Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb: Eine grundrechtsdogmatische Studie zur Verarbeitung von staatlichen Einflüssen auf das Umfeld wirtschaftlicher Betätigung [1 ed.] 9783428535521, 9783428135523

Der grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit ist in der rechtswissenschaftlichen Forschung wie der Rechtspraxis al

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Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb: Eine grundrechtsdogmatische Studie zur Verarbeitung von staatlichen Einflüssen auf das Umfeld wirtschaftlicher Betätigung [1 ed.]
 9783428535521, 9783428135523

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1194

Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb Eine grundrechtsdogmatische Studie zur Verarbeitung von staatlichen Einflüssen auf das Umfeld wirtschaftlicher Betätigung

Von Anton Achatz

Duncker & Humblot · Berlin

ANTON ACHATZ

Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1194

Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb Eine grundrechtsdogmatische Studie zur Verarbeitung von staatlichen Einflüssen auf das Umfeld wirtschaftlicher Betätigung

Von Anton Achatz

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13552-3 (Print) ISBN 978-3-428-53552-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83552-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2010/2011vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen und mit dem Promotionspreis des Fachbereichs sowie dem Förderpreis der Schmitz-Nüchterlein-Stiftung ausgezeichnet. Für den gewährten Druckkostenzuschuss bin ich der Stiftung sehr verbunden. Die Arbeit ist in der vorliegenden Form im Wesentlichen zwischen April und September 2009 entstanden. Zwischen November 2009 und Februar 2010 wurde sie einer strukturellen Überarbeitung und Aktualisierung unterzogen, bei der einige wirtschaftswissenschaftliche und ordnungsökonomische Überlegungen dem roten Faden der Arbeit „geopfert“ wurden. Für die Drucklegung wurde die Arbeit nochmals redaktionell bearbeitet und soweit wie möglich auf den Stand März 2011 gebracht, wobei allerdings nur noch Folgeauflagen eingearbeitet werden konnten. Ich bedanke mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Grzeszick, LL.M. für die akademische Freiheit, die er mir bei der Ausarbeitung des Themas gelassen hat. Mindestens ebenso wichtig war der zeitliche Freiraum, den ich in meiner Zeit als Akademischer Rat an seinem Lehrstuhl genießen durfte. Seinen Hinweisen und Anmerkungen ist es auch zu verdanken, dass die Arbeit in der Schlussphase noch deutlich an Kontur gewonnen hat. Dem Zweitkorrektor Herrn Prof. Dr. De Wall danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Während der Erstellung der Arbeit durfte ich in vielfältiger Hinsicht von Menschen in meinem beruflichen und privaten Umfeld profitieren. Ihnen allen gilt mein ganz herzlicher Dank. Ausdrücklich genannt sei Herr Prof. Dr. Marc Bungenberg, LL.M. für die aufmunternden, aber auch fordernden Worte und natürlich das Lehrstuhlteam, das die gemeinsame Zeit zu einer wertvollen Erinnerung machte: Frau Dr. Katrin Först, Herrn Dr. Jens Weyd, Frau Jana Lehmann, Herrn Philipp Brandl, Herrn Ralph Nikol sowie das Herzstück des Lehrstuhls, Frau Karin Fick. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern Josefa und Rudolf und meinem Bruder Joseph, auf deren beständige Unterstützung und Fürsorge ich jederzeit vertrauen durfte und die ich auch häufig genug in Anspruch genommen habe. Mein ganz besonderer Dank geht ebenso an meine Freundin Franziska Scherzer, die für die zeitraubende (Wochenend-)Arbeit nicht nur Verständnis

6

Vorwort

hatte, sondern entscheidend dafür gesorgt hat, dass ich mich mit ganzer Kraft auf die Erstellung konzentrieren konnte. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Anton Achatz

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und ihre Beeinträchtigung durch staatliche Ingerenz in das Wettbewerbsgefüge nach heutiger Dogmatik . . . . . . . . . . . . .

17

I.

Die Wettbewerbsfreiheit und ihre Verankerung im Grundgesetz . . . . . .

17

1. Schutz der wirtschaftlichen Betätigung durch Art. 14 GG . . . . . . . . a) Allgemeine Bedeutung und Struktur der Eigentumsgarantie . . b) Die Bedeutung der Eigentumsgarantie für die Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz des Bestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz des (Tausch-)Wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der wirtschaftlichen Betätigung durch Art. 12 GG . . . . . . . . a) Grundlagen der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Skizzierung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf juristische Personen des Privatrechts, Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wettbewerbsfreiheit als spezifische Ausformung der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) (Der Streit um) die thematische Verortung der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Wettbewerbsfreiheit in der Schutzbereichsumschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die „berufsregelnde Tendenz“ als mehrdimensionales Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . . . bb) Spezifizierung des Eingriffs in die Berufsfreiheit . . . . . . d) Neuere Rechtsprechung des 1. Senats: „Teilhaberecht nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ . . . . . . . . . aa) „Glykolwein“ und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 21 21 24 25 26 28 29 30 30 31 33 33 35 36 36 37 39 39 40

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Inhaltsverzeichnis cc) Reichweite des Geltungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staatliche Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe – BVerfGE 34, 252 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtschreibreform – BVerfGE 98, 218 . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deregulierung I: Branntweinmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arzneimittelfestbeträge – BVerfGE 106, 275 . . . . . . . . . . . . . . e) Schwellenwerte Vergaberecht – BVerfGE 116, 135 . . . . . . . . . aa) Rechtlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Argumentationsgang des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kappungsgrenze bei Rechtsanwaltsvergütungen – BVerfGE 118, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offenlassen bzw. partielle Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge . . . . . . . a) Deregulierung II: Binnenschiffsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anhebung der Versicherungspflichtgrenze – BVerfGK 2, 283 c) Ökosteuer – BVerfGE 110, 274 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung von Biokraftstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Volle Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbindung in staatliche Leistungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fernmeldemonopol – BVerfGE 46, 120 . . . . . . . . . . . . . bb) Aufnahme in den Landeskrankenhausplan – BVerfGE 82, 209 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestellung von öffentlichen Sachverständigen – BVerfGE 86, 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vertragsarztprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . b) Rückkoppelung an eigenes Wettbewerbsverhalten . . . . . . . . . . aa) Tariftreueerklärung, BVerfGE 116, 202 . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtraucherschutzgesetze der Länder, BVerfGE 121, 317 (1) Rechtlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Argumentationsgang des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufnahme in die Liste der Zollflughäfen . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Stand der dogmatischen Aufarbeitung in der Literatur . . . . . . . . . .

43 45 46 48 49 51 53 55 55 57 59 62 64 64 65 66 68 71 71 72 73 75 77 80 80 81 83 83 84 85 88 90 90

Inhaltsverzeichnis 1. Typische Fallgruppen und ihre Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Konkurrenzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subventionierung von Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Warnungen und Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rekurs auf den Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verwobenheit von Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . b) Wettbewerbsfreiheit als reine Chancengleichheit . . . . . . . . . . . c) Die Wettbewerbsverzerrung als ungeklärtes Phänomen . . . . . . d) Überforderung der Gleichheitsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansätze einer Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung: unzureichende dogmatische Aufarbeitungsdichte auch in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 91 92 95 97 98 98 100 101 102 105 106 108

IV. Die Konzeption Bäckers: Kein Schutz gegen, sondern nur innerhalb der einfach-rechtlichen Wirtschaftsordnungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Freiheit des Wettbewerbsverhaltens – Freiheit im Sozialen . . . . . . . 2. Die Freiheit im Sozialen als normgeprägtes Grundrecht . . . . . . . . . a) Gegenstand der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschriebene Strukturnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ungeschriebene Strukturnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Regulierungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Konzeption Bäckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchführbarkeit der Qualifikation von Wirtschaftsordnungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kommunalwirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragsarztprivileg & Personenbeförderung . . . . . . . . . b) Konsequenzen der Unterscheidung im Einzelfall . . . . . . . . . . . c) Dogmatische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 110 110 110 111 112 113 114 114 114 115 117 119

B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsdogmatische Schlüsselfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I.

Ausgangspunkt: Grundrechte als „Freiheitsrechte“ . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Sonderfall „Normprägung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Institute des einfachen Rechts als Schutzgut der Grundrechte? . . . . a) Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Schutzgut der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lückenhafter Schutz der Wettbewerbsfreiheit: Das einfache Recht als notwendiges Ersatzschutzgut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10

Inhaltsverzeichnis 2. Normative Prägung der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Einfallstore einer normativen Prägung . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Realbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die unsichtbare Hand des Marktes und das Coase-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lehren aus dem Coase-Theorem: Property-Rights-, Transaktionskosten- und Agency-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs zur Dialektik von Effizienz und Wettbewerbsfreiheit: Der „more economic approach“ der EG-Kommission als Zankapfel zwischen Juristen und Ökonomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normprägung des Schutzbereichs und Bindungsparadoxon . . . . . . . 4. Zusammenfassung: Keine Sonderstellung der „normgeprägten“ Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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141

III. Die Freiheit als zentraler Baustein der Grundrechtsdogmatik . . . . . . . .

142

1. Die Freiheitsbegriffe der Grundrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . a) MacCallum’sche Freiheitsstruktur als methodische Grundlage b) Freiheitsträger: Grundrechte als Individualrechte und Absage an Kollektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiheitsgegenstand: natürliche Freiheit, rechtsgeprägte Freiheit, positive Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Freiheitshindernisse und ihre Überwindung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Qualität der Einwirkung: rechtliche und faktische Freiheit bb) Qualität der Überwindung: negative und reale, wirkliche Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Mitwirkung Dritter als Strukturproblem . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgrenzung der Mitwirkung Dritter aus dem Freiheitsbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Abwesenheit Dritter als Freiheitshindernis? . . . . . . cc) Die Mitwirkung Dritter als Teil des Freiheitsgegenstand (1) Orientierung am Selbstverständnis des Freiheitsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beispiele aus der Literatur: Freiheit als Interaktion (Suhr) bzw. aus einer überindividuellen Perspektive (Scholz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis von Freiheit als Schutzgut und Grundrecht als rechtliche Gewährleistung: Normativer Entscheid des Einzelgrundrechtes bei gleichzeitiger „horizontaler“ Freiheitsaktualisierung . . . . . . . . . . . . a) Grundrechte als vertikale Gewährleistung horizontaler Grundrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Die Abgrenzung von Grundrechtsinhalt und Grundrechtsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtsauslegung und Gemeinschaftsbezug: Grundrechtstheorien und Menschenbild des Grundgesetzes als grundrechtsübergreifende Interpretationshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtstheorien und Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liberal-rechtstaatliche Grundrechtstheorie . . . . . . . . . . . bb) Institutionelle Grundrechtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Werttheorie der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) (Demokratisch-)Funktionale Grundrechtstheorie . . . . . . ee) Sozialstaatliche Grundrechtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . b) Menschenwürde und -bild des Grundgesetzes als Auslegungsdirektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Menschenwürde und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Menschenwürde und Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Gemeinschaftsbezogenheit der Individuen und ihre Ausprägung in anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Religionsfreiheit, Art. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit, Art. 9 GG . . . . . . e) Erweiterung auf juristische Personen, Art. 19 Abs. 3 GG . . . . 5. Zusammenfassung: Der Mensch als soziales Wesen und die Rezeption seiner Umweltbezüge im Freiheitsbegriff der Grundrechte . . . . . . . IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche Freiheit unter Einbezug des sozialen und wirtschaftlichen Kontextes der Grundrechtsausübung . . . . . . . . . . . 1. Freiheit im Wettbewerb als partnerschaftliche Interaktion, die auf die Integrität des wirtschaftlichen Kontextes angewiesen ist . . . . . . . . . 2. Nebenfolgen eines kontextualen Verständnisses unter Einbezug der Erfolgschancen im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtlicher Normbestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Spezieller Normbestandsschutz der Eigentumsgarantie . bb) Allgemeine Normbestandsschutzlehren . . . . . . . . . . . . . . cc) Normbestandsschutz in der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . b) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes durch Schutz des Wettbewerbsgefüges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Einwände gegen die hier vertretene Konzeption . . . . . . . . a) „Kollektivistisches Denken“, das den Individualbezug der Grundrechte sprengt – Grundrechte als Selbstbestimmungsschutz . .

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Inhaltsverzeichnis b) Zurechnungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Staatliche Lähmung durch Einbezug von „Grundrechtsvoraussetzungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Schutz vor Wettbewerb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

208

Die unmittelbare Berufsausübungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208

1. Bedeutung (-verlust) der Formel innerhalb der Eingriffsprüfung . . . 2. Beurteilung der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enges wörtliches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finales Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kausales Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weite tatbestandliche Anknüpfung an berufsmäßige Ausübung 3. Zusammenfassung und Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208 210 210 211 212 213 215

II. Die Berufsbezogenheit und objektive berufsregelnde Tendenz . . . . . . . .

216

1. Finanzielle Belastungen der Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuerlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Geldleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsträger als Adressat von Nichtgeldleistungspflichten . . . a) Berufsunspezifische gesetzliche Anknüpfung als Indiz für fehlende (und für notwendig gehaltene) Finalität . . . . . . . . . . . . . b) Ausreichen einer typischerweise beruflichen Betroffenheit . . . 3. Dritte als Adressaten rechtlicher Ver- oder Gebote . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausgestaltende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gebührenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Privatrechtliche Interessenskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen nichtrechtsförmiger Beeinträchtigungsakte . . . . . . . . . . .

217 217 219 222 223 225

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4.

Das funktionale Äquivalent als neue Eingriffsfigur . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zur „berufsregelnden Tendenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das „funktionale Äquivalent“ in der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225 226 228 229 230 230 232 232 233 233 234 235 237

IV. Leistungsfähigkeit der tradierten Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

Inhaltsverzeichnis

V.

13

2. Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zur allgemeinen Wirtschaftsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezielles Eingriffskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kombinationslösung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zurechnungskriterien des Zivil- und Strafrechts . . . . . . . (1) Schutzzwecklehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gefahrschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung: Grundsätzliche Tauglichkeit der tradierten Eingriffsfigur der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256

Problematische und umstrittene Fälle der Eingriffsdogmatik . . . . . . . . .

256

1. Die Untauglichkeit der „mittelbaren“ und „faktischen“ Eingriffe als umschreibende Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mittelbare und faktische Eingriffe als Sammelbezeichnungen b) Mittelbare und faktische Eingriffe als Einzelkriterien . . . . . . . 2. Analyse nach Beeinträchtigungsakt und -wirkung . . . . . . . . . . . . . . a) Unproblematische Beeinträchtigungsakte: der sog. „klassische Eingriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unproblematische Einwirkungsgegenstände: Rechtliche und natürliche Handlungsfähigkeit in Abgrenzung zur Einwirkung auf den Willensentschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verknüpfung von Maßnahme und Wirkung: (Fehlende) Regelungsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbleibende Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 242 244 246 247 248 251 252 253 254

257 257 259 260 260

263 266 267

VI. Die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Einwirkungen auf den konkreten Interaktionspartner . . . . . . . . . . . . a) Adressatenstellung trotz Drittadressierung? . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwirkung auf Dritte als eigene Grundrechtsverletzung . . . . c) Abstrakte und konkrete Einwirkungen auf den Interaktionspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwirkungen auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . 3. Einwirkungen auf das soziale Zusammenleben . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beispiele der Regelung des sozialen Zusammenlebens . . . . . . . . . . a) Rechtschreibreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtraucherschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270 270 271 273 274 275 277 277 278

14

Inhaltsverzeichnis

D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . .

280

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

Einleitung und Gang der Untersuchung „Der Markt hat es gegeben, der Markt hat es genommen“ – so lässt sich in Anlehnung an ein biblisches Zitat ein weit verbreitetes Verständnis der Wettbewerbsfreiheit auf den Punkt bringen, wenn es darum geht, die Reichweite des Grundrechtsschutzes gegenüber Nachteilen zu bestimmen, die über den Markt bzw. die Marktteilnehmer vermittelt sind. Wer sich am Markt nicht durchsetzen kann, der scheitert nicht am Staat, sondern an der Konkurrenz. Und vor Konkurrenz kann die Wettbewerbsfreiheit nicht schützen, ist sie doch der Inbegriff der wechselseitigen Freiheitsausübung aller Marktteilnehmer. Sekundiert wird dieses Verständnis von den Wirtschaftswissenschaften und ihrem Bestreben nach dem Zustand der möglichst vollkommenen Marktkonkurrenz, um die Verteilungsfunktion des Marktes bestmöglich auszuschöpfen. Besteht also kein Schutz vor „mittelbaren“ Nachteilen infolge des Fernbleibens von Kunden, die der Staat aber doch in irgendeiner Weise durch seine Ingerenz auf das Wettbewerbsgefüge ausgelöst hat? Ganz so leicht kann es sich der Staat angesichts seiner Bindung aus Art. 1 Abs. 3 GG natürlich nicht machen. Wie jedoch der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG mit Nachteilen umzugehen hat, die sich der klaren Einordnung als Berufsausübungsregelung entziehen, ist seit jeher umstritten. Nicht zuletzt das BVerfG war in vielerlei Hinsicht aufgefordert, die mit dem Apotheken-Urteil gelegten Grundlagen an neue Gefährdungslagen anzupassen. Waren es zunächst noch Reaktionen auf neue Eingriffsphänomene, wie sie durch die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand oder die zunehmend als grundrechtsrelevant erkannte Leistungsverwaltung hervorgerufen wurden, so hat das BVerfG in den letzten Jahren in seiner Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG in Folge seiner „Glykol-Rechtsprechung“ einen noch grundsätzlicheren Schritt vollzogen und zu einer restriktiven Interpretation des Schutzbereichs der Berufsfreiheit angesetzt. Unbeschadet aller Weiterentwicklungen dockt aber auch der heutige Stand der Dogmatik letztlich immer noch an der Apotheken-Entscheidung an. Punktuelle Reaktionen und Anbauten bringen aber immer die Gefahr mit sich, dass jahrzehntelang angehäufter Ballast die anfangs noch klaren Kernaussagen verdeckt und eine ergebnisorientierte Einzelfallbetrachtung provoziert, die sich aus dem reichen Fundus der Rechtsprechung bedient und dabei die jeweils erwünschten Obersätze zu Tage fördert. Gegenstand dieser Arbeit soll es daher sein, die Wettbewerbsfreiheit in grundrechtsdogmatischer Hinsicht mit einer neuen Akzentuierung zu versehen, die sich auf den Freiheitsgegenstand der Grundrechte im Allgemeinen und der Berufsfreiheit im Besonderen besinnt.

16

Einleitung

Die Untersuchung wird dabei wie folgt vorgehen: Nach einer schlaglichtartigen Darstellung der herkömmlichen Schutzgehalte der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 GG soll anhand einer Analyse der Rechtsprechung des BVerfG gezeigt werden, in welchem ganz unterschiedlichen Maße das BVerfG staatliche Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit mit einbezogen hat. Daran schließt sich die Darstellung der Lösungsvorschläge an, die Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge entweder fallgruppenartig in Art. 12 Abs. 1 GG behandeln oder als Gleichheitsproblem einstufen wollen. Dem folgt die Darstellung der Arbeit Bäckers, der eine dualistische Konzeption der Wettbewerbsfreiheit vertritt und dabei eine „Freiheit im Sozialen“ postuliert. Im zweiten Teil der Arbeit soll zunächst versucht werden, die zentrale Bedeutung der Freiheit als Schutzgegenstand der Grundrechte für die zu behandelnde Problematik herauszuarbeiten, wobei auch kurz auf die Kategorie der normgeprägten Grundrechte einzugehen ist. In einem zweiten Schritt soll gezeigt werden, dass der Freiheitsbegriff der Wettbewerbsfreiheit weiter zu fassen ist, als das herkömmlicherweise der Fall ist, um das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit zutreffend zu erfassen. Die Wettbewerbsfreiheit stellt sich nach der hier vertretenen Ansicht als natürliche Freiheit dar, die in ihrem kontextualen Bezug verstanden werden muss. Die Anreicherung der grundrechtlichen Freiheit mit ihrem Kontextbezug wird anschließend aus mehreren Blickwinkeln auf seine Grundrechtskonformität überprüft. Dem folgt eine Darstellung der harmonisierenden Nebenfolgen wie auch möglicher Kritikpunkte eines kontextualen Verständnisses der Wettbewerbsfreiheit. Der dritte Teil der Arbeit will die gewonnenen Erkenntnisse des zweiten Teils in die Eingriffsprüfung übertragen. Zunächst sollen eine Abschichtung und kritische Beurteilung der verschiedenen Fallkonstellationen erfolgen, die das BVerfG der Formel der „berufsregelnden Tendenz“ und neuerdings der „funktionalen Äquivalenz“ überantwortet. Danach soll die tradierte Argumentationsfigur gegen kritische Stimmen verteidigt werden. Die verbleibenden problematischen Fälle werden schließlich unter Berücksichtigung eines kontextualen Freiheitsverständnisses einer Lösung zugeführt.

A. Die Wettbewerbsfreiheit und ihre Beeinträchtigung durch staatliche Ingerenz in das Wettbewerbsgefüge nach heutiger Dogmatik I. Die Wettbewerbsfreiheit und ihre Verankerung im Grundgesetz Die „Wettbewerbsfreiheit“ ist im Grundrechtskatalog nicht ausdrücklich genannt. Die Grundrechte sind nicht in erster Linie wirtschaftliche Freiheiten, wie man es aus den Grundfreiheiten des EGV gewohnt ist. Dementsprechend sprach das BVerfG lange Zeit nicht von der Wettbewerbsfreiheit, sondern untersuchte, ob gewisse Ausprägungen der wirtschaftlichen Betätigung, die als solche von Art. 2, 12 oder 14 GG geschützt waren, durch staatliche Maßnahmen beeinträchtigt wurden. Der Begriff der „Wettbewerbsfreiheit“ dient dabei als deskriptiver Sammelbegriff 1 der verschiedensten Betätigungen, denen in erster Linie gemeinsam ist, dass sie nicht die Person des Arbeitnehmers oder Verbrauchers betreffen, sondern Selbstständige und über Art. 19 Abs. 3 GG auch Unternehmen in Privatrechtsform, die miteinander im Wettbewerb stehen. 2 Eine weitere Eingrenzung ist mit dem Begriff nicht verbunden. Dementsprechend existiert auch keine juristische Definition der Wettbewerbsfreiheit, unter die subsumiert werden könnte, da kein Grundrecht tatbestandlich an speziell die „unternehmerische“ Tätigkeit im Wettbewerb anknüpft. Es muss vielmehr für jede Erscheinungsform einer Wettbewerbshandlung geprüft werden, ob sie in den Schutzbereich der sog. Wirtschaftsgrundrechte (Art. 2, 12, 14 GG) fällt. Kennzeichnend für die Wettbewerbsfreiheit in Abgrenzung zum Oberbegriff der Berufsfreiheit ist, dass sie den Blick auf den sozialen Zusammenhang des Wettbewerbshandelns lenken soll. Im Folgenden wird daher häufig von sozialen Rahmenbedingungen bzw. sozialem Ordnungsgefüge die Rede sein. Mit dieser Formulierung soll im weitest möglichen Sinn der über das Individuum hinausreichende Kontext der Grundrechtsausübung beschrieben 1

Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 71. Als „Schutzgut“ bezeichnet sie allerdings Lindner, DÖV 2003, 185 (191), der sie aber dogmatisch für entbehrlich hält. 2 So die Formulierung in BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 105, 252 (265).

18

A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

werden, der rechtlicher, wirtschaftlicher, kultureller, gesellschaftlicher oder (im engeren Sinne) sozialer Art sein kann. Das Attribut „sozial“ fungiert dabei nur als Gegenbegriff zu einer Betrachtung, die das Individuum als „asoziales“ Wesen ohne Einbindung in ein rechtliches wie tatsächliches Beziehungsgeflecht versteht. Sofern dies aus dem Text nicht ausdrücklich anders hervorgeht, wird der Begriff also nicht im politischen Sinne verwendet, um etwa auf reale Mangellagen hinzuweisen.

Demgegenüber verwendet Bäcker den Begriff der Wettbewerbsfreiheit als spezielle grundrechtliche Einzelgewährleistung, die Teil der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsfreiheit in Art. 12 GG ist, ähnlich den Fortentwicklungen, die Art. 2 Abs. 1 GG mit der Anerkennung unbenannter Grundrechte (Innominatfreiheiten) der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts erfahren hat. Unter der Wettbewerbsfreiheit soll die grundrechtliche Gewährleistung verstanden werden, die dem Einzelnen das Recht gibt, die bestehende Rechtsordnung gegen staatliche Ingerenz zu verteidigen. 3 Davon will Bäcker die individuelle Selbstbestimmung des einzelnen Unternehmers im Wettbewerb trennen, die Bäcker als Freiheit des Wettbewerbsverhaltens bezeichnet. 4 Die Unterschiede sind insoweit nur terminologischer Natur, auf die Konzeption Bäckers wird an späterer Stelle noch eingegangen. 5 Im Gegensatz zur Arbeit Tsiliotis 6 soll hier auch nicht versucht werden, vollumfänglich das Schutznetz abzubilden und zu untersuchen, das durch die wirtschaftsbezogenen Grundrechte für das Verhalten im Wettbewerb oder die Wettbewerber aufgespannt wird. Die hier zu hinterfragenden grundrechtsdogmatischen Entwicklungen erfordern in erster Linie eine Analyse der Berufsfreiheit. Die Eigentumsgarantie wird dagegen nur in einzelnen Streitfragen und punktuell dort behandelt, wo es für die Abgrenzung und Ziehung von Parallelen notwendig ist. Zu Beginn der Arbeit soll zunächst einmal die Konzeption der Wirtschaftsgrundrechte (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) skizziert werden, wie sie herkömmlicherweise in Literatur und Rechtsprechung behandelt werden.

3

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 81. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 81. 5 Unten A.IV., S. 108 ff. 6 Tsiliotis, Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen, 2000. 4

I. Die Verankerung im Grundgesetz

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1. Schutz der wirtschaftlichen Betätigung durch Art. 14 GG a) Allgemeine Bedeutung und Struktur der Eigentumsgarantie Die Regelung der Eigentumsverhältnisse und der Garantie des Eigentums zählt zu den konstituierenden Strukturprinzipien jeder Gesellschaft. Bereits Locke zählte die Garantie des Eigentums zu den grundlegendsten Staatsaufgaben, derentwegen sich Menschen zu einem Staat zusammenschließen. 7 Indem die Verfassung Freiheit und Eigentum gewährleiste, eröffne sie Bürgern die Chance, das eigene Wohl und das ihrer Familien zu mehren, Unabhängigkeit vom Staat sowie Anerkennung und politisches Selbstbewusstsein für sich zu erringen. 8 Häufig wird auch die Verknüpfung von Freiheit und Eigentum betont: Eigentum sei die notwendige und unverzichtbare Ergänzung der grundrechtlichen Freiheit. 9 Plakativ drückt dieses Zusammenspiel Isensee aus: „der Erwerb von Eigentum sei das Ziel, das Haben die Grundlage, die Nutzung der Inhalt.“ 10 Damit wird die personale Komponente der Eigentumsgarantie deutlich, die das BVerfG in der Formulierung zum Ausdruck bringt, „Art. 14 GG schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“. 11 Dieser über die reine Zweck-MittelBeziehung hinausgehende Bedeutungsinhalt hat ebenfalls schon philosophische Vorgänger. 12 Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die personale Komponente der Eigentumsgarantie umso mehr in den Hintergrund rückt, als sich juristische Personen des Privatrechts auf ihre Gewährleistung berufen, hinter denen eine große und anonyme Anzahl von Anteilseignern stehen. Der praktischen Bedeutung der Eigentumsgarantie tut das jedoch keinen Abbruch, da die Konstitution von Eigentum von dem personalen Bezug der Rechtsposition unabhängig ist. Relativiert ist aber die Reichweite des sachlichen Schutzes, denn dem Gesetzgeber sind bei der Inhaltsbestimmung (nur) in dem Maße engere Grenzen gezogen, als es um die Funktion des Eigentums als Sicherung persönlicher Freiheit geht. 13 7

Vgl. John Locke, in: Werke, S. 412: „The great and chief end, therefore, of men’s uniting into commonwealths, and putting themselves under government, is the preservation of their property.“ 8 Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 1. 9 Leisner, in: HStR VI, § 149, Rn. 21. 10 So Isensee in seinem Vorwort zu Leisner (Hrsg.), Eigentum. Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970 – 1986. 11 BVerfGE 61, 82 (103 f). 12 Vgl. die Darstellung des Zusammenhangs von Willen und Eigentum bei Kant, Metaphysik der Sitten, in: Weischedel (Hrsg.), Werke, Bd. VIII, 1. Teil, 1. Hauptstück, § 5. 13 BVerfGE 50, 290 (340); 53, 257 (292).

20

A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

Die Eigentumsgarantie gehört zu den sog. normgeprägten Grundrechten, der Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung als subjektives Abwehrrecht wird also durch die einfachen Gesetze bestimmt. Formend sind dabei nicht alleine die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, der Inhalt der Eigentümerstellung wird vielmehr durch eine Zusammenschau aller geltenden privatrechtlichen wie öffentlich-rechtlichen Vorschriften gezogen. Umstritten ist dagegen das genaue Schutzgut der Eigentumsgarantie: Während die wohl h.M. Art. 14 GG als verfassungsrechtliche Transformationsnorm ansieht, die den einfachrechtlichen Bestand des Eigentums in den Rang der Verfassung erhebt, versucht eine Gegenmeinung, einen spezifisch verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zu entwickeln, an dem Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 14 GG gemessen werden. 14 Beide Ansichten können Passagen des BVerfG für sich in Anspruch nehmen. Denn das BVerfG betont einerseits die Maßgeblichkeit des einfachen Rechts, wenn es ausspricht, die Befugnisse des Eigentümers ergäben sich aus allen in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften; habe er eine bestimmte Befugnis nicht, so gehöre sie nicht zu seinem Eigentumsrecht. 15 Andererseits hat das BVerfG zugleich immer hervorgehoben, der Gesetzgeber sei in seiner (Neu-) Gestaltung des Eigentums nicht frei, sondern an das Privateigentum als Rechtsinstitut gebunden, das durch die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers gekennzeichnet sei. 16 Es hat damit doch einen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff entwickelt, dem das einfache Recht genügen muss, soll es auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht als Eigentum qualifiziert werden. Diese „Grundpfeiler“ des verfassungsrechtlichen Eigentums haben dabei eine Doppelbedeutung. Denn das BVerfG nützt sie nicht nur als Prüfungsmaßstab, um die Erstarkung einer Rechtsposition zu „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG zu prüfen. Es sieht in diesen Kriterien auch die Grenzen einer gesetzlichen Abänderung. Einmal geschaffene Rechtspositionen können nicht mehr schrittweise durch umkehrende Ausgestaltung bis zur Unkenntlichkeit zurückgefahren werden. Der Staat muss dann zum Mittel Enteignung greifen. Unbeschadet der dogmatischen Unterschiede in der Bestimmung des Schutzgutes ist der Gesetzgeber zu Eingriffen befugt. Seit der wegweisenden Naßauskiesungsentscheidung 17 des BVerfG wird dabei in rein formaler Weise zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung unterschieden, die ein bis dahin für möglich gehaltenes Umschwanken der Inhaltsbestimmung in eine Enteignung ab einer gewissen Intensität der Beeinträchtigung unmöglich macht. 18 Der Gesetzgeber 14

Ausführlich dazu Cornils, Ausgestaltung, S. 249 ff. m.w. N. BVerfGE 58, 300 (336). 16 BVerfGE 31, 229 (240). 17 BVerfGE 58, 300 ff.; vgl. die erste Besprechung von Baur, NJW 1982, 1734: „Es besteht der Eindruck, dass das BVerfG mit den beiden hier hauptsächlich erörterten Entscheidungen Neuland beschritten hat.“ 15

I. Die Verankerung im Grundgesetz

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ist nun im Wege der Ausgestaltung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gehalten, beiden Vorgaben Rechnung zu tragen, also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Belangen der Gemeinschaft und den Individualinteressen des Eigentümers zu finden. 19 Die Ausgestaltung muss sich demgemäß am Wohl der Allgemeinheit orientieren, das nach einer griffigen Formel des BVerfG sowohl Grund als auch Grenze der Beschränkung des Privateigentums ist. 20 Kriterien bei der Bestimmung eines ausgewogenen Ausgleichs sind dabei die Eigenart des vermögenswerten Rechts, 21 zu der bei Grundstücken die so genannte „Situationsgebundenheit“, 22 bei Immaterialgüterrechten (nicht nur, aber in besonderem Maße) der „soziale Bezug“ 23 gerechnet werden darf. Für den Eigentümer streitet dagegen das Ausmaß, in dem das Recht zur Sicherung der persönlichen Freiheit beiträgt; dort genießt es besonders ausgeprägten Schutz. 24 Die Belastungen des Eigentümers müssen schließlich auch zumutbar sein; die Prüfungsdichte des BVerfG ist hier allerdings sehr variabel, wenn es in einem Falle die Abgabe eines Pflichtexemplars für unzumutbar hält, 25 im anderen Fall aber die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers bis hin zum Verkehrswert nicht beanstandet. 26 b) Die Bedeutung der Eigentumsgarantie für die Wettbewerbsfreiheit Für die Betätigung im wirtschaftlichen Wettbewerb ist die Eigentumsgarantie von vielfacher Bedeutung. Hoheitliches Handeln kann die Nutzung des Eigentums rechtlich oder faktisch beeinträchtigen, den Bestand bzw. die Substanz schädigen oder sich auf den Wert des Eigentums auswirken. aa) Schutz des Bestandes Mit wenig Kontroversen ist der Schutz des Bestandes von Eigentumsrechten verbunden, soweit er für die unternehmerische Betätigung von Bedeutung 18 So die bis dahin ergangene Rechtsprechung des BGH („Sonderopfer“, vgl. nur etwa den Vorlagebeschluss in NJW 1978, 2290 ff. und BGHZ 60, 126 (131); 63, 240 (244)) und des BVerwG („Schweretheorie“ – BVerwGE 3, 335 (337); 4, 120 (122 f.); 4, 57 (60); 5, 143 (145); 15, 1 (2); 26, 111 (119 f.)). 19 BVerfGE 25, 112 (118); 95, 64 (84). 20 BVerfGE 100, 226 (241). 21 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 88. 22 Vgl. BGHZ 105, 15 (18) m.w. N. 23 Speziell zu Immaterialgüterrechten BVerfGE 31, 229 (241); 36, 281 (292); allgemein BVerfGE 50, 290 (340); 95, 64 (84); 101, 54 (76). 24 BVerfGE 14, 288 (293); 24, 263 (293); 42, 64 (77); 50, 290 (340). 25 BVerfGE 58, 137 (149 f.). 26 BVerfGE 102, 1 (17 ff.).

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

ist. Der Bestand kann durch körperliche oder unkörperliche Einwirkung beeinträchtigt werden, also durch faktische wie rechtliche Einwirkungen ganz oder teilweise zerstört bzw. entzogen werden. Wird in den Bestand bzw. die Substanz des Eigentums eingegriffen, ist das in rechtlicher Hinsicht fast nur durch Enteignung denkbar. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung muss zumindest den Kern des Rechts unangetastet lassen. Sind dagegen nur einzelne Aspekte oder Ausformungen bzw. die Reichweite des Rechts beschränkt, dann wird der Gegenstand des Rechts nicht derart grundlegend verändert, dass von einem Eingriff in den Bestand gesprochen werden kann. Gegenstand des Bestandsschutzes können dingliche materielle Rechte (Grundeigentum, sonstiges Sacheigentum), dingliche immaterielle Rechte 27 (Geistiges Eigentum) und auch obligatorische, dem Eigentümer wie Sacheigentum zugeordnete 28 Rechte wie Forderungen 29 sein. In faktischer Hinsicht können dem Staat zuzurechnende Immissionen abwehrrechtlich relevante Substanzschäden des Eigentums verursachen. Derartige staatliche Einwirkungen sollen aber nicht schon deswegen vorliegen, weil Private diese Immissionen in eigener Verantwortung, aber mit Genehmigung des Staates bewirken und deshalb von dem Eigentümer zu dulden sind. 30 Von Bedeutung für die wirtschaftliche Betätigung kann ferner die Frage sein, wann subjektive öffentliche Rechte eines Unternehmens vorliegen, vor deren Entzug (z. B. im Wege des §§ 48, 49 VwVfG) das Unternehmen durch Art. 14 GG geschützt ist. Die Besonderheit der Rechtstellung, die beispielsweise durch eine wasserrechtliche Genehmigung oder eine Zulassung eines Taxiunternehmens begründet wird, liegt darin, dass diese Rechtspositionen nicht schon bereits Gegenstand der durch Art. 14 GG geschützten Nutzung des Grundeigentums oder der Taxiwägen begründet ist, da das Recht zur dieser bestimmten Nutzung nicht zum Inhalt der Rechtsposition zählte. 31 Nicht zu den subjektiv-öffentlichen Rechten in diesem Sinne gehört dagegen die Rechtsstellung, die durch eine bau-, berg- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung begründet wurde. Denn das Recht zur Nutzung erfolgt hier bereits aus dem Grundeigentum, da in diesen Fällen die Nutzung noch nicht soweit vom Grundeigentum abgespalten ist, dass deren Garantie nicht mehr greifen würde. 32 Die Genehmigungen stellen

27

Vgl. dazu Grzeszick, ZUM 2007, 344 m.w. N. Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 152. 29 BVerfGE 45, 142 (179); 68, 193 (222). 30 Vgl. dazu nur Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 167 ff m.w.N. gegen den abwehrrechtlichen Ansatz von Schwabe, Murswiek u. a., vgl. Fn. 423, unten S. 206. 31 Vgl. die Nassauskiesungsentscheidung des BVerfGE 58, 300 (335): Das Grundeigentum ist bereits mit der öffentlich-rechtlichen Begrenzung durch das WHG belastet, die Rechte des Eigentümers ergeben sich aus der Gesamtschau der die Rechtstellung des Eigentümers regelnden Normen. 32 Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 131. 28

I. Die Verankerung im Grundgesetz

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insoweit nur fest, dass die Grenzen des Sacheigentums durch die Nutzung noch nicht überschritten worden sind. Bisweilen wird die Relevanz der Frage bestritten, weil zumindest die gewerbsmäßige Nutzung dieser Erlaubnis schwerpunktmäßig Art. 12 GG zuzuordnen sei und damit nur Fälle verblieben, in der die Erlaubnis ausnahmsweise veräußerlich sei. 33 Dieser Einwand ist zum einen nur dann zutreffend, wenn man eine simultane Betroffenheit beider Grundrechte für unmöglich hält. 34 Die Beantwortung der Frage lässt sich dadurch ebenfalls nicht umgehen, zumal beide Grundrechte nicht immer denselben Schranken unterliegen. Das BVerfG hat nach anfänglicher Skepsis 35 zumindest für öffentlich-rechtliche Positionen, die auf eigener Leistung beruhen, den Schutzbereich behutsam weiterentwickelt und dabei entscheidend auf die Funktion des Eigentums abgestellt, das dem Zweck der Sicherung persönlicher Entfaltungsmöglichkeiten und dem Schutz vor materiellen Risiken dienen soll. 36 Als Schutz des staatlichen Gestaltungsfreiraums vor einer überbordenden Gewährleistung hat es zur Eingrenzung das Kriterium der Eigenleistung hervorgehoben, denn nur dann könne der Berechtigte davon ausgehen, dass es sich um eine ihm ausschließlich zustehende Rechtsposition handele. 37 Damit hat das BVerfG den Bogen zum Sacheigentum und dessen Ausschließlichkeitsfunktion bzw. der Privatnützigkeit geschlagen. Die zentrale Unterscheidung zwischen der Fürsorge und der eigenen Leistung als Gewährungsgrund öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen im Sozialversicherungsrecht gibt jedoch für öffentlich-rechtliche Erlaubnisse nichts her, wenn man es als Gegensatzpaar begreift, da Erlaubnisse niemals nur aus „Fürsorge“ erteilt werden. Das BVerfG hat bislang offen gelassen, ob öffentlich-rechtliche Erlaubnisse der Eigentumsgarantie unterfallen. 38 Nach Starck 39 soll das eigentumsrechtliche Vermögensrecht nicht in der „nackten“ öffentlich-rechtlichen Erlaubnis liegen, sondern wird erst aufgrund der öffentlich-rechtlichen Berechtigung von dem Freiberufler bzw. Unternehmer durch eigene Leistung erworben. Hier bleibt offen, ob die Berechtigung mit dem derart Erworbenen untrennbar verbunden ist. Depenheuer 40 zieht daraus den noch weitergehenden Schluss, dass nur das aufgrund der Zulassung durch den Berechtigten Aufgebaute (z. B. die Praxis) Gegenstand des Eigentumsschut33

Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 64. Dazu sogleich unter A. I. 1. c), S. 28. 35 BVerfGE 1, 264 (278). 36 Vgl. Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 69: „Funktionalisierung des Eigentumsbegriffs“; Stolleis, in: Eigentumsschutz, S. 17 ff. 37 BVerfGE 69, 272 (301). 38 BVerfGE 13, 232 (247). 39 Starck, in: FS Laufke, S. 296. 40 Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 172. 34

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zes sei; erlösche die Zulassung aufgrund von Zeitablauf oder Widerruf, könne dagegen der Eigentumsschutz nicht mobilisiert werden. Daran ist sicher richtig, dass eine befristete oder bedingte Zulassung von vornherein keine dauerhafte ausschließliche Zuordnung des Nutzungsrechts bewirken konnte. Ist das aber nicht so oder stellt man die Frage, ob die Erlaubnis wenigstens während ihrer Laufzeit in den Schutz des Art. 14 GG miteinbezogen werden soll, dann lässt sich die Trennung von Erlaubnis und dem durch die Erlaubnis Aufgebauten nicht immer durchhalten. Wenn man auch hier die Eigenleistung der Berechtigten hinsichtlich des Aufgebauten, die existenzsichernde Wirkung der Erlaubnis und die Angewiesenheit des Aufgebauten auf die Erlaubnis berücksichtigt, dann bestehen wertungsmäßig keine Unterschiede zu den Sozialversicherungsansprüchen, die Art. 14 GG zugeordnet werden. Ob durch Eigenleistung ein Sozialversicherungsanspruch begründet oder durch Eigenleistung eine werthaltige Erlaubnis geschaffen wurde, ist dann von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend kann nur sein, dass Eigenleistung und subjektiv-öffentliches Recht funktional aufeinander bezogen sind. bb) Schutz der Nutzung Beeinträchtigungen des verfassungsrechtlichen Eigentums sind schließlich durch die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten denkbar, denn die Privatnützigkeit des Eigentums in Form der ausschließlichen Herrschafts- und Verfügungsbefugnisse stellt ein konstituierendes Merkmal des verfassungsrechtlichen Eigentums dar, das auch in der Regelung des § 903 BGB als „Leitbild“ des Eigentumsbegriffs zum Ausdruck kommt. Dies kann rechtlich (nur) durch eine abstrakte Grenzziehung der Nutzungsmöglichkeiten des Eigentümers erfolgen. Eine Enteignung durch konkreten Zugriff auf bestimmte mit dem Eigentum einhergehende Nutzungsmöglichkeiten ist dagegen nur schwer denkbar. Zwar kann auch die Enteignung ein Recht nur teilweise entziehen, was aber mehr die Fälle der Aufteilbarkeit des Rechts betrifft, wenn z. B. nur ein kleiner Teil eines Grundstücks herangezogen wird. An dem umfassenden Schutz der Nutzungsmöglichkeiten lassen sich Handlungsmöglichkeiten anknüpfen, die ansonsten nur über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wären. So ist die Vertragsfreiheit grundsätzlich nur Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit. Verträge über die Veräußerung oder Nutzung eines im Eigentum eines der Vertragschließenden stehenden Gegenstandes werden indes dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zugeordnet. Je weniger der Gegenstand des Vertrages mit der Nutzung des Eigentums im Zusammenhang steht, desto schwächer wird allerdings dieses verfassungsrechtliche Band. Im Fall des Rauchverbots in Gaststätten liegt der Schwerpunkt nicht in der Nutzung der ggf. im Eigentum des Gaststättenbetreibers liegenden Gaststätte, so dass insoweit kein Eingriff in Art. 14 GG vorliegt. 41 Ist die wirtschaftliche Nutzung des

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Eigentums mit Emissionen verbunden, so ist das bestehende, insbesondere durch das BImSchG vorgegebene Nutzungsniveau Inhalt der zulässigen Nutzung, so dass gegen die Verweigerung einer übermäßigen Nutzung Art. 14 GG nicht in Stellung gebracht werden kann. Zukünftige Verschärfungen des Umweltrechts, die bisherige Nutzungen erschweren oder unmöglich machen, wären dagegen wieder an Art. 14 GG zu messen. cc) Schutz des (Tausch-)Wertes In Bezug auf den (Tausch-)Wert der von der Eigentumsgarantie erfassten Güter und Rechte gewährt Art. 14 Abs. 1 GG dagegen nur schwachen Schutz. Die Garantie des Eigentums erfasst zunächst nicht das Eigentum in seiner Gesamtheit, mit anderen Worten das Vermögen. Gegenstand der grundrechtlichen Garantie ist das jeweils einzelne Recht. Auf dieser Linie liegt auch, dass die Verfassung nicht bestimmte Rechtsinstitute des Privatrechts schützt, sondern nur das individuelle Anteilsrecht; Rechtsgrundsätze des Instituts werden nur insoweit geschützt, als sie sich auf die individuelle Rechtstellung auswirken. 42 Daraus folgt, dass Belastungen aller Eigentumsrechte in ihrer Gesamtheit, wie sie typischerweise durch Steuerlasten erfolgt, nur durch Art. 2 Abs. 1 GG begrenzt ist, nicht aber durch Art. 14 GG. Sind freilich die Rückwirkungen dieses Zugriffs auf das Vermögen von solchem Gewicht, dass sie zwangsläufig das einzelne Eigentumsrecht berühren und sich auf dessen Nutzung oder Bestand auswirken müssen, kommt Art. 14 GG wieder ins Spiel. 43 Gegen dieses Verständnis lässt sich anführen, dass der personale Charakter der Eigentumsgarantie, den das BVerfG immer wieder betont, durch Belastungen des Vermögens in gleicher Weise berührt wird. Liegt die Funktion des Eigentums darin, dem Bürger die Unabhängigkeit zu sichern und ihm einen staatsfernen Raum zu ermöglichen, in dem er sein privates Wohl verfolgen kann, dann beginnt die Beeinträchtigung dieser Fähigkeit nicht erst mit der erdrosselnden Wirkung einer Steuer. 44 Zum anderen klingt in dieser Rechtsprechung wieder die Schwere-Theorie an, die mit der Naßauskiesungsentscheidung als überwunden gelten durfte. In diesem formalen Eingriffsverständnis, das außerhalb der faktischen Zerstörung nur die rechtlichen Auswirkungen auf die Eigentümerstellung berücksich41

BVerfG NJW 2008, 2409 (2410). BVerfGE 50, 290 (345): „Das schließt es aus, die Substanz des verfassungsrechtlich geschützten Anteilseigentums in über den Schutz des individuellen Anteilsrechts hinausgehenden Funktionen zu erblicken.“ 43 BVerfGE 30, 250 (272 f.); dazu Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 163 f.; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 165 ff. jeweils m.w. N. 44 So die Kritik der Literatur, vgl. die Nachweise in Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 165, Fn. 1. 42

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tigt, liegt auch der Grund für die Ausblendung der Wirkungen auf die Funktion des Eigentums begründet. Dementsprechend soll Art. 14 GG auch nicht vor Änderungen und Schwankungen des Wertes schützen, solange die Rechtstellung des Eigentümers nicht berührt wird. 45 Nach den Formulierungen des BVerfG 46 gilt dies wohl selbst dann, wenn der Staat den Wertverlust durch die Beeinflussung des Umfeldes gezielt herbeiführen will, da nur die Integrität des Bestandes geschützt wird. 47 Für finale hoheitliche Einwirkungen auf das wirtschaftliche Gefüge (Geschäftsbeziehungen, Kundenstamm, Marktstellung) wollen Teile der Literatur dagegen mit dem Argument eine Ausnahme zulassen, es gebe zwar keinen Schutz vor dem Markt, aber sehr wohl einen Schutz im Markt gegenüber hoheitlicher Beeinflussung. 48 Das verschiebt das Problem aber nur in Richtung des Eingriffstatbestands und wird zwar umso plausibler, je willkürlicher die Beeinflussung erfolgt; an dem eigentlichen Problem geht die Ausgrenzung finalen Handelns aber vorbei. Es ist eine grundlegendere Frage, ob und in welchen Fällen die sozialen Bezüge des Eigentums das Eigentum erst mitkonstituieren, so dass der Schutz auch hier ansetzen muss. Mit der Willensrichtung der eingreifenden öffentlichen Gewalt lässt sich diese Frage nicht lösen. dd) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Eine weitere Denkfigur zur Einbindung des wirtschaftlichen Handlungsgefüges in den Grundrechtsschutz des Art. 14 GG ist der ausgeübte und eingerichtete Gewerbebetrieb. 49 Von Beschwerdeführern wurde diese Rechtsfigur immer dann herangezogen, wenn sich die belastende Wirkung des staatlichen Handels auf zukünftige Entwicklungen bezog, die anhand der schlagwortartigen Abgrenzung 45

Differenzierend Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 161 ff.: Geschützt sei nicht nur die Sach- und Rechtsherrschaft, sondern auch der Tauschwert (unter Berufung auf Hoffmann, Währungsparität, S. 55 ff.; Suhr, Aktieneigentum, S. 19 ff.; diese Tauschwertgarantie sei der Gebrauchswertgarantie aber nicht gleichrangig. Vgl. zum grundrechtlichen Schutz des Geldwertes durch Art. 14 Abs. 1 GG Häde, WM 2008, 1717 ff. 46 BVerfGE 45, 142 (173): „Diese Chancen und Gegebenheiten sind für das Unternehmen von erheblicher, eigentumsrechtlich aber nur mittelbarer Bedeutung; sie entscheiden mit über das Risiko eines Unternehmers, seine Leistungen und Erzeugnisse rentabel abzusetzen, werden von der Rechtsordnung aber nicht dem geschützten Bestandswert des einzelnen Unternehmens zugeordnet [...]. Beruhen solche, dem Unternehmer wirtschaftlich günstige Gegebenheiten und Chancen auf einer bestimmten Rechtslage und wird diese Rechtslage zum Nachteil der wirtschaftlichen Aussichten eines Unternehmers geändert, so bedeutet das eine Neuordnung der sozialen Bedingungen, innerhalb deren der Unternehmer seine Tätigkeit ausüben kann. Vor Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist dies so lange bedenkenfrei, als dadurch der Kern des Eigentumsrechts nicht angetastet wird.“ 47 BVerfGE 105, 17 (30 f.). 48 Depenheuer, in: Danwitz u. a. (Hrsg.), Eigentum, S. 135; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 163; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 48 f.

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des BVerfG als Chancen, mithin nicht als gefestigte Rechtspositionen eingestuft werden mussten. Diese Aussichten auf künftige Gewinne oder Rechtstellungen sollten mit der Einbeziehung in das (rechtliche wie tatsächliche) Gesamtgeflecht eines Gewerbebetriebs eine Verfestigung und Vergegenständlichung erfahren, die sie anderen vermögenswerten Rechten gleichstellen sollten. Das BVerfG hat diese Argumentation nicht mitgetragen. 50 Aus der Verfassungsgewährleistung folge weder ein übergreifender Schutz ökonomisch sinnvoller und rentabler Eigentumsnutzung noch ein Schutz des Betriebsvermögens. 51 Das Unternehmen sei nur eine tatsächliche Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte, die jeweils für sich genommen schon vor Eingriffen geschützt sei. 52 Konsequent erscheint dazu schon die frühe Feststellung, nur Eingriffe in die Sachsubstanz könnten Art. 14 GG verletzen. 53 Um Schutz vor derlei Einwirkungen zu begründen, hätte es allerdings nicht der Heranziehung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs bedurft. Dessen Besonderheit besteht gerade in der Berücksichtigung der Bindungen, die nicht in ihrer „Sachsubstanz“ verletzt werden können. Kritik an der zurückhaltenden Rechtsprechung des BVerfG wurde vor allem deswegen laut, weil auch der Gewerbebetrieb Folge der eigenen Leistung sei und zur Existenzsicherung diene und damit zwei Merkmale erfülle, die für der Konstitution des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums von Bedeutung sind. Mit diesen Merkmalen ist aber nicht gesagt, ob der kontextuale Wirkungszusammenhang der einzelnen Rechte einem gesonderten Schutz unterstehen muss. Dem herrschenden Verständnis entspricht es, Wirkungszusammenhänge auszublenden und die abstrakte Rechtstellung einzelner Rechte als Gegenstand der Eigentumsgarantie zu sehen, in die auch nicht eingegriffen werden kann. Das gilt jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Gesetzgeber einzelne Rechte zu einem zusammenhängenden Rechtsbündel zusammenfasst, da ab diesem Moment aus dem Eingriff in die sozialen Zusammenhänge ein Eingriff in die Substanz dieses erst durch den Gesetzgeber zu schaffenden Rechts wird. Hier liegt auch der Grund, warum das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb trotz seiner unbestreitbaren wirtschaftlichen Funktion kein verfassungsrechtliches Eigentum darstellt: Es fehlt an eben dieser gesetzlichen Inhaltsbestimmung eines Einzelrechts, das durch den Gesetzgeber eine klare Konturierung gefunden hat. 54 Dass 49

Vgl. dazu Depenheuer, in: Danwitz u. a. (Hrsg.), Eigentum, S. 178 ff; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 95 ff.; kritisch zu dieser Figur Schmidt, Eigentumsschutz, S. 96 ff. 50 Nur in einer Entscheidung des ersten Bandes (BVerfGE 1, 264 (277)) hat es das Unternehmen in seiner Sachgesamtheit dem Sacheigentum gleichgestellt. 51 BVerfGE 77, 84 (118). 52 BVerfGE 51, 193 (221). 53 BVerfGE 13, 225 (229). 54 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 52.

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das Unternehmen gegenüber dem Wert der Einzelrechte einen „Mehrwert“ hat, ist unbestritten und offensichtlich. Eine Begründung für die Unterschutzstellung dieses Mehrwertes durch Art. 14 GG folgt daraus aber nicht. 55 Wenn dann noch betont wird, dass bloße Erwerbschancen, Verdienstmöglichkeiten, Zukunftshoffnungen und Aussichten nicht vom Eigentumsschutz erfasst seien, 56 offenbart sich der ganze Zwiespalt: Denn einen Großteil des Mehrwerts der Zusammenfassung in einem Unternehmen liegt gerade in den Erwerbsaussichten, die der unternehmerischen Gesamtheit am Markt zugemessen werden. Hier hilft auch nicht weiter, wenn als Abgrenzungskriterium vorgeschlagen wird, die Chancen müssten sich „verdichtet“ haben, da sich ohne weitere Ausfüllung des Begriffs darunter nicht subsumieren lässt. Verdichtet haben sich Erwerbsaussichten zum Beispiel dann, wenn durch die Nutzung des Unternehmens ein vorteilhafter Vertrag geschlossen worden ist. Diese vertragliche Forderung unterfällt aber wieder ganz unproblematisch dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, ohne dass dazu es einer Erweiterung des Eigentumsbegriffes bedarf. Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb hat also, verfassungsrechtlich betrachtet, im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG keinen „Mehrwert“. c) Abgrenzung zu Art. 12 GG Als schlagwortartige Abgrenzung dient in der Praxis die vom BVerfG entwickelte Formel, die Berufsfreiheit schütze den Erwerb, die Eigentumsgarantie dagegen das Erworbene. 57 Während eine frühere Entscheidung die Abgrenzung und die Möglichkeit der gleichzeitigen Betroffenheit noch offen ließ, 58 hielt das BVerfG in dieser Entscheidung die gleichzeitige Eröffnung des Schutzbereichs beider Grundrechte offenbar für nicht denkbar. 59 Dabei lag wohl die Vorstellung zugrunde, dass jedes Grundrecht einen bestimmten Lebensbereich abschließend erfassen würde. Beide Gewährleistungen sollten funktional voneinander abgegrenzt werden. Greife ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so sei der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenze er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so komme der Schutz des Art. 14 GG in Betracht. 60 Wo der Eingriff dagegen als Berufsausübungsregelung gerechtfertigt 55

Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rn. 52; a. A. Engel, AöR 118 (1993), 169 (191). Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 134, so schon BVerfGE 28, 119 (142); vgl. auch BVerfGE 105, 252 (277 f.). 57 BVerfGE 30, 292 (335) – Erdölbevorratung. 58 BVerfGE 17, 232 (244). 59 „Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Regelung der Berufsausübung auch die Eigentumsgarantie berühren kann, ist noch nicht allgemein entschieden. Sie ist grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, welche Freiheitsbereiche von beiden Grundrechten geschützt werden.“ BVerfGE 30, 292 (334 f.) – Erdölbevorratung. 56

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war, sollte auch der Schutz des Art. 14 GG nicht weiter reichen. 61 Die strenge Trennung von Art. 12 und Art. 14 GG hat das BVerfG in der Folgezeit nicht weiterverfolgt, sondern ausdrücklich festgestellt, dass zwischen beiden Grundrechten kein Exklusivitätsverhältnis besteht. 62 Dies ist nicht zuletzt deswegen angebracht, weil eine Trennung des Schutzbereichs nicht immer eindeutig ausfallen muss, wie die Diskussion um die Behandlung der Figur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zeigt. Nur folgerichtig erscheint es dann auch, die Schranken beider Grundrechte anzunähern, so dass eine zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit im Allgemeinen auch eine zulässige Inhaltsund Schrankenbestimmung darstellen wird. 63 Die schlagwortartige Abgrenzung wird grundsätzlich zur Bestimmung des Schutzbereichs ausreichen, in strittigen Fällen aber sicher nicht von der genauen Subsumtion unter den Schutzbereich beider Grundrechte befreien. 2. Schutz der wirtschaftlichen Betätigung durch Art. 12 GG In seinem Schwerpunkt wird die wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb durch die in Art. 12 GG normierte Berufsfreiheit garantiert. Das BVerfG hatte für die Dogmatik der Berufsfreiheit den Grundstein mit seinem ApothekenUrteil gelegt 64 und war in der Folgezeit in erster Linie damit beschäftigt, diese Dogmatik in seiner Umsetzung auf den Einzelfall zu verfeinern. Die traditionelle, aber zu starre 3-Stufen-Lehre hat im Wege dieser Entwicklung Stück für Stück der flexibleren Verhältnismäßigkeitsprüfung Platz gemacht. 65 In den frühen Entscheidungen des BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 GG hatte das Gericht in erster Linie über Regelungen zu befinden, die durch Verbote die Möglichkeit zur Aufnahme eines Berufs beschnitten oder bestimmte berufliche Tätigkeiten regulierten. Die Berufsfreiheit konnte hier in ihrer originären Abwehrfunktion im bipolaren Staat-Bürger-Verhältnis zur Anwendung kommen. Da der Staat mit Verboten auf die natürliche Freiheit 66 seiner Bürger zugriff, musste sich das BVerfG zunächst nicht mit der Frage beschäftigten, wie die Berufsfreiheit in die interindividuelle Interaktion der Wettbewerbsteilnehmer einzu60

BVerfGE 30, 292 (335). BVerfGE 34, 252 ff.; 41, 360 ff. 62 BVerfGE 50, 290 (361): „Art. 12 Abs. 1 GG wird durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht verdrängt.“ 63 BVerfGE 50, 290 (364); 97, 228 (265); Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 222; Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 99. 64 BVerfGE 7, 377 ff. 65 Vgl. zu diesen Entwicklungen Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 107 ff. 66 Vgl. dazu unten B.III.1.c), S. 146 ff. 61

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betten war. 67 Die zunehmende Globalisierung und Arbeitsteilung führte jedoch zu neuen Anforderungen an die Berufsfreiheit, die gerne mit der Entwicklung in Richtung eines Gewährleistungsstaates umschrieben wird. 68 Das „Andocken“ der Wettbewerbsfreiheit an die althergebrachte Prüfung der Berufsfreiheit bringt dabei besondere Schwierigkeiten mit sich, wie im Folgenden dargestellt werden soll. a) Grundlagen der Berufsfreiheit aa) Skizzierung des Schutzbereichs Art. 12 Abs. 1 GG wird seit dem Apotheken-Urteil des BVerfG als einheitliches Grundrecht verstanden, bei dem nicht mehr zwischen der Garantie des Art. 12 Abs. 1 S. 1 und S. 2 unterschieden wird. 69 Die Aufzählung in Art. 12 Abs. 1 GG dient nur der Verdeutlichung der Lebenslagen, in denen die Gewährleistung des Art. 12 GG greifen kann. Die Berufsfreiheit unterliegt aber in allen Lebenslagen und Ausprägungen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, auch wenn der Wortlaut insoweit missverständlich ist. 70 Zu Beginn der Auslegung des Schutzbereichs steht der Begriff des Berufs, um den herum der Schutzbereich entwickelt werden muss. Nach der klassischen Definition bedeutet „Beruf“ im Sinne des Art. 12 GG dabei jede auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage. 71 Auch hier wird das personale Element sichtbar, das Art. 14 und Art. 12 GG verbindet: jedem Bürger soll möglich sein, seine Existenz unabhängig von staatlichen Einflüssen eigenverantwortlich aufzubauen und zu sichern. Berufsfreiheit und 67

Dazu unten B. IV., S. 189 ff. Eine Zusammenfassung des Konzeptes gibt Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 ff. (insbesondere 504 ff.); kritisch Rixen, Sozialrecht, S. 244 m.w. N. 69 BVerfGE 7, 377 (401); vgl. Breuer, in: HStR VI, § 147, Rn. 58 m.w. N. 70 So die fast einhellige Meinung, a. A. Lücke, Berufsfreiheit, S. 68. 71 Vgl. nur Tettinger, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 29. Als potentielles restriktives Element dient häufig die „Erlaubtheit“ der Tätigkeit. Diese darf nicht als Einfallstor für einen Grundrechtsschutz nach Maßgabe des einfachen Gesetzgebers dienen, der dann den Grundrechtsschutz durch schlichte Untersagung aushebeln könnte. Zutreffender Kern der Forderung ist jedoch, dass eine Handlung nicht nur deswegen erlaubt sein kann, weil sie nunmehr beruflich ausgeübt wird. Zu ungenau wäre dagegen wiederum die Forderung, eine Handlung müsse unabhängig von ihrer beruflichen Ausübung untersagt sein. Eine damit verbundene Ausgrenzung aus dem Schutzbereich würde aber übersehen, dass eine Untersagung denjenigen härter trifft, der mit der Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Ihm gegenüber kann daher eine Untersagung unverhältnismäßig sein, die im Allgemeinen eine verhältnismäßige Beschneidung der allgemeinen Handlungsfreiheit bewirkt, vgl. etwa die Konstellation in BVerfGE 61, 291 – Tierpräparator. Nur wenn eine Unverhältnismäßigkeit ganz offenkundig in jeder denkbaren Konstellation ausscheidet, wie es etwa im Kernstrafrecht der Fall ist, lässt sich bereits an dieser Stelle der Schutzbereich der Berufsfreiheit verneinen. 68

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Eigentumsgarantie verbinden sich damit als wirksames Bollwerk der Selbstbestimmung des Individuums. Mittel der Sicherung der personalen Freiheit ist die staatliche Garantie, zum Zwecke des Handelns und Tauschens von Gütern und Dienstleistungen in Transaktionen mit Dritten eintreten zu dürfen, um so aus eigener Kraft und Machtfülle in Freiheit leben zu können. Dementsprechend schützt Art. 12 GG jedes Verhalten, das im Zusammenhang mit der derart wirtschaftlich intendierten Kontaktaufnahme mit Dritten steht, und damit auch das Verhalten der Unternehmer und Selbständigen im Wettbewerb. 72 bb) Anwendung auf juristische Personen des Privatrechts, Art. 19 Abs. 3 GG Das Schwergewicht der wirtschaftlichen Tätigkeit, jedenfalls in qualitativer Hinsicht, liegt bei der unternehmerischen Tätigkeit der juristischen Personen des Privatrechts. Die Anwendbarkeit der Grundrechte ist gem. Art. 19 Abs. 3 GG nicht auf natürliche Personen beschränkt. Je komplexer, technisierter und kapitalintensiver die Arbeitsabläufe zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen sind, desto weniger kann Wettbewerb noch durch natürliche Personen organisiert und ausgeübt werden. Auch wo das möglich wäre, sorgt der Wunsch nach Beschränkungen der Eigenhaftung für die Gründung von juristischen Personen. Die Wettbewerbsfreiheit ist damit wohl das Grundrecht, das in seiner praktischen Wirksamkeit am dringlichsten auf Art. 19 Abs. 3 GG angewiesen ist. Zu prüfen ist damit, welche „Wesensinhalte“ der Berufsfreiheit auf juristische Personen des Privatrechts 73 übertragbar sind. Das BVerfG 74 führte dazu aus: „Beruf ist nicht nur die aufgrund einer persönlichen ‚Berufung‘ ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Bei diesem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff ist das Grundrecht gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar“.

Führt man sich dagegen die Aussagen des BVerfG vor Augen, in denen es den individualrechtlich-personalen Charakter der Berufsfreiheit hervorhebt und den Bezug zur Menschenwürde sucht, können sich durchaus Zweifel hinsichtlich 72

Vgl. die Nachweise in Fn. 2. Die Grundrechtberechtigung öffentlich-rechtlicher Unternehmen soll hier nicht behandelt werden, vgl. dazu nur Dreier, in: ders., GG, Art. 19, Rn. 55 f. m.w. N. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Grundrechte insoweit nicht anwendbar sind, vgl. BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 23, 353 (372); 25, 198 (205); 26, 228 (244); 35, 263 (271); 39, 302 (312 ff.). Ausnahmen gelten nur, wenn die öffentlich-rechtliche Körperschaft im Einzelfall unmittelbar dem grundrechtlich geschützten Lebensbereich der Bürger zugeordnet ist oder wenn die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gerügt wird, BVerfGE 45, 63. 74 BVerfGE 97, 228 (253); so schon BVerfGE 50, 290 (363). 73

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der Übertragbarkeit einstellen. 75 Grundsätzliche Überlegungen dieser Art zum Verhältnis des individualrechtlich-personalen Charakters der Berufsfreiheit und der vom BVerfG auch als „Unternehmerfreiheit“ bezeichneten Gewährleistung finden sich folgerichtig auch im Mitbestimmungsurteil, in der das BVerfG den personalen Grundzug wie folgt beschreibt: 76 „Der ‚Beruf‘ wird in seiner Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen verstanden, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt.“

Der personale Charakter sei aber nur noch bei kleineren Unternehmen gegeben oder jedenfalls bei solchen, bei denen der Anteilseigner auch in der Leitung des Unternehmens tätig werde. In allen anderen Fällen sei unter der „Unternehmerfreiheit“ die grundrechtliche Gewährleistung eines Verhaltens zu verstehen, dessen Wirkungen weit über das wirtschaftliche Schicksal des eigenen Unternehmens hinausreichten. 77 Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Wegfalls der personalen Komponente für den Inhalt der Gewährleistung sucht man in diesem Urteil aber vergebens. Das BVerfG hält sie nur für den Umfang der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis von Bedeutung. Weil der personale Kern des Art. 12 GG nicht berührt sein könne, seien Eingriffe des Gesetzgebers leichter zu rechtfertigen. 78 Dabei kann man sich dem Eindruck der Ergebnisorientierung nur schwer verschließen, wenn das BVerfG 79 bemerkt: „Großunternehmen und auch Konzerne sind wesentliche Elemente einer hochentwickelten und leistungsfähigen Volkswirtschaft und dürfen daher nicht aus der ‚Unternehmensfreiheit‘ ausgenommen werden.“

In der Übertragung auf juristische Personen erfährt die Berufsfreiheit allerdings eine inhaltliche andere Akzentuierung: Schutzgut ist nunmehr „die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben“. 80 Voraussetzung ist nur, dass die Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden könne. Die Schwäche des Ansatzes des BVerfG liegt in dem daraus resultierenden Zerfall der Berufsfreiheit in zwei Bestandteile, deren Zusammenhang nicht recht deutlich wird. Wenn der Kern der Berufsfreiheit in der 75 Die fehlende Übertragbarkeit auf juristische Personen mag daher noch das überzeugendste Argument für die die Ausrufung einer allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG sein. 76 BVerfGE 50, 290 (362). 77 BVerfGE 50, 290 (363). 78 BVerfGE 50, 290 (365). 79 BVerfGE 50, 290 (363). 80 BVerfGE 50, 290 (363); BVerfGE 97, 228 (253) – Kurzberichterstattung.

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Garantie der persönlichen Freiheit liegt, dann steht dieses finale Verständnis einer Übertragung auf juristische Personen entgegen. Der Schutz von juristischen Personen könnte dann fast beliebig mit dem Argument eingeschränkt werden, dass der personale Charakter des Art. 12 GG nicht berührt sei. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung verlöre so an Rationalität. Vorzuziehen wäre es daher, die Berufsfreiheit nicht konstitutiv an das Vorliegen einer personalen Komponente zu binden, sondern im Falle der persönlichkeitsrelevanten Betroffenheit eines Grundrechtsträgers diese zusätzlich in die Abwägung mit einzustellen. Allerdings stellt sich dann auch die weitergehende Frage, ob das personale Element, das nach der Auffassung des BVerfG durch Art. 12 GG geschützt wird, nicht besser in Art. 2 Abs. 1 GG zu verorten wäre, soweit es tatsächlich betroffen ist. Zudem wäre zu begründen, worin genau die verfassungsrechtliche höhere Abwägungsrelevanz besteht, wenn einmal ein selbstständiger Einzelunternehmer, das andere Mal eine Aktiengesellschaft von einer Regelung berührt ist. Das ginge mit einer genauen Bestimmung des Inhalts des personalen Elements einher, dass vom BVerfG zwar oft postuliert wurde, ohne dabei jedoch die notwendige Präzisierung vorzunehmen. b) Die Wettbewerbsfreiheit als spezifische Ausformung der Berufsfreiheit aa) (Der Streit um) die thematische Verortung der Wettbewerbsfreiheit Die Wettbewerbsfreiheit wurde nicht immer normativ in Art. 12 GG verankert. Auch der Begriff der „Wettbewerbsfreiheit“ hat sich erst im Laufe der Zeit herausgebildet. Das BVerfG betonte in seinen ersten Entscheidungen die „wirtschaftliche Handlungsfreiheit“ als Teil des Art. 2 Abs. 1 GG, deren unantastbarer Kernbereich in einem angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative liege. 81 Mit dem Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht, als welches Art. 2 Abs. 1 GG seit der Elfes-Rechtsprechung 82 verstanden wurde, ist das nur schwer vereinbar. Denn die unternehmerische Betätigung fällt nach heutigem Verständnis ohne weiteres in den Schutzbereich der Berufsfreiheit. Die Verortung in Art. 2 Abs. 1 GG korrespondiert allerdings mit dem in frühen Jahren noch sehr zu Gunsten der allgemeinen Handlungsfreiheit verstandenen funktionalen Schutzbereichsabgrenzung des BVerfG, das Art. 12 Abs. 1 GG in erster Linie als Schutz vor wörtlich verstandenen Berufsausübungsregelungen auslegte. 83 Im Zuge der Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zum Schutz 81 82

BVerfGE 4, 7 (15 f.); 8, 274 (328); 10, 89 (99); 12, 341 (347 f.). BVerfGE 6, 32 ff.

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gegen steuerliche Belastungen und den damit verbundenen Schutzbereichsverschiebungen zwischen Berufs- und allgemeiner Handlungsfreiheit zeigte dann aber auch das BVerfG ein entsprechendes Problembewusstsein. 84 So siedelte es in der Folgezeit die Wettbewerbsfreiheit in der Sache (wenn auch nicht immer mit gleich bleibender Terminologie) bei der Berufsfreiheit an. Einen anderen Ansatz der (ausdrücklich so bezeichneten) Wettbewerbsfreiheit wählte das BVerwG. 85 Danach sei durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unternehmers aus Art. 2 Abs. 1 GG auch dessen Freiheit geschützt, nicht durch die Staatsgewalt mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist. Diese ebenfalls an die Elfes-Rechtsprechung anklingende, aber auf das Persönlichkeitsrecht übertragene Formulierung geht auf das BVerfG 86 zurück, beruht indes auf einem (doppelten) Missverständnis. Denn das BVerfG sprach sich in diesem Fall nicht für eine Zuordnung der Wettbewerbsfreiheit zu Art. 2 Abs. 1 GG aus, sondern ließ die Betroffenheit wegen der in diesem Fall bereits bejahten Verletzung des Art. 12 GG offen, die bereits zu einer Aufhebung führte. Darüber hinaus behandelt das BVerfG eben nicht den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern sieht in der Verurteilung zu einer Geldstrafe einen weitergehenden persönlichkeitsrechtlichen Bezug, selbst wenn diese Geldstrafe etwa auf Grund eines Gnadenaktes nicht entrichtet zu werden brauchte; nur für diesen Aspekt prüfte es die Einordnung in Art. 2 Abs. 1 GG. In der Folgezeit hat die Rechtsprechung des BVerfG wie des BVerwG für eine gewisse Zeit auch in der Literatur zur angeführten Verortung der Wettbewerbsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG geführt, 87 die aber mittlerweile fast ebenso einhellig verneint wird, sofern das Handeln im oben erwähnten beruflichen Kontext steht. 88 Als Begründung für die Heranziehung der allgemeinen (wirtschaftlichen) Handlungsfreiheit bleibt demzufolge nur die Berufung auf die neuhumanistische Tradition, die die Bedeutung des Berufs für die Entfaltung der Persönlichkeit des Menschen betont. 89 Folgt man diesem Denkansatz, dann ließe sich die Wettbewerbsfreiheit mit einiger Berechtigung als unselbständige Ausformung der Berufsfreiheit gänzlich lösen und als eigenständige unbenannte Innominatfreiheit entweder in Art. 12 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG 90 eingliedern. Mit der ganz herrschenden Meinung soll auch hier der Einordnung in Art. 12 Abs. 1 GG 83 84 85 86 87 88 89 90

Vgl. unten C.I.2.a), S. 210 f. Dazu unten C.II.1, S. 217 f. BVerwGE 30, 191 (198). BVerfGE 9, 83 (88); vgl. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 83. Detaillierte Nachweise bei Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 83. Vgl. DiFabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2, Rn. 116. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 49. Vgl. dazu Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 54 ff.

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gefolgt werden. Nur soweit Personen Wettbewerbshandlungen vornehmen, deren Handeln gerade nicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient (Gelegenheitsverkäufe bei Ebay, etc.), wären wettbewerbliche Handlungen damit ausnahmsweise durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Da in dieser Arbeit aber gerade die Wettbewerbsteilnahme von Unternehme(r)n und Selbstständigen untersucht wird, verbleibt es hier bei Art. 12 GG als normativen Ausgangspunkt. bb) Die Wettbewerbsfreiheit in der Schutzbereichsumschreibung Die frühe Rechtsprechung war von dem Bild eines selbständigen Handwerkers oder Gewerbetreibenden bestimmt, der sich vom Staat durch Ge- oder Verbote in seiner Aufnahme oder konkreten Ausführung seines Berufs beeinträchtigt sah. Aussagen zum grundrechtlichen Schutz des Wettbewerbs oder der im Wettbewerb Tätigen fielen dagegen eher beiläufig und waren die Ausnahme. So äußerte sich das BVerfG erst 1972 im Rahmen der Nachprüfung einer zivilrechtlichen, auf das UWG gestützten Unterlassungsklage: 91 „Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien. Das Verhalten der Unternehmer in diesem Wettbewerb ist Bestandteil ihrer Berufsausübung, die, soweit sie sich in erlaubten Formen bewegt, durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist.“

Diese weite Schutzbereichsfassung, die den freien Wettbewerb der Anbieter und Nachfrager betont, entspricht einem liberalen Grundrechtsverständnis, das von einem grundsätzlich unbegrenzten Handlungsraum des Bürgers und der infolge dessen nur begrenzen Kompetenz des Staates zu Einschränkungen dieser Freiheit ausgeht. 92 In diesem Sinne lassen sich auch die immanenten Begrenzungen des Schutzbereichs verstehen, die der Schutzbereichsumschreibung oft auf dem Fuße folgen: ein „Recht auf Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten“ 93 sei nicht Bestandteil des Art. 12 Abs. 1 GG. Ebenso gewähre Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz. 94 Auch dieser Schluss ist wenigstens bei erstem Hinsehen konsequent, denn mit einer möglichst unreglementierten beruflichen Betätigung wäre die Verhinderung der Zulassung von Konkurrenten nicht vereinbar. Ebenso wenig kann die 91

BVerfGE 32, 311 ff. – Steinmetz. Vgl. dazu unten B.III.3.a)aa), S. 165 ff. 93 BVerfGE 24, 236 (251) – Aktion Rumpelkammer. 94 Erstmals in BVerfGE 34, 252 – Vereinheitlichung steuerberatender Berufe. Oft wird hierfür die Apothekenentscheidung als Beleg angeführt. Dort führt das BVerfG aber nur aus, der Schutz vor Konkurrenz stelle kein hinreichendes Gemeinwohlziel dar, kann also nicht als Schranke der Berufsfreiheit herangezogen werden kann. 92

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Berufsfreiheit die unbedingte Sicherung einer Marktstellung beinhalten, die andernfalls bereits Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen müsste. In diesem Sinne führte der 2. Senat des BVerfG auch in neuesten Entscheidungen die Rechtsprechung fort. Demnach zielt Art. 12 Abs. 1 GG auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab, von der auch der Betrieb von Unternehmen umfasst ist. 95 Die Konsequenzen dieser Umschreibung sollte allerdings nicht überschätzt werden, da sie keine weiteren Vorgaben enthält, in welchen Fällen eine derartige „Reglementierung“ der beruflichen Betätigung anzunehmen ist. c) Die „berufsregelnde Tendenz“ als mehrdimensionales Abgrenzungskriterium Demgegenüber war das BVerfG gleichzeitig bemüht, die nach ihrem Wortlaut sehr weit gefasste Schutzbereichsumschreibung nicht als Einfallstor für alle (wirtschaftlichen) Nachteile auszuformen, denen ein Unternehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sein mag. Als Instrument dazu diente in erster Linie die „berufsregelnde Tendenz“ einer staatlichen Maßnahme. Dabei blieb jedoch Anwendungsbereich und Inhalt dieser Formel unklar und wechselnd. 96 Schlagwortartig lässt sich die Rechtsprechung derart zusammenfassen, dass „unmittelbare“ Berufsregelungen in Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen, andere Regelungen nur dann, wenn sie im engen Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen und eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweisen. Trotz der identischen Formel hat die Prüfung der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme eine doppelte Funktion. Sie dient der Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit, gleichzeitig aber auch der Präzisierung eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit. aa) Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit In seiner frühen Rechtsprechung grenzte das BVerfG mit dieser Formel in erster Linie den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG von Art. 2 Abs. 1 GG ab. 97 Gegenstand dieser Entscheidungen war im Kern die Frage, ob der originäre Schutz der Berufsfreiheit nur berufstypische Handlungen umfasse, der Schutz vor Berufsausübungsregelungen gewissermaßen wörtlich zu verstehen ist. 98 Bei einem so engen Verständnis wäre beispielsweise die Therapiefreiheit des Arztes 99 durch die Verpflichtung zum Hinweis auf kostengünstige Medika95 So zuletzt z. B. BVerfG DVBl 2007, 1555 – Belegungspflicht Krankenhäuser; BVerfGE 110, 226 – Geldwäsche; BVerfGE 110, 307 – Klärschlamm-Entschädigungsfonds. 96 Vgl. hierzu die Untersuchung unter C.II., S. 211 ff. 97 So vor allem bei der Überprüfung von Steuern und Abgaben, die mit der Ausübung einer Berufs in einem Zusammenhang standen, vgl. z. B. BVerfGE 13, 181 (Schankerlaubnissteuer); BVerfGE 22, 380 (Kuponsteuer); BVerfGE 37, 1 (Weinwirtschaftsabgabe).

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mente berührt, nicht aber durch Normen, die die Abrechnung von Leistungen zum Gegenstand haben. Ähnlich lässt sich der Fall einordnen, dass der Betroffene zwar Adressat einer Norm ist, ihn aber nicht als Berufsträger anspricht. So trifft das Aneignungsverbot geschützter Vögel Tierpräparatoren wie Privatleute gleichermaßen, auch wenn es berufstypische Handlungen des Präparators zum Gegenstand haben mag. Auch hier muss begründet werden, warum der besondere Freiheitsraum des Art. 12 Abs. 1 zum Tragen kommen soll. 100 Gegen eine zu enge Schutzbereichsfassung der Berufsfreiheit spricht, dass ihr Freiheitsgegenstand nur unvollkommen geschützt wäre, wenn der Schutz funktional auf unmittelbar berufsregelnde Vorschriften beschränkt bliebe. 101 Ein solcher Schutz wäre dem Stellenwert der Berufsfreiheit für die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht angemessen. Dazu treten die nicht einfach zu meisternde Bestimmung derjenigen Handlungen, die das Berufsbild prägen. Freilich wurde auch nie ernsthaft erwogen, den funktionalen Schutzbereich der Berufsfreiheit zu Lasten der allgemeinen Handlungsfreiheit auf unmittelbare Berufsausübungsregelungen zu beschränken. Je weniger Berührungspunkte ein unmittelbar an den Grundrechtsträger adressiertes gesetzliches oder behördliches Verbot jedoch mit der spezifischen Freiheitsraum des Art. 12 Abs. 1 GG hat, desto eher wird nur der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1GG betroffen sein. Dieser Umstand wird zutreffend mit der Prüfung der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme umschrieben. bb) Spezifizierung des Eingriffs in die Berufsfreiheit Handelte es sich dabei noch um klassische Eingriffe durch die Auferlegung von Abgaben an den Unternehmer, so hatte sich das BVerfG zunehmend mit „Nachteilen“ zu befassen, die die Grenzen des klassischen Eingriffsbegriffs verließen. Problematisch war zunächst die Behandlung von Fällen, in denen der Betroffene nicht mehr Adressat der staatlichen Maßnahme war, auch wenn diese noch in hoheitlicher Form erging. Ist der Betroffene nicht Adressat einer Regelung, handelt es sich jedenfalls nicht um eine unmittelbare Berufsausübungsregelung, so dass die Regelung nach dieser Rechtsprechung ebenfalls eine berufsregelnde Tendenz aufweisen muss. In diesen Konstellationen dient der Berufsbezug als besondere Form der allgemeinen Eingriffsprüfung. Verneint man also die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme, wird auch die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht problematisch. 102 Denn die 98 BVerfGE 13, 181 (185): „In aller Regel kommt Art. 12 Abs. 1 GG als Maßstabsnorm nur für solche Bestimmungen in Betracht, [... die] die Art und Weise bestimmen, wie die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben.“ 99 BVerfGE 160, 275 (304). 100 BVerfGE 61, 291 (308). 101 BVerfGE 13, 181 (185) – Schankerlaubnissteuer; BVerfGE 41, 251 (262) – SpeyerKolleg.

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allgemeine Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht ist in der Tendenz mehr als spezielle Einzelgewährleistungen auf präzise Eingriffskriterien angewiesen, um nicht jeden äquivalent kausalen Nachteil einer staatlichen Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren. Wenn die geltend gemachten Nachteile nun trotz der thematischen Einschlägigkeit des Schutzbereichs nur als bloßer Reflex einer staatlichen Maßnahme eingestuft werden, dann muss das folglich umso mehr für die allgemeine Handlungsfreiheit gelten, die als Auffanggrundrecht in Bezug auf den Eingriffscharakter einer Maßnahme keinen weitergehenden Schutz gewährt. 103 Die Ausformung als Auffanggrundrecht soll für eine lückenlose Abdeckung aller Lebensbereiche sorgen, nicht aber die Eingriffsprüfung obsolet machen. Die berechtigte Kritik darf daher nicht an der Verneinung eines Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG ansetzen, sondern an den Argumenten, die zu Verneinung des Eingriffscharakters bezüglich Art. 12 Abs. 1 GG geführt haben. Die Prüfung der doppelrelevanten berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme verwischt allerdings die Prüfungsstufen, so dass die Schutzlosigkeit des Betroffenen als Konsequenz ihrer Verneinung im Rahmen der Eingriffsprüfung nicht immer klar sein mag. 104 Ein frühes Beispiel bildet die Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe. Hier hatte es der Gesetzgeber Steuerbevollmächtigten ohne Hochschulabschluss erleichtert, den Beruf eines Steuerberaters zu ergreifen. Das BVerfG 105 hat einen Eingriff in die Berufsfreiheit der „Alt“-Steuerberater mit dem Argument verneint, die Berufsfreiheit schütze nicht vor neuer Konkurrenz. Dogmatisch lässt sich die Entscheidung – jedenfalls im Sinne der heutigen Rechtsprechung – besser damit begründen, dass die Zulassungsvoraussetzungen nicht die Rechtsstellung der „Alt“-Steuerberater regelt, also diese nicht zum Adressaten hat. Die dann notwendige berufsregelnde Tendenz lässt sich dann mit dem Argument verneinen, dass nur die Wettbewerbsfreiheit Dritter realisiert wird. 106 Die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG darf hierzu getrost als uneinheitlich beschrieben werden. 107 Während der 1. Senat in jüngerer Zeit eine Vielzahl von Einwirkungen aus der Wettbewerbsfreiheit auszugrenzen versuchte, positioniert sich der 2. Senat eher in der liberalen Tradition, die auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung abzielt. 108

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Das verkennen Gubelt, in: Münch / Kunig, GG, Art. 12, Rn. 43 und Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 15. 103 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 73. 104 Auf die Schutzlücken weist insbesondere zutreffend Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (186) hin. 105 BVerfGE 34, 252 (256) – Steuerberatende Berufe. 106 Diese Argumentation entspricht im Ergebnis und wohl auch der Begründung der wohl herrschenden, hier aber nicht geteilten Ansicht in Literatur und Rechtsprechung. 107 Vgl. dazu die Ausführungen im folgenden Abschnitt.

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d) Neuere Rechtsprechung des 1. Senats: „Teilhaberecht nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ Schließlich mussten auch Einwirkungen verarbeitet werden, die durch den Staat unter gänzlichem Verzicht auf hoheitliche Regelungen kausal verursacht wurden und oftmals als mittelbar-faktische Eingriffe 109 bezeichnet werden. aa) „Glykolwein“ und die Folgen In seiner grundlegenden Entscheidung in BVerfGE 105, 252 hatte sich der 1. Senat mit Verfassungsbeschwerden von Weinkellereien zu beschäftigen, die sich gegen die Informationstätigkeit der Bundesregierung richtete. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hatte eine (auch die Beschwerde führenden Kellereien benennende) Liste über Weine und andere Erzeugnisse herausgegeben und veröffentlicht, in denen Diethylenglykol festgestellt worden war. Das BVerwG hatte die Klagen bereits Jahre zuvor mit dem Argument abgelehnt, der Maßnahme käme zwar berufsregelnde Tendenz zu, sei aber wegen der kollidierenden Grundrechte der Verbraucher gerechtfertigt. 110 Das BVerfG suchte dagegen die Lösung schon in der Reduktion des Schutzbereichs. 111 Dabei prägte der 1. Senat des BVerfG eine neue Schutzbereichsumschreibung, die das Potential zur Ausformung der Berufsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht besitzt: 112 „Die Reichweite des Freiheitsschutzes ist durch die rechtlichen Regeln bestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert in diesem Rahmen ein Teilhaberecht nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs. Demgegenüber besteht kein Schutz vor Einflüssen auf die wettbewerbsbestimmenden Faktoren.“ 113

108 BVerfGE 110, 226 (251) – Geldwäsche; BVerfG DVBl 2007, 1555 (1557) – Belegungspflicht. Der 1. Senat verwendete diese Umschreibung dagegen zuletzt in BVerfGE 103, 172 (183) – Altersgrenze und sah seit der Glykolentscheidung davon ab. 109 Dazu unten C.V.1., S. 257 ff. 110 BVerwGE 87, 37 (44): „Der Senat ist daher der Auffassung, dass der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich auch dann berührt ist, wenn die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Grundrechtsträgers durch öffentliche negative Äußerungen staatlicher Stellen über seine konkret angesprochene berufliche Betätigung nachhaltig eingeschränkt werden.“ 111 Auch die dogmatische Verortung der Neukonzeption war zunächst nicht klar, dazu sogleich in der Kritik des Urteils. 112 Vgl. dazu die Deutung der Wettbewerbsfreiheit von Bäcker (dargestellt unter A.IV., S. 102 ff.), der aller inhaltlichen Kritik zum Trotz ein für sich genommen stimmiges und interessantes Gesamtkonzept entwirft.

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Mit anderen Worten: Es besteht kein Grundrechtschutz gegen staatliche Maßnahmen, die sich an den Funktionserfordernissen des Wettbewerbs orientieren und eine eigenverantwortliche Entscheidung der Marktteilnehmer ermöglichen sollen. Auf der Suche nach den „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ führt das BVerfG eine gründliche Untersuchung des einfachen Gesetzesrechts, insbesondere des UWG durch und kommt zu dem Schluss, dass (1) ein hohes Maß an marktrelevanter Information Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sei 114 und (2) die Rechtsordnung in Form der Wettbewerbsgesetze auf die Ermöglichung eines hohen Informationsniveaus abziele. 115 Aus diesem Befund soll sich dann ergeben, dass Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor inhaltlich zutreffenden, sachlich und zurückhaltend formulierten Informationen schützt, die sich an den Funktionserfordernissen des Wettbewerbs orientieren. Auch die Entscheidung in BVerfGE 116, 135 betraf mit der staatlichen Auftragsvergabe eine schlicht-hoheitliche Staatstätigkeit. Das BVerfG hatte sich zwar mit der Ausgestaltung des Rechtsschutzes der unterlegenen Bewerber zu befassen, entscheidungserheblich war jedoch die Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG, den das BVerfG ablehnt. Wenn der Staat den Wettbewerb nicht von außen beeinflusse, sondern selbst auf Nachfragerseite wettbewerblich tätig werde, stünde das Handeln des Staates mit den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs im Einklang, so dass der Schutzbereich nicht berührt sei. 116 bb) Kritik der Literatur Die Entscheidungen des 1. Senats haben in der Literatur zu umfänglichen Reaktionen geführt, in der ganz mehrheitlich erhebliche Kritik geäußert wurde. 117 So bleibt unklar, ob und inwieweit das BVerfG die herkömmliche dogmatische 113 Grundlegend BVerfGE 105, 252 – Glykolwein; BVerfGE 105, 279 – Osho. Gleichlautende Formulierung in: BVerfGE 106, 275 – Festbeträge; BVerfGE 110, 274 – Ökosteuer: BVerfGE 115, 205 – Geschäftsgeheimnisse; BVerfGE 116, 135 – Vergaberecht; BVerfGE 116, 208 – Tariftreuerklärung; BVerfG NVwZ 2007, 1168 – Biokraftstoffe. 114 BVerfGE 105, 252 (266). 115 BVerfGE 105, 252 (267). 116 BVerfGE 116, 135 (146). 117 Huber, JZ 2003, 290 ff.; Lindner, DÖV 2003, 185 ff.; Murswiek, NVwZ 2003, 1 ff.; Faßbender, NJW 2004, 816 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 ff.; ders., AöR 131 (2006), 579 ff.; Hellmann, NVwZ 2005, 163 ff.; Klement, DÖV 2005, 507 ff.; Rixen, Sozialrecht, S. 237 ff. Verteidigend Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit; ders., Der Staat 43 (2004), 203 ff., in der Tendenz auch Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 ff. und neuerdings Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsinhalt, 2009 – allerdings mit Vorbehalten gegenüber der Hoffmann-Riemschen Ausformung, vgl. Rusteberg, S. 109.

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Unterscheidung zwischen Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung aufgeben möchte. 118 Für Irritation hatte dabei insbesondere gesorgt, dass in der Glykolwein-Entscheidung die Zuständigkeit des Bundesministers geprüft worden war, also Elemente der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung in die Schutzbereichseröffnung gezogen wurden. Das BVerfG ging selbst nach den anfangs unklar formulierten Entscheidungen offenbar davon aus, dass seine neue Rechtsprechung den Schutzbereich betrifft. 119 Ist die Frage der Einordnung in das herkömmliche grundrechtsdogmatische Raster noch eher technischer Natur, wiegt deutlich schwerer, dass mit dieser Rechtsprechung die Tür zu einer inhaltlichen Aushöhlung des Art. 12 Abs. 1 GG aufgestoßen wurde. Dabei geht der 1. Senat in der Sache noch von dem zutreffenden Ausgangspunkt aus, dass Schutzbereich und Eingriff funktional aufeinander bezogen sind. 120 Erst das Zusammenspiel von Schutzbereich und Eingriff ergibt Aufschluss darüber, ob der Gesetzgeber einer Rechtfertigungslast unterliegt. Während der Schutzbereich aus Sicht des Grundrechtsberechtigten einen thematischen Ausschnitt der Lebenswirklichkeit unter den besonderen grundrechtlichen Schutz stellt, klärt die darauf folgende Eingriffsprüfung, gegen welche staatlichen Beeinträchtigungen das Grundrecht Schutz gewährt. Je unbestimmter dabei der Schutzbereich eines Grundrechts gefasst ist, desto eher kann der Rückgriff auf einen Verletzungserfolg Aufschluss darüber geben, ob das Grundrecht auch gegen diese Verletzungsmodalität Schutz bieten soll. 121 Allerdings zieht das BVerfG aus diesem Zusammenhang eine Reihe von Konsequenzen, die aus Sicht der abwehrrechtlichen Perspektive äußerst problematisch sind. Die funktionale Verschränkung von Schutzbereich und Eingriff dient nicht mehr als Motor für eine Anpassung des Schutzes an neue Gefahrenlagen, wie sie beispielsweise in der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 2 Abs. 1 GG immer wieder stattgefunden hat. 122 Der nunmehr als „Gewährleistungsbereich“ 123 bezeichnete Schutzbereich soll keinen vollständigen Schutz mehr vor zurechenbaren Nachteilen bieten, sondern nur noch vor bestimmten Verletzungs118

Vgl. nur Huber, JZ 2003, 290 ff.; Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2 f.). Vgl. dazu auch Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (176), Fn. 48. 119 Vgl. BVerfGE 116, 135 (145): „Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber berührt grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers.“ 120 Vgl. dazu Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, S. 236; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (216). 121 Gerade die Prüfung der Verletzung der Menschenwürde war seit jeher auf die Formulierung von Fallgruppen angewiesen, mit denen Verletzungshandlungen kategorisiert werden, vgl. dazu Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1, Rn. 79 ff. 122 Jüngstes Beispiel dazu ist die Schöpfung eines Rechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, BVerfGE 120, 274 ff. 123 Ausführlich dazu Rusteberg, Gewährleistungsinhalt, S. 111 ff.

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modalitäten. Die Einbeziehung des Verletzungserfolges verliert damit ihre die Grundrechtauslegung unterstützende Funktion, sondern bewirkt vielmehr eine tatbestandliche Verengung des Grundrechtschutzes hin zu einem wenigstens teilweise 124 präformierten Grundrechtsverständnisses. 125 Je nach der als vorzugswürdig erachteten Meinung zur Rolle des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht entfällt damit der Grundrechtsschutz für die aus dem Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 GG ausgegrenzte Nachteilzufügung schlechthin 126 (mit der Konsequenz der Schutzlosigkeit selbst vor offenkundig verfassungswidrigen Maßnahmen?) 127 oder muss sich eben auf Art. 2 Abs. 1 GG beschränken, 128 der wegen seines wenig konturierten Schutzbereichs und in Folge dessen auch der Schranken-Schranken („verfassungsmäßige Ordnung“) keinen vollumfänglichen Ersatz für ein Spezialgrundrecht bieten kann. 129 Insbesondere Kahl hat in seiner Kritik diese und weitere Konsequenzen dieser Rechtsprechung deutlich gemacht, der inhaltlich wenig hinzuzufügen ist. 130 Aber selbst wenn man bereit ist, die Prämisse des BVerfG dem Grunde nach hinzunehmen und Art. 12 Abs. 1 GG Schutz nur nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs gewähren lässt, treten Folgeprobleme auf. Denn die relativierenden Funktionsbedingungen des Wettbewerbs können wegen der Neutralität bzw. Offenheit des Grundgesetzes in wirtschaftlicher Hinsicht nur schwer aus der Verfassung selbst abgeleitet werden. Gerade die Grundrechte, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, geben der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes nach herkömmlicher Ansicht Konturen. 131 Auch das wäre möglicherweise 124 Die Berufsfreiheit ist nur teilweise präformiert, weil nur bestimmte Modalitäten aus dem Schutzbereich ausgegrenzt werden. Da aber aus dem Eingriff wegen seiner Rechtfertigungsmöglichkeit noch keine Verletzung des Grundrechts folgt, ist der Inhalt des effektiven Garantiebereichs nicht mit seinem Schutzbereich identisch, also nicht von vornherein bestimmbar. 125 Kritisch zu solchen engen „Tatbestandstheorien“ Calliess, Rechtsstaat, S. 543 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (185 ff.). 126 Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 73; Isensee, in: HStR V, § 111, Rn. 178. 127 Eine Ausnahme fügt Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 ff. (25) ein: Für die Beachtung „rechtsstaatlicher Minimalkautelen“ gelte Art. 2 Abs. 1 GG weiterhin, auch wenn die „unfriedliche Versammlung“ und die „verfemte Lüge“ nicht durch Art. 2 Abs. 1 GG „ins Recht gesetzt“ würden. Unklar bleibt dabei, wie man sich die gleichzeitige Betroffenheit und Nichtbetroffenheit vorzustellen hat, was ein wenig an „Schrödingers Cat“ erinnert. 128 DiFabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2, Rn. 26 ff.; Kahl, Schutzergänzungsfunktion, S. 21 m.w. N. 129 So zutreffend die Kritik von Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 ff., 185 ff. – jedenfalls dann, wenn die Schutzbereichsausgrenzungen nicht wieder im Gewande eines unbenannten Freiheitsrechts in Art. 2 Abs. 1 GG Einzug halten; diese können wegen ihrer inhaltlichen Präzisierung durchaus mit Spezialgewährleistungen Schritt halten, vgl. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 135. 130 Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 ff.

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noch hinnehmbar, wenn sich diese Funktionsbedingungen als natürliche Erscheinung des Wettbewerbs extrahieren ließen, die durch den Rechtsanwender nur erkannt werden müssen. Aber auch der Rückgriff auf die Wettbewerbsfreiheit im faktischen bzw. ökonomischen Sinn gibt wenig Hoffnung auf mehr Klarheit. Abseits des Unbehagens, das man einer Rückwirkung des Faktischen ins Normative entgegenbringen mag, spricht hier schlicht dagegen, dass sich auch Ökonomen über den „idealen“ Inhalt des Wettbewerbs uneinig sind, wie sich nicht zuletzt an der (institutionen-) ökonomischen Debatte ablesen lässt. 132 Als Ausweg böte sich in der Folge nur an, die Definitionskompetenz – nunmehr von verfassungsrechtlichen Vorgaben gelöst – entweder dem BVerfG oder aber dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen. Zu letzterem scheinen die Entscheidungen des BVerfG zu tendieren, in denen es auf den Inhalt des einfachen Rechts Bezug nimmt. Damit handelt es sich aber nicht mehr um Schutz vor, sondern nach Maßgabe des Gesetzgebers, der allenfalls noch durch rechtsstaatliche Prinzipien wie des Vertrauensschutzes oder das Rückwirkungsverbot begrenzt ist. Zur Absicherung der Berufsfreiheit wäre es dann wohl notwendig, Art. 12 Abs. 1 GG wenigstens als normgeprägtes Grundrecht zu verstehen und nach dem klassischen Vorbild des Art. 14 GG um eine Institutsgarantie anzureichern. Kennzeichnend für normgeprägte Grundrechte ist jedoch, dass sie der rechtlichen Ausgestaltung bedürfen, also das Schutzobjekt nicht ohne weiteres der Lebenswirklichkeit entnommen werden kann. Das ist bei der Berufsfreiheit jedoch nicht der Fall, da Berufe und Wettbewerb auch ohne Rechtssetzung entstehen. cc) Reichweite des Geltungsanspruchs Ließ sich unmittelbar nach der Kehrtwende des BVerfG noch nicht absehen, in welchem Maße sie die künftige Rechtsprechung prägen würde, hat sich in den sieben folgenden Jahren ein deutlicheres Bild ergeben. Das BVerfG übertrug seine Schutzbereichsumschreibung zwar in der Folgezeit auch auf die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Normen 133 und zog sie auch im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde 134 heran, verließ also mit dem Bereich des schlichthoheitlichen Staatshandelns den einstigen Auslöser seiner Rechtsprechungsän131 DiFabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2, Rn. 76; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12, Rn. 85 ff.; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 39 ff. Das BVerfG spricht in ständiger Rechtsprechung von „wirtschaftspolitischer Offenheit des Grundgesetzes“, die nur durch die Grundrechte begrenzt sei, vgl. BVerfGE 4, 7 (17 f.); 12, 354 (363); 14, 263 (275); 30, 292 (315); 50, 290 (336 f.). 132 Vgl. Vanberg, ORDO 2001, 37 ff. sowie die Ausführungen unter A.IV.2.b), S. 106 ff. 133 BVerfGE 106, 275 – Festbeträge; BVerfGE 110, 274 – Ökosteuer; BVerfGE 116, 202 – Tariftreuerklärung; BVerfG NVwZ 2007, 1168 – Biokraftstoffe. 134 Vgl. BVerfGE 115, 205 (229) – Geschäftsgeheimnisse.

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derung. Der zu befürchtende Umbruch blieb jedoch aus. In den vier Fällen, in denen das BVerfG gesetzliche Regelungen zu prüfen hatte und hierzu seine neuen Formeln heranzog, machte es die Eröffnung des Schutzbereichs entweder ausdrücklich oder jedenfalls im Ergebnis immer davon anhängig, ob der Regelung eine berufsregelnde Tendenz zukam: Im Festbetrags-Urteil war demgemäß für das BVerfG nicht etwa entscheidend, wie der Markt für Arzneimittel durch die Struktur und das System der gesetzlichen Krankenversicherung geprägt war und ob die Begrenzung der Erstattungsfähigkeit als „systemkonforme Ausgestaltung“ aus dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ausgenommen ist. Es prüfte auch nicht, ob der rechtmäßig festgesetzte Festbetrag lediglich bereits vorgegebene wirtschaftspolitische Vorgaben umsetzt. 135 Die faktischen Folgen der gesetzlichen Regelung waren nach Ansicht des BVerfG allein schlicht nicht geeignet, eine berufsregelnde Tendenz herzustellen, ebenso wenig solle es sich um eine wirtschaftslenkende Maßnahme handeln. 136 Denn die Orientierung an Bedingungen des Preiswettbewerbs, die § 35 Abs. 5 Satz 2 SGB V anordnet, diene dazu, das Leistungssystem der Krankenversicherung funktionsfähig zu halten. 137 Damit knüpft das BVerfG an die Finalität einer Maßnahme als Kriterium für eine berufsregelnde Tendenz an und bewegt sich damit innerhalb überkommener Prüfungskonzepte. 138 Genauso wenig wurde im Tariftreue-Urteil geprüft, ob die konkrete Gestaltung der Arbeitsbedingungen einem einfachgesetzlichen Grundprinzip des Arbeitsrechts entspricht. Entscheidend war auch hier, dass mit der gesetzlichen Regelung bestimmte faktische Wirkungen, nämlich die Einwirkung auf den Inhalt künftiger Arbeitsverträge vom Gesetzgeber beabsichtigt war. 139 Auch in der Ökosteuerwie der Biokraftstoffe-Entscheidung führt es nach dem Rekurs auf die Schutzbereichsumschreibung der Glykol-Entscheidung aus, dass der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unbeschadet der beschränkenden Glykol-Formel dann berührt sei, wenn der Gesetzgeber Rahmenbedingungen ändere, die objektiv eine berufsregelnde Tendenz hätten. 140 Der Verweis auf die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs blieb in diesen Entscheidungen also ein Lippenbekenntnis, ohne in der Sache eine Prüfung 135

So aber Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 130, der daraus ableiten will, dass nach Ansicht des BVerfG nur ein Schutz im Rahmen der einfach-rechtlichen Vorgaben bestehe. 136 BVerfGE 106, 275 (299 f.). 137 BVerfGE 106, 275 (300). 138 Vgl. zu der hier angetroffenen Argumentationsfigur noch unten C.II.4., S. 229 ff. 139 BVerfGE 116, 202 (222 f.). Dann soll es sich nach dem 1. Senat um ein funktionales Äquivalent eines Eingriffs handeln – ohne dass ersichtlich wäre, dass diese sprachliche Neuschöpfung in der Sache mehr als ein Unterfall der berufsregelnden Tendenz darstellt, vgl. unten C.III., S. 233 ff. 140 BVerfGE 110, 274 (288 f.); ebenso BVerfG NVwZ 2007, 1168 (1169) – Biokraftstoffe.

