Gleichnisse und Parabeln in der frühchristlichen Literatur: Methodische Konzepte, religionshistorische Kontexte, theologische Deutungen 9783161600364, 9783161601552, 3161600363

Der vorliegende Band widmet sich den Gleichnissen und Parabeln in der Literaturgeschichte des frühen Christentums. Der b

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German Pages 379 [390] Year 2021

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Jens Schröter und Konrad Schwarz — Einleitung
Teil I. Kontexte: Verwendung und Auslegung von parabolischen Gattungen in hellenistisch-römischer Zeit
Michael Erler — Gleichnis im Kontext. Antike Reflexionen über das Gleichnis in Philosophie und Rhetorik
Ralph Brucker — Zur Verwendung von παραβολή in der Septuaginta
Jan Dochhorn — Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)? Über Sinn und Hintergründe eines frühjüdischen Bildworts
Friederike Oertelt — „Die Welt der Ideen gleicht …“. Parabolische Texte bei Philo von Alexandria
Günter Stemberger — Verwendung und Auslegung von Gleichnissen bei den frühen Rabbinen
Teil II. Gleichnisse, Parabeln und verwandte Gattungen in der frühchristlichen Literatur
Ruben Zimmermann — Form und Funktion der Frageparabeln des erinnerten Jesus
Christian Münch — Der erzählte Erzähler. Jesu Gleichnisse in den synoptischen Evangelien
Friederike Kunath — Paroimische Rede im Johannesevangelium. Beobachtungen an der Grenze
Soham Al-Suadi — Die Analogie als bildhafte Rede bei Paulus
Marianne Bjelland Kartzow — παραβολή and Parabolic Language in the Shepherd of Hermas
Katharina Greschat — Die Verwendung des Begriffs παραβολή und die Interpretation von Gleichnissen bei Justin
Konrad Schwarz — „Das Königreich des Vaters gleicht …“. Jesu Gleichnisse und Parabeln im Thomasevangelium
Silke Petersen — Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften. Erkundungen bildlicher Sprache im Philippusevangelium
Judith Hartenstein — Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief (EpJac NHC I,2). Neue Lehre und die Deutung vorliegender Evangelien
Dieter T. Roth — Irenaeus and Tertullian on Parables
Christian Hengstermann — Symbole göttlicher Güte. Gleichnishermeneutik in Theorie und Praxis bei Klemens und Origenes von Alexandria
Teil III. Literaturwissenschaftliche Perspektiven
Rüdiger Zymner — Parabolische Gattungen in literaturwissenschaftlicher Perspektive
Autorinnen und Autoren
Stellenregister
Moderne Autorinnen und Autoren
Sachregister
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Gleichnisse und Parabeln in der frühchristlichen Literatur: Methodische Konzepte, religionshistorische Kontexte, theologische Deutungen
 9783161600364, 9783161601552, 3161600363

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor

Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg) · Janet Spittler (Charlottesville, VA) J. Ross Wagner (Durham, NC)

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Gleichnisse und Parabeln in der frühchristlichen Literatur Methodische Konzepte, religionshistorische Kontexte, theologische Deutungen

herausgegeben von

Jens Schröter, Konrad Schwarz und Soham Al-Suadi

Mohr Siebeck

Jens Schröter, geboren 1961; 1982–89 Studium der Ev. Theologie in Jena, Heidelberg und Berlin; 1992 Promotion; 1996 Habilitation; Professuren in Erfurt (1997–98), Hamburg (1998–03) und Leipzig (2003–09); seit 2009 Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testamentes sowie die antiken christlichen Apokryphen an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin; Gastprofessuren u.a. in Houston, Jerusalem und Oslo. orcid.org/0000-0001-7878-2709 Konrad Schwarz, geboren 1983; 2003–11 Studium der Ev. Theologie in Berlin und Pieter­ maritzburg (Südafrika); 2011 Erstes Theologisches Examen; seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin; 2018 Promotion. orcid.org/0000-0002-5575-9829 Soham Al-Suadi, geboren 1980; 2003–08 Studium der Ev. Theologie in Berlin, Neuen­ dettelsau und Basel; 2010 Promotion; 2015 Habilitation; seit 2017 Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock. orcid.org/0000-0003-1098-208X

ISBN 978-3-16-160036-4 / eISBN 978-3-16-160155-2 DOI 10.1628/978-3-16-160155-2 ISSN 0512-1604 / eISSN 2568-7476 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Der vorliegende Band geht zurück auf eine Tagung, die vom 12. bis zum 14. April 2018 unter dem Titel „Gleichnisse und Parabeln in der frühchristlichen Literatur“ an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit der Universität Rostock durchgeführt wurde. Das Ziel der Tagung war es, Gleichnisse und verwandte Gattungen in den weiteren Kontext der Verwendung parabolischer Sprachformen in antiken jüdischen, christlichen und paganen Kontexten zu stellen. Damit sollte der Blick dafür geschärft werden, auf welche Weise parabolische Sprachformen in verschiedenen literarischen Zusammenhängen Verwendung finden, wie diese Formen in rhetorischer und sprachphilosophischer Perspektive betrachtet werden und nicht zuletzt, welche parabolischen Sprachformen in biblischen Texten begegnen und in welcher Weise sie für argumentative, narrative oder paränetische Intentionen eingesetzt werden. Die Berliner Konferenz war demnach darauf gerichtet, eine vor allem in der neutestamentlichen Forschung des 20. Jahrhunderts häufig zu konstatierende Konzentration der Gleichnisforschung auf die synoptischen Evangelien und die Verkündigung Jesu dadurch zu erweitern, dass die Verwendung gleichnishafter Redeformen in biblischen und nicht-biblischen antiken Texten in den Blick genommen und philosophisch wie literaturwissenschaftlich reflektiert wird. Dabei spielte die Verwendung des Begriffes παραβολή eine wichtige Rolle, der bereits in den synoptischen Evangelien in verschiedener Bedeutung begegnet und auch in anderen frühchristlichen Texten in unterschiedlicher Weise verwendet werden kann. Zu beachten ist auch, dass verwandte Termini, wie etwa das im Johannesevangelium verwendete παροιμία, darauf verweisen, dass parabolische Texte mit verschiedenen Termini bezeichnet werden konnten und umgekehrt unter den entsprechenden Begriffen ein ganzes Spektrum verschiedenartiger Texte subsumiert wird. Die Erforschung parabolischer Texte kann davon profitieren, eine breitere philosophische und literaturwissenschaftliche Perspektive einzunehmen und die in frühjüdischen und frühchristlichen – biblischen wie außerbiblischen – Schriften begegnenden derartigen Texte sowie die Verwendungen der entsprechenden Terminologie zu berücksichtigen. Das Konzept der genannten Berliner Tagung hat einen weiten Horizont für die Einbettung parabolischer Rede in antiken Texten aufspannt: von antiker Philosophie und Rhetorik über die Untersuchung

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Vorwort

einzelner frühjüdischer und frühchristlicher Texte bis hin zur literaturwissenschaftlichen Reflexion parabolischer Gattungen. Die Herausgeber danken allen, die an der Tagung teilgenommen und sie mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen bereichert haben, sehr herzlich. Ein Dank sei ebenfalls allen abgestattet, die zu dem vorliegenden Band beigetragen haben. Dazu ist neben den Verfasserinnen und Verfassern auch Katharina Simunovic zu nennen, die das Manuskript mit großer Sorgfalt für den Druck vorbereitet hat. Alexandra Priesterath und Sophie Rink gilt unser Dank insbesondere für die Erstellung der Register. Die Universität Rostock hat im Rahmen der wissenschaftlichen Kooperation mit der Humboldt-Universität Berlin auch wesentliche Teile der Tagungskosten übernommen, wofür wir an dieser Stelle herzlich danken möchten. Unser Dank gilt weiterhin der Gertrud-und-Alexander-Böhlig-Stiftung sowie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie für Zuschüsse zur Durchführung der Tagung und zu den Druckkosten des Tagungsbandes. Nicht zuletzt bedanken wir uns bei den Herausgeberinnen und Herausgebern der Reihe „Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament“ für die Aufnahme dieses Bandes. Ebenso danken wir Jana Trispel und Tobias Stäbler vom Verlag Mohr Siebeck für ihre sorgfältige Lektorierung und die gute Zusammenarbeit bei der Veröffentlichung des Bandes. Berlin und Rostock, im Dezember 2020

Jens Schröter, Konrad Schwarz und Soham Al-Suadi

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Jens Schröter und Konrad Schwarz Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil I

Kontexte: Verwendung und Auslegung von parabolischen Gattungen in hellenistisch-römischer Zeit Michael Erler Gleichnis im Kontext. Antike Reflexionen über das Gleichnis in Philosophie und Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Ralph Brucker Zur Verwendung von παραβολή in der Septuaginta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Jan Dochhorn Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)? Über Sinn und Hintergründe eines frühjüdischen Bildworts . . . . . . . . . . . . 43 Friederike Oertelt „Die Welt der Ideen gleicht …“. Parabolische Texte bei Philo von Alexandria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Günter Stemberger Verwendung und Auslegung von Gleichnissen bei den frühen Rabbinen . . 73

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Inhaltsverzeichnis

Teil II

Gleichnisse, Parabeln und verwandte Gattungen in der frühchristlichen Literatur Ruben Zimmermann Form und Funktion der Frageparabeln des erinnerten Jesus . . . . . . . . . . . . . 99 Christian Münch Der erzählte Erzähler. Jesu Gleichnisse in den synoptischen Evangelien . . . 119 Friederike Kunath Paroimische Rede im Johannesevangelium. Beobachtungen an der Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Soham Al-Suadi Die Analogie als bildhafte Rede bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Marianne Bjelland Kartzow

παραβολή and Parabolic Language in the Shepherd of Hermas . . . . . . . . . . . 181 Katharina Greschat Die Verwendung des Begriffs παραβολή und die Interpretation von Gleichnissen bei Justin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Konrad Schwarz „Das Königreich des Vaters gleicht …“. Jesu Gleichnisse und Parabeln im Thomasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Silke Petersen Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften. Erkundungen bildlicher Sprache im Philippusevangelium . . . . . . . . . . . . . . 227 Judith Hartenstein Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief (EpJac NHC I,2). Neue Lehre und die Deutung vorliegender Evangelien . . 247 Dieter T. Roth Irenaeus and Tertullian on Parables . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Inhaltsverzeichnis

IX

Christian Hengstermann Symbole göttlicher Güte. Gleichnishermeneutik in Theorie und Praxis bei Klemens und Origenes von Alexandria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Teil III

Literaturwissenschaftliche Perspektiven Rüdiger Zymner Parabolische Gattungen in literaturwissenschaftlicher Perspektive . . . . . . . 313

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Moderne Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Einleitung Jens Schröter und Konrad Schwarz Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind der Rezeption von Gleichnissen und verwandter, bildlicher Rede in der frühchristlichen Literatur gewidmet. Daraus ergeben sich sein Aufbau und sein spezifisches Profil. Im einführenden Teil wird zunächst auf Verständnis und Auslegung von parabolischen Gattungen in der griechisch-römischen Rhetorik und Philosophie, in frühjüdischen Schriften und hellenistisch-jüdischer Exegese sowie in der rabbinischen Literatur eingegangen. Dadurch werden die Gleichnisse der frühchristlichen Literatur in ihren Entstehungskontext eingeordnet. Die weiteren Beiträge widmen sich einer breiten Auswahl von Schriften bzw. Autoren des antiken Christentums. Im Vordergrund stehen dabei zwei Fragenkomplexe, die miteinander eng verbunden sind. Zum einen geht es um den Diskurs über parabolische Gattungen in den antiken Texten generell: Womit werden der Terminus παραβολή/parabolē und verwandte Begriffe in Verbindung gebracht und in welcher Weise werden Verstehensbedingungen und Funktionen parabolischer Aussagen reflektiert? Zum anderen steht die konkrete Verwendung und Interpretation parabolischer Texte in der antiken Literatur zur Diskussion: In welchen narrativen oder argumentativen Kontexten werden Gleichnisse, Parabeln etc. verwendet? Lassen sich in den jeweiligen Verwendungen spezifische Funktionen erkennen, indem Gleichnisse etwa der Veranschaulichung oder Verhüllung oder aber zur inhaltlichen Vertiefung und Weiterführung von Argumentationen dienen? Welche „Transfersignale“, die die Rezipientinnen und Rezipienten zu einem übertragenen Verständnis auffordern, werden verwendet (etwa: „gleichen, ähnlich sein, in Gleichnissen reden/lehren“ etc.)? Werden die parabolischen Texte explizit ausgelegt und wird eine Begründung bzw. eine Autorisierung dieser Auslegung gegeben? Mit dieser Herangehensweise wird ein Weg beschritten, der gegenüber der Gleichnisforschung seit Adolf Jülicher, die das 20. Jahrhundert entscheidend geprägt hat, neue Akzente setzt. Dies sei im Folgenden näher erläutert. Nicht zuletzt der Kontext der Berliner Humboldt-Universität, insbesondere ihrer Theologischen Fakultät, legt es nahe, die Beschäftigung mit dem Thema „Gleichnisse und Parabeln“ mit dem Blick auf eine grundlegende Studie zu be-

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Jens Schröter und Konrad Schwarz

ginnen, die 1886 an der Theologischen Fakultät der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin eingereicht wurde: Mit dem ersten Teil seiner Untersuchung über „Die Gleichnisreden Jesu“ bewarb sich Adolf Jülicher, damals Pfarrer an der Waisenhauskirche in Rummelsburg, um den akademischen Grad eines Lizentiaten der Theologie. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick darauf, wie Jülicher seinen eigenen Zugang zu den Gleichnissen Jesu in einem Rückblick rund vierzig Jahre später beschrieb. Mit einer Dissertation zum Exodusbuch war Jülicher zunächst im Fach Altes Testament in Halle promoviert worden. Jedoch zog er sich anschließend aus diesem Fach zurück, da er von seinem Berliner alttestamentlichen Lehrer August Dillmann eine vernichtende Kritik der Arbeit bekommen hatte.1 Jülicher wandte sich daraufhin einem anderen theologischen Fach zu, wie er sich erinnert: Es lag zu nahe, daß ich den Ersatz für das Verlorene beim Neuen Testament suchte. Und zwar nun gleich in etwas weiterem Sinne: von allem von der neutestamentlichen Zeit wünschte ich eine Anschauung zu gewinnen, glaubte auch den Zugang zu den neutestamentlichen Autoren nicht ohne Hilfe ihrer frühesten Ausleger zu finden. So vertiefte ich mich in die apostolischen Väter, Tertullian, Cyprian, andrerseits Sueton und Tacitus, Josephus und Philo; auch schon mit einigen exegetischen Schriften von Chrysostomus und Augustin habe ich mich beschäftigt.2

Nach seiner Berufung nach Marburg im Jahr 1889 hielt Jülicher neben der neutestamentlichen Lehre regelmäßig Vorlesungen im Fach Kirchengeschichte und verfasste zahlreiche Artikel für die damals im Entstehen befindliche Neubearbeitung von Paulys Realencyclopädie, vor allem im Bereich der antiken Kirchengeschichte. Auf diese Weise hat Jülicher in die Tat umgesetzt, was er grundsätzlich für das Fach Neues Testament forderte: Das Neue Testament und die alte Kirchengeschichte gehören zusammen, und besonders dem Neutestamentler ist nichts gefährlicher als die Beschränkung auf sein enges Gebiet. Wie manches Alte und Älteste lernt man erst kennen oder doch würdigen, wenn man seine Aus‑ und Umbildungen in den folgenden Jahrhunderten beobachtet!3

In dieser programmatischen Stellungnahme über die Zusammengehörigkeit der neutestamentlichen und der patristischen Forschung kommt nun allerdings auch die wertende Perspektive zum Ausdruck, die bereits Jülichers Gleichnisbuch offenlegt: […] denn ihren ungeheuren Wert haben diese Parabeln doch nur, insofern sie Zeugnisse aus Jesu Munde sind, als Zeugnisse über Stimmungen, Geschmack, religiöse Anschauung innerhalb der christlichen Gemeinde, die sie an uns überliefert hat, blos einen sekundären;

1 A. Jülicher, in: E. Stange (Hg.), Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Band 4, Leipzig 1928, 158–200, hier 172. 2  Jülicher, Selbstdarstellung (s. Anm. 1), 173. 3 Jülicher, Selbstdarstellung (s. Anm. 1), 182.

Einleitung

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wollen wir wirklich über die Gleichnisse Jesu etwas Brauchbares aussagen, müssen wir möglichst die Zuthaten der Tradition erst abschälen.4

Mit diesem Urteil über den „ungeheuren Wert“ der Parabeln als „Zeugnisse aus Jesu Munde“ traf Jülicher auf eine Art den Nerv, die Jahrzehnte die Debatte prägen sollte. So korrigierten zwar Charles Harold Dodd und Joachim Jeremias das von Jülicher gezeichnete Bild Jesu im Hinblick auf den eschatologischen Horizont der Gleichnisse in der Verkündigung der Gottesherrschaft.5 Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich jedoch beobachten, dass sich die Forschung zunehmend auf die Gleichnisse in den synoptischen Evangelien konzentrierte und von da aus nach der Verkündigung des historischen Jesus fragte. Die von Jülicher geforderte Zusammengehörigkeit zwischen den „neutestamentlichen Autoren“ und ihren „frühesten Auslegern“, zwischen der Erforschung des Neuen Testaments und der antiken Christentumsgeschichte, geriet dabei häufig ins Hintertreffen, sodass die frühe Rezeptionsgeschichte in den meisten Untersuchungen zu Jesu Gleichnissen kaum Erwähnung fand. Besonders einflussreich wurde der von Jülicher vertretene Gegensatz zwischen Gleichnis und Allegorie. Demnach gelten die Gleichnisse als leicht verständliche Rede, die keiner besonderen Deutung bedürfe. Die Allegorie hingegen, die Jülicher von einer bestimmten Auffassung der Metapher ableitet, erscheint als uneigentliche, unverständliche und deutungsbedürftige Redeweise. Den Gegensatz zwischen Gleichnis und Allegorie führte Jülicher zugleich auf denjenigen von ‫משל‬ ׁ /mašal in der hebräischen Bibel und der griechischen παραβολή/parabolē im hellenistischen Judentum zurück. Obwohl das hellenistische Judentum den Terminus parabolē als Übersetzung des hebräischen mašal verwendete, habe es die Bedeutung des hebräischen Begriffs missverstanden und darin eine verdunkelnde, deutungsbedürftige Redeweise gesehen. Die Verfasser der Evangelien hätten dieses Missverständnis schließlich übernommen und aus dem einfachen, klaren mašal Jesu eine der Deutung bedürftige parabolē im Sinne des hellenistischen Judentums gemacht.6

4 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Zwei Teile in einem Band, Tübingen 1910 (Nachdruck Darmstadt 1969), Teil I, 10 (Hervorhebung im Original). 5 In der vorliegenden Einleitung dieses Tagungsbandes ist eine umfassende systematische Darstellung der Forschungsdebatte seit Jülicher nicht beabsichtigt. Entsprechende Einführungen mit einer Bestandsaufnahme der neueren Forschung finden sich u. a. bei R. Zimmermann, Gleichnishermeneutik im Rückblick und Vorblick. Die Beiträge des Sammelbandes vor dem Hintergrund von 100 Jahren Gleichnisforschung, in: ders. (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 25–63, hier 25–51; U. Mell, Die neutestamentliche Gleichnisforschung 100 Jahre nach Adolf Jülicher, ThR 76 (2011), 37–81 (Teil I) bzw. ThR 78 (2013), 431–461 (Teil II); sowie K. Snodgrass, Stories with Intent. A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus, Grand Rapids 22018, 565–600. 6 Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 4), Teil I, 38–42.

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Jens Schröter und Konrad Schwarz

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog sich zunächst in der philosophischen Hermeneutik, dann auch in der Theologie eine Rehabilitation der Metapher. Maßgeblich waren dabei Anregungen aus Philosophie und Linguistik. Während in der Sicht Jülichers die Metapher noch als ein Begriff galt, den der Leser ersetzen müsse, um die Aussage zu verstehen, wurde die Metapher etwa von Paul Ricœur als unersetzliche „semantische Innovation“ gewürdigt, die etwas Neues über die Wirklichkeit zur Sprache bringe.7 Daraufhin wurden einerseits Metapherntheorien für die Auslegung der Gleichnisse und Parabeln Jesu fruchtbar gemacht,8 andererseits wurde das Verhältnis zwischen Gleichnis und Allegorie neu bewertet.9 Es wurde betont, dass auch im Gleichnis Einzelzüge mit besonderer metaphorischer Bedeutung vorliegen können, beispielsweise in der Verwendung von „Vater“ oder „König“ als Verweis auf Gott.10 Hans-Josef Klauck hat daraufhin eine begriffliche Differenzierung vorgeschlagen, wonach (1) die Allegorie als Modus der Textproduktion gilt, bei dem Texten eine symbolische Dimension verliehen werde; (2) die Allegorese als Auslegungsmethode zu verstehen ist, die allerdings häufig in der Gefahr stehe, anachronistische Einträge vorzunehmen; sowie (3) die Allegorisierung als spätere Überarbeitung eines Textes, bei der allegorische Textelemente verstärkt oder zusätzlich eingetragen würden.11 Ein weiterer, von Jülicher nur unzureichend beachteter, für die gegenwärtige Gleichnisforschung und den vorliegenden Band jedoch zentraler Bereich ist die literarische Kontextualisierung der Gleichnisse Jesu. Hierbei spielen in erster Linie die synoptischen Evangelien eine Rolle, in denen die Gleichnisreden Jesu einen zentralen Teil seiner Wirksamkeit bilden. Anders als Jülicher und in eigener Weise Joachim Jeremias und spätere Gleichnisforscher,12 die hinter den  7 P. Ricœur, Biblische Hermeneutik, in: W. Harnisch (Hg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft (WdF 575), Darmstadt 1982 (übers. v. D. Silbersiepe, zuerst englisch 1975), 248–339, hier 283 u. ö.  8 G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335; H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions‑ und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen (FRLANT 120), Göttingen 41990; H.-J. Meurer, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Paul Ricœurs Hermeneutik der Gleichniserzählung Jesu im Horizont des Symbols „Gottesherrschaft/Reich Gottes“ (BBB 111), Bodenheim 1997; J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas (BZNW 102), Berlin/New York 2000.  9  So zunächst in der anglophonen Forschung bei J. D.  Crossan, In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York 1973 (Reprint 1992), 6–9; J. Drury, The Parables in the Gospels. History and Allegory, London 21989. 10  Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 8), 69–75. 11 H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTA.NF 13), Münster 1978, 354–357. 12  Im Gleichnisbuch von J. Jeremias (Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 101984, zuerst 1947) findet sich ein programmatisch überschriebener Teil „Von der Urkirche zu Jesus zurück!“ (19– 114), dem dann ein Teil „Die Botschaft der Gleichnisse Jesu“ (115–226) folgt. Jeremias folgt

Einleitung

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literarischen Kontexten der Evangelien die Gleichnisverkündigung Jesu rekonstruieren wollten,13 hat sich die neuere Forschung verstärkt der Verwendung der Gleichnisse in den jeweiligen literarischen settings der Evangelien zugewandt. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die Situationen, in denen Jesus Gleichnisse verwendete, prinzipiell unzugänglich sind und an deren Stelle die literarischen Kontexte der Evangelien getreten sind. Die Interpretation der Gleichnisse ist deshalb zunächst auf diese Kontexte verwiesen.14 Die Verwendung von Parabeln an bestimmten Stellen der Evangelien lässt dabei erkennen, dass diese parabolischen Geschichten wichtige Funktionen für Aufbau und Inhalt der jeweiligen Jesuserzählungen haben, wie z. B. Mary Ann Tolbert anhand einer Untersuchung der Gleichnisse innerhalb der literarischen Welt des Markusevangeliums dargelegt hat.15 Die narrative und hermeneutische Berücksichtigung des literarischen Kontextes in den frühchristlichen Schriften kann daher als ein wichtiger Schritt in der Methodik der neueren Gleichnisforschung gelten. Im vorliegenden Band wird dem dadurch Rechnung getragen, dass nach den Gleichnissen Jesu in den literarischen Kontexten der synoptischen Evangelien gefragt wird (vgl. den Beitrag von Christian Münch). Die davon zu unterscheidende historische Frage nach den Gleichnissen im Kontext des Wirkens Jesu wird dagegen auf der Grundlage neuerer, geschichtshermeneutisch reflektierter Zugänge zu Jesus aufgenommen, indem die Pragmatik parabolischer Geschichten am Beispiel der Frageparabeln dargestellt wird (Ruben Zimmermann). Ein zentraler Bereich, in dem Jülichers Werk bereits früh auf Widerspruch traf, war die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Gleichnissen Jesu und der Verwendung bildhafter Rede in Schriften des antiken Judentums, die bei Jülicher nur wenig Berücksichtigung fand.16 Diese Debatte wurde vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit deutlich verstärkter religionsdarin dem Ansatz Jülichers, die „Umdeutungen“ der Evangelisten rückgängig zu machen, um die Gleichnisse als Zeugnisse der Verkündigung Jesu zu interpretieren. 13 Eine radikale Zuspitzung dieses Zugangs findet sich bei W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, Göttingen 42001 (zuerst 1985), der die Gleichnisse als kontextlose „autonome“ Erzählungen auffasst, die unabhängig von einer historischen Situation oder literarischen Verwendung ihren Sinn entbergen. Dafür müssen sie allerdings jeglicher spezifischer Erzählzüge entkleidet und auf eine abstrakte Pointe hin interpretiert werden. Merkwürdigerweise sieht Harnisch auf diese Weise die ursprüngliche Intention der Gleichnisse Jesu zur Sprache gebracht. 14   So u. a. G. Sellin, Lukas als Gleichniserzähler: Die Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37), ZNW 65 (1974), 166–189, hier 171.178 f., der daraufhin auch erzähltheoretische Methoden verwendet. 15  Vgl. M. A.  Tolbert, Sowing the Gospel. Mark’s World in Literary-Historical Perspective, Minneapolis 1989, 121–126. 16 Jülicher hat diese Kritik mit Verweis auf die späte Überlieferungslage vehement zurückgewiesen: „daß man erst bei den Rabbinen des Talmud in die Schule zu gehen habe, um den Gleichnisredner Jesus zu verstehen, hat Paul Fiebig schwerlich bewiesen“ (Selbstdarstellung [s. Anm. 1], 186). Vgl. dazu die Darstellung von Catherine Hezser, die auch die religionsgeschichtliche Sicht der beteiligten Forscher auf das Judentum reflektiert: Rabbinische Gleich-

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Jens Schröter und Konrad Schwarz

geschichtlicher Sensibilität geführt, wodurch der Bezug der Gleichnisse Jesu zu parabolischen Texten des antiken Judentums deutlicher hervortrat. Auch wenn Jülichers Vorsicht gegenüber einer undifferenzierten Verwendung rabbinischer Gleichnisse als Analogien zu den Gleichnissen Jesu nach wie vor berechtigt ist, ist seine Isolierung des Gleichniserzählers Jesu aus seinem jüdischen Kontext aus heutiger Sicht als ausgesprochen problematisch zu beurteilen. Sowohl das Bildmaterial der Gleichnisse Jesu, angefangen von den Metaphern „Vater“ und „König“ für Gott, als auch die Rede von der „Königsherrschaft Gottes“ bis zu den Bildern von Saat und Ernte sind tief in jüdischer Redeweise über Gott und sein Verhältnis zu Israel und somit im jüdischen Gottesglauben verwurzelt. Der in der neueren Jesusforschung deutlich betonte jüdische Kontext des Wirkens Jesu17 bedeutet im Blick auf die Gleichnisse, dass sie im Horizont des Gottesglaubens und der Rede von Gott im Judentum des Zweiten Tempels zu interpretieren sind. Im vorliegenden Band wird dies in der Weise aufgenommen, dass mehrere Beiträge der Verwendung parabolischer Gattungen in den Schriften Israels und des antiken Judentums gewidmet sind (Ralph Brucker, Jan Dochhorn, Friederike Oertelt, Günter Stemberger). Die dabei behandelten Texte stellen zwar keine unmittelbaren literarischen Analogien zu den Gleichnissen Jesu dar (eine gewisse Ausnahme bilden hierbei die Gleichnisse in Mishna und Tosefta), sie erhellen jedoch die literarischen Kontexte der frühjüdischen Literatur, zu der auch die Evangelien zu rechnen sind.18 Ein weiterer Bereich des vorliegenden Bandes, der über Jülicher und die durch ihn präfigurierte Gleichnisforschung hinausgeht, befasst sich mit Gleichnissen und Parabeln in der frühchristlichen Literatur außerhalb der synoptischen Evangelien. Dabei werden solche Texte in den Blick genommen, in denen Gleichnisse bzw. verwandte bildhafte Redeformen entweder als Jesusüberlieferung präsentiert werden (wie im Johannes‑ und im Thomasevangelium, vgl. dazu die Beiträge von Friederike Kunath und Konrad Schwarz) oder in anderer Weise eine zentrale Rolle für die literarische Konzeption einer Schrift spielen (wie im Hirt des Hermas, vgl. dazu den Beitrag von Marianne Kartzow). Bei Paulus ist in eigener Weise bildhafte Rede anzutreffen, die ebenfalls zur Verwendung parabolischer Gattungen in der frühchristlichen Literatur gehört (vgl. den Beitrag von Soham Al-Suadi). In weiteren frühchristlichen Schriften, wie dem 1. Clemensbrief und bei Justin, begegnen ebenfalls mit den synoptischen Evangelien vergleichbare Gleichnisse. nisse und ihre Vergleichbarkeit mit neutestamentlichen Gleichnissen, in: Zimmermann, Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 215–237, hier 218–226. 17  Verwiesen sei auf die entsprechenden Abschnitte im Jesus Handbuch (hg. von J. Schröter und C. Jacobi), Tübingen 2017. 18 Auch wenn man die Evangelien der antiken Gattung bios zurechnet, wie häufiger vorgeschlagen wird, ist deutlich, dass sie durch die enge Anbindung an die Schriften Israels und den jüdischen Kontext des Wirkens Jesu zur frühjüdischen Literatur gehören. Auf die Frage einer eigenen Gattung „Evangelium“ ist hier nicht einzugehen.

Einleitung

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Dies weist bereits darauf hin, dass sich die Gleichnisforschung einem breiteren literarischen Spektrum widmen und nicht vornehmlich auf die synoptischen Evangelien konzentrieren sollte. Unabhängig von der Frage literarischer Beziehungen zwischen den frühchristlichen Schriften – ob also die synoptischen Evangelien in Texten des zweiten Jahrhunderts in der Regel vorauszusetzen oder daneben mit weiteren Überlieferungen zu rechnen ist, auf die in Schriften des zweiten Jahrhunderts zurückgegriffen wurde – sind nämlich auch hier je eigenständige Verarbeitungen der Gleichnisse zu beobachten. Dies gilt auch für nichtkanonische Texte wie das Philippusevangelium oder den apokryphen Jakobusbrief, die in eigener Weise an der Verwendung parabolischer Redeweise im frühen Christentum partizipieren (vgl. dazu die Beiträge von Silke Petersen und Judith Hartenstein). Dem korrespondiert, dass bereits ein kursorischer Überblick zur Verwendung des Begriffs parabolē in frühchristlichen Schriften wie dem Hebräer‑ und dem Barnabasbrief,19 im Hirt des Hermas sowie in den Schriften Justins (vgl. dazu den Beitrag von Katharina Greschat) eine bemerkenswerte Vielfalt aufweist, die es näher zu untersuchen lohnt. Mit Irenäus von Lyon und Tertullian werden schließlich Diskurse sichtbar, in denen die Gleichnisse im Kontext von Auseinandersetzungen mit „Häretikern“ über die angemessene Gleichnisauslegung erkennbar werden (vgl. den Beitrag von Dieter Roth). Dieser Befund wird in patristischen Untersuchungen zumeist nur am Rande thematisiert, in denen in der Regel die Rezeption und Interpretation der Schriften Israels, einzelner Evangelien oder des gesamten Neuen Testaments im Werk antiker christlicher Autoren im Vordergrund stehen.20 Für das Verständnis der Gleichnisse im antiken Christentum sind deren Verwendungen durch christliche Theologen des zweiten und dritten Jahrhunderts jedoch durchaus erhellend. Sie zeigen, dass zwischen dem Verständnis von Gleichnissen als rätselhafter Rede, das bereits im Markusevangelium anzutreffen ist,21 und ihrer allegorischen Auslegung, die bei Irenäus und Tertullian deutlich erkennbar ist, Beziehungen bestehen. Die allegorische Interpretation, die noch bei Jülicher als untauglicher Versuch abgewertet worden war, der Bedeutung der Gleichnisse auf die Spur zu kommen, tritt damit als Auslegungsmethode in den Blick, die im antiken Christentum von Beginn an eine wichtige Rolle gespielt hat, um die Gleichnisse Jesu für Darstellungen seines Wirkens und für die Ausbildung christlicher Theologie fruchtbar zu machen. Das wird durch die Verwendung dieser Methode bei den alexan-

 Hebr 9,9; 11,19; Barn 6,10; 17,10. Eine detaillierte Analyse zur Begriffsverwendung von

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παραβολή im Hebräerbrief bietet C. K.  Rothschild, Παραβολή in Hebrews, in: Zimmermann,

Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 365–379. 20  Dies wird u. a. in dem kürzlich erschienenen, umfangreichen Artikel „Parabel“ von Thomas Schirren deutlich, insbesondere in dessen Literaturübersicht (RAC 26 [2014], 932–968). 21 Mk 4,10–12.33 f.

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Jens Schröter und Konrad Schwarz

drinischen Theologen Klemens und Origenes besonders deutlich (vgl. dazu den Beitrag von C. Hengstermann). Ist die Problematik der Wiedergewinnung historischer Kontexte der Gleichnisse im Leben Jesu jedoch einmal erkannt, verlagert sich der Blick auf die literarischen Kontexte und Verwendungen der Gleichnisse in frühchristlichen Texten, womit die hermeneutische Frage nach ihrem Verständnis in späteren historischen Kontexten wieder auftaucht, vor die sich die allegorische Auslegung bereits gestellt sah. Deren vehemente Zurückweisung durch Jülicher und die ihm folgende Gleichnisauslegung des 20. Jahrhunderts ist deshalb ihrerseits infrage zu stellen, nicht zuletzt angesichts der geschichtshermeneutischen Einsicht in die Unzugänglichkeit ursprünglicher Verwendungskontexte der Gleichnisse Jesu. Der vorliegende Band ist vor diesem Hintergrund vor allem darauf gerichtet, den vorwiegend auf die Gleichnisverkündigung Jesu in den neutestamentlichen Evangelien konzentrierten Forschungsdiskurs zu erweitern und die Frage der Verwendung und Reflexion parabolischer Gattungen im Horizont der Literaturgeschichte des frühen Christentums wahrzunehmen. Sind die Gleichnisse in der neutestamentlichen Forschung lange Zeit als vorsynoptische Traditionen22 und sogar als „Urgestein der Überlieferung“23 Jesu aufgefasst und dementsprechend im Kontext der Verkündigung Jesu diskutiert worden, so hat sich die neuere Forschung verstärkt der Frage nach der Rezeption des Wirkens Jesu zugewandt.24 Damit ist nicht bestritten, dass die Gleichnisse im Zusammenhang des Wirkens Jesu interpretiert werden können (und müssen)  – jedoch handelt es sich dabei um eine spezifische Form der Interpretation aus der Perspektive gegenwärtiger historisch-kritischer Jesusforschung, die nicht mit den tatsächlichen Verwendungen der Gleichnisse im Kontext des Wirkens Jesu identifiziert werden sollte. Schon der Charakter der Gleichnisse als metaphorischer, für verschiedene Verwendungen und Deutungen offener Texte25 weist darauf hin, dass sie in unterschiedlicher Weise für die Interpretation seines Wirkens und seiner Verkündigung sowie christologischer Deutungen seines Auftretens herangezogen werden können. Diese Deutungsoffenheit hat in der Auslegungsgeschichte zu vielfältigen Annäherungen an die Gleichnisse und verwandte Texte 22 Dieser Ansatz wurde in der „Formgeschichte“ entwickelt, die die synoptischen Evangelien auf vorausliegende „vorliterarische“ Überlieferungen zurückführte, demgegenüber jedoch ihren Charakter als Jesuserzählungen mit je eigenem sprachlichen, kompositorischen und theologischen Profil vernachlässigte. Diese Problematik ist bereits häufig erörtert worden, was hier nicht wiederholt zu werden braucht. 23  Der Ausdruck begegnet zuerst bei Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 12), 7, und wurde seither häufig wiederholt. 24  Vgl. dazu das kürzlich erschienene dreibändige Werk „The Reception of Jesus in the First Three Centuries“, hg. v. C. Keith, H. K.  Bond, C. Jacobi und J. Schröter, London/New York 2020. 25  Das zeigt sich bereits in den synoptischen Evangelien selbst, wo etwa die Gleichnisse vom verlorenen Schaf (Mt 18,12–14/Lk 15,4–7) und vom großen Gastmahl (Mt 22,2–10[11–14]/ Lk 14,16–24) in verschiedenen literarischen Kontexten und mit je eigener Aussage begegnen.

Einleitung

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geführt, unter denen die Einzeichnung in das historisch-kritisch rekonstruierte Wirken Jesu nur eine Möglichkeit ist. Der vorliegende Band versteht sich vor diesem Hintergrund als ein Beitrag zur Rezeption der Gleichnisse Jesu im frühen Christentum. Dabei werden der literarische Kontext der frühchristlichen Literatur, biblische und außerbiblische Schriften des frühen Judentums und des frühen Christentums, der philosophisch-hermeneutische (vgl. den Beitrag von Michael Erler) und literaturwissenschaftliche Horizont (vgl. den Beitrag von Rüdiger Zymner) sowie eine Reflexion des Begriffs parabolē und verwandter Termini berücksichtigt. Dadurch sollen Anstöße gegeben werden, die die künftige Beschäftigung mit Gleichnissen und verwandter Literatur befruchten können.

Teil I

Kontexte: Verwendung und Auslegung von parabolischen Gattungen in hellenistisch-römischer Zeit

Gleichnis im Kontext Antike Reflexionen über das Gleichnis in Philosophie und Rhetorik Michael Erler Abstract: The meaning of parabole as an element of a rhetorically shaped literary text and its function in different contexts are often discussed with a view to poetry. In this paper it is suggested that it also might be useful to discuss the role of parabole in philosophical texts and to analyse its function as a persuasive-rhetorical means in different philosophical contexts. It will be shown that in Plato’s dialogues the use of parabole and example is not only illustrated, but also reflected. It becomes clear that Plato accepts the rhetorical means of parable speech or example only in certain contexts and with a view to certain addressees. In Epicurean texts however, like Lucretius’ poem de rerum natura, the parabole rather functions as a philosophical argument. Due to the sensualistic epistemology of the Epicureans, visualization, empiric or sensory evidence, in Epicureanism parabole or images receive the status and the authority of a criterion to achieve true knowledge.

I. Einleitung Die Bedeutung von Beispiel, Gleichnis und Gleichnisrede als Elemente eines rhetorisch geprägten literarischen Textes und ihre Funktion in unterschiedlichen Kontexten werden in der klassischen Philologie vornehmlich mit Blick auf Dichtung und hier insbesondere auf das Epos und das Lehrgedicht diskutiert. Bei diesen Analysen stehen zumeist literarische Aspekte im Vordergrund.1 1 Vgl. M. H.  McCall, Ancient Rhetorical Theories of Simile and Comparison, Cambridge, Mass. 1969; U. Gärtner, Gehalt und Funktion der Gleichnisse bei Valerius Flaccus (Hermes Einzelschriften 67), Stuttgart 1994; C. Schindler, Untersuchungen zu den Gleichnissen im römischen Lehrgedicht. Lucrez, Vergil, Manilius (Hypomnemata), Göttingen 2000; F. Graf, Die Entstehung der Gattung in der Antike, in: G. Boehm/H. Pfotenhauer (Hg.), Beschreibungskunst, Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995, 143– 155; zu Ekphrasis in der Antike vgl. auch C. Downey, Art. Ekphrasis, RAC 4 (1959), 921– 944; D. P.  Fowler, Narrate and Describe. The Problem of Ekphrasis, The Journal of Roman Studies 81 (1991), 25–34; F. Manakidou, Beschreibung von Kunstwerken in der hellenistischen Dichtung. Ein Beitrag zur hellenistischen Poetik, Stuttgart 1993. Für die Antike zentral immer noch P. Friedländer, Johannes von Gaza und Paulus Silentiarius. Kunstbeschreibungen

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Antike Definitionsversuche aus der Rhetorik2 werden herangezogen, erweisen sich aber infolge ihrer terminologischen Unschärfen nicht immer als hilfreich.3 Weniger diskutiert hingegen ist die Rolle von Gleichnis oder Beispiel in philosophischen Kontexten. Zwar gibt es interessante Arbeiten aus den 30er Jahren, die fragen, welche Rolle das Gleichnis z. B. in den überlieferten Fragmenten der Vorsokratiker spielt,4 oder bei Platon – man denkt hier insbesondere an die drei berühmten Gleichnisse in der Politeia – oder in römischer philosophischer Literatur bei Lukrez.5 Doch geht es in diesen Arbeiten zumeist um Rekonstruktionen der jeweiligen Gedankenführung, weniger um die Rolle von Gleichnis und Beispiel selbst und deren Verwendung als persuasiv-rhetorische Mittel in einem philosophischen Kontext. Ein Grund für diese Zurückhaltung gegenüber Gleichnis, Gleichnisrede und Beispiel im Kontext philosophischer argumentatio mag nicht zuletzt auch die Folge jenes alten, letztlich von Platon initiierten Streites zwischen Philosophie und Rhetorik sein, wonach philosophische argumentatio schwerlich mit rhetorischer persuasio zu vereinbaren sei, Gleichnis und Gleichnisrede auf der rhetorisch-persuasiven Seite verbucht und deshalb von philosophischer Seite eher vernachlässigt wurde. Allerdings ist die jüngere Forschung dabei, hier die Fronten eines ausschließenden ‚entweder  – oder‘ aufzuweichen. Man nimmt zunehmend zur Kenntnis, dass es sich schon bei Platons Werken  – aber auch bei zahlreichen anderen philosophisch relevanten Texten der Antike – um literarisch gestaltete Darstellungsformen von Philosophie wie z. B. Dialog, Lehrgedicht, Traktat oder Epitome handelt, die nicht nur den Regeln philosophischer Wahrheitssuche, sondern auch der jeweils gewählten Textsorten und Gattungen und rhetorischer Überzeugungskunst folgten. Schon bei Platon und nicht nur bei ihm ist die literarisch-rhetorische Gestaltung der jeweiligen Texte Teil der philosophischen Botschaft.6 Antike philosophisch relevante Texte wie die platonischen Dialoge reflektieren sogar dieses Verhältnis von argumentatio und rhetorisch-literarischer Gestaljustinianischer Zeit, Leipzig/Berlin 1912; S. Marino/A. Stavru (Hg.), Ekphrasis, Estetica. Studi e ricerche 1/2013, Rom 2013. 2  Vgl. Theon, Prog. 11,118–120 Stengel; Hermog., Prog. 10,22 f. Rabe; Nicol., Prog., 67–71 Felten. 3 Vgl. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 28–39. 4  Vgl. W. Kranz, Gleichnis und Vergleich in der frühgriechischen Philosophie, Hermes 73 (1938), 99–122. 5 Dazu vgl. besonders Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 72–149. 6  Vgl. den Überblick M. Erler, Art. Philosophie, in: B. Zimmerman (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Bd. 1: Die Literatur in der archaischen und klassischen Zeit, München 2011, 254–288; M. Erler, Art. Philosophie, in: B. Zimmermann/A. Rengakos (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Bd. 2: Die Literatur in der klassischen und hellenistischen Zeit, München 2014, 279–446; M. Erler, Art. Philosophie, in: B. Zimmermann/A. Rengakos (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Bd. 3: Die Literatur der Kaiserzeit und der Spätantike, München 2021 (im Druck), 315–337.

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tung, wobei z. B. deutlich wird, dass der angebliche Rhetorikgegner Platon selbst keineswegs die Anwendung rhetorischer Mittel im philosophischen Kontext generell verurteilt.7 Sein Veto betrifft nur eine der Wahrheitssuche unangemessene Verwendung rhetorischer Mittel. Ein angemessener Gebrauch von rhetorischen Mitteln hingegen wird befürwortet und literarisch umgesetzt. In diesem Kontext spielen bei ihm auch die eigentlich in der Rhetorik benachbarten Darstellungsmittel Gleichnisse, Gleichnisrede und Beispiele eine Rolle. Auch ihre Verwendung wird in Platons Dialogen nicht nur illustriert, sondern gleichsam implizit auch reflektiert. Dabei wird deutlich, dass Platon auch das rhetorische Mittel der Gleichnisrede oder des Beispiels akzeptiert, dies aber freilich nur in bestimmten Kontexten und mit Blick auf bestimmte Adressaten. Und erkennbar wird auch, dass weniger eine inhaltliche Notwendigkeit als ein didaktischer Nutzen mit Blick auf den Rezipienten für die Verwendung bei Platon ausschlaggebend ist. Gleichnis oder Beispiel werden von Platon aus didaktischen Gründen als persuasive Mittel eingesetzt, keinesfalls aber als gleichwertiger Ersatz für argumentatio angesehen. Dies ist  – so soll in einem zweiten Teil gezeigt werden  – in anderen philosophischen Kontexten durchaus anders. Im Kontext hellenistischer Philosophie, insbesondere im Epikureismus z. B. werden ebenfalls Bilder oder Gleichnisse eingesetzt. Hier aber kommt ihnen neben einer persuasiven Funktion auch eine inhaltliche Notwendigkeit zu. Infolge seiner an den Phänomenen orientierten sensualistischen Epistemologie spielt im Epikureismus die Visualisierung von Dingen und Verhaltensweisen eine besondere Rolle. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die untersuchten Gegenstände sich der sinnlichen Wahrnehmung verschließen, wie dies z. B. bei den Grundbausteinen epikureischer Kosmologie, den Atomen und dem Leeren, oder in der Ethik bei den Affekten der Fall ist. In diesem Fall ist die Verwendung von Bildern und Gleichnissen nicht nur rhetorisch-didaktisch motiviert, sondern ist inhaltlich notwendig und wird anders als bei Platon zum Teil der philosophischen argumentatio. Im Folgenden sollen diese beiden Möglichkeiten eines reflektierten Gebrauchs von Gleichnis und Beispiel diskutiert und analysiert werden. Natürlich gibt es weitere Anwendungsarten. Jedoch spannen die platonische und die epikureische Anwendung von Gleichnisrede und Bild jenen Horizont auf, vor dem die lebendige Diskussion der Verwendung von Gleichnis, Gleichnisrede und Beispiel im christlichen Kontext Anregung erfahren und vielleicht sogar weiteres Profil erhalten kann. Wenn dabei Gleichnis und Beispiel im Zusammenhang genannt werden, ist dies Aristoteles’ Analyse geschuldet. Sie sei deshalb zuerst diskutiert, bevor Platon und schließlich mit Lukrez ein Autor behandelt wird, der in seinem großen epikureischen Lehrgedicht De rerum natura Philosophisches 7 Vgl. M. Erler, Art. Platon und seine Rhetorik, in: M. Erler/C. Tornau (Hg.), Handbuch Antike Rhetorik, Berlin/Boston 2019, 315–337.

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mit Literarisch-Rhetorischem verbindet, dabei auch Bilder und Gleichnisse einfließen lässt und dies nicht nur aus rhetorisch-literarischen Erwägungen, sondern als Bestandteil der philosophischen argumentatio.

II. Aristoteles Begonnen sei also mit Aristoteles, der das ‚Gleichnis‘ zum Gegenstand der Reflexion gemacht hat und dabei vom ‚Beispiel‘ ausgeht. In der Rhetorik diskutiert Aristoteles nämlich das Überzeugungsmittel ‚Beispiel‘ (παράδειγμα). Dabei unterscheidet er verschiedene Typen von Beispielen: solche, die sich auf tatsächlich Geschehenes und historische Ereignisse, und solche Beispiele, die sich auf Erfundenes beziehen:8 Von den Beispielen gibt es zwei Arten. Die eine Art des Beispiels nämlich ist, früher geschehene Dinge zu berichten. Die andere Art besteht darin, sie selbst zu erfinden. Davon wiederum ist die eine Art der Vergleich [παραβολή], die andere besteht in den Fabeln, wie zum Beispiel die Äsopische und die Libysche (Arist., Rhet. 1393a28 ff. Üb. Rapp).9

Bei dem Beispiel, das sich auf Erfundenes bezieht, unterscheidet Aristoteles also den Vergleich oder das Gleichnis (παραβολή) von der Fabel (λόγος). Im Folgenden soll interessieren, was Aristoteles über den illustrativen Vergleich (παραβολή) zu sagen hat. Ein Vergleich ist (wie) die Sokratischen Argumente, wie zum Beispiel: wenn einer argumentiert, dass nicht die durch das Los Ausgewählten regieren sollen; denn das sei ähnlich, wie wenn einer als Athleten nicht die, die zum Wettkampf befähigt sind, sondern die, welche das Losglück haben, durch das Los bestimmen würde, oder wenn man einen von den Seeleuten durch das Los zum Steuermann bestimmen würde, so als ob man den, der das Losglück hat, und nicht den, der etwas davon versteht, auswählen müsse.10 (Arist., Rhet. 1393b4 ff. Üb. Rapp.)

Aristoteles bestimmt den Vergleich oder die παραβολή also als jene Unterform des Beispiels, die sich ihren Stoff aus dem täglichen Leben nimmt. Als Beleg für diese Art des Beispiels verweist Aristoteles auf Sokrates und ein wichtiges Merkmal seiner Methode. Gemeint ist offenbar Sokrates’ Methode, eine These seines Partners induktiv unter Rekurs auf lebensweltliche Beispiele und Vergleiche zu widerlegen, bei denen die vom Partner vorgeschlagene These nicht funktioniert.

 8 Vgl.

Arist., Rhet. 1393a25.  C. Rapp, Aristoteles, Rhetorik. Übersetzung, Einleitung und Kommentar, 2  Bde. (Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, Bde. 4.1–2), Berlin 2002, 107. 10 Rapp, Aristoteles (s. Anm. 9), 107.  9

Gleichnis im Kontext

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III. Platons Sokrates Wer einen Blick in Platons Dialoge wirft, weiß, was Aristoteles meint. In der Tat finden sich, vor allem in den aporetischen Widerlegungsdialogen Platons, zahlreiche Fälle, in denen Sokrates die Thesen seiner Gesprächspartner z. B. darüber, was Tapferkeit bedeutet, zu widerlegen sucht. Dies tut er, indem er Verhaltensweisen aus dem täglichen Leben beschreibt, die von der vorgeschlagenen Definition nicht erfasst werden, z. B. wenn Tapferkeit als Verharren beschrieben wird, aber Sokrates Beispiele für einen vernünftigen Rückzug gibt, der als tapfer bezeichnet werden kann.11 Eine derartige reductio ad absurdum mit Hilfe von Beispielen widerlegt die Allgemeingültigkeit der vorgeschlagenen Definition und macht sie hinfällig. Freilich verwendet Sokrates in diesem Zusammenhang nicht den Ausdruck Parabole (παραβολή), sondern den Ausdruck ‚Bild‘ (εἰκών). Das Substantiv παραβολή findet sich nur einmal in rhetorischem Kontext als Vergleich zweier Lebensweisen im späten Dialog Philebos.12 1. Schiffsvergleich Auf der anderen Seite kann – und soll – Aristoteles’ Hinweis auf die verfehlte Loswahl eines inkompetenten Kapitäns durch die Schiffbesatzung als Beispiel dafür, wie man Regierende nicht bestimmen soll, ganz gewiss an eine berühmte Stelle in Platons Politeia erinnern.13 Dort begründet Sokrates seine These, dass wissende Philosophen den Staat regieren sollen, nicht durch eine Argumentation, sondern gleichsam illustrierend und erläuternd mit einem Hinweis auf das Verhalten von Matrosen, die um die Lenkung eines Schiffes streiten und diese selbst beanspruchen, ohne zu bedenken, dass hierzu eine besondere Kompetenz – die des Kapitäns – notwendig sei. Mit Hilfe dieses Bildes soll – wie Sokrates etwas später erklärt14 – die Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit von Wissen für die Lenkung eines Staates plausibel gemacht werden. Es geht Sokrates dabei offenbar weniger um eine Begründung, sondern darum, die These seinem Partner plausibel zu machen  – es geht um πειθώ, nicht um argumentatio. Da es  – wie Sokrates beklagt  – bisweilen durchaus schwierig ist, für komplexe Sachverhalte angemessene Gleichnisse zu finden, entwirft Sokrates eigenständig Bilder, indem er unterschiedliche Vorstellungen zusammensetzt,15 wie ein Maler es tut, der Bockhirsche und Ähnliches zusammenmischt, wenn er malt. Er erfindet sie 11 Vgl. Plat., Lach. 190e; dazu M. Erler, Der Sinn der Aporien in den Dialogen Platons. Übungsstücke zur Anleitung im philosophischen Denken, Berlin/New York 1987, 103 ff. 12  Vgl. Plat., Phil. 33b; vgl. Arist., Pol. 2,1264b4; vgl. F. Hauck, Art. παραβολή, ThWNT 5 (1954), 741–759. 13  Vgl. Plat., Rep. 487eff. 14  Vgl. Plat., Rep. 489c. 15 Vgl. Plat., Rep. 488ab; S. Büttner, Die Literaturtheorie bei Platon und ihre anthropologische Begründung, Tübingen 2000, 141.

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selbst, tut also genau das, was Aristoteles als eine Möglichkeit für die Herstellung der Parabel als Untergattung der Beispiele erwägt, wie wir oben sahen. Jedenfalls gibt Sokrates durchaus zu, dass er gerne auf Gleichnisse zurückgreift. Denn – so ist er überzeugt – Gleichnisse bedürfen keiner eigenen Ausdeutung, sondern zeigen, wie Staaten sich gegenüber Philosophen verhalten.16 2. Bild, Gleichnis und Beispiel und sokratische persuasio Diese Art parabolischer Argumentationsweise scheint als typisch für Sokrates gegolten zu haben. Das deutet Alkibiades in Platons Dialog Symposium an. Dort jedenfalls behauptet er, dass Sokrates in den Diskussionen beständig Lastesel und Schuster zu Vergleichen heranziehe. Ein Vorwurf, der sich auch sonst in Platons Dialogen findet – Kallikles beschwert sich z. B. im Gorgias darüber:17 Bei den Göttern, du hörst nicht auf ständig von Schustern und Walkern und Köchen zu reden und von Ärzten, als ob unser Gespräch darüber ginge.18 (Plat., Gorg. 491a).

Freilich ist festzuhalten, dass dieser Vorwurf des Kallikles weniger die Methode selbst, nämlich überhaupt Analogien und Gleichnisse im philosophischen Disput zu verwenden, als die Auswahl des Vergleichsmaterials aus dem lebensweltlichen Bereich betrifft. Kallikles als Mitglied der sozialen Oberschicht Athens findet derartige Vergleiche mit Schustern, also Mitgliedern der Unterschicht – aus der freilich Sokrates selbst stammt – unfein19 und politisch unkorrekt. Offenbar spielt also beim Einsatz von Gleichnissen und Beispielen der Verständnishorizont des Gesprächspartners eine wichtige Rolle. Jedenfalls ist Sokrates überzeugt, dass Vergleiche für die Verdeutlichung von philosophischen Positionen, die er vertritt, geeignet sind. Wenn er z. B. im Dialog Gorgias gegen Kallikles den Beweis führen will, dass innerlich geordnete Menschen glücklicher sind als zügellose und lustorientierte Menschen, vergleicht er gleichsam als Beleg für seine These die Seele dieser zügellosen und lustorientierten Menschen mit einem löchrigen Sieb und einem löchrigen Fass. Er illustriert und begründet also auf diese Weise, warum jene Menschen unersättlich und damit unglücklich sind – und polemisiert damit gegen Kallikles, der mit seinem Lustbegriff eben ein solches Begehren voraussetzt.20 Bezeichnend ist, dass Sokrates in diesem Zusammenhang zwar einräumt, sein Vergleich möge zunächst abwegig klingen; doch – so betont er – sei er gut geeignet, das zu erläutern, „was ich dir klarmachen und wozu ich dich, wenn ich irgendwie kann, überreden will“21 (Plat., Gorg. 493c Üb. Dalfen). 16 Vgl.

Plat., Rep. 489a–d.  Vgl. Plat., Symp. 221e; Xen., Mem. 1,2,9. 18  J. Dalfen, Platon. Gorgias, Übersetzung und Kommentar von Joachim Dalfen (Platon Werke VI 3), Göttingen 2004, 62. 19  Vgl. Xen., Mem. 1,2,37 f; 1,2,32; Dalfen, Platon (s. Anm. 18), 357. 20  Vgl. Plat., Gorg. 493b. 21 Dalfen, Platon (s. Anm. 18), 64. 17

Gleichnis im Kontext

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Das Gleichnis wird also als Mittel rhetorischer persuasio, nicht dialektisch-philosophischer argumentatio22 gebraucht. Auch hier wird wieder der didaktischpersuasive Charakter des Gleichnisses deutlich, den Sokrates mit Blick auf den Partner nutzt, der aber eine dialektische argumentatio nicht ersetzen kann. Denn wie Platon selbst im Dialog Menon andeutet, stammen Vergleich, Gleichnisrede oder Bild lebensweltlich nicht aus dem philosophischen Bereich, sondern aus dem Kontext des symposiatischen Spiels. Als nämlich Menon Sokrates und sein argumentatives Verhalten mit dem Verhalten und der betäubenden Wirkung einem Zitterrochen vergleicht,23 Ich finde, du bist in jeder Hinsicht, äußerlich und auch sonst, wie ein Zitterrochen, dieser platte Meeresfisch. Jedes Mal wenn sich ihm einer nähert und ihn berührt, betäubt er ihn und ich finde, du hast so etwas mit mir gemacht,24 (Plat., Men. 80a4 ff. Üb. Kranz)

reagiert Sokrates auf diesen Vergleich mit den Worten: Du bist ganz schön schlau und fast hättest du mich reingelegt,25 (Plat., Men. 80b8)

denn er – Sokrates – wisse genau, warum Menon den Vergleich angestellt habe: Damit auch ich einen Vergleich mit dir anstelle. Ich weiß doch, dass alle schönen Leute gern verglichen werden. Sie haben ja einen Vorteil davon. Ich aber werde keinen Gegenvergleich mit dir anstellen.26 (Plat., Men. 80c3 ff. Üb. Kranz)

Bei dieser Praxis, einen Vergleich mit einem Gegenvergleich zu beantworten, handelt es sich, wie wir aus der Komödie27 wissen, um ein Gesellschaftsspiel, das gerne beim Symposion gespielt wurde  – kein Zufall also, dass Alkibiades in Platons Dialog Symposion Sokrates mit einem Satyrn vergleicht. Es geht bei diesen Vergleichen also zunächst gar nicht um Inhalte oder gar philosophische persuasio, sondern um das Gewinnen und Verlieren bei einem Spiel – wer keinen Gegenvergleich anbieten kann, hat verloren. Vor diesem lebensweltlichen Hintergrund gewinnt an Profil, was wir bei Platon beobachten: Bei ihm erhält dieses Spiel eine persuasiv-erläuternde Funktion innerhalb des philosophischen Diskurses  – eine Funktion, die zudem in diesem Kontext auch reflektiert wird. Dies geschieht insbesondere in dem späten Dialog Politikos. Hier wird diskutiert, wie ein Vergleich oder Bild funktioniert und wozu es nützlich ist – ohne freilich philosophische argumentatio ersetzen zu können. Es handelt sich um eine Stelle, die in den Handbüchern über das Gleichnis nicht immer angesprochen wird.  Vgl. Dalfen, Platon (s. Anm. 18), 376. Plat., Men. 80a. 24  M. Kranz (Hg.), Platon, Menon. Griechisch/Deutsch, Stuttgart 1994, 33. 25  Ebd. 26 Ebd. 27  Vgl. Aristoph., Ran. 906; dazu K. Dover (Hg.), Aristophanes. Frogs, Oxford 1993, 306; zu Menon: R. S. Bluck (Hg.), Plato’s Meno, Cambridge 1961, 270–273; McCall, Rhetorical Theories (s. Anm. 1), 13. 22

23 Vgl.

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3. Politikos Im Politikos geht es um die Definition des Politikers. In diesem Zusammenhang kommt es zu einer Diskussion über das angewendete Definitionsverfahren, das mit dem Beispiel der Webkunst erläutert werden soll – diese Überlegungen wiederum führen zu allgemeinen Reflexionen darüber, was eigentlich ein Beispiel oder einen Vergleich ausmacht.28 Platon illustrierte dies, indem er seine Auffassung an einem Beispiel – dem des Lernens von Buchstaben in der Schule – verdeutlicht. Ein solches Beispiel oder Gleichnis entsteht demnach dann, wenn man etwa Bekanntes mit etwas zusammenbringt, dass diesem Bekannten ähnlich, selbst aber unbekannt ist.29 Dieser Bezug trage  – so heißt es  – zu einem besseren Verständnis bei. Als Grundlage einer jeden Gleichnisrede oder eines jeden Beispiels haben demnach die Komponenten ‚Ähnlichkeit‘ und ‚Bezugsmöglichkeit‘ zu gelten. Denn sie ermöglichen einen Transfer von Unbekanntem auf Bekanntes, von Großem und Undeutlichem auf Kleines und Deutliches, d. h. eine Erläuterung eines komplexen Zusammenhanges durch ein Bild. Es ist bemerkenswert, dass Platon genau in diesem Kontext das Wort παραβάλλειν – das dann später zum terminus technicus für Gleichnis und Gleichnisrede wird – wohl zuerst in der philosophischen Literatur vor Aristoteles im Zusammenhang einer Reflexion über Wesen und Funktion von Gleichnis und Vergleich verwendet.30 Was der Politikos analysiert und als παραβάλλειν bezeichnet, erklärt gut, was man in Platons Dialogen findet. In ihnen wird bisweilen etwas Bekanntes und Großes als Illustration von etwas Unbekannterem und Kleinem herangezogen – am eindrücklichsten vielleicht in der platonischen Politeia, in der auf der Suche nach einer Definition von Gerechtigkeit in der Seele ein Vergleich mit der Struktur des Staates vorgeschlagen und durchführt wird, weil sie an diesem größeren Objekt leichter zu beobachten sei. Sokrates gibt sich überzeugt,31 dass Gerechtigkeit sowohl in der Polis als auch im einzelnen Menschen zu beobachten, und dass „wohl mehr Gerechtigkeit in dem Größeren und Leichteren zu erkennen ist.“ Deshalb hält er die Suche nach Gerechtigkeit bei kleinen Dingen wie der Seele mit Hilfe eines Vergleiches mit einem größeren Gegenstand wie es z. B. die Polis ist, für lohnend. Aus diesen didaktischen Erwägungen will Sokrates Gerechtigkeit zuerst an den Staaten untersuchen und dann auch an dem Einzelnen betrachten. Die Hauptstruktur der Politeia zeichnet sich also durch ein ‚gleich wie‘ zwischen Gerechtigkeit in der Seele und im Staat aus und setzt gleichsam literarisch um, was der Politikos theoretisch über Wesen und Funktion von Gleichnis und Ver-

28  Hilfreich vgl. F. Ricken (Hg.), Platon. Politikos, Übersetzung und Kommentar von F. Ricken (Platon Werke II 4), Göttingen 2008. 29  Vgl. Plat., Pol. 277d–278e; dazu Ricken, Platon (s. Anm. 28), 142–147. 30  Vgl. Plat., Pol. 278b. 31 Vgl. Plat., Rep. 368de; 369a.

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gleich analysiert. Platons Analyse des Vergleiches im Politikos ist zugleich ein Eigenkommentar zu seiner literarischen vorgehenswiese in der Politeia. Vergleiche und Gleichnisse haben für Platon also eine eminent didaktische und persuasive Funktion, sind aber nicht hinreichend für jemanden, der sich über das Wesen einer Sache Rechenschaft geben will (λόγον δοῦναι). Sie sind deshalb nach Platon defizitär und unpräzise32 und können nur protreptisch wirken. Adressatenbezogenheit rechtfertigt also den Einsatz von Gleichnissen, doch können sie eine philosophische argumentatio infolge mangelnder Präzision nicht ersetzen.33 Andererseits bietet ein Gleichnis die Möglichkeit, komplexe Dinge und Sachverhalte in einer Gesamtschau zu erfassen, ohne dass man zu komplizierten Beweisen greifen muss, weshalb sie pädagogisch und persuasiv nützlich sind.34 4. Höhlengleichnis Diese Adressatenbezogenheit und die persuasive Funktion von Gleichnissen und Gleichnisreden werden in Platons Dialogen prominent durch das wohl berühmteste Gleichnis, dem Höhlengleichnis in der Politeia, illustriert.35 Auf der Suche nach einem richtigen Verständnis der Gerechtigkeit stellt sich die Frage, was für den Einzelnen wie für den Staat wirklich gut ist. Als Kriterium hierfür wird von Sokrates das sogenannte ‚größte Wissensstück‘, die ‚Idee des Guten‘ eingeführt. Eine inhaltliche Bestimmung dieser ‚Idee des Guten‘ erweist sich freilich als schwierig. Ein Vorschlag, das Gute mit Lust oder Wissen gleichzusetzen, erweist sich für Sokrates als nicht haltbar.36 Nach der eigenen Meinung befragt, weicht Sokrates aus, beschränkt sich mit Rücksicht auf seine Gesprächspartner darauf, etwas über den ‚Spross‘ (ἔκγονος) des Guten, die Sonne, zu sagen, der seinem Vater sehr ähnlich ist und bietet als Ersatz einen bildlichen Vergleich mit der Sonne.37 Alles spricht also dafür, dass Sokrates’ Zurückhaltung nicht darin begründet ist, dass es eine dialektische Bestimmung der Idee des Guten prinzipiell nicht geben kann oder es darüber nur Meinungen geben kann, sondern weil eine philosophisch erklärende Darlegung die Kapazität seiner Partner übersteigen würde. Ausdrücklich begründet Sokrates seine Zurückhaltung mit der Inkompetenz seiner Partner,38 die ihm das erstaunlicherweise 32 Vgl.

168.

Plat., Pol. 285d–286b; Plat., Rep. 435cd; dazu Büttner, Literaturtheorie (s. Anm. 15),

 Vgl. Plat., Rep. 369a. Plat., Pol. 285cd; Plat., Rep. 504b1–7; K. Gaiser, Platone come scrittore filosofico. Saggi sull’ermeneutica dei dialoghi platonici, Neapel 1984, 134. 35  Vgl. zum Höhlengleichnis T. A.  Szlezák, Das Höhlengleichnis, in: O. Höffe (Hg.), Platon. Politeia, Berlin 1997, 205–228. 36  Vgl. Plat., Rep. 505b–d. 37  Vgl. Plat., Rep. 506de. 38 Vgl. Plat., Rep. 504b; 506d; 435d; 534ab. 33

34 Vgl.

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gar nicht übelnehmen. Gleichsam als Ersatz für diese Untersuchung bittet Platon Sokrates um die Schilderung der drei berühmten Gleichnisse  – das Sonnen-, das Linien‑ und das Höhlengleichnis. Dabei ist bezeichnend, dass Sokrates das Höhlengleichnis ausdrücklich die conditio humana, Menschen ‚wie Du und Ich‘ thematisiert39 und sich an der Auffassungsgabe seiner Gesprächspartner orientiert. Wieder wird deutlich, dass es sich bei Gleichnis, Gleichnisrede und Beispiel für Platon um ein rhetorisches Mittel der didaktischen persuasio handelt und nicht um einen Ersatz aus inhaltlichen Gründen – etwa weil der Gegenstand prinzipiell anders nicht ausgesagt werden könnte. Dies lässt sich in Platons Dialogen immer wieder beobachten, z. B. beim Gleichnis der Seele als Seelenwagen – dieses wird ausdrücklich mit Blick auf den Adressaten angeführt. Aus gleichen Gründen wird das schwierige Problem der Seele und der Willensfreiheit mit Hilfe eines Bildes von der Marionette erläutert.40 5. Fazit Platon hat offenbar schon vor Aristoteles ohne terminologische Festlegung eine Analyse von Gleichnis und Beispiel angeboten,41 wobei die Kontextbezogenheit und die didaktische Funktion von Gleichnisreden reflektiert und zugleich in den Dialogen illustriert werden. Hierbei wird bestätigt, wenn Aristoteles in der Topik konstatiert, dass es nützlich sei, Behauptungen in Form von Vergleichen (παραβολή) vorzulegen. Denn man akzeptiere eher, was nicht wegen sich selbst behauptet werde.42 Der Vergleich ist in der Tat in Sokrates’ Elenchos deshalb argumentativ nützlich, weil der Partner nicht sofort erkennen wird, wohin die Zugeständnisse aufgrund von angeführten Vergleichen oder Gleichnissen die Argumentation führen – bei Sokrates führen sie zumeist in die Aporie, aber damit auch zum Beginn eines dialektischen Erkenntnisprozesses.

IV. Epikur: Gleichnis aus inhaltlicher Notwendigkeit 1. Gleichnis als produktive, gleichwohl inhaltlich nicht unbedingt notwendige, aber hilfreiche persuasive Argumentationsstrategie Diese Variante haben wir bei Platon kennengelernt, da er Gleichnisse und Beispiele einführt, um zu überreden oder Positionen bestimmten Gesprächspartnern plausibel zu machen. Im Folgenden sei nun darauf hingewiesen, dass die Verwendung von einem Gleichnis oder Beispiel nicht nur aus didaktischen Gründen 39 Vgl.

Plat., Rep. 515a; 543d–544a.  Vgl. Plat., Phaedr. 246a.; Plat., Leg. 803b–804b; 644d–645c. 41  Vgl. z. B. Plat., Theaet. 176b. 42 Vgl. Arist., Top. 156b25 ff. 40

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verwendet werden, sondern auch inhaltlich bedingt sein kann, weil ein philosophischer Inhalt anders nicht vermittelt werden kann. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn im Kontext einer materialistisch-sensualistischen Philosophie wie dem Epikureismus Aussagen über Dinge gemacht werden sollen, die mit Hilfe sinnlicher Wahrnehmung prinzipiell nicht erreichbar sind. Vor diesem Problem standen die Epikureer, wenn sie beweisen wollten, dass und wie die Grundlagen ihrer Physiologie, die Atome und das Leere, wirklich existieren. Denn beide Grundlagen der Physiologie sind nicht sichtbar (ἀδῆλα) und entziehen sich also dem für Epikureer entscheidenden Kriterium der Wahrheit  – der Sinneswahrnehmung.43 Gleiches gilt, wenn die Epikureer die für ihre Ethik grundlegenden Entscheidungen treffen wollen, ob bestimmte Affekte, die menschliches Handeln leiten, gut oder schlecht sind. Auch hier kann Empirie nur indirekt wirksam werden. In beiden Fällen haben die Epikureer freilich Methoden gefunden, die sinnliche Wahrnehmung gleichwohl für die Beurteilung nutzbar zu machen. In diesem Kontext spielen Gleichnisse und Beispiele eine wichtige, inhaltlich relevante Rolle. Dies wird von den Epikureern theoretisch diskutiert und z. B. vom epikureischen Dichter Lukrez in seinem Lehrgedicht De rerum natura illustriert. Bei ihm konvergieren also auf interessante Weise literarisch-epische Tradition und philosophische Funktion von Gleichnis und Beispiel, insofern sie – anders als bei Platon – zu einem unersetzlichen Teil der philosophischen argumentatio werden. Dieser Aspekt ist bisher weniger beachtet. Wenden wir uns also kurz dieser epikureischen argumentatio zu, analysieren diese und erinnern dann an einige Passagen bei Lukrez. 2. Epikureische Erkenntnistheorie: Epilogismos – Antimartyresis Zunächst sei also daran erinnert: Infolge ihrer sensualistischen Epistemologie sind Visualisierung, Evidenz oder die Präsenz von Entferntem wichtige Kategorien der epikureischer Erkenntnislehre. Epikur hat eine Erkenntnistheorie und empiristische Methoden entwickelt, die auf der Wahrnehmung basiert und daraus ihren Wahrheitsgehalt bezieht. Als Wahrheitskriterium gelten für Epikur zuvorderst die Sinneswahrnehmungen, weil diese infolge ihrer Passivität der Wahrnehmung dem Wahrgenommenen nichts hinzufügen oder nichts fortnehmen.44 Epikur bestreitet keineswegs, dass es irritierende Wahrnehmungen gibt, wie z. B. ein Ruder, das im Wasser gekrümmt aussieht. Doch handelt es sich nach seiner Ansicht nicht um eine falsche Wahrnehmung. Deren Falschheit entsteht vielmehr erst dann, wenn der Verstand Unerlaubtes zu den Wahrnehmungen hinzu.45 Diese sensualistische Erkenntnistheorie führt für die Epikureer zu Problemen, sowohl in der Physiologie als auch in der Ethik. 43  Vgl. E. Asmis, Epicurus’ Scientific Method, Ithaca/London 1984; M. Erler, Art. Epikur, Ueberweg.Antike 4/1 (1994), 131–136. 44 Vgl. Diog. Laert. 10,31. 45  Vgl. Epik., Ep. Hdt. 50 f.; Lucr., 4,46lff.

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a) Antimartyresis Zunächst stellt sich die Frage, wie Erkenntnis über die Existenz und die Existenzweise der Prinzipien der epikureischen Naturlehre, der Atome und der Leere, gewonnen werden können, die gerade nicht empirisch fassbar, weil sie nicht sinnlich erkennbar sind (ἀδῆλα). Deshalb mussten die Epikureer Strategien entwickeln, wie man die Existenz der Atome und ihre Existenzweise beschreiben und beweisen kann. Um hier dennoch zu belastbaren Urteilen zu kommen, entwickelten die Epikureer das Verfahren der sogenannten ‚Gegenbestätigung‘ – Antimartyresis (ἀντιμαρτύρεσις).46 Demnach soll eine Aussage über nicht beobachtbare Sachverhalte wie z. B. die Atome dann als wahr gelten, wenn ihr kontradiktorisches Gegenteil im Widerspruch zu der beobachtbaren Erscheinung steht. Damit ist Raum und Möglichkeit gegeben für einen Rekurs auf die materielle Realität, auf Beschreibungen und Vergleiche. b) Epilogismos Auch für das Problem, wie Affekte, die ja Handlungen leiten, auf empirischer Grundlage beurteilt werden können, entwickelten die Epikureer eine Methode, die Empirie einschließt. Hierbei kommt Bildern oder Gleichnissen ebenso eine wichtige Funktion zu. Es wird davon ausgegangen, dass Emotionen der Menschen keineswegs grundsätzlich negativ zu beurteilen sind; vielmehr gehören Emotionen wie z. B. Trauer oder jener Zorn, der einem moralisch gerechtfertigten Anlass geschuldet ist, zur Natur des Menschen. Freilich muss Emotion von Maß und Naturgemäßheit gekennzeichnet sein: gerechtfertigter Zorn auf Grund von Unrecht ist nicht dasselbe wie zügellose Wut, Trauer ist nicht dasselbe wie maßloses Selbstmitleid, Streben nach Sicherheit durch Wohlstand nicht dasselbe wie bloßes Verlangen nach Luxus. Unnatürliche Bestrebungen oder Emotionen werden vielmehr als ‚leer‘ bezeichnet. Es gilt also zu differenzieren: Emotionen sind nicht abzuschaffen  – sind aber gegebenenfalls zu therapieren, wenn sie unnatürlich, also unangemessen sind. Wie nun kann nun eine solche Therapie erfolgen? Offenbar reicht hierzu – so sind die Epikureer überzeugt – ein bloßer Appell an die ratio durch Argumente nicht aus. Der Epikureer empfiehlt deshalb, dem Patienten neben Argumenten auch lebendige Beschreibungen, Gleichnisse oder Vergleiche vor Augen zu stellen  – ‚vor Augen stellen‘ (πρὸ ὀμμάτων τιθέναι) oder ‚Visualisieren‘ ist der terminus technicus hierfür47  –, wobei zum Beispiel Emotionen wachgerufen werden, auf deren unerwünschte Folgen hingewiesen werden soll. Hierbei wird ihm ebenfalls eine lernpsychologische Funktion zugebilligt. Demnach setzt ein 46 Vgl. W. Kullmann, Zu den historischen Voraussetzungen der Beweismethoden des Lukrez, Rheinisches Museum für Philologie 123 (1980), 97–125; auch in: C. J. Classen (Hg.), Probleme der Lukrezforschung, Hildesheim 1986, 189–217. 47 Vgl. V. Tsouna, The Ethics of Philodemus, Oxford 2007, 204–208.

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Lernen dann ein, wenn dem Betroffenen Handlungszusammenhänge bildlich vor Augen geführt werden, die aus dem Affekt folgen, der den Betroffenen befallen hat. Denn wer emotional betroffen ist, ist nach epikureischer Überzeugung lernbereit. Es muss also darum gehen, den ‚Patienten‘ mit Bildern zu konfrontieren, im Patienten also Worte in Bilder zu verwandeln und in ihm Vorstellungen entstehen zu lassen, welche ihm die Folgen von Affekten und Handlungen vor Augen führen, die ihn abschrecken oder aufmuntern sollen – kurz, die ihm Material geben sollen, jene Emotionen, die seine Handlung leiten, zu bewerten. Man könnte sagen: Indem dem oder der Betroffenen durch Beschreibungen Emotionen und ihre Folgen sozusagen in Nahaufnahme geboten werden  – Epilogismos (ἐπιλογισμός) nennen dies die Epikureer48  – ergeht es diesem ‚Patienten‘ wie einem Zuschauer im Theater: Er wird emotional angeregt, sich mit Blick auf die Folgen Gedanken über die Emotionen zu machen. Schon bei Aristoteles lernen wir, dass das Betrachten von Tragödien zu einer Katharsis – Reinigung der oder Reinigung von Emotionen – führen soll. Beide Argumentationsstrategien nun, der Epilogismos bei den Affekten und die Antimartyresis in der Naturlehre, geben also Raum für einen Rekurs auf Realität und damit für Beschreibungen, Gleichnisse und Beispiele, ja setzen diese sogar voraus. Auf der Suche nach Illustrationen für derartige Verfahren wird man insbesondere in dem berühmten epikureischen Lehrgedicht des römischen Epikureers Lukrez fündig, in dem Gleichnisse, Beispiele und Beschreibungen eine wichtige Rolle spielen. Gewiss, dies ist einerseits literarisch bedingt durch die am Epos orientierte Tradition des Lehrgedichtes; doch sollte nicht vergessen werden, dass es sich um ein epikureisches Lehrgedicht handelt, das den Grundlagen epikureischer Epistemologie folgt. In der Tat ist Lukrez’ Lehrgedicht eine Fundgrube für Beispiele und Gleichnisse, die didaktisch erwünscht, aber auch – anders als bei Platon  – philosophisch notwendig sind. Einige wenige Beispiele sollen das illustrieren.

V. Beispiele bei Lukrez 1. Atome Mit Blick auf das bisher Gesagte ist es kaum Zufall, dass sich das erste Gleichnis in Lukrez’ Lehrgedicht im Kontext seiner Ausführungen über die Grundlagen der Atomistik findet.49 Ausgehend von der These, dass nichts aus nichts entstehen kann, versucht Lukrez nämlich, die Existenz der Urbausteine der Welt, die primordia rerum, zu beweisen. Er bedient sich dabei der Hilfe von Gleichnissen. Er kann gar nicht anders vorgehen, da die Atome und das Leere der  Vgl. Lucr., 6,1163–1167. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 78.

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49 Vgl.

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sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich sind. Lukrez verweist deshalb auf die Winde, um die Existenz der Atome zu erweisen. Denn auch bei Wind sehe man nichts, könne aber Wirkungen beobachten. Lukrez wertet diese als Indizien dafür, dass es sich bei den Winden um eine atomistische Struktur handelt und als Beleg, dass Atome existieren. Lukrez sagt ausdrücklich, weshalb er zu diesem Vergleich greift: Damit du nun aber nicht meinen Worten zu mißtrauen beginnst, weil wir die Urkörper nicht mit den Augen sehen können, höre nun auch noch von anderen Körpern, von denen du sicher zugestehen musst, dass sie in den Dingen vorhanden sind und doch nicht gesehen werden können.50 (Lucr., 1,276 ff.)

Man sieht – es geht um persuasio. Daraufhin beginnt Lukrez eine Beschreibung der Gewalt, die von Winden ausgehen kann,51 welche menschliche Leiber affizieren, Schiffe versenken oder Wolken zerstreuen können. Daraus folgert er: Es gibt also – du darfst dich nicht wundern – unsichtbare Körper des Windes, die das Meer, die das Land, die endlich die Wolken des Himmels fegen52 (Lucr., 1,277 ff. Üb. Martin)

und zieht dann den Vergleich: Nicht anders [nec ratione] strömen sie [die Teilchen] dahin und verbreiten Verwüstung, als wenn die sanfte Natur des Wassers plötzlich in überflutendem Strome dahinstürzt […] So also muss auch das Wehen des Windes daherfahren.53 (Lucr., 1,280 ff. Üb. Martin)

Längst hat man gesehen, dass der Dichter Lukrez sich bei diesem Gleichnis – als solches wird es durch die eher prosaische Formulierung nec ratione alia markiert54  – epischer Tradition, genauer zweier Gleichnisse aus Homers Ilias bedient,55 und dass er diese Gleichnisse vor dem Hintergrund epikureischer Epistemologie zu einem philosophischen Argument für die Existenz von unsichtbaren Atomen umfunktionalisiert. Zugrunde liegt das Argument: Wenn es diese Atome nicht gäbe, könnte es die zu beobachtenden Wirkungen und Phänomene nicht geben. Da diese auf Wahrnehmungen beruhen, sind sie wahr, also muss auch die Annahme der Atome wahr sein. Es handelt sich also um das oben angesprochene Verfahren der ‚Gegenbestätigung‘ (ἀντιμαρτύρεσις). Weitere Beispiele für derartige wissenschaftlich beweisende Gleichnisse sind zahlreich bei Lukrez zu finden – herausgegriffen sei eines, das sich weniger an literarische, als an philosophische Tradition, genauer an Platons Timaios, anlehnt.56  J. Martin (Hg.), Lukrez. Über die Natur der Dinge, Berlin 1972, 51. Lucr., 1,277–294. 52  Martin, Lukrez (s. Anm. 50), 51. 53  Ebd. 54 Vgl. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 80. 55  Vgl. Hom., Il. 5,87–93; 11,492–496. 56  Vgl. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 97; M. Deufert, Pseudo-Lukrezisches im Lukrez. Die unechten Verse in Lukrezens „De rerum natura“, Berlin/New York 1996, 238. 50

51 Vgl.

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Nachdem Lukrez im 2. Buch57 des Gedichtes gezeigt hat, dass die Atome ohne Farbe sind, argumentiert er weiter dafür, dass ihnen ebenso wenig andere Qualitäten wie Temperatur, Ton oder Geruch zukommen. Als Beweis führt er einen Vergleich an.58 Wie bei der Herstellung von Duftstoffen die jeweiligen Aromastoffe erst zur Geltung kommen, wenn als Grundstoff das geruchslose Öl verwendet wird, so erweisen sich – so argumentiert Lukrez – die Aromen als qualitätslose Grundlage, die selbst keinen Geruch oder anderes ausscheiden. Wahrnehmbare Ausscheidungen werden demnach erst durch Atomverbindungen möglich, wie der Duft einer Salbe erst durch Beimischung eines Aromastoffes erkennbar wird. Der Vergleich, auf den hier nicht näher eingegangen werden kann, kommt formal einem epischen Gleichnis nahe, basiert aber auf einer Stelle in Platons Timaios59 und soll wie ein Beweis fungieren. Wieder geht es also darum, dass durch Rekurs auf Wahrnehmbares – ob direkt aus der Realität oder der Literatur genommen, ist für die Epikureer unerheblich – eine Aussage über sinnlich nicht Wahrnehmbares möglich werden soll. Es ist offensichtlich: Anders als bei Platon dient beim Epikureer Lukrez der Vergleich oder das Gleichnis nicht einfach der Illustration oder Bekräftigung von schon Erkanntem – gleichsam aus didaktischen Gründen, weil der Adressat es anders nicht verstünde. Vielmehr spielt das Bild oder das Gleichnis bei Lukrez nun eine sachlich notwendige, nicht vom Adressaten abhängige Rolle innerhalb der philosophischen argumentatio. Der Zusammenhang zwischen Bild und Sache ist im Epikureismus inhaltlich zwingend.60 2. Affekte Das ist auch bei der Analyse und der Therapie der Affekte der Fall – auch hier ist die Visualisierung mittels Bildern, Gleichnissen oder Beispielen, die der Realität oder der Literatur entnommen werden, von zentraler Bedeutung. Und so findet sich deshalb bei Lukrez im Kontext der Affektanalyse ein Schatzhaus von Beschreibungen und Vergleichen. Auf ein Beispiel sei hingewiesen: Im Finale des IV. Buches seines Gedichtes bietet Lukrez eine Analyse der Liebe als einer mächtigen, oftmals freilich schädlichen Emotion.61 Lukrez unterstreicht dabei den therapeutischen Charakter seiner Ausführungen und spricht von der Heilung einer Krankheit und von Therapie. Er folgt dabei der oben 57 Vgl.

Lucr., 2,730–841.  Vgl. Lucr., 2,847–58. 59  Vgl. Plat., Tim. 50e. 60 Vgl. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 86. 61  Vgl. M. Erler, Exempla amoris. Der epikureische Epilogismos als philosophischer Hintergrund der Diatribe gegen die Liebe in Lukrez De Rerum Natura, in: A. Monet/M. Bollack (Hg.), Le Jardin Romain. Épicurisme et Poésie à Rome. Mélanges offerts à Mayotte Bollack, Lille 2003, 147–162; zum Epilogismos auch Tsouna, Ethics (s. Anm. 47), 55 f. 58

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geschilderten Methode des Epilogismos, d. h. er bietet erst eine Definition des Affektes ‚Liebe‘62 als Grundlage einer rein physiologischen Betrachtung – Liebe als Sex  – und beschreibt dann die Nachteile, i. e. Illusionen und falsches Verhalten, die aus einer falschen Einschätzung des Affektes Liebe als eins Zustandes romantischer Verzückung erwachsen, wie z. B. Verlust des Vermögens, Freiheit und Ansehen. Gegen Ende der Diatribe schildert Lukrez schließlich auch positive Folgen einer richtig verstandenen Liebe.63 In diesem Kontext finden sich Beispiele und Gleichnisse falschen Verhaltens aufgrund falsch verstandener Liebe, die z. T. literarischen Vorlagen entnommen sind, aber als Material für Visualisierung dienen sollen.64 So beschreibt Lukrez z. B. in einem der Gleichnisse die Qualen eines liebeskranken Menschen65 und vergleicht ihn mit einem Träumer, der unter unersättlichem Durst leidet. Wie wenn einer im Traum dürstet und zu trinken sucht und ihm kein Wasser gegeben wird, […] sondern wenn er nur Bilder von Wasser ergreifen kann […] so auch äfft Venus in der Liebe die Liebenden mit Bildern, und sie können sich nicht sättigen, wenn sie auch den Körper des Geliebten schon ganz nah sehen.66 (Lucr., 4,1097 ff. Üb. Martin)

Literarisch erinnert der zum Vergleich herangezogene Zustand des unersättlich Dürstenden an Mythen, wie den über Tantalus, der in der Unterwelt beständig Wasser vor sich sieht, es aber nicht erreichen und seinen Durst nicht löschen kann. Stand er ja doch im Wasser, das gerade ans Kinn ihm noch reichte. Dürstend stand er darinnen, doch konnte ers trinkend nicht kosten.67 (Hom., Od. 11,582 ff. Üb. Weiher)

Philosophisch soll das Gleichnis die negativen Folgen der Liebe als eines unbegrenzten Begehrens zeigen und beweisen, dass mit Blick auf diese Folgen der Affekt Liebe negativ zu bewerten ist. Jedes unbegrenzte Begehren ist für Epikur nämlich negativ konnotiert, weil es verhindert, dass man zu Ataraxie und Eudaimonie findet. Der Vergleich des Liebenden mit einem unbegrenzt Dürstenden als Illustration der Folgen unkontrollierter Liebe ist literarisch kunstvoll. Philosophisch aber soll er dem Adressaten im Text, Memmius, und dem Leser als Material dienen, die Emotion Liebe zu bewerten. Er soll zu diesem Zweck auf die Folgen blicken und daraus Schlüsse auf die Bewertung des Affektes selbst ziehen.68 62 Vgl.

Lucr., 4,1058–1120; 4,1121–1191.  Vgl. Lucr., 4,1192 ff. 64  Vgl. Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 97 ff. 65 Vgl. Lucr., 4,1097–1104; Schindler, Untersuchungen (s. Anm. 1), 97 ff. 66  Martin, Lukrez (s. Anm. 50), 281. 67  A. Weiher (Hg.), Homer. Odyssee, München 1990, 319. 68 Vgl. D. Clay, Lucretius and Epicurus, Ithaca/London 1983, 216 ff. 63

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Wie auch immer man Lukrez’ Einschätzung  – meide romantische Liebe  – bewerten will, es bleibt wichtig zu beobachten, wie Gleichnis und Beispiel im philosophischen Kontext funktionalisiert werden. Dies geschieht freilich beim Epikureer Lukrez anders als bei Platon nicht nur zu didaktisch-persuasiven Zwecken, sondern als Bestandteil einer wirklich philosophischen argumentatio. Denn ohne Rekurs auf reale Verhaltensweisen ist die erstrebte Bewertung der Affekte nicht möglich.

VI. Schluss Kommen wir zum Schluss: Wir hatten uns vorgenommen, Verwendung und Funktion von Bild, Gleichnis und Vergleich im philosophischen Kontext zu betrachten. Ausgangspunkt war Aristoteles Bestimmung der Parabole, weil er hierfür auf Sokrates rekurriert. Wir haben deshalb zunächst Platon herangezogen und eine Art philosophischer Verwendung des Gleichnisses erkannt, die didaktisch und persuasiv ist und der Unterstützung, nicht aber dem Ersatz der argumentatio dient und nicht zuletzt durch den bisweilen unphilosophischen Denkhorizont des Gesprächspartners bedingt ist. Hiervon haben wir den aus philosophischen Gründen notwendigen Einsatz des Gleichnisses im Kontext des Epikureismus geschieden und mit Blick auf Lukrez zu erläutern versucht: Im Epikureismus erweist sich der Gebrauch von Gleichnis und Beispiel als aus der Sache notwendig und als Teil der philosophischen argumentatio. Gewiss, es gibt viele weitere Facetten des Gebrauches von Gleichnis, Gleichnisrede und Bild; doch wollte ich auf diese zwei behandelten Aspekte als zwei Komponenten hinweisen, zwischen welchen weitere Verwendungen in philosophischen Kontexten gleichsam oszillieren – mir scheint, im Kontext der paganen philosophischen Literatur gibt es hier noch viel zu tun. Vielleicht erweist sich der durch diese beiden Aspekte aufgespannte Horizont sogar als nützlich für die so lebendig geführte Diskussion über Gleichnis und Beispiel im theologischen Kontext.

