiemann, M. 262 Waldekrantz, R. 171 Wiese, B. v. 470, 544, 547, Walker 228 550 Waller, F. 240 Walther, G. 308 Wigransky, P. 124 Waither von der Vogelweide Wilder, B. 165, 168 544 Wilhelm II. (Kaiser) 13, 15, Waples, D. 71, 486 533, 551 Warlamow, L. 163 Wilke 533 Warner 150 Wilke, W. H. 356 Warner, L. W. 350 f., 357 Wilkens, H. 287, 308, 387 Wasem, E. 216, 485, 553 Wilson 15 Watt, H. 157 Windcel, F. 230, 242 Watt, J. 142 Winkler, G. 216 Waugh, C. 118, 126 Winkler, H. J. 38 f. Weber 387 Wisser, R. 278 Weber, A. 487, 491 Witkowski, G. v. 527 Wittkower, R. 66 f. Weber, J. J. 58 Weber, P. 71 Wodrasdike, G. 487, 493 Weddekop 3 Wölker, H. 216 Weddingen, O. 550 Wolf, F. 524 f. Wedekind, F. 531 ff., 537, Wolf, G. 205 540 Wolf, K. M. 76, 126, 492 Wolffsohn, K. 259 Wedgewood 142 Wolkers, U. 66 Wehner, H. 498 Wolzogen, E. Frh. v. 531 f. Weinbrenner, H.-J. 261 Wright, B. 157, 161 Weinhöppel, H. R. 532 Wright, Th. 89 Weise, H. 230, 237, 242 Wulf, J. 528 Weiss, Jiri 167

PERSONENREGISTER

Wundt, W. 21 Wyler, W. 165, 168 Wysdiinski 107 Young 542 Young, P. T. 80 Zahn, P. v. 30, 323, 456 Zampa, L. 160

37*

Zazzo, B. 216 Zazzo, R. 216 Zecca, F. 146 Zedilin, E. 308, 414 Zehner, G. 307 f., 387, 430 Zeidler, K. 297, 308, 387 Zeidler, W. 308 Zeiger, I. 132 Zeisel, H. 353

579 Zeman, K. 167 Zemanek 387 Zepler, B. 531 Zimmermann, H. 64, 244, 259 Zinnemann, F. 165, 168 Zödibauer, F. 216 Zöller, J . O. 278 Zorbaugh, H. 126 Zukor, A. 150

Sachregister „Agit-prop"-Gruppen 534 Akustik 393 Arbeitertheater 527 ARD 275 f., 289 f., 294, 298 f., 425 f., 428 ff., 432, 434, 438, 472 f. ARD-Gemeinschaftsprogramm 429, 438 f. ARD-Organisation 299 Außenstudio 345 Außerparlamentarische Opposition 36 ff. Autokino 242 Bauerntheater 527 Berichterstatter 545 Bild 48 ff. Bild und Text 97 f. Bildaufgabe 48 ff. Bildbedarf 93 Bilddrude 57 ff. Bildfälschung 105, 107, 112 ff. Bildmißbrauch 102 f., 105 ff. Bildpolitik, publizistische und verlegerische 92 Bildredakteur 95 ff. Bildregie 506 f. Bildreporter 95 ff. Bildtext, steuernder 59 Bildwert 48 ff. Bioskop 144 Bittlied 546, 548 black out 539 Blockbuch 59 Blockbuchung 174 f., 225 Breitwandverfahren 239 ff. Bumerang-Effekt 76, 86 Cabaret 530 cabaret artistique 530 Calotypie 142 Chanson 539 Chiasmus 14 Cinemascop-Verfahren 241 Cinemiracle 240 Cineorama 239 Cinerama 240

Cinetarium 239 Circarama 239 Clausula 15 Comic books 127, 131 Comic-Hefte 116, 120 f. 124 Comic strips 116 ff., 127 Conference 539 Coproduktion 178 ff. Couplet 539 Daguerrotypie 142 Demonstration 32 ff. Deutscher Fernsehfunk 430 Deutsches Fernsehen 300, 429 Deutsches Rundfunkarchiv 301 Deutsche Welle (DW) 290, 293, 298 Deutschland-Fernsehen 430 Deutschlandfunk (DLF) 290, 294, 298 Diskussion im Hörfunk 322 Dokumentarfilm 157, 161, 163, 185 Dokumentarschallplatte 556 Dokumentarsendung im Hörfunk 323 ff. — im Fernsehen 455 ff. —, historische 325 —, wissenschaftliche 458 Drama, agitatorisches 522 —, gesellschaftskritisches 522 —, propagandistisches 522 3-D-Technik 238 Einblattdruck 57 f. Einmann-Kabarettist 534 Empfänger 390 Eurovision 429, 440 f. Exclusivbild 92 Faradeysche Scheibe 143 Farbfernsehen 424, 432, 508 ff. Farbfernsehverfahren 510 Farbfoto 103 f. Feature im Hörfunk 324, 340 — im Fernsehen 455 Fernsehbild 98 ff.