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durchzuführen, die mit der Glykol-Entscheidung und ihrer Durchleuchtung des einfachen Rechts vergleichbar gewesen wäre. Eine weitere Einschränkung war also mit der Schutzbereichsumschreibung (bisher) nicht verbunden, auch wenn die Befürchtung eines Schutzes „nach Maßgabe des Gesetzes“ nahe lag. 141 Auffallend ist schließlich, dass der 1. Senat des BVerfG (in neuer Zusammensetzung) in seiner Entscheidung zu den Nichtraucherschutzgesetzen auf die Formulierung sogar gänzlich verzichtete. 142 In diese Richtung geht auch die jüngste Entscheidung des BVerfG zur Aufnahme einer Flughafenbetreiberin in die Liste der sog. Zollflugplätze, die in ihren Obersätzen stark an die weite Schutzbereichsinterpretation des 2. Senats erinnert und restriktive Bezüge vermeidet. 143 Angesichts der vielstimmigen Kritik und in Anbetracht der jüngsten Entscheidungen ist anzunehmen, dass die in der Glykol-Rechtsprechung angedeutete Schutzbereichsmodifizierung nicht zu einer dauerhaften Änderung der Rechtsprechung führen wird, sondern mittlerweile einer Rückbesinnung Platz macht. 144 In der Handhabung seiner neuen Formeln verbleibt damit in der Tat nur ein in erster Linie zeitliches „Sonderregime“, das die tradierte Prüfung der berufsregelnden Tendenz nicht ablösen konnte. 145

II. Staatliche Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge in der Rechtsprechung des BVerfG Nachdem in einem ersten Schritt das Schutzkonzept der Wirtschaftsgrundrechte für die wettbewerbliche Betätigung in seinen groben Zügen skizziert wurde, soll nun näher auf eine bestimmte Form der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit eingegangen werden, die den Gegenstand der weiteren Untersuchung bilden soll. Betrachtet werden sollen im Folgenden über den Wettbewerb vermittelte Nachteile, die der Staat durch Einwirkung auf das wettbewerbliche 141 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 59 ff.: „Bei der Bestimmung des Gewährleistungsgehalts wird u. a. nach den normativen Prämissen (etwa dem Ordnungskonzept) gefragt, auf denen der Freiheitsschutz aufbaut.“ Kritik übt daran Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 ff. 142 BVerfGE 121, 317 (345 ff.). Bereits BVerfG NJW 2005, 237 ff. ließ den Verweis auf den „Schutz nach Maßgabe der Funktionsbedingungen“ vermissen. 143 Vgl. BVerfG DVBl 2009, 1440 ff. mit Anmerkung Achatz. 144 Vgl. Achatz, DVBl 2009, 1443 (1447). 145 Die Postulierung eines „grundrechtlichen Sonderregimes im Bereich staatlichen Informationshandelns“ (so Murswiek, NVwZ 2003, 1 (8)) greift damit zu kurz, da der Geist der Glykol-Rechtsprechung in den in der Folgezeit ergangenen Entscheidungen zwar in der Verwendung der Obersätze, aber nicht in der Sache an Boden gewinnen konnte.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

Ordnungsgefüge herbeiführt. Ausgangspunkt soll dabei die vielfältige Rechtsprechung des BVerfG sein, deren Analyse ein gemischtes Bild ergibt. Neben Entscheidungen, die der Einwirkung auf wettbewerbliche Rahmenbedingungen dezidiert keine Beachtung schenken, findet sich auch eine Reihe von Entscheidungen, die eine staatliche Verantwortung für den rahmenrechtlichen Bestand postulieren. Dabei lässt sich keine feste zeitliche oder sachliche Tendenz ausmachen, was der Rechtsprechung zu Recht den Ruf einbrachte, im Ergebnis kaum berechenbar zu sein. 146 1. Keine Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge Die Urteile, die sich ausdrücklich gegen eine Beachtung der staatlichen Ingerenz auf Rahmenbedingungen des Wettbewerbs mit der Folge der Verschlechterung der Wettbewerbschancen aussprechen, beruhen in der Regel auf einer jeweils gleich lautenden, eher apodiktisch anmutenden Argumentationslinie, die schon früh Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat und bis zur GlykolEntscheidung kaum modifiziert worden ist, aber durch sie an neuer Brisanz gewann. Demnach soll die Berufsfreiheit nicht vor dem Erwachsen neuer Konkurrenz infolge einer Neuregelung schützen. Ebenso wenig soll ein „subjektives Recht auf Erhaltung des bisherigen Geschäftsumfanges“ und der „Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten“ von der Berufsfreiheit gewährleistet sein. 147 Eine nähere Begründung der Grundrechtsauslegung erfolgt regelmäßig nicht, sie wird aber dafür beinahe in jedem Kontext genannt, in dem Konkurrenzverhältnisse eine Rolle spielen. 148 Vor allem die letzte Aussage ist in ihrer Schlichtheit so zutreffend wie unergiebig, denn diese Feststellungen sind mehr oder weniger selbstverständlich. 149 In einem freien Wettbewerb kann es keinen Anspruch auf wirtschaftlichen Erfolg geben. Es ist dem Wettbewerb immanent, dass nicht 146 Vgl. nur Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 76; Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 31. 147 Vgl. BVerfGE 34, 252 (256) – Steuerberater. Erstmals findet sich die Aussage in BVerfGE 24, 236 (251) – Lumpensammler, in der sie allerdings nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs fiel. In dieser Entscheidung klagte eine karitative Sammlung gegen eine Untersagungsverfügung zu Gunsten eines gewerblichen Wettbewerbers. Die Aussagen waren damit nur insoweit relevant, als konkurrierende Grundrechtspositionen die Abwägung beeinflussen hätten können. Die karge Aussage des BVerfG lässt sich auch dahingehend verstehen, dass die Minderung der Wettbewerbschancen in der Abwägung hinzunehmen ist, weil diese zwar von der Wettbewerbsfreiheit umfasst, aber nicht abwägungsfest garantiert seien. 148 Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 59 spricht diesbezüglich von einem „Verfehlen des Grundrechtsproblems“. 149 Vgl. dazu auch Ehlers, Gutachten, S. 40; Rixen, Sozialrecht, S. 235 ff.

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jeder gleich erfolgreich sein kann. Es handelt sich ja gerade nicht um verfestigte Positionen, die andernfalls Art. 14 GG zuzuordnen wären. Sie geht jedoch an dem Begehren der Beschwerdeführer wie dem Kern der verfassungsrechtlichen Fragestellung vorbei, da die Beschwerdeführer keinen (absoluten) Schutz vor Konkurrenz oder gar einen festen Bestand seines Geschäftes für sich in Anspruch genommen hatten. 150 Die zu entscheidende Frage ist, ob vom Schutzbereich des Art. 12 GG auch die Beibehaltung des wettbewerblichen Zusammenhangs erfasst ist, in dem Wettbewerbshandlungen ausgeführt werden und dessen Fortbestand für die Erfolgschancen der Wettbewerbshandlungen von zentraler Bedeutung ist. Wenn das der Fall ist, dann bleibt zwar dessen Veränderung weiter möglich, bedarf aber ggf. der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, wenn der Staat die Veränderung unter Bedingungen herbeiführt, die als Eingriff zu qualifizieren ist. Dazu bedarf es nicht eines Schutzes vor Konkurrenz, wie es plakativ angeführt wird, sondern vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates in das bestehende Wettbewerbsgefüge, in dem der Wettbewerber sich wie bisher durch seine eigene Anstrengung am Markt durchsetzen will. Die mangelnde Schlusskraft der Aussage wird auch deutlich, wenn man sie als Obersatz vor Maßnahmen spannt, die eindeutig und unstreitig als Eingriffe zu qualifizieren sind. Die Ablehnung der Rechtfertigungsbedürftigkeit einer teilweisen Gewerbeuntersagung ließe sich dem Wortlaut nach ebenfalls darauf stützen, dass dem Adressaten eben kein „subjektives Recht auf Erhaltung des bisherigen Geschäftsumfanges“ zustehe, weshalb er das Verbot hinzunehmen habe. Wäre der Adressat der einzige Wettbewerber, dem bei gleicher Sachlage ein Verbot erteilt wurde, so ließe sich auch dies mit dem Hinweis aus Art. 12 Abs. 1 GG ausgrenzen, dass vor neuer Konkurrenz infolge der Verbotsregelung ebenfalls kein Schutz bestünde. Es liegt auf der Hand, dass solche Begründungsansätze nicht greifen. Die Begründung erweist sich in beiden Fällen als Leerformel, die eine Auseinandersetzung mit dem zur Prüfung gestellten Freiheitshindernis umgeht. Schon an dieser Stelle sei betont, dass die Ablehnung der Einbeziehung des wirtschaftlichen Umfeldes in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit nicht erst Folge der restriktiven Glykol-Rechtsprechung des BVerfG war. Die im Folgenden näher dargestellten Urteile zeigen, dass sich der unstete Kurs des BVerfG quer zu dieser Zäsur bewegte, also tiefere Ursachen hat und damit auch nicht anlässlich der allem Anschein nach einsetzenden Rückbesinnung 151 für erledigt erklärt werden könnte. 150 Dies erkennt und spricht deutlich auch die erste Kammer des ersten Senats des BVerfG in seiner Entscheidung vom 31. 08. 2009 (DVBl 2009, 1440 ff.) aus, so dass die Hoffnung angebracht ist, dass diese Wendung zukünftig einer Auseinandersetzung in der Sache weichen wird, vgl. auch die Anmerkung v. Achatz, DVBl 2009, 1443 (1444). 151 Vgl. oben A.I.2.d)cc), S. 43 f.

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a) Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe – BVerfGE 34, 252 Mit dem Steuerberatungsgesetz hatte der Gesetzgeber die Berufe der Steuerberater (Berufsabschluss mit Hochschulabschluss) und der Steuerbevollmächtigten (Berufsabschluss ohne Hochschulabschluss) neu geordnet. Dabei wurden die beiden Berufe weitgehend einander angenähert, insbesondere im Hinblick auf Inhalt und Umfang der steuerberatenden Berufstätigkeit. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte der Beruf des Steuerbevollmächtigten in dem Beruf des Steuerberaters aufgehen. Die Überleitungsvorschrift sah vor, dass Steuerbevollmächtigte nach 6jähriger Berufstätigkeit, Teilnahme an einem 50stündigen Seminar und Ablegung einer mündlichen Prüfung den Steuerberaterberuf ergreifen können. Damit sahen sich die Steuerberater jedenfalls in der Übergangszeit einer erhöhten Konkurrenz ausgesetzt. Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde eines Steuerberaters ab. Da den Steuerberatern nach wie vor die gleichen rechtlichen Befugnisse in der Ausübung ihres Berufs zustünden wie bisher, habe der Gesetzgeber durch die geschilderte Neuregelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit jedenfalls ihnen gegenüber nicht überschritten. Sämtliche Einflüsse auf die Wettbewerbschancen, die nicht in dem Zugriff auf die Person des Steuerberaters selbst begründet waren, blendet das BVerfG mit der eingangs erwähnten Argumentation aus. Würde Art. 12 GG, wie das BVerfG hier zu unterstellen scheint, nur vor Eingriffen in die rechtlichen Befugnisse der Steuerberater schützen, der hier in der Tat nicht gegeben ist, wäre der Schutz um entscheidende Inhalte entkleidet. Mit der Regelung von Berufsbildern und deren Voraussetzungen errichtet der Gesetzgeber in dem Segment der steuerberatenden Berufe eine Wettbewerbsordnung, die großen Einfluss auf die Ausübung der Berufsfreiheit derjenigen hat, die sich in diesem Segment betätigen wollen. Sie werden Zeit, Energie und Geld in die Erlangung der geforderten Voraussetzungen investieren oder davon absehen, wenn ihnen die Hürden zu hoch erscheinen. Wer die Voraussetzungen erlangen will, wird das auch im Hinblick auf die Möglichkeit tun, mit der Tätigkeit später seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die bestehende Wettbewerbsordnung mit den daraus resultierenden Erwerbsfähigkeiten der Teilnehmer bildet den wirtschaftlichen Hintergrund der Berufsausübung. Die Entfaltungschancen des Wettbewerbers, sein beruflicher Erfolg, hängen nun wiederum entscheidend von dem Platz ab, den er in der Wettbewerbsordnung einnimmt. Mit der Errichtung eines Ausbildungs- und Zulassungssystems innerhalb eines Wettbewerbssegments hat der Staat den Zugang zu einem bestimmten Beruf an Voraussetzungen geknüpft. Die Hürden, die auf dem Weg dorthin zu überwinden sind, werden nach Ablegung der nötigen Prüfungen zu einer Kompensationsleistung, da jeder Absolvent in seiner Außendarstellung 152 mit der erworbenen Sachkompetenz schlicht durch seine Berufsbezeichnung werben kann. Mit der Neuregelung wird diese Möglichkeit in dem Maße erschüttert, in dem

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mit der Berufsbezeichnung der Nachweise der besonderen Sachkunde nicht im gleichen Maße möglich ist, was aber durch Übergangsregelungen, die z. B. das Führen eines zusätzlichen Titels zu Unterscheidung gestatten, verhindert werden kann. Ändert sich zudem der wirtschaftliche Hintergrund der Berufsausübung (=Wettbewerbssituation) wegen eines Überangebots auf der Angebotsweite so nachhaltig, dass sie wegen der Unrentabilität Sinn und Zweck der Berufsausübung beeinträchtigt, ist auch der Schutzbereich derjenigen berührt, die nicht Adressaten der Regelung sind. Das muss indes die Zusammenlegung der Berufsbilder keineswegs unmöglich machen. Sind die besonderen Leistungsnachweise in Form eines abgeschlossenen Hochschulstudiums zur Ausübung des Berufs nicht nötig, so streitet die Wettbewerbsfreiheit der Steuerbevollmächtigten für eine Vereinheitlichung, die angesichts der objektiven Grundentscheidung der Berufsfreiheit für einen freien Wettbewerb den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Steuerberater ohne weiteres rechtfertigen können. Hier und nur hier hat die Aussage ihren zutreffenden Platz, die Berufsfreiheit schütze nicht vor Konkurrenz: als Verweis auf die Wertigkeit der Konkurrenzschutzinteressen im Rahmen der Abwägung, die nur dann zu Gunsten einer Reglementierung ausfallen kann, wenn weitere Gemeinwohlerwägungen dies rechtfertigen können. 153 b) Rechtschreibreform – BVerfGE 98, 218 In der Verfassungsbeschwerde gegen die von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossene Rechtschreibreform 154 musste sich das BVerfG mit der Frage auseinandersetzen, ob der Beschluss der KMK dem Wesentlichkeitsgebot genügte, was möglicherweise dann nicht der Fall gewesen wäre, wenn der Beschluss in die Grundrechte der Schulbuchverlage, allen voran Art. 12 Abs. 1 GG oder die vom BVerfG in Art. 2 Abs. 1 GG verortete wirtschaftliche Betätigungsfreiheit eingegriffen hätte. Das BVerfG stellte dazu fest, dass die berufliche Tätigkeit der Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie der Presseagenturen, 152 Vgl. zur Außendarstellung, insbesondere der Werbung als Teil der Berufsausübung BVerfGE 40, 371 (382 f.); 53, 96 (97 ff.); 85, 248 (256); 106, 181 (192 ff.). Zur Abgrenzung zur Meinungsfreiheit siehe BVerfGE 95, 173 (181 ff.). 153 Zutreffend gibt dies noch das Apothekenurteil (BVerfGE 7, 377 (408)) wieder, wenn es anführt, „der Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen [könne] nach allgemeiner Meinung niemals einen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl rechtfertigen“, worauf sich das BVerfG in diesem Fall allerdings zu Unrecht beruft, wenn es schon den Schutzbereich verneint. 154 Vgl. aus der Literatur Wegener, JURA 1999, 185 ff.; Bauer / Möllers, JZ 1999, 697 (701); Hufen, RdJB 1998, 472 ff. Die Mehrheit der Anmerkungen beschäftigt sich allerdings mit der Entscheidungsbefugnis des BVerfG trotz der Rücknahme der Beschwerde und der Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG; die Grundrechtsverletzungen der Verlage werden eher knapp behandelt.

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Hersteller von Rechtschreibprogrammen und alle Unternehmen und Betriebe, die intern wie extern ihren Geschäftsverkehr auf EDV-Basis abwickeln, in vielfältiger Weise durch den Beschluss Veränderungen erfahren wird. Das gelte für die Notwendigkeit von Investitionen ebenso wie Veränderungen in Betriebsabläufen, Absatzplanung, Kundenwerbung oder Personalschulung. Die Frage ist hier nicht (nur), ob die im Zuge der Reform auftretenden mittelbaren Veränderungen rechtlich derart dem Staat zurechenbar sind, dass sie einem klassischen Eingriff in die Handlungsfreiheit durch imperatives Handeln gleichkommen. So geht das BVerfG vor, wenn es einen Eingriff mangels berufsregelnder Tendenz ablehnt und ausführt, die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit sei nicht berührt, weil die Reform nicht auf die Beschränkung wirtschaftlicher Entfaltung oder die Gestaltung, Ordnung oder Lenkung des Wirtschaftslebens angelegt sei oder sich in diesem Sinne auswirke, sondern auf den Unterricht in den Schulen ausgerichtet sei. 155 Schließlich seien Unternehmer nicht gehindert, sich unter Abwägung der damit jeweils verbundenen wirtschaftlichen Chancen und Risiken für oder gegen eine Umstellung ihrer Produkte und Unternehmensabläufe auf die neue Rechtschreibung zu entscheiden. Ist schon dieser Ansatz der Freiwilligkeit wegen der Vorbildfunktion der Reform zweifelhaft, ist deren Befolgung jedenfalls bei Schulbuchverlagen faktisch zwingend. 156 Zur weiteren Untermauerung seines Ergebnisses ergänzt das BVerfG seine Argumentation mit dem Hinweis, die Verlage hätten jedenfalls keinen Anspruch darauf, für das Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Betätigung einen Abnehmer zu finden. 157 Gegen Veränderungen von Marktdaten und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schütze das Grundrecht auch dann nicht, wenn die Veränderungen vom Staat ausgingen. 158 Die Feststellung, es bestünde kein Anspruch auf Absatz der Produkte, bewegt sich in den eingangs genannten Bahnen und teilt deren spärliche Überzeugungskraft. Selbstverständlich haben Unternehmer keinen grundrechtlichen Anspruch 155

BVerfGE 95, 218 (259). Zur Verarbeitung solcher Einflüsse, die auf die Willensentschließungsfreiheit einwirken, unten C.V.2.b), S. 263 ff. sowie Roth, Faktische Eingriffe, S. 183 ff., der zentral auf das Kriterium der „Vernünftigkeit“ der Entscheidung abstellt, und in diesem Fall die wertende Verantwortung auf Seiten des Staates sieht. 157 BVerfG 95, 218 (259). 158 Auch hier beruft sich das BVerfG mit BVerfGE 37, 1 (17 ff.) zu Unrecht auf eine seiner frühen Entscheidungen, die die in Anspruch genommene Aussage indes nicht zu stützen vermögen. In der zitieren Entscheidung führte das BVerfG nur aus, dass die „allgemeine Marktbeeinflussung durch Eingriffe in das freie Spiel der in der Weinwirtschaft tätigen Kräfte“ (BVerfGE a. a. O. S. 18) mangels berufsregelnder Tendenz nur an der allgemeinen Handlungsfreiheit zu messen sei und prüfte hilfsweise sogar die Verfassungsmäßigkeit der Weinwirtschaftsabgabe als Berufsausübungsregelung. Es bejahte damit im Ergebnis also den Schutz vor staatlicher Ingerenz in die Wettbewerbsbedingungen! 156

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auf Absatz ihrer Produkte, genauso wenig wie auf Freiheit von Konkurrenz – ein Scheinargument. Mit dieser Feststellung lässt sich jedoch kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG verneinen. Denn damit wird unterstellt, dass faktische Beeinträchtigungen nur dann rechtlich relevant wären, wenn sie einen bestimmten Erfolg zunichtemachen, auf den ein Anspruch bestünde. Bereits das ist nach herkömmlicher Anschauung nicht der Fall, wie alle Beispiele zeigen, in denen das BVerfG die berufsregelnde Tendenz faktischer Einflüsse prüft, ohne zum Einbezug des wirtschaftlichen Erfolges in den Schutzbereich Stellung zu nehmen. 159 Ob aber die faktische Zwangswirkung der staatlichen Maßnahme einer rechtlichen Verkürzung der Handlungsfreiheit wertungsmäßig gleichkommt und daher dem Staat als Eingriff zuzurechnen ist, darüber lässt sich streiten. Letztlich besteht das Ergebnis aus einer Wertung, die abschließend das BVerfG vorzunehmen hätte. Diese Wertung kann man kritisieren, muss sich aber darüber im Klaren sein, dass Wertungen nur in begrenzter Form rationaler Kritik zugänglich sind und man letzten Endes nur eine neue Wertung an Stelle der alten Wertung setzt. Mit dieser Betrachtung ist die verfassungsrechtliche Problemlage aber nur unzureichend erfasst. Denn es besteht ein Unterschied zwischen der rechtlichen oder faktischen Verkürzung natürlicher Freiheit auf der einen Seite, die mit der Formulierung eingefangen werden kann, Art. 12 GG ziele auf die möglichst unreglementierte berufliche Betätigung, und dem Schutz des Bestandes des wirtschaftlichen Ordnungsgefüges auf der andere Seite, auf den die „unreglementierte Betätigung“ angewiesen ist, um deren Wirkung bzw. Sinnhaftigkeit nicht zu verändern. Der wirtschaftliche Kontext des wettbewerblichen Handels wird durch den Wegbruch des größten Nachfragers 160 der Schulbuchverlage im Fall der Verweigerung der Anpassung an die neue Rechtschreibung von Grund auf verändert. Und auch im anderen Fall zieht die Umstellung erhebliche Folgekosten nach sich, die Rückwirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Verlagstätigkeit haben. c) Deregulierung I: Branntweinmonopol Das Branntweinmonopol wurde ursprünglich als Finanzmonopol geschaffen, um dem Staat als Einnahmequelle zu dienen. Daneben verfolgte es agrarpolitische Ziele. In seiner Ausgangsform sah es ein generelles Einfuhrmonopol vor (§ 3 Abs. 1 S. 1 BranntwMonG a.F.), das jedoch durch den EuGH für europa159

Dazu näher unten A.II.3., S. 71 ff. Vgl. an dieser Stelle auch die Bestrebungen in Literatur und Rechtsprechung, im Falle eines staatlichen (Nachfrage-) Monopols Ausnahmen von dem Grundsatz zuzulassen, dass kein grundrechtlicher Schutz der Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Tätigkeit existiere (vgl. Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 81 m.w.N.). Überzeugende Gründe für diese Differenzierung sind nicht ersichtlich, vgl. aber unten S. 275 f. 160

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rechtswidrig erklärt wurde. Bestehen blieb dagegen das Übernahmemonopol, das die Übernahme des privatwirtschaftlich in so genannten Eigenbrennereien hergestellten Branntweins durch die Bundesmonopolverwaltung vorsah (§ 58 BranntwMonG). Die Brennereien erhalten dafür einen Übernahmepreis, der die durchschnittlichen Herstellungskosten deckt und jährlich durch die Bundesmonopolverwaltung neu festgesetzt wird (§ 64 BranntwMonG). Dabei ist der Umfang der Branntweinmenge, die an die Monopolverwaltung zu diesem Preis abgegeben werden kann, durch die Jahresbrennmenge kontingentiert, die ebenfalls jährlich neu festgesetzt werden kann (§ 40 BranntwMonG). Die Herstellung von Branntwein war und ist den Brennereien nach dem Monopolgesetz nicht verwehrt. 161 Übersteigt die produzierte Menge die Jahresbrennmenge einer Brennerei, kann das Unternehmen insoweit eine Ausnahme von der Ablieferungspflicht beantragen (§ 58 Abs. 1 S. 2 BranntwMonG). Unter Geltung des Einfuhrverbots überstieg der Marktpreis den Übernahmepreis, so dass der Fiskus auf diese Weise Einnahmen erzielen konnte. Nach Fall des Einfuhrmonopols sank der Marktpreis unter den Übernahmepreis; die Bundesmonopolverwaltung war daher auf Zuschüsse angewiesen. Damit kehrte sich die Stoßrichtung des Gesetzes um und bewirkte nun eine Subventionierung der beteiligten Brennereien, die z.T. deren wirtschaftliches Überleben sicherte. Der Gesetzgeber entschied sich nun, gewerbliche Brennereien aus dem Monopol auszuschließen, in dem für diese nach einer Übergangszeit keine Jahresbrennmenge mehr festgesetzt wird; diese Brennereien wurden damit nicht mehr gefördert. Das BVerfG sah die Berufsfreiheit der gewerblichen Brennereien nicht berührt und verneinte einen Eingriff. 162 Diese würden in der Wahl und Ausübung ihres Berufs nicht rechtlich beschränkt. Ihr Ausscheiden aus dem Branntweinmonopol führe zwar zu einem Verlust des bisher staatlich garantierten Übernahmepreises für innerhalb des jeweiligen Jahresbrennrechts hergestellten Alkohol und somit möglicherweise zu einer Verringerung ihres Geschäftsumfangs. Art. 12 GG gewähre jedoch kein Recht auf Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten, beispielsweise durch die weitere Gewährung staatlicher Subventionen. Auch hier gilt wiederum, dass der Kontext der Berufsausübung der Brennereien durch die staatliche Gestaltung der Wettbewerbsbedingungen vorgezeichnet war, die dem Fiskus auch lange Zeit Überschüsse beschert hatte. Die Abschaffung eines staatlichen Systems, innerhalb dessen ein Beruf ausgeübt werden kann, führt dazu, dass der Beruf seine ursprüngliche Sinnhaftigkeit verliert. Mit seiner Ausübung kann nicht mehr zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage beigetragen werden. Die Grundrechtsausübung ist damit nicht weni161 162

BFHE 55, 536 (537). BVerfG NVwZ 2002, 197 (198).

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ger intensiv beeinträchtigt als durch die rechtliche Beschränkung der Handlung selbst. d) Arzneimittelfestbeträge – BVerfGE 106, 275 Das Festbetragsurteil wurde bereits kurz angesprochen. 163 (Wirtschaftlicher) Gegenstand des Urteils waren die Umsatzeinbußen der Arzneimittelhersteller, die durch Begrenzung der Erstattungsfähigkeit von Medikamenten durch die GKV und die Offenlegung dieses Festbetrags, der sich bei Arzneimittel an dem preisgünstigen Apothekenabgabenpreisen zu orientieren hat (§ 35 Abs. 5 SGB V), entstehen. An dieser Stelle sollen nochmals kurz die Passagen bzw. Umstände näher betrachtet werden, die für die Bestimmung des Schutzbereichs von Bedeutung sind. Das Festbetrags-Urteil steht in der Reihe der neueren Entscheidungen des 1. Senats des BVerfG, in dem versucht wurde, die Reichweite des Schutzbereichs des Art. 12 GG durch den Rückgriff auf die „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ zu konturieren. Das Freiheitsrecht des Art. 12 GG umschließt nach Ansicht des BVerfG in der bestehenden Wirtschaftsordnung das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Die Reichweite des Freiheitsschutzes werde dabei durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Wenn aber Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, sei dies an ihren Grundrechten zu messen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer, deren Marktchancen betroffen sind. 164 Aus Art. 12 Abs. 1 GG folge schließlich kein Anspruch auf Beibehaltung von Rahmenbedingungen, die infolge fehlender Transparenz Verkaufserfolge im Wettbewerb ermöglichten. 165 Das BVerfG nimmt hier zwar auf das Umfeld der Wettbewerbshandlungen Bezug, in dem es die Grundsätze des Wettbewerbs in die grundrechtliche Betrachtung einführt. Dabei bleibt zum einen offen, was das BVerfG unter den Grundsätzen des Wettbewerbs versteht. Aus den Ausführungen über die Transparenz im Wettbewerb und im Zusammenhang mit den Ausführungen des Glykol-Urteils zur Bedeutung der Transparenz im Wettbewerb lässt sich ableiten, dass die Transparenz zu diesen Grundsätzen zählen soll; eine abschließende Aufzählung hat das BVerfG bisher nicht gegeben. Zum anderen steht die Aussage, die Reichweite des Freiheitsschutzes werde durch die Wettbewerbsregelungen bestimmt, in gewissem Widerspruch zu den folgenden Aussagen. Denn nimmt man das Postulat des BVerfG ernst, dann bilden auch die rechtlichen Regelun163 Oben A.I.2.d.cc), S. 43 f. und nochmals unten C.II.4.b), S. 230 f.; vgl. dazu Faßbender, NJW 2004, 816 (817); Nitz / Dierks, PharmaRecht 2004, 161 ff. 164 BVerfGE 106, 275 (298 f.). 165 BVerfGE 106, 275 (304).

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gen den Rahmen der Berufstätigkeit, die das Marktverhalten der Wettbewerber durch Normen regelt, die an andere Marktteilnehmer gerichtet sind, die aber wegen deren Wettbewerbsbeziehungen Rückwirkungen auf das Verhalten der Unternehmer hat. Die Adressatenstellung ist oftmals zufällig und ggf. durch Praktikabilitätserwägungen beeinflusst; die Einstufung als Wettbewerbsrahmenregelung sollte daher von der formal-technischen Umsetzung nicht wesentlich abhängen. 166 Schließlich scheint auch die generelle Feststellung des BVerfG, der Bestand von Wettbewerbsbedingungen werde nicht geschützt, 167 in dieser Absolutheit keinen Bestand zu haben. Denn dann wäre die Betonung unnötig gewesen, dass gerade intransparente Rahmenbedingungen keinen Bestandsschutz genießen würden. Würde Art. 12 Abs. 1 GG schlechthin nicht vor Wettbewerb schützen, hätte es dieser Einschränkung nicht bedurft, da durch die angegriffenen Regelungen der Wettbewerb im Gesundheitswesen verstärkt bzw. erst eingeführt wurde. Die ablehnende Haltung des BVerfG wird also durch die Betonung der Intransparenz relativiert. Auch wenn also der vom BVerfG verwendete Obersatz durchaus Raum für die Integration des wirtschaftlichen Kontextes der Berufsausübung lassen würde, wird dieser Spielraum in der Subsumtion des BVerfG leider nicht genutzt. Die „Mitbestimmung“ der Reichweite des Freiheitsschutzes durch die bestehenden rechtlichen Regelungen interpretiert das BVerfG nur dahingehend, dass gerade kein Schutz vor neuen Regelungen besteht. Richtig ist zwar, dass Wettbewerbsbedingungen keinen grundrechtlichen Schutz genießen, soweit man unter ihnen die Wettbewerbsposition versteht, die dem Unternehmen innerhalb eines bestehenden Wettbewerbssystems aufgrund seiner eigenen Leistung zukommt. Wird das Unternehmen durch seine Wettbewerber am Markt verdrängt, weil sie sich neuen technischen Entwicklungen besser stellen und kostengünstiger produzieren können, dann ist der Marktanteil des Unternehmens natürlich nicht geschützt, soweit er sich als Ergebnis der konkurrierenden, grundrechtlich geschützten Tätigkeit am Markt ergibt. Die Stellung eines Unternehmens am Markt wird aber nicht nur durch das freie Spiel der Marktkräfte innerhalb eines Systems beeinflusst, sondern auch durch Änderungen an dem System selbst. Die angebliche grundrechtliche Unbeachtlichkeit staatlicher Ingerenz in den Kontext der Wettbewerbsausübung lässt sich nicht damit begründen, dass der wirtschaftliche Erfolg als Ergebnis der Grundrechtsausübung nicht geschützt ist, soweit er durch Private beeinflusst wird. Dies hat seine Ursache nicht in der fehlenden Schutzfähigkeit der realisierten Wettbewerbschance, sondern der fehlenden Grundrechtsbindung der privaten Konkurrenten.

166 Das wird in der Rauchverbotsentscheidung des BVerfG deutlich; dazu noch unten A.II.3.b)bb), S. 83 ff. 167 BVerfGE 106, 275 (299).

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Die Aussage des BVerfG zum Schutz von intransparenten Rahmenbedingungen lässt sich auch dahin gehend deuten, dass das BVerfG die Schwäche dieses Begründungsansatzes gesehen hat. Denn der Gesetzgeber hat mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung ein komplexes System geschaffen, in das Angehörige der Heilberufe, Patienten und auch Hersteller von Medikamenten eingebunden sind. Die Berufsausübung bzw. die wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Marktsegment ist daher durch diese rechtlichen Rahmenregelungen determiniert, da sie nur in dem Maße wirtschaftlich auszuüben ist, wie es durch die rechtlichen Rahmenregelungen zugelassen wird. Änderungen dieses Systems, die Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Berufsausübung haben, berühren damit die Wettbewerbsfreiheit. Das ist bei der Veränderung der Erstattungsgrenzen der Fall. Die Herstellung bestimmter Medikamente, die unter Geltung und wegen des alten Regelsystems noch wirtschaftlich auszuüben waren, verliert mit der Änderung einen Teil ihres wirtschaftlichen Sinns. e) Schwellenwerte Vergaberecht – BVerfGE 116, 135 Das Vergaberecht war in jüngster Zeit Gegenstand einer Vielzahl von (monographischen) Veröffentlichungen 168 – was wohl nicht zuletzt auf die europarechtlichen Anstöße zurückzuführen ist. Zusammen mit dem Auftreten der öffentlichen Hand als Unternehmer gehört das Vergaberecht zu den aktuellen Schauplätzen des Streitstands der Grundrechtsdogmatik, die sich mit der Verarbeitung mittelbar-faktischer Grundrechtseinwirkungen auseinandersetzt. aa) Rechtlicher Kontext In seiner Entscheidung vom 13. 06. 2006 beschäftigte sich das BVerfG mit der Konzeption des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Vergabe von Aufträgen an Konkurrenten. Das deutsche Vergaberecht (als Summe aller Rechtsätze und öffentlich-rechtlicher Bindungen der Verwaltung, die bei der Vergabe zu beachten sind) ist traditionell verwaltungsintern geregelt und findet seine gesetzliche Grundlage im Haushaltsrecht. Dazu gehören insbesondere das auf Art. 109 Abs. 3 GG beruhende Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) und die jeweiligen Bundes-, Landes-, und Kommunalhaushaltsordnungen. Das HGrG bindet gem. § 1 Bund und Länder in ihrer Haushaltsgesetzgebung an die Grundsätze dieses Gesetzes. In § 6 Abs. 1 HGrG ist der Gesetzgeber zu Wirtschaftlichkeit 168 Hier seien nur genannt Bultmann, Beihilfenrecht und Vergaberecht, 2004; Kaelble, Vergabeentscheidung und Verfahrensgerechtigkeit, 2008; Regler, Das Vergaberecht zwischen öffentlichem Recht und privatem Recht, 2007; Schneider, Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge, 2007; Widmann, Vergaberechtsschutz im Unterschwellenbereich, 2009 sowie aus rechtsvergleichender Sicht Bungenberg, Vergaberecht im Wettbewerb der Systeme, 2005.

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und Sparsamkeit verpflichtet; § 30 Abs. 1 HGrG sieht deswegen vor, dass Verträge über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich öffentlich auszuschreiben sind. 169 Die Haushaltsordnungen wiederholen diesen Grundsatz und konkretisieren ihn dahingehend, dass beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren ist. Solche Richtlinien bilden die Verdingungsordnungen (VOB), die von Verdingungsausschüssen 170 ausgearbeitet werden, für sich genommen jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen. Bindungswirkung für die Verwaltung erlangte der verfahrensrechtliche Teil erst aufgrund des Erlasses als Verwaltungsvorschrift durch den zuständigen Minister. Die mangelnde Außenwirkung brachte erhebliche Probleme bei der Rechtsdurchsetzung mit sich. In der (einst spärlichen 171) gerichtlichen Praxis und der ihr folgenden herrschenden Literaturmeinung wurde es abgelehnt, aus der Verwaltungsvorschrift oder den haushaltsrechtlichen Vorgaben subjektive Rechte der übergangenen Bieter abzuleiten; diese dienten nur der sparsamen Haushaltsführung. 172 Auch die Grundrechtsbindung im Verwaltungsprivatrecht wurde von der früher h.M. verneint, 173 so dass – ungeachtet des heutigen Streits der Reichweite des grundrechtlichen Schutzes – auch Grundrechte nicht in Stellung gebracht werden konnte. Sowohl primäre als auch sekundäre Schadensansprüche waren damit abgeschnitten. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben, 174 die oberhalb gewisser Schwellenwerte für die Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge detaillierte Verfahrensvorschriften und die Einräumung subjektiver Rechte vorsah, sah sich der Gesetzgeber gezwungen, das HGrG im europarechtlichen Geltungsbereich durch die §§ 57a-c zu modifizieren. Die sog. haushaltsrechtliche Lösung sah ein Nachprüfungsverfahren durch Prüfstellen und Vergabekammern der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor, sollten aber weiterhin keine subjektiven Rechte der Bieter entstehen lassen. Nach Erlass der Vorschriften bestätigte der EuGH die Vertragswidrigkeit der alten deutschen Rechtslage, 175 die Kommission kündigte auch gegen die haushaltsrechtliche Lösung ein neues Vertragsverletzungsverfahren an, 169

Kritisch zur Eindimensionalität des Vergaberechts Triantafyllou, NVwZ 2004, 943. Die Verdingungsausschüssen bestehen aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von Verbänden der Wirtschaft und von Gewerkschaften. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der VOB in den 20er Jahren Schubert, in: FS Korbion, S. 389 ff. 171 Von einem langen Schattendasein des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe spricht Roebling, JURA 2000, 453 (455). 172 Vgl. BGHZ 116, 149 (155); BVerwGE 129, 9 (17). 173 Die Entwicklung der Grundrechtsbindung im Verwaltungsprivatrecht skizziert Stern, in: StR III/1, § 74, Rn. 1394 ff, insbesondere die Nachweise in Fn. 375. 174 Neben den Grundfreiheiten vor allem die Richtlinien 93/37/EWG, 93/36/EW, 92/50/EWG, 93/38/EWG, 89/665/EWG, 92/13/EWG. 175 EuGH, Urt. v. 11. 8. 1995, Rs. C–433/93, Slg. 1995, I-2303 ff. – Kommission / Deutschland. 170

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in dem sie vor allem das fortbestehende Fehlen von subjektiven Rechten und den ineffektiven einstweiligen Rechtsschutz kritisierte. 176 Mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz von 1998, 177 das zum Ruhen des Vertragsverletzungsverfahrens führte, führte der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Kritik der Kommission die §§ 57a-c HGrG in das GWB über. Gem. § 97 Abs. 7 GWB steht den Bietern jetzt ausdrückliches ein subjektives Recht zu. Wird ein Rechtsmittel eingelegt, darf der Auftraggeber den Auftrag vorläufig nicht vergeben, §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 3 GWB. Beibehalten wurde jedoch die zweispurige Lösung in Form eines in der Vergabeverordnung geregelten Schwellenwertes, unterhalb dessen die Regelungen der §§ 97 ff GWB nicht anwendbar sind, § 100 GWB: der Gesetzgeber hat die Rechtslage also nur soweit angepasst, als er europarechtlich dazu verpflichtet war. Unterhalb dieser Schwelle verbleibt es also bei der bisherigen Rechtslage. Die gerichtliche Nachprüfung einer unterschwelligen Auftragsvergabe hängt also unter anderem davon ab, ob durch die Auftragsvergabe Grundrechte der Bieter verletzt werden können, allen voran Art. 12 Abs. 1 GG. 178 bb) Argumentationsgang des BVerfG In der Entscheidung des BVerfG hatte der unterlegene Bieter ebenfalls eine Nachprüfung bei der Vergabekammer des LG angestrengt. Das LG verwarf den Antrag mangels Erreichung des Schwellenwertes ebenso wie das OLG die sofortige Beschwerde als unzulässig. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wies das BVerfG ab, weil der Justizgewährungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG 179 im Ergebnis nicht verletzt sei. Bei der Prüfung des Justizgewährungsanspruchs

176

Mit Gründen abgedruckt in ZIP 1995, 1940 ff.; vgl. dazu auch Roebling, JURA 2000, 453 (459). 177 Vgl. dazu nur Jasper, DB 1998, 2151 ff. 178 Allerdings soll nach BVerwGE 129, 9 ff. der Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen sein, so dass die Verletzung von Art. 12 GG nicht in der Klagebefugnis gem. § 42 II VwGO zu prüfen ist. Bei der Prüfung von zivilrechtlichen Ansprüchen gem. §§ 1004, 823 BGB oder §§ 311 Abs. 2, 241, 280 BGB müssten die ordentlichen Gerichte aber auch die Ausstrahlungswirkung (BVerfGE 7, 198 – Lüth) von Art. 12 GG beachten, wäre ein Eingriff in den Schutzbereich gegeben. Zur Rechtswegfrage statt vieler nur Burgi, NVwZ 2007, 737 ff. 179 Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG kam nach Ansicht des BVerfG nicht in Betracht, weil die Vergabestelle nicht „in Ausübung öffentlicher Gewalt“ handelte. Art. 19 Abs. 4 GG ist in der Rechtsprechung des BVerfG auf die Fälle beschränkt, wo der Einzelne sich zu dem Träger staatlicher Gewalt in einem Verhältnis typischer Abhängigkeit und Unterordnung befindet (vgl. BVerfGE 107, 395 (404) – Rechtsschutz gegen den Richter I; BVerfGE 108, 341 (347) – Rechtsschutz gegen den Richter II). Subsidiär kommt der allgemeine Justizgewährungsanspruch zum Tragen, der im Rechtsstaatsprinzip angesiedelt wird. Pointiert kritisch zu dieser Entwicklung Huber, in: FS Stober, S. 554 f.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

verneinte das BVerfG ein subjektives Recht der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG, sah aber dafür Art. 3 Abs. 1 GG betroffen. Bei der Prüfung des Art. 12 GG wiederholt das BVerfG die aus der Glykol- 180 und Geschäftsgeheimnis-Entscheidung 181 bekannte Obersätze: Die Berufsfreiheit gewähre ein Teilhaberecht am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Daraus folge aber kein Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb oder Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Die Wettbewerbssituation unterliege vielmehr dem Risiko laufender Veränderung nach den Marktverhältnissen. In der Subsumtion stellt das BVerfG entscheidend darauf ab, dass der Staat bei der Vergabe den Wettbewerb nicht von außen beeinflusse, sondern selbst auf der Nachfragerseite wettbewerblich tätig werde. Ein solches Verhalten stehe im Einklang mit den Funktionsbedingungen der bestehenden Wirtschaftsordnung. Kennzeichnend für den Wettbewerb im Markt sei auch, dass der Nachfrager die Kriterien und das Verfahren bestimmte, nach denen er das für sich günstigste Angebot aussuche. Der Staat habe sich bei der Betätigung im Wettbewerb nur an die Regeln zu halten, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Das Haushaltsrecht gehöre nicht zu diesen Regelungen, da es nicht der Sicherung des Wettbewerbs oder der Einrichtung einer besonderen Wettbewerbsordnung für das Nachfrageverhalten des Staates diene. 182 Der Wettbewerb der Anbieter um die Erteilung des Auftrags werde als Mittel zum sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln genutzt, er sei aber nicht Zweck des Haushaltsrechts. Einen Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG sah das BVerfG dagegen als nicht ausgeschlossen an. Jede staatliche Stelle hätte zu jedem Zeitpunkt ihres Handelns das Gleichbehandlungsgebot zu achten, da sie an das Gemeinwohl gebunden sein; eine willkürliche Ungleichbehandlung 183 könne aber niemals dem Gemeinwohl dienen. Die vergebende staatliche Stelle dürfe daher das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe nicht willkürlich gestalten oder ohne sachlichen Grund von einer bisherigen Gestaltung absehen. Jeder Mitbewerber müsse eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Eine Abweichung von solchen Vorgaben könne eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten.

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BVerfGE 105, 226 (265). BVerfGE 115, 205 (229). 182 BVerfGE 116, 135 (145). 183 Damit legt das BVerfG einen großzügigen Maßstab an, denn willkürlich ist eine Handlung nur, wenn sich keinerlei vernünftige Begründung für sie finden lässt. Ausgehend davon, dass das BVerfG einen Eingriff in Art. 12 GG verneint hat, war aber auch keine Prüfung des Gleichheitssatzes nach der „neuen Formel“ veranlasst. 181

II. Staatliche Einwirkungen in der Rechtsprechung des BVerfG

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cc) Stellungnahme Die Reaktion in der Literatur auf das Urteil des BVerfG war gespalten, 184 die rege Diskussion in der Literatur bis zur Entscheidung des BVerfG ebenso uneinheitlich. 185 Selbst wenn man den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt teilt, so ist doch zweifelhaft, ob die staatliche Auftragsvergabe wirklich im Einklang mit den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs steht oder sie ihn nicht doch eher von „außen“ beeinflusst. 186 Deutlich wird das, wenn der Staat als Auftraggeber eine marktbeherrschende oder gar eine Monopolstellung einnimmt, also der Einzelne seinen Beruf nur ausüben kann, wenn er von der öffentlichen Hand mit Aufträgen bedacht wird. Hier wird von der wohl ganz h.M. ein Eingriff in die Berufsfreiheit bejaht. 187 Ähnlich wird der Erlass einer Auftragssperre betrachtet, bei der der Staat gezielt einem Wettbewerber die Teilnahme am Auftragswettbewerb versagt und so von vornherein seine Aussicht auf Erfolg zunichtemacht. 188 Wenn in diesen Fällen der Einfluss des Staates auf die Gewinnaussichten eines Wettbewerbsteilnehmers von Bedeutung sein soll, ist das nicht ohne gedankliche Brüche möglich. Die subjektive Zielsetzung des Staates kann ggf. erklären, warum ihm gewisse Folgen zugerechnet werden sollen. 189 Mit ihr kann aber nicht begründet werden, warum der hier unstrittige Einfluss des Staates auf die Erfolgsaussichten eines Wettbewerbers einmal von Bedeutung ist, ein anderes Mal nicht. Denn das würde nichts anderes heißen, als dass der Schutzbereich eines Grundrechts durch den Staat konstituiert wird. Der Schutzbereich wäre mit anderen Worten nicht berührt, weil ihn der Staat nicht berühren wollte – ein Ergebnis, das mit der Schutzfunktion der Grundrechte unvereinbar wäre. Auch hier lassen sich die Formulierungen des BVerfG für die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Kontextes der Berufsausübung fruchtbar machen. Der Schutzbereich ist berührt, wenn der Staat den Wettbewerb von außen beeinflusst. Eine solche externe Beeinflussung wurde hier nur deswegen abgelehnt, weil das BVerfG das Verhalten privater 190 Nachfrager als Maßstab nimmt, solange keine 184 Einen Eingriff in die Berufsfreiheit mit dem BVerfG ablehnend Pietzcker, ZfBR 2007, 131 (132); Burgi, WuW 2007, 173 (175); einen Eingriff befürwortend Frenz, EuZW 2006, 748 (750 f.), jeweils m.w. N. Eine Übersicht über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Determinanten der Vergabe gibt Wollenschläger, DVBl 2007, 589 ff. 185 Einen Eingriff in Art. 12 GG bejahend z. B. Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (495 ff.); differenzierend Huber, Konkurrenzschutz, S. 443 ff., 545 ff.; Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 102; ablehnend Burgi, NZBau 2001, 64 (65); Pietzcker, Vergaberecht, S. 22 ff. 186 Darauf weisen zu Recht Sauer / Hollands, NZBau 2006, 763 (766) hin. 187 Wollenschläger, DVBl 2007, 589 (596) mit weiteren Nachweisen in Fn. 59; Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 81. 188 Huber, Konkurrenzschutz, S. 444; ablehnend auch hier Pietzcker, NZBau 2003, 242 (244). 189 Dazu noch näher unten C.IV.2.b)bb), S. 247 f.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

besondere Wettbewerbsordnung für das Nachfrageverhalten des Staates existiert. Nicht als Freiheits- sondern als Gleichheitsproblem ordnet das BVerfG die „faire Chance“ des Wettbewerbers auf Zuschlag ein, anerkennt aber damit jedenfalls die Bedeutung der Chancengleichheit im Wettbewerb. Von den bislang erörterten Konstellationen unterscheidet sich die Vergaberechts-Entscheidung des BVerfG dadurch, dass die öffentliche Hand hier nicht durch Normsetzung den sozialen Kontext der Berufsausübung verändert. Kann der Staat den wirtschaftlichen Rahmen der wettbewerblichen Betätigung auch durch nicht-rechtsförmiges Verhalten verändern, oder wird dieser nur durch Rechtsnormen konstituiert? Für die Beantwortung dieser Frage ist notwendig, zwischen der Verteilung und der Realisierung von Chancen zu unterscheiden. Durch die Entscheidung der öffentlichen Hand, mit einem bestimmten Anbieter zu kontrahieren, ändert sich das Wettbewerbsgefüge nicht. Zwar steht dieser konkrete Auftrag anderen Wettbewerbern nicht mehr zur Verfügung. Aber das soziale Gefüge definiert sich nicht über den erfolgreichen Abschluss von Verträgen, sondern über die Möglichkeit, die Wettbewerbschancen durch optimale wettbewerbliche Tätigkeiten zu realisieren. 191 Aus diesem Grund unterliegt die Auftragsvergabe auch keinem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Das ändert sich aber, sobald der Staat durch seine Nachfragemacht auf die Wettbewerbschancen zugreift. Das ist noch nicht der Fall, sobald er sich für die Nachfrage bestimmter Güter (und anderer nicht) entscheidet, bei denen die Anbieter in keiner Konkurrenzsituation stehen. Denn dann beeinflusst das Nachfrageverhalten des Staates nicht die Wettbewerbschancen auf dem Markt des nicht nachgefragten Produktes. 192 Durch die Entscheidung über die Nachfrage eines bestimmten Gutes verteilt der Staat aber Wettbewerbschancen und prägt damit den wirtschaftlichen Kontext auf dem Angebotsmarkt mit. Der wirtschaftliche Rahmen der wettbewerblichen Betätigung ist folglich dann berührt, wenn der Staat auf die Chancen der Wettbewerber zugreift, durch eigene Anstrengung im Wettbewerb den Zuschlag zu erhalten. In diesem Fall könnte – trotz der Skepsis, die diesem Begriff entgegengebracht werden sollte – mit gewisser Berechtigung von staatlicher Wettbewerbsverzerrung gesprochen werden, mit der Besonderheit, dass der Staat auf die von ihm selbst ins Leben gerufenen Chancen einwirkt. Die Schaffung von Wettbewerbschancen gibt dem Staat indes nicht die Befugnis, in der Folge beliebig mit ihnen zu verfahren. Erhellend ist hier ein vorsichtig vergleichender Blick in das Strafrecht, wo sich mit der strafrechtli190 Dagegen zutreffend Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481), da der Staat eben kein Privater sei. 191 Vgl. dazu auch die Stimmen in der Literatur unten A.III.3., S. 90 ff. 192 Das wäre nur dann der Fall wenn mit der Nachfrage eines bestimmten Marktes die vorherige Nachfrage auf einem anderen Markt ausfällt und der Ausfall des Staates als Nachfrager wegen seiner beherrschenden Stellung für die Wettbewerbsteilnehmer spürbar ist.

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chen Verantwortlichkeit des Abbruchs von Rettungshandlungen ähnliche Fragen stellen. Erreichen sie die Sphäre der Opfers, macht sich der die Rettungshandlung Abbrechende sogar wegen eines Begehungsdeliktes strafbar. 193 Aber auch im Bereich der Begehung durch Unterlassen ergibt sich eine strafrechtliche Garantenstellung aus der Übernahme einer Schutzfunktion 194 oder aus dem Gesichtspunkt der Ingerenz, 195 wenn der Täter durch eigene Handlungen die Lage des Geschützten derart verändert hat, dass ohne sie eine Gefahr ausgeblieben, verhindert oder dieser (möglicherweise) entgegengewirkt worden wäre. 196 Das gilt selbst dann, wenn der Vertrauende die Gefahr möglicherweise auch ohne die Schutzmaßnahme eingegangen wäre. 197 Die Übernahme einer vergleichbaren Schutzfunktion lässt sich aus dem Auftrag des Art. 12 Abs. 1 GG herleiten, die Verantwortung aus Ingerenz ergibt sich aus dem früheren Eingriff in die Wettbewerbsbedingungen. 198 Eine derartige staatliche Einwirkung kann bereits durch die Leistungsbeschreibung erfolgen, die ohne konkretes Bedürfnis das Angebot auf einen Wettbewerber verengt. 199 Noch viel mehr ist dies der Fall, wenn die öffentliche Hand ganz auf eine Ausschreibung verzichtet. Denn bereits mit dem Bestehen eines Nachfragebedürfnisses werden Wettbewerbschancen erzeugt, auch ohne dass der Staat dies durch Ausschreibung öffentlich mitteilt. Allerdings wirkt nicht jede untergeordnete Nachfrage des Staates prägend auf die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs ein. Man wird im Sinne eines „Spürbarkeitskriteriums“ 200 solche Aufträge ausnehmen können, die für den betroffenen Markt bzw. deren Teilnehmer keine Auswirkungen haben, weil sie ohne weiteres durch private Nachfrage ersetzt werden. 201

193 Vgl. Lenckner / Eisele / Stree, in: Schönke / Schröder, StGB, vor §§ 13 ff., Rn. 160 m.w. N. 194 Vgl. BGHSt 47, 229 ff. 195 Vgl. BGHSt 26, 39 ff. 196 Vgl. BGH NJW 1993, 2628 ff.; dazu Stree, in: Schönke / Schröder StGB, § 13 StGB, Rn. 27. 197 Vgl. Stree, in: Schönke / Schröder StGB, § 13 StGB, Rn. 27 m.w. N. 198 Vgl. zum strafrechtlichen Merkmal der Gefahrschaffung als Eingriffsmerkmal, das von Roth eingeführt wurde, noch genauer unten C.IV.2.b)ee)(2), S. 254 f. 199 So auch Huber, Konkurrenzschutz, S. 444. 200 Für die Anreicherung der Eingriffsdogmatik um das aus dem europäischen Beihilferecht entlehnte Spürbarkeitskriterium plädiert Bultmann, Beihilfenrecht, S. 205 ff. 201 So auch BVerwGE 65, 167 (174); Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 100; qualitativ strenger Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 87, der eine „erhebliche Lenkungsintensität“ fordert.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

f) Kappungsgrenze bei Rechtsanwaltsvergütungen – BVerfGE 118, 1 Mit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wurde die alte BRAGO abgelöst. Für die außergerichtliche Beratung gilt, dass der Rechtsanwalt auf eine Honorarvereinbarung hinwirken soll (§ 34 Abs. 1 S. 1 RVG). Wird eine solche Vereinbarung nicht getroffen, erhält der Rechtsanwalt Gebühren grundsätzlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG). Für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG) oder im außergerichtlichen Verfahren, das Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG) bestimmen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, für deren Bestimmung § 23 RVG in das GKG verweist. Sowohl in § 22 Abs. 2 RVG als auch § 39 Abs. 2 GKG ist – im Vergleich zur BRAGO ein Novum – mit 30 Millionen Euro eine Höchstgrenze des Gegenstandswertes festgelegt. Rechtsanwälte sind zwar rechtlich nicht gehindert, im Wege der Honorarvereinbarung eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Gebührenvereinbarung zu treffen. Unterbleibt im Anwendungsbereich des § 23 RVG eine solche Vereinbarung, ist das Honorar durch § 39 Abs. 2 GKG allerdings nach oben hin begrenzt und beträgt maximal bei einem Auftraggeber 91.496 €. Bei der Tätigkeit von Großkanzleien wird ein Gegenstandswert in der fraglichen Höhe durchaus erreicht. Eine der beiden Beschwerdeführerinnen hatte nach eigenen Angaben in den letzten zehn Jahren etwa 40 Mandate mit Gegenstandswerten jeweils über 30 Millionen Euro, zwei davon mit Gegenstandswerten über 1 Milliarde Euro. Sie gab an, in aller Regel auf Basis der gesetzlichen Gebührensätze abgerechnet zu haben. Die Auftraggeber würden auch in Zukunft in der Regel darauf bestehen, nach den gesetzlichen Sätzen abzurechnen; höhere Gebühren seien über eine Honorarvereinbarung oft nicht durchsetzbar. Das BVerfG sah durch die gesetzliche Regelung weder einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit noch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gegeben. 202 Die berufliche Tätigkeit der Rechtsanwälte sei dadurch gekennzeichnet, dass sie in ein gesetzliches Vergütungssystem eingebunden wären, das vertragliche Vereinbarungen über die Höhe des anwaltlichen Honorars teilweise entbehrlich mache. 203 Die angegriffene Regelung ändere dieses Vergütungssystem in der Weise, dass ab einer bestimmten Kappungsgrenze Anwälte niedrigere Gebühren als bislang hinnehmen müssten oder ansonsten auf eine Honorarvereinbarung angewiesen wären. In der Änderung liege aber kein Eingriff in die Berufsfreiheit, da der bisherige Anspruch auf gesetzliche Vergütung keine im Grundgesetz (sondern nur im einfachen Gesetz) enthaltene Rechtsposition darstelle. Auf den unveränderten Fortbestand der einmal geschaffenen, grund202 Kritisch hierzu das Sondervotum des Berichterstatters Gaier, ablehnend auch Zuck, JZ 2008, 287 (292 f.); Römermann, BB 2007, 1184 (1185). 203 BVerfGE 118, 1 (15).

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rechtlich nicht vorgegebenen Gebührenregelung hätte die Rechtsanwaltschaft keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch, dessen Änderung als Grundrechtseingriff anzusehen wäre. 204 Die rechtliche Handlungsfreiheit sei mit dem RVG sogar erweitert worden. Die mittelbaren Wirkungen auf die Durchsetzbarkeit der einstigen Gebührenhöhen konstituierten unter anderem schließlich deswegen keinen Eingriff, weil die mangelnde Durchsetzbarkeit aufgrund des Nachfragens der Auftraggeber nach dem Grund des Abweichens dem Gedanken der Vertragsfreiheit entspreche. 205 Das BVerfG unterscheidet nach klassischer Diktion die rechtliche Verkürzung von der faktischen Verkürzung der Freiheit. Eine rechtliche Verkürzung für Großaufträge 206 ist hier in der Tat nicht gegeben, da das RVG Honorarvereinbarungen sogar fördern möchte. Nach herkömmlicher Ansicht stellt sich damit die Frage der faktischen Verkürzung der Vertragsfreiheit durch die Versagung eines „staatlichen gebilligten“ Vergütungssatzes. Gegen das Argument das Gerichts, die Erschwerung der Durchsetzbarkeit durch das Nachfragen der Kunden entspreche der Vertragsfreiheit, ließe sich entgegnen, dass diese Erschwerung ja nur darauf beruht, dass der Gesetzgeber mit der Begrenzung jedenfalls indirekt deutlich gemacht habe, dass er über den maximalen Gebührensatz hinaus Vergütungsansprüche regelmäßig für unangemessen halte. Die Erschwerung bzw. die Begründungslast beruht also in erster Linie auf diesem Verdikt des Gesetzgebers, nicht auf der „Transparenz“ des RVG oder anderen Gründen. 207 Ein mittelbarer Eingriff in die Vertragsfreiheit durch die Einbindung des Rechtsanwaltschaft in ein Gebührensystem liegt daher hier nahe, da im Falle des gänzlichen Verzichts auf den staatlichen Akt des Gebührensystems die nachteilige Begründungslast nicht entstehen würde. Gleichzeitig greift der Gesetzgeber durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs auch auf die Wettbewerbschancen zu und ändert damit auch den relevanten wirtschaftlichen Kontext der Wettbewerbshandlung. Hier bleiben zwar die Wettbewerbschancen innerhalb des Marktsegments unverändert, da alle Rechtsanwälte in gleicher Weise von der erschwerten faktischen Durchsetzbarkeit künftiger Honorarforderungen betroffen sind. Aus Sicht der betroffenen Rechtsanwälte ist es allerdings ohne Bedeutung, ob die Erzielung der angestrebten Verhandlungserlöse durch verzerrende oder „marktneutrale“ staatliche Eingriffe in das Marktgefüge erschwert wird. Errichtet der Staat durch eine Installation eines (wenn auch bereits früher nur subsidiären) 208 204

BVerfGE 118, 1 (16). Das Gericht sucht hier offenbar den Anschluss zu der Transparenz als „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“, den es in der Glykol-Entscheidung aufgestellt hat. 206 Einschränkend beispielsweise § 34 RVG für Erstberatung von Verbrauchern. 207 Auf diese „Leitbildfunktion“ weist vollkommen zutreffend Gaier in seinem Sondervotum hin (BVerfGE 118, 1 (35)). 208 Auch unter Geltung der BRAGO war gem. § 3 eine Vergütungsvereinbarung möglich, die lediglich bei gerichtlicher Vertretung (§ 3 V 1) nicht nach unten durchbrochen 205

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Gebührensystems eine den Wettbewerb prägende Rahmenordnung, so bleibt er auch für gesetzliche Veränderungen des Wettbewerbsgefüges verantwortlich, die sich auf alle Beteiligten gleich negativ auswirken. 209 2. Offenlassen bzw. partielle Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge a) Deregulierung II: Binnenschiffsverkehr Der Beschwerdeführer wandte sich mittels Verfassungsbeschwerde gegen die Aufhebung der Tarifbindung im Binnenschiffsverkehr. 210 Gem. § 21 BinSchVG wurden die Entgelte für Verkehrsleistungen der Schifffahrt und Flößerei zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen durch Frachtenausschüsse festgesetzt. Mit der Tarifbindung ging also eine Einschränkung der Vertragsfreiheit von Schiffführer und Kunden einher. Dementsprechend stellte die Aufhebung die Vertragsfreiheit für die Betroffenen wieder her. Gleichzeitig bedeutete die Aufhebung aber einen wirtschaftlichen Einschnitt für diejenigen Schiffführer, die die Tarifpreise am Markt nicht hätten erzielen können. Die Aufhebung der Tarifbindungen verändert also das Marktgefüge und damit die Wettbewerbschancen der betroffenen Binnenschiffer. Der Wirkungskontext der geschützten Handlungen verändert sich. Ist auch diese Wirkkraft der Wettbewerbshandlung geschützt, liegt in der Aufhebung der Normen eine rechtliche Verkürzung der realen Freiheit der Binnenschiffer, die sich nur mittels der Tarifbindung am Markt halten konnten und deren wirtschaftliche Grundlage der Berufsausübung nun wegfällt. Dem steht nicht entgegen, dass der Eingriff gleichzeitig der Verwirklichung der Grundrechte Dritter dient. Derartige Doppelwirkung treten auch in anderen Fällen auf; sie sind bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu verarbeiten. Das BVerfG ließ hier offen, ob dadurch in den Schutzbereich eingegriffen worden ist. Es verneint zwar stereotyp ein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des durch Berufsregelungen abgesicherten Geschäftsumfanges und weiterer Erwerbsmöglichkeiten. 211 Begründet wird damit aber nur, dass die Aufhebung jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei. Den Schutzbereich werden durfte. Mit der Möglichkeit der offenen Teilklage war aber auch hier für den Auftraggeber faktisch das Ansteigen der Honorarsätze zu begrenzen, außerdem bezog sich nur auf Gebühren, die im gerichtlichen Verfahren entstanden (jetzt im RVG VV Nr. 3100 ff.), war also im Anwendungsbereich enger als § 23 RVG. 209 So im Ergebnis auch die Anmerkungen von Zuck, JZ 2008, 287 (295) und Römermann, BB 2007, 1184 (1185). 210 BVerfG NJW-RR 2001, 750 ff. 211 BVerfG NJW-RR 2001, 750 (751).

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sieht das BVerfG jedenfalls „berührt“ (ohne damit einen Eingriff zu bejahen), weil das Aufhebungsgesetz die Berufstätigkeit zwar selbst unberührt lässt, aber im Blick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändert, unter denen er ausgeübt werden kann. Probleme scheint dem BVerfG der Umstand zu bereiten, dass im Falle der Bejahung eines Eingriffs die Aufhebung einer Freiheitsbeschränkung ggf. ihrerseits wieder eine Freiheitsbeschränkung darstellen würde, so dass der Gesetzgeber sowohl bei Fortbestand als auch bei der Aufhebung unter Rechtfertigungszwang stünde. Zu einer klaren Ablehnung eines Eingriffs kann sich das BVerfG aber dennoch nicht durchringen. b) Anhebung der Versicherungspflichtgrenze – BVerfGK 2, 283 § 5 SGB V regelt den Personenkreis, der grundsätzlich in einer der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert ist. Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung hindert die Versicherten nicht daran, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Dieses Angebot wird auch oft im Wege einer Zusatzversicherung angenommen, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse versicherte Risiken abdecken soll. Sie reduziert jedoch den Bedarf nach einer privaten Krankenvollversicherung und gleichzeitig die Finanzkraft der potentiellen Kunden von privaten Krankenversicherern. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte pflichtversichert, die nicht über eine bestimmtes Jahreseinkommen verfügen. Jede Änderung dieser Grenze hat damit direkte Auswirkungen auf den Kundenkreis der privaten Krankenversicherer. Im vorliegenden Fall war fraglich, ob die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze an der Berufsfreiheit der Versicherungsunternehmen zu messen ist. Das BVerfG konnte sich nicht zu einer klaren Verneinung durchringen, auch wenn es die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für hinreichend geklärt hielt und deshalb in der Kammerbesetzung entschied. Der Beschluss enthält zwar die typischen Obersätze unter Hinweis auf seine Urteile im Glykolwein-Fall, Festbetrag und Rechtschreibreform, führt jedoch keine Subsumtion durch. Im Anschluss begründet es, warum auch bei Annahme eines Eingriffs in Art. 12 GG durch Einschränkung des Kundenkreises die gesetzliche Regelung gerechtfertigt sei. 212 Auch hier gilt das zur Festbetragsentscheidung Gesagte: Die Regelungen zur gesetzlichen Krankenversicherung konstituieren den Markt für private Kranken212 Für noch vertretbar halten die Entscheidung Wollenschläger / Krogul, NZS 2005, 237 (240), die das Zunichtemachen von Wettbewerbschancen zwar noch tolerieren, hier aber in dem gänzlichen Ausschluss vom Markt einen wesentlichen Unterschied sehen, da nicht nur Chancen betroffen seien. Aber auch der vollständige Ausschluss verhindert nur die Realisierung von Wettbewerbschancen, solange nicht sicher mit dem Zuschlag gerechnet werden konnte. Sein besonderes Gewicht erhält der Ausschluss nur durch die Zwangsläufigkeit, mit der auf die Chancen zugegriffen wird.

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versicherungen. Der Markt kommt überall dort zum Erliegen, wo für die Versicherten keine faktische Wahlmöglichkeit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung gegeben ist. Der wirtschaftliche Betrieb einer Krankenversicherung hängt wiederum von der Größe des Kundenkreises ab, der in der Lage ist, die Dienstleistungen der Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Die Versicherungspflichtgrenze bildet damit die wesentliche Stellschraube für das System, innerhalb dem Krankenversicherer ihre Leistungen erbringen können und von dem der soziale und wirtschaftliche Sinn des Anbietens von Krankenversicherungen abhängt. Jede Veränderung dieser Stellschraube berührt damit die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Krankenversicherer. In diesem Fall greift die staatliche Maßnahme sogar direkt auf die potentiellen Vertragspartner der privaten Krankenversicherer zu, auch wenn durch die Zwangsmitgliedschaft in der GKV „nur“ deren Willensentschließungsfreiheit beeinträchtigt wird, da der zusätzliche Abschluss einer privaten Vollversicherung möglich bleibt, aber wirtschaftlich sinnlos wird und im Regelfall auch die Finanzmittel nicht zur Verfügung stehen. 213 c) Ökosteuer – BVerfGE 110, 274 Mit der 1999 erfolgten Einführung der so genannten „Ökosteuer“ wurde erstmals der Verbrauch von Strom besteuert und die Steuer für Kraftstoffe erhöht. Die Steuer entsteht tatbestandlich, wenn Strom durch Letztverbraucher aus dem Versorgungsnetz entnommen wird (§ 5 Abs. 1 StromStG). Steuerschuldner ist jedoch nicht der Verbraucher, sondern der Versorgungsunternehmer bzw. der Eigenerzeuger (§ 5 Abs. 2 StromStG) bzw. der Inhaber des Steuerlagers, aus denen Mineralöl in den freien Verkehr entnommen wird (§ 9 Abs. 1 MinöStG). In dem Gesetz waren Ausnahmeregelungen für bestimmte Endverbraucher vorgesehen (§§ 9 Abs. 3; 10 Abs. 1, 2 StromStG; §§ 25, 25a MinöStG). Das wirtschaftliche Handlungsgefüge, in dem Speditionsunternehmer und Betreiber von Kühlhäusern mit ihren Kunden interagieren, ist durch die Einfuhr einer Steuerlast bei den Versorgern nicht unmittelbar berührt. Das ändert sich jedoch in dem Moment, in dem die Versorger die Steuerlast an die Kunden weitergeben, was einer Prognose bedarf. Diese Prognose kann nun normativer oder tatsächlicher Art sein. Im ersten Fall könnte beispielsweise darauf abgestellt werden, ob die Norm gerade den wirtschaftlichen Hintergrund der Beteiligten regelt, was im Ergebnis der überkommenen Prüfung der berufsregelnden Tendenz entspräche und hier wohl abzulehnen ist, weil die Norm in der Sache den Verbrauch von Energie und „nicht die Berufsausübung der Speditionsunternehmer und Betreiber von Kühlhäusern zum Gegenstand hat“. 214 Eine an den wirtschaftlichen 213 Eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit der Versicherer bejahen auch Papier, ZSR 1990, 344 (350) und Bethge / v. Coelln, VSSR 2004, 199 (233 f.).

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Realitäten orientierte Prognose müsste sich genau genommen mit der mikroökonomischen Fragestellung beschäftigen, ob eine Weitergabe der Belastung für den Versorger ökonomisch sinnvoll ist, weil so ein größerer Gewinn erwartet werden kann. Einer solchen Folgenanalyse bedarf es hier deswegen nicht, weil mit dem Gesetz Ausnahmeregelungen für bestimmte Endverbraucher eingeführt werden, die mit den Beschwerdeführern im direkten Wettbewerb stehen. Das BVerfG ordnet diese marktverzerrenden Wirkungen als Gleichbehandlungsproblem ein. 215 Sie lassen sich aber schon über die Freiheitsrechte vermitteln. Die unterschiedliche Behandlung von Wettbewerbern schlägt unmittelbar auf die Wirkkraft der Wettbewerbshandlungen der benachteiligten Wettbewerber durch, in dem sie die Verteilung der Wettbewerbschancen berührt. Das BVerfG sah dagegen die Wettbewerbsfreiheit der Speditionsunternehmer und der Betreiber von Kühlhäusern als nicht berührt an und wies die Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG als unzulässig ab. 216 Die Änderung von Rahmenbedingungen berührten nur dann den Schutzbereich, wenn die Normen infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stünden und objektiv eine berufsregelnde Tendenz 217 hätten, was hier nicht der Fall sei. Zudem seien sie nicht selbst Schuldner der Steuer und damit nicht in rechtlich relevanter Weise betroffen. Aber auch das Ausmaß der tatsächlichen Belastung sei nicht sicher vorherzusagen, da diese davon abhänge, inwieweit die Versorger, aber auch die klagenden Unternehmer die Belastungen an die jeweiligen Kunden weiterreichen würden. 218 An der Entscheidung ist trotz ihrer im Ergebnis ablehnenden Haltung hervorzuheben, dass das BVerfG den Einfluss von Normen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr gänzlich aus dem verfassungsrechtlichen Blickfeld nimmt. Dabei vermengt es jedoch eine Vielzahl von Obersätzen, denen eine gewisse Gegenläufigkeit nicht abgesprochen werden kann. Wenn Marktteilnehmer keinen grundrechtlichen Anspruch darauf haben, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben und die Wettbewerbsposition dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen unterliegt, 219 wie können dann gewisse Normen (und 214

So die typische Formulierung des BVerfG im Rahmen der Eingriffsprüfung, vgl. unten C.II.2. a), S. 225 ff. 215 BVerfGE 110, 274 (290). Vgl. explizit dazu die Besprechung von Bongartz, NJW 2004, 2281 ff. und Wernsmann, NVwZ 2004, 819 ff. Zum Verhältnis von Gleichheitssatz und Freiheitsrechten noch unten A.III.2., S. 98 ff. 216 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Fragen, die das BVerfG damit offen ließ, äußert sich Haas, in: FS Mußgnug, S. 208 ff. Die Folgen für den Handel Emissionszertifikaten schildert Frenz, NuR 2004, 429 ff. 217 BVerfGE 110, 274 (288). 218 BVerfGE 110, 274 (289 f.). 219 BVerfGE 110, 274 (288).

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deren faktische Wirkungen auf die Wettbewerbsposition) davon ausgenommen sein, nur weil sie mit der Berufsausübung in engem Zusammenhang stehen – zumal angesichts der in der Regel übergangenen Subsumtion unter den Begriffs des „engen Zusammenhangs“ ein Herausschälen weniger Ausnahmekonstellationen nicht möglich ist? Das lässt nur den Schluss zu, dass eine generelle Aussage über den Schutz des Bestandes von Rahmenbedingungen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht möglich ist, auch wenn die Obersätze den gegenteiligen Eindruck erwecken wollen. d) Besteuerung von Biokraftstoffen Die Entscheidung zur Besteuerung von Biokraftstoffen erging knapp drei Jahre später vor einem ähnlichen sachlichen Hintergrund wie die eben dargestellte Entscheidung zur Ökosteuer. Der Gesetzgeber hatte es sich zum Ziel gemacht, die Produktion von Biokraftstoffen zu fördern. Nach dem zuerst verfolgten Ansatz sollten biologische Kraft- und Heizstoffe steuerbefreit sein. Der entsprechend neu eingefügte und zum 01. 01. 2004 in Kraft getretene § 2a MineralölStG sollte zunächst bis zum 31. 12. 2009 gelten. Im Laufe des Jahres 2006 beschloss der Gesetzgeber, die Förderung auf eine verpflichtende Beimischung von Biokraftstoffen umzustellen und erließ das Energiesteuergesetz. Die Steuerbefreiung sollte schneller auslaufen als bislang geplant und für Kraftstoffe ab dem 01. 01. 2007, für Heizstoffe ab dem 01. 01. 2008 einsetzen. Steuerschuldner sind sowohl nach alter und neuer Rechtslage primär die Lagerinhaber, unter gewissen Voraussetzungen aber auch der Hersteller oder Importeur (§§ 8 ff. EnergieStG; § 9 MineralölStG). Durch das EnergieStG beeinflusste der Gesetzgeber den wirtschaftlichen Rahmen der Berufsausübung der Hersteller von Biokraftstoffen. Die Verteuerung von Energie durch Mineralölsteuern vermindert deren Wettbewerbsfähigkeit, auch wenn sie die Verteilung der Wettbewerbschancen innerhalb des Marktsegments für Mineralöle wegen der gleichmäßigen Betroffenheit aller Produzenten unverändert lässt. Soweit das EnergieStG unterschiedliche Steuerlasten bei Flugbenzin und Braunkohle einführt, stehen die Produzenten von Biokraftstoffen zu den so Begünstigten nicht in Konkurrenz, so dass insoweit auch keine Verlagerung von Marktanteilen zu befürchten ist. Eine Einwirkung auf die Verteilung der Wettbewerbschancen war partiell allerdings auch innerhalb des relevanten Marktsegments gegeben, da Erd- und Flüssiggas, das ebenfalls zum Antrieb von Kraftwagen benutzt werden kann, nicht besteuert wird. 220 220 Auf diese Umstände geht das BVerfG im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG näher ein. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, da dem Gesetzgeber bei der Gewährung von Leistungen, zu denen auch die Befreiung von einer Belastung zähle, ein großer Gestaltungsspielraum zukäme, die Befreiung also nur nicht willkürlich, also unsachlich

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Die betroffenen Mineralölhersteller bzw. Vertreiber erhoben gegen das Änderungsgesetz Verfassungsbeschwerde. 221 Sie hätten mit Landwirten bereits langfristige Lieferverträge abgeschlossen. Zu ihren Kunden gehörten dagegen neben Privatpersonen auch Transportunternehmen und die öffentliche Hand; mit diesen seien in der Regel lediglich kurzfristige Verträge geschlossen worden. Ihre Investitionen für Mühlen, technische Ausrüstung, Fuhrpark, Tankstellen und in die Schaffung neuer Arbeitsplätze hätten sie im Vertrauen auf den Fortbestand der Steuersubvention im zuerst angekündigten Maße getätigt. Rein formal war also die Belastung mit der Energiesteuer der Angriffspunkt der Beschwerdeführer; in der Sache machten sie aber die wirtschaftlichen Folgelasten geltend, die mit dem Auslaufen und der absehbaren Nichtfortsetzung der Verträge zu den ursprünglichen Konditionen verbunden war, aber in keiner Weise im Konnex mit der eigenen Steuerbelastung stehen. Das BVerfG überprüfte das Gesetz an Art. 14, 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG sowie am Rechtstaatsprinzip i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG sei nicht berührt, da der Steuer keine erdrosselnde Wirkung zukomme. 222 Die möglicherweise den Bestand der Unternehmen beeinträchtigende Wirkung folge nicht aus der Steuer, sondern aus der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die nach Angaben der Beschwerdeführer selbst durch eine vollständige Steuerbefreiung nicht zur Gänze gelöst werden könnte. Auch die Berufsfreiheit sei nicht berührt, da die Wettbewerbsposition von Unternehmen und damit auch die erzielbaren Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt unterlägen. 223 Auch hier belässt es das Gericht aber nicht bei der Feststellung, sondern nennt Konstellationen, in denen die Veränderung der Wettbewerbsposition nun entgegen seiner eigenen Annahme doch von Bedeutung sein soll: Wenn nämlich eine gesetzliche Regelung Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändere, die infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv berufsregelnde Tendenz entfalten oder bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen in ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkämen. 224

erfolgen dürfe. Das sei hier mit Rücksicht auf die fehlende Konkurrenzsituation und der unterschiedlichen Förderungskonzepte nicht der Fall (zustimmend Stein, ZfZ 2007, 251 (252)). Vgl. zur „Arbeitsteilung“ zwischen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG noch unten A.III.2., S. 98 ff. 221 BVerfG NVwZ 2007, 1168 ff. 222 Zu diesem Tatbestandsmerkmal als Voraussetzung der Heranziehung des Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab der Besteuerung vgl. BVerfGE 63, 343 ff.; 78, 232 (243); 95, 267 (300); dazu nur Depenheuer, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14, Rn. 160 ff. 223 Das Gericht nutzt und verweist hier auf die Formulierungen aus Glykol-, Festbetrags- und Vergaberechtsentscheidung, vgl. oben A. I. 2. d) aa), S. 39 f.

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Art. 3 Abs. 1 GG sei schließlich nicht verletzt, da dem Gesetzgeber bei der Gewährung von Leistungen, zu denen auch die Befreiung von einer Belastung zähle, ein großer Gestaltungsspielraum zukäme, die Befreiung also nur nicht willkürlich, also unsachlich erfolgen dürfe. Im Hinblick auf die Steuerbefreiung für Flugbenzin und Flugturbinenkraftstoff bestünde ein Gleichbehandlungsanspruch der Beschwerdeführer schon deshalb nicht, weil Biodiesel und Pflanzenöle mit diesen Treibstoffen nicht um dieselben Abnehmer konkurrierten und damit keine wesentlich gleichen Sachverhalte vorlägen, ähnliches gelte für Braun- und Steinkohle. 225 Zudem habe der Gesetzgeber für Biokraftstoffe mit der Beimischungsquote ein grundsätzlich anderes Förderkonzept gewählt als bei Flugtreibstoffen oder Flüssig- und Erdgas.

Die Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG führt das augenblickliche Dilemma der Berufsfreiheit vor Augen. Wie im Fall der Ökosteuerentscheidung widerspricht die scheinbar strikte Ausklammerung von Einflüssen auf die Wettbewerbsposition der anschließenden Prüfung der berufsregelnden Tendenz, auf die auch hätte verzichtet werden können, würde das BVerfG seine eigenen Obersätze ernst nehmen. Ohne Konsequenz führt das BVerfG auch die Unterscheidung zwischen rechtlichen und faktischen bzw. mittelbaren Einwirkungen auf das Ordnungsgefüge durch. Das Gericht nimmt hier offenbar einen rechtlichen Eingriff an, was nahe liegt, da hier sogar ein Teil der Beschwerdeführer Adressat der Steuerpflicht war. 226 Die belastende Wirkung tritt jedoch in erster Linie – was das Gericht auch anspricht – durch die (weitere) Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit und damit der Wettbewerbschancen ein. Belastend sind damit die Einnahmeausfälle infolge mangelnder Konkurrenzfähigkeit, nicht aber die steuerliche Belastung der ggf. unmittelbar als Steuerschuldner betroffenen Beschwerdeführer. Diese Einnahmeausfälle werden aber gerade nicht rechtlich, sondern faktisch durch den Wettbewerb, oder genauer, durch die potentiellen (privaten) Kunden vermittelt. Nur die Einschränkung der Handlungsfreiheit durch die Steuerlast bedeutetet eine rechtliche Verkürzung grundrechtlich geschützten Verhaltens nach herkömmlicher Sichtweise, blendet man den wirtschaftlichen Kontext aus. Diese Unsicherheit setzt sich in der Subsumtion des BVerfG fort, das Argumente nicht nur gegen eine berufsregelnde Tendenz der Norm (im Falle des Vorliegens ei-

224 BVerfG NVwZ 2007, 1168 (1169). Das sei bei den Normen nicht der Fall, da sie nicht einen bestimmten Beruf zum Gegenstand hätten und die mit der Energiesteuerpflicht für Biodiesel und Pflanzenöl verbundene wirtschaftliche Belastung für alle Verbraucher dieser Kraftstoffe gleich sei. Der Gesetzgeber wollte nicht bestimmte Berufe, sondern den Verbrauch an Biokraftstoff generell beeinflussen und so diesen Markt insgesamt lenken. Zur neuen Eingriffsfigur des funktionalen Äquivalents vgl. noch unten C.III., S. 233 ff. 225 BVerfG NVwZ 2007, 1168 (1171). 226 Dann stünde der Zulässigkeit ggf. schon die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen, da die Beschwerdeführer den Steuernbescheid hätten abwarten müssen. Das BVerfG lässt dies offen, da es die Verfassungsbeschwerden jedenfalls für unbegründet hält.

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ner rechtlichen Verkürzung), sondern auch gegen das Vorliegen eines faktischen Äquivalents (im Fall der faktischen Verkürzung) vorbringt. Die Vermischung beider Einwirkungsebene gipfelt schließlich in der Vertrauensschutzprüfung gem. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, in der das BVerfG in der Sache umfangreiche Verhältnismäßigkeitsüberlegungen durchführt. Hielte das BVerfG die Minderung der Wettbewerbsfähigkeit bzw. der Wettbewerbschancen durch den Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG für grundrechtlich unbeachtlich, wäre diese Verhältnismäßigkeitsprüfung in dieser Form nicht geboten gewesen. Denn die Fallgestaltung unterscheidet sich deutlich von den angeführten Lenkungssteuern, bei denen das BVerfG die Grundsätze der unechten Rückwirkung zur Anwendung gebracht hatte. In diesen Fällen nahm der Steuerschuldner die Aussicht auf eigene Steuerermäßigungen als Anlass für eigene Investitionen. Der durch den Wegfall der Steuerermäßigungen entstandene Vertrauensverlust entspricht also spiegelbildlich genau dem Interesse des Steuerschuldners an der eigenen Verschonung, so dass der Vertrauensverlust zu Recht im Rahmen des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG durch Auferlegung der Steuerlast geprüft werden kann. Diese Deckungsgleichheit fehlt in der hier zu behandelnden Fallgestaltung. Der Vertrauensschaden vermittelt sich nicht über die Verschonung der eigenen Person, sondern gerade über die Verschonung Dritter von der Steuerschuld, die nicht im Rahmen der eigenen Betroffenheit als Steuerschuldner gerügt werden kann. 3. Volle Berücksichtigung der Minderung der Wettbewerbschancen durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge Die Ablehnung des Einbezugs des wirtschaftlichen Umfelds in die Wettbewerbsfreiheit war indes keineswegs so einheitlich, wie es die einige der bislang behandelten Entscheidungen vermuten lassen. Eine mindestens ebenso große Anzahl an Entscheidungen geht in der Behandlung ganz andere Wege, die sich mit der ersten Gruppe hinsichtlich der Obersätze wie im erzielten Ergebnis kaum in Einklang bringen lassen. Typisch ist für diese Entscheidungen die Formulierung, das Grundrecht der Berufsfreiheit schütze davor, dass die Tätigkeit aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne, was häufig ausdrücklich mit der staatlichen Beeinflussung des Wettbewerbs verbunden wird. a) Einbindung in staatliche Leistungssysteme Eine große Gruppe der Entscheidungen lässt sich einer gemeinsamen Kategorie zuordnen, die mit der Einbindung der unternehmerischen Betätigung in

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die staatliche Leistungsverwaltung beschrieben werden kann. Ein Teil der Entscheidungen betrifft dabei die Verweigerung der Aufnahme in das staatliche System, die die wirtschaftliche Ausübung der beruflichen Tätigkeit zumindest erschwert (bb) – cc)), beschränken sich aber keineswegs auf die bloße Vorenthaltung staatlicher Leistungen, 227 wie die Entscheidungen unter aa), dd) und ee) zeigen – ein überzeugender Grund würde sich hierfür auch nicht finden lassen. Das hier jeweils eng geflochtene staatliche Ordnungssystem, innerhalb dessen die berufliche Tätigkeit ausgeübt werden muss, hat es dem BVerfG aber offenbar leichter gemacht, staatliche Änderungen an eben diesen Ordnungsstrukturen mit Rückwirkungen auf die Wettbewerbschancen der eingebundenen Wettbewerbsteilnehmer als Grundrechtseingriffe zu qualifizieren, weil es die staatliche Verantwortung für die Integrität der Wettbewerbsgefüges deutlicher vor Augen führt. 228 aa) Fernmeldemonopol – BVerfGE 46, 120 Einen ersten Schwenk in Richtung des hier vertretenen Verständnisses vollzieht eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1974, die sich mit dem ehemaligen Nachfragemonopol der Deutschen Bundespost für die Abnahme von Telekommunikationsendgeräten beschäftigte. § 3 Abs. 4 der Direktrufverordnung sah vor, dass Zusatzeinrichtungen für Fernmeldeanlagen (z. B. Modems für die Datenfernübertragung) posteigen sein müssen. Damit trat an die Stelle der aufgeteilten Nachfragemacht einer Vielzahl von privaten Anschlussteilnehmern die monopolisierte Nachfrage der Bundespost, was für die Hersteller derartiger Anlagen einen Wettbewerbsnachteil bedeutete, da kein Nachfragewettbewerb eintreten konnte. Das BVerfG sah einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gegeben. Zwar richte sich die Regelung in erster Linie an die Anschlussteilnehmer, in deren Handlungsfreiheit durch das Verbot der Nutzung privater Anlagen eingegriffen werde. Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht der Berufsfreiheit sichern wolle, könne aber auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet seien, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. 229 Hier wird deutlich, dass das BVerfG den Wettbewerbsnachteil berücksichtigt haben wollte, auch wenn sich dieser nicht in Form eines direkten Verbots äußert. Es greift zu kurz, diese Passage nur als Beleg dafür anzusehen, dass das BVerfG 227

Vgl. die Überschrift bei Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 90. Die Beschränkung geht dabei ausweislich der Verweise des BVerfG in späteren Entscheidungen auf BVerfGE 82, 209 (229) zurück. Dort führt das BVerfG aber nur aus, eine berufsregelnde Tendenz könne insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung gegeben sein. Eine Beschränkung auf diese Fälle hat es dort aber nicht angenommen. 229 BVerfGE 46, 120 (137). 228

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auf einen engen Eingriffsbegriff im Rahmen der Berufsfreiheit verzichtet habe und unter bestimmten Bedingungen auch faktische Einwirkungen ausreichen lässt. 230 Denn faktische Einwirkungen betreffen hier ebenfalls nicht die Fähigkeit der Hersteller, ihre Produkte zu fertigen, sondern nur ihren von den Grundrechtsträgern gegebenen Sinngehalt, in dem sie den gewinnbringenden Verkauf der Produkte erschweren. Verengt man den Blick auf die faktischen Folgen der Wettbewerbshandlungen, wird eine Konturierung durch eine Eingriffsdogmatik schwer zu handhaben, denn die allgemeinen Zurechnungskriterien können eine überzeugende Unterscheidung der relevanten Einwirkung nicht leisten. Es bedarf noch einer Präzisierung auf der Ebene des Schutzbereichs. Zwar werden die Hersteller von Modems durch ein Nachfragemonopol nicht in der Herstellung ihrer Produkte berührt. Die Hersteller produzieren aber, um zu verkaufen. Alle Maßnahmen, die spürbare Rückwirkungen auf den Absatzmarkt haben, berühren daher die Chancen der erfolgreichen Teilnahme am Wettbewerb und damit nach dem BVerfG den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit. Hier kommt noch hinzu, dass das an die Endverbraucher gerichtete Verbot sogar unmittelbar auf den Vertragspartner der Hersteller zugreift. 231 bb) Aufnahme in den Landeskrankenhausplan – BVerfGE 82, 209 Der Träger eines privaten Krankenhauses klagte gegen die letztinstanzliche Versagung der Aufnahme in den Landeskrankenhausbedarfsplan, die mit dem Fehlen der erforderlichen Leistungsfähigkeit begründet wurde. Die Aufnahme in den Bedarfsplan ist regelmäßig mit einer finanziellen Förderung verbunden (§§ 4, 8 KHG), 232 die den aufgenommen Krankenhäusern das Bestehen im Wettbewerb erleichtert. Ein Anspruch auf Förderung besteht nach § 8 Abs. 2 S. 1 KHG dagegen nicht. Die Voraussetzungen der Aufnahme in den Bedarfsplan sind nicht ausdrücklich genannt; das BVerwG hat sie in erster Linie aus der Zwecksetzung des Gesetzes entwickelt. 233 Danach soll mit dem Bedarfsplan die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern bei sozial 230

So aber wohl Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Fn. 305. Dazu unten C.VI.1., S. 270 ff. 232 Zudem dürfen nicht oder nur teilweise geförderte Krankenhäuser ihre Kosten nur teilweise über höhere Pflegesätze von den Sozialleistungsträgern zurückfordern (§ 17 V 1 KHG). Dies gilt sogar im Verhältnis zu den Patienten, wenn die Nichtförderung auf das Fehlen eines Antrags zurückzuführen ist (§ 17 V 2 KHG). Für Kassenpatienten ergibt sich dies schon aus dem Sachleistungsprinzip (§§ 27, 39 SGB V); nach dem Wortlaut untersagt die Norm aber auch die Umlage auf Privatpatienten. Insoweit ist sogar die Vertragsfreiheit als Teil der Berufsfreiheit berührt, weil das Gesetz direkt auf die Preisgestaltung der Unternehmer zugreift, zu dem die Einwirkung auf den wirtschaftlichen Kontext erschwerend hinzutritt. In der Entscheidung hat dieser zentrale Aspekt keine Erwähnung gefunden. 231

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tragbaren Pflegesätzen gewährleistet werden (§ 1 Abs. 1 KHG). Einem Antrag ist daher stattzugeben, wenn die entsprechende Klinik dem Bedarf entspricht, leistungsfähig ist und kostengünstig arbeitet. Das BVerfG sieht in der Versagung der Aufnahme einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Krankenhausträgers, der der Rechtfertigung bedarf. Zwar sei der Betrieb des Krankenhauses weiterhin gestattet, da die Genehmigung nach § 30 GewO von der Aufnahme unabhängig sei. Das Betreiben des Krankenhauses sei als Beruf anzusehen und damit durch Art. 12 GG geschützt. Für die Bejahung eines Eingriffs genüge es, dass die Tätigkeit aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne. Auch das sei aber nicht unmittelbar der Fall, weil die Nichtaufnahme sich nur auf die Gewährung von Subventionen auswirke, auf die Art. 12 GG aber keinen Anspruch gebe. Der „besondere Freiheitsraum des Art. 12 GG [sei] aber auch berührt“, 234 wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet sei, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Dies sei insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung 235 möglich. Krankenhäuser, die nicht in den Krankenhausplan aufgenommen sind, würden dadurch einem erheblichen Konkurrenznachteil ausgesetzt. Eine Besonderheit dieser Entscheidung liegt darin, dass die Versagung nicht im Hinblick auf den leistungsrechtlichen (Schutzpflicht-)Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG oder im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG angegriffen wurde, wie es bei der Leistungsverwaltung nahe liegt. Die Unterlassung der Aufnahme begründet nach Ansicht des BVerfG einen Eingriff in die Berufsfreiheit. 236 Im Übrigen versucht sich das Urteil in den überkommenen dogmatischen Linien zu halten, begegnet hierbei jedoch gewissen Begründungsschwächen. Es schweigt dazu, wie und warum der Freiheitsraum berührt sei, die Tätigkeit nicht in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne. Der Träger eines Krankenhauses würde sich sicher wünschen, durch den Betrieb des Krankenhauses seine Gewinne ins Unendliche zu maximieren. Die Nichterfüllung dieses Wunsches hat aus grundrechtlicher Sicht sicher keine Relevanz. Fest steht nur, dass das BVerfG nicht an die Gewährung der Subvention anknüpfen kann und möchte, um keine zu spürbare Kollision mit seinen Entscheidungen zu erzeugen, die einen grundrechtlichen „Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb“ verneinen. Stattdessen stellt es darauf ab, dass die Auswirkungen der Nichtaufnahme mittelbar mit Kon233

BVerwGE 62, 86 (99). Ähnlich vor kurzem auch die Konstellation in BVerfG DVBl 2009, 1440 ff., in der allerdings keinerlei Subventionen vergeben wurden. 234 BVerfGE 82, 209 (223). 235 Das BVerfG will hier den Bogen zu seiner traditionellen Rechtsprechung schlagen und fordert eine berufsregelnde Tendenz der Planung bzw. Subventionierung. Diese soll vorliegend gegeben sein, ohne dass das Kriterium definiert oder die Feststellung weiter begründet wird. Bei einer solchen Prüfung verkommt die berufsregelnde Tendenz zur Leerformel, so dass sie hier weggelassen wurde, weil sie zur Entscheidung nichts beiträgt. 236 Vgl. dazu Wild, DÖV 2004, 366 ff.; Lerche, Übermaß, S. 265.

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kurrenznachteilen verbunden sind, ohne aber wiederum direkt die Relation zur wettbewerbsrechtlichen Chancengleichheit anzusprechen und damit in der Prüfung des Gleichheitssatzes zu münden, wie das in anderen Entscheidungen der Fall war. 237 Verständlicher wird die Entscheidung, wenn man den „besonderen Freiheitsraum“ in dem Bestand des Ordnungszusammenhangs der wirtschaftlichen Betätigung verankert sieht. Durch die selektive Gewährung von Subventionen wird der Ordnungskontext des Krankenhausbetriebes verschoben (was üblicherweise als Wettbewerbsverzerrung bezeichnet wird, ohne dass es – worauf schon mehrmals hingewiesen wurde – hierauf aber ankommen würde), ebenso durch die Nichtgewährung von Leistungen auf Vollzugsebene, auf die ein gesetzlicher Anspruch eingeräumt wurde, so dass die gesetzliche Ausgangslage das Wettbewerbsgefüge prägt. 238 Der Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausübung des Krankenhausbetriebs verändert sich, wenn sich die Bedingungen durch Gesetz oder Einzelfallregelung ändern, unter denen der Staat bisher die Wettbewerbshandlungen zugelassen hat. Ändern sich die Wettbewerbsbedingungen zum Nachteil der Grundrechtsausübenden, können sie diese Wirkung nicht mehr in gewünschten Maß erzielen. cc) Bestellung von öffentlichen Sachverständigen – BVerfGE 86, 28 Der Beschwerdeführer, der eigenständig und eigenverantwortlich als Kfz-Sachverständiger Verkehrsgutachten für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte erstellte, beantragte bei der Industrie- und Handelskammer die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger. Die örtliche IHK lehnte dies u. a. unter Hinweis auf § 36 Abs. 1 GewO ab, weil kein Bedürfnis für weitere Sachverständige in diesem Bereich bestünde. Gerichtlicher Rechtschutz gegen die Versagung blieb erfolglos. Bei der Bestellung handelt es sich um die öffentlich-rechtliche Zuerkennung einer besonderen beruflichen Qualifikation, die den betreffenden Sachverständigen aus dem Kreis der übrigen Sachverständigen heraushebt und seinen Gutachten einen hohen Grad von Glaubwürdigkeit verleiht. 239 Die Sachverständigen werden zum Unterschied zu den Wirtschaftsprüfern nicht „zugelassen“, sondern ihre berufliche oder gewerbliche Gutachtentätigkeit, die schon vorher zulässig war, erhält durch die öffentliche Bestellung einen „besonderen amtlichen Anstrich“. 240 Der öffentlich bestellte Sachverständige ist jedoch 237

Vgl. oben unter A.II.1.f), A.I.2.d). In diesen Fällen entsteht also auf verwaltungsprozessualer Ebene (§ 42 Abs. 2 VwGO) eine Verdopplung der Rechtstellung, in dem sich der übergangene Unternehmer auf das einfache Recht als Schutznorm und auf Art. 12 Abs. 1 GG stützen kann. Zum Normvollzugsanspruch vgl. noch unten B.IV.2.a)cc), S. 197 ff. 239 Bleutge, in: Marcks / Neumann, GewO, § 36, Rn. 48. 238

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bevorzugt in Gerichtsverfahren heranzuziehen (§ 404 Abs. 2 ZPO, § 73 Abs. 2 StPO, § 98 VwGO), unterliegt dafür aber im Gegenzug besonderen öffentlichrechtlichen Pflichten. 241 Zudem fordern einige Gesetze zur Feststellung des Sachverhalts zwingend das Gutachten gerade eines öffentlich bestellten Sachverständigen (z. B. §§ 610, 611 HGB; §§ 7, 23, 29a, 33 BImSchG), wenn komplizierte Sachverhalte zu ermitteln sind. Die Versagung der Bestellung hat also keinen rechtlichen Nachteil für den Betroffenen zur Folge, da er nicht an seiner beruflichen Tätigkeit gehindert ist, wohl aber Auswirkungen auf seine berufliches Fortkommen und die Verdienstmöglichkeiten. Das BVerfG sah in der Versagung eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG. Als Freiheitsbeschränkung kämen nicht allein Gebote und Verbote in Betracht; es genüge, dass durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dadurch behindert werde. 242 Wenn der Gesetzgeber durch die staatliche Anerkennung einer beruflichen Qualifikation Vorteile im beruflichen Wettbewerb schaffe, wirke sich deren Versagung als Eingriff aus: Die amtliche Bestätigung der fachlichen Kompetenz und persönliche Integrität bilde einen erheblicher Wettbewerbsvorsprung derjenigen Sachverständigen, die auf staatliche Anerkennung ihrer Kompetenz verweisen können. 243 Die Intensität der Beeinträchtigung sei auch im Hinblick auf die Beeinflussung der Wettbewerbschancen und Verdienstmöglichkeiten zu beurteilen. Im zu entscheidenden Fall sei der Arbeit als Sachverständiger zwar nicht jede Grundlage entzogen, der Eingriff gehe aber erheblich über eine wettbewerbsneutrale Ausübungsregelung hinaus. 244 Das Gericht berücksichtigt damit ausdrücklich den Werbeeffekt, der mit der Bestellung verbunden ist. Auch in diesem Fall ist das Wettbewerbsgefüge der Sachverständigen davon abhängig, wie vielen und welchen Sachverständigen das „Gütesiegel“ der öffentlichen Bestellung zuerkannt wird. Der Markt ist sensibel für die staatliche Anerkennung der Qualifikation, auch wenn mit ihr keine rechtlichen Folgen verbunden sind, die mit einer Subvention gleichzusetzen wären. Das BVerfG erkennt hier ausdrücklich an, dass die Wettbewerbschancen und Verdienstmöglichkeiten eines Berufs für den sozialen Sinn der Berufsausübung von großer Bedeutung sind und Regelungen, die das Wettbewerbsgefüge verändern und in der Folge die Verdienstmöglichkeiten des Unternehmers mindern, als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit gesehen werden müssen. 245 Auch hier 240

Bleutge, in: Marcks / Neumann, GewO, § 36, Rn. 47. Vgl. nur Rickert, in: Pielow, GewO, § 36, Rn. 7. 242 BVerfGE 86, 28 (37). 243 BVerfG a. a. O. 244 BVerfGE 86, 28 (39). 245 Als „überraschend“ bezeichnet dies Sachs, JuS 1993, 70 (71), zustimmend dagegen Jahn, JuS 1993, 643 (645). 241

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greift es zu kurz, die Differenzierung in den Eingriffsbegriff zu verschieben oder gar den Schutzbereich lapidar mit der Feststellung zu verneinen, Art. 12 GG schütze nicht vor Konkurrenz (und damit auch nicht vor einer Besserstellung der Konkurrenten?), was mit den Obersätzen der Urteile des BVerfG, die eine restriktiven Linie verfolgen, ohne weiteres möglich gewesen wäre. Denn entscheidend sind nicht die faktischen Nachteile, die sich durch die Anwesenheit von privater Konkurrenz manifestieren, sondern der auf seine Eingriffsqualität zu prüfende staatliche Einfluss, der grundrechtliche Voraussetzung der Wirkkraft der geschützten Tätigkeit erodiert, in dem er den Markt umgestaltet. Der staatliche Einfluss auf das Wettbewerbsgefüge und damit die Zurechnung zum staatlichen Handeln kann bei der Anerkennung von Qualifikationen aber nicht zweifelhaft sein. Übrig bleibt alleine die Frage, ob auch die wettbewerblichen Rahmenbedingungen vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG umfasst sind, was das Gericht in der Sache hier bejaht. dd) Vertragsarztprivileg Der Entscheidung des BVerfG 246 zum sog. Vertragsarztprivileg des § 116 S. 2 SGB V kommt eine besondere grundrechtsdogmatische Sprengkraft zu, die in dieser Hinsicht bislang allerdings nur spärliche Aufnahme erfahren hat. 247 Auf das rudimentärste vereinfacht lässt sie sich als Abkehr von der gebetsmühlenartig wiederholten Aussage verstehen, Art. 12 Abs. 1 GG schütze nicht vor privater Konkurrenz – auch wenn die Entscheidung selbst mit vielen Einschränkungen versehen ist. Zum Hintergrund der Entscheidung: § 116 S. 2 SGB V ermächtigt die zuständige Behörde, angestellten Krankenhausärzten die Erlaubnis zur vertragsärztlichen Versorgung zu erteilen, wenn eine ausreichende Versorgung der Versicherten andernfalls nicht sichergestellt ist. Vertragsärzte der Krankenkassen sind hinsichtlich des Marktzugangs und ihres Wettbewerbsverhaltens einem streng regulierten Rechtsregime unterworfen, tragen aber gleichwohl als Selbständige eine wirtschaftliches Risiko. Zudem ist ihr Gesamtbudget limitiert, das ihnen über die Krankenkassen zur Verfügung gestellt wird. Krankenhausärzte sind dagegen abhängig Beschäftigte, die von einem solchen Risiko nicht betroffen sind, freilich um den Preis eines wohl im Regelfall geringeren Einkommens. Durch die Zulassung von Krankenhausärzten innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung entstehen den Vertragsärzten damit zwangsläufig wirtschaftliche Nachteile, 246 BVerfG NJW 2005, 273 ff. Den Nichteinbezug in das staatliche Vergütungssystem hatte bereits BVerfGE 11, 30 (39) zum Gegenstand, in der sich Ärzte gegen die Kontingentierung der Kassenarztzulassung wandten. 247 Aus grundrechtlicher Perspektive gehen nur Düring, in: FS Schnapp, S. 389 ff. und Beeretz, ZMGR 2005, 311 ff. auf die Entscheidung ein, auch wenn sie in Fachzeitschriften häufig besprochen wurde.

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weil sie zusätzlicher Konkurrenz ausgesetzt sind. Das im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde durch einen Vertragsarzt angegriffene BSG-Urteil 248 verneinte dessen Klagebefugnis aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil die von ihm geforderte schwere Betroffenheit des Klägers, die es erst bei einer willkürlichen Entscheidung annehmen wollte, nicht gegeben sei. Die zweite Kammer des ersten Senats hielt diese Auslegung für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar: Bei einem regulierten Marktzugang könnten auch an den Konkurrenten adressierte Einzelentscheidungen, die das erzielbare Entgelt des Wettbewerbers vermittelt über den Wettbewerb beeinflussen, die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtigen. 249 Komme es durch hoheitliche Maßnahmen zu weitergehenden, nicht an dem Interesse an der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichteten Eingriffen in die gesetzlich durchstrukturierten Marktbedingungen, die zu einer Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse führen können, könnten die im System eingebundenen Leistungserbringer in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt sein. 250 Auch in dieser Entscheidung lässt das BVerfG erkennen, dass die Einflüsse des wirtschaftlichen Umfelds auf die Erwerbsmöglichkeiten von grundrechtlicher Bedeutung sind, in dem es die Minderung der Wettbewerbschancen durch die staatliche Mitverantwortung für die Ausweitung der Wettbewerbsposition von Wettbewerbern als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG qualifiziert. 251 Das Urteil zeigt, dass die Aussage, Art. 12 Abs. 1 GG schütze nicht vor Konkurrenz, in dieser Pauschalität nicht haltbar ist. In diesem Fall lässt sie sich nicht einmal damit verteidigen, dass kein Schutz vor konkurrenzwirtschaftlicher Betätigung gewährt werde, sondern Eingriffe in die Chancengleichheit verhindert würden. Denn hier klagte ein niedergelassener Arzt auf Berücksichtigung seiner gesetzlich eingeräumten Privilegien, die ihm eine wirtschaftliche Berufsausübung sichern sollten. Damit nivellierte das BVerfG die Unterschiede zwischen der rechtlichen Verkürzung der durch freie Vertragsgestaltung erzielbaren Entgelte, z. B. durch Einbindung in ein Vergütungssystem, und der „faktischen“ Verkürzung der Entgelte durch Veränderung der Wettbewerbsbedingungen. Eine Verkürzung der Freiheit liegt damit nicht erst dann vor, wenn ein bestimmtes Entgelt rechtlich untersagt wird. Auch die Einwirkung auf die Wettbewerbsbedingungen, die die Erzielung faktisch unmöglich machen oder beeinträchtigen, sind nach diesem Urteil an der Wettbewerbsfreiheit zu messen, weil auch auf diese Weise die Handlungsfreiheit der Wettbewerbsteilnehmer verkürzt wird. 252

248

BSG NZS 2000, 518 ff. BVerfG NJW 2005, 273 (274). 250 BVerfG NJW 2005, 273 (275). 251 Eine „Entfernung von einer rechtschutzfreien Zone“ erkennt auch Beeretz, ZMGR 2005, 311 (313). 249

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Wohl aus Angst vor der eigenen Courage versucht das BVerfG allerdings im gleichen Zug, den Anwendungsbereich seiner Aussage einzuschränken, indem es an altbekannten Formulierungen festhält. Die Wettbewerbsposition und die Erträge unterlägen grundsätzlich dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen. Anders sei es nur, wenn die Konkurrenznachteile im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel stünden, was an die gleich lautende Passage in seiner Entscheidung zur Aufnahme eines Krankenhauses in den Landeskrankenhausplan anknüpft. 253 Schon in dieser Entscheidung ist der Bedeutungsgehalt der Passage mehr als unklar, weil das BVerfG gerade nicht die Subventionsgewährung zum Gegenstand seiner Prüfung macht. Im Falle des Vertragsarztprivilegs liegt indes nicht einmal ein Fall vor, der mit der Aufnahme in ein Subventionsprogramm vergleichbar wäre. Die verschlungenen Leistungswege der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Sachleistungsprinzip, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht der Staat Mittel ausschüttet, sondern im Wege seiner Beiträge letztlich der jeweils Versicherte. 254 Nicht die Krankenkassen als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung, sondern der Versicherte erteilt die Behandlungsaufträge, die schlussendlich in einer Leistungspflicht der Krankenkassen münden. 255 Wenn die Strukturen der GKV als Beispiel für „staatliche Planung und Verteilung staatlicher Mittel“ fungieren muss, besitzt es keine Ausgrenzungskraft mehr. Einfallspunkt einer normativen Einschränkung böte allerdings in der Tat die Eingangsformulierung, die eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG an ‚weitergehende‘ Eingriffe bindet. Sie könnte den Schluss nahe legen, dass Veränderungen der gesetzlichen durchstrukturierten Marktbedingen mit Einfluss auf die Wettbewerbschancen der Beteiligten solange nicht als Eingriff in den Schutzbereich gelten sollen, als sie im Interesse der Funktionsfähigkeit des Systems vorgenommen werden. Gegen eine solche Auslegung lässt sich allerdings der Vorwurf erheben, er würde die Prüfungsstufen der bisherigen Dogmatik vermischen. 256 Auf der Ebene des Schutzbereichs kann die Zielsetzung des Staates nicht von 252 Kritisch sieht diese Entwicklung Nix, SGb 2005, 63 (64), der von einer „individualistisch marktwirtschaftlichen Konzeption“ – allerdings nicht in dem hier gemeinten Sinne. Die grundrechtsdogmatischen Konsequenzen für andere Fallgestaltungen zeigt Düring, in: FS Schnapp, S. 394 ff. auf. 253 Vgl. BVerfGE 82, 209 ff., oben A.II.3.a)bb), S. 73 f. 254 Dies stellt freilich nur eine Vereinfachung dar, da die Gesamtvergütung aus dem Gesundheitsfonds entrichtet wird, in die neben den Beiträgen der Versicherten auch der Bund gem. § 221 SGB V einzahlt. Dies ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass die Mittel primär aus den Beiträgen der Versicherten stammen (vgl. § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V). 255 Gem. § 85 Abs. 1 SGB V ist die jeweilige Krankenkasse zur Entrichtung einer Gesamtvergütung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung verpflichtet, die sich wiederum aus Einzelleistungen zusammensetzen kann. Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen gem. § 85 Abs. 4 SGB V dann an die Vertragsärzte.