Zur Verwendung von παραβολή in der Septuaginta Ralph Brucker Abstract: The noun παραβολή occurs 46 times in the Septuagint. Though it sometimes means “parable” (as in the NT), much more often it rather denotes a kind of “saying”, with a range of meaning between “proverb” and “mocking speech” due to the meanings of the Hebrew standard equivalent ‫ ָמ ׁ ָשל‬. The article gives a survey of the lexical studies dedicated to this lemma and proceeds with a fresh examination of all occurrences, in order to determine the exact meaning in each case.

I. Statistischer Befund und hebräische Äquivalente Das Substantiv παραβολή kommt in der Septuaginta insgesamt 46mal vor, wobei sich die Belege relativ gleichmäßig über alle Teile des Kanons verteilen. Eine höhere Dichte weisen die Bücher Sirach (9 Belege im Text, einer in einer Zwischenüberschrift [oben nicht mitgezählt]) und Ezechiel (10 Belege) auf. Von den 8 Belegen im Pentateuch sind 7 in Num 23–24 zu finden, wo sie im stets gleichen Wortlaut καὶ ἀναλαβὼν τὴν παραβολὴν αὐτοῦ εἶπεν die Sprüche des Balaam [Bileam] einleiten. Außer den Sirach-Stellen haben nur Tob 3,4 (beide Fassungen) und Weish 5,4 keine Entsprechung im MT. Das hebräische Äquivalent im MT ist in fast allen Fällen das Substantiv ‫ ָמ ׁ ָשל‬.1 Leichte Abweichungen von dieser Regel gibt es in Ez 16,44 und 19,14, wo jeweils eine Form des Verbs ‫ ָמ ׁ ַשל‬mit παραβολή übersetzt wird, sowie in 2 Kgt [2 Sam] 23,3 und Ez 12,23, wo das Verb ‫ ָמ ׁ ַשל‬mit εἰπεῖν παραβολήν übersetzt wird.2 Letzteres ist in Ez 17,2; 24,3 für die hebräische figura etymologica ‫ ָמ ׁ ַשל ָמ ׁ ָשל‬anzutreffen. Etwas schwieriger gestaltet sich der Vergleich beim Buch Jesus Sirach. Von den neun Versen, in denen sich παραβολή in der griechischen Version findet, sind nur vier in einer hebräischen Handschrift erhalten. Von diesen ist einmal ‫משל‬ ׁ 1  Vgl. dazu E. Hatch/H. A. Redpath, A Concordance to the Septuagint and the Other Greek Versions of the Old Testament (Including the Apocryphal Books), 2 Bde. (fortlaufend paginiert) + Supplement, Oxford 1897–1906 (revidierter Nachdruck [Second Edition] in einem Band Grand Rapids 1998), Bd. 2, 1056. 2  Allerdings liegt in 2 Kgt [2 Sam] 23,3 ein Mißverständnis vor, da der MT hier nicht das Verb ‫משל‬ ׁ  I, sondern ‫משל‬ ׁ  II „herrschen“ hat; s. u. II.

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(SirA 3,29) und einmal ‫( חידה‬SirB 47,17) als Äquivalent zu bestimmen3, wohingegen an den beiden anderen Stellen (SirA 13,26; SirB 47,15) kein klares Äquivalent erkennbar ist. Eine gravierendere Abweichung findet sich in Pred 1,17: Hier heißt es im MT: „Und ich richtete mein Herz auf das Erkennen von Weisheit und das Erkennen von Tollheit und Torheit; ich erkannte, daß auch dies ein Haschen nach Wind ist“. In der Septuaginta wird das in drei Formen vorkommende Verb ‫ידע‬ „erkennen“ anders zugeordnet (wobei der Infinitivus constructus als Substantiv aufgefaßt wird) und der negativ konnotierte Hendiadyoin ‫„ הוללות ושׂ כלות‬Tollheit und Torheit“ durch zwei positiv besetzte Begriffe wiedergegeben, von denen einer παραβολή ist: καὶ ἔδωκα καρδίαν μου τοῦ γνῶναι σοφίαν καὶ γνῶσιν, παραβολὰς καὶ ἐπιστήμην ἔγνων, ὅτι καί γε τοῦτ ’ ἔστιν προαίρεσις πνεύματος „Und ich richtete mein Herz darauf, zu erkennen Weisheit und Erkenntnis; Sprüche und Einsicht erkannte ich, denn auch dies ist ein Streben nach Wind“. Auf diese Weise wird der Gegensatz von Weisheit und Torheit, den der MT formuliert, im griechischen Text aufgehoben zugunsten einer reinen Suche nach Weisheit.4 Schließlich kommt παραβολή in DanLXX 12,8 in einem ergänzenden Zusatz der hier sehr freien Übersetzung vor (anders DanTh 12,8, wo die Übersetzung genau dem MT entspricht).

II. Verwendung und Bedeutung Die vom Neuen Testament herkommende Erwartung, παραβολή würde auch in der Septuaginta „Gleichnis“ oder „Parabel“ bedeuten, also eine Erzählform bezeichnen5, wird bereits beim Blick auf die ersten Belege im Pentateuch ins Wanken gebracht: Die orakelartigen Sprüche des Balaam [Bileam], die in Num 23,7.18; 24,3.15.20.21.23 mit der stereotypen Formel καὶ ἀναλαβὼν τὴν παραβολὴν αὐτοῦ εἶπεν eingeleitet werden, sind eindeutig keine erzählenden Texte  Zu SirB 47,17 s. u. III. detaillierter Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare, hg. v. M. Karrer u. W.  Kraus, 2  Bde. (fortlaufend paginiert), Stuttgart 2011 (LXX.D.EK), Bd. 2, 2008 z.St. (K. Backhaus). Zur Übersetzung vgl. hier und im folgenden durchgängig Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. v. W.  Kraus, u. M.  Karrer, Stuttgart 2009, 22010 (LXX.D), sowie A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, hg. v. A.  Pietersma u. B. G. Wright, New York/Oxford 2007, korr. 2. Aufl. 2009 (NETS). 5 Diese Erwartung kommt von den synoptischen Evangelien her, wo sich auch die Mehrzahl der Belege findet (insgesamt 48), freilich nicht immer für ausgeführte Erzählungen; vgl. W.  Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearb. Aufl., hg. v. K. Aland u. B. Aland unter besonderer Mitwirkung von V. Reichmann, Berlin/New York 1988, 1238 f. s. v. 2: „das Gleichnis, die Bildrede“, ähnlich s. v. 3 zu Hermas; hingegen s. v. 1: „d[as] Gegenbild, der Typus, d[as] Sinnbild“ (im NT nur Hebr 9,9; 11,19). 3

4 Vgl.

Zur Verwendung von παραβολή in der Septuaginta

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und gattungsmäßig weit von den Gleichnissen Jesu entfernt. Auch der erste Beleg außerhalb des Pentateuchs, 1 Kgt [1 Sam] 10,12, ist eindeutig: Bei dem als παραβολή eingeführten Satz „Ist etwa auch Saul unter den Propheten?“ handelt es sich um eine Redewendung, ein „Sprichwort“. Überblickt man den gesamten Befund, ergibt sich der Eindruck, daß das Bedeutungsspektrum von παραβολή in der Septuaginta weithin dem des Standardäquivalents ‫ ָמ ׁ ָשל‬entspricht.6 Dies ist auch auf dem Hintergrund des klassischen griechischen Wortgebrauchs auffällig, denn hier bezeichnet παραβολή vorrangig „das Nebeneinander‑ oder Zusammenstellen, bes[onders] die Vergleichung“7, wie dies das zugrundeliegende Verb παραβάλλω in der Bedeutung „nebeneinanderstellen, vergleichen“8 auch nahelegt. Ausgehend von diesen Beobachtungen9 hat 1913 der Indogermanist Jacob Wackernagel den Gebrauch von παραβολή in der Septuaginta zusammenfassend dargestellt.10 Er unterscheidet die „klassische Bedeutung“ („Vergleichung, Gleichnis“), die er z. B. in Ez 17,2 belegt sieht („rede ein Gleichnis zum Hause Israel“), von vier in der Septuaginta viel häufigeren „klassisch unbekannten Bedeutungen“: (1.) „Sprichwort“, z. B. 1 Kgt [1 Sam] 10,12 („daraus ist die sprichwörtliche Redensart entstanden: ‚Gehört denn Saul auch zu den Propheten?‘“); (2.) „(liedartiger) Spruch“, z. B. Num 23,7 ff. („da trug er seinen Spruch vor, und sprach“); (3.) „Gnome“, z. B. 3 Kgt [1 Kön] 5,12 („und S[alomo] redete dreitausend Sprüche“); (4.) „Gerede, Gespött“, z. B. 2 Chr 7,20 („ich will ihn zu einem Gegenstande des Spottes machen“).

  6 Zu

diesem s. W. Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 18. Aufl., rev. v. H. Donner u. a., Berlin/Heidelberg/New York 1987–2010, 756 s. v., wo nach der Grundbedeutung „Spruch“ fünf Bedeutungen unterschieden werden: „1. Sprichwort, stehende Rede […] 2. Gleichniswort […] 3. Spruch, bes. Weisheitsspruch […] 4. Redensart, Schlagwort […] 5. Spottlied, ‑spruch, Travestie“ (vgl. 17. Aufl., rev. v. F. Buhl, Berlin/ Göttingen/Heidelberg 1915 [= 1962], 470 s. v., wo nur vier Bedeutungen unterschieden werden: „1. landläufiges Sprichwort […] 2. Gleichnis, Parabel […] 3. Spruch, Denkspruch […] 4. Spottvers […] Spottlied […]“). Ausführlicher s. K.-M. Beyse, Art. ‫משל‬ ׁ I, ThWAT 5 (1986), 69–73.  7  W. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch, 3. Aufl., rev. v. M. Sengebusch, 2 Bde., Braunschweig 1880 (= Graz 1954), Bd. 2, 472 s. v. – Vgl. H. G. Liddell/R. Scott, A GreekEnglish Lexicon. Ninth Edition, revised and augmented throughout by H. S. Jones, with the assistance of R. McKenzie, Oxford 1940, Nachdruck mit Revised Supplement 1996 (LSJ), 1305 s. v. I.1: „juxtaposition, comparison“ bzw. s. v. I.2 „comparison, illustration, analogy“.  8 Vgl. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch (s. Anm. 7), Bd. 2, 471 s. v. 3., sowie LSJ 1304 s. v. III.2.  9  Vgl. schon A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Bd. 1, Freiburg 1886, 33–41 (2. Aufl. Tübingen 1899 [= 1910 u. ö.], 32–40); E. Hatch, Essays in Biblical Greek, Oxford 1889, 64–71 (zu παραβολή und παροιμία). 10  J. Wackernagel, Lateinisch-Griechisches, 3. parabola, IF 31 (1912/13), 262–267 (Nachdruck in ders., Kleine Schriften, Bd. 2, Göttingen 1969, 1239–1244). Die folgenden Zitate finden sich auf S. 263.

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Die Darstellung von Wackernagel ist in der weiteren Forschung positiv aufgegriffen worden11 und wird auch in den beiden inzwischen vorliegenden griechisch-englischen Septuaginta-Wörterbüchern von Lust/Eynikel/Hauspie (LEH, 2003)12 bzw. Muraoka (MSL, 2009)13 als grundlegende Literatur angeführt. Dennoch weichen diese in überraschender Weise von ihm ab: Statt der zu erwartenden fünf Unterbedeutungen führt LEH nur vier, MSL sogar nur zwei an, und auch die Zuordnung einzelner Stellen wird unterschiedlich vorgenommen. LEH gibt nach dem generellen Hinweis „stereotypical rendition of ‫משל‬ ׁ “ folgende Bedeutungen mit jeweils einer Belegstelle an: „proverb Ez 17,2; byword Wis 5,4; poem, figurative discourse Nm 23,7; taunt, mocking speech Mi 2,4“. Gegenüber Wackernagel fehlt also die „klassische Bedeutung“ „Vergleichung, Gleichnis“, englisch „parable“, und die von ihm hierfür genannte Belegstelle Ez 17,2 wird bei LEH der Bedeutung „Sprichwort“ zugeordnet. Die Kategorie „byword“ ist offenbar, wenn sie sich von „proverb“ unterscheiden soll, nicht im Sinne von „Sprichwort“, sondern im verächtlich gebrauchten Sinne von „Inbegriff, Musterbeispiel“ zu verstehen; dies wird durch den Blick auf die Belegstelle Weish 5,4 bestätigt, und wegen der Ähnlichkeit mit 2 Chr 7,20 entspräche das der Bedeutung „Gegenstand des Spottes“ bei Wackernagel, die allerdings bei ihm unter „Gerede, Gespött“ subsumiert ist, was wiederum „taunt, mocking speech“ entspräche. Somit fehlt sogar noch eine weitere von W ­ ackernagel differenzierte Bedeutung, und zwar „Gnome“, für die er die Sprüche Salomos als Beispiel nennt. Man kann annehmen, daß seine Belegstelle 3 Kgt [1 Kön] 5,12 von LEH unter „proverb“ eingeordnet wäre; das bleibt jedoch Vermutung. Noch gravierender fällt die Abweichung gegenüber Wackernagel bei MSL aus, wo nur zwei Bedeutungen unterschieden, dafür aber mehr Belegstellen angegeben werden: „1. mocking or hurting speech“ (Dtn 28,37; Tob 3,4; Weish 5,4; Mi 2,4; Hab 2,6; Jer 24,9; Num 23,7; Ez 19,14) bzw. „[1]b. target of such a speech“ (Ps 68,12); „2. proverbial saying“ (1 Kgt [1 Sam] 10,12; 3 Kgt [1 Kön] 5,12; Sir 39,3; 47,15; Sir prol.; Ps 48,5; 2 Chr 7,20). Auch hier fehlt also die „klassische 11  Die Darstellung von F. Hauck, Art. παραβολή, ThWNT 5 (1954), 741–759, hier 744–746, folgt im Prinzip den Spuren Wackernagels, geht freilich durch das explizite Zusammenfassen von „‫ ָמ ׁ ָשל‬-παραβολή“ zu einem Begriff noch einen Schritt weiter. – Auch P. Walters (formerly Katz), The Text of the Septuagint. Its Corruptions and Their Emendation, hg. v. D. W. Gooding, Cambridge 1973, 143, beruft sich zustimmend auf Wackernagels „most instructive contribution“ und führt παραβολή als Paradebeispiel für „Lexical Hebraisms“ an (hier die Unterkategorie 1.: „Greek words extend their range of meaning in an un-Greek way after the Hebrew word which they render“). 12 J. Lust/E. Eynikel/K. Hauspie, A Greek-English Lexicon of the Septuagint. Revised edition, Stuttgart 2003, 461 s. v. (zuerst 1992/1996 in zwei Teilbänden; Third corrected edition 2015; Eintrag jeweils identisch). 13 T. Muraoka, A Greek-English Lexicon of the Septuagint, Leuven 2009, 524 f. s. v. (Vorläufer: ders., A Greek-English Lexicon of the Septuagint: Twelve Prophets, Leuven 1993; A Greek-English Lexicon of the Septuagint: chiefly of the Pentateuch and the Twelve Prophets, Leuven 2002).

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Bedeutung“ „Vergleichung, Gleichnis“ (englisch „parable“), und Wackernagels Belegstelle Ez 17,2 ist gar nicht erwähnt; man kann annehmen, daß sie unter „proverbial saying“ eingeordnet wäre (vgl. LEH), aber das bleibt Vermutung. Andererseits ist die Zusammenfassung der Bedeutungen „Sprichwort“ und „Gnome“ bei Wackernagel unter „proverbial saying“ bei MSL (im Unterschied zu LEH) eindeutig. Die Bedeutung „(liedartiger) Spruch“ fehlt ganz, und die Zuordnung des entsprechenden Belegs Num 23,7 zur Kategorie „mocking or hurting speech“ ist ziemlich überraschend. Umgekehrt überrascht die Zuordnung von 2 Chr 7,20 zur Kategorie „proverbial saying“ statt zu „target of [a mocking or hurting] speech“, wie man es von Wackernagel her erwartet hätte. Wie der Blick in die Wörterbücher zeigt, gibt es in Hinsicht auf die Bedeutung von παραβολή an einzelnen Stellen offenbar einen größeren Ermessensspielraum. Es scheint sogar fraglich, ob die vom NT her geläufige Bedeutung „Gleichnis“ („parable“) in der Septuaginta überhaupt vorkommt.14 Zudem geben die Wörterbücher, wie auch schon Wackernagel, nur einige wenige Belegstellen und lassen den Benutzer in Hinsicht auf die nicht aufgeführten Stellen ratlos zurück. Geboten scheint daher eine erneute Durchsicht aller Vorkommen von παραβολή in der Septuaginta mit dem Versuch einer eindeutigen Ermittlung der Bedeutung. Auf einigermaßen sicherem Boden befinden wir uns dort, wo eine παραβολή benannt und gleich vorgeführt wird. Dies ist der Fall bei den oben schon genannten orakelartigen Sprüchen des Balaam [Bileam], die in Num 23,7.18; 24,3.15.20.21.23 in einer wiederkehrenden Einleitungsformel benannt und dann im vollen Wortlaut angeführt werden (Num 23,7–10.18–24; 24,3–9.15– 19.20.21–22.23–24). Dasselbe gilt für das ebenfalls oben schon genannte Sprichwort „Ist etwa auch Saul unter den Propheten?“ in 1 Kgt [1 Sam] 10,12. Weitere Sprichwörter finden sich in 1 Kgt [1 Sam] 24,14 („Wie das alte Sprichwort heißt [καθὼς λέγεται ἡ παραβολὴ ἡ ἀρχαία]: ‚Von Gesetzlosen geht Verfehlung aus‘“) sowie in Ez 12,22 f. („Weit weg sind die Tage, verschwunden ist die Vision“); 16,44 („Wie die Mutter, so die Tochter“); 18,2 f. („Die Väter essen saure Trauben, und die Zähne der Kinder knirschen“15).16 An drei Stellen im Buch Ezechiel bezeichnet παραβολή eine bildhafte Gottesrede, die der Prophet überbringen 14  Diese ist freilich bei F.  Rehkopf, Septuaginta-Vokabular, Göttingen 1989, 218 s. v., als einzige Bedeutung angeführt. Es gilt jedoch bei diesem Werk zu beachten, daß es, wie schon der Titel besagt, nicht als Wörterbuch, sondern als Vokabular verstanden werden will, das „die Arbeit mit der Septuaginta erleichtern [soll]“, deren Lektüre „[z]um Verständnis des neutestamentlichen Griechisch gehört“ (V); daher wird „in der Regel nur die Grundbedeutung“ (IX) angegeben (nach den Wörterbüchern von Pape, Liddell/Scott, Bauer), aber (ebd.): „Die spezielle Bedeutung ist in jedem Fall der Intention des Textzusammenhangs zu entnehmen.“ 15  Die beiden Verben stehen stilgemäß im gnomischen Aorist (vgl. F. Blass/​A. Debrunner/​ F.  Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 141975 [=  182001], § 333.1), daher sind sie hier präsentisch wiedergegeben. Dieses Sprichwort ist auch in Jer 38[31],29 angeführt. 16 Zu dieser Bedeutung von παραβολή vgl. im NT Lk 4,23 („Arzt, heile dich selbst!“).

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soll: Ez 17,2; 20,49[21,5]; 24,3. Deren Wortlaut ist jeweils im Kontext danach (Ez 17,3–10; 24,3–14) bzw. davor (Ez 20,45–48[21,1–4]) angeführt. In diesen Fällen ist die Übersetzung von παραβολή mit „Gleichnis“ treffend, wenn man dies nicht im engeren Sinne als Erzählform versteht, sondern auch das Bildwort dazurechnet.17 Eine bildhafte Erzählung mit Vergangenheitstempora liegt nur in Ez 17,3–10 vor, was in der Ankündigung Ez 17,2 durch das Stichwort διήγημα (verstärkt durch eine figura etymologica) explizit benannt wird: διήγησαι διήγημα καὶ εἰπὸν παραβολήν „erzähle eine Erzählung und sprich ein Gleichnis“. In der Ankündigung Ez 24,3 heißt es lediglich εἰπὸν … παραβολήν „sprich ein Gleichnis“, und hier beginnt das Bildwort als makabre Kochanleitung mit Imperativformen (V. 3–5), gefolgt von im Bild bleibenden Gerichtsworten, die mit Aorist‑ und Perfektformen beginnen (V. 6–7) und dann über Infinitive (V. 8) schließlich in Futurformen münden (V. 9–14). Auch in Ez 20,45–48[21,1–4] dominieren, nach einem einleitenden Verb im Präsens (ἀνάπτω … πῦρ „ich zünde ein Feuer an“), die Futurformen; dieses Bildwort wird erst im nachhinein als παραβολή charakterisiert, allerdings in Form einer Frage, die der Prophet seinen künftigen Hörern in den Mund legt: Οὐχὶ παραβολή ἐστιν λεγομένη αὕτη; „Ist dies, was gesagt wird, nicht ein Gleichnis?“. – Ein in Hab 2,6 angeführter Weheruf gegen einen Räuber („Wehe – der bei sich anhäuft, was ihm nicht gehört – wie lange noch? …“) wird außer mit παραβολή noch mit dem verwandten Wort πρόβλημα in Verbindung mit διήγησις eingeleitet: οὐχὶ ταῦτα πάντα παραβολὴν κατ ’ αὐτοῦ λήμψονται καὶ πρόβλημα εἰς διήγησιν αὐτοῦ; „Wird man nicht in Hinsicht auf all diese Dinge [vgl. V. 5] einen (bösen) Spruch gegen ihn anstimmen und ein Rätsel als Erzählung von ihm?“ Wenn auch die Übersetzung dieses Satzes aus semantischen und syntaktischen Gründen schwierig ist18, scheint mir doch die Bedeutung von παραβολή im Kontext soweit deutlich zu sein, daß es sich um einen negativ konnotierten Spruch handelt, der gegen (κατά) jemanden gerichtet ist. Allerdings wäre die Bezeichnung „Spott“, die sich bei Wackernagel als Kategorie findet, wegen der Form als Weheruf hier nicht passend, daher die allgemeinere Wiedergabe mit „(böser) Spruch“. Die Verbindung mit dem Verb λαμβάνω, hier „(in den Mund) nehmen“ = „anstimmen“, findet sich auch in Mi 2,4 (mit der Präposition ἐπί „über“), anscheinend in einer ganz analogen Bedeutung: ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ λημφθήσεται ἐφ’ ὑμᾶς παραβολή, καὶ θρηνηθήσεται θρῆνος ἐν μέλει „An jenem Tage wird über euch ein (böser) Spruch angestimmt werden, und eine Klage wird gesungen werden in einem Lied“. Der unmittelbar danach angeführte Satz Ταλαιπωρίᾳ ἐταλαιπωρήσαμεν „In tiefe Not sind wir geraten“ (figura etymologica) illustriert das an zweiter Stelle genannte Klagelied, nicht die παραβολή (schon 17 Dies entspricht bei differenzierter Betrachtung auch dem Befund in den synoptischen Evangelien; s. G. Haufe, Art. παραβολή, EWNT 3 (1983), 35–38, hier 36 s. v. 2. 18  Vgl. LXX.D: „Wird man dies alles nicht als ein Gleichnis gegen ihn auffassen und als Vorwand zum Gerede über ihn?“ – NETS: „Shall not all these things take up a parable against him and a riddle as a narrative of him?“

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wegen der Formulierung in der 1. Person). Angesichts der eben besprochenen bildhaften Gerichtsworte bei Ezechiel (Ez 17,2; 20,49[21,5]; 24,3) könnte παραβολή in Mi 2,4 aber auch als „Gleichnis“ verstanden werden: „An jenem Tage wird über euch ein Gleichnis angestimmt werden, und eine Klage wird gesungen werden in einem Lied“. Von hier fällt auch ein Licht auf Ez 19,14, wo ebenfalls παραβολή und θρῆνος zusammen begegnen und der ganze Kontext Ez 19,1–14 ein Gleichnis darstellt (sogar im Erzähltempus Aorist), dessen Resümee lautet: φυλὴ εἰς παραβολὴν θρήνου ἐστὶν καὶ ἔσται εἰς θρῆνον „Ein (Volks‑)Stamm ist zum Gleichnis einer Klage geworden, und er wird zur Klage werden“. – In DanLXX 12,8 findet sich die Doppelfrage Κύριε, τίς ἡ λύσις τοῦ λόγου τούτου, καὶ τίνος αἱ παραβολαὶ αὗται; „Herr, was ist die Auflösung dieses Wortes, und wofür (stehen) diese Bildworte?“ Dabei bezieht sich „dieses Wort“ (Singular!) vermutlich auf die unmittelbar vorangehende rätselhafte Ankündigung des Engels in V. 7, während sich „diese Bildworte“ entweder auf die zuletzt von Daniel gesehenen und gehörten Dinge in V. 5–7 oder (wahrscheinlicher) auf die in Dan 11,1 begonnene letzte Vision oder sogar auf alle Visionen des Buches, das Daniel nach Dan 12,4.9 bis zur Zeit des Endes versiegeln soll, bezieht. Ein schwieriger Fall ist 2 Kgt [2 Sam] 23,3, wo bereits die Verwendung von παραβολή auf einem Mißverständnis des Übersetzers beruht19 und dann noch textkritische und syntaktische Probleme hinzukommen. Gehen wir von der Textfassung in der Ausgabe von Rahlfs20 aus, so folgt wahrscheinlich auf die von Gott an David gerichtete Aufforderung Παραβολὴν εἰπόν die Anführung dessen, was gesprochen werden soll. Dies wäre minimal die letzte Zeile von V. 3, also Ἐν ἀνθρώπῳ πῶς κραταιώσητε φόβον θεοῦ; „Wie wollt ihr beim Menschen/durch einen Menschen die Gottesfurcht stärken/stark werden lassen?“21 Das klingt zunächst nach einem weisheitlich geprägten Ausspruch; dann könnte man Παραβολὴν εἰπόν übersetzen mit „Sprich ein Weisheitswort!“22 Es empfiehlt sich jedoch, die Fort19  Der MT hat hier zweimal das Verb ‫משל‬ ׁ  II „herrschen“. Der Übersetzer nimmt offenbar an, es läge einmal ‫משל‬ ׁ  I und einmal ‫משל‬ ׁ  II vor, gibt ersteres mit εἰπεῖν παραβολήν, letzteres mit κραταιοῦν wieder und ordnet die Worte syntaktisch anders zu; vgl. LXX.D.EK 1, 893 (S. Kreuzer/M. Meiser). 20 Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, ed. A.  Rahlfs, 2 Bde., Stuttgart 1935 (Nachdruck in einem Band 1979; Editio altera, durchges. v. R. Hanhart, 2006). Bis auf eine Textvariante übereinstimmend: The Old Testament in Greek according to the Septuagint, ed. H. B. Swete, 3 Bde., Cambridge 1887–1894 (third edition 1901–1907). Hingegen bietet L. C. L. Brenton, The Septuagint With Apocrypha, Greek and English, 2 Bde., London 1851 (Nachdruck in einem Band Peabody 1986 u. ö.), durch andere Interpunktion und Akzentsetzung eine stark abweichende Textfassung und dementsprechend auch Übersetzung (letztere findet sich in BibleWorks). 21  Statt φόβον θεοῦ gibt es die Varianten φόβον κυρίου (Cod. A u. a.) und φόβον χριστοῦ (Cod. B u. a.). 22 Vgl. LXX.D: „Sage ein Wort der Weisheit. Wie wollt ihr unter den Menschen Gottesfurcht stark werden lassen?“ Durch das Setzen von Anführungszeichen wird genau dieser Abschnitt als Rede Gottes definiert; ab V. 4 liegt dann laut LXX.D wieder Davids eigene Formulierung vor.

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setzung V. 4–7 noch zur angeführten παραβολή hinzuzurechnen23; hier wird der Bund Gottes mit David mit dem Licht der aufgehenden Sonne verglichen (V. 5 οὕτως) und am Ende seinen Feinden, die „wie eine weggeworfene Distel“ (V. 6 ὥσπερ ἄκανθα ἐξωσμένη) sind, das Gericht „mit Feuer“ (V. 7 ἐν πυρί) angekündigt. Das erinnert nun eher an die bildhafte Sprache, die uns oben bei Ezechiel begegnet ist, und bei dieser Zuordnung ist Παραβολὴν εἰπόν wie in Ez 17,2; 24,3 zu übersetzen mit „Sprich ein Gleichnis!“24 Als Grenzfall kann 3 Kgt [1 Kön] 5,12 angesehen werden: Im Kontext der Schilderung von Salomos außerordentlicher Weisheit (5,9–14) werden ihm hier 3000 Sprüche (παραβολαί) und 5000 Lieder (ᾠδαί) zugeschrieben. Diese werden an dieser Stelle zwar nur benannt, aber offenkundig als bekannt vorausgesetzt; es handelt sich um weisheitliche Sinnsprüche, wie sie im Buch der Sprüche (Proverbien) gesammelt sind (also die Kategorie „Gnome“ bei Wackernagel). In den übrigen 22 Fällen, in denen παραβολή in der Septuaginta vorkommt, muß die Bedeutung aus dem Kontext entnommen werden. Eindeutig negativ konnotiert sind Dtn 28,37; 2 Chr 7,20; Tob 3,4 (beide Fassungen); Ps 43[44],15; 68[69],12; Weish 5,4; Jer 24,9. Das semantische Feld wird hier im unmittelbaren Kontext durch weitere Begriffe mit entsprechender Konnotation näher bestimmt, v. a. ὀνειδισμός bzw. ὄνειδος „Schmach, Schmähung“ (Tob 3,4; Ps 43[44],14; 68[69],11; Weish 5,4; Jer 24,9) und διήγημα „Erzählung“ (Dtn 28,37; 2 Chr 7,20; zur negativen Konnotation neben παραβολή vgl. oben Ez 17,2 sowie mit διήγησις Hab 2,6)25. An diesen Stellen ist inhaltlich zunächst an Wackernagels Kategorie „Gerede, Gespött“ bzw. „Gegenstand des Spottes“ zu denken  – aber ist sie auch für die konkrete Übersetzung geeignet? Am besten gelingt dies wohl in der Aufzählung in Jer 24,9: ἔσονται εἰς ὀνειδισμὸν καὶ εἰς παραβολὴν καὶ εἰς μῖσος καὶ εἰς κατάραν, wo alle vier Begriffe das Objekt, den Gegenstand von etwas bezeichnen: „sie werden zum Gegenstand der Schmach, des Spottes, des Hasses und des Fluches werden“. Ähnlich in Ps 43[44],15, wo die Parallelbegriffe in V. 14 vorangehen: ἔθου ἡμᾶς ὄνειδος τοῖς γείτοσιν ἡμῶν, μυκτηρισμὸν καὶ καταγέλωτα τοῖς κύκλῳ ἡμῶν „du hast uns zum Gegenstand der Schmach für unsere Nachbarn gemacht, zum Gegenstand des Hohns und des Gelächters für die, die rings um uns sind“; darauf folgt V. 15: ἔθου ἡμᾶς εἰς παραβολὴν ἐν τοῖς ἔθνεσιν, κίνησιν κεφαλῆς ἐν τοῖς λαοῖς „du hast uns zum Gegenstand des Spottes bei den Völkerschaften gemacht, zum Gegenstand des Kopfschüttelns bei den Völkern“. Auch in Ps 68[69],12 kann man καὶ ἐγενόμην αὐτοῖς εἰς παραβολήν übersetzen „und ich wurde für sie zum Gegenstand des Spottes“, auch wenn in V. 11 ὀνειδισμός nicht in paralleler Verwendung vorangeht (καὶ ἐγενήθη εἰς ὀνειδισμὸν ἐμοί „und es wurde mir zur Schmähung“). Nimmt man in Dtn 28,37 und 2 Chr 7,20 23 Zu

beachten ist die formale Anknüpfung von καὶ ἐν θεῷ (V. 4) an Ἐν ἀνθρώπῳ (V. 3c).  Vgl. NETS: „Speak a parable.“ 25  Das in der LXX seltene Wort διήγημα (6mal) ist in 2 Makk 2,24 neutral und in Sir 8,8 f. positiv konnotiert, διήγησις (12mal) meist neutral. 24

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den Parallelbegriff διήγημα als „Gegenstand der Erzählung“, paßt für παραβολή ebenfalls „Gegenstand des Spottes“. Allerdings ist bei 2 Chr 7,20 das Verb δίδωμι verwendet, so daß wohl „preisgeben zum Spott und zur Erzählung“ die bessere Wiedergabe ist; dies gilt auch für TobS 3,4 (ἔδωκας ἡμᾶς εἰς ἁρπαγὴν καὶ αἰχμαλωσίαν καὶ θάνατον καὶ εἰς παραβολὴν καὶ λάλημα καὶ ὀνειδισμὸν ἐν πᾶσιν τοῖς ἔθνεσιν „du hast uns preisgegeben zu Plünderung und Gefangenschaft und Tod und zu Spott und Gerede und Schmähung bei allen Völkerschaften“). Nur bei der zweimal vorkommenden Genitiv-Verbindung παραβολὴ ὀνειδισμοῦ (TobBA 3,4; Weish 5,4) scheint dieses Muster nicht zu passen: „Spott der Schmähung“ oder „Spott der Schmach“ wäre sinnlos, und „Gegenstand des Spottes“ gefolgt von einem weiteren Genitiv erst recht. Freilich liegt hier wohl ein Hebraismus vor, der sog. „Genitivus qualitatis“, bei dem der Genitiv anstelle eines Adjektivs verwendet wird, wie es im Hebräischen geläufig ist; somit ist zu übersetzen: „schmähender Spott“.26 Die bisher noch nicht besprochenen Stellen weisen alle eine weisheitliche Konnotation auf. Das Buch der Sprüche Salomos beginnt mit einer Art Motto, in dem Gattung und Nutzen der Sammlung benannt werden (Spr 1,1–6). Während im MT der Terminus ‫ ָמ ׁ ָשל‬in beiden Rahmenversen erscheint, differenziert die griechische Übersetzung zwischen παροιμία in V. 1 und παραβολή in V. 6, wobei der erstere wohl als allgemeinerer („Spruch, Sprichwort“), der letztere als speziellerer Begriff („Sinnspruch, Gnome“) zu verstehen ist: Die Sammlung wird definiert als „Sprichwörter/Sprüche Salomos“ (παροιμίαι Σαλωμῶντος, V. 1), ihr Nutzen für den Schüler der Weisheit aber besteht darin, „daß er Sinnspruch und dunkles Wort und Reden von Weisen und Rätsel verstehe“ (νοήσει τε παραβολὴν καὶ σκοτεινὸν λόγον ῥήσεις τε σοφῶν καὶ αἰνίγματα, V. 6). Die hier vorliegende Verbindung der παραβολή als „Sinnspruch“ mit dem „Rätsel“, die beide mit Hilfe der Weisheit verstanden werden sollen, begegnet auch in Ps 48[49],5 und Ps 77[78],2, nur daß hier das griechische Wort πρόβλημα für „Rätsel“ verwendet wird (zum weisheitlichen Kontext s. Ps 48[49],4 und Ps 77[78],3). Auch im Buch Ekklesiastes (Prediger Salomo), wo das Wort παραβολή nur im Plural vorkommt, ist es auf Sprüche bezogen, wie sie König Salomo zugeschrieben werden, also ebenfalls in der Bedeutung „Sinnspruch, Gnome“ verwendet (vgl. oben 3 Kgt [1 Kön] 5,12). Pred 1,17 lautet (stark abweichend vom MT27): καὶ ἔδωκα καρδίαν μου τοῦ γνῶναι σοφίαν καὶ γνῶσιν, παραβολὰς καὶ ἐπιστήμην ἔγνων „Und ich richtete 26  Vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik (s. Anm. 15), § 165.1 (vgl. auch § 4.2 zur Verwendung im NT als „Septuagintismus“, z. B. Lk 16,9 ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας „der ungerechte Mammon“). Erwägen könnte man auch einen Genitivus appositivus bzw. epexegeticus (vgl. a. a. O., § 167.2): „Spott, der in einer Schmähung besteht“. – Die von mir zeitweilig favorisierte Wiedergabe „Sinnbild der Schmach“ scheitert daran, daß sie die Person selbst bezeichnet, während die Parallelbegriffe Dinge bezeichnen, die ihr von außen widerfahren (TobBA 3,4: εἰς διαρπαγὴν καὶ αἰχμαλωσίαν καὶ θάνατον „zu Plünderung und Gefangenschaft und Tod“; Weish 5,4: εἰς γέλωτα „zum Gelächter“). 27 Dazu s. o. I.

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mein Herz darauf, zu erkennen Weisheit und Erkenntnis; Sprüche und Einsicht erkannte ich“. In Pred 12,9 heißt es: οὖς ἐξιχνιάσεται κόσμιον παραβολῶν „ein Ohr wird die Ordnung der Sprüche erforschen“ (leicht abweichend vom MT, wonach Salomo „viele Sprüche formte/gestaltete“).28 Somit bleiben noch die neun Stellen im Buch Sirach zu betrachten. Hier kommt παραβολή fünfmal in Genitiv-Verbindungen vor (Sir 1,25; 47,15 als Grundwort; Sir 13,26; 39,2.3 als Attribut) und begegnet je zweimal zusammen mit αἴνιγμα (Sir 39,3; 47,15) und παροιμία (Sir 39,3; 47,17). Überblickt man den Gesamtbefund, zeigt sich überall die Bedeutung „Spruch“ im Sinne von „Sinnspruch, Gnome“. Gehen wir die Stellen der Reihe nach durch: Sir 1,25: Ἐν θησαυροῖς σοφίας παραβολαὶ ἐπιστήμης „In den Schatzkammern der Weisheit (liegen) Sinnsprüche der Einsicht“ (oder „einsichtsvolle Sinnsprüche“ bei Verständnis als Genitivus qualitatis).29 Sir 3,29: καρδία συνετοῦ διανοηθήσεται παραβολήν „Das Herz des Verständigen wird den Sinnspruch bedenken“. Sir 13,26: εὕρεσις παραβολῶν διαλογισμοὶ μετὰ κόπων „das Auffinden von Sinnsprüchen (erfordert) mühsames Nachdenken“. Sir 20,20: ἀπὸ στόματος μωροῦ ἀποδοκιμασθήσεται παραβολή· οὐ γὰρ μὴ εἴπῃ αὐτὴν ἐν καιρῷ αὐτῆς „Ein Sinnspruch aus dem Mund eines Toren wird verworfen30, denn er sagt ihn gewiß nicht zur rechten Zeit“. Sir 38,33[34] über Handwerker: οὐδὲ μὴ ἐκφάνωσιν παιδείαν καὶ κρίμα καὶ ἐν παραβολαῖς οὐχ εὑρεθήσονται „auch offenbaren sie gewiß nicht Bildung und Urteil, und bei Sinnsprüchen trifft man sie nicht an“. Sir 39,2–3 über den, der sich dem Nachdenken über das Gesetz des Höchsten hingibt: (2) διήγησιν ἀνδρῶν ὀνομαστῶν συντηρήσει καὶ ἐν στροφαῖς παραβολῶν συνεισελεύσεται „Er bewahrt die Erzählung von berühmten Männern, und in die Wendungen von Sinnsprüchen dringt er ein.“ (3) ἀπόκρυφα παροιμιῶν ἐκζητήσει καὶ ἐν αἰνίγμασι παραβολῶν ἀναστραφήσεται „Die Geheimnisse der Sprichwörter erforscht er, und mit den Rätseln der Sinnsprüche beschäftigt er sich.“ Sir 47,15 über Salomo: γῆν ἐπεκάλυψεν ἡ ψυχή σου, καὶ ἐνέπλησας ἐν παραβολαῖς αἰνιγμάτων „Deine Seele bedeckte die Erde, und du erfülltest (sie) mit rätselhaften Sinnsprüchen“ (Genitivus qualitatis). Sir 47,17 über Salomo: ἐν ᾠδαῖς καὶ παροιμίαις καὶ παραβολαῖς καὶ ἐν ἑρμηνείαις ἀπεθαύμασάν σε χῶραι „wegen der Lieder 28 Das hier nach LXX.D mit „Ordnung“ übersetzte Wort κόσμιον (NETS: „arrangement“), das auch „Schmuck“ heißen kann (vgl. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch [s. Anm. 7], Bd. 1, 1491 s. v.), bezieht sich wohl auf die angemessene rhetorische Gestaltung, die in maßvoller Weise von den Mitteln des Redeschmucks (lateinisch ornatus oder exornatio) Gebrauch macht. LXX.D gibt als Alternative an: „ein Ohr wird die Schönheit der Sprüche erforschen“; vgl. dazu LXX.D.EK 2, 2027 (K. Backhaus). 29  Während die Ausgabe von Rahlfs mit der Mehrheit der Textzeugen den Plural παραβολαὶ ἐπιστήμης bietet, liest die Göttinger Septuaginta (Sapientia Jesu Filii Sirach [Septuaginta XII,2], ed. J. Ziegler Göttingen 1965, durchges. 2. Aufl. 1980) den Singular παραβολὴ ἐπιστήμης, der in den Handschriften B, A und C bezeugt ist. Dies wäre zu übersetzen „In den Schatzkammern der Weisheit gibt es (manchen) einsichtsvollen Sinnspruch“. 30  Hier und in den drei folgenden Fällen (Sir 38,33[34]; 39,2–3) liegt im Griechischen ein gnomisches Futur vor (vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik [s. Anm. 15], § 349.1), das daher präsentisch wiedergegeben wird (wäre auch Sir 3,29 möglich).

Zur Verwendung von παραβολή in der Septuaginta

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und Sprichwörter und Sinnsprüche und wegen (ihrer) Deutungen erstaunten die Länder über dich“.31 An den zwei Stellen, an denen παραβολή mit παροιμία zusammen vorkommt, liegt einmal (Sir 39,3) ein synonymer Parallelismus und einmal (Sir 47,17) Plerophorie des Ausdrucks vor; eine sachliche Differenzierung, wie sie oben für Spr 1,1.6 festgestellt wurde, kann, aber muß nicht angenommen werden. Zusätzlich zu diesen neun Stellen im Text begegnet παραβολή noch in einer wahrscheinlich später hinzugefügten Zwischenüberschrift vor Sir 20,27 in der Wendung Λόγοι παραβολῶν, die wohl einfach „Sprichwörter“ bedeuten soll.32 Nach dieser vollständigen Durchsicht und Diskussion aller Vorkommen von παραβολή in der Septuaginta kann nun der Ertrag in Form einer lexikalischen Auskunft unter Berücksichtigung aller Belege gegeben werden:

παραβολή Spruch: 1. orakelartiger Spruch: Num 23,7.18; 24,3.15.20.21.23. 2. Sprichwort, sprichwörtliche Redewendung: 1 Kgt [1 Sam] 10,12; 24,14; Ez 12,22 f.[3×]; 16,44; 18,2 f. 3. Sinnspruch, Gnome: 3 Kgt [1 Kön] 5,12; Ps 48[49],5; 77[78],2; Spr 1,6; Pred 1,17; 12,9; Sir 1,25; 3,29; 13,26; 20,20; 38,33[34]; 39,2 f.; 47,15.17; ferner Sir 20,27 tit. 4. (a) böser Spruch: Hab 2,6; (b) Spott: 2 Chr 7,20; TobBA 3,4; TobS 3,4; Weish 5,4; (c) Gegenstand des Spottes: Dtn 28,37; Ps 43[44],15; 68[69],12; Jer 24,9. 5. Gleichnis, Bildwort: 2 Kgt [2 Sam] 23,3; Mi 2,4; Ez 17,2; 19,14; 20,49 [21,5]; 24,3; DanLXX 12,8.

III. Verwandte Begriffe Als Gegenprobe und zur Vervollständigung des semantischen Feldes ist abschließend zu fragen, mit welchen griechischen Begriffen ‫ ָמ ׁ ָשל‬sonst noch wiedergegeben wird.33 Hier ist als erstes das Äquivalent παροιμία „Sprichwort“ zu nennen, das im Buch der Sprüche Salomos in Spr 1,1 und 26,7 sowie in der Buchüberschrift erscheint.34 Von den fünf Vorkommen im Buch Sirach (Sir 6,35; 8,8; 18,29; 39,3; 31 Zur

hebräischen Vorlage von Sir 47,17 s. u. III.  In der Ausgabe von Rahlfs findet sie sich nur im textkritischen Apparat (wie die entsprechenden Zwischenüberschriften vor Sir 18,30; 23,7; 24,1; 30,1.14.16; 32,1; 33,25; 44,1; 51,1), während die Göttinger Septuaginta (ed. Ziegler) sie im Text bietet. – Die Genitiv-Verbindung läßt sich am ehesten als Genitivus appositivus bzw. epexegeticus (vgl. Blass/Debrunner/ Rehkopf, Grammatik [s. Anm. 15], § 167.2) deuten: „Worte, die aus Sinnsprüchen bestehen“. 33 Hilfsmittel: Hatch/Redpath, Concordance (s. Anm. 1), Supplement, 248; korrigiert: Second Edition, Appendix 4, 298; vgl. auch T. Muraoka, A Greek ≈ Hebrew/Aramaic Twoway Index to the Septuagint, Leuven 2010, 267. 34  Zum Vergleich von παραβολή und παροιμία s. bes. Hatch, Essays in Biblical Greek (s. Anm. 9), 64–71; vgl. auch Wackernagel, parabola (s. Anm. 10), 265 f. Anm. 1. 32

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47,17) sind nur zwei Stellen auf hebräisch erhalten (SirAC 6,35; SirB 47,17), doch wird man auch an den drei anderen diese Äquivalenz vermuten dürfen. Besonders interessant ist Sir 47,17, wo παροιμία für ‫מש[ל‬ ׁ ] neben παραβολή für ‫חידה‬ vorkommt. Das Wort ‫ חיִ ָדה‬wird in der Septuaginta fast immer als „Rätsel“ verstanden und dementsprechend entweder mit αἴνιγμα (Num 12,8; 3 Kgt [1 Kön] 10,1; 2 Chr 9,1; Spr 1,6; DanLXX 8,23) oder mit πρόβλημα (Ri 14,12–19 [beide Fassungen]; Ps 48[49],5; 77[78],2; Hab 2,6; DanTh 8,23) übersetzt; nur bei den Propheten findet sich noch je einmal kontextbedingt die Wiedergabe διήγημα (Ez 17,2) und διήγησις (Hab 2,6), beides „Erzählung“. Viele dieser Stellen sind uns oben (s. o. II.) im selben Kontext mit παραβολή (als Äquivalent für ‫ ) ָמ ׁ ָשל‬begegnet. Wenn Sirach also ‫ חידה‬nicht als „Rätsel“ versteht, sondern praktisch als Synonym zu ‫משל‬ ׁ , ist dies zumindest bemerkenswert. Im Hiobbuch kommt an drei Stellen das Wort προοίμιον „Vorrede“ als (tatsächliches oder vermeintliches) Äquivalent für ‫ ָמ ׁ ָשל‬vor: Hiob 25,2; 27,1; 29,1. Im ersten Fall (Hiob 25,2) liegt eine Fehldeutung des Infinitivus absolutus Hiphil von ‫משל‬ ׁ  II „herrschen“ durch den Übersetzer vor, der hier offenbar das Substantiv ‫ ָמ ׁ ָשל‬mit dem Fragepronomen ‫ ה‬gelesen hat.35 An allen drei Stellen erscheint zudem der Ausdruck προοίμιον „Vorrede“ (oder allenfalls „Hymnus“) im Kontext nicht recht passend36; vielleicht hat der Übersetzer oder ein früher Abschreiber ihn lediglich mit παροιμία verwechselt37. In 3 Kgt [1 Kön] 9,7 und Ez 14,8 wird ‫ ָמ ׁ ָשל‬mit ἀφανισμός „Vernichtung“ wiedergegeben; der hebräische Wortlaut ist hier sehr ähnlich wie in Dtn 28,37; 2 Chr 7,20; Ps 43[44],15; 68[69],12; Jer 24,9, wo jeweils παραβολή i. S. v. „Spott/ Gegenstand des Spottes“ als Äquivalent gewählt wurde (s. o. II.). Vereinzelte Wiedergaben sind θρῆνος „Klage“ in Jes 14,4 (zum Kontext vgl. Mi 2,4; Ez 19,14) und ἔπος „Wort“ in Sir 44,5 (hebräisch in SirBM 44,5). Ebenfalls singulär, aber zudem textkritisch unsicher ist die Bezeichnung αἱ παιδεῖαι Σαλωμῶντος „die Unterweisungen Salomos“ in Spr 25,1 (B, S* und die meisten Minuskeln) anstatt αἱ παροιμίαι Σαλωμῶντος „die Sprüche Salomos“ (A, Sc).38 Und schließlich ist die Wiedergabe von ‫ ָמ ׁ ָשל‬mit dem Adjektiv ἴσος „gleich“ in Hiob 13,12 kontextbedingt so frei, daß man kaum noch von einem „Äquivalent“ sprechen kann39: Während der MT lautet „eure Merksätze sind Sprüche von Asche“, hat die Septuaginta „euer Stolz wird vergehen gleich der Asche“ (ἀποβήσεται δὲ ὑμῶν τὸ ἀγαυρίαμα ἴσα σποδῷ).

 Vgl. LXX.D.EK 2, 2101 (M. Witte/M. Kepper). LXX.D.EK 2, 2102 f. (M. Witte/M. Kepper). 37  So Hatch, Essays in Biblical Greek (s. Anm. 9), 65. 38  Vgl. Hatch, Essays in Biblical Greek (s. Anm. 9), 65 f., der noch auf den eindeutigen Schreibfehler παρανομίαν (B, S, A) statt παροιμίαν (mss. 68, 248, 253) in Spr 26,7 hinweist. 39 Vgl. Hatch, Essays in Biblical Greek (s. Anm. 9), 65. 35

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Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)? Über Sinn und Hintergründe eines frühjüdischen Bildworts Jan Dochhorn Abstract: Apocalypse of Moses 23.1 narrates that God when Adam and Eve hid in the paradise said to Adam that a house would not hide from its builder. The parabolic sentence used here does not primarily explain the comparably clear thought (i. e. the creator knows about his creature). It rather attracts curiosity by not matching the requirements of figurative language (houses looking for a shady place in order to make themselves invisible lack metaphorical plausibility). I suggest that this bildwort was designated and also understood by ancient readers as a reference to biblical knowlegde: the biblical story about the creation of the woman which was built from Adam‘s rib. It indicates that like Eve also Adam is a “building” being a creature not essentially different from her. Using figurative language in an intentionally arkward way this bildwort functions like a kenning in Old Islandic literature: it points to background knowledge discernible for the expert reader. Parabolic language works here in an esoteric rather than exoteric manner thus constituting a parallel to the Markan parable theory.

Bildhafte Rede und Gleichnisse finden in der Literatur des vorrabbinischen Antiken Judentums vielfach Verwendung. Hierzu wäre eine umfängliche Darstellung nötig, die hier nicht geleistet werden kann. Man könnte einen eigenen Artikel darauf verwenden, wie im vierten Esrabuch Vision und Bildrede ineinander übergehen (wie schon in der älteren prophetischen Literatur Israels), was hier gleichfalls unterbleiben soll. Es könnte auch demonstriert werden, wie im Testament Hiobs (speziell Test Hiob 33) eine axiologische Eschatologie sich in doppelbödiger Rede manifestiert, anhand derer man schon ins Nachdenken kommen kann, was wirklich ist und was nicht (sitzt Hiob jetzt auf einem Dunghaufen mit Würmern, die ihm aus dem Körper fallen, oder als Herrscher eines himmlischen Landes zur Rechten des Vaters?). In beiden Fällen haben wir es mit tropischer Sprache zu tun, die mit dem, was wir vom Neuen Testament kennen (nicht zuletzt auch in johanneischer Literatur), auf hier nicht zu klärende ­Weise verwandt ist. Schließlich könnte man auch zu ermitteln versuchen, wie antik-

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jüdische Bild‑ und Gleichnisrede mit späterer (?) rabbinischer Tradition zusammenhängt.1 Im vorliegenden Artikel soll es bei einer Fallstudie bleiben. Gegenstand soll ein Bildwort aus der Apokalypse des Mose (Apc Mos) sein. Die Apc Mos ist eine auf griechisch verfasste Erzählung vom Ergehen Adams und Evas nach deren Vertreibung aus dem Paradies, die ich aufgrund eines Rezeptionszeugnisses in einem Fragment der Assumptio Mosis und der meines Erachtens gesicherten Abhängigkeit des Paulus von diesem Text kurz vor der Zeitenwende datiere – mit Palästina als Entstehungsort.2 Ein Kernstück der Apc Mos ist die Erzählung Evas über die Vorfälle im Paradies (Apc Mos 15–30), die im Wesentlichen eine Nacherzählung von Gen 3 darstellt, in der allerdings der biblische Text erheblich transformiert erscheint. Ich habe nachgewiesen, dass die Transformationen auf exegetischen Beobachtungen am Bibeltext beruhen, in der Regel am hebräischen Bibeltext, ein Phänomen, das sich auch in den anderen Erzählungen der Apc Mos findet.3 Die Erzählung Evas in Apc Mos 15–30 gehört zum ältesten Stratum der Apc Mos; andere Erzählungen der Apc Mos sowie der von der Apc Mos abhängigen Vita Adae et Evae (Vit Ad) greifen mehrfach auf diese Geschichte zurück.4 Für die ursprünglichen Leser der Apc Mos und der Vit Ad ist anzunehmen, dass sie als Kenner der in Apc Mos 15–30 niedergelegten Paradiesgeschichte gedacht sind. Relativ wenig transformiert erscheint das Gespräch zwischen Gott, Adam und Eva, das sich unmittelbar mit dem Eintritt Gottes ins Paradies und vor den Strafurteilen Gottes ereignet (Apc Mos 23). In der biblischen Geschichte findet sich dieses in Gen 3,9–13: Gott fragt dem Schrifttext zufolge Adam, wo er sei. Adam begründet, dass er sich versteckt habe, mit seiner Nacktheit (3,10). Gott erschließt aus dieser Antwort, dass Adam sein Gebot übertreten habe (3,11). Adam 1 Zu den rabbinischen Gleichnissen vgl. C. Thoma/S. Lauer/ H. Ernst, Die Gleichnisse der Rabbinen (JudChr 10; 13; 16; 18), Berlin u. a. 1986–2000. Eine Sammlung rabbinischer Parallelen zu neutestamentlichen Gleichnissen findet sich bei R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition (FRLANT 29), Göttingen 91979 (1921), 218–219. 2  Vgl. J. Dochhorn, Die Adamdiegesen und das Neue Testament, in: F. Amsler/A. Frey/ J.-D. Kaestli u. a. (Hg.), La Vie d’Adam et Éve et les traditions adamiques. Actes du quatrième colloque international sur les littératures apocryphes juive et chrétienne, Lausanne – Genève 7–10 janvier 2014, Lausanne 2017, 57–75. Eine umfänglichere Studie zu Paulus, der Apc Mos und dem palästinischen Judentum ist in Arbeit. Meine frühe Datierung der Apc Mos hat forschungsgeschichtlich Vorläufer, vgl. R. Kabisch, Die Entstehungszeit der Apokalypse Mose, ZNW 6 (1905), 109–134, der annimmt, dass die Apc Mos vor dem 4 Esra, wenigstens vor dessen jüngsten Bestandteilen liege, so dass deren „Legenden“ schon im ersten christlichen Jahrhundert ausgebildet gewesen seien (es deutet sich hier eine überlieferungskritische Sichtweise an: die Apc Mos als Sammlung von „Legenden“; ich halte diese „Legenden“ für Literatenprodukte, postuliere aber, dass die Apc Mos schichtweise entstanden ist). 3 Zu den exegetischen Hintergründen von Apc Mos 15–30 vgl. J. Dochhorn, Die Apokalypse des Mose. Text, Übersetzung, Kommentar (TSAJ 106), Tübingen 2005, 286–436, zur Apc Mos als exegetischem Text vgl. a. a. O., 115–124. 4 Vgl. Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 124–138.

Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)?

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wälzt die Schuld auf seine Frau ab (3,12). Seine Frau wälzt sie auf die Schlange ab (3,13). In Apc Mos 23 steht nicht wesentlich anderes und nicht wesentlich mehr; schon vom Umfang her ähnelt der Text seiner Vorlage stärker als der Kontext in Apc Mos 15–30. Doch auch hier geschieht etwas mit dem Bibeltext. Eine der prominenten Neukreationen findet sich in der Eingangsfrage Gottes: Fragt Gott im Bibeltext Adam, wo er sei (Gen 3,9lxx: καὶ ἐκάλεσεν κύριος ὁ θεὸς τὸν Ἀδὰμ καὶ εἶπεν αὐτῷ· Ἀδάμ, ποῦ εἶ), lautet der Text in Apc Mos 23,1 folgendermaßen:5 a b c d

Καὶ ἐκάλεσεν ὁ θεὸς τὸν Ἀδὰμ λέγων· Ἀδάμ, ποῦ ἐκρύβης νομίζων, ὅτι οὐχ εὑρίσκω σε; Μὴ κρυβήσεται οἶκος τῷ οἰκοδομήσαντι αὐτόν;

a b c d

Gott rief Adam und sprach: „Adam, wo hast du dich versteckt? Glaubst du, ich fände dich nicht? Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken?“

Gott weiß ziemlich genau, was vorgeht: Er fragt nicht, wo Adam sei (so im Bibeltext), sondern, wo er sich versteckt habe; dass er und seine Frau sich versteckt haben, war vorher im Bibeltext genauso wie in der Apc Mos erzählt worden (Gen 3,8 // Apc Mos 22,2). Und er stellt heraus, dass es im Prinzip sinnlos sei, sich vor ihm, Gott, zu verstecken. Begründet wird dies mit einem Bildwort: „Wird sich etwa ein Haus vor seinem Erbauer verstecken?“ Dieses soll hier näher in den Blick genommen werden. Kaum einer Erörterung bedarf, was mit dem Bildwort gemeint ist: Gott hat Adam erschaffen, und sich vor seinem Schöpfer zu verbergen, bietet sich nicht an für ein Geschöpf. Dieser Gedanke ist im Grunde genommen einfach: Man kennt ihn etwa von Ps 139 her, wo er eindrücklich zu Worte gebracht erscheint; die meisten Menschen halten Psalm 139 für einen gelungenen Psalm. Er klingt hier nicht an, aber dennoch wird man wohl annehmen können: Es dürfte dem Leser die Vorstellung kaum Schwierigkeiten bereiten haben, dass Schöpfung Kenntnis des Schöpfers um sein Geschöpf, auch eine fortwährende Kenntnis, impliziert (im Sinne einer creatio continuans, wie man vielleicht unter Verwendung von quellenfremder Sprache konstatieren kann). Um diese Konzeption soll es hier auch gar nicht so sehr gehen; sie ist es nicht, was hier näher in Augenschein zu nehmen ist. Eher Schwierigkeiten bereitet das Bildwort, mit dem diese Konzeption hier illustriert wird. Dies scheint einigermaßen erstaunlich, sofern man erwartet, dass bildhafte Illustration, Gleichnisrede, eigentlich der Förderung des Verständnisses dienen soll. Hier aber ist das Abstrakte einfach, während das Bildelement der 5 Zu Text und Übersetzung vgl. Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 372. Meine Übersetzung habe ich leicht verändert.

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Rede Denkarbeit erfordert. Diese Denkarbeit besteht vor allem in der Irritation: Wie sinnvoll ist es, einem Haus die Tätigkeit des Versteckens zuzuordnen? Ein Haus begibt sich nicht so ohne Weiteres an ein schattiges Plätzchen, wo man es nicht sieht. Unauffindbar, zumindest temporär unauffindbar, mag eine Münze sein, weil sie klein ist (Lk 15,8–10), oder ein Schaf, weil es der Herde enträt (Lk 15,3–7 // Mt 18,12–14), aber was bringt es, dergleichen von einem Haus zu imaginieren? Und warum sollte der Erbauer eines Hauses nach einem Haus, das sich versteckt, einen solchen absurden Vorgang einmal vorausgesetzt, weniger angestrengt zu suchen haben als jemand anderes, der es nicht erbaut hat? Wir kommen hier nicht weiter: Das Bild, das hier gebraucht wird, ermangelt des Ebenmaßes; welche Muse auch immer für die Gestaltung von Metaphern zuständig ist, sie hat, wie es aussieht, geschlafen. Haben wir es hier mit einem misslungenen Text zu tun? Seine Leser scheinen anderer Meinung gewesen zu sein: Die Textüberlieferung ist einigermaßen stabil;6 auch die armenische Übersetzung der Apc Mos sowie die Vit Ad ändern überwiegend nichts Grundlegendes.7 Mehr aber noch zählt etwas anderes: Das Bildwort vom Haus hat fortgewirkt: Auch in der Erzählung Adams vom Sündenfall im Paradies, primär eine Ätiologie der Krankheit (Apc Mos 7–8), die wie andere Narrationen in Apc Mos 1–14 von Apc Mos 15–30 ab6 Es gibt in Apc Mos 23,1 insgesamt 7 Lemmata mit Variantenbildungen, was für die Apc Mos nicht ungewöhnlich ist. Für ποῦ ἐκρύβης etwa gibt es Varianten, die eine Angleichung an den Septuagintatext bezeugen, vgl. °23,1b bei Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 373. Statt νομίζων schreiben einige Zeugen νομίζεις, also etwa so, wie ich übersetzt habe (diese Variante hat aufgrund ihrer Bezeugung Chancen auf Ursprünglichkeit), vgl. a. a. O. °23,1d. Eine weitgehende Übernahme des Bibeltextes ist – eher schwach – in °23,1/2C bezeugt. Wichtig ist, dass gerade das Bildwort stabil überliefert ist: Die Varianten κρύβεται oder κρυβηθήσεται für κρυβήσεται (°23,1e), οἰκία für οἶκος (°23,1f) und αὐτῷ oder αὐτήν für αὐτόν (°23,1g) interessieren den Grammatiker (also in besonderem Maße auch mich), deuten aber keine Unsicherheit aufgrund der Bildsprache des Ausgangstextes an. 7 Die Apc Mos (arm) 23,1 ist folgendermaßen zu übersetzen: „Gott der Herr rief euren Vater Adam und sagte: ‚Adam, wo bist du, dich versteckend?‘ Und nun meinst du, indem du dich versteckst vor meinen allsehenden Augen, dass ich dich nicht zu finden vermöchte? Denn es verbirgt sich nicht ein Haus vor seinem Erbauer.“ (ետ ՏԷր Աստուած ձայն Հօր ձերում Ադամայ, և ասԷ։ Ադամ ո՞ւր ես Թաքուցեալ. և արդ կարծես զքեզ թաքուցեալ յամենատես աչաց իմոց, զի ոչ կարիցեմ գտանել զքեզ, քանզի ոչ թաքչի տուն ի շինողէ իւրմէ); vgl. S. Yovsêpheanch (Hg.), Ankanon girkh čhin ktakaranoy (Thangaran čhin eu nor naxneach 1), Venedig 1896, 11. Varianz des griechischen Prätextes wirkt nach, noch mehr ist Paraphrase zu konstatieren. Diese betrifft interessanterweise aber am wenigsten das Bildwort: Der Tempusunterschied ist kaum relevant, kann auch auf griechischer Überlieferung beruhen, vgl. κρύβεται in den Apc Mos (arm) nahestehenden Textzeugen P2-J2-J3; siehe dazu °23,1e bei Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 373. Vit Ad (arm.georg) haben das Bildwort ebenfalls kaum geändert, weisen aber zusätzlich darauf hin, dass Adam sich beim Lebensbaum oder Ölbaum des Paradieses versteckt habe. Vit Ad (lat) hat an der betreffenden Stelle erheblich gekürzt und bietet das Bildwort nicht, vgl. hierzu A. Frey/J.-D. Kaestli/B. Outtier/J.-P. Pettorelli, Synopsis Vitae Adae et Evae, in: J. P. Pettorelli, Vita latina Adae et Evae. Adiuvante et opus perficiente J. D. Kaestli (CCSA 18–19), Turnhout 2012, I, 743–905, speziell 856–857.

Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)?

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hängig ist,8 taucht es wieder auf, in leicht abgewandelter Form. Adam erzählt dort wie folgt (Apc Mos 8,1):9 a b c d

καὶ ἐκάλεσέ με (sc. ὁ θεὸς) φωνῇ φοβερᾷ λέγων· Ἀδάμ, ποῦ εἶ, καὶ ἵνα τί κρύβεσε10 ἀπὸ προσώπου μου; μὴ δυνήσεται κρυβῆναι οἰκία τῷ οἰκοδομήσαντι αὐτήν;

a b c d

(Gott) rief mich mit fürchterlicher Stimme: „Adam, wo bist du? Und weshalb versteckt ihr euch vor mir? Wird sich ein Haus vor seinem Erbauer etwa verstecken können?“

Etwas deutlicher tritt hervor, dass es für ein Haus nicht möglich ist, sich vor seinem Erbauer zu verstecken (ein expliziter Ausdruck für „können“ fehlt in Apc Mos 23,1). Auch ist der exegetische Anknüpfungspunkt besser erkennbar: Die biblische Frage Gottes: „Adam, wo bist du“ wird aufgenommen, und es wird dann – dem Anliegen von Apc Mos 23,1 entsprechend – vor Augen geführt, dass sie mit Unwissenheit nichts zu tun hat. Insgesamt aber haben wir hier das Gleiche wie in Apc Mos 15–30, eben das Bildwort vom Haus, das sich vor seinem Erbauer nicht verstecken wird bzw. verstecken kann. Was man ohne Weiteres als ein missratenes Bild bezeichnen kann, erweist sich im Kontext der Apc Mos offenbar als etwas anderes: als ein Aufhänger, der Texte miteinander korreliert, ein Link, das von einem jüngeren Text auf einen älteren verweist; wir haben es zu tun mit einem Leitmotiv von Intertextualität. Nicht missraten scheint dieses Bild gewesen zu sein in den Augen seiner ersten Produzenten und Rezipienten, sondern markant: etwas, das man wiedererkennt. Mag es den Geist beschäftigen, weil es stört, so bleibt es doch haften, weil es eben damit in den Geist hineingeht. Wir kennen vergleichbare Strategien aus uns kontemporären Zusammenhängen: Die Werbewirtschaft arbeitet gleichfalls mit der Memorierbarkeit des Anstößigen (der dümmste Anglizismus scheint noch für wirksam zu gelten),11 freilich auch mit dem guten Gedächtnis für Ebenmäßiges (schöne Gesichter); wann Ebenmäßiges aufgrund der Unauffälligkeit des Ebenmaßes vergessen und wann Anstößiges aufgrund seiner Störungsmomente ausgesondert wird, dürfte in einem solchen Kontext einigermaßen relevant sein. Hier kann nur geklärt  8 Vgl.

Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 238–240.  Zu Text und Übersetzung vgl. Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 230; die Übersetzung habe ich ein wenig verändert. 10 Die Überlieferung ist hier verderbt; ein θ muss ergänzt werden. Zu den verschiedenen Lesarten vgl. °8,1 f bei Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 233–234. 11  In Bamberg wirbt ein Werbeunternehmen für Plakatfläche mit dem Slogan „Miet me“. Ich habe ein Photo genommen, geradezu schon inspiriert durch die intellektuelle Reizlosigkeit dieses Satzes: Er ist bloßer Anglizismus, sonst nichts. Etwas anspruchsvoller sind schon Neologismen wie z. B. „Fairsicherung“, die ein semantisches Extra bieten, aber nicht unbedingt wirkungsvoller sein müssen.  9

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werden: In einem bestimmten antik-jüdischen Milieu und bei spätantiken und mittelalterlichen Rezipienten seiner Literatur hat das schiefe Bild von einem Haus, das sich nicht versteckt, gewirkt. Eine Gedächtnisspur ist – offensichtlich mit Erfolg – gelegt worden. Von einer Spur aber ist zu erwarten, dass sie auf etwas verweist: Was hat es mit diesem Aufmerksamkeitserreger, dem Bildwort von dem Haus und seinem Erbauer, auf sich? Anzunehmen ist, dass wir, angeregt durch die Anstößigkeit des Bildes, eben gerade der Bildhälfte des Bildwortes etwas Spezielles zu entnehmen haben, denn auf der Bildhälfte liegt diesmal die Überlast, nicht auf der vergleichbar einfachen Sachhälfte. Sehen wir uns also diese Bildhälfte etwas genauer an: Zwei imaginative Elemente sind konstitutiv für unser Bildwort, zunächst einmal die Bildsequenz vom Haus und seinem Erbauer und dann die vom Versteckspiel. Die zweite Sequenz, das sich versteckende Haus, ist dem Kontext geschuldet: Adam versteckt sich. Erklärungsbedürftig ist die andere Sequenz, die zum Versteckspiel so wenig passt: Warum muss Adam gerade hier als ein von seinem Erbauer gebautes Haus bezeichnet werden? Irgendetwas Besonderes scheint gerade in diesem Moment zu liegen. Wir haben es mit einer Schöpfungsaussage zu tun, speziell mit einer zur Erschaffung des Menschen. Gibt es in anthropogonischen Texten, die als bekannt vorauszusetzen sind, also speziell biblischen, irgendetwas, das der Hausmotivik entspricht? In der Tat können wir so etwas ausmachen, allerdings nicht im Zusammenhang mit der Erschaffung des Menschen überhaupt oder des ersten Menschen, sondern bei der Erschaffung der Frau: Von dieser heißt es in Gen 2,21–22lxx: 21 a Καὶ ἐπέβαλεν ὁ θεὸς ἔκστασιν ἐπὶ τὸν Ἀδάμ, καὶ ὕπνωσεν. b καὶ ἔλαβεν μίαν τῶν πλευρῶν αὐτοῦ c d καὶ ἀνεπλήρωσεν σάρκα ἀντ ’ αὐτῆς. 22 a καὶ ᾠκοδόμησεν κύριος ὁ θεὸς τὴν πλευράν, ἣν ἔλαβεν ἀπὸ τοῦ Ἀδάμ, εἰς γυναῖκα b καὶ ἤγαγεν αὐτὴν πρὸς Ἀδάμ. 21 a Und Gott legte ein Außersichsein auf Adam, b und der schlief ein. c Und Gott nahm eine von dessen Rippen d und füllte die Stelle mit Fleisch auf. 22 a Und Gott, der Herr, baute die Rippe, die er von Adam genommen hatte, zu einer Frau aus b und führte sie zu Adam.

Gott entnahm Adam (in der hebräischen Überlieferung: dem Menschen) eine seiner Rippen, füllte die Stelle mit Fleisch auf und baute aus der Rippe eine Frau. Das Wort für „bauen“ ist in der Septuaginta οἰκοδομεῖν; dieses findet sich auch in Apc Mos 23,1. Die hebräische Überlieferung zu Gen 2,21 hat die Wurzel ‫בנה‬ (bnh); die Metapher ist dort dieselbe.

Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)?

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Es scheint diese Stelle in der Schrift zu sein, die in unserem Bildwort alludiert wird, und zwar mit einigem Aufwand: Gerade durch Störmomente soll der Leser darauf verwiesen werden. Warum dieser Aufwand vonnöten ist, lässt sich erraten: Adam ist nicht Eva; der alludierte Text hat Momente des Unpassenden; man muss schon etwas unternehmen, um ihn gerade hier zu aktivieren. Was soll mit eben diesem Eva-Bezug in der Bildhälfte erreicht werden bzw. was sollen wir denken? Zwei Antworten bieten sich an, die einander eher ergänzen denn ausschließen: 1. Auch Eva versteckt sich; das ist in der Apokalypse des Mose nicht anders als in der biblischen Vorlage (vgl. Gen 3,8; Apc Mos 22,2). 2. Was für die Geschöpflichkeit Evas gilt, gilt auch für die Geschöpflichkeit Adams: Auch Adam ist erbaut. Was Gott mit der Rippe bei der Erschaffung Evas macht, ist prinzipiell nicht unterschieden von dem, was er mit dem Staub bei der Erschaffung Adams macht: Das Ausgangsmaterial (hier Rippe, da Staub) begründet keinen fundamentalen Unterschied und ändert nichts daran, dass beidesmal ein – hier im Wortsinne – konstruktiver (erbauender) Akt vorliegt. Was für Eva gilt, gilt auch für Adam. Wir haben es hier mit einer Grundformel zu tun, die auch anderswo in der Apokalypse des Mose produktiv ist, produktiv in dem Sinne, dass sie Narration über die Protoplasten generiert hat bzw. dabei half, dem (nicht sehr umfänglichen) Bibeltext Informationen gerade auch über Adam zu entnehmen. Ich habe anderenorts nachgewiesen, dass in der Apc Mos die Urteilssprüche über Adam einerseits und Eva andererseits (Apc Mos 24; 25) angereichert sind durch Links auf den jeweils anderen Urteilsspruch.12 Ich habe auch zeigen können, dass noch Paulus, der die Apc Mos kannte, nach diesem Muster Eva-Material auf Adam überträgt.13 Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Tendenz ist die Frage „Warum hast du das getan?“, die Gott in Apc Mos 39,1 angesichts von dessen Tod an Adam richtet, während im Bibeltext dies Gott nur zu Eva sagt (Gen 3,13); in dem etwa hundert Jahre später entstandenen vierten Esra-Buch ergeht eine ganz ähnliche Frage – von Seiten Esras – an Adam, vgl. 4 Esra (lat) 7,118: O tu quid fecisti, Adam? Adam ist, so wird man konkludieren dürfen, wie Eva erschaffen; hinsichtlich seiner Geschöpflichkeit hat er mit ihr zuallererst etwas gemeinsam: Er ist wie sie ein Gebäude. Aus dem Moment der Geschöpflichkeit resultiert, was relativ einfach als Sachhälfte des Bildes zu erschließen ist: Jegliche Annahme, die mit Unwissenheit Gottes hinsichtlich seines Geschöpfes rechnete, wäre verfehlt. Dies musste anhand der biblischen Frage Gottes an Adam, wo er denn sei, geklärt werden. Es liegt auf der Hand, dass dies nötig war: Auch ohne die Böswil-

12 Vgl.

Dochhorn, Apokalypse des Mose (s. Anm. 3), 380; 388–389; 400–401. J. Dochhorn, „Denn der Nichtigkeit ist die Schöpfung untergeordnet worden“ (Röm 8,20). Eine kosmologische Aussage des Paulus und ihre exegetischen Hintergründe, in: F. Wilk/M. Öhler (Hg.), Paulinische Schriftrezeption. Grundlagen  – Ausprägungen  – Wirkungen – Wertungen (FRLANT 268), Göttingen 2017, 59–80. 13 Vgl.

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ligkeit mancher Gnostiker14 konnte man diesen Text dahingehend verstehen, dass Gott nicht hinreichend Bescheid wusste. Zu vertiefen ist das hier nicht; Gegenstand dieses Artikels ist vielmehr die komplexe Lösung des Problems, speziell die damit verbundene metaphorische Arbeit. Und diese bestand darin, dass man einen Link schuf zu einem anderen biblischen Text, dem Bericht von der Erschaffung der Frau. Gen 2,21–22, speziell das Motiv von der zur Frau ausgebauten Rippe, ist also der im vorliegenden Fall im Wesentlichen bildgenerierende Faktor, zugleich derjenige Text bzw. Textbaustein, der für Störung, Aufmerksamkeitserregung sorgt. Dieses Potential scheint mit demselben Text bzw. Motiv auch sonst verbunden gewesen zu sein: Am Ende des vierten Makkabäerbuchs teilt die Mutter der sieben Söhne, die von Antiochus Epiphanes um ihrer jüdischen Identität willen getötet werden, Folgendes mit über ihre Person (4 Makk 18,7–9): 7 a … Ἐγὼ ἐγενήθην παρθένος ἁγνὴ b οὐδὲ ὑπερέβην πατρικὸν οἶκον, c ἐφύλασσον δὲ τὴν ᾠκοδομημένην πλευράν. 8 a οὐδὲ ἔφθειρέν με λυμεὼν ἐρημίας φθορεὺς ἐν πεδίῳ, b οὐδὲ ἐλυμήνατό μου τὰ ἁγνὰ τῆς παρθενίας λυμεὼν ἀπάτης ὄφις. 9 a ἔμεινα δὲ χρόνον ἀκμῆς σὺν ἀνδρί. 7 a Ich bin aufgewachsen als eine heiligmäßige Jungfrau. b Ich habe die Grenzen des väterlichen Hauses nicht überschritten, c sondern habe bewahrt die gebaute Seite. 8 a Nicht hat mich ein Schänder der Wüste verdorben, ein Verderber im Feld, b noch hat das Heiligmäßige meiner Jungfrauschaft ein Schänder geschändet, ein Verführer, eine Schlange. 9 a Ich war aber zur Zeit meiner Blüte zusammen mit einem Mann.

Hier bezeichnet sich die Mutter der sieben Söhne als eine „gebaute Seite“, deren Jungfräulichkeit sie gewahrt habe – bis zu ihrer Heirat. Als potentieller Gefährder der Jungfräulichkeit wird jemand genannt, der auch als Schlange bezeichnet wird  – die Paradiesszenerie wird aufgerufen. Auf diese verweist auch das Antonym „gebaute Seite“, das ähnlich stört wie ein sich versteckendes Haus; erneut fungiert ein Störelement als Intertextualitätsmarkeur: Die Mutter war vor ihrer Heirat Jungfrau, wie auch Eva es hätte sein sollen, die Gott aus einer Rippe/Seite Adams zur Frau gemacht hat. Ich habe diesen Text anderswo eingehend untersucht.15 Hier soll nur gezeigt werden, wie er verstörende 14  Vgl. TestVer, NHC IX p. 47,18–23: „Er (scil. Gott) sagte: ‚Adam, wo bist du?‘ Gott hatte keine Vorsehung, das heißt, er wusste nicht im voraus Bescheid“ (ⲡⲉϫⲁϥ ϫⲉ· ⲁⲇⲁⲙ ⲉⲕⲧⲱⲛ·ⲡⲛⲟⲩⲧⲉ ⲇⲉ ⲙ̣[ⲛ̄]ⲧⲁϥ ⲙ̄ⲙⲁⲩ ⲛ̄ⲧⲡⲣ̣ⲟⲛⲱⲥⲓⲥ ⲉⲧⲉ ⲡⲁⲓ̈ ⲡⲉ ϫⲉ ⲡ̣ⲏ̣ ⲉϥ̣ⲥⲟⲟⲩⲛ ⲁⲛ ϫⲓ̣ⲛ̣ ⲛ̣̄ϣⲟⲣⲡ̄) nach B. A. Pearson/S. Giversen (Hg./Übers./Anm.), The Testimony of Truth, in: B. A. Pearson (Hg.), Nag Hammadi Codices IX and X (NHS 15), Leiden 1981, 101–210, speziell 162–165. 15  Vgl. J. Dochhorn, „Ich bewahrte die gebaute Seite“ (4 Makk 18,7). Eine Referenz auf die Verführung der ersten Frau im vierten Makkabäerbuch und ihre überlieferungsgeschichtlichen

Wird etwa ein Haus sich vor seinem Erbauer verstecken (Apc Mos 23,1)?

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Bildlichkeit generiert, die ein Wissen um ihn als Text evoziert. Ich habe in der betreffenden Untersuchung das hier zur Rede stehende Antonym nach dem Vorbild altnordischer Dichtungstheorie als Kenning bezeichnet: eine nicht-alltagssprachliche, metaphorisch oft anspruchsvolle oder gar schiefe Fügung von Bildelementen (hier wie oft zweigliedrig), die auf der Textoberfläche dem Verstehen Widerstand bietet und gerade damit auf Hintergrundwissen referiert – für den Kenner und Liebhaber einer mythologischen Bezugswelt.16 Das Bildwort von dem Haus, das sich nicht verstecken wird, ist strukturell ähnlich beschaffen. Gen 2,21–22 hat – mindestens in Teilen der spätantik-jüdischen Literatur – Kenningar generiert; es war ein Bezugstext für absichtsvoll rätselhafte Sprache. Was ist gleichnistheoretisch mit dieser Untersuchung gewonnen? Mehr als Anstöße kann eine Detailuntersuchung nicht bieten. Für mich ist vor allem einer wichtig: Ich kann mir aufgrund einer Bildrede wie der hier untersuchten besser erklären, warum für den ältesten Evangelisten, immerhin den ältesten, Jesus seine Gleichnisse nicht erzählt hat, um eine Sachbotschaft (die vom Reiche Gottes) verständlich zu machen, sondern vielmehr, um zwischen Kennern und Nicht-Verstehern, zwischen In-Group und Out-Group zu unterscheiden (vgl. Mk 4,10–12). Bildrede ist etwas für Kenner, die dazugehören – zu einer Wissenswelt, die esoterischer Natur ist und deren Kommunikate, wenn exoterisch vermittelt bzw. publiziert, nur verstören.17 Inwieweit auch die Gleichnisse und Bildworte des historischen Jesus anderes waren als exoterische Rede, der es um Verständlichkeit ging, kann hier nur gefragt werden.

Hintergründe, in: F. Avemarie (†)/P. Bukovec/S. Krauter u. a. (Hg.), Die Makkabäer (WUNT 382), Tübingen 2017, 305–326. 16  Vgl. Dochhorn, Seite (s. Anm. 15), 313. 17 Einen schroffen Prädestinatianismus kann man für Mk 4,10–12 vermeiden, wenn man für μήποτε in 4,12a nicht „damit nicht“ als Bedeutung ansetzt, sondern „vielleicht“; vgl. D. Lührmann, Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen 1987, 78; 86–88. Dann geschähe das mit der Gleichnisrede herbeigeführte Nichtsehen und Nichtbegreifen der Außenstehenden unter dem Vorbehalt der Hoffnung, dass sie umkehrten; anderenfalls wäre eine Nicht-Umkehr das Ziel des Nichtsehens und Nichtbegreifens. In beiden Fällen wird aber Nichtsehen und Nichtbegreifen der Außenstehenden durch Gleichnisrede intentional ausgelöst (in 12a steht ἵνα), besteht deren Funktion also in der Scheidung zwischen exoterischer Welt und esoterischem Kollektiv.

„Die Welt der Ideen gleicht …“ Parabolische Texte bei Philo von Alexandria Friederike Oertelt Abstract: In the works of Philo of Alexandria parabolic texts have received little attention as an autonomous genre. This article analyses the philosophical and rhetorical tradition, in which Philo’s use of parabolic texts stands. Furthermore, it investigates the relationship between allegoric and parabolic interpretations of biblical texts in Philo. The theological and ethical function of parabolic texts will be demonstrated in two examples: De opificio mundi 17–20 and the Legum allegoriae III,223–224.

I. Parabolische Texte bei Philo: Problematik und bisherige Forschung In der Forschung zur Schriftauslegung bei Philo von Alexandria spielen Gleichnisse oder Parabeln als eigenständige Gattung bisher nahezu keine Rolle. Hierfür lassen sich mehrere Gründe vermuten. Als eine mögliche Ursache könnte beispielsweise vermutet werden, dass in der internationalen Forschung zu Philo von Alexandria, anders als im deutschsprachigen Raum, kein notwendiger Bezug zur neutestamentlichen Wissenschaft besteht. Dies hat zur Folge, dass der hohe Stellenwert der Gleichnisforschung in der neutestamentlichen Wissenschaft in der international geprägten Philoforschung von geringerem Interesse ist. Des Weiteren hat die Gleichnisforschung lange Zeit die Verwendung parabolischer Gattungen in der antiken Literatur wenig beachtet, sodass die jüdisch-hellenistische Tradition nicht in den Blick genommen wurde. Nach Vergleichstexten für neutestamentliche parabolische Texte wurde meist nur im palästinisch-jüdischen beziehungsweise rabbinischen Schrifttum gesucht.1 Doch auch die Schriften Philos selbst legen es, sofern man terminologisch ansetzt, nicht nahe, sich dem Untersuchungsgegenstand der parabolischen Gattungen zu widmen. Denn der zentrale Terminus παραβολή kommt bei Philo, 1  In Untersuchungen zu rabbinischen Gleichnissen finden sich jedoch wiederum einige knappe Hinweise auf Philos Gleichnisse (vgl. u. a. D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus [JudChr 4], Bern/Frankfurt a. M. 1981, 105).

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wie Schirren in seinem Artikel zur Parabel im RAC feststellt, nur „ein einziges Mal in der Bedeutung ,Vergleich‘ vor, wenn Philon den Vergleich der Welt mit einem Ziegelstein als treffend lobt“.2 Auch die Suche nach weiterer neutestamentlicher Gleichnisterminologie, wie beispielsweise die Suche nach Worten wie ὁμοίος und ὁμοιόω, fällt ernüchternd aus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Philos Schriften keine parabolischen Texte enthalten. Es finden sich, wie der folgende Beitrag zeigen wird, sehr wohl ausgeführte Vergleiche und Bildworte. Allerdings verwendet Philo keine feste Terminologie oder Einleitungsformeln für die Vergleiche.3 Dennoch lassen sich andere Merkmale parabolischer Rede ausmachen, sodass die parabolische Rede im Kontext der philonischen Schriftauslegung durchaus eine wichtige Rolle spielt. Eine Pionierarbeit leistet für die Frage nach der Bedeutung von Gleichnissen bei Philo das Kapitel „Parables as Translators of Culture“ in Maren Niehoffs Buch „Jewish Identity and Culture“.4 Sie vertritt die These, dass Parabeln für die Konstruktion des philonischen Judentums eine bedeutende Rolle spielen, da sie eine Brücke zwischen der biblischen Überlieferung und dem Leben der jüdischen Bevölkerung des ersten Jahrhunderts in Alexandria bilden und damit eine stark integrierende Funktion haben.5 Die folgenden Überlegungen zu parabolischen Texten bei Philo von Alexandria bauen auf den Ergebnissen und Beobachtungen Niehoffs auf. Im Zentrum steht dabei  – im Unterschied zu Niehoffs Beitrag  – die Frage nach der Verwendung von parabolischen Texten im Kontext der allegorischen Auslegung und Überlegungen zur Funktion des parabolischen Textes innerhalb der jeweiligen Auslegung. In einem ersten Teil werden zunächst philosophische, rhetorische und literarische Voraussetzungen aufgezeigt, die auf Philos Verwendung parabolischer Texte Einfluss gehabt haben könnten. Zudem wird auch eine Klärung vorgenommen, in welchem Verhältnis allegorische Auslegung und parabolische Rede stehen. Im zweiten Teil folgt dann die Analyse zweier parabolischer Texte aus dem Corpus Philonem. 2  T. Schirren, Art. Parabel, RAC 26 (2014), 932–968. Der hier genannte Vergleich findet sich in Conf. 99 und lautet: „Besonders gelungen aber sagt es das Bild in dem Vergleich (τὸ ἐν παραβολῆς εἴδει), dass der Kosmos wie das Bild eines Ziegelsteins sei (ὡς εἶδος πλίνθου). Denn er – der Kosmos – scheint zwar fest und beständig zu stehen, wenn man sich aus dem Blickwinkel der bloßen Wahrnehmung nähert, aber er hat eine sehr schnelle Bewegung und überholt jedes Einzelne.“ 3  Vgl. M. Niehoff, Philo on Jewish Identity and Culture (TSAJ 86), Tübingen 2001, 212, die darauf hinweist, dass es auch in der synoptischen Tradition und dem EvThom keine starre Terminologie gebe, sondern diese erst später entstanden sei. Man könne daher von Philo nicht verlangen, dass er sich an Gattungsschemata halte, die erst nach seiner Zeit standardisiert wurden. 4  A. a. O., 210–246. 5  A. a. O., 210; 246. Niehoff geht weiterhin davon aus, dass Philo als Zwischenglied zwischen der antiken Parabeldiskussion und den Gleichnissen des frühen Christentums eine wichtige Rolle einnimmt (a. a. O., 215).

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II. Voraussetzungen parabolischer Rede bei Philo von Alexandria 1. Philosophische und rhetorische Traditionen Philos Kenntnis von Parabeln, Gleichnissen, Vergleichen und Bildworten kann prinzipiell aus zwei Traditionen stammen: zum einen dem biblischen Mashal und zum anderen der griechischen Tradition, wie sie von Homer über Platon und Aristoteles bis zu den rhetorischen Abhandlungen der lateinischen Autoren für uns fassbar ist. Um mögliche Quellen und Traditionen, in denen auch die Verwendung parabolischer Gattungen bei Philo steht, einzugrenzen, lohnt sich zuerst ein kurzer Blick auf dessen Lebenshintergrund und insbesondere seine Ausbildung. a) Zum Lebenshintergrund Philos Die Heimatstadt Philos von Alexandria war zu ptolemäischer und zu römischer Zeit kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des östlichen Mittelmeerraumes.6 Das Museion und zwei Bibliotheken, die zeitweise eine halbe Million Bücher umfasst haben sollen, wurden zum Versammlungsort von Wissenschaftlern und Philosophen aus aller Welt. Neben den Naturwissenschaften entwickelte sich hier auch die alexandrinische Literaturwissenschaft, die Philologie und Grammatik.7 Philo gehörte zur jüdischen Gemeinde in Alexandria, die zur größten der Diaspora zählte.8 Die Zeugnisse des Josephus zeigen die hohe gesellschaftliche Stellung der Familie Philos in Alexandria. Philos politische Schriften geben ebenfalls ein Zeugnis davon, dass Philo in Alexandria eine angesehene Persönlichkeit war. Hier ist vor allem sein Bericht über seine Leitung der jüdischen Gesandtschaft zum Kaiser Caligula zu nennen. Über seine Ausbildung berichtet Philo in der Schrift De congressu eruditionis gratia. Seiner Beschäftigung mit der Philosophie ist eine Ausbildung in Literatur, Rhetorik, Musik und anderen Fächern vorausgegangen.9 Die reichlichen Zitate griechischer Dichter in seinen Schriften bestätigen die autobiographischen Notizen und lassen eine fundierte Ausbildung als sicher gelten, auch wenn Philo in seinen Schriften über den genauen historischen Kontext seiner Ausbildung keine Auskunft gibt.10  Vgl. E. R.  Goodenough, An Introduction to Philo Judaeus, Oxford 21962, 1 f.  Vgl. P. M.  Fraser, Ptolemaic Alexandria, Bd. 1, Oxford 1972, 132 ff., 305 ff.  8 Zur Diskussion der genauen Mitgliederzahl vgl. M. Böhm, Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria. Zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum (BZNW 128), Berlin/New York 2005, 7, oder Fraser, Ptolemaic Alexandria (s. Anm. 7), 34 f., 55 f.  9  Vgl. Phil., Congr. 74–78. 10  Vgl. zu Philos Ausbildung immer noch grundlegend I. Heinemann, Philons griechische und jüdische Bildung. Kulturvergleichende Untersuchungen zu Philons Darstellung der jüdischen Gesetze, Hildesheim 21973 und A. Mendelson, Secular Education in Philo of Alexan 6  7

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Für die Frage nach parabolischen Texten in Philos Werk kann daher geschlossen werden, dass es aufgrund seiner Ausbildung als sehr wahrscheinlich gelten kann, dass Philo sowohl mit den Metaphern und Bildreden der antiken Dichter und der platonischen Philosophie als auch mit der in der antiken Rhetorik geführten Diskussion um Form und Funktion von vergleichender Rede zumindest in Grundzügen vertraut war. Da sich bei Philo jedoch keine einheitliche Terminologie für parabolische Rede findet, ist es nicht möglich, seinen Gebrauch von vergleichenden Gattungen einem bestimmten Autor oder einer bestimmten Tradition aufgrund formaler Kriterien zuzuordnen. Eine Zuordnung ist daher allein über den inhaltlichen und funktionalen Vergleich parabolischer Texte in der antiken Literatur und Rhetorik möglich. b) Verwendung und Funktion von Parabeln in der griechischen Literatur, Philosophie und Rhetorik11 Der folgende Abschnitt verknüpft die bisherigen Forschungsergebnisse, welche Autoren und philosophischen Schulen Philos Theologie geprägt haben, mit der Frage, welche Rolle in diesen Schulen parabolische Gattungen spielen. Neben den homerischen Schriften, Platon und den Stoikern wird zudem vor dem Hintergrund der neueren Forschungen,12 die auch aristotelische Einflüsse bei Philo nachweisen, kurz auf die Bedeutung parabolischer Gattungen in der aristotelischen sowie der antiken Rhetorik eingegangen.13 Hierbei liegt der Fokus zum einen auf der von den Autoren favorisierten Bildwelt ihrer Gleichnisse und zum anderen auf der Funktion parabolischer Texte. Der Dichter Homer gehört zu den von Philo am meisten geschätzten griechischen Dichtern,14 und es findet sich eine Fülle von Zitaten oder Anspielungen aus der Ilias und Odyssee in Philos Werken.15 Bei Homer werden Gleichnisse und Vergleiche sehr vielfältig verwendet und eine einheitliche Funktion dria (HUCM 7), Cincinnati 1982. Zu Philos Platonrezeption vgl. insbesondere D. T.  Runia, Philo of Alexandria and the Timaeus of Plato (PhAnt 44), Leiden 1986. 11 Zum Folgenden vgl. auch den Beitrag von Michael Erler in diesem Band. 12  Vgl. hierzu den Sammelband von F. Alesse, Philo of Alexandria and Post-Aristotelian Philosophy (SPhA 5), Leiden u. a. 2008. 13 Eine Zusammenstellung der Zitate griechischer Autoren ist zu finden in H. Leisegang, Indices ad Philonis Alexandrini Opera, in: L. Cohn (Hg.), Philonis Alexandrini Opera quae supersunt. I–VII, Berlin 1962, 3–26. 14 Vgl. Phil., Conf. 4. 15  Vgl. für eine Zusammenstellung und Analyse der Funktion Homers E. Koskenniemi, Philo and Greek Poets, JSJ 41 (2010), 301–322, bes. 305–311. Zur Rolle Philos im Kontext der Homerexegese in Alexandria vgl. M. Niehoff, Jüdische Bibelexegese im Spiegel alexandrinischer Homerforschung, BN.NF 148 (2011), 19–33, die anhand von Philos Auslegung vom Turmbau zu Babel in Conf. 2–5 und der darin enthaltenen Auseinandersetzung mit der Fabel der Aloaden (Hom., Od. 11,314 f.) zeigt, inwiefern die Homerexegese seiner Zeit Philos eigene Exegese beeinflusst hat.