Fernsehempfänger 507 f. Fernsehen 409 ff. —, Definition 409 ff. Fernsehfeuilleton 458 Fernsehfunk, Aussageformen 444 ff. —, Grundfunktionen 446 Fernsehfunkgeschichte 415 ff. Fernsehfunk-Organisation 427 f., 433 — in Deutschland 428 ff. — in der DDR 440 Fernsehfunksendung, literarische 460 ff. —, pädagogische 460 f. Fernsehfunkwirkung 486 ff. Fernsehfunk-Wirtschaft 436 ff. Fernsehgebühren 437 Fernsehgemeins chaftsaufgaben 438 Fernsehgemeinschaftsprogramm 424 Fernsehkabarett 466 Fernsehkamera 502 f. Fernsehperspektive 499 Fernsehportrait 458 Fernsehprogramm 470 ff. Fernsehprogramme, aktuelle 448 ff. —, Dritte 432, 435, 447 Fernsehquiz 466 Fernsehrede 27 f. Fernsehsatellit 424 Fernsehsender 507 —, ausländische 439 Fernseh-Statistik 511 ff. Fernsehstuben 415 Fernseh-Studio 505 f. Fernsehtechnik 500 ff. Fernsehtranskription 439 Fernsehübertragung, interkontinentale 441 f. Fernsehunterricht 464 f. Fernsehurteil 431 Fernsehveranstaltung, öffentliche 467

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SACHREGISTER

Fernsehversuchsdienst 423 Film, Definition 133 ff., 141 Filmarbeitsrecht 225 Film-Aufnahmetedinik 227, 229 Filmaussage 185 Filmauswertungsrecht 224 Film-Beleuchtungstechnik 233 f. Film-Bearbeitungstechnik 227, 229 Filmbewertung 219 f. Filmerleben 213 f. Filmerziehung 207 Filmexport 176 ff. Filmfunktion, publizistische 190 f. Filmgeschichte 142 ff. Filmbestellvertrag 224 f. Filmhilfssysteme 180 f. Film-Lizenzvertrag 224 Filmmontage 135 ff. Filmorganisation 172 ff. Filmpropaganda 191 f. Filmpsydiologie 206 Filmrecht 217 ff. Filmreportage im Fernsehen 452 f. Filmsatire 166 Filmselbstkontrolle 218 f. Filmsoziologie 206 Filmstar 149 f. Film-Statistik 243 ff. —, internationale 253 ff. Filmsynchronisation 176 Filmtedinik 227 ff. Filmtitelschutz 221 f. Filmurheberrecht 222 ff. Filmvamp 149 f. Film-Wiedergabetechnik 227, 238 ff. Filmwirkung 185 ff., 206 ff. Filmwirkungsforschung 209 ff. Filmwirtschaft 172 ff. Filmzensur 218 f. Finale 539 Finanzausgleich zwischen Rundfunkanstalten 300 Finanz-Statistik 400, 404 f., 515

Flugschrift 57 Foto 91 ff. Fotomontage 107 f. Frauenfunk 340 Funkhaustechnik 390 ff. Funkordnung 384 Funktionsanalyse 356 f. Gangsterfilm 158 Gebet, politisches 549 Gegenpaarung 14 Gegenwartsdrama 522, 526 Gesinnungskabarett, politisches 533 Ghostwriter 10 Grammophon 551 Große Show 467 Großfilm, historischer 148 f., 151

Institut für Rundfunktechnik 300 f. in-Tedinik 34 Integrationsanstalten (Rundfunk) 365 ff. Interview im Hörfunk 322 — im Fernsehen 449, 454 Intervision 442 Jugendfunk 340