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Bedeutung sein, da der grundrechtlich geschützte Lebensbereich vernünftigerweise nicht von subjektiven Absichten des Gesetzgebers abhängen kann. Die Veränderung der Wettbewerbschancen kann dem Schutzbereich entweder zugeschlagen werden oder nicht. Eine fallgruppenbezogene oder gar subjektiv motivierte Schutzbereichsbestimmung wäre in das Belieben des Rechtsanwenders gestellt und mit dem Charakter der Grundrechte als wirksames Bollwerk gegen staatliche Übergriffe unvereinbar. ee) Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung In Abkehr zu seiner restriktiven Entscheidung zu Arzneimittelfestbeträgen hat im 1. Senat des BVerfG in der Zwischenzeit offenbar auch im Gesundheitswesen eine Rückbesinnung auf die ehemals im Schutzbereich verfolgte großzügigere Linie eingesetzt. 257 Die gesetzliche Regelung hatte unter anderem zur Folge, dass Preissenkungen auf dem freien Arzneimittelmarkt nicht unmittelbar auf den Abgabepreis im Verhältnis zur gesetzlichen Krankenkassen durchschlugen, weil Medikamente bestimmter Hersteller im Verhältnis zu gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich einem Abschlag unterlagen, der (nur) bei diesen nicht auf Preissenkungen angerechnet wurde. Die Medikamente der betroffenen Hersteller wirkten daher auf dem privaten Arzneimittelmarkt teurer, als sie objektiv waren. Die damit verbundene Minderung der Absatzchancen stufte das BVerfG als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein und sah damit also die Absatzchancen – hier sogar ohne weitere Relativierung – vom Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit umfasst. 258 Ähnlich umstandslos ordnete es in einer früheren Entscheidung die Minderung der Absatzchancen beim Verkauf eines Medikamentes infolge des Wegfalls der Verordnungsfähigkeit als rechtfertigungsbedürftig ein. 259 b) Rückkoppelung an eigenes Wettbewerbsverhalten Ein weiterer Teil der Entscheidungen, die staatliche Einwirkungen auf die Wettbewerbschancen berücksichtigen, stellen nicht ausdrücklich auf die Beibehaltung des wirtschaftlichen Kontextes der Berufsausübung ab. Die jüngsten Entscheidungen des BVerfG arbeiten mit einer Rückkoppelung an die Auswirkungen auf die unternehmerische Vertragsfreiheit. Damit wird verschleiert, dass 256 So einer der oft geführten Einwände gegen die Glykol-Entscheidung, vgl. nur Murswiek, NVwZ 2003, 1 (4); Lindner, DÖV 2003, 185; Huber, JZ 2003, 290 (295 f.); Hellmann, NVwZ 2005, 163 (164). 257 BVerfG NZS 2008, 34 ff. 258 BVerfG NZS 2008, 34 (36). 259 BVerfG NJW 1992, 735 ff.; vgl. dazu die grundrechtlichen Ausführungen von Wigge, Pharma Recht 1996, 34 (39 ff.).

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im Ergebnis immer dann ein Schutz des wirtschaftlichen Ordnungsgefüges gewährt wird, wenn dessen Veränderung die Wettbewerbschancen der Unternehmer vermindert. aa) Tariftreueerklärung, BVerfGE 116, 202 Nach dem Berliner Tariftreuegesetz sollte die Vergabe von Bauleistungen sowie von Dienstleistungen bei Gebäuden und Immobilien mit der Auflage erfolgen, dass die Unternehmen ihre Arbeitnehmer bei der Ausführung dieser Leistungen nach den jeweils in Berlin geltenden Entgelttarifen entlohnen und dies auch von ihren Nachunternehmern verlangen (§ 1 Abs. 1 S. 2). Wer gegen eine solche Auflage verstieß, wurde nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes mit einer Auftragssperre von zwei Jahren belegt. Das BVerfG sah durch die Regelung die Berufsfreiheit der Unternehmer berührt. Von dieser sei unter anderem die Freiheit umfasst, Arbeitsbedingungen mit ihren Arbeitnehmern im Rahmen der Gesetze frei auszuhandeln. 260 Gesetzliche Vorschriften, die die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen betreffen und die sich deshalb für den Arbeitgeber als Berufsausübungsregelungen darstellen, seien daher grundsätzlich an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen (unternehmerische Vertragsfreiheit). Eine solche Regelung liege hier vor. Mit der Forderung nach der eigenen Tariftreue als Vergabebedingung werde nicht nur allgemein das Wettbewerbsverhalten geregelt, sondern auf den Vertragsschluss zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingewirkt. Die Unternehmen würden bei Ablehnung der von ihnen geforderten Tariftreue von der Möglichkeit, ihre Erwerbschancen zu verwirklichen, ausgeschlossen, auch wenn sie sich im Übrigen an die Vergabebedingungen hielten. Auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 BerlVgG würden sie zu einer bestimmten Gestaltung ihrer Verträge mit Dritten angehalten und damit in ihrer unternehmerischen Vertragsfreiheit berührt. 261 In seiner Argumentation versucht das BVerfG den Spagat zwischen bewährten Prüfungsmustern und der Einbeziehung der Wettbewerbssituation der Unternehmer. Es berücksichtigt zwar ausdrücklich die Einflüsse des Tariftreuegesetzes auf die Erwerbschancen der Unternehmer, wie sie sich ohne Anpassung an das geforderte Verhalten darstellen würde. Der Ausschluss aus dem Vergabeverfahren oder der Verstoß gegen die Tariftreueverpflichtung führt zu dem Wegbrechen der öffentlichen Auftragsvergabe, die einen nicht unerheblichen Nachfragefak260

BVerfGE 116, 202 (221). Das Urteil entspricht damit im Ergebnis der in der Literatur zunehmend vertretenen Ansicht, der Staat könne in seiner Eigenschaft als Auftraggeber nicht nur in Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch in die Berufsfreiheit eingreifen, vgl. nur Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481); Cremer, in: Pünder u. a. (Hrsg.),Vergaberecht, S. 38 ff.; kritischer Pietzcker, ZfBR 2007, 131 (136 f.): „Übertreibung“ nun in die gegenteilige Richtung; Burgi, WuW 2007, 173 (280 ff.). 261

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tor ausmacht. Die Verschlechterung der Wettbewerbsposition will das BVerfG aber dennoch nicht genügen lassen und bemüht daher einen kleinen Kunstgriff, in dem es den Einfluss des Staates auf das Wettbewerbsgefüge an das Wettbewerbsverhalten des Unternehmers rückkoppelt. 262 Es stellt damit im Gegensatz zur Vergaberechts-Entscheidung nicht mehr nur auf die Wettbewerbssituation ab, in der sich der Unternehmer befindet und deren Beeinflussung durch den Staat jedenfalls dann nicht als Eingriff zu werten sei, wenn sich auch der Staat wie ein privater Wettbewerber verhalte. Legt man diese Argumentation zugrunde, hätte das BVerfG einen Eingriff in die Berufsfreiheit auch hier ablehnen können, weil es privaten Kunden ohne weiteres gestattet ist, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zum Gegenstand vertraglicher Abreden zu machen, soweit keine Mindestschutzvorschriften unterschritten werden. Gegenstand der Prüfung wird vielmehr die unternehmerische Vertragsfreiheit im Verhältnis zu den angestellten Arbeitnehmern. Knüpft die öffentliche Hand an die Vergabe bestimmte Bedingungen, wird ein Verhaltensanreiz gesetzt, der in seiner Wirkung im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer einer rechtlichen Freiheitsverkürzung gleich kommen kann. Auf diese Weise kann es das BVerfG vermeiden, auf den wirtschaftlichen Kontext Bezug zu nehmen und muss nur der in gewohnten Bahnen verlaufenden Frage nachgehen, ob der Verhaltensanreiz als Eingriff zu beurteilen ist. Durch den Wechsel der Perspektive verändert sich aber das Freiheitshindernis, das zur Überprüfung gestellt wird. Die von den Betroffenen gerügte Zwangswirkung besteht nur vordergründig in der Einschränkung der Vertragsfreiheit im Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern. Die Beschwerdeführer hatten gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde erhoben, weil es die bisher mögliche wirtschaftliche Ausübung ihres Berufs behindert, in dessen Folge sie entweder durch erhöhte Personalkosten oder aber durch Ausschluss aus dem von der öffentlichen Hand eröffneten Markt wirtschaftliche Einbußen erleben werden. Den Wechsel der Perspektive hätte es nicht bedurft, wenn der staatliche Zugriff auf die Wettbewerbschancen geprüft und für ausreichend gehalten wird, wie es das BVerfG im Ergebnis doch tut und die es sogar ausdrücklich anspricht. Auch hier eröffnet die jeweils vergebende Stelle den Wettbewerb und verteilt damit objektiv Chancen um den Zuschlag des Auftrags. Mit dem Vergabegesetz verändert das Land damit das Wettbewerbsgefüge, das durch die Nachfrage des Staates konstituiert wurde, in dem er diesen Unternehmern die Chance verwehrt, durch selbstbestimmte Wettbewerbsanstrengung den Zuschlag zu erhalten. Darin liegt ein Eingriff in das Wettbewerbsverhalten unter Einbezug ihres Wirkungskontextes. 263 262 Als Beleg für die neue, restriktive Linie des BVerfG hält die Entscheidung daher Höfling / Rixen, RdA 2007, 360 (363), was angesichts der Begründung des BVerfG nachvollziehbar ist, aber im Ergebnis hier nicht geteilt wird. Beklagt wird vor allem, dass die berufsregelnde Tendenz nach herkömmlicher Dogmatik keinen derartigen „beträchtlichen Begründungsaufwand“ unter Einbeziehung seiner neuen Eingriffsfigur des „funktionalen Äquivalents“ erfordert hätte.

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Das BVerfG hält den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit allerdings für gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wolle mit der Erstreckung der Tariflöhne auf Außenseiter einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwirken und verfolge damit ein legitimes, dem Schutz der Beschäftigten dienendes Ziel, 264 das mit seinem hohen Gewicht die Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen könne. 265 Der EuGH ließ diese Argumentation nicht gelten, da „die Akten keinen Hinweise darauf enthielten, dass ein im Bausektor tätiger Arbeitnehmer nur bei seiner Beschäftigung im Rahmen eines öffentlichen Auftrags für Bauleistungen und nicht bei seiner Tätigkeit im Rahmen eines privaten Auftrags des Schutzes bedürfe.“ 266

bb) Nichtraucherschutzgesetze der Länder, BVerfGE 121, 317 Einen ähnlichen Ansatz wie in der Tariftreue-Entscheidung wählte das BVerfG in seiner Entscheidung über den Nichtraucherschutz in Gaststätten vom 30. 07. 2008 – die erste Entscheidung des 1. Senats zur Wettbewerbsfreiheit seit dem Ausscheiden des Richters Hoffmann-Riem, der für die neue Rechtsprechungstendenz seit der Glykol-Entscheidung maßgeblich verantwortlich war. 267 (1) Rechtlicher Kontext Gegenstand des Verfahrens waren die Nichtraucherschutzgesetze der Länder Baden-Württemberg (in Kraft ab dem 01. 08. 07) und Berlin (in Kraft ab 01. 01. 08), die das Rauchen aus Gründen des Gesundheitsschutzes in Gaststätten und Diskotheken eindämmen wollten. Dem ging ein Streit über die Gesetzgebungskompetenz des Bundes 268 voraus, der wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zu einer Ablehnung einer bundesrechtlichen Lösung führte. § 7 Abs. 1 263

Ähnlich auch Höfling / Rixen, RdA 2007, 360 (363 f.). BVerfGE 116, 202 (223). 265 BVerfGE 116, 202 (227). 266 EuGH, Urteil v. 03. 04. 2008, Rs. C-346/06 – Rüffert = NJW 2008, 3485 (3488). Der für notwendig gehaltene Schutz erreicht also nur einen Teil der Arbeitnehmer, und das reicht nach der Ansicht der EuGH für eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 49 EGV nicht aus, vgl. Klumpp, NJW 2008, 3473 (3475); zustimmend Bungenberg, EuR 2008, 397 ff. Der EuGH prüft also mit anderen Worten auch die Effizienz der Maßnahme, die über die grundgesetzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung hinausgeht. 267 Aus grundrechtsdogmatischer Sicht besprechen die Entscheidung Michael, JZ 2008, 875 ff.; Bäcker, DVBl 2008, 1180 ff.; Sachs, JuS 2008, 916 (918). Hier nicht weiter thematisiert soll der Aspekt der Folgerichtigkeit werden, den das BVerfG in die Verhältnismäßigkeitsprüfung integriert hat. 268 Ein Bundesgesetz hätte nur auf die Kompetenz zum Erlass von Arbeitschutzvorschriften gestützt werden können (Art. 74 Nr. 12 GG); das Gaststättenrecht verbleibt dagegen bei den Ländern. Vgl. dazu Geerlings, Recht und Politik 2008, 163 ff. 264

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S. 1 des NRG BW untersagte in Gaststätten das Rauchen. Ausgenommen waren davon allerdings gem. § 7 Abs. 1 S. 3 NRG BW Bier-, Wein- und Festzelte sowie die Außengastronomie und die im Reisegewerbe betriebenen Gaststätten. Ebenfalls nicht betroffen waren nach § 7 Abs. 2 NRG BW vollständig abgetrennte Nebenräume, wenn und soweit diese Räume in deutlich erkennbarer Weise als Raucherräume gekennzeichnet waren und die Belange des Nichtraucherschutzes dadurch nicht beeinträchtigt wurden; für Diskotheken verblieb es bei dem strikten Rauchverbot. Die Betreiber der Gaststätten waren für die Einhaltung des Rauchverbots gem. § 8 NRG BW verantwortlich und hatten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Verstöße zu verhindern. Diese Pflicht war allerdings nicht bußgeldbewehrt, ordnungswidrig handelten nur die rauchenden Gäste. Die Berliner Regelung war dem Gesetz aus Baden-Württemberg sehr ähnlich. Auch in Berlin war gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8 NRG das Rauchen in Gaststätten, einschließlich Clubs und Diskotheken verboten. Wie in Baden-Württemberg war das Rauchen gem. § 4 Abs. 3 in abgetrennten Nebenräumen zulässig, wenn voneinander getrennte und abgeschlossene Räume sowohl für rauchende als auch für nicht rauchende Gäste zur Verfügung stehen. In Bezug auf Diskotheken galt die Ausnahme nur, wenn zu ihr keine Personen unter 18 Jahren Zutritt haben. Ebenso hatten die Betreiber von Gaststätten gem. § 6 NRG Berlin bei einem Verstoß gegen das Rauchverbot die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß zu unterbinden und weitere Verstöße zu verhindern; im Unterschied zu Baden-Württemberg war allerdings auch diese Pflicht bußgeldbewehrt. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Gaststättengewerbe lagen dem BVerfG einige Studien vor. Einer der Beschwerdeführer aus Baden-Württemberg gab an, in seiner Gaststätte habe das Rauchverbot zunächst zu Umsatzrückgängen zwischen 30 % und 40% im Vergleich zu den Vorjahresmonaten geführt, die auf die kürzere Verweildauer zurückzuführen sei. Auch nach zehn Monaten Rauchverbot blieben die Umsätze noch rund 20% hinter den Vorjahresumsätzen zurück. Würde es bei dem Umsatzrückgang bleiben, sei absehbar, dass die Gaststätte zukünftig nicht mehr profitabel geführt werden könne. (2) Argumentationsgang des BVerfG Das BVerfG sieht in den Regelungen eine Verletzung der Berufsfreiheit der Betreiber bzw. Inhaber von Einraumgaststätten. 269 Obwohl das Verbot, in Gaststätten zu rauchen, vornehmlich an die Gäste gerichtet ist, greife es auch unmittelbar in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Gaststättenbetreiber ein. Denn der Schutz der Berufsfreiheit erstrecke sich auch auf das Recht, Art und Qualität der am Markt angebotenen Güter und Leistungen selbst festzulegen. 269

BVerfG NJW 2008, 2409 (2410).

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Dieses Recht sei hier berührt, denn der Gastwirt könne nur noch in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen darüber entscheiden, ob er die Leistungen und Dienste seines Gaststättenbetriebs auch solchen Gästen anbieten wolle, die diese zusammen mit dem Rauchen von Tabak in Anspruch nehmen möchten. 270 Dem Gastwirt werde es nicht nur erheblich erschwert, Raucher mit seinen Angeboten zu erreichen, sondern er werde regelmäßig daran gehindert, seine Leistungen insbesondere in Form des Verabreichens von Speisen und Getränken gegenüber solchen Gästen zu erbringen, die auf das Rauchen in der Gaststätte nicht verzichten wollen. Diese Beeinträchtigung der beruflichen Betätigung sei kein bloßer Reflex eines an die Raucher gerichteten Verbots, sondern stelle einen unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Gaststättenbetreiber dar. Aus der Systematik der gesetzlichen Regelungen über das Rauchverbot in Gaststätten folge, dass durch diese Vorschriften auch den Gastwirten untersagt werde, ihre Leistungen und Dienste den Rauchern unter ihren Gästen anzubieten. Der Gastwirt könne nicht einerseits verpflichtet sein, das Rauchen in seiner Gaststätte zu unterbinden, während er andererseits den Aufenthalt rauchender Gäste hinnehmen und diesen Speisen und Getränke solle anbieten dürfen. 271 Wie in der Tariftreue-Entscheidung stellte das BVerfG damit bei der Eingriffsprüfung nicht auf die veränderte Wettbewerbssituation ab, in der sich insbesondere die Betreiber bzw. Inhaber von sog. „Einraumkneipen“ nach dem Erlass der Nichtraucherschutzgesetze befanden. Die (prognostizierten) Umsatzeinbußen fanden nur in die Verhältnismäßigkeitsprüfung Eingang. Die Bejahung des Schutzbereichs gelingt dem BVerfG auch hier ohne großen Begründungsaufwand mit der ausschließlichen Betrachtung der Vertragsfreiheit. Damit konnte es auch die Obersätze vermeiden, die typisch für die neue Rechtsprechung des 1. Senats geworden waren. Die „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ finden in dem Urteil keine Erwähnung mehr, dessen „Leiturteil“ 272 findet sich nur in der abweichenden Meinung des Richters Masing wieder. 273 (3) Stellungnahme Die vom BVerfG angenommene unmittelbare rechtliche Verkürzung der Vertragsfreiheit der Betreiber ist aber bei näherem Hinsehen wenig überzeugend: In ihren Stellungnahmen hatten sowohl das Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg als auch das Justizministerium des Landes Thüringen bezweifelt, dass den angegriffenen Regelungen eine berufsregelnde Tendenz zukomme. Das Ministerium für Arbeit und Soziales misst dem Verbot 270 271 272 273

BVerfG NJW 2008, 2409 (2410). BVerfG NJW 2008, 2409 (2411). BVerfGE 105, 252 ff. – Glykolwein. BVerfG NJW 2008, 2409 (2421).

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auch keine berufsregelnde Tendenz bei, es handle sich um eine berufsneutrale Regelung, die den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 nur mittelbar wegen seiner tatsächlichen Auswirkung tangiere. Die bereits mit entsprechenden Landesgesetzen befassten Verfassungsgerichtshöfe in Rheinland-Pfalz 274 und Sachsen 275 hatten eine Berufsausübungsregelung bejaht. Auch Zimmermann 276 geht von einem Eingriff in die Berufsfreiheit aus. Es stehe dem Betreiber nicht mehr frei, das Betriebskonzept „Rauchergaststätte“ uneingeschränkt anzubieten. Zudem seien die Betreiber selbst zur Durchsetzung des Raucherverbots angehalten. Diese Verpflichtung sei zum Teil bußgeldbewehrt, ihre fortgesetzte Missachtung könne aber auch zum Entzug der Betriebserlaubnis wegen Unzuverlässigkeit des Betreibers gem. § 15 Abs. 2 GastG führen. Selbst im Falle einer bloß mittelbaren Beeinträchtigung komme den Vorschriften eine berufsregelnde Tendenz zu, weil sie mit dem Betrieb einer Gaststätte in engem Zusammenhang stünden und im Schwerpunkt nicht die Besucher, sondern die Gaststättenbetreiber beträfen. Dem Einwand der bloß mittelbaren Beeinträchtigung begegnet das BVerfG mit der oben dargelegten Überlegung, im Übrigen geht es auf den Einwand nicht näher ein. Wäre das Rauchverbot aber nun auch an der Berufsfreiheit der Gaststättenwirte zu messen, wenn die Wirte von der Durchsetzung völlig befreit, sich die Bußgeldandrohung nur an deren Gäste richten und den Betreibern das Bedienen von Rauchern ausdrücklich gestattet würde? Der Gesetzgeber hätte es dann durch wenige gesetzestechnische Veränderungen in der Hand, das Rauchverbot in der bestehenden Form aufrechtzuerhalten, könnte aber das gleiche abschreckende Verhalten über hohe an die Gäste gerichtete Bußgeldandrohungen erzielen. 277 Die Grenzen einer Argumentation, die Verbote in derart pauschaler Weise an eigenes Wettbewerbsverhalten rückkoppeln will, wird noch deutlicher, wenn man sie auf das Verbot des Konsums von Cannabisprodukten überträgt. 274

VerfGH RhPf NVwZ 2008, 552 ff. VerfGH Sachsen, e.A. vom 27. 03. 2008, Az. 25-IV-08. 276 Zimmermann, NVwZ 2008, 705 (706). Zimmermann knüpft allerdings in seiner Analyse noch an der Glykol-Entscheidung an. Er sieht durch das Verbot keine idealtypischen Funktionsbedingungen etabliert, da das Gesetz die Regulation der Dienstleistungen nicht Angebot und Nachfrage überlässt. Eine solche Interpretation des BVerfG würde allerdings dazu führen, dass Verbotsnormen niemals idealtypische Funktionsbedingungen etabliert, da sie unmittelbar immer die Freiheit eines Marktteilnehmers verkürzt und damit in Angebot und Nachfrage eingreift. Akzeptiert man die Vorgaben der Glykol-Entscheidung, sollte man sie nicht in einer Weise interpretieren, die sie in der Anwendung leer laufen lässt. Letzten Endes ist es aber bedeutungslos, wie das Urteil bei konsequenter Verfolgung des Glykol-Beschlusses hätte ausfallen müssen. Das BVerfG hat mit seiner Rauchverbotsentscheidung diese Linie wieder verlassen. Der Sache nach wurde sie allerdings schon in den Folgeurteilen nicht konsequent umgesetzt, vgl. oben A.I.2.d)cc), S. 43 ff. 277 Vgl. auch Murswiek, DVBl 1997, 1021 (1026). 275

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Denn auch mit dem Verbot von Cannabisprodukten wird die Möglichkeit des Gaststättenbetreibers eingeschränkt, „seine Leistung auch Gästen anzubieten, die diese zusammen mit dem Rauchen von Cannabis einnehmen wollen“. Dass diese Beeinträchtigung allerdings keinen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG konstituieren, wird im Ergebnis sicher nicht umstritten sein. Mit der Argumentation des BVerfG lässt sich das allerdings kaum begründen. Da das BVerfG bereits einen Eingriff in das Recht zur freien Gestaltung der am Markt angebotenen Leistung annimmt, musste (und wollte) es zur Reichweite des Schutzbereichs bei der Veränderung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Aussage mehr treffen, da die Vertragsfreiheit des Unternehmers ganz unbestrittenen zu dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zählt. Gesteht man den Betreibern das Recht zur Bewirtung von Rauchern in einem (erneuten) Gesetz ausdrücklich zu, wird der Umfang des Schutzbereichs indes wieder aktuell. Wegen der nicht verallgemeinerbaren Begründung, die über wesentliche Probleme hinweggeht, kann das Urteil nicht überzeugen. Angesichts des Hintergrunds der Regelungen, die den Nichtrauchern Schutz und die Möglichkeit der gesellschaftlichen Integration bezwecken sollen, ist die Verantwortung des Betreibers für die Einhaltung der Nichtraucherschutzgesetze von sekundärer Bedeutung und in gesetzlichen Regelungen auch verzichtbar. Die Nichtrauchergesetze greifen auf das Wettbewerbsgefüge zu und verändern damit den Kontext der Wettbewerbshandlung, in dem die Wettbewerbschancen auf einem Wettbewerbssegment zu Lasten Einzelner verschoben werden. Dass der Kern des Problems weniger in der vom BVerfG postulierten unmittelbaren Adressatenstellung der Gaststättenwirte als vielmehr in den faktischen Auswirkungen des Fernbleibens der Gästen liegt, wird in dem Urteil auch in der Verhältnismäßigkeitsprüfung deutlich, in der das BVerfG auf die Umsatzrückgänge Bezug nimmt. Die Umsatzrückgänge und damit die faktische Betroffenheit der Gastwirte sind aber von der gesetzestechnischen Ausgestaltung der Adressatenstellung weitgehend unabhängig. Dabei darf das Zahlenmaterial des BVerfG durchaus kritisch betrachtet werden, das in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Illustration der Belastung herangezogen wurde. Die Gesetzesbegründung des Landes BW meint dagegen im europäischen Vergleich den Schluss entnehmen zu können, dass mittelfristig durch das Rauchverbot keine Umsatzeinbußen bei Gaststätten zu verzeichnen wären (LT-Drs. 14/1359, S. 15). Im dritten Quartal 2007 mussten die getränkegeprägte Gastronomie in Ländern mit Rauchverbot Umsatzrückgänge von 9,8 % hinnehmen, in Ländern ohne Rauchverbot demgegenüber von 6,8 %; im vierten Quartal desselben Jahres Rückgänge von 14,1% gegenüber solchen von 8,8 %. (Quelle: statistisches Bundesamt). Das Rauchverbot war hier also (unter Vernachlässigung aller anderen Einflussfaktoren) maximal für einen Rückgang von 5,3% des Umsatzes verantwortlich – weit weniger, als die Umfragen der Interessenverbände angaben. Das BVerfG sieht hier die besondere Betroffenheit der Gaststätten, die vorwiegend Getränke anbieten, belegt; denn für die speisegeprägte Gastronomie habe derselbe Vergleich für das dritte Quartal keinen und im vierten Quartal nur einen geringen Umsatzrückgang ergeben. Dabei wird übersehen, dass die getränkegeprägte Gastronomie

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

auch in Ländern ohne Rauchverbot einen deutlichen Umsatzrückgang hinnehmen musste, was dann wohl schlicht die Wettbewerbsfähigkeit dieser Gastronomiegruppe am Markt widerspiegelt – Rauchverbot hin oder her. Hier wird jedenfalls deutlich, welche Schwierigkeiten mit der Verwendung von Datenmaterial in der juristischen Analyse verbunden sind. Das sollte jedoch nicht dazu führen, dass dieser Vorwurf an die Ökonomik schlechthin weitergereicht und als Argument gegen eine ökonomische Analyse des Rechts genutzt wird.

cc) Aufnahme in die Liste der Zollflughäfen Die Entscheidung des BVerfG betraf die Aufnahme der Beschwerdeführerin, einer als GmbH firmierten Flughafenbetreiberin, in die Liste der sog. „Zollflugplätze“ gem. § 2 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes. 278 Nach § 1 Abs. 1 ZollVG wird der Verkehr über die Grenze des Zollgebiets der Europäischen Gemeinschaften zollamtlich überwacht, um die Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sicherzustellen. Das ZollVG spricht insoweit nur die Verpflichtung aus, die bereits gemeinschaftsrechtlich vorgezeichnet ist. 279 Die Mitgliedsstaaten haben zudem gem. Art. 38 Abs. 1 a) ZK die Verkehrswege und Zollstellen festzulegen, auf bzw. zu denen die Waren nach der Einfuhr zu verbringen sind. In Ausführung der Verordnung 2913/92/EWG bestimmt § 2 ZollVG, dass Waren nur auf Zollstraßen (§ 2 Abs. 1, 4 ZollVG), Zolllandungs- (§ 2 Abs. 3 ZollVG) oder Zollflugplätzen (§ 2 Abs. 2 ZollVG) ein- und ausgeführt werden. Weitere Ausnahmen bedürfen gem. § 2 Abs. 5 ZollVG i.V. m. § 5 Abs. 4 ZollV einer Einzelfallgenehmigung. Ohne die Einstufung als Zollflugplatz (oder zumindest eine Planungssicherheit gewährende Handhabung der Einzelfallgenehmigungen), die gem. § 3 Abs. 1 ZollV im Bundesanzeiger bekannt gemacht wird, ist der jeweilige Flughafenbetreiber also im Ergebnis nicht in der Lage, Frachtflüge von Drittländern abzufertigen. Das Bundesministerium der Finanzen hatte die zuständige Oberfinanzdirektion auf Grundlage des § 5 Abs. 4 ZollV ermächtigt, für die Dauer von einem Jahr Einzelabfertigungen von gewerblichen Drittlandsflügen zu genehmigen. Die Beschwerdeführerin stellte vor Ablauf dieses Jahres einen Antrag auf Verlängerung des Probebetriebes, wurde aber vom BMFi sowohl hinsichtlich der Verlängerung der Ermächtigung als auch der Bestimmung als Zollflughafen abschlägig beschieden. Während das FG der Klage der Beschwerdeführerin nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren statt gab und das BMFi zur Neubescheidung verpflichtete, hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Die gegen das Urteil des BFH erhobene Urteilsverfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

278 279

BVerfG DVBl 2009, 1440 ff. mit Anmerkung Achatz. Vgl. Art. 37 Abs. 1 der Verordnung 2913/92/EWG („Zollkodex“).

II. Staatliche Einwirkungen in der Rechtsprechung des BVerfG

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Der Schutz der Berufsfreiheit sei einerseits umfassend angelegt, schütze aber anderseits nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen seien. Dazu ist es nach dem BVerfG ausreichend, dass Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert werden, die infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen, dass sie eine berufsregelnde Tendenz entfalten. Nach Ansicht des BVerfG kommt der Entscheidung des BMFi eine solche berufsregelnde Tendenz zu. Da die Abfertigung des außereuropäischen Flugverkehrs ohne die Einstufung als Zollflugplatz untersagt sei, erweitere die Zulassung die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Flughafenbetreibers und gehe damit über vorteilhafte wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie etwa günstige Infrastrukturmaßnahmen hinaus. Dem stehe auch die einfach-rechtliche Konstruktion in der Auslegung des BFH nicht entgegen, die in erster Linie die Rechtstellung der Flugzeugführer in den Blick nimmt. Der Pflicht, nur auf einem Zollflughafen zu landen und von einem Zollflughafen abzufliegen, stehe spiegelbildlich das Recht des Betreibers dieses Zollflughafens gegenüber, die Landung zu gestatten und den abgehenden Flug von seinem Flughafen abfliegen zu lassen. 280 Auch in diesem Fall wählt das BVerfG den Weg, den es in seiner Entscheidung zu den Nichtraucherschutzgesetzen eingeschlagen hatte, indem es den Regelungsgegenstand des Gesetzes einer erweiternden Auslegung unterzieht. 281 Im Unterschied zu BVerfGE 121, 317 ff. finden jedoch auch die „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ wieder Eingang in die Schutzbereichsumschreibung, was darauf hinweist, dass beide Argumentationsstränge nicht isoliert betrachtet werden sollen. Der Überzeugungskraft der Entscheidung kann das angesichts der konstruktivistisch anmutenden Auslegung des einfachen Rechts durch das dazu nicht berufene BVerfG nur gut tun, auch wenn das Verhältnis beider Stränge noch unklar ist. Bedenklich ist die Entscheidung aber vor allem insoweit, als sie allen Ernstes die Aufhebung eines Verbots der (rein tatsächlichen) Abfertigung von Flugzeugen mit der Erweiterung von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten gleichsetzt, was nicht Inhalt der Argumentation in BVerfGE 121, 317 ff. war. Dieser Darstellung gilt es entschieden entgegenzutreten, da sie die Wiederherstellung eines beeinträchtigungsfreien Zustandes mit dem Etikett der Leistungsverwaltung versieht und so zu einem Teil in das Belieben des Staates stellt, da auf Begünstigungen nur selten ein grundrechtlicher Anspruch besteht. 282

280

Vgl. BVerfG DVBl 2009, 1440 (1441). Das BVerfG verweist sogar selbst auf die „entsprechende Argumentation“ in BVerfGE 121, 317 (345). 282 Vgl. auch Achatz, DVBl 2009, 1443 (1447). 281

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

4. Fazit Die Untersuchung in diesem Abschnitt hat gezeigt, dass Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge in sehr unterschiedlicher Weise durch das BVerfG verarbeitet wurden, ohne dass dies durch die unterschiedlichen Sachverhalte überzeugend gerechtfertigt werden könnte (was das BVerfG im Übrigen auch nie versucht hat), so dass beide Rechtsprechungslinien mehr oder weniger berührungslos nebeneinander stehen. Wer die Rechtsprechung des BVerfG aber auf die Position verengen will, es bestehe kein Schutz vor Konkurrenz bzw. der Wettbewerbsposition und aus diesem Grunde auch kein Schutz vor staatlicher Ingerenz in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, gibt den bunten Strauß der Entscheidungen nur auszugsweise wieder. Wie geht nun die Literatur mit diesem Befund um, soweit die Rechtsprechung differenziert genug wahrgenommen wird?

III. Der Stand der dogmatischen Aufarbeitung in der Literatur Ein Blick auf die Abhandlungen in der Literatur zeigt, dass staatliche Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge bzw. der Kontext der wirtschaftlichen Betätigung nicht ausreichend als eigenständiges dogmatisches Problem wahrgenommen werden. Soweit sich Monographien jüngeren Datums mit dem grundrechtsdogmatischen Hintergrund auseinandersetzen, erfolgte auch hier zumeist keine spezifische grundrechtsdogmatische Aufarbeitung von staatlichen Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge, die über den Stand der Eingriffsdogmatik des BVerfG im Bereich der mittelbar-faktischen Einwirkungen auf Art. 12 Abs. 1 GG hinaus gehen. 283 Einigen Zuspruch hat die Verortung im Rahmen des Gleichheitssatzes erfahren, die aber nicht nur mit dieser Aufgabe überfordert ist, sondern auch nicht alle relevanten staatlichen Einwirkungen in das Wettbewerbsgefüge abdecken kann. Die Kommentarliteratur begnügt sich (was natürlich auch dem Format geschuldet ist) in der Regel damit, der Erläuterung mittelbar-faktischer Eingriffe in die Berufsfreiheit ein die eigene Anschauung stützendes Zitat des BVerfG voranzustellen, das das BVerfG entweder als Vertreter eines engen oder weiten Schutzbereichs- bzw. Eingriffsverständnisses ausweist und dem eine Aufzählung der Entscheidungen des BVerfG anzufügen. 284 Gerne werden auch Fallgruppen gebildet, die bestimmte Bereiche der faktischen Einwirkungen beschreiben und 283 Vgl. Kaelble, Auftragsvergabe, S. 88 ff.; Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 82 ff., der allerdings auf S. 121 wie Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 auf eine zweifelhafte „Ordnungsidee“ der Grundrechte und des Grundgesetzes abstellen will, um die Eingriffsprüfung zu konturieren; Borrmann, Berufsfreiheit, S. 74 ff.; Tsiliotis, Wettbewerbsfreiheit, S. 194 ff.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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so den Eindruck erwecken, als würde damit der Kreis relevanter Grundrechtseinwirkungen hinreichend abgedeckt. 285 Gingen Einwirkungen von gesetzlichen Regelungen aus, so unterbleibt in der Regel eine Kategorisierung, wohl weil man sich mit der Prüfung ihrer berufsregelnden Tendenz und dem mehr oder weniger zufälligem Ergebnis abfand und keine Notwendigkeit einer weitergehenden Analyse sah. 286 Die gewichtigsten dieser Fallgruppen und die in ihrem Rahmen verfolgten Argumente sollen im Folgenden kurz untersucht werden. Im Anschluss daran werden die Grenzen der Gleichheitsdogmatik aufgezeigt. Dem soll eine Darstellung der Ansätze in der Literatur folgen, die sich um eine dogmatische Fortentwicklung der Wettbewerbsfreiheit bemühen. 1. Typische Fallgruppen und ihre Behandlung Das größte Defizit der nun folgenden Fallgruppenbildung wurde eben schon genannt. Sie befassen sich nur mit einer Form der staatlichen Einflussnahme, deren Behandlung infolge der Verbreitung des modernen Eingriffsbegriffes zunehmend schwieriger wurde: staatliche Realakte. Die Dichotomie zwischen den scheinbar sicher zu handhabenden gesetzlichen Einwirkungen, die mit der Prü284

Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 10, 13, zitiert in Rn. 10 mit BVerfGE 13, 181; 22, 380; 57, 139; 60, 215 nur die Urteile, die ein weites Verständnis verfolgten und unterschlägt dabei die standardmäßige Forderung des BVerfG nach einer berufsregelnden Tendenz. Gubelt, in: Münch / Kunig, GG, Art. 12, Rn. 43 verteidigt die berufsregelnden Tendenz und verweist auf einzelne Entscheidungen und hält fälschlicherweise Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht durchweg für anwendbar (dazu oben A.I.2.c)bb), S. 37 f.). Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 stellt in Rn. 85 nur auf die mit einem berufsregelnden Eingriff vergleichbare Wirkung ab. In Rn. 88 hält er einen Eingriff durch Beeinflussung des Wettbewerbs mittels Realakte für möglich, will aber die Wettbewerbsposition dennoch nicht geschützt sehen. Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 77 will alle nachteiligen Einwirkungen der allgemeinen Grundrechtsdogmatik unterstellen, sieht aber den Begriff der Wettbewerbsfreiheit als überflüssig und gar störend an, weil sich ein über die allgemeinen Regeln hinausgehender Schutzgehalt nicht ableiten ließe (Rn. 71). Gänzlich bedeckt hält sich DiFabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2, Rn. 118. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 18 ff. rezipiert schließlich nur die Glykol-Rechtsprechung des BVerfG. 285 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 87, 89; Gubelt, in: Münch / Kunig, GG, Art. 12, Rn. 43a; Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 83 ff.; Dietlein, in: StR IV/1, § 111, S. 1850 ff.; Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 57 –78; Tsiliotis, Wettbewerbsfreiheit, S. 194 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 20 scheint zwar zunächst als Einziger der staatlichen Einwirkung auf den Wettbewerb eine eigenständige Bedeutung zuzumessen, zählt aber anschließend ebenfalls nur die gängigen Fallgruppen auf. 286 Am deutlichsten wohl Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 78 und v. a. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 11 ff., aber auch die vorherigen Nachweise.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

fung der berufsregelnden Tendenz einzufangen sind, und den kritischen Fällen der rein faktischen Einflussnahme gewährt indes nur eine scheinbare Sicherheit, die eine Beschränkung der Fallgruppenbildung auf Realakte als sinnvoll erscheinen lässt. 287 Denn Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge ziehen immer nur Nachteile nach sich, die durch den Wettbewerb, also letztlich die (sich ggf. abwendenden potentiellen) Vertragspartner vermittelt sind und sich als faktische Nachteile in Form von Einnahmeausfällen realisieren. Gleichwohl sind sie darauf hin zu untersuchen, ob die in der Sache geäußerten Argumente die Besonderheiten berücksichtigen, die mit der Einbindung des Wettbewerbers in ein Geflecht von rechtlichen wie faktischen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung verbunden sind. a) Öffentliche Konkurrenzwirtschaft Die Diskussion um die Zulässigkeit der Konkurrenz durch öffentliche Unternehmen wurde aus staatsrechtlicher Sicht unter zwei Perspektiven geführt. Zum Teil wurde versucht, aus dem Grundgesetz ein objektives Verbot der Eigenwirtschaft schlechthin zu begründen, jedenfalls in den Fällen, in denen die staatlichen Unternehmen keine Gemeinwohlziele verfolgten, sondern nur aus Gewinnerzielungsabsicht heraus handelten. 288 Ein pauschales Verdikt der Verfassungswidrigkeit würde allerdings voraussetzen, dass dem Grundgesetz eine Ausrichtung hin zu reinen Privatwirtschaft zu entnehmen wäre, was wiederum auf die alte Kontroverse stößt, ob und ggf. welche Wirtschaftsordnung sich das Grundgesetz zu eigen gemacht hat. Gegen ein pauschales Verbot eigenwirtschaftlicher Betätigung spricht allerdings schon Art. 15 GG, so dass diesem Ansatz die Gefolgschaft weitgehend verwehrt blieb. 289 Sich der staatlichen Konkurrenz erwehrende Wettbewerber mussten sich daher auf den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG verweisen lassen. Das BVerwG verfolgte auch hier eine sehr restriktive Linie und berief sich auf die Formulierung des BVerfG, Art. 12 Abs. 1 GG gewähre keinen Schutz vor Konkurrenz, was auch staatliche Konkurrenz umfasse. 290 In der Literatur konnte dagegen die Meinung immer mehr Anhänger für sich gewinnen, die angesichts der wirtschaftlichen Potenz 291 der öffentlichen Unternehmen eine faktische Bedrohung der privaten erwerbswirtschaftlichen Betätigung sahen, die rechtstaatlicher Kontrolle und 287 Eine Ausnahme stellt allerdings die Gruppe „Vorenthaltung staatlicher Leistungen“ von Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 90 ff. dar. 288 Vgl. nur Berg, GewArch 1990, 225 (227 ff.). 289 Vgl. Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 58 m.w. N. 290 BVerwGE 17, 306 (308 ff., 313); 39, 329 (336 ff.) unter Hinweis auf BVerfGE 24, 236 (251). Zustimmend Huber, Konkurrenzschutz, S. 317; Papier, DVBl 1984, 801 (809); Ronellenfitsch, in: HStR III, § 84, Rn. 35.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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Rechtfertigung bedürfe. 292 Kritisiert wurde vor allem die Gleichsetzung von staatlicher mit privater Konkurrenz. Erinnert man sich an die Entscheidung des BVerfG zum Vertragsarztprivileg, 293 ist schon im Ausgangspunkt ungewiss, ob nicht in gewissen Konstellationen in der Tat auch ein Schutz vor privater Konkurrenz besteht. Jedenfalls soll die analoge Übertragung auf Konkurrenz von staatlicher Seite daran scheitern, dass die öffentliche Hand selbst keinen Grundrechtschutz genießt. Die Feststellung des BVerwG müsse daher präzisierend dahin gefasst werden, dass die Grundrechte nicht vor der Konkurrenz von Grundrechtsträgern schützen würden. 294 Wenn aber in Folge dieser Erkenntnis – wohl um den Bedenken Rechnung zu tragen, die häufig mit der Ausweitung des Schutzbereichs verbunden sind 295 – ein grundrechtlicher Eingriff nur dann angenommen wird, wenn der wirtschaftlichen Betätigung keinerlei Gemeinwohlbezug mehr zukomme, 296 so wird das Ergebnis der Rechtfertigungsprüfung schon in den Schutzbereich vorgezogen. Entscheidend kann demgegenüber nur sein, dass durch die staatliche Konkurrenz spürbare Wettbewerbsnachteile infolge einer Veränderung der Wettbewerbschancen eintreten, 297 die allerdings nicht von vornherein indiziert sind und daher von den privaten Konkurrenten nachgewiesen werden müssen. Festzuhalten bleibt indes, dass sich die Bejahung des Schutzes aus Art. 12 Abs. 1 GG mit dieser argumentativen Grundlage noch auf tönernen Füßen bewegt. Denn die Unterscheidung zwischen „guter“ Konkurrenz durch Grundrechtsträger und „schlechter“ Konkurrenz durch die nicht geschützte öffentliche Hand verfehlt die grundrechtliche Fragestellung. Es existiert keine pauschale grundrechtsdogmatische Aussage dergestalt, dass die Folgen der Grundrechtsausübung eines Grundrechtsträgers durch andere Grundrechtsträger zwingend 291

Vgl. Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 57. Diese Vormachtstellung beruhe letztlich auf der Steuerhoheit der öffentlichen Hand, die allerdings durch das zunehmende Eindringen des Art. 87 EGV (=Art. 107 EAUV) in das Recht der kommunalen Daseinsvorsorge effektiv gebremst wird, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24. 07. 2003, Rs. C-280/00 = NJW 2003, 2515 ff. – „Altmark Trans“. 292 Vgl. Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 60; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 84; Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 183 f. mit jeweils w.N. 293 Vgl. A.II.3.a)dd), oben S. 77 ff. 294 Huber, in: FS Badura, S. 915; so auch schon Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 425 f.; zustimmend auch Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 138. 295 Vgl. etwa Scharpf, GewArch 2005, 1 (4) m.w.N., allgemein unten B.IV.3.c), S. 203 ff. 296 Vgl. die Nachweise bei Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 60 Fn. 240; ausführlich zum Streitstand auch Huber, Konkurrenzschutz, S. 313 ff. Damit besteht im Ergebnis kein wesentlicher Unterschied zur Rechtsprechung des BVerwG, das ebenfalls Ausnahmen im Falle „unzumutbaren Schädigung“ gewährte, vgl. BVerwG DÖV 1978, 851 ff. 297 So auch Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 185 ff.; Tettinger, DVBl 1999, 679 (686); Bultmann, Beihilfenrecht, S. 205 ff. Ähnlich auch DiFabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2, Rn. 122: „fühlbar“.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

hinzunehmen sind. Dass private Konkurrenz für sich genommen nicht in Grundrechte des Mitkonkurrenten eingreift, ist nicht ihrer Grundrechtsträgerschaft, sondern ihrer fehlenden Grundrechtsbindung geschuldet. Daraus folgt aber keineswegs die grundrechtliche 298 Irrelevanz privater Konkurrenz schlechthin, wenn durch staatliches Handeln die Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG aktiviert wird. Dass sich private Konkurrenten selbst auf Grundrechte berufen können, deren Ausübung wiederum die Grundrechtsausübung Dritter einschränkt, ist ein allgegenwärtiges Kollisionsproblem. Dessen grundrechtsdogmatische Auflösung läuft jedenfalls nicht ausnahmslos darauf hinaus, kollidierende Verhaltensweisen per se dem Grundrechtschutz zu entziehen, sondern ist regelmäßig im Wege der praktischen Konkordanz im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung aufzugreifen, wenn etwa der Staat (privatrechtlich) regelnd wieder eingreift. Wenn aber Art. 12 Abs. 1 GG, wie es hier anklingt, schon tatbestandsmäßig nicht vor privater Konkurrenz schützen soll, dann kann die Begründung nicht von der privaten Grundrechtsträgerschaft abhängen, die letztlich nur vorgeschoben wird. Grund dieser Ausgrenzung ist vielmehr ein teilweise präformiertes Schutzbereichsverständnis, dass generell „marktkonformes“ 299 Verhalten aus dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ausgrenzen will. Dann ist es aber – unbeschadet der berechtigten Kritik an einem solchen Schutzbereichsverständnis – inkonsequent und nur begrenzt überzeugend, staatliche Konkurrenz wieder in den Kreis der grundrechtsrelevanten Einwirkungen aufzunehmen. Zudem lässt die Kritik eine positive grundrechtrechtliche Begründung vermissen, aus der hervorgeht, warum bestimmte Ausformungen der staatlichen Konkurrenzwirtschaft in Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen sollen. Eine solche Begründung ist zwar noch überflüssig, wenn ohne Einschränkung jede Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr als grundrechtsrelevant eingestuft wird, weil ihr die Eignung zur Beeinträchtigung innewohnt ist. 300 Wenn aber versucht wird, die konkrete Schutzreichweite des Art. 12 Abs. 1 GG anhand verschiedener objektiv-rechtlicher Normierungen des Grundgesetzes der staatlichen Konkurrenzwirtschaft zu bestimmen, 301 werden die Ebenen in unzulässiger Weise vermengt. Inhalt und Reichweite der Grundrechte müssen grundrechtsautonom begründet werden. 302

298

hen.

Etwaige zivilrechtliche Handlungsmöglichkeiten können natürlich ebenso beste-

299 Vgl. zum möglichen Inhalt eines solchen Kriteriums Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 157 ff. 300 Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 525. 301 So Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 143 ff., insbesondere 182 f. 302 So immerhin noch Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2711), die den Wirtschaftsgrundrechten ein Wettbewerbsmodell entnehmen will, das selbst wieder Ordnungsziele vorgebe. Ihre Ansicht darf wohl als Vorläufer der Glykol-Rechtsprechung gesehen werden.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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b) Subventionierung von Konkurrenten Die Vergabe von Subventionen wirft in zweierlei Hinsicht grundrechtliche Fragen auf. Bereits der Empfänger einer Subvention kann durch die Subvention in seinen Grundrechten verletzt werden. Als bloße staatliche Leistung kann zwar die Vergabe isoliert betrachtet nicht in Grundrechte eingreifen, weil sie den Handlungsraum des Empfängers vergrößert. Verbindet der Staat die Vergabe der Subvention aber mit Bedingungen oder droht dem Empfänger im Falle des Nichterfüllens von Bedingungen die Rückforderungen der Subvention, so kann dieser staatliche Anreiz zur Anpassung des Verhaltens als Verhaltenslenkung einem imperativen Eingriff wertungsmäßig gleichkommen und wird deshalb von vielen als Grundrechtseingriff behandelt. 303 Der vor allem Mitte der 80er-Jahre vielfach diskutierten Frage soll aber hier nicht weiter nachgegangen werden. Für die Untersuchung von größerem Interesse ist dagegen die Behandlung von Subventionen aus der Sicht der Konkurrenten des Empfängers von Subventionen (oder anderen Begünstigungen). 304 Auch hier wird das Heil zumeist in der Anwendung einzelner (meistens die Intensität der Beeinträchtigung) oder der Kombination überkommener Eingriffskriterien gesucht, ohne aber jede Subvention als Grundrechtseingriff qualifizieren zu wollen. 305 Daneben wird auf die formelle Wettbewerbsgleichheit rekurriert, in die der Staat durch die (selektive) Gewährung von Subventionen eingreife. 306 303 Vgl. Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 96 ff. m.w.N., der zwischen echten Verhaltenspflichten, die selbstständig eingefordert werden können, und bloßen Obliegenheit unterscheiden will, die „nur“ zur Rückforderung der Subvention führen können und keinen Eingriff darstellten; ähnlich schon Jarass, NVwZ 1984, 473 (477) und ausführlich Henseler, VerwArch 77 (1986), 249 ff. Vgl. zu neueren Entwicklungen Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 505 ff. Die Verarbeitung der Lenkungswirkung stellt in erster Linie ein Eingriffsproblem dar, da sie auch auf der in der Regel frei verantwortlichen Entscheidung des Subventionsempfängers beruht, die Subvention in Anspruch zu nehmen, was den Zurechnungszusammenhang unterbrechen kann, vgl. daher auch die Ausführungen von Roth, Faktische Eingriffe, S. 338 ff. 304 Im weiteren Sinne lassen sich hier auch manche der Fälle unter A.II.3.a) einordnen, wenn etwa Konkurrenten die Aufnahme in ein staatliches reguliertes System verwehrt wird, vgl. z. B. BVerwGE 98, 281 ff. – Benennung von Steuerberatern durch die IHK, oder auch die staatliche Auftragsvergabe, vgl. oben A.II.1.e) und BVerwGE 75, 109 (114 ff.). 305 Vgl. Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 100: „einigermaßen erhebliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition“; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 88; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 22: „gewichtige Lenkungsintensität“; in Anlehnung an BVerwGE 65, 167 (174), das eine gesteigerte Intensität in Form einer „schweren und erheblichen“ Grundrechtsbeeinträchtigung verlangt, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn der Nichtbegünstige in Folge der Subvention nicht mehr am Markt existieren kann, vgl. BVerwGE 30, 191 (197). 306 Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 100; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Assmann / Eberhard, VwGO, § 42 Abs. 2 VwGO, Rn. 297 ff.: „Ein-

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

Nach hier vertretener und im zweiten Teil noch näher zu begründender Ansicht können Subventionen in die Wettbewerbsfreiheit des Konkurrenten eingreifen, soweit sie seine Fähigkeit beeinflussen, durch wettbewerbliche Betätigung am Markt den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, weil der Staat das Ordnungsgefüge des Wettbewerbssegments verändert, in dem der Unternehmer tätig ist. Das kann, muss aber nicht die Folge einer Subvention sein. Nicht jede Minderung der unternehmerischen Belastung muss eine Minderung der Absatzchancen der Konkurrenten zum Gegenstand haben. Subventionen von kleinerem Umfang werden sich im Regelfall nicht spürbar auf die Wettbewerbssituation des Konkurrenten auswirken, wenn sie es z. B. dem Empfänger nicht ermöglichen, seine Preise zu senken. Denkbar ist beispielsweise die Gewährung von Leistungen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer. Insoweit haben die Ansätze in Literatur und Rechtsprechung ihre Berechtigung, die auf die Intensität der Beeinträchtigung abstellen, soweit sie sich auf deren „Spürbarkeit“ beschränken. Im Ergebnis zutreffend – allerdings unter Auslassung des entscheidenden Gedankenschrittes – ist damit die Feststellung, die durch die Subventionserteilung verursachte Gewichtsverlagerung (wo sie in der Tat verursacht wird) zwischen Empfänger und Konkurrent greife in die Wettbewerbsfreiheit ein, 307 weil sie nicht begründet, warum das Ergebnis der konkurrierenden wirtschaftlichen Betätigung in Form der Erwirtschaftung des maximal möglichen Gewinnes am Markt in den Grundrechtschutz miteinbezogen wird. Ohne diesen Zwischenschritt ist zwar der Wirkungszusammenhang mit der Feststellung ggf. zutreffend beschrieben, die Entlastung des Empfängers nötige den Konkurrenten zur Anpassung seiner Preisgestaltung, 308 wenn er am Wettbewerb bestehen wolle. Ohne den Einbezug des wettbewerblichen Erfolges in den Grundrechtschutz 309 wäre die Motivation der Unternehmers, die ihn letztlich erst zur Anpassung der Preisgestaltung „zwingt“, aber zu dem Bereich der privaten Lebensgestaltung zu zählen. Die eigenverantwortliche Preisänderung aus der Absicht heraus, weiterhin Gewinne zu erzielen, könnte dem Staat dann nicht mehr als Eingriff zugerechnet werden, für den er gem. Art. 1 Abs. 3 GG einzustehen hätte. Auch dieses Begründungsdefizit muss überwunden werden. schränkung der Wettbewerbsfähigkeit durch kausal herbeigeführte Wettbewerbsverzerrung“, die aber gleichzeitig (Rn. 294 ff.) dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum der Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung einräumt, der Art. 12 Abs. 1 GG nicht berühre („Schutz dem Grunde nach“). Auf die wettbewerbsverzerrende Wirkung stellt zentral Huber, Konkurrenzschutz, S. 375 ff. ab. 307 Huber, Konkurrenzschutz, S. 376. 308 Huber, Konkurrenzschutz, S. 381. 309 Von der Wettbewerbsfreiheit umfasste „Gewinnerzielungsfreiheit“ als Macht, profitabel zu agieren, vgl. Rixen, Sozialrecht, S. 256 unter Verweis auf Bogs, in: FS Krasney, S. 32.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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c) Staatliche Warnungen und Informationen Zu lebhafter Auseinandersetzung führten schließlich die Entscheidungen des BVerwG zur Veröffentlichung von sog. Arzneimitteltransparenzlisten 310 und der schon wiederholt angesprochenen Warnung vor verunreinigten Weinbeständen, 311 die Anlass zur grundlegender Erörterung der Grundrechtsrelevanz staatlicher Informationstätigkeit gab. 312 Die mit staatlicher Autorität versehenen Informationen über wettbewerbsrelevante Faktoren finden bei den Verbrauchern nicht unwesentliches Gehör. Nachteilige Bemerkungen von einigem Gewicht über angebotene Güter von Unternehmen halten bei typischem Verlauf eine gewisse Anzahl von privaten Nachfragern ab und mindern so deren wettbewerbliche Erfolgschance, bis hin zur existenzvernichtenden Wirkung. 313 Von ihr sind auch sachkundige, neutrale und zutreffende Informationen nicht grundsätzlich ausgenommen, die nur „wohltuende und objektive Transparenz“ ist in einer komplexen Gesellschaft ein Trugbild. 314 Je allgemeiner die Informationen gehalten sind, desto schwieriger wird jedoch der Nachweis sein, dass Umsatzrückgänge entscheidend auf den staatlichen Einfluss zurück zu führen sind. Eine pauschale Berufung auf Wettbewerbsnachteile reicht daher jedenfalls nicht aus. Die staatlichen Informationen müssen schließlich gerade Wettbewerbsbedingungen betreffen, was einen Teil der staatlichen Informationen aus dem Kreis der tauglichen Einflussakte wieder herausnimmt. 315 Im Unterschied zu den soeben angeführten Fallgestaltungen haftet behördlichen Warnungen ein dem klassischen Eingriff ähnelnder Sanktionscharakter an, der dazu einlädt, die grundrechtlichen Fragen aus der Perspektive des Eingriffscharakters des staatlichen Handelns zu problematisieren. 316 Während das BVerwG in seiner Begründung auf eine Kombination von Finalität und Intensität 310

BVerwGE 71, 183 (194); dazu Sodan, SGb 1992, 200 ff. BVerwGE 87, 37 (50); dazu Hesse, JZ 1991, 744 ff.; Schoch, DVBl 1991, 667 ff.; Selmer, JuS 1992, 84 ff.; Lege, DVBl 1999, 569 ff. 312 Vgl. Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, Köln, 1989; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 ff.; DiFabio, JZ 1993, 689 ff.; Murswiek, DVBl 1997, 1021 ff.; Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, Berlin, 1988; Schlecht, Behördliche Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Produkten, München, 2002 sowie die im Anschluss zur Entscheidung des BVerfG entstandenen Aufsätze von Murswiek, NVwZ 2003, 1 ff. und Huber, JZ 2003, 290 ff. 313 Vgl. Kloepfer, Lenkungsmittel, S. 19. 314 So DiFabio, JZ 1993, 689 (697) gegen Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 ff. 315 Vgl. das zutreffende Beispiel von Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 87, dass die Empfehlung, aus Gründen der Gesundheitsvorsorge jodiertes Speisesalz zu sich zu nehmen, nicht die Wettbewerbsfreiheit der Hersteller nicht jodiertem Speisesalz berührt. Näher zur Qualifizierung von Wettbewerbsbedingungen unten C.VI.2., S. 274 f. 316 Vgl. DiFabio, JZ 1993, 689 (694 ff.). 311

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

abstellte, 317 wurde in der Literatur vor allem das Ausreichen des grundrechtswidrigen Effekts 318 in Form eines Wettbewerbsnachteils betont, den das staatliche Handeln nach sich zöge. 319 Die Verortung in der Eingriffsprüfung stellt aber letztlich nur eine Verschiebung des Problems dar, ohne es an der Wurzel zu packen. Angesichts der zahlreichen umstrittenen Eingriffskriterien und ihrer unterschiedlichen Handhabung im Einzelfall bleibt die Grundrechtsrelevanz eine offene Wertungsfrage, bei deren Beantwortung auch die Schutzbedürftigkeit des Grundrechtsträgers eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. 320 In der juristischen Rezeption meldeten sich allerdings auch schon Stimmen zu Wort, die eine stärker auf das Schutzgut bezogene Eingriffsdogmatik forderten. 321 2. Rekurs auf den Gleichheitssatz Verändert der Staat durch sein Handeln das Wettbewerbsgefüge und wirkt sich diese Veränderung überwiegend zu Lasten der Wettbewerbschancen bzw. der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Wettbewerbsteilnehmer aus, drängt sich das Schlagwort der Beeinträchtigung der „Chancengleichheit im Wettbewerb“ auf, der eng mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbunden ist. 322 a) Die Verwobenheit von Freiheits- und Gleichheitsrechten So verwundert es nicht, dass Auswirkungen staatlichen Handels auf die Wettbewerbsfreiheit in ihrer rechtlichen Aufarbeitung gerne in irgendeiner Form auch Art. 3 Abs. 1 GG zugeordnet werden. 323 Konstruktiv geschieht das häufig dergestalt, dass Art. 12 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab 317

Vgl. dazu noch näher unten C.IV.2.b)dd) S. 251 f. So die (nicht im Zusammenhang mit dem Urteil stehende) Formulierung von Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 25 ff., zustimmend etwa Huber, DÖV 2004, 765 (770 ff.). 319 Vgl. nur Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 86 m.w.N., kritisch vor allem Murswiek, DVBl 1997, 1021 (1023); einschränkend dagegen Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 87 ff. m.w. N. 320 Vgl. DiFabio, JZ 1993, 689 (697), der sich wegen der hohen Bewirkungspotentials für eine niedrige Eingriffsschwelle ausspricht. Letztlich knüpft das zentrale Argument der Gegenmeinung ebenfalls an der Schutzbedürftigkeit des Wettbewerbers an, der mit seinen gefährlichen Produkten selbst den Grund für das staatliche Tätigwerden geschaffen hat. 321 Kloepfer, Lenkungsmittel, S. 29; Murswiek, DVBl 1997, 1021 (1023). 322 Nach Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 57 ist die Ergänzung speziellerer (Freiheits-) Gewährleistungen das gemeinsame Kennzeichen der verschiedenen Ausprägungen der Chancengleichheit als Ausfluss des Gleichheitssatzes. 318

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herangezogen wird. 324 Aber auch die Ansicht, die sämtliche Auswirkungen staatlichen Handelns auf die Chancenverteilung der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG zuteilen möchte, hat viele Anhänger. 325 Das gilt umso mehr, als Art. 3 Abs. 1 GG mit der „neuen Formel“ des BVerfG 326 durch die Berücksichtigung von „Art und Gewicht“ der Unterschiede eine Einbeziehung der Freiheitsgrundrechte, in die die staatliche Maßnahme ggf. gleichzeitig eingegriffen hat, in die Prüfung des Gleichheitssatzes zulässt. Umgekehrt lässt sich aber auch der gleichheitsrechtliche Aspekt in die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Freiheitsrechte integrieren, bei der aus der StaatBürger-Perspektive eine umso stärkere individuelle Betroffenheit angenommen werden kann, je mehr der Eingriff auch gegen Gleichheitsaspekte verstößt. 327 Zum Teil wird sogar vertreten, dass Art. 3 Abs. 1 GG für seine Anwendung einen Eingriff in (Freiheits-) rechte als Anknüpfungsgegenstand voraussetzt. 328 Damit soll vermieden werden, dass sich der Gleichheitssatz zu einem „Grundrecht auf Neid“ 329 verwandelt. Vertreter dieser engen Auslegung sind also darauf angewiesen, dass die Auswirkungen des staatlichen Handelns auf den Wettbewerb bereits als Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG eingestuft werden. Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG dient dann nur dazu, die Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG um die Bürger-Bürger-Perspektive zu erweitern, verkümmert also zu einem Argumentationstopos der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Freiheits- und Gleichheitsrechte sind also eng miteinander verwoben, 330 ihre Anwendung im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit im Ergebnis oft austauschbar. 331 323

Die bislang behandelten Entscheidungen des BVerfG hatten in fast allen Fällen auch eine Prüfung des Gleichheitssatzes zum Gegenstand. Die Beschwerdeführer rügten dabei häufig einen Eingriff in die Chancengleichheit im Wettbewerb. Pointiert auf Art. 3 Abs. 1 GG steuert etwa BVerfGE 116, 1 ff. – Insolvenzverwalter zu. 324 Vgl. BVerfGE 25, 236 ff.; 30, 292 (312); 59, 336 (356); 68, 155 (173); 77, 84 (113); NJW 2008, 2409 (2414). Die Verteilungsfrage steht vor allem bei der Leistungsverwaltung im Vordergrund, bei der Art. 3 Abs. 1 GG wohl am meisten mitzitiert wird, vgl. als Paradefall BVerfGE 39, 276 – numerus clausus. 325 Vgl. nur die Nachweise bei Huber, Konkurrenzschutz, S. 506 ff. 326 BVerfGE 55, 72 (82); vgl. Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 21 m.w. N. 327 Vgl. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 320. BVerfGE 25, 236 (251) verknüpft nicht direkt, sondern macht die Rechtmäßigkeit der Berufsausübungsregelung davon abhängig, dass auch der Gleichheitssatz beachtet wurde. 328 BVerwGE 30, 191 (197 f.) – Ladenschlussgesetz; 39, 235 (238 ff.); vgl. Pietzcker, JZ 1989, 305 (310): „Grundrechtsbetroffenheit“, die auch durch hinreichend gewichtige faktische Rückwirkungen ausgelöst werden könne; Erichsen, JURA 1994, 385 (387); ders., VerwArch 71 (1980), 289 (295); Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 45, alle m.w. N. 329 So Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3, Rn. 171, 468. 330 Huber, Konkurrenzschutz, S. 511 ff.; für notwendig hält das sogar Michael, JZ 2008, 875 (881 f.). 331 So auch Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 320.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

b) Wettbewerbsfreiheit als reine Chancengleichheit Wer demgegenüber eine hier nicht näher zu bestimmende „natürliche“ Betroffenheit für die Anwendung des Gleichheitssatzes ausreichen lässt, kann einen Teil der Veränderungen des Wettbewerbsgefüges auch unabhängig von dem konkreten Auslegungs- und Subsumtionsergebnis des Art. 12 Abs. 1 GG unter Art. 3 Abs. 1 GG fassen, nämlich alle Handlungen, die innerhalb der Vergleichsgruppen zu ungleichen, nicht sachlich zu rechtfertigenden Belastungen und damit zur einer Verschiebung der Chancengleichheit im Wettbewerb führen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt so der grundrechtliche Anspruch auf „hoheitliche Respektierung der wettbewerblichen Ausgangslage“. 332 Bei dieser Betrachtung klingt die gänzliche Abwehr staatlichen wettbewerbsrelevanten Handelns als Eingriff in den Wettbewerb mit, der sich neutral zu verhalten habe. Wettbewerbsfreiheit wird damit zur Freiheit des Wettbewerbs vom Staat, dessen Eingriff per se eine Verzerrung darstellt, die den Schutz von Art. 3 Abs. 1 GG aktiviert. 333 In eine ähnliche Richtung (nur ohne den Unterton der absoluten Staatsferne) geht die Aussage, Art. 12 Abs. 1 GG schütze vor „Wettbewerbsverzerrungen“ des Staates. 334 Gerade bei Wirtschaftssubventionen liegt für manche der Schlüssel ausschließlich in der diskriminierenden Wirkung der Subvention, nicht in der Verteidigung von absoluten Rechten, wie sie die Wettbewerbsfreiheit darstellt. 335 Als Beleg lassen sich allerdings nicht die Entscheidungen des BVerfG anführen, die steuerrechtliche Ausnahmetatbestände zum Gegenstand hatten. 336 Denn die klagenden Unternehmen waren dort selbst Steuerschuldner, so dass nur die steuerliche Belastung durch die diskriminierende Wirkung verstärkt wurde. 337 Eine ausschließliche Zuordnung der Wettbewerbsnachteile zu Art. 3 Abs. 1 GG kann daraus gerade nicht entnommen werden. Die Entscheidungen stützen eher die zuvor dargestellte Ansicht, die die Gleichheitsprüfung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Freiheitsrechte integriert. Zuletzt hat Lindner 338 in diesem Sinne die Bedeutung der Chancengleichheit für die Wettbewerbsfreiheit hervorgehoben. Für ihn hat die Wettbewerbsfreiheit eine zweigliedrige Struktur, die sich aus der Teilnahmefreiheit und der 332

Ipsen, VVDStRL 25 (1967), 257 (303). So zutreffend die Beschreibung von Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 322. 334 So z. B. Huber, in: FS Stober, S. 552; Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481). 335 Sudhof, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 81 ff. und die Nachweise oben A.III.1.b), S. 95 f. 336 So aber Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 325. 337 Vgl. BVerfGE 18, 1 (12); 43, 58 (68). In diesem Sinne sind die Ausführungen zu verstehen: „[...] denn die Steuernorm bringt den mit der Beschwerdeführerin konkurrierenden ärztlichen Laborgemeinschaften rechtliche Vorteile, die die Wettbewerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin mindern“. 338 Lindner, DÖV 2003, 185 ff. 333

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Chancengleichheit zusammensetzt. 339 Zum Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit als Teil der Berufsfreiheit zähle nur die Wettbewerbsteilnahmefreiheit. Von ihr seien (nur) diejenigen wettbewerbsbezogenen Interessen geschützt, die der Teilnehmer für sich definieren und realisieren kann und daher als Ausfluss des Selbstbestimmungsschutzes geschützt sei. 340 Beeinflussungen der Erfolgschancen im Wettbewerb seien dagegen ausschließlich an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Der Staat dürfe nur nicht ohne sachlichen Grund einem Konkurrenten Wettbewerbsvorteile gewähren, weil er dadurch die Erfolgschancengleichheit der Konkurrenten schmälert. 341 Lindner unterscheidet damit nicht zwischen den Ursachen, die Einfluss auf die Erfolgschancengleichheit haben und misst ihnen offenbar hinsichtlich ihrer Wirkung auf Art. 3 Abs. 1 GG dieselbe Relevanz zu. Der Gleichheitssatz wäre damit als subjektives 342 Recht bei jeder gleichheitswidrigen Beeinflussung der Erfolgschance einschlägig, ohne Rücksicht darauf, ob die Erfolgschancen durch eine rechtliche oder eine faktische Betroffenheit des Wettbewerbsteilnehmers beeinträchtigt werden. 343 c) Die Wettbewerbsverzerrung als ungeklärtes Phänomen Kritisch zu hinterfragen ist zunächst der staatstheoretische Ansatz, der staatliche Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge per se als „verzerrend“ einstuft. Damit wird ein ordoliberaler Denkansatz in die Verfassungsauslegung eingeführt, der besser in der Ordnungsökonomie beheimatet bleiben sollte. Zwar wird auch in dieser Arbeit der staatliche Einfluss auf das Ordnungsgefüge als grundrechtsrelevant eingestuft, ohne ihn jedoch bereits durch die Wahl des Begriffes mit einem wertenden Verdikt zu belegen. Damit wird die Beeinflussung des Wettbewerbs in zwei Kategorien eingeteilt: die wettbewerbskonforme Veränderung und die wettbewerbsverzerrende Veränderung des Wettbewerbs. Die Einteilung steht und fällt mit der Möglichkeit, eine rechtliche Kategorisierung dieser Form durchzuführen, also vor allen Dingen verfassungsrechtliche Maßstäbe für diese Unterscheidung zu benennen – ein fast unmögliches Unterfangen, wo doch nicht einmal die fachlich nächste Wissenschaft in der Lage ist, eindeutige Antworten zu geben. 344 Der Begriff der „Wettbewerbsverzerrung“ scha339

Ders., DÖV 2003, 185 (189 f.). Huber, Konkurrenzschutz, S. 189. 341 Lindner, DÖV 2003, 185 (192). 342 Als das Art. 3 Abs. 1 GG nahezu einhellig anerkannt ist, vgl. Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 17 m.w. N. 343 In diese Richtung auch der Vorschlag von Sachs, DÖV 1984, 411 (416 ff.). 344 Vgl. zu den auftretenden Schwierigkeiten auch wirtschaftswissenschaftlicher Art Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 102 ff. und noch unten unter A.IV.2, S. 110 ff. und B.II.2.b)cc), S. 136. 340

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

det daher mehr als er nutzt, da er das staatliche Handeln schon hier einer unterschiedlichen Bewertung unterwirft, auch wenn wettbewerbsverzerrendes wie wettbewerbskonformes Handeln denselben Gemeinwohlbezug aufweisen muss, um staatliches Handeln zu rechtfertigen. Für die Bestimmung des Schutzbereichs kann nur die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen von Bedeutung sein, da andernfalls die Freiheitsbetätigung auf der Ebene des Schutzgutes einer Bewertung unterzogen werden müsste, ohne dass die auf dieser Ebene notwendigen Differenzierungskriterien der Verfassung oder dem Realbefund „Wettbewerb“ entnommen werden könnte. Die Ziele des staatlichen Handelns sind auf der Ebene der Rechtfertigung zu prüfen, und zwar bei wettbewerbsverzerrendem wie wettbewerbskonformem Handeln. Dabei können wettbewerbsfremde Ziele ebenso wie Eingriffe zur Erhaltung oder Stärkung des Wettbewerbs zur Rechtfertigung herangezogen werden. Dann kann sich allerdings die Frage der Intensität des Eingriffs stellen, die auf die Rechtfertigungslast zurückwirkt. Denkbar wäre hier, unter Rückgriff auf die Drei-Stufen-Theorie wettbewerbsfremde Ziele schwerer wiegen zu lassen, soweit sie nicht durch eigenes wettbewerbskonformes Wettbewerbsverhalten beeinflussbar sind. d) Überforderung der Gleichheitsdogmatik Schwerer wiegt aber noch, dass die Dogmatik des Gleichheitssatzes mit der Verarbeitung vieler wettbewerbsrechtlicher Fragestellungen überfordert ist. Der Gleichheitssatz folgt in seiner Anwendung nicht dem dreigliedrigen Schema der Freiheitsrechte, das die Eingriffsprüfung als zusätzlichen Filter kennt. Würde man ohne korrigierenden Faktor sämtliche Einflüsse auf die Erfolgschance ngleichheit einbeziehen, käme das einer Interessenklage nach dem Modell des französischen Rechts nahe, die dem deutschen Recht gerade fremd ist 345 und zudem im merkwürdigen Widerspruch zur restriktiven Interpretation des Art. 12 Abs. 1 GG stünde. Will man das vermeiden, müsste eine geeignete Vergleichsgruppenbildung die Funktion der Eingriffsprüfung übernehmen. 346 Dem allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich für die Vergleichsgruppenbildung aber keine bestimmte Vorgabe entnehmen. 347 Gemeinsame Oberbegriffe lassen sich für fast alle Konstellationen finden, so dass sich die verfassungsrechtliche Fragestellung erst bei der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auflösen lassen, 348 was die von Sachs erhoffte Filterwirkung der Vergleichsgruppenbildung zunichtemacht. Darin liegt zwar keine Schwachstelle des Gleich345 346 347

Huber, Konkurrenzschutz, S. 118. So verteidigend Sachs, in: FS Friauf, S. 327. Vgl. Rüfner, in: Dolzer / Vogel, GG, Art. 3, Rn. 14.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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heitssatzes, wohl aber eine Schwachstelle seiner Verwendung im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit. Dazu kommt, dass die Gleichheitsdogmatik auf ihrem heutigen Stand nicht ausreichend zwischen den betroffenen rechtlichen Interessen bzw. der rechtlichen oder faktischen Gleichheit unterscheidet. Der eingängige Satz, es müsse „Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich“ 349 behandelt werden, ist unbeschadet seiner oben angesprochenen Wertungsfragen auf der Ebene der Feststellung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung nur dann unproblematisch anzuwenden, wenn die öffentliche Hand in ihrer Tätigkeit auch an personale Komponenten anknüpft, also beispielsweise den Tatbestand einer Norm mit persönlichen Merkmale verbindet oder Subventionen bzw. Aufträge an bestimmte Gruppen vergibt. Liegt aber rechtliche Ungleichbehandlung von Sachlagen vor, die (nur) zu einer faktischen Benachteiligung von Personen führt (im Europarecht unter dem Stichwort der verdeckten oder mittelbaren Diskriminierung bekannt), dann verschwimmen die Unterschiede zwischen rechtlicher und faktischer Ungleichbehandlung. So kann auch eine rechtliche (im Sinne einer nicht diskriminierenden Anknüpfung) Gleichbehandlung zu einer faktischen (im Sinne der Auswirkung auf die Erfolgschancen) Ungleichbehandlung führen. Das BVerfG hat sich zwar in seiner neueren Rechtsprechung zum Teil durch den EuGH leiten lassen und den Begriff der mittelbaren Diskriminierung aufgenommen. 350 Was aber genau Gegenstand der (Gleich- oder Ungleich) Behandlung ist, wird bei der Gleichheitsprüfung häufig nicht ausdrücklich thematisiert. Die Unsicherheiten sollen an dieser Stelle nochmals mit der Entscheidung des BVerfG zu den Nichtraucherschutzgesetzen gezeigt werden. 351 Der Gesetzgeber hatte die Möglichkeit von abgetrennten „Raucherräumen“ vorgesehen, sofern der Nichtraucherschutz in den übrigen Räumen gewährleistet war. Gaststättenbetreiber wurden damit rechtlich gleich behandelt: jeder Betreiber hatte die Möglichkeit, Raucherräume einzurichten. Mit der Forderung nach Abtrennung konnten aber natürlich nur solche Gaststätten Raucher aufnehmen, die mindestens über zwei Räume verfügten. Damit wurden also zwei Sachlagen (mittelbar, weil nur Folge, aber nicht Ziel der Regelung) rechtlich ungleich behandelt, nämlich Einraum- und Mehrraumgaststätten. In dieser Ungleichbehandlung von Sachlagen ließe sich auch eine mittelbare rechtliche Ungleichbehandlung der Betreiber entsprechender Gaststätten sehen. Die reale Betroffenheit der Gaststättenbetreiber ergab sich jedoch erst aus den faktischen Folgen der Gleichbehandlung, insbe348 Auf der Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung liegt demzufolge auch der Schwerpunkt der Prüfung des Gleichheitssatzes, vgl. Schuppert, VVDStRL 47 (1989), 98. 349 So oder in ähnlicher Form schon BVerfGE 1, 14 (52); 2, 336 (340); 3, 58 (135); 4, 144 (155); vgl. Gusy, NJW 1988, 2505 (2507). 350 Vgl. dazu Mahlmann, Grundrechtstheorie, S. 412 ff., insbesondere S. 425. 351 Oben A.II.3.b)bb), S. 83 ff.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

sondere aus dem Umstand, dass „Einraumkneipen“ zumeist einen deutlich höheren Anteil an Rauchern aufweisen, mithin aus ihrer Sphäre, nicht unmittelbar als Folge der gesetzlichen Ungleichbehandlung. „Einraumkneipen“ wären auch dann faktisch stärker von dem Rauchverbot betroffen gewesen, wenn das Gesetz keine „Raucherräume“ zugelassen hätte, weil quantitativ nicht eine ggf. von der Regelung bewirkte Abwanderungsbewegung zu Gaststätten mit Raucherräumen, sondern das gänzliche Absehen oder kürzere Verbleiben der Gäste in den „Eckkneipen“ zu den Belastungen der Betreiber – als Folgen eines Verbots, das alle Betreiber rechtlich gleich behandelte. Rechtliche Gleichheit ermöglicht daher faktische Ungleichheit, faktische Gleichheit kann im Einzelfall nur durch rechtliche Ungleichheit hergestellt werden. 352 Interessanterweise spricht das BVerfG den Gleichheitssatz in diesem Teil der Prüfung überhaupt nicht an. Nur in seinem obiter dictum zu einem gänzlichen Verbot ohne Ausnahmen nimmt es auf Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Eingriffs in „Art. 12 Abs. 1 i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG“ Bezug. Eine Regelung sei unverhältnismäßig, wenn bei der Regelung Ungleichheiten nicht berücksichtigt wurden, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Dies sei anzunehmen, wenn Gruppenangehörige nicht nur in einzelnen, aus dem Rahmen fallenden Sonderkonstellationen, sondern in bestimmten, wenn auch zahlenmäßig begrenzten typischen Fällen ohne zureichende sachliche Gründe verhältnismäßig stärker belastet werden als andere. 353 Der Gleichheitssatz wird also nicht wegen der rechtlichen Ungleichbehandlung des angegriffenen Gesetzes, sondern nur wegen der faktisch ungleichen Wirkung einer hypothetischen rechtlichen Gleichbehandlung in Stellung gebracht, ohne dass auf diesen Unterschied hingewiesen wird. Die Schwierigkeiten mögen zu einem Teil an der unklaren Unterscheidung und Begrifflichkeit der „rechtlichen“ und „faktischen“ Gleichheit 354 liegen. Zwar wird einhellig die Ableitung einer „sozialen Gleichheit“ im Sinne einer faktisch gleichen Ausgangslage aller Bürger abgelehnt, da die Herstellung sozialer Gleichheit unweigerlich mit einer Einbuße an rechtlicher Freiheit einhergeht, Art. 3 Abs. 1 GG aber im Einklang mit den Freiheitsrechten ausgelegt werden müsse. 355 Unter faktischer Gleichheit kann aber auch die Abwesenheit versteckter Diskriminierung verstanden werden, die sehr wohl auf die faktische Wirkung einer rechtlich neutral formulierten Regelung bedacht ist. Rodi 356 versucht beide 352

Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 67. BVerfG NJW 2008, 2409 (2414). 354 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 66. 355 Die Herstellung „sozialer Gleichheit“ wird dann entweder dem objektiv-rechtlichen Schutzpflichtengehalt des Art. 3 Abs. 1 GG oder dem Sozialstaatsprinzip entnommen, die aber beide nicht die Schärfe des subjektiven Abwehrrechts haben, vgl. auch Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 66 m.w. N. 356 Rodi, NJW 1990, 3246 (3249). 353

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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Gestaltungen aufzulösen, indem er zwischen einer rechtlichen Gleichbehandlung, die die vorgefundenen faktischen Ungleichheiten unberührt lässt, und einer rechtlichen Gleichbehandlung unterscheidet, die eine faktische Ungleichheit erst hervorruft. Nur letztere sei als mittelbare rechtliche Ungleichbehandlung zu verstehen und müsse sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen. Die Unterscheidung ist auf den ersten Blick einleuchtend, aber nicht trennscharf durchzuführen. Denn eine faktische Ungleichheit wird von einer rechtlichen Regelung wohl vor allem dann hervorgerufen, wenn bereits eine Ungleichheit vorgefunden wurde. Die bestehende faktische Ungleichheit ist gewissermaßen der „Nährboden“ für eine Vertiefung und Ausweitung der faktischen Ungleichheit durch die rechtliche Regelung. Hat also die Vertiefung der Ungleichheit ihren Grund in der bestehenden Ungleichheit und in der rechtlichen Regelung, so stellt sich die Frage, welcher Ursache die Folge zuzurechnen ist. 357 Die Aussagen des BVerfG in der Rauchverbotsentscheidung lassen sich eher in die Richtung verstehen, dass der Gesetzgeber in erster Linie diese faktischen Folgen beachten müsse. Auch frühere Entscheidungen gehen in diese Richtung: Dem Gleichheitssatz sei nicht schon dann genügt, wenn die Betroffenen dem Gesetzeswortlaut nach gleich behandelt werden; entscheidend seien vielmehr der sachliche Gehalt der Vorschrift und ihre Wirkung. 358 Eine Ungleichbehandlung liege schon vor, wenn sich aus der praktischen Auswirkung des Gesetzes eine offenbare Ungleichheit ergebe und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. 359 Dabei bleibt aber auch unklar, wann die praktische Auswirkung auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Eben in diesen praktischen Auswirkungen liegt aber meist die Belastung, gegen die Betroffene vorgehen wollen. e) Fazit Mit dem Rekurs auf Art. 3 Abs. 1 GG ist also kein Rationalitätsgewinn zu erlangen. Letzten Endes stellen sich ähnliche Zurechnungsprobleme, die mit dem Gleichheitsgedanken alleine aber nicht zu lösen sind. 360 Die Dogmatik des Art. 3 Abs. 1 GG ist im Hinblick auf faktische Folgen weit weniger entwickelt als die Freiheitsrechte. Zum anderen würde auf diese Art nur ein Teil der Beeinflussung des sozialen Gefüges in das Blickfeld der Grundrechtsprüfung geraten. Die 357

Das sieht auch Rodi a. a. O. BVerfGE 49, 148 (165). 359 BVerfGE 8, 51 (64); 24, 300 (358); 49, 148 (165). In der zuletzt genannten Entscheidung war die „praktische Auswirkung“ Folge einer offenen gesetzlichen Formulierung, die im Vollzug eine Ungleichbehandlung zuließ. Die Ungleichbehandlung war also im Gesetz angelegt, so dass genau genommen schon eine rechtliche Ungleichbehandlung vorlag. 360 Im Ergebnis auch Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 326 f. 358

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

Änderung eines Systems mit Auswirkungen auf die Wettbewerbschancen ohne umverteilende Wirkung innerhalb der Konkurrenten ließe sich damit ebenfalls nicht betrachten. Auch das spricht gegen ein Auseinanderreißen der Betrachtung der Wirkungen auf die Wettbewerbschancen, wenn diese unabhängig von ihrer umverteilenden Wirkung innerhalb eines Wettbewerbssegments in Art. 12 Abs. 1 GG integriert werden können. Der Gleichheitsprüfung verbleiben aber auch im Rahmen der wettbewerblichen Betätigung Anwendungsfelder. Denn willkürliches und / oder diskriminierendes staatliches Handeln kann in seinen Auswirkungen auf das Wettbewerbsgefüge so gering sein, dass der Wirkungskontext der Wettbewerbshandlungen unangetastet bleibt. Das ist vor allem in den Fällen denkbar, die als faktische Einwirkungen auf Art. 12 Abs. 1 GG kontrovers diskutiert worden sind. Ist z. B. die staatliche Nachfragemacht im konkreten Vergabefall im Vergleich zu privaten Nachfragern von untergeordneter Bedeutung, dann ist nur schwer denkbar, wie die Gestaltung des Vergabeverfahrens auf die Wettbewerbschancen bzw. das Wettbewerbsgefüge Einfluss nehmen soll, so dass auch ein kontextuales Verständnis der Wettbewerbsfreiheit keinen Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG begründen kann. Der sich um den Auftrag bemühende Unternehmer kann sich daher nur auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen und ist damit im Ergebnis nur vor willkürlicher Ungleichbehandlung geschützt, was dem staatlichen Handeln ausreichenden Gestaltungsspielraum lässt, ohne die öffentliche Hand gänzlich von Bindungen freizustellen und den Wettbewerber selbst vor „Vetternwirtschaft“ ungeschützt zu lassen. 3. Ansätze einer Weiterentwicklung Die Analyse der Fallgruppenbildung hat gezeigt, dass bei ihrer Diskussion keine spezifischen Argumente hervorgebracht worden sind, die die grundrechtsdogmatische Verarbeitung staatlicher Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge entscheidend erhellen können. Allerdings wurden auch in der Literatur Stimmen laut, die, ohne eine Sonderrechtsdogmatik der Wettbewerbsfreiheit zu fordern, eine grundrechtsdogmatische Aufarbeitung der Einbindung des Wettbewerbers in ein wirtschaftliches Ordnungsgefüge für notwendig hielten. Albers gab zu Bedenken, dass die Kontextbezüge des wettbewerblichen Handelns in der Schutzbereichsbestimmung des Art. 12 Abs. 1 GG Berücksichtigung finden müssen. Die „kontextbezogenen Abhängigkeiten der individuellen Freiheit“ müssten mitgedacht und aufgeschlüsselt werden. 361 Bereits angesprochen wurden die in die gleiche Richtung weisenden Forderungen, die Eingriffsdogmatik stärker auf das Schutzgut 362 bzw. den Schutzzweck 363 des Grundrechts zu beziehen. An dieser 361 Albers, DVBl 1996, 223 (236 ff.); Borrmann, Berufsfreiheit, S. 79 bezeichnet diese Ansicht als „Theorie der Schutzgutanalyse“.

III. Dogmatische Aufarbeitung in der Literatur

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Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die genannten Stimmen der Literatur damit in keiner Weise einem engen Tatbestandsverständnis das Wort reden wollten, das von Teilen des Schrifttums mit der Figur des (verengten) Gewährleistungsbereichs eines Grundrechts umschrieben wird, der dem herkömmlichen Schutzbereich zur Seite gestellt wird. 364 Durch eine schutzgutorientierte Eingriffsprüfung soll vielmehr sichergestellt werden, dass bisher unbeachtet gebliebene Gefährdungen des Grundrechts in das grundrechtliche Blickfeld geraten. Arbeiten in der jüngeren Zeit hoben zudem hervor, dass die Wettbewerbsfreiheit auch die grundrechtliche geschützte Befugnis umfasse, nach Maßgabe eigenverantwortlicher Betätigung im Wettbewerb Marktpositionen zu generieren, 365 die solcherart erarbeiteten Wettbewerbschancen als wesentlicher Aspekt grundrechtlicher Freiheit nicht als irrelevant aus dem Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 GG abgeschichtet werden dürften. 366 Als Argumentationstopos hat sich der Schutz der „Chance auf Verwirklichung des sozialen Kontaktes im Berufsbereich“ herausgezeichnet. 367

362

Vgl. Fn. 321, oben S. 98. Bleckmann / Eckhoff, DVBl 1988, 373 (383). 364 Vgl. Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 71 ff.; ders., Der Staat 43 (2004), 203 ff.; Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 ff.; dazu Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 98 ff. Zentrale Aussage der Gewährleistungsdogmatik ist die Unterscheidung zwischen Schutzbereich und Gewährleistungsbereich eines Grundrechts. Während nach herkömmlicher Dogmatik nach der Bejahung des Schutzbereichs die Maßnahme auf ihren Eingriffscharakter überprüft wird, fungiert der „Gewährleistungsbereich“ eines Grundrechts als Zwischenebene, auf der bestimmte Grundrechtsinhalte aus dem Grundrecht ausgegrenzt werden können, ohne jedoch die sachliche Einschlägigkeit des Grundrechts abzulehnen. Das führt in der Konsequenz schließlich dazu, dass auch die allgemeine Handlungsfreiheit nicht mehr als Auffanggrundrecht zur Verfügung steht, da der Schutzbereich des spezielleren Grundrechts ja noch bejaht wird. Damit steht die Gewährleistungsdogmatik für ein positiv aufgeladenes, präformiertes Grundrechtsverständnis, das allerdings durch die rechtstechnisch möglich geworden Ausschaltung des Auffanggrundrechts noch größere Schutzlücken hinterlässt. Weniger Kritik ist dagegen angebracht, wenn der Begriff des Gewährleistungsgehaltes nur mit einer Präzisierung des Schutzbereichs in den Fällen gleichgesetzt wird, in denen eine möglicherweise nur scheinbare Kollision von Grundrechtsgütern aufzulösen ist (vgl. Rusteberg, Gewährleistungsgehalte, S. 234 ff.). Ob es dazu jedoch der Heranziehung einer missbrauchsanfälligen Gewährleistungsdogmatik bedarf, muss bezweifelt werden. 365 Vgl. Rixen, Sozialrecht, S. 250; Tsiliotis, Wettbewerbsfreiheit, S. 60. 366 Vgl. Stamer, Konkurrenzwirtschaft, S. 120 im Unterschied zu Huber, Konkurrenzschutz, S. 317, beide m.w. N. 367 Vgl. Albers, DVBl 1996, 223 (240 f.) und Murswiek, DVBl 1997, 1021 (1026); zustimmend Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (98); Gubelt, in: Münch / Kunig, GG, Art. 12, Rn. 43. 363

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

4. Zusammenfassung: unzureichende dogmatische Aufarbeitungsdichte auch in der Literatur Staatliche Einflüsse auf die Wettbewerbsfreiheit werden in der Literatur bislang nicht ausreichend dogmatisch aufgearbeitet. Die vorgetragenen Sachargumente können nicht über den Einzelfall hinaus (und oft auch dort nicht) beantworten, ob, und wenn ja, warum und wie der Bestand des wettbewerblichen Ordnungsgefüges in den Schutz der Wettbewerbsfreiheit aufgenommen sein soll. Soweit Fallgruppen gebildet werden, sind diese schlicht ein Abbild der in der Rechtspraxis zugespitzt auftretenden Konflikte, die bereits Gegenstand einer regen wissenschaftlichen Diskussion waren. Außerhalb der Fallgruppenbildung werden Einflüsse auf den Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung ohne besonderes Problembewusstsein dogmatisch der Eingriffsprüfung mittelbar-faktischer Beeinträchtigungen überantwortet. Die Eingriffsdogmatik ist mit dieser Aufgabe aber zwangsläufig überfordert, da sie nur die Frage der Zurechnung von nachteiligen Folgen zu einer von der öffentlichen Hand gesetzten Ursache zum Gegenstand hat. 368 Gleiches gilt für die Gleichheitsdogmatik, die in Bezug auf Zurechnungsfragen noch weniger entwickelt ist. Die Frage nach der Zurechnung ist denklogisch der Frage nach dem Schutzbereich bzw. des Schutzgutes nachrangig. Erst wenn feststeht, wo das Schutzgut endet und die Vermittlungskette beginnt, kann eine Prüfung der Vermittlungskette auf ihre Zurechenbarkeit ansetzen. Sie ist deswegen auf eine möglichst präzise Umschreibung des Schutzbereichs und des grundrechtlichen Schutzgutes angewiesen, die für die Wettbewerbsfreiheit noch aussteht.

IV. Die Konzeption Bäckers: Kein Schutz gegen, sondern nur innerhalb der einfach-rechtlichen Wirtschaftsordnungsnormen Ein in sich stimmiges, aber sehr restriktives dogmatisches System hat kürzlich Bäcker vorgestellt. Auch er hat sich der Einbettung der Wettbewerbsfreiheit in das grundrechtsdogmatische Koordinatensystem gewidmet und dabei ein besonderes Augenmerk auf staatliche Eingriffe in das Wettbewerbsgefüge gelegt.

368 Vgl. dazu nur Roth, Faktische Eingriffe, S. 129 ff. und im Einzelnen noch unten C.IV.2.b), S. 244 ff.

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1. Freiheit des Wettbewerbsverhaltens – Freiheit im Sozialen Bäcker hat es in einer beachtlichen Fortentwicklung der Glykolwein-Rechtsprechung 369 des BVerfG unternommen, deren normative Ansätze für eine neue Lesart der Wettbewerbsfreiheit fruchtbar zu machen. 370 Nach seinem Konzept zerfällt die Wettbewerbsfreiheit im herkömmlichen Sinne in die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens und die Freiheit im Sozialen. Die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens umfasse die natürliche Freiheit des Unternehmers, über seine wettbewerbsbezogenen Handlungen zu entscheiden, also am Wettbewerb teilzunehmen und sich im Wettbewerb nach eigenem Gutdünken zu verhalten. 371 Von dieser natürlichen Freiheit seien aber nicht die sozialen Zusammenhänge umfasst, in denen der Unternehmer tätig werde. Ist der Unternehmer Beeinträchtigungen ausgesetzt, die über den Wettbewerb vermittelt sind, dann sei davon lediglich seine Erfolgschance betroffen. Diese könne aber nur im sozialen Zusammenhang gedacht werden und sei daher nicht Bestandteil der natürlichen Freiheit. Eine Ausnahme solle nur insoweit gelten, als der Staat sich eines Umgehungstatbestandes bediene, die Verkürzung der Freiheit vermittelt durch den Wettbewerb aber beabsichtigt habe und sich als funktionales Äquivalent darstelle. Über den Wettbewerb vermittelte Beeinträchtigungen berührten aber in allen anderen Fällen (nur) die soziale Freiheit des Unternehmers, die grundrechtlich betrachtet durch die der Integrität der Wettbewerbsordnung gewährleistet wird. Um diese „soziale Freiheit“ sei der Schutz des Wettbewerbsverhaltens dementsprechend zu ergänzen. Dies führt zu einer zweigleisen Grundrechtsdogmatik: Die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens als natürliche Freiheit wird durch Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die soziale Freiheit will Bäcker als die Wettbewerbsfreiheit im eigentlichen Sinne verstehen, die er aus der Zusammenschau der wirtschaftsbezogenen Gewährleistungen der Art. 2 Abs. 1, 12, 14 GG herleiten möchte. Denn diese Grundrechte setzten einen starken sozialen Bezug voraus, da sich wirtschaftliche Freiheit nur im Kontakt mit anderen verwirklichen könne. Dieser soziale Bezug mache es notwendig, den Schutz wirtschaftlichen Verhaltens zu vervollständigen.

369

Dazu oben A.I.2.d), S. 39 ff. Bäcker, Die Wettbewerbsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht, 2007; Besprechungen von Rixen, DVBl 2008, 1563; Ohler, AöR 2009, 132 f. 371 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 149 ff., 330. 370

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2. Die Freiheit im Sozialen als normgeprägtes Grundrecht a) Gegenstand der Gewährleistung Die Wettbewerbsfreiheit als „Freiheit im Sozialen“ stellt sich nach Ansicht Bäckers als atypisches normgeprägtes Grundrecht dar. Sie schützt nicht den Wettbewerb vor staatlichen Eingriffen, sondern die normativ errichtete Wettbewerbsordnung. Als normgeprägtes Grundrecht werde der Inhalt der Wettbewerbsfreiheit zwar durch das einfache Recht ausgefüllt. Von der Verfassung vorgegeben sei aber der Gewährleistungsbegriff, der bestimme, welche einfach-rechtlichen Normen den Inhalt des Grundrechts auffüllen. 372 Verfassungsrechtlich relevant ist nun nicht das Wirtschaftsleben schlechthin, das Bäcker als Gesamtheit der tatsächlichen sozialen Kontakte bezeichnet, sondern nur die rechtlichen (Rahmen-) Bedingungen, die in einem abgrenzbaren Ausschnitt des Wirtschaftslebens die Bedingungen konkurrierender Teilnahme am Wirtschaftsleben festlegten. 373 Als solche verfassungsrechtlich geschützte Ordnungsnormen sollen nur Normen in Betracht kommen, die nicht lediglich das Verhaltens eines Individuums zum Gegenstand haben, sondern das spezifische Konkurrenzverhältnis der Wettbewerbsteilnehmer, da nur so der soziale Kontext des Wettbewerbshandelns verfassungsrechtlich abgebildet werden könne. Die normative Verbindlichkeit der Ordnungsnorm sei dabei zweitrangig, so dass auch lediglich einen Anreiz gebende (Lenkungs-) Normen geschützt werden könnten, weil der Gesetzgeber auch hier ein Leitbild des Wettbewerbs aufgestellt habe. Die derart gefunden Ordnungsnormen können den Wettbewerb nun entweder als Mittel auf dem Weg zur Erreichung eines Gemeinwohlziels (Regulierungsnormen) oder als Zweck an sich (Strukturnomen) zum Gegenstand haben. aa) Geschriebene Strukturnormen Strukturordnungsnormen als Rahmenordnung sollen die effiziente Verteilung von Ressourcen durch gesellschaftliche Selbstregulierung bewirken, ohne dass darüber hinaus ein weitergehendes Ziel verfolgt wird. Bäcker nennt als Beispiel für Strukturnomen die Subsidiaritätsnormen der Gemeindeordnungen, die eine wirtschaftliche Betätigung von der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks abhängig machen, also die ausschließlich privatwirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen verhindern soll. Eine Ordnungsnorm soll vorliegen, weil sie auch die Bedingungen konkurrierender Teilnahme am Wettbewerb regelt, indem sie den Wettbewerb von staatlicher Konkurrenz unter gewissen Voraussetzungen freihält. Über die norminterne Wirkung der Wettbewerbsfreiheit soll die Subsidiaritätsklausel nun drittschützende Wirkung erlangen, ohne dass es auf die Frage 372 373

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 168. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 169.

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ankäme, ob nur der Wettbewerb und nicht der einzelne Wettbewerbsteilnehmer geschützt sei, wie es nach der Schutznormtheorie zu fragen wäre. Denn nach der Konzeption Bäckers ist die Integrität der Wirtschaftsordnung durch das neue Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit sowohl in ihrem gesetzlichen Bestand als auch ihrem realen Vollzug gegen staatliche Beeinträchtigungen geschützt. 374 bb) Ungeschriebene Strukturnormen Die Bedingungen der Teilnahme am Wettbewerb lassen sich nach Bäcker nicht nur geschriebenen Normen entnehmen, sondern auch durch Extrapolation einzelner Ordnungsnormen, ggf. unter unterstützender Heranziehung allgemeiner Rechtsprinzipien gewinnen. Bei der Extrapolation will Bäcker an die bei normgeprägten Grundrechten bekannte Strategie anknüpfen, aus dem einfachen Recht Grundprinzipien zu abstrahieren, an denen auch der inhaltsbestimmende Gesetzgeber gemessen werden kann. 375 Allerdings nutzt Bäcker die Extrapolation bzw. Abstrahierung nicht wie üblich, in dem er aus ihnen Grenzen der gesetzgeberischen Ausgestaltungsbefugnis gewinnen möchte, 376 sondern in dem er aus diesen den Inhalt der Gewährleistung abzuleiten gedenkt. Eine solche ungeschriebene, durch Extrapolation gewonnene Strukturordnungsnorm sieht Bäcker in der Markttransparenz, die durch die Auslegung der §§ 1 ff. UWG in der Rechtsprechung des BGH 377 Eingang in das einfache Recht gewonnen hat, aber nicht ausdrücklich normiert wurde. Er lehnt sich dabei an die Glykol-Entscheidung des BVerfG an, die der Wirtschaftsrechtsordnung das Streben nach einem möglichst hohen Maß an Marktransparenz entnommen hat. Die Markttransparenz soll eine Bedingung des „funktionierenden“ Wettbewerbs sein, dessen Befolgung zwar nicht in jedem Fall erzwungen werde, für deren Befolgung jedoch ein rechtlicher Anreiz geschaffen werde. Denn jeder Einzelne, der einen Beitrag zu mehr Markttransparenz leiste, werde normativ bestärkt, indem er sich in dem Konflikt mit demjenigen, der einen intransparenten Markt anstrebe, durchsetze. 378

374

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 173. Konstruktiv besteht die Schwierigkeit, parallel zur Frage der Regelungslücke bei der Analogiebildung ungeregelte Sachverhalte nicht mit einem angeblich allgemeinen Prinzip auszufüllen, wo der Gesetzgeber das „allgemeine Prinzip“ möglicherweise bewusst nicht zur Anwendung bringen wollte, vgl. dazu Möllers, NJW 2005, 1973 (1977). 376 Vgl. dazu Gellermann, Grundrechte, S. 308 ff.; Poscher, Abwehrrechte, S. 137. 377 BGHZ 139, 368 (376): Irreführung des Verbrauchers durch Verschleierung der endgültigen wirtschaftlichen Belastung („Handy für 0,00 €“) und BHG NJW 1987, 2930 (2931). 378 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 185. Genauere Ausführungen bleibt Bäcker leider schuldig. So bleibt offen, in welchem Konflikt sich wer gegen wen aufgrund welcher 375

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Als weitere wirtschaftsordnende Strukturnorm nennt Bäcker den Schutz vor der Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. 379 Auch der Schutz derartiger Geheimnisse sei eine Funktionsbedingung der bestehenden Wettbewerbsordnung, nicht zuletzt, weil die zwangsweise Offenlegung von Informationen die Innovationsfunktion des Wettbewerbs beeinträchtige. Die Rechtsordnung erkenne das schützenswerte Interesse an der Geheimhaltung in vielerlei Hinsicht an. Interpoliert werden könne der Schutz aus dem zivilrechtlichen Schutz des ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetriebs, den strafrechtlichen Vorschriften der §§ 203 StGB ff., § 17 UWG, § 404 AktG oder auch § 30 VwVfG. Durch Verdichtung allgemeiner Rechtsprinzipien soll schließlich das Abwehrrecht gegen Subventionen des Konkurrenten gewonnen werden können. cc) Regulierungsnormen Regulierungsnormen unterscheiden sich von Strukturnormen nach Bäcker dadurch, dass der Gesetzgeber hier nicht auf den Mechanismus der gesellschaftlichen Selbstregulierung vertraut, sondern eine ausdrückliche Zielvorgabe für nötig hält, deren Einhaltung notfalls durch staatliche Eingriffe sichergestellt werden muss. 380 Gemäß der Definition Bäckers ist das Vorliegen einer Regulierungsnorm ebenfalls davon abhängig, dass gerade das Konkurrenzverhältnis in einer gewissen Weise gestaltet und als Mittel der Regulierung genutzt wird, die Regelung also nicht nur bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Einzelnen zum Gegenstand hat. 381 Als Beispiel für eine wirtschaftsordnende Regulierungsnorm nennt Bäcker das Vertragsarztprivileg in § 116 S. 2 SGB V. 382 Nach Bäcker liegt hier eine Regulierungsnorm vor, weil für den Wettbewerb zwischen Vertragsärzten und Krankenhausärzten eine besondere Struktur geschaffen werde, die durch eine rechtliche Besserstellung gekennzeichnet sei. Das Privileg setze auch nicht bei Eigenschaften oder Verhaltensweisen Einzelner an, sondern gestalte das Konkurrenzverhältnis durch die Besserstellung einer Gruppe, um das Ziel einer leistungsfähigen Ärzteschaft zu erreichen. Als weiteres Beispiel nennt Bäcker § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, der die Zulassung eines Verkehrsunternehmers davon abhängig macht, ob öffentliche Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden. Das ist verkürzt dann der Fall, wenn das Normen durchsetzen soll, wenn und soweit das intransparente Verhalten nicht gesetzlich untersagt ist. 379 BVerfG NVwZ 2006, 1041 (1042). 380 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 176. 381 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 177. 382 Vgl. zum Inhalt dieser Norm bereits oben A.II.3.a)dd), S. 77 ff.

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Verkehrsinteresse mit den bestehenden Angeboten befriedigt werden kann. Das Gesetz geht dabei davon aus, dass ein bestimmter Verkehr am besten nur durch einen Unternehmer bedient werden soll. 383 Eine Wirtschaftsordnungsnorm soll hier vorliegen, weil sie die Bedingungen konkurrierender Teilnahme am Wettbewerb ausgestaltet. Der zugelassene Taxenunternehmer sei bestimmten Bindungen unterworfen (§§ 21, 47, 51 PBefG), die es ihm erschweren, am Wettbewerb zu reagieren; gleichzeitig soll durch Kontingentierung die Gefahr des ruinösen Wettbewerbs vermieden werden, durch die ebenfalls der Wettbewerb geprägt sei. b) Dogmatische Einordnung Es geht Bäcker dabei nicht darum, im Sinne einer Konkretisierung des Schutzgehalts der Berufsfreiheit in einem Teilbereich Anleihen aus dem einfachen Recht zu entnehmen. Denn eine Konkretisierung kann nur stattfinden, wenn ein der Konkretisierung fähiger Gegenstand in der Verfassung vorhanden ist, 384 einen solchen Schutzgegenstand sieht Bäcker aber insoweit nicht als gegeben an, da nicht auf eine natürliche Freiheit zugegriffen werde, sondern der Bestand einer rechtlichen Ordnung Gegenstand der Gewährleistung sei. Das Grundgesetz kenne aber keine vorgegebene Wirtschaftsordnung, sondern gestatte dem Gesetzgeber eine Reihe von Marktordnungen, solange er nicht Grundrechte verletzt. Auch der Wettbewerb könne als rein tatsächliches Phänomen nicht selbst Aufschlüsse darüber geben, wann seine normative Ordnung gestört ist. Daher sei ein Rückgriff auf einfach-rechtliche Normen nötig.

383 BVerwG NVwZ 2003, 1114 (1115). Hier zeigt sich aber ein Unterschied zur Stellung der Vertragsärzte: Der Gesetzgeber hat sich im Krankenkassenwesen für die bestehende Ausgestaltung entschieden, um den Arztverbänden ein Gegengewicht entgegenzusetzen, da der einzelne Patient keine vergleichbare Verhandlungsmacht aufbringen kann. Die Zulassung als Vertragsarzt ist in ein umfassendes System eingebunden. Das ist bei dem Beförderungswesen nicht der Fall. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Markt alleine nicht das Niveau der Versorgung erreichen würde, die politisch intendiert ist (z. B. Fahrzeiten, Preise). Die Kontingentierung ist hier unmittelbares Mittel zur Erreichung des Ziels, was bei der Krankenversicherung der Entscheidung des Gesetzgebers entspräche, ein Trägersystem einzurichten. Erst dieses Trägersystem bedingt weitere Entscheidungen wie die der Zulassung. 384 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 177 verweist zutreffend auf Hesse, Verfassungsrecht, S. 77; ebenso Stern, in: StR I, S. 139: Die Verfassungsinterpretation müsse dort aufhören, wo die Verfassung keine verbindliche Setzung enthalte.