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oder feste Form lassen sich im homerischen Epos nicht ausmachen.16 Dabei verwendet der Dichter vor allem Tiere und Naturgewalten als Bildspender. Untersuchungen zeigen, dass die Gleichnisse innerhalb der Erzählung dazu dienen, ein retardierendes Moment einzubauen,17 oder die Intensität des Geschehens zum Ausdruck zu bringen.18 Am stärksten beeinflusst ist Philos Theologie von platonischer Philosophie.19 Platon bedient sich an zentralen Stellen der vergleichenden Rede. Dies geschieht, um „schwer kommunizierbare Inhalte oder die menschliche Situation aus seiner philosophischen Perspektive darzustellen“.20 Neben kurzen Bildworten, wie der Seele als Pferdegespann im Phaidros, welche, wie im zweiten Teil des Aufsatzes gezeigt wird, von Philo aufgegriffen wird, finden sich an prominenter Stelle in seinem Staatsentwurf drei ausgeführte Gleichnisse.21 Insbesondere beim Höhlengleichnis handelt es sich um ein sehr ausgeführtes Bild, das anders als in der späteren aristotelischen Theorie nicht aus dem Alltag gegriffen ist, aber dennoch so angelegt ist, dass die Lesenden sich in das Bild hineinbegeben können. Platon nutzt die bildhafte Rede, um metaphysische Phänomene zu kommunizieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass Philo wenigstens das Höhlengleichnis kannte, da er in einer seiner autobiographischen Notizen auf dieses Gleichnis anspielt und sich dabei selbst als den Philosophen des platonischen Gleichnisses identifiziert.22 In der Philoforschung der letzten Jahre konnte gezeigt werden, dass sich in Philos Werk auch die Rezeption aristotelischer Philosophie, insoweit sie für seine Zeit bekannt ist, zeigen lässt.23 Aristoteles ordnet das Gleichnis (παραβολή) zusammen mit der Fabel als eine Art des Beweismittels in Form eines Beispiels (παραδείγματα) neben dem Beweis aus vergangenen Tagen (πράγματα προγενόμενα) ein. Als Beispiel für ein Gleichnis führt er den Beweisgang des Sokrates an, der begründen soll, warum Staatsmänner nicht durch Los zugeteilt werden dürfen. Dabei wird anhand von aus dem Alltag übernommenen Vergleichen – in diesem Fall Athleten und Steuermännern  – unmittelbar nachvollziehbar, dass die Besetzung von Staatsämtern nicht dem Zufall überlassen werden darf, sondern Fachwissen (ἐπίσταμαι) benötigt. Unter παραβολή fällt nach Aristoteles kein  Vgl. H. Fränkel, Die homerischen Gleichnisse, Göttingen 21977, 99. ebd. 18  Vgl. B. Snell, Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, Göttingen 41975, 184 f. 19 Vgl. hierfür die Untersuchung von H. A.  Wolfson, Philo. Foundations of Religious Philosophy in Judaism, Christianity and Islam, Bd. I, Cambridge, Mass. 1947 und Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10). 20 P. Oesterreich, Erfindung des Absoluten, Rhetorik 18 (1999), 114–127. 21  Platon selbst spricht vom εἰκών (Plat., Rep. 509a. 510a, vgl. 533a). 22  Phil., Spec. 3,1–6. 23 Vgl. hierzu insbesondere die Beiträge des Sammelbandes von Alesse, Philo of Alexandria (s. Anm. 12). 16

17 Vgl.

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narrativ ausgeführtes Bild oder eine Erzählung. Vielmehr geht es ihm im Zuge der Rhetorik vor allem um einen sofort einleuchtenden Vergleich. Das mit εἰκών bezeichnete narrativ ausgeführte Bild ist nach Aristoteles hingegen argumentativ als schwächer zu bewerten.24 Auf einen wichtigen Unterschied zwischen der rhetorischen Funktion parabolischer Rede und Philos Verwendung parabolischer Texte sei hier schon hingewiesen. Da wir es wie im Neuen Testament auch bei Philo mit Schriften zu tun haben, die parabolische Rede nutzen, um theologische Sachverhalte darzustellen, kommt es im Unterschied zur Rhetorik bei Philo in parabolischen Texten zur Verbindung von profaner und theologischer Welt. Das Aufeinandertreffen der beiden Welten führt dazu, dass neue Bedeutungsdimensionen entstehen können.25 Dieser Aspekt spielt in der aristotelischen Rhetorik, die eine beweisende Funktion hat und die Hörenden primär überzeugen soll, keine Rolle. Als Anknüpfungspunkt aus dem Bereich der Rhetorik kann für das Verständnis parabolischer Texte bei Philo auch die Rhetorica ad Herennium herangezogen werden. Diese Schrift eines unbekannten Autors spricht im 4. Buch (ab § 59) von similitudo und versteht hierunter „eine Redeweise, welche ähnliches aus einem verschiedenen Gebiet auf irgendeinen Sachverhalt überträgt“.26 Sie dient dem Beweis einer Sache, wird aber darüber hinaus zur Ausschmückung verwendet oder um einer Aussage Anschaulichkeit zu verleihen.27 Der Autor der Schrift Rhetorica ad Herennium zeigt anhand unterschiedlicher Vergleiche die verschiedenen Funktionen parabolischer Rede auf. Insbesondere die von ihm als vergleichende Gegenüberstellung similitudo per conlationem beschriebene Form des Vergleichs ist dadurch bestimmt, dass aus dem dargestellten Bild – in diesem Fall einem Musiker, der durch sein Auftreten große Erwartungen beim Publikum weckt und diese durch die schreckliche Musik, die er produziert, dann enttäuscht – möglichst jedes Detail mit der Anwendung korrespondiert. Im Falle des Musikers besteht die Übereinstimmung darin, dass sie einen Menschen beschreibt, der ökonomisch sehr gut ausgestattet ist und an dessen Lebensstil daher auch höhere Erwartungen gestellt werden, die er nicht erfüllt.28 Interessant für die philonische Auslegung ist, wie Niehoff anmerkt, dass bei dieser Form des Vergleichs der Weg zur allegorischen Auslegung, die ebenfalls jedes Detail des biblischen Textes auf eine andere Bedeutungsebene bezieht, methodisch nicht

24 M. H.  McCall, Ancient Rhetorical Theories of Simile and Comparison (Loeb Classical Monographs), Cambridge, Mass. 1969, 40–42. 25  Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 217. 26 Rhet. Her. 59 (similitudo est traducens ad rem quampiam aliquid ex re dispari simile …), Übersetzung nach: T. Nüsslein, Rhetorica ad Herennium. Lateinisch-deutsch, Darmstadt 1994. 27 Schirren, Parabel (s. Anm. 2), 939. 28  Rhet. Her. 4,60.

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weit ist.29 Eventuell zeigt sich in der Verwendung dieser Form, wie am Beispiel von De opificio mundi später erkennbar wird, eine Art fließender Übergang. Als letzte, nun wieder philosophische Schule, die die Schriftauslegung Philos beeinflusst hat, ist die Stoa zu nennen. Zwar ist eine theoretische Abhandlung zu parabolischen Gattungen oder parabolischer Rede von den Stoikern nicht überliefert, die Verwendung parabolischer Rede in den Schriften der Stoiker steht jedoch außer Frage. So findet sich bei Seneca und Musonius eine Fülle an Vergleichen, bei denen es darum geht, zu zeigen, was passiert, wenn die Leidenschaften über die Vernunft herrschen.30 Die Bilder sind besonders bunt illustriert, um die dramatischen Auswirkungen der Herrschaft der Leidenschaften zu veranschaulichen. Auf eine solche inflationäre und nicht immer schlüssige Verwendung von parabolischer Rede durch die Stoiker weist Ciceros Kommentar in De finibus hin. Cicero beschwert sich in der Schrift über „die Vergleiche, die die Stoiker zu benutzen pflegen und die die Sache überhaupt nicht treffen“.31 Der Anwendungsteil wird bei den Stoikern zum Teil nur knapp durch eine kurze Partikel eingeleitet, kann aber auch einfach ohne einen vergleichenden Hinweis im Anschluss an das Bild präsentiert werden. In der knappen oder fehlenden Terminologie sowie in der Verwendung parabolischer Rede zur Illustration von Leidenschaft und Vernunft zeigt sich bei Philo die Nähe zur stoischen Schule. c) Das biblische Mashal als Anknüpfungspunkt für parabolische Rede bei Philo Neben der pagan antiken Philosophie und Rhetorik muss auch auf die alttestamentlichen Formen der vergleichenden Rede hingewiesen werden, die meist unter dem Stichwort Mashal behandelt werden. In weisheitlicher Tradition werden mit diesem Begriff Sprichworte bezeichnet. Die als Mashal bezeichneten Sprichworte haben jedoch keine einheitliche Form. Karin Schöpflin hebt hervor, dass allen gemeinsam sei, dass sie eine Art Vergleich sind.32 Andreas Schüle weist

 Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 218. Sen., Ira 2,10,8: „Zürnt vielleicht jener, dessen Schiff, da die Verbände überall locker geworden sind, viel Wasser zieht, der Besatzung oder dem Schiff selbst? Er sorgt eher für Abhilfe, sperrt das Wasser teils aus, teils schöpft er es aus, erkennbare Löcher verstopft er, verborgenen und unbemerkt Bilgenwasser, tritt er mit unablässiger Bemühung entgegen, und nicht hört er damit auf, weil so viel, wie ausgeschöpft ward, wieder nachfließt. Andauernde Hilfe ist not, gegen andauernde und unerschöpfliche Übel, nicht damit sie aufhören, sondern damit sie nicht an Überhand gewinnen.“ 31 Cic., Fin. 4,64. In diese Gruppe ließe sich eventuell auch das bereits oben (S. 54 Anm. 2) zitierte Gleichnis Philos einordnen, bei dem die Welt mit einem Ziegelstein verglichen wird. Ist der erste Teil der Anwendung, in dem die Festigkeit des Kosmos als tertium comparationis genannt wird, noch nachvollziehbar, so bleibt der zweite Teil der Anwendung, der nun von einer schnellen Bewegung spricht, die alle überholt, rätselhaft. 32  K. Schöpflin, „Mashal“. Ein eigentümlicher Begriff der hebräischen Literatur, BZ 46 (2002), 22–24. 29

30 Beispielsweise

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darauf hin, dass dieser Aspekt nicht unbedingt bestimmend sein muss.33 Vergleichende Reden finden sich neben der weisheitlichen Literatur ebenfalls in der prophetischen Literatur und sind hier teilweise narrativ ausgebaut. Schüle nennt als ein Beispiel Ez 17,1–10, die Parabel von den zwei Adlern und dem Weinstock.34 Auffällig ist in der Verwendung von Mashal in der Hebräischen Bibel jedoch, dass das vergleichende „verhält sich wie“  – also die Sachhälfte  – nicht unbedingt explizit anzutreffen ist,35 sondern wie im Fall von Ez 17 die Rezipierenden selbst durch Nachfragen die Übertragung auf das Verhältnis des Gottes Israel zu seinem Volk herstellen sollen. Insgesamt bezieht sich der Terminus Mashal in den biblischen Schriften somit auf ein sehr breites Phänomen, welches sich durch die unterschiedlichen Gattungen des alttestamentlichen Kanons zieht. Mit dieser vielfältigen Form der weisheitlichen Rede ist Philo, wie in der Forschung gezeigt wurde, vertraut gewesen.36 Im Unterschied zu den vergleichenden Texten der Hebräischen Bibel zeichnen sich die philonischen Texte jedoch dadurch aus, dass sie immer eine Anwendung enthalten.37 Eine solche Struktur von Mashal und der Anwendung (Nimshal) findet sich erst in den rabbinischen Gleichnissen. Zieht man diese für einen Vergleich mit den philonischen parabolischen Texten heran, so bleibt die Frage offen, wie Philo und die in den späteren rabbinischen Texten zu findenden Gleichnisse miteinander in Kontakt gekommen sein könnten. Neben der Schwierigkeit, rabbinische Gleichnisse zu datieren, lebte Philo in einem anderen geographischen Raum und kulturellen Umfeld und war nach der überwiegenden Zahl der Philoforschenden des Hebräischen oder Aramäischen nicht mächtig.38 Zwar zeigt Maren Niehoff in ihrer Untersuchung, dass es durchaus Motivüberschneidungen zwischen rabbinischen, neutestamentlichen und philonischen Gleichnissen gibt.39 Es scheint mir aufgrund der genannten Problematik jedoch fraglich, ob hierbei eine konkrete Abhängigkeit in irgendeine Richtung bestimmt werden kann. Die folgende Untersuchung der Texte wird hingegen zeigen, dass die philonische Wahl der Metaphern und Bilder nicht 33  A. Schüle, Mashal (‫ )משל‬and the Prophetic „Parables“, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 205–216, 207. 34   A. a. O., 210 f. 35  Vgl. Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 215 f. 36  J. Laporte, Philo in the Tradition of Wisdom Literature, in: R. L. Wilken (Hg.), Aspects of Wisdom in Judaism and Early Christianity (Center for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity 1), Notre Dame 1976, 114–119. 37  Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 216, zieht daher bei der Frage nach Parabeln bei Philo nicht nur eine Linie zu der bereits oben besprochenen griechisch-römischen Tradition, sondern auch zu den rabbinischen Gleichnissen, die eine Anwendung (nimshal) enthalten. 38 Die Untersuchung von V. Nikiprowetzky, Le commentaire de L’Écriture chez Philon d’Alexandrie. Son caractère et sa portée, observations philologiques (ALGHL 11), Leiden 1977, kann hier als weitgehender Forschungskonsens gelten. 39 Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 224 f.

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originär philonisch, sondern auch in der griechischen oder römischen Umwelt zu finden ist. Es ist daher möglich, dass Motivüberschneidungen sich durch die Bekanntheit der verwendeten Motive erklären lassen.40 2. Zum Verhältnis von Allegorese und parabolischer Rede Die Untersuchung parabolischer Texte bei einem Autor, dessen zentrales Anliegen es ist, die biblischen Texte allegorisch auszulegen, ist insbesondere in der Tradition der neutestamentlichen Gleichnisforschung ein Novum. Lange war das Verhältnis zwischen der Allegorese und den Gleichnissen in der Nachfolge Jülichers41 von dem Gegensatz geprägt, dass die Allegorie und die Metapher verhülle und daher nicht in die Verkündigung Jesu und der urchristlichen Gemeinden passe. Erst seit den 1960er Jahren wurde dieser Gegensatz und die Abwertung der Allegorie und Allegorese revidiert42 und es kam zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Allegorie und Parabel, sodass in der heutigen Forschung davon ausgegangen wird, „dass Gleichnisse durchaus mit Metaphern arbeiten und allegorische Erzählelemente beinhalten, die ihren gleichnishaften Charakter unterstreichen“.43 Fachspezifisch naheliegend konzentrierte man sich bisher darauf, inwieweit neutestamentliche Gleichnisse auch allegorische Elemente enthalten können und welche Konsequenzen dies für ihre (Be‑)Deutung hat.44 In der folgenden Untersuchung philonischer Texte ist die Ausgangslage freilich eine diametral entgegengesetzte. Denn leitend für die philonische Schriftauslegung ist die Schriftauslegung in Form der Allegorese, bei der es sich um ein Auslegungsverfahren mit langer Tradition45 handelt. Sie setzt voraus, dass ein Text zwei Aussageebenen enthält. Hinter der literarischen Erzählung kann durch bestimmte Techniken ein zweiter Sinn des Textes aufgedeckt werden.46 Die parabolischen Texte sind somit in die allegorische Schriftauslegung Philos eingebunden und erfüllen in diesem Kontext ihre Funktion. Worin diese besteht, soll nun anhand von zwei Beispieltexten untersucht werden. 40  C. Hezser, Rabbinische Gleichnisse und ihre Vergleichbarkeit mit neutestamentlichen Gleichnissen, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 215–237, 224. 41  A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Teile I–II, Tübingen 1886/1899. 42  Als wegweisend gilt hier die Untersuchung von H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTA.NF 13), Münster 1978. 43  K. Erlemann, Allegorie, Allegorese, Allegorisierung, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 482–493, 486. 44 Vgl. u. a. Erlemann, Allegorie (s. Anm. 43), 491 f. 45  Vgl. zur Diskussion, in welcher Tradition die philonische Allegorese steht, und welche Techniken sich bei Philo finden F. Oertelt, Herrscherideal und Herrschaftskritik bei Philo von Alexandria. Eine Untersuchung am Beispiel seiner Josephsdarstellung in De Josepho und De somniis II (SPhA 8), Leiden 2015, 71–81. 46  G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335, 293–298.

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III. Die Welt der Ideen gleicht …: Die Auslegung von Gen 1,5 in Opif. 17–20 Als erstes Beispiel für den Gebrauch parabolischer Gattungen durch Philo soll ein Text aus der Schrift De opificio mundi untersucht werden. Hierbei handelt es sich um einen der am stärksten ausgeführten Vergleiche innerhalb des philonischen Corpus. Die Schrift De opificio mundi, in der Philo eine Auslegung von Gen 1–3 vornimmt, ist der erste Teil der unter der Bezeichnung Expositio legis zusammengefassten Schriften. In ihnen bietet Philo eine systematische Inhaltswiedergabe des Pentateuchs, gegliedert in die drei Teile Schöpfung, Geschichte und Gesetzgebung.47 Im ersten Traktat der Schriftreihe legt Philo die beiden Schöpfungsberichte aus Gen 1–3 als kosmologische Begründung des Gesetzes aus, wobei er sich an dem Schema der sechs Schöpfungstage (Hexaemeron48) orientiert. Philo baut dieses Schema jedoch im Vergleich zu anderen jüdischen Schriften aus hellenistischer Zeit stark aus.49 Insbesondere im Blick darauf, dass in diesem Beitrag nach der Verwendung und der Funktion parabolischer Texte im Kontext der philonischen Schriftauslegung gefragt wird, soll an dieser Stelle kurz auf die mögliche Intention der Expositio legis eingegangen werden. Im Unterschied zum Allegorischen Kommentar kennzeichnet die Expositio legis, dass Philo den biblischen Text meist paraphrasiert und nur an wenigen Stellen wörtlich zitiert.50 Diese nacherzählenden Teile werden von allegorischen Auslegungen unterbrochen, bei denen Philo sich häufig auf den konkreten Wortlaut der LXX bezieht. In diesen Schriften lässt sich jedoch nicht immer eine klare Trennung zwischen Nacherzählung und allegorischer Auslegung ausmachen.51 Das nun vorgestellte Gleichnis findet sich am Anfang der Schrift und gehört zur Auslegung des ersten Tages in Gen 1,5, der als „Tag eins“ (ἡμέρα μία)

47  „Es findet sich also, dass drei Ideen aus den Worten durch den Propheten Mose überliefert sind: die erste über die Weltschöpfung, die zweite über die Geschichte und die dritte über die Gesetzgebung“ (Phil., Praem. 1). 48  Vgl. zur Form des Hexaemerons u. a. 4 Esr 6,38–59; Jub 2,1–21. 49  Vgl. P. Borgen, Philo of Alexandria. An Exegete for his Time (NT.S 86), Leiden/New York, 1997, 67. 50  Daher wurde als Gattungsbezeichnung für die Schriften in den letzten Jahren auch die Bezeichnung rewritten bible vorgeschlagen (vgl. Borgen, Philo [s. Anm. 49], 63 ff.; 78 ff.). Dagegen spricht jedoch das von Philo in der Schriftenreihe angelegte Gesamtkonzept, bei dem nicht die narrative Form leitend ist, sondern eine thematische Anordnung im Vordergrund steht. Auch die allegorischen Auslegungen, die die narrativen Abschnitte unterbrechen, sprengen die Gattung rewritten bible. 51  Bei Philo findet sich für die Einleitung allegorischer Auslegungen keine feste Terminologie, sondern eine Vielzahl von Ausdrücken. Neben dem Begriff ἀλληγορία, der zu Philos Zeit noch kein terminus technicus war, verwendet er ὑπόνοια, τροπικός, σημαίνω, διαφέρω. Auch äußert sich Philo an keiner Stelle seines Werkes zur Allegorese methodisch.

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bezeichnet wird.52 Die Verwendung der Kardinalzahl anstelle der eigentlich zu erwartenden Ordinalzahl53 zeigt für Philo die Besonderheit des ersten Tages an, da durch sie die Einzigartigkeit Gottes und der intelligiblen Welt zum Ausdruck gebracht werde.54 Zuvor hat Philo in seiner Einleitung bereits den Leitgedanken seiner Auslegung formuliert. So schildere Mose die Weltschöpfung, um zu zeigen, dass der Kosmos in Einklang mit dem Gesetz stehe und das Gesetz mit der Welt.55 Diese These nimmt die stoische Vorstellung auf, nach der hinter einzelnen Gesetzen das universale Naturgesetz zu finden sei.56 Nach einem kurzen Exkurs zu der Anzahl der sechs Schöpfungstage wendet sich Philo der Bedeutung und Auslegung des ersten Schöpfungstages zu, den er als den Tag, an dem die intelligible Welt (κόσμος νοητός) geschaffen wurde, auslegt. Damit wird der erste Schöpfungstag als Schöpfung der gesamten intelligiblen Welt verstanden.57 Diese bildet nach Philo das Modell (παράδειγμα) der später geschaffenen sichtbaren Welt.58 Im Anschluss an diese These wendet sich Philo der Frage zu, ob es möglich sei, einen konkreten Ort (τόπος) der Welt der Ideen zu benennen.59 Die Frage nach dem Ort der Ideenwelt ist, wie Philo einwendet, keine angemessene Frage. Dennoch ist er bereit, hierüber Auskunft zu geben. Dies sei allerdings nur auf einem gedanklichen Umweg möglich. Denn durch Überlegungen, wie die Welt der Ideen entstanden sei, lasse sich auch über ihren Ort Erkenntnis gewinnen.60 Wie die intelligible Welt entstanden ist, lässt sich wiederum anhand eines Gleichnisses aus der eigenen Lebenswelt (εἰκών … τῶν

52 Allerdings zitiert Philo hier nicht den Text der LXX, sondern greift die grammatische Besonderheit ohne Zitat auf. Das erste LXX-Zitat findet sich erst in Opif. 25. 53 Die LXX bietet an dieser Stelle eine wörtliche Übersetzung des hebräischen Textes, der ebenfalls die Kardinalzahl für den ersten Tag verwendet, während alle übrigen Tage mit Ordinalzahlen bezeichnet werden. 54  Vgl. hierzu auch das Resümee der Auslegung des ersten Schöpfungstages in Phil., Opif. 35, das die Bezeichnung als „Tag eins“ noch einmal abschließend aufnimmt. 55  Phil., Opif. 3. 56  Gerade diese Aufnahme stoischer Philosophie an prominenter Stelle lässt Niehoff schlussfolgern, dass die Expositio legis in Auseinandersetzung mit der römischen stoischen Philosophie in der Zeit nach seiner Reise nach Rom entstanden ist. Die Aufnahme stoischen Gedankenguts könnte ein wohlwollendes Rezeptionsinteresse in Rom geweckt haben (vgl. M. Niehoff, Philo of Alexandria. An intellectual biography [The Anchor Yale Bible Reference Library], New Haven 2018). 57  Vgl. Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), insb. 418; 169 f., sowie ders., Philo. On the Creation of the Cosmos according to Moses (Philo of Alexandria Commentary Series 1), Atlanta 2005, 136. 58  Phil., Opif. 16. 59 Vgl. zum Bezug zu Platons Dialog Timaios Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 165, der anmerkt, dass Platon im Timaios ebenfalls keinen Ort der intelligiblen Welt angibt, sich aber an anderen Stellen im platonischen Werk Angaben finden, die nach Philo zu irrigen Annahmen führen könnten. 60  Phil., Opif. 17.

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παρ᾽ ἡμῖν61) erklären.62 Das Gleichnis besteht aus drei Abschnitten: der Darstellung des Bildes (§ 17 f.) und zwei inhaltlich verschieden akzentuierten Anwendungen (§ 19 und § 20). Als erstes beschreibt Philo auf der Bildebene die Gründung einer Stadt: Wenn eine Stadt durch die große Freigiebigkeit eines Königs gegründet wird [κτίζω] oder eines Herrschers [ἡγεμών], der Anspruch auf unbeschränkte Macht [αὐτοκρατοῦς ἐξουσίας] erhebt und zugleich seinen leuchtenden Sinn und seinem Glück zu Schmuck verhelfen will, so kommt ein Architekt [ἀνὴρ ἀρχιτεκτονικός], der das günstige Klima und die gute Lage des Ortes betrachtet, und zeichnet als erstes bei sich fast alle Teile der Stadt, die er in der Zukunft vollenden will, auf: Tempel, Gymnasien, Gerichtsgebäude, Märkte, Häfen, Schiffswerften, Straßen, Maueranlagen, die Errichtung von Häusern, von öffentlichen Gebäuden und anderen Gebäuden; (18) dann, nachdem er wie mit einem Wachssiegel in seiner Seele [ἐν κηρῷ τῇ ἑαυτοῦ ψυχῇ] die Formen jedes einzelnen aufgenommen hat, trägt er sie in seinem Kopf als Bild einer intelligiblen Stadt mit sich herum,63 derer Bilder er sich in der eigenen Erinnerung immer wieder vergegenwärtigt und deren Eigenschaften er sich noch tiefer eingeprägt hat. Wie ein guter Baumeister [δημιουργὸς ἀγαθός] beginnt er, auf das Modell blickend, die Stadt aus Stein und Holz zu errichten, indem er bei jeder der unkörperlichen Ideen die körperliche Existenz ähnlich gestaltet.64

In § 17 f. schildert Philo ausführlich und detailreich die Entstehung einer Stadt. Das für das Gleichnis gewählte Bild der Gründung einer Stadt ist in der hellenistischen Welt ein für die Lesenden vertrauter Vorgang. Zudem kann Runia in seinem Aufsatz, der sich mit dem Verhältnis Philos zu seiner Heimatstadt Alexandria beschäftigt, zeigen, dass Philo in Opif. 17 f. mit großer Wahrscheinlichkeit auf Alexandria und deren Gründung durch Alexander den Großen und dessen Architekten Dinocrates von Rhodos anspielt.65 Einen weiteren Hinweis darauf, dass die geschilderte Stadtgründung auf Alexandria anspielt, gibt auch die später  Phil., Opif. 17. Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 166, hält den Begriff des εἰκών an dieser Stelle für eine nicht treffende Bezeichnung. „It is more like an extended analogy or metaphor, devised in such a way as to correspond as closely as possible to the philosophical problematics requiring elucidation“ (a. a. O., 166). Da es sich hierbei jedoch nicht nur um eine Metapher, sondern um einen erzählten Vorgang mit einer anschließenden Anwendung handelt, ähnlich den platonischen εἰκόνες in der Politeia (siehe oben S. 57), überwiegt in §§ 17–20 der Gleichnischarakter. 63  Das hier von Philo verwendete Wort ἀγαματοφορέω gehört zu den Verba Philonica. In der Schrift opif. findet es sich noch in §§ 69, 82 und 137 und beschreibt, wie Runia gezeigt hat, den Menschen, den Körper oder auch den Verstand als Bildträger des Intelligiblen. Der Gedanke, dass der menschliche Verstand als Bildträger fungiert, findet sich hierbei – freilich nicht unter Verwendung des philonischen Terminus – auch in der griechischen Philosophie. So schildert unter anderem Platon Sokrates als jemanden, der eine göttliche Statue in sich trägt (Plat., Symp. 215b). Vgl. hierzu D. T.  Runia, Verba Philonica, ΑΓΑΜΑΤΟΦΟΡΕΙΝ, and the Authenticity of the De Resurrectione attributed to Athenagoras, VigChr 46 (1992), 313–327, 317–320. 64 Phil., Opif. 17–18. Die Übersetzungen der philonischen Texte stammen von der Verfasserin. 65 D. T.  Runia, Polis and Megapolis. Philo and the Founding of Alexandria, Mnemosyne 42 (1998), 398–412. 61

62 Runia,

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im Anwendungsteil des Gleichnisses verwendete Bezeichnung Megalopolis66, welche Philo sowohl als Bezeichnung für den Kosmos als auch für Alexandria verwendet.67 Wie in den platonischen Gleichnissen handelt es sich in Opif. 17 f. um ein Bild, in das sich die Lesenden gut hineinversetzen konnten, welches aber nicht die aristotelische Definition einer alltäglichen Handlung erfüllt. Philo beginnt das Gleichnis damit, die Voraussetzungen für die Gründung der Stadt zu schildern: Ein König oder Herrscher68 ergreift die Initiative für eine Stadtgründung, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Im nächsten Schritt beauftragt er eine zweite Person, die als ἀνὴρ ἀρχιτεκτονικός bezeichnet wird.69 Diese muss ebenfalls eine geeignete Qualifikation vorweisen, damit die Gründung gelingen kann. Ihre Aufgabe besteht in der Planung und dem Bau der Stadt.70 Die Planung der Stadt wird von Philo sehr ausführlich dargestellt. So betont er zuerst, dass die Ortswahl und das Klima für eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft der Stadt von großer Relevanz seien.71 Anschließend werden die einzelnen Bauten der Stadt aufgezählt. Diese detaillierte Aufzählung dient in erster Linie nicht dazu, den Lesenden das Geschehen bestmöglich zu illustrieren. Vielmehr haben die genannten Gebäude auch funktionalen Charakter. Sie stehen für die Stabilität, Beständigkeit und Ordnung der Stadt.72 So dienen die Mauern zum Schutz vor Angriffen. Ebenso sind die im Gleichnis genannten öffentlichen Gebäude und Orte des politischen und religiösen Lebens, wie Gerichtsgebäude, Gymnasien, Tempel, Märkte und Häfen, notwendige Bestandteile einer wirtschaftlich und kulturell florierenden Stadt. Schon diese ausführliche Beschreibung der Stadtgründung lässt vermuten, dass das Gleichnis nicht allein auf die Frage des Ortes der intelligiblen Welt oder deren Entstehung antworten möchte, sondern eigentlich der Charakter und die Eigenschaften der intelligiblen Welt im Vordergrund stehen. Denn die geplante Stadt wird als ein Ort ohne Planungsfehler und Fehlkonstruktionen beschrieben. In einem nun in Opif. 18 beschriebenen zweiten Schritt wird die bisher in der Seele geplante Stadt in eine sinnlich wahrnehmbare Stadt aus Holz und Stein umgesetzt. Für den Bauprozess ist für Philo besonders wichtig, dass es 66 Vgl.

Phil., Opif. 19.  Vgl. Phil., Flacc. 163. 68  Die Bezeichnung als ἡγεμών mit unbegrenzter Macht könnte nach Runia ein Hinweis auf Alexander den Großen sein (vgl. Runia, Philo. On the Creation [s. Anm. 57], 140). 69 Runia sieht in dieser Wortwahl Philos ein „upgrading of the demiurgic metaphor pioneered by Plato in the Timaeos. It is more suitable to compare the creation of the cosmos with the building of a city the making of a pot“ (a. a. O., 140 f.). Das Platos Metapher auch bei anderen Philosophen als unangemessen empfunden wurde, zeigt nach Runia (a. a. O., 141) die Kritik Aristoteles und Ciceros. 70  Vgl. a. a. O., 133. 71 Vgl. a. a. O., 141. 72  Zur Verwendung des Bildes der Stadt bzw. des Hauses für ein geordnetes Staatswesen vgl. P. Wendland, Philos Schrift über die Vorsehung. Ein Beitrag zur Geschichte der nacharistotelischen Philosophie, Berlin 1892, 8 f. Anm. 7 und Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 168 f. 67

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sich bei der sinnlich wahrnehmbaren Stadt um eine exakte Kopie des zuvor in die Seele eingeprägten Bildes der intelligiblen Stadt handelt. Um dies zu verdeutlichen, verwendet Philo das Bild des Wachssiegels. Mit dieser Metapher wird üblicherweise die Beziehung zwischen einem Modell und dessen Kopie beschrieben. In Opif. 18 beschreibt der Vorgang des Einprägens jedoch eine weitere Zwischenstufe auf dem Weg zur sinnlich wahrnehmbaren Stadt, in der das Modell der intelligiblen Stadt in die Seele des Architekten eingeprägt wird, bevor die Umsetzung des Modells in eine sinnlich wahrnehmbare Stadt vorgenommen werden kann.73 Der Vorgang des Entstehens der Stadt aus Stein und Holz durch den ständigen Abgleich mit dem Modell findet sich nahezu identisch in Platons Dialog Timaios.74 Es ist daher wenig erstaunlich, dass Philo den Architekten, wenn es um den Bau der sinnlich wahrnehmbaren Stadt geht, als Demiurgen bezeichnet. Seine Aufgabe besteht darin, eine möglichst exakte Kopie anzufertigen. Der Sache nach unterscheidet sich also bei Philo die Funktion des Architekten von der des Demiurgen. Durch den Anschluss durch ein vergleichendes Relativpronomen (οἷα δημιουργὸς ἀγαθός) ist es aber auch möglich, sie als eine Figur zu denken.75 Mit § 19 verlässt Philo die Bildhälfte und nimmt eine erste Anwendung vor. Dabei verwendet Philo zur Einleitung der Anwendung mit der Formulierung τὰ παραπλήσια δὴ καὶ περὶ θεοῦ δοξαστέον keine übliche Einleitungsform für einen Anwendungsteil.76 (19) Auf ähnliche Weise [τὰ παραπλήσια] muss sich auch die Schöpfung durch Gott [περὶ θεοῦ] vorgestellt werden: Er hat also, nachdem er beabsichtig hat, eine Großstadt [μεγαλόπολις] zu erschaffen [κτίζω], zuerst ihre Formen erdacht; aus ihnen stellte er die intelligible Welt zusammen [συνίστημι] und vollendete, indem er sie als Modell [παράδειγμα] gebrauchte, auch die wahrnehmbare Welt.77

In diesem ersten Teil der Anwendung in Opif. 19 konzentriert Philo sich auf die Deutung der temporalen Aspekte der Schöpfung. Er greift hierfür zum einen Formulierungen wie κτίζω, παράδειγμα, τύπος oder das Bild der Stadt aus der Bildhälfte wörtlich oder sinngemäß auf und verknüpft sie mit den bereits in Opif. 15– 16 eingeführten philosophisch-theologischen Begrifflichkeiten der intelligiblen und wahrnehmbaren Welt (κόσμος νοητός und κόσμος αἰσθητός). Diese erste An73 Runia vermutet an dieser Stelle eine aus dem Mittelplatonismus stammende Entwicklung, auch wenn diese aufgrund der Quellen nicht einwandfrei zu belegen ist. Vgl. Runia, Philo. On the Creation (s. Anm. 57), 141. 74 Plat., Tim. 28a5–b2. 75  Anders verhält es sich mit dem König, der wie Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 166, zeigt, klar von den beiden Figuren unterschieden wird, indem der Architekt als zweite Figur in der Erzählfolge einen eigenen Auftritt hat. 76  Vgl. Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 237. Dies gilt allerdings auch, wie oben bereits beschrieben (siehe S. 62), für seine Einleitung allegorischer Auslegungen und spricht daher nicht dagegen, dass es sich in Opif. 17–20 um ein Gleichnis handelt. 77  Phil., Opif. 19.

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wendung, die sich nicht auf die Ausgangsfrage nach dem Ort der intelligiblen Schöpfung bezieht, sondern die Reihenfolge der Entstehung überträgt, zeigt, dass Philos Gleichnis offensichtlich nicht auf ein tertium comparationis angelegt ist. Vielmehr greift Philo in der Anwendung verschiedene Aspekte des Bildes auf. Die Anwendung kommt in ihrer Aufnahme und Deutung einzelner Details einer allegorischen Auslegung nahe. Wie anhand des Verständnisses von Vergleichen und deren Deutung in der Rhetorica ad Herennium gesehen wurde, kann die Grenze zwischen Allegorese und Gleichnisdeutung aber auch fließend sein. Erst in einer zweiten Anwendung kommt Philo dann auf die Ausgangsfrage von § 17, den Ort der intelligiblen Welt, zurück. (20) Wie [καθάπερ] also die Stadt, die in dem Architekten zuvor entworfen wurde, nicht außerhalb einen Ort hatte, sondern in die Seele des Künstlers eingeprägt war [ἐνεσφράγιστο τῇ τοῦ τεχνίτου ψυχῇ], so hat auch auf dieselbe Weise [τὸν αὐτὸν τρόπον] die aus den Ideen bestehende Welt [ὁ ἐκ τῶν ἰδεῶν κόσμος] keinen anderen Ort als den göttlichen Logos [τὸν θεῖον λόγον], der diese vollständig geordnet hat [διακοσμέω].78

Diesen zweiten Anwendungsteil leitet Philo mit einer üblichen Formulierung (καθάπερ […] τὸν αὐτὸν τρόπον) für die Anwendung eines Bildes ein. Der Vergleichspunkt zwischen Bild und der zu erläuternden Thematik wird klar benannt: Wie der Ort der Stadt zuerst nur in der Seele des Künstlers eingeprägt ist (ἐνεσφράγιστο τῇ τοῦ τεχνίτου ψυχῇ), so sei die Welt der Ideen in dem göttlichen Logos (θεῖος λόγος), der sie geordnet hat, zu verorten. Bereits in der Bildhälfte war auffällig, dass Philo zwischen der Figur des Architekten und des Baumeisters keine klare Grenze gezogen hat und sie neben dem König als eigener Figur zusammen auch als eine Figur verstanden werden können. Im zweiten Teil der Anwendung nun konzentriert sich Philo im Vergleich allein auf den Architekten und dessen Funktion als Künstler, während die Funktion des Herrschers als Initiator und die des Demiurgen als Baumeister keine Rolle für die Anwendung spielen. Runia deutet diese Diskrepanz zwischen Bildhälfte und Anwendung als einen bewussten Versuch Philos, die absolute Transzendenz Gottes zu erhalten, da für Philo eine Hierarchie von Schöpfungskräften, wie sie sich im Mittelplatonismus findet, nicht annehmbar sei.79 Im Schöpfergott sind demnach alle drei Tätigkeiten oder Funktionen des Schöpfens, Entwerfens und Vollendens einer wahrnehmbaren Welt vereinigt.80 Die beiden Anwendungen des Bildes unterscheiden sich in der Benennung Gottes. Spricht Opif. 19 von Gott (θεός), so ist es in Opif. 20 der göttliche Logos (ὁ θεῖος λόγος), der als Ort der Ideenwelt genannt wird. Der von Philo in Opif. 20 eingeführte göttliche Logos, der mit der Seele des Künstlers verglichen wird,

 Phil., Opif. 20.  Vgl. Runia, Philo. On the Creation (s. Anm. 57), 133. 80 Vgl. Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 167. 78 79

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könnte, wie Runia vorschlägt,81 als Übergang zu der weiteren Auslegung Philos, in der göttliche Kräfte beschrieben werden, verwendet werden. Möglich wäre jedoch auch, dass der Logos, vergleichbar mit dem Architekten, der im Bild zwischen Herrscher und Baumeister steht, eine Art Mittlerrolle zwischen Gott und der wahrnehmbaren Welt einnimmt. Architekt und Logos, wie Niehoff zu Recht schreibt, übersetzen die Ideen der „höheren“ und transzendenten Institution in die Realität.82 Philos Gleichnis und seine Auslegung ist, wie gezeigt wurde, nur im Kontext seiner Allegorese von Gen 1,5 verständlich, die wiederum von dem platonischen Gedanken der Ideen geprägt ist.83 Nicht nur die Teilung in eine intelligible und eine wahrnehmbare Welt, die in einem Abbildungsverhältnis zueinander stehen, sondern auch der Gedanke des Herrschers oder Königs über die Ideen findet sich bei Platon.84 Zugleich enthält das Gleichnis jedoch auch Aspekte, die eher der stoischen Philosophie zuzuordnen sind. Hierzu gehört die Idee des Logos als einer göttlichen, aber in die Welt hineinwirkenden und diese ordnende Kraft. Das Gleichnis bietet daher wohl eine Kombination beider philosophischen Schulen. Als erste Funktion seines Gleichnisses nennt Philo selbst die Erklärung eines schwierig zu erfassenden Sachverhalts mit Hilfe eines Bildes aus der Lebenswelt der Rezipierenden. Damit kommt er meines Erachtens der platonischen Verwendung des εἰκών sehr nahe, bei dem es um die Veranschaulichung transzendenter Gedanken und Ideen geht. Eine solche Deutung der Funktion parabolischer Gattungen bei Philo würde sich vor allem auf die in Opif. 18 dargestellte Reihenfolge und Art und Weise des Schöpfungsgeschehens beziehen. Etwas anders verhält es sich, wenn der Fokus auf die Ausgangsfrage nach dem Ort der intelligiblen Schöpfung gerichtet wird. Die Anwendung Philos in Opif. 20 gibt hier eine klare Antwort: Der Ort der Welt der Ideen ist der göttliche Logos, wie die Stadt im Kopf des Architekten.85 Dass dies der einzig angemessene Ort sei, wird durch eine rhetorische Frage, die den Abschnitt abschließt, unmissverständlich klargestellt. Denn welchen anderen Ort für seine Kräfte sollte es wohl geben, der geeignet wäre – ich meine nicht einmal alle, sondern nur irgendeine einzige [der Ideen] – unvermischt aufzunehmen und zu fassen?86

Die Funktion des Gleichnisses scheint sich vor allem an dem Einsatz der Gleichnisse bei Platon zu orientieren. Allerdings geht das von Philo geschilderte Bild und die Anwendungen über die ursprünglich gestellte Frage nach dem Ort der  Vgl. Runia, Philo. On the Creation (s. Anm. 57), 142 f.  Vgl. Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 238. 83 Vgl. zu einer ausführlichen Analyse der Bezüge von Phil., Opif. 17–20 zu Platons Dialog Timaios Runia, Philo of Alexandria (s. Anm. 10), 161–169. 84  Plat., Rep. 509d2, vgl. Runia, Philo. On the Creation (s. Anm. 57), 140. 85  Dieser Gedanke wird in Phil., Opif. 24 f. weitergeführt. 86 Phil., Opif. 20. 81 82

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Ideen hinaus. Es geht nicht nur um den Ort bzw. Nicht-Ort der Welt der Ideen, sondern Philo äußert sich auch ganz grundsätzlich zum Verhältnis zwischen Gott und seiner Schöpfung, indem er einzelne Details des Bildes überträgt und dadurch die Schöpfung als wohlgeordnet charakterisiert. Das Bild der Stadtgründung dient Philo somit dazu, unterschiedliche Aspekte darzustellen. Es hat sowohl die Funktion, das Schöpfungsgeschehen sowie die Eigenschaften der göttlichen Schöpfung zu veranschaulichen, als auch eine beweisende Funktion für Philos Exegese der beiden Schöpfungsberichte aus Gen 1–3, die bei Philo die beiden unterschiedlichen Stufen der Schöpfung abbilden, nämlich die intelligible auf der einen und die sinnlich wahrnehmbare auf der anderen Seite. Während Philo in Opif. 17–20 das Gleichnis in seine theologische Argumentation einbindet, finden sich parabolische Texte an anderer Stelle seines Werkes dann, wenn er das Verhältnis von Vernunft und Begierde beschreibt.

IV. Parabolische Texte mit pädagogischer Absicht – Philos Auslegung von Gen 3,17 Als Beispiel für eine pädagogische Funktion, die parabolische Texte bei Philo auch erfüllen können, kann ein Abschnitt aus der Auslegung von Gen 3,17 in der Schrift Leg. III,223–224 angeführt werden. Das hier verwendete Bild des Wagenlenkers und Steuermanns findet sich bei Philo mit unterschiedlich starker Ausschmückung häufig.87 (223) Wie nun [ὥσπερ οὖν] der Wagenlenker die Führung übernimmt [ἄρχω] und die Tiere am Zügel führt und der Wagen geführt wird, wohin er [der Wagenlenker] es möchte; wenn jene aber die Zügel abschütteln und mächtig werden, dann ist oft der Wagenlenker abgeworfen worden, die Tiere sind mit großem Schwung in eine Vertiefung gestürzt, und alles ist zu Schaden gekommen; auch ein Schiff fährt gerade, solange der Steuermann das Steuerrunder festhält und entsprechend steuert, es wird aber umhergeworfen, wenn, weil ein widriger Sturm auf dem Meer weht, eine Woge sich seiner bemächtigt. (224) Ebenso [οὕτως]: Wenn der Verstand [νοῦς], der der Wagenlenker oder Steuermann der Seele ist, über das ganze Geschöpf herrscht, wie [καθάπερ] ein Herrscher über eine Stadt, geht das Leben seinen geraden Weg; wenn aber die vernunftlose Wahrnehmung [ἡ ἄλογος αἴσθησις] die erste Stelle übernimmt, erfasst es [das Leben] furchtbare Zerstörung, in der Art, wie [οἷα] wenn Sklaven sich einem Herrn entgegenstellen; denn dann wird, um die Wahrheit zu sagen, der Verstand feurig entzündet, weil die Wahrnehmungen Feuer entfachen, da die Sinne die Flammen entzünden und die Gegenstände der Wahrnehmung zum Anfachen verwenden [unterlegen].88

 Vgl. u. a. Phil., Opif. 46.88; Leg. III,318; Sacr. 45; Abr. 70; Migr. 67. III,223–224.

87

88 Leg.

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Der Aufbau des Textes scheint formal klar aus einer Bildhälfte, eingeleitet durch ὣσπερ, und eine darauffolgende Anwendung, eingeleitet durch οὓτως, zu bestehen. Die Bildhälfte führt zwei Bilder aus: das des Wagenlenkers, der die Kontrolle über seinen Wagen verliert, und das des Steuermanns, dessen Schiff bei Sturm durch Wellen umgeworfen wird. Bei beiden Bildern handelt es sich um Vorgänge, die den Lesenden, wenn nicht aus eigener Erfahrung, so doch im lebensweltlichen Kontext bekannt sind. Die beiden geschilderten Situationen sind in dem Punkt vergleichbar, dass die Figur durch widrige Umstände die Kontrolle über eine Situation verliert und es dadurch zu einer Katastrophe kommt. Beide Bilder stammen aus der platonischen Tradition, in der die Metaphern des Wagenlenkers und Steuermanns für die herrschende Funktion der Vernunft stehen;89 sie finden sich aber auch in der stoischen Philosophie zur Illustration für die Herrschaft des Menschen über die Leidenschaften.90 Die Wahl der Metaphern spricht neben den Vergleichspartikeln zu Beginn der jeweiligen Paragraphen dafür, von einem parabolischen Text zu sprechen. Neben der Vergleichspartikel οὕτως, die den Anwendungsteil einleitet, wird von Philo insbesondere durch die Aufnahme des Verbs ἄρχω eine Verbindung zwischen der Bildhälfte und der Anwendung hergestellt. Die beiden Figuren der Bildhälfte werden von ihm als Verstand gedeutet. Wie Steuermann und Wagenlenker über die Pferde oder das Schiff die Kontrolle haben sollten, so soll der Verstand die Herrschaft über das Geschöpf ausüben. Doch nach der ersten Anwendung im Blick auf die Figuren des Bildes folgt Philo dem Bild, welches von der Katastrophe im Falle des Kontrollverlustes berichtet, nicht. Vielmehr erweitert er den Anwendungsteil um eine weitere Metapher, indem er das Bild des Herrschers über eine Stadt einfügt. Das Bild nimmt zwar den Aspekt des Herrschens aus dem ursprünglichen Bild auf, doch wechselt im Vergleich zum Wagenlenker und Steuermann das Bildfeld in den politischen Bereich. Erst danach folgt die Anwendung wieder dem ursprünglichen Bild und wendet die im Bild dargestellte Katastrophe auf Vernunft und unvernünftige Seelenteile hin an. Allerdings macht Philo in der Anwendung in § 224 nicht widrige Umstände für die Katastrophe verantwortlich, sondern benennt die vernunftlose Wahrnehmung als Ursache. Die Katastrophe wird dann wiederum mit einem neu eingeführten Bild des Feuers illustriert. Durch die Arbeit mit weiteren Bildern wird die durch die formalen Einleitungen des Vergleichens suggerierte klare Trennung in Bildhälfte und Anwendungsteil letztlich nicht eingehalten. Der Anwendungsteil wird vielmehr durch weitere metaphorische Rede ausgeschmückt. Streng genommen folgen der schon doppelten Bildhälfte nach der sehr knappen Anwendung damit noch ein drittes und viertes vergleichendes Bild (Staatsmann und Staat, Auflehnung der Sklaven gegen ihren Herrn), die auch durch die Vergleichs89

 Plat., Phaedr. 246a–256e; Rep. 488d. u. a. Stob. 2.88,8–90,6 (SVF III,3,378–389).

90 Vgl.

„Die Welt der Ideen gleicht …“

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partikel καθάπερ und das vergleichende Relativpronomen οἷα eingeführt werden, bevor Philo dann unter Rückbezug auf das ursprüngliche Bild die Folgen eines Kontrollverlusts drastisch ausmalt.91 Die übliche Zweiteilung von Bildhälfte und Anwendung wird von Philo somit aufgeweicht, sodass in sehr gedrängter Form zwischen Bildern und deren Deutung gewechselt wird und der Abschnitt den Eindruck eines an Bildern sehr überladenen Textes macht. Die Funktion des Vergleichs ist im Unterschied zum Gleichnis aus Opif. 17–20 nicht die Illustration eines theologischen Sachverhalts. Vielmehr dient er der Veranschaulichung des von Philo aus der Stoa rezipierten Verhältnisses von Vernunft (νοῦς) und vernunftloser Wahrnehmung (ἄλογος αἴσθησις).92 Philo verwendet dafür Bilder, die er sowohl aus bekannten Alltagssituationen entlehnt als auch aus unterschiedlichen philosophischen Traditionen. Ein theologischer Bezug wird innerhalb des Bildes und seiner Anwendung nicht hergestellt. Dieser lässt sich nur durch den Kontext des Gleichnisses, die allegorische Auslegung von Gen 3,17, herstellen, in der Philo den Mann als Verstand deutet, der sich von der Frau, welche die Leidenschaften symbolisiert, verführen lässt.93 Bei diesem Gleichnis handelt es sich damit um eine die vorherige Allegorese illustrierende Auslegung. Die von Philo vorgenommene dramatische Gestaltung durch Hinzufügung von Metaphern in der Anwendung lässt meines Erachtens darauf schließen, dass es ihm nicht darum geht, seine zuvor vertretene allegorische Deutung zu belegen, sondern die Illustration vor allem in „pädagogischer“ und mahnender Absicht geschieht.94

V. Ergebnis Die exemplarische Untersuchung zweier parabolischer Texte bei Philo von Alexandria hat gezeigt, dass er in seinen Auslegungen Vergleiche in unterschiedlicher Funktion nutzt, um seine Theologie oder Ethik zu illustrieren und zu erklären. Die Gleichnisse oder ausgeführten Metaphern ersetzen hierbei weder die allegorische Auslegung noch treten sie mit ihr in Konkurrenz. Vielmehr ergänzen sie 91  Vgl. Niehoff, Philo on Jewish Identity (s. Anm. 3), 243 f., die die Dramatisierung des Bildes ebenfalls hervorhebt. 92 Ob bei diesem Vergleich, wie Niehoff (a. a. O., 244) es vornimmt, von einer Übersetzung der profanen Sprache in eine religiöse Dimension gesprochen werden kann, scheint mir fraglich. Der parabolische Text in Leg. II,223–224 enthält auch in der Anwendung gerade kein religiöses oder theologisches Vokabular, vielmehr ließe sich der Abschnitt ohne Schwierigkeiten als allgemeine stoische Ethik verstehen. 93  Zur Genderfrage bei Philo vgl. u. a. C. M.  Conway, Gender and Divine Relativity in Philo of Alexandria, JSJ 34 (2003), 471–491; S. L.  Mattila, Wisdom, Sense Perception, Nature, and Philo’s Gender Gradient, HTR 89 (1996), 103–129; D. I.  Sly, The Perception of Women in the Writings of Philo of Alexandria (BJS 209), Atlanta 1990. 94 Vgl. als weiteren parabolischen Text mit dieser Absicht auch Phil., Det. 141 f.

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die von Philo zuvor durchgeführte allegorische Auslegung und erschließen sich dadurch nur in ihrem jeweiligen Kontext. Sie können die Funktion theologischer Beweisführungen wie in Opif. 17–20 übernehmen oder ermahnenden Charakter wie in Leg. III,223–224 besitzen. Hierbei lässt sich jedoch keine einheitliche Form feststellen, die darauf hinweisen würde, dass Philo bewusst parabolische Texte als wiedererkennbare „Gattung“ einsetzt: Die Gleichnisse oder ausgebauten Metaphern werden nicht durch eine feste Formel oder Formulierung eingeleitet. Auch der Beginn der Anwendung wird meist nur durch Vergleichspartikel gekennzeichnet. Die Ausführlichkeit der parabolischen Texte reicht von kurzen Vergleichen bis hin zu ausgeführten Metaphern oder fast schon narrativen Texten. Die von Philo verwendete Bildwelt in den parabolischen Texten greift auf alltägliche oder den Lesenden aus ihrer Lebenswelt bekannte Bilder oder Begebenheiten zurück. Sie ist aber, wie an den beiden Texten gezeigt wurde, meist nicht genuin philonisch. Vielmehr greift Philo Metaphern und Bilder auf, die vorzugsweise aus den Schriften Platons stammen. Sowohl in der Bildhälfte als auch in der Anwendung nimmt Philo zudem eigene Interpretationen vor. Dass Gleichnisse und parabolische Texte im philonischen Werk bisher kaum als eigenständige Gattung wahrgenommen wurden, liegt sicherlich daran, dass sich keine innerhalb des Werkes wiederholenden formalen Kriterien finden lassen, unter denen die unterschiedlichen parabolischen Texte gefasst werden können. Zudem sind die Vergleiche, Gleichnisse und ausgebauten Metaphern meist so eng mit der jeweiligen allegorischen Deutung verschränkt, dass sie als Teil dieser wahrgenommen werden und Überlegungen zur Gattung der parabolischen Texte und deren Funktion nicht vorgenommen werden. Untersuchungen zur Verwendung und Funktion von Gattungen innerhalb der Allegorese können, so sollte in diesem Beitrag gezeigt werden, allerdings durchaus lohnenswert sein, um die Auslegungstechniken Philos besser verstehen zu lernen.

Verwendung und Auslegung von Gleichnissen bei den frühen Rabbinen Günter Stemberger Abstract: This paper offers a brief survey of the parables in the Mishna, Tosefta, and Mekhilta deRabbi Ishmaʿel with the highest number of occurrences. The literary form is not yet fully standardized. Many texts are closer to mere comparisons, exegetical parables predominate because of the midrashic context, but there are no allegories. The most frequent type is the kings’ parable; others illustrate the relationship between lord and servant, father and son or the pedagogue, whereas agricultural parables are an exception.

Die synoptischen Evangelien enthalten das älteste erhaltene Corpus jüdischer Gleichnisse. So verwundert es kaum, dass auch die frühesten Forschungen zu rabbinischen Gleichnissen aus der Perspektive des Neuen Testaments geschrieben wurden  – man denke nur an Paul Fiebigs Altjüdische Gleichnisse oder die Stoffsammlung in Billerbecks Kommentar.1 Daran hat sich auch in neuerer Zeit wenig geändert; es sei allein auf Catherine Hezsers Untersuchung der rabbinischen Lohngleichnisse hingewiesen.2 Aber auch jüdische Gleichnisforschung wie schon Zieglers Königsgleichnisse3 sind, wenn auch in sich eine unabhängige Sammlung, nicht ohne christliche Gleichnisforschung denkbar. Noch mehr gilt dies natürlich von der methodisch reflektierten Erforschung der rabbinischen Gleichnisse in den letzten Jahrzehnten – erwähnt seien die Studien von David Flusser und in seinem Gefolge Clemens Thoma, der in vier Bänden eine systematische Aufnahme sämtlicher Gleichnisse in drei Midrasch-Werken bietet, sowie die grundlegende Arbeit von David Stern, Parables in Midrash.4 1  P. Fiebig, Altjüdische Gleichnisse und die Gleichnisse Jesu, Tübingen 1904; H. L.  Strack/​ P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 4 Bde., München 1922–1928, Liste der Gleichnisse IV/2 1232–33. 2  C. Hezser, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20, 1–16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse (NTOA 15), Freiburg/Schweiz 1990. 3  I. Ziegler, Die Königsgleichnisse des Midrasch, beleuchtet durch die römische Kaiserzeit, Breslau 1903. 4  D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus. 1. Das Wesen der Gleichnisse (JudChr 4), Bern 1981; C. Thoma/S. Lauer, Die Gleichnisse der Rabbinen. 1. Pesiqtā deRav Kahanā; 2. Von der Erschaffung der Welt bis zum Tod Abrahams: Bereschit

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In der rabbinischen Literatur sind Gleichnisse fast allgegenwärtig. Das gilt sowohl für die eigentlichen rabbinischen Werke, aber auch für die jüdische Literatur des Mittelalters und auch noch der Neuzeit (erwähnt sei hier die Bedeutung von Gleichnissen in Jakob Franks Worte des Herrn Ende 18. Jahrhundert5 wie auch noch deren bewusst archaisierende Verwendung etwa bei Samuel J. Agnon). In meinem Beitrag kann es nicht um einen umfassenden Überblick gehen. Ich beschränke mich bewusst auf das früheste Stadium der rabbinischen Literatur, die tannaitische Periode mit Mishna, Tosefta und halakhischen Midraschim (somit 2. bis 3. Jahrhundert), um zeitlich noch so nahe wie möglich zu den neutestamentlichen Gleichnissen zu bleiben.6 Auch hier sind nur die Texte herangezogen, die explizit als Mashal eingeleitet werden, ohne nach Beispielen zu suchen, die die klassische Einleitung auslassen.7 Es sind über 170 Belege, die ich nochmals auf jene aus Mishna, Tosefta und einem halakhischen Midrasch, der Mekhilta deR. Jishmaʿel, reduziere.

I. Mishna In der Mishna als einem gesetzlichen Text sind kaum Gleichnisse zu erwarten. Nur drei Abschnitte werden als Mashal eingeleitet, doch zwei davon sind eher ein Vergleich oder bildliche Ausdrucksweise, jeweils eingeleitet mit der klassischen Formel „Die Weisen trugen ein Gleichnis vor“ (‫)משל משלו חכמים‬: In mNid 2,5 spricht man im Rahmen der Monatsblutung der Frau vom Ursprung der Blutung von „Kammer, Vorraum und Obergemach“, in mNid 5,7 von den Altersstufen des Mädchens bis zur erwachsenen Frau von „unreifer, heranreifender und reifer Frucht“. Die sprachliche Einleitung ist also durchaus nicht auf das Gleichnis im strengen Sinn begrenzt. Der einzige verbleibende Text, mSuk 2,9, antwortet auf die Frage, ob man bei Regen die Laubhütte zu Sukkot verlassen und in das Haus gehen darf, da ja sonst rabba 1–63; C. Thoma/H. Ernst, 3. Von Isaak bis zum Schilfmeer: BerR 63–100; ShemR 1–22; 4. Vom Lied des Mose bis zum Bundesbuch: ShemR 23–30 (JudChr 10.13.16.18), Bern 1986– 2000; D. Stern, Parables in Midrash. Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature, Cambridge, Mass. 1991; ders., Midrash and Theory. Ancient Jewish Exegesis and Contemporary Literary Studies (Rethinking Theory), Evanston, Ill. 1996, 39–54. 5 K. S.  Davidowicz, Zwischen Prophetie und Häresie. Jakob Franks Leben und Lehren, Wien 2004. 6  A. Appelbaum, The Rabbis’ King-Parables. Midrash from the Third Century Roman Empire (Judaism in Context 7), Piscataway, New Jersey 2010, richtet sich in der Textauswahl nach den dort genannten Tradenten und schließt so auch Texte aus sehr späten Schriften wie Midrasch Psalmen oder Pesiqta Rabbati ein, was ich aus methodischen Gründen vermeide. Ansonsten bietet das Buch einen wertvollen Beitrag zur Analyse der Gleichnisse. 7  So sind etwa die Texte in MekhJ Shira 4 (Horovitz/Rabin 130–131) vom König, der in den Krieg zieht, und die man wie Gleichnisse lesen könnte, aber keine entsprechende Einleitung haben, hier übergangen.

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das Essen verdorben wird: „Sie tragen dieses Gleichnis vor Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלים אותו משל למה הדבר דומה‬Einem Diener, der seinem Herrn einschenken will und (dieser) schüttet ihm die Schöpfkelle ins Gesicht.“ Der palästinische Talmud übergeht diese Stelle völlig; bSuk 29a klärt allein, wer wem ins Gesicht schüttet, natürlich der Herr dem Sklaven; er sagt ihm: „Ich will deinen Dienst nicht.“ Der Herr ist natürlich Gott. Wenn er schon regnen lässt, entlässt er seinen Diener ins Haus. Es ist eher ein erweiterter Vergleich; das Erzählende ist auf ein Minimum reduziert.

II. Tosefta Etwas mehr Material bietet die zur Mishna parallele, doch deutlich umfangreichere und auch diskursivere Tosefta. In tBer 1,11 lesen wir als Kommentar zu Jes 43,18–19 „Denkt nicht mehr an das, was früher war […] Siehe, nun mache ich etwas Neues:“ Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der des Weges ging und den ein Wolf angriff, und er wurde vor ihm errettet. Und er pflegte die Geschichte mit dem Wolf zu erzählen. Es griff ihn ein Löwe an, und er wurde vor ihm errettet. Da vergaß er die Geschichte mit dem Wolf und pflegte die Geschichte mit dem Löwen zu erzählen. Nachher griff ihn eine Schlange an, und er wurde vor ihr errettet. Da vergaß er die Geschichte mit dem Löwen und pflegte die Geschichte mit der Schlange zu erzählen. So (‫ )כך‬ist auch Israel. Die letzten Bedrängnisse lassen die früheren vergessen.

Es ist ein bei den Rabbinen sehr häufiges „schriftauslegendes Gleichnis“.8 Formal ist es völlig standardisiert – klassische Einleitungsformel, zuerst das Gleichnis selbst (Mashal, hier keine Erzählung im eigentlichen Sinn), dann ganz knapp die Auslegung (Nimshal), mit „so“ (kakh) eingeleitet, die aber, wie ebenfalls sehr oft, zwar das Erzählte abdecken, doch nur bedingt den Bibeltext, den es erklären soll – das von Gott geschaffene wirklich Neue findet sich hier nicht. Thematisch eng verwandt ist ein Gleichnis in tSota 15,7. Auf die Aussage, dass nach dem Aufhören des Sanhedrin, der die Vergehen der Israeliten bestrafte, nunmehr Gott selbst nicht nur den Sünder, sondern auch seine Familie bestraft (belegt mit Lev 20,4–5), folgt dieses Gleichnis: Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der sich in der Stadt verging und man übergab ihn dem Auspeitscher und dieser peitschte ihn aus. Er war aber für den Auspeitscher zu hart. So übergab man ihn dem Stockträger und dieser verprügelte ihn. Doch war er auch für den Stockträger zu hart. So übergab man ihn dem Zenturion und dieser nahm ihn gefangen. Auch für den Zenturion war er 8  Dazu siehe A. Goldberg, Das Schriftauslegende Gleichnis im Midrasch (1981), in: ders., Rabbinische Texte als Gegenstand der Auslegung. Gesammelte Studien II, hg. v. M. Schlüter/​ P. Schäfer (TSAJ 73), Tübingen 1999, 134–198.

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zu hart und so übergab man ihn der Regierung und die ließ ihn in den Feuerofen (‫קמין‬, gr. κάμενος) werfen. So ist auch (‫ )אף כך‬Israel. Die letzten Bedrängnisse lassen die früheren vergessen.

Wer die angemessene Strafe nicht annimmt und daraus lernt, muss mit immer schärferen Folgen rechnen. Die hier geschilderte Steigerung der Bestrafung mag in gewissem Maß Verhältnissen in der römischen Umwelt der Rabbinen entsprechen, geht aber weit über den Gegensatz Sanhedrin – Gott hinaus und nimmt auch nicht den Einbezug der Familie des Frevlers von Lev 20 auf. Noch inkongruenter wirkt das folgende Gleichnis (tBer 6,18) als Erklärung zur Aussage R. Jehudas, dass man täglich Gott dreifach preisen muss: „Gepriesen (seist du), der mich nicht zu einem Heiden gemacht hast […] nicht zu einem Ungebildeten … nicht zu einer Frau“, denn Heiden zählen vor Gott nichts (Jes 40,17), „ein Ungebildeter fürchtet die Sünde nicht“, (mAv 2,5) und eine Frau ist nicht zu (allen) Geboten verpflichtet: Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der zu seinem Knecht sagte: Koch mir ein Gericht. Dieser aber hatte noch nie ein Gericht gekocht. Am Schluss verdirbt er es und erzürnt seinen Herrn. (Er befiehlt ihm), ihm den Rock zu säumen (so mit Erfurt ‫ לחפת‬statt Wien ‫)להפוך‬. Er aber hatte noch nie einen Rock gesäumt. Am Schluss beschmutzt er den Rock und erzürnt seinen Herrn.

Dem Gleichnis folgt kein Nimshal – es soll ja selbst den vorausgehenden Text erklären, lässt jedoch den Abschnitt über die Frau aus (zumindest bietet man nur zwei Abschnitte, nicht drei). Der „König von Fleisch und Blut“, ein Stereotyp in rabbinischen Gleichnissen, gibt seinem Sklaven Aufträge, für die dieser nicht geschult ist. Er macht notgedrungen dabei etwas falsch und erzürnt damit den König, der doch eigentlich selbst schuld ist. Anders, so muss der Hörer selbst ergänzen, gibt der himmlische König keine unmöglichen Gebote. Der Nichtjude, der sie nicht kennt, ist nicht an sie gehalten und der Ungebildete hält sich nicht an sie. Doch wird man sofort einwenden: Auch der ungebildete Jude mag zwar entschuldigt sein, wenn er ein Gebot aus Unwissen nicht einhält, doch gilt das Gebot natürlich auch für ihn und sollte er es lernen. Der himmlische König mag ihm nicht zürnen, doch er nimmt ihn nicht aus. Sollte dies nun auch für die Frau gelten, die ja nur von bestimmten Geboten befreit ist? Es ist deutlich, dass das Gleichnis nur einen Teil der vorausgehenden Aussage illustriert und erklärt, doch nicht alles. In tSheq 1,6 heißt es mit mSheq 1,3, dass von dem Zeitpunkt an, da man mit der Einhebung der Schekelsteuer beginnt, man diejenigen pfändet, die noch nicht gezahlt haben, um damit die Gemeinschaftsopfer zu bezahlen. Dazu bringt die Tosefta ein Gleichnis: Ein Gleichnis von jemandem (‫)משל לאחד‬, an dessen Fuß eine Wunde entstand. Und der Arzt bindet ihn und schneidet in sein Fleisch, um ihn zu heilen.

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So (‫ )כך‬sagte der Heilige, gepriesen sei er: Pfändet Israel wegen seiner Schekel, damit davon die Gemeinschaftsopfer dargebracht werden. Denn die Gemeinschaftsopfer versöhnen und sühnen zwischen Israel und seinem Vater im Himmel. Und so haben wir über die Einhebung der Schekel gefunden, die die Israeliten in der Wüste zahlten. Denn es heißt: „Nimm das Silber des Sühnegeldes von den Israeliten (und verwende es für den Dienst im Offenbarungszelt).“ (Ex 30,16)

Der Text bietet eher einen Vergleich als ein ausgeführtes Gleichnis (Neusner übersetzt daher: „This is like a man“9), auch wenn die Einleitung dieselbe ist („jemand“ statt des sonst so oft genannten Königs, weil es eine Erfahrung ist, die jeder einmal machen kann). Die Pfändung ist unangenehm, dient aber dem gewünschten Ziel der Heilung. Anders als im Nimshal nahegelegt, findet man jedoch keinen expliziten Bibelbeleg für die Pfändung (‫ ולקחת‬besagt ja einfach die Einhebung). Ein Gleichnis der vertrauten Art bietet tSuk 2,6, das direkt angeschlossene zweite Gleichnis ist aber wieder mehr ein Vergleich und ohne wirklichen Erzählzusammenhang: Wenn die Himmelslichter verdunkeln, ist dies ein schlechtes Zeichen für die ganze Welt. Das gleicht einem König von Fleisch und Blut (‫)משל למלך בשר ודם‬, der einen Palast baute. Sobald er ihn fertig gestellt hatte, bereitete er darin ein Mahl und ließ dann die Gäste kommen. Als er über sie zürnte, sagte er dem Diener: „Nimm das Licht vor ihnen weg!“, und so saßen alle im Dunkeln. R. Meir pflegte zu sagen: Wenn die Himmelslichter verdunkeln, ist dies ein schlechtes Zeichen für (die Feinde) Israel(s); denn sie sind an Schläge gewöhnt. Das gleicht einem Lehrer (‫)משל לסופר‬, der in die Schule kommt und sagt: Bringt mir einen Riemen. Wer fürchtet sich da? Wer gewohnt ist, geschlagen zu werden.

Beiden Gleichnissen fehlt eine folgende Erklärung; sie sollen ja selbst die zuvor gebotene Deutung von Sonnen‑ und Mondfinsternissen als böses Omen bestätigen. Warum der König plötzlich den Eingeladenen zürnt, ist nicht gesagt, ebenso wenig, warum der Lehrer zuschlagen will; beides scheint eher willkürlich zu sein, so wie der gewöhnliche Bürger eine Sonnenfinsternis nicht vorhersehen konnte. Da es aber um Himmelsphänomene geht, ist damit aber auch impliziert, dass man Gottes Strafhandeln nicht vorhersehen und begründen kann. Zu den vier Rabbinen, die in den Pardes eintraten, aus dem aber nur R. Aqiva unbeschadet zurückkam, kommentiert tHag 2,5: Ein Gleichnis. Wem gleicht die Sache (‫ ?)משל למה הדבר דומה‬Dem Garten des Königs, über dem ein Obergemach errichtet war. Was muss der Mensch tun? Schauen, aber nicht seine Augen daran sättigen. Und sie trugen noch ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ועוד משלו משל למה הדבר‬ ‫ ?)דומה‬Einer Truppe (‫)לאיסתרטא‬, die zwischen zwei Wegen passiert, einem aus Feuer und einem aus Schnee. Wendet sie sich dahin, wird sie vom Feuer gebrannt; wendet sie sich dorthin, erfriert sie im Schnee. 9 J. Neusner, The Tosefta. Translated from the Hebrew with a New Introduction, 2 Bde., Peabody, Mass. 2002, Bd. 1, 524.

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Was muss der Mensch tun? In der Mitte gehen und ja nicht sich zur einen oder zur anderen Seite wenden.

Auch hier haben wir eher einen Vergleich vor uns, auch wenn der erste einem Königsgleichnis nahesteht. Um Gefahren zu vermeiden, soll man sich an ein Mittelmaß halten, den Mittelweg gehen. Drei der vier Rabbinen sind offenbar zu weit gegangen; Näheres wird dazu nicht gesagt. In tSota 11,3 heißt es, dass die Israeliten auch nach dem Tod des Mose noch 39 Tage lang Manna zu essen hatten; erst mit der Darbringung der Erstlingsgarbe in Gilgal war es zu Ende; sonst hätten die Israeliten nie die Früchte des Landes essen wollen: R. Eleazar ben Azaria sagt: Sie trugen ein Gleichnis vor. Wem gleicht die Sache (‫משלו משל‬ ‫ ?)למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der zu seinem Diener sagte: Mische

mir mit warmem (Wasser). Dieser sagte ihm: Hier ist kein warmes (Wasser). Wenn nicht, mische mir mit kaltem. Das zeigt dir, wie gut er zu den Israeliten war. Denn wäre ihnen (noch im Monat Adar) Manna heruntergekommen, hätten sie nicht von der Ernte des Landes Kanaan gegessen.

Trotz der Standardeinleitung eines Königsgleichnisses ist es auch hier bloß ein Vergleich des Verhaltens Gottes zu Israel mit dem eines Königs, der sich an die Verhältnisse anpasst. Die Fortsetzung „das zeigt dir“ (‫להודיעך‬, wörtlich „um dich wissen zu lassen“) ist keine Erklärung (nimshal), sondern sieht im Ablauf der Dinge einfach Gottes Güte ausgedrückt. Die Frage, warum die Tora den Dieb härter bestraft als den Räuber (Ex 21,37; Lev 5,23), beantwortet tBQ 7,2 mit folgendem Gleichnis: R. Meir sagt: Sie trugen ein Gleichnis im Namen des Rabban Gamaliel vor. Wem gleicht die Sache (‫ למה הדבר דומה‬.‫ ?)משלו משל משם רבן גמליאל‬Zweien, die in einer Stadt ein Gastmahl veranstalteten. Der eine lud die Stadtbewohner ein, nicht aber den König. Und der andere lud weder den König noch die Stadtbewohner ein. Wer von beiden wird schwerer bestraft? Der, der die Stadtbewohner, doch nicht den König einlud, dessen Strafe ist schwerer als die des Zweiten.

Auffällig ist einmal die Nennung dessen, der das Gleichnis vorträgt; gewöhnlich sind Gleichnisse anonym. Eine Erklärung folgt hier nicht dem Gleichnis, ist aber aus der vorausgehenden Diskussion zu entnehmen. Der Dieb handelt so, als ob Gott ihn nicht sieht (dazu Jes 29,15; Ps 94,7; Ez 8,12). Der Gastgeber glaubt, der König erfahre nichts von seiner Einladung, und lädt ihn deshalb nicht ein. Dafür wird er hart bestraft. Ähnlich der Dieb, der glaubt, Gott sehe ihn nicht. Das allein ist der Vergleichspunkt, das Gastmahl dagegen ist zwar oft Thema von Gleichnissen, ist aber nicht mit Diebstahl vergleichbar. Gleich anschließend nennt tBQ 7,3 fünf Dinge, die Jochanan ben Zakkai symbolisch, übertragen (‫ )כמן חומר‬auslegte,10 davon die ersten zwei mit einem 10 Vgl. Mekhilta Neziqin 6 (Horovitz/Rabin 270) über drei Ausdrücke, die Rabbi Jishmaʿel in der Tora bildhaft auszulegen pflegte (‫)דורש בתורה כמין משל‬.

Verwendung und Auslegung von Gleichnissen bei den frühen Rabbinen

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Gleichnis. Israel wurde nach Babylonien verbannt, weil die Familie ihres Vaters Abraham von dort kommt: „Sie trugen ein Gleichnis vor. Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einer Frau, die ihren Mann betrog. Wohin schickt er sie? In das Haus ihres Vaters.“ Da die Beziehung Gott-Israel traditionell als Ehe dargestellt wird, ist der Vergleich passend, doch nur zum Teil – mit dem Exil wird ja nicht zugleich der Bund aufgelöst! Ähnlich ist es beim folgenden Gleichnis in 7,4, das den Unterschied zwischen den ersten und den zweiten Tafeln beleuchtet – die ersten waren das Werk Gottes (Ex 32,16), die zweiten dagegen machte Mose, auch wenn Gott selbst sie beschrieb (Ex 34,1): Sie trugen ein Gleichnis vor. Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der sich eine Frau antraute. Er bringt den Schreiber (‫הלבלר‬, librarius), das Schreibrohr (‫הקולמוס‬, κάλαμος), die Tinte, das Dokument und die Zeugen. Hat sie verderbt gehandelt, muss sie selbst alles bringen. Es muss ihr genügen, dass der König ihr seine Unterschrift gibt.

Ob es tatsächlichen Verhältnissen entsprach, dass eine Frau, die schuldig entlassen wurde, selbst alles für ihren Scheidebrief beibringen musste, den der Mann nur noch unterschreibt, ist höchst fraglich, entspricht jedenfalls weder dem Bibeltext (Dtn 24,1–4) noch den Vorschriften von Mishna Gittin und ist wohl eher aus dem Vergleich der zwei Tafeln abgeleitet. Beide Gleichnisse (besser: Vergleiche) brauchen keine Auslegung; sie selbst sollen ja einen zuvor genannten Sachverhalt illustrieren. Ein weiteres Gleichnis im selben Kapitel (BQ 7,13) illustriert einen Bibelvers: R. Shimʿon sagt: Siehe, (die Schrift) sagt: „Wer mit dem Dieb teilt, hasst sich selbst, (er hört die Verfluchung, doch er macht keine Anzeige).“ (Spr 29,24) Sie trugen ein Gleichnis vor. Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der sich Geräte auflädt und aus dem Haus seines Nächsten geht. Ein anderer trifft ihn und fragt ihn: Was ist das, N. N.? Dieser antwortet ihm: Nimm deinen Anteil und sag nichts! Nach einiger Zeit trifft diesen der Bestohlene und sagt zu ihm: Ich lasse dich schwören! Hast du jemanden gesehen, der mit Geräten beladen aus meinem Haus ging? Doch der sagt ihm: Ich schwöre, ich weiß nicht, wovon du redest. Über den heißt es: „Wer mit dem Dieb teilt, hasst sich selbst, (er hört die Verfluchung, doch er macht keine Anzeige).“ (Spr 29,24)

Dieses von einem Schriftvers gerahmte Gleichnis (auch hier wieder eher ein ausgedehnter Vergleich) illustriert den Vers sehr gut, allerdings ohne dessen Kontext (V. 25), dass er aus Angst so handelt, anstatt auf den Herrn zu vertrauen. Hier geht es mehr um den Meineid, zu dem die Komplizenschaft mit dem Dieb schließlich führt („er hört die Verfluchung“). Das Gleichnis hat eine direkte Parallele in der Mekhilta Neziqin 13 (Horovitz/ Rabin 295). Nach Darstellung des unterschiedlichen Ersatzes, je nachdem, was man gestohlen hat, kommentiert der Text die Entführung eines Menschen:

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Über diesen (Dieb) steht, „Wer einen Menschen stiehlt“ (Ex 21,16); denn er verwirkt sein Leben. Rabbi Shimʿon ben Joḥai [sagt: Siehe, es heißt: „Wer mit dem Dieb teilt, hasst sich selbst“ (Spr 29,24)]. Sie erzählten ein Gleichnis (‫ )מושלו משל‬von einem, der aus dem Haus seines Nächsten kam, mit Geräten beladen. Einer traf ihn und fragte ihn: Was machst du? Er antwortete ihm: Nimm deinen Teil und sag nichts. Nach einiger Zeit kam der Bestohlene und sagte zu ihm: Ich beschwöre dich! Hast du nicht N. N. mit Geräten beladen aus meinem Haus kommen gesehen? Der aber antwortet: Ich schwöre, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Dieser verwirkt sein Leben und über ihn heißt es: „Wer mit dem Dieb teilt, hasst sich selbst“ usw. Wer sich aber von seinem Nächsten fortstiehlt und geht und Worte der Tora lernt, kann zwar auch ein Dieb genannt werden, doch erwirbt er sich Verdienste. Über ihn heißt es: „Man verachtet nicht den Dieb, (wenn er nur stiehlt, um sein Verlangen zu stillen, weil er Hunger hat). Er wird gefunden“ und über die Gemeinde gesetzt; „er muss siebenfach zahlen;“ denn es heißt: „Er muss den ganzen Besitz seines Hauses geben“ (Spr 6,30–31). Und „siebenfach“ ist nichts anderes als die Worte der Tora; denn es heißt: „Die Worte des Herrn sind lautere Worte ([…] geläutert siebenfach).“ (Ps 12,7)

Das Gleichnis selbst ist fast wörtlich gleich wie jenes in der Tosefta. Die vielen kleinen Varianten sind typisch für die Art der Überlieferung von Gleichnissen. Erstaunlich ist dagegen, wie anstelle einer Deutung des Gleichnisses dem Dieb ein Ausweg aus seiner Schuld aufgezeigt wird, indem er Tora studiert. Auch das folgende Gleichnis (tSan 1,2) über einen Dieb ist von einem Schriftvers gerahmt: R. Eliezer ben Jakob sagt. Was lehrt der Schriftvers: „Der Gierige ‚segnet‘ [im Sinn von ‚flucht‘]; er hat den Herrn gelästert“ (‫ובוצע ברך ניאץ ייי‬: Ps 10,3)? Sie trugen ein Gleichnis vor. Wem gleicht die Sache (‫ ?)משלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der ein Sea Weizen stahl. Er mahlte es, buk es und sonderte davon die Teighebe ab und gab es seinen Kindern zu essen. Wie segnet so einer? Er lästert den Herrn. Über ihn steht geschrieben: „Der Gierige ‚segnet‘; er hat den Herrn gelästert.“

Das Gleichnis vom Dieb, der sich in der Folge an die Halakha hält (Teighebe) und wohl auch den Tischsegen spricht, deutet diesen „Segen“ als Gotteslästerung. Formal auffällig ist, dass die Erzählung nicht voll ausgeführt wird, sondern mit einer Frage endet. In tSan 8,9 beantwortet man die Frage, warum der Mensch als letzter geschaffen wurde, damit, dass er so sofort zum Gastmahl kommen kann; alles ist schon bereitet. Das vergleicht man mit einem König (.‫מושלו משל למה הדבר דומה‬ ‫)למלך‬, „der einen Palast baute und einrichtete, ein Festmahl bereitete und erst dann die Gäste einlud.“ Auch hier wird der Vergleich standardmäßig wie ein Gleichnis eingeleitet. Ähnlich als Gleichnis eingeleitet (‫ )משלו משל למה הדבר דומה‬ist ein einfacher Vergleich in tNid 2,8: Eine Frau, die sich regelmäßig prüft (ob ihre Monatsblutung schon begonnen hat), ist zu loben. Einem Mann dagegen, der das tut,

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soll man die Hand abhacken. Das gleicht „einem, der den Finger ins Auge gibt; wenn immer er drückt, bringt er viele Tränen hervor. Wovon ist das gesagt? Vom Samenerguss.“ Übergangen sei hier der textlich fragliche Abschnitt von tNid 3,5, in dem ein Vergleich klären soll, was genau „sofort“ (‫ )ותים‬bedeutet, wenn eine Frau sich nach dem Verkehr untersuchen soll, ob schon die Regel eingetreten ist, ebenso der völlig unklare Vergleich eines lang anhaltenden Genitalausflusses eines Mannes mit der Länge eines Seils (der Abschnitt ist nur im Erstdruck Venedig 1521, doch in keiner Handschrift belegt). Damit sind sämtliche Belege für Mashal in der Tosefta genannt.

III. Mekhilta deRabbi Jishmaʿel Aus den halakhischen Midraschim gehe ich wegen des großen Umfangs des Materials nur auf die Mekhilta deRabbi Jishmaʿel ein, die 30 Gleichnisse enthält.11 Gleich zu Beginn des Midrasch (Pisḥa 1, Horovitz/Rabin 3) illustriert ein Gleichnis, dass man sich nicht vor Gott verbergen kann; Gott ist überall: Und da sagt Jona: Ich gehe außer Landes, wo sich die Schekhina nicht offenbart; denn die Heiden sind der Umkehr nahe und ich möchte nicht Israel als schuldig erweisen?! Sie trugen ein Gleichnis von einem Sklaven vor, der einem Priester gehörte (‫משלו משל לעבד‬ ‫)שהיה לכהן‬. Er sagte: Ich flüchte zwischen die Gräber, an einen Ort, wohin mir mein Herr nicht nachkommen kann. Sein Herr sagte zu ihm: Ich habe deinesgleichen. So sagte Jona: Ich gehe außer Landes usw.; denn die Heiden sind der Umkehr nahe und ich möchte nicht Israel als schuldig erweisen. Es sagte ihm Gott: Ich habe Sendboten wie dich. Denn es heißt: „Und der Herr ließ einen mächtigen Wind losbrechen.“ (Jona 1,4)

In sich ist das Gleichnis mit seiner Auslegung („so“) schlüssig, insofern der Priester, der keinen Friedhof betreten darf, einen anderen Sklaven schicken kann, um den Flüchtigen zurück zu holen. Ebenso lässt Gott den Wind als seinen Boten los, wenn schon Jona nicht bereit ist, Gottes Bote zu sein. Auf der anderen Seite reicht natürlich Gott überall hin, er braucht keinen Boten; insofern ist, wie so oft, auch dieses Gleichnis nur beschränkt richtig. Übergehen muss ich das zweite Vorkommen von mashal in Pisḥa 13, Horovitz/ Rabin 42 im Kontext von Ex 11,4: „Um Mitternacht (‫ כחצות הלילה‬will ich mitten durch Ägypten gehen.“ Warum heißt es nicht „(genau) um Mitternacht“ (‫?)בחצות‬ Die Antwort ist: „Wenn ein Mensch (die Nacht) teilen will, ist es ihm denn möglich, sie genau zu bestimmen? Doch er, der seine Stunden und Zeiten kennt, er hat sie geteilt.“ Nur die Oxforder Handschrift leitet die Aussage als mashal 11  L. Teugels, The Meshalim in the Mekhiltot. An Annotated Edition and Translation of the Parables in Mekhilta de Rabbi Yishmael and Mekhilta de Rabbi Shimon bar Yochai (TSAJ 176), Tübingen 2019.

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ein, hat aber nach dem Wort eine Textlücke, sodass nicht klar ist, was es genau bedeutet. Die Handschrift München und der Erstdruck lassen das Wort aus. In Pisḥa 16 (Horovitz/Rabin 59) wird R. Eleasar ben Asarja mit einer Auslegung von Jer 23,7–8 (fast gleich 16,14–15) zitiert: „Darum seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, da sagt man nicht mehr: So wahr der Herr lebt, der die Söhne Israels aus Ägypten herausgeführt hat!, sondern: So wahr der Herr lebt, der […] heraufgeführt und zurückgebracht hat“ usw. Man trug ein Gleichnis vor: Wem gleich die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der sich nach Kindern sehnte. Ihm wurde eine Tochter geboren und er gelobte beim Leben der Tochter. Es wurde ihm ein Sohn geboren; da ließ er die Tochter und gelobte beim Leben des Sohnes.

Das zweite rettende Eingreifen Gottes für Israel gilt klar als größer als die Befreiung aus Ägypten. Entsprechend ist nach dem Gleichnis die Geburt eines Sohnes erfreulicher als die einer Tochter, eine traditionelle Wertung nicht nur in orientalischen Gesellschaften. Das zweite positive Erlebnis drängt das frühere in den Hintergrund. Soweit passt das Gleichnis; sonst aber ist kaum eine Parallele vorhanden. Vielleicht deshalb schließt man unmittelbar ein weiteres Gleichnis im Namen des R. Simeon ben Jochai an, das uns schon in tBer 1,11 als Kommentar zum inhaltlich ähnlichen Schrifttext Jes 43,18–19 begegnet ist, dort aber anonym. Es ist das Gleichnis vom Mann, der zuerst vor einem Wolf, dann vor einem Löwen und zuletzt vor einer Schlange errettet wurde und so am Schluss nur noch diese letzte Erfahrung erzählt. Schon in der Fassung der Tosefta gibt es nach einem völlig identischen Beginn eine Reihe kleiner Unterschiede zwischen den Handschriften Wien, Erfurt, Geniza und Erstdruck. Die Mekhilta-Fassung Oxford kürzt nach dem ersten Abschnitt mit dem Wolf schon den mit dem Löwen und lässt die Schlange und die Auslegung auf Israel hin völlig aus. Man darf annehmen, dass der Schreiber absichtlich gekürzt hat, weil ihm der Text schon aus der Tosefta bekannt war. Die aschkenasische Handschrift München bietet einen Text, der fast völlig der Wiener Tosefta entspricht und wohl aus dieser übernommen wurde. Gleichnisse unterliegen in der Textüberlieferung stark den Regeln mündlich tradierter Erzählungen, die bei gleichem Aufbau oft in Details voneinander abweichen. Gleichnisse sind generell stark standardisiert, nicht nur in den Einleitungsformeln, und lassen so dem Erzähler/Kopisten nur in für den Aufbau unwesentlichen sprachlichen Details Freiheiten, die dann auch gerne genutzt werden. Abhängigkeiten einzelner Versionen voneinander oder gar ein „Urtext“ lassen sich daher nie belegen. Wenn der Pharao und die Ägypter zuerst Israel ziehen lassen, dann aber ihre Meinung ändern und Israel nachjagen, schildert der Midrasch in Beshallaḥ 1 (Horovitz/Rabin 86) die Überlegungen der Ägypter und illustriert dann das Ergebnis der falschen Entscheidung mit einem Gleichnis: „Da änderte sich die Meinung des Pharao und seiner Diener und sie sagten“ (Ex 14,5): Wären wir geschlagen worden und hätten sie nicht ziehen lassen, hätte es uns schon

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gereicht (‫ ;)כדי הוא לנו‬wir aber wurden geschlagen und haben sie auch noch ziehen lassen. Oder: Wären wir geschlagen worden und hätten sie ziehen lassen, es wäre uns aber nicht unser Geld genommen worden, hätte es schon gereicht; wir aber wurden geschlagen und haben sie ziehen lassen und unser Geld wurde auch noch genommen! Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der zu seinem Diener sagte: Geh und bring mir einen Fisch vom Markt! Er ging und brachte ihm einen stinkenden Fisch. Er sagte: Es sei beschlossen: du isst diesen Fisch oder erhältst hundert Schläge oder zahlst hundert Minen. Da sagte dieser: Ich werde ihn essen. Er begann zu essen, konnte ihn aber nicht fertig essen, und sagte: Ich will lieber geschlagen werden. Er hatte sechzig oder siebzig Schläge erhalten, doch bevor er zum Ende kam, sagte er schon: Ich gebe (lieber das Geld). So aß er den Fisch, erhielt Schläge und zahlte hundert Minen. So (‫ )כך‬widerfuhr es den Ägyptern: Sie wurden geschlagen, schickten (die Israeliten) fort und diese nahmen auch noch ihr Geld.