Kabarett 529 ff. Kabarettgeschichte 529 f. Kabarettspielformen 539 Kabarettzensur 535 f. Kammerspiel-Film 151 f. Karikatur 65 ff. —, Aussageformen 67 f. —, Funktionen 77 ff. —, Stilformen 68 f. —, Wirkung 70 ff., 85 ff. Halo-Effekt 503 Karikaturist 65 f. Heimtest 351 Kinderfunk 340 f. Hörerforschung 350 ff. Kinder- und Jugendtheater Hörfunk 260 ff. 527 —, Aussageformen 309 ff. —, Begriff 260 ff., 265 Kinematograph 227 ff. —, Grundfunktionen 316 Kinematographie 227 Hörfunkabteilungen, proKinetograph 144 grammbildende 335, 338 ff. Kinetoskop 144, 155, 228 Hörfunkgebühr 297, 376 f. Kirchenfunk 340 Hörfunkorganisation 279 ff. Klagelied 546, 548 — in Deutschland 286 ff., 291 Kleine Show 467 Kolchostheater 527 — in der DDR 302 f. Komik, objektive 538 Hörfunkprogramme 333 ff. Komik, subjektive 538 — Zweite und Dritte 337 f. Kommentarsendung im HörHörfunk-Programmstruktur funk 322 333 ff. Hörfunksender, ausländische — im Fernsehen 454 f. Kreuzpaarung 14 302 Kulturkritik im Hörfunk 340 Hörfunksendungen 319 ff. Kundgebung 24 —, belehrende 327 f. Kupferstich 58 —, szenische 329 f. Kurzepos, politisches, 546, —, wissenschaftliche 328 f. Hörfunksprache 344 550 Hörfunk-Statistik 399 ff. Kursusprogramm im FernHörfunkwerbung 297 f. sehen 464 f. Hörfunkwirkung 348 ff. Hörfunkwirtschaft 297 Landesrundfunkanstalten Hörspiel 330, 334 f., 340, 342 288 f., 291, 429, 435 Hörspielproduktion 343 —, Organisation 292 f. 434 ff. Holzschnitt 58 Landfunk 339

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SACHREGISTER

Phantascop 234 Phonograph 155, 228, 551 Phonoskop 155 Photographie 227 Photographische Flinte 143 Photographischer Revolver 143 „Piraten"-Sender 374, 383 Politik und Zeitgeschehen 338 f. Praxinoskop 147 Predigt 28 ff. —, gereimte 546, 550 Pressephoto 97 f. Pressegesetze 361 f. Produktions-Statistik 400, 403 f., 514 f. Magazinsendung im HörProgrammbeobaditung 403 funk 319 f. Programmdirektor 439 — im Fernsehen 459 Programmdirektion beim Meinungspublizistik 544 f. Hörfunk 335 Mikrophon 388 ff. Musiksendungen im Hörfunk Programmgestaltung im Hörfunk 280 330 f. — im Fernsehen 476 ff. — im Fernsehen 460, 463 f. Programmplanung 403, 482 ff. Programmredaktion 344 Nachricht, gesprochene 449 Programm- und Staffelver—, bebilderte 449 mietung 174 f. —, gefilmte 449 Programmverteilung 394 f. Nachrichten im Hörfunk Programmzeit-Statistik 400, 319 f. 402 f., 514 — im Fernsehen 448 ff. Projektionslebensrad 227 Nachrichtenbild 62 Proletarisches Theater 525 Nachrichtenfilm 198 ff. Protest-Song 548 Nachrichtenredaktion 338 f. Prozeß, komischer 538 Nachsynchronisation 231 Puppenfilm 167 Nachtstudio 340 Namensrecht 220 f. Neckvers 546, 549 Quodlibet 539 Neorealismus 160 f., 165 f., 170, 187 Rahmenprogramm des HörNiederfrequenz 389 funks 337 Niederfrequenzverstärker Redaktion, politische 338 f. 389 f. Rede 1 ff. Referat 21 f. Regieraum 391 opening 539 Regionalprogramme 429 Originalübertragung im Reimpublizistik 544 Femsehen 453 Reportage im Hörfunk 320 f. Parlamentsrede 25 f. — im Femsehen 450 f. Persönlichkeitsrecht 220 f. Reportage, zeitversetzte, im Hörfunk 322 Personal-Statistik 515 Langspielplatte 552 Lebensrad 142 f., 227 Leitartikel, gereimte 546, 548, 550 Lichttonverfahren 155 Lied, agitatorisches 546 f. —, politisches 542 ff., 546 Liedpublizistik 544 live-Beridit 449 live-Reportage im Hörfunk 321 — im Fernsehen 450 f. —, zeitversetzte 451 f. live-Sendung 336 Loblied 546 ff.