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3. Kritik an der Konzeption Bäckers a) Durchführbarkeit der Qualifikation von Wirtschaftsordnungsnormen Zweifel an der praktischen Durchführbarkeit der Konzeption wirft die Beliebigkeit auf, die mit der Qualifikation einer Norm als „Ordnungsnorm“ verbunden ist. Ob eine Norm den Wettbewerb bzw. das Verhältnis der Konkurrenten im Wettbewerb oder nur das Verhalten eines einzelnen Wettbewerbsteilnehmers zum Gegenstand hat, ist auch eine Frage des Blickwinkels. Denn der Wettbewerb wird durch das Verhalten der Wettbewerber konstituiert, so dass zwischen beiden zwangsläufig ein wechselseitiger Bezug besteht. Im Regelfall wird das Verhältnis der Wettbewerber dadurch bestimmt, dass den einzelnen Teilnehmern des Wettbewerbs bestimmte Verhaltensweisen geboten oder untersagt werden. Eine Abgrenzung im Sinne Bäckers wird dadurch zwar nicht zwingend undurchführbar, ihr haftet aber ein schwer zu leugnender Zufallscharakter an, wie an einigen Beispielen gezeigt werden soll. aa) Kommunalwirtschaftliche Betätigung So könnte man argumentieren, dass die Subsidiaritätsklausel im Kommunalwirtschaftsrecht nur das Verhalten der Gemeinde regelt und die Wirkungen auf den Wettbewerb nur abgeleiteter Natur sind. Bäcker stellt zur Begründung auf die Intention des Gesetzgebers ab, der deutlich gemacht habe, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen sich gegenüber dem selbstregulativen Gemeinwohlpotential eines staatsfreien ökonomischen Marktes rechtfertigen muss. Der Norm könne nicht die Tendenz abgesprochen werden, den Wettbewerb zwischen Privaten als Mechanismus gesellschaftlicher Selbstregulierung zu sichern. 385 Dieser Befund darf mit Hinblick auf die Diskussion über die Schutznormqualität jedenfalls nicht als unumstritten gelten, denn letzten Endes kreist auch die Schutznormdiskussion um die Frage, ob auch eine gesellschaftliche Stellung gesichert werden soll. Keine Ordnungsnorm sollen dagegen die haushaltsrechtlichen Vergaberegelungen darstellen, die eine bestimmte Form der Ausschreibung vorsehen. Diese hätten nicht zum Ziel, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu strukturieren und zu sichern, sondern sollen nur dem öffentlichen Interesse dienen, in dem sie einen sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit Haushaltsmitteln vorschrieben. Auch dieser Schluss ist indes nicht zwingend, wenn man nicht wie Bäcker primär auf den Willen des Gesetzgebers abstellt (den zu erforschen auch hier mit Unsicherheit verbunden ist). 386 Denn auch die haushaltsrechtlichen Vergabevor385

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 172.

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schriften haben den Wettbewerb zum Gegenstand, weil sie die Voraussetzungen regeln, unter denen sich die Wettbewerber um staatliche Aufträge bemühen können und damit eine Ordnung konstituieren. In objektiver Hinsicht unterscheiden sich die Wirkungen beider Normen nicht: in beiden Fällen haben die Normen direkten Einfluss auf die Stellung der Wettbewerber im Wettstreit um Marktchancen. Wenn der Staat als Wettbewerber auftritt, sinken die Chancen der privaten Wettbewerber. Wenn der Staat eine Ausschreibung unterlässt und freihändig einen Auftrag erteilt, sinken ebenfalls die Marktchancen der potentiell, aber nicht aktuell in eine Ausschreibung miteinbezogenen Wettbewerber. Die Beeinflussung der Marktchancen ist objektiv zwingende Folge und daher nicht als „bloßer Reflex“ abzutun, wie es in der Rechtsprechung des BVerfG häufig ohne nähere Begründung geschieht. Wenn Bäcker die Qualifikation aber (jedenfalls in der Anwendung) von dem gesetzgeberischen Willen abhängig macht, dann vergibt er damit die Möglichkeit, den Gewährleistungsbegriff vom gesetzgeberischen Zugriff zu lösen und eine objektive Ordnung zu gewährleisten. Das spricht nicht gegen die Einführung der Klasse der „Strukturordnungsnormen“ an sich, aber gegen die Definition, die Bäcker für Ordnungsnormen angibt. Ob eine Norm den Wettbewerb als solches zum Gegenstand hat, kann allenfalls anhand ihrer typischen Folgen beurteilt werden, nicht nach dem gesetzgeberischen Willen, wenn sie in der Art einer Institutsgarantie wirken soll. 387 bb) Vertragsarztprivileg & Personenbeförderung Auch die Definition der Regulierungsnormen begegnet denselben Bedenken wie im Fall der Strukturnormen. Die Bezugnahme auf gewisse Eigenschaften oder Verhaltensweisen kann die beste oder sogar einzige Regelungsmöglichkeit sein, um in gewünschter Weise auf ein Konkurrenzverhältnis einzuwirken. Letztlich geht es Bäcker aber auch hier nur wieder um die Zielsetzung, um derentwillen die Regulierungsnorm erlassen wurde: Eine Regulierungsnorm solle gerade die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Normverstoßes auf den Konkurrenten um eines spezifischen Zieles willen verhindern. 388 Zur Regulierungsnorm wird eine Norm daher entgegen der Definition Bäckers nicht, weil sie das Konkurrenzverhältnis zum Regelungsgegenstand hat, sondern weil sie ein gewünschtes Ergebnis sichern soll – gleichgültig, ob dieses durch Regulierung der Wettbewerbsmechanismen oder durch Einwirkung auf die einzelnen Wettbewerber 386 Die Parallelen zur „Finalität“ einer Maßnahme drängen sich hier auf, die Bäcker selbst zuvor als ungeeignetes Abgrenzungskriterium verworfen hat, Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 88. 387 In diesem Sinne zutreffend Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 182: „Regelungen der Bedingungen der Wirtschaftsteilnahme“. 388 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 177.

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erfolgt. Der Begriff der Regulierungsnorm wird damit nicht zum Klassifikation-, sondern zum Qualifikationsbegriff. Dahinter steckt – wie schon im Falle der Strukturnormen – nichts anders als die bekannte „berufsregelnde Tendenz“ in der Form einer finalen Auslegung. 389 Deutlich wird das auch bei der Qualifikation des Vertragsarztprivilegs als Regulierungsnorm. Der Argumentation Bäckers ließe sich entgegnen, dass die Norm in ihrem unmittelbaren Regelungsgehalt zunächst die Handlungsmöglichkeiten der Krankenhausärzte erweitert, in dem sie auch diesen die vertragsärztliche Versorgung ermöglicht, allerdings nur unter eingeschränkten Bedingungen. Der Sache nach enthält die Zusammenschau der Normen eine Zuweisung von Befugnissen an Ärzte, die jeweils unter gewissen Bedingungen in die Versorgungsleistungen der Krankenkassen eingebettet sind. Erst aus dieser Zuweisung von Befugnissen an den einzelnen (!) Arzt, unter welchen Bedingungen er von den Krankenkassen Erstattung für seine Tätigkeit erlangen kann, ergibt sich eine bestimmte Struktur des Wettbewerbs in Form der Zuteilung von Wettbewerbschancen, und zwar unabhängig von der Willensrichtung des Staates. Damit verbleibt das Argument, dass der Gesetzgeber durch § 116 S. 2 SGB V eine leistungsfähige Ärzteschaft erhalten und sie aus diesem Grund einem verminderten Wettbewerb aussetzen wollte. Hierin sieht Bäcker die Anknüpfung für eine Regulierungsnorm, 390 stellt aber damit primär wieder auf den Lenkungswillen des Gesetzgebers ab. Dieser Lenkungswillen ist aber wiederum zweifelhaft, weil er in der Sache um die Frage der Schutznormqualität des § 116 S. 2 SGB V kreist, wenn auch mit der Modifikation, dass die Besserstellung einer Gruppe von Individuen ausreicht. Aber auch der Wille zur Besserstellung der Vertragsärzte darf als umstritten gelten, wenn man mit dem Bundessozialgericht davon ausgeht, dass das Zulassungsprivileg im Interesse der Krankenversicherten an einer lückenlosen ambulanten Versorgung erlassen wurde. 391 Auch bei den die Zulassung von Konkurrenten im Beförderungswesen regelnden Normen leitet Bäcker im Widerspruch zu seiner Maxime die Ordnungsnorm aus den individuellen (!) Bindungen des zugelassenen Taxiunternehmers und des Betriebsverbots des nicht zugelassenen Taxiunternehmers ab, mithin aus Verhaltensnormen, die das Wettbewerbsverhalten der Teilnehmer regeln. Den Wettbewerb haben die Normen nur insoweit zum Inhalt, als sie ein gewisses Wettbewerbsergebnis (Taxiversorgung zu bestimmten Bedingungen) herbeiführen wollen. „Geprägt“ wird der Wettbewerb dadurch nur deswegen, weil die Einrichtung eines Zulassungsregimes zwangsweise Folgen für die Verteilung der Wettbewerbschancen haben muss. Dass soll hier im Gegensatz zu Verboten mit Erlaubnisvorbehalten im Gefahrenabwehrbereich relevant sein, weil der Gesetzge389 390 391

Dazu näher unten C.I.2.b), C.II., S. 211 ff. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 178. BSGE 68, 291 (292).

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ber gerade im Hinblick auf sein Regulierungsziel das Insolvenzrisiko für die zugelassenen Unternehmer senken wollte. Entscheidend ist also auch hier nach Bäcker wieder die „berufsregelnde Tendenz“, die sich an der Lenkungsabsicht des Gesetzgebers festmachen lässt, auch wenn Bäcker dies nicht offen anspricht. b) Konsequenzen der Unterscheidung im Einzelfall Die von Bäcker herausgearbeiteten Beispiele von wettbewerblichen Ordnungsnormen führen schließlich – konsequent zu Ende gedacht – nicht immer zu dem intendierten Ergebnis. Wenn die Integrität der Wettbewerbsordnung bzw. der Bedingungen der Teilnahme am Wettbewerb gegen staatliche Eingriffe geschützt ist, dann würden rechtfertigungsbedürftige Eingriffe im Falle der Marktransparenz als ungeschriebene Strukturnorm darin bestehen, dass der Staat die Markttransparenz in einem Wettbewerbssegment verändert. Nimmt man das Streben nach höchstmöglicher Transparenz hinzu, dann würde der Staat immerhin mit einer Absenkung des Transparenzniveaus bzw. der Vermeidung von Transparenz in den Schutzbereich eingreifen. Stellt man den Zusammenhang zu der abstrahierten Leitentscheidung des BVerfG zu § 35 Abs. 7 SGB V her, wäre also die Abschaffung der Veröffentlichung der Festbeträge im Zuge einer erneuten Gesundheitsreform ohne Rücksicht auf die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen als Eingriff in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit der Pharmaunternehmer einzustufen. Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Gewährleistung der Markttransparenz nicht als Eingriffsabwehrrecht konzipiert ist, sondern in erster Linie der Präformierung eines Grundrechts zur Verneinung eines Eingriffs dient, wie es im Glykol-Beschluss des BVerfG der Fall war. Auch mit der Argumentation zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verlässt Bäcker den selbst gestellten Rahmen. Ob die Offenlegung die Innovationsfähigkeit des Wettbewerbs beeinträchtigt, ist keine rechtliche Fragestellung, sondern zielt auf die ökonomischen Folgen und deren Bewertung ab. Würde in einer Marktordnung kein Schutz der Geschäftsgeheimnisse bestehen, hätte das Folgen für die Handlungen der Wettbewerbsteilnehmer. Art und Ausmaß dieser Folgen werden nicht durch das Recht bestimmt, sondern nach ökonomischen Grundsätzen. Eine rechtliche Funktionsbedingung (und nur um diese kann es nach Bäcker gehen) wäre nur dann betroffen, wenn ein bestimmtes Maß an Innovationsfähigkeit (ein Begriff, der selbst erst noch genauer definiert werden müsste) rechtlich garantiert oder intendiert wäre und die faktischen Auswirkungen der Offenlegung dieses Maß nachweisbar beeinträchtigen würden. Der schlichte Verweis auf den ökonomischen Wirkungszusammenhang zwischen Geheimnissen und Innovation macht den Schutz der Geschäftsgeheimnisse dagegen nicht zu den „rechtlichen Bedingungen der konkurrierender Teilnahme am Wettbewerb“. 392 392

So Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 169 in seiner Ausgangsdefinition.

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An Bäckers letztem Beispiel wird außerdem deutlich, wie schnell aus dem Konzept der „Freiheit im Sozialen“ als vorgebliche Ergänzung des Grundrechtsschutzes Gefahren erwachsen. Auf Basis seines Ansatzes ist zwar der Versuch zutreffend, aus dem zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Schutz von Geheimnissen ein allgemeines Prinzip des Geheimnisschutzes abzuleiten, von dem das Verhältnis der Wettbewerber untereinander geprägt ist. Der Fortbestand des gegenseitigen Geheimnisschutzes würde dann die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht aktivieren. Für den Schutz gegen die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse im vom BVerwG zu entscheidenden Fall ist aber die „Erweiterung“ des herkömmlichen Verständnisses der Wettbewerbsfreiheit in keiner Weise nötig. Sowohl Regulierungsbehörde als auch Gericht hatten gegenüber dem Wettbewerber die Verpflichtung ausgesprochen, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offen zu legen und damit eine Handlungspflicht begründet, die sich auf die geschäftliche Tätigkeit des Wettbewerbers und damit ihre Berufsausübungsfreiheit im wörtlichen Sinne beschränkte, ohne dass hierfür eine gesonderte bzw. besondere Berücksichtigung sozialer Wirkungszusammenhänge nötig wäre. Ein Eingriff in den Schutzbereich nach herkömmlicher Ansicht wäre allenfalls dann zweifelhaft gewesen, wenn Gericht oder Behörde ohne Zutun des Wettbewerbers Zugang zu den Informationen gehabt hätten. Wird ein Eingriff in die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens vorschnell zugunsten des Schutzbereichs der normgeprägten Wettbewerbsfreiheit verneint, hat das zur Folge, dass einstmals klare Eingriffe aufgrund der Normprägung der Wettbewerbsfreiheit plötzlich zweifelhaft werden können. Die Folgen des Konzeptes auf der Rechtsanwendungsebene liegen in erster Linie darin, dass nicht mehr die einfach-rechtliche Norm auf ihren Schutznormgehalt untersucht werden muss, sondern eine Vielzahl dieser Normen unter Rückgriff auf Art. 12 Abs. 1 GG zum subjektiven Recht mutieren. Es ist zweifelhaft, ob dieser Weg einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Rechtsschutz und Gestaltungsmöglichkeit leisten kann. Er belastet die Verwaltungsgerichte mit der Klärung von Einzelfragen, ohne aber eine Überprüfung der Zielsetzung zu ermöglichen, wie es z. B. bei der Eigentumsgarantie durch Art. 14 GG möglich ist, da Bäcker gerade keine grundgesetzlichen Ordnungsvorgaben anerkennt. Auch Bäcker konstatiert, dass der Einzelne auch in einer regulativ überformten Wettbewerbsordnung ein Interesse hat, diese Ordnung durchzusetzen. Jeder Wettbewerber müsse sich auf die jeweiligen Ordnungsvorgaben einlassen, die sein Verhältnis zu den Konkurrenten regeln. Daraus folge, dass er darauf angewiesen ist, dass sich der Staat auch an die gesetzten Ordnungsvorgaben halte, denn die regulativen Vorgaben verengen in der Regel den unternehmerischen Spielraum, in dem sie auf wettbewerbliche Herausforderungen reagieren können. 393 An dieser Erkenntnis kann sich die Bestimmung des Schutzbereichs allerdings zutreffender Weise orientieren. 393

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 177.

IV. Die Konzeption Bäckers

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c) Dogmatische Bedenken Schließlich beschränkt sich die Kritik auch nicht auf die bisher geäußerten Bedenken, die eher juristisch-konstruktiver Natur waren. Auf den ersten Blick scheint die Konzeption Bäckers gerade deswegen zu bestechen, weil sie Schutzlücken zu schließen gedenkt, die durch die sozialen Bezüge vermittelt worden sind und – so die Argumentation Bäckers – durch die Wettbewerbsfreiheit im herkömmlichen Sinne nicht verarbeitet werden kann, weil diese individualistisch angelegt ist. 394 Diese Schutzlücken bestehen aber bei genauerer Betrachtungsweise nicht bzw. nur dann, wenn zuvor die umfassende Garantie der Berufsfreiheit als punktuelle Garantie gedeutet wurde, die sämtliche soziale Bezüge auszuklammern hätte. Dies ist unter anderem deswegen widersprüchlich, weil sowohl in der Begründung als auch in der Umsetzung Bäckers deutlich wird, dass soziale Bezüge in der Freiheit des Wettbewerbsverhaltens nicht nur denkbar, sondern vielmehr unumgänglich sind – dienen sie doch Bäcker als tragende Begründung der Postulierung einer Freiheit im Sozialen. 395 Aber selbst in der von Bäcker streng individualistisch interpretierten Freiheit des Wettbewerbsverhaltens schleichen sich soziale Bezüge ein: Wollte der Gesetzgeber eine Einschränkung der Freiheit des Wettbewerbsverhaltens über den Wettbewerb erzielen, dann soll wegen des Umgehungsgedanken dennoch ein Eingriff des Wettbewerbsverhaltens zu bejahen, also die sozialen Bezüge auch hier von Bedeutung sein. Warum die Berücksichtigung der sozialen Bezüge bei der Bestimmung des Umfangs des Schutzbereichs von dem Willen des Gesetzesgebers abhängen soll, wird nicht näher begründet. Eine solche Begründung ist auch nicht ersichtlich. Zum anderen will Bäcker die Wettbewerbsfreiheit als Freiheit im Sozialen aus dem starken Sozialbezug ableiten, die den wirtschaftsbezogenen Grundrechten seiner Meinung innewohnen. Gegen letzteres ist wenig einzuwenden. Wenn die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 GG aber ohne ihren sozialen Kontext nicht denkbar sind, dann läge nichts näher, als diesen Kontext schon in den natürlichen Freiheitsbegriff hineinzulesen, der der Berufsfreiheit zugrunde liegt. Geht man schließlich davon aus, dass auch die natürliche Freiheit nicht kontextlos existiert, weil Menschen ziel- und zweckorientiert handeln und ihre Handlungen an den Wirkungen ausrichten, die sie zu erzielen glauben, dann wird aus dem Mehr an Schutz plötzlich ein Weniger an Schutz: was einst Inhalt der weder 394

Dieser neuartigen Interpretation der Glykol-Rechtsprechung des BVerfG wird zwar die an der Rechtsprechung geäußerte Kritik im Schrifttum (vgl. Fn. 117, oben S. 40) nicht gerecht, weil sie im Gegensatz zu Bäcker nicht zwischen der Freiheit des Wettbewerbsverhaltens und der Wettbewerbsfreiheit unterscheidet. Die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens will Bäcker nicht als normgeprägt verstanden wissen. Die Kritik muss sich daher nicht gegen die „Dreingabe“ richten, die Bäcker zusätzlich als neues Grundrecht einführen will, sondern gegen das enge Verständnis der Freiheit des Wettbewerbsverhaltens (so zutreffend Rixen, DVBl 2008, 1563; Ohler, AöR 134 (2009), 132). 395 Vgl. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 96 ff.

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A. Die Wettbewerbsfreiheit und staatliche Ingerenz

präformierten noch normgeprägten Berufsfreiheit war, wird deren Gewährleistung entzogen und einem normgeprägten Schutzgegenstand unterstellt, der nach dem Leitbild der „wirtschaftspolitischen Neutralität“ keine grundrechtlichen Vorgaben enthalten soll und der dem Gesetzgeber einen weiten Ausgestaltungsspielraum offen lässt. Dies gilt umso mehr, als nach Bäcker Inhalt der Gewährleistung nur der Bestand einer „Wirtschaftsordnung“ sein soll, also nicht jeder soziale Bezug schlechthin geschützt wird. Zudem kann ein Selbststand durch die bloße Anknüpfung an die Absicht des Gesetzgebers nicht erreicht werden.

B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsdogmatische Schlüsselfrage Der erste Abschnitt der Untersuchung zeigt, wie unsicher und zufällig Einflüsse auf die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung in Rechtsprechung und Literatur behandelt werden. In der Analyse der Rechtsprechung des BVerfG und der neueren Stimmen der Literatur ist auch deutlich geworden, dass der Einbezug des wirtschaftlichen Kontextes der Berufsausübung als Weichenstellung für die weitere grundrechtliche Einstufung wirkt. Bejaht man die Zugehörigkeit des wirtschaftlichen Ordnungsgefüges zum Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, werden im Rahmen der Eingriffsprüfung angestellte Zurechnungsfragen wenigstens teilweise entbehrlich, wie die bereits die bisherige Darstellung der Urteile angedeutet hat und die weitere Untersuchung noch verdeutlichen wird. Die Wettbewerbsfreiheit ist in ihrem Wesen und ihrer Ausformung also entscheidend davon abhängig, was als Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG definiert wird. Mit dieser Frage wird sich der kommende Abschnitt näher befassen.

I. Ausgangspunkt: Grundrechte als „Freiheitsrechte“ Bereits der Wortlaut vieler Grundrechtsverbürgungen (vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 2; Art. 4 Abs. 1; Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG) zeigt, dass eine bestimmte Kategorie der Grundrechte mit der Verbürgung der „Freiheit“ selbst eine verfassungsunmittelbare Definition ihres Schutzgutes geben. Andere verwenden zwar den Begriff der Freiheit nicht ausdrücklich, schützen aber wie Art. 4 Abs. 3 GG und auch Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit bestimmter dort genannter Handlungen. Bei diesen Grundrechten steht also die Verhaltensfreiheit der Grundrechtsträger im Vordergrund, die ihren weitesten Ausdruck in der herrschenden Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit gefunden hat. 1 Dem lassen sich die Grundrechte gegenüberstellen, die keine menschlichen Fähigkeiten, sondern bestimmte Eigenschaften oder Zustände einem besonderen Schutz unterstellen. 2 Im Grundgesetz ausdrücklich normierte Beispiele sind die körper1 Vgl. etwa Alexy, Theorie, S. 194 ff.; Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 175; Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 628; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 14 m.w. N.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

liche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und die Garantien der Art. 10, 13 GG. Letztere lassen sich auch als verselbständigte Teilaspekte eines umfassenden Persönlichkeitsrechtsschutzes verstehen, der sich schrittweise als unbenannte Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG entwickelt hat. In dieser Weiterentwicklung beschränkt sich der Integritätsschutz nicht mehr nur auf Eigenschaften der Person selbst, sondern umfasst ihre Einbindung in das gesellschaftliche Leben. Hinsichtlich dieser Gewährleistungen stellt die bildlich zu verstehende „Freiheitssphäre“ eine treffende Beschreibung des Schutzgutes dieser Grundrechte dar. Aufgrund der identischen negatorischen Abwehrwirkung 3 werden beide Gewährleistungstypen häufig mit dem Begriff der Freiheitsrechte gleichgesetzt. 4 Für die meisten Anwendungen erwachsen aus der Zusammenfassung von Verhaltensund Integritätsschutz keine Nachteile. Im Rahmen einer weiteren Inhaltsbestimmung wird es jedoch nötig sein, nicht in pauschaler Weise die „Freiheit“ zum allgemeinen Schutzgut aller Grundrechte auszurufen. Es mag zwar zutreffend sein, dass sich Eingriffe in Zustände stets mittelbar auf die Handlungsfreiheit auswirken. 5 Wenn aber auf diese Weise so heterogene Schutzgüter wie etwa die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Freiheit der Meinungsäußerung auf ihren gemeinsamen Gegenstand „hochabstrahiert“ werden müssen, ist aus deren Analyse kein Erkenntnisgewinn mehr zu erhoffen. 6 Die Unterschiede sollten daher im Blick behalten werden. Eine Sonderstellung nehmen schließlich die sog. normgeprägten Grundrechte ein, deren Besonderheit nach h.M. unter anderem darin liegt, dass ihr Schutzgegenstand zumindest teilweise dem einfachen Recht entnommen wird. In die Reihe der normgeprägten Grundrechtsgewährleistungen soll sich unter anderem auch die Vertragsfreiheit einreihen, die in ihrer unternehmerischen Form Teil der Wettbewerbsfreiheit ist. Noch weiter geht schließlich Bäcker, der wie dargestellt alle Kontextbezüge der Wettbewerbsfreiheit als normgeprägt deuten will. 7 Wegen der Vielzahl von dogmatischen und 2

Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 644. Der aus ihrer Verletzung folgende Abwehranspruch ist typisch für diese Kategorie der Grundrechte, die sie von Gleichheitsrechten und Leistungsrechten unterscheiden und vor allem die gängige Dichotomie von Freiheits- und Gleichheitsrechten rechtfertigt. Gleichheitsverstöße können dagegen sowohl durch Besserstellung des Benachteiligten als auch die Schlechterstellung des Bevorzugten abgestellt werden. 4 Vgl. etwa aus der studentischen Übungsliteratur Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, S. 346 ff.; Manssen, Staatsrecht II, S. 25 ff.; Zippelius / Würtenberger / Maunz, Staatsrecht, S. 177; aber auch die Darstellungen von Grabitz, Freiheitsrechte, S. 3; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 69 f.; Alexy, Theorie, S. 311. 5 Vgl. Alexy, Theorie, S. 312. Der Integritätsschutz kann dann als „vorgezogener“ Schutzposten dienen. 6 Vgl. auch Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 624, der die Verhaltensfreiheit als einen spezifischen Schutzgegenstand der Grundrechte als Abwehrrechte versteht, der nicht alle Schutzgüter der Grundrechte umfasst. 3

II. Sonderfall „Normprägung“?

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begrifflichen Unklarheiten im Bereich der normgeprägten Grundrechte muss auch auf sie näher eingegangen werden. Die weitere Untersuchung wird daher wie folgt vorgehen: Zunächst soll zur Figur der Normprägung Stellung genommen und untersucht werden, ob sie sich in Bezug auf ihren Schutzgegenstand wirklich von herkömmlichen Verhaltensfreiheitsrechten unterscheiden und inwieweit der Wettbewerbsfreiheit Ansätze einer Normprägung entnommen werden können. In einem zweiten Schritt soll der Begriff der Freiheit als zentrales Schutzgut der Grundrechte auf seine Bestandteile untersucht werden. Dabei wird insbesondere auf die Integration des wirtschaftlichen wie sozialen Kontextes der Grundrechtsausübung in den Freiheitsbegriff einzugehen sein. Der Abschnitt schließt mit einer Synthese der bisherigen Erkenntnisse, die in eine Neuformulierung des Schutzgutes der Wettbewerbsfreiheit und der Untersuchung ihrer Implikationen mündet.

II. Sonderfall „Normprägung“? Der Begriff der Normprägung 8 eines Grundrechts wird nicht selten mit der rein deskriptiven Beschreibung gleichgesetzt, dass der Freiheitsgebrauch im Rahmen dieses Grundrechts auch mit der Inanspruchnahme von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten verbunden ist, wie beispielsweise das Schließen einer bürgerlichrechtlichen Ehe ohne das Bestehen entsprechender Rechtskonstrukte unmöglich ist. Diese Beobachtung ist zunächst nur rein deskriptiver Art, so dass sie unmittelbar keine „prägende“ (im Sinne einer gestaltenden Wirkung) auf Grundrechte haben kann. Der Begriff der Normprägung sollte deshalb auf der deskriptiven Ebene nicht verwendet werden, wenn nicht schon durch die Begriffswahl bereits Folgerungen für Freiheitsbegriff und Schutzgut der Grundrechte impliziert werden sollen, die einer eingehenden Begründung bedürften. 9 Verlässt man die Ebene der rein deskriptiven Feststellung, verbergen sich hinter der Sammelbezeichnung „normgeprägt“ allerdings ganz unterschiedliche Sachaussagen, die sich in drei Ebenen unterteilen lassen, aber häufig vermischt werden. Logisch vorrangig ist die Frage nach dem Schutzgut der Grundrechte. 7

Vgl. oben unter A.IV., S. 108 ff. Die Normprägung der Berufsfreiheit war wegen des Ausgestaltungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch schon früher Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion, vgl. Majewski, Auslegung, S. 102 ff. 8 Vgl. zur Dialektik von sachgeprägten Grundrechten auf der einen und normbzw. rechtsgeprägten Grundrechten auf der anderen Seite prägnant Herzog, in: FS Zeidler, S. 1415 ff. 9 So benutzt Cremer, Auslandsfolgen, S. 331 f. zur Beschreibung der Angewiesenheit auf eine bestimmte nationale Rechtsordnung den Begriff der „Rechtsordnungsabhängigkeit“, den Ruffert, Vorrang, S. 104 zu Recht auch in diesem Kontext als Synonym bezeichnet.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Wenn das Kennzeichen normgeprägter Grundrechte in der Unterschutzstellung des einfachen Rechts gesehen wird, dann drängt sich die Frage auf, wie sich der Schutz von Rechtsinstituten und Freiheit zueinander verhält. Verbleibt es bei der individuellen Freiheitsbetätigung als Fundament der Grundrechte, dann kann auf der nächsten Stufe gefragt werden, ob der Freiheitsbegriff bestimmter normgeprägter Grundrechte positiv, also „werthaltig“ durch die Verfassung oder soziologische Realbefunde aufgeladen ist. Auf der dritten Ebene tritt nun die Relation von einfachem Recht und Schutzgut des Grundrechts hinzu. Ist das einfache Gesetzesrecht in der Lage, auf den Schutzumfang des Grundrechts einzuwirken, also bestimmte Freiheitsbetätigungen aus dem abwehrrechtlichen Reflex der Grundrechte herauszunehmen? 1. Institute des einfachen Rechts als Schutzgut der Grundrechte? Nach verbreiteter Meinung soll das Schutzobjekt der normgeprägten Grundrechte eben in diesem einfachen Recht liegen. 10 Das Grundrecht erweist sich damit als „Produkt der Rechtsordnung“. 11 Die Unterschutzstellung des einfachen Rechts erweckt dabei den Eindruck der besonderen Freiheitsförderung, wo es der Sache nach nur um die Zugriffsmöglichkeit des Gesetzgebers auf Inhalt und Umfang des Grundrechtschutzes geht. 12 a) Allgemeine Überlegungen Bereits die Schlussfolgerung, aus der Rechtsgeprägtheit der Freiheit folge, dass nicht mehr die Freiheitsbetätigung, sondern nur noch Normen des einfachen Rechts Schutzobjekt dieser Grundrechte seien, ist angreifbar. 13 Denn dies 10 Vgl. aus dem neueren Schrifttum Mager, Einrichtungsgarantien, S. 432; Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 158 m.w. N. Schon früh befasste sich Lerche, Übermaß, S. 107 ff.; ders., in: HStR V, § 121, Rn. 4, 39 mit normgeprägten Grundrechten. Differenzierend Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 29 f.: Das Ob und Wie der Öffnung bestimme sich einseitig von den Grundrechten her. Auch Poscher, Abwehrrechte, S. 135 ff. sieht in dem Schutz einfach-rechtlich konstituierter Rechtspositionen nur einen Teilaspekt des Grundrechtsschutzes. 11 Roth, Faktische Eingriffe, S. 167; Leisner, in: HStR VI, § 149, Rn. 57; Gellermann, Grundrechte, S. 94 m.w. N. 12 Vgl. dazu kritisch Cornils, Ausgestaltung, S. 518 ff. Sogar bei der Eigentumsgarantie als Paradefall der normgeprägten Grundrechte ist überdies umstritten, ob das einfache Recht das Schutzobjekt bildet, oder der Eigentumsgarantie nicht doch ein spezifisch verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff zugrunde liegt, vgl. oben A.I.1.a), S. 19 ff. 13 Vgl. auch Cornils, Ausgestaltung, S. 522: „Es ist wichtig, zwischen der Prämisse, also der rechtlichen Konstituierungsbedürfigkeit der Gewährleistungsgegenstände, und

II. Sonderfall „Normprägung“?

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bedeutet nicht nur, dass vom Gesetzgeber nicht normierte potentielle Rechtspositionen (bzw. Rechte oder Kompetenzen) keinen Schutz genießen, sondern auch, dass nur Rechtspositionen die Fähigkeit besitzen, zum Garantiegegenstand des Grundrechts zu werden, so dass nicht mehr die Freiheit zu selbstbestimmtem Verhalten durch die Inanspruchnahme einer rechtlichen Kompetenz, sondern ein bloßer Zustand der „Verrechtlichung“ zum Schutzobjekt mutiert. Der Wechsel des Schutzobjekts hin zu einer Garantie von Rechtspositionen steht im Gegensatz zur dem immer wieder betonten personalen Charakter gerade der subjektivrechtlichen Dimension der Grundrechte und ihrer Rückführung auf den Selbstbestimmungsschutz des Grundrechtsträgers. 14 Es ist zwar denklogisch ohne weiteres möglich, in dem Schutz der rechtlichen Kompetenzen des Grundrechtsträgers auch den Schutz dessen rechtlicher Handlungen bzw. Handlungsmöglichkeiten zu erblicken. 15 Dennoch werden ohne Not Ursache und Folgewirkung vertauscht, wenn (abseits des reinen Integritätsschutzes, wie er in den Art. 2 Abs. 2, 10, 13 GG zum Ausdruck kommt) nicht die rechtliche Handlungsfähigkeit des Grundrechtsträgers, sondern nur seine Kompetenz als solche geschützt wird, auch wenn dies in der Regel nicht problematisiert wird. 16 Fraglich ist zudem auch, ob der Freiheitsgegenstand durch das Abstellen auf die „Bewirkungsmacht“ 17 des Grundrechtsträgers wirklich immer zutreffend erfasst wird – mag sie nun als Schutz der Kompetenz einräumenden Normen oder als Schutz der rechtlichen Freiheit erfasst sein. Denn auch das nichtige Eheversprechen hat für die Beteiligten die erwünschte soziale Bindungswirkung, wenn dessen Nichtigkeit von ihnen nicht erkannt wird. Ebenso hat der unerkannt nichtige, aber im beiderseitigen Einverständnis durchgeführte Vertrag die gewünschten wirtschaftlichen Folgewirkungen – auch ohne staatliche Anerkennung. 18 Dem ließe sich nur entgegen halten, dass alleine die freiwillige Befolgung keine Rechtswirkungen erzeuge, in eben dieser rechtlichen Bindungsder angenommenen Folge, also der Grundrechtsprägung durch diese Konstitutivgesetzgebung, zu unterscheiden.“ 14 Vgl. eingangs die Ausführungen zur Bedeutung der Eigentumsgarantie. Dieses personale Element liegt auch der Deutung der Grundrechte als Selbstbestimmungsschutz zugrunde, dazu noch unten B.IV.3.a), S. 200 f. 15 Dies geschieht sogar häufig bei der Eigentumsgarantie als Prototyp der normgeprägten Grundrechte, wenn auf die Bedeutung des Eigentums für die Persönlichkeitsentfaltung verwiesen wird, vgl. dazu oben A.I.1.a), S. 19 ff. 16 Vgl. die Einteilung bei Ruffert, Vorrang, S. 170 ff., zurückgehend auf Ipsen, JZ 1997, 473 (477). 17 Sachs, in: StR III/1, § 65, S. 537. 18 In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Heilung von Formfehlern gem. § 518 Abs. 2 BGB oder der Umstand ein, dass etwa wegen gem. § 138 BGB nichtige Verträge nicht zwangsweise rückabgewickelt werden, die Parteien also nicht auf die staatliche Anerkennung angewiesen sind, um „Verträge“ zu schließen und durchzuführen, die sie selbst als bindend empfinden.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

wirkung bzw. Folgeerscheinungen aber die Besonderheit der Freiheitsausübung im Rahmen der normgeprägten Grundrechte liege, die ohne das Tätigwerden des einfachen Gesetzgebers nicht zu erreichen sei, wie etwa in einer Versammlung das Handheben erst durch die Regeln der Gesetzgebung zu einem Gesetzgebungsakt werde. 19 Daran ist zutreffend, dass nur der Staat die gegebenen Versprechen durch gesetzliche Anordnung bzw. Regelung im Wege eines „staatlichen Ritterschlages“ in den Rang geltenden Rechts heben kann. Die „Geltung“ ist aber häufig nicht mehr als bloßer Symbolismus. Es ist nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Versprechen, denen der Staat derart Leben eingehaucht hat, auf die es den Grundrechtsträgern ankommt. Gelingt die Ehe oder wird der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt, dann trägt die Rechtsverbindlichkeit für die Parteien dazu nichts bei bis auf das Gefühl, sich in der Form gebunden zu haben, der der Staat die Anerkennung nicht versagt. Darin liegt aber zumeist nicht der soziale Sinn und Zweck des Versprechens, denn man verspricht nicht um des staatlichen Segens willen oder veräußert eine Sache, um einen Rechtsakt zu erzeugen. Scheitert nun die Ehe oder leidet der Vertrag an Leistungsstörungen, dann kommt es den Versprechenden ebenfalls nicht darauf an, ob der Staat das Handeln der Versprechenden als Ehe oder Vertrag bezeichnet oder anerkannt hat, 20 sondern auf die Zurverfügungstellung seiner Sanktionsmittel, mit deren Hilfe ein Verhalten des Gegenübers (zumindest in Form einer Geldleistung) erzwungen werden soll, was in diesem Sanktionensystem aber nur mittelbar und nicht logisch zwingend an die staatliche Anerkennung als Ehe oder Vertrag gebunden ist, die hier bloße Tatbestandsmerkmale darstellen und durch die Anknüpfung an ein natürliches „Einigsein“ ersetzt werden könnte. 21 Deswegen ist es zwar vollkommen zutreffend, der rechtlichen Freiheit des Vollzugs eines Rechtsaktes begriffsnotwendig eine Kompetenz vorausliegend zu sehen, 22 die vom Staat erst verliehen werden müsse, weil das Individuum sie nicht von Natur aus besitze. 23 Daraus folgt aber zum einen nicht, dass das Schutzobjekt der Grundrechte in der Kompetenz und nicht in der einer verfassungsunmittelbar bestimmten Freiheit liegen müsse, noch die Gleichsetzung des Schutzgutes mit der rechtlichen Handlung bzw. Kompetenz, obwohl es Grundrechtsträgern in der Regel auf diese besondere Qualität nicht ankommt, sondern 19

Beispiel von Alexy, Theorie, S. 217. Vgl. Alexy, Theorie, S. 216. 21 Diese Unterscheidung betrifft indes nicht die alte zivilrechtliche Streitfrage, ob Geltungsgrund des Vertrages die Privatautonomie der Parteien oder die staatliche Anerkennungsleistung ist, da hier zwischen Anerkennungs- und Sanktionsleistung unterschieden wird. Etwas undeutlich hierzu Cornils, Ausgestaltung, S. 196. 22 Alexy, Theorie, S. 221. 23 Jellinek, System, S. 47. 20

II. Sonderfall „Normprägung“?

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nur auf den realen Erfolg, den sie mit ihren Handlungen erzielen wollen. Erst die Schaffung einer Rechtsordnung kanalisiert die Aufmerksamkeit auf den rechtlichen Erfolg, der für die Grundrechtsträger nur insoweit von Bedeutung ist, als er für den Eintritt des realen Erfolges außerhalb des Gedankengebildes der Rechtsordnung konstitutiv ist. Dem Sinn und Zweck der die Verhaltensfreiheit schützenden Grundrechte entspricht es allerdings, die Schutzobjekte so auszugestalten, dass sie ihrem Zweck als Selbstbestimmungsschutz optimal gerecht werden. 24 Das geschieht nicht durch die Unterschutzstellung von Normen, Kompetenzen oder Rechtsinstituten, sondern den Rückbezug auf eine individuelle Freiheitsausübung, mithin eines personalen Elements. Wenn und soweit aber der soziale Sinngehalt – wie in den Beispielen angeführt – nicht von der staatlichen Anerkennung abhängt, dann scheint es auch wenig sinnvoll, in den Mechanismen der staatlichen Anerkennung das Schutzobjekt der Grundrechte zu sehen. In aller Regel ist also der Freiheitsgegenstand nur unzureichend dadurch umschrieben, dass der Grundrechtsträger rechtliche Kompetenzen in Anspruch nimmt. Entweder handelt es sich um eine bloße Unterstützung der natürlichen Handlungsfreiheit durch rechtliche Kompetenzausübung bzw. die Inanspruchnahme rechtlicher Handlungsmöglichkeiten, oder die rechtliche Kompetenzausübung steht (gleichberechtigt, nicht übergeordnet) neben der natürlichen Handlung und dem Erfolg, den die Grundrechtsträger mit der natürlichen Handlung erzielen wollten. Die Unterscheidung zwischen natürlicher und rechtlicher Handlungsfähigkeit als Freiheitsbetätigung sollte jedenfalls auch für diejenigen, die in vielen Fällen die Freiheitsbetätigung nur mit der rechtliche Handlungsfähigkeit gleichsetzen, nicht zu der Schlussfolgerung führen, Schutzgegenstand der Grundrechte sei nicht mehr die Freiheit, sondern die sich aus dem einfachen Recht ergebende Kompetenz des Grundrechtsträgers. 25 b) Das Schutzgut der Vertragsfreiheit Die Vertragsfreiheit, die je nach thematischen Zusammenhang in ganz unterschiedlichen Grundrechten verankert ist (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, 2 GG), betrifft als Teil des Verhaltens der Unternehmer im Wettbewerb auch die Wettbewerbsfreiheit. Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur hält auch die Vertragsfreiheit für keine natürliche, sondern 24 Vgl. BVerfGE 6, 55 (72); 32, 54 (71); 51, 97 (110): Entfaltung der optimalen Wirkungskraft des Grundrechts. Kritisch dazu Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 20 ff. Das BVerfG hat die Grundrechtseffektivität als Auslegungsregel entgegen Ossenbühl allerdings keineswegs zu den Akten gelegt, vgl. BVerfGE 103, 142 (153) zu Art. 13 GG – auch wenn die Anwendung der Auslegungsregel immer mehr in die Abwägung abwandert. 25 So auch Roth, Faktische Eingriffe, S. 66, der die Freiheit als gemeinsames Grundrechtsgut aller Grundrechte bezeichnet.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

ausschließlich rechtsgeprägte Freiheit, die sich erst in den Kompetenzen entfaltet, die durch die Rechtsordnung konstituiert ist. 26 Unbeschadet der hierzu geäußerten Kritik 27 folgt aber jedenfalls aus der Rechtsprägung der Freiheit nicht die Normprägung des Grundrechts der Vertragsfreiheit mit der Folge, dass die Vertragsfreiheit nur nach Maßgabe bzw. nur in der Form des jeweils geltenden objektiven Vertragsrechts geschützt sei. Das Verfassungsrecht bzw. die jeweils thematisch betroffenen Grundrechte setzten vielmehr selbst ein Prinzip der Vertragsfreiheit bzw. der Privatautonomie voraus, das der Ausgestaltung abwehrrechtlich entgegengesetzt werden kann, wie sie in der Privatrechtsordnung Ausdruck gefunden hat. 28 Dem entspricht auch die Entscheidungspraxis des BVerfG, das zwar die Ausgestaltungsbedürftigkeit der Vertragsfreiheit betont, das Vertragsrecht aber primär als Schrankenregelung begreift und prüft. Soweit die Prüfung staatliche Eingriffe in abgeschlossene, bisher wirksame Verträge 29 zum Gegenstand hat (beispielsweise durch deren nachträgliches Unwirksamwerden), steht dies der Annahme einer gesetzlichen Konstituierung des Schutzgutes allerdings noch nicht entgegen, da in diesem Falle auch bisher „eingeräumte“ Kompetenzen beseitigt werden. Auch die Einschränkung rechtlicher Befugnisse mittels Anordnung einer Inhaltskontrolle durch Genehmigungsvorbehalte, 30 Preisabschlagsregelungen, 31 rechtshindernden Einwendungen 32 oder AGB-Recht 33 lässt entgegen Cornils 34 noch keinen Schluss auf eine verfassungsunmittelbare Vertragsfreiheit zu, weil auch dies mit der (künftigen) Einschränkung zuvor eingeräumter rechtlicher Befugnisse erklärt werden kann. Sie ergibt sich aber im Umkehrschluss aus den Urteilen, die in der Verweigerung einer Inhaltskontrolle mit der Folge der langjährigen Bindung des „schwächeren“ Vertragspartners gerade keinen Eingriff sehen. 35 Denn würde die 26 Alexy, Theorie, S. 211 ff.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 81; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 20 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 307; Bäuerle, Vertragsfreiheit, S. 329 ff.; a. A. wohl Eschenbach / Niebaum, NVwZ 2004, 1079 ff. 27 Ebenso Cornils, Ausgestaltung, S. 196, der die Vertragsfreiheit als komplexe und qualifizierte Art der Freiheit bezeichnet, bei der sich natürliche Freiheit mit staatlicher Anerkennungs- und Sanktionsleistung verbinden muss. Vgl. auch Eschenbach / Niebaum, NVwZ 2004, 1079 (1080), die die These, Privatautonomie bedürfe rechtlicher Ausgestaltung, als „fragwürdig“ bezeichnen. 28 Cornils, Ausgestaltung, S. 195; Koch, Drittbetroffene, S. 471; so auch schon Rittner, Ausschließlichkeitsbindungen, S. 58. 29 BVerfGE 95, 267 (304); 89, 48 (61). 30 BVerfGE 60, 329 (339 ff.). 31 BVerfG NJW 2000, 1781 ff. 32 BVerfG NJW 2006, 596: Qualifizierung eines Künstlervertrags als sittenwidrig. 33 BVerfGE 70, 226 ff. 34 Cornils, Ausgestaltung, S. 173.

II. Sonderfall „Normprägung“?

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Vertragsfreiheit als „rechtliche Freiheit“ erst durch die Einführung des Vertragsrechts konstituiert, wäre die erstmals eingeführte rechtliche Bindungswirkung durch staatliche Anordnung (etwa gem. § 305 BGB) ihrerseits zwangsläufig als Einschränkung der (natürlichen) Freiheit zu qualifizieren, da sie auf den Status der „Ungebundenheit“ einwirkt und die staatliche Vollstreckung nach sich ziehen kann. 36 Die Ablehnung jeglichen Eingriffscharakters der privatautonomen vertraglichen Bindung, die bloße Statuierung von Schutzpflichten zu Gunsten des unterlegenen Vertragspartners verbunden mit der Bejahung der Eingriffswirkung in die Vertragsfreiheit des Partners sowie die Annahme einer negativen Vertragsfreiheit, die durch Abschlusszwänge 37 beeinträchtigt wird, sprechen in der Summe eine deutliche Sprache, die gegen eine einfachgesetzliche Konstituierung und für ein verfassungsunmittelbares Schutzgut der Vertragsfreiheit sprechen. 38 c) Lückenhafter Schutz der Wettbewerbsfreiheit: Das einfache Recht als notwendiges Ersatzschutzgut? Bäcker hat das einfache Recht als Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit in seiner Arbeit allerdings anders begründet, als das bei den sog. normgeprägten Grundrechten üblicherweise der Fall ist. Seine Arbeit lässt sich in der These zusammenfassen, die Wettbewerbsfreiheit müsse notwendigerweise einfach-rechtlich konstituiert werden, um Schutzlücken zu vermeiden. Diesen Befund leitet er in zwei Gedankenschritten ab. Einerseits komme den wirtschaftsbezogenen Grundrechten ein besonders starker Sozialbezug zu. Andererseits könne dieser Sozialbezug nicht in der Freiheit des Wettbewerbsverhaltens abgebildet werden, so dass eine Schutzlücke zu entstehen droht. Diese Schutzlücke wird aufge35

Vgl. BVerfGE 70, 226 (123) und die Leitentscheidungen zur Existenz staatlicher Schutzpflichten: BVerfGE 81, 242 (255) – Handelsvertreter; BVerfGE 89, 214 (232) – Bürgschaftsvertrag, die gerade wegen der Ablehnung eines Eingriffs durch Bindung zu diesem Instrument greifen mussten. 36 Wer die Freiheit zum Abschluss rechtsverbindlicher Verträge ausschließlich als ein Gebrauchmachen von staatlicher eingeräumter Kompetenz versteht, räumt dem Gesetzgeber zwar Befugnisse auf der erstmaligen Ausgestaltungsebene der Vertragsordnung ein. Dies geschieht aber um den Preis, dass die nunmehr der staatlichen Sphäre entstammende Bindungsanordnung ihrerseits der Rechtfertigung bedarf (vgl. insoweit zutreffend Bäuerle, Vertragsfreiheit, S. 368: Eingriff in natürliche Selbstbestimmung; dagegen wiederum Merten, in: FS Schmitt Glaeser, S. 56 ff. mit dem Argument des Grundrechtsverzichts, das angesichts der Notwendigkeit des Abschlusses von Verträgen zweifelhaft erscheint) – ein über die Hintertür einkehrender Befund, der mit der Konstituierung des Schutzgutes durch das einfache Recht an sich gerade vermieden werden sollte. 37 BVerfGE 103, 197 (221) – Pflegeversicherung; jüngst BVerfG NJW 2009, 2033 (2043). 38 Vgl. auch das Fazit von Cornils, Ausgestaltung, S. 246 ff; aus zivilrechtlicher Perspektive die grundlegende Darstellung von Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

füllt, indem auf den Wettbewerb rückwirkende Normen und deren Vollzug unter Schutz gestellt werden. An dieser Stelle muss nur auf die letzte Schlussfolgerung Bäckers eingegangen werden. Die Normprägung eines Grundrechts ergibt sich hier also nicht aus der Rechtsprägung der Freiheit, also der Freiheitsbetätigung durch Ausübung rechtlicher Kompetenzen. Sie wird postuliert, weil sie den Schutz der Integrität der Wirtschaftsordnung ermöglichen soll. „Angewiesen“ sind die Wettbewerbsteilnehmer auf die Normen nur insoweit, als ihre Wettbewerbschancen durch sie beeinflusst werden, was eher mit dem Etikett des „Ausgeliefertseins“ zu versehen wäre. Die wettbewerbliche Betätigung mag noch davon abhängen, dass gewisse wettbewerbliche Betätigungen der Konkurrenten durch UWG, GWB oder §§ 823, 826 BGB untersagt werden können. Dies entspräche in der Klassifikation Gellermanns der normativen Konturierung bzw. Konkretisierung, wenn mit Hilfe dieser Normen Grundrechtskollisionen aufgelöst oder Schutzpflichten zugunsten des geschädigten Wettbewerbers erfüllt werden. Auf diese will sich Bäcker aber nicht beziehen und tut es ausweislich seiner Beispiele aus dem einfachen Recht auch nicht, wenn er das kommunale Wirtschaftsrecht und Normen wie § 116 SGB V und § 13 PBefG nennt. Wenn aber normgeprägte Grundrechte sich dadurch auszeichnen, dass Grundrechtspositionen nicht ohne sie existieren können, dann besteht der Lackmustest in dem Hinwegdenken des einfachen Rechts. Ohne die Existenz entsprechender Normen entfällt aber offensichtlich nicht die Möglichkeit der wettbewerblichen Betätigung, die im Regelfall wegen der Konstruktion als Verbotsgesetze dadurch sogar erweitert würde. Ebenso wenig sind sie für die Existenz eines sozialen Umfelds konstituierend, ohne die die Wettbewerbsfreiheit nicht denkbar ist. Denn das konkurrierende Handeltreiben mit Gütern durch Kontaktaufnahme zu Kunden und den Abschluss von Transaktionen im Wege von Angebot und Nachfrage ist ein gänzlich außerrechtliches Phänomen, das schlichte Folge der Knappheit der Güter und der Spezialisierung ist. 39 Bei aller Kritik der Deutung der Vertragsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht bietet diese jedenfalls hinreichende Ansatzpunkte, die bei der Wettbewerbsfreiheit gänzlich fehlen. Natürlich gestalten die genannten Normen die Bedingungen konkurrierender Teilnahme am Wettbewerb aus, indem sie Voraussetzungen regeln, unter denen der Gesetzgeber die Teilnahme gestattet. Sie sind jedoch nicht mit Regeln des bürgerlichen Vertragsrechts vergleichbar. Während die Vertragsordnung nach der hier vertretenen Ansicht zwar nicht das Schutzgut der Vertragsfreiheit bildet, ergänzt die staatliche Anerkennung und die damit verbundene Ausübung rechtlicher Freiheit zumindest den Sinngehalt der individuellen Handlungen. Staatlicher Einfluss auf die Wettbewerbsbedingungen ermöglicht keinen Wettbewerb, sondern formt ihn aus Gründen des 39 Kritisch zum „Wettbewerb als staatliche Einrichtung“ auch Höfling / Rixen, RdA 2007, 360 (364); Rixen, Sozialrecht, S. 248 ff.

II. Sonderfall „Normprägung“?

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Gemeinwohls. Der Wettbewerb würde ohne die Geltung der genannten Normen qualitativ aber kein anderer sein. Damit verbleibt als Grundlage der Annahme einer Normprägung nur die Schutzbedürftigkeit einer bestehenden Ordnung, in der sich die Marktteilnehmer eingerichtet haben, die wenigstens zum Teil durch den Schutz des Normbestandes erreicht werden kann. Dieser Befund spricht aber nur dafür, dass das enge Verständnis des Freiheitsbegriffs in dieser Konzeption unbefriedigend ist und einer Veränderung bedarf. 40 2. Normative Prägung der Freiheit Verbleibt es also bei der individuellen Freiheitsbetätigung als Schutzgut der Verhaltensgrundrechte, ist nach Prägung dieser Freiheit durch die Verfassung selbst oder durch außerrechtliche (soziologische) Bezüge zu fragen, die sich beispielsweise an den Eigengesetzlichkeiten des jeweiligen Lebensbereiches orientieren. Bereits der Freiheitsbegriff als Schutzgut des Grundrechts kann damit also „positiv“ besetzt sein, also nicht mehr als Freiheit zur Beliebigkeit, sondern als „werthaltige“ Freiheit definiert werden. Das wäre der Fall, wenn bestimmte wettbewerbliche Betätigungen als „schlechter“ bzw. „unerwünschter“ Wettbewerb, oder weniger plakativ: mangels ihrer Qualifizierung als Wettbewerbs- (sondern bloße Schädigungs-)handlung normativ durch Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG aus der Gewährleistung ausgegrenzt würden. a) Mögliche Einfallstore einer normativen Prägung Eine jedenfalls partielle positive Aufladung erfährt die Wettbewerbsfreiheit durch das Merkmal des Erlaubtseins, zu dem bereits kurz Stellung genommen wurde. 41 Eine Unterscheidung zwischen erwünschtem und missliebigem Wettbewerbsverhalten lässt sich auf dieser Grundlage jedoch nicht treffen, da mit Hilfe dieses Tatbestandsmerkmals nur Handlungen von derart hoher Sozialschädlichkeit ausgegrenzt werden können, dass sie der Gesetzgeber als strafwürdiges Kernstrafrecht angesehen hat. 42 Eine weitere Eingrenzung auf dieser Ebene müsste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sich aus der Verfassung oder dem Wirtschaftsleben als reale Erscheinung ein „ordnungsökonomisches Leitbild“ extrahieren lässt, das es gerechtfertigt erscheinen lässt, im Wege der Auslegung Abweichungen von diesem wettbewerblichen Leitbild aus dem Freiheitsbegriff 40

132 f. 41

So im Ergebnis auch die Kritik von Rixen, DVBl 2008, 1563 und Ohler, AöR 2009,

Vgl. Fn. 71, oben S. 30. Vgl. dazu nur Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 43 m.w.N., der das Kriterium wegen seiner Redundanz für entbehrlich hält, da die Verbotsgesetze ihrerseits zuerst an Art. 12 Abs. 1 GG geprüft werden müssten. 42

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

des Art. 12 Abs. 1 GG auszugrenzen. Dem Nachweis der Existenz eines solchen Leitbilds würde dann die Frage folgen, ob diese einschränkende Interpretation des Freiheitsbegriffs der Wettbewerbsfreiheit mit dem Grundrecht(en) vereinbar ist. In Gestalt einer entsprechenden Wirtschaftsverfassung könnte eine positive Aufladung des Freiheitsbegriffs dem Grundgesetz ggf. selbst entnommen werden. Eine ökonomische Analyse könnte auf der anderen Seite möglicherweise einen Realbefund des Wirtschaftslebens liefern, der aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften ein wettbewerbliches Idealbild darstellt. Bereits oben wurde angesprochen, dass dem Grundgesetz nach herkömmlicher Ansicht keine Entscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsstruktur entnommen werden kann, sich diese vielmehr primär aus dem Grundrechtsteil zu ergeben hat. 43 Ein Rückgriff auf die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes zur Bestimmung des Inhalts der grundrechtlichen Freiheit wäre damit zirkulär. Wie sieht es aber mit dem zweiten Ansatz aus? b) Ökonomische Realbefunde Wenden wir uns zunächst den Aussagen der Ökonomie über die Institution des Wettbewerbs bzw. des Marktes zu. Ziel der Ökonomie im wirtschaftswissenschaftlichen Sinn ist es, den Wohlstand einer Gesellschaft zu maximieren. 44 Das Mittel zur Mehrung des Wohlstands der Gesellschaft ist in der Ökonomie als der Lehre von der Verwaltung der Knappheit der Güter die Verbesserung der Güterallokation. Knappe Güter sind so aufzuteilen, dass aus volkswirtschaftlicher Perspektive ein Maximum an neuen Gütern erwirtschaftet werden kann. Welche gesetzlichen Ausgestaltungen des Marktes tragen nun dazu bei, durch optimale Güterallokation die Gesamtwohlfahrt zu erhöhen? Hier kommt die bekannte „unsichtbare Hand des Marktes“ zum Tragen, die in ähnlicher Form auch dem neueren „Coase-Theorem“ zugrunde liegt. aa) Die unsichtbare Hand des Marktes und das Coase-Theorem In der Ökonomie finden sich viele Aussagen, die dem Markt die Eigenschaft zuschreiben, ohne weitere allokative Eingriffe des Staates zu einer optimalen Güterallokation im eben angesprochenen Sinne zu führen. Den Grundstein dieser Überlegungen hatte schon Adam Smith mit seiner Theorie der „unsichtbaren Hand“ gelegt, die ihn als Gegner des Merkantilismus und Begründer der Idee des „freien Marktes“ auswies. 45 Er beschreibt damit das Phänomen, dass das 43 44

Vgl. die Nachweise in Fn. 131, oben S. 43. Vgl. nur Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 1.

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eigennützige Handeln für eine Verteilung von Gütern sorgt, die aus Gründen der Gesamtwohlfahrt einer Nation wünschenswert ist. Denn das Interesse des Einzelnen an möglichster hoher Rendite führt dazu, dass er sein Kapital an der Stelle investiert, an der es (offenbar) den größten Wohlfahrtsnutzen bringt. Ähnlich lautet das auf die Schriften von Ronald Coase zurückgehende sog. CoaseTheorem. 46 Mit ihm wird in der Volkswirtschaft der Theorie 47 bezeichnet, dass sich auf einem Markt ohne Transaktionskosten die optimale Allokation von (übertragbaren) Handlungs- und Nutzungsrechten unabhängig von ihrer Ausgangsverteilung einstellt. Das Coase-Theorem hat große Resonanz bei Wirtschafts- aber auch Rechtswissenschaftlern hervorgerufen. 48 Allen voran wurde kritisiert, dass die Annahme eines Marktes ohne Transaktionskosten und mit vollkommener Konkurrenz lebensfremd sei. 49 Ein vollkommener Markt würde außerdem voraussetzen, dass Kosten und Nutzen durch die Individuen richtig eingeschätzt werden, weil ansonsten nicht sichergestellt ist, dass der Höchstbietende eines Rechts oder Gutes auch in der Tat die größte Wohlfahrtssteigerung damit erreichen wird. 50 45 Vgl. Smith, Wealth of Nations, IV.ii.9: „He generally, indeed, neither intends to promote the public interest, nor knows how much he is promoting it. By preferring the support of domestic to that of foreign industry, he intends only his own security; and by directing that industry in such a manner as its produce may be of the greatest value, he intends only his own gain, and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention. Nor is it always the worse for the society that it was no part of it. By pursuing his own interest he frequently promotes that of the society more effectually than when he really intends to promote it. “ Interessanterweise erwähnt Smith diese Formulierung aber auch nur an einer Stelle seines Werkes, in der er die Wirkungen von Einfuhrbeschränkungen behandelt – Die „unsichtbare Hand“ durchzog als nicht etwa sein gesamtes Werk als Nationalökonom. 46 Sie wurde allerdings von Coase nicht als solche ausdrücklich postuliert, sondern von Dritten im Nachhinein aus seinen Arbeiten herausgefiltert, vgl. hier vor allem Coase, Journal of Law and Economics, Vol. 3 (1960), 1 ff. 47 Ein (mathematischer) Beweis existiert nicht, vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 101. 48 Vgl. die Nachweise bei Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 104 ff., Fn. 61. Janson, Ökonomische Theorie, S. 67 sieht in dem Aufsatz von Coase den Beginn der interdisziplinären Zusammenarbeit beider Wissenschaften. 49 Vgl. Fezer, JZ 1986, 817 (820); Mathis, Effizienz, S. 71 ff. Detaillierte Kritik bei Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 105, 107 ff., Richter / Furubotn, Institutionenökonomik, S. 114 jeweils m.w. N. 50 Belege für solche Fehleinschätzungen sind so zahlreich wie die Fehler unvermeidlich – was nicht zuletzt die augenblickliche Banken- und Wirtschaftskrise deutlich vor Augen führt. Man vergegenwärtige sich aber etwa auch die abgegebenen Gebote im Zuge der UMTS-Lizenz-Versteigerungen, die sich für die Beteiligten als sehr verlustreich herausstellten. Die Differenz zwischen der Absicht der Eigennutzorientierung und den abweichenden tatsächlichen Folgen des Handels stellen sich vor allem dann als Problem dar, wenn die REM-Hypothese für die Erreichung einer gesetzlichen Zielvorgabe in Anspruch genommen wird, wie das hier der Fall ist.

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Auch Verzerrungen durch taktisches Verhalten und Trittbrettfahrereffekte könnten selbst bei Annahme eines vollkommenen Marktes nicht ausreichend berücksichtigt werden. 51 Aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive darf auch nicht vernachlässigt werden, dass sich die Invarianzthese nur auf die Endallokation der Güter bezieht und die nötigen Transferzahlungen nicht erfasst. Das CoaseTheorem ist damit gegenüber Aspekten der Verteilungsgerechtigkeit indifferent. Unterstellt man die Richtigkeit des Coase-Theorems, ließe sich daraus folgern, dass der Staat nicht selbst die Verteilung von Gütern und / oder Nutzungsrechten übernehmen muss, sondern nur für einen möglichst vollkommenen Markt mit möglichst geringen Transaktionskosten 52 zu sorgen hat. Dazu muss er einen Markt auf dem jeweiligen Gebiet zunächst überhaupt zulassen, 53 rechtliche Regelungen zu Erleichterung von Transaktionen schaffen und bei Marktversagen einen Markt simulieren. 54 Wie nun wiederum die Transaktionskosten auf einem Markt so niedrig wie möglich zu halten sind, ist allgemein Gegenstand des gleich lautenden Transaktionskosten-Ansatzes und in speziellerer Ausformung des sog. „Property-Rights-„wie des „Agency“-Ansatzes. bb) Lehren aus dem Coase-Theorem: Property-Rights-, Transaktionskosten- und Agency-Ansatz Untersucht wird im Rahmen dieser Forschungsrichtungen, warum Transaktionen mehr Kosten verursachen als nötig und damit die Allokationsfunktion des Marktes vermindern. Die derart gewonnen Erkenntnisse können wiederum zur Anpassung und Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen verwendet werden, unter denen Transaktionen abgewickelt werden. Der öffentlichen Hand stehen dabei verschiedene Instrumente zur Verfügung. Sie kann versuchen, die Beschränkungen des Entscheidungsprozesses der Individuen zu verbessern, also deren „bounded rationality“ aufzuheben und auf diese Weise Transaktionskosten zu senken. Denn alle ökonomischen Vorhersagen basieren letztlich auf dem methodischen Individualismus, 55 also der nur für Prognosezwecke herangezogenen Annahme eines seinen Eigennutz maximierenden Individuums. Wo dessen Rationalität durch äußere Umstände eingeschränkt ist, haben die ökonomischen Aussagen keine Geltung. Gleiches gilt für das Sichtbarmachen von „versteckten Kosten“, die dann zum Gegenstand des Entscheidungsprozesses gemacht wer51

Vgl. Veljanovski, Economics, S. 53 ff., ausführlich dazu Mathis, Effizienz, S. 71 ff. Darunter fallen ex-ante Kosten für Informationsbeschaffung, Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, ex-post Kosten für Abwicklung, Kontrolle und Durchsetzung. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 97 ff. 53 Dies umfasst auch die Schaffung entsprechender Verfügungsrechte, wie sie etwa durch weltweite Emissionszertifikate eingeführt wurden. 54 So der Ansatz von Veljanovski, vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 63 ff. 55 Vgl. Kirchner, Ökonomische Theorie, S. 12; Janson, Ökonomische Theorie, S. 26 ff. 52

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den können. Wenn das BVerfG in der Glykol-Entscheidung die Transparenz als Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des Marktes betont, 56 stellt es in der Sache auf eben diesen Transaktionskostenansatz ab. Gegenstand des Property-Rights-Ansatzes ist die deskriptive und normative Analyse der Verfügungsrechte einer Gesellschaft im Hinblick auf ihre allokative Wirkung der Güter wie des Einkommens. 57 Verhindern zu hohe Transaktionskosten eine optimale (Re-)Allokation der Güter, kann eine bestimmte Güterverteilung zu einer Senkung der Gesamtwohlfahrt führen, etwa durch Fehlnutzungen oder Übernutzung eines knappen Gutes. Existieren etwa hinsichtlich eines knappen, verbrauchbaren Gutes keinerlei Verfügungsrechte, müssen diese etwa nach dem Prioritätsprinzip zugeteilt werden, was Anreize zur Verschwendung des Gutes geben kann. 58 Ähnlich verhält es sich, wenn der Gesamtertrag des knappen öffentlichen Gutes (sog. Allmende-Gut) mit zunehmender Nutzung abnimmt, mit anderen Worten eine optimale Nutzungsintensität existiert. Ohne die Einführung von Ausschließlichkeitsrechten (Property-Rights) wird jedes Individuum das Gut solange nutzen, solange sein individueller Ertrag seine Kosten übersteigt. Auf individueller Ebene macht sich die Minderung des Gesamtertrags aber nicht immer bemerkbar. Wie müssen Verfügungs- bzw. Handlungsrechte also verteilt werden und beschaffen sein, um möglichst wenige Transaktionen zur bestmöglichen Nutzung erforderlich zu machen und Transaktionen, wo nötig, so kostengünstig wie möglich auszugestalten? Dieser Frage haben sich insbesondere ökonomische Untersuchungen der Immaterialgüterrechte gewidmet, die ihren optimalen Schutzumfang zur Förderung von Innovationen bzw. zur Maximierung des gesellschaftlichen Wohlstands zu bestimmen suchen. 59 Denn auch wenn durch entsprechende Gestaltung der Schutzrechte (Zwangslizenzen, etc.) die Transaktionskosten für den Transfer Geistigen Eigentums gesenkt werden, tragen unnötige, durch eine anfängliche Fehlallokation verursachte Transaktionen immer zur Verzögerung der optimalen Allokation bei. 60 Viele Fragen blieben hier allerdings noch unbeantwortet, weil der ökonomischen Theorie vielfach 56

BVerfGE 105, 252 (266). Vgl. Janson, Ökonomische Theorie, S. 96; eine Gesamtdarstellung des Forschungszweiges findet sich bei Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2003. 58 Vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 553 f. 59 Vgl. etwa Wolf, Vertikale Kontrolle durch Immaterialgüterrechte, 2009; Scheuer, Technologietransfer im Kartellrecht, 2008, S. 5 ff.; Dreier, Sinnvolle Reichweite des Patentschutzes-Software, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsrecht, S. 245 ff.; Ohly, Urheberrecht zwischen Innovationsstimulierung und -verhinderung, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsrecht, S. 279 ff. 60 Auf die Bedeutung der Immaterialgüterrechte für den Technologietransfer hat insbesondere die Neue Institutionenökonomik hingewiesen, wogegen die neoklassische Theorie (nur) deren Anreizfunktion in den Vordergrund stellt, vgl. Scheuer, Technologietransfer, S. 15 und kritischer Engel, Geistiges Eigentum als Anreiz zur Innovation – Die Grenzen des Arguments, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsrecht, S. 43 ff. m.w. N. 57

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

noch die Werkzeuge für eine umfassende Analyse der Immaterialgüterrechte fehlen. 61 Eine Verbindung zur Rechtsprechung des BVerfG lässt sich auch hier erkennen, das einst urheberrechtliche Regelungen als „interessenausgleichende Normen des Privatrechts“ nicht an Art. 12 Abs. 1 GG messen wollte. 62 Zu den Transaktionskosten zählen unter anderem auch die Informationsbeschaffungskosten, die in dem Maße ansteigen, in dem zwischen den Beteiligten eine Informationsasymmetrie besteht. Eine derartige Informationsasymmetrie entsteht häufig bei sog. Prinzipal-Agent-Verhältnissen, bei denen der Erfolg eines der Beteiligten von dem Erfolg oder Misserfolg des anderen abhängt und damit Überwachungs- und Bindungsanstrengungen hervorruft. 63 Ziel der wirtschaftswissenschaftlichen Prinzipal-Agent-Theorien ist es, diese Kosten durch institutionelle Arrangements so gering wie möglich zu halten. 64 Beispiele für sog. Prinzipal-Agent-Verhältnisse sind zahlreich; sie bestehen etwa zwischen Kapitalgeber und Management, Gläubigern und Gesellschaftern, Unternehmer und Handelsvertreter oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 65 Die jeweiligen gesetzlichen Regelungen lassen sich nun daraufhin untersuchen, ob sie eine kostengünstige und effektive Gestaltung der Agency-Situation zulassen. Übertragen auf einen positiv aufgeladenen Freiheitsbegriff könnte daraus etwa die Folgerung gezogen werden, dass gesetzliche Regelungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind, soweit sie die Informationsasymmetrie vermindern, was allerdings in dieser Form noch nicht Gegenstand einer entsprechenden Forderung gewesen ist. cc) Stellungnahme Die Passagen des Glykol-Beschlusses erhellen sich teilweise vor ihrem wirtschaftlichen Hintergrund. Die Transparenz als „Funktionsbedingung“ des Marktes steht nicht mehr in luftleerem Raum, sondern wird an eine wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis angebunden: ein Mehr an Transparenz ermöglicht es den Akteuren auf dem Markt, sich über ihre individuellen Bedürfnisse klarer zu werden, was wiederum im Hinblick auf künftige Wohlfahrtsteigerungen für eine bessere Verteilung der knappen Güter sorgt. Hier liegen auch die Grenzen 61

Vgl. Scheuer, Technologietransfer, S. 16; Erklärungsversuche bei Cooter / Ulen, Law and Economics, S. 123. 62 BVerfGE 31, 255 (265) – Tonbandvervielfältigung. 63 Vgl. zu den entstehenden Agenturkosten nur Saam, Prinzipale, S. 22 ff., die zwischen Steuerungs- und Kontrollkosten, Garantiekosten und Residualkosten unterscheidet. In der Regel wird die sog. Agency-Theorie neben dem Transaktionskostenansatz genannt, vgl. Janson, Ökonomische Theorie, S. 80 ff. auch sie nimmt aber die Kosten einer Vertragsbeziehung in den Blick, wenn auch aus einer speziellen Perspektive. 64 Vgl. dazu etwa Alparslan, Agent-Theorie, S. 11 ff. 65 Vgl. die Beispiele bei Saam, Prinzipale, S. 40 ff.

II. Sonderfall „Normprägung“?

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der Argumentation. Der „Markt“ kennt keine wirtschaftswissenschaftlichen Rahmenbedingungen, die er für sein Funktionieren bräuchte, sondern reagiert auf die faktischen wie rechtlichen Vorgaben des Marktgeschehens. Greift der Staat in die Preisgestaltung ein oder bilden sich Kartelle und Monopole, führen diese Änderungen nicht zum Zusammenbruch des Marktes, sondern nur zu einer veränderten Marktstruktur. Die neuen Marktstrukturen mögen dann zwar wiederum dazu führen, dass eine Minderung der Gesamtwohlfahrt eintritt und aus diesem Grund politisch zu missbilligen sein mögen. 66 Dies ändert aber nichts daran, dass die „Gesetze des Marktes“ nur den Zusammenhang zwischen faktischen wie rechtlichen Rahmenbedingungen und makroökonomischen Endergebnis beschreiben. Ohne Bewertung des Ergebnisses des Marktprozesses lässt sich daher auch keine Bewertung bestimmter faktischer wie rechtlicher Rahmenbedingungen abgeben. Wenn die Ökonomie als Lehre des Umgangs mit knappen Gütern dennoch klare Forderungen an die rechtliche Gestaltung des Marktes stellt, dann sind diese vor ihrem wissenschaftlichen Forschungshintergrund zu verstehen, dessen Zielvorgabe eben in der Steigerung der Gesamtwohlfahrt besteht. Die Ökonomie muss die Frage nicht beantworten, ob der Gesellschaft, Gruppen oder Individuen auf andere Weise als Wohlstandsmehrung mehr geholfen wäre, auch wenn diese selbst einen offenen Begriff darstellt, der erst mit Inhalt gefüllt werden muss. Die Ökonomie darf auch die Bedürfnisse des Einzelnen vernachlässigen, denn ihr Augenmerk gilt der Gesellschaft als Ganzes, die sich zwar aus der Summe der Entscheidungen aller Individuen ergibt, aber eben auch in ihrer Summe verliert. Schließlich werden verteilungspolitische Fragen ausgeblendet. Das Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit, Verteilungsgerechtigkeit und gesellschaftlicher Wohlstandsmaximierung wird hier deutlich. Auf Tatbestandsebene des Art. 12 Abs. 1 GG ließe sich der Zielkonflikt nur dann zugunsten gesellschaftlicher Wohlstandsmaximierung auflösen, wenn diese als ungeschriebenes Ordnungsziel der Wirtschaftsgrundrechte formuliert werden müsste. In dieser Richtung argumentiert Arnold, wenn er die Ansicht vertritt, dass mit dem Schutz des Wettbewerbes als Einrichtung der Staat den objektiven Wert des Wettbewerbes mit dem dahinter stehenden Telos der effizienten Allokations-, Distributions- und Antriebsfunktion des Marktes anerkenne. Damit stelle die Verfassung klar, dass sie effizientem Handeln zur Verwirklichung des Gemeinwohls einen großen Stellenwert einräume. 67 Verfehlt wäre es jedoch, aus solchermaßen verselbständigten objektiven Inhalten restriktive Rückschlüsse auf den Inhalt des subjektiven Rechts zu schließen. Dementsprechend lehnte es 66

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass staatliche Eingriffe zwar die Gesamtwohlfahrt mindern können, gleichzeitig aber zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen können. 67 Vgl. Arnold, in: ders. u. a. (Hrsg.), FS Wimmer, S. 10.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

auch das BVerfG ab, „aus überhöhten Objektivierungen [...] einen institutionellen Zusammenhang“ zu begründen, der die objektive Funktion der Grundrechte verselbständigt und von ihrem eigentlichen Kern löst. 68 Denn eine solche Argumentation missversteht im eben genannten Sinn die Bedeutung der Grundrechte als individuelle Freiheitsgarantien. Ihre Aufgabe liegt in der individuellen Freiheitssicherung, die gerade nicht wertungsmäßig aufgeladen und keiner weiteren, übergeordneten Zwecksetzung zugänglich ist. 69 Wenn die konkurrierende und Freiheitsbetätigung auch aus ökonomischer Perspektive zu wünschenswerten Ergebnissen führt, dann ist dies bestenfalls Nebenzweck der Freiheitsgarantien. Es würde den Grundrechtsgehalt auf den Kopf stellen und wäre daher mit den Vorgaben des BVerfG unvereinbar, würde man aus diesem Nebenzweck eine derart zentrale objektive Dimension der Wirtschaftsgrundrechte ableiten wollen, die anschließend einschränkend auf die subjektivrechtliche Dimension zurückwirken soll. Festzuhalten bleibt damit, dass auch keine ökonomischen Realbefunde existieren, die den Inhalt der Freiheit als Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG prägen könnte. c) Exkurs zur Dialektik von Effizienz und Wettbewerbsfreiheit: Der „more economic approach“ der EG-Kommission als Zankapfel zwischen Juristen und Ökonomen Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs mag es in diesem Zusammenhang erlaubt sein, in gebotener Kürze auf den Streit einzugehen, der sich wegen des „more economic approach“ der EG-Kommission wieder (neu) entzündet hat. Im Gestalt eines Diskussionspapiers aus dem Jahr 2005, 70 das mittlerweile in seiner endgültigen offiziellen Fassung vorliegt, 71 schlug die Kommission vor, im Rahmen der Anwendung des Art. 82 EGV mehr auf die Wirkungen missbräuchlicher Handlungen und weniger auf formale Gesichtspunkte abzustellen („effectbased than form-based“). Dementsprechend sollte es möglich sein, an sich untersagte Wettbewerbshandlungen damit zu rechtfertigen, dass das Verhalten objektiv Effizienzgewinne mit sich bringt, das die beschränkenden Wirkungen auf die 68

Vgl. BVerfGE 50, 290 (337 f.) – Mitbestimmung. Vgl. dazu noch das unten B.III.3.a)cc), S. 170 f. dargestellte Freiheitsverständnis und die mit einer werttheoretischen Interpretation verbundenen Gefahr für die Grundrechte. 70 Abzurufen unter „http://ec.europa.eu/competition/antitrust/art82/discpaper2005 .pdf“ (Letzter Abruf: 04. 02. 2011). 71 Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82; ABl. C 45 vom 24. 2. 2009, S. 7 – 20. 69

II. Sonderfall „Normprägung“?

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Wettbewerber aufwiegen könne („efficiency defense“, vgl. Punkt 5.5 des Diskussionspapiers). 72 Die ökonomischen Verfechter des „more economic approach“ stellten vorzugsweise auf die angebliche Leerformelhaftigkeit der Wettbewerbsfreiheit im Falle der Interessenkollision konkurrierender Wettbewerbsteilnehmer ab. Weil es keinen Maßstab für die Lösung dieser Kollision gebe, sei dafür auf die Effizienz der erzielten Marktergebnisse abzustellen, die sich durch einen maximalen sozialen Überschuss definiert. 73 In gewisser Weise spiegelt die Auseinandersetzung eine wechselseitige Verständnisunwilligkeit zwischen Juristen und Ökonomen wider. Letztere verstehen die Wettbewerbsfreiheit gerne als Schutz der Institution des Marktes, während sie für den Juristen ein Konglomerat an Handlungsrechten bezeichnen, die Wettbewerbsteilnehmer gegen den Staat wenden können. Private Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit durch marktmächtige Konkurrenten stellen für den Juristen daher in der Regel keine Frage der Beschränkungen von Freiheitsrechten im status negativus dar, sondern sind nur insoweit beachtlich, als sie in eng begrenzten Fällen staatliche Schutzpflichten zugunsten des schwächeren Vertragspartners auslösen. Ist das nicht der Fall, fällt es Juristen schwer, einen Eingriff in die „Wettbewerbsfreiheit“ zu bejahen. Aus ökonomischer Sicht verteilt der Staat dagegen entweder das Recht, Kartelle zu bilden, oder das Recht, Kartelle abzuwehren. 74 Eine nicht auflösbare Freiheitskollision liegt dann in der Tat nahe. Aus dieser Sicht mag die sog. „efficiency defense“ problematisch sein, „erlaubt“ sie doch scheinbar dem marktmächtigen Wettbewerber die Fortführung seiner Verhaltensweisen, obwohl sie Konkurrenten Nachteile zufügt. 75 Dass das Recht zur Kartellbildung als Ausfluss einer dem Staat voraus liegenden natürlichen Freiheit aber keiner staatlichen Er72 Vgl. dazu nur die Monographien von Wolf, Effizienzen und europäische Zusammenschlusskontrolle, 2009; Heidrich, Das evolutorisch-systemtheoretische Paradigma in der Wettbewerbstheorie, 2009. 73 Vgl. Schmidtchen, ORDO 59 (2008), 143 (160 ff.), Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 34 m.w. N. 74 Vgl. Schmidtchen, ORDO 59 (2008), 143 (158). 75 Die undifferenzierte Gleichsetzung privater und staatlicher Behinderung der Wettbewerbsfreiheit liegt allerdings wohl auch der Analyse von Künzler, Wettbewerbsfreiheit, S. 313 f. zugrunde, wenn er ausführt, dass die Behörden verpflichtet seien, das in Art. 27 der schweizerischen Bundesverfassung normierte Individualrecht der Wirtschaftsfreiheit auch im Verhältnis unter Privaten durchzusetzen und auf die Boykottrechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts verweist. Das deutsche Recht hat sich demgegenüber für die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte entschieden, so dass private Beeinträchtigung gem. Art. 1 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht geeignet sind, die Grundrechte zu als Abwehrrechte zu aktivieren. Ist auf Grundlage der Wettbewerbsgesetze über die Rechtmäßigkeit eines Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit eines Marktteilnehmers zu entscheiden, sind zwar zugunsten des unterlegenen Marktteilnehmers ggf. aus Art. 12 GG ableitbare Schutzpflichten mit in eine Abwägung einzustellen. Rechtfertigungsbedürftig ist aber in erster Linie der Eingriff in die subjektive Rechtstellung des Adressaten der Maßnahme.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

laubnis bedarf und Eingriffe deshalb der Rechtfertigung bedürfen, ist dagegen eine spezifisch juristische Sichtweise, die gerade Ökonomen nicht immer leicht zu vermitteln ist. 76 Juristen wiederum mögen Schwierigkeiten mit der Vorstellung haben, dass die individuelle Wettbewerbsfreiheit durch regulierende Eingriffe aus Gründen der „Effizienz“ eingeschränkt wird – was ohne weiteres dem Grunde nach zulässig ist, da die gesamtgesellschaftliche Wohlstandssteigerung als taugliches Gemeinwohlziel formuliert werden kann. 3. Normprägung des Schutzbereichs und Bindungsparadoxon Handelt es sich bei der Wettbewerbsfreiheit aber wenigstens um ein normgeprägtes Grundrecht in dem Sinne, dass Inhalt und Umfang des Schutzbereichs jedenfalls zum Teil durch das einfache Recht bestimmt werden? Nur wer das Schutzobjekt der normgeprägten Grundrechte in dem einfachen Recht sieht, kann diese Frage ohne weiteres bejahen, denn jede Änderung des einfachen Rechts verändert damit gleichzeitig den Schutzbereich des Grundrechts. Lehnt man diese These mit den oben genannten Argumenten ab, kann sich die prägende Wirkung des einfachen Rechts aber dennoch aus dem Grundrecht selbst herleiten lassen, wenn nämlich dessen Auslegung ergibt, dass der Kreis der grundrechtlich geschützten Freiheitsbetätigungen zwar nicht durch das einfache Recht konstituiert, die Abwehrfunktion des Grundrechts allerdings nur nach Maßgabe des einfachen Rechts aktiviert wird. Gegen die These sowohl der verfassungsrechtlichen Transkription des einfachen Rechts in das Verfassungsrecht wie auch der Bestimmung des Schutzbereichs durch das einfache Recht spricht vor allem das bekannte „Bindungsparadoxon“, das es nach sich zieht, wenn das Grundrecht gegen das Gesetz schützen soll, das den Inhalt des Grundrechts überhaupt erst konstituiert. 77 Auflösen lässt es sich nur, wenn man mehr oder weniger stillschweigend eine grundrechtliche Bindung des einfachen Gesetzesgebers bejaht, auch wenn sie in der Folge als Institutsgarantie oder leistungsrechtliche (objektiv-rechtliche) Dimension des Grundrechts bezeichnet und damit ggf. aus der abwehrrechtlichen Dimension ausgegliedert wird. Der Sache nach gibt also die dualistische Grundrechtskonzeption die Vorstellung einer Prägung des Grundrechts durch das einfache Recht mit dem Versuch wieder auf, der Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG zu genügen. 76

Vgl. Mestmäcker, ORDO 2008, 185 (196): „politisch wirksames Verständnis der Wettbewerbsfreiheit als vorläufiger, jederzeit widerrufbarer Verzicht des Staates auf Regulierung“. 77 Vgl. dazu Ruffert, Vorrang, S. 104 ff.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 29 ff.

II. Sonderfall „Normprägung“?

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Dann aber überzeugt auch die Aufspaltung der „normgeprägten“ Grundrechte in verfassungsrechtlichen Begriff und einfachrechtlichen Inhalt nicht mehr: 78 Wenn schon die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte in der Lage ist (und wegen Art. 1 Abs. 3 GG sein muss), den einfach-rechtlichen Inhalt der Abwehrrechte hinreichend zu determinieren, ohne die Grundrechtsbindung leer laufen zu lassen, dann ist nicht recht ersichtlich, wo deren Mehrwert liegen soll. Die dualistische Konzeption der Grundrechtsgarantie ist also im besten Falle überflüssig, wenn nicht gar schädlich, weil sie die Gefahr der Disparität aufweist, wenn einmal die Bindung bei Erlass in der Tendenz unterreglementiert ist (sich auf Kernbereich beschränkende Institutsgarantie) 79 oder der Schutz auf Änderungsebene in der Tendenz überreglementiert ist (Duplizierung des Grundrechtsschutzes bei Abänderung der Rechtsnormen). 80 Zudem trägt sie zu einer Vermischung der Regelungsebenen bei. 81 Nimmt man die Trennung der Regelungsebenen dagegen ernst, kann der Grundrechtsschutz sinnvollerweise nur noch im Schutz des Normvollzugs (und nicht in der Abwehr des Erlasses der Normen) bestehen. Möglich ist dies ohne Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 GG nur dann – und damit schließt sich der Kreis – wenn im Anwendungsbereich normgeprägter Grundrechte kein vorrechtliches Schutzgut existiert, an dem der Erlass der Normen gemessen werden kann. 4. Zusammenfassung: Keine Sonderstellung der „normgeprägten“ Grundrechte Zusammenfassend lässt sich zur Normprägung von Grundrechten also sagen, dass ihnen auf tatbestandlicher Ebene nicht die Sonderstellung zukommt, wie sie ihr die h.M. beimisst. Ihre Schutzfunktion ist nicht von anderer Natur oder Qualität. Das schließt indes nicht aus, die Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers mit einzubeziehen. Die Besonderheit der Vertragsfreiheit liegt dann neben der Freiheitsausübung durch Austausch verschiedener Güter in der Verstärkung, 82 die die Handlungen durch die rechtliche Verbindlichkeit einer Vertragsordnung erfährt und im Falle der Leistungsstörung die Anrufung der staatlichen Hilfe zur Durchsetzung erst möglich macht. Die Besonderheit der Eigentumsgarantie liegt in dem speziellen Schutz der Freiheitsausübung in Form der Privatnützigkeit und Ausschließungsbefugnis (als Kernelemente des verfassungsrechtlichen 78

So aber die Unterscheidung von Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 186. Vgl. Cornils, Ausgestaltung, S. 534. 80 Vgl. Cornils, Ausgestaltung, S. 535 f. 81 Gellermann, Grundrechte, S. 82 f. 82 Vgl. Cornils, Ausgestaltung, S. 196: Vertragsfreiheit als „komplexe und qualifizierte“ Art der Freiheit. 79

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Eigentumsbegriffes) des Eigentums, die mit der Einräumung einfachrechtlicher Rechtspositionen verbunden ist. Das einfache Recht ist nur insoweit prägend, als es bei seinem erstmaligen Erlass eine Güterzuordnung bewirkt. 83 In diesem Rahmen ist die Aussage zutreffend, ein „natürliches“ Eigentum gebe es nicht. 84 Ist die Güterzuordnung einmal getroffen, sind die mit der Eigentumszuordnung verbundenen Freiheitsbetätigungen aber durchaus in „natürlicher“ Weise denkund an dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz messbar. Mit der schlagwortartigen Bezeichnung kann außerdem in angemessener Form der Grad der rechtlichen Formbarkeit zum Ausdruck gebracht werden. 85 Ihre Berechtigung hat das Schlagwort der Normprägung daher auf der Rechtsfertigungsebene, wenn die Frage zu beantworten ist, ob die Beeinträchtigung der Dogmatik der Eingriffsabwehr oder nur einer schwächeren oder qualitativ andersartigen „Ausgestaltungsbindung“ unterliegen soll. Die Frage nach der Ausgestaltungsbindung ist zwar eng mit der Normprägung verbunden, aber nicht deckungsgleich. Speziell die Ausgestaltungsbindung, die in jüngerer Zeit auch mit Gegenstand einiger Habilitationsschriften 86 war, soll und muss hier nicht weiter behandelt werden, da Fragen auf der Rechtfertigungsebene den Untersuchungsgegenstand sprengen würde und sie bereits hinreichend – wenn auch nicht mit der Folge der Einigkeit – erörtert worden sind.

III. Die Freiheit als zentraler Baustein der Grundrechtsdogmatik Der letzte Abschnitt hat gezeigt, dass sich das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit nicht von anderen Grundrechten unterscheidet, die die individuelle Freiheitsbetätigung zum Schutzgut haben. Die Untersuchung kann sich daher in einem zweiten Schritt der Frage widmen, welche Strukturen der „Freiheit“ als Baustein der Grundrechtsdogmatik immanent sind, die in der Erörterung des Schutzbe83

Vgl. allgemein dazu Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2009. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 237. Vergessen werden sollte allerdings auch nicht, dass die Gerichte auch vor der Schaffung entsprechender Normen des Immaterialgüterrechts den Schutz des späteren Eigentümers erreicht haben, in dem sie auf allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Grundlage oder dem wettbewerblichen Lauterkeitsrecht durch die Gewährung von Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen die spätere Entwicklung vorwegnahmen. Selbst für den Akt der Güterzuordnung ist also nicht zwingend ein Tätigwerden des Gesetzgebers speziell auf diesem Gebiet nötig, da auch diese subsidiär von den Gerichten übernommen wird, vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 3. 85 Vgl. Majewski, Auslegung, S. 88. 86 Vgl. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 328 ff.; Gellermann, Grundrechte, S. 57 ff., 288 ff.; Poscher, Abwehrrechte, S. 615 ff.; Cornils, Ausgestaltung, S. 493 ff., aber auch Ruffert, Vorrang, S. 122 ff. und Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 119 ff. 84

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

143

reichs des jeweiligen Grundrechts meist keine zentrale Stellung einnehmen. 87 Das verwundert umso mehr, als nicht selten bereits mit dem nicht ausdrücklich definierten, aber doch in einer bestimmte Weise verwendeten Begriff die entscheidende Weichenstellung für den weiteren Gedankengang vorgezeichnet ist. 88 Fasst man den Begriff innerhalb eines Grundrechtsmodells 89 bzw. Grundrechtsverständnisses eng, ist die Argumentationslast zuungunsten desjenigen verschoben, der bestimmte Verhaltensweisen oder Zugriffsarten unter den Schutz des Modells wissen will; bei einer weiten Fassung trägt wiederum der die Argumentationslast, der um Ausgrenzung bemüht ist. Die Zuordnung zu gewissen Modellen ist wiederum für sich genommen nicht entscheidend für die Lösung eines Problems, erleichtert aber oft die Argumentation in die eine oder andere Richtung. Entweder ist der „neue“ Begriff bereits in einem gewissen Sinne vorgeprägt, oder aber der Definierende erhält Raum für eine Neubesetzung, die ihrerseits Raum für weitere Modelle und neue Maßstäbe lässt. So ist beispielsweise der Begriff der Ausgestaltung trotz aller Meinungsverschiedenheiten in der Tendenz für den Gesetzgeber mit weniger strengen Grenzen behaftet als der Begriff des Eingriffs. 90 Wird zwischen Schutzbereich und Gewährleistungsbereich unterschieden, ist die Frage nach der Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht wieder offen, 91 weil sich argumentieren lässt, dass der Schutzbereich des im Ergebnis doch keinen Schutz vermittelnden Grundrechts doch einschlägig sei. Wird die Abwehrdogmatik auf normative Eingriffe begrenzt, 92 ist sie für faktische Eingriffe ungeeignet und bedarf einer Neujustierung, die ihrerseits neue Prämissen aufstellen kann. 93 Für viele Abgrenzungsfragen erweist sich der zugrunde liegende Freiheitsbegriff 94 als zentral und vor allen Dingen der Bestimmung des Schutzbereichs vorrangig. 95

87

Vgl. die Darstellung unter A.II – III. Vgl. Pietzcker, NVwZ 1984, 550 (551): „Die bewegenden Fragen der Grundrechtsdogmatik unter dem Grundgesetz kreisen fast alle um das rechte Verständnis von Freiheit, um die gesellschaftlichen Bedingungen der Freiheit des Einzelnen und der Freiheitlichkeit des Gemeinwesens, und um die Rolle, die der Staat bei ihrer Verwirklichung spielen kann, darf oder muß.“ Sowie Krebs, in: HbdGR I, § 31, Rn. 7: „Das zentrale Thema der Grundrechte ist Freiheit. Das spricht für die Annahme, daß der Freiheitsbegriff der Grundrechte ein, wenn nicht das entscheidende Konstruktionselement im dogmatischen System der grundrechtlichen Gewährleistungen ist.“ 89 Dazu Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 113 ff. 90 Vgl. dazu v. a. Cornils, Ausgestaltung, S. 633 ff. Zu den Erosionstendenzen auch in diesem Bereich zutreffend Kahl, AöR 131 (2006), 579 (602 ff.). 91 Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 73; ders., Der Staat 43 (2004), 203 (214). 92 Krebs, in: HbdGR I, § 31, Rn. 40 – 41 und die neueren Entscheidungen des BVerfG, die auf das „funktionale Eingriffsäquivalent“ abstellen, dazu noch unten C.III., S. 233 ff. 93 Krebs, in: HbdGR I, § 31, Rn. 93, 97 ff.; Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 69. 88

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Der folgende Abschnitt soll daher zur Klärung des Freiheitsbegriffs als Baustein der Grundrechtsdogmatik vor dem Hintergrund des aufgezeigten Kontextbezugs der Wettbewerbsfreiheit beitragen. Die Arbeit wird sich dem Inhalt der Wettbewerbsfreiheit dabei stufenweise nähern. Als erste Orientierung wird die Darstellung des Inhalts häufig verwendeter Freiheitsbegriffe anhand einer formalen dreistelligen Freiheitsrelation dienen, die zur Begriffs- und Problemschärfung beitragen und gleichzeitig die Bandbreite der Diskussion aufzeigen soll. Auffallend ist dabei, dass das Zusammenwirken des Freiheits- bzw. Grundrechtsträgers mit Dritten zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hat. Eine Ausnahme bilden die Monographien von Suhr und Scholz, die den grundrechtlichen Schutz der Interaktion (Suhr) aus einer überindividuellen Perspektive (Scholz) heraus betonen. Ist nun die Grundrechtsinterpretation in der Lage, die freiheitstheoretischen Ansätze in sich aufzunehmen? Dazu ist zunächst das systematische Verhältnis von vertikaler Grundrechtsgewährleistung (Staat-Bürger-Relation) und horizontaler, den Freiheitsgegenstand präzisierender Freiheitsausübung (Bürger-BürgerRelation) zu klären. Einen Beitrag zur Abgrenzung von Grundrechtsinhalt und ungeschütztem Kontext will auch die Lehre der Grundrechtsvoraussetzungen leisten, die in diesem Zusammenhang ebenfalls einer kritischen Würdigung zu unterziehen ist. Bevor eine „kontextsensible“ Auslegung der Wettbewerbsfreiheit unternommen wird, sollen mit einem Blick auf die Grundrechtstheorien 96 sowie des Menschenbildes 97 des Grundgesetzes zunächst zwei zentrale, grundrechtsübergreifende Interpretationshilfen 98 auf ihre jeweilige Behandlung der Kontextfrage untersucht werden. 99 Anhand bestimmter den Einzelgrundrechten entnommener Beispielen soll dann auch positiv gezeigt werden, dass der Einbezug des Kontextes der Grundrechtsausübung in den Freiheitsschutz der Grundrechte schon bisher kein Fremdkörper der bestehenden Grundrechtsdogmatik ist, auch wenn dies im Einzelfall nicht immer bewusst gewesen sein mag.

94 Von „Lackmustest“ spricht Volkmann, Solidarität, S. 240; vgl. auch Grabitz, Freiheitsrechte, S. 47; Klein, VVDStRL 30 (1972), 170. 95 Vgl. Suhr, Entfaltung, S. 89: „Von den Freiheitsgraden des Freiheitsbegriffs oder des Freiheitsmodells hängt es ab, wie weit die Bedingungen der Freiheit damit erfasst und zur Sicherung der Freiheit normativ beachtet werden können.“ 96 Vgl. Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1, Rn. 66. 97 Vgl. Lindner, Theorie, S. 161 unter Hinweis auf die methodische Gratwanderung. 98 Vgl. zu den methodischen Ansätzen der Grundrechtsinterpretation Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, S. 599 ff. m.w. N. 99 Vgl. zu den methodischen Schwierigkeiten dieses Unterfangens Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 104 ff., 127 ff., 131 und im Einzelnen dann in der weiteren Darstellung.