Das Gleichnis ist gut erzählt, seine Anwendung auf die Ägypter passt insofern, als diese mit jeder Sinnesänderung ihren Schaden nur vermehren, sonst aber gar nicht. Man könnte Ägypten noch als Diener und Werkzeug Gottes sehen, doch wie passen die übrigen Details? Einzig die Tatsache, dass der Diener ebenso wie Ägypten es sich mit jeder Entscheidung nur verschlechtert, ist der Vergleichspunkt. Es gibt nicht den geringsten Ansatz für eine Allegorisierung. Das Gleichnis ist vielseitig verwendbar und nicht nur als Illustration für das Schicksal der Ägypter in der Auseinandersetzung mit Israel; es könnte auch gut schon von woanders übernommen sein. Derselbe Vers wird anschließend (Horovitz/Rabin 87–88) noch mit einem weiteren Gleichnis gedeutet: R. Jose ha-Gelili sagt: Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫מושלו משל למה‬ ‫ ?)הדבר דומה‬Einem, dem ein Feld von einem Kor als Erbe zufiel und der es um einen geringen Preis verkaufte. Der Käufer ging und erschloss darauf Quellen und pflanzte Gärten, Bäume und Obstgärten. Da begann der Verkäufer sich sehr zu ärgern. So (‫ )כך‬erging es den Ägyptern: Sie entließen und wussten nicht, was sie entließen. Über sie heißt es ausdrücklich in den traditionellen Schriften: „Deine Schösslinge sind ein Lustgarten voll Granatbäumen“ (Hld 4,13).

Vergleichspunkt ist hier die Geringschätzung Israels, dessen Wert die Ägypter erst erkennen, nachdem sie Israel haben ziehen lassen. Soll auch das Land Israel (und nicht nur das Volk) als „Erbe“ gesehen werden, das Ägypten zufiel? Und darf man auch fragen, wer der Käufer ist? Da käme nur Gott in Frage. In Wirklichkeit widerstrebt auch dieses kurze Gleichnis jeder detaillierteren Ausdeutung. Das gilt auch für das anschließende, R. Simeon ben Jochai zugeschriebene parallele Gleichnis: Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem, dem ein Palast in einer fernen Stadt als Erbe zufiel und der ihn um einen geringen Preis verkaufte. Der Käufer ging und fand darin verborgene (Schätze), Schätze von Silber und Gold, von Edelsteinen und Perlen. Da begann der Verkäufer sich sehr zu ärgern.

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So (‫ )כך‬erging es den Ägyptern: „Sie sagten: Wie konnten wir nur Israel aus unserem Dienst entlassen“ (Ex 14,5)?

Auch hier verkennt jemand das ihm zugefallene Erbe und verkauft es zu einem zu geringen Preis, ärgert sich dann aber, wenn er sieht, was der Käufer darin findet. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Gleichnis vom Schatz im Acker, den zu kaufen jemand seinen ganzen Besitz einsetzt (Mt 13,44), ist gegeben, doch ist hier das Gleichnis nicht aus der Sicht des Käufers erzählt, der völlig im Hintergrund bleibt, sondern aus der des frustrierten Verkäufers. Der Schatz ist nicht das Himmelreich, sondern Israel. In Beshallaḥ 4 (Horovitz/Rabin 98) kommentiert ein Gleichnis Ex 14,15: „Der Herr sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sag den Israeliten, sie sollen aufbrechen:“ Rabbi Avtolos der Alte sagt: Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der seinem Sohn zürnte und ihn vertrieb. Da kam sein Erzieher hinein, um ihm eine Bitte vorzutragen. (Der Vater) sagte: Bist du etwa gekommen, um für meinen Sohn zu bitten? Ich habe mich schon wieder mit meinem Sohn versöhnt. So (‫ )כך‬sagte der Heilige zu Mose: Was schreist du? Doch nur wegen (meiner Kinder)? Ich habe mich mit euch versöhnt. „Sag den Israeliten, sie sollen aufbrechen.“

Gleichnisse, in denen ein Erzieher (gewöhnlich ‫פדגוג‬, παιδάγωγος, hier Oxford ‫איפרופו‬, Geniza ‫אופיטרופו‬, ἐπίτροπος, in Ms. München, Vatikan und Erstdruck ‫אוהבו‬, „sein Freund“) beim Vater (oft als König eingeführt) für den Sohn eintritt, mit dessen Schicksal sein eigenes verbunden ist, sind rabbinisch häufig; offenbar fanden die aschkenasischen Textzeugen Mose als Erzieher nicht passend, und setzten dafür „Freund“ (Gottes). Die Anwendung des Gleichnisses auf Mose, wie üblich mit „so“ eingeleitet, endet mit dem kommentierten Schriftvers. Beshallaḥ 5 (Horovitz/Rabin 101) zu Ex 14,19 weicht dadurch von allen bisherigen Gleichnissen ab, dass hier das Gleichnis selbst durch eine Reihe von Schriftbelegen aufgefüllt wird, worauf auch schon die Einleitung zum Gleichnis selbst hinweist: „Der Engel Gottes, (der den Zug der Israeliten anführte,) erhob sich (und ging an das Ende des Zuges)“ (Ex 14,19). Rabbi Jehuda sagt: Siehe, dieser Schriftvers ist reich durch viele Parallelen. Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem, der des Weges zog und sein Sohn ging voran. Kamen Räuber, um ihn von vorn gefangen zu nehmen, nahm er ihn von vorne weg und gab ihn hinter sich. Kam ein Wolf, nahm er ihn von hinten weg und gab ihn vor sich. Kamen Räuber von vorn und Wölfe von hinten, holte er ihn und nahm ihn auf seine Seite; denn es heißt: „Ich lehrte Efraim gehen, ich nahm ihn auf meine Arme“ (Hos 11,3). Begann der Sohn unter der Hitze zu leiden, breitete er über ihn sein Kleid aus; denn es heißt: „Eine Wolke breitete er aus, um sie zu decken“ (Ps 105,39). Hatte er Hunger, gab er ihm Brot zu essen; denn es heißt: „Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen“ (Ex 16,4). War er durstig, gab er ihm Wasser zu trinken; denn

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es heißt: „Er ließ Bäche aus dem Gestein entspringen“ (Ps 78,16). Die Bäche sind nichts anderes als lebendiges Wasser; denn es heißt: „Die Quelle des Gartens bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers“ usw. (Hld 4,15). Und es heißt: „Trink Wasser aus deiner eigenen Zisterne, Wasser, das aus deinem Brunnen quillt“ (Spr 5,15).

Ein Auslegungsteil ist hier nicht mehr notwendig  – die Auslegung auf Israel beim Auszug aus Ägypten und Gottes (bzw. seines Engels) stete Fürsorge für Israel ist schon voll in das Gleichnis integriert, das durch so viele analog verstandene Schriftverse erweitert wird. Auch wenn man die Schriftverse mit ihren Einleitungen herausnimmt, bleibt das Gleichnis gegenüber anderen rabbinischen Belegen noch immer überladen und untypisch. Ein sehr ähnliches Gleichnis kommt in Baḥodesh 2 zu Ex 19,4 (Horovitz/ Rabin 207–8): „Wie ich euch auf Adlerflügeln getragen“ (19,4). Worin unterscheidet sich so ein Adler von allen anderen Vögeln? Alle Vögel geben ihre Jungen zwischen ihre Beine, da sie sich vor anderen Vögeln fürchten, die über ihnen schweben; der Adler dagegen fürchtet sich nur vor dem Menschen, der einen Pfeil auf sie schießen könnte, und sagt sich: Besser ist, wenn (der Pfeil) in mich eindringt und nicht in meine Jungen. Ein Gleichnis: (Das gleicht) einem (‫)משל לאחד‬, der des Weges zog und sein Sohn ging voran. Als Räuber kamen, um ihn gefangen zu nehmen, nahm er ihn von vorne weg und gab ihn hinter sich. Kam ein Wolf, um ihn von hinten zu packen, [nahm er ihn von hinten weg und gab ihn vor sich]. (Kamen) Räuber von vorn und Wölfe von hinten, nahm er ihn und gab ihn auf seine Schulter; denn es heißt: „In der Wüste, du hast es selbst erlebt, da hat der Herr, dein Gott, dich getragen (wie ein Mann sein Kind trägt)“ usw. (Dtn 1,31).

Wenig nach dem ersten Gleichnis, wie der Vater sein Kind schützt, folgt in Beshallaḥ 5 (Horovitz/Rabin 102; Parallele in MekhSh, Epstein/Melamed 61, zu 14,21) ein Königsgleichnis, das illustrieren soll, wie das Meer nicht ohne Widerstand der Aufforderung Moses Folge leistet:12 „Mose streckte seine Hand über das Meer aus“ (Ex 14,21). Das Meer begann, sich ihm entgegenzustellen. Er sagte es ihm im Namen des Heiligen, doch es nahm es nicht an. Er zeigte ihm den Stab, doch es nahm es nicht an. Sie erzählten ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der zwei Gärten hatte, einen innerhalb des anderen. Er verkaufte den inneren. Der Käufer kam, um einzutreten, doch der Wächter ließ ihn nicht. Er sprach zu ihm im Namen des Königs, doch (der Wächter) nahm es nicht an. Er zeigte ihm den Ring [des Königs], doch er nahm es nicht an, bis er den König holte und dieser kam. Als er den König holte und dieser kam, begann der Wächter zu fliehen. (Der Käufer) sagte zu ihm: Den ganzen Tag habe ich es dir im Namen des Königs gesagt und du hast es nicht angenommen. Wovor fliehst du jetzt? Doch nur vor dem König! So kam Mose und stellte sich gegen das Meer. Er sagte es ihm im Namen des Heiligen, doch es nahm es nicht an. Er zeigte ihm den Stab, doch es nahm es nicht an, bis sich über ihm der Heilige, gepriesen sei er, in seiner Herrlichkeit offenbarte. Da begann das Meer 12 Zu diesem Gleichnis siehe D. Boyarin, Intertextuality and the Reading of Midrash, Bloomington 1990, 93–104.

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zu fliehen; denn es heißt: „Das Meer sah es und floh“ (Ps 114,3). Mose sagte zu ihm: Den ganzen Tag habe ich es dir im Namen des Heiligen gesagt und du hast es nicht angenommen. Doch jetzt, „was ist mit dir, Meer, dass du fliehst“? Es antwortete ihm: Nicht vor dir, Sohn des Amram, sondern „vor dem Herrn erbebe, du Erde“ usw. (114,5.7).

Die Deutung des Gleichnisses ist hier relativ ausführlich und durch Bibelverse aufgefüllt. Zwei Gärten liegen ineinander und der Wächter des äußeren Gartens versucht, dem Käufer des inneren das Durchgangsrecht zu verweigern. Der innere Garten ist das Land Israel, die Wüste der äußere Garten, dessen Zugang das Meer als Wächter versperrt. Das Eingreifen des Königs selbst wird aus Ex 14,21 abgeleitet: „Mose streckte seine Hand über das Meer aus und der Herr trieb die ganze Nacht das Meer fort“ – die Aufforderung durch Mose hatte offenbar keinen Erfolg, sodass Gott selbst eingreifen muss. So verständlich die Deutung ist, so befremdet doch ein wenig der Vergleich mit den ineinander gelegenen Gärten (für solche Besitzverhältnisse und damit verbundene Probleme des Durchgangs siehe tBM 11,15) und legt nahe, dass das Gleichnis in seiner Grundform nicht für diesen Kontext geschaffen wurde. In Beshallaḥ 6 (Horovitz/Rabin 104–105) wird Ex 14,22 kommentiert, wie die Israeliten ins Meer hinabstiegen. Dazu erzählt man die verbreitete Tradition vom Wetteifer der Stämme Benjamin und Juda, wer zuerst sich hineinwagt (an anderer Stelle ist es Efraim): Rabbi Meʾir sagt: Als die Stämme am Meer standen, sagte der eine: Ich steige hinab, und der andere sagte: Ich steige hinab. Während sie noch dastanden [und stritten], sprang der Stamm Benjamin los und stieg zuerst in das Meer; denn es heißt: „Benjamin, der jüngste, herrscht dort über sie“ (Ps 68,28). Lese nicht rodem: „Herrscht über sie,“ sondern rad jam, „Er stieg hinab ins Meer.“ Die Fürsten Judas begannen sie mit Steinen zu bewerfen (meragmin otam); denn es heißt: „Die Fürsten Judas im Zug“ (ebenda: rigmatam). Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem König, der zwei Söhne hatte, einen älteren und einen jüngeren. Er sagte zum Jüngeren, er solle ihn beim ersten Sonnenstrahl wecken. Zum Älteren sagte er, er solle ihn zur dritten Stunde wecken. Der Jüngere kam, ihn beim ersten Sonnenstrahl zu wecken; doch der Größere ließ ihn nicht. Er sagte ihm: Zu mir hat er gesagt, zur dritten Stunde. Und der Jüngere sagte: Zu mir hat er gesagt, beim ersten Sonnenstrahl. Während sie noch miteinander stritten, erwachte ihr Vater. Er sagte ihnen: Meine Söhne, ihr beide habt auf jeden Fall nur meine Ehre im Sinn gehabt. So werde auch ich euch euren Lohn nicht vorenthalten. Welchen Lohn erhielt also der Stamm Benjamin, der zuerst in das Meer hinabstieg? Die Schekhina ruhte in seinem Erbteil […]. Und welchen Lohn erhielt der Stamm Juda dafür? Er erlangte das Königtum.

Die klassische Einleitung zum Auslegungsteil (‫ )כך‬fehlt hier, doch ist der Übergang klar: Der Eifer beider Söhne wird belohnt; der konkrete Lohn hat aber im Gleichnis keinerlei Anhalt.

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Zu Ex 14,17, der Flucht der Ägypter vor dem zurückflutenden Meer, bringt Beshallaḥ 7 (Horovitz/Rabin 111; Parallele in MekhSh zu 14,27, Epstein/ Melamed 67) das nächste Gleichnis: „Während die Ägypter ihm auf der Flucht entgegenliefen.“ Das lehrt: Auf welche Seite auch immer ein Ägypter floh, lief ihm das Meer entgegen. Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einer Taube, die vor einem jungen Sperber floh und in den Speisesaal des Königs kam. Der König öffnete ihr ein Fenster nach Osten und sie flog hinaus und davon. Als der junge Sperber nach ihr hereinkam, schloss der König vor ihm alle Fenster und begann auf ihn Pfeile zu schießen. So (‫ )כך‬stieg, als der letzte Israelit aus dem Meer heraufgestiegen war, der letzte Ägypter in es hinab. Und die Dienstengel begannen, auf sie Pfeile und Hagelsteine zu schießen, Feuer [und Schwefel, so wie es heißt: „Ich richte ihn durch Pest und Blut; ich lasse Wolkenbrüche und Hagel, Feuer und Schwefel über ihn und seine Truppen und die vielen Völker, die bei ihm sind, herabregnen“ (Ez 38,22)].

Der Vergleich des Meeres mit dem Speisesaal (‫טרקלין‬, triclinium) des Königs liegt an sich nicht nahe; dass der König im Saal bei geschlossenen Fenstern Pfeile auf den Sperber schießt, wirkt auch etwas eigenartig; zumindest dieses Detail scheint aus Ez 38 im Auslegungsteil übernommen. Damit stellt sich die Frage, wieweit die Ausgestaltung von Gleichnissen zumindest zuweilen von der gewünschten Auslegung abhängt. Die Taube ist gewöhnlich ein Bild Israels, so schon in Beshallaḥ 2 (Horovitz/ Rabin 94), wo aber der Anfang der klassischen Gleichniseinleitung fehlt. Zu Ex 14,13, den von den Ägyptern verfolgten Israeliten, heißt es: Wem glich Israel in dieser Stunde? Einer Taube (‫ ליונה‬.'‫)למה היו דומין יש' באותה שע‬, die vor einem Sperber floh und in eine Felsspalte flüchtete, wo eine Schlange sie anzischte. Geht sie hinein, [ist da die Schlange]; wenn sie aber hinausgeht, wartet der Sperber, sie zu fassen. So schienen die Israeliten in dieser Stunde: Das Meer schloss sie ein, und der Feind verfolgte sie. Da erhoben sie ihre Augen im Gebet. Von ihnen heißt es ausdrücklich in den traditionellen Schriften: „Meine Taube in den Felsenklüften …, süß ist deine Stimme“ im Gebet, „lieblich dein Gesicht“ im Studium der Tora (Hld 2,14).

Auch hier wird die Taube vom Sperber bedroht, doch in der freien Natur; die erhoffte Zuflucht ist schon von einer Schlange besetzt. Eine Lösung des Dilemmas gibt es im Gleichnis nicht. Es geht allein um die fast auswegslose Lage Israels, in der es doch in Gebet und Torastudium auf Gott vertrauen kann. Der Vers aus dem Hohenlied bestimmt zumindest einen Teil des Gleichnisses. Der Kommentar zum Siegeslied am Schilfmeer setzt mit einem Gleichnis ein (Shira 1, Horovitz/Rabin 119): „Ich singe dem Herrn ein Lied“ (Ex 15,1). Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der in eine Stadt einzog und den alle priesen, dass er ein Held sei, obwohl er schwach war, dass er reich sei, obwohl er arm war, dass er weise sei, obwohl er ein Dummkopf war, dass er barmherzig

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sei, obwohl er grausam war, dass er Richter sei, dass er treu sei, und dabei stimmte nichts von allem. Sie alle schmeichelten ihm nur. Nicht so ist es bei dem, der sprach und die Welt war. Vielmehr: (‫אבל מי שמאמ' והיה הע�ו‬ ‫ )לם אינו כן אלא‬Ich will dem singen, der ein Held ist; denn es heißt: „Er ist der große Gott, der Held und der Furchterregende“ usw. (Dtn 10,17). Und es heißt: „Der Herr, stark und ein Held, der Herr, ein Held im Kampf.“ (Ps 24,8) Und es heißt: „Der Herr zieht in den Kampf wie ein Held“ (Jes 42,13). Weiter heißt es: „Niemand, Herr, ist wie du: Groß bist du, und groß an Kraft ist dein Name“ (Jer 10,6).

Es ist ein bei den Rabbinen beliebtes Kontrastgleichnis,13 das kritisch die heuchlerische acclamatio des Königs beim Einzug in eine Stadt dem wahren Lobpreis Gottes gegenüberstellt. Den Einzug des Königs in eine Stadt hat ein weiteres Kontrastgleichnis in Shira 3 (Horovitz/Rabin 127) zum Thema: „Dieser ist mein Gott“ (Ex 15,2). Rabbi Elʿazar sagt: Woher kannst du sagen, dass sogar eine Magd am Meer sah, was Jesaja und Ezechiel nicht sahen? Denn es heißt: „Durch die Propheten rede ich in Gleichnissen.“ (Hos 12,11: ‫ )אדמה‬Und es steht geschrieben: „Es öffnete sich der Himmel und ich sah eine Erscheinung Gottes“ (Ez 1,1 ‫)מראות אלהים‬. Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der eine Stadt betritt. Eine Leibwache umgibt ihn; seine Helden sind zu seiner Rechten und zu seiner Linken und Truppen sind vor ihm und hinter ihm. Und alle fragen: Wer ist der König? Weil er ein König von Fleisch und Blut und ihnen gleich ist. Aber (‫ )אבל‬als sich der Heilige am Meer offenbarte, musste nicht einer von ihnen fragen, wer der König sei. Sobald sie ihn sahen, erkannten sie ihn. Sie alle öffneten ihren Mund und sagten: „Dieser ist mein Gott, ihn will ich preisen“ usw.

Das Motiv, dass die Stadtbewohner den König nicht von seinen engsten Begleitern unterscheiden können, begegnet auch sonst in rabbinischen Gleichnissen. Hier sei auch gleich ein weiteres Gleichnis von einem König, der in eine Stadt kommt, angeschlossen, Baḥodesh 5 (Horovitz/Rabin 219) zu Ex 20,2: „Ich bin der Herr, dein Gott.“ Warum wurden die zehn Gebote nicht am Anfang der Tora gesagt? Ein Gleichnis von einem König von Fleisch und Blut (‫)משל למלך בשר ודם‬, der in eine Stadt kam. Er sagte ihnen: Ich will euer König sein. Sie antworteten ihm: Hast du denn irgendetwas für uns getan, dass du unser König sein willst? Was tat er? Er baute ihnen eine Mauer, er leitete ihnen Wasser zu und führte für sie Kriege. Dann sagte er: Ich will euer König sein. Sie antworteten ihm: Ja, ja. So führte Gott Israel aus Ägypten, spaltete ihnen das Meer, ließ ihnen Manna herunterkommen, ließ ihnen den Brunnen aufsteigen, trieb ihnen die Wachteln zu und führte für sie Krieg gegen Amalek. Dann sagte er: Ich will euer König sein. Sie antworteten ihm: Ja, ja.

13 Vgl. T. Thorion-Vardi, Das Kontrastgleichnis in der rabbinischen Literatur (JudUm 16), Frankfurt 1986.

Verwendung und Auslegung von Gleichnissen bei den frühen Rabbinen

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Die Frage, warum so lange erzählerische Texte die Tora einleiten, wenn sie doch wesentlich die Gebote Gottes an sein Volk mitteilen soll, wird mehrfach gestellt und hier damit beantwortet, dass ein König leichter akzeptiert wird, wenn er zuvor schon etwas für das Volk getan hat. Ein weiteres Gleichnis, eher ein einfacher Vergleich, zu Ex 15,1 folgt in Shira 2 (Horovitz/Rabin 124): „Ross und Reiter (warf er ins Meer).“ Das besagt, dass das Pferd an den Reiter und der Reiter an das Pferd gebunden waren und sie so zur Höhe hinaufstiegen und in den Urgrund hinabstürzten, ohne sich voneinander zu lösen. Ein Gleichnis: Wenn ein Mensch (‫ )משל לאדם‬zwei Gegenstände in die Luft wirft, lösen die sich nicht schließlich voneinander? Hier aber (‫)אבל כן‬: „er hob empor“ (15,1), „er warf hinab“ (15,4). „Er hob empor:“ Sie stiegen auf zur Höhe. „Er warf hinab:“ Sie stürzten in den Abgrund. Doch lösten sie sich nicht voneinander.

Auch hier ist es ein Kontrast, in dem man tägliche Erfahrung (das „Gleichnis“) dem Geschehen entgegensetzt, das man aus dem Bibelvers liest. Wie schon beim Gleichnis vom Wolf, dem Löwen und der Schlange (siehe oben) zitiert die Mekhilta in Shira 2 (Horovitz/Rabin 125, so in allen Textzeugen!) ein schon aus der übrigen rabbinischen Literatur bekanntes Gleichnis nur an: Antoninus fragte unseren Rabbi: Wenn der Mensch gestorben ist und sein Körper zu sein aufgehört hat, wie bringt der Heilige sie vor Gericht? (Rabbi) antwortete ihm: Bevor du mich über den Körper fragst, der unrein ist, frag mich über die Seele, die rein ist. Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem König von Fleisch und Blut, der einen schönen Obstgarten hatte. In diesen setzte der König zwei Wächter, einen Lahmen und einen Blinden usw. bis: „Um sein Volk zu richten“ (Ps 50,4).

Das schon aus dem Ezechiel-Apokryphon bekannte, ursprünglich nichtjüdische, aus Indien über Babylonien nach Palästina gekommene und dabei immer wieder umgedeutete Gleichnis vom Lahmen und vom Blinden14 ist rabbinisch u. a. in WaR 4,5 (Margulies 88–90) und in bSan 91b in leicht unterschiedlichen Versionen überliefert. Rabbinisch illustriert es, wie Leib und Seele beim Endgericht gemeinsam zur Rechenschaft gezogen werden, und zeigt, wie unterschiedlich Rabbinen deren Verhältnis zueinander sehen. Die Textüberlieferung der Mekhilta setzt das Gleichnis als völlig bekannt voraus und zitiert es daher nur an. Die zwei Wächter verbünden sich, um gemeinsam die Erstlingsfrüchte des Gartens zu plündern. Vom König zur Rede gestellt, redet sich jeder auf sein Gebrechen aus. Doch der König setzt den Lahmen auf den Blinden und bestraft sie gemeinsam. 14  Dazu G. Stemberger, Zur Auferstehungslehre in der rabbinischen Literatur, Kairos 15 (1973), 238–266, hier 250–254. Siehe auch O. Münz-Manor, The Parable of the Lame and the Blind in Epiphanius and its Relation to Jewish Sources. New Texts, JThS 68 (2017), 593–606, mit neuerer Literatur.

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Ein weiteres Königsgleichnis folgt in Shira 3 (Horovitz/Rabin 127–128) zu Ex 15,1 „Er ist mein Gott, ihn will ich preisen“ (‫זה אלי ואנוהו‬, was die Rabbinen mit Ps 79,7 „seine Wohnstatt ‫ נוהו‬haben sie vernichtet“ verbinden und so auf den Tempel deuten). Das Gleichnis selbst ist sehr kurz, viel ausführlicher die Deutung mit den biblischen Belegen dafür, dass die Schekhina Israel immer folgt: Die Weisen sagen: Ich will ihn begleiten, bis ich mit ihm zu seinem Tempel komme. Ein Gleichnis von einem König (‫)משל למלך‬, dessen Sohn in eine ferne Stadt zog. Er zog ihm nach und blieb bei ihm. Als dieser in eine andere Stadt zog, zog er ihm nach und blieb bei ihm. So (‫ )כך‬zog die Schekhina, als Israel nach Ägypten hinabzog, mit ihnen nach Ägypten hinab; denn es heißt: „Ich selbst ziehe mit dir hinunter nach Ägypten“ (Gen 46,4). Als sie hinaufzogen, zog auch er mit ihnen hinauf; denn es heißt: „Ich führe dich auch selbst wieder herauf“ (ebenda). Als sie ins Meer hinabstiegen, war die Schekhina mit ihnen; denn es heißt: „Und der Engel Gottes, (der den Zug der Israeliten anführte)“ (Ex 14,19). Sie zogen in die Wüste und die Schekhina zog mit ihnen; denn es heißt: „Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag (in einer Wolkensäule)“ usw. (13,21). Bis sie mit ihm zu seinem Tempel kamen. Und so heißt es: „Kaum war ich an ihnen vorüber, (fand ich ihn, den meine Seele liebt)“ (Hld 3,4).

Dem zitierten Text geht ein Zitat von Hld 6,3 voraus: „Meinem Geliebten gehöre ich, und mir gehört der Geliebte“ usw. Demnach beziehen die Rabbinen „Ich will ihn begleiten“ auf Israel, das seinen Gott begleitet. Im Gleichnis ist es dagegen Gott, der Israel überallhin begleitet, ein Standardmotiv rabbinischer Literatur. Auch hier also entsprechen, wie so oft, das Gleichnis und seine Auslegung nicht ganz dem Ausgangspunkt; erst ganz am Schluss kommt man darauf zurück, doch der Begleiter ist immer noch Gott. Fast direkt darauf (Shira 3, Horovitz/Rabin 128) folgt ein Kontrastgleichnis: Der Gott meines Vaters, ihn will ich rühmen“ (Ex 15,1). Ich bin eine Königin, Tochter von Königen, geliebte Tochter von Geliebten, heilige Tochter von Heiligen, reine Tochter von Reinen. Ein Gleichnis von einem Menschen (‫)משל לאדם‬, der geht, um sich eine Frau anzutrauen. Einmal schämt er sich ihretwegen, dann schämt er sich wegen ihrer Familie und dann wieder wegen ihrer Verwandtschaft. Ich aber bin nicht so (‫)אבל אני איני כן‬. Ich bin eine Königin, Tochter von Königen usw.

Gewöhnlich ist es in Gleichnissen der König, der sich eine Frau antraut, hier dagegen ein gewöhnlicher Mann, der sich seiner Frau nicht schämen kann, beruft sie sich doch direkt auf den Gott ihres Vaters, also auf höchste Herkunft. Damit wird die Zielrichtung des Verses umgekehrt, doch das stört den Midrasch nicht. Das nächste Gleichnis in Shira 7 (Horovitz/Rabin 141) stellt den König nicht gleich in den Mittelpunkt, sondern jemanden, der gegen ihn revoltiert, einen „Räuber“ (‫ליסטים‬ – dasselbe Wort wie Mt 27,38 λῃσταί): Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Einem Räuber, der hinter dem Palast des Königs steht und lästert. Er sagt: Wenn ich den Sohn

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des Königs finde, ergreife ich ihn, töte ich ihn, kreuzige ich ihn und töte ihn auf grausame Weise. So (‫ )כך‬stand der böse Pharao da und lästerte in Ägypten. „Da sagte der Feind: Ich jage nach, hole ein“ usw. (Ex 15,9). Und der heilige Geist spottet über ihn und sagt: „Da schnaubtest du Sturm“ (15,10). Und er sagt: „Du strecktest deine Rechte aus“ usw. (15,12). Ebenso heißt es: „Warum toben die Völker […]. Sie stehen auf […]. Lasst uns ihre Fesseln zerreißen […]. Doch er, der im Himmel thront, lacht“ usw. (Ps 2,1–4). Und es heißt: „Ja, sie geifern mit ihrem Maul“ usw. Und was steht danach geschrieben? „Du aber, Herr, verlachst sie“ usw. (Ps 59,8 f.). Und ebenso heißt es: „Dann werden dich Saba und Dedan und die Kaufleute von Tarschisch und all ihre jungen Krieger (fragen: Kommst du, um Beute zu machen)“ (Ez 38,13)? „Und an jenem Tag, wenn Gog gegen Israel heranzieht […] dann zittern vor mir die Fische im Meer […]. Es bersten die Berge, die Felswände stürzen ein“ usw. (38,18.20). All diese Tausende und all diese Myriaden „sanken wie Blei (ins mächtige Wasser)“ (15,10).

Das Gleichnis selbst ist wiederum sehr kurz und rudimentär; dem Ausleger geht es vielmehr um die „Deutung“, die mit vielen Bibelversen aufgefüllt ist. Der „Räuber“ ist der Pharao, der gegen Gott revoltiert, seinen Sohn zu töten droht („kreuzigen“ verweist auf Rom, das der Midrasch in Nachfolge des Pharao sieht), doch dabei selbst umkommt (zumindest in der Endzeit, wie der abschließende Vers über Gog verdeutlicht). Hier sei gleich ein weiteres Gleichnis mit Räubern angeschlossen, die gegen den König revoltieren (Shira 10, Horovitz/Rabin 150): „Das Heiligtum, Herr, haben deine Hände gegründet“ (Ex 15,17). Lieb ist der Tempel vor dem, der sprach und die Welt war; denn als der Heilige seine Welt schuf, schuf er sie mit einer einzigen Hand; denn es heißt: „Meine Hand hat die Fundamente der Erde gelegt“ (Jes 48,13). Als er aber den Tempel schuf, tat er es, wenn man so sagen darf, mit beiden Händen; denn es heißt: „Das Heiligtum, Herr, haben deine Hände gegründet.“ „Der Herr ist König“ (15,18). Wann? Wenn du ihn wieder mit beiden Händen erbaust. Ein Gleichnis: Wem gleicht die Sache (‫ ?)משל למה הדבר דומה‬Räubern, die in den Palast des Königs eindrangen, den Besitz des Königs plünderten und die Bewohner des königlichen Palastes töteten und den Palast des Königs verwüsteten. Nach einiger Zeit saß der König über sie zu Gericht. Einige kerkerte er ein, einige tötete er, einige kreuzigte er. Er saß in seinem Palast und danach wurde sein Königtum in der Welt anerkannt. Deshalb heißt es: „Das Heiligtum, Herr, haben deine Hände gegründet. Der Herr wird König sein für immer und ewig.“

Ex 15,17–19 spricht zuerst von der Wohnstätte Gottes, dann vom ewigen Königtum Gottes, nennt dann aber abschließend noch die Ägypter, die der Herr im Meer untergehen ließ. Das lenkt den Gedanken auf die Zerstörung des Tempels, des Palastes des Königs, und das göttliche Gericht über die Aufständischen, nicht mehr die Ägypter, sondern die Römer, die den Tempel zerstörten und die der König u. a. mit Kreuzigung bestraft. Das folgende Gleichnis – eher ein bloßer Vergleich – in Shira 9 (Horovitz/ Rabin 145) wirkt etwas eigenartig:

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„Du strecktest deine Rechte aus, (da verschlang sie die Erde)“ (15,12). Der Schriftvers besagt: Wenn Gott seine Hand ausstreckt, verschwinden die Bösen aus der Welt […] (gestützt mit Zef 2,13, Ez 25,16.13, jeweils von Gottes ausgestreckter Hand). Sie trugen ein Gleichnis vor: Wem gleicht die Sache (‫ ?)מושלו משל למה הדבר דומה‬Eiern in der Hand eines Menschen. Wenn er seine Hand nur ein wenig neigt, fallen alle und zerbrechen; denn es heißt: „Streckt der Herr seine Hand aus, so strauchelt der Helfer, und es fällt der, dem geholfen wird“ (Jes 31,3).

Der abschließende Vers ist eine Warnung gegen die, die sich auf Ägypten stützen wollen. Der Vergleich mit den Eiern betont die Mühelosigkeit, mit der Gott mit bloßem Ausstrecken der Hand die Gegner beseitigt – auch sie sind ja in Gottes Hand. Das folgende Gleichnis in Amalek 2 (Horovitz/Rabin 182) ist wieder ein Königsgleichnis: „Und präge es Josua ein“ (Ex 17,14). (Gott) sagte: Josua wird Israel das Land in Besitz nehmen lassen. Doch am Schluss stand (Mose) da und flehte um Gnade, wie es heißt: „Damals rief ich den Herrn um Gnade an“ (Dtn 3,23). Ein Gleichnis von einem König (‫)משל למלך‬, der bestimmte, sein Sohn dürfe nicht mit ihm seinen Palast betreten. Er betrat das erste Tor und man schwieg, das zweite Tor und man schwieg, beim dritten aber wies man ihn zurecht und sagte: Es genüge dir bis hierher. So (‫ )כך‬war es, als Mose das Land zweier Völker, das Land von Sichon und Og, erobert hatte und den Stämmen Ruben und Gad und dem halben Stamm Manasse gab. Da sagten sie: Es scheint, das Dekret gilt nur bedingt. So sind vielleicht auch wir nur bedingt verurteilt worden.

Wir könnten hier den Text enden lassen. Doch führt dann Mose gegenüber Gott ein Argument an, das zwar nicht direkt als Gleichnis eingeführt ist, doch alle Elemente eines Gleichnisses hat: Es sagte Mose zum Heiligen: Herr der Welt! Deine Wege sind doch nicht wie die Wege von Menschen? Die Wege von Menschen (sind so) (‫)שמא דרכיך כדרכי בשר ודם דרכי בשר ודם‬: Ein Beamter (‫אפוטרופוס‬, ἐπίτροπος) erlässt ein Dekret und ein Offizier (‫כלירכוס‬, χιλίαρχος) lässt es aufheben; der Offizier erlässt ein Dekret und ein Stadtrat (‫דיקוריון‬, decurio) lässt es aufheben; der Stadtrat erlässt ein Dekret und der Präfekt (‫היגמון‬, ἡγεμών) lässt es aufheben; der Präfekt erlässt ein Dekret und ein Statthalter (‫איפרכוס‬, ὕπαρχος) lässt es aufheben; ein Statthalter erlässt ein Dekret, doch da kommt der große Herrscher und hebt alle auf; denn sie alle sind nur ernannt, der über diesen und dieser wieder über einen anderen, wie es heißt: „Ein Mächtiger wacht über einen Mächtigen“ (Koh 5,7).

Mose verweist auf den irdischen Instanzenweg von einer Behörde zur nächsten; der König als letzte Instanz kann alle Dekrete aufheben. Doch da Gott selbst das Dekret erlassen hat, darf Mose nicht auf dessen Aufhebung hoffen. In Baḥodesh 6 zu Ex 20, der Verleihung der Tora, illustriert ein Gleichnis in Baḥodesh 5 (Horovitz/Rabin 221), warum gerade Israel die Tora angeboten wurde:

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Rabbi Jishmaʿel ben Elʿazar sagt: Wenn die Kinder Noachs schon die sieben Gebote, die ihnen geboten wurden, nicht einhalten konnten, gilt dies umso mehr von allen Geboten in der Tora. Ein Gleichnis von einem König (‫)משל למלך‬, der zwei Verwalter (‫אפוטרופין‬, ἐπίτροποι) einsetzte. Der eine wurde über den Strohspeicher gesetzt und der andere wurde über den Schatz von Silber und Gold gesetzt. Der über den Strohspeicher gesetzt war, geriet in Verdacht, doch beklagte er sich, dass man ihn nicht über den Schatz von Silber und Gold gesetzt habe. Man sagte ihm: Dummkopf! Wenn du schon wegen des Strohspeichers in Verdacht geraten bist, wie soll man sich auf dich hinsichtlich des Schatzes von Silber und Gold verlassen? Siehe, das ist ein Schluss vom Leichteren auf das Schwerere: Wenn die Kinder Noachs schon die sieben Gebote, die ihnen geboten wurden, nicht einhalten konnten, gilt dies umso mehr von allen Geboten in der Tora.

Das Gleichnis ist eine verhältnismäßig ausführliche Erzählung; die knappe Erklärung wird jedoch nicht einfach mit „so“ (‫ )כך‬eingeleitet, sondern mit einem logischen Schluss (‫)והרי דברים קל וחומר‬. Die Abfolge des Textes in Ex 20 illustriert dann ein weiteres Gleichnis in Baḥodesh 6 (Horovitz/Rabin 222): „Du sollst keine anderen Götter haben“ (Ex 20,3). Warum ist das gesagt? Weil es heißt: „Ich bin der Herr, dein Gott“ (20,2). Ein Gleichnis von einem König aus Fleisch und Blut, der in eine Stadt kam. Es sagten ihm seine Diener: Erlasse über sie Verordnungen! Er entgegnete ihnen: Nein! Erst wenn sie mein Königtum auf sich genommen haben, erlasse ich über sie Verordnungen. Denn wenn sie mein Königtum nicht auf sich nehmen, wie werden sie dann meine Verordnungen einhalten? So sprach Gott zu Israel: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben.“ Ich bin der, dessen Königtum ihr in Ägypten auf euch genommen habt. Sie antworteten ihm: Ja, ja. Und so, wie ihr mein Königtum auf euch genommen habt, nehmt auch meine Verordnungen an.

Ein weiteres Gleichnis vom König, der in eine Stadt kommt, findet sich in Baḥodesh 8 (Horovitz/Rabin 233): Wie wurden die zehn Gebote gegeben? Fünf auf der einen Tafel und fünf auf der anderen. Die Schrift sagt: „Ich bin der Herr, dein Gott“ (Ex 20,2). Und gegenüber steht geschrieben: „Du sollst nicht morden“ (20,13). Die Schrift besagt, dass jedem, der Blut vergießt, man es anrechnet, als ob er das Abbild (Gottes) vermindert hätte. Ein Gleichnis von einem König von Fleisch und Blut (‫)משל למלך בשר ודם‬, der in eine Stadt kam und (das Volk) stellte ihm Bilder (‫איקוניות‬, εἰκόνια) auf; man errichtete ihm Standbilder und prägte für ihn Münzen. Nach einiger Zeit warf man die Bilder um, zerbrach seine Standbilder und entwertete seine Münzen und verminderte so das Abbild des Königs. So (‫ )כך‬rechnet man jedem, der Blut vergießt, es an, als ob er das Abbild (Gottes) vermindert hätte. Denn es heißt: „Wer Menschenblut vergießt […] denn als Abbild Gottes hat er den Menschen gemacht“ (Gen 9,6).

Die Gegenüberstellung des ersten und des fünften (in rabbinischer Zählung sechsten) Gebots auf den Gesetzestafeln erklärt man aus ihrer inhaltlichen Zu-

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sammengehörigkeit; das soll auch das Königsgleichnis illustrieren. Die Details im Gleichnis sind wohl den Verhältnissen im 3. Jahrhundert mit den schnell aufeinander folgenden Soldatenkaisern entnommen. Die Entwertung der Münzen kennt man aber auch aus anderen Zeiten (so unter Bar Kokhba, als römische Münzen überprägt wurden; auch der Bildersturm wurde dafür herangezogen). Jedes Blutvergießen wird als Angriff auf den Schöpfergott, den himmlischen König, verstanden. Vom Mashal selbst würde man diesen Aspekt des Nimshal wohl kaum erwarten, er ist darin nicht (zumindest nicht direkt) angekündigt. Das macht den Überraschungseffekt des Gleichnisses aus. Der folgende Text Baḥodesh 6 (Horovitz/Rabin 226) wird als Gleichnis (‫)משל‬ eingeführt, hat aber keinen seiner charakteristischen Züge, es ist höchstens ein Vergleich: Ein Philosoph fragte Rabban Gamliʾel: In eurer Tora steht geschrieben: „Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“ (Ex 20,5). Hat denn ein Götze Macht, dass man auf ihn eifersüchtig sein könnte? [Ein Gleichnis: Ein Held ist auf einen Helden eifersüchtig, ein Weiser auf einen Weisen, ein Reicher auf einen Reichen. Aber hat denn ein Götze Macht, dass man auf ihn eifersüchtig sein könnte?] Er antwortete ihm: Wenn ein Mensch seinen Hund mit dem Namen seines Vaters ruft und wenn er etwas gelobt, „beim Leben dieses Hundes“ gelobt, gegen wen ereifert sich da der Vater? Gegen den Sohn oder gegen den Hund? (Der Philosoph) antwortete ihm: (Am Götzen) ist doch zum Teil Bedarf.

Der Text in Klammern fehlt in MS Oxford und ist aus MSS München und Casanatense ergänzt. Im Erstdruck fehlt das Wort ‫משל‬, ebenso in der späteren Parallele Tan Jitro 15. In bAZ 55a ist der Fragesteller ein Feldherr Agrippa – erst nach dem Vergleich mit Helden usw. kommt ein Gleichnis: Wenn ein König eine zweite Frau heiratet, ist die erste nur eifersüchtig, wenn die zweite bedeutender ist als sie selbst. Das Gleichnis in der Mekhilta ist daher wohl sekundäre Textverderbnis. Ein bloßer Vergleich findet sich als ‫ משל‬in Baḥodesh 7 (Horovitz/Rabin 229): „Gedenke (des Sabbats)“ (Ex 20,8) und „Achte (auf den Sabbat)“ (Dtn 5,12). „Gedenke“ vor ihm und „achte“ nach ihm. Von daher sagten sie: Man fügt vom Profanen zum Heiligen hinzu. Das ist einem Wolf gleich (‫)משל לזאב‬, der sich ruhelos nach vorn und hinten bewegt.

Damit ist der schnelle Durchgang durch Mishna, Tosefta und die Mekhilta­ deRabbis Jishmaʿel abgeschlossen. Trotz aller Standardisierung, besonders in den Einleitungsformeln und dem Übergang zur Deutung sieht man, wie die Gleichnisse gleichsam „ausfransen“, oft auf einige Grundzüge reduziert werden, so sehr ist die Gattung geläufig. Wie sehr die Gleichnisse (v. a., aber nicht nur, die Königsgleichnisse) von der Welt des rabbinischen Erzählers geprägt sind und die römische Herrschaft spiegeln, das zeigen besonders die vielen lateinischen und griechischen Lehnwörter in ihnen. Der im Neuen Testament noch so verbreitete landwirtschaftliche Kontext tritt in den frühen rabbinischen Gleichnissen sehr

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zurück.15 Der König spielt nach wie vor eine große Rolle, neu ist dagegen der Pädagoge, den man vom Hof und aus gehobenem Haushalt kennt, der aber natürlich auch dem Bildungsinteresse der Rabbinen entspricht. Brautwerbung, Eheprobleme und Scheidung sind relativ verbreitete Themen (mehr noch in späteren Texten), jeweils als schon biblisch vorgezeichnete Bilder für das konfliktreiche Verhältnis Gottes mit seiner Braut Israel. Das erzählende Element ist oft sehr reduziert. Allegorisierung begegnet kaum einmal. Einerseits ist, besonders natürlich in der Mekhilta, die Schriftauslegung auch in den Gleichnissen zentral geworden und überwuchern Schriftverse weithin die ausgeführten Gleichnisse, andererseits werden Gleichnisse vielfach nur noch angedeutet und ist ihre Ausmalung dem Kenner des Bibeltextes überlassen. Gegenüber dem Neuen Testament hat sich das angesprochene Publikum gewandelt, damit natürlich auch die Funktion des Gleichnisses.

15  In späteren rabbinischen Texten bekommen landwirtschaftliche Themen wieder größere Bedeutung. Siehe z. B. E. Ottenheijm, Waiting for the Harvest. Trajectories of Rabbinic and „Christian“ Parables, in: A. Houtman/T. Kadari/M. Poorthuis u. a. (Hg.), Religious Stories in Transformation. Conflict, Revision and Reception, Leiden 2016, 314–333.

Teil II

Gleichnisse, Parabeln und verwandte Gattungen in der frühchristlichen Literatur

Form und Funktion der Frageparabeln des erinnerten Jesus Ruben Zimmermann Abstract: This contribution takes up three issues in contemporary research on the parables of Jesus. 1) Concerning the historicity of Jesus’s parables, critical reflections are offered dealing with the dead end of historical Jesus scholarship on the parables and its goal of reconstructing the original parables of Jesus by using criteria of authenticity. Instead, the early Christian tradition of the parables should be viewed as a medium of remembering Jesus. 2) Concerning the question of genre, sub-genres such as “Gleichnis im engeren Sinn” (“similitude”) or “Bildwort” (“figurative saying”) are criticized, for they do not reveal any differentiating features. The texts in question all belong to the collective genre term “parable.” 3) It is not by chance that many parables of Jesus exhibit an interrogative form since this allows for pragmatic appeals to be presented in an idealized manner. Parables question and challenge the reader for a response.

Die neutestamentliche Forschung zu den Gleichnissen Jesu1 ist eng mit der Forschung zum historischen Jesus verbunden.2 Dabei stand und steht in der Regel die Frage der Authentizität der Jesusparabeln im Vordergrund. Konkret wurde zum einen geprüft, welche Parabeln als ganze als ‚echt‘ bezeichnet werden können: Hat der geschichtliche Jesus ein überliefertes Gleichnis tatsächlich erzählt (Plausibilität)? Zum anderen ging es um die Frage, ob bzw. in welcher Weise die in den Quellen überlieferte Form und Gestalt eines Gleichnisses mit der Rede Jesu übereinstimmt (Referentialität). 1  „Gleichnis“ wird hier synonym zu „Parabel“ in einem weiten Verständnis als Oberbegriff für parabolische Sprachformen verwendet. Im engeren Sinn als spezifische Gattungsbezeichnung für neutestamentliche Parabeln wird lediglich „Parabel“ verwendet, vgl. Einzelheiten unter R. Zimmermann, Parabeln  – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008 (Studienausgabe 2011), 383–419. 2  Vgl. die Forschungsgeschichte dazu in R. Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 87–121, hier 87–102, sowie R. Zimmermann, „Die Wahrheit Gottes ist konkret.“ Hans Weder und die neueste Gleichnisforschung (2014–2017), in: J. Frey/E. M. Joas (Hg.), Gleichnisse verstehen. Ein Gespräch mit Hans Weder (BThSt 175), Göttingen 2018, 25–65.

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Naiven Modellen von geschichtlicher Rekonstruktion und Textüberlieferung stehen heute komplexere Theorien des Geflechts von „Text und Geschichte“3 gegenüber. Dabei kann hermeneutisch betrachtet nur der aktuelle Betrachter mit seinen Fragestellungen und Verstehenshorizonten auf der einen und der Text als existentes Artefakt und in seiner spezifischen literarischen Form auf der anderen Seite Ausgangspunkt der Überlegungen sein. Für meinen Beitrag zu diesem Problemfeld, der Einblicke in aktuelle Felder der Jesus-Parabel-Forschung geben möchte, sollen drei thesenhafte Sätze leitend sein, die zugleich die Struktur dieses Artikels anzeigen: 1) Der historische Jesus hat keine Reich-Gottes-Gleichnisse erzählt. (Zur Geschichtlichkeit der Jesusparabeln). 2) Der erinnerte Jesus hat keine „Bildworte“ und „Gleichnisse“ erzählt. (Zur Gattung der Jesusparabeln). 3) Die Parabeln Jesu stellen Fragen und stellen in Frage. (Zur Pragmatik der Jesusparabeln). Der Schwerpunkt liegt auf dem dritten Teil, weil er zugleich eine Feineinstellung eines spezifischen Aspekts der Jesusparabeln herausarbeiten möchte.

I. Der historische Jesus hat keine Reich-Gottes-Gleichnisse erzählt (Zur Geschichtlichkeit der Jesusparabeln) Oberflächlich betrachtet scheint mein erster Leitsatz eine Untermauerung der Thesen des amerikanischen Jesusforschers John P. Meier zu sein. Sein im Jahr 2016 veröffentlichter Band 5 der voluminösen Studie „A Marginal Jew“4 bot die provokanteste These, die die Jesusforschung in den letzten Jahren erlebt hat. Denn er wollte eine der heiligen Kühe der Jesus-Gleichnis-Forschung schlachten, auf deren Kuhhaut stand und steht: Der historische Jesus hat Gleichnisse erzählt. So divergierend die Zugänge zum neutestamentlichen Gleichnismaterial auch sein mochten, in einem schien sich die Forschung einig: Die Gleichnisse sind, wenn nicht mehr ipsissima vox oder „Urgestein“5, so doch unbestreitbare Basis der Verkündigung des geschichtlichen Jesu. Snodgrass, einer der derzeit führenden amerikanischen Parabelforscher, schreibt: „[…] the parables are indeed the surest

3  Vgl. dazu R. Zimmermann, Verschlungenheit und Verschiedenheit von Text und Geschichte. Eine hinführende Skizze, in: C. Landmesser/R. Zimmermann (Hg.), Text und Geschichte. Geschichtswissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Beiträge zum FaktizitätsFiktionalitäts-Geflecht in antiken Texten, Leipzig 2017, 9–51. 4 J. P.  Meier, A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus. Vol. 5: Probing the Authenticity of the Parables, New Haven/London 2016. 5  J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 7; G. Theien/A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 42011, 304.

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place where we have access to Jesus’ teaching“.6 In dogmenhaftem Ostinato galt dieses Bekenntnis so unzweifelhaft, dass etwa Bernard Brandon Scott die Beweislast bei der Echtheitsfrage umkehren wollte: „(For parables) the burden of proof (falls) on the one who would claim that the originating structure of a parable is not from Jesus“.7 John P. Meier hat nun genau dieses Privileg bestritten. Parabeln müssten bei einer kritischen Forschung derselben Prüfung ausgesetzt werden wie jedes andere Jesusmaterial. Entsprechend wandte er seine fünf Authentizitätskriterien wie z. B. „Criterion of Embarrassment“, „multiple attestation“8 etc. auf das Parabelmaterial an und kommt zu dem ernüchternden Ergebnis: „Relatively few of the parables can meet the test of the criteria of authenticity that other sayings and deeds of Jesus are supposed to meet“.9 Nach Meier bleiben nur vier Jesus-Gleichnisse, „the happy few“,10 wie er sie nennt, übrig: 1) Das Senfkorn-Gleichnis (Mk 4,30–32par.), 2) die bösen Winzer (Mk 12,1–12par.), 3) das Gastmahl-Gleichnis (Mt 22,2–14par.) und 4) die anvertrauten Pfunde (Mt 25,14–30). Ich habe mich an anderer Stelle intensiver mit Meiers Arbeit auseinandergesetzt11 und kam dabei zu dem Ergebnis, dass nicht die Parabeln Jesu, sondern der methodische Zugang anhand der Authentifizierungskritierien einer radikalen Kritik unterzogen werden muss, da er immer nur zu minimalistischen Ergebnissen führen kann. Doch bevor ich dies weiter ausführe, lohnt noch einmal eine Feineinstellung: Mein erster Leitsatz lautete ja nicht: „Der historische Jesus hat keine Gleichnisse erzählt,“ sondern: „Der historische Jesus hat keine ReichGottes-Gleichnisse erzählt.“ Es geht also um dieses durchaus nicht nebensächliche Detail des Reiches Gottes als bildempfangendem Bereich der parabolischen Rede. Fast im Gleich 6 K. Snodgrass, Stories with Intent. A comprehensive Guide to the Parables of Jesus, Grand Rapids 2008, 31.  7  B. B.  Scott, Hear then the Parable. A Commentary on the Parables of Jesus, Minneapolis 1989, 63. Ähnlich auch J. D.  Crossan, The Parables of Jesus, Interp. 56 (2002), 247–259, hier: 248: „It has been clear to me from the beginning that my interest was in parable because of Jesus, not in Jesus because of parable.“  8 Siehe die Wiederholung der Kriterien in Meier, Authenticity (s. Anm.  4), 12–17: 1) Criterion of Embarrassment; 2) Criterion of Discontinuity; 3) Criterion of Multiple Attestation; 4) Criterion of Coherence; 5) Criterion of Jesus’ Rejection and Execution. Neben diesen “primary criteria” spricht Meier noch von “Secondary (or Dubious) Criteria”, wie z. B. “Traces of the Aramaic language”, “echoes of the early 1st-century Palestinian environment” oder “nature of a narrative”, die jedoch keine Relevanz für die Parabeln hätten: “secondary criteria offer no significant help in detecting parables that come from Jesus” (Meier, Authenticity [s. Anm. 4], 17).  9  Dies ist der zweite Teil von These sieben. Die These beginnt mit: “Relatively few of the Synoptic parables can be attributed to the historical Jesus with a good degree of probability.” 10 Meier, Authenticity (s. Anm. 4), 230. 11  Vgl. R. Zimmermann, Memory and Jesus’ Parables. J. P. Meier’s explosion and the restoration of the ‚Bedrock‘ of Jesus’ Speech, JSHJ 16 (2018), 156–172; vgl. auch K. Snodgrass, Are the Parables Still the Bedrock of the Jesus Tradition?, JSHJ 15 (2017), 131–146.

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klang mit dem Grundbekenntnis wird in vielen Jesus‑ und Gleichnisbüchern behauptet, dass der bevorzugte Gegenstand der Jesusparabeln das (König‑)Reich Gottes (ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ) sei. Jesus habe vor allem Reich-Gottes-Gleichnisse erzählt. Klassisch ist hier die Arbeit von C. H. Dodd (1884–1973) „the Parables of the Kingdom“.12 Dodds thematische Fokussierung der Gleichnisse auf die ‚(König‑) Reich-Gottes-Verkündigung‘ war auch in der nachfolgenden Forschung bestimmend.13 Ich zitiere noch einmal Snodgrass als Vertreter aktueller Forschung: „Any number of parables could be labelled parables of the present kingdom, and to some degree all the parables presuppose that the kingdom of God is present in the activity of Jesus, even where the kingdom is not explicitly in view“.14 Aber hat hier nicht wiederum eine ideologische Sicht die Oberhand über die Quellen erlangt? Unter der historisch-diachronen Rückfrage nach den ältesten Quellen kann diese Einschätzung keineswegs bestätigt werden. Hier ist vielmehr der meist missachtete Befund signifikant, dass die ältesten Quellen, Q und Mk, inmitten einer Fülle von Gleichnissen15 nur je zweimal (Q 13,18 f.20 f.; Mk 4,26.30) das Reich Gottes als Referenz-Bereich anführen. Dabei findet sich das Senfkorn-Gleichnis in beiden Quellen (Q 13,18 f.; Mk 4,30), so dass die Zahl auf drei Gleichnisse in Markus und Q reduziert werden kann. Um nicht missverstanden zu werden: Vom Reich Gottes ist sehr wohl häufig bei Markus und in der Logienquelle die Rede. Aber nur in drei von 45 Gleichnissen findet sich ein expliziter paratextueller Verweis auf das Reich Gottes.

12 Vgl. den programmatischen Einleitungssatz in C. H.  Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1935 (zit. Paperback Repr. der rev. Aufl., Glasgow 1978), 13: „The parables are perhaps the most characteristic element in the teaching of Jesus Christ as recorded in the Gospels. […] Certainly there is no part of the Gospel record which has for the reader a clearer ring of authenticity.“ 13   So z. B. J. D.  Crossan, In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York 1973 (Nachdr. 1992), 23–36; O. Knoch, Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu. Ein Werkbuch zur Bibel, Stuttgart ³1987, 62: Die Botschaft vom Reich Gottes als „Hauptthema der Gleichnisse“; A. J.  Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids 2000, 384: „The kingdom was certainly a main theme, even the main theme, of Jesus’ message.“ Ferner T. Söding, Lehre in Vollmacht. Jesu Wunder und Gleichnisse im Evangelium der Gottesherrschaft, Communio 36 (2007), 3–17, hier 10–14. 14  Snodgrass, Stories (s. Anm. 6), 179. 15 Im Kompendium der Gleichnisse Jesu werden für Q 28 Texte, für Mk 17 Texte als Jesusparabeln aufgeführt, vgl. die Tabellen in: R. Zimmermann u. a. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh ²2015, 59 f.262 f. Dieter Roth klassifiziert 27 Q-Texte als Parabeln, davon 24 Jesusparabeln, vgl. D. T.  Roth, The Parables in Q (LNTS 582), London u. a. 2018, 20 f. Roth rechnet mit drei „Kingdom (of God)-Parables“ in Q, indem er neben Q 13,18–19 und Q 13,20–21 noch die Parabel vom geteilten Reich (Q 11,17–18) hinzunimmt, vgl. Roth, Parables, 297–338.

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Was können wir nun aus diesem Quellenbefund ableiten? Hat Jesus wirklich keine Reich-Gottes-Gleichnisse erzählt? Angesichts der drei, in den ältesten Quellen der Jesustradition überlieferten Reich-Gottes-Gleichnisse ist bereits eine solche absolute Formulierung verfehlt. Sie steht zugleich – so auch explizit in meinem Leitsatz  – im Kontext der historischen Jesusforschung, die in diachroner Weise nach den Ereignissen im Leben Jesu (hier also das Erzählen konkreter Gleichnisse) fragt und entsprechend anhand von Authentizitätskriterien die kanonische Überlieferung im Blick auf Ursprungselemente destruiert. Dem Kriterium der Mehrfachbezeugung folgend bliebe dann tatsächlich nur ein einziges Reich-Gottes-Gleichnis, das Senfkorn-Gleichnis (Q 13,18–19; Mk 4,30), übrig, wie Meier konstatiert. Nicht nur die Arbeit mit Authentizitätskriterien wurde als hermeneutischer Zirkelschluss entlarvt,16 auch die Grundidee der historisch-kritischen Jesusforschung als Möglichkeit historischer Rekonstruierbarkeit wurde inzwischen aus geschichtstheoretischen und methodischen Gründen einer radikalen Kritik unterzogen.17 Entsprechend hat auch die aktuelle Jesus-Parabel-Forschung bis auf wenige Ausnahmen von dieser Fragestellung Abstand genommen.18 Die Frage, ob Jesus dieses oder jenes Gleichnis oder mit diesem oder jenem Wortlaut erzählt hat, ist im Ansatz verfehlt und kann keine validen Antworten erwarten. Kommen wir auf die Frage der Reich-Gottes-Gleichnisse zurück. Der Quellenbefund belegt auch in diachroner Perspektive, dass Jesus Gleichnisse erzählt und vom Reich Gottes gesprochen hat. Erst die spätere Evangelientradition besonders des Matthäusevangeliums19 dokumentiert dann deutlich die Zusammenfügung dieser beiden Gedächtnisströme: Einerseits die Erinnerung an die Gleichnisrede Jesu, andererseits die Erinnerung an die konstitutive Bedeutung des „Reiches Gottes“ in der Verkündigung Jesu.20 Ich habe hier also bereits die 16  Vgl. C. Keith/A. Le Donne (Hg.), Jesus, Criteria, and the Demise of Authenticity, London 2012. 17 Vgl. etwa K. Wengst, Der wirkliche Jesus? Eine Streitschrift über die historisch wenig ergiebige und theologisch sinnlose Suche nach dem ‚historischen Jesus‘, Stuttgart 2013; ferner R. Zimmermann, Nur der gemalte Christus? Historische, erinnerte und erzählte Jesusbilder in der neutestamentlichen Wissenschaft des 20. und 21. Jahrhunderts, Zeitschrift für Dialektische Theologie 31 (2015), 31–63. 18  Ausnahmen sind A.-J. Levine, Short Stories by Jesus. The Enigmatic Parables of a Controversial Rabbi, New York 2014, sowie E. van Eck, The Parables of Jesus the Galilean. Stories of a Social Prophet, Eugene 2016, die allerdings ihrerseits eine so starke Leserperspektive aus jüdischem und sozialgeschichtlichem Blickwinkel offenbaren, dass sie den hermeneutischen Zirkelschluss umso klarer bestätigen, vgl. meine Bemerkungen dazu in Zimmermann, Wahrheit Gottes (s. Anm. 2), 43 f.49–52. 19  Vgl. Mt 13,24–30; 13,44–46; 13,47–50; 13,52; 18,23–35; 20,1–16; 21,28–32; 22,1–14; 25,1–13; ferner Joh 3,3–5; EvThom 22; 64; 97; 98. 20  Vgl. zum „Reich Gottes“ das Themenheft der Zeitschrift Communio 36/1 (2007); ferner G. Vanoni/B. Heininger, Das Reich Gottes (NEB 4), Würzburg 2002; ferner V. Gäckle, Das Reich Gottes im Neuen Testament. Auslegungen – Anfragen – Alternativen (BThS 176), Göttingen 2018.

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spekulativen (Re‑)Konstruktionen der historischen Jesusforschung verlassen und blicke in der Perspektive des Jesus-Memory-Approach21 auf die Quellen als Ausgangs‑ und zugleich Endpunkt der Erinnerungsforschung. In dieser Hinsicht kann man konstatieren, dass der erinnerte Jesus viele Gleichnisse erzählt hat, darunter auch Reich-Gottes-Gleichnisse und diese Erinnerung hinsichtlich ihrer medialen Bedeutung und ihres theologischen Werts analysieren.22

II. Der erinnerte Jesus hat keine „Bildworte“ und „Gleichnisse“ erzählt (Zur Gattung der Jesusparabeln) Mit dem zweiten Leitsatz trete ich nun zugleich in den auf dieser Tagung allgemein interessierenden Fragekomplex nach der Gattung von Gleichnistexten ein. Die Einladenden haben in ihrer thematischen Hinführung von „Gleichnis, Parabel und anderen parabolischen Texten“23 gesprochen. Solche anderen parabolischen Texte könnten etwa die in meinem zweiten Leitsatz genannten „Bildworte“ und „Gleichnisse (im engeren Sinn)“ sein. Mein Leitsatz bestreitet allerdings radikal die Existenz von „Bildwort“ und „Gleichnis im engeren Sinn,“ wobei es hierbei nicht um eine geschichtstheoretische, sondern um eine gattungstheoretische Kritik geht. Der erinnerte Jesus hat keine „Bildworte“ und „Gleichnisse“ erzählt, weil die Rede von derartigen Untergattungen aus meiner Sicht nicht nur wenig Sinn macht, sondern geradezu Sinn verwehrt und verwirrt hat. Da ich mich an anderer Stelle intensiver mit der problematischen Sondergattung „Gleichnis im engeren Sinn“ befasst habe,24 möchte ich mich heute auf die so genannten „Bildworte“ konzentrieren. Ich vertiefe hier also meine Ausführungen zur Gattungsfrage insbesondere mit dem Fokus auf die ‚Miniaturparabeln‘.25 Innerhalb der exegetischen Tradition erfreut sich diese vermeintliche Untergattung immer noch einer gewissen Beliebtheit. So zuletzt etwa bei Kurt Erlemann, der in seinem mit der Germanistin Nickel-Bacon herausgebrachten UTB-Band „Gleichnisse  – Fabeln  – Parabeln“26 aus dem Jahr 2014 unter der „Vielfalt der Formen“ explizit wieder das „Bildwort“ aufführt und auch noch im 21 Vgl. dazu J. Schröter, Der ‚erinnerte Jesus‘. Erinnerung als geschichtshermeneutisches Paradigma der Jesusforschung, in: J. Schröter/C. Jacobi, Jesus Handbuch, Tübingen 2017, 112– 124. 22 Vgl. zu diesen Fragen Zimmermann, Medien (s. Anm. 2), 108–121. 23  Vgl. Hinführung zu diesem Band. 24  Vgl. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts (s. Anm. 1), 395–404. 25 Vgl. zum Folgenden auch Zimmermann, Parabeln – sonst nichts (s. Anm. 1), 404 f., sowie R. Zimmermann, Art. Bildworte/Bildreden/Bildersprache, WiBiLex (https://www.b​i​b​e​l​w​i​s​s​e​ n​s​c​h​a​f​t​.de/stichwort/50003/, 26.  09. ​2018). 26  Vgl. K. Erlemann/I. Nickel-Bacon/A. Loose, Gleichnisse – Fabeln – Parabeln. Exegetische, literaturtheoretische und religionspädagogische Zugänge, Tübingen 2014, 47.

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neuen Gleichnisbuch von 2017 davon spricht:27 „(Der Begriff ‚Bildwort‘) wird hier verwendet, um eine Reihe von Texten zu bezeichnen, die von ihrer Länge und narrativen Ausgestaltung her zwischen Metapher und Gleichnis angesiedelt sind. Statt von Bildworten könnte man hier von erweiterten Metaphern oder von fragmentarischen Gleichnissen bzw. von Gleichnisskizzen sprechen“.28 Erlemann bleibt dabei ganz in der Tradition Bultmanns, der den Begriff „Bildwort“ in seiner Formgeschichte eingeführt hatte. Darin untergliedert Bultmann den Redestoff in die beiden Großgruppen „A. Apophthegmata“ und „B. Herrenworte“, letztere werden in fünf Untergruppen ausdifferenziert.29 Bultmann führte in der fünften Gruppe „Gleichnisse und Verwandtes“ drei kleinere Formen an: „Vergleich“, „Metapher“ und eben „Bildworte“. Während sich der „korrekte Vergleich“ durch die Vergleichspartikel (so  – wie) auszeichne (vgl. etwa Mt 10,16: „Ich sende Euch wie Schafe unter Wölfe. Seid nun klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“), könnten die anderen beiden Formen als abgekürzte Vergleiche betrachtet werden. Beim „Bildwort“ werden „Bild und Sache ohne Vergleichspartikel nebeneinandergestellt“.30 Insbesondere in den so genannten „doppelgliedrigen Bildworten“ erkenne man den Parallelismus membrorum der alttestamentlichen Meschalim,31 so z. B. im Wort vom Flicken und Wein (Mk 2,21 f.).32 Sind „Bildworte“ somit eine anhand sprachlicher Kriterien abgrenzbare Untergattung der parabolischen Texte, die zwischen einer Metapher und einem narrativ ausgestalteten Gleichnis anzusiedeln sind? 27  K. Erlemann, Fenster zum Himmel. Gleichnisse im Neuen Testament, Göttingen 2017, 31. Erlemann spricht zwar davon, dass er in seiner neuen inhaltlich orientierten Kategorisierung die Bezeichnung „Bildwort“ meidet bzw. verwirft (er spricht hier stattdessen vom „Gleichnistyp 2: Weisheitsgleichnisse“), gleichwohl hält er formal an ihrer Berechtigung fest und wiederholt die Definition von 2014: „Viele dieser Texte heißen traditionell Bildworte, da sie erzählerisch nicht geschlossen sind und, formal betrachtet, zwischen einfachen Metaphern und erzählerisch geschlossenen Gleichnissen stehen.“ (a. a. O., 31). 28 Erlemann/Nickel-Bacon/Loose, Gleichnisse (s. Anm. 26), 47 (Kursiv K. E.). 29  Vgl. R. Bultmann, Geschichte der Synoptischen Tradition, Göttingen 101995: 1. Logien, 2. Prophetische und apokalyptische Worte, 3. Gesetzesworte und Gemeinderegeln, 4. IchWorte und 5. Gleichnisse und Verwandtes. 30 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 29), 181. 31  Bultmann unterschied zwischen eingliedrigen Bildworten (in der eigenartigen Reihenfolge: Mt 5,14 [Bergstadt]; Mt 3,10 [Der unfruchtbare Baum kommt ins Feuer]; Lk 5,39 [Der alte Wein]; Mk 2,17 [Arzt und Kranke]; Mk 2,19 [Fasten an der Hochzeit]; Mt 24,28 [Aas und Adler]; Lk 4,23 [Arzt, heile dich selbst], ebd.) und doppelgliedrigen, denen ein Parallelismus membrorum zu Grunde liege (Lk 6,44b [Feigen und Trauben]; Mt 10,24 [Schüler und Sklave]; Mk 2,21 f. [Flicken und Wein]; Mk 3,24 f. [entzweites Reich und Haus]; Mt 7,9 f. [Bitte um Brot und Fisch]; Mt 12,30 [Für und Wider, Sammeln und Zerstreuen], Bultmann, Geschichte [s. Anm. 29], 181 f.). 32 Einige Bildworte könnten noch weiter ausgesponnen werden und auch die Verwendung eines antithetischen Parallelismus der Glieder zeigen (Lk 6,39 [blinder Blindenführer]; Lk 6,43 f. [Baum und Frucht]; Lk 14,34 f. [Salz]; Mk 3,27 [Plünderung des Starken]; Mk 4,21 [Licht]). Vgl. Bultmann, Geschichte [s. Anm. 29], 182.

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In Anlehnung an die neuere Gattungstheorie sind Gattungen ‚normative Fakten‘, d. h. sie sind zwar hinsichtlich der Definition und Kriteriologie Konstrukte der Meta-Kommunikation, gleichwohl bezieht sich dieser Meta-Diskurs auf Textsorten, mit denen erfolgreich in einer Sprach‑ und Kulturgemeinschaft kommuniziert werden kann.33 Dieser Haftpunkt in der realen Gattungskommunikation ist gewissermaßen die empirische Basis einer Gattungsdefinition. Mit Fricke sind historischer Begriffsgebrauch und unterscheidende sprachliche Merkmale die wesentlichen Säulen jeder Gattungsdefinition.34 Fragen wir also mit Blick auf die „Bildworte“ zunächst nach dem antiken Begriffsgebrauch: Innerhalb der antiken Texte und Rhetorik findet sich im reichen Repertoire der Termini für uneigentliche Redeformen35 kein Quellenbegriff, der sich mit „Bildwort“ übersetzen ließe, wie etwa εἰκονολόγος. Im Dialog Phaidros kritisiert Platon mit dem Neologismus εἰκονολογία die sophistische Redetechnik des Polos, eines Schülers des Gorgias, bzw. eine an Bildern überreiche Rede überhaupt.36 Allerdings findet der Begriff keine weitere Resonanz im griechischen Sprachraum.37 Auch in wissenschaftssprachlicher Hinsicht zeigt die Begriffsverwendung Widersprüche: Eine genaue Abgrenzung zwischen Bildwort und Metapher gelingt schon Bultmann nicht, denn rein formal wird die gleiche Definition gegeben. „Auch die Metapher ist ein abgekürzter Vergleich, bei dem die Vergleichungspartikel fehlt“.38 Eine ganz ähnliche Problematik weist auch der Abgrenzungsversuch von Erlemann auf. Er hat Bildworte als Texte bezeichnet, die „zwischen Metapher und Gleichnis angesiedelt [sind …], die sich weder eindeutig der einen noch der anderen Kategorie zuordnen lassen“.39 Sie zeichnen sich durch Defizite aus, indem sie „keine dramaturgische Entfaltung mit szenischer und zeitlicher Strukturierung“40 aufweisen. Ist das entscheidende Kriterium eines Bildworts folglich die fehlende dramaturgische Ausgestaltung bzw. Narrativität?

33  Vgl. dazu R. Zymner, Gattungstheorie. Probleme und Positionen der Literaturwissenschaft, Paderborn 2003, 59. 34  Vgl. H. Fricke, Definitionen und Begriffsformen/Definieren von Gattungen, in: R. Zymner (Hg.), Handbuch Gattungstheorie, Stuttgart 2010, 7–12. 35 Vgl. dazu R. Zimmermann, Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric. The Contributions of Aristotle and Quintilian to the Form Criticism of the Parables, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 238–258. 36 Plat., Phaedr. 267c: „Wie aber sollen wir die Wort-Sammlung des Polos vortragen, wie die Doppelrederei, die Spruchrede und Bildrede [εἰκονολογίαν] und den Erwerb des Wohlklangs der Likymnischen Wörter, die er jenem geschenkt hat?“, vgl. auch Plat., Phaedr. 269b. 37 Nach einer TLG-Recherche; ferner Zimmermann, Bildworte (s. Anm. 25). 38  Bultmann, Geschichte (s. Anm. 29), 183. 39  Hier zitiert nach K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr‑ und Arbeitsbuch, Tübingen/Basel 1999, 70. 40  Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 39), 70.

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Betrachten wir einige der von Bultmann und Erlemann genannten Texte etwas genauer: Im Gleichnis vom Splitter und Balken wird ausdrücklich zwischen der ersten Szene des Sehens (Mt 7,3) und einer weiteren der wörtlichen Rede (Mt 7,4) unterschieden, im anschließenden Appell wird der Vorgang des Herausziehens des Holzstücks noch einmal in zwei weitere Szenen (zuerst – dann, vgl. Mt 7,5) untergliedert. In Mt 13,52 teilt ein Hausherr (οἰκοδεσπότης) Neues und Altes aus einem Schatz aus – kaum vorstellbar, dass er das gleichzeitig tut. Das Salzwort spricht von einer dreifachen Handlungssequenz: von der Salzanalyse, vom Hinauswerfen und vom Zertreten durch Menschen (Mt 5,13). Schließlich werden in den Gleichnissen von Flicken und Wein jeweils zwei Szenen (Nähen – Zerreißen; Einfüllen – Zerreißen) ausgeführt (Mk 2,21 f.). Die so genannten „Bildworte“ weisen aber nicht nur eine Szenenfolge auf, es werden auch Akteure der Handlung genannt (z. B. Brüder, Hausherr bzw. Arzt, Schüler – Lehrer), ja es kommt sogar zur wörtlichen Rede – alles Kriterien, die auch diese Texte als Erzähltexte ausweisen.41 Gewiss sind diese narrativen Elemente bisweilen auf ein Minimum reduziert, gleichwohl kann aus der Quantität kein Gattungskriterium abgeleitet werden. Die Länge bzw. hier Kürze der Texte kann nicht zum Gattungsmerkmal erhoben werden, da letztlich auch die so genannten Langparabeln des Neuen Testaments in einem größeren literaturwissenschaftlichen Horizont betrachtet Erzählminiaturen bleiben. Man denke etwa an das Sauerteiggleichnis, das aus einem einzigen Satz aus 15 Wörtern besteht (Q/ Lk 13,21). Auch die längsten Jesusparabeln wie z. B. die „Anvertrauten Pfunde“ (Lk 19,12–26, 15 Verse) oder das „Schalksknechtgleichnis“ (Mt 18,23–35, 13 Verse) sind noch weit von Kurzgeschichten42 oder Novellen entfernt. Widersprechen also bereits die Texte selbst den vermeintlichen Kriterien, so bleibt auch theoretisch fragwürdig, ob in fehlender Dramaturgie oder Länge, d. h. in sprachlichen Defiziten, positive Gattungskriterien gesehen werden könnten. Es fehlt ein eigenes Merkmalsbündel, das für eine Untergattung „Bildwort“ typisch wäre. Metaphorik allein ist keineswegs ausreichend. Die meisten der unter dem Label „Bildwort“ zusammengeführten Texte sind aus meiner Sicht mit gutem Recht der Gattung „Parabeln“ zuzurechnen, die im Sinne einer dynamischen Gattungsdefinition notwendige und optionale Textmerkmale wie Narrativität, Fiktionalität, Realistik oder kontextuelle Einbettung aufweisen.43 41  Vgl. etwa S. Lahn/J. C. Meister, Einführung in die Erzähltextanalyse, Stuttgart 32016, 215–233. 42  Gattungstheoretisch irreführend ist deshalb der Titel „Short Stories“ bei Levine, Short Stories (s. Anm. 18). 43  Vgl. die Definition der Parabel nach dem Kompendium der Gleichnisse: „Eine Parabel ist ein kurzer, narrativer fiktionaler Text, der in der erzählten Welt auf die bekannte Realität bezogen ist, aber durch implizite oder explizite Transfersignale zu erkennen gibt, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist. In seiner Appellstruktur fordert er einen Leser bzw. eine Leserin auf, einen metaphorischen Bedeutungstransfer zu vollziehen, der durch Ko‑ und Kontextinformationen gelenkt wird.“ Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 15),

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Rückendeckung bekommen wir aus der paratextuellen Bezeichnung der neutestamentlichen Autoren, die die später als „Bildworte“ klassifizierten Texte z. T. explizit als παραβολή (Parabel) eingeleitet haben (z. B. Mk 3,23; Lk 4,23; 5,36; 6,39). Die neutestamentlichen Texte erinnern Jesus nicht als Gleichnis‑ oder Bildworterzähler, sondern als Parabelerzähler. Ich bleibe also auch zehn Jahre nach meinem ersten Vorstoß einer gattungstheoretischen Vereinheitlichung des neutestamentlichen Materials dabei: Die Jesusgleichnisse sind gattungsspezifisch betrachtet „Parabeln – sonst nichts“.44

III. Die Parabeln Jesu stellen Fragen und stellen in Frage (Zur Pragmatik der Jesusparabeln) Mit meinem dritten Statement wende ich mich den Frageparabeln als einer oft vernachlässigten Teilgruppe der Jesusparabeln zu. An den so genannten τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln wie auch anderen Parabeln in Frageform können beispielhaft einige Aspekte zur Form und Funktion der Parabeln Jesu aufgezeigt werden soll. 1. Die τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln Die Wendung τίς ἐξ ὑμῶν (wer von euch …?) ist keineswegs auf Parabeln begrenzt,45 aber taucht doch so häufig innerhalb von Parabeln auf, dass man in der Gleichnisforschung nicht zu Unrecht von einer eigenen Gruppe, eben den τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln, spricht.46 Mit leichten Variationen begegnet diese Frage in acht Parabeln,47 wobei neben der Kurzform τίς ἐξ ὑμῶν (Lk 11,5) auch präzisere Nennungen einer Figur („welcher Vater“, Lk 11,11; „welcher König“, Lk 14,31; „welcher Mensch“, Lk 15,4; Mt 12,11) vorkommen. Letztere Formulierung τίς ἄνθρωπος ἐξ ὑμῶν („welcher Mensch von euch;“ Lk 15,4; Mt 12,11) zeigt an, dass es Überlappungen zu den fünf ἄνθρωπός τις-Parabeln (vgl. Q/Lk 19,12; Lk 10,30; 14,16; 15,11; 16,1.19; vgl. Lk 20,9) gibt, aber offenbart zugleich auch die Differenz: Die Syntax markiert nur in ersterem Fall die Frageform, und genau darauf kommt es mir bei meinem Beispiel an. Ich fokussiere also „Frage-Parabeln“. Theoretische Untermauerung hole ich mir von der im Jahr 2017 veröffentlichten umfassenden Studie von Douglas Estes „Questions and Rhetoric in the Greek New Testament“.48 25. Vgl. auch die geringfügige Modifikation (hier mit und/oder-Kriterien) in R.  Zimmer­mann, Puzzling the Parables of Jesus. Methods and Interpretation, Minneapolis 2015, 137 f. 44  Vgl. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts (s. Anm. 1). 45 Vgl. im Neuen Testament noch in Mt 6,27/Lk 12,25; Joh 8,46; Hebr 3,13; 4,1 außerhalb von Parabeln. 46  Vgl. dazu Zimmermann, Leseanleitung, in: ders., Kompendium (s. Anm. 15), 29. 47  τίς ἐξ ὑμῶν – wer von Euch? in Mt 12,11; Lk 11,5; 11,11; 12,25; 14,28; 14,31; 15,4; 17,7. 48 D. Estes, Questions and Rhetoric in the Greek New Testament. An Essential Reference

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Ich möchte an dieser Stelle keine genealogisch-religionsgeschichtlichen Studien zur Herkunft der Wendung τίς ἐξ ὑμῶν anstellen. Ein flüchtiger Blick in den Thesaurus Linguae Graecae hat jedoch gezeigt, dass von einer handvoll versprengter Belege z. B. bei Sophocles oder im griechischen AlexanderRoman (des Ps-Callisthenes) abgesehen,49 die Formulierung keine Prägung in der griechischen Literatur hat. Stattdessen begegnet sie in der LXX50 und gibt ָ ‫ ִמ‬wieder. dort in nicht-parabolischen Texten die hebräische Formulierung ‫י־בכֶ ם‬ Als Kostprobe für eine Jesusparabel möchte ich die Parabel vom bittenden Freund nach Lk 11,5–8 anführen:51 5 Und er sagte zu ihnen: „Wer unter euch (τίς ἐξ ὑμῶν) wird einen Freund haben und wird mitten in der Nacht zu ihm gehen und würde zu ihm sagen: ‚Freund, leihe mir drei Brote, 6 denn mein Freund ist auf seinem Weg bei mir angekommen, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen könnte‘; 7 und jener drinnen würde antworten: ‚Mach mir keine Mühe, schon ist die Tür verschlossen und meine Kinder liegen mit mir im Bett. Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben!‘? 8 Ich sage euch: selbst wenn er nicht aufstehen und ihm (das Gewünschte) geben wird, weil er sein Freund ist, wird er ihm seiner Unverschämtheit wegen alles geben, was er nötig hat.“

Ich verweile einen Moment bei der Formulierung τίς ἐξ ὑμῶν. Indefinitpronomen und Syntax lassen Zweifel aufkommen, ob es sicher um eine Frage geht. Ebenso könnte man auch „irgendeiner von euch“ oder „ein gewisser unter euch“ übersetzen.52 Doch zum einen ist τίς durchaus häufig auch als Interrogativpronomen belegt.53 Zum anderen stellt sich die Kunst des Fragens – wie Estes herausgearbeitet hat – auch in der Koine insbesondere auf semantischer und pragmatischer Ebene ein.54 Source for Exegesis, Grand Rapids 2017. Estes systematisiert das gesamte neutestamentliche Material, aber widmet den τίς ἐξ ὑμῶν-Texten keinen eigenen Abschnitt. Ich danke Douglas auch ganz herzlich für den persönlichen Austausch über diese Fragen per E-Mail im April 2018. 49  Am klarsten kommt die Wendung τίς ἐξ ὑμῶν im griechischen Alexander-Roman, vgl. Historia Alexandri Magni, Recensio α I 37,8; 39,9; Recensio β I, 37,29; II 16,8; Recensio γ I 37,37; ferner Soph., Oed., 70: ἆρ’ ἄν τις αὐτῷ πομπὸς ἐξ ὑμῶν μόλοι; Aristoph., Daidalos frg. 1,1 (hier nur τις ὑμῶν); Demosth., 2 Aphob., 18,1 (hier: τίς δ’ οὐκ ἂν ὑμῶν); Dion. Hal., De Demosthenis dictione, 43, 17 (‘Εἰ δέ τις ὑμῶν). 50  Vgl. 2 Chr 36,23; Esra 1,3; Jes 42,23; 50,10; Hag 2,3. 51  Übersetzung nach A. Merz, Freundschaft verpflichtet (Vom bittenden Freund), Lk 11,5– 8, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 15), 556–563, hier 556. 52 Vgl. BDR § 301, 250 f. „τις τι als Pronomina Indefinita“. Der von Blass-Debrunner-Rehkopf als Unterscheidungskriterium angeführte (fehlende) Akzent (bei Interrogativpronomen τίς) besagt angesichts der nicht akzentuierten Majuskel-Handschriften freilich nichts. 53 Vgl. BDR § 298 unter „Pronomina interrogativa“. 54  Estes unterscheidet zwischen „Questions driven by Syntax“ (93–146), „Questions driven by Semantics“ (147–272) und „Questions driven by Pragmatics“ (273–330), vgl. Estes, Questions (s. Anm. 48).

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Welchen semantischen Gehalt impliziert die Frage: „Gibt es irgendeinen – oder irgendeine unter euch?“, oder indirekt: „Wer von euch?“ Dies setzt zweierlei voraus: Zum einen eine kollektive Adressatenschaft, die als homogene Gruppe angesprochen wird („ihr“); zum anderen eine Absonderung eines einzelnen aus dieser Gruppe („wer“/„einer“), die durch die eigentlich entbehrliche Präposition ἐκ (aus, von, unter) zusätzlich betont wird.55 Diese spezifische Kombination aus Gruppen‑ und Einzelanrede ist ein Charakteristikum der τίς ἐξ ὑμῶν-Fragen. Auf der einen Seite wird an Alltagswissen und Gemeinschaftsethos appelliert, auf der anderen Seite wird aber jede/r einzelne als Repräsentantin und zugleich Verantwortungsträger der ganzen Gruppe angesprochen. Estes sieht in der Personalisierung, die aus dem Vergleich mit den anderen erwächst, die stärkste rhetorische Wirkung dieser Fragen.56 Blicken wir auf das angeführte Beispiel: Es besteht vor dem Hintergrund des gemeinantiken Freundschaftsethos zweifellos Einigkeit, dass man seinem Freund in jeder Lage helfen muss. Der bzw. die einzelne wird auf diesen Konsens hin angesprochen und zugleich zur persönlichen Bekräftigung ermutigt. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass diese Standards einmal nicht handlungsleitend werden sollten, wird er bzw. sie aufstehen, um seine bzw. ihre Ruhe zu haben, wie der Schlusssatz anzeigt. Das heißt: die Frage „Wer von euch […] wird erfolglos zu seinem Freund gehen und ihn bitten?“ kann eindeutig beantwortet werden: Niemand. Bitten unter Freunden – selbst unter ungewöhnlichen und unangenehmen Umständen – werden immer erhört. Die Frage, um die es hier geht, ist also eine rhetorische Frage. Estes möchte diese Pauschal-Klassifikation eher vermeiden, weil jede Frage in gewissem Maße rhetorische Dimensionen hat. Er unterscheidet vier grundsätzliche Fragetypen und würde die „Wer von euch …?“-Fragen den „set questions“57 zuordnen, zumal die Mehrzahl der „set questions“ mit dem indefiniten Fragepronomen τίς gebildet werden.58 Während die polaren Fragen geschlossen sind und den Hörer 55 Nach BDR § 164 1a (S. 135) könnte bei τίς auch nur der Genitivus Partitivus ohne Präposition stehen. 56  „To me, the strongest rhetorical effect is the personalized comparison that occurs. […] Its rhetorical effect […] is to personalize an issue for the hearer.“ Aus der E-Mail vom 16. 04. ​2018. 57 So insbesondere auch in der E-Mail vom 16.  04. ​ 2018. Estes differenziert 1) „polar questions“; 2) „variable questions“ (die größte Gruppe im NT); 3) „alternative questions“ und „set questions“, vgl. Estes, Questions (s. Anm. 48), 27. Die „Set questions“ werden dann unter § 3 D näher erläutert: „Set Questions ask for the hearer to select an answer from within a limited set of possibilities.“ (Estes, Questions [s. Anm. 48], 115). 58  „Set questions do require an interrogative variable word“, wobei entweder τίς oder ποῖος vorkommen. Die Grafik auf S. 117 zeigt, dass ca. 90 % τίς bevorzugen, vgl. Estes, Questions (s. Anm. 48), 116 f. Vgl. auch das abschließende Statement von Estes in seiner Email vom 16. 4. ​2018: „My brief analysis suggests these questions – generally speaking – are set questions that occur in middle position as part of a question string. This is the most important feature; the questions serve the rhetorical effect of bringing home the issue in light of a comparison of others for the hearer/reader to make them ready to accept the argument coming in the next utterances. The inapposite content, and to a lesser extent, shades of testing and occasional bias, reinforce this

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vor radikale Alternativen stellen, suggerieren die Set-Fragen eine Offenheit. Sie lassen dem Adressaten bzw. der Adressatin scheinbare Handlungsfreiheit, auch wenn diese semantisch dann eigentlich doch nicht besteht. Sie leiten damit nicht selten eine Argumentation ein (part of a question string), die die Hörenden auf gekonnte Weise in eine klare Richtung drängt, oder zumindest zur Parteinahme einlädt. Estes spricht hier auch von „biased oder leading questions,“59 was wir mit Suggestiv-Fragen übersetzen können. „Biased questions convey an expectation, or bias, on the part of the speaker toward a specific answer to the question“.60 Die Antwort liegt bereits suggestiv in der Frage selbst: „Wer würde nicht so handeln?“ oder bei negativer Erwartung: „Wer würde etwa so handeln?“ Entsprechend müssen die Antworten lauten: „Jeder von uns würde das tun!“ Oder: „Keine von uns würde das tun!“ Die Frageform unterstützt damit die Funktion der Appellstruktur der Parabel, die auf Affirmation und Parteinahme drängt. Das genannte Beispiel stammt aus dem Parabel-Sondergut des Lukas. Der gesamte Abschnitt Lk 11,1–13 über das Thema Bitten und Gebet ist jedoch eine von Lukas gestaltete Einheit, die insbesondere Material der postulierten Logienquelle Q verarbeitet.61 Innerhalb der Q-Parabeln finden wir gleich dreimal die Einleitung τίς ἐξ ὑμῶν (Q/Lk 11,11; 12,25; 15,4–7), die jeweils Erfahrungswissen der Rezipientengruppe abrufen wollen, sei es aus dem Bereich der Familiengemeinschaft, der Beobachtung von Naturphänomenen oder der Schafhaltung. Q/Lk 11,11 f.: Wer ist unter euch ein Mensch, den sein Sohn um Brot bittet: Wird er ihm etwa einen Stein geben? Oder er wird auch um einen Fisch bitten: Wird er ihm etwa eine Schlange geben? Q/Lk 12,24–28: Seid ihr nicht mehr wert als die Vögel? Und was sorgt ihr euch um Kleidung? Wer aber von euch kann, sorgend, zu seinem Alter hinzulegen eine Elle? […] Wenn aber Gott das Gras auf dem Feld, das heute dasteht und morgen in den Ofen geworfen wird, so anzieht – um wieviel mehr nicht euch, ihr Kleingläubigen? Q/Lk 15,4: Welcher Mensch von euch, der hundert Schafe hat und eines verloren hat, wird nicht die neunundneunzig in den Bergen lassen und losgehen, um das Verlorene zu suchen?