— im Fernsehen 451 f. Revue, kabarettistische 533 Rundblidcpanorama 239 „Runder Tisch" im Hörfunk 322 — im Fernsehen 454 Rundfunkanstalten, staatliche 371 ff. Rundfunkempfangsgenehmigung 376 Rundfunkfinanzierung 281 ff. Rundfunkfreiheit 362 ff. Rundfunkgebühr 297, 376 f. Rundfunk-Gemeinschaftsaufgaben 298 ff. Rundfunkgeschichte, deutsche 266 ff. Rundfunkgesetze 361 f. Rundfunkintendant 295 Rundfunkorganisation 274 ff., 279 f. Rundfunkorganisation, Internationale 303 ff., 440 ff. Rundfunkrat 295 Rundfunkrecht 360 ff. — in der BRD 360 ff. —, Internationales 377 ff. Rundfunkrede 27 f. Rundfunktechnik 285 f., 388 ff. Rundfunkunternehmen, ausländische 373 Rundfunk-Verwaltungsrat 295 Schallaufnahme 392 Schallisolation 393 Schallplatte 551 ff. Schule für Rundfunktechnik 301 Schulfunk 326 f., 340 f. Semidokumentation im Hörfunk 325 — im Femsehen 458 Sendeleistung 402 Sendeleitung 344 Sender 390, 395 ff. Sendezeiten im Hörfunk 337 Sendezeit-Statistik 400, 402, 513 f. Song 539, 546, 548

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SACHREGISTER

Sowjetfilm 153 Spottlied 546 f. Sportfunk: 339 Spielfilm 185 Sprecherstudio 392 Spruch, politischer 546, 549 Spruchdichtung, politische 549 Staatliches Rundfunkkomitee 429 Staatsrundfunk 364 Ständige Programmkonferenz 439 Statement 449, 453 f. Statistik, technische 400, 404 Störausstrahlungen 383 f. Straßenrede 22 f. Studiotest 350 Szene, Sketch 539 Tendenzbild 56, 60 f. Tendenzdrama 522 Teilnehmer-Statistik 400 f., 512 f. Thaumatrop 143 Theater 520 ff. —, politisches 526 Todd-AO-Verfahren 241 Tonfilm 155 ff., 228

Tonfilmherstellung 230 ff. Ton-Konserve 336 Transistor 389 Traumfabrik 194 f. Trickfilmmittel 235 ff. Trickfilmtechnik 234 ff. Unterhaltung im Hörfunk 331 f. — im Fernsehen 465 ff., 480 ff. Unterhaltungskabarett 533 Verbrauchs-Statistik 400, 405, 515 Verdrängungseffekte des Fernsehens 490 f. Versammlung, öffentliche 41 f. —, nichtöffentliche 41 f. Versammlungsfreiheit 40 f. Versammlungsgesetz 40 f., 43 f. Versammlungsrede 23 f. Verständigungsleitung 395 Verteilernetz 394 Vorlesung 21 Vormittagsprogramm ARD/ ZDF 439

Vorsynchronisation 231 Vortrag 19 ff. Wanderkino 144 Wellenbereiche 395 ff. Werbefernsehen 424, 429, 437 f., 460 Werbefunk 296, 345 Wirkungsforsdiung, Methoden 350 ff. Wirtschaftsfunk 339 Wochenschau 188 f., 198 ff. Wundertrommel 143 Zauberlaterne 227 ZDF 425 f., 431 f., 435 f. ZDF-Fernsehrat 436 ZDF-Intendant 436 ZDF-Organe 436 ZDF-Verwaltungsrat 436 Zeichenfilm 147 f., 159 Zeichentrickfilm 237 Zeitfunk 339 Zeitung, gereimte 546, 550 Zeitungslied 546, 549 Zubringernetz 394 f. Zwischenzeilenverfahren 501 f. Zwischenzeiten 105, 109 ff.