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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1. Die Freiheitsbegriffe der Grundrechtsdogmatik Wer sich auf die Suche nach dem Inhalt der Freiheit als Schutzgut der Grundrechte begibt, stößt schnell auf eine Reihe von Begriffspaaren. Was vordergründig den Eindruck der dogmatischen Durchdringung erweckt, sorgt schnell für mehr Verwirrung als Klarheit. Von positiver, negativer, natürlicher, rechtlicher, rechtsgeprägter, realer und faktischer Freiheit ist die Rede, ohne dass zunächst klar wird, wie sich diese Begriffe untereinander verhalten oder gar zum Schutzgut der Grundrechte stehen. Eine nähere Befassung mit dem Freiheitsbegriff der Wettbewerbsfreiheit tut daher gut daran, zunächst diese allgemeinen Begriffe einzuordnen und nach ihrem Inhalt zu strukturieren, um einer Sprachverwirrung vorzubeugen. a) MacCallum’sche Freiheitsstruktur als methodische Grundlage Bevor im Einzelnen auf die in der Grundrechtsdogmatik verwendeten Begriffspaare eingegangen wird, ist es notwendig, ein methodisches Gerüst zu definieren, anhand dessen die Struktur der Freiheitsbegriffe analysiert werden kann. Zur Kategorisierung verschiedener Freiheitsbegriffe wird häufig auf eine formale Relation zurückgegriffen, die auf MacCallum 100 zurückgeht. Demnach ist auf drei Ebenen zu fragen, welcher Personenkreis vor welchen Einflüssen zu welchem Zweck „frei“ ist, also zwischen Freiheitsträger, Freiheitsgegenstand und Freiheitshindernis zur unterscheiden. 101 Auch wenn sich nicht jede notwendige Differenzierung in die dreiteilige Struktur bringen lässt, liefert sie doch wertvolle Anhaltspunkte für die Analyse und Einteilung der Freiheitsbegriffe. Hinzugefügt werden sollte allerdings noch die Frage, wodurch diese Freiheit erreicht bzw. auf welche Weise Freiheitshindernisse beseitigt werden können. 102 Zu kurz greift es allerdings, wenn der Frage nach dem Freiheitsbegriff nur Relevanz für den Schutzbereich eines Grundrechts zugemessen wird. 103 Dann ist es zwar konsequent, die Frage nach den Freiheitshindernissen als überflüssig und verwirrend zu betrachten, da für diese Problematik ja schon der Eingriffsbegriff bereitstehe. 104 Zwar lässt sich gegen die prüfungssystematische Verortung der 100

MacCallum, Philosophical Review 1967, 312 (313 ff.). Auch Alexy, Theorie, S. 195 ff. legt diese Struktur seiner Untersuchung zugrunde. Vgl. auch Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 99 ff.; Poscher, Abwehrrechte, S. 110 ff.; weitere Nachweise bei Morlok, Selbstverständnis, S. 377, Fn. 7. 102 Suhr, Entfaltung, S. 87. 103 So aber Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 636 f. 104 Aus der Beobachtung von Sachs kann daher richtigerweise nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Schutzbereich und Eingriff im Grundrechtssystem verschränkt sind. 101

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Freiheitshindernisse in der Eingriffsprüfung nichts einwenden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Darstellung des Inhalts der Freiheit (mindestens) dieser dreistelligen Relation bedarf, um die Situation vollständig zu beschreiben, was das Ziel eines Freiheitsbegriffes sein muss, der das Schutzsystem der Grundrechte abbilden und auf diese Weise zur Präzisierung der Grundrechtsdogmatik beitragen soll. 105 b) Freiheitsträger: Grundrechte als Individualrechte und Absage an Kollektivismus Als relativ unproblematisch erweist sich in dem hier interessierenden Zusammenhang die Frage nach dem Träger der grundrechtlichen Freiheit. Grundrechte dienen dem Schutz des Individuums, sind also Individualrechte. 106 Nur wo es das Grundgesetz ausdrücklich vorsieht, gewährt es auch Kollektiven Schutz (vgl. etwa Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 3 GG). Kollektive werden indes nicht um ihrer selbst willen geschützt, sondern nur, soweit der Schutz des Einzelnen innerhalb von Zusammenschlüssen, die im Interesse der Entfaltung des Menschen erfolgen, Ziel und Aufgabe der Grundrechte ist. 107 c) Freiheitsgegenstand: natürliche Freiheit, rechtsgeprägte Freiheit, positive Freiheit Das Begriffspaar der natürlichen und rechtsgeprägten 108 Freiheit setzt am Freiheitsgegenstand an und unterteilt die Freiheitsbetätigungen danach, inwieweit sie auf rechtliche Normierung angewiesen sind, um ausgeübt werden zu können. Eine besonders intensive Rechtsprägung kommt dem Freiheitsgegenstand eines normgeprägten Grundrechtes zu. Nach der hier vertretenen Ansicht unterscheiden sich auch diese Grundrechte nicht hinsichtlich ihres Schutzgutes. Ihr Freiheitsgegenstand erschöpft sich nur nicht in einer natürlichen Handlung, sondern kann erst mit der Hinzunahme von rechtlichen Folgewirkungen in seiner Bedeutung voll umfasst werden. Eine anschauliche (klassische) Metapher der rechtsgeprägten Freiheitsgegenstände bildet das Schachspiel. Der Freiheitsgegenstand des „Schachspiels“ setzt zwingend die Spielregeln des Schachspiels voraus. 109 Falsch wäre es aber, den Freiheitsgegenstand deswegen gleich mit den 105

Alexy, Theorie, S. 196. Vgl. nur Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19, Rn. 1 ff. 107 Vgl. Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19, Rn. 1. 108 Die Terminologie ist hier uneinheitlich; gerne wird auch der Begriff der rechtlichen Freiheit verwendet, vgl. Cornils, Ausgestaltung, S. 521; von „Rechtsprägung“ spricht Gellermann, Grundrechte, S. 126 ff.; 149 ff. 109 Poscher, Abwehrrechte, S. 117; Alexy, Theorie, S. 215. 106

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Spielregeln gleichzusetzen und so das Zusammenspiel von natürlicher Handlung und rechtsgeprägtem Sinn auseinander zu reißen: Freiheitsgegenstand bleibt auch hier das Schachspiel und nicht die Spielregeln. Alle Freiheitsgegenstände, die kein vorheriges Tätigwerden des Staates durch Setzung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Gegenstand haben, werden als natürliche Freiheit bezeichnet, wobei die Abgrenzung nicht immer trennscharf vollzogen werden kann und sowohl die Rückkopplung zwischen natürlicher Handlungs- und rechtlicher Gestaltungsmacht als auch die Folgerungen für die Bindung des Gesetzgebers wegen der Notwendigkeit der jedenfalls teilweisen staatlichen Konstituierung der Freiheitsbetätigung umstritten sind. Die auf Jellinek 110 zurückgehende Dichotomie von natürlicher und rechtsgeprägter Freiheit hat sich – wenigstens vordergründig 111 – allerdings weithin durchgesetzt. 112 Mit dem Begriff der positiven Freiheit wird häufig eine Abwendung von der Freiheit zur „Beliebigkeit“ hin zu einer „werthaltigen“ Freiheit bezeichnet. Der Freiheitsbegriff wird mit einem sittlichen Wert verbunden. 113 In der MacCallum’schen Struktur gesprochen setzt der Begriff der positiven Freiheit also beim Freiheitsgegenstand an und schränkt den Kreis der zulässigen Freiheitszwecke und -betätigungen ein. Ihre philosophischen Vorläufer haben werthaltige Freiheitsverständnisse insbesondere bei Kant 114 und Hegel. 115 Wie der negative Freiheitsbegriff enthält auch das positive Verständnis der Freiheit keine unmittelbare Aussage über die Freiheitshindernisse. Dennoch haftet der positiven Freiheit die Gefahr an, nicht nur Einschränkungen der Freiheitsbetätigung auszublenden, sondern auch alle Einflüsse als Freiheitshindernis zu begreifen, die der Einsicht in die „richtige“ Betätigung der Freiheit entgegenstehen und auf diese Art als Einfallspunkt für totalitäres Denken dienen können. 116 Lübbe-Wolff hat für werthaltig aufgeladene Freiheitsvorstellungen den Begriff der „präformierten“ Freiheit geprägt, deren (Schutz-) Gehalt sich nicht erst aus den hinzunehmenden Hindernissen definiert. 117 110

Jellinek, System, S. 47 f. Cornils, Ausgestaltung, S. 522. 112 Vgl. nur Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 166 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 104 f. 113 Poscher, Abwehrrechte, S. 114 m.w. N. 114 Kant, Metaphysik der Sitten, in: Weischedel (Hrsg.), Werke, Bd. VIII, S. 318 bezeichnet als positive Freiheit: „Das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders möglich als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter der Bedingung der Tauglichkeit der ersten zum allgemeinen Gesetze.“; mit anderen Worten: Freiheit als Vermögen zur Einsicht. 115 Hegel, Vorlesungen, S. 57: „[...] frei sind wir, indem wir es [das Vernünftige, A. A.] als Gesetz anerkennen und ihm als Substanz unseres eigenen Wesens folgen.“ 116 Dazu aus der Sicht der politischen Philosophie Berlin, Zwei Freiheitsbegriffe, in: Berlin (Hrsg.), Freiheit, S. 39 ff. 117 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 87 ff. 111

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Die „positive Freiheit“ wird noch in anderen Zusammenhängen herangezogen. Sie soll auf die Wahlmöglichkeit des Grundrechtsträgers zwischen verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten hinweisen, die aber nicht die Alternative umfasst, keine der Alternativen auszuwählen bzw. eine Handlung nicht auszuführen („negative Freiheit“). Auch hier wird also ein bestimmtes Verhalten aus dem Kreis der geschützten Freiheitsgegenstände ausgegrenzt. Grundrechtlich ist es ohne weiteres denkbar, beispielsweise die Freiheit zur NichtAufnahme eines Berufs aus dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG auszunehmen. Die Terminologie ist hier jedoch unglücklich gewählt, da der Verhaltensfreiheit auch die negative Komponente immanent ist. Wo nur eine Verhaltensmöglichkeit geschützt ist, fehlt die Wahlmöglichkeit, die für den Freiheitsbegriff von konstitutiver Bedeutung ist. 118 Wo die negative Komponente einer Freiheit nicht geschützt ist, wandelt sich nur der Freiheitsgegenstand: geschützt ist im obigen Beispiel dann nicht mehr die Freiheit der Berufswahl, sondern nur die Freiheit, gerade einen bestimmten Beruf zu wählen und einen anderen nicht zu ergreifen. 119 Insoweit ist die Begrifflichkeit einprägsam, aber entbehrlich.

d) Freiheitshindernisse und ihre Überwindung Ein weiterer Teil der Freiheitsbegriffe thematisiert die potentiellen Hindernisse, die der Freiheitsausübung entgegenstehen können. aa) Qualität der Einwirkung: rechtliche und faktische Freiheit Die Unterscheidung zwischen rechtlicher und faktischer Freiheit führt eine Differenzierung der potentiellen Einwirkungen auf den Freiheitsgegenstand ein. Rechtliche Freiheit bedeutet in diesem Sinne die Abwesenheit von Geboten und Verboten. Faktische Freiheit (hinsichtlich einer konkreten Handlungsalternative) umfasst dagegen die tatsächliche Möglichkeit, das (rechtlich) Erlaubte zu tun oder nicht zu tun. 120 Im Gegensatz zur rechtlichen Freiheit lässt sich die faktische Freiheit schlechter als reine Negation von tatsächlichen Hindernissen 118

Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 629; Alexy, Theorie, S. 203. Vgl. Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 631. 120 Alexy, Theorie, S. 202. Die Abwesenheit rechtlicher Normierungen wird demgegenüber von Jellinek als „natürliche Freiheit“ bezeichnet (Jellinek, System, S. 95. Diese natürliche Freiheit ergibt sich aus dem, was dem Individuum nach Abzug der rechtlichen Normierung an Freiheitssphäre übrig bleibe (Jellinek, Staatslehre, S. 419). Wo der Staat keine rechtlichen Normierung trifft, ist er an der Freiheitsbetätigung des Individuums nicht interessiert; (nur) in diesem Sinne sind sie für den Staat „rechtlich irrelevant“ (Jellinek, System, S. 104, Hervorhebung im Original). Grabitz, Freiheitsrechte, S. 7, zieht daraus den Schluss, die Freiheit verlöre damit den Charakter als Rechtsbegriff (Hervorhebung im Original). Das ist unzutreffend, weil damit nur das subjektive Moment beschrieben wird, das den „regelungslosen“ Zustand erklärt – und der im nächsten Moment wieder rechtlich relevant werden kann. 119

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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begreifen, da diese tatsächlichen Hindernisse auch in einem Mangel bestehen können, der dann nicht nur durch Unterlassen negiert werden kann, sondern ein positives Tun erforderlich macht. Gleichwohl klingt in den Begriffen die Eingriffsabwehr so stark an, dass die faktische Freiheit wohl besser auf die Negation tatsächlicher Hindernisse beschränkt bleiben sollte, um Missverständnisse zu vermeiden. Das Begriffspaar der rechtlichen / faktischen Freiheit korrespondiert in der Grundrechtsdogmatik zum Teil mit der Frage, ob und wie die Grundrechte auch vor sog. faktischen Einwirkungen schützen, geht aber wegen des Einbezugs auch nicht in der staatlichen Verantwortung liegenden Hindernisse über die abwehrrechtliche in die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte über, da der Grundrechtsträger auch durch Dritte von der gewünschten Freiheitsbetätigung abgehalten werden kann, so dass sich der Staat ggf. schützend vor den Grundrechtsträger stellen muss. Zum Teil wird unter rechtlicher Freiheit mehr als die Abwesenheit von Verboten verstanden. Für Krebs ist rechtliche Freiheit die „Freiheit durch Recht“, in der das rechtliche Erlaubtsein nur einen Teilaspekt bildet. 121 Mit dem Begriff der rechtlichen Freiheit soll also auch zum Ausdruck gebracht werden, dass die Freiheitsbetätigung mit dem Gebrauchmachen von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten verbunden ist, die rechtlichen Wirkungen des natürlichen Verhaltens also zum Freiheitsgegenstand zu zählen sind. Dieser Begrifflichkeit soll hier nicht gefolgt werden, weil sie zur Verwirrung beiträgt, indem sie Rechtsnormen einmal als Freiheitsgegenstand und gleichzeitig als Freiheitshindernisse begreift. Beide Konstellationen können auftreten; ihre Zusammenfassung innerhalb eines Begriffes verleitet jedoch dazu, Normen ohne weitere Begründung ihre freiheitshindernde Wirkung abzusprechen, nur weil sie sich im Umfeld einer Norm befinden, die zum Freiheitsgegenstand zu zählen ist. 122

bb) Qualität der Überwindung: negative und reale, wirkliche Freiheit Eng mit der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte ist der Begriff der negativen Freiheit verbunden, der auf der Statuslehre Jellineks gründet. 123 Die Bezeichnung als negative Freiheit ist dabei nicht aus dem Umstand geschuldet, dass sie sich gegen Freiheitshindernisse wendet. Kennzeichnend für die negative Freiheit ist (nur), dass die Integrität der negativen Freiheit durch ein negatives Verhalten, also ein bloßes Unterlassen der beeinträchtigenden Hand121

Krebs, in: HbdGR I, § 31, Rn. 2. Als Beispiel mag die Vertragsfreiheit dienen. Die Existenz des Vertragsrechts erlaubt einerseits die rechtliche Bindung, §§ 134, 138 BGB schränken den Freiheitsgebrauch andererseits wieder ein. Die einschränkende Wirkung der Verbotsnormen sollte nicht mit dem Argument abgesprochen werden, der Gesetzgeber ermögliche eben von vornherein nur die vertragliche Bindung in einem gewissen „rechtlichen“ Rahmen. 123 Jellinek, System, S. 42 ff. 122

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

lung wiederhergestellt werden kann. 124 Der Staat kann negative Freiheit folglich alleine dadurch respektieren, dass er nicht handelt; ein positives Tun ist nicht gefordert. 125 Der Begriff der negativen Freiheit ist daher eng mit der rechtlichen Freiheit verwoben, da die rechtliche Freiheit immer durch ein negatives Verhalten wieder hergestellt werden kann, ohne jedoch deckungsgleich zu sein. Denn der negative Freiheitsbegriff schweigt zu den Hindernissen, die der Realisierung der Freiheit entgegenstehen. 126 Die negative Freiheit ist damit für faktische wie rechtliche Hindernisse der Freiheitsausübung gleichermaßen offen, so dass sie nicht mit der Abwesenheit von rechtlichen Verboten bzw. einer Erlaubnis gleichgesetzt werden kann. Auch zur Frage des Träger und des Gegenstands der Freiheit ist die negative Freiheit unergiebig, da der Freiheitsbegriff – bedingt durch seine begrenzte Geltungsreichweite – insoweit nur auf die Auslegung des jeweiligen Grundrechts verweisen kann, selbst aber keine eigenen Impulse gibt. 127 Vorsicht ist deswegen geboten, wenn positiver und negativer Freiheitsbegriff einander pointiert als Gegenentwurf gegenübergestellt werden, 128 da der negative Freiheitsbegriff nicht etwa den Freiheitsgegenstand dadurch „negativ“ zu definieren im Stande ist, dass er Aussagen über Freiheitshindernisse trifft. Es ist zwar in der Sache zutreffend, dass den Grundrechten kein positives Freiheitsverständnis innewohnt, das bestimmte Verhaltensweisen als „intrinsisch falsch“ brandmarkt, 129 nur lässt sich diese Aussage über den Freiheitsgegenstand nicht mit negativen Freiheitstheorien untermauern, die sich auf Freiheitshindernisse beziehen. Die „reale“ Freiheit erweitert im Vergleich zur negativen Freiheit den Kreis der Freiheitshindernisse und stellt deswegen den umfassendsten Begriff dar. 130 War die negative Freiheit noch auf Hindernisse beschränkt, die dem Staat zurechenbar sind und die gleichzeitig durch staatliches Unterlassen der relevanten rechtlichen oder faktischen Handlung beseitigt werden können, geraten nun alle „Hindernisse“ der Freiheitsbetätigung in den Blick 131 – gleichgültig, ob sie durch 124

Poscher, Abwehrrechte, S. 112. Schon hier zeigt sich, dass die dreiteilige formale Struktur unzureichend ist, weil sie die Modalitäten der Herstellung des freiheitskonformen Zustandes nicht mit in die Betrachtung aufnimmt. 126 Poscher, Abwehrrechte, S. 112: „kein analytischer Zusammenhang“. 127 Insoweit zutreffend auch Grabitz, Freiheitsrechte, S. 8, wenn er ausführt, dass sich der Inhalt subjektiv-öffentlicher Rechte nicht aus dem status negativus ergeben kann – wohl aber aus der von ihm ebenfalls als inhaltsleer kritisierten Formel der „Freiheit zur Beliebigkeit“, die alle Handlungen des Individuums unabhängig von ihrer Zielsetzung umfasst. 128 So aber etwa Huster, Neutralität, S. 107. 129 Huster, Neutralität, S. 107. 130 Poscher, Abwehrrechte, S. 115; Klein, Grundrechte, S. 48 spricht von „Oberbegriff“. 131 Poscher, Abwehrrechte, S. 115. 125

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Abwesenheit oder Anwesenheit bestimmter Faktoren gekennzeichnet sind. 132 Die Unterscheidung nach der Quelle der Freiheitshindernisse oder ihrer Beseitigungsmöglichkeiten wird damit entbehrlich. Die möglichen neu hinzutretenden Hindernisse der realen Freiheit sind zahlreich. Es kann dem Grundrechtsträger an materiellen oder immateriellen Voraussetzungen der Freiheitsbetätigung in seiner Person fehlen, wenn er etwa nicht die nötigen finanziellen Mittel oder Begabungen besitzt, um bestimmte Handlungen durchzuführen. Auch Dritte stellen unproblematisch ein Freiheitshindernis dar, wenn die Realisierung des Freiheitsgegenstandes an deren aktiven Hinderung scheitert. In beiden Fällen können die aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte abgeleiteten Schutzpflichten den Staat anhalten, sich fördern und schützend vor die betroffenen Grundrechtsträger zu stellen. e) Die Mitwirkung Dritter als Strukturproblem Die reale Freiheit des Grundrechtsträgers ist also als Oberbegriff in der Lage, sämtliche Facetten der Freiheitsbetätigung, sei es positiver oder negativer Art, in sich aufzunehmen. Fehlen dem Grundrechtsträger bestimmte „Puzzlesteine“ zur Realisierung seiner Freiheit, sind diese soeben als Freiheitshindernisse bezeichnet worden. Auf den ersten Blick scheint das auch zutreffend zu sein, da der Begriff der realen Freiheit erstens keine weiteren Differenzierungen nahe legt und sich zweitens auch in den Sprachgebrauch einfügt, beispielsweise eine ungenügende finanzielle Ausstattung als Hindernis des gewünschten Autokaufs einzustufen. Gilt dies aber auch ohne weiteres für nur gemeinsam zu verwirklichende Freiheitsgegenstände? Sachs will auch die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit Dritter bei der Mitwirkung nur gemeinsam realisierbarer Freiheiten als Freiheitshindernisse einstufen. 133 Ebenso thematisiert Borowski das Handeln Dritter bzw. Unterlassen Dritter nur unter dem Aspekt der dadurch erzeugten Freiheitshindernisse. 134 Ähnlich, aber noch einschränkender formuliert Poscher: die notwendige Mitwirkung Dritter bei der Freiheitsbetätigung wie das „GeliebtWerden“ sei gar kein Problem der (realen) Freiheit des Grundrechtsträgers, 135 was zur Folge hätte, dass die fehlende, aber notwendige Mitwirkung Dritter sogar aus dem Kreis der Freiheitshindernisse herausfallen würde. Die Mitwir132 In diesem Sinne ist die Terminologie von Morlok, Selbstverständnis, S. 375 zutreffend, der alle Umstände, die zur Verwirklichung des Freiheitsgegenstandes „anwesend“ sein müssen, als „positive“ Freiheit bezeichnet. Die reale Freiheit ergibt sich damit aus der Zusammenfügung der Faktoren, die „abwesend“ sein müssen (negative Freiheit) und der Faktoren, die „anwesend“ sein müssen (positive Freiheit). 133 Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 637. 134 Borowski, Glaubensfreiheit, S. 188 f. 135 So Poscher, Abwehrrechte, S. 117, Fn. 28.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

kung Dritter wäre nach der Systematik Poschers also nur bei deren Freiheit zu thematisieren. 136 Andererseits setzt das Schachspiel, um in der obigen Metapher zu bleiben, in der Regel den Spielpartner voraus. Der Freiheitsgegenstand wäre nur unzutreffend umschrieben, würde er den Spielpartner einfach ausblenden. Angesichts der angeführten Meinungen bedarf die Behandlung der Mitwirkung Dritter bei der eigenen Freiheitsbetätigung einer genaueren Untersuchung. aa) Ausgrenzung der Mitwirkung Dritter aus dem Freiheitsbegriff? Was spricht gegen die Lösung Poschers, der offenbar nur Handlungen (bzw. Zustände) des Freiheitsträgers in den Freiheitsbegriff aufnehmen will? Es widerspricht zunächst einmal dem Sprachgebrauch, ebenso wie dem Selbstverständnis 137 des Freiheitsträgers. Man trifft sich mit Freunden, fährt mit der Familie in den Urlaub oder geht mit dem Partner ins Theater. Freiheit entfaltet sich auch und gerade im sozialen Bereich, so dass ein umfassender 138 Freiheitsbegriff auch diese Entfaltungsmöglichkeiten in sich aufnehmen muss. Poscher sieht seine Schlussfolgerung eingedenk seiner Begründung wohl deswegen begrifflich als zwingend an, weil der Freiheitsbegriff nicht kollektivistisch 139 verstanden werden soll. In der Tat stellen die Grundrechte eine Absage an eine kollektivistische Grundrechtsdeutung dar, die sich ja gerade als Gegenmodell zur totalitären Staatsverfassung positionieren, in der das Individuum nur als Teil der Kollektivs zur Geltung gelangt. Aber was bedeutet das im MacCallum’schen Freiheitsmodell? Zum einen, dass als Freiheitsträger nur Individuen in Betracht kommen oder bestenfalls noch Kollektive, soweit sie den Schutz des Individuums absichern. Der Einbezug Dritter in die eigene Freiheitsbetätigung berührt die Freiheitsträgerschaft des Individuums aber in keiner Weise. Kollektivistisch 136 Das erinnert wiederum an die Aussagen des BVerfG im Festbetragsurteil: „Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer.“ (BVerfGE 106, 275 (279)). 137 Zum Selbstverständnis des Grundrechtsträgers in der Grundrechtsprüfung näher Borowski, Glaubensfreiheit, S. 251 ff.; Morlok, Selbstverständnis, S. 393 ff. Neben anderen Grundrechten wird gerade die Berufsfreiheit als im besonderen Maße selbstverständnisgeprägt betrachtet, vgl. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 147 ff. Diese Orientierung am Selbstverständnis des Grundrechtsausübenden lässt sich gut am offenen Berufsbegriff des Art. 12 Abs. 1 GG festmachen, beschränkt sich aber nicht auf diesen. Der Rekurs auf das Selbstverständnis knüpft schließlich auch an der liberalen Grundrechtstheorie an, die die Ausfüllung der Freiheit seiner Beliebigkeit überlässt. 138 Verkürzungen sind an dieser Stelle unangebracht, da hier noch nicht geklärt werden muss, welche Teile der Freiheit letztlich real von einem Grundrecht geschützt werden muss. Der Freiheitsbegriff als Grundbaustein hat zuvorderst die Aufgabe, sämtliche Aspekte des Freiheitsgebrauchs aufzuschlüsseln und präsent zu machen. 139 Vgl. dazu noch unten B.IV.3.a). S. 200 f.

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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wäre ein Freiheitsbegriff auch dann, wenn der Freiheitsgegenstand umformuliert würde in eine reine „Entfaltung durch Kollektivität“, also beispielsweise nur die gemeinsame Meinungskundgabe in den Kreis der tauglichen Freiheitsgegenstände des Art. 5 Abs. 1 GG aufgenommen werden würde. Auch das ist nicht der Fall. Der Einbezug Dritter in die eigene Freiheitsbetätigung erfolgt nur nach Maßgabe des Selbstverständnisses des Freiheitsträgers. Nur ihm obliegt es, konkrete Ziele oder Zustände zu formulieren und wahlweise den Abend alleine in ein Buch vertieft oder in der Gesellschaft Dritter zu verbringen. Der Schwerpunkt liegt dann nicht in einer vorgegebenen Freiheitsentfaltung im Kollektiv, sondern in der Entfaltung des Freiheitsträgers durch selbst gewählte Relationen 140 zu bestimmten Freiheitsobjekten. Dadurch wird auch vermieden, dass zwischen dem Freiheitsträger und der durch die Begriffe Freiheitsgegenstand / Freiheitshindernis näher gekennzeichnete Freiheitsbetätigung keinerlei Deckungsgleichheit mehr besteht, wie es bei einer kollektivistischen verstandenen Freiheitsbetätigung der Fall wäre. bb) Die Abwesenheit Dritter als Freiheitshindernis? Damit steht zunächst nur fest, dass die Mitwirkung Dritter in den Freiheitsbegriff integriert werden muss. Eine Integration nimmt aber auch Sachs vor, wenn er die positive Mitwirkung zwar nicht als Teil des Freiheitsgegenstandes betrachtet, die Abwesenheit der erforderlichen Mitwirkung aber immerhin als Freiheitshindernis einstuft. Reicht das aus? Bereits MacCallum hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die mit der Bestimmung des Kreises der Freiheitshindernisse verbunden sein können. 141 In der politischen Aussage „freedom from hunger“ kann der Hunger als Hindernis verstanden werden, der eine Person von dem Streben bzw. dem Zustand des Gesättigtseins abhält. Genauso gut lässt sich die Aussage aber auch so verstehen, dass eine Person frei von ökonomischen und politischen Hindernissen ist, die sie davon abhalten, sich genug Nahrung zu beschaffen: die Abwesenheit von Hunger wird zum Freiheitsgegenstand, dem andere Hindernisse entgegenstehen. Wer sich etwa im Hungerstreik befindet, für den kann schließlich auch der positive Zustand des Hungerns erstrebenswert sein. 142 Grund für die unterschiedlichen Formulierungsmöglichkeiten sind die Überschneidungen, die die Definitionen zulassen, wenn die Freiheit als Freiheit von „constraints, restrictions, interferences and barriers“ zur Erreichung von „actions or conditions of characters or circumstances“ dargestellt wird 143 und damit Handlungen wie Zustände sowohl bei den Freiheitsgegenständen als 140 Vgl. auch Ladeur, Freiheitsrechte, S. 71 und seine zutreffende Beobachtung, die kleinsten Einheiten der Gesellschaft seien nicht Individuen, sondern Relationen. 141 MacCallum, Philosophical Review 1967, 312 (317). 142 ders., Philosophical Review 1967, 312 (317 f.). 143 Ders., Philosophical Review 1967, 312 (314).

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

auch bei den Freiheitshindernissen auftreten. Bei der Einstufung gilt es also die eng mit der negativen Freiheit verbundene verzerrte Vorstellung zu überwinden, alle äußeren Faktoren müssten zwangsläufig als Freiheitshindernisse eingestuft werden, die mit der Realität der individuellen Freiheitsbetätigung so nicht in Einklang zu bringen ist. 144 Die hier anklingende Aufweichung der traditionellen Frontstellung zwischen dem „freedom from“ (negative Freiheit) und dem „freedom to“ (positive Freiheit) in eine dreistellige Freiheitsrelation lag auch schon MacCallum am Herzen. 145 cc) Die Mitwirkung Dritter als Teil des Freiheitsgegenstand Wenn, wie dargestellt, die Beschränkung des Freiheitsbegriffs auf Handlungen des Freiheitsträgers wegen der unzutreffenden Erfassung des Freiheitsgebrauchs ausscheidet, wonach soll dann die Unterscheidung zwischen Freiheitsgegenstand und Freiheitshindernis getroffen werden? (1) Orientierung am Selbstverständnis des Freiheitsträgers Auch hier bietet es sich an, (zunächst noch auf rein freiheitstheoretischer Ebene) den Freiheitsträger selbst entscheiden zu lassen, was er als Hindernis und was als Ziel gelten lassen will. Will etwa das Kind von seinen Eltern zu Freunden gebracht werden, ist deren fehlende Mitwirkung als Freiheitshindernis einzustufen, weil es dem Kind nicht darauf ankommt, mit seinen Eltern zu spielen, deren Mitwirkung hier nur Mittel zum Zweck ist. Die Mitwirkung seiner Freunde beim gemeinsamen Spielen stellt für das Kind dagegen das erstrebte Ziel dar, so dass deren positive Mitwirkung folglich Teil des Freiheitsgegenstandes wird. Scheitert das Treffen daran, dass seine Freunde in den Urlaub gefahren sind, stellt diese Abwesenheit wiederum das Freiheitshindernis dar, an dem der gemeinsam zu realisierende Freiheitsgegenstand scheitert. Wenn die Mitwirkung Dritter dann scheinbar gleichzeitig als Freiheitsgegenstand und Freiheitshindernis erscheint, bedeutet dies dennoch keinen logischen Widerspruch, da als vorhanden vorauszusetzende Teile des Freiheitsgegenstandes nur im Falle ihres Fehlens zu Freiheitshindernissen mutieren. Schließlich ist auch nicht zu befürchten, dass nun alle Freiheitshindernisse in positiv gewendeter Formulierung zum Freiheitsgegenstand umdefiniert werden würden. Denn wie im obigen 144 Eine solche Vorstellung liegt den naturalistischen Freiheitsauffassungen zugrunde. Wenn der Mensch von „Natur aus frei“ ist, die Freiheit als „gnädige Mitgift der Natur“ verstanden wird, dann kann diese Freiheit begrifflich von außen nur beeinträchtigt werden. Andere Personen können dieses Gut zwar gefährden, aber nichts zu seiner Hervorbringung beitragen, vgl. Ladwig, Gerechtigkeit, S. 28 f. 145 Vgl. MacCallum, Philosophical Review 1967, 312 (320).

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Beispiel lässt sich im Regelfall Mittel und Zweck gut voneinander unterscheiden. Solange der Freiheitsträger beispielsweise Geld nicht um des Geld-AusgebenWillens ausgibt, bleiben fehlende Geldmittel Freiheitshindernisse, ohne dass vorhandene Geldmittel deswegen bereits als Freiheitsgegenstand betrachtet werden müssten. Die hier vorgeschlagene differenzierte Betrachtung hat gegenüber der Ausblendung oder pauschalen Einordnung der (fehlenden) Mitwirkung Dritter als Freiheitshindernisse den Vorzug, dass sie den realen Freiheitsgebrauch des Freiheitsträgers besser abbildet. (2) Beispiele aus der Literatur: Freiheit als Interaktion (Suhr) bzw. aus einer überindividuellen Perspektive (Scholz) Suhr hat in seiner Untersuchung versucht, das soziale Moment der Grundrechtsausübung bzw. die soziale Funktion der Grundrechte in einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG deutlich zu machen, an der sich das hier vertretene formale Freiheitsverständnis gut festmachen lässt. 146 Die Entfaltung der Persönlichkeit erstreckt sich nach Suhr in den sozialen Raum hinein und erscheine in der Form von Verhalten im Verkehr mit anderen. Freiheit sei daher mehr als eine Art „Aktionismus“ in einem leeren Raum, sondern interindividuelle Kommunikation. 147 Über die Überzeugungskraft einer Wortlautinterpretation der Grundrechte mag man unterschiedlicher Meinung sein, Suhr bleibt in ihr aber nicht verhaftet. Auf tieferer Ebene liegt sein grundrechtstheoretischer Ansatz, der Elemente der Soziologie in die Grundrechtsinterpretation miteinfließen lassen will, die er vor allem bei Luhmanns 148 Kommunikations- und Interaktionstheorie findet. Deren „interaktives Paradigma“ will Suhr in praktisches Grundrechtsdenken und in Grundrechtstechnik umsetzen, das die Vorzüge des liberalen Denkens mit den Vorzügen des sozialen Denkens verbinden soll, ohne deren Nachteile mit sich herumzuschleppen. 149 Hatte das individualistische Freiheitsverständnis nach Ansicht Suhrs noch die wechselseitige Asozialität der Menschen zum Ausgang, will er das Paradigma der Freiheit als zwischenmenschliche Interaktion begriffen wissen. 150 Insofern sei Freiheit zur Entfaltung der Persönlichkeit eine Freiheit zur Entfaltung des einen durch den anderen. 151 146

Suhr, Entfaltung, S. 82. Suhr, Entfaltung, S. 83. 148 Als eines von Luhmanns Hauptwerke gilt (die später erschienene) „Theorie der sozialen Systeme“, das allerdings auch an seine früheren Arbeiten anknüpft. Genannt seien hier nur die Werke „Zweckbegriff und Systemrationalität“ (1968) und „Grundrechte als Institution“ (1965). Auf die Lehren Luhmanns kann und soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. 149 Suhr, Entfaltung, S. 83. 150 Suhr, Entfaltung, S. 84. 151 Suhr, Entfaltung, S. 86. 147

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Freiheit würde zwar zutreffender Weise zunächst als Freiheit von Fremdbestimmung durch Dritte begriffen, im Hinblick auf die Aspekte der Kommunikation müsste die negative Freiheit aber besser als Freiheit von sozial manifesten Außenursachen definiert werden. 152 Die interaktive Komponente nicht nur der Kommunikationsgrundrechte will Suhr nicht als ethisch-normative Schranke der Grundrechtsbetätigung, soziale Bindungen oder Pflichtigkeiten verstanden wissen, die die Grundrechtsbetätigung einschränken. Das Gegenüber als Bedingung der eigenen Entfaltung sei vielmehr eine empirisch-faktische Voraussetzung. 153 Dabei verkennt Suhr nicht, dass die Persönlichkeitsentfaltung nicht ausschließlich durch das Medium der anderen erfolgt, sondern auch der Zurückgezogenheit des Individuums bedarf. In diesen Momenten sind Dritte nicht Bedingung, sondern Störer der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten. Grundrechtlicher Entfaltungsschutz bedeutet speziell in diesem Fall die Freiheit von anderen, die der Staat dadurch verwirklicht, dass er das Individuum mit entsprechenden negatorischen Abwehransprüchen „umhege“. 154 Wer in Ruhe gelassen werden wolle, wolle diese Ruhe schließlich auch vor dem Staat, der sich schließlich auch selbst durch die Grundrechte zur Selbstbeherrschung verpflichte. 155 Ganz ähnlich lesen sich die freiheitstheoretischen Grundlagen von Scholz in seiner Untersuchung der Koalitionsfreiheit. 156 Das Freiheitsrecht besteht aus einer rechtlich definierten Summe an Verhaltensalternativen, 157 die allerdings in ihrer Verfassungswirklichkeit erst durch die reale Ausübung entsteht. Erst durch die freie Entscheidung für eine Verhaltensweise verwirklicht sich die Individualität des Menschen. Die Personwerdung wiederum gründet sich auf den „sozialisierenden Vorgang eines ständigen interindividualen Handlungs- und Kommunikationsprozesses“. 158 „Individuum“ steht in diesem Zusammenhang für einen Korrelatbegriff einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die den Menschen in seinen sozialen Verhältnissen als Träger bestimmter gesellschaftlicher Funktionen begreife. 159 Dieser Personenbegriff sei zwar an sich präjuristischer Art, über die Wertentscheidung des Art. 1 Abs. 1 GG 160 erwachse er jedoch zum verfassungs152

Suhr, Entfaltung, S. 86 unter Verweis auf Luhmann, Grundrechte, S. 66. Suhr, Entfaltung, S. 88. 154 Suhr, Entfaltung, S. 97. 155 Suhr, Entfaltung, S. 98; hier sieht Suhr den idealtypischen Sitz der Grundrechte. 156 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 69 ff. 157 Darin sieht wiederum Alexy, Theorie, S. 197 f. den Kern des Freiheitsgegenstandes der Grundrechte. 158 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 73 unter Verweis auf Luhmann, Grundrechte, S. 25, 61 ff; 77 und passim. 159 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 74. Scholz überträgt damit einen soziologischen Rollenbegriff in die juristische Begrifflichkeit und übernimmt dabei den existenzphilosophischen Personenbegriff von Maihofer, Recht und Sein, S. 94 ff.; 112 ff., der zwischen der Individualperson und der Sozialperson unterscheidet. 153

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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rechtlichen Zentralbegriff der Rechtsperson. 161 Dieser rechtspersonale Komplex von Individual- und Sozialperson unterscheide sich wesentlich von der Vorstellung des „isolierten Individuums“, verhindert aber gleichzeitig ein Abgleiten in den Kollektivismus, da nur der Mensch der „Realgrund“ kollektiver Daseinsformen sei. Jede kollektive Daseinsform summiere sich aus interindividualen Sozialbeziehungen. 162 Die am Freiheitsbegriff der Grundrechte ansetzenden „Ordnungsüberlegungen“ stehen (wie bei der Arbeit Suhrs) im Zusammenhang mit der damaligen und leider etwas in Vergessenheit geratenen Tendenz, Grundrechte auch abseits des Art. 5 GG als Kommunikationsrechte zu verstehen, deren stärkster Verfechter wohl Luhmann war. 163 Dessen deutlich geringerer juristischer Rezeption (die wohl auch auf das Verharren in soziologischen Begriffen zurückzuführen ist) wollte auch Scholz entgegenwirken. Beiden Arbeiten ist in dieser Hinsicht jedoch ebenfalls eine größere juristische Rezeption verwehrt geblieben. dd) Fazit Festzuhalten bleibt aus Sicht einer strukturellen Analyse, dass aus der zwingenden Einnahme einer Individualperspektive in Bezug auf den Grundrechtsträger nicht folgt, dass auch der Freiheitsgegenstand individualistisch bestimmt werden müsste, so wie schließlich auch Freiheitshindernisse aus der Umwelt entnommen werden. Die Aufnahme der Mitwirkung Dritter in den Freiheitsgegenstand ist dabei begrifflich genauso möglich, wie sich etwa im Falle der rechtsgeprägten Freiheiten das Gebrauchmachen von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten oder die Beziehungen des Freiheitsträgers zu sonstigen Freiheitsobjekten im Freiheitsgegenstand wieder finden. Mit wünschenswerter Klarheit hat Suhr 164 160

Dazu noch unten B.III.3.b), S. 176 ff. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 75. 162 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 76. 163 Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, S. 193: „Der elementare, Soziales als besondere Realität konstituierende Prozess ist ein Kommunikationsprozess“; vgl. auch Luhmann, Grundrechte, S. 84 ff. zum Grundrechtsschutz der Kommunikationsfreiheit. 164 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Suhrs eigentliches Anliegen weiter geht: Wenn die Entfaltung der Persönlichkeit als bi- oder multilateraler Prozess zu verstehen sei, dann beziehe sich das Subjekt „jeder“ in Art. 2 Abs. 1 GG auf alle in der Entfaltungssituation beteiligten Personen, nicht nur in der Freiheit des „Einen“. Hat wiederum jeder Beteiligte auch das Recht, seine Persönlichkeit zu entfalten, dann liest sich Art. 2 Abs. 1 GG als normative Garantie der Selbstbestimmung in einem Interaktionsprozess. Schutzobjekt ist dann die Entfaltung auf Gegenseitigkeit. Die Selbstbestimmung des anderen wird nicht erst bei der Frage nach „Rechten Dritter“ als Schranken der Selbstentfaltung akut, sondern bereits in der Freiheitsbestimmung, die auf wechselseitige, gleichmäßige Entfaltung angelegt ist. Diesen Umstand bezeichnet Suhr als „Unteilbarkeit der Freiheit“ (S. 108), mit der die faktische Asymmetrie in der Gesellschaft und das 161

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

die Doppelfunktion der Umwelt des Grundrechtsträgers dargestellt: Der Mensch kann dem Menschen einmal Bedingung, das andere Mal Schranke seiner eigenen grundrechtlichen Betätigung sein. 2. Das Verhältnis von Freiheit als Schutzgut und Grundrecht als rechtliche Gewährleistung: Normativer Entscheid des Einzelgrundrechtes bei gleichzeitiger „horizontaler“ Freiheitsaktualisierung Aus der strukturellen Analyse des Freiheitsbegriffs lässt sich indes noch kein zwingender Rückschluss ziehen, ob und in welchem Maße der Freiheitsgegenstand der Grundrechte tatsächlich Umweltbedingungen außerhalb des Verhaltens des Grundrechtsträgers beinhalten muss, da es in der Auslegung des jeweiligen Grundrechts vorbehalten bleibt, ob es überindividuelle Freiheitsgegenstände in sein Schutzgut aufnimmt. 165 Wie verhalten sich die Grundrechte zu dem soeben festgestellten Realbefund der gemeinsamen Freiheitsausübung? a) Grundrechte als vertikale Gewährleistung horizontaler Grundrechtsausübung Das Freiheitsrecht verpflichtet gem. Art. 1 Abs. 3 GG den Staat, seine Rechtswirkungen orientieren sich daher am Staat-Bürger-Verhältnis. Die tatsächliche Reichweite des Freiheitsrechts erschöpft sich aber nicht in dieser vertikalen Beziehung. Der Gebrauch des Grundrechts wirkt auch in das horizontale BürgerBürger-Verhältnis herein. Diese Bedeutung der menschlichen Selbstentfaltung für die Freiheitsrechte betont auch Scholz. Die gesellschaftliche „Breitenwirkung“ des Grundrechts sei erst die Folge der Grundrechtsausübung. Die Grundrechte entfalteten hier Drittwirkung im Sinne einer innergesellschaftlichen Nutzenfolge. 166 Die vertikale Schutzwirkung der Grundrechte aktualisiert sich immer dort, wo der Staat in jene „horizontalen“ Freiheitsverhältnisse eingreift. 167 Dabei bezweckt die Grundrechtsgewährleistung den Schutz der freien Grundrechtsausübung, überlässt aber deren Aktualität der Grundrechtsausübung ihrer Träger. dortige Zerfallen der Freiheit in Entfaltungsdienerschaft und Entfaltungsherrschaft durch normative, kontrafaktische Grundrechtsgarantien verhindert werden soll. Letzten Endes mündet also Suhrs interaktive Freiheitstheorie in einer präformierten, verantwortungsvoll ausgeübten Handlungsfreiheit, die sich mit Häberle gegen das liberale Grundrechtsverständnis einer „Freiheit zur Beliebigkeit“ wendet. Den zutreffenden und unproblematischen Ausgangspunkt seiner Überlegungen teilt er dagegen mit Scholz, der sicher nicht als Fürsprecher eines präformierten Grundrechtsverständnisses verdächtig ist. 165 Vgl. auch Enderlein, Freiheit, S. 98 ff. zur Unterscheidung von Freiheit und Freiheitsrecht. 166 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 79.

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Letztere erhellt daher, welchen Inhalt die Grundrechte in der sozialen Wirklichkeit annähmen, welchen sachlichen Nutzen die Individuen zögen und zu welchen Zwecken sie die ihnen gewährten Freiheiten einsetzen. 168 Es findet mit anderen Worten eine „Wechselwirkung“ zwischen normativem Verfassungsentscheid und sozialer Wirklichkeit sein, 169 mit der sich, das sei hier betont, nicht etwa die Verfassung wandelt, 170 sondern der einem liberalen Verständnis entsprechend offene Grundrechtsinhalt durch die Grundrechtsträger aufgefüllt werden muss. 171 Auf diesen Kontext der sozialen Wirklichkeit ist eine interpretative Verdichtung der Verfassung auch angewiesen, 172 da die Verfassung nicht wirklichkeitsfremd 173 ist, ja, nicht sein darf. Weil es dem liberalen Staat verwehrt bleiben muss, den Inhalt der Freiheitsbetätigung verbindlich vorzugeben, ist die Verfassung umgekehrt gezwungen, die Wirklichkeit der Grundrechtsausübung in sich aufzunehmen. Dadurch gelingt die stetige Aktualisierung 174 der Verfassung durch Rechtsverwirklichung, ohne dass die Verfassungswirklichkeit damit eine unzulässige prägende Kraft für den Normentscheid entfaltet, mit anderen Worten ein Umschlagen von Faktizität in Normativität zu beobachten wäre, das die Verfassung ihrer das Gemeinwesen leitende Stabilität berauben würde. 175 Gerade die Freiheitsrechte sind wegen ihrer Verhaftung im real-sozialen Bereich „notwendig ‚in die Zeit hinein‘ offen, entwicklungs- und wandlungsfähig“. 176 Erst die Frage nach der Funktion eines Grundrechtes offenbart deren tatsächlichen Wirkungskreis und eröffnet hierdurch den Rückschluss auf ihren konkreten 167 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 80 unter Verweis auf Leisner, Grundrechte, S. 277, Fn. 209. 168 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 82. 169 So der Titel der Aufsatzsammlung von Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, 2009. 170 Vgl. dazu Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), 451 ff. 171 Vgl. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 76: „plurale, nichtstaatliche Grundrechtskonkretisierung“. 172 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 92; dementsprechend hält Scholz die „soziale Funktion“ der Koalitionsfreiheit für die Interpretation des Art. 9 Abs. 3 GG für richtungweisend. 173 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 77. 174 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 85; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 82, 106. 175 Zum einen entfaltet der horizontale Freiheitsgebrauch keine prägende Wirkung auf den zulässigen Inhalt des Freiheitsgebrauchs anderer Grundrechtsträger. Zum anderen ist weiterhin Aufgabe des Staates, den Grundrechtsträgern eine „verfassungsmäßige Ordnung“ (Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG) zur Verfügung zu stellen, in denen konkurrierende Grundrechtsausübung und staatliche Aufgabenerfüllung möglich bleibt. Vgl. auch Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 84 ff. zur Bipolarität des Grundgesetzes zwischen offener Ordnung und Normativität: „Die Verfassung bedarf [...] der stetigen Aktualisierung, wie umgekehrt die Spontanität individueller und gesellschaftlicher Selbstdarstellung die Einfügung in Ordnungsstrukturen erforderlich macht.“ 176 Scholz, AöR 110 (1985), 127 (129); BVerfG DÖV 1987, 687.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Normgehalt. 177 Grundrechtsgewährleistung und Grundrechtsausübung bilden für sich genommen jeweils nur eine Seite des Grundrechts, die erst durch ihr Zusammenwirken die grundrechtliche Freiheit vollumfänglich zu beschreiben in der Lage sind. b) Die Abgrenzung von Grundrechtsinhalt und Grundrechtsvoraussetzung Einen Beitrag zur Präzisierung von Inhalt und Umfang der grundrechtlichen Gewährleistung der realen, ausgeübten Freiheit will auch die Lehre der Grundrechtsvoraussetzungen leisten, die deshalb einer näheren Untersuchung bedarf. Unter den Grundrechtsvoraussetzungen werden diejenigen Faktoren rechtlicher oder tatsächlicher Art verstanden, von denen die effektive Geltung der Grundrechtsnormen oder die Möglichkeit ihrer praktischen Wahrnehmung abhängt, die jedoch nicht Bestandteil der Grundrechtsnorm sind oder zu ihren Schranken gehören. 178 Ihre Definition ist damit negativer Art. Was noch zum Bestandteil der Grundrechtsnorm zählt, ist gerade keine Voraussetzung der Grundrechtsausübung. 179 Der Umfang der nicht vom Schutz des Grundrechts erfassten Ausübungsvoraussetzungen darf folglich nicht autonom bestimmt und dem Grundrecht eingrenzend entgegengesetzt werden, sondern muss sich an der sachlichen Reichweite des Grundrechts orientieren. 180 Mit diesem Vorbehalt ist die Aussage Isensees zutreffend, Inhalt der Grundrechtsnorm sei die Realisierung des Grundrechts, zu den Grundrechtsvoraussetzungen zähle dagegen die Bedingung der Möglichkeit der Realisierung. 181 Die Grundrechtsvoraussetzungen lassen sich noch weiter in Wahrnehmungs- und Wirkungsvoraussetzungen unterteilen. 182 Zu den Wirkungsvoraussetzungen will Kirchhof alle objektiven, von der Person des Grundrechtsberechtigen unabhängigen tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen zählen, ohne die ein Grundrecht seine Wirkung nicht entfalten könne. 183 Die Wahrnehmungsvoraussetzungen sollen dagegen alle Bedingungen 177

Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 99. Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 7; ebenso Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 10: diese stünden „außerhalb der herkömmlichen Lehre von Schutzbereich, Schranken und Schranken-Schranken.“ 179 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 184; Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 10. 180 Insoweit sind beschreibende Aufzählungen der Grundrechtsvoraussetzungen mit Vorsicht zu genießen, wenn mit ihrer Hilfe anschließend begründet werden soll, warum der staatliche Zugriff auf sie nicht die Grundrechte als Abwehrrechte aktivieren. 181 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 11. 182 Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 7 f. Dies entspricht der Einteilung der Soziologie in interne und externe Hindernisse, die dort noch anhand ihrer Art in natürliche (den Naturgesetzen entspringend) und soziale (von Menschenhand erzeugt) Hindernisse eingeteilt werden, vgl. Ladwig, Gerechtigkeit, S. 27 m.w. N. 178

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in der Person des Grundrechtsberechtigten aufnehmen, die ihm die Wahrnehmung erst ermöglichen. 184 Der Übergang vom Grundrecht zur Grundrechtsvoraussetzung hängt also auch hier wieder davon ab, welche außerhalb des Individuums liegenden Umstände noch zum Gebrauch der Freiheit zählen, die vom Grundrecht umfasst sind. Aber bereits die Existenz des Begriffs der Grundrechtsvoraussetzungen impliziert, dass die „praktische“ Ausübbarkeit nicht oder jedenfalls nicht zur Gänze vom Schutz des Grundrechts umfasst ist. 185 Unabhängig von dem Verlauf der Trennlinie kann die Kategorie der Grundrechtsvoraussetzungen aber den Blick für die Frage schärfen, ob und wie sich Voraussetzungen auf Reichweite und Inhalt der Grundrechtsnorm auswirken oder umgekehrt die Norm auf ihre Voraussetzungen ausstrahlt. 186 Damit stellt sich auch die Frage, ob Grundrechtsinhalte und Grundrechtsvoraussetzungen einer solch trennscharfen Unterscheidung überhaupt bedürfen oder dazu fähig sind – und damit die Folgefrage, ob an diese Unterscheidung das Eingreifen des Abwehrrechts geknüpft werden sollte. 187 Für die Lehre der Grundrechtsvorrausetzungen wesentlich ist demgegenüber, dass die Grundrechtsnorm nicht mit ihren sozialen Voraussetzungen identifiziert bzw. gleichgesetzt wird. Die Voraussetzung wird folglich nicht in den Garantiebereich des Grundrechts übernommen. 188 Insoweit korrespondiert die Lehre der 183

Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 8. Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 8. Die Unterteilung Kirchhofs vermischt dabei leider zwei Definitionsebenen. Zum einen können abstrakte Voraussetzungen thematisiert werden, unter denen Grundrechte effektive Geltung beanspruchen können. Zu diesen zählten auch die so genannten Verfassungserwartungen, also unter anderem die Bedingungen der Staatlichkeit überhaupt, da nur unter der Geltung des Grundgesetzes Grundrechte ihre Wirkung entfalten können. Zum anderen können hinsichtlich eines konkreten Grundrechtsträgers zwischen Voraussetzungen innerhalb und außerhalb seiner Person unterschieden werden. Kirchhofs Definition der Wirkungsvoraussetzungen knüpft an eine abstrakte Betrachtung der Grundrechte an, wogegen die Wahrnehmungsvoraussetzungen in Bezug auf einen Grundrechtsträger formuliert werden. Offen bleibt dabei, welcher Kategorie das zur Verwirklichung nötige objektive Umfeld eines Grundrechtsträgers unterfallen soll, die an sich keine der beiden Definitionen unterfallen. Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 44 selbst ordnet sie in der Sache später in die zweite Kategorie ein. Die Anbietergrundrechte (Art. 12, 14, 5 GG) hätten die Freiheitswahrnehmung des anderen zur Wahrnehmungsvoraussetzung, was seiner eingangs genannten eigenen Definition widerspricht, die nur Bedingungen innerhalb des Person des Grundrechtsträgers erfassen will. 185 Das wird allerdings von Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 670 bestritten. Zwar würden hinsichtlich des Schutzgegenstandes der Grundrechte Grundrechtsvoraussetzungen definitionsgemäß ausscheiden. Damit sei aber noch nicht gesagt, ob sich Grundrechtsvoraussetzungen nicht dennoch in den Schutzbereich einfügen lassen können oder sollen. Jenseits des terminologischen Paradoxons wird der Schutz von als „flankierend“ verstandenen Positionen in der Tendenz geringer ausfallen. 186 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 19. 187 Diese „Alles-Oder-Nichts-Lösung“ will Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 670 offenbar vermeiden. 184

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Grundrechtsvoraussetzungen mit dem herkömmlichen Verständnis der liberalen Theorie der Grundrechte als Garantie eines staatsfreien Raumes, die erst durch das Individuum selbst zum Leben erweckt werden muss. 189 Die Lehre von den Grundrechtsvoraussetzungen lässt sich daher als Kehrseite der liberalen Grundrechtstheorie verstehen, die sich mit den Themenbereichen beschäftigt, die nach einer (eng gefassten) liberalen Grundrechtstheorie nicht in den Schutzbereich der Grundrechte fallen. Mit ihr hat sie die Konfliktbeladenheit der Ausgrenzung verschiedener Lebensbereiche aus dem Schutzbereich der Grundrechte gemeinsam, wenn ohne weitere Begründung gesetzliche Regelungen dem Regime der Grundrechte nicht mehr unterstellt werden, die sich in die Dogmatik der Abwehrrechte einfügen lassen würden. 190 So teilt Isensee die Voraussetzungen der Grundrechtsausübung in rechtliche, organisatorische, marktwirtschaftliche, soziale und soziokulturelle Voraussetzungen ein. 191 Zu den rechtlichen Voraussetzungen zählt Isensee zunächst die Ausgestaltung der Grundrechtstatbestände in Form von Instituten und die Koordinierung der Grundrechtsausübung bei Auftreten von Kollisionen. Die Herausnahme dieser Bereiche aus der Abwehrfunktion der Grundrechte ist indes keineswegs (und im Besonderen für den Fall der Ausgestaltung) unumstritten. 192 Ihre Überführung in das Regiment der Grundrechtsvoraussetzungen ermöglicht es, den nun zum rechtlichen Unterbau degradierten Normenkomplex entweder zur Gänze politisch offen zu halten oder jedenfalls den Inhalt der Verfassungsgarantie neu zu bestimmen. 193 Ähnlich steht es mit den grundrechtlichen Leistungsansprüchen in der Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten, die von Isensee ebenfalls als Grundrechtsvoraussetzungen eingestuft werden. 194 Ebenso begründungslos reiht schließlich Kirchhof die für die eigene Grund188

Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 25. Das mag auch der Grund sein, warum sie häufig im Rahmen der Abhandlung von Verfassungserwartungen angesprochen werden. Mit den Verfassungserwartungen wird das staatsrechtliche Paradox moderner freiheitlicher Verfassungen bezeichnet, die mit den Grundrechten in eben diesem liberalen Verständnis die Freiheit zur Beliebigkeit schützen, ohne den Bürger zu instrumentalisieren, der Staat aber gleichzeitig in seinem Bestand auf die gemeinwohlorientierte Ausübung der Grundrechte angewiesen ist, vgl. Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 222 ff. Der Staat lebt also insoweit von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren bzw. erzwingen kann, vgl. Böckenförde, Staat, S. 36 – wenngleich er sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen darf, vgl. Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 6. 190 Ausführlich zur Tauglichkeit der Abwehrdogmatik Poscher, Abwehrrechte, S. 315 ff. 191 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 136. 192 Vgl. z. B. Roth, Faktische Eingriffe, S. 261: „Grundsätzlich müssen die Abwehrrechte also auch die notwendigen realen Voraussetzungen der Freiheitsverwirklichung umfassen, sollen sie nicht weitgehend sinnlos zu werden drohen.“ 193 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 143. 194 Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 148 – 149. 189

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rechtsausübung nötige Freiheitsausübung Dritter in die Wahrnehmungsvoraussetzungen ein. Verbindliche Anhaltspunkte zur Abgrenzung des Inhalts der Grundrechte von den Grundrechtsvoraussetzungen leistet die Lehre dagegen nicht. 195 In ihrer jetzigen Form dient sie in der Tendenz dazu, den Schutzbereichstatbestand der Grundrechte eng zu halten. Nutzen bringt die Figur der Grundrechtsvoraussetzungen jedoch insoweit, als sie als negatives Spiegelbild des Freiheitsbegriffs der Grundrechte dienen kann und zur Begründung der Fassung bzw. des Umfangs des Freiheitsgegenstandes nötigt, der – und das soll nochmals betont werden – aus den Grundrechten selbst gewonnen werden muss. Der nächste Schritt der Arbeit muss sich daher mit der Frage beschäftigen, inwieweit durch Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG die Möglichkeit geschaffen werden kann und muss, einen interaktiven, den Gemeinschaftsbezug in sich aufnehmenden Freiheitsgegenstand in den Grundrechtschutz miteinzubeziehen. 3. Grundrechtsauslegung und Gemeinschaftsbezug: Grundrechtstheorien und Menschenbild des Grundgesetzes als grundrechtsübergreifende Interpretationshilfen Auch die Verfassungsauslegung folgt im Grundsatz den herkömmlichen Methoden der Gesetzesauslegung, 196 die bei der Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG zu beachten sind. Wegen des offenen Charakters insbesondere des Grundrechtsteils treten zu den ebenfalls nicht abschließend zu verstehenden Interpretationsmethoden noch grundrechtsspezifische Auslegungsregeln hinzu, 197 die in der Rechtsprechung des BVerfG topisch eingesetzt wurden, 198 aber – wie zum Teil kritisch angemerkt wurde – unausgesprochen einem Vorverständnis 199 unterlägen, das sich in bestimmten Grundrechtstheorien (oder besser: unterschiedlichen Grundrechtsverständnissen) festmachen lasse 200 und damit auch Rückwirkung auf die Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG hat. Die dem Aufsatz von Böckenförde folgende Diskussion um Sinn und Zweck der Grundrechtstheorien muss hier nicht mehr dargelegt werden. 201 Bei aller Kritik, die Böckenförde erfahren hat, herrscht aber wohl doch Einigkeit darüber, dass sie bei der Auslegung 195 Auf die Schwierigkeit der Abgrenzung verweist auch Isensee selbst, vgl. Isensee, in: HStR V, § 115, Rn. 143. 196 Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 6, 10. 197 Vgl. Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 13. 198 Vgl. Stern, in: StR III/2, § 95, S. 1654; Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 14 m.w. N. 199 Vgl. Pestalozza, Der Staat 2 (1963), 425 (428) m.w. N. 200 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1529); Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 34; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 148, vgl. auch Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 38. 201 Vgl. dazu nur Stern, in: StR III/2, § 95, S. 1678 ff.

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der Grundrechte eine Hilfestellung 202 geben können, wenn nicht versucht wird, die Grundrechtauslegung mit einer einzigen konsentierten Grundrechtstheorie zu unterfangen. 203 Für die hier zu lösende Frage der Inkorporation eines umwelt- und gemeinschaftsbezogenen Freiheitsbegriffes in die Grundrechte sind die Grundrechtstheorien von besonderem Interesse, weil sie den Schauplatz für eine Auseinandersetzung lieferten, die ebenfalls um die Bedingtheit realer Grundrechtsausübung kreiste. Aus diesem Grund sollen die unterschiedlichen Grundrechtsverständnisse auf Gemeinsamkeiten in der Frage untersucht werden, wie sie mit der Einbindung des Individuums in ein Beziehungs- oder Rahmengefüge (etwa sozialer, kultureller oder wirtschaftlicher Art) umgehen, die für die Freiheitsbetätigung der Grundrechtsträger von Bedeutung sind. Wegen ihrer praktischen Relevanz 204 im Rahmen der Grundrechtskonkretisierung und -aktualisierung im Falle des Auftretens neuer Gefährdungslagen, vor allem aber wegen der thematischen Nähe soll als zweiter grundrechtsübergreifender Topos neben der Heranziehung der Grundrechtstheorien versucht werden, aus dem Menschenbild des Grundgesetzes Folgerungen für den Freiheitsbegriff als Schutzgut der Grundrechte abzuleiten. a) Grundrechtstheorien und Freiheitsbegriff Eine Grundrechtstheorie definiert Böckenförde 205 als die systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die inhaltliche Reichweite der Grundrechte. Ihren Bezugspunkt habe sie in aller Regel in einer bestimmten Staatsauffassung oder Verfassungstheorie. Die Grundrechtstheorie sei dabei keine ideologische Verbrämung, die bei korrektem Vorgehen zu vermeiden gewesen wäre, sondern ist notwendige Folge der fragmentarischen Grundrechtsbestimmungen. Aus Art. 1 Abs. 3 GG folge zwar, dass alle Staatsgewalt an die Grundrechte gebunden ist, nicht aber, wie diese Bindung aussehen solle: Hier beginne das Diskussionsfeld der allgemeinen Grundrechtslehren und der Grundrechtstheorien. 206 In der Klassifizierung der Grundrechtstheorien hat sich die Einteilung von Böckenförde durchgesetzt, die zwischen 202 Vgl. Stern, in: StR III/2, § 95, S. 1681, der die „Grundrechtstheorien“ im Kern für nichts anderes als allgemeine Grundrechtslehren hält, die die Auslegung um interpretationsleitende Aspekte anreichert; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 20 f., die davon ausgeht, dass sich etwaige „dogmatische Insuffizienzen“ nicht mittels rein grundrechtstheoretischer Überlegungen beheben lassen. Das schließt aber auch nach ihrer Ansicht nicht aus, derartige Überlegungen in die Auslegung mit einzubeziehen. 203 So die Warnung von Ossenbühl, in: HbdGR, § 15, Rn. 41; ähnlich Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1, Rn. 66. 204 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 112. 205 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1529). 206 Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit, S. 5.

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liberal-rechtstaatlicher, institutioneller, werttheoretischer, demokratisch-funktioneller sowie der sozialstaatlichen Sichtweise unterscheidet. 207 Im Folgenden soll untersucht werden, welche Erkenntnisse aus den Grundrechtstheorien für das Wesen der grundrechtlichen Freiheit gezogen werden können. aa) Liberal-rechtstaatliche Grundrechtstheorie Kennzeichnend für die liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie bzw. das Grundrechtsverständnis (und Grund für ihre Dominanz) ist das Leitbild der Grundrechte als Freiheitsrechte gegenüber dem Staat. Die Grundrechte sind demnach Verteilungsnormen im Sinne negativer Kompetenznormen, die eine vor-rechtliche Freiheit vor dem Zugriff des Staates abschirmen. Die Freiheit wird durch den Staat nicht konstituiert, sondern von ihm vorgefunden. Diese vorgefundene Freiheit ist grundsätzlich grenzenlos, der Zugriff des Staates auf diese Freiheit dagegen begrenzt. Eine Verkürzung der Freiheit bedarf damit der Rechtfertigung, die nur durch die Aufgaben des Staates geleistet werden kann. Nur soweit der Staat Voraussetzungen oder Institutionen für die rechtliche Gewährleistung der Freiheit schafft oder durch wechselseitige rechtliche Grenzziehungen die individuellen Freiheiten kompatibel macht, ist ihm der Zugriff auf die Freiheit seiner Bürger gestattet. Außerhalb seiner Kompetenznormen liegt dagegen der Inhalt der Freiheit selbst, so dass der Staat auch nicht zu Vorgaben befugt ist, zu welchem Zweck Freiheit zu gebrauchen ist. Nicht das die Freiheit beschränkende Gesetz gebe dem Grundrecht Maß und Inhalt, wie noch Jellinek betonte, sondern umgekehrt das Gesetz den grundrechtlichen Gewährleistungen. 208 Allerdings sei der Staat nicht dazu aufgerufen, für die tatsächliche Realisierbarkeit der vorrechtlichen Freiheit zu sorgen, diese bleibt der gesellschaftlichen Initiative überlassen. Die Grundrechte erhalten nur die Freiheit als eine vorstaatliche, indem sie sie vor staatlicher Beeinträchtigung und Reglementierung schützen. Die liberal-rechtstaatliche Grundrechtstheorie geht allerdings nicht von einem vor-sozialen Freiheitsverständnis im Sinne eines sozialen Ungebundenseins der Individuen aus. Aus dem Schutz der Freiheitssphäre des Einzelnen folgt umgekehrt auch der Schutz bzw. die Abgrenzung der gesellschaftlichen Freiheitssphäre als die Freiheit Einzelner in ihrem sozialen Zusammenhang. 209 Das wird teilweise bestritten. Die liberale Grundrechtstheorie begreife den Einzelnen nicht als Wesen, der bereits mit vorgefundenen Sozialbezügen auf eine Gemeinschaft bezogen ist. 210 In dieser (angeblichen) Begrenztheit wird das größte Problem der 207 Ausführlich zu diesen und weiteren Grundrechtstheorien Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, 1986. 208 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1531). 209 Ders., NJW 1974, 1529 (1530).

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liberal-rechtstaatlichen Grundrechtstheorie gesehen, da der Mensch als autarkes Wesen verstanden werde, dessen grundrechtlicher Freiheitsschutz sich auf den Schutz des sozial bereits vorhandenen Freiheitsbestandes beschränken kann. 211 Für den sich immer mehr in sozialer Abhängigkeit befindlichen Menschen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts müsse aber auch die gesellschaftliche Realisierbarkeit seiner Freiheit betrachtet werden, die man als faktische Grundrechtsvoraussetzung bezeichnen kann. Es darf durchaus bezweifelt werden, ob die an der liberal-rechtstaatlichen Grundrechtstheorie geäußerte Kritik ihren Gegenstand auch richtig interpretiert. In der Ausformung Häberles richtet sie sich wohl vor allen Dingen gegen die Interpretation von Jellinek 212 und C. Schmitt, 213 die die Freiheit als Freiheit zur Beliebigkeit und individueller Willkür betonten. Grabitz kritisiert dagegen vor allem die inhaltliche Konturlosigkeit, die sich aus der rein negativen Formulierung als Freiheit vom Staat ergeben soll, wenn das schützenswerte Gut oder Interesse im Wesentlichen in der Abwesenheit des Staates gesehen wird. 214 Damit beruht die Kritik aber vor allem auf der zu einseitigen Schlussfolgerung aus der für die liberal-rechtstaatliche Grundrechtstheorie zentralen Prämisse, Grundrechte seien nur im Individualinteresse verbürgt. Aus dieser Intention muss aber keineswegs ein „individualistischer Autismus“ des liberalen Ansatzes folgen, wie Häberle annimmt, wenn er ihren angeblich fehlenden Sozialbezug kritisiert. 215 Ganz im Gegenteil: Wenn Grundrechte im (wechselseitigen!) Individualinteresse verbürgt sind, dann sind sie auch darauf gerichtet, ihren Schutzgehalt im Interesse des Individuums bestmöglich zu Geltung zu bringen. Setzt das voraus, dass auch ihr Sozialbezug in die Grundrechtsinterpretation einfließen muss, dann ergibt sich aus ihrer Individualausrichtung ein weiteres Argument für die Einbeziehung des von Häberle vermissten sozialen Umfelds des Grundrechtsträgers bzw. der grundrechtlichen Betätigung als 210

Häberle, Wesensgehalt, S. 94. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532); vgl. zu dieser Kritik schon früh Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 III, Fn. 3: für den Verfassungsrechtler sei ein „dogmatisches Modell eines isoliert gedachten Menschen“ eine „blutleere Fiktion“. 212 Vgl. Jellinek, System, S. 103: „eine Freiheit schlechthin, in irgendeinem Punkte anerkannt, ... wäre in ihren Konsequenzen geeignet, den ganzen Staat zu zerstören“, weshalb auch nur eine Freiheit vom gesetzwidrigen Zwang anerkannt werden könne, weil das regelnde Gesetz zur Erhaltung des Staatswesens unumgänglich sei, vgl. Grabitz, Freiheitsrechte, S. 13. 213 Schmitt, Freiheitsrechte, in: Schmitt (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 167. 214 Grabitz, Freiheitsrechte, S. 6, 13, 23, dazu schon oben B.III.1.d)bb), S. 149 f. 215 Häberle, Wesensgehalt, S. 95: „Nur wer die von den Grundrechten umschlossenen tatsächlichen Lebensverhältnisse, den Sozialbezug der Freiheit und den Wirklichkeitsbezug des Rechts im Auge hat – die Grundrechte sind Institute, indem sie in der sozialen Seinssphäre ‚eingerichtet‘ sind –, vermag den Grundrechten eine institutionelle Bedeutung beizulegen.“ 211

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Ausfluss der liberalen Grundrechtstheorie. Bereits früh hat Schlink in seiner Verteidigung der Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte darauf hingewiesen, dass die (auch dem liberal-rechtstaatlichen Grundrechtsverständnis zugrunde liegende) ausgrenzende, negative Sichtweise nur rechtstechnisch-konstruktivistische Gründe habe und zu einem Freiheitsbegriff nicht in Widerspruch stehe, der die soziale Bedingtheit der Freiheitsbetätigung in sich aufnehme. 216 Nur weil die liberal-rechtstaatliche Grundrechtstheorie ihr besonderes Augenmerk auf staatliche Freiheitshindernisse legt, kann und darf ihr nicht unterstellt werden, sie würde dem Freiheitsgegenstand keine Bedeutung zumessen. Nur darf man sich aus den Aussagen der liberalen Grundrechtstheorie über Freiheitshindernisse keine Aussagen über den Freiheitsgegenstand versprechen, wie das Grabitz offenbar erwartet. Nach Ladeur unterschätzt die Kritik der negativen Freiheit, die sich auf die liberale Grundrechtstheorie übertragen hat, deren institutionellen Beitrag zur gesellschaftlichen Selbstorganisation. 217 Er bezeichnet zu Recht die Vorstellung, dass die liberal verstandenen Freiheitsrechte nichts als Abwehrrechte gegenüber dem Staat darstellten und deshalb der Ergänzung durch „materielle“ substantielle Rechte auf Teilnahme am kollektiven Zusammenleben und seinen realen Grundlagen bedürften, als „lange gepflegt und nichts desto trotz unbegründet“. 218 Wenn es dem BVerfG in seinem Volkszählungsurteil gerade aus einem klassisch liberalen Grundrechtsverständnis heraus möglich war, mit dem Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ die realen Bedingungen der Grundrechtsausübung im gesellschaftlichen und mitmenschlichen Kontext zu berücksichtigen, 219 dann umfasst offenbar auch das liberale Grundrechtsverständnis die Menschen in ihrer „Sozialität“. 220 Mit der eben geschilderten Deutung hatte die Institutionelle Sichtweise jedoch den „Sozialbezug“ der Grundrechte zumindest teilweise für sich in Anspruch genommen bzw. der liberalen Sichtweise entzogen und damit den Anstoß für Versuche gegeben, dieses entstandene Vakuum wieder zu füllen. Häberle selbst setzt dabei auf die Grundrechte als im Allgemeininteresse verbürgte Garantien, die notwendigerweise auf die Aufgabe, den Sinn und Zweck der Grundrechte abstellen müsse. 221 Für die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte im status negativus ist ein Grundrechtsverständnis, das auf den Sinn und Zweck des Freiheitsgebrauchs abstellt, unvereinbar. Denn damit wird der Freiheitsgebrauch auf der Ebene des Grundrechtstatbestands unweigerlich einer Wertung unterzogen und die Gefahr hervorgerufen, bestimmte Grundrechtsinhalte aus dem Schutz216

Schlink, EuGRZ 1984, 457 ff. (467), vgl. dazu auch Poscher, Abwehrrechte, S. 64. Ladeur, Freiheitsrechte, S. 73. 218 Ladeur, Freiheitsrechte, S. 259. 219 Vgl. Schlink, EuGRZ 1984, 457 (467); Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 69. 220 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 69 in Bezug auf die Forderung von Suhr, EuGRZ 1984, 529 (534 ff.). 221 Dazu sogleich ausführlicher. 217

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bereich herausfallen zu lassen. Dementsprechend wurde das institutionelle oder auch das sozialstaatliche Grundrechtsverständnis aber wiederum nicht in der abwehrrechtlichen, sondern der leistungsrechtlichen Dimension herangezogen, wodurch das Abwehrrecht mangels Sozialbezug wiederum an Kontur einbüßte. Dieser schleichenden Entwicklung der letzten Jahrzehnte, unter der nicht zuletzt auch die Dogmatik der Wettbewerbsfreiheit gelitten hat, gilt es entgegenzutreten. bb) Institutionelle Grundrechtstheorie Die bereits angesprochene institutionelle Grundrechtstheorie wurde maßgeblich von Häberle 222 in seiner 1962 in der ersten Auflage erschienenen Dissertation geprägt. Nach Häberle erschöpft sich der Grundrechtsgehalt nicht in der abwehrenden individualrechtlichen Dimension der Grundrechte. Sie verbürgten auch die Gewährleistung freiheitlich geordneter und ausgestalteter Lebensverhältnisse, die sich nicht in die eindimensionale Relation Individuum – Staat zwingen ließen. 223 Die „Janusköpfigkeit“ der Grundrechte erkläre sich aus den jeweils eingenommenen Blickwinkeln: vom Grundrechtsberechtigten her gesehen erschienen sie als subjektiv-öffentliche Rechte, von den Lebensverhältnissen her gesehen aus als Institute. 224 Beider Freiheitsgarantien korrelierten so miteinander, die objektiv-institutionelle Seite sei daher weder Umbau, Folge oder Konnex der individualrechtlichen Freiheit, noch zu dieser in einer Alternative stehend. Vielmehr seien beide Ansätze in den Grundrechten angelegt und verstärkten sich gegenseitig. Die institutionelle, objektive Freiheit besteht nach Häberle gerade im Recht und gewinnt aus dem Recht ihre Gestalt; in ihren Normkomplexen gewinnt sie ihre Daseinsweise. 225 Sie beschränkt sich aber nicht in Normkomplexen, denn die Grundrechte als Institute seien in der „sozialen Seinssphäre eingerichtet“, 226 deren Sinn sich gerade daraus ergebe, dass sie auf das Ganze der Sozialordnung bezogen sind. 227 Der von der institutionellen Gewährleistung umfasste Lebensbereich konstituiert sich durch die individuelle Grundrechtsausübung aller Grundrechtsberechtigten, die sie täglich neu in Vollzug setzen. Erst die tagtägliche Regelwerdung mache die Grundrechte zum Institut. 228 Individuelle und objektive Seite sind somit ineinander verschränkt: die objektiven Ordnungen gewinnen erst durch die 222 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 3. Auflage 1983. Anknüpfend daran zunächst Suhr, Entfaltung des Menschen durch die Menschen, 1976; neuerdings Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, 1999. 223 Häberle, Wesensgehalt, S. 70 ff. 224 Häberle, Wesensgehalt, S. 71. 225 Häberle, Wesensgehalt, S. 94 f. 226 Häberle a. a. O. 227 Häberle, Wesensgehalt, S. 124. 228 Häberle, Wesensgehalt, S. 108.

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subjektiven Individualrechte an Leben, d. h. ohne die subjektive Seite der Grundrechte würde die objektiv-institutionelle Seite nicht existieren können. Daraus folgt auch, dass auch die tatsächliche Inanspruchnahme der Grundrechte bedacht werden muss, wenn die institutionelle Seite des Grundrechts gewährleistet sein soll. 229 Andererseits bedarf aber auch das Individualrecht eines institutionell gewährleisteten Lebensbereiches, in dem es sich entfalten kann. Erst in ihrer Wechselwirkung verwirkliche sich das Grundrecht als Ganzes und das soziale Leben werde gestärkt. 230 Diese Verschränkung geht in der Darstellung Böckenfördes zumindest teilweise unter, wenn er ausführt, Grundrechte hätten nach der Institutionellen Theorie den Charakter von objektiven Ordnungsprinzipien, die sich in normativen Ordnungen, d. h. Regelungskomplexen entfalten. 231 Während Häberle also davon ausgeht, dass die Grundrechte die Ordnungen in der Regel bereits vorfinden und diese lediglich gewährleisten müssen, beinhaltet das Grundrecht in der Darstellung Böckenfördes eine eigene Ordnungsidee, die dem Freiheitsgebrauch der Individuen entgegen gesetzt werden kann. Im Ergebnis gibt sie die Institutionelle Grundrechtstheorie aber zutreffend wieder. Denn das soziale Ganze wird nach Häberle durch das Wirken vieler geprägt, wobei er aber auf das Verhalten der Mehrheit abstellt. 232 Dieses Verhalten der Mehrheit hat damit wieder Rückwirkungen auf die individuelle Grundrechtsausübung, die durch die institutionelle Seite begrenzt wird. 233 Damit ist die Mehrheit also in der Lage, auf den Inhalt des Grundrechtsschutzes Einfluss zu nehmen, das in der Folge unter dem Vorbehalt der gesellschaftlichen Akzeptanz steht. Diese und vor allem die weiteren Folgerungen, die dem Gesetzgeber weite Zugriffsrechte einräumen, sofern er nur die institutionelle Seite des Grundrechts schützen will („Befreiung vom Eingriffs- und Schrankendenken“ 234), hat zu Recht herbe Kritik erfahren, da sie Eingriffe in Grundrechte in ausschließlich befreiende Akte umdefiniert und ihre begrenzende Wirkung negiert. 235 Zu einseitig ist damit die Feststellung Häberles, dass 229

Häberle, Wesensgehalt, S. 121. Insoweit verfolgt Häberle sogar eine weite Interpretation des notwendigen Inhalts der Abwehrrechte. Die institutionelle Dimension nimmt also keineswegs eine dominierende Position in der Konzeption Häberles ein, auch wenn diese in der Rezeption zumeist in den Vordergrund gerückt wird, was Häberle selbst im Vorwort der 2. Neuauflage bedauert, vgl. Häberle, Wesensgehalt, S. VI. 230 Häberle, Wesensgehalt, S. 103. 231 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1532). 232 Häberle, Wesensgehalt, S. 108. 233 Häberle, Wesensgehalt, S. 117 ff. 234 Häberle, Wesensgehalt, S. 220. 235 Die Häberle in der Sache beipflichtende Kritik von Suhr, JZ 1980, 166 ff. hat ihren (berechtigten) Kern dagegen in dem Unbehagen an der Asymmetrie zwischen Eingriffsabwehrrecht und Schutzpflicht, wenn der Staat durch Eingriffsregelungen Freiheitsräume Privater abgrenzt, vgl. dazu auch Canaris AcP 184 (1984), 201 ff. Ihr kann und muss im Rahmen der Abwägung angemessen Rechnung getragen werden, die dort auch den Stellenwert einer Freiheitsausübung berücksichtigen kann, die auf die Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter angewiesen ist. Aus dieser Einsicht darf jedoch nicht gefolgert werden, der Einzelne genieße wegen seines möglichen Unterliegens auf der Rechtfertigungsebene keinen Schutz vor staatlichen Eingriffen.

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die Verfassung durch Inhalts- und Maßgabebestimmungen zum Ausdruck bringe, Freiheit werde als Freiheit im Recht 236 geschützt – mit anderen Worten als Freiheit verstanden, von den (und nur den) rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die das Rechtssystem vorsieht.

Trotz der berechtigten Kritik an den Schlussfolgerungen Häberles kann ihm aber insoweit – aber auch nur hier – gefolgt werden, als er in seiner Bestandsanalyse die soziale Wirklichkeit in die Anwendung der Grundrechte miteinbezieht. Die Grundrechte schützen danach den Menschen in seinem Gemeinschaftsbezügen und seinen tatsächlichen Lebensverhältnissen. Diese Erkenntnis stellt, und auch das sei nochmals betont, keine Besonderheit oder gar Neuigkeit der Institutionellen Grundrechtstheorie dar. 237 cc) Werttheorie der Grundrechte Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG, angefangen mit der LüthEntscheidung, 238 hat die Wendung von den „Grundrechten als objektive Wertordnung“ Einzug in die Grundrechtstheorie gehalten. 239 Ihren Ausgang hat sie in der (Weimarer) Integrationslehre Smends, 240 der den Staat als beständigen Integrationsvorgang zu einem Wert-, Güter-, und Kultursystem begreift, deren maßgebliche konstituierende Faktoren die Grundrechte bilden, die grundlegende Gemeinschaftswerte festlegen. Mit der institutionellen Sichtweise hat sie gemeinsam, dass die Grundrechte (auch) 241 als objektive Normen verstanden werden. Ihren objektiven Gehalt erhalten sie als Ausfluss der Wertgrundlage des Gemein236

Häberle, Wesensgehalt, S. 225. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1530). 238 BVerfGE 7, 198 (205). 239 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1534) spricht schon 1974 von einer „facon de parler“ des BVerfG, das aber häufig nur die Funktion einer Scheinrationalität besitze; als „arcanum“ bezeichnet die Berufung auf die Wertordnung Goerlich, Wertordnung, S. 140 ff. 240 Grundlegend Smend in seiner Abhandlung „Verfassung und Verfassungsrecht“, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 4. Aufl., Berlin 2010, S. 119 ff.; einführend zur Integrationslehre Smends Bickenbach, JuS 2005, 588 ff. Unter der Geltung des Grundgesetzes klingen die Ausführungen Smends häufig relativierend, wenn er den Wert der Grundrechte der Weimarer Verfassung als Auslegungsregel und „Richtschnur“ betont, vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 265. Unter der Weimarer Verfassung musste indes schon jeder Ansatz Fortschritt gesehen werden, der die Grundrechte über ihren Rang als bloße Programmsätze heraushob. Unter dem Grundgesetz ist freilich die positive Geltung der Grundrechte angesichts der klaren Aussage des Art. 1 Abs. 3 GG unumstritten. Falsch wäre es jedoch, die Integrationslehre Smends per se mit der Relativierung der positiven Geltungskraft der Grundrechte gleichzusetzen, wie das bei Rensmann, Wertordnung, S. 302 anklingt. Vgl. auch zu der Gefahr der Ausgrenzung Andersdenkender, die mit dem Einsatz des Integrationsgedankens verbunden sein können, aus politikwissenschaftlicher Sicht van Ooyen, Politik und Verfassung, S. 124 ff. 237

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wesens und Ausdruck einer Wertentscheidung, die dieses Gemeinwesen für sich selbst trifft. 242 Böckenförde sieht auch in der Werttheorie den Versuch, auf den Freiheitsbegriff zuzugreifen. 243 Die von den Grundrechten geschützte Freiheit liege auch hier nicht dem Grundgesetz voraus, sondern sei in die Wertentscheidungen der Verfassung eingebunden. Sie ist damit nur Freiheit zur Realisierung der in den Grundrechten ausgedrückten Werte. Eingedämmt würden die Folgen freilich dadurch, dass die Werttheorie der Grundrechte durch das BVerfG nicht anstelle der liberal-rechtstaatlichen Sichtweise herangezogen wird, wie er es Häberle (unzutreffend) für das institutionelle Verständnis vorwirft, sondern nur ergänzende Funktion habe. Die Gefahren der Werttheorie in Form der Differenzierung zwischen wertverwirklichendem und wertgefährdendem Freiheitsgebrauch und der damit möglichen Ausgrenzung von Betätigungen aus dem Schutzbereich liegt aber auf der Hand. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass jeder Abwägungsvorgang, ob bewusst oder unbewusst, von der vermeintlichen Werthaltigkeit der betroffenen Grundrechte beeinflusst ist und sein muss. Der Sozialbezug der Grundrechte tritt hier insofern in Erscheinung, als das Gemeinwesen mit den jeweiligen Anschauungen Einfluss auf die Wertigkeit grundrechtlich geschützter Betätigungen erhält. 244 Insoweit kommt also der begrenzende Einfluss des Sozialbezugs zum Tragen. Der Inhalt der Werttheorie wäre damit aber nur unzutreffend umschrieben. Denn gerade in der Rechtsprechung des BVerfG dient die Bezugnahme auf den objektiven Wert der Grundrechte auch der Erweiterung der Freiheitsräume der Bürger, sei es im Wege der Ausstrahlungswirkung 245 auf die im Lichte der Werteordnung der Grundrechte auszulegenden Schrankengesetze, im Wege der Postulierung von Schutzpflichten 246 als Schutz gegen zur Fremdbestimmung führenden Übergriffen Privater 247 oder der aus der Wertordnung abgeleiteten Notwendigkeit der entsprechenden Gestaltung von Verwaltungsverfahren oder -organisation. 248

241 Häberle betont diese Doppelfunktion an vielen Stellen, vgl. etwa sein Vorwort zur dritten Auflage seiner Dissertation. 242 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1533). 243 Ders., NJW 1974, 1529 (1534). 244 Vgl. auch Grabitz, Freiheitsrechte, S. 216, der darin ein Abrücken von dem negativen Freiheitsbegriff sieht. 245 BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth. 246 BVerfGE 39, 1 (41) – Schwangerschaftsabbruch. 247 BVerfGE 89, 214 (231) – Angehörigenbürgschaft. 248 BVerfGE 35, 79 (114) – Hochschulurteil.

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dd) (Demokratisch-)Funktionale Grundrechtstheorie Ausgangspunkt des demokratisch-funktionalen Ansatzes ist das Verständnis der Grundrechte aus ihrer politischen Einbettung und Funktion für das Gemeinwesen. 249 Dies betrifft zwar in erster Linie die demokratiebezogenen Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit und das Versammlungsrecht, lässt sich jedoch auch auf alle anderen Grundrechte übertragen. Grundrechte sind demnach nicht Ausdruck einer staatsfernen oder gar staatsfreien Gesellschaft, sondern im Interesse der Gewährleistung und Fortführung derjenigen politischen (Willensbildung-) Prozesse garantiert, die für den Bestand der Demokratie notwendig ist. Gerade in ihrer konstitutiven Wirkung für die Demokratie liegt die eigentliche Legitimation der Grundrechte, die zwar als subjektive Individualrechte konstruiert sind, aber jedenfalls nicht nur im subjektiven Interesse bestehen. Sie grenzen den Staat nicht aus, sondern begründen umgekehrt Teilnahmerechte der Bürger am politischen Prozess. 250 In der demokratisch-funktionalen Grundrechtstheorie tritt ein Element besonders stark hervor, das bereits bei der Institutionellen- und der Werttheorie zu beobachten ist. Die Freiheit wird nicht mehr als Wert an sich betrachtet, sondern in den „Dienst der Sache“ gestellt, sie ist Freiheit als Mittel zu einem Zweck, der außerhalb der Grundrechte begründet ist. Auch wenn bei der Institutionellen- und Werttheorie der Inhalt des Schutzgutes nicht mehr ohne weiteres zu bestimmen ist, weil er erst durch Objektivierung zu gewinnen und damit den wechselnden Anschauungen unterworfen ist, blieb die individuelle Freiheit doch weiterhin Subjekt und Essenz des Freiheitsbegriffs. In der demokratisch-funktionellen Grundrechtstheorie erstarkt dagegen der politische Prozess selbst zum Inhalt der Freiheit. 251 Die Konsequenzen einer daraus abstrahierten funktionalen Anschauung der Grundrechte sind weit reichend, da sie sich nicht auf demokratiebezogene Grundrechte beschränken müssen. Denn jedes Grundrecht kann auf seine funktionale Stellung im Grundrechtsgefüge untersucht werden, aus der einschränkende oder erweiternde Folgerungen für den Inhalt des Schutzgutes gezogen werden. Eine derartige Argumentationsstruktur verbirgt sich beispielsweise hinter der an den Menschenwürdegehalt anknüpfenden Feststellung, Grundrechte schützten die Selbstbestimmung des Individuums und damit vor Fremdbestimmung 252 durch den Staat oder Dritte. Mit der Einführung des Begriffspaars des Schutzes vor Fremdbestimmung bzw. der Bewahrung der Selbstbestimmung in die Schutzbereichsprüfung lässt sich die Subsumtion zugunsten einer nunmehr rein funktionalen Betrachtung ausblenden, die in dem Grundrecht nicht von vornherein 249 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1534), der zu Recht darauf hinweist, dass diese Lehre ebenfalls auf der Integrationslehre Smends aufbaut, vgl. Fn. 240, oben S. 170. 250 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1535). 251 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1535). 252 Dazu noch unten B.IV.3.a), S. 200 ff.

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angelegt ist und die unabhängig von der konkreten Gewährleistung des speziellen Grundrechts ist. Geschützt wird nicht mehr der Lebensbereich unabhängig von seiner Bedeutung für die Verwirklichung der Persönlichkeit, sondern nur diejenige Freiheit, die um der (materiell verstandenen) Selbstbestimmung wegen nötig ist. Von diesem Ansatz aus fällt es leicht, das Gebrauchmachen von einer grundrechtlichen Freiheit unter Rückgriff auf die Persönlichkeitskerntheorie mangels Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung aus dem Schutzbereich auszunehmen. Die Berücksichtigung der Funktion des Grundrechts muss aber nicht zwangsläufig in einer Beschränkung des Schutzgehalts münden. Das wäre nur dann der Fall, wenn ausschließlich die Funktion des Grundrechts bzw. die grundrechtskonforme Wirkung eines Handelns zum Gegenstand des Grundrechtschutzes gemacht wird. Bleibt dagegen weiter die Freiheit (im negativen, natürlichen Sinne) des Grundrechtsträgers Objekt des Grundrechtsschutzes, wird die Betrachtung der auch grundrechtlich gewollten Funktion eines Freiheitsgebrauchs nicht zu einer Einschränkung des Freiheitsschutzes führen, sondern nur Rückschlüsse darauf geben, ob der soziale Bezug durch das Freiheitsverständnis vollständig erfasst ist oder einer Ergänzung bedarf. Inhalt und Tragweite des Grundrechts bestimmen sich dann nicht nach der Wirkung, nehmen aber dennoch Rücksicht auf die Folgewirkungen, die vom Grundrechtsberechtigten intendiert war und präzisieren damit den Grundrechtsschutz. ee) Sozialstaatliche Grundrechtstheorie Ausgangspunkt der sozialstaatlichen Grundrechtstheorie ist die Einsicht, dass die Freiheitsgewährleistung durch Ausgrenzung des Staates, wie sie nach herrschendem Verständnis der liberal-rechtstaatlichen Sicht zugrunde liegt, sich als nicht hinreichend erweist, um den Gebrauch der Grundrechte nicht nur potentiell, sondern auch tatsächlich zu sichern. Denn eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Menschen verfügt schlicht nicht über die sozialen Voraussetzungen, die für die Realisierung der grundrechtlichen Freiheit erforderlich wären, so dass die Grundrechte für diesen Personenkreis zur leeren Form zu werden drohen. 253 Rechtliche Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Verboten und in diesem Zusammenhang als „reale“ Freiheit bezeichnete Freiheit fallen damit auseinander, so dass sich die Frage stellt, ob und inwieweit die Realisierbarkeit der Freiheit von den grundrechtlichen Gewährleistungen mit umfasst oder gar in dem Begriff der Freiheit enthalten ist. Geht man davon aus, dass die Grundrechte auch die Realisierbarkeit der Freiheit schützen, so wird dieser Freiheitsbegriff jedenfalls nicht den Freiheitsrechten in ihrer Funktion als Abwehrrechte zugrunde gelegt. Denn das hätte zur Folge, dass alle sozialen Hindernisse der Ausübung 253

(135).

Vgl. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1535); Häberle, VVDStRL 30 (1972), 69

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der Freiheitsrechte als Eingriff (durch Unterlassen?) problematisiert und auf die staatliche Zurechenbarkeit geprüft werden müssten – eine Entwicklung, mit der die abwehrrechtliche Dogmatik überfordert wäre. Dementsprechend wird die sozialstaatliche Theorie auch nur insoweit herangezogen, als aus den Grundrechten Leistungsansprüche abgeleitet werden sollen, sei es im Wege der Gewinnung eines rein objektiven Verfassungsauftrages oder eines subjektiven Individualanspruches. Dazu tritt die Möglichkeit der Eingriffsrechtfertigung, 254 wie sie in der Schutzpflichtenlehre zum Ausdruck kommt und vom BVerfG in der Handelsvertreter- und vor allem in seiner Bürgschaftsentscheidung auch herangezogen wurde. 255 ff) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In den Grundrechtstheorien werden zwei Fragestellungen behandelt, die für einen für kontextuale Zusammenhänge offenen Freiheitsbegriff von Bedeutung sind. Einerseits wird versucht, gewisse Handlungen aus dem Freiheitsbegriff auszugrenzen, indem der Freiheitsbegriff mit einem gewissen Zweck bzw. materiellen Wert verbunden wird (positiver Freiheitsbegriff). Die Zweckbindung hat ihren Eingang in der institutionellen, der wert- und der demokratisch-funktionalen Theorie gefunden. Zum anderen wird die gesellschaftliche Einbindung der Freiheitsausübung thematisiert, aus der jedoch ganz unterschiedliche Folgerungen gezogen werden. Vor allem die institutionelle und die sozialstaatliche Grundrechtstheorie haben sich zur Aufgabe gemacht, das soziale Umfeld der Grundrechte und ihrer Ausübung zu durchleuchten und bei der Auslegung zu berücksichtigen. Die umfassende Durchwirkung des Rechts durch die Grundrechte darf die realen Lebensverhältnisse und die soziale Einbindung der Grundrechtsausübung nicht unberücksichtigt lassen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf der partiellen Blindheit aussetzen lassen möchte – was aber auch der liberalrechtstaatlichen Grundrechtstheorie nicht zum Vorwurf zu machen ist, die sich mitnichten nur rein negativ als Freiheit von staatlichem Zwang definiert. 256 Die Bedeutung des Sozialgefüges für die Grundrechtsausübung ist dabei bislang jedoch nicht immer in richtiger Weise beachtet worden. Die institutionelle Theorie will den sozialen Lebensbereich schützen, benutzt diesen Ansatz aber im Ergebnis nur dazu, individuelle Freiheiten unter Rückgriff auf den objektiven, aus der allgemeinen Ausübung der Grundrechte gewonnenen Grundrechtsgehalt einzuschränken. Sobald eine Freiheit zu „sozialen Kontakten“ führe, werde sie dem Recht und damit der Normierung des einfachen Gesetzgebers zugänglich, 254

Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1538). BVerfGE 81, 242 (255) – Handelsvertreter; BVerfGE 89, 214 (232) – Bürgschaftsvertrag. 256 Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit, S. 25. 255

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je intensiver der Sozialbezug, desto größer sei die Ausgestaltungs- und Begrenzungsmacht des Gesetzgebers. 257 Diese Sichtweise erinnert an die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG, die hier in verallgemeinerter Form auf alle Grundrechte übertragen wird. Der Gedanke, der Freiheitsbegriff könne durch die soziale Einbindung der Grundrechte auch vergrößert werden, klingt zwar auch bei Häberle an, wenn er anführt, individuelle und institutionelle Freiheit stärkten das Grundrecht insgesamt, entspricht aber (leider) nicht seinen weiteren Deduktionen. Auch die sozialstaatliche Sichtweise thematisiert das Umfeld der Grundrechtsausübung. 258 Aber auch sie bleibt letztlich zu einseitig: sie sieht zwar die Probleme der faktischen Nichtrealisierbarkeit der Grundrechte, setzt aber zur Lösung in erster Linie bei der (materiellen) Förderung des Einzelnen an und wird aus diesem Grund zumeist auch nur im Rahmen der Leistungsdimension der Grundrechte herangezogen. Die Einflüsse des sozialen Umfelds auf die Grundrechtsausübung und damit auch die Möglichkeit der staatlichen Beeinflussung dieses Umfelds wird dagegen nur unvollkommen zur Kenntnis genommen und nur insoweit problematisiert, als die individuelle Freiheit durch die Einbettung in der Gesellschaft bedroht ist. 259 Wenn und soweit der Staat aber verpflichtet ist, sich schützend vor den Einzelnen zu stellen, muss das erst recht gelten, wenn der Staat selbst freiheitsverkürzend auf die sozialen Bedingungen zugreift, auch wenn diese Erkenntnis nicht bei der Frage des Inhalts der sozialen Grundrechtstheorie, sondern herkömmlicherweise bei den mittelbar-faktischen Eingriffen in Grundrechte thematisiert wird. Schließlich darf die Betrachtung auch nicht mit „Vollendung“ der grundrechtlichen Betätigung enden. Aus dem Strafrecht ist die Unterscheidung zwischen der Vollendung im Sinne der Erfüllung des Tatbestandes (bzw. der Vollendung des Versuchs im Sinne des Vollendens der als nötig betrachteten Ausführungshandlungen) und der materiellen Beendigung einer Straftat geläufig. Wie im Strafrecht endet die grundrechtliche Relevanz einer bestimmten Betätigung nicht mit deren Vollendung, sondern erst der „Beendigung“ der Grundrechtsausübung, also mit dem Eintritt etwaiger vom Grundrechtsträger mit der Tat verknüpften Absichten. Parallel zu den Grundrechtsausübungsvoraussetzungen müssen also 257

Häberle, Wesensgehalt, S. 183; ähnlich Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 47, der auf den weiten Gestaltungsspielraum verweist, der dem Gesetzgeber zukomme, wenn der Einzelne auf Begegnung und Austausch angewiesen sei. 258 Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1538) sieht ihre Vorzüge vor allem in der Kombinierbarkeit mit der liberal-rechtstaatlichen Sichtweise, die auf diese Weise sozial eingebunden werden könne. 259 Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit, S. 52 unterscheidet zutreffend zwischen individueller „Subventionierung“ der Freiheit des Einzelnen von der Intervention in soziale Systeme als der zwei grundsätzlichen Methoden sozial-realer Freiheitssicherung.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

auch die Grundrechtswirkungsvoraussetzungen 260 bedacht werden, wenn und soweit eine bestimmte von dem Grundrechtsberechtigten intendierte Wirkung untrennbar mit der Funktion des Grundrechts verbunden ist. Darin liegt schließlich die zutreffende Erkenntnis, die der demokratisch-funktionalen Grundrechtstheorie für den hier zu untersuchenden Zusammenhang entnommen werden kann. b) Menschenwürde und -bild des Grundgesetzes als Auslegungsdirektive Der Rechtsbegriff der Menschenwürde gehört zu den schillernden Begrifflichkeiten der Rechtswissenschaften, der seit jeher die Auslegung vor schier unüberwindliche Schwierigkeiten stellt. 261 Es hat zahlreiche Versuche gegeben, den Begriff der Menschenwürde jenseits der „Objekt-Formel“ zu präzisieren und ihr einen greifbaren Inhalt zu verleihen. Zentrale Bedeutung hat dabei die Anknüpfung an die grundrechtlich gewährleistete Freiheit und das Menschenbild des Grundgesetzes. In einem nächsten Schritt soll daher untersucht werden, welche Rückschlüsse aus der Garantie der Menschenwürde für die Auslegung der Grundrechte und damit dem zugrunde liegenden Freiheitsgegenstand gezogen werden können. aa) Menschenwürde und Freiheit Menschenwürde und Grundrechte sind eng und wechselseitig miteinander verwoben. Die Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG überstrahlt die ihr folgenden Freiheitsgarantien; sie dirigiert die Anwendung und Auslegung der verfassungsrechtlichen Freiheits- und Gleichheitsgarantien. 262 Diese instrumentale Funktion der Menschenwürde ist Ausfluss ihrer objektiv-rechtlichen Dimension, innerhalb der sie Leitlinien der Grundrechtsinterpretation an die Hand gibt. Die Freiheitsrechte dienen wiederum ihrer Erreichung und unterstehen damit der Intendanz der Menschenwürde. 263 Ihre wechselseitige Verbundenheit resultiert nicht zuletzt aus dem Umstand, dass Dürig 264 in seiner klassischen positiven 260 Mit diesen soll hier nicht wie bei Kirchhof, in: HbdGR, § 21, Rn. 7 f. die Wirkkraft der Grundrechte als Normkomplex, sondern die Wirkkraft der grundrechtlich geschützten Handlung bezeichnet werden, die auch vor ihrer Sinnentleerung durch Zugriff auf die zugrunde liegenden Motivation des Grundrechtsträgers geschützt werden soll. Die Aufnahme der hinter Grundrechtsbetätigung liegenden Absicht in den Schutzgegenstand der Grundrechte korrespondiert auf Eingriffsebene mit der Beobachtung Roths, der Eingriffstatbestand realisiere sich in der Regel durch Zugriff auf die Willensentschließungsfreiheit, vgl. dazu unten C.IV.2.b)ee)(2), S. 254 f. 261 Ausführlich dazu Enders, Menschenwürde, S. 5 ff. 262 BVerfGE 5, 85, 204 (KPD-Verbot): „Um seiner Würde willen muss ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert werden.“ 263 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 71.

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Definition der Menschenwürde die Fähigkeit des Menschen zur Selbstbestimmung und Gestaltung seiner Umwelt herausstrich und damit den allgemeinen Bezug der Würde zur Freiheit zum Ausdruck brachte. Ähnlich beschreibt auch Gröschner 265 die Menschenwürde als „Entwurfsvermögen“ bzw. „Fähigkeit zum Entwurf einer Lebensform“. Würde und Freiheit des Menschen müssen daher als Korrespondenzphänomene begriffen werden. 266 Allerdings bringt die gegenständliche Unterscheidung der Würde als statisches, inneres Wesen des Menschen von ihren äußeren, dynamischen Synonymen wie Freiheit oder Identität in dem Bemühen, den Rechtsbegriff der Menschenwürde positiv zu bestimmen, kaum einen Fortschritt. 267 Aus der Wechselbeziehung zwischen Würde und Freiheit des Menschen lassen sich nur dann Folgerungen für den Freiheitsgegenstand ziehen, wenn es gelingt, den Würdebegriff präziser zu fassen. In Rechtsprechung und Lehre hat sich daher ein weiterer Umstand positiver Begriffsbildung durchgesetzt, die sich dem Begriff von seiner vorrechtlichen Bedeutung her zu nähern versucht. Versteht man Würde als allgemeines Kennzeichen dessen, was dem Menschen in seinem Wesen ausmacht, stößt man in der Untersuchung des menschlichen Wesens auf das zugrunde liegende Menschenbild, das Aufschluss über dessen „Grunddaten“ gibt. 268 Die Einbeziehung des Menschenbildes entspricht zudem der an die Verfassungsauslegung herangetragenen Erwartung, in besonderem Maße für außerrechtliche Einflüsse offen zu sein, um die Ziele der Grundrechte situations- und zeitangemessen zur Geltung zu bringen. Denn das Menschenbild ist einerseits offen genug, um die notwendige Anpassungen mit zu tragen, 269 wirkt aber wegen der unveränderten Grundbefindlichkeiten des Menschen als Fixpunkt, der im Zentrum der Grundrechtsauslegung steht. 270 bb) Menschenwürde und Menschenbild Schon früh hat das BVerfG 271 eine Aussage zu dem grundgesetzlichen Menschenbild getroffen, die es immer wieder und in wechselnden Bezügen aufgegriffen hat: 264

Dürig, AöR 81 (1956), 117 (125). Gröschner / Wiehart-Howaldt, Menschenwürde, S. 32 ff. 266 Schmitt Glaeser, in: HStR VI, § 129, Rn. 23. 267 Enders, Menschenwürde, S. 16. 268 Enders, Menschenwürde, S. 17 mit weiteren Nachweisen. 269 Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 57. 270 Sachs, in: Sachs, GG, vor Art. 1, Rn. 61. 271 BVerfGE 4, 7 (16) – Investitionshilfe. Im der Folgezeit kehren diese Aussagen wieder in BVerfGE 8, 247 (329); 27, 1 (7); 27, 344 (351); 33, 303 (334); 45, 187 (227); 50, 290 (353); 56, 37 (49); 65, 1 (44). 265

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

„Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtsicht der Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG.“

Auch diese Formulierung geht auf frühe Definitionsversuche Dürigs zurück. 272 In der Folgezeit war und ist in der Lehre die Figur des grundgesetzlichen Menschenbildes in der Interpretation der Menschenwürde häufig anzutreffen. 273 Art. 1 Abs. 1 GG wird auf diese Weise zum Einfallstor für die (Rechts-)Anthropologie. 274 Das Grundgesetz schlägt damit einen Mittelweg ein, den Dürig als „mittlere Linie des Personalismus“ bezeichnete 275 und der sich historisch aus einer Reaktion gegen einen totalitären Kollektivismus erklärt, der den Menschen dadurch zu einem bloßen Objekt herabwürdigt. Aus seiner historischen Entstehung heraus ist es verständlich, dass sich die Abwehrhaltung des Grundgesetzes primär gegen Gefährdungen richtet, die sich aus einem wiederholten Verfall in den Kollektivismus ergeben würden. Über dieses besondere Augenmerk darf aber nicht übersehen werden, dass der vom Grundgesetz vorausgesetzte Mensch auch nicht dem Extrem entspricht, das in der liberalistischen Sichtweise des 19. Jahrhunderts prägend war – das Individuum als autarkes Wesen, das sich gegen Beeinflussungen von außen zu wehren versucht. Das BVerfG zog das Bild des gemeinschaftsgebundenen Individuums allerdings in seiner Investitionshilfeentscheidung (und in den meisten folgenden Entscheidungen) nur heran, um auf die Grenzen hinzuweisen, die sich aus eben diesem Gemeinschaftsbezug ergeben, wenn der Gesetzgeber Regelungen zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens trifft. Dies wird vollkommen zu Recht als „Geburtsfehler“ 276 der Kategorie des grundrechtlichen „Menschenbildes“ kritisiert, der in einer Mutation des Faktischen ins Normative das Menschenbild nicht mehr als Grund der Gewährleistung, sondern nur noch als Pflichtensphäre begreife. 277 Zu weit führte es dagegen, die Argumentationsfigur wegen dieses „Geburtsfehlers“ zur Gänze als untauglich abzutun. Denn sie kann und muss auch zur Erweiterung bzw. Intensivierung des Freiheits- und Schutzbereichs herangezogen werden. 278 Lerche spricht in kritischer Abgrenzung zum BVerfG von „einem Menschenbild, das von dem Selbstverständnis eines in der 272

Dürig, AöR 81 (1956), 117 (117, 125); ebenso Wintrich, Grundrechte, S. 5. Vgl. die Nachweise bei Enders, Menschenwürde, S. 17. 274 Enders, Menschenwürde, S. 17; Suhr, Entfaltung, S. 75. 275 Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 (1958), Rn. 46. 276 Häberle, Menschenbild, S. 48. 277 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 113. 278 Häberle, Menschenbild, S. 48 in einer wohl selten zitierten Passage, die noch ohne die späteren Einschränkungen auskommt. 273

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persönlichen Entfaltung freien und selbstbestimmten Individuums ausgeht, das sich als Persönlichkeit erst in der sozialen Umwelt und ihr gegenüber verwirklicht.“ 279 Auch das BVerfG ist in seiner Bezugnahme auf das Menschenbild des Grundgesetzes nicht bei der begrenzenden Wirkung der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums stehen geblieben. Im Lebach-Urteil führt es aus: „Das Menschenbild des Grundgesetzes und die ihm entsprechende Gestaltung der staatlichen Gemeinschaft verlangen ebensowohl die Anerkennung der Eigenständigkeit der individuellen Persönlichkeit wie die Sicherung eines freiheitlichen Lebensklimas, das in der Gegenwart ohne freie Kommunikation nicht denkbar ist.“ 280

Reichweite und Gewicht des Schutzes des Persönlichkeitsrechts des verurteilten Straftäters werden damit unter Rückgriff auf das Menschenbild des Grundgesetzes extensiv bestimmt. Konstitutiv für das Menschenbild des Grundgesetzes muss dabei aber nicht das historische Verständnis der „Verfassungsväter“ sein. Auch die heutigen Erkenntnisse über den Menschen und seine Gefährdungen 281 sollen in das Menschenbild einfließen, das damit dynamischen Charakter gewinnt und die Anpassung der Grundrechte an neue Gefährdungslagen mit begleiten kann. 282 Auch insoweit betont das BVerfG die Wechselwirkung zwischen der Menschenwürde und den Einzelgrundrechten. 283 Es sei hier ebenfalls nicht in Abrede gestellt, dass das BVerfG seine Menschenbild-Judikatur zum Großteil im Rahmen seiner „Wertordnungstheorie“ und damit im Bereich der objektiven Grundrechtsgehalte entwickelt hat. 284 Das steht jedoch einer Heranziehung im Bereich der subjektiven Grundrechtsgehalte nicht entgegen, wie das Lebach-Urteil zeigt. Hingewiesen worden ist auch auf die Gefahr, die mit dem Einbezug eines vor-rechtlichen, anthropologisch unterfangenen Menschenbildes in die Grundrechtsinterpretation ohne Zweifel besteht. Wenn der Rahmen des kulturgeschichtlich Selbstverständlichen verlassen wird, tritt an dessen Stelle schnell die freiheitsfeindliche Ideologie. 285 Solchen Entwicklungen ist das BVerfG jedoch schon früh entgegengetreten. 286 Das Grundgesetz kennt schließlich auch keinen allumfassenden Totalentwurf des Menschen, son279

Lerche, Werbung, S. 141. BVerfGE 35, 202 (225). 281 Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 57. 282 Man denke hier nur an die Entwicklung der Biotechnologie, vgl. hierzu Hofmann, JZ 1986, 253. 283 Vgl. BVerfGE 30, 173 (195). 284 Dazu oben B.III.3.a)cc), S. 170 f. 285 Enders, Menschenwürde, S. 19; Häberle, Menschenbild, S. 63; Hollerbach, in: Maihofer (Hrsg.), Ideologie und Recht, Ideologie, S. 42 ff. 286 Vgl. BVerfGE 22, 380 (219): Es sei nicht Aufgabe des Staates, den Menschen zu „bessern“. 280

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

dern steuert lediglich Teilaspekte eines ansonsten offenen Menschenbildes bei, also eines Menschen, der sich „sein Bild“ im Übrigen selbst machen muss. 287 Ein rein „individualistisches Bild“ ist es jedenfalls nicht. 4. Die Gemeinschaftsbezogenheit der Individuen und ihre Ausprägung in anderen Grundrechten Bisher wurde versucht, gelöst von bestimmten Einzelgrundrechten in abstrahierender Weise aufzuzeigen, dass der Freiheitsgegenstand der Grundrechte auch die interindividuelle bzw. interaktive Dimension der Grundrechtsausübung zu berücksichtigen hat, um deren Gehalt voll zu erfassen. Die bereits stattfindende Berücksichtigung des sozialen Bezugs im Schutzbereich von Grundrechten soll im Folgenden an Einzelgrundrechten illustriert werden. Die Erörterung dieser Grundrechte kann natürlich nicht die (noch folgende) Betrachtung des Art. 12 Abs. 1 GG ersetzen – was etwa für die Religionsfreiheit zutreffend sein mag, muss nicht auf die Wettbewerbsfreiheit übertragbar sein. Aufgabe dieses Abschnittes soll es nur sein, die Existenz eines interaktiven Freiheitsgegenstandes unter Einbezug des jeweiligen sozialen Ordnungsgefüges bzw. Wirkungskontextes in anderen Grundrechten nachzuweisen und damit deutlich zu machen, dass eine vergleichbare Auslegung im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit keineswegs grundrechtliches Neuland darstellt. Gleichzeitig kann eine Analyse Aufschlüsse darüber geben, wie die Umsetzung in der Praxis aussehen kann. a) Religionsfreiheit, Art. 4 GG Die in Art. 4 Abs. 1 GG verbürgte Freiheit, eine bestimmte religiöse Überzeugung zu besitzen oder nicht zu besitzen, ist eine innere Entscheidung des Individuums, die keine weitere soziale Einbindung fordert. Dieser Teilaspekt der Religionsfreiheit kann ausgeübt werden, ohne dass ein sozialer Kontext erforderlich ist, in der die Freiheit bestimmungsgemäß wirken muss. Im Gegensatz zur Freiheit der Überzeugung steht die kollektive Ausübung der Religionsfreiheit. Wenn nach den Vorstellungen der Glaubenden gemeinsame Riten durchgeführt werden sollen, dann ist die Sinnhaftigkeit der eigenen Handlungen auch davon abhängig, dass sie von anderen geteilt und kollektiv ausgeübt wird. Hindert die öffentliche Gewalt Dritte an der Durchführung der Riten, dann beeinträchtigt sie damit zugleich die Ausübung der Religionsfreiheit desjenigen, der nicht an der Teilnahme gehindert wurde, aber seinerseits auf die gemeinschaftliche Ausübung angewiesen ist. 287

Häberle, Menschenbild, S. 63 bezeichnet dies als „Pluralität der Menschenbildelemente“, die dem Menschen Orientierung geben können, aber sein Bild auch nur begrenzt einfangen können (und auch sollen!).