Das allgemein akzeptierte und bekannte Alltagsethos wird dazu genutzt, theologische Probleme zu thematisierten. Das selbstverständlich erhörte Bitten eines Kindes um Grundnahrungsmittel soll den Jünger zum Gebet ermutigen (zu Q/ rhetorical effect. It seems to me these questions are designed to personalize the issues so the hearer will “feel” the point but without making them defensive at the opening of the argument.” 59  Vgl. Estes, Questions (s. Anm. 48), 257: „A biased question is asked to provide a strong rhetorical push at the audience. […] Biased questions convey an expectation, or bias, on the part of the speaker toward a specific answer to the question.“ 60  Estes, Questions (s. Anm. 48), 257. 61  Merz, Freundschaft verpflichtet (s. Anm. 51), 556. Ähnlich auch Roth, Parables (s. Anm. 15), 362 f.

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Lk 11,9–13). In der metaphorischen Übertragung wird die Unbekümmertheit der Lilien und Raben auf die Sorge um Nahrung und Kleidung der Menschen übertragen (zu Q/Lk 12,22–31). Das Suchen eines einzigen verlorenen Schafes aus der Herde wird dann zum Bild des göttlichen Hirten, der jedem einzelnen Verlorenen nachgeht (zu Q/Lk 15,5–7). Die hier angesprochenen Deutungen sind natürlich nur eine mögliche Variante innerhalb polyvalenter Interpretationsmöglichkeiten.62 Jedesmal geht es aber um eine unmittelbare Leser-/Hörerinnenorientierung, die durch die Frageform dazu eingeladen werden, den theologischen Zuspruch nicht nur im Anschauungsfeld von Alltagserfahrungen besser zu verstehen, sondern je und je selbst für sich persönlich zu vergewissern. 2. Frageparabeln der Logienquelle Was exemplarisch an den τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln erkennbar wurde, gilt für die Frageparabeln grundsätzlich. Fragen verfolgen eine spezifische Pragmatik. Sie sprechen die Adressaten direkt an, drängen zu einer persönlichen Meinung, einer Einsicht oder sogar einer Handlung. Sie verdichten die „Appellstruktur“, die als gattungsbildendes Kriterium der Parabel benannt wurde.63 Es verwundert deshalb nicht, dass sich Fragen häufig in Parabeln finden. Am Beispiel der Logienquelle soll dies im Folgenden beispielhaft vertieft werden:64 Q/Lk 6,39: Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen? Q/Lk 6,41 f.: Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen, und siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Q/Lk 6,44: Lesen sie etwa aus Dornen Feigen zusammen oder aus Disteln Trauben? Q/Lk 7,31: Wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen und wem ist es gleich? Q/Lk 12,42: Wer also ist der treue und kluge Sklave, den der Herr über seine Dienerschaft eingesetzt hat, damit er ihnen zur rechten Zeit ihre Speise gebe?

62 Vgl. zu dieser Offenheit als konstitutiver Zug der Parabelexegese Zimmermann, Puzzling (s. Anm. 43), 163–174. 63  Vgl. zu diesem Kriterium Zimmermann, Parabeln – sonst nichts (s. Anm. 1), 416 f. Der Begriff „Appellstruktur“ wurde von Wolfgang Iser eingeführt, vgl. W. Iser, Die Appellstruktur der Texte, in: R. Warning (Hg.), Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis, München 1975, 325– 342 und von R. Zymner als Kriterium für die Parabelgattung benannt, vgl. R. Zymner, Art. Parabel, HWRh 6 (2003), 502–514, hier 502. 64  Vgl. zum Folgenden bereits R. Zimmermann, Fragen bei Sokrates und Jesus. Wege des Verstehens – Initiale des Weiterfragens, in: H. Lindner/M. Zimmermann (Hg.), Schülerfragen im (Religions‑)Unterricht. Ein notwendiger Bildungsauftrag heute?!, Neukirchen-Vluyn 2011, 33–59.

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Q/Lk 12,56: Das Aussehen des Himmels wisst ihr zu beurteilen, die Zeit aber könnt ihr nicht beurteilen? Q/Lk 14,34: Wenn aber das Salz dumm wird, womit wird man würzen?

Zum Teil erschöpft sich die gesamte Parabel im Stellen von Fragen. So lesen wir in Q/Lk 6,39 zwei Fragen, die die ganze Miniaturparabel ausmachen. Q/Lk 6,39

Εἶπεν δὲ καὶ παραβολὴν αὐτοῖς· μήτι δύναται τυφλὸς τυφλὸν ὁδηγεῖν; οὐχὶ ἀμφότεροι εἰς βόθυνον ἐμπεσοῦνται; Er aber sprach auch eine Parabel zu ihnen: Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?

Man hat in Zweifel gezogen, ob das für die Parabel konstitutive Kriterium der Narrativität hier überhaupt noch als erfüllt gelten kann. Im strengen Sinne wird hier nicht erzählt. Gleichwohl aktivieren gerade diese Fragen den Rezipienten in besonderer Weise. Reduziert man einen Text nicht auf seinen grammatisch propositionalen Gehalt, sondern bezieht die pragmatische Dimension mit ein, so setzen gerade diese Fragen einen hermeneutischen Prozess in Gang, der eine zweistufige Erzählung mit mehreren Personen erkennen lässt. Der Rezipient oder die Rezipientin imaginiert, wie ein Blinder einen anderen Blinden an die Hand nimmt und führt. Im Versuch, sich dieses eigenartige Unternehmen wechselseitiger Hilfe der Hilflosen vorzustellen, kommt man jedoch immer wieder an den Punkt, der das unweigerliche Scheitern vor Augen führt. Wie wollen die beiden ans Ziel kommen? Was ist, wenn Hindernisse im Weg stehen? Früher oder später müssen sie scheitern. Ja, sie fallen am Ende beide in die Grube. Auf diese Weise wird eine kleine Handlungsfolge angeregt, die sich vor dem inneren Auge des Rezipienten abspielt. Die Fragen haben in der genannten Parabel die Funktion, mit Hilfe der Rezipierenden die verborgenen und nur angelegten Dimensionen der Parabel zur Entfaltung zu bringen. Die Fragen werden somit zu Brücken vom Text zur Vorstellungswelt der Rezipierenden. Und wir lernen etwas Grundsätzliches: Die Frageparabel erfüllt eine pragmatisch-hermeneutische Funktion, die auf das Verstehen und die Vorstellungswelt der Lesenden als unverzichtbares Element der Parabel zielt. Bildlichkeit gibt es nur in der dreistelligen Konstellation von Bildträger, Bildobjekt und Bildrezipient/in.65 Frageparabeln können aber auch narrativ ausgestaltet werden. So z. B. in der sprichwörtlich gewordenen Parabel vom Splitter und Balken im Auge: 65  Vgl. dazu ausführlicher R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums am Beispiel von Joh 10 (WUNT 171), Tübingen 2004, 61–73.

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Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ‚Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen‘ und siehe da, der Balken ist in deinem Auge? (Q/Lk 6,41 f.)

Syntaktisch gesehen handelt es sich wiederum um zwei Fragen, die sich inhaltlich wiederholen. Die zweite Frage dramatisiert durch die wörtliche Rede sowie die mit Interjektion (siehe da!) verstärkte Aussage: Siehe da, der Balken ist (doch) in deinem Auge! Die Parabel zieht schon deshalb in Bann, weil emotional ein Fremdkörper im Auge höchste Achtsamkeit gebietet. Zudem strukturiert der Kontrast zwischen Splitter und Balken, ebenso wie zwischen Bruder und Adressat. Hinzu kommt eine eigenartige Verdrehung der Aussagen: Der Angesprochene ist ja eigentlich hilfsbereit, wenn er sagt: „Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen.“ Doch dieses moralisch integer Ansinnen wird als Schein-Ethos entlarvt. Die angebliche Hilfsbereitschaft soll nur von der eigenen Sehschwäche ablenken. Die Fragen in der Parabel haben entsprechend eine ethische Funktion, indem sie nicht nur zur Handlung aufrufen, sondern die Hintergründe und Motive des Handelns offenlegen. Sie wollen den Rezipienten auf das rechte Tun hinweisen, indem sie das vorausgesetzte Tun „in Frage stellen“ und somit erst den Blick freilegen für das gebotene Tun. Dies wird dann am Ende auch imperativisch formuliert: Du Heuchler! Zieh erst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du deutlich genug sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu ziehen. (Q/Lk 6,42b)

Es geht aber natürlich letztlich nicht um die kleinen chirurgischen Eingriffe am Auge. Schon die Überzeichnung mit dem „Balken im Auge“ ist als Transfersignal zu verstehen und macht aus der Parabel eine „metaphorische Ethik“, bei der nicht nur semantische Felder, sondern Handlungsmuster in fremde Kontexte übertragen werden sollen.66 Dies führt mich zu einem weiteren Kriterium, das kurz vertieft werden soll: Parabeln sind metaphorisch  – es geht um „Übertragung“, wie es der Begriff meta-pherein (μετα-φέρειν) auch etymologisch bewahrt hat: Konkret wird in den genannten Beispielen Alltagswissen beziehungsweise Alltagsethos aufgenommen und in sachfremde, insbesondere religiöse Kontexte übertragen. Durch die Anknüpfung an den Erfahrungsschatz der Menschen kann dann die unbekannte theologische Rede verständlicher werden. So wird mit der Verwendung des Salzes (Q/Lk 14,34 f.) an die Identität der Jüngerinnen und Jünger appelliert, oder die Wetterbeobachtung (Q/Lk 12,56) wird auf einen eschatologischen Horizont hin ausgerichtet. Was in steiler Theologie formuliert eher unglaublich wirkt, etwa dass Gott der Schöpfer für jeden einzelnen 66 Vgl. dazu R. Zimmermann, Metaphorische Ethik. Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Bibel für den Ethik-Diskurs, ThLZ 141 (2016), 295–310.

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Menschen sorgt, oder, dass er die so vielen unterschiedlichen Gebete erhört, oder, dass er sich angesichts der großen Zahl der Gläubigen noch um einen einzelnen kümmern kann, wird im Vergleich mit Alltagsszenen nachvollziehbar. Wenn aber schon die Menschen so handeln können, „um wieviel mehr (πόσῳ μᾶλλον) wird der Vater vom Himmel“ (Q/Lk 11,13) dann in der Lage sein, so zu handeln. Die rhetorischen Fragen erfüllen hierbei folglich eine Erkenntnisfunktion, die theologische Einsicht und Glauben ermöglicht. 3. Pragmatik und Theologie der Frageparabeln In den τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln sowie anderen Frageparabeln wird ein bestimmtes Alltagswissen inferentiell schon vorausgesetzt. Sie aktivieren nicht nur den Leser bzw. die Leserin, sondern sie verlangen eine ganz bestimmte Reaktion. So lassen Fragen mit der Interrogativpartikel μήτι (doch etwa; Q/Lk 6,39; 6,44) eine negative (zum Beispiel „Natürlich nicht!“), oder mit der Partikel οὐχί (nicht, Q/Lk 6,39; 12,23; 15,4) eine positiv affirmative Antwort (zum Beispiel „Doch, klar!“) erwarten. Dem Leser bzw. der Leserin wird durch diese Fragetechnik die Antwort quasi schon in den Mund gelegt: Natürlich wird man seinem Kind keine Schlange geben (Q/Lk 11,11 f.). Es ist doch klar, dass ein Mensch (vor Gott) mehr wert ist als ein Vogel (Q/Lk 12,24–28). Oder: Jeder weiß, dass ein Blinder keinen anderen führen kann (Q/Lk 6,39). Man mag aus pragmatischen Überlegungen einwenden, ob diese Frageparabeln nicht lediglich rhetorische Sprachspiele sind, die letztlich in ihrer engen Antworterwartung gerade nicht eine eigene und kreative Reaktion der Angesprochenen erwarten lassen? Sind diese rhetorischen Frage-Parabeln dann nicht insgesamt eher langweilig und unproduktiv? Unterwandern sie das, was ich – im Anschluss an Zymner – als dynamische Appellstruktur beschrieben habe? Im Anschluss an die Fragen-Klassifikation von Estes kann man erkennen, dass z. B. die τίς ἐξ ὑμῶν-Fragen den „set questions“ und eben nicht den polaren oder alternativen Fragen zugeordnet werden können. Sie lassen Spielräume des Verstehens, sie fordern heraus aber wollen nicht festnageln. Auch in semantischer Hinsicht ist die offensichtlich suggerierte Klarheit dieser Fragen keineswegs univok. Kaum einer der vermutlich adressierten Kleinbauern hatte hundert Schafe. Und ob ein Hirte tatsächlich neunundneunzig Schafe zurücklassen würde, um ein einziges zu suchen, ist keineswegs selbstverständlich. Was etwa, wenn dann der Wolf kommt und nicht nur eines, sondern gleich mehrere andere Schafe reißt? Wäre es also nicht in hohem Maße unvernünftig, ja wäre ein dummer Hirte, wer so töricht handeln würde? Oder wie ist es mit der Salz-Parabel: Dass Salz angesichts seiner chemischen Beschaffenheit gar nicht salzlos werden kann (Q/Lk 14,34 f.), hat man vielleicht schon erfahren. Wobei durchaus diskutiert werden kann, ob die Beschaffenheit des Salzes im antiken Palästina so schlecht war, dass es tatsächlich unbrauchbar

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werden konnte (Q/Lk 14,34 f.). Aber warum wird das Salz „dumm“ (τὸ ἅλας μωρανθῇ), wie die Doppelüberlieferung einhellig bezeugt (Mt 5,13/Lk 14,34)?67

Ist diese Formulierung nicht ein verstörendes Element, das gerade irritierend wirken soll, das scheinbare Klarheit in Frage stellt? Sind Parabeln doch nicht nur die rhetorisch-didaktische Verpackung von Alltagsweisheiten, sondern kleine Denkaufgaben, Rätselrede, die in besonderem Maße herausfordern soll? Und noch größer wird die Herausforderung, wenn man die theologischethische Denkaufgabe lösen soll, die damit gestellt ist: Natürlich kann ein Landwirt Schlüsse aus der Wetterbeobachtung ziehen. Aber muss er deshalb auch in der Lage sein, die Zeichen der Endzeit zu erkennen (Q/Lk 12,56)? So anschaulich die Parabel vom Splitter und Balken sein mag, wie schwer ist es doch, mit Selbstkritik anzufangen (nicht nur in der Wissenschaft, auch in der Gemeinde oder Familie). So wundert es nicht, dass auch die beiden Reich Gottes-Parabeln der Logienquelle den paratextuellen Transferimpuls als Frage formulieren: Q/Lk 13,18: Wem ist die Königsherrschaft Gottes gleich, und wem soll ich sie vergleichen? Q/Lk 13,20: (Und noch einmal:) Wem soll ich die Königsherrschaft Gottes vergleichen?

Die klassische Einleitungsfrage findet sich in den Parabeln zu Senfkorn (Q/ Lk 13,18) und Sauerteig (Q/Lk 13,20 f.). Wie eine Überschrift wird durch die Frage ein metaphorisches Transfersignal gesetzt, das unmissverständlich den Verstehensschlüssel gleich zu Beginn der Parabel an die Hand gibt. Es geht beim folgenden Text nicht um spezifische Fragen der Aussaat oder der Teigzubereitung. Vielmehr werden die genannten Bereiche aus dem Lebensalltag der Adressaten dazu benutzt, um Aussagen über die Königsherrschaft Gottes zu formulieren. Dieses ‚Reich Gottes‘ ist der eigentliche Zielpunkt, es näher zu bestimmen, ist die Aufgabe der folgenden Parabel. Dass Jesus diese Zuordnung hier als Frage formuliert, ist gleichwohl markant: Während im Matthäusevangelium schon ein klares Reich Gottes-Konzept vorausgesetzt werden kann, muss dies in der Logienquelle erst noch gefunden werden. Dies gilt umso mehr, als man kaum auf ein geprägtes alttestamentliches oder frühjüdisches Konzept zurückgreifen konnte. Umso mehr bedarf es einer Näherbestimmung, was damit eigentlich gemeint ist. In anderen Worten: Es ist ‚fraglich‘, was die Königsherrschaft eigentlich ist, wie sie zeitlich und räumlich eingeordnet werden kann, wer in ihrem Machtbereich regiert oder dazu gehört.68 Diese offenbar virulenten Fragen werden durch die Parabeleinleitungen aufgegriffen und durch die Parabel ‚beantwortet‘. Allerdings ist diese Antwort ihrerseits deutungsbedürftig und offen: Was bedeutet es, die Königsherrschaft 67 Vgl. die unterschiedlichen Deutungsangebote der Forschung bei Roth, Parables (s. Anm. 15), 214–216. 68  Vgl. zum Reich Gottes in der Logienquelle A. Bork, Die Raumsemantik und Figuren­ semantik der Logienquelle (WUNT II 404), Tübingen 2015, 132–153.

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Gottes mit dem Vorgang der Sauerteigverarbeitung zu vergleichen? Geht es um die Kraft des Kleinen, geht es um die zeitliche Dimension oder gar um das Wirken im Verborgenen? Antworten durch Parabeln sind keine Definitionen, keine Festlegungen. Sie lassen vielmehr Raum für weitere Fragen, sie stellen Fragen und stellen in Frage.

IV. Fazit Ich bin mit meinen letzten beiden Beispielen wieder beim Anfang angekommen. Wer glaubt, religiöse Sprache wie die vom „Reich Gottes“ im Griff zu haben, der wird auf den Anfang zurückgesetzt. Und so ist es auch mit den Parabeln. Sie sind – anders als es die Auslegungstradition seit Jülicher propagiert hatte – alles andere als eindeutig und klar. Sie fordern heraus. Sie tun dies mit einleitenden, direkten und indirekten, ja selbst mit den rhetorischen Fragen. Gerade auch die Suggestivfragen erweisen sich beim nochmaligen Lesen als subtile und raffinierte Herausforderungen, die die scheinbaren Selbstverständlichkeiten neu in die Diskussion bringen wollen. Sie entziehen sich einer letzten Festlegung, aber gerade das hält ihre Dynamik am Leben. Diese kreative Dynamik der Jesusparabeln hat das neueste Parabelbuch aus dem Jahr 2017 von David B. Gowler ins Zentrum gesetzt: „The Parables after Jesus. Their Imaginative Receptions across Two Millennia“.69 Gowler schreibt: The Parables of Jesus „permit and even sometimes encourage a (wide) range of responses and interpretations“.70

69  Vgl. D. B.  Gowler, The Parables after Jesus. Their Imaginative Receptions across Two Millennia, Grand Rapids 2017. 70 Gowler, Parables (s. Anm. 68), xi.

Der erzählte Erzähler Jesu Gleichnisse in den synoptischen Evangelien Christian Münch Abstract: The parables in the synoptic gospels are narrated narratives, i. e. stories that Jesus tells as a part of the gospels story itself. Gerard Genette calls this a metadiegetic narrative. The article scrutinizes the integration of the parables in the gospels by means of categories from Genette’s narratology and examines their use, addressees and function. As a result, it becomes clear on the one hand that there are several typical uses and, on the other, that there are clear differences between the gospels. Moreover, the narratological analysis shows that, and why, the parables are inseparably connected with their narrator, Jesus.

Gleichnisse begegnen in den Evangelien als erzählte Erzählungen. Sie sind nicht autonome literarische Kunstwerke oder in einer realen historischen Situation erzählte Geschichten, sondern Erzählungen einer erzählten Figur in erzählten Situationen mit erzählten Adressaten. Genauer noch sind sie sogar Erzählungen einer ganz bestimmten erzählten Figur, nämlich Jesus. Im Wesentlichen erzählt nur er Gleichnisse in den synoptischen Evangelien. Fragt man speziell nach der Form der Gleichnisse in den synoptischen Evangelien, so liegt – etwa im Vergleich zu den Gleichnissen des historischen Jesus, aber auch zu rabbinischen Gleichnissen oder zu antiken Fabelsammlungen  – in der literarischen Einbindung in einen größeren Erzählrahmen ein zentrales Merkmal dieser Textgruppe.

I. Ein narratologischer Zugang Die folgenden Überlegungen setzen deshalb narratologisch an, um die Gleichnisse Jesu in den synoptischen Evangelien zu beschreiben.1 Das Interesse ist dabei 1  Der narratologische Ansatz führt Überlegungen weiter, die in C. Münch, Form und Referenz in den synoptischen Gleichnissen, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 22011, 438–459; angestellt worden sind. Dort standen die Referenzsignale im Fokus, die synoptische Gleichnisse verwenden: Gleichniseinleitungen und ‑schlüsse sowie Referenzstrategien innerhalb der Gleichniserzählungen, z. B. metaphorisch deutbare Züge etc.

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auch durch das Anliegen bestimmt, einen Ansatz zu finden, der die Bindung der Gleichnisse an ihren Erzähler mit ins Auge fassen kann.2 Metaphern-theoretischen Ansätzen, die die jüngere Gleichnisforschung dominieren, gelingt dies nur begrenzt, denn für das Funktionieren einer Metapher spielt deren Sprecher in der Regel keine oder nur eine untergeordnete Rolle.3 In der Erzählforschung ist der Erzähler einer Geschichte dagegen ein wesentlicher Aspekt in der Theoriebildung. Häufig wird in der Narratologie grundlegend zwischen dem Was und dem Wie der Erzählung unterschieden.4 Das „Was“ meint die erzählten Handlungen, Figuren und deren Konstellation sowie weitere Elemente der erzählten Welt wie Ort, Zeit und Umstände des Geschehens. Das „Wie“ des Erzählens zielt darauf, dass ein und dieselbe Geschichte in unterschiedlicher Perspektive erzählt werden kann, verschiedene Teile der Geschichte unterschiedlich ausführlich erzählt werden können und Ähnliches. Unter beiden Rücksichten sind die Gleichnisse schon untersucht worden.5 Die Beobachtung, dass die Gleichnisse der synoptischen Evangelien erzählte Erzählungen sind, führt auf das Feld des Wies ihres Erzählens. Nicht „Markus“, „Matthäus“ oder „Lukas“ – die Erzähler der synoptischen Evangelien seien zum Zwecke ihrer Unterscheidung mit diesen Namen benannt – erzählen die Gleichnisse, sondern sie lassen Jesus im Rahmen ihrer Evangelien-Erzählung Gleichnisse erzählen. Aus Sicht der Exegese erscheint die Existenz einer größeren Zahl von Erzählungen im Munde Jesu in den Evangelien zunächst nicht verwunderlich: die Evangelien sind Überlieferung nicht nur der Taten, sondern auch der Worte Jesu und Jesus hat offenbar häufig Gleichnisse erzählt. Aber aus narratologischer Sicht stellt sich durchaus die Frage, warum und wozu im Rahmen einer Erzählung Figuren der Erzählung ihrerseits erzählen. Welche Funktion erfüllen solche Binnenerzählungen? Und welche Rolle spielt die erzählende Instanz – in diesem Fall Jesus – aus narratologischer Sicht für eine Erzählung und ihre Funktion?

2  Aus diskurstheoretischer Perspektive dazu auch E. Reinmuth, Vom Sprachereignis zum Kommunikationsereignis. Diskurstheoretische Überlegungen zu den Kontexten der Gleichnisrede Jesu, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 542–557. 3  Eine Ausnahme ist Hans Weder, vgl. ders., Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions‑ und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen (FRLANT 120), Göttingen 41990 (1978), 93–98.275–277. Dazu C. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion (WMANT 104), Neukirchen-Vluyn 2004, 32–38. 4  Vgl. M. Martínez/M. Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie, München 72007, 20– 26. 5  Das Erzählen ist ein grundlegendes Merkmal der Gleichnisse und kommt in der Gleichnisliteratur seit Jülicher deshalb regelmäßig mehr oder weniger gründlich in den Blick. Fruchtbar war und ist in dieser Hinsicht z. B. das Gleichnisbuch von W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung (UTB 1343), Göttingen 42001 (zuerst 1985), der Mitte der 1980er Jahre verschiedene Vorarbeiten (von G. Sellin, D. O. Via, P. Ricœur u. a.) gebündelt und weitergeführt hat.

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Solche Fragen nach dem Ort oder dem Subjekt des Erzählens fallen unter das, was in der erzähltheoretischen Systematik Gérard Genettes und der von ihm geprägten Erzählforschung „Stimme“ genannt wird.6 An Genettes Ansatz werden sich die folgenden Überlegungen orientieren, weil bei ihm die erzählende Instanz und ihre Funktion klar in den Blick treten. Seine Systematik ist an fiktionaler Literatur gewonnen und erprobt worden und an sich ist nicht ausgemacht, ob sie für die Evangelien etwas austrägt. Es ist ja z. B. nicht so, dass die Evangelisten sich frei entschlössen, Jesus nun erzählen zu lassen, sondern ihnen sind Erzählungen Jesu vorgegeben, die sie in ihr Werk integrieren. Es zeigt sich m. E. jedoch, dass dieser Zugang eine Reihe der für die Gleichnisse in den synoptischen Evangelien typischen Merkmale nicht nur erfassen, sondern auch in einen systematischen Zusammenhang bringen kann. Die spezifische Gestalt der Gleichnisse Jesu in den Evangelien ist wesentlich gekennzeichnet durch die Tatsache, dass sie erzählte Erzählungen sind.7

II. Gleichnisse in den synoptischen Evangelien als metadiegetische Erzählungen Der erzählerische Ort der Gleichnisse befindet sich auf der Ebene der Geschichte des Evangeliums und ihrer Ereignisse. Die Gleichnisse werden den Lesern der synoptischen Evangelien nicht von jener Stimme erzählt, die die Jesus-Geschichte des Evangeliums erzählt, die z. B. von seinen Wundern, seinem einsamen Gebet im Garten Getsemani oder seinem Tod berichtet, sondern Jesus erzählt sie. Seine Stimme ist die erzählende Instanz. Genette nennt dies eine metadiegetische Erzählung. Warum und wozu erzählen Figuren im Rahmen einer Geschichte? Welche Funktion haben solche Erzählungen in Relation zur sie umgebenden und ihnen einen Rahmen gebenden Ausgangserzählung? In welcher Beziehung stehen sie zu ihr? Mit Genette kann man drei Fälle unterscheiden:8 (1) Die metadiegetische Erzählung kann in einem konsekutiv-kausalen Verhältnis zur sie rahmenden Erzählung stehen. Typischerweise erzählt eine Figur hier eine Geschichte, um im Rückgriff auf zuvor Geschehenes zu erklären, wie es zu der Situation gekommen ist, in der sich die Figuren gerade befinden, also 6  Vgl. G. Genette, Die Erzählung, Paderborn 32010, 137–174; Martínez/Scheffel, Einführung (s. Anm. 4), 67–89. 7 Im Folgenden wird die Textauswahl des Kompendiums der Gleichnisse Jesu (hg. von R. Zimmermann, Gütersloh 22015) zugrunde gelegt, an dem der Verfasser mitgearbeitet hat. Sinnvoll wäre im Hinblick auf den hier gewählten Ansatz eigentlich ein vergleichender Blick auf nicht-gleichnishafte erzählte Erzählungen Jesu bei den Synoptikern. Doch war dieser im Zusammenhang des Aufsatzes nicht systematisch zu leisten und geschieht nur sporadisch. 8  Vgl. Genette, Erzählung (s. Anm. 6), 147–152, bes. 150–152; Martínez/Scheffel, Einführung (s. Anm. 4), 75–80.

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z. B. um darzulegen, warum sie sich hier und nicht an einem anderen Ort aufhalten (etwa als Antwort auf die Feststellung „So ein Zufall, dass wir uns treffen. Was verschlägt Sie nach Berlin?“). Die Erzählung kann statt in die Vergangenheit jedoch auch in die Zukunft ausgreifen. Dann sagt sie kommendes Geschehen voraus (etwa das Erzählen von weiteren, geplanten Reisen). (2) Die metadiegetische und die sie umgebende Erzählung können in einer thematischen Beziehung stehen. Dabei besteht keine räumlich-zeitliche Kontinuität zwischen den Ereignissen beider Erzählungen im Sinne eines unmittelbaren Ursache-Wirkung-Zusammenhangs. Die thematische Beziehung beruht stattdessen etwa auf Ähnlichkeit oder Kontrast. Exempla, die etwas illustrieren sollen, Fabeln oder Parabeln gehören in diese zweite Kategorie. Obwohl keine räumlich-zeitliche Kontinuität zwischen den Erzählungen besteht, kann die metadiegetische Erzählung dennoch Auswirkungen auf die Erzählung erster Ebene haben, zum Beispiel wenn die Geschichte zu einer Einsicht führt oder zum Handeln motiviert. (3) Schließlich kann auch gar kein inhaltlicher Bezug zwischen der metadiegetischen Erzählung und der rahmenden Erzählung gegeben sein. In diesem Fall geht es nach Genette um den Akt des Erzählens, nicht um den Inhalt des Erzählten. Es wird erzählt, um sich die Zeit zu vertreiben, oder man erzählt „um sein Leben“, wie Scheherazade in Tausendundeine Nacht. In Bezug auf die rahmende Erzählung sind die Handlung des Erzählens und deren Funktion zentral, nicht der Inhalt des Erzählten. In den drei genannten Fällen kommt Genette zufolge der narrativen Instanz zunehmende Bedeutung zu: Im ersten besteht der Zusammenhang zwischen den Erzählungen unabhängig von ihr, im zweiten stellt sie ihn her, im dritten ist der narrative Akt, den die erzählenden Instanz vollzieht, das Eigentliche.9 Auf den ersten Blick scheint klar zu sein, dass die Gleichnisse Jesu in den Evangelien in die zweite Kategorie gehören. Parabeln werden bei Genette selbst als typisches Beispiel genannt. Tatsächlich ist der Befund jedoch komplexer. Begonnen sei trotzdem mit dem zu Erwartenden. 1. Gleichnisse mit thematischem Bezug zum Kontext des Evangeliums In den synoptischen Evangelien begegnen wiederholt Gleichnisse, die sich deutlich erkennbar thematisch auf ihren jeweiligen Kontext beziehen. Dabei können zwei sich teilweise überschneidende Fälle unterschieden werden: (a) ein „szenisch-biographischer“ Bezug auf das Handeln und Wirken Jesu, also auf die Jesus-Geschichte, oder (b) ein Bezug auf die Lehre Jesu.

9

 Vgl. Genette, Erzählung (s. Anm. 6), 151.

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a) Thematischer Bezug auf die Jesus-Geschichte In verschiedenen Szenen des Markusevangeliums10 antwortet Jesus auf Anfragen an sein Handeln, indem er eine kurze Geschichte erzählt. Teilweise sind die Erzählskizzen nur ansatzweise narrativ (Mk 2,18–22; 3,22–27; 7,24–30), aber auch für die vergleichsweise lange Erzählung in Mk 12,1–9 ist ein Disput über Jesu Handeln und seine Vollmacht der Ausgangspunkt. In vergleichbaren Szenen kann den Platz des Gleichnisses auch ein Sprichwort (Mk 2,17) oder die Nacherzählung einer biblischen Geschichte (Mk 2,23–28) einnehmen. Der Bezug auf die Szene wird in allen Fällen deutlich signalisiert: Einerseits steht jeweils klar eine Frage im Raum, andererseits wird durch rhetorische Fragen (Mk 3,23; 12,9a.10–11) oder erzählte Reaktionen der Adressaten (Mk 7,28; 12,12) herausgestellt, dass die Erzählung eine argumentative Absicht hat und auf die jeweilige Situation zu beziehen ist. Der Bezug beruht offenbar auf Analogie: In der Anfrage wie in der Erzählung geht es um Fasten (Mk 2,18 und 19); bei der Bitte der syro-phönizischen Frau wie im Gleichnis geht es um die Frage, ob jemandem Zuwendung widerfährt oder nicht (Mk 7,26–28); der Sohn des Weinbergbesitzers wird wie Jesus als geliebter Sohn bezeichnet und beide werden getötet (vgl. Mk 12,6–8 und 1,11; 9,7 bzw. 8,31 und die Passionserzählung). Der markinische Jesus macht die bestehende Analogie jedoch nicht weiter explizit, sichert sie nicht durch eine Anwendung oder Ähnliches ab. Mk 12,10–11 ist zwar ein Zusatz im Anschluss an die eigentliche Gleichniserzählung, bleibt aber auf der Ebene metaphorischer Rede. Insgesamt sind alle markinischen Szenen Situationen, in denen Jesus mithilfe des Gleichnisses sein Handeln rechtfertigt. Matthäus und Lukas haben die markinischen Szenen im Wesentlichen übernommen.11 Während bei Matthäus12 keine weiteren Szenen dieser Art hin10 Zu den Gleichnissen des Markusevangeliums: J. Drury, The Parables in the Gospels. History and Allegory, New York 1989 (1985), 39–69; J. R.  Donahue, The Gospel in Parable. Metaphor, Narrative, and Theology in the Synoptic Gospels, Philadelphia 1990 (1988), 28– 62.194–199; A. Yarbro Collins, The Discourse in Parables in Mark 4, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 521–538; D. Dormeyer, Parabeln im Markusevangelium  – Einleitung, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 7), 257–262. 11 Mk 2,18–22 par Mt 9,14–17; Lk 5,33–39; Mk 3,22–27 par Mt 12,22–29; Lk 11,14–23; Mk 7,24–30 par Mt 15,21–28 (fehlt bei Lk); Mk 12,1–12 par Mt 21,33–46; Lk 20,1–19. – Matthäus erweitert in der letztgenannten Szene die Antwort Jesu auf die Vollmachtsfrage zu einer Gleichnistrias. Dazu unten mehr. 12  Zu den Gleichnissen im Matthäusevangelium: J. D.  Kingsbury, The Parables of Jesus in Matthew 13. A Study in Redaction-Criticism, London 1969; Drury, Parables (s. Anm. 10), 70–107; Donahue, Gospel (s. Anm. 10), 63–125.199–203; W. Carter/J. P. Heil, Matthew’s Parables. Audience-Oriented Perspectives (CBQ.MS 30), Washington 1998; I. H.  Jones, The Matthean Parables. A Literary and Historical Commentary (NT.S 80), Leiden/New York/Köln 1995; J. Lambrecht, Out of the Treasure. The Parables in the Gospel of Matthew (LThPM 10), Leuven 1998 (1992); W. G.  Olmstead, Matthew’s Trilogy of Parables. The Nation, the Nations and the Reader in Matthew 21:28–22:14 (MSSNTS 127), Cambridge 2003; Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3); J. Roloff, Jesu Gleichnisse im Matthäusevangelium. Ein Kommentar zu Mt 13,1–52, hg. von H. Kreller/R. Oechslen (BThSt 73), Neukirchen-Vluyn 2005; O. Ewherido,

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zukommen, erscheint für das Lukasevangelium13 die Vorstellung, Jesus erzähle in Gesprächssituationen auf Kritik, Fragen oder andere Anlässe hin Gleichnisse, als geradezu prototypisch. Über die Parallelen zu Markus hinaus gibt es weitere etwa 16 Gleichnisse, die in Gesprächsszenen situiert sind – teilweise mehrere in derselben Situation.14 Adressaten der Gleichnisse sind die versammelte Öffentlichkeit, Einzelne oder Gruppen daraus, Jünger oder Gegner, wobei Jesus einen nicht unerheblichen Anteil der Gleichnisse an Nicht-Jünger richtet.15 Anlass für das Erzählen können wie in den mit Markus parallelen Szenen (Lk 5,33–39; 11,14–23; 20,1–19) Anfragen oder Kritik an Jesu Verhalten sein, sodass die Gleichnisse als argumentativ-apologetisches Mittel erscheinen (Lk 7,36–50; 15,1–32).16 Sie sind aber nicht so stark defensiv und abwehrend ausgerichtet, sondern zielen auf Einsicht und Zustimmung, wie das intensive Gespräch in Lk 7 bzw. die Fragestruktur der ersten beiden Gleichnisse und die offene Frage am Schluss des dritten in Lk 15 zeigen. In den anderen Szenen dienen Gleichnisse dann auch eher als Mittel zur Belehrung oder Überzeugung.17 Anlass zum Gespräch bieten Fragen, die Jesus gestellt werden (über die Nächstenliebe: Lk 10,25–34; darüber, wie viele gerettet werden: Lk 13,22–30), oder Bitten an ihn („Lehre uns beten“: Lk 11,2 mit 11,5–13; „Stärke unseren Glauben“: Lk 17,5 mit 17,7–10). Oder eine biographische Situation gibt Gelegenheit zu Lehre und Unterweisung: Nachdem Jesus in einem Erbstreit um Hilfe gebeten wird (Lk 12,13–15) folgen eine παραβολή, die vor Habgier warnt (12,16–21), sowie weitere Mahnungen, die durch Gleichnisse gestützt werden (12,24–46); Untaten Matthew’s Gospel and Judaism in the Late first Century C. E. The Evidence from Matthew’s Chapter on Parables (Matthew 13:1–52), New York u. a. 2006; P. Y.  Oppong-Kumi, Matthean Sets of Parables (WUNT II 340), Tübingen 2013; C. Münch, Parabeln im Matthäusevangelium  – Einleitung, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 7), 385–391; R. Zimmermann, Parables in Matthew. Tradition, Interpretation and Function in the Gospel, in: J. Verheyden/G. Van Belle (Hg.), An Early reader of Mark and Q (BToSt 21), Leuven 2016, 159–185; für diesen Aufsatz nicht mehr berücksichtigt werden konnte: T. Dannenmann, Emotion, Narration und Ethik. Zur ethischen Relevanz antizipatorischer Emotionen in Parabeln des Matthäus-Evangeliums (WUNT II 498), Tübingen 2019. 13  Zu den Gleichnissen im Lukasevangelium: G. Sellin, Lukas als Gleichniserzähler: Die Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37), ZNW 65 (1974), 166–189; 66 (1975), 19–60; Drury, Parables (s. Anm. 10), 108–157; Donahue, Gospel (s. Anm. 10), 126–193.204– 211; B. Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas (NTA.NF 24), Münster 1991; L. Thurén, Parables Unplugged. Reading the Lukan Parables in Their Rhetorical Context, Minneapolis 2014; A. Merz, Parabeln im Lukasevangelium – Einleitung, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 7), 513– 517. 14  Vgl. Lk 7,36–50; 10,25–34; 11,5–13 (zwei Gleichnisse); 12,13–46 (drei Gleichnisse); 13,1–9; 13,22–30; 14,7–24 (zwei Gleichnisse); 14,25–35; 15,1–32 (drei Gleichnisse); 19,11–27 vgl. 10,2–3. 15  Vgl. Thurén, Parables (s. Anm. 13), 216–219. 16 In narratologischer Hinsicht ein Sonderfall ist Lk 7,31–32: Auch hier geht es um Reaktionen auf Jesus (und Johannes den Täufer). Von diesen Reaktionen erzählt jedoch nicht der Evangelist, sondern Jesus selbst (7,29–30.33.34) 17 Vgl. Thurén, Parables (s. Anm. 13), 219–223.

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des Statthalters Pilatus bieten Anlass, zur Umkehr aufzurufen und diese Aufforderung mit einem Gleichnis zu unterstreichen (Lk 13,1–9); das Konkurrieren um die Plätze am Tisch bei einem Gastmahl führt zu einer als παραβολή gekennzeichneten Verhaltens-Empfehlungen Jesu für den Fall, dass man zu einer Hochzeit geladen sei, sowie im weiteren Verlauf zu einer Erzählung Jesu über ein besonderes Gastmahl (Lk 14,7–24); die Erwartungen der Menschen bei Jesu Ankunft in Jerusalem, die Königsherrschaft Gottes werde bald erscheinen, bietet den Anlass, die Geschichte von einem König zu erzählen, der außer Landes reist, um sein Königtum zu empfangen (Lk 19,11–27). Manchmal ist die situative Schilderung sehr kurz, kaum entwickelt und gar nicht schlüssig in den Gang des Evangeliums eingebunden, trotzdem scheint sie Lukas wichtig zu sein. In Lk 18,9 heißt es nur: „Er erzählte aber auch einigen, die überzeugt waren, gerecht zu sein, und die anderen verachteten, das folgende Gleichnis“, es folgt das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner; ähnlich knapp sind die situativen Verortungen in Lk 16,14–31 oder 18,1–8. Zunächst ohne erkennbaren Anlass wird das Gleichnis vom klugen Verwalter erzählt (Lk 16,1–8). Hier schiebt Lukas allerdings eine situative Verortung quasi nach, indem er vom Spott der geldgierigen Pharisäer über das Gleichnis erzählt. Dieser Spott ist dann auch der Anlass für ein zweites Gleichnis, in dem es um das Geschick eines Reichen geht (16,19–31). Ähnlich wie bei Markus kann der Situationsbezug durch Fragen zum Gleichnis verstärkt werden (z. B. Lk 18,7). Es kommt bei Lukas durch solche Fragen manchmal zu kleinen Gesprächen über das Gleichnis (7,42b–50; 10,36–37). Fundament des Verstehens und der Einsicht, die von Jesus angestrebt werden, ist dabei ganz offenkundig die Erzählung: Zunächst fragt Jesus nach der Beurteilung der Gleichniserzählung, dann wird (wieder) über die Sache geredet. Typisch für Lukas ist die Gestaltung von Gleichnis-Anfängen in Form der Frage „Wer von euch, der …/welcher Mann, der …/welche Frau, die …“ (11,5–7.11–12; 14,28.31; 15,4.8; 17,7). Auch diese Gleichnisse sind klar auf die Übernahme einer bestimmten Sicht des erzählten Geschehens angelegt und wiederum ist die Beurteilung der Geschichte Basis für die richtige Deutung (meist mit „so“/οὕτως eingeleitet; vgl. 14,33; 15,7.10; 17,10).18 Weiterhin kann die Aufforderung zuzuhören (7,40; 18,6) als ein Impuls dienen, der die Leser Geschichte und Erzählsituation verknüpfen lässt. Basis der Verknüpfung ist auch bei Lukas die Analogie, wie z. B. Stichwortbrücken zwischen erzählter Situation und Erzählung („lieben“ in 7,42 und 47; „Arme, Krüppel, Lahme, Blinde“ einladen in 14,13 und 14,21; Freude in 15,5 und 15,7 u.v.m.), die Aufforderungen zu vergleichen (7,31; 12,36) und „in gleicher Weise“ zu handeln (10,37: ὁμοίως), Argumentationen a minori ad maius in der Deutung des Gleichnisses (11,13; 12,24.28; 18,6 f) oder die schon genannten 18 Ausführlich zu den Überzeugungsstrategien der lukanischen Gleichnisse: Thurén, Parables (s. Anm. 13), 224–239.

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Anwendung mit „so“ (12,21; 14,33; 15,7.10; 17,10) zeigen. Häufig führt Lukas solche Szenen mit der Bemerkung ein, Jesus erzähle ein Gleichnis (παραβολή: Lk 5,36; 6,39; 12,6; 13,6; 14,7; 15,3; 18,1.9; 19,11; 20,9; 21,29). Ein großer Teil der lukanischen Belege des Begriffs entfällt auf diese Verwendung.19 Zu den hier untersuchten, in Gesprächssituationen angesiedelten Texten gehören die vier von Adolf Jülicher als eigene Untergattung betrachteten sog. „Beispielerzählungen“ (Lk 10,29–37; 12,16–21; 16,19–31; 18,9–14). Jülicher hat diese Gruppe ausgesondert, weil der Boden des ὅμοιον im Sinne des Ähnlichen zwischen zwei Elementen, die aus ganz unterschiedlichen Gebieten stammen (z. B. das Religiöse und die Landwirtschaft), beinahe verlassen sei. Beispielerzählungen böten eindrucksvolle Einzelfälle für das Thema, um das es geht (z. B. Nächstenliebe oder Habgier). Dabei sieht Jülicher durchaus, dass auch diese Erzählungen auf eine Form des Vergleichs zielen, nämlich auf einen Vergleich des Verhaltens der Hörer des Gleichnisses mit dem der Gleichnis-Figuren.20 Dass eine Abgrenzung dieser vier Texte als Untergattung berechtigt sei, ist mit verschiedenen Argumenten bestritten worden.21 Aus der hier gewählten narratologischen Perspektive heraus ist festzuhalten, dass Lukas Beispielerzählungen wie anderen Gleichnisse παραβολή nennen kann (vgl. 18,1 und 18,9) und sie aus narratologischer Sicht nicht unterschiedlich behandelt. Jülichers Beobachtungen und Überlegungen lenken aber, anders wahrgenommen, den Blick darauf, dass das Feld des Gleichnishaften bei Lukas weit zu fassen ist. Es reicht von Gleichniserzählungen, die thematisch von der Situation weit entfernt sind, über die sog. Beispielerzählungen bis hin zu narrativ gehaltenen Verhaltensempfehlungen („Wenn du von jemandem zur Hochzeit geladen bist, dann leg dich nicht auf den ersten Platz, damit nicht“ usw.), die Lukas ebenfalls παραβολή nennt (Lk 14,7–11), umfasst die Analogie in verschiedenen Abstufungen des Abstrakten und Konkreten.22 Jülichers Beobachtung, die Ähnlichkeit verlagere sich auf das Verhalten, lässt sich mit Bernhard Heininger weiterführen und auf weitere Gleichnisse ausweiten. Heininger beobachtet eine „Dramatisierung“ bzw. „dramatische Akzentuierung“ der Gleichnisse bei Lukas. Eines der Mittel dazu sind die auf19 Noch

Lk 4,23; 8,4.9.10.11; 12,41; 20,19.  Vgl. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Zwei Teile in einem Band (1910), Nachdruck Darmstadt 1976, I 112–114. 21 Vgl. zur Diskussion z. B. E. Baasland, Zum Beispiel der Beispielerzählungen. Zur Formenlehre der Gleichnisse und zur Methodik der Gleichnisauslegung, NT 28 (1986), 198–219; Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 5), 84–97; J. T.  Tucker, Example Stories. Perspectives on Four Parables in the Gospel of Luke (JSNTSS 162), Sheffield 1998; R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 383–419, bes. 391–395. 22  Die Inhaltsebene der lukanischen Gleichnisse wird hier nicht näher untersucht. Beobachtungen und Analysen dazu bei Merz, Einführung (s. Anm. 13), 515 f.; Thurén, Parables (s. Anm. 13), 207–213. 20

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fälligen inneren Monologe einiger lukanischer Gleichnisfiguren.23 Heininger versteht sie als ein Mittel zur Charakterzeichnung (Ethopoiie) der Figuren und verweist auf die aristotelische Poetik: Die Mehrzahl der lukanischen Monologe zeigten Figuren in Situationen, in denen sie durch den Monolog Einblick in ihre Entscheidungen geben (12,17–19; 15,17–19; 16,3–4; 18,4–5; 20,13–14). Gemäß Aristoteles offenbare sich gerade in der Entscheidung der Charakter einer Person (vgl. Poet VI,24 [1450b]).24 Ähnlich, wenn auch nicht so stark, können Monologe außerhalb von Entscheidungssituationen (12,45; 18,11–13) oder Dialoge bzw. Dialogfragmente (10,35; 11,5–8; 14,18–20.22–24; 15,6.9.22–24.31–32; 16,24–31; 19,20–21; vgl. 7,29; 11,11–12; 17,10) der Charakterzeichnung dienen. Nach Heininger bieten die so gestalteten Gleichnisse Handlungsmodelle für die Leserinnen und Leser; die Monologe (und Dialoge) sind ein Ort der Begegnung zwischen Leser und Figur.25 Auch wenn es also letztlich um eine Identifikation der Leser mit den Figuren oder Abgrenzung von ihnen geht, korrespondieren mit den Handlungsmodellen sehr häufig im erzählten Kontext der Gleichnisse Personen, die sich mit den Gleichnisfiguren identifizieren lassen (vgl. 7,36–50; 11,1 mit 11,9–10; 11,14–15; 12,13; 13,1–5; 14,7; 14,12–14; 15,1–2; 16,14; 18,1; 18,9; 20,1–8; vgl. 7,29–30; 10,29; 19,11).26 Manchmal werden die Adressaten sogar quasi selbst zu Figuren des Gleichnisses (10,2–3: „Bittet also den Herrn der Ernte Arbeiter auszusenden“; 13,22–30: „dann steht ihr draußen“ usw.; 14,7–11: „Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist …“). Der Pragmatik der Gleichnisse als Handlungsmodelle lassen sich auch eine Reihe Gleichnis-Schlüssen in diesen lukanischen Szenen zuordnen. Neben den Gesprächen über die Anwendung des Gleichnisses wie in 7,43–50 und 10,36–37 sind hier alle konkreten Handlungsanweisungen und verallgemeinernden Handlungsregeln zu nennen, die Jesus – mit „So sollt auch ihr“, „So geht es jedem, der …“, „Handle ebenso“ oder ähnlich eingeleitet – aus den Gleichnissen zieht (Lk 10,37; 11,9 f.; 12,21; 12,29–30; 14,11; 14,33; 16,10; 17,10; 18,14b; vgl. vorangestellt 13,5). Ein letzter Blick soll der Frage gelten, welche erzählten Wirkungen die Gleichnisse in den Gesprächsszenen haben. Was geht aus ihnen hervor, was lösen sie aus? Insgesamt sind solche Wirkungen äußerst selten.27 Die markanteste Ausnahme von der Regel, dass Jesu Gleichnisse keine erzählten Wirkungen im Evangelium haben, ist das Winzergleichnis. Im Markusevangelium erkennen (ἔγνωσαν) die  Vgl. Heininger, Metaphorik (s. Anm. 13), 31–82 sowie zusammenfassend 224 f.227. a. a. O., 36 f.79. 25   Vgl. a. a. O., 45 f.61–63.80–82 26  Vgl. a. a. O., 81. 27 Die syro-phönizische Frau antwortet Jesus auf der Ebene seines Gleichnisses, führt es quasi weiter und bewegt Jesus auf diese Weise dazu, ihrem Wunsch nach Hilfe zu entsprechend (Mk 7,28–30; Mt 15,26–28). Weiter können genannt werden: die Gespräche über das Gleichnis in Lk 7,43–50; 10,36–37, die Rückfrage, wer mit dem Gleichnis gemeint sei, in Lk 12,41 sowie der Spott der Pharisäer in Lk 16,14. 23

24  Vgl.

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Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten, dass Jesus „zu ihnen“ (Mk 12,12: πρὸς αὐτοὺς) gesprochen hat. Ihre Reaktion darauf ist, Jesus verhaften zu wollen, wovor sie allerdings der Volksmenge wegen zurückschrecken. In gewisser Weise bewirkt das Gleichnis also, wovon es erzählt, nämlich eine Ablehnung des „geliebten Sohnes“ (Mk 12,6–8). Der Umgang des Matthäus und des Lukas mit der erzählten Wirkung des Winzergleichnisses ist beachtlich. Matthäus verstärkt die Diskrepanz zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen: Die Adressaten können auf der Ebene der erzählten Geschichte die richtigen Folgerungen ziehen, indem sie die drohenden Konsequenzen der Ablehnung des Sohnes richtig einschätzen (Mt 21,40–41), und verstehen auch, dass Jesus „über sie“ (Mt 21,45: περὶ αὐτῶν) redet. Dennoch wenden sie ihr Verstehen nicht auf das eigene Handeln an, sondern bleiben bei der Ablehnung Jesu (Mt 21,46). Lukas dagegen erzählt von zumindest partiell gelingendem Verstehen. Zwar trachten auch bei ihm die Schriftgelehrten und Hohenpriester Jesus zu verhaften, da sie erkennen, dass das Gleichnis „zu ihnen“ erzählt ist (Lk 20,19). Primärer Adressat des Gleichnisses ist bei Lukas aber das Volk (Lk 20,9) und dieses reagiert richtigerweise bestürzt auf das drohende Ende: „Das soll nicht geschehen!“ (Lk 20,16)28 Mit Michael Wolter ist festzuhalten: „der Ausruf ist nicht auf der Bildebene, sondern nur auf der Sachebene sinnvoll.“ Es findet also ein wirkliches Verstehen des Gleichnisses statt, nicht nur – wie bei Matthäus – ein Verstehen, das weitgehend auf die Ebene der erzählten Geschichte beschränkt bleibt. Die erzählte Wirkung des Winzergleichnisses kreist also ausgehend vom Markusevangelium in allen drei Evangelien um das Problem des Verstehens. Bei Matthäus, vielleicht auch schon bei Markus, erscheint diese Wirkung als Bewahrheitung dessen, was Jesus in der sogenannten Parabeltheorie behauptet: „Darum rede ich in Gleichnissen zu ihnen, dass sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören und nicht verstehen. So geht an ihnen die Weissagung Jesajas in Erfüllung, die lautet: Hörend werdet ihr hören, und verstehen werdet ihr nicht, und sehend werdet ihr sehen, und einsichtig werdet ihr nicht. Denn das Herz dieses Volkes ist verfettet, und mit den Ohren hören sie schwer, und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit den Augen nicht sehen und mit den Ohren nicht hören und mit dem Herzen nicht verstehen und nicht umkehren und nicht wollen, dass ich sie heile.“ (Mt 13,13–15) Lukas dagegen mildert das Moment des Nicht-Verstehens deutlich ab, auch wenn es nicht ganz getilgt ist, insofern die Schriftgelehrten und Hohepriester, die freilich nur Neben-Hörer des Gleichnisses sind, auch bei ihm verstehen, dass sie gemeint sind, und Hand an Jesus legen wollen (Lk 20,19). Die Tatsache, dass die Gleichnisse für den Fortgang der Ereignisse der Jesusgeschichte oder für das Leben der erzählten Figuren, die Adressaten der 28 M. Wolter, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 648. Vgl. ebd. auch zur Frage, was genau nicht geschehen soll.

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Gleichnisse sind, anscheinend keine erwähnenswerte Wirkung haben, ist aus narratologischer Sicht freilich durchaus bemerkenswert, weil die Leerstelle zur Frage führt: Wenn Jesus im Sinne der Evangelisten offenbar nicht Gleichnisse zu dem Zweck erzählt, in irgendeiner Weise den Gang seiner Geschichte zu beeinflussen – wenn es darum ginge, würde der Erfolg oder Misserfolg dieser Absicht doch vermutlich häufiger sichtbar gemacht und festgehalten –, wozu und für wen erzählt er sie dann? Naheliegend ist, die Leserinnen und Leser des Evangeliums angeredet zu sehen. Sehr viele Gleichnisse dürften trotz der vermeintlich historisch-biographischen Verortung auf eine Wirkung in ihrer Lebenspraxis zielen. b) Thematischer Bezug auf Jesu Lehre Ein wesentlicher Teil der Gleichnisse Jesu begegnet in den synoptischen Evangelien nicht in Szenen des Lebens Jesu, sondern eingebettet in Reden, wobei die beiden Fälle nicht trennscharf zu unterscheiden sind: Die Szenen können durchaus Ausgangspunkt für längere Reden werden, deren Thema sich zusehends vom ursprünglichen Anlass entfernt (vgl. z. B. Lk 12,13–59). Gleichnisse mit primärem Bezug auf Redeinhalte kommen in allen synoptischen Evangelien vor, bei Lukas etwas zahlreicher als bei Markus, am ausgeprägtesten bei Matthäus. In Mt 11,16–19 par Lk 7,19–35 wird vermittelt durch die Rede auf eine Situation des Lebens Jesu Bezug genommen, nämlich auf die Reaktionen der Menschen gegenüber ihm und dem Täufer Johannes. Doch ist eine solche szenisch-biographische Kontextualisierung eines Gleichnisses im Rahmen einer Rede Jesu die Ausnahme. Gleichnisse in Redekontexten beziehen sich häufig auf Mahnungen. Sie illustrieren Imperative und Handlungsaufforderungen, die Jesus in der Rede ausspricht: zum Beispiel wachsam zu sein angesichts der nahen Parusie des Menschensohnes (Mk 13,34–36; Lk 12,35–40; Mt 24,42–25,30), nicht über andere zu richten (Mt 7,1–5 par Lk 6,37–42), sich nicht um die falschen Dinge zu sorgen (Mt 6,25–30 par Lk 12,22–32), mit Reichtum richtig umzugehen (Lk 12,33–46; 16,1–13), zu beten (Mt 6,7–11), keinen der Kleinen in der Gemeinde zu verachten (Mt 18,1–14) oder einander zu vergeben (Mt 18,21–35). Sie plausibilisieren Mahnungen und Handlungsempfehlungen durch das Mittel der Analogie und der Erzählung und motivieren, sie zu befolgen (vgl. Mt 7,24–27 par Lk 6,46–49). Auch innerhalb der Reden bieten sie Handlungsmodelle, an denen sich richtiges oder falsches Verhalten und seine Konsequenzen erweisen. Nicht nur lukanische Texte lassen sich hier nennen, die oben schon in den Blick gekommen sind, weil sie in den Grenzbereich zwischen szenischer Kontextualisierung und Rede-Kontextualisierung fallen (Lk 12,43–46; 16,1–8.19–31), sondern auch matthäische. Auch bei Matthäus gibt es Dialoge, er gestaltet seine Handlungsmodelle allerdings oft auf charakteristisch andere Weise: Gegensätzliche Handlungsweisen von Figuren werden betont einander gegenübergestellt (Mt 18,24–30;

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24,45.48–49; 25,1–9; 25,14–18; vgl. 7,24.26). Das Handeln wird in Rechenschaftsszenen vor einer Autoritätsfigur offenbar gemacht und bewertet (Mt 18,31–33; 24,46.50; 25,10a.11; 25,19–20.22.24–25; vgl. 7,25a.27a). Sehr deutlich wird in Form von Belohnungen und Strafen die positive oder negative Folge des jeweiligen Handelns hervorgehoben (Mt 18,34; 24,47.51; 25,10b.12.21.23.26–30; vgl. 7,25b.27b).29 Neben Mahnungen zum Handeln stehen – nicht so zahlreich – andere einzusehende Sachverhalte, die durch die Gleichnisse plausibilisiert werden, so etwa das richtige Deuten von Zeichen der Zeit (Mk 13,28 f. par Mt 24,32–36; Lk 21,29– 33; Mt 7,15–20; Lk 6,43–45; 12,54–56) oder das Verstehen des eschatologischen Grundsatzes, dass viele Erste Letzte sein werden und Letzte Erste (Mt 19,30– 20,16). Die Adressierung der Gleichnisse in Reden ist indirekter als in den Gesprächsszenen, sie richten sich an die, die die gesamte Rede hören. Überwiegend sind es die Jünger, ohne dass diese Tatsache programmatisch erschiene (Mk 13,3; Mt 18,1; 24,3; Lk 12,22; 16,1; vgl. aber die Adressierung der Bergpredigt Mt 5,1 oder Lk 16,14; 21,5). Für die matthäischen Reden insgesamt, einschließlich der hier interessierenden Kapitel 18 und 24–25, gilt meines Erachtens, was Ulrich Luz im Hinblick auf die Bergpredigt so formuliert hat: Die Bergpredigt ist für Matthäus keine Rede von der Art, wie sie ein griechischer Historiker geschrieben hätte. Sie soll für ihn nicht das ‚Damals‘ erläutern, also das, was der große religiöse Prophet Jesus am Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit zu seinen Jüngern und zu den galiläischen Volksmassen wohl gesprochen hat. In der Bergpredigt geht es vielmehr um die für die Gegenwart gültige Verkündigung Jesu, um den Inhalt der Missionsverkündigung der Gemeinde an die Welt und um die Richtschnur, nach der sie ihre eigenen Werke ausrichtet. Sie erläutert nicht, wie die Rede eines großen Staatsmanns in einem antiken Geschichtsbuch, eine vergangene geschichtliche Situation, sondern sie ist ‚zum Fenster hinausgesprochen‘; sie wendet sich direkt an die gegenwärtigen Leser/ innen.30

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage des Petrus in Lk 12,41: „Herr, sprichst du dieses Gleichnis zu uns oder zu allen?“, die ohne direkte Antwort Jesu und den Lesern aufgegeben bleibt. 2. Gleichnisse „pur“ Bislang sind Kontextualisierungen betrachtet worden, in denen das Gleichnis in nicht-gleichnishaften Zusammenhängen mit einer bestimmten Funktion verwendet wird, also im Dienst der Erzählungen oder Rede steht. Es gibt jedoch auch Fälle quasi purer oder primärer Gleichnisrede, in denen die Gleichnisse zu einer eigenständigen, leitenden Form werden. Ein thematischer Bezug zur er Ausführlicher zu diesen matthäischen Mustern Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3), 169–173. Die Jesusgeschichte des Matthäus, Neukirchen-Vluyn 1993, 56.

29

30 U. Luz,

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zählten Jesusgeschichte oder zu nicht-gleichnishaften Redeteilen besteht hier entweder gar nicht oder aber das Sinnpotential der Gleichnisse scheint das, was sie funktional im Kontext leisten, zumindest deutlich zu übersteigen. Markante Beispiele sind die Gleichnisreden in Mk 4,1–34 und Mt 13,1–52. Sie reagieren nicht klar erkennbar auf Ereignisse der Jesusgeschichte (auch wenn man hintergründige Bezüge durchaus suchen kann) und bestehen primär aus Gleichnissen. Gleichnisse sind hier nicht anderen Formen der Rede zu‑ und untergeordnet, sondern die vorrangige, tragende Redeform. Die Kohärenz der Reden in Mk 4 und Mt 13 wird durch die Gleichnisse selbst gestiftet, nicht durch ein kontextuell vorgegebenes Thema. Die überwiegende Zahl der Gleichnisse erzählt Geschichten von Saat, Wachstum und Ernte (Mk 4,3–9 par Mt 13,3–8; Mk 4,26–29; Mk 4,30–32 par Mt 13,32; Mt 13,24–30). Das damit vorgegebene Grundmuster der Handlung wird variiert und in verschiedene Richtungen ausgelotet: Mal steht der Ertrag im Vordergrund, mal die Aktivität des Bauern, mal der Kontrast zwischen dem kleinen Anfang und dem großartigen Ergebnis und mal die Existenz von Unkraut oder anderen, die Ernte mindernden Faktoren. Andere Gleichnisse, die nicht dem Motivfeld entstammen, zeigen teilweise Parallelen im Handlungsmuster und erscheinen so ebenfalls als Variationen zum Thema (Mt 13,33 mit 13,31–32; Mt 13,47–50 mit 13,24–30). Besonders bei Matthäus bilden zudem die einleitenden Gleichnisformeln, die fast alle Erzählungen als Gleichnisse über das Himmelreich ausweisen (13,24.31.33.44.45.47), ein wichtiges Kohärenzmittel. Den Gleichnissen sind Redeteile zu‑ und untergeordnet, die sich auf das Verstehen der Gleichnisse, d. h. auf die Inhalte oder die Gattung der tragenden Redeteile beziehen und insofern von ihnen abhängig sind (Mk 4,10–25; Mt 13,10–23.34–35.36–43.51–52). Auch die Reihen und Gruppen von zwei und mehr Gleichnissen, die Lukas und Matthäus Jesus in ihren Evangelien erzählen lassen,31 zeigen eine deutliche Verselbständigung der Redeform Gleichnis gegenüber ihrer kontextuellen Funktion. Nicht nur, dass Doppelgleichnisse denselben Gedanken wie ein Parallelismus membrorum zweimal umschreiben und zum Ausdruck bringen (wie z. B. Lk 5,36–39; 12,24–28; 13,18–21), ist zu beobachten. Es zeigen sich auch ein regelrechtes Ausloten und Weiterentwickeln von Aussagen mithilfe der Gleichnisse. Um nur einige Beispiel zu nennen: Gott wird die Bitte der Jünger nicht nur erhören (Lk 11,5–8), sondern auch das Richtige geben (Lk 11,9–13). Die Geschichte über das Wiederfinden des Verlorenen und die Freude darüber wird nicht nur aus Sicht von Männern und Frauen erzählt und kommentiert, die wiederfinden (15,4–10.20–24.31–32), sondern auch aus Sicht eines Wiedergefundenen (15,12– 19) oder eines Betrachters von außen (15,25–30). Die Antwort auf die Frage 31  Vgl. etwa Lk 5,36–39; 11,5–13; 12,24–28; 12,35–48; 13,18–21; 14,7–24; 14,28–33; 15,1–32; 16,1–31; 18,1–14 bzw. Mt 5,13–16; 6,19–30; 7,2–11; 15,13–14; 21,28–22,14; 24,32–25,30; aber auch schon Mk 2,18–20; 3,22–27.

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nach der Vollmacht Jesu ist im Matthäusevangelium zu einer Gleichnistrias ausgebaut (Mt 21,28–22,14), die nach der geläufigen Deutung einen Bogen spannt von Johannes dem Täufer bis in die Gegenwart und Zukunft der matthäischen Christen. Was eschatologische Wachsamkeit bedeutet, entfaltet Matthäus in einer Serie von Gleichnissen, die den Blick nicht nur auf den unbekannten Zeitpunkt der Parusie richten, sondern auch auf die zwischen dem Wirken Jesu und dem kommenden Gericht aufgespannte Zeit, in der die Christen ihr Leben gestalten müssen (Mt 24,32–25,30).32 Hier zeigt sich so etwas wie ein „Denken in Geschichten“: Gleichnisse greifen ineinander, setzen auf der Ebene der Erzählungen Gedanken fort oder beleuchten ein Thema aus verschiedenen Perspektiven. Gleichnisse sind eine Lehrform sui generis, die für sich stehen kann. Sie bilden ein Corpus, dessen Elemente gegenseitig aufeinander beziehbar sind und die sich wechselseitig erhellen können. Wenn die Evangelisten Gleichnisse (auch) als eine eigenständige Form der Rede Jesu verstehen und präsentieren, die für sich allein stehen oder das tragende Element der Rede bilden kann, hat dies Konsequenzen. Einerseits stellt sich natürlich in inhaltlicher Hinsicht die Frage, was das Thema dieser Gleichnisse ist und in welcher Beziehung es zum übrigen Evangelium, also zum Gang der Geschichte Jesu oder zu den Inhalten seiner Verkündigung steht.33 Andererseits rückt die sprachliche Form in den Fokus. Genette zufolge steht in Fällen metadiegetischer Erzählungen, die weder in einer konsekutiv-kausalen (Vor‑ oder Nachgeschichte) noch in einer thematischen Beziehung zur umgebenden Erzählung stehen, der Akt des Erzählens im Vordergrund. D. h. wenn nicht aufgrund des Inhalts des Erzählten oder der Funktion der Erzählung im Kontext klar ist, weshalb Jesu hier und jetzt eine Geschichte erzählt, wird der Akt des Erzählens selbst zur Frage. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass gerade in den Gleichnisreden Mk 4 und Mt 13 sehr deutlich die Form der Rede thematisiert und zum Gegenstand der Reflexion wird. Die Gleichnisreden werden ausdrücklich eingeführt als eine Lehre Jesu „in Gleichnissen“/ἐν παραβολαῖς (Mk 4,2; Mt 13,3). Schon die Einführung lenkt den Blick also auf die sprachliche Form. Insgesamt 8 der 13 Vorkommen des Wortes παραβολή bei Markus und 11 der 16 bei Matthäus entfallen auf diese Reden.34 Die Jünger fragen nach dieser Form (Mk 4,10, noch expliziter Mt 13,10) und Jesus legt Rechenschaft darüber ab (Mk 4,11–12; Mt 13,11–15). Auch der Erzähler des Evangeliums kommentiert sie 32  Zu dem matthäischen Gleichniskompositionen vgl. Olmstead, Trilogy (s. Anm. 12); Oppong-Kumi, Sets (s. Anm. 12), sowie Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3), 219–226. 33  Für Matthäus untersucht dies Oppong-Kumi, Sets (s. Anm. 12), zusammenfassend 367– 376. 34 Mk 4,2.10.11.13[2x].30.33.34; sonst noch Mk 3,23; 7,17; 12,1.12; 13,28. Bei Matthäus 13,3.​ 10.​13.​18.24.31.33.34.35.36.53; sonst 15,15; 21,33.45; 22,1; 24,32. Zur Verwendung des Begriffs bei Markus vgl. Dormeyer, Einleitung (s. Anm. 10), 257 f; zu Matthäus vgl. Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3), 74–81.

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(Mk 4,33–34; Mt 13,34–35). Die Frage nach der Textsorte verquickt sich mit der Tatsache, dass Jesus in den Reden Deutungen einiger Gleichnissen vornimmt (Mk 4,13–20; Mt 13,18–23.36–43.49–50), die in dieser Form sonst nirgends in den beiden Evangelien noch einmal zu finden sind. Die Interpretation der Texte ist in den Details ebenso schwierig wie umstritten. Schon die verschiedenen Elemente innerhalb Mk 4 und Mt 13 jeweils konsistent zu interpretieren, erweist sich als Herausforderung: Ist es beispielsweise den Jüngern gegeben, die Geheimnisse der Gottesherrschaft zu erkennen (Mt 13,11), weil Jesus ihnen die Gleichnisse erklärt? Jesus deutet aber keineswegs alle Gleichnisse der Rede, von denen im übrigen Evangelium ganz zu schweigen. Oder haben beiden Elemente nichts miteinander zu tun? Ob die Aussagen das Verständnis der Gleichnisse innerhalb des jeweiligen Evangeliums beschreiben, ist noch weniger evident: Wie soll man etwa die Aussage, Jesus rede nicht ohne Gleichnisse zu ihnen (Mk 4,34) mit der Tatsache zusammenbringen, dass Jesus im Markusevangelium auch nach Kapitel 4 sehr wohl anders mit den Menschen redet, als ihnen Gleichnisse zu erzählen. Ohne die Texte hier im Einzelnen diskutieren zu können,35 seien aber doch drei Richtungen notiert, in die eine Antwort gesucht werden kann, um zu verstehen, weshalb Jesus Gleichnisse erzählt: (1) Die Gleichnisform könnte mit dem Thema der Gleichnisse zusammenhängen, die nämlich vom Reich Gottes erzählen (Mk 4,11; Mt 13,11; vgl. auch die Offenbarungsterminologie in Mk 4,21–25; Mt 13,35). Dem entsprechen in den Evangelien jene Gleichniseinleitungen, die das Reich Gottes bzw. das Himmelreich als Thema der Gleichnisse nennen (Mt 13,24.31.33.44.45.47; 18,23; 20,1; 22,2; 25,1; Mk 4,26.30; Lk 13,18.19.21; vgl. Mt 13,52; 25,13; Lk 14,15; 19,11). Vor allem im Matthäusevangelium ist der Gedanke, die Basileia sei Thema der Gleichnisse, auf diese Weise fest verankert.36 (2) Die Gleichnisform könnte mit einer Unterscheidung von zwei Hörergruppen zusammenhängen: den Jüngern Jesu, die verstehen, und den Übrigen, die nicht oder eingeschränkt verstehen oder durch die Gleichnisse verstockt

35 Vgl. neben den Kommentaren J. Gnilka, Die Verstockung Israels. Isaias 6,9–10 in der Theologie der Synoptiker (StANT 3), München 1961; C. A.  Evans, To See and Not Perceive. Isaiah 6.9–10 in Early Jewish and Christian Interpretation (JSOT.S 64), Sheffield 1989; V. A.  Lehnert, Die Provokation Israels. Die paradoxe Funktion von Jes 6,9–10 bei Markus und Lukas. Ein textpragmatischer Versuch im Kontext gegenwärtiger Rezeptionsästhetik und Lesetheorie (NThDH 25), Neukirchen-Vluyn 1999; A. J.  Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids/Cambridge 2000, 453–467; E. E.  Popkes, ‚Das Mysterion der Botschaft Jesu‘. Beobachtungen zur synoptischen Parabeltheorie und ihren Analogien im Johannesevangelium und Thomasevangelium, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 294–320; speziell zu Mk: H. Räisänen, Die Parabeltheorie im Markusevangelium (SESJ 26), Helsinki 1973; speziell zu Mt: Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3), 85–128; Oppong-Kumi, Sets (s. Anm. 12), 37–68. 36  Zu den Himmelreich-Einleitungen des Matthäusevangeliums als Themenangabe und Gattungssignal vgl. Münch, Gleichnisse (s. Anm. 3), 144–150.

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werden (Mk 4,11–12.33–34; Mt 13,11–17; vgl. Mt 13,34–36 mit 51; auch Lk 8,9– 10). Innerhalb der Evangelien scheint dies einerseits kaum allgemein gültig zu sein. Die Verwendung von Gleichnissen in Gesprächssituationen oder Reden (s. o.), in denen keineswegs nur Jünger die Adressaten sind, scheint doch gerade darauf zu bauen, dass sie verstanden werden. Andererseits ist daran zu erinnern, dass kaum Wirkungen der Gleichnisse erzählt werden. (3) Die Gleichnisform könnte mit ihrem Sprecher Jesus zusammenhängen, der ihr Verstehen erst ermöglicht und erschließt. Die Gleichnisse sind nur von ihm her zu verstehen. Zunächst kann man hier die genannten expliziten Gleichnisdeutungen in der Gleichnisrede denken, die Jesus vornimmt (vgl. Mk 4,10.34; Mt 13,18.36; Lk 8,9). Auch wenn sich dieses Deuten außerhalb der Rede nicht in gleicher Weise fortsetzt, finden sich in den Evangelien sehr wohl auch sonst Deutehilfen und ‑hinweise Jesu. Zumindest Matthäus scheint jedoch weiter zu denken: Die Seligpreisung der Jünger Jesu, die hören und sehen (Mt 13,16), dürfte sich kaum allein auf die expliziten Gleichnisdeutungen beziehen, sondern auf das Wirken Jesu insgesamt, dessen Zeugen sie sind: „Denn, amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich gesehnt, zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.“ (Mt 13,17; vgl. 13,35). 3. „Allegorische“ Gleichnisse Das Winzergleichnis in Mk 12,1–12 folgt auf die unbeantwortet gebliebene Frage nach der Vollmacht Jesu (Mk 11,27–33). In der Regel wird das Gleichnis so gedeutet, dass Jesus darin seine eigene Sendung und Vollmacht formuliert (geliebter Sohn, letzter bevollmächtigter Bote) und zugleich seine Ablehnung und Tötung durch die, die ihn fragen, sowie seine Auferweckung durch Gott vorhersagt. Matthäus hat seine Quelle offenbar zu einer Gleichnistrias ausgebaut, die in den durch die Gleichnisse angesprochenen Ereignisbogen den Täufer Johannes einbezieht (Mt 21,28–32) und die Zukunftsschau bis in die Gegenwart der Gemeinde ausdehnt (Mt 22,1–14). Der Bräutigam im Gleichnis von den Jungfrauen spricht dieselben Worte wie Jesus: „Amen, ich sage euch“ und „Ich kenne euch nicht“ (Mt 25,12 mit 5,18; 6,2.5.16 u. ö. bzw. 7,23) und wird auf den wiederkommenden Menschensohn hin transparent, von dem der Kontext spricht (Mt 24,29–31; 25,31–46). In der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen heißt es ausdrücklich: „Der, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn.“ (Mt 13,37) Der Erzählfaden um die Königswürde des Mannes, der außer Landes reist, im lukanischen Gleichnis vom anvertrauten Geld (Lk 19,12–27) spielt für die Hauptgeschichte um anvertrautes Geld und den Umgang damit keine Rolle. Er wird besser verständlich, wenn man das Gleichnis als Geschichte über Jesus liest. Es liefert dann eine Prophetie und Deutung des Geschicks Jesu als Reaktion auf die Ansicht einiger, die meinen, weil Jesus

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jetzt Jerusalem nahe sei, würde das Reich Gottes sofort erscheinen. Jesus selbst erscheint in all diesen Gleichnissen nicht nur als Erzähler, sondern zugleich (verdeckt) als Figur im Gleichnis selbst.37 Eine zweite Gruppe von Gleichnissen sei dem zur Seite gestellt: In Lk 13,22– 30 erzählt Jesus den Jüngern die Geschichte von einem Hausherrn, der seine Tür verschließt, sodass die Jünger draußen vor der Tür stehen. Sie bitten eingelassen zu werden, doch der Hausherr weigert sich. Die Jünger selbst sind also Akteure der Geschichte. Diese spielt nicht in der Vergangenheit, sondern ist im Präsenz und Futur gehalten und erscheint insgesamt als ein zukünftiges Geschehen. Die Szenerie (Hausherr, verschlossene Tür) erinnert an andere Gleichnisse, vor allem an Mt 25,1–13. Die Geschichte steht aufgrund dieser Merkmale am Übergang von einem Gleichnis zu einer prophetischen Erzählung. Dass die angeredeten Jünger selbst zu Figuren des Gleichnisses werden, geschieht in kleinerem Umfang auch in Mk 13,35–36; Mt 9,37–38 par Lk 10,2–3; Mt 25,31–32. In allen Texten dürfte zudem auch Jesus selbst im Gleichnis vorkommen: als Hausherr, Herr der Ernte oder König. Die genannten Gleichnisse sind nicht einfach dasselbe, als wenn z. B. am Ende eines Kriminalromans der Detektiv erzählend das Verbrechen rekonstruiert, das Ausgangspunkt und bestimmendes Thema des Romans war, oder der Täter ein Geständnis ablegt. In gewisser Weise erzählen jedoch auch die genannten Gleichnisse die Vor‑ und/oder Nachgeschichte zur aktuellen Situation des Evangeliums, um diese Situation einzuordnen und zu erschließen. In diesem Sinne sind sie konsekutiv-kausal mit der rahmenden Evangelienerzählung verbunden. Auch die dritte Beziehung metadiegetischer Erzählungen, die Genette beschreibt, kommt also unter den Gleichnissen Jesu vor. Zugleich bedeutet das Beobachtete im Sinne der Genetteschen Analyse eine Verschiebung der Stellung des Erzählers zum Erzählten.38 In vielen Fällen des 37 Diese Sicht, Jesus selbst komme in den Gleichnissen vor, ist nicht unumstritten. Vor allem das letztgenannte lukanische Gleichnis ist schwer zu deuten hinsichtlich der Frage, inwieweit hier Verknüpfungen mit gegenwärtigen und zukünftigen Ereignissen (Einzug Jesu nach Jerusalem, Zerstörung Jerusalems, Parusie) herzustellen sind. Aber auch Verfechter einer zurückhaltenden Deutung (Denaux, Thurén) sehen Bezüge zu Jesus bzw. dem kommenden Menschensohn; vgl. zur Deutung z. B. U. Busse, Dechiffrierung eines lukanischen Schlüsseltextes (Lk 19,11–27), in: R. Hoppe/U. Busse (Hg.), Von Jesus zum Christus. Christologische Studien. FS Paul Hoffmann (BZNW 93), Berlin/New York 1998, 423–441; A. Denaux, The parable of the kingjudge (Lk 19,12–28) and its relation to the entry story (Lk 19,29–44), ZNW 93 (2002), 35–57; H. Klein, Das Lukasevangelium (KEK I/3), Göttingen 2006, 607–611; U. Metternich, Das Gleichnis vom dem, der sich weigerte mit den Pfunden des Königs zu wuchern. Lukas 19,11–28, in: M. Crüsemann/C. Janssen (Hg.), Gott ist anders. Gleichnisse neu gelesen auf der Basis der Auslegung von Luise Schottroff, Gütersloh 2014, 83–95. Programmatisch skeptisch gegenüber solchen christologischen (und theologischen) Deutungen auch auf der Ebene der Evangelien ist z. B. L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005. 38 Vgl. Genette, Erzählung (s. Anm. 6), 158–159; Martínez/Scheffel, Einführung (s. Anm. 4), 80–84.

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Erzählens ist der Erzähler am von ihm erzählten Geschehen selbst nicht beteiligt. Genette nennt dies eine heterodiegetische Erzählung. Wenn er beteiligt ist (sog. homodiegetische Erzählungen), unterscheidet die Narratologie verschiedene Grade der Beteiligung. Man denke nur an Autobiographien, Ich-Erzählungen durch eine Hauptfigur (wie oft bei Karl May) oder solche durch eine Nebenfigur (wie z. B. Dr. Watson in Conan Doyles Sherlock-Holmes-Geschichten). Die synoptischen Gleichnisse sind zunächst durchweg heterodiegetische Erzählungen: Sie sind keine Ich-Erzählungen. Es erzählt nicht die Frau, die Sauerteig bereitet, oder der Hirt, der das Schaf sucht, sondern Jesus. Zwar gibt es Ähnlichkeiten zwischen Jesus und dem Hirten, aber narratologisch betrachtet ist Jesus nicht selbst der Hirt. Die grundsätzlich heterodiegetische Erzählhaltung wird jedoch manchmal unterlaufen. Jesus erzählt vordergründig über Dritte, es gibt aber wie beschrieben Signale, dass er selbst in der Geschichte vorkommt: Gleichnisfiguren reden wie er oder werden wie er benannt. Eine Geschichte erscheint sinnvoller, wenn unterstellt wird, sie handle von Jesus selbst. Die Übergänge von Analogie zu Identifikation verschwimmen. Narratologisch betrachtet steht damit die Frage im Raum, ob die Leserinnen und Leser die Geschichte als heterodiegetische oder homodiegetische Erzählung betrachten sollen. Zu beachten ist dabei, dass eigentlich nur die Leserinnen und Leser des Evangeliums, die Späteren, die auf das Leben Jesu zurückblicken, nicht aber die erzählten Adressaten im Evangelium eine Chance haben, die homodiegetische Erzählsituation zu erkennen und entschlüsseln. Konsequenz der skizzierten Verschiebung in der Erzählstimme ist zudem, dass die erzählte Geschichte nun nicht mehr in vollem Sinne fiktional ist, wie dies für ein Gleichnis in der Regel gilt. Mithilfe dieser Überlegungen lässt sich ein Licht auf das werfen, was unter Allegorisierung und allegorischer Deutung von Gleichnissen verhandelt wird.39 Einerseits werden diese in der Forschung zutreffend als Phänomene beschrieben, die auf gedeuteten Einzelelementen in den Gleichniserzählungen beruhen. Dabei spielen z. B. geprägte Metaphern eine wesentliche Rolle. Diese Beschreibung kann aus narratologischer Sicht ergänzt werden: Narratologisch betrachtet geht die allegorische Deutung neutestamentlicher Gleichnisse zugleich mit einer bedeutenden Verschiebung bei der erzählenden Stimme einher. Eine Gleichniserzählung allegorisch zu deuten impliziert, sie in ein kausal-konsekutives Verhältnis zur Rahmenerzählung zu setzen statt in ein thematisches; eine Gleichniserzählung allegorisch zu deuten, heißt, sie als homodiegetische Erzählung zu betrachten: Der Erzähler Jesus und mit ihm weitere Personen samt ihrer Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sind Teil der erzählten Geschichte des Gleichnisses, nicht nur ihr ähnlich. 39   Vgl. v. a. H. J.  Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTA. NF 13), Münster 21986 (1976); K. Erlemann, Allegorie, Allegorese, Allegorisierung, in: Zimmermann, Hermeneutik (s. Anm. 1), 482–493.

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Insgesamt gelingt es also, verschiedene Aspekte der Gestalt und der kontextuellen Einbindung der Gleichnisse Jesu in den Evangelien mithilfe der Kategorie einer metadiegetischen Erzählung zu erfassen, zu beschreiben und zu erschließen. Für die drei synoptischen Evangelien zeigt sich dabei durchaus ein differenziertes Bild, das auf Unterschiede im jeweiligen Gleichnisverständnis hinweist. Mit den letzten Überlegungen zu hetero‑ und homodiegetischen Erzählungen kommen zudem Jesus als Gleichniserzähler und seine Beziehung zur Gleichniserzählung in den Blick.

III. Jesus als Erzähler der Gleichnisse Dem Erzähler einer Geschichte und seiner Funktion gelten bei Genette weitere Überlegungen unter der Kategorie „Stimme“.40 Er hat zunächst eine Funktion im Hinblick auf die Geschichte, die er erzählt: Er ist der, der die Erzählung quasi in die Welt setzt (narrative Funktion). Ohne ihn gäbe es die Geschichte nicht. Wie genau der Gleichniserzähler Jesus in den Evangelien die narrative Funktion erfüllt und die Möglichkeiten, die metadiegetisches Erzählen bietet, nutzt, war Gegenstand der Untersuchung und bildete ihr Grundgerüst. Charakteristische Erzählsituationen und ‑funktionen wurden dabei sichtbar und die Evangelien zeigten durchaus ein je eigenes, spezifisches Profil: Mit Gleichnissen rechtfertigt sich Jesus gegenüber Anfragen und Kritik (Mk und Parallelen). Gleichnisse werden von Jesus in Gesprächssituationen als Mittel der Belehrungen oder zur Unterstützung von Mahnungen verwendet. Die Anlässe zu solchen Gesprächen können vielfältig sein, oft steht das Handeln der Gesprächspartner im Vordergrund. Die Gleichnisse bieten dann vielfach Handlungsmodelle an, an denen die Adressaten ihr eigenes Handeln messen und ausrichten können (v. a. Lk). Auch in seinen Reden kann Jesus Gleichnisse zur Unterstützung und Plausibilisierung von Mahnungen oder anderer Lernprozesse verwenden. Wieder präsentieren sie hier zum Teil Handlungsmodelle (v. a. Mt). Schließlich können Gleichnisse von Jesus als tragende Form der Rede verwendet werden, aus sich heraus und für sich allein sprechen, ja mehr noch sich auch gegenseitig erhellen und ergänzen. Gleichnisse erscheinen als eigenes Corpus innerhalb der Jesusüberlieferung (alle Evangelien, besonders Mk und Mt). Gerade diese Verwendung gibt in den Evangelien Anlass zur Reflexion über die Gleichnisse (v. a. Mk und Mt). Meistens stehen Jesu Gleichnisse in den Evangelien, was zu erwarten ist, in einer thematisch-funktionalen Beziehung zu ihrem literarischen Kontext. Das Spektrum ist aber durchaus erweitert. Zum einen löst sich bei der Verwendung von Gleichnissen als tragender Redeform die Kontextbindung. Zum anderen 40 Vgl. Genette, Erzählung (s. Anm. 6), 166–167; Martínez/Scheffel, Einführung (s. Anm. 4), 84–89.

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sind bei einigen Gleichnissen Veränderungen der Erzählstimme zu beobachten, sodass die Beziehung zwischen Gleichnis und umgebender Erzählung unklarer wird, z. B. in der Frage, ob Jesus hier homo‑ oder heterodiegetisch erzählt oder ob die Ereignisse fiktiv sind oder nicht. Kraft der narrativen Funktion erzeugt der Erzähler Jesus ein Bild davon, was seine Gleichnisse sind und tun. Es gibt nicht die eine Verwendung der Gleichnisse in den synoptischen Evangelien. Es zeigt sich vielmehr ein vielfältiger, aber nicht beliebiger, sondern profilierter Befund. Genette weist darauf hin, dass es bei der zentralen und fundamentalen narrativen Funktion nicht bleibt, sondern der Erzähler weitere Funktionen erfüllt, unter anderem eine Kommunikationsfunktion. Unter Kommunikationsfunktion wird ins Auge gefasst, dass der Erzähler seine Geschichte in der Regel jemandem erzählt, wobei dieser jemand unterschiedlich klar konturiert sein kann. Der Erzähler ist für den Kontakt zu diesem Adressaten verantwortlich. Bei metadiegetischen Erzählungen werden der oder die Adressaten oft explizit genannt, sind selbst Figuren der Erzählung. Genette formuliert die Regel, dass die Adressaten auf derselben erzählerischen Ebene liegen wie der Erzähler. Die erzählerische Instanz eines Romans spricht die Leser an, ein Erzähler innerhalb eines Romans erzählt seine Geschichte anderen Figuren des Romans usw. Eine Figur des Romans spricht normalerweise nicht direkt die Leser an, der Erzähler eines Romans nicht Figuren aus dem Roman. Für die Gleichnisse gilt dies zunächst auch: Sie sind an Jünger oder andere Adressaten gerichtet, die wie Jesus Figuren innerhalb des Evangeliums sind. Freilich ist zu fragen, welche narratologische Funktion dieser Adressierung und den Adressaten zukommt. Die Gleichnisse haben in den erzählten Szenen oft gar keine erkennbare Wirkung bzw. diese Wirkung wird nicht mehr erzählt. Die Gleichnisse bleiben auf eigentümliche Weise ohne Funktion für die Handlung des Evangeliums, selbst dort, wo sie vermeintlich auf eine erzählte Situation reagieren. Auch für die großen Reden Jesu im Matthäusevangelium, in denen Gleichnisse vorkommen, entsteht der Eindruck, sie zielten gar nicht wirklich auf die erzählte Situation, sondern seien „zum Fenster hinaus“ gesprochen. Schließlich ist auch zu fragen, wer denn eigentlich verstehen kann und soll, dass Jesus in einigen Gleichnissen von sich selbst spricht. In allen Fällen zielt die Adressierung der Gleichnisse mehr oder weniger stark auf die Leserinnen und Leser des Evangeliums als die eigentlichen Adressaten der Gleichnisse. Jesus spricht viel stärker auch zu ihnen, als dies den Grundregeln des Erzählens nach zu erwarten wäre. Der Erzähler einer Geschichte bezieht nach Genette diese im Erzählen allerdings nicht nur auf seine Adressaten, sondern auch auf sich selbst. Er ist verantwortlich für das Erzählen und die erzählte Geschichte. Er hat eine bestimmte Motivation zu erzählen, die er vielleicht offenlegt, erhebt einen bestimmten Anspruch auf Präzision, Richtigkeit, Sinn oder Wahrheit des Erzählten. Er kann Deutehinweise oder Kommentare zum Erzählten abgeben, um autoritativ den

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Sinn des Erzählten abzusichern. Teilweise bleibt diese Funktion implizit, sie ist gegeben, ohne über den Akt des Erzählens hinaus narrativ sichtbar zu werden. Im Falle der Gleichnisse wird sie jedoch relativ häufig explizit sichtbar. Jesus als Gleichniserzähler steht für den Sinn und die Relevanz des von ihm Erzählten ein. Deshalb versieht er die Erzählungen auf verschiedenen Ebenen mit Deutehinweisen. Er weist auf die besondere Sprachform hin. Er nennt in Gleichniseinleitungen und ‑formeln das Thema, um das es geht. Er fügt an die Gleichnisse verschiedene Formen von Schlüssen und Anwendungen an, um die Sinnbildung abzusichern. Er nimmt in einzelnen Fällen explizite Deutungen vor. Er erzählt – verdeckt, aber für die Leser erkennbar – von sich selbst und von der Zukunft der Adressaten und steht für die Wahrheit des Erzählten ein. All das ist Teil der Erzählerfunktion und erwächst aus der Tatsache, dass durch den Akt des Erzählens auch Jesus selbst sich in ein Verhältnis zur Geschichte begibt, die er erzählt, und damit Verantwortung für sie übernimmt. In den Evangelien ist der Gleichniserzähler Jesus unlösbar mit den Gleichnissen verbunden: Seine Stimme lässt sie in der erzählten Welt laut werden und richtet sie an Adressaten, darunter auch die Leserinnen und Leser des Evangeliums. Er übernimmt damit Verantwortung für Sinn, Relevanz und Wahrheit des Erzählten. Unvermeidlich sind die Gleichnisse der Evangelien nicht einfach nur Gleichnisse, sondern Gleichnisse Jesu. Dies vermag ein narratologischer, an Genette orientierter Zugang zu den Gleichnissen in den Evangelien, der sie als metadiegetische Erzählungen beschreibt, in besonderer Weise sichtbar und plausibel zu machen.