Handbuch der Publizistik Bereits

erschienen

Band 1. Allgemeine Publizistik v o n EMIL DOVIFAT

XII, 333 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 28 — Im Druck

Band 3. Praktische Publizistik

Zweiter Teil

Publizistik d e s geschriebenen W o r t e s Inhalt: I. Plakat, Flugblatt, Flugschrift Das Plakat (FRIEDRICH M E D E B A C H ) . — Flugblatt, Flugschrift ( G E R T H A G E L WEIDE). II. Die Zeitung Der Begriff „Zeitung" (U. DE VOLDER). — Die Anfänge: 15. und 16. Jahrhundert ( W I E L A N D S C H M I D T ) . — 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart ( K U R T KOSZYK). — Nachrichtenwesen und Nachrichtenorganisation ( E R I C H EGGELING) . — Die Satellitentechnik im Nachrichtenwesen ( W O L F G A N G W E Y N E N ) . — Organisation und Führung des Zeitungsverlages (DIETRICH OPPENBERG). — Organisation des Zeitungsverlages im internationalen Vergleich ( U L R I C H NUSSBERGER) . — Typologie der Zeitung (ALFRED FRANKENFELD). — Redaktion und redaktionelle Leitung (HELMUT C R O N ) . — Zeitungsspradie (NIKOLAS BENCKISER). — Die Sparten: Innenpolitik ( H E R M A N N E I C H ) . — Außenpolitik (K. H . BRINKMANN). — Das Lokale (VALESKA V O S S - D I E T R I C H ) . —Der Wirtschaftsteil (FRIEDRICH V O G E L ) . — Kultur und Unterhaltung ( W I L M O N T H A A C K E ) . — Der Sportteil ( H A N S - D I E T E R KREBS). — Die Anzeige in Zeitung und Zeitschrift (GERD F. HEUER). — Technik und Umbruch der Zeitung (W. G. OSCHILEWSKI). — Elektronik in der Zeitungstechnik ( H A N S W E I T P E R T ) . — Wirkung und Wirkungsforschung in der Zeitung ( H . L. Z A N K L ) . — Leseranalysen von Zeitungen (FRIEDRICH M Ö H R I N G ) . — Das Recht der Zeitung ( H A N S S C H M I D T - O S T E N ) . — Probleme der Konzentration (EMIL D O V I F A T ) . — Zeitungsstatistik ( W A L T E R J. S C H Ü T Z ) . III. Die Zeitschrift Der Begriff der Zeitschrift ( G Ü N T E R KIESLICH). — Geschichte der Zeitschrift: Von den Anfängen bis 1 9 0 0 (JOACHIM K I R C H N E R ) . — Von 1 9 0 0 bis zur Gegenwart ( H . M A R T I N K I R C H N E R ) . — Stellung und Aufgabe der Zeitschrift im öffentlichen Leben ( A L B E R T K L U T H E ) . — Organisation und Führung des Zeitungsverlages (HERBERT A D A M ) . — Vertrieb und Verbreitungsformen der Zeitschrift ( H A N S M E H L H O R N ) . — Formen der Zeitschriftenaussage ( W I L M O N T H A A C K E ) . — Die Fachzeitschrift (PETER L O R C H ) . — Konfession und Presse ( K A R L M A R X ) . — Die evangelische Zeitschrift ( F O C K O LÜPSEN). — Die katholische Zeitschrift ( O T T O B. ROEGELE und H A N S W A G N E R ) . — Die jüdische Zeitschrift ( H E R M A N N LEWY). — Die Gewerkschaftspresse (RUDOLF FABIAN). — Die wissenschaftliche Zeitschrift

(H. J . KOSCHWITZ). — D i e J u g e n d p r e s s e (H. J . KOSCHWITZ). — D i e I l l u s t r i e r t e n

(HERMANN B O V E N T E R ) . — Der Unterhaltungsroman in Zeitung und Zeitschrift ( W O L F G A N G R. LANGENBUCHER). —• Die Kundenzeitschrift und die Betriebszeitschrift ( H O R S T KERLIKOWSKY). — Wirkung und Wirkungsforschung der Zeitschrift (ERNST BRAUNSCHWEIG). — Das Recht der Zeitschrift ( W I L K E N VON RAMDOR). — Zeitschriftenstatistik (FRANZ GREISER und ALEXANDER VON K U K ) .

IV. Das Buch Das Buch als publizistisches Mittel (HELMUT HILLER) . V . Gegensätze und Gemeinschaften in den Publizistischen Mitteln Die Autoren. Biographische Notizen Personen- und Sachregister

Walter de Gruyter & Co • Berlin 30

(EMIL D O V I F A T ) .