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Die Problematik der kollektiven Religionsausübung lässt sich konstruktiv zunächst umgehen, indem die Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG nur im anfangs genannten Sinn als reine Freiheit des Denkens interpretiert wird. 288 In Form der Freiheit der (kollektiven) Religionsausübung gem. Art. 4 Abs. 2 GG wird die Frage aber wieder aktuell. In der Sache ist es aber unumstritten, dass die freie Ausübung der Religion nicht nur in „robinsonartiger Einsamkeit“ 289 garantiert wird, sondern gerade deren kollektive Ausübung umfasst. Die kollektive Ausübung steht allerdings nicht im Gegensatz oder neben dem Individualschutz, der von den Grundrechten ausgeht – es handelt sich immerhin und um eine Grundrechtsgarantie, die also auch im Interesse jedes Einzelnen besteht. 290 Andernfalls würden sich unweigerlich Schutzlücken ergeben, da die Religionsfreiheit auch ohne vereins- und verbandsmäßige Organisation „faktisch“ kollektiv ausgeübt werden kann, deren Schutz auch der Verweis auf Art. 19 Abs. 3 GG bzw. der korporativen Glaubensfreiheit der Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 2 S. 2 WRW nicht zu garantieren vermag. 291 Die kollektive Religionsfreiheit erschöpft sich daher nicht nur darin, eine Personenmehrheit als Grundrechts- bzw. Freiheitsträger zu akzeptieren. 292 Sie bedeutet für den Einzelnen nichts anderes, als individuelle Freiheit mittels kollektiver Riten auszuüben, die damit einen Teil des Freiheitsgegenstandes der individuellen Religionsfreiheit ausmacht. Der Gefahr bzw. den Bedenken eines überbordenden, grenzenlosen Freiheitsschutzes lässt sich mit dem Argument begegnen, dass der Freiheitsgegenstand nicht durch den Ausschluss eines jeden ausübungsbereiten Dritten berührt wird. Zweifelhaft sollte aber nicht sein, dass der Zugriff auf zentrale Figuren der kollektiven Religionsausübung wie etwa den Pfarrer oder Imam während einer religiösen Feierlichkeit auch die Freiheit der Gläubigen betrifft. 293

288 So Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 4, Rn. 77; das BVerfG entnimmt sie bereits Art. 4 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 24, 236 (245); 32, 98 (106 f.); 41, 29 (49); 91, 1(33). 289 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 4, Rn. 118. 290 Darauf weist auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 4, Rn. 93 hin, der die kollektive Ausübung allerdings zwischen der Grundrechtsausübung des Individuums und der eigenständigen Wahrung der Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgesellschaften einordnet. 291 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 4, Rn. 93. 292 Vgl. dazu Mückl, in: Dolzer / Vogel, GG, Art. 4, Rn. 62. 293 Ähnlich die Konstellation in BVerfGK 9, 371 ff. (2 BvR 1908/03). Eine religiöse Vereinigung wendete sich gegen die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung des Religionsstifters (Mun-Sekte). In dieser Gestaltung kombinieren sich kollektive Grundrechtsträgerschaft (Vereinigung als Beschwerdeführerin) und kollektiver Freiheitsgegenstand (Einbeziehung des Kontakts zu Dritten in die Religionsausübung des Vereins). Das BVerfG stellte in seiner Entscheidung fest, dass das an den Religionsstifter gerichtete Einreiseverbot die Religionsfreiheit der religiösen Vereinigung verletze. Das OVG hatte dem noch

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

b) Kommunikationsgrundrechte aa) Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG Auch die Meinungsfreiheit schützt schon nach dem Wortlaut der grundrechtlichen Garantie nicht nur die Äußerung einer Meinung, sondern auch deren Verbreitung. Nach dem BVerfG ist daher auch die Möglichkeit geschützt, auf andere geistig wirken zu können. 294 Darin soll der Sinn des Tatbestandsmerkmals der Verbreitung liegen, das in früheren Verfassungen noch nicht in der Textfassung enthalten war. 295 Das BVerfG stellt dabei ausdrücklich auf den sozialen Sinn der Äußerung ab: 296 „In der Kundgabe persönlicher Auffassungen oder Mitteilungen erschöpft sich der Sinn von Äußerungen indes nicht. Sie richten sich vielmehr an andere und sind in der Regel dazu bestimmt, meinungsbildend oder handlungsmotivierend auf sie einzuwirken. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt daher Äußerungen nicht nur in ihrer Verbreitungsdimension, sondern auch in ihrer Wirkungsdimension.“

Deren Wirkung beschränke sich nicht in Aufnahme und Verarbeitung durch Dritte, sondern soll bestimmungsgemäß auch weitere Diskussion auslösen. Deswegen seien auch die Voraussetzungen für die Herstellung und Aufrechterhaltung des Kommunikationsprozesses Gegenstand des grundrechtlichen Schutzes, in den jede Äußerung eingebettet sei. 297 Der Verfassungsgeber habe das bei der Schaffung von Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt und durch eine umfassende Gewährleistung der Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit versucht, den gesamten Prozess der Meinungskundgabe zu schützen. 298 Die Meinungsäußerung sei demnach ein weit zu verstehender Tatbestand kommunikativer Entfaltung. 299 Die Meinungsfreiheit stellt damit einen Paradefall der Berücksichtigung des sozialen Kontextes der Ausübung einer grundrechtlichen Freiheit dar, um Sinn und Zweck des grundrechtlich geschützten Verhaltens zu erfassen. Es würde zu kurz greifen, wollte man die Berücksichtigung nur damit erklären, dass hier ein Kommunikationsgrundrecht betroffen ist. Denn nicht nur Kommunikationsgrundrechte haben Gemeinschaftsbezug, auch wenn dieser in Art. 5 Abs. 1 GG einen besonders umfassenden Schutz gefunden hat. entgegen gehalten, die Religionsausübung der Vereinigung sei auch ohne persönlichen Kontakt möglich, ohne aber dessen Grundrechtsrelevanz gänzlich abzusprechen. 294 BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (7); 93, 266 (293); 97, 391 (398 f). 295 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5, Rn. 69 m.w. N. 296 BVerfGE 50, 292 (353). 297 BVerfGE a. a. O. mit Hinweis auf BVerfGE 57, 295 (319). 298 BVerfGE 57, 295 (319). 299 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5, Rn. 69.

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bb) Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG Ganz deutlich wird das auch bei der Versammlungsfreiheit, die die gemeinsame Meinungskundgabe schon dem Wortlaut nach zum Schutzobjekt hat. 300 Das steht nicht im Widerspruch zur gleichzeitigen Verneinung einer „kollektiven Versammlungsfreiheit“, 301 weil damit nur die Möglichkeit einer kollektiven Grundrechtsträgerschaft verneint wird: Grundrechtsträger der Versammlungsfreiheit ist das einzelne Individuum, das an der Versammlung teilnehmen will, nicht die Versammlung als „Objektiviation“ der Ausübung. Nichtsdestotrotz liegt in der Versammlung eine kollektive Handlung, 302 so dass ihr Freiheitsgegenstand auch in diesem Gemeinschaftsbezug verstanden werden muss. 303 Diesem Verständnis entspricht das weithin angenommene Verbot, die Teilnehmer einer Versammlung zu vereinzeln bzw. voneinander zu isolieren. 304 Die Fähigkeit gerade zur gemeinsamen Meinungskundgabe jedes einzelnen Teilnehmers wird gestört, wenn anderen potentiellen Teilnehmern der Zugang zu der Versammlung verwehrt wird. Freilich sind die verbliebenen Teilnehmer nicht gehindert, ihre Meinung weiterhin gemeinsam kundzugeben. Ihre Durchsetzungskraft bzw. ihre Wirkung im Meinungskampf wird aber in dem Maße geringer sein, als ihr Teilnehmer abhandenkommen. 305 Der soziale Kontext, in dem die verbliebenen Demonstranten ihr Anliegen vorbringen wollen, hat sich zu ihrem Nachteil verändert: die „Potenzierung durch Kollektivität“ ihrer Anliegen wird gemindert. 306 Auf diesen sozialen Kontext wird es den Demonstranten aber gerade ankommen, da die Versammlung typischerweise auf die Erzeugung von Eindruck zielt. 307 Dabei kann es nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob der einzelne Teilnehmer einer Beeinträchtigung ausgesetzt ist oder aber das 300

Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 15. Ablehnend die ganz h.M., vgl. Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 34; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8, Rn. 16. 302 Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 9 Fn. 31 m.w.N. aus der psychologischen Literatur. 303 Vgl. Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 9: „kollektive Fortsetzung individueller Freiheit“. 304 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8, Rn. 100; Benda, in: Dolzer / Vogel, GG, Art. 8, Rn 21; Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 9; Kloepfer, in: HStR VI, § 143, Rn. 15, 22 f. 305 Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 9. 306 Kniesel, NJW 1992, 857 (859). 307 Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8, Rn. 12. Vgl. BVerfGE 69, 315 (345): „In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umganges miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.“ (Hervorhebung durch Verf.). 301

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

soziale Band zwischen den Teilnehmern anderweitig zerstört wird. Die individuelle Freiheit der Teilnahme an einer Versammlung zeichnet sich deshalb nicht nur durch die eigene physische Anwesenheit, sondern auch durch die Anwesenheit Dritter aus, die die eigene Meinung unterstützen. 308 Als Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde umfasst die Versammlungsfreiheit das Recht, sich gemeinsam mit anderen zu verwirklichen 309 und bedarf gerade wegen der kollektiven Handlungsdimension eines besonderen Grundrechtschutzes. 310 c) Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG Art. 6 Abs. 1 GG 311 erhebt mit dem besonderen Schutz der Ehe und Familie bestimmte soziale Beziehungen in den Rang grundrechtlich geschützter Güter, denen für die individuelle Freiheitsgestaltung und das Gelingen der eigenen Lebensführung herausragende Bedeutung zukommt. Diese Verbundenheit betont auch das BVerfG, wenn es Ehe und Familie nicht nur wegen der individuellen 312 Freiheit der Ehepartner und Familienangehörigen, sondern um der Freiheit des Einzelnen in der gelebten Gemeinschaft Willen gewährleistet sieht. 313 Das einzelne Familienmitglied bzw. der Ehepartner hat damit ein individuelles Recht auf Schutz der Gemeinschaft. 314 Neben der institutionellen Garantie von Ehe und Familie und dem Schutz der sozialen Funktion für die gesamte Gemeinschaft 315 liegt in diesem überindividuell bestimmten Freiheitsgegenstand bei gleichzeitiger Beibehaltung der individuellen Gewährleistungsrichtung der besondere Mehrwert des Art. 6 Abs. 1 GG. 316 Bisweilen lässt sich das BVerfG 308 Daraus darf und muss nicht die Folgerung gezogen werden, in jedem individuellen Verbot einer Versammlungsteilnahme liege gleichzeitig ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit aller anderen Teilnehmer der Versammlung. In ihrer kollektiven Ausübung ist die Versammlungsfreiheit erst dann berührt, wenn die Wirkkraft der Versammlung spürbar beeinträchtigt ist. 309 Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 9. Denn die Herstellung von Gemeinsamkeit mit anderen durch Kommunikation ist ein Grundbedürfnis des Menschen und Ausdruck seiner Menschenwürde, vgl. oben B.III.3.b), S. 176 ff. 310 Gusy, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 8, Rn. 10. 311 Art. 6 Abs. 2, 3 GG können insoweit als spezielle Ausformung des allgemeinen Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG verstanden werden, die gerade das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern zum Gegenstand hat, ohne dass sich an der Struktur des Freiheitsrechts Änderungen ergeben würden, vgl. Coester-Waltjen, in: Münch / Kunig, GG, Art. 6, Rn. 57. 312 Wohl hier zu verstehen im (hier zur Abgrenzung so bezeichneten) individualistischen Sinne, also eines Freiheitsgegenstandes, der nur aus Ehepartner bzw. Familienangehörigem als Grundrechtsträger, nicht aber der Partnerschaft besteht. 313 BVerfGE 76, 1 (44 ff.) – Familiennachzug. 314 Robbers, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 6, Rn. 14. 315 Vgl. dazu Lecheler, in: HStR VI, § 133, Rn. 60 ff.

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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sogar in die Richtung interpretieren, dass der Freiheitsgegenstand ausschließlich die soziale Gemeinschaft umfasse, wenn es ausführt, nicht die einzelnen Familienangehörigen in ihrer Individualität, sondern die Familiengemeinschaft würde durch Art. 6 Abs. 1GG geschützt. 317 Die Aussagen dürfen nicht als Absage an die individualschützende Eigenschaft des Art. 6 Abs. 1 GG verstanden werden. Träger der Freiheit wie des Grundrechts bleibt das einzelne Mitglied der Gemeinschaft. 318 Aus diesem Grund ist der Ehegatte wie die gemeinsamen Kinder in ihrem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG betroffen, wenn dem Ehepartner und Elternteil der Nachzug durch die Verwaltungsbehörden untersagt worden ist. 319 Wenn das BVerfG den Schutz auf alle Mitglieder der Gemeinschaft erstrecken will, obwohl die behördliche Maßnahme nur gegen ein Mitglied der Gemeinschaft gerichtet ist, 320 dann bringt es in der Sache nichts anderes zum Ausdruck, dass bei fortbestehender individueller Freiheitsträgerschaft der Freiheitsgegenstand kollektiv bzw. als Schutz der Interaktion innerhalb der Gemeinschaft definiert wird. In der Sache identische Entscheidungen bejahen die eigene Grundrechtsbetroffenheit bei Ausweisung des Ehepartners 321 oder den Eingriffscharakter eines staatlichen Aktes, der einen Verlobten an der beabsichtigten Eheschließung hindert, auch bezüglich des anderen Verlobten. 322 d) Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit, Art. 9 GG In eben diese Richtung zielt auch die Lehre vom „Doppelgrundrecht“ der Vereinigungsfreiheit, 323 die in diesem Grundrecht neben der individuellen Vereinigungsfreiheit die Garantie der kollektiven Vereinigungsfreiheit verankert sieht, nach der der Vereinigung selbst das Recht auf „Entstehung und Bestehen“ gesi316 Robbers, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 6, Rn. 12; gegen die Deutung als bloße nachrangige Folgerung aus der Institutsgarantie auch Friauf, NJW 1986, 2595 (2600). 317 BVerfGE 78, 38 (49); 53, 257 (296). 318 Darauf weist zutreffend Robbers, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 6, Rn. 14 hin; vgl. auch BVerfGE 76, 1 (44): „Vor diesem Hintergrund erschiene es unangemessen, davon auszugehen, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG allein der Gemeinschaft als ganzer gelte. Der persönliche Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst demgemäß jedenfalls auch die von einem Akt der öffentlichen Gewalt betroffenen Ehepartner und Familienangehörigen.“ (Hervorhebung des Verf.). 319 BVerfGE 76, 1 (44). 320 BVerfGE 76, 1 (45). 321 BVerfGE 51, 386 (395). 322 BVerfGE 31, 58 (67 f.). 323 Vgl. BVerfGE 13, 174 (175); 30, 227 (241); 50, 290 (354); 62, 354 (373); 80, 244 (253); 84, 372 (378).

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

chert sei, ohne dabei auf Art. 19 Abs. 3 GG zurückzugreifen. 324 Als Begründung gibt das BVerfG die Effektivität des Grundrechtsschutzes 325 und den engen Zusammenhang von individueller und kollektiver Vereinigungsfreiheit an. 326 Es führt aus: 327 „Das soziale System des durch das Grundgesetz verfassten Gemeinwesens soll weder in ständisch-korporativen Ordnungen, wie sie namentlich das Kennzeichen älterer Sozialordnungen waren, Gestalt gewinnen, noch in der planmäßigen Formung und Organisation durch den Staat nach den Maßstäben eines von der herrschenden Gruppe diktierten Wertsystems, wie sie den totalitären Staat der Gegenwart kennzeichnet. In diesem Prinzip sind der menschenrechtliche Gehalt der Vereinigungsfreiheit und ihre Bedeutung für die Gestaltung der Gesellschaft und des Staates eng aufeinander bezogen. Der menschenrechtliche Gehalt wird deutlich im Blick auf das Bild des Menschen, von dem das Grundgesetz in Art. 1 ausgeht; es ist nicht das des isolierten und selbstherrlichen Individuums, sondern das der gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Person. [...] Das Schutzgut bestimmt den Inhalt des Grundrechts.“

Anzufügen bleibt noch, dass das BVerfG den Gemeinschaftsbezug zwar in erster Linie zur Ableitung einer kollektiven Grundrechtsträgerschaft unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG in seine Argumentation einführt. Es erteilt jedoch gleichzeitig der Interpretation des „Frankfurter Gutachtens“ 328 eine Absage, die der Vereinigungsfreiheit nur die Rolle einer Gewährleistung kollektiver Rechtsausübung zumessen wollte. Der Schutz der Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte steht nach Ansicht des BVerfG neben der Vereinigung auch ihren Mitgliedern selbst zu, 329 denen damit aber ein Freiheitsgegenstand zur Verteidigung zugewiesen wird, der über das einzelne Mitglied hinausweist. Scholz hat schließlich der Lehre vom Doppelgrundrecht eine Konzeption entgegengestellt, die die interindividuelle, gemeinschaftliche Ausübung noch deutlicher zum Ausdruck bringt. 330 e) Erweiterung auf juristische Personen, Art. 19 Abs. 3 GG Die Anwendung der Grundrechte auf inländische juristische Personen hängt gem. Art. 19 Abs. 3 GG davon ab, ob diese ihrem Wesen nach auf juristische 324

BVerfGE 13, 174 (175); 80, 244 (253); zuletzt BVerfGK 1, 95 (97). BVerfGE 30, 227 (241). 326 BVerfGE 50, 290 (354). 327 BVerfGE 50, 290 (353 f.). 328 Kübler / Schmidt / Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe. Zur Verfassungsmäßigkeit des Mitbestimmungsgesetzes, Baden-Baden, 1978. 329 BVerfGE 50, 290 (354). 330 Vgl. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 79 ff. 325

III. Die Freiheit als zentraler Baustein

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Personen anwendbar sind. Das Verständnis des eher diffusen Begriffs ist umstritten. Zur Bestimmung der wesensmäßigen Anwendbarkeit stehen sich mit der sog. „Durchgriffsthese“ 331 und der „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ 332 zwei Meinungen gegenüber, zu denen hier nicht weiter Stellung genommen werden muss. Auch die Kritiker des BVerfG, die dem Gericht ein individualistisches Grundrechtsverständnis vorwerfen, 333 sehen Sinn und Zweck der Grundrechtsgewährleistung in einer Vorverlagerung des Grundrechtschutzes ihrer Mitglieder, das aber auf die Existenz eines personalen Substrats nicht angewiesen sei. 334 Trotz der insoweit irreführenden Bezeichnung der Durchgriffsthese sind nicht die hinter der juristischen Person stehenden Menschen Grundrechtsträger, sondern die juristische Person selbst. Auch im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG existiert damit keine kollektive Grundrechtsträgerschaft. Art. 19 Abs. 3 GG schützt aber auch und gerade die Grundrechtsausübung „in Gemeinschaft“, in dem er dem verselbständigten organisatorischen Gebilde der juristischen Person die Grundrechtsfähigkeit nicht vorenthält. 335 Bezeichnenderweise spricht das BVerfG auch im Plural von dem Durchblick (bzw. Durchgriff) auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen. 336 Mit anderen Worten: Wenn Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechtsfähigkeit auf die Verbandspersönlichkeit erstreckt, dann geschieht dies zum Schutz des „überschießenden“ Kräfte- und Wirkungspotential der gemeinschaftlichen Betätigung und damit einer kollektiven Freiheitsausübung, die an der personalen Gesamtsicht des Grundgesetzes nichts ändert. 337 5. Zusammenfassung: Der Mensch als soziales Wesen und die Rezeption seiner Umweltbezüge im Freiheitsbegriff der Grundrechte Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass auch die Rechtswissenschaft den Menschen als soziales Wesen begreift und die Bedeutung des Kontextes der 331 So die st. Rspr. des BVerfG seit der Leitenscheidung in BVerfGE 21, 362 (369); Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19, Rn. 1. 332 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19, Rn. 32 f.; Erichsen / Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (10 f.). 333 Erichsen / Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (10). 334 Huber, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19, Rn. 220 f. spricht von einer „vorgezogenen Verteidigungslinie“, die über die kollektive Grundrechtsausübung hinausreiche und einen schutzgutspezifischen Mehrwert garantiere. 335 Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19, Rn. 2; vgl. BVerfGE 42, 212 (219): „Möglichkeit der korporativen Betätigung“. Zustimmend Krebs, in: Münch / Kunig, GG, Art. 19, Rn. 38, der den Schutzgehalt allerdings nicht vollkommen zutreffend bestimmt sieht, weil sie auch die Betätigung Einzelner durch juristische Personen umfasse. 336 BVerfGE 61, 82 (101); BVerfGE 21, 362 (370). 337 Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19, Rn. 3.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Grundrechtsausübung nicht verkennt. Auch ein liberales Grundrechtsverständnis will den Menschen nicht seines Beziehungsgeflechtes entkleiden, in der er seine Individualität im Zusammenwirken mit seiner Umwelt entfaltet. Der Kritik, die das liberale Grundrechtsverständnis erfahren hat, ist es aber zu einem gewissen Teil zu verdanken, dass die notwendige Aufnahme dieses Kontextbezuges auch seinen Anhängern wieder in das Bewusstsein gerückt ist, auch wenn die Gegenentwürfe selbst in methodischer Hinsicht wenig zur Präzisierung des Schutzgutes der Grundrechte beigetragen haben. Der Blick auf das grundrechtliche Menschenbild, das den Menschen als in eine Gemeinschaft eingebettetes Individuum versteht, rundet (bei der gebotenen freiheitserweiternden Betrachtung!) dieses Verständnis ab. Dass das arbeitsteilige, auf Interaktion und den Bestand des (im weiten Sinne verstandenen) sozialen Zusammenhangs angewiesene Zusammenwirken 338 der Menschen beim Gebrauch ihrer Freiheit nicht nur in der Theorie verhaftet bleibt, hat schließlich der Blick auf eine Vielzahl von Einzelgrundrechten gezeigt, die den Menschen in seinen tatsächlichen Lebensverhältnissen schützen. Hat es bislang also nicht an grundsätzlicher Einsicht und auch praktischer Umsetzung dieses Grundrechtsverständnisses gefehlt, so ist doch der freiheitstheoretische Unterbau, wie die strukturelle Analyse zu Beginn gezeigt hat, nicht ausreichend entwickelt. Es mag wiederum dem in erster Linie auf Freiheitshindernisse sensibilisierten liberalen Grundrechtsverständnis geschuldet sein, dass die Rolle Dritter bei der eigenen Freiheitsausübung in den meisten Darstellungen nur insoweit problematisiert wird, als deren Handeln der eigenen Freiheitsbetätigung entgegensteht. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle verwirklicht sich aber der Freiheitsgegenstand durch und in der Mitwirkung Dritter. Auch wenn sich die soziale Dimension der Grundrechte erst im Bürger-Bürger-Verhältnis aktualisiert, bleibt sie doch kein gesellschaftliches Phänomen, dem die rechtliche Sphäre abtrennbar gegenüber stehen würde. Die Grundrechte als Abwehrrechte sind nicht nur in der Lage, die „Ausübungs- und Wirkungsdimension“ 339 im Gewährleistungsverhältnis Staat-Bürger abzubilden, sondern gelangen in vielen Fällen erst durch ihre Integration zur vollen Wirkungskraft. Die geforderte „ganzheitliche Betrachtung“ 340 lässt sich grundrechtsdogmatisch durch eine präzise Bestimmung des Freiheitsgegenstandes nachvollziehen, dessen Verhaftung in der individualistischen Perspektive weder denklogisch noch grundrechtlich gefordert ist und schließlich auch der Schutzfunktion der Grundrechte als Abwehrrechte nicht gerecht wird. Der Freiheitsgegenstand der „interaktiven“ Grundrechte besteht damit auch in der Interaktion bzw. den Bedingungen der Interaktion; das Grundrecht schützt folglich den einzelnen Grundrechtsträger 338 339 340

Volkmann, Solidarität, S. 263; Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 III, Rn. 3. Vgl. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 87. Roth, Faktische Eingriffe, S. 177.

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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vor staatlicher Ingerenz in eben diese. 341 Grundrechtlich geschützte Freiheit ist deswegen auch der Schutz der sozialen Chance der Persönlichkeitsentfaltung 342 durch den Bestand der sozialen Ordnung, innerhalb der die Grundrechtsausübung stattfindet. 343 Inwieweit nun das jeweilige Einzelgrundrecht einen überindividuell verstandenen Freiheitsgegenstand und / oder die „Ausübungs- und Wirkungsvoraussetzungen“ der Freiheitsausübung in sein Schutzgut aufnimmt, lässt sich allerdings nicht für jedes Grundrecht einheitlich bestimmen, sondern muss durch Auslegung des jeweiligen Grundrechts ermittelt werden. Ausschlaggebend ist dabei, ob die geschützte Freiheitsbetätigung – sei sie durch das Grundrecht direkt oder nur durch Nennung eines bestimmten Lebensbereiches beschrieben – nur dann zutreffend durch einen Freiheitsgegenstand abgebildet werden kann, wenn dieser die zwischenmenschliche Interaktion und sonstige Umweltbezüge beinhaltet. Ob diese Voraussetzungen bei der Wettbewerbsfreiheit gegeben sind, wird im Anschluss untersucht.

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche Freiheit unter Einbezug des sozialen und wirtschaftlichen Kontextes der Grundrechtsausübung Anknüpfend an die vorhergehenden Ausführungen ist es nun Aufgabe des letzten Abschnitts, durch Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG zu ermitteln, inwieweit die der Wettbewerbsfreiheit zugrunde liegende horizontale Grundrechtsausübung der Grundrechtsträger eines interaktiven Freiheitsgegenstandes und / oder des Bestandes des wirtschaftlichen Ordnungsgefüges bedarf. 1. Freiheit im Wettbewerb als partnerschaftliche Interaktion, die auf die Integrität des wirtschaftlichen Kontextes angewiesen ist Was verbirgt sich nun hinter der Chiffre „Wettbewerb“, die im hier verwendeten Sinne einen bestimmten Ausschnitt der Berufsfreiheit thematisiert, ohne dabei jedoch zur juristischen Fachsprache zu gehören? Löst man den Begriff von 341 So zutreffend Suhr, Entfaltung, S. 105; Roth, Faktische Eingriffe, S. 162; Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 637. 342 So Grabitz, Freiheitsrechte, S. 218 zur Charakterisierung der Rechtsprechung des BVerfG zur objektiven Wertordnung der Grundrechte. 343 Vgl. auch Albers, DVBl 1996, 223 (237): Die Kontextbezügen individueller Freiheit müssten mitbedacht werden.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

seiner Verbindung zur Marktwirtschaft und betrachtet zunächst nur seine wörtliche Bedeutung, steht die Konkurrenz verschiedener Bewerber im Vordergrund. Offen ist der Begriff des Wettbewerbs insoweit, als er das Ziel des konkurrierenden Wettstreits nicht festlegt. Regelmäßig wird dabei die Rivalität um ein knappes Gut im Vordergrund stehen, sei es auch nur der (regelmäßig) nur einmal zu verteilende 1. Platz in einem sportlichen Wettkampf. In vielen Fällen ist es voll und ganz ausreichend, den Wettbewerb mit der Konkurrenzsituation gleichzusetzen und dabei das Ziel des Wettbewerbs keiner näheren Betrachtung zu unterziehen, weil dieses zur Beschreibung der vorgelagerten Wettbewerbssituation nichts beiträgt. Wenn etwa Politiker hinsichtlich der Wählergunst im Wettbewerb stehen, dann wird die Wettbewerbssituation vollumfänglich durch die Betrachtung der konkurrierenden Politiker abgebildet, die etwa in einer Talkrunde oder im Fernsehduell ihre Ansichten darstellen. Im Akt der Stimmabgabe des Wählers präsentiert sich nur das Ergebnis, ohne dass dazu das Verhältnis zwischen dem Gewinner des Wettbewerbes und dem Wähler als knappes Gut, um das konkurriert wurde, noch einer näheren Betrachtung zu unterziehen wäre. Wird wie im Sport um ein immaterielles oder aber konsumierbares Gut konkurriert, wird noch deutlicher, dass die Beziehung zwischen Gewinner und gewonnenem Gut keinen eigenen freiheitstheoretischen Gehalt hat. Nicht anders wird dies in der Regel gehandhabt, wenn der Wettbewerb in der Marktwirtschaft beschrieben wird. Dementsprechend formuliert etwa Meessen 344 als allgemeines „Prinzip [des] Wettbewerb[s]“: „Wettbewerb (in einem umfassenden, also auch Politik, Sport und den Kampf um Industriestandorte einbeziehenden Sinne) ist ein ergebnisoffenes, durch rechtliche und / oder außerrechtliche Regeln geregeltes Verfahren, bei dem zwei oder mehrere voneinander unterabhängige Akteure unter besonderer, wie auch immer motivierter Einsatzbereitschaft für die Ziele des jeweiligen Wettbewerbs untereinander vergleichbare Leistungen erbringen.“

Ähnlich beschreibt Rixen 345 die Wettbewerbsfreiheit als „... Freiheit, sich [...] für (oder gegen) Situationen, nämlich Konkurrenzsituationen, zu entscheiden [...]. Umfasst ist ferner die Freiheit, diese Konkurrenzsituationen mitzugestalten, und zwar als Freiheit im Wettbewerb, als Freiheit, die gewählte Konkurrenzlage durch eigene auf Konkurrenten und sonstige Marktteilnehmer abzielende Tätigkeit zu verändern [...]. In diesem Sinne kann man Wettbewerbsfreiheit als Freiheit im Wettbewerb verstehen, [...] sich also je neu ins Verhältnis zu anderen Wettbewerbern zu setzen, deren Erfolgschancen [...] zu minimieren und die eigenen zu steigern.“ 344

Meessen, JZ 2009, 697 (701). Rixen, Sozialrecht, S. 250 (Hervorhebungen im Original). Die enge Verbindung, wenn nicht gar Gleichsetzung von Wettbewerbsfreiheit und Konkurrenzsituation findet sich auch bei Huber, Konkurrenzschutz, S. 30 ff. und Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 198 ff. 345

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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Die „interaktive“ Komponente beschränkt sich aus dieser Perspektive auf die in Konkurrenz stehenden Wettbewerbsteilnehmer. Dieses Verständnis mag der (sportlichen) Herkunft geschuldet sein, verfehlt indes den Kern der Freiheitsbetätigung im Wettbewerb. Marktwirtschaftliche Betätigung ist eben gerade nicht mit einem Tennismatch zu vergleichen, wo sich Konkurrenten wechselseitig den Ball zuspielen. Auf dem Markt interagieren in erster Linie nicht die Anbieter untereinander, sondern Anbieter und Nachfrager, die aber kein Konkurrenz-, sondern ein partnerschaftliches Verhältnis verbindet. Natürlich stehen auch die Konkurrenten in Interaktion, weil sie auf das Marktverhalten der Wettbewerber reagieren müssen. Der marktwirtschaftliche Wettbewerb, und hier liegt der entscheidende Unterschied zu sportlichen Betätigung, erschöpft sich aber nicht in der Interaktion der Konkurrenten. 346 Sie ist nur indirekte Nebenfolge der Versuche der Markteilnehmer, ihr primäres Ziel zu erreichen, das in den soeben genannten Umschreibungen bestenfalls anklingt: die erfolgreiche Interaktion mit dem Vertragspartner. 347 Wie fügt sich diese Erkenntnis in die normativen Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG ein? Ausweislich der gängigen Definition des Berufs in Art. 12 Abs. 1 GG dient seine Ausübung dem Grundrechtsträger der „Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage“. 348 Das Grundrecht verbindet damit eine Freiheitsbetätigung mit einem weitergehenden Zweck, einer subjektiven Zielsetzung des Grundrechtsträgers. Nur wenn die Freiheitsbetätigung mit dem Hintergrund aufgenommen wird, durch wirtschaftlich erfolgreiches Verhalten zukünftige Freiheitsräume zu sichern, belohnt dies der Verfassungsgeber mit der Gewährung eines besonderen Freiheitsraum der Berufsfreiheit, der sich von der allgemeinen Handlungsfreiheit abhebt. Zur „Schaffung und Sicherung einer Lebensgrundlage“ sind Tätigkeiten aber nur dann geeignet, wenn sie zur Grundlage einer Interaktion in Form des Handeltreibens mit Dritten gemacht wird. 349 Nur soweit der Einzelne in der Lage ist, seine Produkte oder Dienste gegen angemessenes Entgelt am Markt anzubieten, kann er die Tätigkeit als „Beruf“ ausüben und muss sich nicht auf die Liebhaberei verweisen lassen. Das setzt zweierlei voraus: einen Interaktionspartner und ein wirtschaftliches Umfeld, innerhalb der die wirtschaftliche Interaktion gelingen kann. Die „freie unternehmerische Betätigung“ oder „das Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb“ 350 besteht eben in seiner Essenz nicht darin, Preiskalkulationen anzustellen, Produkte zu erforschen, herzustellen und anschließend das Ergebnis der 346 Die Interaktion der Konkurrenten zählt nicht mal zu den notwendigen Bedingungen der Freiheit im Wettbewerb, wenn auf dem relevanten Markt Oligopole oder gar Monopole bestehen. 347 So stellt Rixen, Sozialrecht, S. 100 auch vollkommen zutreffend auf den Markt als Ort des Austausches von Leistung und Gegenleistung ab. 348 Vgl. BVerfGE 7, 377 (397); 54, 301 (313); 97, 228 (252 f.). 349 Vgl. auch Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 159.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

unternehmerischen Betätigung auf Messen der Öffentlichkeit zu präsentieren. 351 Sinn und Zweck der unternehmerischen Anstrengungen ist der erfolgreiche und möglichst gewinnbringende Absatz der angebotenen Güter durch rechtsgeschäftliche Interaktion mit den Kunden des Unternehmens. 352 Würde man dagegen den Grundrechtsschutz nur auf die vorbereitenden Schritte zu diesem rechtsgeschäftlichen Erfolg beschränken, verlöre man den wesentlichsten, abschließenden Teil der unternehmerischen Betätigung aus dem Auge. Hat die Veränderung des sozialen Gefüges eine Veränderung der Wettbewerbschancen zur Folge, ist deshalb der „Wirkbereich“ der Wettbewerbshandlungen betroffen. 353 Denn der Wettbewerber hat ein Recht darauf, sich am Wettbewerb durch konkurrenzwirtschaftliche Betätigung durchzusetzen. 354 Im schlimmsten Fall werden die Bemühungen des Unternehmers sinnlos, wenn der Absatzmarkt für Güter in der Folge vollständig einbricht. Jede spürbare negative Veränderung der Absatzchancen hat aber zumindest unmittelbare Rückwirkungen auf die Attraktivität der berufsmäßig ausgeübten Wettbewerbshandlung. Dem kann nicht die grundrechtliche Irrelevanz von Faktoren entgegengehalten werden, die nicht vollständig innerhalb der Bewirkungsmacht des Grundrechtsträgers stehen. 355 Die Scheu vor der Einbeziehung Dritter in die eigene grundrechtliche Betätigung scheint auch schon Scholz davor zurückgehalten zu haben, Wettbewerb und Vertragsschluss unmittelbar durch Art. 12 Abs. 1, 14 GG geschützt zu sehen, 356 so dass er auf den schwer fassbaren Begriff der „unselbständigen Objektiviation“ 357 abstellen musste, um inter- und überindividuale Sozialbeziehungen dann im Ergebnis doch in den Grundrechtsschutz miteinzubeziehen, 358 die rechtstechnisch ohne weiteres im Freiheitsgegenstand dargestellt 350

Vgl. BVerwGE 87, 37 (39). Zutreffend daher Rixen, Sozialrecht, S. 250. 352 Vgl. Koch, Drittbetroffene, S. 220 ff.; Albers, DVBl 1996, 223 (239). Von einer Erweiterung des Schutzbereichsaspekts um faktische Betätigungschancen spricht Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (83), die der Staat in tripolaren Verhältnissen dadurch beeinträchtigt, dass sie weniger genutzt werden können, weil auf der anderen Seite das erforderliche Interesse wegfällt. 353 Vgl. BSGE 93, 296 (302): „Eine derartige Verschlechterung ihrer Absatzchancen müssen die Kläger nicht hinnehmen. Auch wenn sie nicht unmittelbare Adressaten [...] sind und [die Maßnahme] nicht absichtlich und zielgerichtet erfolgt wäre, wäre ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung [...] verletzt.“ Die Sozialgerichtsbarkeit ist damit der tendenziell in der „atavistischen Grundrechtsdogmatik“ (Schmidt-Assmann, Öffentliche Unternehmen, S. 153) verhaftet gebliebenen Verwaltungsgerichtsbarkeit voraus, vgl. Höfling / Rixen, RdA 2007, 360 (363). 354 So schon Huber, Konkurrenzschutz, S. 444. 355 So aber Lindner, DÖV 2003, 185 (190 f.), der vor allem auf die Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers abhebt, dazu sogleich. 356 Vgl. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 88. 357 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 88, der darunter den Prozess oder Zustand jeder geistigen oder realen Wertschöpfung verstanden wissen will. 351

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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werden kann. Denn die Möglichkeit des wirtschaftlichen Erfolges ist nicht nur der entscheidende Antrieb des Grundrechtsträgers zur Ausübung seiner Freiheit, sondern wird durch das Grundrecht gerade vorausgesetzt, wenn es den Schutz an eben die (ernsthafte) Absicht knüpft, Gewinne erzielen zu wollen und damit deutlich macht, dass dieser auch aus grundrechtlicher Hinsicht nicht ausgeblendet werden darf. 359 Weil mit anderen Worten das Grundrecht selbst den finalen Bezug zwischen Wahrnehmung des Freiheitsrechts und den wirtschaftlichen Interessen des Grundrechtsträgers herstellt, 360 dürfen und müssen staatliche Einflüsse auf das wirtschaftliche Umfeld mit Rückwirkung auf die wirtschaftliche Rentabilität der wettbewerblichen Interaktion als Vereitelung der „Chance zur Realisierung sozialer Interaktionsmöglichkeiten“ 361 durch einen interaktionistisch verstandenen bzw. gemeinschaftsbezogenen Freiheitsbegriff aufgefangen werden. 362 Zu unpräzise ist dagegen die Umschreibung als Schutz der Wettbewerbsposition, 363 die wiederum an der zu ungenauen Herausarbeitung des Freiheitsbegriffs leidet. Mit dem Begriff der „Position“ lässt sich das dynamische Beziehungsgeflecht der wettbewerblichen Interaktion nur unzureichend beschreiben, weil auch ihm eine statische Betrachtung des Individuums immanent ist, ohne auf den überindividuellen Gegenstand der Freiheitsbetätigung einzugehen. Zu kurz greift auch die Verortung der Problematik innerhalb der mittelbar-faktischen Eingriffe, auf die Einwirkungen auf das Umfeld der Grundrechtsausübung leider häufig reduziert werden. 364 Denn die Mehrzahl der Einwirkungen auf das soziale Gefüge der wirtschaftlichen Betätigung wird durch Rechtsnormen erreicht, in denen die staatliche Zurechnung der Wirkungen nicht umstritten sein kann. 365 Die ausschließliche Verortung als Eingriffsproblem führt dabei nur zu einer Verdunklung der grundrechtlichen Zusammenhänge. Die Streitfragen müs358

Vgl. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 90, 108. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 119 sieht in seiner Terminologie daher die Lebensbereiche als „Funktion der Grundrechtsausübung“ geschützt. Die derart geschützten Funktionszonen der Grundrechtsausübungen teilt er ein in (1) soziologischen Lebenssachverhalte (gesellschaftliche Ebene), (2) die vom einfachen Gesetzgeber zur Verfügung gestellten einfachrechtlichen Rechtsinstitute (unterverfassungsrechtliche Ebene) und (3) ggf. weitere Grundrechte, sofern die Grundrechtsausübung auch auf diese einwirkt. 360 Vgl. Scherzberg, DVBl 1989, 1128 (1131); Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 119. 361 Murswiek, DVBl 1997, 1021 (1026); vollkommen zutreffend an dieser Stelle Rixen, Sozialrecht, S. 249, der von „durch Interaktion geschaffenen Orte des Güterverkehrs“ spricht – ein Verständnis, das in der in Trudeln gekommenen Grundrechtsdogmatik des BVerfG leider nicht immer zu finden sei, Höfling / Rixen, RdA 2007, 360 (363). 362 So im Ergebnis auch Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 119, der den Schutz der Lebensbereiche als „Funktion der Grundrechtsausübung“ in den Garantiebereich des Art. 12 Abs. 1 GG mitaufgenommen sieht. 363 Vgl. BVerwGE 87, 37 (39). 364 Vgl. hier nur Scherzberg, DVBl 1989, 1128 (1133 f.) sowie ausführlich Koch, Drittbetroffene, S. 211 ff., gerade im Vergleich zu eher kursorischen Prüfung der Eingriffswirkung von imperativen Rechtsakten S. 298 ff. 359

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

sen in erster Linie auf Schutzbereichsebene 366 gelöst werden, und zwar nach der hier vertretenen Ansicht durch eine Hinterfragung des jeweils zugrunde gelegten Freiheitsbegriffes als Schutzgut der Berufsfreiheit. 367 Die „Multipolarität“ 368 grundrechtlicher Verhältnisse mag in der Eingriffsdogmatik bzw. auf der Rechtsfertigungsebene ausreichend abgebildet werden, soweit Einwirkungen Dritter verarbeitet werden sollen. Viel häufiger (und im Regelfall vollkommen unproblematisch) treten multipolare Grundrechtslagen aber in der notwendigen Mitwirkung Dritter auf, mit der die Eingriffsdogmatik alleine überfordert ist. 369 2. Nebenfolgen eines kontextualen Verständnisses unter Einbezug der Erfolgschancen im Wettbewerb Das hier vertretene Freiheitsverständnis hat zur Folge, dass sich mit der Frage des Normbestandsschutzes und des Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zwei umstrittene grundrechtliche Fragestellungen in dogmatisch zwangloser Weise beantworten lassen. a) Grundrechtlicher Normbestandsschutz Der Schutz des Vertrauens der Bürger in die Beständigkeit der Rechtsordnung ist in seiner allgemeinen Form in dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankert. 370 Das Rechtsstaatsprinzip bildet jedoch nicht die einzige Verortungsmöglichkeit. Auf der Basis des bisher entwickelten Konzeptes lässt sich der Schutz des Normbestandes bzw. der Bestand einer Wettbewerbsordnung in Form der gesetzlichen Rahmenbedingungen auch auf ein genuin grundrechtliches Fundament stellen. 365 Eine Beeinträchtigung des Gefüges wird sich aber dadurch nicht sofort feststellen lassen. Rechtsnormen können einen derart geringen Einfluss haben, dass sie das soziale Gefüge (noch) nicht verändert haben. Ob der Schutzbereich berührt ist, muss daher auch anhand der Intensität der Folgen einer rechtlichen Regelung bestimmt werden. 366 So auch Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 94 ff. 367 Vgl. Albers, DVBl 1996, 223 (238). 368 Vgl. zu diesem fast als „Modewort“ zu bezeichnendem Schlagwort u. a. die neueren Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE 115, 205 ff.; BVerfGE 116, 1 ff.; BVerfGE 118, 1 ff. mit Bezug zu Art. 12 Abs. 1 GG sowie BVerfGE 120, 180 ff. zur Abwägung der Pressefreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht). Ausführliche Darstellungen in der Literatur finden sich bereits früh bei Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Auflage (2005), der mit Hilfe dieses Begriffs eine Neubestimmung des subjektiven Rechts vornehmen will. Zu den Voraussetzungen der Annahme eines subjektiven Rechts Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 247 f. 369 Vgl. Albers, DVBl 1996, 223 (236). 370 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 125.

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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aa) Spezieller Normbestandsschutz der Eigentumsgarantie Für die Eigentumsgarantie hat das BVerfG das ausdrücklich ausgesprochen: „Insofern hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren. Die Eigentumsgarantie erfüllt insoweit die Funktion des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes gegenüber Eingriffsakten.“ 371

Im Rahmen des Art. 14 GG ist diese Konsequenz eine zwingende Folge aus der Konzeption des Schutzgutes, wie sie die h.M. annimmt. Die Eigentumsgarantie umfasst als Freiheitsgegenstand nicht nur die Freiheit des natürlichen Handelns, sondern auch und gerade das Gebrauchmachen von den rechtlichen Befugnissen, die mit der Eigentümerstellung verbunden ist. Der typische Eingriffstatbestand des Art. 14 GG besteht in dem rechtlichen Zugriff auf diese Eigentumspositionen und damit einer Änderung der Rechtsordnung. Der unveränderte Fortbestand der Eigentums(rechts-)ordnung ist im speziellen Fall des Art. 14 GG damit vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfasst. Auf die Wettbewerbsfreiheit lässt sich diese Argumentation nur begrenzt übertragen. Denn die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens ist im Regelfall nicht durch das Gebrauchmachen von einer rechtlichen Befugnis geprägt, sondern durch natürliche Handlungen. Versteht man die Vertragsfreiheit als normgeprägte Freiheit, 372 wäre zwar insoweit auch ein Normbestandsschutz entsprechend der Eigentumsgarantie denkbar. 373 Der Normbestandschutz beträfe dann aber auch nur den Fortbestand rechtlicher Befugnisse. Andere Auswirkungen auf das Wettbewerbsgefüge als sozialer Wirkungsbereich der Wettbewerbshandlungen werden dagegen nicht erfasst. bb) Allgemeine Normbestandsschutzlehren Die rechtswissenschaftliche Diskussion ist allerdings nicht bei der speziellen Normbestandslehre der Eigentumsgarantie verharrt. Von Lübbe-Wolff wurde eine Normbestandslehre vorgeschlagen, die einfachrechtliche Gesetze unter gewissen Voraussetzungen allgemein an der verfassungsrechtlichen Grundrechtsgarantie teilhaben lässt. 374 Ausreichend für die Unterschutzstellung ist danach noch nicht, dass die Rechtsnormen der Realisierung der Grundrechte dienen; 371

BVerfGE 45, 142 (168). Ähnlich auch BVerfGE 36, 281 (293); 31, 275 (293). Vgl. oben B.II.1.b), S. 127 ff. 373 Diesen Weg geht Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 181, für die Beschneidung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten: das Vertrauen in deren Fortbestand sei durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 372

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

sie müssen gerade in Erfüllung eines entsprechenden Verfassungsauftrages 375 erlassen worden sein, der sich aus dem Schutzpflichtengehalt des jeweiligen Grundrechts ergeben kann. 376 Liegt einer einfachrechtlichen Norm dagegen ein Verfassungsauftrag zugrunde, dann genießt nicht nur diese Norm abwehrrechtlichen Schutz. Eine Verletzung des Grundrechts kommt auch dann in Betracht, wenn die Norm nicht oder nicht im Sinne des Verfassungsauftrags vollzogen wird (Normanwendungsschutz). 377 Die Argumentation Lübbe-Wolffs basiert im Wesentlichen darauf, dass die Existenz von Schutzpflichten im Regelfall nicht zur Annahme einer grundrechtlich einklagbaren Erfüllungshandlung des Gesetzgebers berechtigen, der bei der Erfüllung dieser Schutzpflichten einen weiten Gestaltungsspielraum hat. 378 Hat sich der Gesetzgeber jedoch einmal für einen bestimmten Weg entschieden, ist damit die justitiabilitätshemmende Komplexität soweit reduziert, dass Rückschritte einem Rechtfertigungszwang unterliegen. 379 An dieser Stelle müssen nicht alle Einwände gegen die grundsätzlich zustimmungswürdige Konzeption Lübbe-Wolffs behandelt werden. 380 Sie ist jedoch wegen ihrer Ableitung aus Verfassungsaufträgen einem sehr engen Anwendungsbereich unterworfen, der der Wettbewerbsfreiheit nicht gerecht wird, weil er weite Teile der Rahmenbedingungen, die für die Teilnahme am Wettbewerb und nach der hier vertretenen Ansicht auch für den Grundrechtsschutz entscheidend sind, nicht mit einbezieht. Die Verengung auf die Erfüllung von Verfassungsaufträgen ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass Lübbe-Wolff den Schutz von Vertrauen als Argument für die Aufnahme einer Norm in den grundrechtlichen Bestandsschutz nicht gelten lassen will, weil dieses nicht zwingend für eine bestimmte Ausformung der Beachtung des Vertrauens streitet. Denn zum einen könne der Vertrauensschutz auch über den Ersatz des negativen Interesses realisiert werden, wie die im Planungsrecht der Fall sei. Zum anderen setze der Schutz des Vertrauens das Bestehen eines Vertrauenstatbestands voraus, so dass der Schutz nur gegenüber Personen wirke, die das geforderte Vertrauen auch subjektiv gefasst hätten. 381 374 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 125 ff.; 197 ff. Dazu auch Sachs, in: StR III/1, § 66, S. 653 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 170 ff; Poscher, Abwehrrechte, S. 135 f. 375 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 119, 145. 376 Eine Aufzählung der Urteile, denen Lübbe-Wolff ihre These entnimmt, findet sich bei Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 136 ff. 377 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 119, 122. 378 Aus diesem Grund unzutreffend Alexy, Theorie, S. 435, wenn er ausführt, es könne für die grundrechtliche Einordnung nicht darauf ankommen, ob die Handlung, die zur einfach-rechtlichen Existenz einer verfahrensmäßigen Position führe, bereits vollzogen sei oder nicht. 379 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 146. 380 Dazu ausführlich Cornils, Ausgestaltung, S. 487 ff.; 540 ff.

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Lübbe-Wolff ist in der Tat darin zuzustimmen, dass der Normbestandsschutz mit dem Verweis auf den Vertrauensschutz jedenfalls nicht vollständig erklärt werden kann. In vielen Fällen kann sich wegen der Veränderlichkeit des Rechtsgebiets kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit der Rechtsordnung aufbauen. 382 Der Normbestandsschutz unterscheidet sich funktional von dem Vertrauensschutz auf die Beständigkeit der Norm. Während bei letzterem der Schutz von Aufwendungen im Mittelpunkt steht, die im Vertrauen auf den Fortbestand getätigt worden sind, hat der Normbestandsschutz auch die künftige Betätigung der grundrechtlichen Freiheit im Blick. Im Rahmen des Vertrauensschutzes müssten die im Vertrauen auf die Beständigkeit getätigten Aufwendungen in die Abwägung mit eingestellt werden. Beim Normbestandschutz ist das nicht der Fall; hier sind nur die künftigen Einbußen grundrechtlicher Freiheit gegen die Änderungsinteressen des Gesetzgebers abzuwägen. 383 Unzutreffend ist dagegen nur die Schlussfolgerung Lübbe-Wolffs, die Fortgeltung grundrechtsgünstiger Normen sei deswegen nur im Rahmen objektiver Verfassungsgebote geschützt. Es kann im gleichen Maß eine Verkürzung grundrechtlicher Freiheit vorliegen, wenn aufgrund einer bisher bestehenden Gesetzeslage eröffnete Handlungsmöglichkeit beschnitten wird, 384 was auch, aber nicht nur mit Vertrauensschutzerwägungen zu begründen ist. cc) Normbestandsschutz in der Wettbewerbsfreiheit Auf die Postulierung eines Normanwendungsschutzes beschränkt sich zunächst Bäcker. Nach seiner Konzeption greift der Staat in die Wettbewerbsfreiheit ein, wenn er Wirtschaftsordnungsnormen nicht anwendet. In der Ausgestaltung (und damit auch der Änderung) der Wirtschaftsordnungsnormen ist der Gesetzgeber dagegen nur dann an grundrechtliche Vorgaben gebunden, wenn er individuelle Verhaltensmöglichkeiten beschneidet – was Bäcker aber bei allen über den Wettbewerb vermittelten Nachteilen verneint, da er die grundrechtliche Freiheit des Wettbewerbsverhaltens individualistisch bestimmt. 385 Überdies habe die 381

Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 127. Insoweit zutreffend BVerfGE 105, 17 (40); 109, 133 (180): „Die allgemeine Erwartung der Unveränderlichkeit der Rechtslage ist indes nicht Gegenstand des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes“. 383 Diesen Unterschied übersieht Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 182, in seiner Kritik, es sei nicht ersichtlich, warum die Grundrechte den Bestand einer Norm schützten sollten, für deren Weitergeltung sich der Aspekt des Vertrauensschutzes nicht in Anspruch nehmen lasse. Das Interesse an der Fortgeltung einer für den Betroffenen profitablen Wettbewerbsordnung hängt nicht von den bereits getätigten Investitionen ab. Die Grundrechtsrelevanz dieser Interessen wurde bereits oben begründet. 384 Zutreffend Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 183; Grabitz, DVBl 1973, 675 (682). 385 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 96 ff. 382

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durch Wirtschaftsordnungsnormen erreichte Stabilisierung eines „freiheitlichen Handlungssystems“ 386 nicht den Gebrauch grundrechtlicher Freiheit als solche, sondern die rechtlichen Bedingungen zum Gegenstand, die diesen Gebrauch erst ermöglichten. 387 Daher sei erwägenswert, jedenfalls die Strukturnormen allenfalls als Grundrechtsausgestaltung und nicht als -eingriffe zu verarbeiten. 388 Zur Konzeption Bäckers wurde bereits Stellung genommen; seine Ausführungen basieren auf einem Freiheitsverständnis, das sich von der hier vertretenen Ansicht unterscheidet. Aber auch dem BVerfG ist die Eingliederung des Vertrauensschutzes in Art. 12 Abs. 1 GG nicht gänzlich unbekannt. Wenn der Gesetzgeber Berufsbilder festlegt, muss er im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG das schutzwürdige Vertrauen der in den überkommenen Berufen Tätigen berücksichtigen. 389 Einen Normbestandsschutz hat das BVerfG sogar ausdrücklich im Fall der Aufhebung der Tarifbindung bei der Binnenschifffahrt angenommen. 390 Das Gesetz würde zwar zunächst die Freiheit der Verkehrsunternehmen erweitern, weil sie von rechtlichen Bindungen freigestellt würden. Für den Beschwerdeführer wirke diese Aufhebung allerdings belastend, weil er nunmehr in Konkurrenz mit Wettbewerbern stehe, die für die gleichen Leistungen nunmehr geringere Entgelte verlangen dürften. Das BVerfG führt dann weiter aus: 391 „Die bisher die Entgelthöhe sichernden Normen stellen eine Lenkung der Berufsausübung dar. Werden sie beseitigt, so ist auch dies eine Regelung der Berufsausübung.“

Damit hat das BVerfG also nicht nur die Wettbewerbsnachteile infolge der (nicht wettbewerbsverzerrenden!) Begünstigung von Konkurrenz als grundrechtsrelevant eingestuft, sondern sogar den Bestand einer Dritte belastenden Regelung in den Rang eines Schutzobjektes des Art. 12 Abs. 1 GG gehoben. Der Ansatz kommt der hier vorgeschlagenen Lösung im Ergebnis sehr nahe. Nach dem hier vertretenen Freiheitsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit sind die Wettbewerbsbedingungen, verstanden als das soziale Umfeld, das für die Wettbewerbschancen auf einem Marktsegment konstituierend ist, als Wirkungszusammenhang der Wettbewerbsfreiheit Teil der natürlichen Freiheit und damit vollumfänglich Teil des grundrechtlichen Schutzgutes. Soweit die Wettbewerbsbedingungen durch rechtliche Regelungen konstituiert oder mitbestimmt werden, nehmen auch sie am Grundrechtschutz mittelbar teil. Geschützt wird im Unterschied zu den bisher genannten Ansätzen jedoch nicht das Vertrauen bzw. das 386 387 388 389 390 391

Hecker, Wirtschaftsaufsicht, § 4 II 4 a). Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 203. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 202. BVerfGE 78, 179 (193); bereits früher schon BVerfGE 32, 1 (22). BVerfG NJW-RR 2001, 750. BVerfG NJW-RR 2001, 750 (751).

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Interesse in den Fortbestand einer Rechtsnorm, sondern die mit der Einbindung der natürlichen Freiheit in ein Sozialgefüge verbundene Entfaltungschance durch deren Fortbestand. Aus diesem Grund trifft sie auch die Kritik von Cornils nicht, der den rein formalen Ansatz der Normbestandsschutzlehre für „inhaltlich blind“ hält und materielle Anhaltspunkte zur Gewichtung des Bestandsschutzinteresses vermisst. 392 Das Abstellen auf den sozialen Kontext der Wettbewerbshandlung, der auch, aber nicht nur durch Normen konstituiert wird, lässt auch die Unterscheidung zwischen natürlichem und rechtlichem Können entfallen, die eine Privilegierung der Bewirkungsrechte verhindert. 393 b) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes durch Schutz des Wettbewerbsgefüges Die Einbeziehung von Wettbewerbschancen bzw. des Wettbewerbsgefüges in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit ermöglicht schließlich auch den zwanglosen Einbezug der Wechselwirkungen von Eigentumsrechten in Form des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, deren Anerkennung im Rahmen der Eigentumsgarantie bislang keine ausreichende Unterstützung erfahren hat. 394 Wie bereits ausgeführt, besteht ein Großteil des Mehrwerts der Zusammenfassung in einem Unternehmen gerade in den Erwerbsaussichten, die der unternehmerischen Gesamtheit am Markt zugemessen werden. Solange die Realisierung dieses Mehrwertes aber noch keine gesicherte Stellung erfahren hat, verbietet sich dessen Berücksichtigung innerhalb der Eigentumsgarantie. Das muss allerdings nicht zu den konstatierten und zum Teil bedauerten Schutzlücken führen. Denn verändert der Staat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb der der Gewerbebetrieb ausgeübt wird, und hat dies zur Folge, dass die Wettbewerbschancen des Unternehmens beeinträchtigt werden, so genießt das Unternehmen bzw. der Unternehmer den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Begründung des Grundrechtsschutzes eines Eigentumsverbandes bedarf es daher keiner Überdehnung der Eigentumsgarantie, sondern nur der bereits in Art. 12 Abs. 1 GG angelegten Berücksichtigung des staatlichen Einflusses auf Erwerbschancen, die auch durch die Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Gesamtgeflechts eines Unternehmens erfolgen kann. Denn der Mehrwert des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs manifestiert sich gerade in dessen erfolgreichem Auftreten am Markt. 392

Cornils, Ausgestaltung, S. 537, 540 f. Dazu Cornils, Ausgestaltung, S. 536 ff.: Sie entstünde rein technisch, wenn bereits beim Erlass des einfachen Gesetzesrechts gegenläufige grundrechtliche Prinzipien durch Abwägung berücksichtigt worden sind, der Bestand der so ermittelten gesetzlichen Lösung aber im Rahmen der Eingriffsabwehr zusätzlichen materiellen Schutz genießen würde, der rein „natürlichen“ Freiheiten verwehrt bliebe. 394 Vgl. dazu oben A.I.1.b)dd), S. 26 f. 393

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

3. Mögliche Einwände gegen die hier vertretene Konzeption a) „Kollektivistisches Denken“, das den Individualbezug der Grundrechte sprengt – Grundrechte als Selbstbestimmungsschutz Die Bedeutung des „Sozialbezugs“ hat auch Bäcker zutreffend in seiner Darstellung hervorgehoben, dabei allerdings keine Möglichkeit gesehen, diesen Kontextbezug in die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens mit einzubinden, wie sie herkömmlicherweise als Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG formuliert wird, wenn zur Prüfung gestellt wird, ob der Betroffene seinen Beruf noch wie gewünscht ausüben könne. 395 Die wirtschaftsbezogenen Grundrechte ließen sich losgelöst von ihrem sozialen Bezug gar nicht verstehen. 396 Dennoch will er diesen Sozialbezug nicht in der natürlichen Freiheit verankert wissen, die er nur in dem Verhalten des Unternehmers bestehen sieht. 397 Eng mit dieser Kritik ist der mögliche Einwand verbunden, der gemeinsame Schutzzweck alle Grundrechte sei der Schutz der Selbstbestimmung, 398 oder anders formuliert: der Schutz des Grundrechtsträgers vor Fremdbestimmung. Die Einwirkung auf das Umfeld des Grundrechtsträgers könne aber niemals eine solche Fremdbestimmung bewirken, da der Grundrechtsträger weiter autonom handeln könne. Zu Berechtigung eines individualistisch verstandenen Freiheitsgegenstandes, für den die Freiheit zur individuellen Willkür und kollektive Freiheitsausübung unvereinbar sind, wurde bereits mehrfach Stellung genommen. Es verbleibt auch in der hier vertretenen Ansicht bei dem Individualbezug der Grundrechte, die allerdings ein Verhalten schützen, das sich nicht in der Betrachtung des Individuums erschöpft, sondern individuelle Selbstbestimmung im interaktiven Zusammenwirken ermöglicht, die von der Fremdbestimmung des Interaktionspartners abzugrenzen ist. 399 Wer das hier erarbeitete Freiheitsverständnis als unvereinbar mit dem grundrechtlichen Leitmotiv des Schutzes vor Fremdbestimmung hält, würde diese Argumentationsfigur in einer Weise gegen die Grundrechte wenden, die zu einer Verengung des Grundrechtsschutzes führen und mit ihrem Entstehen nicht vereinbar wäre. Der Schutz vor (privater) Fremdbestimmung wurde als 395

Vgl. etwa BVerfGE 82, 209 (223) und die Darstellungen des ersten Teils. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 159. 397 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 99. 398 Vgl. Lindner, Theorie, S. 248 ff., der Teile seiner Theorie der Grundrechtsdogmatik auf diesem Leitbild aufbaut. 399 In der unzulässigen pauschalisierten Gleichsetzung der gemeinsamen Selbstbestimmung durch Vertragschluss mit der Fremdbestimmung des Vertragspartners liegt demzufolge auch der Schlüssel, mit dessen Hilfe anschließend der Schutzbereich verneint werden kann, da die Fremdbestimmung (ähnlich wie die Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter) nicht Gegenstand der individuellen Willkür sein könne, vgl. die Argumentation bei Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 100. 396

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grundrechtsrelevant erkannt, als mit sozialer (Verhandlungs-)Übermacht ausgestattete Private als potentielle Hindernisse für die Grundrechtsausübung ausgemacht wurden, die die an sich neutralen Instrumente des Privatrechts (verständlicherweise) in ihrem Sinne nutzten. Das BVerfG und die sich ihm anschließendem Stimmen in der Literatur nahmen diese Entwicklung zum Anlass, mit Hinblick auf den abwehrenden Telos der Abwehrrechte dem Staat die Schutzpflicht aufzuerlegen, eine Fremdbestimmung durch Dritte durch geeignete Gestaltung des Privatrechts bzw. dessen grundrechtskonformer Auslegung zu verhindern. Über diesen Zusammenhang darf aber nicht übersehen werden, dass Dritte eben nicht nur Hindernisse, sondern auch Mittel der Freiheitsausübung sein können. Greift der Staat auf diese Mittel zu, beeinträchtigt er die Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers, seine Freiheit im Zusammenspiel mit Dritten in der gewünschten Weise auszuüben. 400 Es handelt sich dabei um eine Selbstbestimmung im Kollektiv, 401 die für eine Vielzahl von Grundrechten wesensnotwendig sind, insbesondere für die Anbietergrundrechte des Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 GG, die zur Ausübung einen Vertragspartner voraussetzen. Die Gefahren einer Gleichsetzung des Grundrechtschutzes mit der Selbstbestimmung wird bei Lindner 402 deutlich, wenn er ausführt, der Wettbewerb sei „einer individuellen, selbstbestimmungsbezogenen Rechtsposition im Grunde gar nicht zugänglich“, weil der Markt für den einzelnen Wettbewerbsteilnehmer mit Ausnahme seines eigenen Beitrags nicht steuerbar ist. Ein Interesse sei aber nur dann grundrechtlich geschützt, wenn es kraft eigener Umsetzungskompetenz realisierbar sei. Warum der Staat aber von seiner Rechtfertigungslast gerade deswegen frei werden soll, weil er im Gegensatz zum privaten Wettbewerbsteilnehmer kraft seiner Übermacht die Wettbewerbsbedingungen verändern und damit kooperative Vertragspartner abschrecken kann, bleibt schleierhaft – gerade der Schutz vor staatlicher Übermacht und der damit einhergehenden Fremdbestimmung (nur vermittelt über die Wettbewerbsbedingungen) ist Sinn und Zweck der Grundrechte. Das „Paradigma“ 403 des Grundrechtsschutzes als Selbstbestimmungsschutz würde schließlich auch zu dem seltsam anmutenden Ergebnis führen, dass (nur) der marktmächtige Teilnehmer bzw. der den Preis diktierende 400 Lindner, Theorie, S. 249 f.: „Auch die Unterstützung, Mitwirkung oder mindestens Duldung durch Dritte [...] sind als Ausdruck der Selbstbestimmung grundrechtsgeschützt.“; vgl. auch Roth, Faktische Eingriffe, S. 163, der zum natürlichen Können einer Person auch die Interaktion mit Dritten zählt. 401 Anders Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, Fn. 357 (unter Verweis auf Lindner, Theorie, S. 249 f.); das gelte nur für den Fall, dass diese Dritte willens und auch ohne den Staat in der Lage seien, mit dem Grundrechtsträger zusammenzuwirken, was hier [im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit?] nicht der Fall sei. Dabei liegt in dem Austausch von Gütern der typische Fall des einvernehmlichen, autarken Zusammenwirkens mehrerer Personen, so dass sich die Aussage Bäckers nicht weiter erhellt. 402 Lindner, Theorie, S. 260 f. 403 Lindner, Theorie, S. 260.

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Monopolist den Grundrechtsschutz selbst für den Erfolg im Wettbewerb heranziehen könnte, weil er den Inhalt der Verträge faktisch einseitig bestimmen kann. Hingewiesen werden soll abschließend noch auf die Widersprüchlichkeit der Argumentation Bäckers in seiner Interpretation der Glykolrechtsprechung, die einerseits die Einbeziehung des Sozialbezugs in die natürliche Freiheit als Ausdruck eines problematischen Effektivitätsdenkens kritisiert, 404 gleichzeitig aber wegen der als unzureichend empfundenen „individualistischen Perspektive“ 405 eine Ergänzung der natürlichen Freiheit um eine „soziale Freiheit“ vorschlägt, deren einzige Abweichung in ihrer Fähigkeit zur Normprägung und damit der leichteren Einschränkbarkeit besteht. Damit wird mit der einen Hand gegeben, was mit anderen genommen wird, obwohl sich die grundlegende Kritik der angeblichen ergebnisorientierten Bejahung des Schutzbereichs in gleicher Weise auf die Postulation einer „sozialen Freiheit“ bezieht, die ja nach Bäcker gerade Schutzbereichsdefizite verhindern soll. 406

b) Zurechnungsprobleme Auch die Gefahren, die Bäcker im Fall der Einbeziehung der Erfolgschance 407 bzw. des sozialen wie wirtschaftlichen Kontextes 408 wegen der seiner Ansicht nach unvermeidlichen Zurechnungsprobleme auftreten sieht, bestehen nicht. Wenn die Beständigkeit des Ordnungssystems normativ in die Gewährleistung des Freiheitsgegenstands der natürlichen Freiheit aufgenommen wird, sind gerade keine weiteren Zurechnungskriterien notwendig, deren Tauglichkeit im Einzelfall zweifelhaft sein kann. Denn aus der Störung des Ordnungszusammenhangs folgt nach der hier vertretenen Ansicht der Eingriffscharakter, ohne dass es einer weiteren Relation zu dem Verhalten des Unternehmers bedürfte. Richtig ist zwar, dass es für die Feststellung eines Eingriffs in die Ordnungsbeziehungen mit Rückwirkungen auf die Erfolgschance des Unternehmers einer Analyse der Wirkungsweise des Wettbewerbs bedarf. Damit ist aber mitnichten das Hereinlesen einer bestimmten sozialen Ordnungsvorstellung verbunden, sondern schlicht die Prüfung einer kausalen Nachteilszufügung auf der Grundlage einer ökonomischen Analyse des bestehenden sozialen Systems. Im Regelfall liegt der staatliche Einfluss auf die Erfolgschancen daher auf der Hand. 409 Damit ist aber nicht gesagt, dass jede staatliche Maßnahme noch spürbare faktische Folgen 404

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 100. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 98. 406 Vgl. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 99: „Dass die Berufsfreiheit zwingend auf einen sozialen Zusammenhang angewiesen ist, spricht auch zwingend dafür, diesen sozialen Zusammenhang grundrechtlich zu schützen.“ 407 Dafür auch DiFabio, JZ 1993, 689 (694); Erichsen, JURA 1994, 385 (387). 408 Vgl. Gubelt, in: Münch / Kunig, GG, Art. 12, Rn. 43: Möglichkeit der Verwirklichung sozialen Kontaktes im Berufsbereich als notwendige Ergänzung der Berufsfreiheit. 405

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für den Grundrechtsträger nach sich zieht. Die Prüfung solcher Folgewirkungen bedarf allerdings keiner juristischen, 410 sondern vielmehr einer ökonomischen Analyse, die in vielen Fällen ergeben wird, dass die staatliche Einwirkung keinen nachvollziehbaren Einfluss auf das konkrete wirtschaftliche Ordnungsgefüge des Grundrechtsträgers hat. c) Staatliche Lähmung durch Einbezug von „Grundrechtsvoraussetzungen“ Das gewichtigste und meist im Zusammenhang mit der Eingriffsprüfung vorgebrachte Gegenargument besteht wohl in dem Einwand, dass die Vielgestaltigkeit der Folge- und Nebenwirkungen staatlichen Handelns auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld kein striktes Unterlassungsgebot nach sich ziehen dürfe, um das staatliche Handeln nicht gänzlich zu lähmen. 411 Es bestehe daher nur ein Verfassungsauftrag zur Sicherung der angemessenen Ausübungsvoraussetzungen, im Übrigen ziehe der Staat die Grenze zum allgemeinen Lebensrisiko selbst. 412 Der Einwand der lähmenden Wirkung auf das staatliche Handeln lässt sich mit dem ebenso bekannten Gegeneinwand begegnen, dass das Bestehen einer grundrechtlichen Rechtfertigungslast in all denjenigen Fällen kein Hindernis darstellt, in denen dem Staat – wie im Regelfall – ausreichende Gemeinwohlgründe zur Rechtfertigung seines Verhaltens zur Seite stehen. 413 Einzig in der verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenklage mit ihrer aufschiebenden Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO gereicht schon die Prüfung der Ansprüche zum Nachteil. In diesen Fällen scheint es jedoch möglich, die Klagebefugnis wegen der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Eingriffs immer dann zu verneinen, wenn sich der Kläger nur gegen die Zulassung eines Konkurrenten wendet und keine weiteren Tatsachen vorträgt, die eine ihm günstige Abwägung aussichtsreich erscheinen lassen. Kann der Staat dagegen keine rechtfertigenden Gemeinwohlziele für sein 409 Albers, DVBl 1996, 223 (241) spricht daher zu Recht von einer Entlastung des Eingriffsbegriffs durch Einbezug des sozialen Kontextes der Berufsausübung. 410 So die Befürchtung von Jarass, NVwZ 1984, 473 (477 f.), der einem solchen Unterfangen skeptisch gegenüber steht. 411 Erichsen, JURA 1994, 385 (386); Friauf, DVBl 1971, 674 (681); Scherzberg, DVBl 1989, 1128 (1130); zurückhaltender Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 ff. (90, 97); sehr eingrenzend Roth, Faktische Eingriffe, S. 533 ff. Die damit heraufbeschworene Gefahr des „Abwägungsstaates“ sieht Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 71 als gegeben an. Kritisch zu dessen Leistungsfähigkeit auch Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 50 ff. 412 Vgl. Scherzberg, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 11, S. 338 f. m.w.N.; vgl. zur Abgrenzung des Lebensrisikos unter Rückgriffs auf den Schutzzweck der Grundrechte den Ansatz von Ramsauer, unten C.IV.2.b)ee)(2), S. 253 ff. 413 Vgl. z. B. die Aufzählung bei Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 61.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Handeln vorweisen, wird man die Lähmung des staatlichen (verfassungswidrigen) Handelns auch nicht bedauern müssen. Das birgt freilich die Gefahren, dass das Handeln mangels Rechtsgrundlage aus „formellen“ Gründen zu scheitern droht, wo der Staat in materiell-rechtlicher Hinsicht einzugreifen in der Lage wäre. 414 Das wiederum ist aber die Folge der Interpretation des rechtstaatlichen Gesetzesvorbehaltes, der damit in Wahrheit zum Gegenstand der Kritik gemacht wird. Wem aber die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes zu weit erscheint, der sollte mit seiner Kritik auch ausdrücklich dort ansetzen. 415 Ist das Anliegen berechtigt, dem Staat (ggf. zeitlich begrenzt) in Fällen der fehlenden (oder der nur sehr unbestimmten) temporären Regelungsfähigkeit eines Sachverhalts eine materiell-rechtlich nicht zu beanstandende Eingriffsregelung zu gestatten, bietet die verfassungsrechtlich gebotene Dichte des Gesetzesvorbehalts ausreichende Argumentationsspielräume, um eine Lähmung der Staatsgewalt zu vermeiden. Positiv zu erwähnen ist in dieser Hinsicht die jüngste Entscheidung des BVerfG, die das Bestimmtheitsgebot gewahrt sah, obwohl die materiellen Kriterien eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt nur aus der vagen Zwecksetzung des Gesetzes entnommen werden konnte. 416 Ähnlich steht es mit dem Argument der Kompetenzverschiebung weg von Legislative und Exekutive hin zur Letztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wenn zwar eine taugliche Rechtsgrundlage zur Verfügung steht, deren Wirksamkeit aber bis zur oft genug schwer vorherzusehenden Abwägungsentscheidung des BVerfG im Zweifel steht. Lassen sich sachliche Argumente finden, warum Exekutive und Legislative Freiräume bei der Entscheidung über die Regelung gesellschaftspolitischer Sachverhalte eingeräumt werden müssen, so bietet sich die dogmatische Figur der Rücknahme der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte an, die in Abhängigkeit der jeweiligen Materie zur Beschränkung auf eine reine Willkürkontrolle 417 führen kann. In tatsächlicher Hinsicht lässt die bislang praktizierte Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ausreichend Gestaltungsfreiheit für das Handeln auf Basis ungesicherter Faktenlage. 418 414

Vgl. Roth, Faktische Eingriffe, S. 533 ff.; Scherzberg, DVBl 1989, 1128 (1130). So z. B. Roth, Faktische Eingriffe, S. 512 ff. mit ausführlichen Nachweisen, der gegen die ausnahmslose Geltung des Gesetzesvorbehalts Stellung bezieht, wo Grundrechtskollisionen aufgelöst werden müssen; ähnlich Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 250 ff., 322 ff., der nur eine Rechtssetzungsprärogative, aber kein Rechtssetzungmonopol des Gesetzgebers bejaht. 416 BVerfG DVBl 2009, 1440 ff. mit Anm. Achatz. 417 Vgl. etwa BVerfGE 30, 292 (317); 37, 1 (20); 40, 196 (223) und BVerfGE 50, 290 (332): „In Abhängigkeit von dem zu regelnden Sachbereich und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter können hierbei differenzierte Maßstäbe zur Anwendung kommen, die von einer Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen.“ 415

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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Die gänzliche Rücknahme der (verfassungs-)gerichtlichen Prüfungskompetenz durch schlichte Ausgrenzung aus dem Rechtfertigungsbereich (sei es durch Verneinung des Schutzbereichs oder des Eingriffs) führt dagegen zu einer Überkompensierung der geäußerten Kritik an der falschen Stelle. Die Möglichkeit der Rechtfertigung ist mitnichten nur eine Rücknahme des Schutzes, die zwangsweise aus einer weiten Schutzbereichsfassung zu folgen habe. Denn der Wert des Gesetzesvorbehaltes besteht neben der materiellen Kontrolle schließlich auch in der formalen Möglichkeit der Überprüfung des staatlichen Handelns, der unabhängig von der anschließenden möglichen Rechtfertigung einen Wert an sich bildet, zumal sie den Staat zu einer Analyse seiner Motivation zwingt und damit gesetzgeberischen Schnellschüssen vorbeugt. 419 Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass die Berücksichtigung des sozialen Kontextes der Wettbewerbsteilnahme keine Folge einer undifferenzierten Ergebnisorientierung zur Maximierung des Schutzbereichs ist, sondern dem Versuch entspringt, Grundrechtschutz und reale Freiheitsausübung soweit wie möglich zur Deckung zu bringen. Den Grundrechtschutz entgegen dieser Einsicht seiner sozialen Bezüge zu entkleiden, hieße seinerseits, den Grundrechtsschutz aus ergebnisorientierten Gründen 420 zu Gunsten einer vermeintlich gebotenen Effektuierung der staatlichen Regelungsbefugnis zu reduzieren. 421 d) Schutz vor Wettbewerb? Wenn sämtliche Einflüsse des Staates auf das Wettbewerbsgefüge mit Rückwirkungen auf die Wettbewerbschancen des Einzelnen als grundrechtsrelevant eingestuft werden, dann hat das zur Folge, dass auch die Zulassung von Konkurrenten rechtfertigungsbedürftig wird, weil sie ggf. in die Wettbewerbsfreiheit der bereits ansässigen Wettbewerbsteilnehmer eingreift. Dieses auf den ersten Blick befremdliche anmutende Ergebnis könnte gegen die hier vertretene Konzeption sprechen. Denn zum einen entspricht das objektive Leitbild des Art. 12 Abs. 1 GG gerade dem „freien, unreglementierten“ Wettbewerb. 422 Zum anderen resultiert die staatliche Zurechnung nur aus dem Umstand, dass die Ausübung der 418

Vgl. nur BVerfGE 50, 290 (332); 77, 84 (106). Kritisch wegen der fehlenden Vorhersehbarkeit allerdings Roth, Faktische Eingriffe, S. 529 f. 419 Vgl. zur Funktion des Gesetzesvorbehalts auch Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 217 f. 420 Vgl. die Darstellung von Jarass, NVwZ 1984, 473 (474), der die Argumente der Gegner eines Gesetzvorbehalts im Rahmen der Subventionierung von Konkurrenten zusammenfasst; Gegenargumente bringt zutreffend Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 241 ff. 421 Die Bedenken gegen die Ausweitung des Grundrechtsschutzes werden daher zu Recht von Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 31 f. und Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 73 ff. nicht geteilt, die jede Betroffenheit des Einzelnen bei seiner beruflichen Betätigung ausreichen lassen. 422 Vgl. nur Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 80.

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B. Das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit

Tätigkeit – ihrerseits in rechtfertigungsbedürftiger Weise – ausnahmsweise aus Gründen des Gemeinwohls einem Genehmigungserfordernis unterzogen wurde. Wäre das nicht der Fall, entfiele der staatliche Anknüpfungspunkt. 423 Dann aber könnte es willkürlich erscheinen, dem Staat die Verantwortung für die private Nachteilszufügung nur deswegen zu übertragen, weil er z. B. zum Schutze Dritter vor Gesundheitsschäden eine Erlaubnispflicht statuiert hat, die nicht dem Schutz der Konkurrenten dienen sollte. Gerade der fehlende Eingriffscharakter der staatlichen Untätigkeit bzw. Unterlassens, bei der über den Wettbewerb vermittelte Nachteile tatsächlich ausschließlich auf privater Konkurrenz beruhen, zeigt zunächst, dass auch nach der hier vertretenen Ansicht nicht per se die bereits vorhandenen Marktteilnehmer vor Konkurrenz geschützt werden sollen. Denn durch die auch grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG nachvollzogene Statuierung des freien Wettbewerbs kommt deutlich zum Ausdruck, dass die ausschließlich dem freien Wettbewerb immanenten Risiken von den Teilnehmern hinzunehmen sind. An diesen Grundfesten rüttelt auch das hier vertretene Verständnis nicht. Auf staatlich nicht regulierten Wettbewerbssegmenten können sich Wettbewerber daher allenfalls auf staatliche Schutzpflichten berufen, die ein Minimum an Lauterkeitsrechten fordern. Im Übrigen trifft den Staat keine Verantwortung für durch den Wettbewerb vermittelte Nachteile. Entschließt er sich jedoch zur Gestaltung des Wettbewerbs, in dem er Ordnungsvorgaben setzt, auf die sich die Wettbewerber zwangsweise einlassen müssen, bleibt er für diese Ordnungsvorgaben verantwortlich – und damit auch für Nachteile, die infolge einer Veränderung dieser Ordnungsvorgaben eintreten. Der Schutz vor der Zulassung neuer Konkurrenz lässt sich dann aber auch nicht mit dem plakativen Argument verneinen, die Berufsfreiheit schütze doch gerade den „freien“ Wettbewerb. In subjektiv-rechtlicher Hinsicht schützt Art. 12 Abs. 1 GG zunächst nicht den Wettbewerb als tatsächliche Erscheinung, sondern die freie Berufsausübung der Wettbewerbsteilnehmer. Auch wenn man den Wettbewerb als objektiv-rechtliche Manifestation der freien Wettbewerbsausübung geschützt sieht, kann durch diese objektiv-rechtliche Dimension, die aus der subjektiv-rechtlichen Dimension abgeleitet worden ist, jedenfalls keine Einschränkung der prima-facie Reichweite des subjektiven Rechts gefolgert werden. In der Sache werden die Einflüsse der Betätigung der Konkurrenz auf die 423 Denn das Nichteingreifen des Staates gegenüber Konkurrenten begründet keine Verantwortung für die Nachteile, die infolge der privaten Konkurrenz entsteht; anders allerdings Schwabe, Drittwirkung, S. 154: Privatrechtliche Eingriffe in Freiheitsbereiche gingen stets von der Rechtsmacht des Staates aus; weitergehend noch Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 92 ff.; ders., NVwZ 1986, 611 (612): „Private Eingriffe [...], die der Gesetzgeber zu verbieten unterlässt, hat er bereits erlaubt“ – mit der Folge, dass er nach Murswieks Ansicht auch hier in der Verantwortung steht. Dagegen zutreffend Koch, Drittbetroffenheit, S. 377 f.

IV. Wettbewerbsfreiheit als natürliche (Interaktions-)Freiheit

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eigene wettbewerbliche Betätigung auch nur deshalb ausgegrenzt, weil sie sich als Verwirklichung der Wettbewerbsfreiheit Dritter darstellen, die sich ebenfalls auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können. Dieser Befund ist in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik jedoch keine Seltenheit. Nach herrschender und vorzugswürdiger Meinung werden derartige Kollisionen aber im Allgemeinen im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz auf der Rechtsfertigungsebene und nicht durch enge Schutzbereichsfassungen aufgelöst. 424 Es besteht weder Anlass für eine dogmatische Sonderrolle der Wettbewerbsfreiheit, noch lässt sich eine überzeugende Begründung finden, warum bei der Prüfung der Berufsfreiheit von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte. Das Grundrecht der Berufsfreiheit stellt zwar eine Besonderheit dar, weil es die private Nachteilszufügung in Form der konkurrierenden Wettbewerbstätigkeit auch als objektiven Grundrechtsinhalt schützt. Das muss aber nicht bedeuten, dass über den Wettbewerb vermittelte Nachteile auch in all den Fällen für unbeachtlich erklärt wird, in denen der Staat durch frühere Ingerenz die Verantwortung für die Integrität des bestehenden Systems trägt. Schließlich besteht auch im Ergebnis kein „Schutz“ vor Wettbewerb, weil die Abwägung der konkurrierenden Positionen im Regelfall ergeben wird, dass das Interesse an Bestandsschutz zumindest nach einer Übergangszeit dem Interesse an freier wirtschaftlicher Betätigung weichen muss. Die Ausgrenzung der Einflüsse aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit führt jedoch zu einer unnötigen Präformierung des Schutzbereichs, die in vielen Fällen durch BVerwG und BVerfG wieder aufgegeben worden ist. 425

424

Vgl. nur Manssen, Staatsrecht I, Rn. 255 ff., insbesondere Rn. 259 m.w. N. Vgl. etwa. BVerfGE 55, 261 (269) zur Verleihung von akademischen Titeln an Konkurrenten, die Kontroversen um den Eingriffscharakter der staatlichen Subventionierung von Konkurrenten oder der sonstigen Vorenthaltungen von staatlichen Leistungen; dazu ausführlich Huber, Konkurrenzschutz, S. 383 ff., aus verfassungsprozessualer Sicht Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein, BVerfGG, § 90, Rn. 359 sowie die oben unter A.II.3, S. 71 ff. erläuterten Entscheidungen des BVerfG. 425

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit konkretisiert worden ist, soll jetzt die Dogmatik der Eingriffsprüfung näher durchleuchten werden. Auf die unterschiedlichen Funktionen, die die „Berufsbezogenheit“ oder die „berufsregelnde Tendenz“ in der Rechtsprechung des BVerfG ausübt, wurde bereits an früherer Stelle eingegangen. 1 Damit ist jetzt der Weg geebnet für eine nähere Analyse der Anwendung der „Berufsbezogenheitsformel“, die trotz der vielfach geäußerten Kritik an ihrer vermeintlichen „Leerformelhaftigkeit“ die tägliche Entscheidungspraxis des BVerfG seit Jahrzehnten weitgehend bestimmt. Da es angesichts der Beständigkeit der alle Angriffe überdauernden Formel wenig aussichtsreich erscheint, sie durch Alternativen vollständig abzulösen, scheint es im Hinblick auf die künftige Handhabung der Eingriffsprüfung angebracht, die bisherigen Schwächen der Eingriffsprüfung innerhalb der tradierten Formel aufzuarbeiten und dabei die bisher gewonnenen Erkenntnisse einfließen zu lassen.

I. Die unmittelbare Berufsausübungsregelung 1. Bedeutung (-verlust) der Formel innerhalb der Eingriffsprüfung In seinen frühen Entscheidungen orientierte sich das BVerfG noch an dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Im Vordergrund stand dabei der Schutz gegen Berufsausübungsregelungen im wörtlichen Sinne: Art. 12 Abs. 1 GG komme als Maßstabsnorm in aller Regel nur für solche Bestimmungen in Betracht, die sich gerade auf die berufliche Betätigung bezögen und diese unmittelbar zum Gegenstand hätten. 2 Mit der Einstufung einer Regelung als unmittelbare Berufsausübungsregelung wird gleichzeitig der Eingriffscharakter der Regelung bejaht. Andernfalls prüft das BVerfG, ob der Regelung zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz zukommt und sie im engen Zusammenhang mit der Berufsausübung steht. 3 Die Unmittelbarkeit wird in diesem Fall als Zurechnungsnorm verstanden, die an die Stelle des klassischen Eingriffsbegriffs tritt. Aufgrund der 1 2

Vgl. oben A.I.2.c), S. 36 ff. Ehemals st. Rspr. seit BVerfGE 13, 181 (185) – Schankerlaubnissteuer.

I. Die unmittelbare Berufsausübungsregelung

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im Folgenden noch näher darzustellenden Unsicherheit bei der Beurteilung der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme ist es für die Fallprüfung oft von entscheidender Bedeutung, ob eine gesetzliche Regelung als unmittelbare Berufsausübungsregelung interpretiert wird oder nicht. 4 Allerdings hat das BVerfG in jüngerer Zeit die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Berufsausübungsregelung in der Tendenz verwischt, wenn nicht gar aufgegeben. 5 Das mag Folge einer insoweit konsequenten Entwicklung sein, als sie der Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen auf der Rechtfertigungsebene keine Bedeutung mehr beimisst. 6 Der Bedeutungsverlust der Figur der unmittelbaren Berufsausübungsregelungen lässt sich auch daran messen, dass Argumentationsstrukturen, die früher bei der Prüfung einer unmittelbaren Berufsausübungsregelung zu finden waren, nun bei der Prüfung der berufsregelnden Tendenz angesiedelt werden. Aus dogmatischer Sicht wäre der Bedeutungsverlust bedauerlich, wenn und soweit die Unterscheidung grundsätzlich geeignet war, die Eingriffsprüfung rationaler zu gestalten und eine plausible Grundlage für das Ausmaß des gesetzlichen Spielraums zu schaffen. Ob dieser Rationalitätsgewinn erreicht wurde oder durch konsequente Handhabung zu erreichen ist, wird noch zu untersuchen sein. Doch entspricht es den „Vorverlagerungs-Tendenzen“ des BVerfG der letzten Jahre, wenn Argumente, die einst nur zur Begründung einer höheren Belastungsgrenze herangezogen wurden, nun bereits zur Verneinung eines Eingriffs herangezogen werden.

3 Vgl. nur Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 85 mit weiteren Nachweisen und die Darstellung im Folgenden. 4 Vgl. allerdings zu den Möglichkeiten, die die Auslegung der Gesetzesnorm für die Annahme einer unmittelbaren Berufsregelung bietet, den Argumentationsgang des BVerfG in den Entscheidungen oben unter A.II.3.b), S. 80 ff. 5 Vgl. BVerfGE 111, 191 (213) – Notarkassensatzung: „Der Schutz des Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen [unmittelbaren oder mittelbaren? A. A.] Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Die Berufsfreiheit ist aber dann berührt [aber wie berührt? Unmittelbar oder mittelbar? A. A.], wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben.“ 6 So das BVerfG in ehemals ständiger Rechtsprechung: „Bei der Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe ist im vorliegenden Falle zu beachten, daß die beanstandete Regelung keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter hat, sondern anderen Aufgaben dient, und daß daher vorwiegend Interessen anderer Personenkreise berührt werden. In solchen Fällen gebührt dem Gesetzgeber ein weiterer Raum der Beurteilung und Gestaltung als in denjenigen unmittelbarer Regelung.“ (BVerfGE 46, 120 (145)). Die Einstufung als unmittelbare Berufsausübungsregelung hatte damit Rückwirkungen auf die Eingriffs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

2. Beurteilung der Unmittelbarkeit Ein Rationalitätsgewinn (ggf. auch auf Ebene der daran anknüpfenden Verhältnismäßigkeitsprüfung oder aber der Dichte des Gesetzesvorbehalts) geht mit der Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Berufsausübungsregelung aber nur dann einher, wenn dem Begriff der Unmittelbarkeit gleichzeitig ein ausreichendes Maß an Unterscheidungskraft innewohnt, was in dem tatsächlichen Gebrauch der Formel nicht immer der Fall war. a) Enges wörtliches Verständnis Den unmittelbaren Bezug zu der beruflichen Betätigung sah das BVerfG namentlich (und anfangs sogar ausschließlich) bei solchen Vorschriften gegeben, die in Form von Zulassungsvoraussetzungen die Ausübung eines Berufes bei ihrem Beginn oder bei ihrer Beendigung regeln oder die als so genannte reine Ausübungsregelungen die Art und Weise bestimmten, wie die Angehörigen eines Berufsstandes ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben. 7 An dieses Verständnis knüpft das BVerfG auch in seinem „Festbetragsurteil“ wieder an, wenn es die Verpflichtung zur Aufklärung der Patienten über die (fehlende) Übernahme der Kosten durch die Gesetzliche Krankenversicherung und die Pflicht zur Verschreibung von wirtschaftlichen Medikamenten als Eingriff in die Behandlungsfreiheit der Ärzte einstuft. 8 Denn dabei handelt es sich um einen unmittelbaren rechtlichen Zugriff auf die Art und Weise der Behandlung der Patienten, die den Kern der ärztlichen Tätigkeit berührt. Das gleiche Verständnis liegt auch der Entscheidung zur Abführung der Kapitalertragssteuer durch Bankinstitute zugrunde. Die durch das Gesetz statuierte Handlungsverpflichtung stelle zwar eine Berufsausübungsregelung dar. Allerdings habe die Verpflichtung die Berufsausübung nicht unmittelbar zum Gegenstand bzw. beziehe sich nicht auf sie, weil sie nicht die Art und Weise der Durchführung von Bankgeschäften regelten. 9 Zu den Bankgeschäften zähle u. a. die Entscheidung über die Anlage der verwalteten Gelder und die Rücküberweisung auf das Kundenkonto, nicht aber die Überweisung auf das Konto des Finanzamtes. Schließlich soll auch die gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung im Falle der Inanspruchnahme bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen (bezahlter Bildungsurlaub) die Arbeitgeber nur mittelbar dadurch treffen, dass ihnen zusätzliche Freistellungs- und Kostenlasten aufgebürdet werden. 10 7 BVerfGE 13, 181 (185). Die Unmittelbarkeit entspricht hier also nicht dem typischen Gebrauch im Rahmen des Eingriffsbegriffes, bei der auf die Länge der Kausalkette Bezug genommen wird, dazu noch unten C.IV.2.b)aa), S. 246 f. 8 BVerfGE 106, 275 (304). 9 BVerfGE 22, 380 (384).

I. Die unmittelbare Berufsausübungsregelung

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Dieses enge Verständnis der unmittelbaren Berufsausübungsfreiheit erleichtert die Entscheidung auf der ersten Prüfungsebene. Strittig kann nur sein, ob bestimmte Betätigungen, an die gesetzliche Forderungen geknüpft werden, im Einzelfall zur beruflichen Tätigkeit zu zählen sind oder erst anlässlich der Berufsausübung durch das Gesetz geschaffen werden. Denn nicht in allen Berufen wird ein Kanon berufstypischer Handlungen klar zu fixieren sein. So können z. B. bestimmte gesundheitspolizeiliche Anordnungen für die Lagerung von Lebensmitteln in einer Gaststätte als rechtliche Normierung der Durchführung der Bewirtung verstanden werden. Ein wenig spitzfindig ließe sich allerdings auch hier argumentieren, die Bewirtung beschränke sich nur auf die Zubereitung der Speisen und die insoweit notwendigen Lagermöglichkeiten; die Verpflichtung zur Anschaffung eines kostspieligen Kühlsystems betreffe dagegen nicht die Durchführung der Bewirtung. Im Klaren sein sollte man sich aber über die Folgen eines so engen Verständnisses: weil eine unmittelbare Berufsregelung dann fast nie vorliegen wird, wird die Prüfung auf die berufsregelnden Tendenz verlagert, was im Ergebnis häufiger zu einer Verneinung des Grundrechtschutzes aus Art. 12 Abs. 1 führt. b) Finales Verständnis Diese in den Urteilen des BVerfG meist nicht näher problematisierten Abgrenzungsfragen wurden in späteren Urteilen dadurch vermieden, dass die Unmittelbarkeit auch mit der Zwecksetzung des Gesetzes verbunden wurde. Manssen spricht insoweit zu Recht von einer „subjektiven berufsregelnden Tendenz“ einer Regelung. 11 So verneint das BVerfG in seiner Entscheidung zum Fernmeldemonopol eine unmittelbare Berufsausübungsregelung, weil der Gesetzgeber nicht „gezielt“ in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer eingegriffen habe, sondern eine Benutzungsregelung für das Telefonnetz schaffen wollte, ohne dabei allerdings die wirtschaftlichen Folgewirkungen im Blick zu haben. 12 In einem anderen Fall führt es aus, der restriktive Einlass von Jugendlichen in Diskotheken diene den Zwecken des Jugendschutzes und habe daher keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter. 13 Auch die gesetzliche Reduktion des Herstellerabgabepreises von Arzneimitteln in den Beitrittsländern nach der Wiedervereinigung um 55% stuft das BVerfG 14 offenbar nicht als unmittelbare Berufsausübungsregelung ein, da es die objektiv berufsregelnde Tendenz zur Eingriffsbegründung heranzieht. Hintergrund war hier wohl auch, dass die Regelung ausdrücklich der Vermeidung von Defiziten bei den Arzneimittelausgaben 10 11 12 13 14

BVerfGE 77, 308 (332). Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 73. BVerfGE 46, 120 (137). BVerfGE 52, 277 (282). BVerfG DVBl 1991, 205 ff.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

der Krankenversicherung dienen sollte. Gerade das letzte Beispiel macht deutlich, dass die Finalität einer Maßnahme als Differenzierungskriterium zwischen einer unmittelbaren und mittelbaren Ausübungsregelung nur bedingt geeignet ist. Die gesetzliche Bestimmung des Abgabepreises 15 bedeutet einen unmittelbaren Eingriff in die Preisgestaltung des Unternehmens, die seit jeher als Teil der unternehmerischen Freiheit bzw. Vertragsfreiheit begriffen wurde. 16 Die Art und Weise der Durchführung eines Berufs findet ihren bestimmungsgemäßen Ausgangspunkt in der freien Entscheidung über das Entgelt, das für die Ausübung am Markt verlangt wird. Auch ein enges, wörtliches Verständnis der Berufsausübungsregelung müsste rechtliche Eingriffe in die Preisgestaltung als unmittelbare qualifizieren, ohne dass es der Prüfung einer berufsregelnden Tendenz noch bedürfte. Ersetzt man dagegen den Begriff der unmittelbaren Berufsausübungsregelung durch ein finales Verständnis, dann kommt diesem Begriff in der Tat keine Weichen stellende Bedeutung mehr zu. Die kombinierte Anwendung des finalen Verständnisses mit einer am Wortlaut orientierten Auslegung kann aber eventuell in den Fällen zur Erhellung beitragen, in denen die gesetzliche Regelung bewusst an der berufsmäßigen Ausübung einer Tätigkeit anknüpft, ohne jedoch klar berufstypische Handlungen zu normieren. Will der Gesetzgeber in solchen Fällen Gefahren begegnen, die gerade aus der berufsmäßigen Ausübung einer Tätigkeit resultieren, dann spricht viel für die Annahme einer unmittelbaren Berufsausübungsregelung. c) Kausales Verständnis Daneben lässt sich in den Urteilen des BVerfG eine Interpretation finden, mit der „Unmittelbarkeit“ im Sinne des Setzens der letzten Ursache, also der unmittelbaren Kausalität der Maßnahme für die beschränkende Wirkung verstanden wird. Ein Beispiel bildet die Entscheidung des BVerfG zum Arbeitsförderungsgesetz. Bei Anwendung eines am Gesetzeszweck orientierten Verständnisses müsste eine unmittelbare Berufsausübungsregelung bejaht werden, denn die Norm wendet sich ganz ausdrücklich an die Arbeitgeber und will sie zu einem bestimmten Verhalten in der beruflichen Sphäre bewegen: 15 Die Preisbestimmung betraf allerdings nur das Beitrittsgebiet und dieses auch nur in der Form, dass der „Ost-Preis“ 55 % des „West-Preises“ betragen durfte. Die Hersteller waren also jeweils nicht gehindert, in einem der beiden Gebiete ihre Preise frei festzusetzen, während sich der Preis in jeweils anderen Gebiet daran orientieren musste. Das BVerfG verweist die Hersteller im Rahmen von Art. 14 GG allen Ernstes darauf, sie könnten ihren Endpreis im alten Bundesgebiet ja um das 2,22-fache erhöhen, um im Beitrittsgebiet ihren Marktpreis beizubehalten. Die Wettbewerbsnachteile seien dann Folge ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung. 16 So auch BVerfGE 68, 193 (216); 114, 196 (244).

I. Die unmittelbare Berufsausübungsregelung

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„Die zur Prüfung gestellte Norm [verfolgt] – wie die Materialien ergeben und die Bundesregierung nochmals dargelegt hat – in erster Linie das Ziel, die Arbeitgeber zu veranlassen, ihre älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich bis zur Altersgrenze des 63. Lebensjahres, die für den Beginn des flexiblen Altersruhegeldes maßgebend ist, zu beschäftigen und nicht in die Arbeitslosigkeit mit anschließender Frühverrentung zu entlassen.“ 17

Versteht man, wie eben dargelegt, die Möglichkeit zur freien Entscheidung über Anstellungsverhältnisse als Inhalt der Berufsausübung „Unternehmensleitung“, würde auch ein wörtliches Verständnis für eine unmittelbare Berufsausübungsregelung sprechen. Das BVerfG stuft sie dennoch (in einem Halbsatz ohne weitere Begründung) als mittelbare Berufsausübungsregelung ein. Hintergrund ist wohl auch, dass die gesetzliche Regelung die Kündigung langjähriger Arbeitnehmer nicht untersagt, sondern nur finanziell unattraktiver macht. Die letzte Ursache setzt damit der Arbeitgeber aus eigener unternehmerischer Entscheidung. In gleicher Weise argumentiert das BVerfG im Falle der Versagung der Aufnahme in den Landeskrankenhausplan: 18 Ein Eingriff liege vor, wenn der Beruf aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne. Eine solche Folge sei aber mit der Entscheidung nicht unmittelbar verbunden, sie bestehe nur in der Verweigerung staatlicher Subventionen für die Investitionskosten des Krankenhauses. 19 Die hier auftretende Verwendung des Unmittelbarkeitskriteriums deckt sich also mit der des klassischen Eingriffsbegriffs. d) Weite tatbestandliche Anknüpfung an berufsmäßige Ausübung Ob mit dem engen wörtlichen Verständnis das Wirtschaftsleben zeitgemäß abgebildet werden kann, ist sehr fraglich. Als Beispiel mag die Verpflichtung zur Einrichtung eines Pausenraums für Angestellte eines Restaurants dienen. Die Verpflichtung knüpft dann zwar immer noch an die „Art und Weise der Durchführung“ an, da erst durch den Betrieb eines Restaurants die Notwendigkeit der Beschäftigung von Angestellten entsteht, deren Arbeitsbedingungen geschützt werden sollen. Mit der Bewirtung im eigentlichen Sinne hat die Einrichtung eines Pausenraums dagegen nichts mehr zu tun. Im weiteren Sinne ließe sich allerdings schon von einer unmittelbaren Berufsausübung sprechen, da sie tatbestandlich an die berufsmäßige Ausübung der Bewirtung gekoppelt ist und wegen der auferlegten Verpflichtungen das „Erscheinungsbild“ der Berufstätigkeit maßgeblich prägt. Und gerade im Falle der Arbeitnehmerfortbildung erscheint 17 18 19

BVerfGE 81, 156 (189). BVerfGE 82, 209 ff.; vgl. zum Sachverhalt oben A.II.3.a)bb), S. 73 ff. BVerfGE 82, 209 (223).

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

es naheliegend, in der Verfügbarkeit der Arbeitnehmer und im Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ durchaus eine Gestaltung der Art und Weise der Berufstätigkeit von Arbeitgebern zu sehen. Denn der Betrieb eines Unternehmens besteht ab einer gewissen Größe nicht mehr in der eigenhändigen Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen, sondern in Management-Entscheidungen, die im nicht unerheblichen Maße davon geprägt sind, mit welchen Freistellungsund Kostenlasten Arbeitgeber belastet sind. Damit soll nicht einem engen Gestaltungsspielraum das Wort geredet werden. Die Frage nach dem Inhalt der „Ausübung“ des Berufs muss sich aber an der Wirklichkeit messen lassen. Es würde sich freilich nicht um Gestaltung der Art und Weise der Berufstätigkeit im einzelnen Fall handeln, da die Freistellungspflicht alle Arbeitgeber gleichermaßen trifft – und damit unabhängig von ihrem speziellen Betätigungsfeld. Da das „Unternehmensmanagement“, die Geschäftsführertätigkeit als Beruf aber branchenübergreifende Parallelen aufweist, betrifft die Freistellungspflicht die Berufsausübung der Unternehmensleitung in vergleichbarem Maße „unmittelbar“ wie Werbeverbote die Angehörigen bestimmter freier Berufe. In diese Richtung geht auch eine neuere Entscheidung des BVerfG zum Mutterschaftsgeld: 20 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 MuSchG berühre die Freiheit der Berufsausübung des Unternehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG, weil diesem zusätzliche Kostenlasten aufgebürdet werden, die aus seiner Berufstätigkeit, nämlich der Beschäftigung der geschützten Arbeitnehmerinnen, folgten. 21 Derartige das Arbeitsverhältnis inhaltlich ausgestaltende Geldleistungspflichten seien an der Berufsfreiheit zu messen; ein zusätzlicher Nachweis einer berufsregelnden Tendenz sei nicht erforderlich. 22 Da das Gericht in anderen Fällen den Nachweis der berufsregelnden Tendenz nur forderte, wenn es sich nicht um eine unmittelbare Berufsausübungsregelung gehandelt hat, stuft das Gericht die Verpflichtung zur Zahlung des Mutterschaftsgeldes zu Recht als unmittelbare Berufsausübungsregelung ein. Das Urteil ist allerdings nicht frei von Widersprüchen. So stellt das BVerfG wie in seinen früheren Entscheidungen 23 im Rahmen der Rechtfertigung wieder auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ab, weil der angegriffenen Regelung kein unmittelbar berufsregelnden Charakter zukomme, sondern lediglich in bestimmten Konstellationen an das Arbeitsverhältnis eine berufsunspezifische Kostenlast anknüpfe. 24 Hier offenbart sich das Dilemma des Gerichts, einerseits die Unmittelbarkeit bejahen zu wollen, um 20

BVerfGE 109, 64 – Mutterschaftsgeld II. BVerfGE 109, 64 (84). 22 BVerfGE 109, 64 (85). Damit weicht das Gericht von einer früheren Entscheidung ab. In BVerfGE 37, 121 (131) – Mutterschaftsgeld I hatte es in seinem ersten Urteil zum Mutterschaftsgeld eine berufsregelnde Tendenz noch gefordert. 23 BVerfGE 77, 308 (332); 81, 156 (188); 85, 226 (233). 24 BVerfGE 109, 64 (85). 21

I. Die unmittelbare Berufsausübungsregelung

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auf diese Weise das unsichere Feld der berufsregelnden Tendenz umgehen zu können, ohne dabei auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs auf den Gestaltungsspielraum verzichten zu müssen. Hier werden die negativen Folgen deutlich, die mit der doppelten Verwendung der Unmittelbarkeit im Rahmen der Eingriffsbestimmung als auch der Bestimmung der Prüfungsdichte verbunden sind. 3. Zusammenfassung und Anregungen Die Einstufung einer gesetzlichen Regelung als unmittelbare Berufsausübungsregelung kann in der Rechtsprechung als überholt bezeichnet werden. Verantwortlich für diese Entwicklung sind die Verquickung von Eingriffsprüfung und Prüfungsdichte im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie der Einbezug von Argumentationsstrukturen, die auch zur Prüfung einer berufsregelnden Tendenz herangezogen wurden. Die primäre Funktion der Figur der unmittelbaren Berufsausübungsregelung liegt in Anbetracht der Entstehungsgeschichte in der funktionalen Bestimmung des Eingriffscharakters einer Regelung. In dieser Funktion kann und sollte sie auch weiter Verwendung finden. Das wäre auch ohne weiteres möglich, weil für die Begründung eines den Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit nicht über Gebühr einschränkenden Gestaltungsspielraums auch andere Argumentationsansätze zur Verfügung stehen. 25 Die unmittelbare Berufsausübungsregelung markiert eine dem Grundsatz nach klare Trennlinie zwischen Nachteilen, die sich in der gesetzlichen Regelung erschöpfen, und über den Wettbewerb vermittelten Nachteilen. Dieses Rationalisierungspotential sollte keinesfalls vergeben werden. Dazu bedarf es allerdings einer klaren Abgrenzung von Kriterien, die herkömmlich Gegenstand der Prüfung der berufsregelnden Tendenz sind. Die künstlich wirkende Anknüpfung an ein enges wörtliches Verständnis ist zu einer sinnvollen Grenzziehung weder nötig noch wirklich überzeugend. Die geschaffenen Pflichten prägen zwar nicht zwingend das althergebrachte Berufsbild, bestimmen aber die Praxis des Berufs, wie er von den Betroffenen nach den gesetzlichen Regelungen auszuüben ist und auch tatsächlich ausgeübt wird, wenn sie sich für seine Ergreifung entscheiden. Deswegen wird hier vorgeschlagen, die tatbestandliche Verknüpfung von gesetzlichen Pflichten an die berufsmäßige Ausübung als unmittelbare Berufsausübung einzustufen, die sich ohne weiteres an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen muss.

25 Vgl. dazu Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, 2007.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

II. Die Berufsbezogenheit und objektive berufsregelnde Tendenz Die unmittelbare Betroffenheit der Berufstätigkeit ist zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für die Bejahung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG. Auch wenn eine Maßnahme nicht als unmittelbare Berufsausübungsregelung einzustufen ist, kann ihr dennoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz zukommen. Diese objektiv berufsregelnde Tendenz reicht im Grundsatz aus, um einen Eingriff in die Berufsfreiheit zu konstituieren. 26 In seiner Standardwendung 27 fordert das BVerfG neben der objektiv berufsregelnden Tendenz einen engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs, ohne dass die Entscheidungspraxis des BVerfG die Formel als Kombination zweier eigenständiger Kriterien verstanden hätte, die unabhängig voneinander zu prüfen wären. 28 Soweit ersichtlich hat das BVerfG auch nur in einer einzigen Entscheidung die Notwendigkeit einer objektiv berufsregelnden Tendenz verneint, 29 sich dabei aber zu Unrecht auf seine bisherige Rechtsprechung berufen. Als Anknüpfungspunkt zu Verallgemeinerungen ist sie daher untauglich. Festzuhalten bleibt damit, dass die Prüfung der „berufsregelnden Tendenz“ zum festen Bestandteil der Eingriffsprüfung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG zählt. Auch hier lassen sich die Argumentationsmuster des BVerfG in Kategorien einteilen.

26 BVerfGE 95, 267 (302) – Altschulden: „Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit liegt [...] dann vor, wenn die Norm [...] berufsregelnde Tendenz hat. Das heißt allerdings nicht, dass die Berufstätigkeit unmittelbar betroffen sein muss.“ 27 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 13, 181 (185) – Schankerlaubnissteuer; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 85; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12, Rn. 300 ff.; 315 ff.; Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 73 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 28 Vgl. auch BVerfGE 111, 191 (213): „... wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben.“ Die berufsregelnde Tendenz folgt dem Wortlaut nach aus dem „engen Zusammenhang“, wenn auch das BVerfG selten bewusst so präzise formuliert. 29 BVerfGE 61, 291 – Tierpräparator. Aus der dort zitierten Rechtsprechung (BVerfGE 13, 181, (185 f.); 16, 147 (162); 31, 8 (29)) folgte nur, dass keine berufsregelnde Zielsetzung erforderlich ist, die zur Annahme einer unmittelbaren Berufsauübungsregelung führen würde; wohl aber, dass verneinendenfalls eine berufsregelnde Tendenz gegeben sein müsse. Das Erfordernis einer berufsregelnden Tendenz spricht zwar auch BVerfGE 110, 226 (254) nicht an, lehnt aber im Gegensatz zu BVerfGE 61, 291 die Notwendigkeit auch nicht dezidiert ab.