Paroimische Rede im Johannesevangelium Beobachtungen an der Grenze Friederike Kunath Abstract: This contribution is a search for the use and meaning of similes or, broadly formulated, of Paroimic speech in the Gospel of John. The use of παροιμία in John 10:6 and most of all in John 16:25–29 forms the core and starting point of three research steps. First of all, the use of παροιμία in these two passages is examined. John 16:25 actually formulates what John’s Jesus does: He speaks with his Paroimiai only cautiously, and rarely about God. The Paroimiai have a different focus, namely the relationship between Jesus and the believers. The Paroimia speech in John is thus an earthly, pre-Easter proclamation of Jesus par excellence. The occurrence of Paroimic speech is thus tied to the fact that the “hour” of Jesus has not yet come. Second, the question of the “future proclamation of the Father in openness” proves to be the key, because it forms the counterpart to Jesus’ speech as παροιμία. Paroimiai are Jesus’ documented speech in contrast to this future discourse. Third, a further point arises, namely the lack of comparative formulas in the Paroimiai. Comparisons are often found outside the Paroimiai and have a distinct theological profile. They aim at the imitation of the Father and Jesus. Paroimic speech and the comparisons each aim at an illumination of the events of faith. God “in itself”, on the other hand, is not the aim of the statements. Ultimately for John, Jesus alone is the “parable” of God.

I. Einleitung Einerseits gilt Joh als das Evangelium der Bilder, voll bildhafter Sprache, die viel weiter ausgreift als die Gleichnisse in den synoptischen Evangelien.1 Die gleichnishafte Rede ist gegenüber den Synoptikern offenbar ausgeweitet. Andererseits enthält das Joh weder das typische Vokabular noch die entsprechenden, aus den Synoptikern bekannten Stoffe: παραβολή kommt kein einziges Mal vor und auch die typischen Einleitungswendungen, die das Gottesreich mit dem Gleichnis mithilfe einer Vergleichspartikel (ὡς) verbinden und die Welt des Gleichnisses durchsichtig machen für die zu vermittelnde Wirklichkeit 1  Vgl. exemplarisch R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums unter besonderer Berücksichtigung von Joh 10 (WUNT 171), Tübingen 2004.

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Gottes, diese Wendungen kommen nicht vor. Insofern scheint parabolische oder paroimische2 Rede bei Joh gegenüber den Synoptikern reduziert zu sein. Wie groß die Distanz zwischen Johannes und den drei Synoptikern tatsächlich ist, darüber herrscht keine Einigkeit. Mit dem Kompendium der Gleichnisse Jesu3 hatte Ruben Zimmermann einen Entwurf vorgelegt, in dem Joh gemeinsam mit der Logienquelle, den synoptischen Evangelien, dem Thomasevangelium und den Agrapha mithilfe desselben Parabelbegriffs analysiert und auch im vierten Evangelium eine zählbare Reihe an Parabeln Jesu definiert wird.4 Es wird sich zeigen, dass die Grenzen zur übrigen Sprache des johanneischen Jesus, wie sie im vierten Evangelium geformt wird, verschwimmen. Dagegen wird παροιμία in ein explizites Kontrastverhältnis zu einer ganz anderen, nicht dokumentierten Art der Verkündigung gestellt, nämlich der nachösterlichen Verkündigung des Auferstandenen. Das Bedeutungsgefüge, in dem die παροιμίαι Jesu bei Joh stehen, ist also ganz anders als bei den Synoptikern bestimmt. Der folgende Beitrag sucht präzise Beobachtungen entlang der Grenzen paroimischer Rede im Johannesevangelium zu machen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu wird vom Naheliegenden ausgegangen  – dem Gebrauch des Lexems παροιμία (II.)  – und anschließend auf zwei Bereiche vertiefend eingegangen: Die Frage nach Gott als Vater in der Rede des johanneischen Jesus (III.) und das Verhältnis zwischen Paroimia und Vergleich im Joh (IV.). Ein Fazit bündelt die Ergebnisse (V.).

2 Im JohEv kommt, wie gesagt, das Wort παραβολή nicht vor, dafür das Synonym παροιμία. Um diesen sprachlichen Unterschied sichtbar zu machen, ist in diesem Beitrag bezogen auf das JohEv stets von Paroimiai bzw. von paroimischer Sprache die Rede. 3 R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007. 4  Vgl. zur Definition des Parabelbegriffs mithilfe eines Bündels aus sechs Merkmalen ausführlich R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in ‚Bildworte‘, ‚Gleichnis‘, ‚Parabel‘ und ‚Beispielerzählung‘, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 383–419. Der vorliegende Beitrag hat die Freiheit, sich ganz auf das JohEv konzentrieren zu können, und kommt von daher zu einer offeneren und weniger klaren Einschätzung von Paroimiai im vierten Evangelium. Die Liste der 18 im Kompendium besprochenen johanneischen „Parabeln“ ist vom Text des JohEv her m. E. nicht erschließbar. Zu wenig vom Kontext abgegrenzt wirken einige Texte, zu wenig markant die Redeweise im Vergleich zur sonstigen. Weder kann παροιμία bei Joh als Gattungsbezeichnung verstanden werden, noch sind klare Grenzen um eine bestimmte Textgruppe „Parabeln“ o.ä. zu erkennen. In diesem Beitrag wird versucht, über den Gebrauch des Wortes παροιμία gewisse Merkmale paroimischer Texte und paroimischer Sprache zu erschließen und von dorther einige weitere Abschnitte in den Blick zu nehmen. Dies ist jedoch nicht i. S. einer Gattungsdefinition zu verstehen und die besprochenen Texte stellen in keiner Weise eine vollständige Liste dieser im JohEv vorkommenden Redeweise dar.

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II. Paroimia in Joh 1. Joh 10,6: Paroimia und die Ich-bin-Worte Die Verwendung von παροιμία stellt sicheren Boden für das vorliegende Thema dar. Das Wort kommt viermal im Joh-Ev vor, die erste Stelle ist Joh 10,6. Dieser Vers bezieht sich zurück auf die Jesusrede Joh 10,1–5 und bildet einen Metakommentar des Erzählers über diese Rede. Im nachfolgenden V. 7 wird dann die Rede Jesu fortgeführt, beginnend mit „Amen Amen, ich sage euch“, parallel zum Beginn in V. 1. Das Thema in 10,1–5 sind bestimmte Verhältnisse rund um Schafhaltung, den Hirten und diverse Gefahren für die Schafe, und dieses Thema wird in 10,7 fortgeführt. Joh 10,7 Ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ὁ μὴ

εἰσερχόμενος διὰ τῆς θύρας εἰς τὴν αὐλὴν τῶν προβάτων ἀλλ᾽ ἀναβαίνων ἀλλαχόθεν ἐκεῖνος κλέπτης ἐστὶν καὶ λῃστής· 2 ὁ δὲ εἰσερχόμενος διὰ τῆς θύρας ποιμήν ἐστιν τῶν προβάτων. 3 τούτῳ ὁ θυρωρὸς ἀνοίγει καὶ τὰ πρόβατα τῆς φωνῆς αὐτοῦ ἀκούει καὶ τὰ ἴδια πρόβατα φωνεῖ κατ᾽ ὄνομα καὶ ἐξάγει αὐτά. 4 ὅταν τὰ ἴδια πάντα ἐκβάλῃ, ἔμπροσθεν αὐτῶν πορεύεται καὶ τὰ πρόβατα αὐτῷ ἀκολουθεῖ, ὅτι οἴδασιν τὴν φωνὴν αὐτοῦ· 5 ἀλλοτρίῳ δὲ οὐ μὴ ἀκολουθήσουσιν, ἀλλὰ φεύξονται ἀπ᾽ αὐτοῦ, ὅτι οὐκ οἴδασιν τῶν ἀλλοτρίων τὴν φωνήν. 6 Ταύτην τὴν παροιμίαν εἶπεν αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς, ἐκεῖνοι δὲ οὐκ ἔγνωσαν τίνα ἦν ἃ ἐλάλει αὐτοῖς. 7 Εἶπεν οὖν πάλιν ὁ Ἰησοῦς· ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι ἐγώ εἰμι ἡ θύρα τῶν προβάτων.

Amen Amen ich sage euch, der nicht hineingeht durch die Tür in den Hof der Schafe, sondern hinaufsteigt von anderswoher, jener ist ein Dieb und ein Räuber. 2 Der aber hineingeht durch die Tür, er ist Hirt der Schafe. 3 Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme, und die eigenen Schafe ruft er nach Namen und führt sie hinaus. 4 Wenn er die eigenen alle hinaustrieb, geht er vor ihnen, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen; einem Fremden aber werden sie sicher nicht folgen, sondern werden von ihm fliehen, weil sie nicht des Fremden Stimme kennen. 6 Diese Paroimia sprach zu ihnen Jesus, jene aber wussten nicht, was es war, was er redete zu ihnen. 7 Da redete Jesus wieder: Amen Amen, ich sage euch: Ich bin die Tür der Schafe. …

In 10,6 wird die Jesusrede aus 10,1–5 als παροιμία bezeichnet und sogleich angefügt, dass die Hörenden nicht verstanden, was Jesus ihnen damit sagte oder worüber er eigentlich redete. Es ist anzunehmen, dass nicht gemeint ist, die Hörenden könnten mit dem Erzählten nichts anfangen. Jesu Schilderung der Situation von Schafen, Hirt und Räubern ist in sich plausibel. Die nachvollziehbare Schwierigkeit der Hörenden dürfte darin bestehen, die Intention Jesu zu erkennen. Warum redet er über dieses Thema? Was will er ihnen damit eigentlich sagen? Es fehlt gewissermaßen ein Kontext für die Schafrede, die ohne einen solchen rätselhaft und unverständlich bleibt. Verfolgt man diese Spur weiter, so stellt sich 10,7 ff. als Klärung dieses Rätsels dar: Nun hält Jesus fest, dass er selbst der Hirte der Schafe sei. Das Ich-bin-

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Wort schafft eine Verbindung zwischen der Thematik von Joh 10,1–5 und dem Redenden, Jesus, sowie den Hörenden, die sich im Folgenden in den Schafen wiedererkennen können. Die Schafrede erhält somit einen Kontext und die Frage, worum es eigentlich geht, wird beantwortet: Es geht um die Hörenden selbst und ihr Verhältnis zu Jesus und zu anderen Autoritäten. Diese Beobachtung zur Einbettung von παροιμία in die bildhafte Rede von Joh 10 erbringt ein erstes, aufschlussreiches Ergebnis: παροιμία ist hier nicht identisch mit dem Ich-bin-Wort in 10,7. Im Gegenteil, das Ich-bin-Wort steht der παροιμία sogar gegenüber. Denn es löst die Frage nach der Referenz der Schafrede auf und beantwortet sie. παροιμία ist somit auch nicht identisch mit bildhafter oder metaphorischer Rede. Denn diese setzt sich ab 10,7 fort. Was deutlich wird, ist der παροιμία-Charakter von 10,1–5. Plausibel ist zudem, dass 10,7 ff. gegenüber 10,1–5 eine gewisse Enträtselung und Auflösung darstellt und somit gerade das zentrale Merkmal der παροιμία nicht erfüllt, nämlich unverständliche Rede ohne klaren Bezug zum Redenden und seinen Adressaten zu sein. παροιμία ist also rätselhafte Rede, die mithilfe von Ich-bin-Worten enträtselt wird und diesen somit gegenübersteht. 2. Paroimia in Joh 16,25–29 Weitere drei Mal kommt παροιμία im Abschnitt Joh 16,25–29 vor. Während in Joh 10,6 der Erzähler die vorangegangene Jesusrede mit dem Begriff παροιμία charakterisiert hatte, sind es nun Jesus selbst und die antwortenden Jünger, die das Wort verwenden. Schauen wir den Abschnitt genauer an: 16,25 Dies habe ich in Paroimiai zu euch geredet. Es kommt die Stunde, in der ich nicht mehr in Paroimiai zu euch sprechen werde, sondern in Offenheit über den Vater euch verkündigen werde. 26 An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten und ich sage nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde. 27 Er selbst nämlich, der Vater, liebt euch, denn ihr habt mich geliebt und geglaubt, dass ich vom Vater hergekommen bin. 28 Ich bin hergekommen vom Vater und gekommen in die Welt. Wieder verlasse ich die Welt und gehe hin zum Vater. 29 Sagen seine Jünger: Siehe, nun redest du 29 Λέγουσιν οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ· ἴδε νῦν ἐν παρρησίᾳ λαλεῖς καὶ παροιμίαν οὐδεμίαν λέγεις. in Offenheit und nicht mehr in Paroimiai. 30 νῦν οἴδαμεν ὅτι οἶδας πάντα καὶ οὐ χρείαν 30 Nun wissen wir, dass du alles weißt und ἔχεις ἵνα τίς σε ἐρωτᾷ· ἐν τούτῳ πιστεύομεν ὅτι nicht brauchst, dass man dich fragt: desἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθες. 31ἀπεκρίθη αὐτοῖς Ἰησοῦς· halb glauben wir, dass du von Gott hergeἄρτι πιστεύετε; 32 ἰδοὺ ἔρχεται ὥρα καὶ kommen bist. 31 Antwortete ihnen Jesus: 16,25 Ταῦτα ἐν παροιμίαις λελάληκα ὑμῖν·

ἔρχεται ὥρα ὅτε οὐκέτι ἐν παροιμίαις λαλήσω ὑμῖν, ἀλλὰ παρρησίᾳ περὶ τοῦ πατρὸς ἀπαγγελῶ ὑμῖν. 26 ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ ἐν τῷ ὀνόματί μου αἰτήσεσθε, καὶ οὐ λέγω ὑμῖν ὅτι ἐγὼ ἐρωτήσω τὸν πατέρα περὶ ὑμῶν· 27 αὐτὸς γὰρ ὁ πατὴρ φιλεῖ ὑμᾶς, ὅτι ὑμεῖς ἐμὲ πεφιλήκατε καὶ πεπιστεύκατε ὅτι ἐγὼ παρὰ [τοῦ] θεοῦ ἐξῆλθον. 28 ἐξῆλθον παρὰ τοῦ πατρὸς καὶ ἐλήλυθα εἰς τὸν κόσμον· πάλιν ἀφίημι τὸν κόσμον καὶ πορεύομαι πρὸς τὸν πατέρα.

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ἐλήλυθεν ἵνα σκορπισθῆτε ἕκαστος εἰς τὰ ἴδια κἀμὲ μόνον ἀφῆτε·

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Jetzt glaubt ihr? 32 Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine und mich allein zurücklasst. …

Joh 16,25 setzt neu an und interpretiert das Vorangegangene: „Dies habe ich zu euch in Paroimiai geredet“. Es ist nicht eindeutig, worauf sich Ταῦτα bezieht. Die Wendung Ταῦτα λελάληκα ὑμῖν kommt innerhalb von Joh 13,31–16,33 mehrfach vor (Joh 14,25; 15,11; 16,1.4.6.33). Es scheint jeweils der Abschluss eines längeren vorangegangenen Redeabschnitts eingeleitet zu werden: Joh 14,25 läutet den Abschluss der ersten Abschiedsrede Joh 13,31–14,31 ein, 15,11 bezieht sich mindestens auf 15,9 f., evtl. auch auf 15,1–10. Die Häufung der Wendung ab Joh 16,1 scheint zu signalisieren, dass nun die Abschiedsreden und letztlich die Reden Jesu insgesamt abgeschlossen werden. Bezieht sich Joh 16,25 also auf einen solchen grossen Redeabschnitt, vielleicht sogar alle zuvor geäußerten Worte Jesu?5 Diese Frage ist nicht endgültig zu beantworten. Dafür spricht, dass Joh 16,25 einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Rede Jesu während seiner irdischen Wirksamkeit und seinem Reden in der Zukunft thematisiert. Jesus würde hier also seine gesamte bisherige Verkündigung als paroimische Rede charakterisieren. Je nachdem, wann die mit ἔρχεται ὥρα angekündigte Zukunft beginnt, wäre sogar das ab Joh 16,31 folgende Reden Jesu eingeschlossen! Schwierig an dieser Deutung ist, dass dies ein völlig anderer Gebrauch von παροιμία als in Joh 10,6 ist, wo ein konkreter Abschnitt wegen seiner Deutungsbedürftigkeit gemeint war (Joh 10,1–5). Für einen ähnlichen Gebrauch wie in Joh 10,6 könnte deshalb sprechen, dass auch unmittelbar vor Joh 16,25 Aussagen Jesu vorkommen, über die die Jünger rätseln (Joh 16,17 f.). Soll vielleicht Joh 16,16, das Wort Jesu über die „kleine Weile“, in der die Jünger ihn nicht sehen werden, um ihn nach einer weiteren Weile wieder zu sehen, als παροιμία verstanden werden?6 Ein weiterer naheliegenderer Kandidat in diesem Kontext ist Joh 16,21 bzw. der Abschnitt Joh 16,20–24.7 Das Wort von der gebärenden Frau in 16,21 ist wie 10,1–5 ein in sich geschlossenes Bildwort ohne klare Referenz zur Welt der Adressaten, also mit einer ähnlich frei schwebenden Bildlichkeit. Möglicherweise ist ein doppelter Sinn intendiert: Die konkreten Paroimiai könnten paradigmatisch für die vorösterliche Rede Jesu

5  H. Thyen, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen 2005, 674 f., bezieht Joh 16,25 auf alle bis dahin geäußerten Worte Jesu. Ebenso K. Wengst, Das Johannesevangelium (ThKNT 4/2), 2., durchges. und erg. Aufl. Stuttgart 2004–2007, 168. 6  So F. Back, Gott als Vater der Jünger im Johannesevangelium (WUNT II/336), Tübingen 2012, 142. 7  Vgl. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 142, die Joh 16,16 als sicheren Bezug und Joh 16,20– 24 für möglich hält. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium (KEK IV/III), Freiburg i.Br./Basel 1971, 181 bezieht Joh 16,25 konkret auf Joh 16,16.17.21.

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stehen, insofern diese auf eine bestimmte Weise unverständlich und „deutungsbedürftig“8 ist. Wir gehen dieser Spur weiter nach. Zunächst ist ein Blick auf Joh 16,25b zu werfen. Hier wird ein Kontrast zwischen παροιμία und παρρησία und gleichzeitig zwischen Jetzt und Zukunft aufgebaut. Jesus charakterisiert im Unterschied zu seinem Reden in der Gegenwart von Joh 16 (Perfekt λελάληκα in 16,25a) eine andere Art des Redens, die zukünftig eintreten wird. Er kündigt eine Zeit an, in der er den Jüngern in Offenheit (ἐν παρρησίᾳ) vom Vater verkündigen werde.9 Das Thema dieser zu erwartenden Rede, „der Vater“, wird explizit genannt: περὶ τοῦ πατρὸς. Analog zu dieser Struktur von Joh 16,25 stehen sich auch in Joh 14,25 f. zwei Zeiten gegenüber: Die gerade zu Ende gehende Zeit der Gegenwart Jesu, in der er bestimmte Dinge redete (14,25), und demgegenüber die kommende Zeit des Parakleten, der die Jünger unterweisen und erinnern werde (14,26). Dass auch Joh 16,25 sachlich auf dieses Wirken des Parakleten abzielt, wird durch die parallele Verwendung der Verben λαλεῖν und ἀπ-/ἀναγγέλλειν in 16,25 und 16,13–15 gestützt:10 Joh 16,13.15: oὐ λαλήσει … ἀλλ’ … ἀναγγελεῖ Joh 16,25:

οὐκέτι … λαλήσω … ἀλλὰ … ἀπαγγελῶ

Die zukünftige Situation wird in Joh 16,26–28 weiter expliziert. Auch die angeredeten Jünger kommunizieren auf neue Weise in dieser Zukunft. Sie werden, so Jesus, direkt mit dem Vater sprechen, nicht mehr vermittelt durch Jesus. 16,27 begründet dies mit der Liebe des Vaters zu ihnen und ihrem Glauben an Jesus als den Gesandten des Vaters. Halten wir fest: Mit παροιμία wird in Joh 16,25 die Verkündigung des in der Erzählung auftretenden Jesus gekennzeichnet, die einer offenen Rede über den Vater in der Zukunft gegenübersteht. In dieser offenen Kommunikationssituation werden zudem auch die Jünger stehen, insofern sie direkt mit dem Vater kommunizieren werden. Daraus lässt sich schließen, dass das Reden in παροιμίαις aufs Engste mit der Vermittlerfunktion Jesu zusammenhängt. Es ist eine zwischen den Jüngern und dem Vater vermittelnde Rede. Die Jünger reagieren in Joh 16,29 mit der Aussage, nun rede Jesus nicht mehr gleichnishaft, sondern offen. Sie meinen also, dass die angekündigte Zukunft bereits eingetreten sei. Sie deuten damit das ab Joh 16,26 Gesagte als nichtparoimische Rede. Dies dürfte ein Missverständnis sein. Denn die angekündigte Stunde ist keineswegs schon da.11 Darauf weist Jesu Antwort ab Joh 16,31 hin:  Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 140. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 144 f. betont, dass damit ein neues Verständnis der Jünger für die Botschaft Jesu gemeint sei, ist festzuhalten, dass Joh 16,25 explizit von einer anderen Verkündigung Jesu spricht. 10 Vgl. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 144. 11  So auch Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 150: „sie ignorieren das Futur“, zudem „übergehen sie den Inhalt der παρρησίᾳ-Verkündigung Jesu, den dieser in V. 25 mit περὶ τοῦ πατρός hervorgehoben hatte“.  8

 9 Während

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Die kommende Zeit bringt die Zerstreuung der Jünger mit sich, die Jesus verlassen werden. Anders als die Jünger meinen, setzt sich die paroimische Rede also noch fort – oder zumindest redet Jesus noch nicht „offen“ vom Vater.12 Es wird deutlich, dass die angekündigte Redeweise Jesu von bestimmten Ereignissen abhängt, die zuerst geschehen müssen, und dass er nicht unabhängig davon entscheiden kann, in Paroimiai oder offen zu sprechen. Dies verstehen die Jünger nicht. Es wird deutlich, dass mit dem Wechsel von παροιμία‑ zu παρρησίᾳ-Rede ein größerer Zusammenhang im Blick ist. Es geht um den Übergang in die Passionserzählung, um die Abschiedssituation als ganze und um die Nähe der „Stunde“, die eine Zeitenwende markiert. Hinter dieser Zeitenwende liegt das „Später“, das „Es kommt die Zeit“. Erst in dieser Zeit wird die paroimische Rede abgelöst werden. Letztlich dürfte damit die nachösterliche Zeit gemeint sein, in der die Gemeinde vom Parakleten in das Verstehen der Worte Jesu geführt wird. Die offene Rede vom Vater wird also nicht unmittelbar in der Erzählung des JohEv abgebildet. Man könnte auch formulieren: Wenn diese Verbindung zur nachösterlichen Situation stimmt, dann ist die Jesusrede in Offenheit nicht im Evangelium ausformuliert. Sie liegt nicht als geschriebene Rede vor, sondern ereignet sich je und je in der Zukunft der erzählten Zeit. Wir fassen zusammen: Eine präzise Analyse des Gebrauchs von παροιμία bei Joh ergibt wenig Übereinstimmendes zwischen den zwei Passagen und große Unterschiede. Man könnte sagen, dass wir zwei unterschiedliche Bedeutungen des Wortes vorfinden.13 Joh 10,6 ergab, dass mit παροιμία ein klar abgegrenztes, kurzes Redestück gemeint ist (Joh 10,1–5). Dieses ist durch fehlende Kontextualisierung und Verbindung zur Redesituation gekennzeichnet, d. h., es ist unklar, worum es eigentlich geht. Die erklärende Rede ab Joh 10,7 ist m. E. keine παροιμία in diesem Sinne. In Joh 16,25–29 dagegen wird παροιμία als Kennzeichnung der vorösterlichen Rede Jesu insgesamt gebraucht, der seine offene Rede vom Vater nach Ostern gegenübersteht. Dabei ist dieses Reden Jesu untrennbar mit dem Verstehen durch die Jünger verbunden. Dass Jesus in Offenheit verkündigen wird, bedeutet auch und v. a., dass die Jünger ihn verstehen werden. Jesus kann nicht einfach unabhängig von den Ereignissen der Passion entscheiden, in der „Gattung“ der παροιμία zu sprechen oder nicht. Sein Sprechen über den Vater und das Verstehen durch die Jünger ist vielmehr von den Ereignissen um seine Person abhängig. 12  So sinngemäß auch Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 155, allerdings legt sie den Fokus auf das Unverständnis der Jünger: „Wie nach Joh 13,31–14,31 sind die Jünger allerdings auch nach Joh 16,4b–33 in der erzählten Situation noch nicht in der Lage, die Bedeutung dessen, was Jesus ihnen ankündigt, zu verstehen“. 13  Anders Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 141 f., die einen einheitlichen Gebrauch von παροιμία mit der Bedeutung „deutungsbedürftige Rede“ gegeben sieht.

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An beiden Stellen wird παροιμία jeweils rückblickend verwendet und an beiden Stellen ist vorübergehendes Unverständnis der Jünger damit verbunden. Beides sind nachvollziehbar keine „offenen Reden über den Vater Jesu“, denn inwiefern sie überhaupt etwas über den Vater Jesu aussagen, bleibt im Dunkeln.

III. Der Vater in der Verkündigung Jesu Es ist also nachvollziehbar, dass diese Paroimiai keine offene Verkündigung über den Vater darstellen. Doch ist die Behauptung, die Zeit der offenen Rede über den Vater würde erst in der Stunde anbrechen, mit der Verkündigung des johanneischen Jesus vereinbar? Immerhin benutzt dieser die Vaterbezeichnung für Gott weit über einhundert Mal,14 was eine Größenordnung weit jenseits von dem ist, was etwa in den synoptischen Evangelien zu finden ist. Es kann also nicht gemeint sein, dass Jesus bisher seinen Vater nicht erwähnt oder über ihn gesprochen habe. Wie ist der Kontrast zwischen paroimischer Rede und offener Verkündigung über den Vater dann aber genau gemeint? Dieser Frage wird im Folgenden in zwei Schritten nachgegangen. Zunächst werden andere Texte, die denen in Joh 10,1–5 und Joh 16,21 ähneln und damit als weitere Kandidaten für Paroimiai in Joh infrage kommen, daraufhin befragt, ob sie über Gott als Vater sprechen. Es wird sich zeigen, dass dies nur sehr selten der Fall ist. Im zweiten Schritt wird geklärt, warum die Verkündigung Jesu über den Vater, die wie gesagt im JohEv ausgesprochen ausgeprägt ist, nicht als „offene Verkündigung“ zu verstehen ist und auf welche Weise diese offene Verkündigung eintritt. 1. Der Vater Jesu in weiteren paroimischen Texten des Joh? Joh 16,25 spricht im Plural von paroimiai und wie bereits gesagt, ist es nicht möglich, eine genau definierte und zählbare Gruppe von Texten als Paroimiai in Joh zu benennen. Dennoch gibt es gewisse Texte, die sich aufgrund bestimmter Merkmale ähnlich wie Joh 10,1–5 und Joh 16,21 so vom Kontext abheben, dass sie als weitere Vertreter von paroimischen Texten gelten können. Einige dieser Texte sind zudem immer wieder in der Forschung als johanneische Gleichnisse oder Parabeln eingeordnet worden. Die im folgenden besprochene Gruppe von Texten stellt beispielhaft weitere Vertreter von paroimischen Texten bei Joh dar, sie ist jedoch in keinster Weise auf Vollständigkeit angelegt. Der Zweck der folgenden Besprechung ist einzig, mögliche weitere paroimische Texte daraufhin zu befragen, ob und wenn ja, wie sie vom Vater Jesu sprechen.

 Vgl. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 2.

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Ausgehend von Joh 10,1–5 und Joh 16,21 werden folgende Texte als diesen hinreichend ähnlich angesehen, um sie als Paroimiai ansprechen zu können:15 Joh 3,8; 4,35–38; 5,19–23; 10,12 f.; 11,9 f.; 12,24.16 Alle diese Texte sind durch eine ähnliche Geschlossenheit und Abgegrenztheit vom Kontext geprägt („Erzählminiatur“17) sowie durch eine eigene Bildhaftigkeit. Das heißt, in ihnen wird eine eigene kleine Welt geschildert, deren Bezug zur umgebenden narrativen Welt des JohEv sehr offen ist. Dadurch entsteht die spezifische Aufgabe für die Lesenden, die in der Paroimia geschilderte Welt mit der Welt Jesu und seiner Adressaten in Beziehung zu setzen. Es geht also darum, den in Joh 16,25 behaupteten Kontrast zwischen paroimischer Rede und offener Verkündigung genauer zu verstehen und zu überprüfen. Sind die Paroimiai ebenso Verkündigung über den Vater, nur auf eine andere Weise als diejenige in Offenheit? Oder hat die paroimische Rede auch einen anderen Inhalt? Vielfach wird der Vers so gedeutet, dass sich bei identischem Inhalt nur die Redeweise unterscheide.18 Thematisiert die paroimische Rede des johanneischen Jesus also den Vater? Geht es in ihnen primär um Gott – oder steht anderes im Fokus?  Alle diese Texte werden auch in Zimmermann (Hg.), Kompendium (s. Anm. 4), als Parabeln verstanden, neben sieben weiteren (Joh 2,19; 3,3–7; 4,13 f; 6,32–40.48–51; 10,7–10; 14,1–4; 15,1–8). Diese sieben blenden wir hier aus, weil sie insbesondere durch die Einwebung der Ich-Rede Jesu keine abgegrenzten, eigenen kleinen Welten oder Erzählminiaturen bilden. Ihnen fehlen insbesondere die Merkmale „fiktional“ (insofern damit nicht gemeint ist, alles im JohEv Erzählte sei erdacht, sondern vielmehr, dass die Paroimiai als etwas vom Erzähler Jesus Erdachtes erkennbar sind, sehe ich dies wegen der starken Verwebung mit der Welt und dem Ich Jesu als nicht plausibel an) sowie „realistisch“ (v. a. die Ich-bin-Reden kreieren eine eigene Realität, als dass sie von der erlebbaren Welt erzählen), die dem Kompendium zufolge zwei von sechs konstitutiven Merkmalen von Parabeln seien (vgl. M. Stare, „Gibt es Gleichnisse im Johannesevangelium?“, in: Zimmermann, Hermeneutik [s. Anm. 4], 321–364, 336 f.). Das Ergebnis unserer Untersuchung würde sich freilich auch unter Einbeziehung dieser Texte nicht wesentlich ändern: Vom Vater Jesu wird auch dort nur sehr selten und niemals ausführlich gesprochen. 16  C. H.  Dodd, Historical Tradition in the Fourth Gospel, Cambridge 1963, 366–387, sieht Joh 3,29; 5,19–20a; 8,35; 10,1–5; 11,9 f; 12,24; 16,21 als „parables“ an; bei A. M.  Hunter, The Gospel according to John (CBC), Cambridge 1965, 78–89, zählen Joh 3,8; 4,35–38; 5,19– 20a; 8,35; 10,1–5; 11,9 f; 12,24; 12,35 f; 14,2 f; 15,1 f; 16,21 zu den Parabeln, eine Gruppe mit grossen Übereinstimmungen zu unserer. Dagegen untersucht M. Theobald, Herrenworte im Johannesevangelium (HBS 34), Freiburg i.Br. 2002, 334–423, als „repräsentative Auswahl“ Joh 5,19b–20c; 10,1–5; 10,11–13; 12,24; 15,1–8; sieht aber darüber hinaus weitere zehn Texte als johanneische Gleichnisse und Bildworte an. Stare, Gleichnisse (s. Anm. 15), untersucht exemplarisch nur Joh 10,1–5; 12,24; 16,21. 17 Diesen Begriff verwendet Stare, Gleichnisse (s. Anm. 15), 353, 358, für die von ihr besprochenen Texte Joh 12,24 und 16,21 f. Ich sehe ihn als sehr treffend für ein wesentliches Merkmal johanneischer Paroimiai gerade im Unterschied zur übrigen metaphorischen Rede an, die etwa in Form der Ich-bin-Worte vorkommt. Bei letzterer gibt es eine starke Vermischung der Bildwelt und der Welt des Sprechers Jesus, beide sind ineinander verwoben. Dies ist bei den von Joh 10,1–5 und Joh 16,21 her charakterisierten Paroimiai nicht der Fall. Die für sich stehende kleine Erzählwelt der Paroimia bleibt erhalten. 18  Vgl. Stare, Gleichnisse (s. Anm. 15), 344, mit anderen. 15

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Wirft man nun einen Blick auf weitere johanneische Paroimiai, fällt auf, dass dort Christologie, Soteriologie und Anthropologie im Fokus stehen. Um den Vater Jesu geht es kaum. So thematisiert eine erste Gruppe von Texten den Vater Jesu überhaupt nicht: In Joh 3,8 geht es um die Geburt aus dem Geist im Vergleich mit dem Wehen des Windes. Joh 4,13 f. spricht über Jesu Gabe des lebendigen Wassers, Joh 10,1–5 und 10,12 f. über die Beziehung zwischen Hirte, Schafen und Feinden, was später auf Jesus, die Glaubenden und diverse Gefahren für die Glaubenden bezogen wird. Joh 11,9 f. schildert das Umherlaufen bei Tag und Nacht als ein Bild für Rettung und Verlorengehen, Joh 12,24 präsentiert mit dem Weizenkorn ein Bild für das Geschick Jesu und der Glaubenden und für die Rettung im Glauben. Im Fokus stehen jeweils Jesus, sein Todesgeschick und seine soteriologische Gabe, sowie die Beziehung zwischen ihm und den Glaubenden. Es sind Bilder, die das Heilsgeschehen begreifbar machen sollen. Von Interesse ist der Zugang zu diesem Heil und wie es erlangt wird. In einer weiteren Gruppe von Texten kommt Gott resp. der Vater vor,19 steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Rede. So geht es in Joh 3,3–7 um die Geburt von oben um Gott zu sehen und in das Reich Gottes zu kommen. „Gott“ kommt also als Ziel des Heilsgeschehens in den Blick, im Fokus des Gleichnisses jedoch stehen die Zugangsbedingungen zu ihm. Joh 4,35–38 enthält ein Gleichnis über die bevorstehende Ernte und die Aufgabe Jesu und der Glaubenden. Obgleich hier der Vater nicht explizit erwähnt wird, könnte er sich im Bild des Säenden verbergen.20 Denkbar wäre auch, Gott als denjenigen zu sehen, der als Eigentümer und Verantwortlicher hinter der gesamten Ernte steht und sie beaufsichtigt. Gleichwohl bleibt es dabei: Das Hauptinteresse der Paroimia gilt nicht ihm. Ein spezieller Fall liegt in Joh 5,19–23 vor. Der Abschnitt schildert die Beziehung zwischen Vater und Sohn, insbesondere wie der Sohn durch Nachahmung das Geschäft des Vaters lernt. Jan van der Watt interpretiert dies als ein Gleichnis, das die lebensweltliche Realität von Vätern und Söhnen als Bildfeld verwendet.21 Der bildliche Charakter ist freilich im JohEv stark verdeckt, weil „Vater“ und „Sohn“ zu theologischen Termini für Gott und Jesus werden und

19 In drei weiteren Texten, die von uns nicht zu den Paroimiai gezählt wurden, kommt Gott ebenfalls vor. So in der Brotrede Joh 6,32–51, wo Gott als Geber des Lebensbrotes Jesus erscheint. Freilich zielt die Rede nicht auf Gott als Thema ab, sondern fokussiert auf Jesus als Lebensbrot und die Relationen zu Gott und v. a. den Glaubenden. Die in Joh 14,1–4 erwähnten „Wohnungen im Hause des Vaters“ betreffen ebenso das Beziehungsnetz zwischen Gott, Jesus und den Glaubenden. Schliesslich ist die Weinstockrede in Joh 15,1–5 zu nennen. Im Bild des Winzers ist wiederum Gott präsent, erneut im Verhältnis zu Jesus und den Glaubenden. 20 Vgl. R. Zimmermann, Geteilte Arbeit – doppelte Freude! (Von der nahen Ernte) Joh 4,35– 38, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 4), 737–744, 741, zur Diskussion um diese Frage. 21  Vgl. J. van der Watt, Der Meisterschüler Gottes (Von der Lehre des Sohnes) Joh 5,19–23, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 4), 745–754.

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darin weitgehend verselbständigt sind.22 Der Abschnitt spielt denn auch eine für die fundamentale theologische Figur der Nachahmung Gottes durch Jesus zentrale Rolle, mit der die göttliche Vollmacht Jesu herausgestellt wird.23 Gleichwohl ist zuzugestehen, dass dieser Abschnitt in Joh 5,19–23 eine besondere Rolle spielt, weil er narrativ und in sich geschlossen das Verhältnis zwischen Vater und Sohn schildert.24 Dass dieses Narrativ auf der antiken lebensweltlichen Realität beruht, demzufolge Söhne das Handwerk ihrer Väter durch Zusehen und Imitation erlernen, ist natürlich plausibel. Die johanneische Terminologie erhält durch diese Ausbildungsmetapher25 eine interessante Verankerung in der Lebenswelt. Auch diese Paroimia lässt aber viele Fragen offen, inbesondere in Bezug auf den Vater: „In der Parabel wird nur mittels einer Analogie ausgesagt, dass der Vater zeigt, gibt und tut, aber die Aufmerksamkeit konzentriert sich nicht darauf, wie er das genau tut.“26 Wir blicken zurück und halten fest: Joh 16,25 hatte die Paroimiai der offenen Verkündigung Jesu über den Vater gegenübergestellt. Während meist davon ausgegangen wird, dass hier nur ein Unterschied der Redeweise, nicht jedoch des Redegegenstandes gemeint sei, zeigt die Durchsicht einer Reihe von paroimischen Texten bei Joh ein anderes Bild: Der „Vater“ resp. Gott kommt in ihnen selten vor und wenn überhaupt, dann eher im Hintergrund und als Teil eines Beziehungsnetzes mit Jesus und den Glaubenden. Dieses Beziehungsnetz, also die Relation zwischen Jesus und den Glaubenden und der Zugang zum Heilsgeschehen stehen im Fokus der Paroimiai. Es gibt also in der Tat einige Passagen der Verkündigung des johanneischen Jesus, die eine auffällig deutungsbedürftige Bildlichkeit enthalten und den Vater Jesu ausgerechnet nicht thematisieren. Von daher kann der Befund zu Joh 10,1– 22  Es hat weitreichende Folgen, wenn die johanneische Rede von „Vater/Sohn“ zur paroimischen Rede des JohEv gehörig verstanden wird. Damit wäre gesagt, dass die Paroimiai sehr tief in die theologische Sprache des Joh hineinreichen. Joh 5,19–23 wäre genau dafür ein Beleg. Das hieße für die paroimiai aber: Die Aussage in Joh 16,25, dass Jesus in einer noch kommenden Zeit den „Vater offen verkündigen“ werde, im Unterschied zu den Paroimiai, wäre ihrerseits metaphorisch. Damit wäre zu Joh 16,25 zu präzisieren: Hier wird zwar für die Zukunft eine offene, nicht-paroimische Rede angekündigt, die Sprache Jesu in diesem Vers ist jedoch weiterhin paroimisch. Dies würde die Vermutung stützen, dass letztlich die gesamte Jesusrede im JohEv paroimischen Charakter hat. 23  Vgl. dazu J. Frey, „Wer mich sieht, der sieht den Vater“. Jesus als Bild Gottes im Johannesevangelium, in: A. Taschl-Erber/I. Fischer (Hg.), Vermittelte Gegenwart. Konzeptionen der Gottespräsenz von der Zeit des Zweiten Tempels bis Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. (WUNT 367), Tübingen 2016, 179–208. 24 Auch Frey, Jesus (s. Anm. 23), 185, erkennt in Joh 5,19 f. ein „Gleichnis“ (Anführungszeichen bei Frey) für die zentrale theologische Figur der Nachahmung Gottes durch Jesus. 25  Vgl. van der Watt, Meisterschüler (s. Anm. 21), 748: „Bezugsrahmen der Ausbildung bzw. Erziehung“. 26  Van der Watt, Meisterschüler (s. Anm. 21), 747.

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5; 16,25 und 16,21 gestützt werden: Jesus spricht teilweise auf eine besondere (Paroimia‑)Weise und gerade an diesen Stellen ist sein Vater nicht das Thema. 2. Der Vater Jesu in der übrigen Verkündigung Wie lässt sich dieser Befund nun aber mit der Tatsache zusammendenken, dass der johanneische Jesus seinen göttlichen Vater auffällig oft erwähnt? Was bedeutet es, wenn Joh 16,25 zufolge diese Rede als „nicht offen“ charakterisiert wird? Von den weit über einhundert Belegen für πατήρ im Johannesevangelium finden sich über neunzig im Munde Jesu.27 Der Begriff wird im Prolog durch den Erzähler eingeführt (1,14), kurz nachdem davon die Rede war, dass der Logos den Glaubenden die Vollmacht gibt, Kinder Gottes (τέκνα θεοῦ) zu werden (1,12). Es ist also die Thematik der Gotteskindschaft der Glaubenden, die den Vaternamen vorbereitet.28 In den übrigen Prologversen, Joh 1,14.18 steht dann allerdings die Vaterbeziehung Gottes zu Jesus im Vordergrund und in diesem Kontext wird der Name πατήρ für Gott eingeführt:29 Der Inkarnierte ist der Einziggeborene des Vaters und er ist „im Schoss des Vaters“. Diese Perspektive wird dann exklusiv das gesamte Evangelium prägen, wenn Jesus immer wieder von „meinem Vater“ spricht.30 Ein „unser Vater“ dagegen gibt es nicht, Jesu Gebet zu seinem Vater in Joh 17 ist keines, das die Jünger mitsprechen könnten. Es demonstriert vielmehr die einzigartige Sohnesbeziehung Jesu. Erst in Joh 20,17 wird Gott im Munde Jesu erstmals auch als Vater von anderen bezeichnet: Mit der Ankündigung, Jesus werde jetzt „zu meinem Vater und zu eurem Vater“ aufsteigen, wird die in Joh 1,12 f. eröffnete Perspektive der Gotteskindschaft der Glaubenden eingeholt.31 Die Rede von Gott als Vater im JohEv kommt also in zwei Verwendungsweisen vor: 1) Gott als Vater Jesu, 2) Gott als Vater der Jünger. Dabei ist die Vaterschaft Gottes den Jüngern gegenüber (2) abhängig von der Anerkennung der Vaterschaft Jesus gegenüber (1).32 Dies wird bereits prominent im Prolog in Joh 1,12 geklärt: Wer den Logos aufnimmt, erhält die Vollmacht, Kind Gottes zu werden. Eingeholt wird diese Verheissung in Joh 20,17. Auf dem Weg zwischen Joh 1,12 und 20,17 spielen die Abschiedsreden und insbesondere der Abschnitt um Joh 16,25 eine zentrale Rolle, denn die Ab Vgl. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 1 f.  So pointiert Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 2. 29 Vgl. a. a. O., 3. 30 Vgl. ebd. 31  Vgl. a. a. O., 19, die zwischen Joh 1,12 und 20,17 „mit der dort thematisierten Gotteskindschaft einen Spannungsbogen um das ganze Evangelium“ erkennt. 32 Vgl. C. Zimmermann, Die Namen des Vaters. Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen vor ihrem frühjüdischen und paganen Sprachhorizont (AJEC 69), Leiden 2007, 123, die im Abschnitt über den Vaternamen im JohEv die Bindung der Vatererkenntnis an Jesus betont. 27 28

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schiedsreden bringen „die Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern eigens zur Sprache“,33 freilich ohne Gott dabei schon als Vater der Jünger zu bezeichnen. Wir werfen daher einen kurzen Blick auf Joh 16,25–29 im Kontext der Abschiedsreden. Das Verhältnis zwischen Gott als Vater und den Jüngern wird in Joh 13,31–14,31 ausführlich thematisiert und dann in Joh 16,4b–33 wieder aufgenommen.34 Dabei geht es in Joh 13,31–14,31 zunächst vor allem um die Sorge der Jünger wegen der Konsequenzen des Weggangs Jesu und ihrer Trennung von ihm. Dieser Sorge wird mit der Verheißung einer neuen Beziehung nicht nur zu Jesus, sondern auch zum Vater Jesu begegnet, der ihnen auf neue Weise nah sein wird: Jesus bereitet ihnen eine Wohnstätte im Haus des Vaters (14,2 f.). Zudem wird er selbst wiederkommen um die Jünger zu sich zu holen. Damit ist ein weiter Horizont über den Zeitrahmen des Evangeliums hinaus bis in die Zukunft der Lesenden gespannt.35 Dass Jesus als Weg und zu erkennende Wahrheit die Schlüsselposition für die Jünger auf dem Weg zum Vater einnimmt, macht exemplarisch Joh 14,4–11 deutlich. Er selbst zeige den Jüngern den Vater (14,9), ja habe es bereits getan, insofern er als Sohn den Vater in allem darstelle. Diese Fokussierung auf die Rolle Jesu als Weg zum Vater kann im Lichte der obigen Beobachtungen zur Rede Jesu in Paroimiai im Gegensatz zur zukünftigen offenen Rede als äußerst plausibel gelten: In der Tat thematisiert Jesus in der Abschiedssituation zwar intensiv, dass und wie die Jünger zum Vater kommen und was sich in der zu erwartenden Zukunft ändern wird – doch diese Zukunft selbst schon darstellen oder, um mit Joh 16,25 zu sprechen, „offen den Vater zu verkündigen“, das geht in der Situation des Abschieds nicht. Joh 16,4b–33 setzt nochmals an, denn die Jünger zeigen Trauer und Unverständnis angesichts des Weggangs Jesu. Der ihnen verheißene Paraklet und die Realität einer kurzen Abwesenheit Jesu stehen im Fokus (Joh 16,12–15.16–19), es geht also jetzt stärker als in Joh 13 f. um die nähere Zukunft. Doch all das scheint die Jünger nur noch mehr zu verwirren, sie konstatieren untereinander: „Wir wissen nicht, was er redet!“ (16,18) In dieser Situation nun eröffnet ihnen Jesus die Hoffnungsperspektive von Freude nach grossem Schmerz und Trauer und greift dafür auf die Paroimia über die gebärende Frau zurück (16,20–23). Bevor er in 16,25 auf sein gleichnishaftes Reden eingehen wird, steht zuvor nochmals die Ankündigung der direkten Gebetsbeziehung zwischen den Jüngern und Gott im Namen Jesu (16,23 f.). Die Begründung dafür liegt in der Liebe des Vaters zu den Jüngern (16,26 f.). Doch all das ist noch immer nicht die zukünftige, offene Verkündigung über den Vater.  Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 19. dazu ausführlich a. a. O., 25–155. 35  Vgl. Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 55, die Joh 14,3 als „externe Prolepse“ bezeichnet, ohne sich auf die genaue Art der Zukunft (individuell-eschatologisch in der Todesstunde, Parusie oder anderes) festzulegen. 33

34 Vgl.

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Ist die „offene Verkündigung über den Vater“ also mit Joh 20,17 gegeben bzw. eröffnet? Es ist plausibel, dass die Offenbarung der Ermöglichung von Gottes Vaterschaft für die Jünger im „euer Vater“ in Joh 20,17 als völlig neue, offene, ungehinderte Rede vom Vater verstanden wird. Nur Jesus ist hier in der Lage, das neue Gottesverhältnis der Jünger auszudrücken, sie selbst noch nicht!36 Vor dem Hintergrund des zentralen Bedeutungswechsels vom Vater Jesu zum Vater der Jünger ist tatsächlich die gesamte vorherige Rede des irdischen Jesus andeutend, nicht „offen“: „Für den Evangelisten unterscheidet sich der irdische Jesus […] vom Auferstandenen gerade dadurch, dass er nicht vom Vater der Jünger redet (also auch die Jünger kein Vaterunser lehrt)“.37 Mit der Beobachtung zu den Paroimiai kann diese Aussage noch gestützt werden: Der irdische Jesus redet insbesondere in den Paroimiai nicht vom Vater. Wie kann die Kindschaft der Jünger nun aber nicht nur proklamiert, sondern auch für die Jünger selbst Realität werden?38 Hier kommt Joh 20,21–23 in den Blick, die Sendung der Jünger durch Jesus, mittels Geistanhauchung. Erst jetzt werden die Jünger ausgesandt, es gibt keine Aussendung der Jünger in vorösterlicher Zeit bei Joh! Die Jünger sollen die Mission Jesu fortsetzen. Wenn hierauf die Vaterschaft Gottes für die Jünger abzielt, die ja hier offen, anders als in den Paroimiai, proklamiert wird, so ist dies im genauen Gegenüber zur Verbindung der Paroimia-Rede Jesu mit seiner Mittlerfunktion zu sehen, die wir weiter oben bereits erwähnt hatten. Während also die Paroimia-Rede Jesu mit seiner eigenen Mittlerfunktion verbunden ist, steht dagegen die Sendung der Jünger im Kontext der parrhesia-Rede Jesu und v. a. der eigenständigen Kommunikation zwischen Jüngern und ihrem Vater, wie es Joh 16,26 für die nachösterliche Zeit angekündigt hatte. Freilich, für die Lesenden des JohEv bleibt Jesus bis zum Ende in das Kommunikationsgeschehen mit dem Vater involviert. In Joh 20,28 erkennt Thomas in Jesus seinen „Herrn und Gott“, Jesus scheint hier geradezu die Stelle des Vaters einzunehmen. Ist Jesus für Thomas, was der Vater für Jesus ist?39 Joh 1,18 zufolge ist Jesus ja die authentische Auslegung des Vaters, der menschlichem Erkennen entzogen ist. Ist dann aber nicht auch das Reden der Jünger mit dem Vater, das Joh 16,25 als eines jenseits der Paroimia-Rede ankündigte, letztlich noch immer Reden mit Jesus? Unter der Voraussetzung des Geistes, der Joh 14,26 zufolge in das Verständnis der Worte Jesu auf neue Weise einführt, wäre das Nachlesen und ‑hören der Worte Jesu als Eintauchen in die Worte des Vaters zu verstehen.40 36  Vgl.

a. a. O., 170 f.   A. a. O., 13. 38  Vgl. a. a. O., 171: „Daraus ergibt sich die Frage, wie von der Seite der Jünger aus Wirklichkeit werden kann, was der Auferstandene gegenüber Maria bereits als Realität feststellt, nämlich dass Gott nicht nur sein Vater, sondern auch Vater der Jünger ist.“ 39  So Back, Gott als Vater (s. Anm. 6), 187. 40 So auch Frey, Jesus (s. Anm. 23), 207: „Das Medium der Vermittlung dieser Offenbarung (i. e., die in Joh 1,18 angesprochene Offenbarung Gottes durch den Inkarnierten; F. K.) ist aber 37

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Wir fassen zusammen: Die offene Verkündigung über den Vater geschieht erst nachösterlich und sie betrifft die neue Realität, dass der Vater nun auch der Vater der Jünger ist und dass Jesus den Vater offenbart und sein Wesen voll repräsentiert/verkörpert. Diese offene Verkündigung beginnt mit Joh 20,17, insofern hier Gott als Vater der Jünger benannt wird, doch sie wird nun nicht etwa in langen Offenbarungsreden eigens dokumentiert. Diese Verkündigung des Erhöhten und damit die Begegnung der Jünger und der Adressaten mit dem Vater ereignet sich insofern jenseits der Erzählgrenze des Evangeliums und bleibt doch immer bezogen auf das dort Erzählte. Denn für Joh ist der Vater im Sohn zu erkennen. Paroimische Sprache im JohEv erweist sich gerade bei der Vater-Sohn-Begrifflichkeit als ein Phänomen, das weit über abgrenzbare, narrativ vom Kontext abgesetzte Gleichnisse in die übrige, theologische Sprache des JohEv hineinreicht. Dies ist wohl ein Grund, warum es so schwerfällt, Gleichnisse im JohEv als eigenes Genre zu identifizieren.

IV. Paroimia vs. Vergleich bei Joh Ein weiteres Phänomen am Rande paroimischer Rede ist der Vergleich. In den synoptischen Gleichnissen besteht eine enge Verbindung zum Vergleich, denn beides ist häufig explizit miteinander verknüpft: Typischerweise werden die Gleichnisse mit einer Vergleichsformel eingeleitet, die das „Gottesreich“ mit dem Folgenden verbindet (ὡς). Diese Vergleichspartikel fungiert dort als Transfersignal, das auf das Gleichnishafte des Textes hinweist. Die johanneischen Paroimiai, die wir bisher gesehen hatten, funktionieren dagegen ohne diese Sprachform des Vergleichs. Nur ein einziges Mal kommt im vierten Evangelium eine Vergleichspartikel innerhalb einer kleinen paroimischen Einheit vor, in Joh 15,4: καθώς … „Gleichwie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht im Weinstock bleibt, so auch ihr nicht.“ Mithilfe der Vergleichspartikel καθώς werden die Reben mit den Jüngern und der Weinstock mit Jesus verbunden. Nun bedeutet die Tatsache, dass Joh eine Vergleichspartikel nur einmal als Transfersignal für eine Paroimia verwendet, nicht, dass Vergleiche nicht auch eine Rolle spielen. Im Gegenteil: Vergleichende Sprache ist theologisch hochsignifikant im vierten Evangelium. Ein genauerer Blick auf dieses sprachliche Phänomen kann helfen, die Paroimiai im Joh noch besser zu begreifen. Denn es wird sich zeigen, dass es plausible Gründe dafür gibt, warum Joh seine Paroimiai weitgehend ohne explizite Vergleichsformeln formuliert, die er sonst in theologisch signifikanter Weise verwendet. nun das Buch. […] Die Offenbarung ereignet sich somit für die Adressaten des Evangeliums dezidiert im Lesen.“

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῾Ως wird bei Joh überwiegend als Temporal‑ und Lokalpartikel gebraucht, als Vergleichspartikel kommt es nur an drei Stellen vor: Joh 1,14 im Vergleich der Herrlichkeit des Fleischgewordenen mit der des Μονογενές, vom Vater herkommend; Joh 1,32 im Vergleich vom herabkommenden Geist auf Jesus mit dem Herabkommen einer Taube; Joh 15,6 im Vergleich zwischen Jüngern und der Rebe am Weinstock. Im Gegenüber von Joh 15,4.6 wird deutlich, dass ὡς und καθώς synonym verwendet werden. Wir kommen nun zu dieser zweiten Vergleichspartikel. Die deutlich häufigere Vergleichspartikel bei Joh ist καθώς. Folgende Gebrauchsweisen lassen sich unterscheiden: 1) Schriftbelege und Vergleiche mit der Geschichte Israels, 2) Vergleiche zwischen Gott und Jesus, 3) Vergleiche zwischen Jesus und den Glaubenden, 4) Weitere Stellen. 1) Schriftbelege und Vergleiche mit der Geschichte Israels. Dieser Gebrauch liegt vor in Joh 1,23 („wie Jesaja gesprochen hat“); 6,31 („eure Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, gleichwie geschrieben steht“); 7,38 („wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Leib fliessen“); 12,14 („gleichwie geschrieben steht“). Neben diesen Schriftbelegen gibt es an zwei weiteren Stellen eine Entsprechung zwischen gegenwärtigen Ereignissen mit solchen in der Geschichte Israels. Dies ist der Fall in Joh 3,14: „wie Mose die Schlange erhöht hat in der Wüste, so muss der Menschensohn erhöht werden“. Das Geschick Jesu wird, mithilfe der Metapher vom Erhöhtwerden, verglichen und parallelisiert mit der Rolle der als Rettungszeichen für Israel fungierenden Schlange in der Wüste. Die Vätergeschichte liefert das Material, das für die Deutung der Jesusgeschichte genutzt wird. Die zweite, dazu ähnliche Stelle ist Joh 6,58. Hier wird das Lebensbrot über einen negierten Vergleich mit dem Manna charakterisiert: „Dieser/dieses ist das Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist, nicht wie die Väter gegessen haben und sind gestorben: wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ Genauer gesagt, ist es die Lebenswirkung des himmlischen Brotes Jesus für die Glaubenden, die mithilfe des negierten Vergleichs mit dem Tod der Väter herausgestellt wird. 2) Vergleiche zwischen Gott und Jesus. Dieser Gebrauch von καθώς ist mit elf Vorkommen in Joh deutlich stärker vertreten als der unter 1) genannte (fünf Mal). Dabei ist in Gruppe 2) ein klares Muster zu erkennen: Gott resp. der Vater ist stets der Ausgangspunkt, dem Jesus entspricht: wie der Vater, so der Sohn. Dies trifft zu auf die Verehrung durch die Menschen (Joh 5,23), das Richten und Lehren (Joh 5,30; 8,28; 12,15; 14,31), die Sendungstätigkeit (Joh 6,57; 17,18; 20,21), das wechselseitige Erkennen zwischen Vater und Sohn (Joh 10,15), die Liebe von Vater und Sohn (Joh 15,9). Der johanneische Jesus wird stets in Entsprechung zu Gott charakterisiert, nie ist es umgekehrt. Gott ist es, dem Jesus gleicht. Mit Blick auf das vorliegende Thema kann also bereits jetzt ein erstes aufschlussreiches Fazit gezogen werden: Im JohEv wird zwischen Vater und

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Sohn, also zwischen Gott und Jesus ein Entsprechungsverhältnis auf eine Weise formuliert, wie es sprachlich gesehen, in den synoptischen Evangelien in den Gleichnissen vorkommt, nämlich mithilfe einer Vergleichspartikel. Während nun in den synoptischen Evangelien das Gottesreich mithilfe von Phänomenen und Ereignissen aus der natürlichen und menschlichen Welt zugänglich gemacht wird, werden im JohEv der Vater und der Sohn in ein solches Verhältnis gebracht. Der Sohn und seine Taten machen den Vater zugänglich und sind mit dem Vater vergleichbar. Ja, noch mehr: „Jesus ist das eine und einzige ‚Bild‘ des unsichtbaren Gottes“.41 Die Ergebnisse zu den Paroimiai im JohEv hatten dagegen in eine andere Stoßrichtung geführt. Bei ihnen war es vor allem um den Unterschied zur offenen Rede über den Vater gegangen, d. h. darum, dass die Paroimiai den Vater eher verbergen. Die den Vater voll zugänglich machende Rede liegt jenseits der Ostergrenze und jenseits der im JohEv dargelegten Worte Jesu.42 3) Vergleiche zwischen Jesus und den Glaubenden. Diese Gruppe umfasst ebenfalls elf Verse. Das Muster ist hier das folgende: So wie etwas auf Jesus zutrifft, so auch auf die Jünger. Dies gilt zum ersten für ethische Aufforderungen, so zu handeln und zu lieben, wie Jesus es getan hat: Joh 13,15 („ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit gleichwie ich getan habe euch, auch ihr tut“); 13,34 („ein neues Gebot gebe ich euch, damit ihr einander liebt, genau so wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt“); 15,10 („bleibt in meiner Liebe, gleichwie ich die Gebote des Vaters bewahrt habe“); 15,12 („Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe“). Hierzu gehört auch, dass die Einheit der Gemeinde derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen soll (17,21). Zweitens werden Sendung und Auftrag an die Jünger und an Jesus parallelisiert: Joh 17,11.18 („gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, so sende ich sie“); 20,21 („Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“). Ebenso entsprechen die Jünger Jesus in ihrer Nicht-Zugehörigkeit zur Welt (Joh 17,14.16: „Nicht sind sie in der Welt, gleichwie ich nicht in der Welt bin“). Zusammen mit den unter 3) genannten Stellen zeichnet sich also ein klares Bild ab: Jesus wird in allem als Entsprechung des Vaters charakterisiert und analog sind bzw. sollen die Jünger Jesu Entsprechung sein. 4) Schließlich sind einige Stellen zu nennen, die nicht unmittelbar in die bisherigen Kategorien gehören. Zum einen wird in Joh 19,40 mithilfe von καθώς ein Traditionshinweis eingeführt: „gleichwie es Sitte ist bei den Juden“. Sodann 41 Frey, Jesus (s. Anm. 23), 199, der ausführlich die „Visualisierung Gottes im verherrlichten Gekreuzigten und seinem Weg“ im JohEv nachzeichnet. 42  Damit setzt Joh 16,25 einen wichtigen Akzent, der verhindert, im Textbestand des JohEv und seiner rekursiven Lektüre die Offenbarung des Vaters als abgeschlossen vorliegend zu betrachten. Es ist nicht nur das immer neue Verstehen des schon vorliegenden Textes mithilfe des Geist-Parakleten, sondern dieses wird in Joh 16,25 als neue, offene „Verkündigung“ des auferstandenen und erhöhten Christus bezeichnet. Darin liegt m. E. eine Erwartung eines Qualitätssprungs, der letztlich mit dem Aufschreiben von Jesu Worten und Taten nicht einholbar ist.

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sind zum Schluss zwei interessante Stellen zu nennen. Die negierte Entsprechung zwischen der Welt und Jesus in Joh 14,27 („Meinen Frieden gebe ich euch: nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch“) ist ein besonderer Fall, weil hier anders als bisher die Welt auf der Seite des Vergleichsausgangspunktes steht und Jesus der Zielpunkt des Vergleichs ist: Wie die Welt, so ist es mit Jesus. In der Sache konsequent ist dieser Vergleich nun aber negiert: Jesus agiert gerade nicht wie die Welt. Ein auf andere Weise interessanter Ausnahmefall liegt in der schon erwähnten Stelle Joh 15,4 vor: „Gleichwie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht im Weinstock bleibt, so auch ihr nicht.“ Ausnahmsweise findet sich hier innerhalb paroimischer Rede ein Vergleich, freilich mit den Jüngern und nicht etwa mit dem Vater oder Jesus. Dies ist eher ein Zufallsfund, der gerade nicht charakteristisch für Joh ist, weder für seine paroimische noch für seine Vergleichssprache. Wir fassen zusammen: Das JohEv verwendet die für die synoptischen Parabeln typische Vergleichsformel ὡς nicht und auch die Partikel καθώς nicht in dieser Weise. καθώς wird in theologisch signifikanter Weise gebraucht und zwar für das Entsprechungsverhältnis zwischen Gott und Jesus sowie zwischen Jesus und den Jüngern. Dabei sind jeweils Gott bzw. Jesus der Maßstab des Vergleichs, d. h. sie repräsentieren das, womit verglichen wird. Jesus und meistens die Jünger/ Glaubenden dagegen sind dasjenige, was mithilfe des Vergleichs beschrieben werden soll. Es sind also Jesus bzw. die Glaubenden, die dadurch näher charakterisiert werden. Joh 15,4 stellt eine Ausnahme dar: Hier liegt eine den synoptischen Evangelien analoge Verwendung vor. Etwas Irdisches (Rebe) ist Maßstab bzw. Ausgangspunkt des Vergleichs. Das Ziel des Vergleichs sind die Jünger und ihr Verhältnis zu Jesus. Freilich bleibt anders als bei den synoptischen Parabeln in Joh 15,4 auch der Zielbereich des Vergleichs, d. h. die Jünger, im Irdischen. Die Vergleiche im JohEv gehen also von Gott resp. Jesus als Gottes Sohn aus und erschliessen von dort her das Geschick und Wirken Jesu sowie das Glaubensgeschehen der Menschen. Ihr Fokus liegt bei der Imitatio Jesu durch die Jünger und der Imitatio Gottes durch Jesus. Die synoptischen Gleichnisse nutzen gerade umgekehrt Bilder aus dem Menschlichen/Irdischen wie ein Senfkorn oder das Brotbacken, um das Gottesreich zu erschließen. Die johanneischen Paroimiai dagegen erschließen, vom Irdischen/Menschlichen ausgehend, anders als die synoptischen Gleichnisse und analog zu den johanneischen Vergleichen das Glaubensgeschehen und die Christologie, nur andeutungsweise die Theologie und zwar v. a. über die bereits theologisch konventionalisierte Vater-Metapher.

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V. Fazit Der Beitrag ist eine Spurensuche entlang der Grenzen der paroimischen Rede im Johannesevangelium. Das, was in Joh 10,6 und 16,25–29 mit παροιμία bezeichnet wird, bildete Kern‑ und Ausgangspunkt von mehreren Untersuchungsschritten in unterschiedliche Richtungen. Zunächst wurde dem Wortgebrauch an diesen beiden Stellen nachgegangen. Joh 16,25 erwies sich als theologisch weitreichende Aussage, deren Implikationen sodann weiter reflektiert wurden. Dabei erwies sich die Frage nach der „zukünftigen Verkündigung über den Vater in Offenheit“ als Schlüssel, denn sie bildet das Gegenüber zur paroimischen Rede Jesu. Schließlich kam ein weiterer Bereich in den Blick, der zunächst für einen synoptisch geprägten Blick auffällig ist, nämlich das Fehlen von Vergleichsformeln in den johanneischen Paroimiai. Dass dieses Fehlen signifikant sein könnte, durfte wegen der großen theologischen Bedeutsamkeit von Vergleichssprache im JohEv ausserhalb der Paroimiai vermutet werden. Folgende Folgerungen können aus der Untersuchung gezogen werden: Die Paroimia-Rede bei Joh ist irdische, vorösterliche Verkündigung Jesu par excellence, sie steht geradezu paradigmatisch für die irdische Verkündigung Jesu. Die Paroimia-Rede ist sodann auf eine eigentümliche Weise mit den Ereignissen um Passion und Ostern verbunden, also mit dem Heilsgeschehen, um das das gesamte Evangelium kreist. Das Vorkommen von paroimischer Rede ist daran gebunden, dass die „Stunde“ Jesu noch nicht gekommen ist. Sie ist vorläufige Rede, ausgerichtet auf Auflösung. Essentiell für das Verständnis der Paroimiai ist drittens der Kontrast zu einer Rede, die noch kommt, die zwar eingeführt (Joh 20,17), aber nicht ausgebreitet wird, die also undokumentiert ist. Paroimiai sind somit v. a. dokumentierte Worte. Der Fokus wird in Joh 16,25 somit auf das gerichtet, was sich dem Aufgeschriebenen entzieht, was jenseits dessen gesagt und verstanden werden wird. Die Paroimia-Rede bringt letztlich die Lage, vielleicht darf man sagen, das Dilemma der Verkündigung des johanneischen Jesus konzentriert zum Ausdruck: Wie über etwas reden, das erst verstanden werden kann, wenn es eintritt? Zugleich muss darüber vorher gesprochen werden, weil das Ereignis, das dieses Etwas Realität werden lässt (Tod und Auferstehung), die Möglichkeit der irdischen Kommunikation mit denen, die davon erfahren müssen, beendet. Wenn Jesus den Jüngern jetzt nicht davon erzählt, werden sie es nicht verstehen, wenn es passiert. Zugleich können sie das, was er ihnen jetzt sagt, aber nicht verstehen. Das ist die Lage des irdischen Jesus bei Joh. Aufgelöst wird dies nicht, aber doch aufgehoben in die unabgeschlossene wiederholte Lektüre des Evangeliums. Joh 16,25 formuliert insofern tatsächlich das, was der johanneische Jesus tut: Er spricht mit seinen Paroimiai nur verhalten und selten von Gott. Die Paroimiai haben einen anderen Fokus, nämlich das Verhältnis zwischen Jesus und den

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Glaubenden. Selbst die zentrale, konventionalisierte Metapher „Vater“ erweist sich als Teil der paroimischen Rede und damit als verhüllend. Es war aufschlussreich, die Paroimiai im Gegenüber zur Vergleichssprache im JohEv zu betrachten. Denn Vergleiche finden sich außerhalb der Paroimiai häufig und theologisch sehr profiliert. Dabei steht bei einem Vergleich zwischen Gott und Jesus jeweils Gott auf der Seite des Ausgangspunktes, analog liegt diese Struktur bei den Vergleichen zwischen Jesus und den Glaubenden vor. Es geht hierbei v. a. um die Imitatio, um dem Vater resp. Jesus zu entsprechen. Paroimische Rede und die Vergleiche zielen jeweils auf eine Erhellung des Glaubensgeschehens, auf die Beziehung der Glaubenden zu Jesus. Gott „an sich“ ist dagegen nicht Ziel der Aussagen. Letztlich ist für Joh Jesus allein das Bild oder „Gleichnis“ Gottes. Darin scheint mir der tiefste Grund für die eigene Struktur der johanneischen Gleichnisse zu liegen. Für Joh können irdische, menschliche Vorgänge und Handlungen den himmlischen Vater nicht erschließen, sondern einzig und allein der Inkarnierte, der Sohn.

Die Analogie als bildhafte Rede bei Paulus Soham Al-Suadi Abstract: While Matthew, Mark, and Luke describe the παραβολή primarily as Jesus’ speech, Paul does neither use this nor related terms. Many interpreters answer the question of the pictoriality of the apostle’s language through the study of metaphors, parables, images and rhetorical phrases. This article is devoted to the Adam-Christ typology in Rom 5 and understands the analogy as a rhetorical and theological figure of Pauline argumentation.

I. Einleitung1 Die Frage nach der Bildhaftigkeit der Sprache des Apostels beschäftigt Interpreten der paulinischen Briefe seit jeher. Die Unterscheidungsversuche von Metaphern, Gleichnissen, Bildern und rhetorischen Wendungen im Corpus Paulinum lassen sich kaum überblicken.2 Während Matthäus, Markus und Lukas die παραβολή vor allem als Rede Jesu beschreiben, verwendet Paulus diesen und auch verwandte Begriffe nicht. Auch Gleichnisse im eigentlichen Sinne finden sich bei Paulus nicht. Der Hinweis auf die Athleten (1 Kor 9,24 f) oder der Verweis auf die Ehegesetzgebung (Röm 7,1–3)3 und das Sklavenrecht (Röm 14,4) 1  Ich bedanke mich bei Dr. Klaus-Michael Bull für seine konstruktive Unterstützung und die geleisteten Vorarbeiten zu dem Beitrag. 2 N. K.  Gupta, Worship That Makes Sense to Paul. A New Approach to the Theology and Ethics of Paul’s Cultic Metaphors (BZNW 175), Berlin 2010; E. M.  Heim, Adoption in Galatians and Romans. Contemporary Metaphor Theories and the Pauline Huiothesia Metaphors (BibInS 153), Leiden 2017; D. Lanzinger, Ein „unerträgliches philologisches Possenspiel“? Paulinische Schriftverwendung im Kontext antiker Allegorese (NTOA 112), Göttingen 2016; R. Zimmermann/G. Kern (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2011; J. P. Sampley/P. Lampe (Hg.), Paul and Rhetoric (T&T Clark Biblical Studies), New York 2010; G. Sellin, Allegorie – Metapher – Mythos – Schrift. Beiträge zur religiösen Sprache im Neuen Testament und in seiner Umwelt (NTOA 90), Göttingen 2011. 3 Eine Interpretation, die vor allem den metaphorischen Charakter betont, ist: P. J.  Tomson, What Did Paul Mean by ‚Those Who Know the Law‘? (Rom 7.1), NTS 49 (2003), 573– 81. Tomson stellt vor allem die apokalyptische Tradition heraus. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Gleichnisinterpretation von Röm 7,1–6 legt Luzia Sutter Rehmann vor in:

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sowie die Gleichnisse von der Teighebe und vom Ölbaum in Röm 11,16–244 sind vereinzelte Beispiele, die in parabolischer Form wiedergegeben werden. Röm 6,3 und Röm 7,1 werden mit der Formel „Wisst ihr denn nicht“ (ἀγνοεῖτε) eingeleitet, um die Bildhaftigkeit zu unterstreichen.5 Schriftzitate werden mit besonderen literarischen Formeln eingeleitet. Im Galaterbrief fällt auf, dass Paulus die Formel „dies verweist auf etwas anderes“ (ἅτινά ἐστιν ἀλληγορούμενα [Gal 4,24]) verwendet.6 In Röm 15,4 leitet er das Schriftzitat mit den Worten „Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Unterweisung geschrieben“ (ὅσα γὰρ προεγράφη, εἰς τὴν ἡμετέραν διδασκαλίαν ἐγράφη) ein. Es ist unbestritten, dass die paulinische Sprache reich an bildhaften Entsprechungen ist. In Form eines Selbstzeugnisses spricht Paulus in 1 Kor 2,12 davon, dass diejenigen, die in Christus sind, nicht den Geist der Welt, sondern den Geist, der von Gott kommt, empfangen haben. Hier verbindet er das pneumatische Geschehen mit dem Verstehen dessen, was Gott den Menschen geschenkt hat. Genauer gesagt hat Gott dieses Verstehen nicht nur den Menschen, sondern den Hörerinnen und Hörern gegeben; darüber hinaus bezieht Paulus sich und sein Selbstverständnis als Apostel mit ein. Im folgenden Vers, 1 Kor 2,13, skizziert Paulus, dass er von der Geistgabe spricht und dies nicht mit den Worten tut, die die menschliche Weisheit lehrt, sondern mit Worten, wie sie der Geist lehrt. 1 Kor 2,13 Und davon reden wir, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern mit Worten, wie der Geist sie lehrt, indem wir für Geistliches geistliche Bilder brauchen. 14 Der natürliche Mensch aber erfasst nicht, was aus dem Geist Gottes kommt, L. S.  Rehmann, The Doorway into Freedom: The Case of the ‚Suspected Wife‘ in Romans 7.1–6, JSNT 23 (2001), 91–104. 4  Die Beobachtung, dass Paulus die agrarischen Gegebenheiten zu Gunsten der theologischen Aussage verkehrt, steht am Anfang der Ausführungen von Matthias Hartung (M. Hartung, Die kultische bzw. agrartechnisch-biologische Logik der Gleichnisse von der Teighebe und vom Ölbaum in Röm 11,16–24 und die sich daraus ergebenden theologischen Konsequenzen, NTS 45 [1999], 127–40, hier 127) So auch schon bei J. Drury, The Parables in the Gospels. History and Allegory, New York 1985, 28. Direkten Bezug auf Bildhaftigkeit und Deutungspluralismus der paulinischen Sprache nimmt R. Schwindt, Mehr Wurzel als Stamm und Krone: zur Bildrede vom Ölbaum in Röm 11,16–24, Biblica 88 (2007), 64–91. Eine ausführliche Forschungsgeschichte bietet S. Khobnya, ‚The Root‘ in Paul’s Olive Tree Metaphor (Romans 11:16–24), TynB 64,2 (2013), 257–73. Für Khobnya steht beim Ölbaumgleichnis vor allem der christologische Charakter der Inklusion der Heiden im Mittelpunkt der Metapher (ebd. 267). 5 Zur Interdependenz zwischen rituellen Praktiken, paulinischer Theologie und Metaphorik siehe T. J.  Do, Christ Crucified and Raised from the Dead: Paul’s Baptismal Theology and Metaphorical Appropriations in Romans 6:3–4, CBW 34 (2014), 207–224, hier 207: „Paul’s sacrificial language (such as ‚baptism into his death‘ and ‚raised from the dead’) is a metaphor that sums up his teaching on baptism.“ Und weiter: „In this process of spiritualization, namely, the metaphorical appropriation of cultic practices, the baptized have been incorporated into Christ’s death and resurrection“ (a. a. O., 224). 6  Gal 4,21–31 stellt eine Erzählung von Hagar und Sara in einer historisierenden Allegorie dar. Die Relevanz der Allegorie für den antiken Leser wird durch Bezüge zum Berg Sinai und Jerusalem unterstützt. So auch schon bei Drury, The Parables in the Gospels (s. Anm. 4), 29.

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denn für ihn ist es Torheit; und er kann es nicht erkennen, weil es nur geistlich zu beurteilen ist. 15 Wer aber aus dem Geist lebt, beurteilt alles, er selbst aber wird von niemandem beurteilt. 16 Denn wer hätte die Gedanken des Herrn erkannt, dass er ihn unterwiese? Wir aber haben die Gedanken Christi. (ZRH)

Paulus charakterisiert seine geistliche bildhafte Sprache und seine Fähigkeit, Geistliches zu interpretieren. Menschliches von geistlichem Reden bzw. von Dingen, die Gott gegeben hat, zu unterscheiden, begegnet uns noch an weiteren Stellen. Paulus verweist in Röm 3,5; Gal 3,15 und Röm 6,19 mit der Formulierung κατὰ ἄνθρωπον λέγω bzw. ἀνθρώπινον λέγω darauf, dass er jetzt „nach menschlicher Weise“ reden würde.7 Die Texte, auf die sich diese Aussagen beziehen, sind von ganz unterschiedlicher Natur. Während es in Röm 3 um die menschlich anmaßende Rede von Gott, in Röm 6,19 um die Metapher vom Sklaven und in Gal 3,15 um das Exemplum Erbrecht geht, ist 1 Kor 2,12–16 der ausführlichste Abschnitt, der von der Gegenüberstellung menschlicher und göttlicher Erkenntnis spricht. Ob dieser Vielfalt kann mit Betz für alle Belege vorausgesetzt werden, dass Paulus ein technisches Verständnis seiner Bildinterpretation nahelegt.8 Nach einer exemplarischen Betrachtung der bildhaften Sprache bei Paulus wird sich dieser Beitrag der paulinischen Bildinterpretation am Beispiel der Gegenüberstellung von Adam und Christus widmen. Methodische Grundlage bildet das Verständnis der Analogiebildung. Der Fokus auf die Analogie als bildhafte Rede bei Paulus erklärt sich vor dem Hintergrund, dass die Analogie sowohl für Metaphern als auch für Gleichnisse den tragenden Vergleich bildet.9 Um dem Analogiebegriff in Bezug auf die Offenbarung Gottes näher zu kommen, werden wir uns den Studien Wolfhart Pannenbergs widmen. Er definiert die theoretische Grundlage für das Verstehen der Offenbarung Gottes, mit der eine neue Situation im Sinn einer Gemeinschaft geschaffen wird. Ausgehend von der Verhältnisbestimmung zwischen Analogie und Offenbarung bei Pannenberg werden wir uns bei der Betrachtung von Röm 5,12–21 der Kritik Karl Barths an der natürlichen Theologie und der daraus erwachsenden Debatte widmen. Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Adam und Christus werden wir fragen, wie der Analogiecharakter zu verstehen ist und uns mit den Antworten Jüngels und Bultmanns beschäftigen. Nicht zuletzt werden die Ergebnisse der Debatte an der Exegese gemessen und abschließend ausgewertet. 7  Siehe den vergleichenden Beitrag von Joachim Jeremias, der den Bezug zu einem Beispiel aus dem Alltag durch ὅμως eingeleitet sieht J. Jeremias, OMΩΣ (1 Kor 14,7; Gal 3,15), ZNW 52 (1961), 127 f. 8 H. D.  Betz, Galatians. A Commentary on Paul’s Letter to the Churches in Galatia (Hermeneia), Philadelphia 1979, 154: „While it also occurs in Rom 3:5; 1 Cor 9:8, and in a different form in Rom 6:19,12 it is found nowhere else in primitive Christian literature. Yet the Pauline usage suggests that we have here a somewhat technical expression. The strange fact remains, however, that neither the Jewish nor the Greek literature have precise parallels.“ 9  G. Söhngen, Analogie und Metapher. Kleine Philosophie und Theologie der Sprache (Studium Universale 4), Freiburg 1962, 83 f.

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II. Der Analogiebegriff Das griechische analogia wurde als Lehnwort zunächst ins Lateinische und später ins Deutsche und andere moderne Sprachen übernommen. Für das Adjektiv bieten sich Übersetzungsmöglichkeiten wie „übereinstimmend“, ­„entsprechend“ oder „im gleichen Verhältnis stehend“. „Übereinstimmung“, „Entsprechung“ oder „Verhältnisgleichheit“ sind Substantive, die mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen in den Kultur‑ und Geisteswissenschaften gleichermaßen vorkommen.10 Ausgehend von dem in der griechischen Antike verwendeten Begriff, der die Gleichheit von Zahlenverhältnissen ausdrückt, entwickelte sich der Terminus zu einem Schlüsselbegriff für die Beschreibung von Übereinstimmungen in Relationen. So findet analogia beginnend in der hellenisierten Antike auch Verwendung in Bezug auf gleiche semantische oder grammatikalische Relationen, die durch gleiche Lautoppositionen ausgedrückt werden. Dieser sprachwissenschaftliche Zugang entfaltet seine Bedeutung bis heute in linguistischen Studien,11 die unabhängig von der seit dem Mittelalter mit Analogien verbundenen Beschreibung von systematischen Mehrdeutigkeiten besteht.12 Für die theologische Reflektion wird die Analogie deshalb relevant, weil die Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Mensch Teil der Auseinandersetzung mit der natürlichen Theologie ist.13 Die folgenden Beobachtungen basieren auf der grundlegenden Definition, dass eine Analogie Ähnlichkeitsverhältnisse ausgehend von einem univoken Kern beschreibt.14

III. Analogie als Partizipation in der Systematischen Theologie In seiner Habilitationsschrift Analogie und Offenbarung legt Pannenberg dar, dass die Untersuchung zur Geschichte der Analogielehre, zur Analogie des Seinsbegriffs und zu ihrer Anwendung auf die Lehre von der Gotteserkenntnis, gezeigt [hat], dass die Ana10  H. G.  Coenen, Analogie und Metapher. Grundlegung einer Theorie der bildlichen Rede (De Gruyter Studienbuch), Berlin 2002, 9. 11  A. Dauses, Sprachwandel durch Analogie. Zu den Gründen des sprachlichen Wandels, Stuttgart 1991. 12  Coenen, Analogie (s. Anm. 10), 9. 13  M. Held, Gabe der Analogie. Phänomenologische Erkundungen zu einer theologischen Denkform (Theologie – Kultur – Hermeneutik 23), Leipzig 2017, 319. 14  Weitere Definitionen siehe: T. Brandt, Ana – Ton – Auton – Logon. Zur Entwicklung des Gebrauchs der Analogie in der griechischen Philosophie, Marburg 1977; Coenen, Analogie (s. Anm. 10); Dauses, Sprachwandel (s. Anm. 11).

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logie auf jeden Fall einen Kern echter Gemeinsamkeit der durch sie in Beziehung gesetzten Glieder einschließen muss.15

Hinsichtlich der gemeinschaftlichen Bedeutung bezieht sich Pannenberg auf den seit der mittelalterlichen Scholastik ausformulierten Partizipationsgedanken. Der Grundsatz, dass wir von Gott nur von seinen geschöpflichen Wirkungen her reden können, „indem wir ihre letzte Ursache als Quelle der an ihnen vorzufindenden Vollkommenheiten benennen“,16 grenzt sich klar gegen Vorstellungen ab, die einen Rückschluss aus der gegebenen Welt auf eine göttliche Ursache erlauben. Im Gegensatz zu einem neuplatonischen Kausalschema vertritt Pannenberg die Auffassung, dass „es zur Erkenntnis von Eigenschaften Gottes nach dem Zeugnis der Bibel durch Gottes geschichtliches Handeln kommt (vgl. Ex 3,13 ff., dazu meine Systematische Theologie 1, 1988, 389 ff) […]“.17 Nicht nur Ex 3,13, sondern auch das paulinische Verständnis der Gotteserkenntnis ist in dieser Hinsicht für Pannenberg relevant. Für ihn ist zentral, dass Paulus nach 1 Kor 12,11 den Geist als eine Wirkmacht versteht, die sich jedem so zuteilt, wie sie es will.18 Entscheidend dabei ist, dass „[j]ene Tat nicht nur einen ihr vorgegebenen Raum aus[füllt], sondern sie die Grenzen und Formen, die sie vorfindet, durchbricht“.19 Aus 2 Kor 4,4 wird für Pannenberg deutlich, dass durch Erleuchtung im Neuen Testament die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht des gekreuzigten Christus wirkt.20 Gottes Offenbarung schafft in diesem Sinn eine völlig neue Situation, was Paulus durch sein „Nun aber“ in Röm 3,21 und Röm 5,1 zum Ausdruck bringt.21 Große Bedeutung hat die Transformation des Glaubenden, denn die rettende Tat Gottes macht den Glaubenden zu einer neuen Kreatur (2 Kor 5,17). Sie ist Neuschöpfung im strengen Sinne des Wortes Schöpfung, vergleichbar nur mit der Auferstehung der Toten (Röm 8,11; cf. 4; 17) – und das ist mehr als ein Vergleich. Die Botschaft von der Auferstehung der Toten muß die neuplatonische Lehre von den Proportionen, in denen die Dinge konstituiert sind und in denen sie, komme was da wolle, auch bleiben, sprengen.22

„Mehr als ein Vergleich“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Analogiebegriff, der sich aus der pythagoreischen Mathematik herleiten lässt, mit der aristotelischen Metaphysik einen grundlegenden Wandel erfuhr. Die pythagoreische Mathematik, die empedokleische (vorsokratische), hippokratische oder 15  W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung. Eine kritische Untersuchung zur Geschichte des Analogiebegriffs in der Lehre von der Gotteserkenntnis, Göttingen 2007, 212. 16  Ebd. 17   A. a. O., 214. 18  A. a. O., 50. 19  Ebd. 20  Ebd. 21  A. a. O., 43. 22  Ebd.

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die sokratisch-platonische Philosophie lehren, dass sich in einer Analogie erst durch den identischen, gemeinsamen Logos die Analogizität von verglichenen Verhältnissen offenbart. Dagegen geht Aristoteles davon aus, dass einzelne Begriffe nicht in Relation stehen, sondern analog sind, und dass abstrakte Relationen (z. B. Form-Materie) aus den entsprechenden, konkreten Beziehungen der verschiedenen Dinge entstehen.23 Das ist eine hinreichende Grundlage, um im Neuplatonismus und in der Alten Kirche darüber nachzudenken, welche Rolle die Analogie bei der Anwendung auf das Gott-Welt-Verhältnis spielt und was das die analogen Relationen verbindende identische Element ist.24 Obgleich der Neuplatonismus durch diverse Strömungen gekennzeichnet ist, bleibt das Charakteristische der platonischen Analogie nach Pannenberg erhalten. Es besteht darin, daß mit einer bekannten (sinnenfälligen) Relation eine ihr entsprechende unbekannte im Geistigen erfaßt wird, unter der Voraussetzung eines irgendwie vorhandenen, wenn auch nicht adaequat bestimmbaren gleichen Logos.25

Für christliche Denker liegt die Gefahr einer analogen Gott-Welt-Beziehung einerseits im Pantheismus, andererseits im Kausalzusammenhang selbst. Während der Pantheismus dadurch entschärft werden kann, dass das Eine als Eines der Welt transzendent bleibt, und diese in sich selbst unvollkommen bleibt, so ist bei einem kausalen Zusammenhang zwischen Gott und Welt eine geschichtliche Offenbarung, wie sie Apg 4,5 und 1 Kor 3,11 voraussetzen, kaum verständlich. Das liegt vor allem daran, dass die Wirkungen als Wirkungen, als das, was sie in sich sind, Anteil an jenem ersten Ursprung haben, so daß sie aus sich selbst, von ihrer eigenen Seiendheit her, sich der Verbindung mit dem Ursprung entgegenstrecken können […].26

Überzeugender ist das neuplatonische Verständnis von Analogie für die Rechtfertigungslehre. Sünde wird auf keinen Fall in ihrer Radikalität als Widerstreit des ganzen menschlichen Daseins gegen Gott verstanden. Auf der einen Seite nimmt der Sünder daher den Kontakt zu Gott nicht auf, auf der anderen können sich christliche neuplatonische Denker sicher sein, dass „in jenem Gewirkten selbst die Verbindung mit dem Urgrund intakt ist“.27 Ein dritter, und für die paulinischen Briefe entscheidender Aspekt, ist das sogenannte „Zurückstreben aus der Vielfalt zum Einen“. Damit drückt Pannenberg aus, dass das Gewirkte im Grunde doch nur nach derjenigen Verbindung zum Ursprung strebt, die das Gewirkte als solches immer schon hatte.28 Erleuchtung des nous bringt in dieser Beziehung nichts neues, wie Pannenberg feststellt.   A. a. O., 25–29. 34. 25  A. a. O., 38. 26   A. a. O., 42. 27   A. a. O., 43. 28 Ebd. 23

24  A. a. O.,

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Es ist richtig, dass Pannenberg in seiner Lehre von der Analogie versucht, die Analogie von einer ihr innewohnenden ontologischen Struktur her zu deuten und die Offenbarung nicht wie Barth als Ereignis oder Selbstmitteilung bzw. Selbstinterpretation Gottes versteht.29 Es geht Pannenberg folglich darum, einen univoken Kern der Analogie zu beschreiben.30 Das Unbekannte soll durch das Bekannte verstanden werden. Das stiftet nicht nur Gleichheit, sondern auch Identität und Partizipation, weil die Analogie auf einen Logos zurückgeht. 2006 fasst Pannenberg dies in seinem Nachwort zur 1955 erstmals veröffentlichten Habilitationsschrift mit den Worten zusammen: Die Rede von der ‚univoken‘ Bedeutung unserer Begriffe in Anwendung auf Gott mit ihrer kritischen Wendung gegen die Analogielehre besagt nur, dass auch ‚analoges‘ Reden von Gott ein univokes Element einschließen muss, wenn es überhaupt etwas besagen soll.31

Geht man bei der Interpretation der paulinischen Bildsprache davon aus, dass Paulus in seiner Theologie, seinem analogen Reden von Gott, ein univokes Element einschließt, dann bezieht sich dieser Logos auf seine Interpretation der Offenbarung Gottes. Mit Paulus ausgedrückt erschließen sich die Gedanken Christi durch den Geist, so dass Geistliches mit geistlichen Bildern interpretiert werden kann (1 Kor 2,13–16). In den folgenden Interpretationen der paulinischen Bildsprache im Röm 5,12–21 werden wir den Analogiebegriff von Pannenberg anhand der damit verbundenen theologischen Debatte hinterfragen. Wir werden untersuchen, inwiefern Paulus das Gott-Welt-Verhältnis in analogen Relationen betrachtet, die auf einen univoken Kern verweisen. Unterstützt wird die exegetische Diskussion durch die theologische Debatte, die sich bereits seit den 1930er Jahren an der Adam-Christus Analogie entfaltet.