II. Die Berufsbezogenheit

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1. Finanzielle Belastungen der Grundrechtsträger Eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG hatten Verfahren zum Gegenstand, die die Vereinbarkeit von finanziellen Belastungen mit Art. 12 Abs. 1 GG betrafen, die tatbestandlich an der Berufstätigkeit anknüpften. 30 Hier trifft man auf einen bunten Strauß an Obersätzen, die sich einer nachvollziehbaren Systematisierung größtenteils entziehen. Da der Grundrechtsträger sich wegen der Belastung jedenfalls auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen konnte, war das Ergebnis der Prüfung allerdings auch nicht fallentscheidend. a) Steuerlasten Im seiner grundlegenden Entscheidung zur Schankerlaubnissteuer hielt das BVerfG eine derartige objektive Tendenz für gegeben. Die geforderte innere und äußere Verbindung mit der beruflichen Betätigung bestehe dann, wenn ein Steuergesetz gerade die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung eines bestimmten Berufes als steuerbegründenden Tatbestand enthalte, also die Berufszulassung als Anfang der Berufsausübung mit wirtschaftlichen Nachteilen verbinde. 31 Ausreichend ist also die bloße Anknüpfung (im Gegensatz zur Regelung) an der Berufsausübung. Es muss sich aber um ein bestimmtes Berufsbild handeln, an dessen Ausübung rechtliche Folgen hängen. In BVerfGE 16, 147 wurde der Werkfernverkehr ausdrücklich aus dem Grund besteuert, diesen einzudämmen – ein Vorläufer der Lenkungssteuer. Das BVerfG hielt hier ebenfalls die berufsregelnde Tendenz für unverkennbar. 32 „Die Eigentümlichkeit der Sonderbesteuerung des Werkfernverkehrs besteht darin, dass er auf die berufliche Betätigung abzielt. Gegenstand der Regelung ist allerdings nicht, wie sonst meistens bei berufsregelnden Gesetzen, ein einzelner Beruf, sondern ein den verschiedensten Berufen – der Urproduktion, der Weiterverarbeitung jeder Art, des Groß- und Einzelhandels – gemeinsamer Teil der Berufstätigkeit [Hervorhebung durch Verfasser], nämlich das Betreiben des Werkfernverkehrs.“

Diese Besonderheit hielt das BVerfG allerdings nicht für hinderlich und rückt insoweit von seiner engeren Linie ab. Gegenstand der Regelung muss also nicht ein bestimmter Beruf sein, solange die Regelung tatbestandlich gerade beruflich ausgeübte Tätigkeit zum Gegenstand hat.

30 BVerfGE 13, 181 ff.; 16, 147 ff.; 37, 1 ff.; 37, 121 ff.; 38, 61 ff.; 42, 374 ff.; 47, 1 ff.; 81, 108 ff. 31 BVerfGE 13, 181 (186). 32 BVerfGE 16, 147 (163); bestätigt durch BVerfGE 38, 61 (85).

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

In seiner Entscheidung zum Entfallen der Gewerbesteuerbefreiung für Pfandleiher führt das BVerfG aus, dass eine ggf. gleichheitswidrige Besteuerung nicht zu einer berufsregelnden Tendenz der Regelung führen müsse. 33 Da die Hinzurechnung der Dauerschulden weder bei Pfandleihern noch bei sonstigen Gewerbetreibenden das Ziel verfolge, eine längerfristige Fremdfinanzierung der Unternehmen zu erschweren und auf diese Weise mittelbar Druck zur Zuführung von Eigenkapital auszuüben, sei die Besteuerung nicht an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Das Gericht maß damit der potentiell wettbewerbsverzerrenden Wirkung der verbleibenden Ausnahmeregelung keine eingriffskonstituierende Wirkung zu. In BVerfGE 47, 1 wandten sich die Beschwerdeführer gegen das steuerliche Abzugsverbot der Kosten einer Haushaltshilfe für den Fall der doppelten Berufstätigkeit. Auch hier verneinte das BVerfG in der Gestaltung des Steuersystems eine objektiv berufsregelnde Tendenz. Diese objektiv berufsregelnde Tendenz verband das BVerfG nun allerdings nur mit den tatsächlichen Auswirkungen der Regelung. Dazu genüge aber nicht die allgemeine Möglichkeit der Beeinträchtigung eines nicht näher bestimmbaren Personenkreises. Vielmehr müsse sich konkret feststellen lassen, wer von den Auswirkungen der Norm selbst oder ihrer Anwendung unmittelbar in seiner Berufsfreiheit betroffen wird. Bei allgemeinen Steuergesetzen fehle es in aller Regel an diesen Voraussetzungen, weil diese als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz oder Vermögen anknüpften. 34 In Ermanglung eines bestimmbaren Personenkreises will das BVerfG nur solche tatsächlichen Auswirkungen der Besteuerung der Berufsfreiheit zuordnen, die die Aufnahme der Tätigkeit verhindern oder die bereits aufgenommene Tätigkeit unmöglich machen. Das BVerfG nimmt damit den „Erdrosselungsgedanken“ auf, der im Rahmen des Art. 14 GG herangezogen wird, stellt also letztlich auf die Intensität der Einwirkungen ab. BVerfGE 81, 108 knüpft an diese Entscheidung an und stellt bei der Prüfung der berufsregelnden Tendenz von Normen des EStG wiederum auf die Eignung der tatsächlichen Auswirkungen zur Beeinträchtigung der Berufsfreiheit ab. Dabei lässt es die faktische Lenkungswirkung allerdings nicht gelten, solange die sinnvolle (=kostendeckende) Ausübung des Berufs noch möglich bleibt. Der Aufhebung der steuerlichen Vergünstigungen für wissenschaftliche und künstlerische Nebentätigkeiten komme eine Wirkung allerdings nicht zu. 35 Das Abstellen auf die Möglichkeit, den Beruf weiterhin kostendeckend ausüben 33

BVerfGE 42, 374 (390). BVerfGE 47, 1 (21). Hier haben Teile der (älteren Form der) Schutznormtheorie Einzug gehalten, innerhalb der auf die Betroffenheit eines abgrenzbaren Personenkreises abgestellt wird; vgl. BVerwGE 27, 29 ff.; 32, 173 ff.; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 50, Rn. 17. 35 BVerfGE 81, 108 (117). 34

II. Die Berufsbezogenheit

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zu können, führt letztlich ebenfalls zur Formulierung einer Intensitätsschranke, die Einwirkungen überschreiten müssen, bevor sie grundrechtsrelevant werden. Dagegen hat das BVerfG die kommunalen Verpackungssteuern wieder an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz komme der Verpackungssteuer zu, weil sie Einfluss auf die Art und Weise der Berufsausübung nehme. 36 Dem liegt offenbar das Verständnis zugrunde, dass die Verpackungssteuer (wirtschaftlichen) Einfluss auf die (äußere) Produktgestaltung hat und diese zur Berufsausübung im wörtlichen Sinne zu zählen ist. Im konkreten Fall war die Höhe der Verpackungsteuer empfindlich, führte aber dennoch zu einem gewissen Gebührenaufkommen, so dass den Betroffenen ein Entscheidungsspielraum verblieb. Das BVerfG stellte dagegen weder auf die intendierte Lenkungswirkung, noch auf die Intensität der Steuer ab. 37 b) Abgaben Im seiner Entscheidung zur Weinwirtschaftsabgabe war nach Ansicht des BVerfG keine berufsregelnde Tendenz gegeben. Das Weinwirtschaftsgesetz regelte die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit des deutschen Weinbaus. Der Stabilisierungsfonds war ermächtigt, von den Weinhändlern Abgaben zur Finanzierung seiner Aufgaben zu erheben. Zur Begründung führt das Gericht aus, 38 die Abgabe wäre ihrem Sinn nach (lediglich) Instrument der (allgemeinen) Wirtschaftspolitik. Sie knüpfe zwar formal an die berufliche Tätigkeit an, soll aber nach der Intention des Gesetzgebers weder den Entschluss zur Wahl noch die Art der Ausübung steuern. Wegen ihrer geringen Höhe hätte sie auch objektiv keine solchen Rückwirkungen. Solche Rückwirkungen können zwar die geplante Verwendung der Abgabe auslösen, da der Stabilisierungsfonds Marktschwankungen ausgleichen solle und damit die Chance bestimmter Weinhändler, unter Ausnutzung der sonst gegebenen Marktverhältnisse Wein möglichst billig einzukaufen und entsprechend gewinnbringend abzusetzen, gemindert werden kann. (Auch) dabei handle es sich aber nur um eine allgemeine Marktbeeinflussung, vor der nur Art. 2 Abs. 1 GG in Form der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit schütze. 39 Diese Linie hat das BVerfG auch im Falle der Künstlersozialabgabe 40 beibehalten. Die Abgabe wurde zur 36

BVerfGE 98, 106 (117). Ebenso BVerfG NVwZ 2001, 126 ff. im Falle der Besteuerung von „Gewaltspielautomaten“. Die Finalität wäre auch hier ohne weiteres zu bejahen gewesen; das BVerfG begnügt sich aber mit der apodiktisch festgestellten Wirkung der Besteuerung. 38 BVerfGE 37, 1 (17 f.). 39 Auch dieses Urteil bildet somit ein Beispiel für die ausdrückliche Berücksichtigung der Minderung von Wettbewerbschancen durch staatliche Marktbeeinflussung, wenn auch das BVerfG diese Chancen – der damaligen Anschauung entsprechend – in Art. 2 Abs. 1 GG verortet, das insoweit als subsidiäres Auffanggrundrecht wirkt. 37

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

Finanzierung der Künstlersozialversicherung verwendet und im Wege der Umlage von professionellen Vermarktern von Kunst und Publizistik erhoben. Sie sollte nach der Intention des Gesetzgebers weder den Entschluss zur Wahl oder zur Art der Ausübung eines Berufs im Bereich der Vermarktung von Werken der Kunst oder Publizistik steuern, noch hatte sie nach Ansicht des BVerfG wegen ihrer geringen Höhe objektiv eine solche berufsregelnde Wirkung. 41 In neuerer Rechtsprechung hatte sich das BVerfG zuletzt in seiner Entscheidung zum Klärschlammentschädigungsfonds von seiner restriktiven Linie leiten lassen: „Abgaben sind an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann grundsätzlich auch dann berührt sein, wenn eine Abgabe nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielt, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet ist, diese zu beeinträchtigen. Die [Betroffenen] werden durch die Abgabepflicht in ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nennenswert behindert. [...] Sie soll weder nach der Intention des Gesetzgebers den Entschluss zur Wahl oder zur Art der Ausübung einer solchen Tätigkeit motivierend steuern noch hat sie objektiv – schon wegen ihrer geringen Höhe – eine solche berufsregelnde Wirkung.“ 42

Dagegen scheint sich in den Entscheidungen neueren Datums eine Argumentation durchzusetzen, die wieder an die weite Argumentation zur Schankerlaubnissteuer erinnert und mit der Entscheidung zur Weinwirtschaftsabgabe kaum mehr zu vereinbaren ist, weil sie letztlich wiederum nur auf die Entstehung in der beruflichen Sphäre abstellt. Im Fall der Erhebung von (dem Staatshaushalt zufließenden) Abfallabgaben von den Erzeugern nahm das BVerfG eine berufsregelnde Tendenz an, weil die Abgaben die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Güterproduktion in der Nebenwirkung der Abfallerzeugung belasten würden und damit auf die Art und Weise dieser unternehmerischen Tätigkeit Einfluss nähmen. 43 Ebenso entschied das BVerfG im Falle der Erhebung von Abgaben zur Finanzierung eines Solidarfonds, der in Ausführung des Basler Abkommens für internationale Abfall-Rückführverpflichtungen einzustehen hatte. Der Abgabentatbestand entstand mit der Absicht, als Erzeuger oder Besitzer von Abfall diesen ins Ausland zu verbringen, ohne dabei aber ausdrücklich auf gewerbliche Exporteure bezogen zu sein. Nutznießer dieser Fondslösung war in erster Linie die Bundesrepublik, die dadurch ihren völkerrechtlichen Vertragspflichten nachkam. Nach Ansicht des BVerfG knüpft die Abgabepflicht tatbestandlich unmittelbar an bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten des Abfall exportierenden Unternehmens an. 44 Sie sei eingefügt in den Zusammenhang ei40 41 42 43

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

75, 108. 75, 108 (154). Ebenso schon BVerfGE 34, 62 (70); 55, 7 (25 ff.). 110, 370 (392) – Klärschlamm-Entschädigungsfond. 98, 83 (97).

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nes abfallwirtschaftlichen Regulierungskonzepts und nehme die Abgabepflichtigen gerade wegen ihrer Beteiligung an einem spezifischen abfallwirtschaftlichen (Export-)Markt in Anspruch, so dass eine berufsregelnde Tendenz gegeben sei. 45 Ähnlich liest sich schließlich auch die Begründung im Falle des Absatzfonds der Forst- und Holzwirtschaft. Die von den jeweiligen Betrieben erhobene Abgabe zur Finanzierung entsprechender Fonds zur Absatzförderung greife in Art. 12 Abs. 1 GG ein, weil die Abgabe tatbestandlich unmittelbar an die Tätigkeit von Betrieben der Forstwirtschaft anknüpfe. Die Abgabepflichtigen würden wegen ihrer Beteiligung an diesem Markt in Anspruch genommen. 46 Die Verwendung der Abgabe klang zwar bereits in der Entscheidung zur Weinwirtschaftsabgabe an, jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil das BVerfG hohe Anforderungen an die Intensität der Rückwirkungen stellte. Eine teilweise Rückbesinnung führt das BVerfG in seiner Entscheidung zur Notarkassensatzung durch. 47 Die Rückwirkungen begreift das BVerfG hier nicht mehr in nur finanzieller Art, so dass es nicht wie in früheren Entscheidungen auf die Höhe der Abgabe abstellt, sondern eine qualitative Analyse durchführt. Die Abgabenlast sei stark mit der Berufsausübung verschränkt und nehme gestaltend auf die Berufsausübung Einfluss. So knüpfe die Abgabe an das im Beruf des Notars erwirtschaftete Gebührenaufkommen an und wirke mit ihrer Verwendung in den Beruf zurück, indem sie eine flächendeckende Ausübung des Berufs unterstütze, hierfür Aus- und Fortbildung sicherstelle, den in diesem Beruf Tätigen und ihrem Personal finanzielle Unabhängigkeit gewährleiste und sie von haftungsrechtlichen Risiken befreie. 48 Im Zusammenhang mit den neuesten Entscheidungen zur Wettbewerbsfreiheit ist schließlich die Nichtigkeitserklärung des Absatzfonds der Land- und Ernährungswirtschaft (CMA) zu sehen. 49 Grund der Maßnahme sei die wirtschaftspolitische Entscheidung des Staates, mittels Förderungsmaßnahmen gestaltend in die Wirtschaftsordnung einzugreifen und die dadurch entstehenden Kosten auf die Unternehmen überzuwälzen. Die finanzielle Inanspruchnahme für die staatliche Aufgabenwahrnehmung stelle sich aus der Sicht des Abgabepflichtigen auch als Verkürzung seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit dar. An die Stelle der individuellen unternehmerischen Entscheidung für ein bestimmtes Werbekonzept trete die hoheitliche Entscheidung des Staates, die wegen der finanziellen Belastung auch den un44 Das war allerdings aus der EG-Verordnung nicht unmittelbar herauszulesen. Die nicht gewerbliche Ausfuhr wird freilich in der Praxis nicht auftauchen. 45 BVerfGE 113, 128 (145). 46 BVerfG, Entscheidung vom 12. 05. 2009 – 2 BvR 743/01. 47 BVerfGE 111, 191 ff. 48 BVerfGE 111, 191 (214). 49 BVerfG vom 03. 02. 2009, – 2 BvL 54/06 –, DVBl 2009, 375 ff.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

ternehmerischen Werbeetat schmälere. 50 Hier wie in den unter A. II. 3. b) angeführten Entscheidungen versucht das BVerfG, die Rückwirkungen der finanziellen Belastungen auf die individuelle Entscheidungsfreiheit bzw. das eigene Wettbewerbsverhalten herauszustreichen und deutet damit eine Unterscheidung zwischen der durch das das Gesetz unmittelbar ausgesprochenen (berufsneutralen) Steuerlast und dem davon zu trennenden (denklogisch berufsregelnden) Einfluss auf die eigene Berufsausübung an. c) Sonstige Geldleistungspflichten In der ersten Entscheidung zum Mutterschaftszuschuss verneinte das BVerfG die berufsregelnde Tendenz der Geldleistungspflicht lapidar damit, dass alle Arbeitgeber von ihr gleichermaßen betroffen seien. 51 Allerdings hatte das BVerfG die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung und Fortzahlung des Arbeitsentgeltes während des „Bildungsurlaubes“ der Arbeitnehmer begründungslos als mittelbare Berufsausübungsregelung an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen und damit die berufsregelnde Tendenz bejaht, obwohl auch hier alle Arbeitgeber durch das Gesetz gleichermaßen und ohne gesetzliche Anknüpfung an ein bestimmtes Berufsbild betroffen sind. 52 Eine etwas veränderte Formulierung des Obersatzes, allerdings ohne inhaltliche Abänderung, findet sich im LPG-Altschulden-Urteil: Es könne auch vorkommen, dass eine Norm die Berufstätigkeit selbst unberührt ließe, aber im Blick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändere, unter denen er ausgeübt werden könne. In diesem Fall, der auch für reine Geldleistungspflichten gelte, sei der Berufsbezug ebenfalls gegeben. 53 Diesen „Blick auf den Beruf“ verbindet das BVerfG aber auch hier wieder mit der berufsregelnden Tendenz, die das BVerfG verneint. Der Transformationsprozess mit der Pflicht, die in der DDR aufgehäuften Altschulden zu tilgen, treffe alle Wirtschaftszweige gleichermaßen und sei nicht nur an Landwirtschaftsbetriebe gerichtet. Der Versicherungspflicht für selbständige Lehrer kommt nach Ansicht des BVerfG keine berufsregelnde Tendenz zu, weil der Gesetzgeber mit der Rentenversicherungspflicht weder die Wahl noch die Ausübung des Berufs des selbstständigen Lehrers steuere. § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI normiere keine Berufs-, sondern (nur) Beitragspflichten. 54

50

BVerfG DVBl 2009, 375 (378); vgl. dazu auch Rodi, JZ 2009, 689 ff. BVerfGE 37, 121 (131). Zur zweiten Entscheidung zum Mutterschaftsgeld, bei der das BVerfG einen Eingriff annahm, oben C.I.2.d), S. 213. 52 BVerfGE 77, 308 (332). 53 BVerfGE 95, 267 (302). 51

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d) Fazit Die Auferlegung von finanziellen Belastungen wirkt sich immer mittelbar in dem Sinne aus, dass sie die berufliche Betätigung nur erschwert, aber nicht rechtlich unmöglich macht oder eine bestimmte Gestaltung des Berufs verbindlich fordert. Die Wirkungen der Norm beruhen also immer auch auf der Entscheidung des Adressaten. Das macht es leicht, einen „gezielten“ Eingriff in die Berufsfreiheit abzulehnen, zumal die Gründe des Steuergesetzgebers meist vielschichtiger Art sind und zumindest auch der Einnahme von Steuergeldern dienen. Die ersten Entscheidungen des BVerfG zur Qualifikation steuerlicher Regelungen zeigen eine weite Handhabung der Formel. Bereits die Koppelung wirtschaftlicher Nachteile an die Aufnahme eines Berufs reicht nach dem BVerfG zur Bejahung eines inneren und äußeren Zusammenhangs aus. Eine besondere Intensität der Steuer wird nicht gefordert, entscheidend ist hier nur die rechtliche Betroffenheit. Während im Falle der Schankerlaubnissteuer noch die Anknüpfung an eine bestimmte berufliche Betätigung gegeben war, sah das BVerfG aber auch in der berufsunspezifischen Besteuerung des Werkfernverkehrs kein Hindernis, das die Annahme einer objektiv berufsregelnden Tendenz unmöglich machen würde – freilich mit einer insoweit inkonsequenten Begründung, die sich auf subjektive Intention des Gesetzgebers bezog und ursprünglich zur Begründung der Unmittelbarkeit herangezogen wurde. In der Folgezeit rückte das BVerfG dagegen wieder die faktischen Wirkungen der Steuer in den Vordergrund und forderte auch hier einen abgrenzbaren Kreis der Betroffenen, was in der Sache dem engen Verständnis der unmittelbaren Berufsausübungsregelung gleich kam und eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung bedeutete. 55 Ausnahmen ließ es nur insoweit zu, als die Besteuerung die berufliche Tätigkeit wirtschaftlich sinnlos machen würde – und damit die Intensität zum Kriterium erhob, wobei es die Meßlatte sehr hoch legte. Die rechtliche Betroffenheit ließ es – ohne dies ausdrücklich anzusprechen – nur ausreichen, wenn die Steuer ersichtlich nur mit dem Hintergrund erlassen worden war, eine bestimmte Lenkungswirkung zu erzielen. Die Rechtsprechung zu Steuergesetzen war also mehr als uneinheitlich. Die neuere Rechtsprechung misst eigene Belastungen des Grundrechtsträgers im Ergebnis nur noch an Art. 2 Abs. 1 GG. Die Entscheidungspraxis zu (Sonder-)Abgaben hat sich im Laufe der Jahre ebenfalls grundlegend gewandelt, ohne dass das BVerfG dies in seinen Ent54 BVerfG NJW-RR 2007, 683 f. Mit letzterer Begründung ließe sich allerdings nur das Vorliegen einer unmittelbaren Berufsausübungsregelung ablehnen. Würden umgekehrt also Berufspflichten normiert, wäre die berufsregelnde Tendenz gar nicht zu prüfen gewesen, da unproblematisch eine Berufsausübungsregelung gegeben wäre. 55 Bezeichnenderweise zitiert BVerfGE 47, 1 (21) hierzu weder ältere Rechtsprechung noch Literatur.

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scheidungen kenntlich gemacht hätte – hier allerdings zugunsten eines weiten Eingriffsverständnisses. 56 Während es zuerst die Anknüpfung an die berufliche Tätigkeit nicht ausreichen lassen wollte und stattdessen die Intention des Gesetzgebers zur Regelung von Wahl oder Ausübung des Berufs und die Höhe der Abgaben heranzog, hat es später eben diese Anknüpfung ausreichen lassen. Die neuerdings wieder anklingenden Rückwirkungen der Verwendung in den Beruf erinnert zwar wieder an die Entscheidung zur Weinwirtschaftsabgabe. Während dort aber auf die mögliche Verzerrung von Wettbewerbschancen abgestellt wurde, reicht dem BVerfG mittlerweile die gleichmäßige Förderung des Marktes aus, die andernfalls in der Verantwortung der Wettbewerber gestanden hätte, um eine berufsregelnde Tendenz zu bejahen. Auf den ersten Blick wirkt es kurios, dass das BVerfG bei der Behandlung von Abgaben einen genau gegenläufigen, weiten Kurs eingeschlagen hat. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Abwendung des Gesetzgebers von dem verfassungsrechtlich in hohem Maße durchwirkten Finanzierungsinstrument der Steuer zu sehen, die das Instrument der Abgabe als vergleichsweise unreglementierte Eingriffsmöglichkeit attraktiv machte, gleichzeitig aber das Steuerstaats- und das Ordnungsprinzip der Finanzverfassung zu erodieren droht(e). Nachdem sich erster und zweiter Senat nicht darüber einigen konnte, wann die strengen Anforderungen an die Zulässigkeit von Sonderabgaben (Homogenität der belasteten Gruppe, Sachnähe und Gruppennützigkeit) zur Anwendung gelangen sollen, 57 mag es bewusst oder unbewusst als tauglicher Kompromiss gesehen worden sein, das Instrument der Abgabe über die Straffung des Grundrechtsschutzes unattraktiver zu machen und dabei gleichzeitig wirksam dem Individualschutz zu dienen. 58 Es wäre mehr als begrüßenswert, würde sich das BVerfG auch im Übrigen bei seiner Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG an dieser Entwicklung orientieren. Die Begründung in den Fällen sonstiger Geldleistungspflichten, die Arbeitgeber seien gleichmäßig von der Zahlungspflicht betroffen, geht schließlich nicht über die Argumentation hinaus, die zur Ablehnung einer unmittelbaren Ausübungsregelung führen könnten. 59 Hinsichtlich der Frage nach der objektiven Tendenz der Regelung bringt sie keine neuen Erkenntnisse; die Widersprüchlichkeit zur Werkfernverkehrsentscheidung wird nicht aufgeklärt. In dieses Bild 56

Die „Trendwende“ erfolgte in BVerfGE 98, 83. In dieser Entscheidung wurde zwar noch die restriktive Entscheidung aus BVerfGE 37, 1 – Weinwirtschaftsabgabe zitiert, allerdings ohne die das gegenteilig ausfallende Ergebnis zu erwähnen. In späteren Entscheidungen wird dann nur mehr auf BVerfGE 98, 83 ff. verwiesen. 57 Vgl. BVerfGE 55, 274 (297 ff.); 67, 256 (277 ff.) einerseits und BVerfGE 57, 139 (158 ff.) andererseits; dazu ausführlich Sacksofsky, Abgaben, S. 56 ff. 58 Vgl. Sacksofsky, Abgaben, S. 58. 59 Vgl. aber das spätere Urteil zum Mutterschaftsgeld (BVerfGE 109, 64 ff.), das die Verpflichtung als unmittelbare Berufsausübungsregelung begreift.

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passt die in der Sache vergleichbare, im Ergebnis aber gegenteilig ausfallende Entscheidung zum bezahlten Bildungsurlaub. Nach der hier vertreten Ansicht sind finanzielle Belastungen eines Wettbewerbsteilnehmers schon dann als unmittelbare Berufsausübungsregelungen einzustufen, wenn sie in ihrem Tatbestand an ein Verhalten anknüpfen, das berufsmäßig ausgeübt wird. 60 2. Grundrechtsträger als Adressat von Nichtgeldleistungspflichten Eine zweite Gruppe von Entscheidungen hat Normen zum Gegenstand, die dem Grundrechtsträger Belastungen auferlegen, die nicht in Geldleistungen bestehen. Auch hier ist der Betroffene ohne das Eingreifen von Art. 12 GG nicht schutzlos gestellt, weil er sich zumindest auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann. Hier lassen sich zwei Strömungen unterscheiden. Während einige Entscheidungen die Betroffenheit des Art. 12 Abs. 1 GG letztlich alleine wegen ihrer berufsunspezifischen Formulierung ablehnen, geht die Mehrzahl der Entscheidungen auf die Auswirkungen des Gesetzes ein und hält die Zwecksetzung für entbehrlich; auch eine besondere Belastungsintensität wird nicht ausdrücklich verlangt. Zu einer konkreten Betrachtung des Einzelfalls kann sich das BVerfG allerdings auch dann nur selten durchringen, sondern verlangt wenigstens typischerweise eine Betroffenheit beruflicher Sachverhalte als Folge der gesetzlichen Regelung. a) Berufsunspezifische gesetzliche Anknüpfung als Indiz für fehlende (und für notwendig gehaltene) Finalität In seinen Entscheidungen zu den kommunalrechtlichen Vertretungsverboten stellt das BVerfG zunächst auf die Intention des Gesetzgebers ab. Dieses bezwecke nicht, die Inhaber von Ehrenämtern in ihrer jeweiligen Berufsausübung zu beschränken, sondern stelle eine „allgemeine Begrenzung“ der Berufsfreiheit dar, die aus anderen Zwecken geboten sei. 61 Denn es solle verhindert werden, dass Gemeindeangehörige den Einfluss von Ratsmitgliedern für ihre persönlichen Interessen ausnutzten und diese durch ihre Doppelfunktion in einen Interessenwiderstreit gerieten. Dabei sei es gleichgültig, welchen Beruf die Ratsmitglieder neben ihrem kommunalen Amt ausüben würden. 62 Die hierzu geäußerte abweichende Meinung greift zwar die Verneinung eines gesetzlichen Eingriffs nicht ausdrücklich an. Den hiervon zu trennenden Vollzug des Gesetzes durch das befasste Gericht in Form der Zurückweisung des Beschwerdeführers als 60 61 62

Vgl. oben C.I.3., S. 215 f. BVerfGE 41, 231 (243). BVerfGE 52, 42 (57).

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Prozessbevollmächtigten will sie allerdings an Art. 12 Abs. 1 GG messen, weil sie diesen an der gerichtlichen Vertretung und damit an den wesentlichen Berufsaufgaben des Rechtsanwaltes hindere. Nur wenn sich die Sanktionen dieses Verbots selbst im kommunalrechtlichen Bereich hielten, ließe sich die berufsregelnde Tendenz verneinen. 63 In einer späteren Entscheidung hat das BVerfG unter dem Eindruck der überwiegend kritischen Stimmen in der Literatur schließlich offen gelassen, ob dem Vertretungsverbot nicht doch eine berufsregelnde Tendenz zukommt. 64 Einen ähnlichen Fall betraf die Prüfung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse, die eine Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und hierauf gespeicherten Daten als Beweisgegenstände erlaubte und von einer Rechtsanwaltskanzlei angegriffen worden war, deren Kanzleiräume Gegenstand einer Durchsuchung waren. 65 Auch hier verneinte das BVerfG die berufsregelnde Tendenz der Eingriffsbefugnisse, weil sie unterschiedslos sämtliche Beschuldigte strafrechtlicher Vorwürfe beträfen. Die im Einzelfall geltenden Beschränkungen zugunsten von Berufsgeheimnisträgern in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 97 Abs. 1, § 148 StPO könnten zwischen der Eingriffsbefugnis und der Berufstätigkeit keinen spezifischen Zusammenhang begründen. Wohl unter dem Eindruck gerade der dargestellten Kritik differenziert das BVerfG in dieser Entscheidung zwischen gesetzlicher Regelung und Vollzug, wählt dabei aber einen Mittelweg. Bei der Anwendung hätten die Strafverfolgungsbehörden (nur) die objektivrechtlichen Wirkungen der Berufsfreiheit zu beachten und die mittelbare Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit in Rechnung zu stellen, die sich aus der Gefahr eines unbeschränkten Datenzugriffs und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten ergäben. 66 b) Ausreichen einer typischerweise beruflichen Betroffenheit Die Einbeziehung des Rechtsanwaltes in den Straftatbestand der Geldwäsche greift nach Ansicht des BVerfG ebenfalls in Art. 12 Abs. 1 GG ein. Vorschriften ohne primär berufsregelnde Zielrichtung berührten die Berufsfreiheit, wenn ihre tatsächlichen Auswirkungen zu einer Beeinträchtigung der freien Be63

BVerfGE 52, 42 (63). BVerfG NJW 1988, 694 m.w. N. 65 BVerfGE 113, 29 (48 f.) – Anwaltsdaten. 66 Für eine Ausweitung der objektiv-rechtlichen Grundrechtswirkungen (allerdings in der Tendenz zu Lasten der Reichweite der subjektiven Grundrechtsdimension) auch Hoffmann-Riem, Gewährleistungsinhalte, in: Bäuerle u. a. (Hrsg.), Recht und Wirklichkeit, S. 71 ff. et passim. 64

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rufsausübung führen. Durch die Gestaltung der Strafvorschrift werde die Entscheidungsfreiheit für oder gegen die Übernahme eines Mandats und das Vertrauensverhältnis des Anwalts zum Mandanten empfindlich berührt, wie das BVerfG in einer detaillierten Untersuchung aufzeigt. 67 Strafverteidiger kämen typischerweise mit Personen in Kontakt, die unter dem Verdacht einer Katalogtat der Geldwäsche stünden. Es zähle zu den Aufgaben des Strafverteidigers, mit seinem Mandanten den gegen ihn erhobenen Vorwurf zu erörtern, um die Verteidigungsstrategie entwerfen zu können, sich mit der entsprechenden Verdachtslage auseinander zu setzen, belastende Beweise oder Indizien kritisch auf ihre Aussagekraft zu prüfen und sie jedenfalls in Zweifel zu ziehen, wenn sein Mandant den Tatvorwurf bestreitet. Kombiniert mit der weiten subjektiven Fassung des Tatbestandes, die zumeist durch äußere Indizien bewiesen wird, gerate der Verteidiger damit in eine spezifische Gefahrenlage der eigenen Strafverfolgung, wenn er das Mandat annehme. Aber nicht nur die Entschließungsfreiheit des Strafverteidigers sei eingeschränkt. Auch wenn sich der Strafverteidiger für die Annahme des Mandates entschlossen habe, 68 wirke die Regelung weiterhin auf zentrale Berufsinhalte des Verteidigers ein. Zu seinen beruflichen Standespflichten zähle das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten. Die drohende eigene Strafbarkeit führe dagegen zu einer Interessenkollision zwischen der Wahrnehmung der Verteidigerpflichten und dem Selbstschutz des Verteidigers spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem strafprozessuale Maßnahmen gegen den Verteidiger drohten. Die Ausführungen des BVerfG lassen sich – auch wenn es den Obersatz vermeidet – auch als nachvollziehbare Begründung begreifen, warum die Strafnorm im engen Zusammenhang mit der beruflichen Betätigung steht und ihr objektiv eine berufsregelnde Tendenz zukommt. Der notwendige enge Zusammenhang ist gegeben, weil gerade Strafverteidiger einer spezifischen Gefahrenlage der Strafverfolgung ausgesetzt sind; wegen des (freilich im Abstrakten bleibenden) inhaltlichen Einflusses auf zentrale Verteidigerpflichten bestimmt sie auch objektiv die Art und Weise der Berufsausübung. Auch die Verpflichtung der Veranstalter von Großereignissen (in der Regel Sportveranstaltungen), auf diesen Veranstaltungen die unentgeltliche Kurzberichterstattung zu dulden, greift in Art. 12 Abs. 1 GG ein. 69 Die gesetzlichen Vorschriften hätten allerdings keinen unmittelbaren Berufsbezug, da sie Veranstaltungen und Ereignisse ohne Rücksicht darauf erfassten, ob sie berufsmäßig durchgeführt und übertragen würden. Dementsprechend seien nicht nur Berufs67

BVerfGE 110, 226 (254 ff.). Bis dahin bestand also nur eine Gefahr für die Willensentschließungsfreiheit, die sich mit dem positiven Entschluss für die Übernahme des Mandats nicht realisiert hat. Dafür, dass auch solche „fehlgeschlagenen“ Versuche als Eingriffe einzustufen sind, Roth, Faktische Eingriffe, S. 206 ff., 220. 69 BVerfGE 97, 228 (254). 68

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tätige Adressaten der Vorschriften, sondern alle Veranstalter der von ihnen erfassten Ereignisse. Auch Normen dieser Art haben aber jedenfalls dann eine berufsregelnde Tendenz, wenn sie nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden. Das sei bei Großveranstaltungen der Fall. Im Geiste eines weiten Eingriffsverständnisses steht schließlich der Beschluss des 2. Senats zur (bußgeldbewehrten) Pflicht der Träger von Altenpflegeeinrichtungen, im Umfang der erhaltenen öffentlichen Förderungen freie Pflegeheimplätze mit sozial bedürftigen Einwohnern Brandenburgs zu belegen. Alleine die einschränkende Wirkung einer Norm dergestalt, dass eine berufliche Tätigkeit nicht in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne, begründeten einen Eingriff. 70 Damit stellt das BVerfG gänzlich auf die konkreten Folgen ab, ohne eine typische berufsmäßige Betroffenheit zu fordern – die freilich hier auch ohne weiteres gegeben war, so dass die Bedeutung der Entscheidung nicht hoch einzuschätzen ist. 3. Dritte als Adressaten rechtlicher Ver- oder Gebote An Dritte adressierte Ge- oder Verbote werden durch das BVerfG allenfalls als mittelbare Berufsausübungsregelungen eingestuft, da es die formale Adressatenstellung als notwendige Bedingung einer unmittelbaren Berufsausübungsregelung versteht. 71 Auch hier verlangt das BVerfG demnach eine objektiv berufsregelnde Tendenz. Fehlt diese objektiv berufsregelnde Tendenz, dann wird in aller Regel auch der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht greifen, weil dieselben Gründe, die die Verneinung der berufsregelnden Tendenz zu Folge haben, auch zur Ablehnung eines Eingriffs in die allgemeinen Handlungsfreiheit führen. In der Handhabung des BVerfG lässt sich aber kein Bewusstsein für die Andersartigkeit der Sachverhalte feststellen. 72 In der Entscheidung zur Besteuerung von Biokraftstoffen verneinte das BVerfG einen engen Zusammenhang mit der Herstellung solcher Kraftstoffe. 70

BVerfG DVBl 2007, 1555 (1556). BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339): „Zwar ist die Bf. nicht selbst Adressat dieser Vorschrift, auch bei Art. 12 Abs. 1 GG ist der Grundrechtsschutz jedoch nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt.“ 72 Vgl. aber BVerfG NJW 1991, 2925 ff., wo das BVerfG aus der erklärten Absicht des Gesetzgebers, durch die an Krankenhäuser gerichtete Untersagung der Weitergabe von Patientendaten jede externe, private Verarbeitung zu verhindern, eine rechtliche Betroffenheit auch der privaten Dienstanbieter folgerte (zu diesem Ansatz näher unten C.VI.1.a), S. 270 f.) Der BayVerfGH (NJW 1989, 2939) hatte an dieser Stelle auf die faktischen Wirkungen der Regelung abgestellt. Diese seien rechtlich nur relevant, wenn zwischen der Regelung und dem Beruf nach Inhalt und Zielrichtung des Gesetzes ein enger Zusammenhang bestehe. Dies nahm der BayVerfGH ohne nähere Begründung an. 71

II. Die Berufsbezogenheit

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Die mit der Energiesteuerpflicht für Biodiesel und Pflanzenöl verbundene wirtschaftliche Belastung treffe sämtliche Verbraucher dieser Kraftstoffe gleichermaßen, nicht nur die klagenden Hersteller. Diese Argumentation entspricht der bereits behandelten Forderung nach einer typischen oder wenigstens überwiegenden Betroffenheit gerade beruflicher Sachverhalte. 73 In der gegen die RAFHäftlinge verhängten Kontaktsperre 74 hatten die Verteidiger nach Ansicht des Gerichts ihre Behinderung in ihrer Verteidigungstätigkeit nicht ausreichend dargelegt, so dass nur der Schluss gezogen werden kann, dass es dem Gericht jedenfalls zentral auf die faktischen Wirkungen ankam, ohne hierzu aber weitere Anforderungen aufzustellen. Ähnlich lesen sich die Ausführungen im der Fernmeldemonopol-Entscheidung. Das Gericht begründet die Heranziehung von Art. 12 Abs. 1 GG nur damit, dass der besondere Freiheitsraum des Art. 12 Abs. 1 GG auch durch Vorschriften berührt werden könne, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet wären, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. 75 Seit Ergehen des Glykol-Beschlusses ist das BVerfG dazu übergegangen, an Dritte adressierte Beeinträchtigungen daraufhin zu überprüfen, ob die Maßnahme ein funktionelles Äquivalent eines Eingriffs darstellt, die an eigener Stelle behandelt werden. 76 4. Ausgestaltende Regelungen Als wiederkehrenden Argumentationstopos, der zur (normativ motivierten) Ablehnung einer objektiv berufsregelnden Tendenz führt, lässt sich die ausgestaltende Wirkung der Regelung im Hinblick auf andere Rechtsbereiche erkennen. Auch ausgestaltende Regelungen sind meist nicht an den Grundrechtsträger selbst gerichtet. In der Prüfung durch das BVerfG zeichnen sie sich aber dadurch aus, dass der Eingriffscharakter der Regelungen kategorisch ausgeschlossen wird, wo die eben angeführten Urteile in der Tendenz gewillt waren, faktische Nachteile ausreichen zu lassen. Gerade in den Entscheidungen zur gesetzlichen Krankenversicherung vermischt sich zudem grundrechtliche und verfassungsprozessuale Argumentation, wenn wiederholt auf die „bloße Reflexwirkung“ 77 abgehoben wird.

73 74 75 76 77

BVerfG NVwZ 2007, 1168 (1169). Vgl. BVerfGE 49, 24 (47 f.) – Kontaktsperre. BVerfGE 46, 120 (137). Dazu näher unten C.III., S. 233 ff. Vgl. dazu näher Achatz, DVBl 2009, 1443 ff.

230

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

a) Gebührenordnungen Der Sachverhalt der Entscheidung zur Kappung des Gegenstandswertes im Rahmen der Anwaltsvergütung wurde bereits geschildert. 78 Ein unmittelbarer Eingriff in die Vertragsfreiheit lässt sich mit dem Argument verneinen, der rechtliche Spielraum der Honorarvereinbarung wurde durch die angegriffenen Regelungen nicht beschränkt. Aber auch die mittelbaren Wirkungen der Kappung über die prozessualen Erstattungsregelungen, die für eine Begrenzung der gesetzlichen Zahlungspflichten sorgen, haben nach dem BVerfG nicht die Berufstätigkeit der Rechtsanwälte zum Gegenstand, sondern sollen durch die Vorhersehbarkeit der Kosten eines Prozessverlustes die Effektivität des Rechtsschutzsystems sicherstellen. 79 Eine berufsregelnde Tendenz (ohne diese ausdrücklich anzusprechen) wird also letztlich mit dem Argument verneint, dass die beanstandete Regelung in erster Linie der Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems dient und damit kein enger Zusammenhang zur Berufsregelung besteht. b) Gesetzliche Krankenversicherung Auch die sinkende Nachfrage nach einem Medikament für Bagatellkrankheiten in Folge des Wegfalls der Verordnungsfähigkeit (und damit der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkasse) soll nur ein Reflex der gesetzlichen Ausgestaltung der GKV darstellen. Zwar wirke sich die Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung wegen des Auseinanderfallens von Nachfrager (Versichertem) und Kostenträger (Versicherung) umsatzfördernd aus, dies sei aber nur eine gesetzliche Nebenfolge. Der Herausnahme bestimmter Leistungen und deren Überführung in das freie marktwirtschaftliche System komme deshalb keine objektiv berufsregelnde Tendenz zu. 80 78

Oben A.II.1.f), S. 62 ff. BVerfG NJW 2007, 2098 (2099). 80 BVerfG, Entscheidung vom 20. 09. 1991, 1 BvR 1621/89, SGb 1993, 118. Kurioserweise entschied das BVerfG am selben Tage (allerdings ohne gegenseitige Bezugnahme) mit genau gegenteiligem Ergebnis in einer Reihe von Beschwerden, dass dem Ausschluss unwirtschaftlicher Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V die im anderen Fall abgesprochene berufsregelnde Tendenz zukomme. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1991, 1 BvR 1455/90, Rn. 6 (zitiert nach juris); 1 BvR 879/90 = NJW 1992, 735 ff.; 1 BvR 259/91). Man mag sich schwer tun, einen triftigen Grund der unterschiedlichen Behandlung beider Fälle zu finden. Denkbar wäre allenfalls, dem Gesetzgeber verschiedene Intentionen zu unterstellen. Während der Ausschluss von Medikamenten gegen Bagatellerkrankungen die Eigenverantwortung der Patienten erhöhen soll, ist der Ausschluss der unwirtschaftlichen Medikamente dem Verantwortungsbereich der Hersteller zuzuschreiben, die zu einer Preissenkung veranlasst werden sollen. Aber auch dann darf bezweifelt werden, ob die Gewährung des Grundrechtsschutzes sinnvollerweise erst dann eröffnet sein soll, wenn sich Hersteller unwirtschaftlich verhalten. 79

II. Die Berufsbezogenheit

231

Auch in der Festbetragsentscheidung stellt das BVerfG wiederum auf die Reflexwirkung ab. Der Versicherte hatte infolge der gesetzlichen Änderung der GKV keinen reinen Sachleistungsanspruch mehr, sondern im Falle von überdurchschnittlich teueren Medikamenten nur Anspruch auf Erstattung seiner Arzneikosten bis zur Höhe des Festbetrags, der von dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festzusetzen war (§§ 31, 33 SGB V). Dabei sind die Festbeträge für bestimmte Arzneimittelgruppen gem. § 35 Abs. 5 S. 1 SGB V so festzusetzen, daß sie im „Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten.“ Der Ausschuss hat dabei die Festbeträge gem. § 35 Abs. 5 S. 2 SGB V so zu wählen, dass eine wirksamer Preiswettbewerb ausgelöst wird. Das vorlegende Bundessozialgericht hatte aus dieser sogar im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden Steuerungsintention die berufsregelnde Tendenz abgeleitet. Das BVerfG hält die Wirkungen auf die Berufausübung der Arzneimittelhersteller trotz der klar zum Ausdruck kommenden Zwecksetzung dennoch für einen Rechtsreflex, 81 weil die Vorschriften auf das System der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen seien. Der Bundesausschuss als Adressat der Norm hat die gesetzliche Aufgabe, durch den Festbetrag eine wirtschaftliche Versorgung mit Arzneimitteln zu ermöglichen; dazu soll sich der Ausschuss des Preiswettbewerbs bedienen. Dies diene dazu, das Leistungssystem der Krankenversicherung funktionsfähig zu halten. 82 Berufsregelnde Tendenz käme der Festbetragsregelung aber (unabhängig davon) zu, wenn der Ausschuss zu wirtschaftslenkenden Maßnahmen ermächtigt wäre. Das wäre nach Ansicht des BVerfG der Fall, wenn den Spitzenverbänden eine eigenständige, d. h. von den Primärzwecken des Gesetzes losgelöste Möglichkeit zur Gestaltung des Preiswettbewerbs in die Hand gegeben worden wäre. 83

81

Vgl. dazu noch unten C.VI.1.b), S. 271 ff. BVerfGE 106, 275 (300). Auf die bisherige Linie wieder zurück kehrend auch schon BVerfG NJW 1997, 791, wo in den Auswirkungen eines an Vertragsärzte gerichteten Preismoratoriums auf Umsatz- und Gewinnchancen der Apotheker nur Reflexwirkungen gesehen wurden. 83 Insofern ist das Abstellen auf die Wirtschaftslenkung als alternative Möglichkeit der Eingriffsbejahung irreführend. Denn auch die gesetzliche intendierte Möglichkeit der Einflussnahme auf die Preisgestaltung stellt eine wirtschaftslenkende Maßnahme dar. Nach der Argumentation des BVerfG reicht das zur Bejahung der berufsregelnden Tendenz nur deshalb ausnahmsweise nicht aus, weil es sich um „ausgestaltende“ Vorschriften der Systems der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, die deren Leistungsfähigkeit sichern soll. Verliert die Wirtschaftslenkung durch den Ausschuss diese Rückbindung, weil und soweit dieser eigenständig zur Wirtschaftslenkung berufen ist, folgt daraus nach dem BVerfG wieder die berufsregelnde Tendenz. 82

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

c) Privatrechtliche Interessenskonflikte Mit einer ähnlichen Argumentation hat das BVerfG einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Hersteller von Tonbandgeräten durch die Zuerkennung eines Vergütungsanspruches der Urheber abgelehnt. Es handle sich um eine interessenausgleichende Norm des Privatrechts, ohne dass es dem Gesetzgeber darum gehe, der Berufsausübung „im öffentlichen Interesse Schranken zu ziehen oder Gemeinwohlbelange durchzusetzen“. 84 Hier klingt der Disput um die Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht mit der damit verbundenen Frage an, ob kollisionslösende oder das Privatrecht ausgestaltende gesetzliche Regelungen als Eingriffe verstanden werden können. 85 5. Wirkungen nichtrechtsförmiger Beeinträchtigungsakte Mit einem Fall der Einwirkung auf die Berufsfreiheit durch nicht rechtsförmiges Handeln hatte sich das BVerfG im Transparenzlistenfall zu beschäftigen. 86 Aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung hatte das zuständige Bundesministerium eine Verordnung erlassen, die bestimmte Wirkstoffkombinationen von der Versorgung gem. § 31 SGB V (Sachleistungsprinzip) ausnahm, die der Gesetzgeber für „unwirtschaftlich“ hielt und bei der das BVerfG die berufsregelnde Tendenz bejahte. 87 Die Folgeentscheidung hatte nun die bevorstehende Veröffentlichung einer Liste des Bundesgesundheitsministeriums zum Gegenstand, die auf Grundlage der Verordnung zur besseren Übersicht die betroffenen Präparate und Markennamen der Medikamente aufführten, die aber bereits durch die Verordnung von der Sachleistungsverpflichtung ausgenommen waren. Das BVerfG hob hervor, dass die Veröffentlichung am berufsregelnden Gehalt von Gesetz und Verordnung teilnehme und diese in tatsächlicher Hinsicht verstärke. Bereits bei der Prüfung der Ermächtigungsgrundlage ging das BVerfG entscheidungserheblich von der den Umsatz mindernden Wirkung des Gesetzes aus; für die Veröffentlichung der Präparatsübersicht könne nichts anderes gelten. 88 Kritisch sind dagegen andere Äußerungen des Gerichts in dieser Entscheidung zu beurteilen. Die Rechtfertigung des Eingriffs hätte im konkreten Fall daran scheitern müssen, dass der Eingriff von einem nach der gesetzlichen Grundlage der Veröffentlichung 84

BVerfGE 31, 255 (265 f.). Vgl. dazu schon die Ausführungen zum Schutzgut der Vertragsfreiheit, oben B.II.1.b), S. 127 ff. und noch unten C.VI.3., S. 275 ff. 86 BVerfG NJW 1999, 3404 ff. Vorgehend BVerwGE 71, 183 ff.; siehe unten C.IV.2.b)dd), S. 251 ff. 87 Dazu schon Fn. 80, oben S. 230. 88 BVerfG NJW 1999, 3404 (3405). 85

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung

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unzuständigem Bundesministerium ausging. Das BVerfG umging diese Rechtsfolge mit dem Argument, die Nachteile seien bereits mit der Verordnung eingetreten, so dass die Veröffentlichung der Liste keinen eigenständigen Nachteil mit sich bringen würde. Die Veröffentlichung sei damit für die wirtschaftlichen Einbußen nicht kausal. Wäre dies zutreffend, hätte das BVerfG schon keinen Eingriff annehmen dürfen; das ist aber auch sachlich unzutreffend. Denn der hier nahe liegende Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens mag die Zurechnung im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs verhindern; 89 im Bereich der grundrechtlichen Primäransprüche hat er keine Berechtigung. Eine Abkehr von der Elfes-Entscheidung (jeder Eingriff muss formell wie materiell im Einklang mit der Verfassung stehen) stellt schließlich das weitere Argument dar, der gerügte Kompetenzverstoß habe zu keinen materiellen Folgen geführt. Ein dem § 46 VwVfG vergleichbarer Rechtssatz für materielle Gesetze existiert jedoch im Verfassungsrecht nicht. Die formelle Unrechtmäßigkeit muss keine eigenständige Belastung zeitigen, sondern hindert die Rechtfertigung einer bereits bestehenden materiellen Belastung.

In der neueren Rechtsprechung hat das BVerfG Beeinträchtigungen, die durch nicht rechtsförmige staatliche Maßnahme ausgelöst wurden, allerdings nicht mehr auf ihre berufsregelnden Tendenz, sondern auf ihre funktionale Äquivalenz geprüft; dazu sogleich.

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung 1. Das funktionale Äquivalent als neue Eingriffsfigur In der Osho- sowie der Glykol-Entscheidung steuerte das BVerfG nicht nur neue Äußerungen über den Schutzbereich der Berufsfreiheit bei. Auch der Eingriffsbegriff veränderte sich. Im Zusammenhang mit faktischen Einwirkungen, die nicht mehr auf dem Einsatz hoheitlicher Mittel beruhen, hielt das BVerfG einen Eingriff für gegeben, wenn die Beeinträchtigung in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme sei, die als herkömmlicher Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre. 90 Denn durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs könnten die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden. 91 Die Prüfung der Intention des Gesetzgebers und der tatsächlichen Wirkung einer Rechtsnorm war auch bisher Gegenstand der Untersuchung staatlicher Maßnahmen auf ihren Eingriffs89

Vgl. Grzeszick, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 43, Rn. 30 f. BVerfGE 105, 252 (273) – Glykol; BVerfGE 105, 279 (303) – Osho. 91 BVerfGE 105, 252 (273). So bereits früh Hoffmann, Währungsparität, S. 76; ähnlich Grabitz, Freiheitsrechte, S. 28 sowie BVerwGE 71, 183 (195) Transparenzlisten. „Durchschlagskraft, die der Wirkung eines unmittelbaren staatlichen Zwangseingriffes gleichkommen.“ 90

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

charakter. Neu ist insoweit nur, dass diese Kriterien nicht mehr isoliert auf den zu untersuchenden Rechtsakt zur Anwendung gelangen, sondern nun nach dem Wortlaut des BVerfG anhand dieser Kriterien ein Vergleich anzustellen ist. Die zu prüfende Maßnahme ist einer Maßnahme „klassischer“ Eingriffsart gegenüber zu stellen, hinsichtlich Zielsetzung und Wirkung mit dieser zu vergleichen und dadurch auf ihren Ersatzcharakter zu überprüfen. 2. Verhältnis zur „berufsregelnden Tendenz“ Seinen Ausgangspunkt hatte das funktionale Eingriffsäquivalent also im Zusammenhang mit der Eingriffsqualität von staatlichen Warnungen und damit von Beeinträchtigungen, die auf staatlicher Seite ohne Inanspruchnahme von Hoheitsgewalt in Gestalt rechtsförmlichen Handelns (Verwaltungsakte oder Gesetze im materiellen Sinne) verursacht wurden. Außerdem waren die Beeinträchtigungen nicht unmittelbare Folge des staatlichen Handelns, sondern auf die Vermittlung durch Dritte angewiesen, an die die staatlichen Warnungen gerichtet waren. Die Verwendung dieser neuen Argumentationsfigur blieb allerdings nicht auf diese Konstellation beschränkt. Sie wurde in der weiteren Rechtsprechung auch herangezogen, wenn das BVerfG die Einwirkungen als mittelbare gesetzliche Beeinträchtigungen einstufte. Die nächsten Entscheidungen des BVerfG hatten die Vergabe öffentlicher Aufträge zum Gegenstand, allerdings in zwei leicht unterschiedlichen Konstellationen. In seiner ersten Entscheidung zum Vergaberecht war die Auftragsvergabe als schlicht-hoheitliches bzw. privatrechtliches 92 Handeln der Vergabestelle zu prüfen, so dass auch hier kein rechtsförmliches staatliches Handeln zugrunde lag, die Verwendung des funktionalen Eingriffsäquivalents also noch auf faktisches (im Sinne eines nichtförmlichen) Handeln (bzw. das Unterlassen eines solchen) beschränkt war. Bereits in der Tariftreue-Entscheidung 93 war aber die Eingriffsqualität von Landesgesetzen zweifelhaft, die den Vergabestellen Auswahlkriterien vorgab. Das BVerfG stufte sie aber insoweit als mittelbare Regelungen ein, als sich die gesetzliche Regelung nicht an die Auftragnehmer selbst richtete und nahm auch dies zum Anlass, ein Eingriffsäquivalent zu prüfen. Auch die nachfolgende Entscheidung hatte mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung eine gesetzliche 94 Regelung zum Gegenstand, die dem Adressaten allerdings eine Wahlmöglichkeit ließ, so dass die Rechtsfolge ebenfalls nicht unmittelbar durch die gesetzliche Regelung herbeigeführt wurde, was durch das 92 Vgl. zu der Frage nach der Qualifizierung als öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Handeln oben A.II.1.e), S. 55. 93 BVerfGE 116, 202 ff. 94 BVerfG NZS 2008, 34 ff.

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung

235

BVerfG allerdings als faktische Beeinträchtigung der Preisgestaltung eingestuft wurde. Ausdrücklich zum Verhältnis beider Eingriffsfiguren nahm das BVerfG allerdings erst mit der Entscheidung zur Besteuerung von Biokraftstoffen 95 Stellung, die es in der Entscheidung zum Glücksspielstaatsvertrag 96 bestätigte. Danach seien Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG in zweifacher Hinsicht denkbar: Einerseits könnten Normen infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz entfalten. Oder es handele sich um faktische oder mittelbare Beeinflussungen, die dann in ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen müssten. Die „berufsregelnde Tendenz“ dient damit der Abgrenzung „herkömmlicher“ Eingriffe in die Berufsfreiheit von der allgemeinen Handlungsfreiheit, vom BVerfG als mittelbar-faktische Beeinträchtigungen bezeichnete Auswirkungen werden als „eingriffsgleich“ aus dem Eingriffsbegriffs herausgenommen und nur nach Maßgabe ihrer Äquivalenzwirkung an der Berufsfreiheit gemessen. 97 Anzumerken bleibt, dass das BVerfG diese klar formulierte Aufgabenaufteilung selbst nicht durchhält. Eine Reihe von Entscheidungen seit dem Ergehen des Glykol-Beschlusses haben mittelbare und / oder faktische Eingriffe zum Gegenstand, ohne dass das BVerfG bei der Prüfung zur Figur des Eingriffsäquivalents gegriffen hätte. Und auch nach Erlass der genannten Entscheidungen (Biokraftstoffe, Glückspielstaatsvertrag) hat das BVerfG mittelbare gesetzliche Einwirkungen auf ihre berufsregelnde Tendenz geprüft, ohne die Prüfung auf ihre funktionale Eingriffsäquivalenz zu erweitern. 98 3. Das „funktionale Äquivalent“ in der Anwendung Das BVerfG hatte bislang in einigen Fällen Gelegenheit, zu seiner neuen Eingriffsfigur Stellung zu nehmen. Allerdings finden sich nur in wenigen Entscheidungen genauere Ausführungen. Im Glykolwein-Beschluss konnte das BVerfG das Vorliegen eines funktionalen Äquivalents ablehnen, weil es davon ausging, dass der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor den Folgen sachlich richtiger Informationen schütze, die von zuständigen Stellen verbreitet worden waren. 99 Ist aber schon der Schutzbereich nicht eröffnet, stellt sich die Frage des Eingriffscharakters – sei es nun im klassischen Sinne oder als Eingriffs95

BVerfG NVwZ 2007, 1168 ff. BVerfG NVwZ 2008, 1338 ff. 97 Kritisch dazu Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 159. 98 BVerfG NJW 2009, 2033 ff. 99 BVerfGE 105, 252 (272); identische Konstellation bei BVerfGE 118, 1 (20) – Anwaltsvergütung. Auch hier sah das BVerfG schon den Schutzbereich nicht eröffnet. Geht 96

236

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

äquivalent – nicht mehr. Die Ausführungen zur Figur des „funktionalen Eingriffs“ haben somit nur den Charakter eines obiter dictums. Im Osho-Beschluss wird nicht klar, ob das BVerfG von einem funktionalen Eingriffsäquivalent ausgeht. Das BVerfG hielt Art. 4 Abs. 1, 2 GG für verletzt und bejaht damit einen Eingriff, spricht das funktionale Äquivalent aber nicht in der Eingriffsprüfung, sondern nur im Rahmen der Notwendigkeit bzw. der konkreten Ausformung eines Gesetzesvorbehalts an. Nur im Falle eines Eingriffsäquivalents stelle das Grundgesetz zusätzliche Anforderungen an die Ausgestaltung des Gesetzesvorbehalts. 100 Diese zusätzlichen Anforderungen hält das BVerfG in diesem Fall für nicht erforderlich, ohne dass aus der Begründung hervorgeht, ob es dies mit der fehlenden Regelungsfähigkeit oder aber dem Nichtvorliegen eines funktionalen Äquivalents begründen will. Ein funktionales Äquivalent soll nicht in der Nichtberücksichtigung bei der Auftragsvergabe liegen, und zwar auch dann nicht, wenn praktisch nur der Staat als Auftraggeber in Betracht kommt, 101 Argumente bzw. Subsumtion bleibt das Gericht jedoch ebenfalls schuldig. In seiner Entscheidung zur Besteuerung von Biokraftstoffen verneint das Gericht berufsregelnde Tendenz wie Eingriffsäquivalenz in einem Satz mit dem Argument, die Besteuerung treffe alle Verbraucher gleichermaßen, (da) der Gesetzgeber nicht bestimmte Berufe, sondern den Markt für Biokraftstoffe generell lenken wolle, 102 bringt also keine Argumentation, die sich spezifisch auf das funktionale Eingriffsäquivalent bezieht. Inhaltliche Konturierungen finden sich erstmals in der Tariftreue-Entscheidung, bei der sich auch die Formulierung geringfügig ändert. Hier spricht das BVerfG nicht mehr von dem „Ersatzcharakter“ der staatlichen Maßnahme; der Abwehrgehalt könne betroffen sein, wenn die Maßnahme in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkomme. 103 Das sei hier der Fall. Das Gesetz wende sich zwar regelungstechnisch nicht an die Arbeitgeber, sondern an die Vergabestellen. Da die Vergabestelle aber durch die Vorschriften im Regelfall verpflichtet sei, von Arbeitgebern eine bestimmte Gestaltung der Arbeitsverträge zu fordern, ziele sie aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen darauf ab, die Arbeitgeber bei der Gestaltung ihrer arbeitsvertraglichen Beziehungen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Damit habe die Norm nicht nur die Arbeitgeber mit zum Gegenstand; auch die Einflussnahme man davon aus, dass Schutzbereich und Eingriff funktional aufeinander bezogen sind, dann hat es sich das BVerfG mit dieser Argumentation zu leicht gemacht. Aus der Nichtbetroffenheit des Schutzbereiches in Bezug auf unmittelbare Gesetzesfolgen muss nicht zwangsläufig folgen, dass der Schutzbereich auch für die faktischen Folgen verschlossen bleibt. 100 BVerfGE 105, 279 (303 f.). 101 BVerfGE 116, 135 (146) – Vergaberecht. 102 BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339). 103 BVerfGE 116, 202 (222); ebenso BVerfGE 118, 1 (20) – Anwaltsvergütung.

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung

237

auf die Arbeitsbedingungen sei damit von der Zweckrichtung des Gesetzgebers umfasst. In einer weiteren Entscheidung zur GKV ergänzt das BVerfG die Eingriffsprüfung um die eingriffsgleiche 104 Beeinträchtigung, deren Vorliegen es aber ebenfalls an das funktionale Eingriffsäquivalent knüpft. 105 Die Frage nach der Eingriffsqualität wirft es in der Entscheidung auf, weil die Änderung der Preisgestaltung zwar in das freie Ermessen der Unternehmer gestellt war, aber gleichzeitig ein wirtschaftlicher Druck aufgebaut wurde, der die Unternehmer zu der entsprechenden Gestaltung bewegen sollte: Die betroffenen Pharmaunternehmer könnten mit der freiwilligen Preissenkung und der in Kauf genommen Abschlagszahlung gem. § 130a IIIb S. 6 SGB V eine finanziell noch ungünstigere Abschlagszahlung an Apotheker verhindern. Das BVerfG führt aus, Art. 12 Abs. 1 GG schütze die Berufsfreiheit grundsätzlich auch vor solchen faktischen Beeinträchtigungen, soweit sie sich als funktionales Äquivalent eines Eingriffs darstellten, was das BVerfG in diesem Fall offenbar wegen des finalen Moments annimmt. Schließlich formuliert das BVerfG in seiner Entscheidung zum Glückspielstaatsvertrag noch ein negatives Tatbestandsmerkmal: Die erforderliche eingriffsgleiche Wirkung sei nicht gegeben, wenn die mittelbaren Folgen nur bloßer Reflex einer gesetzlichen Regelung wären. 106 Das BVerfG knüpft damit an eine Formulierung an, die es bereits häufiger zur Ablehnung der berufsregelnden Tendenz verwendet hat. 107 Eine derartige Reflexwirkung lehnt es in der Entscheidung ab und begründet dies mit dem maßgeblichen Einfluss der (üblichen) Provisionszahlungen auf die Rentabilität des Gewerbebetriebes des Beschwerdeführers, die den staatlichen Gesellschaften als Adressat der Regelung nunmehr untersagt waren. 4. Stellungnahme Das „funktionale Äquivalent“ scheint bei flüchtiger Betrachtung eine willkommene Ergänzung der bisherigen – alleinigen – Prüfungsformel der berufsregelnden Tendenz zu sein. Denn wenn man mit Teilen der bisherigen Rechtsprechung auch die Intention des Gesetzgebers in die Eingriffsprüfung mit einbezieht, lässt sich die berufsregelnde Tendenz auf nichtgesetzliche Eingriffe nicht ohne Modifikationen übertragen. Hier wäre dann ein Anwendungsfeld des funktionalen Äquivalents gegeben, das aus der konkreten Handhabung der berufsregelnden Tendenz folgt. 104 Als Denkfigur taucht die eingriffsgleiche Beeinträchtigung bereits bei Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 16 und Lerche, DÖV 1961, 486 (490) auf. 105 BVerfG NZS 2008, 34 (37). 106 BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339). 107 Vgl. dazu auch noch unten C.VI.1.b), S. 271 f.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

Die vorgeschlagene Prüfung ist allerdings nur auf den ersten Blick klar und einleuchtend. Die Prüfung des Ersatzcharakters einer Maßnahme setzt voraus, dass zuerst die ersetzte Maßnahme bestimmt wird. Das BVerfG schweigt zu der Frage, wie diese zu ermitteln sein soll. Der Umgehungsgedanke, der in der Formulierung „Ersatz“ mitschwingt, wäre als Begründung für die Annahme eines Eingriffsäquivalents ohne weiteres ausreichend, sein Anwendungsbereich allerdings nur sehr eingeschränkt. Es müsste der staatlichen Gewalt also gerade darum gehen, die beeinträchtigenden Wirkungen auf Umwegen herbeizuführen, die Vermeidung des Einsatzes eines klassischen Eingriffs geradezu rechtsmissbräuchlich sein. Ihm haftet damit eine starke subjektive Komponente an, die im Regelfall bereits geeignet sein sollte, einen Eingriff im klassischen Sinne zu begründen, wenn man das übermäßig ausgeprägte finale Element als Kompensation des Fehlens anderer klassischer Eingriffsmerkmale ausreichen lässt. Ein derart enges und damit redundantes Verständnis kann hingegen kaum vom BVerfG intendiert sein, das in seiner weiteren Subsumtion auch nicht auf den Missbrauchsgedanken abstellt. In späteren Entscheidungen spricht das BVerfG dann auch nicht mehr von dem „Ersatz“ einer staatlichen Maßnahme, sondern fordert nur, die Maßnahme müsse nach Ziel und Wirkung einem „klassischen“ Eingriff gleichkommen bzw. eingriffsgleich sein. Das zieht die nicht leicht zu beantwortende Frage nach sich, wie sich die Vergleichbarkeit bestimmen lassen soll. Das Abstellen auf die Wirkungen der Maßnahme klingt an das Intensitätskriterium an und fordert damit eine gewisse Schwere der Beeinträchtigung. Klassische Eingriffe setzen aber keine besondere Intensität voraus. Die klassischen Kriterien knüpfen ausnahmslos nicht an der Wirkung der Maßnahme an, 108 denn auch die kleinste Beeinträchtigung setzt das Abwehrprogramm der Grundrechte in Kraft. Wie soll aber dann eine Maßnahme in ihrer Wirkung Ersatzcharakter zukommen? Das BVerfG hat in seinen Urteilen zur Bestimmung des Eingriffsäquivalents leider kaum Hinweise gegeben, die die Handhabung erläutern würden. Zudem hat es den Anwendungsbereich des funktionalen Äquivalents nicht nur auf faktische 109 Eingriffe begrenzt, sondern auch auf gesetzliche Eingriffe erstreckt, denen es aus unterschiedlichen Gründen die Unmittelbarkeit absprach und die bisher den Anwendungsbereich 108

Zutreffend Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 237. Ins Leere geht dagegen sein Einwand, die Eingriffsgleichheit verliere in dem Maße an Bedeutung, in dem sich der klassische Eingriffsbegriff auflöse. Auch wenn mittlerweile nicht mehr vertreten wird, der Grundrechtseingriff erschöpfe sich in dem klassischen Eingriff, so kann doch der Rekurs auf unbestrittene Fälle und das vorsichtige Ziehen von Parallelen nachvollziehbar darlegen, warum auch eingriffsgleiche Beeinträchtigungen als Eingriffe einzustufen sind. Vorsicht ist nur dann geboten, wenn in der Eingriffsgleichheit nicht nur eine hinreichende, sondern eine notwendige Bedingung gesehen wird. Ein solches Vorgehen wäre dann in der Tat dogmatisch schwer zu begründen. 109 Der Inhalt von faktischen Eingriffen bedarf noch einer genaueren Untersuchung; hier soll einstweilen nur an den Sprachgebrauch des BVerfG angeknüpft werden.

III. Das „funktionale Äquivalent“ in der Eingriffsprüfung

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der berufsregelnden Tendenz ausmachten. Deren „Leerformelhaftigkeit“ wurde zwar häufig kritisiert, 110 die stillschweigende Ersetzung durch einen noch konturloseren Begriff wirft aber noch mehr Fragen auf. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG bislang bei der Prüfung des funktionalen Äquivalents mit dem Abstellen auf die Intention des Gesetzgebers oder die Intensität der Auswirkungen nur Überlegungen vorbrachte, die es andernfalls im Rahmen der Prüfung der berufsregelnden Tendenz herangezogen hätte. Dies lässt sich auch im Zusammenhang mit der mit der Verwendung einhergehenden Tendenz sehen, als mittelbar-faktisch bezeichnete Eingriffe als bestenfalls „eingriffsgleich“ aus dem Eingriffstatbestand auszugliedern. Es wurde bereits mehrfach gezeigt, dass der „klassische“ Eingriffsbegriff, den das BVerfG hier den „mittelbar-faktischen“ Einwirkungen gegenüberstellt, so niemals existiert hat. 111 Die mit dem klassischen Eingriffsbegriff verbundenen Einschränkungen dienen in erster Linie einem theoretischen Erkenntnisgewinn, indem sie den Rechtsanwender zwingen, sich über die Abweichungen der zu prüfenden Einwirkung von der engstmöglichen Eingriffsdefinition klar zu werden und Argumente für oder gegen den Eingriffscharakter zu suchen. Eine Entscheidung gegen die Annahme eines Eingriffs ist aber mit der Feststellung, es handle sich hier nicht um einen klassischen Eingriff, mitnichten bereits gefallen. Genau dieses suggeriert aber die Verwendung der Figur des funktionalen Äquivalents, mit der die Argumentationslast von vornherein zu Lasten des Eingriffsbefürworters verschoben wird – ohne dass sich die Argumentation im Vergleich zur Prüfung der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme inhaltlich geändert hätte. 112 Nicht zufällig bildeten die vielfach kritisierten Glykolwein- und Osho-Entscheidungen die Geburtsstunde des funktionalen Äquivalents, die auch den Schutzbereich der betroffenen Grundrechte sehr restriktiv interpretierten. Es wird sich zeigen, ob das BVerfG auch weiterhin an der neuen Eingriffsfigur festhalten wird. Ist das der Fall, würde sich zumindest ein weites Verständnis anbieten, die auf die objektive Austauschbarkeit der Maßnahme abstellt. Die zu untersuchende Maßnahme müsste sich dann auch als klassischer Eingriff formulieren lassen, ohne dass sich dadurch Zielsetzung oder Wirkung der Maßnahme nennenswert änderte. 113 110

Vgl. Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 92; Koch, Drittbetroffenheit, S. 269 f. Roth, Faktische Eingriffe, S. 29 ff.; DiFabio, JZ 1993, 689 (694) Fn. 44, der auch darauf hinweist, dass es sich lediglich um rechtsschutzrelevante Merkmale des Verwaltungsaktes handelte, solange die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs noch vom Vorliegen eines Verwaltungsaktes abhing. Mit der Versagung des Primärrechtsschutzes war aber nicht per se die Verneinung einer schützenswerten Rechtsposition verbunden. Eine Entschädigung war auch in diesen Fällen denkbar, vgl. Roth, Faktische Eingriffe, S. 31 und Schwabe, DVBl 1988, 1055 ff. 112 Vgl. dazu schon Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 46: „Die Normierung von Regel-Ausnahme-Verhältnissen hat eine nicht zu unterschätzende materiell-rechtliche Bedeutung.“ 111

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

IV. Leistungsfähigkeit der tradierten Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit Die bisherige Analyse zeigt ein unübersichtliches Bild der Rechtsprechung, das sich nur mit Mühe systematisieren lässt. In der Literatur wird die Handhabung der Eingriffsprüfung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG durch das BVerfG von manchen Stimmen harsch kritisiert, wobei die zentrale Kritik an der fehlenden Rationalität ansetzt. 114 Das wirft die Frage auf, ob weiter an der überkommenen Prüfungsstruktur festgehalten oder diese ersetzt werden sollte – wobei zweites aber das Vorhandensein von Alternativen voraussetzt. 1. Kritik der Literatur Zum Teil wird der Mangel an Rationalität darauf zurückgeführt, dass die Eingriffsprüfung der dogmatisch falsche Ort sei, um grundrechtsrelevante von grundrechtsneutralen Einwirkungen abzugrenzen. Werde der Schutzbereich der Grundrechte weit gefasst, müssten die im Rahmen der Eingriffsprüfung herangezogenen Zurechnungskriterien zwangsläufig unbestimmt und offen gehalten werden, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden. Die Eingriffsprüfung sei dann notwendigerweise einzelfallbezogen und wenig prognostizierbar. 115 Der Weg zur größeren Rationalität führe entweder über die Präzisierung des Schutzbereichs- oder Eingriffstatbestands. Der Ansatz auf der Schutzbereichsebene sei vorzuziehen, weil sich nur dort die fundamentalen Unterschiede abbilden ließen, die zwischen den einzelnen Grundrechten bestünden. 116 Die Eingriffsprüfung könne sich dagegen nur noch nach allgemeinen, grundrechtsübergreifenden Maßstäben richten, so dass die spezifischen Vorgaben der Grundrechte ausschließlich auf der Ebene der Rechtfertigung in die Abwägung gezogen und damit ein erhebliches Strukturierungs- und Rationalisierungspotential vergeben würde. 117 113

Das ist der eigentliche Kern der Formulierung, eine Maßnahme müsse „in ihrer verhaltensbeeinflussenden Wirkung faktisch dem imperativen Eingriff gleichkommen“ (Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 267). 114 Breuer, in: HStR VI, § 148, Rn. 31: „Verworrene und letztlich nicht überzeugende Abgrenzungsversuche“; Koch, Drittbetroffene, S. 269: „wenig gradlinig und inhomogen – wenn nicht widersprüchlich [...]“, „[...] kann das Vorliegen einer berufsregelnden Tendenz fast nach Belieben bejaht oder verneint werden, ohne dass die jeweilige Begründung für sich betrachtet unschlüssig wäre.“; Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 92: „Die berufsregelnde Tendenz ist als Abgrenzungskriterium kaum handhabbar“. 115 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 94. 116 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 95. 117 Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 96.

IV. Tradierte Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit

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Eine weitere Kritik nimmt die scheinbare Beliebigkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Anlass, die spezifische Eingriffsfigur der Berufsfreiheit ganz aufzugeben und der allgemeinen Dogmatik anzunähern. Stützen lässt sich diese Ansicht mit dem Argument, die Handhabung der berufsregelnden Tendenz lasse daran zweifeln, ob es sich noch um eigenständiges Zurechnungskriterium handle. 118 Rechtsakte mit imperativer Wirkung seien daher unabhängig von ihrer Finalität oder Tendenz Beschränkungen der Berufsfreiheit bzw. die Berufsfreiheit allgemein beeinträchtigt, wenn eine der hoheitlichen Gewalt zurechenbare Maßnahme den individuellen Grundrechtsträger in seiner Berufsausübung erfasse. 119 Freilich stellt sich auch hier die Frage, nach welchen Kriterien die Maßnahme der staatlichen Gewalt zurechenbar sein soll, so dass im Falle längerer Kausalketten möglicherweise die Forderung nur terminologischer Natur ist, während in der Sache auf die berufsregelnde Tendenz zurückgegriffen werden muss. In der Sache ließe sich das hier angemahnte weite Verständnis durchaus mit der Handhabung der berufsregelnden Tendenz in der jüngeren Rechtsprechung des 2. Senats in Deckung bringen. 120 Eine weniger fundamental gemeinte Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung beschäftigt sich mit der Finalität als Begründungselement, das dem BVerfG häufig zur Verneinung der objektiv berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme diente. Es sei widersprüchlich, die Prüfung eines objektiven Kriteriums von Zwecken und Zielen und damit subjektiven Absichten des Gesetzgebers abhängig zu machen. 121 Diesem Einwand lässt sich begegnen, dass mit der Bezugnahme auf die Anknüpfungspunkte oder typischen Auswirkungen der Regelung eine Objektivierung der gesetzgeberischen Intention erreicht wird. 122 Dann kann gefragt werden, ob die zu prüfenden Auswirkungen von der objektivierten Intention umfasst sind. In dieselbe Richtung (aber nicht logische, sondern inhaltliche Schwächen thematisierend) geht der Einwand, die Einwirkungen auf grundrechtliche Schutzgüter werde kaum einmal reiner Selbstzweck sein, sondern entweder öffentliche Interessen oder schützenswerte Belange Privater zum Endzweck haben. 123 Das Merkmal der Finalität darf also auch nicht in diesem Sinne verstanden werden, da andernfalls abseits der unmittelbaren Berufsausübungsregelung keine gesetzlichen Eingriffe denkbar wären – was weder der Entscheidungspraxis des BVerfG entspricht, noch in der Literatur von irgendei118

Bäcker, Wettbewerbsfreiheit, S. 91. Langer, JuS 1993, 203 (208); Manssen, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12, Rn. 76. 120 Vgl. z. B. BVerfGE 110, 226 (254); 110, 370 (393); BVerfG DVBl 2007, 1555 ff. 121 „contradictio in adiecto“, Ipsen, Staatsrecht II, S. 164. 122 Koch, Drittbetroffene, S. 270; in diese Richtung BVerfGE 97, 228 (254) – Kurzberichterstattung, wo das BVerfG auf die typische Betroffenheit abstellt. 123 Koch, S. 271. Da das staatliche Handeln in jeder Form dem Gemeinwohl verpflichtet ist, wäre ein Eingriff als Selbstzweck in der Tat nicht denkbar. 119

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

ner Seite gefordert wird. Es muss also im konkreten Fall auch ausreichen, dass die beeinträchtigende Wirkung nur Zwischenziel des staatlichen Handelns ist, wenn auch ggf. noch weitere Faktoren hinzutreten müssen. So wäre es denkbar, die Verbindung des staatlichen Handelns zu dem beeinträchtigenden Zwischenziel noch weiter einzuengen und auch insoweit Absicht 124 bzw. billigende Inkaufnahme oder zumindest Vorhersehbarkeit 125 zu fordern. Der insoweit geäußerten Kritik lässt sich also eine entsprechende Verwendung Rechnung tragen. 2. Alternativen Die Leistungsfähigkeit der berufsregelnden Tendenz einer staatlichen Maßnahme steht und fällt mit der Möglichkeit ihrer Präzisierung in der täglichen Handhabung, die ohne Zweifel notwendig ist und schon vielfach angemahnt wurde. Alternative Kriterien wären der berufsregelnden Tendenz aber nur vorzuziehen, wenn sie ein höheres Maß an Präzision schaffen würden. “ Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Berufsbezogenheit bzw. der berufsregelnden Tendenz sowohl zur Schutzbereichsabgrenzung als auch zur Bestimmung des Eingriffs verwendet wird. a) Abgrenzung zur allgemeinen Wirtschaftsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG Als Abgrenzungskriterium zu Art. 2 Abs. 1 GG lässt sich die Berufsbezogenheit als Ausdruck der funktionalen Bezogenheit von Schutzbereich und Eingriff verstehen. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Ausübung einer Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage, reichert also Handlungen, die mit einer qualifizierten Absicht ausgeführt werden, mit einer eigenständigen grundrechtlichen Garantie aus. In seiner Funktion als Schutzbereichsabgrenzung muss die Prüfung der Berufsbezogenheit einer staatlichen Maßnahme nicht die Zurechnungen von Wirkungen problematisieren, sondern nur bereits als „staatlich“ und grundrechtlich relevant feststehende Beeinträchtigungen thematisch einem Einzelgrundrecht zuordnen. Insoweit lässt sich die Prüfung der „berufsregelnden Tendenz“ also nicht durch Kriterien der allgemeinen Eingriffsdogmatik ersetzen. Alternativen müssten die Auslegung des Schutzbereichs der Grundrechte betreffen. Hinsichtlich der Auslegung des Schutzbereichs bringt das Abstellen auf die Berufsbezogenheit zum Ausdruck, dass nicht alle als grundrechtsrelevant eingestufte nachteilige Wirkungen auf die Ausübung eines Berufs thematisch der Berufsfreiheit zugeordnet werden sollen, wie weit oder 124 125

Koch, Drittbetroffene, S. 272 ff. m.w. N. Koch, Drittbetroffene, S. 281 ff. m.w. N.

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eng auch je nach Anwendungsfall die Grenzen gezogen werden. Berufsbezogen oder zumindest in der Tendenz berufsregelnd ist nicht, was berufsneutral ist, auch wenn im Einzelfall die Auswirkungen die berufliche Tätigkeit einschränken. Diese Grundaussage der Prüfung der Berufsbezogenheit kommt damit in der häufig anzutreffenden Argumentationsfigur zum Ausdruck, die Norm betreffe weder regelungstechnisch noch in der Anwendungspraxis ganz oder wenigstens überwiegend Berufstätige. Die Kritik lässt sich hier vordergründig leicht formulieren: Wenn das BVerfG schon die tatsächliche Betroffenheit von Berufsträgern ausreichen lässt, dann kann die Schutzbereichseröffnung im konkreten Einzelfall doch nicht davon abhängen, ob das Gesetz abstrakt in einer Mehrzahl von Fällen Berufsträger erfasst oder nicht. Denn die Grundrechte als subjektive Rechte schützen das Individuum vor Nachteilen in ihrem Schutzbereich. Würde man aber auch die konkreten nachteiligen Auswirkungen auf den einzelnen Berufsträger für die Annahme einer Berufsbezogenheit einer Norm genügen lassen, gäbe man das Kriterium dagegen faktisch auf, da dann jeder nachteiligen Wirkung (aus der Sicht des Betroffenen) berufsregelnde Tendenz zukäme und damit eine Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG entfiele. Die Individualbezogenheit der Grundrechte führt dazu, dass der einzelne Grundrechtsträger zumindest durch Art. 2 Abs. 1 GG Grundrechtschutz erfährt. Auf die thematische Abgrenzung der Einzelgrundrechte muss sie dagegen keinen Einfluss haben. Der Vorteil einer abstrakten Anknüpfung liegt aber nicht zuletzt in der dadurch möglichen thematischen Vorhersehbarkeit der Grundrechtseingriffe durch den Gesetzgeber. Nicht ganz frei von Widersprüchen erscheint es daher auch, wenn zwar der auf den Einzelnen zugreifende Vollzug, nicht aber die in ihrer Anknüpfung berufsneutrale Eingriffsgrundlage an Art. 12 Abs. 1 GG geprüft wird. Es ist zwar richtig, dass die mit dem Vollzug verbundene Konkretisierung von Eingriffsmaßnahmen, deren Adressat auf Gesetzesebene noch neutral formuliert werden kann, nunmehr die Betroffenheit eines Berufsträgers in seiner Berufsausübung auslösen kann. Aber es lässt sich nur schwer eine Begründung finden, warum bereits auf Gesetzesebene vorhersehbare, wenn auch nicht zwingend auftretende Auswirkungen auf Berufsträger die Bindung aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht bewirken soll, dann aber durch den Vollzug ein Umschlagen eintritt, der Art. 12 Abs. 1 GG in seiner Abwehr- oder zumindest objektiv-rechtlichen Funktion aktiviert. Die Konkretisierung im Vollzug aktualisiert zwar die Eingriffsintensität und die gegenläufigen öffentlichen Interessen, die zum Erlass des Vollzugsakts geführt haben. Dies steht einer abstrakten Betrachtung auf Gesetzesebene jedoch nicht entgegen und kann nicht begründen, warum die bereits jetzt absehbaren späteren Auswirkungen im Falle der Betroffenheit eines Berufsträgers nicht schon hier an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen werden sollen. Es spricht daher viel dafür, Ermächtigungsgrundlage und Vollzug gleich zu handhaben, also entweder alle nachteiligen grundrechtsrelevanten Auswirkun-

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

gen auf die Berufsfreiheit an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, oder aber die Berufsbezogenheit der Vollzugsmaßnahme einheitlich aus der Rechtsgrundlage abzuleiten, an der sie teilnimmt. 126 Nur in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage kann und muss der Vollzugsakt isoliert geprüft werden. In einem solchen Fall steht nur fest, dass bei der Verengung der Prüfung auf einen konkreten Betroffenen nicht mit der typischen Betroffenheit argumentiert werden kann, wie sie bei generell-abstrakten Rechtsätzen möglich ist. Die mangels anderweitiger Abgrenzungskriterien einzig denkbare Alternative, alle nachteiligen grundrechtsrelevanten Auswirkungen der Berufsfreiheit zu unterstellen, kann demgegenüber nicht überzeugen. Denn angesichts der Verflechtungen des Wirtschaftslebens haben eine Vielzahl von staatlichen Eingriffen auch Auswirkungen auf die Berufstätigkeit. Ohne ein eingrenzendes Kriterium zugunsten von Art. 2 Abs. 1 GG mit seinen geringeren Rechtfertigungshürden würde die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GG auf Konstellationen ausgedehnt, denen nichts berufsspezifisches mehr anhaftet. Dabei geht es weniger darum, die Gefahr einer „Lähmung“ 127 der Staatstätigkeit zu verhindern, als die Reichweite der Einzelgrundrechte sinnvoll voneinander abzugrenzen. Im Gefüge der Grundrechte kommt Art. 12 Abs. 1 G zwar eine zentrale, aber keine übermächtige Rolle zu, die ein Anwachsen seines Schutzbereichs über die Sachverhalte hinaus rechtfertigen könnte, die die Chancenverteilung bzw. die Position im Wettbewerb unberührt lassen. Die Ausgrenzung von berufsneutralen Einwirkungen aus Art. 12 Abs. 1 GG – verbunden mit der Überstellung unter die allgemeine Handlungsfreiheit – ist daher ein legitimes Anliegen der Abgrenzung der Schutzbereiche der Einzelgrundrechte, 128 die das Kriterium der Berufsbezogenheit bzw. die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme bei aller Kritik der Anwendung im Einzelfall grundsätzlich zu leisten im Stande ist. Rechtsstaatliche Bedenken sollte dieses Vorgehen vor allen Dingen deswegen nicht hervorrufen, weil die Ablehnung des Schutzbereichs wegen des Eingreifens von Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht nicht zu einer Schutzlücke führt. b) Spezielles Eingriffskriterium Auf einem anderen Blatt steht dagegen, ob die zu Art. 12 Abs. 1 GG unter derselben Begrifflichkeit entwickelte schutzbereichsspezifische Eingriffsdogmatik 129 überzeugen kann oder besser durch die allgemeine Grundrechtsdogmatik ersetzt werden sollte. Ein Blick auf die Auseinandersetzungen des hier herr126 127 128 129

So BVerfG NJW 1999, 3404. Vgl. Koch, Drittbetroffene, S. 253. Vgl. Achatz, DVBl 2009, 1443 (1444). Dafür generell Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 243 ff.

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schenden „modernen Eingriffsbegriff“ der allgemeinen Grundrechtsdogmatik wirkt hier alles andere als ermutigend: Von einem „kaum mehr überschaubaren Chaos“ 130 ist die Rede, das bis in die jüngste Zeit zu einer Reihe an Monographien und Abhandlungen geführt hat, 131 ohne dass der Streit über den Inhalt des Eingriffsbegriffs als geklärt gelten darf. Als sicher kann nur gelten, dass die weitestgehende Formulierung, demzufolge jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten im Schutzbereich eines Grundrechts ganz oder teilweise unmöglich macht, gleichgültig, ob diese Wirkung final oder beabsichtigt, rechtlich oder tatsächlich, unmittelbar oder mittelbar, mit oder ohne Zwang erfolgt, 132 im Bereich der Berufsfreiheit nur bedingt geeignet ist, weil wegen der Verflochtenheit der Märkte nahezu alle Handlungen des Staates in irgendeiner Weise Rückwirkungen auf die berufliche Tätigkeit zeitigen können, die eine zurechnende Rückführung auf den staatlichen Auslöser nicht immer leicht oder überzeugend machen. 133 Ob sich dieses aus den befürchteten Lähmungserscheinungen begründen lässt, soll hier offen bleiben. 134 Gefährdungen der Freiheitsrechte können jedoch auch aus einer sachlich nicht begründeten Weite des Rechtfertigungstatbestands resultieren, weil „echte“ Eingriffe unter dem Deckmantel der Eingriffsrechtfertigung nur scheinbarer und daher leicht zu rechtfertigender Eingriffe untergehen können. Auch hier erscheint es daher sachgerecht, nicht alle durch staatliches Handeln verursachte Nachteile dem grundrechtlichen Abwehrregime zu unterstellen. 135 130 Schulte, DVBl 1988, 512 (516); von erheblicher Verunsicherung spricht Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 47. 131 Vgl. die Themenarbeiten von Eckhoff, Der Grundrechtseingriff (1992) und Roth, Faktische Eingriffe in Eigentum und Freiheit (1994) sowie die ausführliche Diskussion bei Koch, Drittbetroffene, S. 211 ff.; Poscher, Abwehrrechte, S. 315 ff.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 74 ff. 132 Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, S. 240 m.w.N., zurückgehend auf Papier, DVBl 1984, 801 (805) eben für Art. 12 Abs. 1 GG. 133 Papier ist daher entgegen zu halten, dass es nicht darum geht, gewisse Beeinträchtigungen aus der Garantiefunktion des Art. 12 Abs. 1 GG auszunehmen, deren staatliche Natur im Übrigen schon feststeht. Dass die staatliche Natur indes nicht selbstverständlich ist, wird beispielsweise in der Drittwirkungsdiskussion im Privatrecht deutlich. Die Diskrepanz zwischen der weiten Eingriffsformulierung Papiers und des gleichzeitig von der ganz h.M. verneinten Eingriffscharakters der Zwangsvollstreckung (dazu ausführlich Fischer, Vollstreckungszugriff als Grundrechtseingriff, 2006) oder anderer privatrechtlicher Rechtsinstitute ist schwer verständlich. Konsequent ist daher die Rekonstruktion von Poscher, Abwehrrechte, S. 315 ff. 134 Dagegen z. B. Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, S. 244. 135 Hier wird also „institutionenökonomisch“ argumentiert. Aus der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes wird sich nur schwerlich ein Argument für oder gegen die Notwendigkeit einer (bestimmten) Reduktion der relevanten Nachteile finden lassen. In diese Richtung geht die Lehre der „in dubio pro libertate“ oder des Effektivitätsprinzips (vgl. dazu Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 142 m.w.N.). Um die Lösung zu finden, in der die Grundrechte ihre volle Wirksamkeit entfalten, müsste aber ihr Inhalt bereits be-

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

Im Übrigen sollte nicht vergessen werden, dass die Rechtsprechung mit der griffigen Formel, Art. 12 Abs. 1 GG „schütze nicht vor Konkurrenz“, und der nicht zuletzt darauf beruhenden Ausblendung der Kontextbezüge der Berufsfreiheit den Schutzbereich bereits zu eng bestimmt hatte. Mit der hier vertretenen Erweiterung des Schutzbereichs lassen sich viele Elemente der weiten Eingriffsbestimmung aufnehmen. Jedenfalls im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist eine Eingrenzung der grundrechtlich relevanten Einwirkungen damit weiterhin notwendig. Für die Bestimmung eines Eingriffs nach allgemeiner Grundrechtsdogmatik hat sich eine Reihe von Kriterien gebildet, die ein unterschiedliches Maß an Verbreitung gefunden haben. Als zentral dürfen dabei als isolierte Relikte des klassischen Eingriffsbegriffs die Finalität bzw. die Unmittelbarkeit, als Ausprägungen neuerer Präzisierungsversuche die Intensität einer Maßnahme und der Schutzzweck des Grundrechts gelten. 136 aa) Unmittelbarkeit Gegen das Unmittelbarkeitserfordernis als eingriffskonstituierendes Merkmal spricht zuvorderst die verworrene Verwendung des Begriffs, die sich nicht nur auf das öffentliche Recht beschränkt und zu einer ergebnisorientierten Verwendung einlädt. Versteht man es im Sinne der Ausgrenzung der Nachteilsvermittlung durch Dritte bzw. das Setzen der letzten Kausaleinwirkung, 137 wird schnell klar, dass mit dieser Umschreibung nicht alle relevanten Einwirkungen umschrieben werden. Trotz ihrer Vermittlung durch Dritte ist es selbstverständlich, dem Staat beispielsweise die Beeinträchtigungsfolgen zuzurechnen, zur deren Begehung er Dritten unter Androhung von Sanktionen verpflichtet hat. 138 Die Forderung nach der Begrenzung drittvermittelter Einwirkungen hat demgegenüber aber ebenfalls ihre Berechtigung, da endlose Kausalketten die staatliche Verantwortung für die gerügten Einwirkungen immer brüchiger werden lassen. Dieser Beobachtung lässt sich auch nicht mit dem Einwand begegnen, die an der Wirkung orientierte Formulierung der Grundrechte ließe eine Begrenzung kannt sein. Ihr Inhalt kann nun zwar unter Rückgriff auf das Freiheitsprinzip dahingehend formuliert werden, die Grundrechte wollten ein Maximum an individueller Freiheit garantieren. Ob dieses Maximum gerade durch einen umfassenden Rechtfertigungsvorbehalt realisiert oder nicht eher relativiert wird, ist aber genau der Kern der Auseinandersetzung. 136 Vgl. zu den genannten und weiteren insbesondere die Nachweise bei Roth, Faktische Eingriffe, S. 33 ff. 137 Im Rahmen der Verwendung als Teil des modernen Eingriffsbegriffs fallen Begriffsbesetzungen weg, die von vornherein nicht zu einer Erweiterung des Eingriffsverständnisses führen können, wie etwa die Bezeichnung der Adressatenstellung oder andere Elemente des klassischen Eingriffsbegriffs. 138 Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 157, der hier auf den Umgehungsgedanken abstellt.

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nicht zu, die nicht auf den Effekt, sondern die Struktur der Beeinträchtigung abstelle. 139 Denn aus Art. 1 Abs. 3 GG lässt sich ebenso entnehmen, dass die Wirkung noch als Folge eines staatlichen Auslösers vorhanden sein muss, um als Eingriff gelten zu können. Völlig richtig ist daher zwar die Feststellung, der Auslegung der Grundrechtsbestimmungen ließen sich keine Beschränkung auf mittelbare Eingriffe entnehmen, 140 was aber dennoch voraussetzt, dass überhaupt ein staatlicher Eingriff gegeben ist. Gelingt aber eine sinnvolle Eingrenzung nicht unter Zuhilfenahme bloß formeller Kriterien, verbirgt sich hinter der Prüfung der Unmittelbarkeit letztlich nur eine wertende Betrachtung der relevanten Kausalursachen, die dem Unmittelbarkeitskriterium selbst nicht entnommen werden können und es damit entbehrlich machen. 141 bb) Finalität Eben mit Hinweis auf die Interpendenzen zwischen sozialer und wirtschaftlicher Ordnung begründete Friauf die Notwendigkeit, Grundrechtseingriffe alleine von der freiheitsbeschränkenden Intention her zu bestimmen. Alle von ihm als rein objektiv-zufällig bezeichneten Beeinträchtigungen sollten damit ausscheiden, um bei derartigen Fernwirkungen nicht die sozialgestalterische Aktivität des Staates über Gebühr zu beschränken. 142 Einigkeit besteht wohl mittlerweile soweit, dass die Finalität entgegen der Ansicht Friaufs kein allgemein notwendiges Kriterium bildet. In Teilbereichen wie im Falle staatlicher Informationstätigkeit wird dem Finalitätskriterium aber auch in der Literatur eine gewisse Berechtigung zugesprochen. 143 Umstritten ist schließlich, ob die Finalität der Maßnahme ein hinreichendes Kriterium bildet, das die Prüfung anderer Kriterien obsolet macht. 144 Die Kritik zielt einerseits auf die Prämisse Friaufs, nach der eine Einschränkung der eingriffsrelevanten Beeinträchtigungen notwendig ist. 145 Teleologischer Natur ist dagegen der Einwand, die Grundrechte sanktionierten nicht begangenes 139

So Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 212 f. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (95). 141 Ebenso Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 213; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 173; Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 24. 142 Friauf, DVBl 1971, 674; zuvor bereits Forsthoff, Verw-AT Bd. 1, S. 347. 143 Vgl. Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 153; Roth, Faktische Eingriffe, S. 37 ff. m.w.N.; Huber, Konkurrenzschutz, S. 235 hält dieses Korrektiv sogar für notwendig, wenn wegen der Auflösung des Eingriffsbegriffs andere Zurechnungserwägungen scheitern. 144 Verneinend Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (98); Roth, Faktische Eingriffe, S. 202 mit dem aus dem Strafrecht entlehnten Argument, es ersetze nicht die Prüfung einer relevanten Gefahrschaffung. Bejahend dagegen Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 196. Albers, DVBl 1996, 223 (1165); DiFabio, JZ 1993, 689 (695); Huber, Konkurrenzschutz, S. 233. 145 Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 193, zu der Argumentation s. oben S. 245. 140

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Handlungsunrecht, sondern wollten grundrechtswidrige Effekte 146 verhindern. 147 Schließlich seien auch die erzielten Ergebnisse unbillig, weil identische Wirkungen je nach Entstehung unterschiedlich behandelt werden würden. 148 Bei aller Kritik der Finalität als Zurechnungskriterium muss mit Huber 149 konstatiert werden, dass bei der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte die Finalität als Zurechnungskriterium den Ausschlag geben kann, wenn in Anlehnung an die strafrechtliche Vorsatzprüfung anderweitige Defizite z. B. bei der Länge der Kausalkette oder der Vorhersehbarkeit, die auch im Zivil- oder Strafrecht zu Zurechnungsproblemen führen, durch die erhöhte voluntative Komponente ausgeglichen wird. Insoweit kann die Finalität in gewissen Sachverhaltskonstellationen ein Indiz für das Vorliegen eines Eingriffs bilden. 150 Will man aber eine Scheinrationalität vermeiden, muss genau angegeben werden, in welchen Fällen das Finalitätskriterium eingesetzt werden darf. Über diese unterstützende Wirkung hinaus lässt sich die Eingriffsprüfung aber weder positiv noch negativ auf die Prüfung der Finalität beschränken. cc) Intensität Die Intensität der Beeinträchtigung lässt sich als wiederkehrendes Argumentationsmuster vor allem des BVerwG ausmachen, die schließlich in der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie gipfelte, der zufolge nur eine „schwere und unerträgliche Betroffenheit“ zur Bejahung eines Eingriffs abseits des klassischen Eingriffsbegriffs führen könne. 151 Sie lässt sich in zweifacher Richtung anwenden. Zum einen können durch den so genannten „Bagatellvorbehalt“ als unwesentlich eingestufte Einwirkungen aus der Abwehrfunktion der Grundrechte ausgeschlossen werden, deren Eingriffsqualität andernfalls feststehen würde. Für die Ausgrenzung von Bagatellfällen mag die die Kompetenz der Staatsgewalten abgrenzende Funktion des Grundgesetzes Anhaltspunkte bieten. 152 Als negatives Kriterium, mit dem der Eingriffscharakter einer Einwirkung verneint werden kann, lässt es sich aber nicht zu streng fassen; es ist daher nicht geeignet, 146

So Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 25 ff. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 194. Ähnlich und überdies vom Wortlaut argumentierend Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 155. 148 Roth, Faktische Eingriffe, S. 39 m.w. N. 149 Huber, Konkurrenzschutz, S. 235. 150 Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (103). 151 BVerwGE 32, 173 (178 f.); 50, 282 (286 ff.). Später hat das BVerwG diese Prüfungsformel der Sache nach auch auf die Wettbewerbsfreiheit (damals in Art. 2 Abs. 1 GG lokalisiert) übertragen, wenn es über Konkurrentenstreitigkeiten zu entscheiden hatte, vgl. BVerwGE 65, 167 – Ladenschlussgesetz: Ein Eingriff liege erst dann vor, wenn die „Teilnahme am Wettbewerb so eingeschränkt worden wäre, daß ihre Möglichkeit, sich als verantwortliche Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, beeinträchtigt gewesen wäre“. 152 Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 255 spricht von der „Justitiabilität“ des Eingriffes. 147

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im Sinne eines Ausschlusskriteriums alle umstrittenen Fälle zu lösen, sondern muss sich auf evidente Fälle beschränken. Solche evidenten Fälle liegen nicht schon vor, wenn das staatliche Handeln den traditionellen Eingriffsbegriff verlässt. Denn die Wirkungen des staatlichen Handelns können in diesen Fällen wesentlich stärker sein als die Handlungsform eines unsanktionierten Verbots. Man mag allerdings geneigt sein, den Wegfall der Vollstreckungsfunktion eines Verwaltungsaktes mit der Forderung nach einer vergleichbaren Mindestintensität zu kompensieren. 153 Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Beeinträchtigungen, die beispielsweise durch die Nutzung eines Nachbargrundstücks oder die Inanspruchnahme einer Erlaubnis durch den Mitwettbewerber entstehen, einer Vollstreckung schon gar nicht bedürfen, sondern von selbst eintreten, was – bleibt man innerhalb dieses Arguments – also eher für eine besonders niedrige Schwelle spricht. Als notwendiges Kriterium lässt sich die Intensität daher nicht nutzen. In der hier interessierenden Anwendung soll durch die Schwere der Beeinträchtigung ein Wirkungszusammenhang abgeleitet werden, der (wenn möglich ohne die Hinzunahme weiterer Kriterien) auf den ersten Blick nicht selbstverständliche Folgeerscheinungen einem staatlichen Handeln zuordnet. Anders als beim Kriterium der Finalität kann die Prüfung der Schwere der Beeinträchtigung für sich in Anspruch nehmen, im Sinne des Telos der Grundrechte immerhin an der beeinträchtigenden Wirkung anzusetzen. 154 Gegen das Abstellen auf die Intensität der Beeinträchtigung wurde zunächst vorgebracht, das Kriterium lade wegen seiner Konturlosigkeit zu richterlicher Kasuistik gerade zu ein. 155 Daran ist zutreffend, dass mit der Nutzung der Intensität noch nicht feststeht, welcher Beeinträchtigungsgrad gefordert wird und wie die Intensität im Einzelfall zu bestimmen ist. Konturlos bliebe die Intensität als Kriterium jedoch nur, wenn sie nicht durch den Inhalt des jeweiligen Grundrechts oder mit Blick auf die Umstände des jeweiligen Sachverhalts angereichert werden könnte, um nachvollziehbar einen bestimmten Schweregrad zu fordern und sein Vorliegen zu prüfen. Bei aller Kritik an der Rechtsprechung des BVerwG: es hat immerhin im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG zu begründen versucht, warum aus der Struktur der Eigentumsgarantie im konkreten Fall die von ihm geforderte besonders hohe Eingriffsintensität abzuleiten sei. 156 Zum anderen ist den Grundrechten die Berücksichtigung der Schwere nicht neu, da das Ausmaß der 153

Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 264. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 253. 155 Schulte, DVBl 1988, 512 (517). 156 So hat es die abwehrrechtliche Relevanz von faktischen Eingriffen in das Eigentum nicht pauschal von der schweren und unerträglichen Beeinträchtigung abhängig gemacht. Unmittelbare Eingriffe in die Substanz des Eigentums durch beispielsweise das Überbauen des Grundstücks durch die öffentliche Hand seien auch abwehrbar, wenn sie nur leichter Natur seien. Mittelbare, d. h. erst durch eine Situationsveränderung [außerhalb des Grundstücks] vermittelte Auswirkungen müssten dagegen hingenommen werden, wenn 154

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Beeinträchtigung ja auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden muss. 157 An der wertenden Beurteilung der Eingriffsqualität führt daher regelmäßig kein Weg vorbei, so dass insoweit auch keine Gründe gegen die Anwendung in der Eingriffsprüfung bestehen. Problematischer ist dagegen, warum der Intensität überhaupt eine die Zurechnung begründende Aussagekraft zukommen soll. In diese Richtung zielt der denkbare Einwand, es sei nicht ersichtlich, warum eine Beeinträchtigung kraft ihrer Intensität in einen Eingriff umschlagen könne. Daran ist zutreffend, dass einmal als Eingriffe eingestufte Einwirkungen diesen Status nicht mehr wegen ihrer geringen Intensität verlieren können. Es wäre mit dem in der Diskussion um die Reichweite des Schutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG erreichten Stand 158 nicht vereinbar, wenn das „Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung“ wieder Einzug hielte. 159 In der Diskussion um die Intensität der Beeinträchtigung im Rahmen des Eingriffsbegriffs steht jedoch nicht die Reichweite des Schutzbereichs im Blickfeld, sondern die Zurechnung. Als Argument für die zurechnungsbegründende Wirkung der Intensität wurde vorgebracht, sie bewirke eine „faktische Befehlsäquivalenz“. 160 Auf die Probleme, die mit der Bestimmung einer äquivalenten Belastung verbunden sind, wurde bereits hingewiesen. 161 Bewirkt das staatliche Verhalten aber trotz der möglicherweise vielfachen Zwischenschaltung Dritter und der fehlenden Folgenbewirkungsabsicht des Gesetzgebers eine hohe Beeinträchtigungsintensität, dann ist diese Wirkung aber dennoch in der Lage, die brüchiger gewordene Zurechnung der Wirkungen zu begründen. Denn in diesem Fall hat sich die Vermittlung durch Dritte nicht als Puffer erwiesen, der die Einwirkung des Staates abschwächt; ebenso wenig verfängt die Berufung auf die fehlende Intention, da der Gesetzgeber derart schwere Folgen doch hätte sehen müssen. Ausschlaggebend ist dabei nicht, ob die schweren Folgen tatsächlich vorhersehbar waren. Typischerweise besteht ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Folgen und ihrer Vorhersehbarkeit, die es in der Tendenz rechtfertigen mag, nicht beabsichtigte Folgen nicht zuzurechnen. Diese negative Vermutungswirkung anderer Zurechnungsmerkmale kann die fortwirkende erhebliche Intensität erschüttern, bis hin zu einer unwiderleglichen Vermutung der entscheidenden Bedeutung des staatlichen Auslösers. Schließlich kann das Intensitätskriterium ein Indiz für die Kausalität des staatlichen Handels in all denjenigen Fällen sein, in denen auch unter zu Hilfesie nicht zu den genannten schweren und unerträglichen Belastungen führen, BVerwGE 50, 282 (286 ff.). 157 Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 254; Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 155. 158 BVerfGE 80, 137 (152) – Reiten im Walde. 159 So auch Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 156. 160 Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 276. 161 Oben C.III.4., S. 237 f.