IV. Die Adam-Christus-Analogie in Röm 5 im Spannungsfeld systematisch-theologischer und exegetischer Perspektiven Pannenbergs Analogie und Offenbarung steht in direktem Zusammenhang mit der Antwort Karl Barths auf Erich Przywaras Buch Analogia entis (1932),32 der zufolge er in seiner Kirchlichen Dogmatik erklärte, dass diese Lehre die Erfindung des Antichrist sei, deretwegen man nicht katholisch werden könne (Kirchliche Dogmatik I/1, 1932, VIII).33 Ohne der damit ausgedrückten Kluft 29 Held,

Gabe der Analogie (s. Anm. 13), 320 f.   A. a. O., 323. 31  Pannenberg, Analogie (s. Anm. 15), 212. 32 E. Przywara, Analogia Entis. Metaphysik, München 1932. Eine sehr aufschlussreiche Kontextualisierung von Przywaras „Analogia Entis“ gibt: P. S.  Peterson, Erich Przywara on Sieg-Katholizismus, Bolshevism, the Jews, Volk, Reich and the analogia entis in the 1920s and 1930s, ZNThG 19 (2012), 104–140. 33  So auch diskutiert bei: Pannenberg, Analogie (s. Anm. 15), 6. 30

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zwischen katholischer und protestantischer Theologie zu viel Raum zu geben, muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass jegliche Zurückweisung einer natürlichen Theologie bei Barth auch bei seiner Interpretation von Röm 5,12– 21 im Hintergrund steht. Die Antwort Przywaras, dass er mit der analogia entis das Form‑ und Strukturprinzip des Katholizismus meine und er auf die echte analogia fidei verwiesen habe,34 zeigt, wie grundlegend das Verständnis von Analogie für theologische Reflektionen ist. Grundlegend vor allem deshalb, weil die Beziehung zwischen Gott und Mensch bei Barth auf einen Analogiecharakter der Relation bezogen ist.35 Eine Relation, die beinhaltet, dass Gott damit in der Univozität der Liebe, in der Gabe seines Seins, in seiner Beziehung zum Menschen seinem innertrinitarischen Sein entspricht.36 Mit Markus Held lässt sich Barths Ansatz so zusammenfassen: Der Mensch wird darin Gott analog, dass Gott sich ihm in der Gabe des Seins, in der Offenbarung in Jesus Christus zu erkennen gibt. Die Gabe des Seins ist die Gabe der Anerkennung, die die Befähigung zur Bündnisfähigkeit  / Verhandlungsfähigkeit des Menschen als Ausschluss der Wirklichkeit des Subjektseins als ein dem Menschen eigenen und ihm als solche verfügbare Erhebung zu Gott begründet.37

In der Analogie eine Beziehungsform zu sehen unterscheidet Barth von der Interpretation Przywaras, der zwar die Gleichheit zwischen beiden Seienden als Voraussetzung ansieht, um überhaupt eine Beziehung annehmen zu können, dennoch aber eine Ungleichheit annimmt, da diese der Garant für das Bestehen der Beziehung ist, weil bei vollkommener Gleichheit eine Verhältnisbestimmung nicht möglich wäre.38 An der Interpretation von Röm 5,12–21 lässt sich exegetisch beweisen, was in der Auseinandersetzung über die Analogie bereits gesagt wurde. In Barths 1952 erschienenem Aufsatz „Christus und Adam nach Röm 5. Ein Beitrag zur Frage nach dem Menschen und der Menschheit“ legt er überzeugend dar, dass Paulus Christus mit Gott und seinem Werk zusammengesehen hat und sich von ihm unterschied, auch wenn er von seiner menschlichen Natur gesprochen hat.39 Barth stellt Folgendes fest: 34  Held, Gabe der Analogie (s. Anm. 13), 216. Eher zurückhaltend in der Beurteilung der Analogie bei Barth ist M. Weinrich, Karl Barths Weg von der Krisis zur Kritik: Klärung der Perspektive – kein Richtungswechsel, ZDTh 32 (2016), 71–94, hier 72: „Es bleibt weithin übersehen, dass Barth nur einen sehr zurückhaltenden Gebrauch von der Analogie macht und ausdrücklich hervorhebt, dass ihre Inanspruchnahme stets auch die mit ihr verbundene Brechung im Bewusstsein zu halten habe, so dass es nur einen grundsätzlich vorbehaltlichen Gebrauch des Instruments der Analogie geben könne.“ 35  Held, Gabe der Analogie (s. Anm. 13), 270. 36 Ebd. 37 Ebd. 38   A. a. O., 219. 39  K. Barth, Christus und Adam nach Röm 5. Ein Beitrag zur Frage nach dem Menschen und der Menschheit (ThSt 35), Zürich 1952, 7.

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Er [Paulus] hat den Menschen Jesus in seinem Sterben und Auferstehen auf die eine, sich selbst und alle anderen Menschen – hier zunächst die Glaubenden – mit ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf die andere Seite gestellt.40

Was für das Verhältnis zwischen Paulus und Christus gilt, gilt auch für das Verhältnis zwischen den Menschen und Christus. Es gilt aber nicht, und das ist ein entscheidender Gesichtspunkt, für das Verhältnis zwischen Adam und den Menschen. Barth wendet sich in seiner Interpretation von Röm 5,12 im Hinblick auf 5,18–19 und 5,21 gegen die Auffassung, dass das Verhältnis zwischen Adam und uns Ausdruck des eigentlichen und ursprünglichen Wesens sei. In Adam lässt sich demzufolge nicht die anthropologische Grundwahrheit erkennen, aus der sich dann nachträglich das Verhältnis zwischen Christus und uns ableiten lässt.41 Die primäre anthropologische Wahrheit wird vielmehr durch das Verhältnis zwischen Christus und uns offenbar.42 In der Gegenüberstellung der „beiden Seiten“ in seiner Exegese verdeutlicht Barth bald, dass man zwar von einem analogen Verhältnis zwischen Gott und Mensch sprechen kann, aber dennoch Gleichheit und Ungleichheit definieren muss. Demzufolge besteht zwischen den beiden Seiten „Adam und wir alle“ und „Christus und wir alle“ eine formale Gleichheit, weil beide formal in derselben Weise auch in Christus sind, oder weil Christus formal in derselben Weise in uns ist.43 Die formale Gleichheit drückt sich dadurch aus, dass die Sünde die menschliche Natur nicht vernichten oder verwandeln kann. Eine Ungleichheit, oder besser gesagt die Erkenntnis der Ungleichheit, bezieht sich auf eine materiale Ungleichheit, denn Adam soll von Christus und nicht Christus von Adam her verstanden werden.44 „Adam und wir“ ordnet sich dem „Christus und wir“ unter, womit dieser Seite der Analogie eine Vorläufigkeit unterstellt ist.45 In der Verhältnisbestimmung geht es Barth darum, von einer Ordnung innerhalb der analogen Beziehung zu sprechen. Bei aller Gleichheit der Verhältnisse identifiziert er eine obere und eine untere Stufe, bei der „Adam und wir“ auf der unteren und „Christus und wir“ auf der oberen Stufe stehen. Die untere kann auf die obere hinweisen und ihr Vorbild, ihr Gleichnis, also ihr typos (Röm 5,14) sein.46 In den Versen Röm 5,13–14 und Röm 5,20 wird für Barth in der paulinischen Argumentation deutlich, dass zwischen der Einheit mit Adam und der Einheit mit Christus die Offenbarung des Gesetzes steht.47 Durch das Gesetz wird der Mensch mit Gott konfrontiert, denn die Sünde war in der Welt, bevor 40 Ebd.

  A. a. O., 10–11.   A. a. O., 11. 43  A. a. O., 13–14. 44   A. a. O., 14–15. 45   A. a. O., 15. 46  A. a. O., 31. 47  Ebd. 41 42

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das Gesetz kam.48 In dieser Konfrontation mit Gott wird dem Menschen durch das Gesetz eine unüberwindbare Grenze gesetzt. Diese Grenze ist zugleich dadurch bestimmt, dass Gott sich des Menschen annimmt.49 Was aus Röm 5,12–21 zu lernen ist, ist für Barth recht simpel: Jesus Christus ist das Geheimnis und die Wahrheit auch des sündigen und sterbenden Menschen und also das Geheimnis und die Wahrheit der menschlichen Natur als solcher.50

Am Ende verweist Barth auf den Analogieschluss zwischen Adam und Christus, denn es besteht eine gleichnishafte Beziehung zwischen Adam und Christus. Eine Einheit des einen und der Vielen, seiner Tat und ihrer Taten, seines Standes und des ihrigen. Eben in dieser Einheit ist Christus Mensch gewesen wie Adam. Eben in dieser Einheit ist Adam also das Vorbild und Gleichnis Christi, obwohl er ihm in der Stellung des Herrn und Hauptes, die Christus in dieser Einheit einnimmt, schon formal nicht entspricht und als sündiger Mensch auch sachlich nur in der Verkehrung entsprechen kann.51

Da diese Einheit zum Ursprünglichen seiner Natur gehört, ist es wenig verwunderlich, wenn Paulus sie auch auf Seiten Adams als gegeben voraussetzt. Dementsprechend kann auch für den sündigen Menschen angenommen werden, dass er die Natur Christi widerspiegelt und „nicht aufgehört hat, der wahre Mensch zu sein und uns das Bild des wahren Menschen zu zeigen“.52 Rudolf Bultmann kritisierte bekanntermaßen Barths Intention, die Diskussion über die natürliche Theologie anhand der Interpretation von Röm 5 zu führen. Bultmann ist nicht der Ansicht, dass Röm 5,1–11 und Röm 5,12–21 in dieser Perspektive gelesen werden dürfen. Barth verkürze die Rede vom Glauben, weil er davon ausgeht, dass wir schon als Menschen, als Adams Kinder und Erben, innerhalb des Reiches Christi stehen und es deshalb um die Glaubenden so bestellt ist, wie in Röm 5,1–11 beschrieben.53 Nachweisen lässt sich das anhand einer exegetischen Provokation: Das διὰ τοῦτο v. 12 bezieht Barth also auf den ganzen Abschnitt vv. 1–11. Aber indem er das ὥσπερ ignoriert (v. 12 sei wahrscheinlich nicht als Anakoluth zu verstehen, sondern als ‚eine Art Überschrift‘, S. 9), ergänzt er ein ὅτι, das für den ganzen Abschnitt 5,12–21 gelten soll.54

Barths Perspektive von Christus auf Adam wird von Bultmann scharf kritisiert. Mit Blick auf den Text stellt Bultmann fest, dass Paulus nichts davon sagt,

  A. a. O., 32–33. 49. 50   A. a. O., 50. 51   A. a. O., 55. 52 Ebd. 53  R. Bultmann, Adam und Christus nach Röm 5, ZNW 50 (1959), 145–165, hier 162. 54  Ebd. Röm 5,12: Διὰ τοῦτο ὥσπερ δι᾿ ἑνὸς ἀνθρώπου ἡ ἁμαρτία εἰς τὸν κόσμον εἰσῆλθεν καὶ διὰ τῆς ἁμαρτίας ὁ θάνατος, καὶ οὕτως εἰς πάντας ἀνθρώπους ὁ θάνατος διῆλθεν, ἐφ᾿ ᾧ πάντες ἥμαρτον. 48

49  A. a. O.,

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daß die adamitische Menschheit innerhalb der Herrschaft Christi stand, sondern er stellt die Perioden vor und nach Christus rein als Gegensätze gegeneinander als die Periode der Sünde (und des Gesetzes) und des Todes und als die Periode der δικαίωσις ζωή. Und er sagt nicht, daß wir uns rühmen im Rückblick auf die vergangene Periode, weil in dieser auch schon Christus gegenwärtig gewesen sei. Er sagt nichts davon, daß wir nachträglich die Ordnung des Reiches Christi auch in der Welt Adams wieder erkennen dürfen (S. 10).55

Ist es hyperkritisch, wenn Barth dafür kritisiert wird, dass er an der Frage nach dem Menschen an sich interessiert ist und Bultmann darauf hinweist, dass Paulus nicht von der „Natur“ des Menschen, sondern von den unterschiedlichen Menschheiten, nämlich der adamitischen und der christlichen Menschheit, spricht?56 Es ist wohl richtig, dass Barth nicht „Gesetz und Evangelium“, sondern nur „Evangelium und Gesetz“ lesen möchte,57 aber nicht, weil er die Bedeutung des Glaubens unterschätzt, sondern weil er die Offenbarung des Gesetzes als Grenze ansieht, durch die der Mensch Annahme erfährt. Damit steht das Evangelium vor dem Gesetz ungeachtet des Glaubens an Christus. Die menschliche Gestalt Christi bildet, nach Barth, für den Glaubenden dann die Differenz zu seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei sich Paulus auf die Seite der Menschen stellt. Bultmann bleibt dies unverständlich, aber mit dem Verständnis des Analogiecharakters als Relation wird deutlich, warum die menschliche Natur Christi uns das Bild des wahren Menschen zeigt.58 Bei der Auseinandersetzung wird klar, dass Barth und Bultmann an unterschiedlichen Grundsatzfragen der paulinischen Theologie interessiert sind. Während Bultmann die Entmythologisierung Adams ablehnt, da dies sowohl Adam als auch Christus zu einer bloßen Idee abwerten würde,59 und am Zusammenhang von Sünde und Gnade die Bedeutung des Glaubens festmacht, orientiert sich Barth an einem analogen Ordnungsgedanken, der sich schöpfungstheologisch begründet und implizit der natürlichen Theologie widerspricht. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass Bultmann mit Barth in der Annahme einer Adam-Christus-Analogie übereinstimmt.60 Dennoch kontextualisiert Bultmann Barths Interpretation von Röm 5 falsch. In Anbetracht des Diskurses zur Analogie im neutestamentlichen Zeitalter, der von Pannenberg durch die Analyse des neuplatonischen Analogiebegriffes skizziert wurde, erfährt Barths analoger Ordnungscharakter sehr viel mehr Wertschätzung. Dort wo Pannenberg von der Analogie als Partizipation an einer bekannten (sinnenfälligen) Relation unter der Voraussetzung eines irgendwie vorhandenen, wenn auch nicht adäquat bestimmbaren gleichen Logos spricht, antwortet Barth mit der  Bultmann, Adam und Christus (s. Anm. 53), 163.

55

56 Ebd.

57  A. a. O.,

164.   A. a. O., 165. 59  Ebd. 60 E. Jüngel, Das Gesetz zwischen Adam und Christus, ZThK 60 (1963), 42–74, hier 43. 58

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Vorstellung, dass Adam von Christus und nicht Christus von Adam her gelesen werden muss. Dort wo Pannenberg von einem univoken Kern der Analogie spricht, formuliert Barth, dass Christus das Geheimnis und die Wahrheit der menschlichen Natur ist.61 Abgelehnt wird diese Analogie von Egon Brandenburger, der in Röm 5 vor allem der Tat der beiden Einen und ihrer geschichtsmächtigen Wirkung große Bedeutung beimisst. Dabei stehen sich die Verschlossenheit aller Menschen unter die Verderbensmächte Sünde und Tod und gleichermaßen umfassend die Erschlossenheit des Heils in Gegenwart und Zukunft für alle gegenüber. Brandenburger sieht in Röm 5 nicht die gleichen anthropologischen Relationen einander gegenübergestellt. Für Brandenburger ist „die Sünde Adams das Urdatum, hinter das es kein Zurück gibt, keine Spekulation über den Urstand“.62 Besonders verstörend sind für Brandenburger die Ordnungen, die Barth vornimmt. Er wirft Barth vor, dass dieser die Kategorien „oben“ und „unten“ aus 1 Kor 15,47 in Röm 5 hineinliest und sich damit zu einer Hierarchisierung von Adam als eigentlich zweitem und Christus als eigentlich erstem hinreißen lässt. Viel zitiert ist die Vermutung, der zufolge Barth sich des gnostischen Vorstellungshintergrundes stark annähert, in dessen Richtung seine Gedanken auch in einigen anderen Punkten weisen.63 Obgleich Brandenburger einräumt, dass das, was Barth unter der wahren menschlichen Natur versteht, nicht die gnostische wahre Physis ist, wirft er ihm vor, dass seine Terminologie der spekulativen Terminologie des gnostischen Hintergrundes entspricht.64 Alternativ bietet Brandenburger eine Interpretation an, die vor allem die geschichtlichen Bestimmungen aufnimmt. Er geht von einer geschichtsbezogenen typologischen Betrachtungsweise des Verhältnisses Adam-Christus aus, die sich aus der jüdisch-apokalyptischen Lehre von den zwei Äonen herleiten lässt. Die Bedeutung der Analogie als hermeneutischer Schlüssel zum Verstehen der Beziehung zwischen Gott und Mensch wird von Brandenburger nicht wahrgenommen. „Analogie“ steht mit anderen Worten für eine formal-pragmatische Struktur und nicht für einen Begriff, der in sich den Hinweis auf einen transzendenten Gott beinhaltet. Es braucht schon einen Systematischen Theologen, um die Diskussion zwischen den Exegeten und Barth auf das Thema Analogie zurückzuführen. Eberhard Jüngel greift den Diskurs der 1950er Jahre zur Analogie auf und sieht in Röm 5,12–21 den Gegensatz von Vergangenheit und Gegenwart thematisiert, indem er [sc. Paulus] der Kontinuität der Sündengeschichte die in Jesus Christus Ereignis gewordene Liebe Gottes als Gnade entgegensetzt. So treten sich noch einmal die durch 61  Zur Kritik einer univoken Metapher bei Jüngel siehe: S. Hart, The Jüngel Book: Eberhard Jüngel on Parabolic Truths and the Analogia Fidei, Crux 53 (2017), 25–34, hier 28. 62 E. Brandenburger, Adam und Christus. Exegetisch-Religionsgeschichtliche Untersuchung zu Röm 5,12–21 (1. Kor 15) (WMANT 7), Neukirchen 1962, 273. 63  Ebd. 64 Ebd.

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das Evangelium konstituierte neue Geschichte und die durch Sünde und Tod konstituierte Geschichte (als das Vorher jener) gegenüber, damit in diesem Gegenüber die Überlegenheit der Zukunft als Bestimmung der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit mit ihrem Anspruch, die Gegenwart zu bestimmen, deutlich wird.65

Im Unterschied zu 1 Kor 15,47 f. wird allerding in Röm 5,12–21 der Entsprechungsgedanke nicht sorgfältig genug durchgeführt. Für 1 Kor 15,47 f. gilt: Wie vom ersten Einen gilt: wie der Eine – so alle Seinesgleichen, so gilt vom zweiten Einen: wie der Eine – so alle Seinesgleichen.66

Die Strukturanalogien sind in diesen Versen deutlich dargestellt: Wie der erste Mensch aus der Erde ein irdischer Mensch wie Seinesgleichen ist, so ist der zweite Mensch vom Himmel wie Seinesgleichen. Auf Röm 5,12–21 ist die Analogiebildung auf der strukturellen Ebene nicht so flüssig anwendbar, weil die Entsprechung zwar mit διὰ τοῦτο beginnt, aber dem ὥσπερ das entsprechende οὕτως fehlt und stattdessen καὶ οὕτως belegt ist.67 Jüngel hält Paulus zugute, dass hinsichtlich des Todes der Entsprechungsgedanke komplett ist: Wie der Eine durch seine Sünde den Tod in die Welt brachte (so daß der Tod seine Zukunft wurde), so wurde der Tod die Zukunft aller zu dem Einen gehörenden Menschen.68

Weil es Paulus aber um die Geschichte des Menschen geht, ist die Sünde nicht einfach ein Schicksal, das Adam über die Menschen gebracht hat, „sondern ‚die Sünde kam durch das Sündigen in die Welt‘. Der Mensch hat seine Sünde zu verantworten“.69 Das Gesetz hat damit die Aufgabe, die Sünde zu potenzieren und eschatologisch zur Geltung zu bringen. Mit Bultmann stimmt Jüngel darin überein, dass die Offenbarung des Gesetzes eine Zwischenstellung markiert, die den inneren Zusammenhang zwischen den im Mythos einfach aufeinander folgenden beiden Perioden der Menschheitsgeschichte zum Ausdruck bringt, indem sie diesen Zusammenhang außerdem heilsgeschichtlich, sachlich aber existential (nicht subjektiv-individuell) bestimmt.70

Jüngel verwendet den Geschichtsbegriff im übertragenen Sinne. Er geht von einer Geschichte der Sünde aus, die nur in der Geschichte der Gnade Gottes überwunden werden kann.71 Die Frage, „ob der Entsprechungsgedanke für den Text Röm 5,12–21 konstitutiv ist, und wenn dies der Fall ist, in welchem Sinn 65 Jüngel,

Gesetz (s. Anm. 60), 50.   A. a. O., 51. 67  Ebd. „Flüssiger“ wäre der Text wie in 5,19 und 5,21: 19 ὥσπερ γὰρ διὰ τῆς παρακοῆς τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου ἁμαρτωλοὶ κατεστάθησαν οἱ πολλοί, οὕτως καὶ διὰ τῆς ὑπακοῆς τοῦ ἑνὸς δίκαιοι κατασταθήσονται οἱ πολλοί. […] 21 ἵνα ὥσπερ ἐβασίλευσεν ἡ ἁμαρτία ἐν τῷ θανάτῳ, οὕτως καὶ ἡ χάρις βασιλεύσῃ διὰ δικαιοσύνης εἰς ζωὴν αἰώνιον διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν. 68 Jüngel, Gesetz (s. Anm. 60), 51. 69   A. a. O., 51–52. 70   A. a. O., 68. 71  A. a. O., 69. 66

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Paulus den Entsprechungsgedanken verwendet“,72 klärt sich im Hinblick auf das Gesetz. Das Gesetz ist für die Entsprechung, welche eine eschatologische Entsprechung ist, zwischen Adam und Christus unentbehrlich.73 Im Gegensatz zu Brandenburger, der von einer geschichtlichen Zäsur ausgeht und im Gegensatz zu Barth, der eine christologische Beschreibung von Adam und implizit auch vom Gesetz vornimmt, geht Jüngel davon aus, dass die Christusseite in dieser Entsprechung von vornherein eschatologisch qualifiziert ist. Dies gilt jedoch nicht für die Adamseite.74 Es handelt sich um eine „doppelt antithetische Entsprechung“, da der negativ eschatologisch konnotierte Adamszusammenhang dem positiv eschatologisch konnotierten Christuszusammenhang gegenüber steht.75 Während der mythische Gedanke des Entsprechungsgedankens von Paulus korrigiert wird, spricht sich Jüngel (mit Bultmann und Bornkamm gegen Brandenburger) dafür aus, dass das Gesetz nicht eingeschränkt wird.76 Mit der Arbeit von Jüngel rückt die Interpretation von der Analogiebildung in Röm 5,12–21 ins Zentrum der Frage nach dem Bund Gottes mit Israel. Peter Lengsfeld reagierte 1965 auf die Diskussion mit einem dogmatischen Entwurf, um an Röm 5,12–21 zu zeigen, dass das Heilsangebot Gottes grundsätzlich für alle Menschen gilt, auch für die, die nicht durch den Bund Gottes mit Israel dazu im voraus erwählt sind. Juden und Nichtjuden haben sich Gerechtigkeit und Leben in grundsätzlich gleicher Weise im Glauben schenken zu lassen, auf daß sie durch den einen Jesus Christus die Versöhnung erfahren und zum ewigen Leben gerettet werden.77

Lengsfeld, der die Kommunikation zwischen Exegese und Dogmatik stark macht, verwendet den Begriff der Dissoziation, um darauf hinzuweisen, dass der Mensch unter einer universalen Sünden‑ und Todesherrschaft steht, bevor er selbst gehandelt hat.78 Christus als Überwinder von Tod und Sünde sprengt die Fesseln der Dissoziation, die sich vor allem geschichtlich, also im Denken, Sprechen, Handeln und in jeglichem Lebensvollzug, äußert.79 Mit dieser Interpretation verortet Lengsfeld die Geschichtlichkeit dort, wo sie m. E. hingehört: in das Erleben des Menschen mit der Offenbarung Gottes. Ohne eine chronologische Ordnung vorzunehmen, weil dem Heil Gottes eine schöpfungstheologische Zeitlosigkeit innewohnt, erlebt der Mensch sich und Adam auf der einen und sich und Christus auf der anderen Seite.   A. a. O., 44.   A. a. O., 55. 74 Ebd. 75   A. a. O., 56. 76   A. a. O., 56–57. 77 P. Lengsfeld, Adam und Christus. Die Adam-Christus-Typologie im Neuen Testament und ihre dogmatische Verwendung bei M. J. Scheeben und K. Barth (Koinonia 9), Essen 1965, 242. 78  A. a. O., 243. 79   A. a. O., 243.249. 72 73

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Die Beobachtungen zum Diskurs des Analogiebegriffs im Allgemeinen und zum Analogiecharakter in Röm 5,12–21 im Besonderen haben viel Raum eingenommen. Das ist symptomatisch, wie auch Christof Landmesser in Bezug auf die Positionen Barths und Bultmanns festgestellt hat. Landmesser muss in seiner Einschätzung recht gegeben werden, dass der Sachverhalt von Anfang an eine hermeneutisch verzwickte Lage offenbart, denn es ist nicht nur der griechische Text des Paulus Gegenstand der Auseinandersetzung, sondern es wird in der deutschsprachigen evangelischen Theologie um eine Weichenstellung gekämpft, in der dem interessierten Publikum keine bloße Zuschauerrolle überlassen wird.80

V. Die Einbettung der Analogie in die Paulinische Theologie Wie sich an den exegetischen Entwürfen von Barth, Bultmann, Brandenburger und Jüngel gezeigt hat, geht es vor allem um die Einschätzung zentraler Verse in Röm 5,12–21. Leitend ist die Frage, wie Paulus den Analogiecharakter etabliert und welche theologischen Konsequenzen damit verbunden sind. 1. Entscheidend ist die Beurteilung der Einbettung des Abschnitts in den Römerbrief und das Verhältnis zwischen Röm 5,1–11 und Röm 5,12–21. 2. Eine wichtige Weichenstellung für die Exegese ist die Beurteilung des zusätzlichen καί in der Formel ὥσπερ … καὶ οὕτως in Röm 5,12. Das beinhaltet auch die Verhältnisbestimmung zwischen den Versen Röm 5,12–14; Röm 5,15–17 und Röm 5,18 ff. 3. Auch wenn oder gerade weil die Unterschiede zwischen 1 Kor 15,20–22.45 ff. und Röm 5,12–21 nur am Rande behandelt wurden, werden wir uns in den abschließenden Betrachtungen diesem Thema widmen. 1. Einbettung des Abschnitts in den Römerbrief und das Verhältnis zwischen Röm 5,1–11 und Röm 5,12–21 Schauen wir zunächst auf die Einbettung der Abschnitte in den Römerbrief: Ausgehend von der Diskussion über die Aufdeckung der verborgenen Gemeinschaft von Juden und Heiden in der Sünde in Röm 1,18–3,20 etabliert Paulus eine bildhafte Sprache, in der er die These von Röm 1,18 in einer Art Gerichtsrede entfaltet. In Röm 1,19–3,9, die das Schuldurteil über alle Menschen begründen, führt das Urteil selbst das Resümee der Ausführungen in 3,10–20 mit einer Kette von Schriftzitaten an. Doch die Eröffnungsthese aus Röm 1,18 wird summarisch vorweggenommen, wenn Paulus von der Offenbarung des Zorngerichts über 80  C. Landmesser, Christus und Adam oder Adam und Christus. Anmerkungen zur Auseinandersetzung zwischen Karl Barth und Rudolf Bultmann im Anschluss an Röm 5, ZDT 23 (2007), 153–171, hier 153.

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jegliche Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen spricht. Röm 3,21– 31 schließt mit der Rede von der Offenbarung der Gerechtigkeit daran an und bekräftigt, dass die Gerechtigkeit durch das Heilsgeschehen in Christus zu denen kommt, die glauben. Röm 4,1–15 liefert anschließend den Schriftbeweis für diese These.81 Das 5. Kapitel beginnt mit der Rede vom neuen Menschen in Röm 5,1–11. Röm 5,3–5 ist ein erster Anhaltspunkt für die bildhafte Analogisierung theologischer Inhalte. In Röm 5,1 wird der Status quo eines Glaubenden erkannt, der durch die Rechtfertigung aus Glauben den Frieden mit Gott durch Jesus Christus erlangt hat. Mit den Versen Röm 5,3–5 illustriert Paulus in Form einer allgemeinen Wahrheit, dass mit einer Abfolge heilswirksamer Ereignisse zu rechnen ist. Bedrängnis schafft Ausdauer, Ausdauer Bewährung und Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung bildet die Klimax einer Kette von Zustandsbeschreibungen, die alle aufeinander bezogen sind. Mit Röm 5,11 wird der Abschnitt abgeschlossen, so dass das διὰ τοῦτο in Röm 5,12 in seiner allgemeinen Bedeutung von „darum“ oder „deshalb“ den Abschnitt Röm 5,12–21 mit dem vorherigen ins Verhältnis setzt. 2. Das zusätzliche καί in der Formel ὥσπερ … καὶ οὕτως in Röm 5,12 Die Beobachtung, dass in Röm 5,12 dem οὕτως ein καί vorangestellt ist, ist in erster Linie einmal richtig. Im Gegensatz zu Röm 5,19 und Röm 5,21 und zahlreichen anderen Belegstellen, in denen komparative Konjunktionen wie καθάπερ,82 καθώς, οὕτως, ὡς, ὡσαύτως, ὡσεί, und ὥσπερ verwendet werden, müsste man ein καί nach dem οὕτως erwarten. Wie bereits erwähnt geht Bultmann davon aus, dass es sich hierbei um ein Anakoluth handelt. Das bewusste Aufbrechen einer grammatischen Konstruktion als rhetorische Figur würde voraussetzen, dass Paulus den Satz in Röm 5,18 nachträglich mit ὡς wieder aufgenommen hat. Bornkamm sieht darin sogar „die Indienstnahme und zugleich die Berechnung einer mythischen Konstruktion der Geschichte“ ausgedrückt.83 So weit muss man an dieser Stelle nicht gehen. Es reicht schon, der Analogie zu folgen und festzustellen, dass mit Röm 5,18 ff. die erwartbaren Folgen der Adam-Christus Analogie aufgezeigt werden: „Wie es durch den Fall des Einen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es durch die Erfüllung der Rechtsordnung des Einen für alle Menschen zum Freispruch, der ins Leben führt“ (Röm 5,18).  Bultmann, Adam und Christus (s. Anm. 53), 10.  So z. B. auch bei καθάπερ καὶ in Röm 4,6; 2 Kor 1,14; 1 Thess 3,6.12; 4.5; Hebr 4,2 oder καθὼς καὶ bei Paulus in Röm 1,13; 15,7; 1 Kor 10,6.33; 11,1; 13,12; 14,34; 2 Kor 1,14; 11,12; 1 Thess 2,14; 3,4; 4,6.13; 5,11. 83  G. Bornkamm, Das Ende des Gesetzes. Paulusstudien (BEvTh 16), München 31961, 76–92. 81 82

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Während in Röm 5,12–14 die Adamseite der Analogie dargestellt wird, weisen Röm 5,15–17 auf die Ungleichheit beider Seiten hin. Erst in Röm 5,18 werden die Folgen für die jeweilige Seite der Analogie benannt.84 Es steht bei dieser klaren inhaltlichen Bestimmung die Beobachtung im Raum, dass die Exegeten mit oder ohne καί dem Vers besondere Bedeutung zusprechen wollen. Anders formuliert: Ob mit oder ohne καί – also als „richtige“ Analogie oder als Anakoluth –, Röm 5,12 wird immer die Gegenüberstellung von Adam und Christus eröffnen und mit Röm 5,18 ff. auf die Folgen derselben aufmerksam machen.85 3. Die Unterschiede zwischen 1 Kor 15,20–22.45 ff. und Röm 5,12–21 1 Kor 15,20–22 und 1 Kor 15,45 ff. haben gemeinsam, dass sowohl Adam als auch Christus bereits das Ziel repräsentieren, auf das die zugehörigen Nachkommen jeweils ausgerichtet sind. Beide Texte entsprechen einander außerdem darin, dass sie die Gewissheit der Teilhabe der Glaubenden an dem Ziel, das Christus schon erreicht hat, unterstreichen. Dennoch ist 1 Kor 15 vor allen Dingen an den Wesensunterschieden der beiden Adame interessiert. Der eine, der erste Adam, stammt von der Erde, ist aus Erde geschaffen worden, der letzte Adam oder der zweite Adam, nämlich Christus, stammt vom Himmel und hat eine andere Wesensgestalt als der irdische Adam. Er ist gewissermaßen der himmlische Adam. Wichtig für Paulus ist, dass die Christen zukünftig die Gestalt des himmlischen Adam annehmen werden, so wie sie schon jetzt der Gestalt des irdischen Adam entsprechen. Denn wie durch einen Menschen, nämlich den irdischen Adam, der Tod gekommen ist, so kommt durch einen Menschen, nämlich Christus, die Auferstehung von den Toten. In Adam sind alle gestorben, in Christus werden alle zum Leben gelangen. In Röm 5 geht es Paulus mit der Adam-Christus-Typologie vor allen Dingen darum, die Wirklichkeit dessen herauszustellen, was Adam und Christus als „Schicksalsträger“, wie Käsemann es formuliert hat,86 für ihre Nachkommen antizipieren und vermitteln. Wie Adam Beginn und Typos der durch Sünde und Tod bestimmten Menschheit ist, so ist Christus Beginn und Typos der durch

84 P. v.d. Osten-Sacken, Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie (FRLANT 112), Göttingen 1975, 164. 85  So auch mit Blick auf die Sünde beschrieben in G. Röhser, Paulus und die Herrschaft der Sünde, ZNW 103 (2012), 84–110, hier 99: „Während der Anfang des unheilvollen Wirkens der personifizierten Hamartia in der Welt (mit der Folge des Todes) unzweifelhaft in Röm 5,12a auf den ersten Menschen zurückgeführt wird, wird doch die Unvermeidlichkeit des Sündigens und des durch Adam entstandenen Unheils erst in V. 15–19 deutlicher artikuliert, so dass in Verbindung mit V. 12d (Sündigen aller als verantwortliche Tat) eine eigenartige Mischung aus willentlicher Bejahung und unentrinnbarem Nicht-anders-Können im Blick auf die Sünde zum Ausdruck kommt.“ 86 E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a), Tübingen 41980, 134.

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Gerechtigkeit und Leben ausgezeichneten Menschheit.87 Und wenn Adam die durch Sünde und Tod charakterisierte unheilvolle Wirkungsgeschichte bei seinen Nachkommen hervorrief, so ist klar, dass die heilvolle Wirkung, die von Christus ausgeht, an seinen Nachkommen ebenfalls zur Vollendung kommen muss. Adam und Christus werden einander also antithetisch gegenübergestellt, als „Schicksalsträger“ und Vermittler je einer Wirklichkeit, die mit ihnen anfing und die durch sie geprägt wurde. Damit ist nicht gesagt, dass die Menschheit nur wegen der Sünde Adams dem Tod verfallen ist. Vielmehr hat sie selbst die Sünde schuldhaft wiederholt, so dass gilt: Der Tod ist das Schicksal aller Menschen nach Adam geworden, weil sie alle gesündigt haben. Fall und Verfallensein, Schuld und Verhängnis ist die Reihe, die von Adam zu seinen Nachkommen führt und gleichzeitig über Generationen hinweg weitergegeben wird. Jede Generation ist so für die nächste zum Adam geworden und hat wie er Schicksal gespielt. So war Adam zwar der Erste, aber eben nur der Erste unter Gleichen, der primus inter pares. Die Sünde ist also nicht nur ererbtes Verhängnis, sondern auch verantwortete Tat. Und der Tod kann als Strafe für des Menschen eigene Sünde bezeichnet werden. Doch ist der Verhängnisgedanke nicht gänzlich aufgegeben. So deutlich sich die adamitische Menschheit immer schon in einem durch den Tod bestimmten Weltzusammenhang vorfindet, so deutlich nimmt jeder auch schuldhaft an ihm teil und wächst durch seine Sünde in ihn hinein. Paulus will also nicht Verantwortung gegen Verhängnis oder Verhängnis gegen Verantwortung ausspielen. Vielmehr stellt er den unheimlichen und sich unaufhörlich verfestigenden Zusammenhang von Sünde und Tod heraus.

VI. Auswertung Lassen Sie mich aus den Zusammenhängen der Analogiebildung bei Paulus in Röm 5,12–21 wenige Schlussfolgerungen ziehen. Zu Beginn stellten wir fest, dass ein systematisches Verständnis der paulinischen Bildinterpretation naheliegt, weil die rhetorischen Stilmittel, Beispiele und Metaphern von Paulus bewusst in die theologische Interpretation der Heilsbotschaft Gottes eingebettet werden. Ich möchte die anthropologischen Aspekte in den vorangestellten Überlegungen 87  Siehe dazu auch die Parallelen, die Drury als apokalyptische Züg herausarbeitet: „It is most familiar to Christian readers from St Paul who twice, in Romans 5 and in 1 Corinthians 15, recalls Adam as the original point of human alienation from God. At 1 Corinthians 15.42 ff. there is a further parallel to the 2 Esdras parable of sowing. Adam’s body was ‚sown in dishonor‘ and ‚weakness‘, ‚a physical body‘. It will be raised as ‚a spiritual body‘ by the causality of the ‚last Adam‘, Christ, who ‚became a life-giving spirit‘. Present life is strung in tension between the two. Paul and the writer of 2 Esdras share this apocalyptic historical schema which, with its dependence on figures who ‚stand for‘ religious forces and realities in the manner of myth, is already historically allegorical.“ Drury, The Parables in the Gospels (s. Anm. 4), 27.

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betrachten, da mir die Einschätzung Pannenbergs, nach der mit der Analogie eine neue Situation geschaffen ist, und für den die Analogie auf jeden Fall einen Kern echter Gemeinsamkeit beinhaltet, treffend erscheint. Wenn folglich eine Gemeinsamkeit durch die in Beziehung gesetzten Glieder ausgedrückt wird, dann liegt der Fokus in Röm 5,12–21 nicht auf der Trennung von Menschen bei Adam und Menschen bei Christus, sondern in der gemeinsamen anthropologischen Realität. In Röm 7,14 verdeutlicht Paulus dies durch den Ausspruch, dass der Mensch in seiner Wirklichkeit „unter die Sünde verkauft“ ist. Sie ist mit Adams Ungehorsam in die Welt gekommen und überall zur Herrschaft gelangt (Röm 5,21). Und in Röm 6,23 heißt es, dass sie wie ein Söldnerführer bewaffnet ist und die ihr Hörigen entlohnt – ihr Sold ist der Tod. Am deutlichsten wird diese Wirklichkeit des Menschen mit dem Begriff σάρξ charakterisiert, der zunächst nur die Vergänglichkeit des Menschen bezeichnet und seine Kreatürlichkeit im Unterschied zu Gott ausdrückt (Gal 4,13; 2 Kor 12,7). Doch meint dieser anthropologische Ausdruck auch etwas ganz Prägnantes: Er bezeichnet das menschliche Wesen und Verhalten im Widerspruch und Gegensatz zu Gott und Gottes Geist. Fleisch meint hier den Grund, von dem aus sich der Mensch als solcher versteht und von dem er lebt. Die Menschen partizipieren in doppelter Hinsicht aneinander und darüber hinaus am rechtfertigenden Handeln Gottes. Das „Zurückstreben aus der Vielfalt zum Einen“ bedeutet in dieser anthropologischen Perspektive, dass sich der Mensch vor und nach dem Gesetz, vor und nach dem Evangelium in erster Linie im Unterschied zu Gott wahrnimmt. Vollkommene Gleichheit der Menschen ist als eine Verhältnisbestimmung in diesem Sinn nicht nur möglich, sondern für die Rechtfertigung auch notwendig (gegen Przywara). Obgleich dem Versuch Barths, eine stufenweise Ordnung innerhalb der Analogie vorzunehmen, zu widersprechen ist, ist es richtig, dass Jesus Christus das Geheimnis und die Wahrheit der menschlichen Natur als solcher ist. Ich möchte hinzufügen, dass das Geheimnis und die Wahrheit als Rechtfertigung am Menschen erfahrbar werden. Mit Marco Olivetti möchte ich schließen, denn er weist darauf hin, dass doch gerade in Bezug auf die Anthropologie das Spannungsfeld zwischen unerinnerbarer Vergangenheit und unplanbarer Zukunft relevant ist.88 Olivetti geht bei diesem zeitlichen Fokus auf die Analogie davon aus, dass dieses Spannungsfeld selbst die Analogisierung ist, in der intersubjektiv in der Gesellschaft Gemeinsamkeit und Gemeinschaft gestiftet werden.89 Der in der Analogie ausgedrückte positiv eschatologisch konnotierte Christuszusammenhang weist folglich auf eine Gemeinschaft hin, die Partizipation, Identität und Rechtfertigung in Christus ist.

88  M. M.  Olivetti, Analogie des Subjekts (Eichstätter Philosophische Studien 1), Freiburg 2016, 62. 89 Ebd.

παραβολή and Parabolic Language in the Shepherd of Hermas Marianne Bjelland Kartzow Abstract: Dieser Beitrag widmet sich den Gleichnissen im Hirt des Hermas. Die vielfältige Verwendung parabolischer Sprache, die die gesamte Schrift durchzieht, sowie die Erzählung von zehn verschiedenen Gleichnissen machen deutlich, dass es sich um einen zentralen Text für die Erforschung frühchristlicher Gleichnisse handelt. Der Beitrag geht der Frage nach, welche rhetorische und narrative Funktion Gleichnisse haben können, und reflektiert, welche methodischen Ansätze für die Interpretation der Gleichnisse in ihrem Kontext anwendbar sind. In dieser Hinsicht wird dargelegt, dass die Beziehung zwischen dem Text an sich und den einzelnen Gleichnissen komplexer und dynamischer ist, als in der Forschung bisher angenommen. Metapherntheorie, Männlichkeitsforschung und Intersektionalität dienen daraufhin als analytische Zugänge. Anhand des Gleichnisses vom Sklaven als Verwalter (Sim. V) wird das Verhältnis zwischen alltäglicher Lebenserfahrung allgemein und der Lebensgeschichte des Hermas im Besonderen erörtert. Dabei stellt sich heraus, dass die Gesamterzählung einen interpretativen Rahmen darstellt, der sich von der Erklärung des Gleichnisses im Text selbst abhebt und diese herausfordert.

I. Introduction The Shepherd of Hermas is a complex but very relevant source to read when the topic is Gleichnisse und Parabeln in der frühchristlichen Literatur. Broadly speaking, Hermas is divided into three parts: Visions, Madates and Parables. Within the framework of this volume, I will obviously pay most attention to the last and longest part, the Similitudes, emphasizing how parables may function as part of the overall narrative plot of the Shepherd of Hermas. The main question I will ask is accordingly, how parables could construct meaning within their literary, social and interpretative contexts. Among early Christian literature, Hermas is the work with most parables. The parable section includes ten parables, some of which comprise a series of revelations, allegories and parabolic visions.1 The motifs and plots of these parables are partly known from other sources, in particular the Synoptic Gospels, while 1 B. D. Ehrman

(ed.), The Apostolic Fathers 2 (LCL 25; Cambridge, 2003), 164–65.

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Hermas often rework the material, and combine stories and scenes in new ways. Trees, households, animals, and fields are frequently employed in the stories, probably well-known material from the listeners’ everyday life. In line with The Shepherd of Hermas’ overall plot, the parables are concerned with issues such as the nature of Christian existence in this alien world, the ideal of sexual purity, the relationship between rich and poor in the church, and the difference among people in how they react to the truth of God. In this study, I will focus on one particular parable, and argue that the relationship between the overall text and each parable may be more close and dynamic than earlier interpretations have suggested. After contextualizing the text, I pay attention to the role and function of parables and parabolic language in the Shepherd of Hermas in general, before employing one particular parable, that is parable 5, as a case study to discuss parables’ relationship to everyday experience in general and Hermas’ life story in particular.2 I ask what rhetorical and narrative function parables may have, and what kind of theoretical concepts to employ in order to interpret parables in context. Metaphor theory, studies of masculinity and intersectionality will work as analytical tools. The overall narrative will be suggested as an alternative interpretative framework, as an alternative line of thought challenging the explanation given after the parable in the text itself. The Shepherd of Hermas, an almost 300 page long Greek text of the Loeb Classical library 2003 version, is often characterized as an apocalypse, with a series of revelations made to Hermas. The book is accounted one of the Apostolic Fathers. It was probably written late 1st or mid-2nd century CE and seems to have had a great influence among early Christian groups.3 Some Church Fathers consider Hermas part of the Christian canon (e. g. Irenaeus). Hermas is, together with the Epistle of Barnabas, part of the Codex Sinaiticus, after Revelation, and it was listed between the Acts of the Apostles and the Acts of Paul in the Codex Claromontanus. According to Bart Ehrman, the Shepherd of Hermas was one of the most popular books of early Christianity. He argues: “Judged from the manuscript remains, it was copied and read more widely in the second and third centuries than any other noncanonical book, even more than many of the books that later came to be included in the New Testament”.4 2 See a similar approach in a recent article by M. A. Beavis, “The Parable of the Slave, Son, and Vineyard: An Early Christian Freedman’s Narrative (Hermas Similitudes 5.2–11),” CBQ 80.4 (2019): 655–669. 3  K. Lake (ed.), Introduction. The Apostolic Fathers 2: The Shepherd of Hermas; the Martyrdom of Polycarp; the Epistle to Diognetus (LCL 2; London, 1913 [1970]), 3. For other introduction questions, see B. D. Lipsett, Desiring Conversion: Hermas, Thecla, Aseneth (Oxford, 2011), 23–28; C. Osiek, Rich and Poor in the Shepherd of Hermas: An Exegetical-Social Investigation, vol. 15 (Washington, D.C, 1983), 1–14; D. Hellholm, Das Visionenbuch des Hermas als Apokalypse: Formgeschichtliche und texttheoretische Studien zu einer literarischen Gattung, vol. 1: Methodologische Vorüberlegungen und makrostrukturelle Textanalyse (Lund, 1980). 4 Ehrman, The Apostolic Fathers 2, 162 (see n. 1).

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The Shepherd of Hermas is a long, loose, and repetitive narrative. It has been called the “jewel of non-canonical writings” and is often valued for its delightful and open-hearted character.5 Most interpreters agree it is primarily concerned with metanoia, repentance or conversion, especially for believers who have been baptized.6 According to the opening passage of Vision 1, Hermas was raised as a slave by one owner and then sold to a woman at Rome named Rhoda [Ὁ θρέψας με πέπρακέν με Ῥόδῃ τινὶ εἰς Ῥώμην]. To present the protagonist or narrator as born and sold a slave, is rare in early Christian literature. Later in the story, we are told that Hermas was freed, got married, had children, became a rich merchant, and then in a precaution lost all his property.7 The reason why I choose parable 5 as my case study is twofold, and relates to these opening lines: First: This parable, dealing with a trustful slave who is promised freedom if he behaves well and then is offered to be a co-heir since he does more than asked of him, echoes Hermas’ autobiography in unique ways. Second: Although the parable is given an explanation, it seem to have a broader meaning potential within the overall narrative framework. In addition, I see a certain tension between Hermas’ slavery past and the main metaphorical title given to Hermas and the believers throughout the text: they are “slaves of God”.8 The former slave aims at being an ideal slave of God. I argue that this tension also plays into the meaning potential of Parable 5. I mention this here in the introduction, because these three levels of slavery – Hermas’ slavery past, the preferred metaphorical title “slave of God” and the slaves of parable 5 – may offer a critical framework to discuss parables and their roles vis-à-vis everyday experiences and imagined life stories.

II. Parables and parabolic language The Shepherd of Hermas is divided into three parts: First five “Visions,” in which, among other divine beings, two women appear to Hermas representing the Church; then twelve “Mandates” or “Commentaries,” in which the divine 5  Lipsett, Desiring Conversion (see n. 2), 23 and 19. See also S. Young, “Being a Man: The Pursuit of Manliness in the Shepherd of Hermas,” JECS 2 (1994), 254. 6  Lipsett, Desiring Conversion (see n. 3), 19–21. 7  E. A. Livingstone (ed.), The Concise Oxford Dictionary of the Christian Church, online at http://www.oxfordreference.com/​view/10.1093/acref/9780198614425.001.0001/acref-9​7​8​0​1​9​8​ 6​1​4​4​2​5​-e-2689. 8  For example: The long parable-section is introduced by a quotation from the shepherd, who reminds Hermas that they live in a foreign land and are “slaves of God” (50,1) [Λέγει μοι· Οἴδατε, φησίν, ὅτι ἐπὶ ξένης κατοικεῖτε ὑμεῖς οἱ δοῦλοι τοῦ θεοῦ·]. See Chapter 5 in M. B. Kartzow, The Slave Metaphor and Gendered Enslavement in Early Christian Discourse: Double Trouble Embodied (Routledge Studies in the Early Christian World; London/New York, 2018).

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figure of the shepherd gives Hermas his teaching on Christian behavior and virtues; and finally ten “Similitudes,” in which various Christian principles are represented under a series of images. Although the structure seems clearly divided into three different parts, there is great overlap between them: revelatory parables are found not only in the last part of the book, and in the longest sections of the book, the Parables, we find a detailed description of what Hermas sees in the third vision.9 In the last vision, Hermas says he is sitting on his bed praying when a glorious man, in the dress of a shepherd, comes in (Herm. Vis. 5,1). This character instructs him to write down the mandates and parables. The last part, entitled “The Parables that he spoke to me” (50,1 [ΠΑΡΑΒΟΛΑΙ ΑΣ ΕΛΑΛΗΣΕ ΜΕΤ’ ΕΜΟΥ]), consists of half of the whole book. For those interested in parables in early Christian literature, the Shepherd of Hermas is accordingly a very valuable book to read. The ten parables are introduced with Ἄλλη παραβολὴ, another parable (51,2), and then third parable (52,3), forth parable, and so on. They most often come with explanations. At one point Hermas confronts the Shepherd, saying: “I do not know what these parables means and cannot understand them, unless you explain them to me” (Herm. Sim. 56,1). Parable 8 (74–77) and 9 (78–110) are the longest sections of the book, where sticks and stones (rocks, mountains) allegorical are employed to illustrate how various people contribute to construct the tower of the church, that is, the community of the believers.10 Here some very interesting figures of virgins and attractive women dressed in black appear, but this story I will have to leave for a later occasion. As is discussed many times in this volume, parable can be defined and understood in multiple different ways. According to Cambridge Dictionary, a parable is “a short, simple story that teaches or explains an idea, especially a moral or religious idea”.11 A story from everyday life is framed to bring a message beyond the obvious given. In a parable, a comparison is employed to illustrate something else. Meaning is transported from one context to another. In the following, I will look at a parable as figurative speech in which everyday experiences are employed to give a different point. A parable is a type of metaphor that has been extended to form a brief, coherent narrative. I am not only interested in the abstract explanation to the parables as often given in the frame, but also what these everyday stories can tell about early Christianity, to reflect upon meaning potential of the parable for its first audience. Although some of the explanations given lead the interpretation in one specific direction, I am interested in the variety of ways in which these stories could be understood, within a broader context, literary but also historical.  9 Ehrman,

The Apostolic Fathers 2 (see n. 1), 163.  Ibid., 165. 11  Cambridge Dictionary, online at https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/ parable. 10

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In my recent book on the slavery metaphor in early Christian discourse, I spend much time trying to understand different kinds of figurative speech and how they related to the everyday life of the various people inhabiting the ancient world, participating in the communicative process.12 In particular, I looked at how the interaction between body and culture influence the way figurative speech is conceptualized.13 In metaphor theory, it has been suggested that “the story of one’s life may be a key factor in explaining individual variation in metaphorical conceptualizing”.14 My book theorizes how ancient hearers and readers may have constructed meaning and conceptualized metaphors, by a method I call critical and creative historical re-imagination. I want to examine whether life stories can be key factors in order to understand parables in the Shepherd of Hermas, too.

III. The Parable of the Slave and the Son (Herm. Sim. 5) Among the ten parables, Parable five (54–60) [Ἄλλη παραβολὴ εʹ] is the only one in which slaves figurate as main characters. As mentioned earlier, Hermas himself, according to the opening lines of the work, started his life as a slave. This adds an unique dimension to parable 5: Whereas Luke can employ a story about a widow or a judge in his parables (Luke 18:1–8) or the evangelists can use trees, animals or virgins, in Hermas there is a special connection between the protagonists own life story and this parable. If parables build on everyday life in general, this parable employs Hermas’ possible life experiences in particular. The story of parable 5 echoes the protagonist’s own slavery past, within the text’s narrative universe. I want to explore how this correspondence may potentially effect the meaning and message of the parable. Parable 5 starts with Hermas sitting on a mountain, fasting and thanking God, and the shepherd comes next to him (55,1). The Shepherd starts complaining about their fasting, and tells a parable aiming at enlightening Hermas in what proper fasting means. I will briefly go through the story and look for intertextual connections, to see how Hermas employ ideas that were in circulation, in written or oral sources, and also ask how the story may correspond to everyday life experiences in the ancient world. As the story goes, a certain man had a field and many slaves [δούλους πολλούς]. He planted a vineyard and told one of the good slaves that he chosen him to take care of it while he went on a journey (54,2). If the slave follows the orders, he is promised freedom. 12 Kartzow,

Slave Metaphor (see n. 8).  N. Yu, “Metaphor from Body and Culture,” in The Cambridge Handbook of Metaphor and Thought (ed. R. W. Gibbs Jr.; Cambridge, 2008), 259. 14 Z. Kövecses, Metaphor in Culture: Universality and Variation (Cambridge, 2005), 243. 13

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Let us stop for a moment here, since many narrative elements seem familiar: The vineyard motive is known from several other early Christian parables, and vineyard workers, slaves, and servants are much used characters. The milieu described most certain correspond to a realistic scene from the ancient Mediterranean world.15 Part of this opening scene resembles Synoptic parallels in Luke 12/Matt 24, where a slave manager (probably a slave himself) is given the responsibility for the estate and other slaves while the master is travelling. That manager in the Synoptic version does not behave at all properly: He starts to eat and drink and mistreats the other slaves, so when the master returns the manager is punished accordingly (Luke 12:42–48).16 It opens similarly in Hermas, but in none of the canonical parables, however, is the aspect mentioned whereby the slave is promised freedom if he follows the master’s command. The slave of Hermas’ parable not only does what is asked of him by the owner – he does more than what is expected. After fencing the vineyard, he also digs it up and removes the weeds, so that it became beautiful and fertile again (Herm. Sim. 55,3–4). When the owner returns, he sees all the work and is greatly impressed by the slave. He calls upon his son and heir as well as his friends who also are his counsellors and tells them about this great slave and what he has accomplished. The owner not only wants to give him the freedom he was promised, but also offers him to be joint heir with his own son (Herm. Sim. 55,7). The son agrees, and they celebrate with a feast. In strong contrast to the oldest son of the parable in Luke 15:11 ff, who got angry when the father accepted the youngest son into the household again after spending his share and behaving badly abroad, this son and heir willingly accepts sharing his inheritance with this freed slave (55,8). The reaction of the oldest son in Luke is probably more realistic than the son in Hermas, who seems to have no problem losing half of his future property because his father was impressed with one of his slaves. A normal son would probably protest.17 The idea that a male slave becomes a son, builds on well-established ancient practices. A similar reasoning can be found in Paul’s Letter to the Galatians 4:7, where Paul tells the believing brothers that they before were like slaves, but now they are freed, they are like sons and accordingly heirs.18 In Galatians, the terms slave and son are taken to be metaphorical, while in Hermas’ parable, it is a real slave who becomes a real son and heir, because he deserves it. There is 15  See J. A. Glancy, Slavery in Early Christianity (Oxford, 2002); J. A. Harrill, Slaves in the New Testament: Literary, Social, and Moral Dimensions (Minneapolis, 2006). 16 M. B. Kartzow, “Striking Family Hierarchies: Luke 12:35–48, Gender and Slavery,” in Acta Patristica et Byzantina 21 (2010), 95–108. 17  More on the possible historical environment within which this parable could make sense, see A. Martinsen, Men and Unmen in the Parables of Jesus: Reception, Slavery, Masculinity (PhD diss., University of Oslo, 2016), 229–52. 18  S. Tsang, From Slaves to Sons: A New Rhetoric Analysis on Paul’s Slave Metaphors in His Letter to the Galatians (New York, 2005).

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nothing metaphorical about this slave in Hermas, except that he is placed within a parable. One small detail to notice related to how integrated (or not) the slave is as a new heir: At the feast to celebrate, it appears that the slave himself is not present. The food and leftovers are sent to him later, and then he once again proves his extraordinary character: He “kept what was sufficient for himself and distributed the rest to his fellow-slaves” [from συνδούλος]. After the owner reported this kind gesture back to the friends and the son, they rejoiced even more that the slave should be a joint heir (Herm. Sim. 55,11). Among his fellow slaves he has already adopted the kindness and spirit of caring, which normally characterizes free men. The separation and power dynamics between slave and free presented in this parable probably correspond well to how an ancient household was organized. A selected male slave could be adopted, while the destiny of most slaves were that they remained slaves their entire lives, worked hard and ate the leftovers. Slaves were owned property and available bodies, for penetration and physical punishment. They should behave subordinated and be trustworthy, and if they did more than expected of them, they could or could not be given extra reward. As mentioned earlier: The parable is told in relation to fasting.19 In the rather long and complex explanation (56–60), Hermas asks for a clear interpretation and the Shepherd explains all details in the parable, at times clarifying, at times rather confusing. Hermas begs to be enlightened and sometimes he suggests explanations that the Shepherd rejects. One example is of particular interest, in which Hermas asks about who the slave in the parable is supposed to be.20 As Hermas sees it, the slave in the parable is the son of God. Hermas then asks the divine figure: “Why Lord […] is the Son of God in the parable given the form of a slave?” (Herm. Sim. 58,5) [Διατί, φημί, κύριε, ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ εἰς δούλου τρόπον κεῖται ἐν τῇ παραβολῇ;].21 The Shepherd however strongly rejects this connection: No, the Son of God is not a slave, but he is given the great power and Lordship (Herm. Sim. 59,1). Hermas’ misleading suggestion that Jesus should be the slave are corrected. Power and Lordship is true words about Jesus, while slavery is not. Jesus is not a slave, but the son of God, “the Lord of the people, having received all authority from his Father” (59,4). Then the question remains: Who is the slave in the parable? The explanation that follows in the text do not give a 19  Note that the story in Luke/Matt, starting out similarly, is about how the disciples must wait for the Lord’s coming and be patient. 20 See the explanation to Sim 5,5,5–6. See C. Osiek, Shepherd of Hermas: A Commentary (Hermeneia; Minneapolis, 1999). 21  In this question, the language used in the Philippian hymn seems to be echoed. See W. Munro, Jesus, Born of a Slave: The Social and Economic Origins of Jesus’ Message (SBEC 37; Lewiston, New York, 1998). See also also I. A. H. Combes, The Metaphor of Slavery in the Writings of the Early Church: From the New Testament to the Beginning of the Fifth Century (JSNTS 156; Sheffield, 1998), 136–38.

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clear answer, leaving it up to the hearer/readers’ creativity to construct meaning and fill in the gaps. Instead of dwelling longer with the explanation of this parable, I will look at how the narrative elements in this parable may correspond to everyday life experiences, of the audience or listeners or readers, or of the protagonist/ narrator, Hermas. I will in particular look at the first part of the text, in the part entitled “Visions,” and suggest that the parable discussed above may fill a narrative gap in the overall plot. Life stories is suggested as key factors to conceptualize figurative speech, and the interaction of body and culture play an important role. It is therefore interesting to explore how Hermas’ own slave story is presented.22

IV. The Complex Life Story of Hermas, the slave As recorded in the beginning of Vision 1, Hermas was raised in one household, but sold to another.23 Several interpreters have tried to reconstruct the life story of Hermas, based on these opening lines. I am curious to how this imagined life story can contribute to construct meaning to the parable discussed above, as a case study to reflect deeper on parables’ narrative function. What kind of slave reality is reflected in the beginning of this Vision? Although not employing slavery terminology in his self-presentation, Hermas does mention some typical key elements in a slave’s life story: As a slave he is owned and purchased property. He was once a slave of real owners, at least two. The person who brought him up [Ὁ θρέψας με] is left behind in the first line. We do not learn more about what relationship this person may have had to Hermas. Osiek suggests Hermas was exposed as a baby and then adopted by this first owner.24 Or he could very well have been born of a slave mother, too, since we hear nothing of how he started life. What does it mean to bring up a slave? Is raising a slave child different from raising a free child, a real son?25 Was such a slave offered education or skills, increasing their value and preparing them for loyal service in the house or for the next owner or for a future life as freedmen?26 In the case of Hermas, it seems like  See notes above. vision is also elaborated in a chapter entitled “From Slave of Female Owner to Slave of God: Negotiating Gender, Sexuality, and Status” in Kartzow, Slave Metaphor (see n. 8), 106–111. 24 Osiek, Rich and Poor (see n. 3), 130–31. 25 M. Y. MacDonald, “A Place of Belonging: Perspectives on Children from Colossians and Ephesians,” in The Child in the Bible (ed. M. J. Bunge et al.; Grand Rapids, 2008), 278–304. 26 C. Osiek and M. Y. MacDonald, A Woman’s Place: House Churches in Earliest Christianity (Minneapolis, 2006). 22

23 This

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the role of the owner and the parent are interrelated. The first owner may have acted as a surrogate father, or he could have actually been the biological father, had the male master impregnated his female slave, Hermas’ mother.27 Such slaves could be more or less considered part of the household.28 But with respect to Hermas, it seems strange that a son, even an adopted one, should be sold. A son was part of the line; he would be an heir and by no means be up for sale. In Vision 1, it becomes clear that Hermas was not considered a real son by his first owner, but rather part of property. Although he was probably not adopted, maybe he was raised like a son, and given a proper education, but then remained a slave in the house of the person who raised him. The condition for household slaves varied a lot. What kind of slave experiences Hermas might have had is not at all dwelled upon in the text. Was he, as a young man, valued for his sexual attractiveness, victimized or violated, being an object for penetration or force?29 After he is moved to Rhoda at Rome, years seem to pass. Was Hermas freed during this period? Osiek argues that he most certain was manumitted and became a freedman.30 “After many years” he meets Rhoda again, and he comes to love her as a sister [μετὰ πολλὰ ἔτη ταύτην ἀνεγνωρισάμην καὶ ἠρξάμην αὐτὴν ἀγαπᾶν ὡς ἀδελφήν] (Herm. Vis. 1,2). This use of kinship language suggests that a male character can love a female character like a sister, although they were former slave and slave owner.31 In the cultural perception of the time, a slave did not love or was acknowledged in family roles such as being a brother; they were merely obedient and loyal.32 In Hermas, the metaphorical gender-specific family positions of brother and sister replace the former roles of real slave and real owner. They are now brother and sister, as believing children of God. The former hierarchy, where the female owner ruled over the male slave, has now been rearranged: Sibling love unites them. Metaphorical siblingship may negotiate this hierarchy, but, as the story continues, the former slave’s sexuality proves he is still more of a slave than a brother. The sibling relationship only lasts “some time” [μετὰ χρόνον] until female nakedness disturbs the harmony and Hermas’ brotherly love is overturned by slavish male erotic fantacy (Vision 1,2).

27 See A.-C. Harders, “Roman Patchwork Families: Surrugate Parenting, Socialization, and the Shaping of Tradition,” in Children, Memory, and Family Identity Inroman Culture (ed. V. Dasen and T. Späth; Oxford, 2010), 49–72. 28 MacDonald, “A Place of Belonging” (see n. 25). 29  B. J. Brooten (ed.), Beyond Slavery: Overcoming Its Religious and Sexual Legacies (New York, 2010). See also J. A. Marchal, “The Usefulness of Onesimus: The Sexual Use of Slaves and Paul’s Letter to Philemon,” JBL 130 (2011), 749–770. 30 Osiek, Rich and Poor (see n. 3), 130 and 34. 31  See also similar language employed related to the virgins/women in Parable 10. 32  On the role and positions of sisters and brothers, see the introduction in R. Aasgaard, ‘My Beloved Brothers and Sisters!’: Christian Siblingship in Paul (London, 2004).

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1. Rhoda; the owner/sister/wife/goddess In the river Tiber the real drama begins: Rhoda is bathing, like biblical characters such as Suzanna has done before her.33 It is hardly historically, however, that a woman like her would have bathed naked and alone in a river. But, in this narrative, Hermas helps her out of the water and starts to see her as a beautiful woman. He would be happy or blessed (μακάριος) to have a wife like her (1,1,2). Rhoda is now not only his (former) owner and metaphorical sister; she is also an attractive woman and potential wife [γυναῖκα]. In this scene her gender and sex intersects with her role as slave-master. “The case is romantically overstated,” according to Osiek.34 For this sin, however, Hermas must defend himself as the story develops (from Herm. Vis. 1,1,3). In a vision he is confronted by a female figure resembling the bathing woman he had desired, who accuses him of his sins before the Lord (1,5). He defends himself by claiming he has always looked upon her as a goddess [οὐ πάντοτέ σε ὡς θεὰν ἡγησάμην;] – and respected her as a sister (1,7). Still, she insists that he has sinned against her since he has evil desires in his heart (1,8).35 The expression “as a goddess” [ὡς θεὰν] is found only here. This term is the feminine version of θεός, that is, god in feminine. What does it mean that Hermas has always [πάντοτέ] looked at her as a goddess? For Hermas, Rhoda is transformed from being his owner, to be imagined like a wife, a sister and a goddess. A complex relationship indeed, perhaps reflecting how ancient intersecting hierarchies negotiated power related to gender, family roles and social status. And uniquely: The male hero Hermas is described in relationship to his powerful and beautiful female owner. 2. The safe space of an Old Woman In this vision, after the first heavenly character spoke to him, she disappears and he is left with his own self-reflections for a while, before another heavenly woman meets him (Herm. Vis. 1,2). This one, however, is old and “clothed in shinning garments.” In contrast to the first woman, who resembled the desirable bathing Rhoda, old age seems to represent a safer space for Hermas, at least with respect to physicality and sexuality. He is no longer the passionate freedman struggling to discipline his own male body; now he is a church leader and family father with discipline challenges related to his subordinates.36 Twice she calls him a “slave of God” (1,2,4), and appears as a mild mother figure. Rather than

33  See A. H. Grung, “Makt og kontekst i Susanna-fortellingen.” in Kirke og Kultur 116 (2011), 288–304. See also Lipsett, Desiring Conversion (see n. 3), 29. 34  Osiek, Rich and Poor (see n. 3), 11. 35  Lipsett, Desiring Conversion (see n. 3), 28–29. 36 Young, “Being a Man” (see n. 5), 247.

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accusing him of desiring the woman in the bath, she has another agenda. The real problem now is his family: “You should convert your household!” (1,3,1)37 What kind of household [οἶκος] could a slave, a freedman or a free man have at the time?38 Hermas’ social profile in the following is more typical for freed or free men than for a slave. This slave of God is in the following not portrayed as a slave, since we hear of both children and wife.39 Slaves were not legally able to be fathers or husbands in the ancient world;40 they could have such relationships, but these were not officially accepted. In this text, it is Hermas himself who is expected to have control of his family, a sign that he is no longer a slave. He also seems to have a leading position in the community. The visions he receives, however, accuse him of behavior unsuitable for a real man. He is not in proper control of his family, and his children have become corrupt (1,3,1). They should convert, and Hermas must “encourage and strengthen your family” (1,3,2). The female figure reads for him from a book and the dialogue between her and Hermas dwells into the love, glory, and wisdom of “the God of the powers” (Herm. Vis. 1,4,1 ff). 3. Play the man, Hermas! When she leaves him with this vision, accompanied by two men, her last words are of particular interest: Ἀνδρίζου, Ἑρμᾶ! (1,4,3) – “Play the man, Hermas!” as it is often translated (Loeb). In the imperative singular he is simply told to “man himself up” or to be a “proper man”.41 The ways of expressing and preforming proper masculine values are being negotiated here.42 In particular, when he can almost not control his passion upon seeing his former owner and metaphorical sister/goddess in the bath, but also when he seems to have trouble controlling his family. He is failing both as a brother and a husband/father, very central roles in which a man had to prove his masculine values.43 As a brother, his sexual pas Lipsett, Desiring Conversion (see n. 3), 31–33.  C. Osiek and D. L. Balch, Early Christian Families in Context: An Interdisciplinary Dialogue: Religion, Marriage, and Family (Grand Rapids, Mich., 2003). B. J. Brooten, “Early Christian Enslaved Families (1st–4th C.),” in Children and Family in Late Antiquity: Life, Death and Interaction (ed. C. Laes et al., Interdisciplinary Studies in Ancient Culture and Religion; Leuven 2015), 111–34. 39  Harders, “Patchwork” (see n. 27). 40  Glancy, Slavery in Early Christianity (see n. 15). 41  Note that I discuss these last words with respect to the first part of Vision 1, in contrast to other interpreters, who pay attention to masculinity in Hermas without seeing its connection to slavery. See Young, “Being a Man” (see n. 5). In this article, the “crises of Hermas’ manhood” is connected only to his failure as an “ineffective leader” of his household and is not related to his slavery past or his erotic passions toward Rhoda, 254. 42  See the introduction in M. McDonnell, Roman Manliness: Virtus and the Roman Republic (Cambridge, 2006). 43 H. Moxnes, “Conventional Values in the Hellenistic World: Masculinity,” in Conven37 38

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sions destroy his relationship, and as a father/husband his lack of control is his greatest sin.44 Both of these masculine slips can be related to the fact that he has a slave background, having been raised and then sold. His body, his experience, and his knowledge are not fully freed from slavery. His class background where he was subordinated to a female owner, may explain his problems controlling both passion and possession. This shows that the intersections of gender, sexuality, and class need to be taken into account in order to understand the complexity of Hermas, the former slave.45 How free is a man who insists on loving his former owner like a sister or goddess, but still has to work very hard to control his sexual desire, who dreams of having her as his wife? He may be freed from his former owner, but is not freed from his slavish lust. And how male is a man who cannot control his family?46 In Vision 1, Hermas moves from being an erotic, weak, feminized slave of a woman to becoming a man with both position and household. In this narrative universe, he is a slave transformed into a man and a slave of God. Masculine transformation functions as an important plot strategy of this narrative.47 Although freed, his passions run wild like those of a slave, and his family is corrupted and out of his masculine control. It is as though his slave past is haunting him. He has to work harder to behave like a real man. Social status requires specific gender standards in which this former slave seems to fail. The female figure of the vision, a combination of young and old female earthly power and attraction (real female) and the Church (symbolic female), is in the position of giving him a strong advice: You slave of God! Be a man! Hermas’ struggle to overcome slavery is also a struggle to become a proper man. His life story probably resembles other freed male slaves’ life stories: He was owned and sold, then manumitted, but struggled to behave like a free man, in controlling his body and his household. But, Hermas managed somehow, since he got his freedom because he deserved it. tional Values of the Hellenistic Greeks (ed. P. Bilde et al., Studies in Hellenistic Civilization 8; Aarhus, 1997). 44  See introduction in C. M. Conway, Behold the Man: Jesus and Greco-Roman Masculinity (Oxford, New York, 2008). 45  Theories of intersectionality argue that each category (gender, sexuality, class, race, age etc.) cannot be studied in isolation, since they mutually construct and reinforce each other. See for example L. McCall, “The Complexity of Intersectionality,” in Signs: Journal of Women in Culture and Society 30 (2005), 1771–1800; S. Cho et al., “Toward a Field of Intersectional Studies: Theory, Applications, and Praxis,” Signs: Journal of Woman in Culture and Society 38 (2013), 785– 810. For intersectional studies in the discipline of New Testament and early Christianity, see E. Schüssler Fiorenza, “Introduction: Exploring the Intersections of Race, Gender, Status, and Ethnicity in Early Christian Studies,” in Prejudice and Christian Beginnings: Investigating Race, Gender, and Ethnicity in Early Christian Studies (ed. L. Nasrallah and E. Schüssler Fiorenza; Minneapolis, 2009), 1–23; M. B. Kartzow, “Intersectional Studies,” in The Oxford Encyclopedia of the Bible and Gender Studies (ed. J. M. O’Brien; New York, 2014), 383–89. 46  Young, “Being a Man” (see n. 5). 47  Ibid., 238.

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V. Echoes of Hermas’ Life Story in Parable 5 As mentioned earlier, slavery operates on three intersecting levels: Hermas himself was once a slave, he becomes the slave of God, and a slave is the protagonist in parable 5. What potential connections are there between these levels? What kind of connections could the various first readers and hearers make? The slave in parable 5 got his freedom, as Hermas also does in the overall narrative. Does the parable in any way echo Hermas’ own experience, when he, as a good slave, became free? Is his own life story, supposedly a key factor for conceptualizing the figurative speech, written into this parable? Do we get a hint about how Hermas, the exceptional slave, deserved (and got) his freedom based on his deeds and character? If the ancient audience looked for connections between Hermas and the slave of Parable 5, perhaps some of them concluded that this parable not employ arbitrary or general life experiences, but Hermas’ own life story as key factor to construct meaning.48 Both started out as slaves. While Hermas in an extraordinary manner manages to leave erotic passion and slave morality behind in order to be a man, the slave of the parable are extraordinary wise in taking care of the vineyard. Although fighting different structures and powers of slavery they both become free and proper heirs, the slave together with the son of the house and Hermas together with the other believers. To control a vineyard is a metaphor for controlling body and household. They both deserve freedom since they are able to manage households and preform proper masculine control, of themselves, of their subordinates, of the property they are entrusted. Hermas moves from slave of Rhoda to slave of God, while the slave of the parable moves from slave of his master to free co-heir with his master’s son. They both deserve freedom, since they overcame slave habits and temptations. Perhaps Hermas moved from being a slave of his owner to being a slave of God because he, like the slave in the parable, showed himself worthy of being a freed man and an heir. He passed the test, like the slave in the parable, and even gave more than asked for and expected. To reimagine how the first audience constructed meaning of the parable obviously confronts us with methodological challenges. We do not have sources telling us how parables or metaphors were understood. Nevertheless, if there were slaves of both genders in the audience, they may have seen other connections than free men or female slave owners. To theorize by help of intersectional gender theory and recent studies of metaphor can help in suggesting hypothesis and alternatives, on how to make sense of parabolic language in context.

 Beavis, “The Parable of the Slave” (see n. 2), 669.

48

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VI. Conclusion The Shepherd of Hermas was “widely circulated,” as has been suggested.49 The various people who took part in the communication process understood the parables differently, in alternative ways. More than asking what the anonymous author(s) intended to say or felt or thought, we have paid attention to what the text potentially says to a whole set of listeners and readers. The text opens by briefly mentioning typical events in a manumitted male slave’s life: brought up > sold to another owner > freed. Taken together, these key factors of a specific life story seem like a mere footnote; they are abandoned after just two sentences. The overall story has a specific agenda, with all its visions, mandates, and parables: Luxury, misbehavior, and bad habits must be kept away from the believing community and the church leaders’ household. I still argue that these autobiographical details, however fictional, are key factors to interpret the parable discussed above. Although quickly left, the life story of the slave narrator/protagonist still forms the framework. Hermas’ struggle has a real background. What the Shepherd tells him, he needs for his own survival, as comfort and encouragement. He was once a slave. This period of life likely passed with typical slave experiences, such as violence, punishment, and disrespect of the integrity of the body. Hermas is slowly changing from being a slave to become a man and thereby a Church leader, a father, and a husband, and accordingly a proper slave of God. On his way, young and old women and divine figures are used to challenge slavish sexuality and passion. When he has become a real man, he is prepared to receive the Shepherd, who instructs him and tells him parables, as tools to handle both past and future. I see a connection between Hermas as a slave himself, the “slave of God”-title and the parable of the slave who deserves to become a son and an heir. Parable 5 may indirectly fill in the gaps in Hermas’ brief life story given at the beginning of the narrative. The work as such interwove Hermas’ life story with ideal slave loyalty. Slaves should do more than they are asked for. If so, they not only become slaves of God, they may also gain freedom. They are nevertheless included in the family as God’s heirs, side by side with the son, resembling the Pauline ideas of Gal 4:7: You are no longer slaves, but sons, and accordingly also heirs. Hermas’ slave story, filtered through Parable 5, truly indicates a double move: First, from slave to son to heir, and second, from real slave of a woman named Rhoda to metaphorical slave of God. Both moves indicate progress on the masculinity scale. Hermas’ life story as reported in Vision 1 may be a key factor to interpret Parable 5 – and the parable may be a key factor to interpret his autobiography as part of the narrative plot. The story of this parable is not taken from general or imagined everyday life experience, but from the protagonist’s  Lipsett, Desiring Conversion (see n. 3).

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familiar slave background. The parable accordingly is not an isolated unit bound to the long explanation on fasting, but is in complex ways part of the overall story. Hermas miraculously met a shepherd, from whom he received divine wisdom, including several parables. Parable 5, accordingly, is a story with many alternative meanings: It is about fasting, about divine wisdom given through a shepherd, about slave life, about manumission, and about the ideal slave Hermas, who got his freedom because he deserved it and became the ideal slave of God. The meaning potential of parables varies, and must be seen in relation to the literary, historical and interpretative contexts. A slave parable, accordingly, produces meaning depending on intersecting relations. In Hermas, the protagonist, a former slave, is presented as a slave of God. The author, text and first audience belong to a cultural setting where slavery was taken for granted. Within such a complex framework must the slavery parable be interpreted.

Die Verwendung des Begriffs παραβολή und die Interpretation von Gleichnissen bei Justin Katharina Greschat Abstract: This article deals with Justin Martyr’s use of παραβολή in his philosophical dialogue with Trypho. Justin’s aim with this term is to correlate the prophetic speech of the OT with Jesus Christ and to decide whether his first or second coming is meant. Justin is not interested in the parables as a special genre of Jesus’ own words, but as the Saviour’s concrete promulgation for his followers, like Justin himself. This is proven by his interpretation of the parable of the sower.

Die Schriften des frühchristlichen Philosophen Justin  – die Apologie und der Dialog mit Tryphon – eignen sich offensichtlich besonders, um Fragen zu klären, die Justin sich wohl selbst nie gestellt hat. So hat man seine Schriften intensiv studiert, um etwas zum Verhältnis zwischen dem sich entwickelnden Christen‑ und Judentum im zweiten Jahrhundert sagen zu können,1 oder auch um Aussagen über die Entstehung des neutestamentlichen Kanons zu treffen.2 Andere  T. Rajak, Talking at Trypho. Christian Apologetic as Anti-Judaism in Justin’s Dialogue with Trypo the Jew, in: M. Edwards/M. Goodman/S. Price (Hg.), Apologetics in the Roman Empire. Pagan, Jews, and Christians, Oxford 1999, 59–80; M. Mach, Justin Martyr’s Dialogus cum Tryphone Iudaeo and the Development of Christian Anti-Judaism, in: O. Limor/G. G. Stroumsa (Hg.), Contra Iudaeos, Ancient and Medieval Polemics between Christians and Jews (TSMJ 10), Tübingen 1996, 27–47, hier 34–36; J. M.  Lieu, Image and Reality. The Jews in the World of the Christians in the Second Century, Edinburgh 1996; D. Boyarin, Justin Martyr Invents Judaism, Church History 70 (2001), 427–461; D. Rokéah, Justin Martyr and the Jews (JCPS 5), Leiden/Boston 2002. Das wird besonders am Thema der Beschneidung deutlich, das Tryphon ja selbst explizit anspricht, vgl. A. Jacobs, Dialogical Differences: (De‑) Judaizing Jesus’ Circumcision, JECS 15 (2007), 297–304 und N. E.  Livesay, Theological Identity Making. Justin’s Use of Circumcision to Create Jews and Christians, JECS 18 (2010), 51–79. Vgl. jetzt auch M. den Dulk, Between Jews and Heretics. Refiguring Justin Martyr’s Dialogue with Trypho, London/New York 2018. 2  C. H.  Cosgrove, Justin Martyr and the Emerging Christian Canon. Observations on the Purpose and Destination of the Dialogue with Trypho, VigChr 36 (1982), 209–232; C. D.  Allert, Revelation, Truth, Canon, and Interpretation. Studies in Justin Martyr’s Dialogue with Trypho, SVigChr 64, Leiden/Boston 2002; O. Skarsaune, Justin and His Bible, in: S. Parvis/P. Foster (Hg.), Justin Martyr and His Worlds, Minneapolis 2007, 53–76; J. Verheyden, Justin’s Text of the Gospels. Another Look at the Citations in 1 Apol.15.1–8, in: C. E. Hill/M. J. Kruger (Hg.), The Early Text of the New Testament, Oxford 2012, 313–335. 1

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Katharina Greschat

haben sein Verständnis von Häresie3 oder Apologetik4 genauer in den Blick genommen; wieder andere konzentrierten sich auf Justins Verhältnis zur platonischen Philosophie und sahen in seinen Texten die Anfänge einer christlichen Schulbildung.5 Doch für die Fragestellung nach einer Verwendung und Interpretation parabolischer Texte im frühen Christentum ist er noch nie gründlicher herangezogen worden. Der Begriff παραβολή kommt bei Justin im Dialog mit Tryphon gar nicht einmal so selten vor!6 Doch geht es Justin dabei gar nicht um die Gleichnisse Jesu, wie schon Adolf Jülicher mißbilligend festgestellt hatte.7 Insofern soll auf den folgenden Seiten zunächst danach gefragt werden, wie Justin diesen Begriff statt dessen gebraucht, um sich dann in einem zweiten Abschnitt Justins Deutung der Gleichnisse Jesu zuzuwenden.

I. Was meint der Begriff παραβολή bei Justin? Nur in seinem Dialog mit Tryphon, der als philosophischer Diskurs über die richtige Interpretation der Schrift gestaltet ist,8 verwendet Justin den Begriff παραβολή. Dieser Text ist auch insofern bemerkenswert, als Justin sich die größte Mühe gibt, das Gespräch mit dem ebenfalls an philosophischen Fragen interessierten Tryphon in den Verstehenskontext platonischer Dialoge einzupassen.9 Schon mit den ersten Sätzen befindet sich der Leser in einem ganz bewußt philosophisch geprägten Gesprächsgang, der um den Nutzen der Phi3 R. M.  Royalty, The Origin of Heresy. A History of Discourse in Second Temple Judaism and Early Christianity, London/New York 2013; und F. Rivas Rebaque, Justin Martyr as an Organic Christian Intellectual in Rome, in: H. G. Snyder (Hg.), Christian Teachers in SecondCentury Rome. Schools and Students in the Ancient City, SVigChr 159, Leiden 2020, 134–157. 4  Vgl. jetzt auch D. E.  Nyström, The Apology of Justin Martyr. Literary Strategies and the Defence of Christianity (WUNT 462), Tübingen 2018. 5 J. C. M. van Winden, An Early Christian Philosopher. Justin Martyr’s Dialogue with Trypho. Chapters One to Nine. Introduction, Text and Commentary (Philosophia Patrum I), Leiden 1971; C. Andresen, Justin und der mittlere Platonismus, ZNW 44 (1952/53), 157–195. 6 W. A.  Shotwell, The Biblical Exegesis of Justin Martyr, London 1965, 16 verzeichnet insgesamt zwölf Bezeugungen des Begriffs in Justins Dialog mit Tryphon. In der Apologie kommt er hingegen nicht vor. 7 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Nachdruck der Ausgabe von 1910, Tübingen 1963, Bd. I, 200 äußert sein Mißfallen darüber: „so viele Herrenworte er [s.c. Justin] erwähnt, auf Jesu Parabeln findet sich nur selten eine dürftige Anspielung“. 8  Vgl. dazu jetzt auch K. Greschat, Unzulängliche Philosophen. Justin im Diskurs mit Tryphon und Crescens, in: M. Tilly/U. Mell (Hg.), Gegenspieler. Zur Auseinandersetzung mit dem Rivalen in frühjüdischer und urchristlicher Literatur (WUNT 428), Tübingen 2019, 331–351. 9 P. Keseling, Justins Dialog gegen Trypho (c. 1–10) und Platons Protagoras, RMP N. F. 75 (1926), 223–229; T. J.  Horner, „Listening to Trypho“. Justin Martyr’s Dialogue Reconsidered, Leuven 2001, 73–77 bezeichnet Justin auf dem Hintergrund der zweiten Sophistik dementsprechend auch „a kind of Christian sophist“ (77).

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losophie, die Möglichkeiten der Gotteserkenntnis, die Fähigkeiten der menschlichen Seele und die Suche nach Glückseligkeit kreist.10 Rudolf Hirzel ging sogar so weit, Justins Dialog als unzulänglichen Versuch anzusehen, den platonischen Phaidros nachzuahmen.11 Doch auch wenn sich deutliche Anklänge an diesen platonischen Dialog, die Politeia und den Protagoras12 nachweisen lassen, muss festgehalten werden, dass Justin den Stoff für seine ganz eigene Botschaft nutzt.13 Er zeichnet die Hauptfigur – den Justin des Textes – als einen schon auf den ersten Blick kenntlichen Philosophen, der als solcher mit dem Philosophenmantel bekleidet ist.14 Dementsprechend wird er von Tryphon angesprochen und gefragt: „Welche Meinung hast du von Gott und was ist deine Philosophie?“15

Diese Frage gibt dem Philosophen Justin die Gelegenheit darzustellen, dass das Christentum die eigentliche, alte und wahrhaftige Philosophie sei,16 denn die Propheten und ihr Schrifttum seien deutlich älter als alle anderen, sogenannten Philosophen. Für Justin sind die Propheten damit die eigentlichen philosophischen Lehrer,17 die – frei von jeglicher Schmeichelei gegenüber den Menschen und von Ruhmsucht – das lehren, was sie, vom Heiligen Geist erfüllt, gehört und gesehen haben.18 Bei den prophetischen Schriften handelt es sich – davon ist Justin überzeugt  – um den notwendigen Wissensbestand eines Philosophen.19 10  Das macht K. Heyden, Christliche Transformationen des antiken Dialogs bei Justin und Minucius Felix, ZAC 13 (2009), 204–232, hier 211–217 sehr klar. 11 R. Hirzel, Der Dialog. Ein literarhistorischer Versuch, 2 Bde., Leipzig 1895, Bd. II 368. Dass Justin diesen Dialog kannte, zeigt nicht zuletzt die Bemerkung in 1 Apol. 37. Dort findet er mit Bezug auf den Phaidros die Vorstellung beschrieben, dass die Sibylle nichts anderes als eine göttlich inspirierte Prophetin sei. 12  M. Edwards, On the Platonic Schooling of Justin Martyr, JThS 42 (1991), 17–34; T. Rajak, The Jewish Dialogue with Greece and Rome. Studies in cultural and social interaction (AGJU 48), Leiden 2001, 511. 13  Das betont mit Recht Allert, Revelation (s. Anm. 2), 13. 14  A. P.  Urbano, Sizing up the Philosopher’s Cloak. Christian Verbal and Visual Representations of the Tribōn, in: K. Upson-Saia/C. Daniel-Hughes/A. J. Batten (Hg.), Dressing Judeans and Christians, London/New York 2014, 175–194, hier 184. 15  Dial. 1,6: Σὺ δὲ πῶς, ἔφη, περὶ τούτων φρονεῖς καὶ τίνα γνώμην περὶ θεοῦ ἔχεις καὶ τίς ἡ σὴ φιλοσοφία. 16 Vgl. A. J.  Droge, Justin Martyr and the Restauration of Philosophy, Church History 56 (1987), 303–319; N. Hyldahl, Philosophie und Christentum. Eine Interpretation der Einleitung zum Dialog Justins, Kopenhagen 1966 und neuerdings R. M.  Thorsteinsson, By Philosophy Alone. Reassessing Justin’s Christianity and his Turn from Platonism, Early Christianity 3 (2012), 492–517. 17  Justin geht es um die Überbietung der platonischen Philosophie durch das Christentum als der eigentlichen Philosophie, was er auch durch die Gestaltung des Dialogs deutlich macht, vgl. dazu Heyden, Christliche Transformation (s. Anm. 10), 211–213. 18  Dial. 7,1. 19  Dial. 7,2. Vgl. auch B. Chilton, Justin and Israelite Prophecy, in: Parvis/Foster, Justin and his Worlds (s. Anm. 2), 77–87.

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Unter dieser Vorgabe diskutiert Justin nun also mit Tryphon, dem er aus diesem Grund auch vorwirft, seinerseits auf Lehrer zu hören, die die Schrift eben nicht verstehen.20 Man streitet also vor allem um das richtige Verständnis der prophetischen Texte, die nach Justins Ansicht „teils von der ersten Parusie Christi, bei der er nach der Verheißung ohne Ehre und Schönheit als Sterblicher erscheint, teils von der zweiten Parusie, wo er in Ehren über den Wolken erscheinen“21 wird, handeln. Insofern ist es nur konsequent, dass auch Tryphon dem Justin Vorhaltungen macht und kritisiert, dass er mit den prophetischen Schriften höchst willkürlich verfahre.22 Justin gibt dann auch zu, dass die von ihm vorgetragenen Deutungen im Hinblick auf Christi zweifache Parusie nicht so einfach nachzuvollziehen sind und auch nicht unbedingt auf der Hand liegen.23 Immer wieder wird demnach deutlich, dass zwischen den Gesprächspartnern höchst umstritten ist, auf wen sich eine prophetische Aussage oder auch ein prophetisch ausgerichteter Psalm beziehen. Justin will nachweisen: „Denn von Christus ist verkündigt, dass er König, Priester, Gott, Herr, Engel, Mensch, erster Feldherr, ein Stein, ein neugeborenes Kind ist, dass er anfangs leidensfähig ist, dann in den Himmel auffährt und wieder mit Herrlichkeit kommt und ein ewiges Reich besitzt, wie ich aus allen Schriften beweise“.24

Für Justin setzen die Texte selbst ein klares Signal: all diese Bezeichnungen meinen nicht einen bestimmten König, Priester, Gott, Herrn, Engel, Menschen oder einen konkreten Feldherrn, sie meinen niemand anderen als Christus. Insofern verwendet Justin den Begriff der παραβολή ganz ähnlich wie der Verfasser des Hebräerbriefs, der „die Aussagen der Schrift hinsichtlich der alten Kult‑ und Heilsordnung abbild‑ und gleichnishaft in der Richtung und Beziehung auf dasjenige, was durch Christus eschatologisch-endgültig verwirklicht worden ist“,25 versteht und deutet. Dass man den König oder einen Priester, Gott, Herrn  Dial. 9,1. 14,8. Zur Wichtigkeit der Unterscheidung von erster und zweiter Parusie bei Justin vgl. auch G. Stanton, The Two Parousias of Christ: Justin Martyr and Matthew, in: M. de Boer (Hg.), From Jesus to John, FS Marinus de Jonge, Sheffield 1993, 183–196; und C. Markschies, Der Mensch Jesus Christus im Angesicht Gottes. Zwei Modelle des Verständnisses von Jes 53 in der patristischen Literatur und deren Entwicklung, in: B. Janowski/P. Stuhlmacher, Der leidende Gottesknecht. Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte mit einer Bibliographie zu Jesaja 53 (FAT 14), Tübingen 1996, 197–249, hier 215. Vgl. auch D. J.  Bingham, Justin and Isaiah 53, VigChr 54 (2000), 248–261. 22  Dial. 27,1. 23 Dial. 32,2. 24  Dial. 34,2: ὁ γὰρ Χριστὸς βασιλεὺς καὶ ἱερεὺς καὶ θεὸς καὶ κύριος καὶ ἄγγελος καὶ ἄνθρωπος 20

21 Dial.

καὶ ἀρχιστράτηγος καὶ λίθος καὶ παιδίον γεννώμενον καὶ παθητὸς γενόμενος πρῶτον, εἶτα εἰς οὐρανὸν ἀνερχόμενος καὶ πάλιν παραγινόμενος μετὰ δόξης καὶ αἰώνιον τὴν βασιλείαν ἔχων κεκήρυκται, ὡς ἀπὸ πασῶν τῶν γραφῶν ἀποδείκνυμι.

25  H.-F. Wei, Der Brief an die Hebräer (KEK 13), Göttingen 151991, 458 mit Bezug auf Hebr 9,9 und 11,9. Vgl. auch J.-P. Michaud, Parabole dans l’épître aux Hébreux et typologie, Sémiotique et Bible 46 (1987), 19–34.