IV. Tradierte Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit

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nahme der prognostischen Methoden der Ökonomie keine sichere Aussage über die Zurechnung mehr zu treffen ist. Aus diesem Grund ist nachvollziehbar, ab einer gewissen Erheblichkeit zwingend einen Eingriff anzunehmen, wenn die Folgen nur kausal herbeigeführt worden sind. Im Rahmen der hier vorgeschlagenen Konzeption der Wettbewerbsfreiheit spricht ein weiterer Umstand für das Intensitätskriterium: das soziale Gefüge, innerhalb der eine Wettbewerbshandlung ausgeführt wird, muss nicht durch jede staatliche Maßnahme in Mitleidenschaft gezogen werden. Einwirkungen auf das soziale Gefüge müssen für den Wettbewerber aber auch spürbar sein, weil sie andernfalls keinen Einfluss auf die grundgesetzlich geschützte soziale Erfolgschance haben können. Das ist nicht der Fall, wenn die Einflüsse zwar grundsätzlich geeignet sind, eine Wettbewerbsbeeinträchtigung herbeizuführen, aber in ihrem Effekt von nicht-staatlichen Einflüssen überlagert werden. Für den Bereich zwischen Bagatellgrenze (Intensität als notwendige Bedingung) und gesteigerter Schwere (Intensität als hinreichende Bedingung) bringt das Abstellen auf die Intensität dagegen wenig Nutzen. dd) Kombinationslösung des BVerwG Eine Kombination einiger dieser Eingriffskriterien hat das BVerwG in seiner Glykolentscheidung 162 entworfen, die in der Folge über die gegen das Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde zu der bereits zitierten Rechtsprechungsänderung des BVerfG geführt hat. In seiner Entscheidung hob es zunächst auf seine Rechtsprechung zur Veröffentlichung einer Arzneimittel – Transparenzliste ab. 163 Dort hatte es einen Eingriff noch an die berufsregelnde Tendenz geknüpft, diese aber bejaht, weil der Staat durch die Veröffentlichung zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen veränderte, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen. 164 Die Zielgerichtetheit sah es dagegen bei der Veröffentlichung der Abfüller verseuchter Weine aus verschiedenen Gründen nicht mehr gegeben. Zum einen durfte das Bundesministerium davon ausgehen, dass der Abfüller keine betroffenen Kontingente mehr verkaufen würde, weil er andernfalls mit sofortigen Zwangsmaßnahmen zu rechnen gehabt hätte. Zudem wurde vor Aufnahme der Liste nicht geprüft, ob der Abfüller noch über einen Posten dieses Weines verfügte, der Wein noch im Handel erhältlich war oder der Abfüller noch existierte. Schließlich enthielt die Liste den ausdrücklichen Hinweis, die (zusätzliche) Namensnennung der Abfüller erfolge lediglich 162 BVerwGE 87, 37 ff.; dazu Schoch, DVBl 1991, 667 ff.; Selmer, JuS 1992, 84 ff.; Lege, DVBl 1999, 569 ff. 163 BVerwGE 71, 183 ff. – nachgehend ebenfalls eine Verfassungsbeschwerde, die zu der oben angeführten Entscheidung des BVerfG (NJW 1999, 3404 ff.) führte, vgl. zum Sachverhalt oben C.II.5., S. 232 ff. 164 BVerwGE 71, 183 (192 ff.).

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

aus dem Grund, dem Verbraucher eine Identifizierung der aufgeführten Weine zu ermöglichen. Damit lagen genug Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass das Ministerium eine verkaufsmindernde Wirkung weder bei den betroffenen, noch bei anderen Weinen der Abfüller intendiert hatte, sondern eher vermeiden wollte.

Das BVerwG sah in der fehlenden berufsregelnden Tendenz aber kein Hindernis auf dem Weg zur Annahme eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG. Weder das BVerwG noch das BVerfG hätten ausgesprochen, dass das Vorliegen eines Eingriffs von einer berufsregelnden Tendenz abhinge. Der Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG wäre indes unvollständig, „wenn an ihm nicht auch mit staatlicher Autorität vorgenommene Handlungen gemessen würden, die als [...] voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit“ bewirkten. 165 In der Konzeption des BVerwG stellt also die Finalität einer Maßnahme eine notwendige Bedingung der berufsregelnden Tendenz dar; davon unberührt bleibt aber die Möglichkeit, einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG aus der Intensität der Beeinträchtigung abzuleiten. Die Zurechnung wird aber durch den Zusatz eingeschränkt, es müsse sich dabei um vorhersehbare und in Kauf genommene Nebenfolgen handeln. Die im Vergleich zu Zielgerichtetheit verringerte subjektive Komponente auf der Seite des Beeinträchtigungsaktes wird durch eine erhöhte Beschwer auf der Wirkungsseite ausgeglichen. Der Ansatz des BVerwG ist nachvollziehbar und kann im Einzelfall durchaus zu angemessenen Ergebnissen führen. Die Kombination verschiedener, für sich genommen allenfalls hinreichender Eingriffskriterien würde aber nur dann überzeugen, wenn sie in kombinierter Form alle grundrechtsrelevanten Einwirkungen abdecken könnten. Das ist nicht der Fall, da die beiden Kriterien nicht komplementär sind: Während die Finalität mit Blick auf die Maßnahme einen Teilbereich der Einwirkungen erfasst, kann mit der Intensität nur ein Teil der Wirkungen dem Grundrecht zugeordnet werden. Es gibt aber durchaus nichtfinale Maßnahmen mit nur mittlerer Intensität, die auch durch die Kombination der Kriterien nicht als grundrechtsrelevant eingestuft werden, obwohl sie in zurechenbarer Weise den Freiheitsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigen und damit als Eingriffe zu werten sind. 166 ee) Zurechnungskriterien des Zivil- und Strafrechts Die Kausalität des staatlichen Handelns für die grundrechtswidrigen Wirkungen stellt unbestritten die Minimalbedingung für die Bejahung eines Eingriffs 165

BVerwGE 87, 37 (44). Vgl. dazu die Entscheidungen des BVerfG, in denen es Konkurrenznachteile unabhängig von ihrer Finalität oder Intensität als grundrechtsrelevant eingestuft hat, oben A.II.3., S. 77 (Vertragsarztprivileg), S. 75 (Sachverständige), S. 73 (Krankenhausplan). 166

IV. Tradierte Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit

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dar. Sowohl das Zivil-, Sozial- wie auch das Strafrecht haben über die Kausalität hinaus nach Möglichkeiten gesucht, die Folgenverantwortung sinnvoll einzugrenzen. Es erstaunt nicht, dass verschiedentlich versucht wurde, die Konzeptionen aus anderen Rechtsbereichen in das öffentliche Recht zu übertragen. Damit einher ging auch der Wandel der systematischen Funktion des Grundrechtseingriffs: innerhalb der Eingriffsprüfung wird – anderen Rechtsbereichen entsprechend – untersucht, ob der Wirkungserfolg einem staatlichen Auslöser zurechenbar ist, was wiederum von Wertungen abhängt. 167 (1) Schutzzwecklehre Auf Ramsauer geht der Versuch zurück, die aus dem Zivilrecht bekannte Schutzzwecktheorie für das öffentliche Recht fruchtbar zu machen. 168 Dabei geht es Ramsauer weniger um eine Alternative zu den bisherigen Zurechnungskriterien, sondern um eine Figur, die die bisherigen Ansätze in sich aufnehmen kann, ohne jedoch durch sie abschließend determiniert zu werden. Unmittelbarkeit, Finalität und Intensität bilden Indizien für den Inhalt und Umfang des Schutzzweckes eines Grundrechts. In erster Linie werde der Schutzzweck jedoch durch einen grundrechtsspezifischen Wirkungszusammenhang 169 definiert. Wenn die staatliche Maßnahme auf das soziale, wirtschaftliche oder sonstige Umfeld eines Grundrechtsträgers einwirke, dann sei es neben der Dichte der Erfolgsbeziehung (die sich nach Ramsauer aus der Länge der Kausalkette und der Intention bemisst) vor allem die Grundrechtsbezogenheit der Maßnahme, die über den Eingriffscharakter entscheide. Hierfür sei ausschlaggebend, wie die Grundrechtsnorm in das Umfeld des Grundrechtsträgers ausstrahle. 170 Vom Schutzzweck der Grundrechte sieht er – wie im Zivilrecht – das allgemeine Lebensrisiko nicht umfasst. Gegen letztere Einschränkung wurde zutreffend eingewandt, die Ausgrenzung des allgemeinen Lebensrisikos sei bei der Ausgestaltung der Haftung zwischen Privatrechtssubjekten nachvollziehbar. Es sei jedoch kein Grund ersichtlich, warum auch der Staat im Verhältnis zu seinen Bürgern in selbem Umfang von seiner Folgenverantwortung frei werden solle. 171 Denn im Verhältnis zum Bürger-Staat lässt sich nicht mit hinreichender Plausibilität begründen, welche Folgen als Ausfluss des allgemeinen Lebensrisikos hingenommen werden müssen. Im Bürger-Bürger-Verhältnis liegt die Bedeutung des allgemeinen Lebensrisikos darin begründet, dass niemand für Folgen haften soll, die den Ge167 168 169 170 171

Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 24. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89. Ders., VerwArch 72 (1981), 89 (105). Ders., VerwArch 72 (1981), 89 (105). Roth, Faktische Eingriffe, S. 45 f.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 267 ff.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

schädigten wie den Schädiger gleichermaßen treffen können und damit Folge einer sozialen Schicksalsgemeinschaft sind, der sich am besten mit einer beidseitigen Haftungsfreistellung begegnen lässt. Eine solche soziale Schicksalsgemeinschaft liegt aber zwischen Staat und Bürger nicht vor. 172 Übertragen auf das Verhältnis Bürger-Staat ließe sich allenfalls argumentieren, die Folgen der Verfasstheit in einem Staatsgefüge seien das notwendige Übel, das mit den Vorteilen zwangsläufig einhergehe. Nachteile, die sich erst aus der Eingebundenheit in ein Staatsgefüge ergäben, seien damit Ausdruck eines allgemeinen „Verfasstheitsrisikos“. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige an das „allgemeine Gewaltverhältnis“ erinnernde Konstruktion eine Vielzahl von Beeinträchtigungen aus dem Grundrechtsschutz ausgrenzen würde, deren Grundrechtsrelevanz nicht zweifelhaft ist. Von seinem dogmatischen Hintergrund gelöst sollen mit der Berufung auf das allgemeine Lebensrisiko aber schlicht Schäden ausgegrenzt werden, die nicht auf der spezifischen Gefahr beruhen, die durch die staatliche Handlung geschaffen wurde. Diesen Ansatz hat Roth selbst weiterverfolgt. 173 Er lässt sich aber bereits in der Schutzzwecklehre verankern und ist durchaus auf die Grundrechtsdogmatik übertragbar. Dagegen wird man sich dem Vorschlag nicht verschließen können, die Ausstrahlung des Grundrechts auf das Umfeld des Grundrechtsträgers zu berücksichtigen. Dieser Versuch wird hier unternommen, indem der Freiheitsgegenstand des Grundrechts präziser herausgearbeitet und gezeigt werden soll, dass das soziale Umfeld bereits den Schutzgegenstand der Berufsfreiheit mitkonstituiert. Die Grenzen des Schutzzweckansatzes in der Interpretation Ramsauers werden aber bereits an der Aufzählung der Einwirkungen deutlich, die er nicht vom Schutzzweck umfasst sieht. 174 Substanzverluste von Gewerbebetrieben infolge der Verschlechterung der Wettbewerbssituation seien nicht grundrechtsbezogen. Eine Begründung für diese Ausgrenzung nennt er dafür nicht und bezieht sich dafür insbesondere nicht auf die Ausstrahlungswirkung der Art. 12, 14 GG. Der Schutzzweckansatz steht und fällt damit mit der Möglichkeit, anhand der Ausstrahlungswirkung den Schutzzweck zweifelsfrei zu ermitteln, ohne nur ergebnisorientiert zu argumentieren. (2) Gefahrschaffung Roth stellt dagegen die Schaffung einer relevanten Gefahr für ein grundrechtliches Schutzgut in den Mittelpunkt seiner Untersuchung, in der sich der Beeinträchtigungserfolg gesetzmäßig kausal realisiert hat. 175 Er stellt damit auf 172 173 174 175

Roth, Faktische Eingriffe, S. 45. Roth, Faktische Eingriffe, S. 129 ff. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (105). Roth, Faktische Eingriffe, S. 130 ff., 198.

IV. Tradierte Argumentationsfiguren der Berufsfreiheit

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eine spezifisch strafrechtliche Zurechnungslehre ab. Auch hier lässt sich der Einwand machen, die Prüfung der objektiven Zurechnung des Erfolgs im Strafrecht habe die Aufgabe, strafrechtlich relevante Gefahren auszugrenzen und sei daher notwendigerweise auf eine weite Ausgrenzung gerichtet, die für das öffentliche Recht nicht sachgemäß sei. Die dort gefundenen Wertungen ließen sich daher nur eingeschränkt auf das öffentliche Recht übertragen. Damit wäre dem Ansatz Roths jedoch Unrecht getan. Denn der für Roth zentrale Begriff der Gefahrschaffung ist grundsätzlich flexibel genug, um auch spezifisch öffentlichrechtliche Wertungen aufzunehmen. Die materielle Bestimmung der abwehrrechtlichen Relevanz soll sich aber nun wieder nach dem Schutzzweck des Abwehrrechts bestimmen, 176 so dass fraglich bleibt, wo sich der Ansatz Roths von Ramsauer unterscheiden soll. Eine etwas weitergehende Nuance erhält der Ansatz Roths allerdings dadurch, dass er ausdrücklich auf das Wesen des zu vermeidenden Erfolgs abstellt, die er vor allem in der Beeinträchtigung der Willensfreiheit sieht. 177 Eine abwehrrechtlich relevante Gefahr soll nun vorliegen, wenn sich die psychische Einwirkung durch die staatliche Maßnahme dergestalt auf den Willensentschließungsprozess auswirkt, dass die dadurch ausgelöste Abweichung von der ursprünglich intendierten Entscheidung vernünftig erscheint. 178 Allerdings differenziert Roth nicht nach dem Adressaten der Einwirkung. Im seinem Ansatz ist es ohne Bedeutung, auf wessen Willensentschließungsfreiheit eingewirkt wird. Haben Einwirkungen auf Dritte zur Folge, dass nach dem Vernüftigkeitsprinzip am Ende einer langen Kausalkette der Vertragsabschluss mit einem Unternehmer unterbleibt, dann wäre dieser in seiner natürlichen Freiheit zum Vertragsabschluss und damit in seiner Wettbewerbsfähigkeit beschränkt. Roth blendet damit eine Reihe von Einwirkungsmodalitäten aus, denen er für die Bestimmung der Eingriffsqualität keine Bedeutung beimisst. Durch welche Faktoren die Willensentschließungsfreiheit beeinträchtigt wird, bleibt gänzlich außer Betracht. Die Rückbindung auf den Schutzzweck des ggf. betroffenen Grundrechts spricht Roth damit zwar an, ohne sie jedoch auch einzusetzen. Ein derart offen gehandhabtes Zurechnungskriterium mag sinnvoll bei Grundrechten anzuwenden sein, die nicht dieser Vielzahl von Einflüssen unterliegen, wie es bei der Berufsfreiheit der Fall ist; im Falle der Berufsfreiheit bedarf es einer Differenzierung, die den Regelungsgegenstand der Einwirkung miteinbezieht. Denn andernfalls müsste jede Erhöhung der Einkommensteuer als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit zu werten sein, weil sie nach Vernünftigkeitsprinzip eine gewisse Anzahl an Konsumenten an Vertragsschlüssen über ein bestimmtes Konsumgut hindert, das nach der Erhöhung gerade nicht mehr für sie finanzierbar ist, obwohl der Kauf ihrem Wunsch entspräche. Der Einkom176 177 178

Roth, Faktische Eingriffe, S. 160. Roth, Faktische Eingriffe, S. 180 ff. Roth, Faktische Eingriffe, S. 198.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

mensteuersatz und damit das dem Einzelnen verbleibende Vermögen, das zum Konsum eingesetzt werden kann, gehört aber nicht zu den Bedingungen, die für den Wettbewerb konstitutiv sind. Denn die Wirkungen beruhen auf der autonomen Entscheidung des Einzelnen, wie mit dem nunmehr kleineren Budget umgegangen werden soll, so dass der Ausgang der Entscheidung grundsätzlich nicht vorhergesagt werden kann, sondern dem Zufallsprinzip entspringt. Damit sind Wirkungen, die über das Instrument des Einkommenssteuersatzes vermittelt werden, auch dann nicht mehr dem Staat zuzurechnen, wenn statistisch gesehen eine gewisse Anzahl von Konsumenten vom Kauf eines bestimmten Produkts eines Unternehmer(n) absehen werden. Auch mit dem Ansatz von Roth können die grundrechtsrelevanten Einflüsse auf die Wettbewerbsfreiheit daher nicht vollständig gelöst werden. 3. Zusammenfassung: Grundsätzliche Tauglichkeit der tradierten Eingriffsfigur der Berufsfreiheit Keine der in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik vorgeschlagenen Eingriffskriterien kann für sich genommen gänzlich überzeugen. Die Prüfung der Berufsbezogenheit bzw. der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme ist dagegen auch gerade wegen ihrer kritisierten Offenheit in der Lage, andere Kriterien jeweils dort aufzunehmen, wo sie zu rationalen Ergebnissen führen. Wegen ihrer auch im Wortlaut zum Ausdruck kommenden Schutzbereichsbezogenheit kann sie überdies die Forderung Ramsauers berücksichtigen, den Schutzzweck der Berufsfreiheit in die Eingriffsprüfung miteinfließen zu lassen. Dabei wird vor allen Dingen der Freiheitsgegenstand zu berücksichtigen sein. In diesem Rahmen lassen sich auch die Ergebnisse Roths mit einbeziehen, soweit die Zurechnung nur deswegen problematisch ist, weil die Wirkung noch auf dem Willensentschluss des Betroffenen beruht.

V. Problematische und umstrittene Fälle der Eingriffsdogmatik Bereits oben hat sich gezeigt, dass die allgemeinen Eingriffskriterien gegenüber dem spezifischen Eingriffsbegriff der Berufsfreiheit keine Vorzüge besitzen. Dennoch besteht eine Notwendigkeit, die Handhabung der berufsregelnden Tendenz zu präzisieren und vorhersehbarer zu machen. Ein solches Unterfangen kann nicht für alle Eingriffstypen einheitliche Lösungsvorschläge formulieren, für die die berufsregelnde Tendenz in Anspruch genommen wird. 179 Es ist daher notwendig, sich über die Verwendung der Begriffe der mittelbaren und faktischen Eingriffe klar zu werden und die verschiedenen Konstellationen zu

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

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unterscheiden, die unter dem Sammelbegriff der mittelbar-faktischen Eingriffe behandelt werden. Dabei zeigt sich, dass die Begrifflichkeit wegen ihrer inhomogenen Fallgestaltungen und uneinheitlichen Verwendung besser aufgegeben werden sollte. Mit Hilfe einer Untersuchung, die den Blick zwischen Beeinträchtigungsakt und Beeinträchtigungswirkungen wandern lässt, lassen sich die problematischen Fälle besser herausfiltern. Dabei wird deutlich, dass nur ein kleiner Teil der Einwirkungen auf die Wettbewerbsfreiheit in seiner Behandlung umstritten ist, die anschließend im Lichte der bisherigen Erkenntnisse geklärt werden sollen. 1. Die Untauglichkeit der „mittelbaren“ und „faktischen“ Eingriffe als umschreibende Bezeichnungen Die Analyse der Rechtsprechung des BVerfG zum Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG hat gezeigt, dass in der neueren Rechtsprechung der Terminus des mittelbar-faktischen Eingriffs dominiert. Die Qualifizierung eines Eingriffs als mittelbar oder faktisch ist dabei alles andere als einheitlich, 180 so dass zunächst ein Überblick über die Inhalte gegeben werden soll. Während einige Autoren die Begriffe als Sammelbezeichnung verwenden, verbinden andere damit gezielte Sachaussagen. a) Mittelbare und faktische Eingriffe als Sammelbezeichnungen Die Bezeichnung als faktischer Eingriff findet sich in den Titeln einiger Monographien wieder, deren Begrifflichkeit hier zunächst kurz dargestellt werden soll. 181 Gallwas bildet in seiner grundlegenden Untersuchung nur zwei Gegensatzpaare. Als unproblematisch als Eingriff zu qualifizierende Einwirkung nennt er den befehlenden Staat, der abstrakt oder konkret Rechte entzieht oder beschränkt. Diese von ihm als imperativ bezeichnete Einwirkung erfährt noch eine weitere Einschränkung: Die Beeinträchtigung muss sich genau als Spiegelbild dessen darstellen, was die Regelung als beschränkendes Verhalten auf179 Ebenso für die allgemeine Grundrechtsdogmatik Bleckmann / Eckhoff, DVBl 1988, 373 (379 f.); vgl. auch Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 43: „strukturell zu verschieden“. 180 So auch die Einschätzung von Albers, DVBl 1996, 223 (225): „diffus“. 181 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

erlegt, Beeinträchtigung und Regelung müssen folglich identisch sein. 182 Alle anderen Einwirkungen werden von ihm als faktische Einwirkungen bezeichnet, die sich also rein negativ definieren, weil ihnen entweder kein Regelungsgehalt innewohnt oder sie nicht die geforderte Regelungsidentität aufweisen. 183 Die derart definierten faktischen Eingriffe knüpfen also nicht nur wie die eingangs genannte Verwendung an die fehlende Rechtsförmlichkeit des staatlichen Handelns an, sondern es wird eine bestimmte Form rechtsförmigen Handelns verlangt. 184 Einen etwas anderen Ansatz verwendet Roth, der die Eingriffe von ihrer Wirkung her charakterisiert. Die Freiheit als Chance zur Selbstverwirklichung setze sowohl das Können als auch das Wollen voraus. 185 Beide Komponenten ließen sich wiederum weiter aufteilen in rechtliches und natürliches Können sowie die Willensentschließungsfähigkeit und die Willensentschließungsfreiheit. Als Faktische Eingriffe werden nur solche bezeichnet, die den Grundrechtsträger in ihrem natürlichen Können einschließlich seiner Willensentschließungsfähigkeit und -Freiheit (mit Ausnahme der imperativen Einwirkung, die Roth zu den rechtlichen Eingriffen zählt) beeinträchtigten. 186 Rechtliche und faktische Eingriffe unterscheiden sich damit nicht durch die Modalitäten der Maßnahme, sondern durch ihre Wirkungen. Schließlich fehlt es aber auch nicht an Stimmen, die die rechtlich problematischen Eingriffskonstellationen gänzlich den mittelbaren Grundrechtseingriffen unterstellen. 187 Unmittelbare Eingriffe lägen nur vor, wenn durch Hoheitsakt einem bestimmten Adressaten gegenüber gezielt ein rechtliches Ge- oder Verbot ausgesprochen würde, also ein „klassischer“ Eingriff in Form eines belastenden 182 In dieser Regelungsidentität hat Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 44 den Kern des Unmittelbarkeitsbegriffs ausgemacht; eine Beeinträchtigung ist unmittelbar, als sie durch die Regelung selbst angeordnet ist; ebenso Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 28; ders., VerwArch 72 (1981), 89; Albers, DVBl 1996, 223 (234). 183 Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 12. 184 Ähnlich auch Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 28; ders., VerwArch 72 (1981), 89: bei den faktischen Beeinträchtigungen liege die nachteilige Wirkung für den Betroffenen nicht in der Regelung selbst, sondern in Folgeerscheinungen oder tatsächlicher Betroffenheit aufgrund nicht regelnden hoheitlichen Verhaltens. Demzufolge umfassen die faktischen Einwirkungen bei Ramsauer mittelbare, ungezielte, indirekte und tatsächliche Einwirkungen. Gallwas folgend auch Albers, DVBl 1996, 223 (228): Faktische Beeinträchtigungen stellten sich nicht als Spiegelbild der Regelung dar. 185 Roth, Faktische Eingriffe, S. 225. 186 Roth, Faktische Eingriffe, S. 227. Leider hält Roth die Einteilung nicht konsequent durch, was zur Verwirrung beiträgt. Einerseits will er nur auf die Wirkungen der Maßnahme abstellen, verbindet die Unterscheidung zwischen rechtlichen und faktischen Einwirkungen aber dann doch mit der Art des Rechtaktes und setzt so den rechtlichen Eingriff letzten Endes mit der Regelungsidentität gleich. 187 Bleckmann / Eckhoff, DVBl 1988, 373 (373).

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

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Verwaltungsaktes ausgesprochen worden sei, alle anderen Eingriffe seien nur mittelbarer Natur. 188 b) Mittelbare und faktische Eingriffe als Einzelkriterien Neben der Verwendung der Begriffe als Sammelbegriffe finden sich beide Bezeichnungen auch als Bezeichnungen für Einzelkriterien des klassischen Eingriffsbegriffs, bei denen sich eine einheitliche Verwendung noch weniger durchgesetzt hat. Einer gängigen Vorstellung nach werden als faktische Eingriffe Einwirkungen bezeichnet, die nicht durch Rechtsakte verursacht worden sind. 189 Der faktische Eingriff als Realakt (als Paradefall dürfen die staatlichen Warnungen gelten) wird damit dem Eingriff durch rechtsförmliches Handeln (Verwaltungsakte oder materielle Gesetze) gegenüber gestellt. Der faktische Eingriff findet sich aber auch als Bezeichnung für Eingriffe, die keine rechtliche Betroffenheit auslösen. 190 Diese Verwendung ähnelt der Forderung nach rechtsförmlichen Handeln, stellt aber nicht auf den emittierenden Staat als Auslöser, sondern auf die „Immissionen“ ab, denen der Betroffene ausgesetzt ist. Auch diese müssen rechtlicher Natur sein. Die rechtliche Betroffenheit setzt damit rechtsförmliches Handeln voraus, erschöpft sich aber nicht darin; in aller Regel wird sie mit der Adressatenstellung verbunden sein. Einen noch größeren Kreis an Bedeutungsinhalten hat der mittelbare Eingriff erhalten. Neben der Deutung als Regelungsidentität 191 werden als mittelbare Eingriffe beispielsweise Beeinträchtigungen verstanden, die einer weiteren Vermittlung durch Dritte bedürfen 192 bzw. deren Beeinträchtigungswirkung erst Folge einer längeren Kausalkette ist. 193 Ebenso findet sich die Verknüpfung mit dem Finalitätskriterium, 194 der Rechtsbetroffenheit 195 oder dem ho188

ders., DVBl 1988, 373 (374). Dreier, in: Dreier, GG, Vorbemerkung, Rn. 125. 190 Bleckmann / Eckhoff, DVBl 1988, 373 (374). 191 Vgl. dazu näher unten C.V.2.c), S. 266 f. 192 Dreier, in: ders, GG, Vorbemerkung, Rn. 125; BVerfGE 13, 230 (232) – Ladenschlussgesetz; BVerfGE 52, 42 (51) – Kommunalrechtliches Vertretungsverbot. 193 Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (103). 194 Lerche, Übermaß, S. 106; objektiv verstanden als spezifische Relation zwischen staatlicher Handlung und Beeinträchtigung von Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 23. 195 So in BVerfGE 15, 256 (262); 51, 386 (395); 96, 231 (237); 106, 28 (35) dem faktisch-mittelbaren Eingriff gegenübergestellt; ebenso Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein BVerfGG, § 90, Rn. 372. Erläutert sollte damit zwar die unmittelbare Betroffenheit als verfassungsprozessualer Begriff werden; was das BVerfG und die ihm folgenden 189

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

heitlichen Handeln. 196 Im Staatshaftungsrecht (genauer: im Institut des enteignungsgleichen Eingriffs), in dem das Unmittelbarkeitskriterium seit jeher große Bedeutung besitzt, wird es wiederum als Realisierung des besonderen Risikos verstanden, das in der hoheitlichen Maßnahme angelegt war. 197 2. Analyse nach Beeinträchtigungsakt und -wirkung Angesichts der Vielgestaltigkeit der Begriffe wird schnell deutlich, dass sie in ihrer jetzigen Verwendung zur Beschreibung der auftretenden Einwirkungskonstellationen ungeeignet sind und wegen ihrer Aufladung auch kaum mehr eindeutig besetzt werden können. Eine Kategorisierung muss daher mit anderen Mitteln erfolgen. Dabei bietet es sich an, sowohl den Beeinträchtigungsakt als auch die Beeinträchtigungswirkungen im Blick zu haben 198 und auf diese Weise unproblematische von umstrittenen Fallkonstellationen zu trennen. a) Unproblematische Beeinträchtigungsakte: der sog. „klassische Eingriff“ Der am Verwaltungsakt orientierte Eingriffsbegriff bezieht sich ausschließlich auf den Beeinträchtigungsakt. Erfüllt dieser mit der Forderung nach Rechtsförmlichkeit, Imperativität und Adressatenstellung 199 des Grundrechtsträgers gewisse formale Eigenschaften, wird ein Eingriff allgemein ohne weiteres angenommen. Einzig die Prüfung der Finalität einer Maßnahme als zielgerichtete Einwirkung auf das Schutzgut würde es erfordern, auch materielle Eigenschaften des Beeinträchtigungsaktes zu betrachten. 200 Stimmen aber in diesem Rahmen unter mittelbaren Eingriffen verstehen, geht über den verfassungsprozessualen Kontext hinaus. BVerfGE 105, 279 (300) geht konsequent offenbar auch in der Eingriffsdogmatik von der Gleichsetzung von Selbstbetroffenheit und Unmittelbarkeit aus. 196 Selmer, Steuerinterventionismus, S. 215. 197 Vgl. dazu Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 166 ff.; Grzeszick, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 44, Rn. 72. Auf die Schaffung einer relevanten Gefahr für das Grundrecht stellt auch Roth, Faktische Eingriffe, S. 197 f. bei der Prüfung der von ihm als faktische Eingriffe bezeichneten Fallkonstellationen ab. Eine abwehrrechtliche relevante Gefahr liegt nach seiner Ansicht immer dann vor, wenn die psychische Einwirkung sich dergestalt auf den Willensprozess auswirkt, dass die Entscheidung, entgegen einem sonst gehabten Wunsch von einer Freiheit nicht oder anderen Gebrauch zu machen, vernünftig erscheint. 198 So schon Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 236; daran anschließend Roth, Faktische Eingriffe, S. 225 ff. 199 Das Unmittelbarkeitserfordernis wird hier mit der Adressatenstellung gleichgesetzt; so z. B. auch BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339): „Zwar ist die Bf. nicht selbst Adressat dieser Vorschrift, auch bei Art. 12 Abs. 1 GG ist der Grundrechtsschutz jedoch nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt.“

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

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Die Finalität einer Maßnahme wird zwar regelmäßig als Bestandteil des klassischen Eingriffsbegriffs genannt. 201 Bei genauem Hinsehen ist es jedoch äußerst fraglich, ob ein Eingriff mangels Finalität verneint werden kann, wenn die oben genannten Kriterien des traditionellen Eingriffs kumulativ vorliegen. Man stelle sich den Fall vor, durch Verwaltungsakt werde der Adressat zu einem bestimmten Tun aufgefordert oder durch Gesetz eine derartige Handlungspflicht statuiert. Niemand würde hinsichtlich dieser Handlungspflicht einen Eingriff in zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten daran scheitern lassen, dass die handelnde Behörde oder der Gesetzgeber anführt, sie hätte den im Tenor des Verwaltungsaktes oder der Norm ausgesprochenen Befehl nicht gewollt. 202 Der klassische Eingriff soll hier jedoch als traditioneller Eingriff verstanden und auf die Wesensmerkmale zurückgeführt werden, die dem rechtsschutzeröffnenden Verwaltungsakt eigen waren, um Verallgemeinerungen zu vermeiden. Denn erst in der Folgezeit wurde versucht, durch die Abstrahierung des Verwaltungsaktes allgemeine Eingriffskriterien herauszukristallisieren, 203 die deshalb auch besser als solche bezeichnet werden sollten. Der Finalität kommt also im Rahmen des klassischen Eingriffs gegenüber den Merkmalen des rechtsförmigen, imperativen Handelns keine eigene Bedeutung zu. 204 Strit200

Rechtsförmlichkeit, Imperativität und Adressatenstellung sind formaler Art, die Finalität erfordert dagegen eine Befragung der Motive der staatlichen Gewalt, vgl. Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 19 und sogleich im Text. 201 Die Inhalte der als klassischer Eingriff bezeichneten Figur unterliegen auch selbst gewisser Wandlungen. Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 231 f. unterteilt ihn noch in fünf Kriterien: Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmigkeit, Adressatenstellung, Imperativität. Bleckmann / Eckhoff, DVBl 1988, 373 (373 f.) zählen die Unmittelbarkeit nicht (mehr) zu den Kriterien. Die wohl häufigste Definition des klassischen Eingriffs verzichtet dagegen auf die Adressatenstellung und fordert die finale und unmittelbare Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten durch befehlenden Rechtakt, vgl. in jüngerer Zeit BVerfGE 105, 279 (300) – Osho; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, S. 238; Isensee, in: HStR V, § 111, Rn. 61. Weitere Nachweise bei Koch, Drittbetroffene, S. 18 ff.; Borrmann, Berufsfreiheit, S. 75, Fn. 256. 202 Ein derartiger Fall könnte nur dann auftreten, wenn die Behörde oder der Gesetzgeber über den Inhalt des Befehls im Irrtum gewesen wären. Die Wirksamkeit der jeweiligen Hoheitsakte wäre davon regelmäßig nicht berührt, wenn nicht aufgrund dieses Irrtums widersprechende Rechtsfolgen angeordnet worden sind oder die Fehler durch Auslegung zu korrigieren sind. Der Irrtum führt aber regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, Kopp, in: Kopp / Ramsauer VwVfG, § 44 Rn. 19. 203 Vgl. Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 231 f. 204 Vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 186: „Die durch einen Hoheitsakt in seinem Tenor angeordnete Beeinträchtigung des Adressaten dieses Hoheitsaktes wird notwendigerweise bewusst und gewollt gewirkt.“; ebenso Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 30. Die Popularität der Finalität als Merkmal des klassischen Eingriffsbegriffs beruht darauf, dass sie als verallgemeinerungsfähiges Kriterium aus dem Verwaltungsakt herausgefiltert wurde, um sie insbesondere auf andere Fälle zu übertragen, in denen die Betroffenen über den Regelungsgegenstand des Verwaltungsaktes hinausgehende Wirkungen rügten – oder aber eine Regelung gänzlich fehlte, wie im Falle des fehlgehenden Schusses aus der

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

tig kann nur sein, ob die im Tenor ausgesprochene Belastung in den Schutzbereich eines bestimmten Grundrechts fällt, obwohl der Auslöser des Handelns der öffentlichen Gewalt thematisch nicht dem Grundrecht zuzuordnen ist. 205 Der „klassische Eingriff“ in der hier verwendeten Ausformung lässt sich also gerade deswegen so leicht und eindeutig handhaben, 206 weil er ausschließlich an formale Kriterien des Beeinträchtigungsaktes anknüpft. Die Beeinträchtigungswirkungen bleiben dagegen bei der Eingriffsprüfung außer Betracht, weil ja zumindest eine als relevant erkannte Wirkung zwangsläufig besteht: die rechtliche Betroffenheit des Adressaten bzw. dessen, der den Tatbestand der gesetzlichen Regelung erfüllt durch die dort ausgesprochene Belastung. Allerdings werden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Teil auch tatsächliche Folgewirkungen wieder relevant, die nicht Gegenstand des Tenors der Regelung waren, wobei im Regelfall zu Unrecht nicht mehr problematisiert wird, inwieweit die Beeinträchtigungswirkungen auch auf dem Beeinträchtigungsakt beruhen, wenn die Stufe der Eingriffsprüfung einmal überschritten wurde. Als Beleg soll auch hier die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Nichtraucherschutzgesetze dienen. 207 Im Rahmen der Eingriffsprüfung 208 fixiert das BVerfG das an den Wirt gerichtete Bewirtungsverbot als Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung und bejaht ohne weiteres dessen Eingriffscharakter. Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung des Eingriffs 209 wechselt dann aber das Bezugsobjekt: nun werden die Einbußen aufgrund des Fernbleibens der Gäste in die Abwägung eingestellt, die jedenfalls auch auf der Entscheidung der Gäste beruhen. Damit werden aber Belastungen in die Abwägung eingeführt, die wegen ihrer „Drittvermittlung“ jenseits des klassischen Eingriffsverständnisses liegen, ohne dass deren Eingriffscharakter an irgendeiner Stelle problematisiert worden wäre.

Polizeipistole, der nach der Ansicht von Forsthoff, VerwR-AT Bd. 1, S. 359 keine Eingriffsqualität besitzt. 205 Beispiele bilden die Fälle unter C.II.2., S. 229 ff., wo mit Hilfe der Prüfung der berufsregelnden Tendenz die Berufsfreiheit von der allgemeinen Handlungsfreiheit abgegrenzt wurde. 206 Der traditionelle Eingriffsbegriff vereint damit zwei Vorteile in sich: Neben der leichten Anwendbarkeit besteht auch ein allgemeiner Konsens, diese Beeinträchtigungen als Eingriffe zu werten, vgl. Koch, Drittbetroffene, S. 20; Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (38). 207 BVerfGE 121, 317 ff. 208 BVerfGE 121, 317 (344 f.). 209 BVerfGE 121, 317 (355 f.).

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

263

b) Unproblematische Einwirkungsgegenstände: Rechtliche und natürliche Handlungsfähigkeit in Abgrenzung zur Einwirkung auf den Willensentschluss Analog der Auffächerung des Beeinträchtigungsaktes anhand formaler Eingriffskriterien lassen sich auch die Wirkungen näher nach ihrem Beeinträchtigungsgegenstand untersuchen. Die Einteilung Roths wurde bereits dargestellt, ihr soll hier gefolgt werden. Unproblematisch als Eingriffe lassen sich Beeinträchtigungen des rechtlichen Könnens verstehen. 210 Das ist allerdings auch dem Umstand geschuldet, dass die Beschneidung rechtlicher Handlungsfähigkeiten nur in Form eines klassischen Eingriffs erfolgen kann, dessen grundrechtsaktivierende Eigenschaft unbestritten ist. Wenn das Eingreifen der Abwehrfunktion der Grundrechte bei verkürzenden staatlichen Akten hier gleichwohl umstritten ist, 211 dann hat dies seine Ursache nicht auf der Eingriffs-, sondern der Schutzbereichsebene, genauer: in der Fragestellung, ob und in welchem Umfang rechtliche Handlungsmacht in den Schutzbereich der Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte fällt. Einer verbreiteten Meinung zufolge könne der Gesetzgeber die rechtliche Handlungsfähigkeit zurücknehmen. Die Zurücknahme vorher verliehener rechtlicher Handlungsfähigkeit sei jedoch nicht immer eine abwehrrechtliche bedeutsame Einschränkung. 212 Die gesetzliche Ausgestaltung dieser normgeprägten Grundrechte folge anderen Regeln. 213 Die Argumentation steht und fällt mit dem zugrunde gelegten Freiheitsbegriff. 214 Wer den Schutzbereich der Grundrechte auf die „natürliche“ Freiheit beschränkt, kann die rechtliche Handlungsfähigkeit als vom Staat verliehen sehen und daraus einschränkende Schlussfolgerungen sehen. Wer die rechtliche Handlungsfähigkeit als gleichberechtigten Schutzgegenstand begreift, der muss bei ihrer Verkürzung zwangsläufig einen Eingriff in das jeweils thematische einschlägige Freiheitsrecht annehmen. Der Ausgestaltungsbindung des Gesetzgebers soll in dieser Arbeit aber nicht weiter nachgegangen werden. 215 210

Vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 177 ff. Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 45 hält jedenfalls den traditionellen Eingriff auf Beeinträchtigungen der natürlichen Freiheit beschränkt. Dagegen Roth, Faktische Eingriffe, S. 181 mit dem zutreffenden Hinweis, dass das Verbot, von einer rechtlichen Handlungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, nicht weniger imperativ sei als das Verbot, ein natürliches Können auszuüben. Gleiches gilt dann umso mehr für den Entzug der Rechtsposition. Weil zudem für Art. 14 GG unbestritten ist, dass der Entzug rechtlicher Positionen als Eingriff einzustufen ist, sieht sich auch Lübbe-Wolff gezwungen, diese (zur Zeit des klassischen Eingriffsbegriffs einzigen, vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 177) Fälle als Ausnahme von der Regel zu postulieren. 212 Roth, Faktische Eingriffe, S. 168. 213 Vgl. zur Normprägung oben B.II., S. 123 ff. 214 Dazu ausführlich oben B.III.1., S. 145 ff. 215 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 86, oben S. 142. 211

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

Die Beschränkung der natürlichen Handlungsfähigkeit macht dagegen unter Zugrundelegung des üblichen Freiheitsbegriffs nur einen kleinen Teil der Beschränkungsmöglichkeiten aus, was zunächst verwundern mag, wenn man sich im Zusammenhang mit dem natürlichen Freiheitsbegriff der liberalen Grundrechtstheorien die Beschreibung der natürlichen Freiheit als grundsätzlich grenzenlos in Erinnerung ruft. Indes sind die denkbaren Einschränkungsmöglichkeiten gering. Zuvorderst kommt nur eine Begrenzung durch Gewalteinwirkung in Betracht, wie sie beispielsweise polizeilichen Maßnahmen im Sofortvollzug eigen sind. 216 Gewaltsame Einwirkungen durch staatliche Behörden stellen im Ergebnis ebenfalls ohne weiteres Eingriffe dar, die des Kunstgriffes der Duldungsanordnung eigentlich nicht bedürften. Derartige Eingriffe in das natürliche Können werden ohne Untersuchung bzw. Rückgriff auf die Art der beeinträchtigenden Maßnahme nur anhand ihrer Auswirkungen letztlich normativ als Eingriffe bestimmt, weil ihre Eingriffsqualität unter dem Grundgesetz nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. 217 In dem Maße, in dem allerdings das Gebrauchmachen von Sachen oder die Interaktion mit Dritten in den Freiheitsgegenstand gezogen werden, stellt sich allerdings die Frage, ob auch der Entzug des „Hilfsmittels“ als Beschränkung des natürlichen Könnens abwehrrechtliche Relevanz gewinnt, worauf später noch einzugehen ist. Der Großteil – insbesondere auch die strittigen Fälle – der abwehrrechtlich zu erfassenden Beeinträchtigungen wirkt dagegen (nur) auf die Willensentschließungsfreiheit ein (die den Willen zum Gebrauchmachen von natürlicher wie rechtlicher Handlungsfähigkeit umfasst), worauf insbesondere Roth 218 ausdrücklich hingewiesen hat. Bei unbefangener Betrachtung könnte man annehmen, imperative Eingriffe verkürzten eben dieses natürliche wie rechtliche „Können“. In den meisten Fällen wird das rechtliche Können (hier verstanden als Gebrauchmachen von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten) jedoch nicht berührt, da der Großteil der Freiheitsbetätigungen entweder natürliche Handlungen betrifft oder die rechtliche Handlungsfähigkeit unberührt lässt. 219 Das beispielsweise mit der Strafandrohung der §§ 211 ff. StGB verbundene Tötungsverbot beeinträchtigt aber auch in keiner Weise das natürliche Können der Normunterworfenen, da 216 Gleiches gilt für die Willenentschließungsfähigkeit, die deshalb hier nicht mehr eigens genannt wird. 217 Das gilt mittlerweile auch für gewaltsame Einwirkungen, die von der Staatsgewalt nicht beabsichtigt war („fehlgehender Polizeischuss“). Im Rahmen allgemeiner Kausalitätserwägungen mögen noch einzelne Fälle auszugrenzen sein, wenn die Einwirkungen Folge eines gänzlich untypischen Kausalverlaufs waren oder nicht vorhersehbar waren. Als Kategorie dürfte die Grundrechtsrelevanz dieser Einwirkungen aber nicht ernsthaft bestritten werden. 218 Roth, Faktische Eingriffe, S. 181. 219 So haben sogar gesetzliche Verbote gem. § 134 BGB nur im Zweifel die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge, die fehlende Verfügungsbefugnis führt nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Verfügung, §§ 892, 932 ff. BGB.

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

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die Tötungshandlung durch das Verbot nicht erschwert wird – im Gegensatz etwa zu Verkaufsverboten von Schusswaffen. Sämtliche Ge- und Verbote treffen daher in erster und meistens ausschließlicher Linie die Willensentschließungsfreiheit, in dem das Verhalten mit Nachteilen belegt oder die Vollstreckung im Raum steht, die dann wirklich das natürliche Können beseitigt. Die Einwirkungshandlung ist damit zwar rechtlicher Art, die Einwirkungsmodalitäten dagegen (um in der herkömmlichen Bezeichnung zu bleiben) rein faktischer Art und unterscheidet sich nicht von den Einwirkungsmodalitäten, die Einwirkungshandlungen nicht-rechtlicher Art bewirken. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen rechtlichen und faktischen Eingriffen ist damit zu unpräzise, weil sie nur auf die Einwirkungshandlung abstellt – warum es aber gerade auf diese ankommen soll, und nicht auf die Einwirkungsmodalität, bleibt zumeist ohne Erörterung. 220 Diese Erkenntnis zeigt, dass das im Rahmen der Auferlegung von finanziellen Belastungen herangezogene Argument, die Erschwerung des natürlichen Könnens beruhe nicht „unmittelbar“ auf der Auferlegung von Abgaben, in gleicher Weise auch auf (gänzlich unproblematische) imperative Eingriffe angewendet werden kann – also auf tönernen Füßen steht. 221 Dabei steht außer Frage, dass Ge- und Verbote Eingriffe in die Freiheit des Adressaten darstellen; begründet sollte dies nur nicht damit werden, dass natürliches Können oder die Willensentschließungsfreiheit wie im Falle der vis absoluta beschnitten ist 222 – derartige Beeinträchtigungen werden schlicht normativ (definierend) als Eingriffe verstanden, weil sich der Staat inkonsequent verhalten würde, wenn 220

Zutreffend dagegen Koch, Drittbetroffene, S. 119: „[...] macht deutlich, dass sich die faktische Beeinträchtigung [...] von der imperativen Beeinträchtigung allein durch das Fehlen einer verbindlich normierten Verhaltenspflicht unterscheidet, im Übrigen aber ein Unterschied in der Struktur der Beeinträchtigung nicht besteht“. Die Aussage Kochs bedarf nur einer Ergänzung für den Fall des Entzugs von Rechtspositionen oder rechtlichen Handlungsmöglichkeiten, in denen in der Tat auch eine rechtliche Einwirkungsmodalität erzielt wird. 221 Ähnlich Koch, Drittbetroffene, S. 120. 222 So aber Roth, Faktische Eingriffe, S. 181: „Auszugehen ist von dem rechtstreuen Bürger. [...] Für den Rechtstreuen ist die Freiheit zum ‚Rechtsbruch‘ keine Freiheit, ist ihm doch allein schon die Tatsache des Rechtsbruches genug.“ Damit wird die Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit aber normativ und nicht mehr tatsächlich bestimmt. Das ist für sich genommen unbedenklich. Allerdings darf dann die tatsächliche Zwangswirkung nicht im Wege der Analogie als Voraussetzung für Eingriffe nicht-imperativer Art gefordert werden, da sie bereits bei den imperativen Eingriffen als Fiktion zu verstehen ist; bei Eingriffen nicht-imperativer Art könnte sie mit gleichem Recht ebenfalls fingiert werden. Roth, Faktische Eingriffe, S. 197 f. geht auch selbst so vor, wenn er faktische Einwirkung nach Maßgabe des Vernünftigkeitsprinzips als Eingriff versteht. Die von der staatlichen Maßnahme ausgehende Zwangswirkung wird normativ bejaht, wenn die Entscheidung des Grundrechtsträgers für seine grundrechtsbeeinträchtigende Verhaltensänderung vernünftig war.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

er den Eingriffscharakter mit der Überlegung relativieren wollte, der Adressat eines Ge- oder Verbots müsse sich ja nicht an das Verbot halten. 223 c) Verknüpfung von Maßnahme und Wirkung: (Fehlende) Regelungsidentität Die allgemeine Anerkenntnis der Eingriffsqualität des traditionellen Eingriffs gründet inhaltlich auf dem zwingenden 224 Gleichlauf von angeordneter Regelung und angegriffener Wirkung, da ja gerade die durch die Adressierung an den Betroffenen bewirkten rechtlichen Bindungen 225 (nicht zu verwechseln mit ihren rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen) als rechtfertigungsbedürftige Einwirkungen gerügt werden. 226 Problematischer wird die Prüfung eines Eingriffs (erst) in den Fällen, in denen der Betroffene sich nicht gegen die Einwirkungen wendet, die im Tenor ausgesprochen worden sind. Gallwas zieht daher vollkommen zu Recht zur Beschreibung der problematischen Fälle die nicht mehr bestehende Regelungsidentität von Beeinträchtigungsakt und (hinzugefügt sei: geltend gemachter) Beeinträchtigungswirkung heran. 227 Der Vergleich beider Kriterien erfordert nun die Erweiterung der Betrachtung auf Ursache und Wirkung. Führt dieser Vergleich nicht zur Deckungsgleichheit, muss ein Zurechnungskriterium gefunden werden, das zuvor noch entbehrlich war. Noch schwieriger wird es, wenn die zur Prüfung gestellte Maßnahme überhaupt keine Regelungsqualität aufweist, also belastende Wirkungen entstehen, 223

Insoweit zutreffend Roth, Faktische Eingriffe, S. 181. Grabitz, Freiheitsrechte, S. 29: „Eigenschaft des Staatshandelns, die mit seinem Befehlscharakter notwendigerweise verbunden ist“. Grabitz verwendet diese Umschreibung zwar für die „Unmittelbarkeit“ als wesentliches Strukturmerkmal, verbindet aber damit inhaltlich genau das, was Gallwas mit der Regelungsidentität präzise und plastisch umschreibt. 225 Sachs, in: StR III/2, § 78, S. 105 spricht von verpflichtenden Rechtswirkungen, die die passive Kehrseite des staatlichen Befehls bilden, die nicht voneinander zu trennen sind. Unzutreffend die Kritik von Koch, Drittbetroffene, S. 117, es entstünde ein „schiefes Bild“, weil die Gegenüberstellung von Maßnahme und Wirkung den Eindruck erwecke, die grundrechtserhebliche Beeinträchtigung liege in dem abgeforderten Verhalten, während es richtigerweise auf die Anordnung ankomme. Unausgesprochenes Tatbestandsmerkmal jedes Eingriffs ist ein Nachteil des Betroffenen in seiner grundrechtlichen geschützten Freiheitssphäre und damit eine Wirkung, die allerdings auch schon vorliegt, wenn die freie Willensentschließung beeinflusst wird. Das Kriterium der Regelungsidentität gibt eine plausible Begründung, warum ein hinreichender Grund für die Zurechnung zu der staatlichen Handlung besteht. 226 An das Merkmal der Regelungsidentität knüpfen (in unterschiedlicher Akzentuierung) ebenfalls an Arbeiter, Pflichten, S. 131; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 178; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 43 ff.; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 28; Sachs, in: StR III/2, § 78, S. 105. 227 Vgl. Fn. 182, oben S. 258. 224

V. Problematische Fälle der Eingriffsdogmatik

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ohne dass ein Rechtsakt belastende Ge- oder Verbote angeordnet hätte. Wenn die staatliche Maßnahme keine Rechtsfolgen bewirkt, dann fällt eine vergleichende (Nähe-)Betrachtung der Rechtsfolgen mit den nichtrechtlichen Wirkungen als denkbarer Zurechnungsfaktor weg. Je nach Zurechnungskriterium (um hier nur die beiden wichtigsten zu nennen) zielt der Blick entweder auf den Beeinträchtigungsakt (Finalität) oder seine Wirkungen (Intensität). 3. Verbleibende Problemfelder Es lassen sich jeweils bei der isolierten Betrachtung des Beeinträchtigungsaktes als auch der Beeinträchtigungsgegenstände bzw. -wirkungen als auch des Zusammenspiels beider Elemente unproblematische Fälle bilden. Entspricht der Beeinträchtigungsakt den Kriterien eines traditionellen, verwaltungsaktähnlichen Eingriffs, liegt im Umfang des ausgesprochenen Ge- oder Verbots ein Eingriff vor. Lenkt man den Blick isoliert auf die Beeinträchtigungswirkungen, liegt ein Eingriff ebenfalls unproblematisch vor, wenn die rechtliche oder natürliche Handlungsfähigkeit des Grundrechtsträgers beeinträchtigt wird. 228 Ein Eingriff liegt schließlich auch in all denjenigen Fällen vor, in denen die gerügten Wirkungen dem Regelungsgehalt der Maßnahme entsprechen (Regelungsidentität). Als problembehaftet stellt sich damit im hier relevanten Zusammenhang zunächst der Fall der Beschränkung der Willensentschließungsfreiheit des Grundrechtsträgers durch Einwirkungen dar, die über den Regelungsgehalt der an ihn gerichteten staatlichen Maßnahme hinausgehen (Mitursächlichkeit der eigenen Entscheidung). Beispielhaft lassen sich für diese Fallgruppe Verpflichtungen (im Regelfall finanzielle Belastungen) anführen, die tatbestandlich an die berufliche Betätigung anknüpfen, sie aber rechtlich nicht untersagen. Wie das BVerfG mit diesen Konstellationen umgeht, wurde oben unter C.II.1 und C.II.2 geschildert. In dem geschilderten Fällen stellt sich an sich nur deswegen die Zurechnungsfrage, weil die staatliche Maßnahmen – im Gegensatz zum imperativen Rechtsgehalt der Regelung – nicht zwangsläufig 229 zu Beeinträchtigungen des Freiheitsgegenstandes führen müssen, sondern der Vermittlung durch eigene Entscheidung bedarf. 230 Gleichzeitig kann der Zurechnungszusammenhang auch nicht mit gleicher Überzeugungskraft wie im Falle der Beschneidung des rechtlichen Dürfens normativ bestimmt werden. Soweit der Staat rechtsförmig und 228 Im Rahmen der Beeinträchtigung der natürlichen Handlungsfähigkeit mag die Zurechnung zur staatlichen Gewalt noch problematisch sein, wenn Dritte mit Gewalt die natürliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Hier stellt sich die Abgrenzung zur Verletzung der staatlichen Schutzpflicht; Probleme sollten sich hier aber nicht ergeben. 229 Dazu schon Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 16 ff. 230 Ähnliche Fragen tauchen, wie oben gesehen, im Zivil- und Strafrecht auf.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

imperativ handelt, lassen sich aber zumindest noch die regelungsidentischen mit den weitergehenden Wirkungen vergleichen und daraus Rückschlüsse über die Zurechnung ziehen. Zudem lässt sich anführen, dass der Staat mit seinem rechtlichen Zugriff auf den Einzelnen ein gewisses Risiko für Folgebelastungen geschaffen hat. 231 Zur Lösung kann nun auf die Erkenntnisse unter C.IV. zurückgegriffen werden: das durch den Staat geschaffene Risiko weiterer Folgebelastungen, die noch der Vermittlung durch den Entschluss des Grundrechtsträgers bedürfen, realisiert sich immer da, wo der Grundrechtsträger „vernünftig“ handelt. 232 Im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit wird eine Willensentscheidung jedenfalls (aber nicht zwingend nur) dann vernünftig sein, wenn sie auf ökonomischen Gesichtspunkten beruht, was nur ausnahmsweise nicht der Fall sein wird. 233 Dementsprechend wurde unter C.I.3. schon gefordert, alle Regelungen, die tatbestandlich an eine berufliche Tätigkeit anknüpfen, als unmittelbare Berufsausübungsregelung und damit ohne weiteres als Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG einzustufen, auch wenn sie keine Berufspflichten im engeren Sinne normieren. Die unter C.II.1. und C.II.2. geschilderten Konstellationen fallen zwar nicht unter die Kategorie der unmittelbaren Berufsausübungsregelung, da sie tatbestandlich nicht an die berufsmäßige Ausübung anknüpfen. Aber auch hier gilt das eben Gesagte: Sind die gerügten Wirkungen auf die Berufsausübung die Folge einer nachvollziehbaren Reaktion des Grundrechtsträgers auf die gesetzliche Regelung, sind auch sie als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit zu werten. Nicht ohne weiteres auflösen lassen sich dagegen die unter B. dargestellten Kontextbezüge der Wettbewerbsfreiheit, die nach traditioneller dogmatischer Lesart nur Einwirkungen auf die Willensbildung des Grundrechtsträgers darstellen, die sich nicht unter eine der drei oben genannten Fallgruppen einordnen lassen, über deren Behandlung weitestgehender Konsens besteht: Solange die Mitwirkungsfähigkeit und -bereitschaft Dritter nicht als Teil des Freiheitsgegenstandes gesehen werden, ist die natürliche Handlungsfähigkeit des Grundrechtsträgers nicht betroffen. Die Einwirkung auf Dritte kann auch niemals Teil eines traditionellen Eingriffs in die Rechte des Grundrechtsträgers darstellen, da er 231

Die Folgewirkungen einer gesetzlichen Regelung entsprächen damit den „Herausforderungsfällen“ im Zivilrecht (vgl. dazu Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S. 432 ff.) bzw. der Selbstgefährdung im Strafrecht (vgl. dazu Murmann, Selbstverantwortung, S. 307 ff.). 232 Vgl. Roth, Faktische Eingriffe, S. 198. 233 Hier verbinden sich also Recht und Ökonomie, wenn zur Folgenprognose die Figur des „homo oeconomicus“ herangezogen wird. Betont sei, dass hiermit keine positive, werthaltig aufgeladene Freiheit formuliert werden soll. Dem Grundrechtsträger wird nicht vorgeschrieben, wie er seine Freiheit zu gestalten hat. Der Verantwortung des Staates wird angesichts der nicht uferlosen Bindung aus Art. 1 Abs. 3 GG nur eine notwendige Grenze gezogen. Es steht dem Grundrechtsträger frei, auch unvernünftig zu handeln, nur kann er für diese Entscheidungen den Staat nicht in die Verantwortung nehmen.

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

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nicht Adressat der Regelung ist. Aus demselben Grund sind schließlich auch die Folgewirkungen auf der Seite des Grundrechtsträgers nicht mit dem Tenor der an den Dritten gerichteten Regelung identisch. Dieser Befund ist angesichts der unter A.II –III. skizzierten Behandlung der Kontextfrage nicht überraschend. Die Mitwirkungsfähigkeit oder -bereitschaft Dritter im Wettbewerb wird in der traditionellen Dogmatik nur insoweit problematisiert, als die mit dem drohenden Wegfall des Vertragspartners verbundenen Auswirkungen auf die Willensbildung des Grundrechtsträgers als mittelbare Beeinträchtigungen verstanden wurden: Der Wettbewerber wird faktisch zur Änderung seines Angebots gezwungen, um trotz der veränderten Umstände weiterhin seinen Vertragspartner zu behalten. 234 Das führt dazu, dass zur Lösung dieser Fälle auf die unter C.IV. geschilderten Eingriffskriterien zurückgegriffen werden muss. Angesichts der Vielzahl der vertretenen Eingriffskriterien hat das wiederum fast zwingend zur Folge, dass über die erzielten Ergebnisse selten Einigkeit bestehen wird. Wirkungslos erweist sich die traditionelle Dogmatik schließlich dort, wo die Änderung der Rahmenbedingungen nicht zu einer Änderung des Wettbewerbsverhaltens führt, weil der Wettbewerbsteilnehmer die negativen Folgen der Maßnahme nicht durch eigenes (vermeidendes) Verhalten kompensieren kann, sich mit anderen Worten nur die Rentabilität seines Verhaltens mindert. Welchen Beitrag in diesem Zusammenhang der unter B.IV. herausgearbeitete Freiheitsgegenstand leisten kann, soll nun in einem letzten Schritt untersucht werden.

VI. Die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse Die Verwendung des im Rahmen dieser Arbeit entwickelten erweiterten formalen Freiheitsbegriffes führt dazu, dass ein Teil der Einwirkungen der unproblematischen Fallgruppe der Regelungsidentität zugeführt werden kann. Im Hinblick auf den verbleibenden Teil führt er zur Ausbildung einer neuen Trenn234 Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 13 ff. bezeichnet diese „überschießenden“ Wirkungen der Norm als Nebenwirkung, die Reflex der im Tenor ausgesprochenen Rechtsfolge sei. Die Qualifikation als „Reflexwirkung“ hat in der Rechtsprechung mit der Zeit jedoch eine andere Konnotation erhalten, da das BVerfG in Anlehnung an die Schutznormtheorie mit dieser Formulierung häufig einen Eingriff bzw. die unmittelbare Betroffenheit ablehnt („bloßer Reflex“), dazu näher Achatz, DVBl 2009, 1443 (1445) sowie sogleich im Text (C.VI.). Gallwas hatte derartige Einschränkungen sicher nicht im Sinn, vgl. Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 46 ff.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

linie zwischen relevanten und irrelevanten Einwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge. 1. Einwirkungen auf den konkreten Interaktionspartner Zu beachten ist zunächst, dass die oben als hinreichende Eingriffsbedingung qualifizierte Regelungsidentität zwischen staatlich gesetzter Ursache und Wirkung nicht automatisch entfällt, wenn die staatliche Maßnahme an Dritte gerichtet ist. a) Adressatenstellung trotz Drittadressierung? In diesem Zusammenhang wird häufig die sog. „Trunkenbold-Entscheidung“ des Preußischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1876 zitiert. 235 Die an die Schankwirte des Ortes gerichtete polizeiliche Anordnung, der als Trunkenbold bezeichneten Person keine alkoholischen Getränke zu verabreichen, hatte auch den „Trunkenbold“ zum Adressaten. 236 Die Regelungsidentität wird mit Hilfe dieser Argumentation also dadurch erreicht, dass die inhaltliche Adressatenstellung einer staatlichen Maßnahme unabhängig von der formellen Adressatenstellung bestimmt wird, wie sie dem klassischen Eingriffsbegriff in der Verwendung durch das BVerfG 237 eigen ist. Diese Differenzierung kommt auch im Verwaltungsverfahrensrecht zum Ausdruck, das zwischen Inhaltsadressat und materiellem Adressaten (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) unterscheidet. Ihr liegen auch einige Entscheidungen des BVerfG zur Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gem. § 90 Abs. 1 BVerfGG zugrunde, bei denen das BVerfG trotz fehlender Adressierung des Hoheitsaktes an den Beschwerdeführer annimmt, er wäre dennoch unmittelbar rechtlich betroffen (also von der Regelungswirkung der Maßnahme erfasst). 238 Zwei Gründe sprechen allerdings gegen dieses Vorgehen: Einerseits hat sie ihren Ausgang im Rahmen der Auslegung eines Eingriffs durch Verwaltungsakt und ist deshalb nur begrenzt auf gesetzliche Eingriffe bzw. Adressierungen 235 PrOVGE 1, 327 (328). Die belastende Wirkung sah es allerdings nicht in dem Verbot des Ausschanks, sondern in der Bezeichnung als Trunkenbold. Diese Wirkung war sicher nicht Gegenstand und auch keine Folge des imperativen Verbots, sondern eine nichtimperative Maßnahme, auch wenn sie bei Gelegenheit eines imperativen Handelns ausgesprochen wurde. Umfassend zur Rechtsprechung des PrOVG Roth, Faktische Eingriffe, S. 15 ff. 236 Darauf weist auch Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 14 hin. 237 Vgl. die Nachweis in Fn. 201, oben S. 261. 238 BVerfGE 13, 230 (232) – Ladenschlussgesetz; 53, 1 (15) – Schulbücher; BVerfG NJW 1999, 3399 – Organspendeverbot („erfolgt gerade in seinem Interesse“).

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

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übertragbar. Zum anderen bedarf sie der immer mit Unsicherheiten behafteten Auslegung der staatlichen Maßnahme, die zudem in dem Maße nicht möglich ist, als der staatliche Akt ausdrücklich die Rechtstellung des Nicht-Adressaten unverändert lassen will oder zumindest dessen Rechtstellung nicht zielgerichtet beeinträchtigen wollte. Hier liegt also die Sollbruchstelle dieser Argumentation. Genau diesen Weg schlägt das BVerfG immer häufiger ein, wenn es die Problematik der Adressatenstellung nicht mehr wie früher in der Zulässigkeitsprüfung verortet, sondern innerhalb der Begründetheit im Rahmen der Eingriffsprüfung unter dem Stichwort des mittelbaren Eingriffs abhandelt, bei dem es vielfach auf die Intention des Gesetzgebers abstellt. 239 Konsistente Ergebnisse lassen sich so nur schwer erzielen. b) Einwirkung auf Dritte als eigene Grundrechtsverletzung Zu Regelungsidentität gelangt man aber auch ohne erweiternde Auslegung des Regelungsgegenstandes der Maßnahme. Denn wendet sich der Betroffene gegen eben diese an den Dritten gerichtete Belastung, die im Tenor der staatlichen Maßnahme ausgesprochen wird, dann macht er gerade keine belastenden Wirkungen geltend, die außerhalb des Regelungsgehalts der staatlichen Maßnahme liegen würden. Im Regelfall wird (verfassungs-)gerichtlicher Rechtschutz dann aber an der eigenen Betroffenheit scheitern, weil diese Rechtswirkungen nur die Grundrechte des Dritten beeinträchtigen. Ob diese dem Dritten auferlegte Belastung aber auch gleichzeitig eine Beeinträchtigung seiner grundgesetzlichen Freiheit darstellt, hängt davon ab, ob die (Fähigkeit zur) Mitwirkung des Dritten mit zu dem grundrechtlich geschützten Freiheitsgegenstand zu zählen ist. Dass der grundrechtliche Freiheitsgegenstand aber mitnichten nur eigene Handlungen umfasst, wurde bereits dargestellt; im Rahmen der Eingriffsprüfung ist daran anzuknüpfen. 240 Eine Regelungsidentität liegt zwar genau genommen nur dann vor, wenn die rechtliche oder natürliche Handlungsfähigkeit Dritter ganz oder teilweise entzogen bzw. gewaltsam beseitigt wird und damit nicht noch von der Entscheidung des Dritten abhängt. Denn nur dann beruht die Beschränkung der eigenen Handlungsfähigkeit ausschließlich und spiegelbildlich auf der staatlichen Maßnahme; sie sind „stoffgleich“. Dem Entzug der Handlungsfähigkeit wird man aber auch hier die qualifizierte Einwirkung auf die Willensentschließung durch die rechtsförmige Beschränkung des Dürfens gleichstellen können. Auch hier wäre es widersprüchlich, dem Staat Wirkungen nur deswegen nicht zuzurechnen, weil Rechtsnormen nicht befolgt werden müssen, wenn man nur bereit ist, das Sanktionsrisiko auf sich zu nehmen. 239 Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339) – Glücksspielsstaatsvertrag; BVerfGE 116, 202, (226) – Tariftreue; BVerfGE 106, 275 (299) – Festbetrag. 240 Vgl. dazu oben die Zusammenfassung unter B.III.5. sowie B.IV., S. 189 ff.

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

Die hier herangezogene Argumentation schließt also nicht an der Auslegung der staatlichen Maßnahme, sondern an der Auslegung des grundrechtlichen Freiheitsbegriffs an und erweitert diesen über das herkömmliche Verständnis heraus. Man stelle sich die grundgesetzlich geschützte Freiheit als Interaktionslinie vor. Egal, an welcher Stelle der Interaktionslinie der Staat imperativ eingreift, der betroffene Freiheitsgegenstand bleibt identisch, und eben diese Verkürzung der Freiheit wird als eigene Rechtsverletzung gerügt. 241 Auf die formelle, materielle oder inhaltliche Adressatenstellung kommt es dagegen nicht an. In den faktischen Auswirkungen der rechtlichen Betroffenheit Dritter auf die eigene Handlungsfähigkeit liegt in diesen Fällen die eigene „unmittelbare“ rechtliche Betroffenheit in Grundrechten, die dann auch verfassungsprozessual über die Hürde des § 90 Abs. 1 BVerfGG hilft. Diesen Zusammenhang hat das BVerfG leider nur in groben Zügen aufgenommen, wenn es formuliert: „Eine Selbstbetroffenheit ist aber auch dann gegeben, wenn der Akt an Dritte gerichtet ist und eine hinreichend enge Beziehung zwischen der Grundrechtsposition des Beschwerdeführers und der Maßnahme besteht. Es muss eine rechtliche Betroffenheit vorliegen; eine nur faktische Beeinträchtigung im Sinne einer Reflexwirkung reicht nicht“. 242

Diese Aussage verdunkelt den Zusammenhang zwischen rechtlicher Betroffenheit und Reflexwirkung. Wenn die eigene Betroffenheit der Kunden im Falle des an die Ladeninhaber gerichteten Ladenschlussgesetzes 243 oder des Gaststätteninhabers im Falle des an seine Kunden gerichteten Rauchverbots 244 bejaht wird, dann folgt dies, entgegen der Formulierung des BVerfG, gerade aus der Reflexwirkung, die spiegelbildlich auch bei dem genannten Personenkreis eintritt. Denn die Bezeichnung als Rechtsreflex hat für sich genommen nichts mit rechtlichen oder tatsächlichen Einflüssen zu tun, sondern steht ihrem Wortsinn nach nur für die enge, zwangsläufige Verbindung zweier Erscheinungen, wie sie Original und Spiegelbild eigen sind. Löst eine Rechtsnorm reflexartig auch bei einem Nicht-Adressaten Wirkungen aus, dann spricht viel dafür, dass sie auf einen interaktiven Freiheitsgegenstand zugreift. Die rechtliche Betroffenheit folgt dann aus dem Eingreifen der Maßnahme in die Grundrechte des NichtAdressaten, deren Schutzgut aus eben diesem interaktiven Freiheitsgegenstand besteht. 241 Im Ergebnis identisch ist der Ansatz von Lindner, Theorie, S. 250 f., der zentral auf den Selbstbestimmungsschutz abstellt. Verbiete der Staat eine Ausstellung des A, so verkürzt er in rechtfertigungsbedürftiger Weise auch die Realisierung des Selbstbestimmungsinteresses der Besucher. 242 BVerfGE 108, 370 (384) – Exklusivlizenz. Vgl. aber auch die zutreffende, wenn auch nicht durchweg problemorientierte Argumentation in BVerfG NJW 1991, 2952 ff. 243 BVerfGE 13, 230 (323 f.). 244 BVerfGE 121, 317 (342 f.).

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

273

Mit der zu beobachtenden Ausgrenzung von „Reflexwirkungen“ aus dem Kreis der grundrechtsrelevanten Einwirkungen inkorporiert das BVerfG 245 dagegen in unreflektierter und sachlich nicht zu rechtfertigender Weise die Inhalte der Schutznormtheorie in Verfassungsprozessrecht und Eingriffsdogmatik. Wenn mit der Reflexwirkung 246 im Allgemeinen Verwaltungsrecht auf den Automatismus verwiesen wird, der zwischen verschiedenen Folgewirkungen besteht, dann kann diese Reflexwirkung im einfachen Recht begründen, dass der Norm kein Schutznormcharakter zukommt, weil die Vorteile nicht gewollt sind, sondern automatisch eintreten. Während es bei der Schutznormtheorie aber zentral auf den Willen des Gesetzgebers ankommt, hat das Merkmal der Finalität in der Grundrechtsdogmatik eben nicht den Charakter einer notwendigen Bedingung für die Annahme eines Eingriffs. 247 c) Abstrakte und konkrete Einwirkungen auf den Interaktionspartner Unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse lässt sich die Aussage des BVerfG präzisieren: die geforderte enge Beziehung liegt vor, wenn und soweit die Mitwirkung des Dritten zur eigenen Freiheitsgewährleistung zählt. Insoweit kann auf die Darstellung unter B.IV. verwiesen werden, die für die Wettbewerbsfreiheit die Aufnahme der vertraglichen Interaktion mit dem Vertragspartner in den Freiheitsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit postuliert. Die geforderte Regelungsidentität liegt aber nur dann vor, wenn der Staat auf eine konkrete Interaktion zugreift, in dem er Ge- oder Verbote an potentielle Vertragspartner adressiert, die den Abschluss eines bestimmten Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben oder in anderer Weise gerade diesem gegenüber imperative Maßnahmen ergreift, die die Abschlusswahrscheinlichkeit hinsichtlich eines bestimmten Rechtsgeschäfts in zurechenbarer Weise mindern. Denn nur dann greift er unmittelbar in die als Interaktionslinie verstandene natürliche Handlungsfreiheit des Wettbewerbers ein. Damit wird ein Teil der Beschränkungen eigener Handlungsfähigkeit ohne weiteres als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff verstanden, der bisher der Kategorie der mittelbar-faktischen Eingriffe zugeordnet wurde und deshalb die Heranziehung weiterer eingriffstypischer Zurechnungskriterien nötig machte. Die Abgrenzung rechtlich irrelevanter Drittbeeinträchtigungen erfolgt insoweit bei der Bestimmung des Freiheitsgegenstandes. 248 Die hier vertretene Konzeption 245

Zuletzt BVerfG DVBl 2009, 1440 ff. Erstmals offenbar verwendet von Jellinek, VVDStRL 12 (1954), 118; weitere Nachweise zur Entwicklung der Begrifflichkeit bei Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik, S. 72 ff. 247 Dazu Achatz, DVBl 2009, 1443 (1444 ff.) m.w. N. 246

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

steht damit sachlich in der Nähe der schutzbereichsbezogenen Eingriffsansätze, profitiert aber von der Präzisierung durch den Rückgriff auf den grundrechtlichen Freiheitsgegenstand. 249 Die Regelungsidentität ist dagegen nicht gegeben, wenn sich der Betroffene nur gegen Nebenwirkungen einer gesetzlichen Regelung wendet, deren Einfluss auf die Mitwirkungsfähigkeit oder -bereitschaft nicht bereits im Tenor der Regelung angeordnet ist. Erhöht der Staat zum Beispiel die Kapitalertragssteuern oder verändert die Pflichtversicherungsgrenze, können die gesetzlichen Regelungen ebenfalls die Bereitschaft Dritter zum Abschluss bestimmter Rechtsgeschäfte verändern, ohne dass der Staat diese negativen Folgen aber bereits im Tenor der gesetzlichen Regelung angeordnet hätte. Das bedeutet nicht, dass diese abstrakten Einwirkungen auf Dritte keinesfalls in die Wettbewerbsfreiheit eingreifen könnten. Dann ist aber erforderlich, dass der Staat durch sein Handeln gerade Wettbewerbsbedingungen verändert hat, die zu einer Minderung der Wettbewerbschancen führen. 2. Einwirkungen auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen Mindert der Staat dagegen auf andere Art und Weise die soziale Erfolgschance, indem er das soziale Gefüge erschüttert, innerhalb dessen die Wettbewerbshandlung ausgeführt wird, dann greift er nur in den Wirkungskontext ein, so dass auch gerade Rahmenbedingungen des Wettbewerbs betroffen sein müssen, um zu einer relevanten Beeinträchtigung der sozialen Erfolgschance zu gelangen. Zwar beeinflussen auch diese Veränderungen nach einer Reihe von Vermittlungsvorgängen die Abschlussfähigkeit oder -bereitschaft des po248

Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 163 f. hält die Rückbesinnung auf den Freiheitsbegriff dagegen nicht für weiterführend, weil jede Bestimmung unter dem Verdacht einer Überredungsdefinition stehe, die ohne Argumente Zustimmung für eine Bewertung gesucht werde. Ein bestimmter Freiheitsbegriff sei dem Grundgesetz aber nicht vorgegeben. Die Kritik Eckhoffs vermag allerdings nicht daran zu ändern, dass jede Anwendung der Grundrechte eine Bestimmung der Freiheit voraussetzt, die von den Grundrechten geschützt ist. Erst wenn der Freiheitsgegenstand präzise bestimmt ist, kann die Frage nach den Hindernissen gestellt werden. Dem Verdacht einer Überredung setzt sich dagegen noch viel mehr aus, wer den von ihm zugrunde gelegten Freiheitsgegenstand nicht offen legt. Gerade wenn das Grundgesetz keinen bestimmten Freiheitsbegriff benützt, muss sein Gebrauch thematisiert werden. Wer mit der liberal-rechstaatlichen Grundrechtstheorie die Freiheit als dem Staat vorausliegend betrachtet, muss sich dabei von den tatsächlichen Wirkungszusammenhängen leiten lassen (vgl. hierzu auch die Antikritik von Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 139 ff.). 249 Auch Koch, Drittbetroffenheit, S. 219 sieht, dass mit der Drittbeeinträchtigung und der damit verbundenen Verringerung der Chance zur Realisierung einer gewissen Folge individuellen Handelns zugleich eine Beeinträchtigung sozialer Interaktion verbunden ist, zieht aber keine Folgerungen aus diesem Umstand.

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

275

tentiellen Vertragspartners. Wegen der Vielzahl von Einflüssen, die zusätzlich auf den Kausalverlauf einwirken, lässt sich eine Zurechnung von Wettbewerbsnachteilen zu einem staatlichen Auslöser nicht mehr mit Hilfe der Betrachtung einzelner Glieder der Kausalkette bewerkstelligen. Wenn aber gerade Rahmenbedingungen des Wettbewerbs betroffen sind, dann wird der Einfluss auf die soziale Erfolgschance normativ unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Berufsfreiheit bejaht. Die Länge und Art der Kausalkette, die Modalität des Einwirkens oder die Intensität der Einwirkung spielen dann keine Rolle mehr; der Einfluss auf die soziale Erfolgschance muss nur spürbar sein. Der Begriff der Wettbewerbsbedingungen ist dabei weit zu verstehen. Verändern sich die Wettbewerbschancen, wird prima facie vermutet, dass dies die Folge der Veränderung von wettbewerblichen Rahmenbedingungen ist oder war, deren Integrität der Einzelne als Folge seiner grundgesetzlich geschützten faktischen Bewirkungsmacht seiner Wettbewerbsteilnahme verteidigen kann. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Veränderungen nur den Umgang im gesellschaftlichen Miteinander regeln. 3. Einwirkungen auf das soziale Zusammenleben Resultieren Minderungen der sozialen Erfolgschance schließlich nur aus staatlichen Maßnahmen, die keine Wettbewerbsbedingungen verändern, sondern nur allgemein das Zusammenleben innerhalb der sozialen Gemeinschaft betreffen, liegt in dieser Veränderung kein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, auch wenn sie nachweisbar die Erfolgschancen im Wettbewerb beeinträchtigen. Derlei Einwirkungen kommt keine „Berufsbezogenheit“ zu. Denn die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen beruhen nur darauf, wie die Menschen die Vorgaben des Staates in eigener Verantwortung und ergebnisoffen ausfüllen, ohne dass die Folgen sich noch als staatliche Beeinflussung des Wettbewerbs zurückverfolgen ließen. In der Anwendung im Einzelfall mögen gewisse Schwierigkeiten bestehen, Wettbewerbsbedingungen von den staatlichen Voraussetzungen des Zusammenlebens abzugrenzen. Folgende Überlegung kann dabei Anhaltspunkte liefern: Bei der Analyse der Rechtsprechung des BVerfG waren häufiger Fallgestaltungen zu beobachten, bei denen staatliche Maßnahmen nicht die Erfolgschancen innerhalb eines einzelnen Wettbewerbssegments veränderten, sondern die Wettbewerbsstellung ganz heterogener, nicht miteinander in Konkurrenz stehender Wettbewerbsteilnehmer beeinflussten. Diesen Umstand quittierte das BVerfG meist sinngemäß mit dem Argument, der Gesetzgeber lenke hier nur den Markt insgesamt und damit keine „Berufe“, so dass der Regelung auch keine berufsregelnde Tendenz zukommen könne. Das zu sehr am Wortlaut seiner Prüfungsformel verhaftete Argument des BVerfG enthält einen zutreffenden Kern, den es an dieser Stelle aufzugreifen gilt: Je weniger sich die Auswirkun-

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

gen auf einen Wettbewerbssektor oder gar einen Wettbewerber beziehen, desto mehr wird im Regelfall für eine unbeachtliche Einwirkung auf das soziale Zusammenleben sprechen, die die Abwehrwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht auslöst. Die gleichmäßige Marktbetroffenheit taugt indes nicht per se zur Ablehnung eines Eingriffs. Sie ähnelt strukturell der Argumentation, die auf die typische Betroffenheit von Berufsträgern abstellte, ohne dass ersichtlich wäre, warum es im Rahmen der Eingriffspräzisierung darauf ankommen sollte. 250 Die Abgrenzung beider Bereiche bedarf noch weiterer Untersuchung; in diesem Rahmen soll nur versucht werden zu zeigen, dass die Trennlinie zwischen grundrechtsrelevanten und unbeachtlichen Einwirkungen hier zu verlaufen und die bejahende oder verneinende Argumentation hier anzusetzen hätte. Im Rahmen der Abgrenzung von Wettbewerbsbedingungen und Regelungen des sozialen Miteinanders hat auch die Argumentationsfigur des BVerfG ihre rechtsdogmatische Berechtigung, innerhalb der auf den gesetzgeberischen Willen abgestellt wird, mit der angegriffenen Regelung andere Rechtsbereiche auszugestalten. Der Intention des Gesetzgebers kommt dabei, wie dargelegt, selbst keine ausschlaggebende Rolle zu. 251 Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen in objektiver Hinsicht wirklich nur Vorgaben für das gesellschaftliche Miteinander seiner Bürger setzt. Dies bedarf allerdings eines ausdrücklichen positiven Nachweises, der nicht schon dann erfolgreich geführt ist, wenn die gesetzliche Regelung nicht in das Gewand einer subjektiven oder objektiven Berufsausübungsregelung gekleidet ist. Inhaltlich hat sich dieser Nachweis statt dessen an der fortbestehenden Überzeugungskraft einer normativen Bejahung der Zurechnung zu orientieren, die den staatlichen Einfluss auf das Wettbewerbsgefüge trotz der Vielzahl der sie vermittelnden Glieder für wesentlich hält. Der Abwehranspruch gegen Einwirkungen auf die Wettbewerbschancen steht daher unter dem Vorbehalt, dass sich damit nicht das Risiko realisiert, das mit der staatlichen Setzung von Vorgaben für das gesellschaftliche Zusammenleben bzw. Miteinander verbunden ist. Im Vergleich zur bisherigen Handhabung der berufsregelnden Tendenz verschieben sich damit die Gewichte. Zu fragen ist nicht mehr, ob der Staat die Berufsausübung regelt, sondern ob die Regelung als Ausnahmefall nur Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Gegenstand hat. Umgekehrt kann sich die Ausgestaltung des Zusammenlebens auch ohne weiteres zu einer Regelung von Wettbewerbsbedingungen verdichten, wie dies z. B. bei der Einbindung von Wettbewerbsteilnehmern in ein staatliches Vergütungssystem der Fall ist. Zieht der Staat die Gestaltung eines Wettbewerbs250 Vgl. zur Tauglichkeit der Abgrenzung der Schutzbereiche indes die Ausführen oben C.IV.2.a), S. 242 ff. 251 Vgl. oben C. IV. 2. b) bb), S. 247.

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

277

segments an sich, dann übernimmt er damit auch die Verantwortung für den Fortbestand des sozialen Zusammenhangs, so dass er die Wettbewerbsteilnehmer nicht mehr darauf verweisen kann, die Minderung der Erwerbschancen beruhe auf einem dem Wettbewerb immanenten Risiko. 4. Beispiele der Regelung des sozialen Zusammenlebens Die Unterscheidung zwischen staatlichen Einflüssen auf Wettbewerbsbedingungen und der bloßen Regelungen des sozialen Zusammenlebens soll abschließend an zwei Beispielen aufgezeigt werden, die bereits oben unter A.II. geschildert wurden. a) Rechtschreibreform Relevant ist hier, dass der Gesetzgeber dieses Marktgefüge nur in wenigen Teilbereichen verändert hat. Jeder Schulbuchverlag steht vor ähnlichen Problemen, so dass der soziale Kontext der Wettbewerbshandlungen im Schulbuchverlagsbereich unverändert geblieben ist. Im übrigen Wettbewerbsbereich haben sich zwar ebenfalls die Rahmenbedingungen, nicht aber das Marktgefüge verändert. Jeder Unternehmer, der sich aus gewissen Motiven der Reform anschließen will, muss mit den Folgekosten kämpfen. Die Wettbewerbschancen im Wettbewerb haben sich nicht verändert, da die Folgekosten bei allen Wettbewerbern gleichmäßig anfallen. Veränderungen des Marktgefüges hat es nur insoweit gegeben, als Anbieter von Nachschlagewerken, die regelmäßig und in kurzen Abständen aktualisiert werden, positive Wettbewerbsanreize erfahren. Auch müssen Schulbuchverlage im Vergleich mit Verlagen, die keine oder nur einen geringen Anteil von Schulbüchern führen, mit höheren Kosten rechnen, sie sind also Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt. Allerdings standen sie mit diesen Verlagen auch nicht in Konkurrenz. Das soziale Gefüge des jeweiligen Wettbewerbssegments blieb damit intakt, was die prima-facie-Wirkung der Minderung der Wettbewerbschancen entkräftet. Die Gestaltung des Deutsch-Unterrichts durch Vorgaben des Lehrplans hinsichtlich der Rechtschreibung in den Schulen ist entgegen der Ansicht des BVerfG nicht auf den Unterricht in den Schulen beschränkt, sondern erfasst wegen der sozialen Breitenwirkung die gesamte Gesellschaft. Der in den Klassenzimmern gelegte Grundstein für die Rechtschreibung wird schrittweise immer mehr Einfluss auf das gesellschaftliche kulturelle Zusammenleben erlangen. Damit berührt die Rechtschreibreform den Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der als Ausnahmefall ausdrücklich aus den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen herausgenommen wurde. Ein Eingriff durch staatlich zu-

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C. Die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrrecht

rechenbaren Einfluss auf die Wettbewerbsstrukturen kommt danach nur dann noch in Betracht, wenn den Staat wegen seiner früheren Einmischung in diesem Bereich eine Gewährleistungsverantwortung trifft. Das wäre anzunehmen, wenn er z. B. durch die Eröffnung eines Marktes eine Abhängigkeit der Verlage geschaffen hat. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die Schulbuch-Verlagstätigkeit eine Spezialisierung erfordert, die der Staat damit herausgefordert hat, oder aber die Verleger diese Spezialisierung eigenverantwortlich gewählt haben. 252 b) Nichtraucherschutzgesetze Die Nichtraucherschutzgesetze setzten sich zum Ziel, Einfluss auf die Umstände zu nehmen, in denen Menschen gesellschaftlich zusammen kommen und interagieren. Damit haben sie Rückwirkungen auf Wettbewerbshandlungen, die sich an den Bedürfnissen von Menschen in ihren sozialen Zusammenkünften orientieren. Derartige Rückwirkungen haben auch die Sommerzeitumstellung (wegen der längeren Sonnenscheinphasen am Abend) oder die staatlich noch zugelassenen Abgasimmissionen durch den Autoverkehr, die für Smog in den Innenstädten sorgen und deshalb den Betrieb von Außenflächen unattraktiver machen. Schließlich sorgt auch die Besteuerung von Arbeitseinkommen für weniger Kaufkraft der Konsumenten und damit für eine Reduktion der Gaststättenbesuche. Bei all diesen Einwirkungen gestaltet der Staat das soziale Zusammenleben und keine Wettbewerbsbedingungen. Um vergleichbare Auswirkungen dreht sich auch der Konflikt um den Nichtraucherschutz. Deswegen ist es auch im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG unbeachtlich, ob „Einraumkneipen“ von den Nichtrauchergesetzen stärker betroffen sein mögen und damit der Kontext der Wettbewerbshandlung nicht nur verändert, sondern sogar verzerrt wird. Denn die Veränderung der Wettbewerbsstruktur ist nicht die unmittelbare Folge der gesetzlichen Regelung, sondern einer von einer Vielzahl von Faktoren abhängigen Entscheidung des jeweiligen Individuums, die nach kurzer Übergangs- oder Entwöhnungszeit auch anders ausfallen kann und deren Kompensation durch gegenteilige Effekte keiner rationalen Überprüfung zugänglich ist. Die Wettbewerbsveränderungen lassen sich ggf. statistisch beobachten; eine Vorhersage über die gesellschaftlichen Folgen der Regelung lässt sich jedoch nicht machen. Sie gründet nur auf der Überlegung, dass die Attraktivität eines Gaststättenbesuchs von der Möglichkeit des Zigarettenkonsums abhängt. Ob, in welchem Maße und warum das der Fall ist, ist betriebswirtschaftlich nicht vorhersehbar. Damit wird deutlich, dass nicht 252

Kritisch zur Verneinung der Notwendigkeit eines Gesetzesvorbehaltes allerdings Wegener, JURA 1999, 185 (198 f); auch anklingend bei Bauer / Möllers, JZ 1999, 697 (701).

VI. Einbindung der bisherigen Erkenntnisse

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der Staat mittels rechtlicher Regelung unmittelbar auf das Wettbewerbsgefüge zugreift, sondern Vorgaben für das gesellschaftliche Miteinander setzt, die anschließend von den Bürgern eigenverantwortlich und ergebnisoffen ausgefüllt werden, ohne dass die Rückwirkungen auf das Wettbewerbsgefüge dem Staat noch als Eingriff zuzurechnen wären. 253

253

Im Ergebnis zutreffend daher die Kritik von Bryde in seiner abweichenden Meinung (BVerfG NJW 2008, 2409 [2420]), auch wenn nach hier vertretener Auffassung der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit durchaus eröffnet ist.

D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen I. Problemstellung und Gegenstand der Arbeit 1. Der Wettbewerbsfreiheit fehlt trotz ihrer Allgegenwärtigkeit in der Rechtspraxis und der vielfachen wissenschaftlichen Aufarbeitung noch immer ein ausreichendes grundrechtstheoretisches Fundament. Das zeigt nicht zuletzt die jahrzehntelange Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Rechtsprechung zur Grundrechtsrelevanz staatlicher Einflüsse auf das Wettbewerbsgefüge widersprüchlichen Entscheidungslinien folgt (A.II.). 2. Diesem Mangel vermochte auch die Literatur über eine Fallgruppenbildung hinaus kein klares und überzeugendes Konzept entgegenzusetzen. Überschätzt wurde in diesem Zusammenhang insbesondere die Leistungsfähigkeit des Gleichheitssatzes (A.III.2.).

II. Freiheitstheoretische Prämissen 1. Die Beispiele aus der Rechtsprechung des BVerfG zeigen, dass die Entscheidungsfindung durch das jeweils zugrunde gelegte Freiheitsverständnis determiniert ist, das den Kontext wettbewerblicher Tätigkeit einmal vom Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit umfasst sieht, ein andermal nicht (A.II.4.). 2. Der Arbeit Bäckers kommt das Verdienst zu, das den restriktiven Entscheidungen des BVerfG bislang unausgesprochen zugrunde liegende individualistische Freiheitsverständnis deutlich offen zu legen und damit einer Auseinandersetzung zugänglicher zu machen (A.IV.). 3. Wegen der Schlüsselfunktion des Freiheitsverständnisses ist es erforderlich, dieses aus den Grundrechten selbst zu entwickeln. Das setzt die formale Durchdringung der Freiheitsstruktur voraus, die in der Grundrechtstheorie mit Hilfe der Relation Freiheitsträger – Freiheitsgegenstand – Freiheitshindernis beschrieben wird (B.III.1. –4.). a) Eine strukturelle Analyse der in der rechtswissenschaftlichen Diskussion verwendeten Freiheitsbegriffe macht deutlich, dass Dritte ganz überwiegend nur als Gegner der eigenen Freiheitsrealisierung begriffen wurden.

III. Die grundrechtstheoretische Struktur

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b) Ohne Beachtung blieb bislang dagegen die eigentliche freiheitstheoretische Kernaussage, die in Umschreibungen wie „die Möglichkeit der Realisierung der Chance des sozialen Kontakts“ nur im Ansatz wahrzunehmen ist. Die notwendige Mitwirkung Dritter ist in vielen Fällen Teil des grundrechtlich geschützten Freiheitsgegenstandes. c) Diese Freiheitsausübung im „Plural“ stellt keinen Rückfall in den Kollektivismus dar, sondern nimmt die Relationen zu andern Grundrechtsträgern in sich auf, ohne dabei die individuelle Freiheitsträgerschaft in Abrede zu stellen. Welche Relationen als Freiheitshindernis, welche hingegen als Freiheitsgegenstand aufzufassen sind, definiert alleine der Grundrechtsträger. d) Das hier vertretene Freiheitskonzept steht im Einklang mit dem liberalen Grundrechtsverständnis, das den Menschen keineswegs seiner gesellschaftlichen Bezüge entkleidet, sondern als soziales Wesen begreift.

III. Die grundrechtstheoretische Struktur der Wettbewerbsfreiheit 1. Die grundrechtsdogmatische Behandlung darf den Wettbewerb nicht auf eine Veranstaltung zweier oder mehrerer Kontrahenten reduzieren. Wettbewerb am Markt ist in erster Linie die erfolgreiche partnerschaftliche Interaktion des Wettbewerbers mit seinem Vertragspartner, deren Gelingen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist (B.IV.). 2. Diese zur Realisierung notwendigen Faktoren sind als umfassend angelegter Freiheitsgegenstand ebenfalls vom abwehrrechtlichen Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst, weil das Grundrecht selbst den finalen Bezug zwischen Freiheitsausübung und darüber hinausreichendem Freiheitszweck (Beruf als Lebensgrundlage) herstellt. 3. Die grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb muss demzufolge als Interaktionslinie zwischen Anbieter und Nachfrager verstanden werden, auf die der Staat entweder direkt durch Zugriff auf den Vertragspartner oder indirekt durch Zugriff auf die Wettbewerbsbedingungen als Wirkungsvoraussetzung der Berufsausübung einwirken kann.

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D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

IV. Folgen für die dogmatische Struktur der Eingriffsprüfung 1. Bestand (A.I.2.) a) Die Prüfung einer Regelung auf ihre berufsregelnde Tendenz bestimmt trotz ihrer Leerformelhaftigkeit die Rechtspraxis und wird das aller Voraussicht nach auch künftig tun, so dass es schon aus pragmatischen Gründen geboten ist, die beschriebenen „Inkonsistenzen“ soweit wie möglich innerhalb dieser Formel aufzuarbeiten. b) In der Rechtspraxis kommt der Prüfungsformel eine Doppelfunktion zu. Mit ihrer Hilfe wird sowohl die Schutzbereichsabgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG als auch die Eingriffsprüfung innerhalb des Art. 12 Abs. 1 GG durchgeführt. Die dogmatischen Konsequenzen sind in Rechtsprechung und Literatur nicht immer klar. c) Im Rahmen der Schutzbereichsabgrenzung führt die Ablehnung der berufsregelnden Tendenz einer Maßnahme zur Anwendung der allgemeinen Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht. Im Rahmen der Eingriffsprüfung hat dies dagegen zur Folge, dass der Grundrechtsschutz wegen des fehlenden Eingriffscharakters der Maßnahme gänzlich entfällt.

2. Bewertung (C.IV.) a) Als Schutzbereichsabgrenzung leistet die Prüfung der berufsregelnden Tendenz auch in der heutigen Ausprägung brauchbare Dienste. Es lässt sich mit guten Gründen belegen, warum das besondere Gewicht des Art. 12 Abs. 1 GG immer erst dann in die Abwägung eingestellt wird, wenn die Folgen gesetzlicher Regelungen auf die Berufsausübung zumindest vorhersehbar oder sogar vom Gesetzgeber beabsichtigt waren. b) Widersprüche ergeben sich, wenn dieselben Gründe auch zur Verneinung des Eingriffscharakters einer Maßnahme herangezogen werden sollen. Was zur thematischen Schutzbereichsabgrenzung geeignet ist, kann nicht gleichzeitig zur Beantwortung von Zurechnungsfragen herangezogen werden, die die Eingriffsprüfung leisten muss. c) Die Formel der „berufsregelnden Tendenz“ einer Maßnahme ist zwar gerade auch wegen ihrer kritisierten Offenheit in der Lage, andere Kriterien jeweils dort aufzunehmen, wo sie zu rationalen und nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Den allgemeinen Eingriffskriterien der Grundrechtsdogmatik fehlt es aber für sich genommen ebenso an Überzeugungskraft.

V. Zugriff auf Wettbewerbsbedingungen

283

3. Einbindung der grundrechtstheoretischen Erkenntnisse (C.VI.) a) Direkter Zugriff auf den Vertragspartner aa) Aus den möglichen Einwirkungen auf den Grundrechtsträger lassen sich Fallgruppen extrahieren, die unstrittig als Eingriffe zu beurteilen sind. Dazu zählt unter anderem die Regelungsidentität von Maßnahme und Wirkung als „Essenz“ des klassischen Eingriffsbegriffs. bb) Die Regelungsidentität ist auch dann gegeben, wenn sich der Marktteilnehmer gegen den an einen Dritten gerichteten Tenor der staatlichen Maßnahme wendet. Im Regelfall ist dieser Sachverhalt allerdings grundrechtlich unbeachtlich, weil an Dritte gerichtete belastende oder begünstigende Maßnahmen nur deren Grundrechte betreffen. cc) Im Falle der „Interaktionsfreiheiten“ kann allerdings auch die Einwirkung auf den Interaktionspartner als eigene Grundrechtsverletzung gerügt werden. Irrelevante Drittbeeinträchtigungen werden damit nicht mehr bei der Eingriffsprüfung, sondern bei der Bestimmung des Freiheitsgegenstandes ausgesondert. Ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn eine staatliche Maßnahme auf potentielle Vertragspartner zugreift und damit zurechenbar die Abschlusswahrscheinlichkeit des Vertrages mindert.

V. Zugriff auf Wettbewerbsbedingungen 1. In vielen Fällen greifen staatliche Maßnahmen nicht direkt auf die Interaktionspartner des Marktteilnehmers zu, sondern verändern „lediglich“ die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs. Mit Rücksicht auf den umfassenden Freiheitsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit untersteht auch dieser Wirkungskontext dem grundrechtlichen Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. 2. Wegen der Vielzahl der Einwirkungen auf den Kausalverlauf lässt sich eine Zurechnung von Wettbewerbsnachteilen zu einem staatlichen Auslöser nicht mehr mit Hilfe der Betrachtung einzelner Glieder der Kausalkette bewerkstelligen. An ihre Stelle tritt eine normative Gesamtbetrachtung, die nur spürbare Wettbewerbsnachteile fordert.

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D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

VI. Regelungen des sozialen Zusammenlebens 1. Unter Berücksichtigung des umfassenden Schutzzweckes der Wettbewerbsfreiheit ist es nur erforderlich, mit der Kategorie der „Regelung des sozialen Zusammenlebens“ bestimmte Regelungen aus dem Kreis der tauglichen Einwirkungsquellen herauszunehmen, bei denen die Überzeugungskraft einer normativen Gesamtbetrachtung brüchig wird. 2. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit durch Zugriff auf das Wettbewerbsgefüge liegt damit nicht vor, wenn die staatliche Maßnahme ausschließlich die Art und Weise des gesellschaftlichen Miteinanders der Bürger regelt und den Staat schließlich auch im Übrigen keine Gewährleistungsverantwortung aus vorheriger Ingerenz trifft. 3. Der Begriff des „sozialen Zusammenlebens“ soll deutlich machen, dass Ausnahmen eng zu fassen sind und eine entsprechende Argumentationslast auslösen. Kennzeichnend für derartige Regelungen ist die Ergebnisoffenheit, mit der Bürger die staatlichen Vorgaben jenseits ökonomischer Vorhersehbarkeit in eigener Verantwortung ausfüllen. 4. Beide Argumentationsfiguren stehen nicht zur Prüfung der „berufsregelnden Tendenz“ in Konkurrenz, sondern lassen sich in diese integrieren. Eine Änderung tritt (lediglich) im Ergebnis der Prüfung ein, da im Regelfall Wettbewerbsbedingungen betroffen sein werden.

VII. Fazit 1. Auch die hier vorgeschlagene Konzeption kann keine trennscharfe Abgrenzung leisten, führt aber insbesondere bei „Drittbeeinträchtigungen“ zu Präzisierungen, indem sie den interaktiven Freiheitsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit erfasst. 2. Die erforderliche Abgrenzung von Wettbewerbsbedingungen und Regelungen des sozialen Zusammenlebens hat gegenüber der bisherigen Handhabung der Prüfungsformel den Vorteil, dass sie auf Basis einer hinreichenden grundrechtstheoretischen Grundlage nachvollziehbare Begründungen für die Grenzziehung liefern kann. 3. Verbleibende Unschärfen lassen sich bei Zurechnungsfragen kaum vermeiden und bedürfen im Einzelnen weiterer Untersuchungen. Diese berühren allerdings nicht das freiheitstheoretische Fundament, dessen Herausarbeitung und grundrechtsdogmatische Einordnung sich die Arbeit primär zum Ziel gesetzt hat.

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Sachwortverzeichnis Abgaben siehe Steuern und Abgaben Adressatenstellung 54, 87, 228, 270 Allmende-Gut 135 Arzneimittelfestbeträge 44, 53, 210, 231 Auffanggrundrecht 33, 37, 143, 244 Ausgestaltungsbindung 142 Bäcker, Matthias 108 Beförderungswesen 112, 116 Berufsfreiheit – Abgrenzung zur Art. 2 Abs. 1 GG 36 – Entwicklung 29 – Personales Element der 30, 32 Berufsregelnde Tendenz 216 – Alternativen zur 242 – in der Eingriffsprüfung 37, 244 – in der Schutzbereichsabgrenzung 36, 242 – Mehrdimensionalität der 36, 242 Bewirkungsmacht 125, 192, 275 Bindungsparadoxon 140 Chancengleichheit 60, 67, 98, 100 Coase-Theorem 133–134 Deregulierung 51, 64 Drittadressierung 228, 270, 273 Ehe und Familie, Schutz von 184 Eigentumsgarantie – Abgrenzung zu Art.12 GG 28 – Gewerbebetrieb, eingerichteter und ausgeübter 26, 29, 194, 199 – Kontextbezug 27 – Normprägung 142

– Nutzungsmöglichkeiten 24 – Personale Komponente 19 – Staatliche Genehmigungen 22 – Vermögenswert 25 Eingriffskriterien 244 – Finalität 247 – Gefahrschaffung 254 – Intensität 248 – Kombinationslösung des BVerwG 251 – Schutzzwecklehre 253 – Unmittelbarkeit 246 Erfolgschance 47, 102, 109, 194, 274 Fernmeldemonopol 72, 211, 229 Finalität siehe Eingriffskriterien Freiheit – als Schutzgut der Grundrechte 121 – als zentraler Baustein der Grundrechtsdogmatik 142 – Freiheitsbegriffe 124, 145–148, 150, 164 – Freiheitsgegenstand 125, 146, 152, 157, 188, 192, 271 – und Gemeinschaftsbezogenheit 187 – und Interaktion 155 – und Menschenwürde 176 Freiheitssphäre 122, 148, 165 Fremdbestimmung 171–172, 200–201 Funktionales Äquivalent 233, 235–237 Funktionsbedingungen des Wettbewerbs 39–40, 42, 44, 53, 59, 63, 85, 135, 137 Gebührenordnungen 62, 230 Gefahrschaffung siehe Eingriffskriterien Geldleistungspflichten 214, 222, 224

Sachwortverzeichnis Geldwäsche 226 Gemeinschaftsbezogenheit 178–180, 186 – in der Meinungsfreiheit 182 – in der Religionsfreiheit 180 – in der Vereinigungs-und Koalitionsfreiheit 185 – in der Versammlungsfreiheit 183 – in Ehe und Familie 184 Gesetzliche Krankenversicherung 55, 65, 78, 80, 212, 230, 237 Gewährleistungsbereich 41, 107, 143 Gleichheitssatz 62, 75, 102, 104 Glücksspielstaatsvertrag 235 Glykolrechtsprechung 39–40, 43, 109, 135–136, 233 Grundrechtsaktualisierung 159, 164 Grundrechtsauslegung 158, 163–164, 176 Grundrechtstheorie(n) 165, 168, 170, 172–173 Grundrechtsvoraussetzungen 160, 163, 203 Homo oeconomicus 268 Horizontale Grundrechtsausübung 189

158,

Intensität siehe Eingriffskriterien Interaktion(s-) – erfolg 191 – linie 272 – partner 273 – im Wettbewerb 189 – und Freiheitsgegenstand 155, 157 Juristische Personen 19, 31, 186 Klassischer Eingriffsbegriff 260 Kollektivismus 146, 157, 178, 200 Kommunale Vertretungsverbote 225 Konkordanz 94, 207 Konkurrenzverhältnisse 46, 60, 78, 110 Kontaktsperre 229

307

Kontextbezug 106, 188, 200 Kurzberichterstattung 32, 227, 241 Landeskrankenhausplan 73 Lebach-Urteil 179 Luhmann, Niklas 155 MacCallumsche Freiheitsstruktur 145 Meinungsfreiheit 182 Menschenbild des Grundgesetzes 177– 178 Methodischer Individualismus 134 Mittelbar-faktische Grundrechtseingriffe 257, 259 Mitwirkung Dritter – als freiheitstheoretisches Strukturproblem 151 – als Teil des Freiheitsgegenstands 154 – in der Eingriffsdogmatik 269 – Mitwirkungsfähigkeit und -bereitschaft 268 More economic approach 138 Mutterschaftsgeld 214, 222, 224 Natürliche Freiheit 16, 109, 119, 147, 189, 264 Nichtraucherschutzgesetze 83, 262, 278 Normative Freiheitsprägung 131 Normbestandsschutz 195, 197 Objektiv berufsregelnde Tendenz 216 – Ausgestaltende Regelungen 229 – Drittadressierung 228 – Geldleistungspflichten 217 – Nichtgeldleistungspflichten 225 – Nichtrechtsförmige Beeinträchtigungsakte 232 Öffentliche Konkurrenzwirtschaft 92 Öffentliche Sachverständige 75 Ökonomische Realbefunde 101, 132, 251, 268 Ordnungsökonomie 101, 131

308

Sachwortverzeichnis

Präfomierung des Grundrechtschutzes 147 Prinzipal-Agent-Verhältnisse 136 Property-Rights-Ansatz 135 Rechtliche Freiheit 129, 150, 263 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 62 Rechtschreibreform 49, 277 Rechtsreflex 38, 85, 231, 237, 272 Regelungen des sozialen Zusammenlebens 275, 277 Regelungsidentität 258, 266, 270, 273 Religionsfreiheit 180 Scholz, Rupert 156 Schutzgut der Grundrechte 121, 123, 125, 127 Schutzzwecklehre siehe Eingriffskriterien Selbstbestimmung 31, 101, 125, 167, 172, 177, 200 Selbstverständnis des Freiheitsträgers 152, 154, 178 Soziale Freiheit 109 Sozialgefüge 174, 198–199, 254 Staatliche Bedarfsplanung 73 Staatliche Informationstätigkeit 39, 97, 247 Steuerberatungsgesetz 35, 38, 48 Steuern und Abgaben 36 – Abgaben 219, 223, 265 – Biokraftstoffsteuer 44, 68, 228, 235 – Eigentumsgarantie 25 – Ökosteuer 44, 66 – Steuerbefreiungen 68, 218 – Steuerlasten 66, 70, 217

Strafprozessuale Eingriffsbefugnisse 226 Subventionierung 52, 74, 95 Suhr, Dieter 155 Tariftreueerklärung 81, 234, 236 Transparenzlistenfall 232 Unmittelbare Berufsausübungsregelungen 208, 268 Unmittelbarkeit siehe Eingriffskriterien Unsichtbare Hand des Marktes 132 Vereinigungsfreiheit 185 Vergaberecht 55, 234 Versammlungsfreiheit 183 Versicherungspflichtgrenze 65 Vertragsarztprivileg 77, 115 Vertragsfreiheit 127, 195, 212 Vorenthaltung staatlicher Leistungen 72 Wettbewerbsbedingungen 50, 54, 102, 130, 274 Wettbewerbsfreiheit – als Konkurrenzsituation 190 – als kontextsensible Interaktion 191 – als Sammelbegriff 17 – Normprägung 110 – Schutzbereichsumschreibungen 35 – Schutz vor Konkurrenz 35, 47, 90, 92, 205 – Verortung 33 Wettbewerbsverzerrung 60, 75, 96, 100–101 Willensentschließungsfreiheit 265, 267 Zollflughäfen 88