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oder Engel etc. auf Christus beziehen kann, mag ja noch nachvollziehbar sein, aber was ist mit dem Stein? Tryphon nimmt daran jedoch keinerlei Anstoß, weil es für hellenistisch-jüdische Interpreten offenbar keineswegs ungewöhnlich war, Gott im Begriff des Steins oder Felsens beschrieben zu finden.26 Im Verlauf des Dialogs kommt Justin noch häufiger auf diese von ihm als gleichnishaft beschriebene Deutung zurück27 und betont diesen Rückgriff auch ausdrücklich.28 An einer Stelle führt er die damit begründete Auslegung sogar noch etwas weiter aus und betont, dass die zweite Beschneidung durch Christus geschehen sei, der mittels seiner Worte, d. h. seiner Steinmesser, den Irrtum der Welt abschneidet.29 Den Begriff der παραβολή verwendet Justin also entsprechend seiner rhetorischphilosophischen Schulung und setzt Dinge, die nicht offensichtlich etwas miteinander zu tun haben, in Beziehung zueinander.30 Ihm geht es aber nicht nur darum, die Schrift als spannendes Rätselbuch zu verstehen und zu behaupten, dass „something hidden in the Scripture that can be brought to light by proper interpretation“,31 wie Willis Shotwell gemeint hatte. Mit παραβολή dürfte eher ein Auslegungsinstrument gemeint sein, das danach fragt, welche Bezeichnungen und Benennungen welchen Personen zugeordnet werden können. So macht Justin etwa in einer ausführlichen Exegese deutlich, dass der Psalm 23 eben nicht Salomo meine, sondern Jesus Christus, denn niemand anderer als dieser werde dort parabolisch Jakob, Gott und Herr der Mächte genannt.32 In eben dieser Weise müsse man aber nicht nur die Psalmen Davids, sondern auch die Aussagen des Propheten Jesaja verstehen, der Christus im Gleichnis ebenfalls Jakob und Israel nannte.33 Auch Jakob selbst habe als Prophet den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Parusie Christi deutlich gemacht und insbesondere sein zweites, machtvolles Kommen im Judaspruch des Jakobsegens parabolisch vorhergesagt, wie Justin in einer längeren Exegese zu Gen 49,8–12 26  Dial. 36,1. Dass diese Deutung keineswegs ungewöhnlich war, zeigt auch G. Mayer, Der „Fels“. Ein Beitrag zur christlich-jüdischen Auseinandersetzung im 3./4. Jh., in: G. Mayer/​ M. Tilly (Hg.), Lebensform und Lebensnorm im antiken Judentum. Untersuchungen zur jüdischen Religionssoziologie und Theologie in hellenistisch-römischer Zeit (Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 30), Berlin/New York 2015, 77–81, hier 80, u. a. mit Verweis auf Phil., Alleg. Interp. 2,86. 27  Dial. 113,6; vgl. Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17 und E. F.  Osborn, Justin Martyr (BHT 47), Tübingen 1973, 95. 28 Dial. 34,2; 70,1; 86,2 f. und 90,5 sowie 114,2: Stein und Jakob und Israel. 29  Dial. 113,6. 30  Aristot., Rhet. 2,20,2 verwies darauf, dass mittels παραβολή zwei Dinge miteinander in Beziehung gesetzt werden, um sie zu vergleichen oder zu erläutern, ähnlich auch Quintilian, inst. orat. V,11,23. Vgl. dazu auch R. Zimmermann, Urchristliche Parabeln im Horizont der antiken Rhetorik. Der Beitrag von Aristoteles und Quintilian zur Formbestimmung der Gleichnisse, in: L. Hauser/F. R. Prostmeier/C. Zöller (Hg.), Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit (SBB 60), Stuttgart 2008, 201–225. 31  Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17. 32 Dial. 36,2. 33  Dial. 123,8.

202

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veranschaulicht.34 Darüber hinaus habe Jakob in eben diesem Bericht des Mose auch prophezeit, dass Christus nicht nur menschlicher, sondern eben auch göttlicher Abkunft war.35 Diese Prophezeiung nimmt Justin später noch einmal auf, um Tryphon und seinen Begleitern Christi Auferstehung und Himmelfahrt plausibel zu machen. „Da er sein Blut nicht durch menschlichen Samen, sondern durch den Willen Gottes empfing, so sagte von demselben – wie oben erwähnt – Mose in einem Gleichnis, er würde im Blut der Traube sein Gewand waschen“.36

Justin setzt hier also das Blut Christi mit dem Blut der Traube in Beziehung.37 Doch zugleich stoßen beide Gesprächspartner im Dialog immer wieder auf das Problem, dass geklärt werden muss, auf wen ein bestimmter Text eigentlich hindeutet und welche Person gemeint sei. Besonders anschaulich macht Justin diesen Sachverhalt bei der Auslegung des christologisch enorm wichtigen Psalms 21, den er explizit und als ganzen auf Christus münzt.38 Doch für Justin meint der Psalm nicht nur Christus oder ist auf Christus hin zu lesen, vielmehr spricht hier Christus selbst durch den Mund Davids.39 Wer genau zuhört, kann an dieser Stelle Christus selbst reden hören, wie er von seinem eigenen Leiden und vom Kreuz in Form einer παραβολή Zeugnis ablegt.40 Darüber hinaus ist Justin aber auch der Ansicht, dass die Schrift selbst deutliche Hinweise gibt, indem Aussagen, die zunächst etwa an David gerichtet waren und geheimnisvoll blieben, später von Jesaja ausgelegt, gedeutet und erklärt werden. „Viele rätselhafte und in Gleichnissen, Geheimnissen oder symbolischen Handlungen ausgedrückten Lehren sind von den Propheten einer späteren Geschichte ausgelegt worden“.41

Die Propheten  – allen voran Jesaja  – sind also nicht nur diejenigen, die die doppelte Parusie Christi angekündigt haben, sie sind für Justin auch selbst Aus-

34 Dial. 52,1; vgl. Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17 und Allert, Revelation (s. Anm. 2), 240. 35 Dial. 52,2. 36 Dial. 63,2: περὶ οὗ καὶ Μωυσῆς τοῦ αἵματος, ὡς προέφην, αἵματι σταφυλῆς, ἐν παραβολῇ εἰπών, τὴν στολὴν αὐτοῦ πλύνειν ἔφη. Vgl. auch Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17. 37  Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17 f.: „From this it may be concluded that Justin conceived of a parable as something hidden in Scripture that could be brought to light by the use of an argument from analogy.“ 38  Vgl. auch J. M.  Lieu, Justin Martyr and the Transformation of Psalm 22, in: C. Hempel/​ J. M. Lieu (Hg.), Biblical Traditions in Transmission. Essays in Honor of Michael A. Knibb, Leiden/Boston 2006, 195–211. 39  Dial. 99,1; vgl. dazu auch M. W.  Bates, The Birth of the Trinity. Jesus, God and the Spirit in New Testament and Early Christian Interpretations of the Old Testament, Oxford 2015, 131–140. 40  Dial. 97,3. 41 Dial. 68,6: ὅτι πολλοὺς λόγους, τοὺς ἐπικεκαλυμμένως καὶ ἐν παραβολαῖς ἢ μυστηρίοις ἢ ἐν συμβόλοις ἔργων λελεγμένους, οἱ μετ ’ ἐκείνους τοὺς εἰπόντας ἢ πράξαντας γενόμενοι προφῆται ἐξηγήσαντο.

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leger und Interpreten schwieriger und dunkler Textstellen früherer Autoren.42 Schließlich weiß Justin, dass sich der Heilige Geist, der sich in jeder diesen Schriften manifestiert, gerne und oft in Parabeln und Gleichnissen ausdrückt.43 Gerade Jesaja formuliere häufiger in dieser Weise: mit der Ortsbezeichnung Samaria meine er parabolisch das Böse44 und deute an anderer Stelle im Gleichnis an, dass Jesus in einer Höhle Mensch geworden sei.45 Und auch Jeremia verweise in Gleichnissen auf das Mysterium Christi und predige es somit auf eine geheimnisvolle Weise.46 Mit seinem Gesprächspartner Tryphon ist Justin sich darüber vollkommen einig, dass eine angemessene Interpretation prophetischer Texte nicht immer unbedingt leicht fällt. „Du weißt es, auch habt ihr es zugegeben, dass die Propheten alles, was sie redeten und wirkten, in Gleichnissen und Typen verhüllten, so dass das meiste nicht von jedem leicht erkannt wird. Die darin liegende Wahrheit haben sie verborgen, damit der, welcher sie finden und wissen will, sich anstrenge“.47

Die Entschlüsselung und Enthüllung prophetischer Redeweise ist also eine anspruchsvolle Aufgabe, der nicht jeder Ausleger des Textes gerecht wird. Der Text selbst macht es dem Exegeten, der sich nicht intensiv um die Wahrheit bemüht, nicht leicht. Der Begriff der παραβολή wird in Justins Dialog mit Tryphon zwar nicht häufig, doch dann sehr gezielt verwendet, wenn Justin die prophetische Rede mit dem Christusgeschehen in Beziehung setzen wollte, vor allem, wenn es nicht einfach war, festzustellen, auf welche Person sich eine fragliche Aussage der Prophetie bezieht.

II. Justins Interpretation der Gleichnisse Jesu Für Justin war natürlich Christus selbst der wichtigste philosophische Lehrer. Besonderes Interesse gilt deshalb seinen Aussprüchen, den Herrenworten, die dementsprechend von Justin auch als Lehraussagen Christi verstanden werden. Von παραβολή spricht Justin in diesem Zusammenhang nicht, auch wenn er sich bisweilen auf Texte bezieht, die wir zu den Gleichnissen Jesu zählen!  C. Schäublin, Homerum ex Homero, Museum Helveticum 34 (1977), 221–227.  Dial. 77,4. Zu Justins Pneumatologie vgl. jetzt auch die Untersuchung von A. Briggman, Justin Martyr and the Pneumatology of the Mid-Second-Century, Oxford 2012. 44  Dial. 78,5; vgl. Shotwell, Biblical Exegesis (s. Anm. 6), 17 und R. M.  Grant, The Letter and the Spirit, London 1957, 134. 45  Dial. 78,6. 46 Dial. 115,1. 47  Dial. 90,2: Οἶσθα, ἔφην, ὅτι ὅσα εἶπον καὶ ἐποίησαν οἱ προφῆται, ὡς καὶ ὡμολογήθη ὑμῖν, παραβολαῖς 42 43

καὶ τύποις ἀπεκάλυψαν, ὡς μὴ ῥᾳδίως τὰ πλεῖστα ὑπὸ πάντων νοηθῆναι, κρύπτοντες τὴν ἐν αὐτοῖς ἀλήθειαν, ὡς καὶ πονέσαι τοὺς ζητοῦντας εὑρεῖν καὶ μαθεῖν.

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Um seinem Gesprächspartner Tryphon zu verdeutlichen, dass mit der zweiten Parusie Christi zugleich die endgültige Trennung zwischen den Menschen und Engeln, die Christus vertraut und denen, die ihn verspottet haben, erfolgen werde, beruft sich Justin auf eine Reihe von autoritativen Schriftzeugnissen.48 Diese Unterscheidung habe Christus selbst dann aber auch ganz unverhüllt gepredigt und ausdrücklich gelehrt,49 als er sprach: „Gehet hin in die Finsternis draußen, die der Vater dem Satan und seinen Engeln bereitet hat“.50

An dem Gesamtzusammenhang des Gleichnisses von den Schafen und Böcken zeigt Justin aber keinerlei Interesse. Das ist beim Gleichnis vom Sämann jedoch anders.51 Auch hierbei handelt es sich für Justin um ein Herrenwort,52 das er aber nicht nur zitiert, sondern auch auf eine charakteristische Weise ausdeutet.53 An dieser Stelle will er von den Begleitern des Tryphon wissen, ob ihnen die Bedeutung des Namens Israels geläufig sei, doch schweigen diese hartnäckig.54 Justin vermutet, dass sie die Bedeutung zwar kennen, diese aber dennoch  – aus welchem Grund auch immer  – für sich behalten wollen. Anders als diese Schweigenden möchte Justin jedoch ganz offen reden, gemäß dem Wort und der Weisung seines Herrn: „Es ging der Sämann hin, zu säen den Samen; der eine fiel auf den Weg, der andere unter die Dornen, der andere auf steinigen Boden, der andere auf das gute Erdreich“.55

Justin bezieht dieses Wort aber nun nicht auf die Verkündigung Jesus, sondern auf seine eigene Verkündigung.56 Er begreift sich selbst als den Sämann und  Dial. 76,3–7. 76,3. 50 Mt 25,41. 51  Vgl. auch E. Ottenheijm, Waiting for the Harvest. Trajectories of Rabbinic and „Christian“ Parables, in: A. Houtman (Hg.), Religious Stories in Transformation. Conflict, Revision, and Transformation (Jewish and Christian Perspectives 31), Leiden/Boston 2016, 314– 333 zur Fülle an Gleichnissen zu Saat und Ernte in jüdischen und frühchristlichen Kontexten. 52  Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 7), 211. 53 Gegen Skarsaune, Justin and His Bible (s. Anm. 2), 73, der meint, Justin interpretiere an keiner Stelle einen neutestamentlichen Text etwas gründlicher. Warum J. Ulrich, Innovative Apologetik. Beobachtungen zur Originalität Justins am Beispiel der Lehre vom Logos spermatikos und anderer Befunde, ThLZ 130 (2005), 3–16, hier 9 behauptet: „Denn so sehr Justin zweifellos sehr viel (werdendes) Neues Testament zitiert, ist doch ausgerechnet das Sämanngleichnis nirgends dabei und auch sonst keine ‚Sprüche‘ über den Sämann, wie sie aber in anderen Stellen in den Texten des frühen Christentums durchaus zu finden sind, z. B. 1 Clem 24,4 f. und EvThom 9“, bleibt mir ein Rätsel. 54  Dial. 125,1. 55 Dial. 125,1: ὡς ὁ ἐμὸς κύριος εἶπεν· Ἐξῆλθεν ὁ σπείρων τοῦ σπεῖραι τὸν σπόρον· καὶ ὃ μὲν ἔπεσεν εἰς τὴν ὁδόν, ὃ δὲ εἰς τὰς ἀκάνθας, ὃ δὲ ἐπὶ τὰ πετρώδη, ὃ δὲ ἐπὶ τὴν γῆν τὴν καλήν; vgl. auch A. J.  Bellinzoni, The Sayings of Jesus in the Writings of Justin Martyr (NT.S 17), Leiden 1967, 127–130. 56 Vgl. auch M. F. Wiles, Early Exegesis of the Parables, Scottish Journal of Theology 11 (1958), 287–301, hier 293, und J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 1947, 150, 48

49 Dial.

Die Interpretation von Gleichnissen bei Justin

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als den treuen Verwalter im Dienst seines Herrn Jesus Christus.57 Aus diesem Grunde darf er eben in der aktuellen Situation der Diskussion mit Tryphon und seinen Begleitern nicht schweigen, sondern muss reden und verkündigen.58 Justin geht es hier explizit um die mündliche Verbreitung der Lehren seines Herrn, die unbedingt gefordert ist, auch wenn er nicht wissen kann, wie viele von seinen Hörern das Wort positiv aufnehmen werden: „Man muß also reden und hoffen, dass es irgendwo schon gutes Erdreich gebe. Christus, mein Herr, der ‚Starke und Mächtige’ wird nämlich kommen und von allen das Seinige fordern, und er wird seinen Verwalter nicht verurteilen, wenn er merkt, derselbe weiss, dass sein Herr mächtig ist und bei seinem Kommen das Seinige fordern wird, und er hat daher dasselbe bei allen Banken angelegt, nicht jedoch aus irgendwelchem Grunde vergraben“.59

Justin versteht das Gleichnis als ein Herrenwort und damit als unmittelbare Handlungsanweisung für Verkündiger und damit in diesem Fall für sich selbst. Angesichts der zweiten Parusie des Herrn muss sich derjenige, der die christliche Botschaft weitergibt, eben auch selbst fragen lassen, ob er wirklich alles unternommen hat, um seine Hörer für diese Botschaft zu gewinnen. Insofern kann Justin das Gleichnis vom Sämann mit dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten zusammenbringen und zu einer einzigen Aussage verbinden.60 Möglicherweise könnte Justin auch von dem aus dem platonischen Phaidros stammenden Vergleich zwischen erfolgreicher Wissenskommunikation und dem Landbau beeinflußt sein.61 Ein Bauer, so heißt es dort, pflanzte zum Spaß kurzlebige Adonisgärtchen, wobei diese Pflanzen aber keine Wurzeln ausbildeten und viel zu schnell in die Höhe schossen. Mit großem Ernst kümmerte er sich hingegen um geeigneten Boden, damit seine Saat tatsächlich auch Frucht brachte.62 In gleicher Weise handelt eben auch ein Philosoph, der das fruchtder darauf aufmerksam macht, dass Justin das Gleichnis als Ermutigung für den christlichen Prediger versteht, an seiner Aufgabe nicht zu verzweifeln. 57 Vgl. auch D. W. Jorgensen, Treasure Hidden in a Field. Early Christian Reception of the Gospel of Matthew, Berlin/Boston 2016, 163: „Justin Martyr […] drew upon this parable in order to characterize his own speech acts as those of the sower“. 58 Vgl. auch R. Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung, in: ders. (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 87–121, hier 121. 59  Dial. 125,2: ἐλπίδι οὖν τοῦ εἶναί που καλὴν γῆν λέγειν δεῖ· ἐπειδή γε ἐκεῖνος ὁ ἐμὸς κύριος, ὡς ἰσχυρὸς καὶ δυνατός, τὰ ἴδια παρὰ πάντων ἀπαιτήσει ἐλθών, καὶ τὸν οἰκονόμον τὸν ἑαυτοῦ οὐ καταδικάσει, εἰ γνωρίζοι αὐτόν, διὰ τὸ ἐπίστασθαι ὅτι δυνατός ἐστιν ὁ κύριος αὐτοῦ καὶ ἐλθὼν ἀπαιτήσει τὰ ἴδια, ἐπὶ πᾶσαν τράπεζαν διδόντα, ἀλλ‘ οὐ δι‘ αἰτίαν οἱανδηποτοῦν κατορύξαντα. 60  Vgl. auch F. Manns, La parabole des talents. Wirkungsgeschichte et racines juives, RevSR 65 (1991), 343–362, hier 346. 61 Plat., Phaidr. 276a–277a; diesen interessanten Hinweis verdanke ich Konrad Schwarz; vgl. zu diesem Text auch M. Erler, Natur und Wissensvermittlung. Anmerkungen zum Bauernvergleich in Platons Phaidros, RMP N. F. 132 (1989), 280–293. 62 Plat., Phaidr. 276c.

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Katharina Greschat

bare Ackerland geeigneter Seelen für seine unbedingt mündliche Belehrung  – im Unterschied zu den kurzlebigen „Schriftgärtchen“63  – sehr gründlich auswählt, um seine Lehre Wurzeln schlagen zu lassen.64 Letztlich geht es ja auch Justin darum, neben die schriftlichen Prophetenbezeugungen die Lehre Jesu und Justins eigene Verkündigung zu stellen, die, ebenso wie das bei der Rede im Phaidros intendiert ist, daraufhinwirken soll, die Seele glückselig zu machen.65 Denn auch Justin will verkündigen, um seine Hörer oder Leser dazu zu bewegen, sich hier und jetzt den Lehren Christi zuzuwenden, so wie er es seinerzeit selbst bei der Beschäftigung mit den Worten der Propheten und der Freunde Jesu Christi erlebt hat: „Ich hätte den Wunsch, daß alle vom gleichen Eifer wie ich beseelt wären und keiner von den Lehren des Erlösers sich abwenden möchte. Diese haben nämlich etwas Furchtbares an sich, da sie die, welche vom rechten Wege abweichen, zu schrecken vermögen; dagegen wird angenehmste Erholung denen, welche sich in sie vertiefen“.66

III. Fazit Dass Justin seinen Dialog mit Tryphon als ein philosophisches Gespräch gestaltet, gilt es unbedingt ernst zu nehmen. Dementsprechend geht es in der ausführlichen Debatte zweier Philosophen67 um das richtige Verständnis der prophetisch-philosophischen Grundlagentexte. Diese reden nach Justins Ansicht „teils von der ersten Parusie Christi, bei der er nach der Verheißung ohne Ehre und Schönheit als Sterblicher erscheint, teils von der zweiten Parusie, wo er in Ehren über den Wolken erscheinen“68 wird. Das erfolgt aber nicht immer in einer sofort verständlichen oder offenkundigen Weise, so dass bisweilen mittels parabolischer Deutung geklärt werden muss, welche Person die Texte meinen bzw. wer in ihnen eigentlich spricht. Die Gleichnisse gehören für Justin zu den philosophischen Lehraussagen Christi. Weder an den kurzen Erzählungen noch an den Aussagen über Jesu 63 Erler,

Natur und Wissensvermittlung (s. Anm. 61), 287.  Für Platon ist die Wahrheit nicht über schriftliches Wissen, sondern allein über das direkte lebendige Gespräch möglich, wie er auch in den Nomoi und dem berühmten 7. Brief ausführt, vgl. auch D. Thiel, Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie (BzA 231), Berlin/Boston 2006, 157 f. 65  Plat., Phaidr. 276e. 66 Dial. 8,2: βουλοίμην δ ‘ ἂν καὶ πάντας ἴσον ἐμοὶ θυμὸν ποιησαμένους μὴ ἀφίστασθαι τῶν τοῦ σωτῆρος 64

λόγων· δέος γάρ τι ἔχουσιν ἐν ἑαυτοῖς, καὶ ἱκανοὶ δυσωπῆσαι τοὺς ἐκτρεπομένους τῆς ὀρθῆς ὁδοῦ, ἀνάπαυσίς τε ἡδίστη γίνεται τοῖς ἐκμελετῶσιν αὐτούς. εἰ οὖν τι καὶ σοὶ περὶ σεαυτοῦ μέλει καὶ ἀντιποιῇ σωτηρίας καὶ ἐπὶ τῷ θεῷ πέποιθας, ἅπερ οὐκ ἀλλοτρίῳ τοῦ πράγματος, πάρεστιν ἐπιγνόντι σοὶ τὸν Χριστὸν τοῦ θεοῦ καὶ τελείῳ γενομένῳ εὐδαιμονεῖν.

67  Dazu, dass Justin seinen Gesprächspartner Tryphon als Philosophen ernst nimmt, vgl. auch Greschat, Unzulängliche Philosophen (s. Anm. 8), 340–342. 68 Dial. 14,8.

Die Interpretation von Gleichnissen bei Justin

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Verkündigung hat Justin irgendein Interesse; vielmehr nutzt er sie konsequent für seine eigenen Zwecke. Denn für Justin redet Christus hier ganz offen und explizit über sein zukünftiges Kommen in Herrlichkeit. Bis dahin sollte aber jeder Verkündiger der christlichen Wahrheit  – wie Justin selbst  – nach Maßgabe der eigenen Worte Christi die gegenwärtige Zeit nutzen, um seine Hörer davon zu überzeugen, dass das Christentum tatsächlich die eigentliche, alte und unbedingt vertrauenswürdige Urphilosophie sei, von der die Propheten Zeugnis abgelegt haben. Dementsprechend kann der Dialog selbst dann auch als eine philosophisch-exegetische Übung verstanden werden, um die richtige und sachgemäße Auslegung der Prophetenschriften zu trainieren.69

 Vgl. auch Heyden, Christliche Transformation (s. Anm. 10), 216.

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„Das Königreich des Vaters gleicht …“ Jesu Gleichnisse und Parabeln im Thomasevangelium Konrad Schwarz Abstract: The Gospel of Thomas presents Jesus almost exclusively as a character who speaks. Considering that roughly one-quarter of this gospel consists of parabolic language, parables play a very prominent role in this text, especially with regard to the “kingdom (of the father)” as a central issue of Jesus’s speech. While in modern research the literary context of the parables in the Gospel of Thomas is often regarded as secondary or unhelpful for their interpretation, this essay explores how parabolic language converges with the gospel’s hermeneutics as stated in the prologue (“Whoever finds the meaning of these words will not taste death.”). Moreover, a number of parables are embedded into larger discourses, like the dialogues about Jesus’s discipleship in Gos. Thom. 18–24.

„Wer die Deutung dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken.“ Mit dieser programmatischen Verheißung im Prolog des Thomasevangeliums1 erhalten die Rezipientinnen und Rezipienten zwei wesentliche Hinweise. Zum einen erhebt das Thomasevangelium damit den Anspruch, dass die folgenden „Worte, die der lebendige Jesus sagte“,2 tatsächlich einen Weg zur Überwindung des „Todes“ bieten. Zum anderen kommt dieser Verheißung eine besondere pragmatische Funktion zu, indem sie implizit zu einem bestimmten Umgang 1  Der zweite Teil des Prologs, zu dem die zitierte Verheißung gehört, wird im Anschluss an die Editio princeps häufig als „Logion 1“ gezählt (A. Guillaumont u. a., Evangelium nach Thomas. Koptischer Text herausgegeben und übersetzt, Leiden 1959, 2 f.). Die Aussage ist jedoch inhaltlich Teil des Prologs und wird naheliegenderweise von Thomas gesprochen, während Jesus erst in EvThom  2 explizit zu Wort kommt. Das Thomasevangelium wird im Folgenden auf der Grundlage der Übersetzung des Berliner Arbeitskreises für koptischgnostische Schriften wiedergegeben, zuletzt in H.-G. Bethge, Das Evangelium nach Thomas. Übersetzung, in: C. Markschies/J. Schröter (Hg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. Bd. 1: Evangelien und Verwandtes, Tübingen 72012, 507–522. Der koptische Text sowie der Text der griechischen Fragmente aus Oxyrhynchos folgt der kritischen Ausgabe von B. Layton/T. O. Lambdin, The Gospel according to Thomas. Critical Edition/Translation, in: B. Layton (Hg.), Nag Hammadi Codex II,2–7 together with XIII,2*, Brit. Lib. Or. 4926(1), and P.Oxy. 1, 654, 655, Bd. 1: Gospel according to Thomas, Gospel according to Philip, Hypostasis of the Archons, and Indexes (NHS 20), Leiden/New York 1989, 52–93; bzw. H. W.  Attridge, Appendix: The Greek Fragments, a. a. O., 95–128. 2  Prolog des Thomasevangeliums.

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Konrad Schwarz

mit dieser Schrift auffordert: Um „den Tod nicht schmecken“ zu müssen, ist es notwendig, nach der „Deutung“ suchen. Bei den anschließenden „Worten“ oder „Reden“,3 auf die sich diese Verheißung bezieht, handelt es sich um sehr unterschiedliche Formen von Aussagen und Anweisungen und keineswegs nur um offensichtlich rätselhafte, verhüllte Rede. Darüber hinaus wäre es verkürzt anzunehmen, dass das Finden der „Deutung“ lediglich ein kognitiver Vorgang ohne praktische Konsequenzen ist. Vielmehr wird im Thomasevangelium mehrfach ein bestimmtes Handeln als Voraussetzung dargestellt, um in das „Königreich“ zu gelangen,4 und es finden sich auch zahlreiche Aufforderungen zu verschiedenen ethischen Themen.5 Die anschließenden Worte und Reden Jesu, die teilweise auch in Dialogen mit Jüngerinnen und Jüngern begegnen, enthalten ein breites Spektrum von Formen abstrakter sowie metaphorischer Sprache.6 In diesem Kontext sind die Gleichnisse und Parabeln in verschiedener Hinsicht besonders bedeutend: Sie stellen erstens einen großen Anteil am Gesamttext, insofern sich rund ein Viertel des Textes den parabolischen Gattungen zuordnen lässt;7 zweitens sind sie relativ gleichmäßig über die gesamte Schrift verteilt; als dritter Aspekt ist zu nennen, dass mehrere Parabeln am Beginn und vor allem gegen Ende des Thomasevangeliums erzählt werden, wo grundlegende Themen eine Art Rahmen dieser Schrift bilden;8 und schließlich ist der theologisch zentrale Begriff „Königreich (des Vaters)“ mit zahlreichen Parabeln verbunden.9 Bereits diese allgemeinen Beobachtungen machen deutlich, dass die parabolischen Erzählungen des Thomasevangeliums eng auf die theologischen Grundlinien dieser Schrift bezogen sind. Bis in die gegenwärtige Forschung hinein werden sie jedoch aus verschiedenen Gründen oft nicht im Kontext dieser Schrift 3 Λόγοι (P.Oxy. IV 654,1) und ähnlich auch ⲛ̄ϣⲁϫⲉ (NHC II,2 p. 32,10) bezeichnen nicht nur einzelne „Worte“. Vielmehr dient der Ausdruck auch hier „zur Bezeichnung des Gesprochenen im weitesten und mannigfaltigsten Sinn“ (A. Debrunner, Art. λέγω κτλ., ThWNT 4 [1942], 71–76, hier 74). 4  EvThom 22; 99. 5  So etwa die Aufforderung, nicht zu lügen und nicht zu tun, was man „hasst“ (EvThom 6; vgl. EvThom 14,5), grundlegende Hinweise zum Verhalten in der Gemeinschaft in Form von Aussagen über den „Bruder“ (EvThom  25 f.), die Forderung, sich von Macht fernzuhalten (EvThom  81,2), das Zinsverbot (EvThom  95) sowie die geforderte Absage an „Welt“ und Reichtum (EvThom 110). 6  Vgl. u. a. die Gradatio in EvThom 2, zahlreiche Aphorismen (EvThom 5; 10; 23; 25 etc.), Apophthegmata (u. a. EvThom 6; 12; 99; 100; 113; 114), Makarismen (EvThom 7,1; 18,3; 19,1; 49,1; 54; 58; 68,1; 69,1 etc.) sowie Weheworte (EvThom 102,1; 112; ähnlich auch EvThom 7,2). 7 Einige Parabeln gehören dabei zu den längsten zusammenhängenden Redeabschnitten dieser Schrift (EvThom 64 und 65). 8  Vgl. EvThom 8 f. sowie 107 und 109. 9 Häufig steht ⲧⲙⲛ̄ⲧⲉⲣⲟ („das Königreich“) absolut (u. a. EvThom 3,1.3; 22,2 f.; 27,1; 107,1; 109,1). Daneben begegnet das Syntagma ⲧⲙⲛ̄ⲧⲉⲣⲟ ⲙ̄ⲡⲉⲓⲱⲧ („das Königreich des Vaters“, EvThom 113,4), insbesondere in der Einleitung von Parabeln (so in EvThom 57,1; 76,1; 96,1; 97,1; 98,1).

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interpretiert. Wie im Folgenden näher erläutert wird, spielte dabei einerseits der forschungsgeschichtliche Kontext eine wichtige Rolle, da die wissenschaftliche Publikation des Thomasevangeliums in eine Zeit fiel, als die historisierende Auslegung der Gleichnisse Jesu im Vordergrund stand und der jeweilige literarische Kontext bei der Interpretation bevorzugt ausgeblendet wurde. Andererseits wird das Thomasevangelium oft als heterogene „Spruchsammlung“ angesehen, in die frühchristliche Traditionen unterschiedlicher Herkunft Eingang gefunden haben. Das Thomasevangelium, wie es in der koptischen Version erhalten ist, gilt demnach entweder als eher zufälliges Produkt oder es wird auf einen späten „Redaktor“ zurückgeführt, dessen tendenziöse Arbeit in der Auslegung möglichst rückgängig gemacht werden soll. Wie zuletzt Simon Gathercole ausführlich dargelegt hat, lässt sich jedoch bei einem Vergleich der griechischen Version des Thomasevangeliums in den Oxyrhynchos-Fragmenten mit dem koptischen Text des Nag Hammadi Codex II zeigen,10 dass die koptische Version im Wesentlichen auf einen griechischen Text des 2. Jahrhunderts zurückgeht und ein bemerkenswert kohärentes theologisches Profil zeigt.11 Zugleich sind Versuche, die Entstehungsgeschichte dieses Textes zu rekonstruieren, mit starken methodischen Unsicherheiten belastet.12 Der folgende Beitrag widmet sich daher der Aufgabe, die Gleichnisse und Parabeln des Thomasevangeliums als inhaltlich bedeutenden Bestandteil im Kontext dieser Schrift wahrzunehmen. Dabei wird zunächst danach gefragt, welche formalen Charakteristika die parabolischen Erzählungen aufweisen und insbesondere durch welche Transfersignale die Rezipientinnen und Rezipienten darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Erzählte übertragen zu verstehen ist. Im Anschluss daran soll die Verwendung parabolischer Gattungen im Thomasevangelium anhand einiger Beispiele dargestellt werden. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Bedeutung dem unmittelbaren literarischen Kontext der parabolischen Erzählungen für deren Interpretation zukommt. 10  P.Oxy. IV 654 sowie I 1. Bei P.Oxy. IV 655 sind jedoch deutlich größere Differenzen im Vergleich mit der koptischen Version in NHC II,2 festzustellen. Ob P.Oxy. IV 655 unmittelbar als Textzeuge des Thomasevangeliums gelten kann oder ob es sich um ein Fragment eines unbekannten Evangeliums handelt, das im Thomasevangelium rezipiert wurde, muss wegen der Bruchstückhaftigkeit des griechischen Papyrus offenbleiben; vgl. J. Schröter, Das Evangelium nach Thomas (Thomasevangelium [NHC II,2 p. 32,10–51,28]) Oxyrhynchus-Papyri I 1, IV 654 und IV 655 (P.Oxy. I 1, VI 654 und IV 655), in: Markschies/Schröter, Antike christliche Apokryphen (s. Anm. 1), 483–506, hier 488–492, sowie K. Schwarz, Gleichnisse und Parabeln Jesu im Thomasevangelium. Untersuchungen zu ihrer Form, Funktion und Bedeutung (BZNW 236), Berlin/New York 2020, 9–14. 11  S. J.  Gathercole, The Gospel of Thomas. Introduction and Commentary (Texts and Editions for New Testament Study 11), Leiden/Boston 2014, 23 f., und die konzise Darstellung der Theologie des Thomasevangeliums a. a. O., 144–175. 12  Vgl. exemplarisch die Auseinandersetzung mit dem Modell eines „Rolling Corpus“ bei Gathercole, Gospel of Thomas (s. Anm. 11), 24–34.

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Die Unterscheidung der Gattungen „Gleichnis“ und „Parabel“, die neben weiteren zu einem „Spektrum sogenannter parabolischer Gattungen“ gezählt werden können, orientiert sich im Folgenden an dem literaturwissenschaftlichen Ansatz von Rüdiger Zymner.13 Die Erzählung des Gleichnisses hat dabei lediglich einen „vorgestellten“, d. h. imaginierten Charakter, der darin zum Ausdruck kommt, dass das Gleichnis üblicherweise im Präsens steht.14 Die Parabel lässt sich dagegen als eine „erfundene Geschichte“ bzw. „Illusionserzählung“ verstehen, die in einem Tempus der Vergangenheit erzählt wird. Obwohl die Differenzierung zwischen Gleichnis und Parabel keine Entsprechung in der Terminologie der antiken Texte hat, stellt sie eine heuristisch gewinnbringende Unterscheidung dar.15 Mit Bezug auf Überlegungen von Harald Weinrich hat bereits Eckhard Rau darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Tempora und Modi unterschiedliche kommunikative Funktionen erfüllen können. Demnach wirkt ein Gleichnis in einem Gegenwartstempus direkter auf die Hörerinnen und Hörer, es sei jedoch auch durchschaubarer und erlaube daher leichter eine Distanzierung. Dagegen signalisieren Vergangenheitstempora in einer parabolischen Erzählung eher „Entspanntheit“, wobei die Geschichte zugleich weniger durchschaubar werde und deshalb eine Distanzierung erschwere.16 Diese Unterscheidung lenkt daher in besonderer Weise die Aufmerksamkeit auf die textpragmatische Funktion des Tempusgebrauchs.17 13  Siehe dazu den Beitrag von Zymner in diesem Band (S. 323–326). Konzise Definitionen des Gleichnisses und der Parabel finden sich auch in R. Zymner, Art. Gleichnis, in: D. Lamping (Hg.), Handbuch der literarischen Gattungen, Stuttgart 2009, 334–339; ders., Art. Parabel, a. a. O., 559–569; daneben bereits ders., Art. Parabel, HWRh 6 (2003), 502–514, hier 502 f. 14 Zymner, Gleichnis (s. Anm. 13), 334. Neben dem „erzählenden Gleichnis“ definiert Zymner auch das „statische Gleichnis“, das nichterzählende Beschreibungen, Aufzählungen etc. enthält. 15 Vgl. auch D. Dormeyer, Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte  – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 420–437, hier 425, und K. Erlemann, Art. Gleichnisse (NT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), online unter www.bibelwissenschaft. de/​stichwort/​48932/ (zuletzt abgerufen am 25. 06. ​2019), Abschn. 1.2, die sich jedoch stärker an der Begriffsverwendung Adolf Jülichers orientieren. Die Binnendifferenzierung in Gleichnis, Parabel etc. wurde u. a. bereits von J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 101984, 16 f., infrage gestellt; in der neueren Diskussion besonders von R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“, in: ders., Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (s. o.), 383–419. 16  E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu (FRLANT 149), Göttingen 1990, 30 f. Rau bezeichnet dies als „besprechende“ und „erzählende Gleichnisse“. 17  Vgl. die Diskussion des Ansatzes von Weinrich bei J. Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. 2: Das johanneische Zeitverständnis (WUNT 110), Tübingen 1998, 48. Dass in einigen parabolischen Erzählungen die Tempora und Modi wechseln oder dass ein ähnlicher Erzählinhalt als Gleichnis und als Parabel überliefert werden kann (bspw. Mk 4,30–32 vs. Lk 13,18 f./ Mt 13,31 f.), zeigt zum einen die enge Verwandtschaft der parabolischen Gattungen, wobei die Tempuswechsel auch für das Wie der Erzählung (i. S. des narratologischen discours) höchst re-

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I. Gleichnisse und Parabeln im hermeneutischen Kontext des Thomasevangeliums Der bereits erwähnte Prolog des Thomasevangeliums signalisiert den Rezipientinnen und Rezipienten auf implizite Weise, dass sie für die folgenden „Worte“ einen Bedeutungstransfer durchführen bzw. sich das Gesagte aneignen sollen. In hermeneutischer Hinsicht wird damit eine gewisse Nähe zu der spezifischen „Appellstruktur der Uneigentlichkeit“ erzeugt, die als ein wesentliches Merkmal parabolischer Gattungen gilt.18 Im Prolog findet sich jedoch kein näherer Hinweis, auf welche Weise oder in welcher Richtung die „Deutung“ ermittelt werden soll. Im Unterschied dazu regen parabolische Texte durch sogenannte Transfersignale dazu an, eine Bedeutungsübertragung vorzunehmen. Dabei verweisen sie häufig explizit auf einen bildempfangenden Bereich wie die Gottesherrschaft, oder es finden sich implizite Hinweise zur Deutungsrichtung in den parabolischen Erzählungen selbst, beispielsweise durch die Verwendung konventioneller Metaphern und Bildfelder. Obwohl durch den Prolog des Thomasevangeliums nicht alles Nachfolgende unterschiedslos zum „Gleichnis“ gemacht wird, lässt sich dennoch beobachten, dass der Abstand zwischen den parabolischen Erzählungen und den übrigen Aussagen dieser Schrift in spezifischer Weise reduziert wird. In der neutestamentlichen Forschungsdiskussion haben unter anderem Christian Münch und Ruben Zimmermann dazu angeregt, die in den Quellentexten verwendeten Termini, die mit parabolischen Gattungen in Verbindung gebracht werden, stärker zu berücksichtigen.19 In dieser Hinsicht ist für das Thomasevangelium zunächst ein bedeutender Negativbefund festzustellen: Das Lexem παραβολή ist in den griechischen Fragmenten des Thomasevangeliums nicht belegt; ebenso wenig kommt in der koptischen Version des Nag Hammadi Codex II das graeco-koptische Lexem ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ vor. Wie bereits erwähnt, levant sind. Zum anderen spricht das Vorhandensein von Gattungsübergängen und ‑mischungen nicht gegen eine engere begriffliche Differenzierung unter Berücksichtigung „früherer, aber unscharfer Gebrauchsweisen und Verwendungstraditionen“ (H. Fricke, Definitionen und Begriffsformen, in: R. Zymner [Hg.], Handbuch Gattungstheorie, Stuttgart/Weimar 2010, 7–10, hier 7). 18 Zymner, Parabel (HWRh, s. Anm. 13), 503; vgl. auch Zimmermann, Parabeln  – sonst nichts! (s. Anm. 15), 409.416 f. 19  C. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion (WMANT 104), Neukirchen-Vluyn 2004, 74 u. ö.; Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! (s. Anm. 15). Die Diskussion über die Verwendung vor allem des Lexems παραβολή in den frühchristlichen Schriften sowie der antiken Literatur insgesamt gehört freilich zu den klassischen Feldern der Debatte. So besteht Jülichers fast hundertseitige Darlegung über „Das Wesen der Gleichnisreden Jesu“ überwiegend aus einer Diskussion der Verwendung des Ausdrucks παραβολή, der nach Jülicher jedoch von den Evangelisten als dunkle, deutungsbedürftige Rede missverstanden wurde (A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, zwei Teile in einem Band, Tübingen 1910, Teil 1, 25–118, bes. 42–49).

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werden die Leserinnen und Leser jedoch durch verschiedene Transfersignale darauf aufmerksam gemacht, dass eine Bedeutungsübertragung erfolgen soll. Als voranstehendes explizites Transfersignal ist vor allem die formelhafte Einleitung zu nennen: „Das Königreich des Vaters gleicht …“20 Abhängig vom jeweiligen Kontext werden auch andere Formulierungen verwendet, die das Signalwort „gleichen“ oder „ähnlich sein“ enthalten.21 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das koptische Thomasevangelium dafür zwei unterschiedliche, bedeutungsähnliche Lexeme verwendet: ⲧⲟⲛⲧⲛ̄ und ⲉⲓⲛⲉ. Das Verb ⲧⲟⲛⲧⲛ̄ lässt sich mit „vergleichen“ oder „gleichen“ wiedergeben, es bedeutet aber auch „schätzen“ oder „vermuten“.22 Das Verb ⲉⲓⲛⲉ kann mit „gleichen“, „ähnlich sein“ oder „ähnlich werden“ übersetzt werden.23 ⲉⲓⲛⲉ kommt im Thomasevangelium insgesamt seltener vor und wird ausschließlich bei einem Bezug auf Personen gebraucht, wie etwa in der Begründung des Weheworts gegen die Pharisäer (EvThom 102): Jesus spricht: ,,Wehe ihnen, den Pharisäern, denn sie gleichen (ⲉⲓⲛⲉ) einem Hund, der auf dem Futtertrog der Rinder schläft.24 Denn weder frisst er, noch [lässt] er die Rinder fressen.“

Das Verb ⲧⲟⲛⲧⲛ̄ wird dagegen häufiger verwendet. Markant ist in dieser Hinsicht vor allem sein ausschließlicher Gebrauch bei einem Bezug zum „Königreich“. Dies ist besonders auffällig in der Frage der Maria an Jesus: „Wem gleichen (ⲉⲓⲛⲉ) deine Jünger?“ (EvThom 21,1), während in den benachbarten parabolischen Erzählungen vom Senfkorn (EvThom 20) und den Stillkindern (EvThom 22) das Verb ⲧⲟⲛⲧⲛ̄ erscheint, wo jeweils ein Bezug zum „Königreich der Himmel“ bzw. zum Eingehen in das „Königreich“ hergestellt wird.25  EvThom 57,1; 76,1; 96,1; 97,1; 98,1. Die kürzere Fassung „Das Königreich gleicht …“ erscheint in EvThom 107,1; 109,1. 21  EvThom 8,1: „Der Mensch gleicht …“ Ob es sich dabei um einen Abschreibfehler handelt oder um einen bewusst komponierten Bezug zu dem vorausgehenden Makarismus („Selig ist der Löwe, den der Mensch essen wird …“, EvThom 7) lässt sich mangels entsprechender Textzeugen nicht entscheiden. Vgl. auch die Einleitung „Einem Senfkorn gleicht es (sc. das Königreich der Himmel)“ (EvThom 20,2). 22 W. E.  Crum, A Coptic Dictionary. Compiled with the Help of Many Scholars, Oxford 1939, 420ab; W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch. Bearbeitet auf Grund des Koptischen Handwörterbuchs von Wilhelm Spiegelberg, Heidelberg 1977, 237. 23 Crum, Coptic Dictionary (s. Anm. 22), 80b–81a; Westendorf, Handwörterbuch (s. Anm. 22), 50. 24  Oder „liegt“. 25 Die Bedeutungsähnlichkeit beider Verben zeigt sich auch in der parallel gestalteten Formulierung EvThom 13,1: „Jesus sprach zu seinen Jüngern: ‚Vergleicht mich (ⲧⲟⲛⲧⲛ̄) (und) sagt mir, wem ich gleiche (ⲉⲓⲛⲉ).‘“ Der Grund, warum bei einem Bezug zum Königreich nur das Verb ⲧⲟⲛⲧⲛ̄ verwendet wird, lässt sich nicht mit Gewissheit bestimmen, da zu den betreffenden Abschnitten keine griechischen Fragmente erhalten sind. Möglicherweise gibt der Übersetzer damit eine sprachliche Differenz in seiner griechischen Vorlage wieder oder er folgt einer sich etablierenden Übersetzungspraxis, die auch in der sahidischen Überlieferung des Neuen Testaments erkennbar ist. 20

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Als parabolische Transfersignale lassen sich weiterhin verschiedene kommentarhafte Aussagen beschreiben, die sich im Anschluss an einige Binnenerzählungen finden und auf diese Weise bestimmte Impulse für die Interpretation geben. So mahnt Jesus etwa im Anschluss an die Parabel vom Kaufmann und der Perle: „Sucht auch ihr nach seinem Schatz, der nicht verdirbt …“ (EvThom 76,3). Auch am Ende der längeren Parabel vom Gastmahl findet sich ein kurzer Kommentar: „Die Käufer und Händler [werden] nicht eingehen zu den Orten meines Vaters“ (EvThom 64,12). Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass das Thomasevangelium relativ sparsam mit solchen kommentierenden Aussagen ist. Gleichzeitig bleibt bei den vorhandenen Kommentaren mitunter offen, ob sie sich mehr als Interpretationshinweise auf das vorher Erzählte zurückbeziehen oder ob sie eher weiterführende, zusätzliche Denkanstöße enthalten. Die zahlreichen Parabeln des Thomasevangeliums, die überwiegend das koptische Perfekt als Basistempus verwenden, leitet der Erzähler meist nur mit der formelhaften Wendung „Jesus spricht:“ (ⲡⲉϫⲉ ⲓ̄ⲥ̅ ϫⲉ) ein.26 Jesus richtet die Parabeln also nicht an bestimmte Figuren innerhalb des Thomasevangeliums, wie etwa die Jüngergruppe. Die Gleichnisse, die in dieser Schrift zumeist in präsentischen Tempora erzählt werden,27 sind hingegen stärker auf ihren narrativen oder argumentativen Kontext bezogen. Eine Besonderheit des Thomasevangeliums ist schließlich die häufige Verwendung von Possessivsätzen am Beginn von Parabeln. Koptische Possessivsätze werden mit dem Verb ⲟⲩⲛ̄ⲧⲉ‑ („haben“) gebildet, die besitzende Person ist diesem Verb zumeist nachgestellt.28 Bei solchen Parabelanfängen fällt im Thomasevangelium auf, dass darin stets das Substantiv ⲣⲱⲙⲉ („Mensch, Mann“) das Subjekt ist, wie etwa am Beginn der Parabel vom Gastmahl: „Ein Mensch hatte Gäste“ (EvThom 64,1). Dieser „Mensch“ wird teilweise auch mit einem Attribut näher bestimmt, etwa: „Ein [gütiger] Mensch29 hatte einen Weinberg.“30 Die Kombination „ein Mensch hatte …“ gewinnt im Thomasevangelium vor allem durch die häufige Verwendung einen nahezu formelhaften Charakter. Diese Kombination hat zwar Analogien in einigen Parabeln des Matthäus‑ und Lukasevan26  EvThom 9; 57; 63; 64; 76; 96; 97; 98; 107; 109. Seltener steht vor Parabeln die Redeeinleitung „Und er spricht:“ (EvThom 8) bzw. „Er spricht:“ (EvThom 65). 27 Die Komplexität des koptischen Tempussystems und der Verwendung von Nominal‑ und Adverbialsätzen kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Einen Einstieg dazu gibt u. a. U.K. Plisch, Einführung in die koptische Sprache. Sahidischer Dialekt (Sprachen und Kulturen des christlichen Orients 5), Wiesbaden 1999, 42–78. 28  Plisch, Einführung (s. Anm. 27), 51 f.; B. Layton, A Coptic Grammar. With a Chrestomathy and Glossary – Sahidic Dialect (PLO 20), Wiesbaden 32011, §§ 383–392. 29 Die Rekonstruktion ⲟⲩⲣⲱⲙⲉ ⲛ̄ⲭⲣⲏ[ⲥⲧⲟ]ⲥ („ein gütiger Mensch“) in EvThom 65,1 ist aus lexikalischen und semantischen Gründen als wahrscheinlicher anzusehen als die in der Forschung diskutierte Alternative ⲟⲩⲣⲱⲙⲉ ⲛ̄ⲭⲣⲏ[ⲥⲧⲏ]ⲥ („ein Wucherer“); vgl. die Einzeldiskussion in Schwarz, Gleichnisse und Parabeln Jesu (s. Anm. 10), 191–205. 30  EvThom 65,1; Mk 12,1 parr. verwenden übereinstimmend das Prädikat ἐφύτευσεν.

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geliums, die mit ἄνθρωπός τις beginnen.31 Ein Spezifikum des Thomasevangeliums besteht jedoch darin, dass solche Possessivsätze in insgesamt vier Parabeln mit dem sogenannten Vergleichsanfang verbunden werden, etwa: „Das Königreich des Vaters gleicht einem Menschen, der [guten] Samen hatte“ (EvThom 57,1), oder: „Das Königreich des Vaters gleicht einem Kaufmann, der Ware hatte und eine Perle fand“ (EvThom  109,1). In den modernen Übersetzungen ist diese grammatische Konstruktion des Possessivsatzes allerdings nur schwer nachzuempfinden.

II. Gleichnisse und Parabeln ohne Kontext? In der Forschungsdiskussion über die kanonisch gewordenen Evangelien hat sich in den letzten Jahrzehnten ein verstärktes Bewusstsein dafür entwickelt, dass der jeweilige literarische Kontext unentbehrliche Impulse für das Verständnis der überlieferten Gleichnisse und Parabeln enthält.32 Was das apokryph gewordene Thomasevangelium betrifft, findet der literarische Kontext in der Auslegung jedoch seltener Berücksichtigung. Wesentliche Gründe dafür dürften, wie bereits angedeutet, zum einen in dem spezifischen literarischen Profil dieser Schrift liegen. Zum anderen fiel die Entdeckung und Publikation des koptischen Thomasevangeliums in eine forschungsgeschichtliche Phase, die die literarischen Eigenheiten dieser Schrift weiter zuspitzte.33 Deutlich wird dies bereits in der Untersuchung über die „Gleichnisse Jesu“ von Joachim Jeremias. Unter der Überschrift „Der Rahmen“ erläutert Jeremias das letzte seiner „zehn Gesetze  Mehrfach erscheinen die Anfänge dieser Gleichnisse und Parabeln in Form einer Frage, die sich an eine Gruppe richtet (so Mt 12,11 par. Lk 15,4; Lk 11,5). Daneben begegnet ἔχειν gelegentlich auch in der als „typisch“ lukanisch geltenden Einführung dramatischer Hauptfiguren, u. a. in Lk 15,11; 16,1; vgl. M. Wolter, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 395. 32   So u. a. G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335, hier 315, sowie B. Gerhardsson, If We Do Not Cut the Parables Out of Their Frames, NTS 37 (1991), 321–335. 33  Die Entdeckung und Publikation des Nag Hammadi Codex II (1945 bis 1959) fiel nicht nur in eine Hochzeit der Formgeschichte. Vielmehr wirkte auch die ältere Diskussion Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts über die griechischen Fragmente aus Oxyrhynchos nach, die im Kontext der Agrapha-Forschung geführt wurde (J. Frey, Die Lilien und das Gewand. EvThom 36 und 37 als Paradigma für das Verhältnis des Thomasevangeliums zur synoptischen Überlieferung, in: J. Frey/E. E. Popkes/J. Schröter [Hg.], Das Thomasevangelium. Entstehung – Rezeption – Theologie [BZNW 157], Berlin/New York 2008, 122–180, hier 124– 127). Paul-Hubert Poirier bezeichnet daher die frühe Entdeckung von Henri-Charles Puech, dass das koptische Thomasevangelium griechische Parallelen in den Oxyrhynchos-Papyri hat, als „the first major turning point for the research on the Gos. Thom.“ (P.-H. Poirier, From 1897 to 2015: Some Aspects of the Research on the Gospel according to Thomas, in: J. Schröter/K. Schwarz [Hg.], Die Nag-Hammadi-Schriften in der Literatur‑ und Theologiegeschichte des frühen Christentums [STAC 106], Tübingen 2017, 219–232, hier 225). 31

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der Umformung“34 und setzt sich dabei auch mit dem Problem des literarischen Kontexts auseinander. Im Anschluss an eine Betrachtung einiger Parabeln in den kanonisch gewordenen Evangelien fasst Jeremias zusammen: Alle diese Beispiele, die sich vermehren lassen, sind eine Aufforderung, in jedem Falle den Kontext, in dem ein Gleichnis überliefert wird, kritisch darauf zu prüfen, ob er mit dem ursprünglichen Sinn des Gleichnisses (soweit wir ihn zu erkennen vermögen) übereinstimmt.35

Bemerkenswert ist dabei, dass Jeremias sein Gleichnisbuch erstmals 1947 veröffentlichte, also vor Bekanntwerden des koptischen Thomasevangeliums. In der erweiterten sechsten Auflage von 1962, die durch die englische Übersetzung auch in der internationalen Forschung breit rezipiert wurde, berücksichtigte Jeremias das inzwischen edierte Thomasevangelium und ergänzte direkt im Anschluss an das eben Zitierte: Die Frage, ob der Kontext ursprünglich ist, wird dadurch besonders dringlich, daß uns das ThEv. sämtliche Gleichnisse ohne Kontext überliefert.36

Jeremias’ Einschätzung der Gleichnisse und Parabeln im Thomasevangelium als kontextlos wird somit zu einem unterstützenden Argument dafür, den literarischen Kontext in allen überlieferten Evangelien als nachrangig zu betrachten. Auch in neueren Forschungsbeiträgen zum Thomasevangelium wurde der Kontext der Gleichnisse und Parabeln verschiedentlich diskutiert. Grundlegend ist dabei allerdings häufig die Gesamteinschätzung des Thomasevangeliums als Spruchsammlung, in der jeder Spruch für sich wahrzunehmen sei.37 In diesem Sinne werden auch Lexemwiederholungen in benachbarten Sprüchen vorwiegend als Stichworte angesehen, die der Organisation des Stoffes dienten und keinen besonderen Einfluss auf die Interpretation hätten. So kommt etwa Jacobus Liebenberg mit Blick auf die Gleichnisse, Parabeln und Aphorismen des Thomasevangeliums zu dem Ergebnis: […] their immediate context rarely, if ever, seemed helpful in attempts to assign meaning to them. This is of course a result of the fact that the link between sayings are mostly via catchword connections and not via thematic concerns.38

 Jeremias, Gleichnisse Jesu (101984, s. Anm. 15), 114.  J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 51958, 82. 36 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 15), 96; vgl. auch die vollständig ergänzte S. 20 ab der 6. Auflage. 37  So bereits H. Köster, Ancient Christian Gospels. Their History and Development, London 1990, 82; vgl. zuletzt auch S. J.  Patterson, The Gospel of Thomas and the Historical Jesus, in: A. F. Gregory u. a. (Hg.), The Oxford Handbook of Early Christian Apocrypha (Oxford Handbooks), Oxford 2015, 233–249, hier 239, der die Gattungszuweisung des Thomasevangeliums als Spruchsammlung als Forschungskonsens hervorhebt. 38  J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and 34 35

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Dass die Redeeinleitung zu einer Reflexion über einzelne Aussagen anregt, ist zwar ein bedenkenswerter Aspekt. Zugleich sollte dies aber nicht mit der Vorstellung verbunden werden, dass die Leserinnen und Leser vorhergehende und nachfolgende Aussagen völlig ausblenden. Darüber hinaus lässt sich an mehreren Stellen beobachten, dass die Einordnung von Lexemwiederholungen als bloße Stichworte in der Gefahr steht, deren textsemantische Dimension zu übersehen. Die Wortwiederholungen, die oftmals am Beginn von Redeabschnitten stehen, könnten vielmehr auch dazu einladen, das vorher Gesagte noch einmal zu reflektieren und weitere Interpretationsmöglichkeiten zu erkunden. Zwei Beispiele dafür, die im Folgenden beleuchtet werden, sind die Abfolge der Sämannparabel und die anschließende Reflexion Jesu über sein eigenes Wirken (EvThom 9–10) sowie die Parabel vom Kaufmann und der Perle in Verbindung mit der nachfolgenden Aussage Jesu über seine Beziehung zum „All“ (EvThom 76–77). 1. Deutungsanregungen im engeren Kontext von Parabeln Die Parabel vom Sämann und der Saat wird durch eine kurze szenische Einführung eröffnet: „Siehe, ein Sämann zog aus. Er füllte seine Hand, (und) er warf (es aus)“ (EvThom 9,1). Die Figur des Sämanns kommt in der weiteren Erzählung nicht mehr vor, sondern der Fokus liegt auf der Saat und den verschiedenen Böden, auf den sie fällt. Im Anschluss an die Parabel nimmt Jesus auf sein eigenes Wirken Bezug: „Ich habe Feuer in die Welt geworfen, und siehe, ich bewahre es, bis es lodert“ (EvThom 10).39 Da der Sämann als Initialfigur der Parabel ebenso wie Jesus jeweils Subjekt des Verbs ⲛⲟⲩϫⲉ („werfen“) sind, legt sich für die Leserinnen und Leser möglicherweise ein Bezug zwischen dem Sämann und Jesus nahe. Die Parabel erhält auf diese Weise eine weitergehende Deutungsdimension im Hinblick auf das Wirken Jesu, wenngleich der erzählerische Schwerpunkt auf dem Ergehen der Saat und der Bedeutung der „guten Erde“ liegt. Ein ähnliches Phänomen der Zusammenstellung, das allerdings weniger auf der Wiederholung eines Lexems, als vielmehr auf dem Bezug zu einem gemeinsamen Wortfeld beruht, zeigt sich in der Parabel vom Kaufmann und der Perle: Auf die Parabel, in der sich die Hauptfigur bewusst für die Perle entscheidet (EvThom  76), folgt eine längere Aussage Jesu in der 1.  Person über sein Verhältnis zum „All“ und seine verborgene Gegenwart, die es zu erkennen gilt Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas (BZNW 102), Berlin/New York 2000, 503 f. 39  Da sowohl ⲕⲱϩ̄ⲧ („Feuer“) als auch ⲕⲟⲥⲙⲟⲥ („Welt“) maskulin sind, kann der zweite Teil des Ausspruchs auch übersetzt werden mit „und siehe, ich bewahre sie (sc. die Welt), bis sie lodert.“ Für beide Übersetzungen lassen sich inhaltliche Argumente finden, sodass keine eindeutig vorzuziehen ist; vgl. einerseits U.-K. Plisch, Das Thomasevangelium. Originaltext mit Kommentar, Stuttgart 2007, 60, mit Verweis auf Lk 12,49; andererseits Gathercole, Gospel of Thomas (s. Anm. 11), 243, mit Hinweis auf EvThom 56 f.

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(EvThom 77).40 Jesu Kommentar am Ende der Parabel („Sucht auch ihr nach seinem Schatz …“, EvThom 76,3) erhält dabei eine Entsprechung am Ende von EvThom 77 („… und ihr werdet mich dort finden“). Ob der gesuchte „Schatz“ mit Jesus selbst zu identifizieren ist oder ob der „Schatz“ lediglich dort zu finden ist, wo Jesus präsent ist, bleibt dabei offen. Dennoch lässt sich festhalten, dass auch hier die Abfolge der Parabel und der anschließenden Aussage Jesu über seine verborgene Gegenwart einen zusätzlichen Impuls für die Interpretation erzeugt. Neben diesen beiden Parabeln, deren Interpretation auch durch den näheren Kontext beeinflusst wird, lassen sich im Thomasevangelium einige thematisch verbundene Diskurse erkennen, in denen parabolische Erzählungen verwendet werden. Im Folgenden soll dazu ein Abschnitt diskutiert werden, der einen solchen engeren Zusammenhang herstellt, nämlich Jesu Unterweisung über die Jüngerschaft in EvThom 18–24. 2. Die Jüngerunterweisung EvThom 18–24 In dem Abschnitt EvThom 18–24 kommt das graeco-koptische Lexem ⲙⲁⲑⲏⲧⲏⲥ besonders häufig vor, wobei sich zwei verschiedene Verwendungen unterscheiden lassen. Zum einen werden damit die Jünger als handelnde Figurengruppe bezeichnet, die sich im Dialog mit Jesus befindet. Während im Thomasevangelium sonst die monologischen Redeteile Jesu dominieren und dialogische Szenen eher einzeln stehen,41 erscheint die Häufung von Dialogen in EvThom  18–24 bemerkenswert. Zum anderen wird in diesem Abschnitt das Jüngersein auch an zwei Stellen ausdrücklich thematisiert, zuerst in der Aussage Jesu: „Wenn ihr mir zu Jüngern werdet (und) auf meine Worte hört, werden euch diese Steine dienen“ (EvThom  19,2), und danach in der Frage der Maria an Jesus: „Wem gleichen deine Jünger?“ (EvThom  21,1). Mit Blick auf die Verwendung parabolischer Gattungen in dieser Schrift ist darüber hinaus von Interesse, dass die Gleichnisse in diesem Abschnitt einen verhältnismäßig großen Anteil ausmachen. Diese Gleichnisse sollen im Folgenden kurz erläutert werden, wobei die zahlreichen Probleme der Interpretation nicht im Einzelnen diskutiert werden können.42 40 Obwohl der erhaltene griechische Text aus P.Oxy. I 1 im Wesentlichen mit der koptischen Version in NHC II,2 p. 38,19–39,13 (EvThom 26–33) übereinstimmt, findet sich ein bemerkenswerter Unterschied darin, dass das Pendant zum koptischen Text von EvThom 77,2 in der griechischen Fassung (P.Oxy. I 1r Z. 6–9) nach EvThom  30,2 steht. Die Umstellung in der koptischen Version wird meist mit der Homonymität des Verbs ⲡⲱϩ in EvThom 70,1 und 2 erklärt, das sowohl „hingelangen“ als auch „spalten“ bedeuten kann (so bereits J. Leipoldt, Das Evangelium nach Thomas. Koptisch und deutsch [TU 101], Berlin 1967, 23: die Anfügung sei „aus der Freude am Wortspiel“ erfolgt). Die Umstellung ist jedoch auch inhaltlich passend. 41  Mehrere dialogische Szenen stehen auch in EvThom 12–14; 51–53; 113–114 zusammen. 42 Vgl. die Einzelanalysen der folgenden Gleichnisse in Schwarz, Gleichnisse und Parabeln Jesu (s. Anm. 10), 120–160.

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Das Senfkorngleichnis wird im Thomasevangelium ausdrücklich durch die Jüngergruppe von Jesus erbeten (EvThom 20): (1) Die Jünger sprachen zu Jesus: ,,Sage uns, wem das Königreich der Himmel gleicht!“ (2) Er sprach zu ihnen: „Einem Senfkorn gleicht es. (3)  ist der kleinste von allen Samen. (4) Wenn es aber auf die Erde fällt, die bearbeitet wird, bringt sie einen großen Zweig hervor, (und) er wird zum Schutz für die Vögel des Himmels.“

Das Gleichnis geht zunächst in einer kurzen statischen Beschreibung auf die ursprüngliche Eigenschaft des Senfkorns ein (Satz 3), bevor in einem syntaktisch deutlich komplexeren Satzgefüge eine dynamische Entwicklung dargestellt wird (Satz 4). Während einerseits nicht erwähnt wird, wer das Senfkorn fallen lässt, gewinnt andererseits der Boden, auf den es fällt, eine hervorgehobene Bedeutung: Die „Erde“ wird näherbestimmt als die, „die bearbeitet wird“, und sie ist es auch, die anschließend „einen großen Zweig“ hervorbringt. Vor allem der Relativsatz „die bearbeitet wird“ kann dabei als spezifischer Einzelzug des Gleichnisses angesehen werden, der die Rezipientinnen und Rezipienten darauf hinweist, dass ihre aktive Mitwirkung für die Ausbreitung des „Königreichs“ notwendig ist. Nur am Rande sei an dieser Stelle bemerkt, dass in der Darstellung eine gewisse Spannung zum botanischen Wissen in der Antike besteht. So berichtet etwa Plinius der Ältere von der Hartnäckigkeit des Senfsamens, sodass es mitunter schwierig sei, die Senfpflanzen wieder loszuwerden.43 Darüber hinaus ist der Schluss des Gleichnisses von einer gewissen interpretativen Offenheit geprägt. Die Formulierung „Schutz für die Vögel des Himmels“ lässt sich kaum als deutliche Anspielung auf Schöpfungs‑ oder Herrschaftsmotive in der israelitisch-jüdischen Literatur verstehen.44 Vielmehr kann diese Formulierung entweder als bloße Illustration der Größe des Zweiges aufgefasst werden oder sie impliziert eine gewisse Wirkung des „Königreichs“ auf andere Menschen. Vergleichbar wäre in dieser Hinsicht die Aussage am Ende der Jüngerunterweisung, dass das „Licht im Inneren eines Lichtmenschen“ die „ganze Welt“ erleuchtet (EvThom 24,3). Auf die Frage der Maria „Wem gleichen deine Jünger?“ antwortet Jesus in einer verhältnismäßig ausführlichen, ununterbrochenen Rede, die viele parabolische Passagen enthält (EvThom 21): (1) Maria sprach zu Jesus: „Wem gleichen deine Jünger?“ (2)  Er sprach: „Sie gleichen Kindern, die sich auf einem Feld aufhalten, das ihnen nicht gehört. (3) Wenn die Herren 43 Plin.,

287.

Nat. 19,170; vgl. C.-H. Hunzinger, Art. σίναπι, ThWNT 7 (1964), 286–290, hier

44  Mit Blick auf Mk  4,30–32; Mt  13,31 f.; Lk 13,18 f. werden mögliche Anspielungen auf Ez 17,23; 31,16; Dan 4,9.18; Ψ 103,12 diskutiert. Vgl. dazu den Überblick bei K. Snodgrass, Stories with Intent. A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus, Grand Rapids 22018, 224 f. Snodgrass schlussfolgert, dass es sich bei Mk 4,32 nicht um Anspielungen auf spezifische Texte handelt, sondern um die allgemeine Vorstellung eines Baumes, der die Gottesherrschaft symbolisiert.

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des Feldes kommen, werden sie sagen: ‚Lasst uns unser Feld.‘ (4) Sie (aber) sind nackt vor ihnen, sodass sie es ihnen lassen (und) ihnen ihr Feld geben. (5) Deshalb sage ich: Wenn der Hausherr erfährt, dass der Dieb kommt, wird er wachsam sein, bevor er kommt, (und) wird ihn nicht eindringen lassen in sein Haus, das zu seinem Herrschaftsbereich gehört, sodass er seine Habe wegnehme. (6) Ihr aber seid wachsam gegenüber der Welt! (7) Gürtet eure Lenden mit großer Kraft, damit die Räuber keinen Weg finden, um zu euch zu kommen. (8) Denn das Notwendige, auf das ihr (sehnsüchtig) wartet, wird gefunden werden. (9) Es möge in eurer Mitte ein verständiger Mensch sein! (10) Als die Frucht reif war, kam er in Eile mit seiner Sichel in der Hand, (und) er erntete sie. (11) Wer Ohren hat zu hören, soll hören.“

Die einzelnen Abschnitte dieser Rede werden auf der Textoberfläche von mehreren graeco-koptischen Konjunktionen strukturiert: „deshalb“ (ⲇⲓⲁ ⲧⲟⲩⲧⲟ), „aber“ (ⲇⲉ), „denn“ (ⲉⲡⲉⲓ). In welchem argumentativen Verhältnis die Abschnitte jeweils stehen, ist jedoch mitunter nicht eindeutig zu bestimmen, wie auch die einzelnen parabolischen Aussagen diverse Interpretationsprobleme enthalten. Aus sprachlichen Gründen ist das Gleichnis über die Kinder auf dem Feld am Beginn der Antwort Jesu (EvThom 21,2–4) besonders schwierig, weil der Bezug der Pronomina teilweise unklar ist und auch unmarkierte Subjektwechsel denkbar sind:45 Wer ist wem gegenüber „nackt“ und wer darf schlussendlich das Feld behalten? Die naheliegendste Lösung dürfte an dieser Stelle darin bestehen, dass die „Herren des Feldes“ dieses Stück Land als „unser Feld“ bezeichnen und dass sie es auch am Ende behalten dürfen.46 Offen ist dann jedoch noch immer, ob es für die Kinder einen Verlust darstellt, das Feld zu räumen. In semantischer Hinsicht ist daneben außerdem fraglich, ob mit den „Kindern“ in diesem Gleichnis eher die positiven oder die negativen Konnotationen der Kindheit verbunden sind. So geht etwa Clemens von Alexandrien im Paidagogos darauf ein, dass die Kindheit in positiver Hinsicht Schlichtheit, Einfachheit und Vertrauen bedeutet, dass sie andererseits aber auch als das „Lebensalter der Unvernünftigen“ gilt.47 Ebenso kann die Nacktheit positiv im Sinne idealer

45 Vgl. die eingehende Diskussion dieses Gleichnisses in Schwarz, Gleichnisse und Parabeln Jesu (s. Anm. 10), 128–138. In EvThom 21,2 geht die Übersetzung des Berliner Arbeitskreises von einer missverständlichen koptischen Übersetzung von παῖς („im Sinne von δοῦλος“) in der angenommenen griechischen Vorlage aus und wählt eine andere Bedeutung des Verbs ϭⲟⲓ̈ⲗⲉ („anvertrauen“ statt „sich aufhalten“), sodass der Satz lautet: „Er sprach: Knechten gleichen sie, denen ein Feld anvertraut ist, das ihnen nicht gehört“ (Bethge, Evangelium nach Thomas [s. Anm. 1], 510, Hervorhebung hinzugefügt). Zu den sprachlichen Schwierigkeiten dieser Übersetzung vgl. P. Nagel, Die Neuübersetzung des Thomasevangeliums in der Synopsis quattuor Evangeliorum und in Nag Hammadi Deutsch Bd. 1, ZNW 95 (2004), 209–257, hier 228 f. 46 So auch J. Hartenstein, Nackt auf fremdem Land (Die Kinder auf dem Feld). EvThom 21,1–4, in: R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 878– 882, hier 878 f. 47 Clem. Al., Paed. I 17.

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Armut48 und möglicherweise sogar als Hinweis auf den paradiesischen Urzustand des Menschen vor dem Sündenfall angesehen werden.49 Oder die Nacktheit stünde für unangemessene Bekleidung, fehlenden Schutz und Wehrlosigkeit und entspräche damit der Bedeutung, wie sie in frühchristlichen apokalyptischen Kontexten gelegentlich begegnet. Schließlich stellt sich auch auf der bildempfangenden Seite des Gleichnisses die Frage, in welchem Sinne hier von „Jüngern“ die Rede ist: Die Jüngergruppe und besonders Petrus als ihr wichtigster Sprecher werden im Thomasevangelium überwiegend als wenig verständig dargestellt.50 In mehreren Dialogen äußern die Jünger zudem Ansichten, die sich im weitesten Sinne als „mehrheitskirchlich“ charakterisieren lassen, die aber von Jesus anschließend entweder klar abgelehnt oder implizit fallen gelassen werden.51 Auf der anderen Seite stehen einzelne Jüngerinnen und Jünger wie Thomas, Maria und Salome, die durchaus zutreffende Einsichten formulieren und von Jesus in besonderer Weise gewürdigt werden.52 Sie erscheinen somit als vorbildhaft für die Bedingungen, die Jesus gelegentlich für das Jüngersein geltend macht.53 Im Anschluss an das Gleichnis für Jesu Jüngerschaft in EvThom 21,1–4 werden mehrere kurze parabolische Erzählungen mit deutenden, teilweise ebenfalls metaphorischen Aussagen kombiniert. Deutlich ist dabei vor allem die Mahnung im Mittelteil, die die Lesenden in pragmatischer Hinsicht anspricht: „Ihr aber seid wachsam gegenüber der Welt“ (EvThom 21,6). Auf diese Weise legt sich eine analoge Interpretation des Diebes und der Räuber in den benachbarten Bildern nahe (Satz 5 und 7). Schließlich stellt der letzte Abschnitt durch eine kurze Parabel dar, dass sich als „verständig“ erweist, wer den entscheidenden Moment erkennt und schnell handelt (Satz 9–10). Unter Berücksichtigung dieses Kontexts erscheinen somit zwei Interpretationsansätze für das relativ deutungsoffene Gleichnis von den Kindern auf dem Feld als naheliegend. Entweder es handelt sich um eine Veranschaulichung, wie Jesu ideale Jüngerinnen und Jünger handeln sollen, sodass eher die positiven Konnotationen der Kindheit nahegelegt werden. In diesem Fall würden wohl die Kinder den Herren das Feld überlassen, weil es ihnen nicht gehört und ihnen nichts bedeutet.54 Die anschließenden parabolischen Aussagen wären folglich als 48 Vgl. die Kritik an denen, „die weiche Kleidung tragen“, die aber „die Wahrheit nicht erkennen“ werden können (EvThom 78). 49 In diesem Sinne wird das Motiv der Nacktheit wohl in EvThom 37,2 aufgenommen: „Wenn ihr (sc. die Jünger) euch entkleidet, ohne dass ihr euch geschämt habt, und nehmt eure Kleider (und) legt sie unter eure Füße wie kleine Kinder (und) trampelt darauf“, werden die Jünger „den Sohn des Lebendigen sehen“. Dabei ist jedoch zu beachten, dass EvThom 21,2 von „Kindern“ (ϣⲏⲣⲉ ϣⲏⲙ) spricht, während in EvThom 37,2 von „kleinen Kindern“ (ⲕⲟⲩⲉⲓ ⲛ̄ϣⲏⲣⲉ ϣⲏⲙ) die Rede ist. 50  Vgl. EvThom 13,2; 114,1. 51 EvThom 51 f.; 113 (vermutlich auch EvThom 91). 52  EvThom 13,4–8; 61,2–5; 114. 53  EvThom 19,2; 55,1; *101,1 f. 54 So auch Hartenstein, Nackt auf fremdem Land (s. Anm. 46), 882.

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Weiterführung mit Blick darauf zu verstehen, was es eigentlich zu schützen gilt und wer der wahre Gegner ist. Oder es könnte sich bei dem Gleichnis um eine Erzählung über die ambivalente, zumeist uneinsichtige Jüngergruppe handeln, die der Maria gegenübersteht. Die Kinder hätten sich ungenügend vorbereitet und geschützt, indem sie eben nicht ihre „Lenden mit großer Kraft“ gegürtet haben, wie Jesus es kurz darauf anmahnt. Während das Senfkorngleichnis und das Gleichnis von den Kindern auf dem Feld jeweils auf Anfragen der Jüngergruppe bzw. der Maria antworten, zeigt die parabolische Szene EvThom 22 eine andere Struktur: (1) Jesus sah Kleine,55 die Milch bekamen. (2) Er sprach zu seinen Jüngern: „Diese Kleinen, die Milch bekommen, gleichen denen, die in das Königreich eingehen.“ (3) Sie sprachen zu ihm: „Werden wir denn als Kleine in das Königreich eingehen?“ (4) Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr die zwei zu einem macht, und zwar wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere, – (5) und damit ihr das Männliche und das Weibliche zu einem einzigen macht, auf dass das Männliche nicht männlich sein wird und das Weibliche nicht weiblich sein wird – (6) wenn ihr Augen macht anstelle eines Auges und eine Hand anstelle einer Hand und einen Fuß anstelle eines Fußes, ein Bild anstelle eines Bildes, (7) dann werdet ihr eingehen in [das Königreich].“

Anlass der Szene ist, dass Jesus etwas beobachtet und seine Jünger darauf hinweist, dass das Beobachtete übertragen zu verstehen ist.56 In den Sätzen 1–3 werden auf relativ einfache Weise vor allem drei Elemente kombiniert oder ausgelassen: die „Kleinen“ sowie die Syntagmen „Milch bekommen“ und „in das Königreich eingehen“. Jesu ausführliche Antwort auf die Frage der Jünger (Satz 4–7) ist durch verschiedene Konditional‑ und Finalsätze deutlich komplexer aufgebaut. Das Syntagma „in das Königreich eingehen“ stellt den Zielpunkt der Antwort Jesu dar und verklammert diese mit den Sätzen 2–3. Die Sätze 4–7 werden damit auf das „Königreich“ als eine Art Textthema dieser Szene bezogen und interpretieren die beobachtete Ausgangsbegebenheit. Die kleinen Kinder kommen nur minimal als aktiv handelnde Figuren in den Blick; ihre einzige Handlung besteht darin, dass sie „Milch bekommen“, was auch als „gestillt werden“ aufgefasst werden kann.57 Die Sätze 4–6 haben dagegen einen stark auffordernden und aktiven Charakter: Dieser Abschnitt wird getragen durch das koptische Verb ⲉⲓⲣⲉ, das „machen“, „hervorbringen“ oder „etwas sein“ bedeuten kann und hier insgesamt sechsmal in verschiedenen Formen verwendet wird. Auch wenn die einzelnen Aussagen mitunter sehr abstrakt sind, erscheint die 55  Mit den „Kleinen“ sind offensichtlich Säuglinge gemeint. Die sprachliche Differenzierung im Thomasevangelium zwischen den „Kleinen“ (ⲕⲟⲩⲉⲓ, EvThom 22,1–3), „kleinen Kindern“ (ⲕⲟⲩⲉⲓ ⲛ̄ϣⲏⲣⲉ ϣⲏⲙ, EvThom 4,1; 37,2) und den „Kindern“ (ϣⲏⲣⲉ ϣⲏⲙ, EvThom 21,2) ist jedoch auch hier zu beachten. 56 Eine vergleichbare Struktur findet sich in EvThom 60, wo die beobachtete Szene jedoch in einem mehrschrittigen Dialog auf eine übertragene Deutungsebene geführt wird. 57  So in der Übersetzung des Berliner Arbeitskreises; vgl. Crum, Coptic Dictionary (s. Anm. 22), 58a.

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Aufzählung als eine Art Katalog notwendiger Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um in das „Königreich“ zu gelangen. Was die Gesamtinterpretation von EvThom 22 betrifft, ist in der Forschung umstritten, in welcher Hinsicht die gestillten Kinder als vergleichbar erscheinen. So betonen etwa Bernhard Heininger und Wilfried Eisele das geringe Alter der Kinder und sehen darin ein Bild für die Aufhebung der Geschlechterdifferenz,58 die in Satz 5 ausdrücklich gefordert wird. Dazu ist jedoch anzumerken, dass die Antwort Jesu nicht mit Satz 5 endet, sondern in Satz 6 eine Art Neueinsatz und Vertiefung erfolgt. Eine andere Interpretationsmöglichkeit orientiert sich deshalb an einer metaphorischen Verwendung der „Milch“ als „Wort“ bzw. λόγος Gottes; sie findet sich innerhalb des Thomasevangeliums in EvThom  79, daneben aber auch in anderen Teilen der antiken christlichen Literatur.59 Daher könnte Jesu metaphorische Rede in EvThom 22,4–7 auf eine Klärung der Frage abzielen, was es heißt, das „Wort“ Gottes aufzunehmen und zu befolgen. In jedem Fall ist im weiteren Kontext der Jüngerunterweisung in EvThom 18–24 deutlich, dass EvThom 22 das Thema des „Königreichs“, das die Jüngergruppe bereits in EvThom 20 angesprochen hatte, wieder aufnimmt. Als Weiterführung dieses Themas erscheinen die häufig abstrakten, aber dennoch grundlegenden Bedingungen in EvThom 22 wie eine Art Katechismus über den Eingang in das „Königreich“. Die Rückfrage der Jünger enthält deshalb auch Züge eines Missverständnisses, das Jesu Aussage wörtlich nimmt: Mit Blick auf die Antwort Jesu müsste ihre Frage nicht lauten „Werden wir denn als Kleine in das Königreich eingehen?“, sondern: „Was müssen wir tun, um in das Königreich einzugehen?“

III. Fazit: Gleichnisse, Parabeln und das „Königreich des Vaters“ Das Thomasevangelium entwirft unter dem hermeneutischen Vorzeichen des Prologs ein Bild von Jesus, das sich von vielen anderen frühchristlichen Jesuserzählungen deutlich unterscheidet: Jesus erscheint in dieser Schrift fast aus58 B. Heininger, Jenseits von männlich und weiblich. Das Thomasevangelium im frühchristlichen Diskurs der Geschlechter. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Jesustradition, in: ders., Die Inkulturation des Christentums. Aufsätze und Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt (WUNT 255), Tübingen 2010, 357–395, hier 391; W. Eisele, Welcher Thomas? Studien zur Text‑ und Überlieferungsgeschichte des Thomasevangeliums (WUNT 259), Tübingen 2010, 222–225. 59 Einen Überblick dazu gibt A. C.  Stewart, Art. Milch, RAC 24 (2012), 784–803; vgl. auch die Interpretation von A. Standhartinger, Einssein an Gottes Brust (Stillkinder). EvThom 22 (Mk 10,14 f./Mt 18,3/Lk 18,17), in: Zimmermann (Hg.), Kompendium (s. Anm. 46), 883–887, hier 884 f. Dass die Parabel „die Unmittelbarkeit zwischen Mutter und Kind“ als Bild für die Gottesbeziehung betont, wie Standhartinger annimmt (885), legt jedoch den Schwerpunkt auf die nur implizit vorgestellten Mütter bzw. Ammen, deren Mehrzahl überdies dem im Thomasevangelium vorausgesetzten Monotheismus entgegenstünde.

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schließlich als redende Figur. Dies wird daran deutlich, dass der Erzähler des Thomasevangeliums nahezu keine anderen Handlungen von Jesus berichtet und das aus anderen frühchristlichen Schriften bekannte Wirken Jesu als Heiler und Exorzist sowie sein Prozess und seine Hinrichtung an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt werden.60 Abgesehen von der gelegentlichen Bezeichnung Jesu als „der Lebendige“61 verzichtet das Thomasevangelium auch weitgehend auf Titel wie „Herr“ oder „Erlöser“, die in anderen apokryph gewordenen Evangelien mitunter recht häufig vorkommen. Stattdessen meldet sich der Erzähler vor allem mit der kurzen Wendung „Jesus spricht“ immer wieder zu Wort. Obwohl zumeist auch ein Pronomen genügen würde (d. h. „Er spricht“),62 wird der Name Jesu dadurch fortwährend ausdrücklich benannt, sodass der Blick in betonter Weise auf Jesus gerichtet ist. Wie Jörg Frey festhält, erzeugt der hohe Anteil direkter Rede zugleich den Eindruck einer fiktiven „Unmittelbarkeit“, das heißt „eine  – graduell unterschiedliche  – Vergegenwärtigung der redenden Figuren und ihrer Worte für die Rezipienten“.63 Wer das Thomasevangelium liest oder hört, erhält auf diese Weise eine besondere Form des Zugangs zu Jesus. Die zahlreichen Gleichnisse und Parabeln, die Jesus in dieser Schrift erzählt, nehmen durch ihre spezifische Appellstruktur den grundlegenden Impuls des Prologs auf, dass eine eigene „Deutung“ der folgenden „Worte“ Jesu notwendig ist. Dies wird dadurch besonders unterstrichen, dass kaum eine erklärende Auslegung der Parabeln erfolgt und deutende Kommentare verhältnismäßig selten begegnen. Zugleich ist jedoch bemerkenswert, dass sich parabolische Erzählungen in sehr unterschiedlicher Form und in verschiedener kontextueller Einbindung finden. So werden etwa die Parabeln zumeist nur mit „Jesus spricht“ eingeleitet, ohne dass erzählinterne Figuren als Adressatinnen und Adressaten benannt werden. Demgegenüber erscheinen die Gleichnisse hier stärker auf dialogische oder diskursive Kontexte bezogen: Das Senfkorngleichnis etwa antwortet auf eine Anfrage der Jüngergruppe (EvThom  20) und das Gleichnis vom Hund auf dem Futtertrog dient als Begründung des Weheworts gehen die Pharisäer (EvThom 102).

60  Eine Anspielung auf den Kreuzestod findet sich lediglich in Jesu Aussage „Und wer nicht … sein Kreuz tragen wird wie ich, wird meiner nicht würdig sein“ (EvThom 55,2). In offener Weise begegnet auch mehrmals das Motiv des baldigen Weggehens Jesu (EvThom 12; vgl. die vorausgesetzte Abwesenheit Jesu in Aussagen der Jünger in EvThom 24; 37). Daraus folgt jedoch nicht, dass Jesus quasi losgelöst von Raum und Zeit erscheint. Vielmehr finden sich im Thomasevangelium zahlreiche Hinweise auf eine erzählte Welt, die bei den Lesenden auch die Kenntnis anderer Evangelien voraussetzen könnte; siehe dazu K. Schwarz, Der „lebendige Jesus“ im Thomasevangelium, in: P. Dragutinović/T. Nicklas/K. G. Rodenbiker (Hg.), Christ of the Sacred Stories (WUNT II 453), Tübingen 2017, 223–246, hier 231–242. 61  EvThom Prolog; 52,2; ähnlich auch der „Sohn des Lebendigen“ (EvThom 37,2). 62  So ausnahmsweise in EvThom 8,1; 65,1; 74,1. 63 Frey, Eschatologie II (s. Anm. 17), 266, mit Blick auf das Johannesevangelium.

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Ein besonders zentrales Thema, auf das viele Gleichnisse und Parabeln rekurrieren, ist das „Königreich“ bzw. das „Königreich des Vaters“. Dabei lassen sich an ganz unterschiedlichen Stellen Hinweise entdecken, dass im Blick auf das „Königreich“ ein aktives und besonders kluges Handeln des Menschen erforderlich ist. So wird beispielsweise der Kaufmann mit der Perle unmittelbar vor dem entscheidenden Handlungsschritt als „klug“ charakterisiert (EvThom 76). Besonders aber die ausführliche Erklärung Jesu, die als Auslegung der von ihm beobachteten Stillkinder erscheint (EvThom 22), formuliert sehr grundlegende Aspekte, die für das Hineingelangen in das „Königreich“ bedeutsam sind. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Thomasevangelium Gleichnisse und Parabeln, ohne sie explizit als solche zu bezeichnen, in einer bemerkenswerten Breite sowie in vielfältiger formaler Ausprägung verwendet und sie dabei in verschiedener Weise auf den jeweiligen literarischen Kontext bezieht. Gerade in pragmatischer Hinsicht leisten die parabolischen Erzählungen einen wichtigen Beitrag, indem sie durch ihre interpretative Offenheit und durch unterschiedliche Textsignale die Rezipientinnen und Rezipienten in eigener Weise dazu anregen, die „Worte, die der lebendige Jesus sagte“, selbst zu deuten und sich anzueignen.

Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften Erkundungen bildlicher Sprache im Philippusevangelium Silke Petersen Abstract: The article analyses some parabolic texts in the Gospel of Philip and asks how metaphorical language is used in this apocryphal text. In doing so, the Gospel of Philip is not understood as a gnostic text but contexualised in early Christian discourse. The interpretation of metaphorical texts in this Gospel shows different levels of meaning, which are connected through analogical thinking. The background can be found in a platonic world view in which the (heavenly) truth is only perceptible in its images.

I. Das Problem des Esels Mitten im Philippusevangelium (EvPhil) findet sich ein kurzer Text über einen Esel: Ein Esel, der einen Mühlstein drehte, legte hundert Meilen zurück, wandernd. Als er losgemacht wurde, fand er, dass er noch am selben Ort war.1

Wer einen solchen Text in einem Evangelium liest, vermutet sofort, dass es sich nicht einfach um die Beschreibung einer eselüblichen Tätigkeit handelt, sondern dass es noch um etwas Anderes geht. Der Text lädt die Lesenden zur Sinnsuche 1  EvPhil 52a (p. 63,11–14). Die Übersetzungen hier und im Folgenden sind meine eigenen, unter Berücksichtigung der Textausgaben, Lückenfüllungen und Übersetzungen insbesondere bei: W. B. Isenberg/B. Layton, The Gospel According to Philip, Nag Hammadi Codex II,3, in: B. Layton (Hg.), Nag Hammadi Codex II,2–7, Bd. I, Gospel According to Thomas, Gospel According to Philip, Hypostasis of the Archons, Indexes (NHS 20), Leiden u. a. 1989, 129–217; H.-M. Schenke, Das Philippus-Evangelium (Nag Hammadi-Codex II,3). Neu herausgegeben, übersetzt und erklärt (TU 143), Berlin 1997; vgl. auch: H.-M. Schenke, Das Evangelium nach Philippus, in: H.-M. Schenke/U. U. Kaiser/H.-G. Bethge (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. NHC I–XII, Codex Berolinensis 1 und 4, Codex Tchacos 3 und 4. Studienausgabe. Eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-gnostische Schriften, Berlin u. a. 32013, 140–163. Die aufgeführten Stellenangaben enthalten zuerst Schenkes Zählung der Einheiten, in Klammern anschließend die Seiten‑ und Zeilenzahlen der Paginierung aus Nag Hammadi Codex II.

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ein, zum Nachdenken über die Situation des Esels – sowie dazu, die kleine Geschichte auf ihr eigenes Dasein zu übertragen. Die Fortsetzung des Textes bestätigt zunächst, dass eine Identifikation von Esel und Mensch im Text angelegt ist: Ein Esel, der einen Mühlstein drehte, legte hundert Meilen zurück, wandernd. Als er losgemacht wurde, fand er, dass er noch am selben Ort war. Es gibt Menschen, die viele Wege zurücklegen und doch keinem Ort näherkommen. Als der Abend über sie kam, sahen sie weder eine Stadt noch ein Dorf, weder Geschaffenes noch Natürliches, oder eine Macht oder einen Engel. Vergeblich haben die Elenden sich abgemüht.2

Es ergeht den Menschen ebenso wie dem Esel: Sie kommen nicht voran, gelangen an kein Ziel.3 Die Fortsetzung scheint also zu bestätigen, dass bei der kleinen Geschichte vom Esel eine Übertragung auf den menschlichen Bereich intendiert ist. Die Eselgeschichte ließe sich somit als eine Art Gleichnis bestimmen, welches eine übertragene Bedeutung aus dem Kontext, hier genauer: aus der Anwendung im Folgenden, erhält. Bei näherem Hinsehen wird die Sache allerdings komplizierter: Legt man die inzwischen auch in der Exegese umfassend rezipierte Theorie der Konzeptmetaphern von Lakoff und Johnson4 zugrunde, so partizipiert zunächst die Eselgeschichte an jener Konzeptmetapher, die mit Menschen als Tiere überschrieben werden kann. Auch sonst finden sich im EvPhil Metaphern und Gleichnisse, bei denen Beobachtungen aus dem Tierreich mit menschlichen Verhaltensweisen parallelisiert werden.5 Aber handelt es sich bei der Fortsetzung der Eselgeschichte tatsächlich um eine Übertragung aus dem bildspendenden tierischen auf den bildempfangenden menschlichen Bereich? Oder wird hier nicht ein weiteres Gleichnis erzählt, das sich im Bereich der Konzeptmetapher Das Leben als Reise einordnen lässt und um dessen Übertragung wir uns selbst bemühen müssen? 2 EvPhil

52a–b (p. 63,11–21).  Dabei spiegelt der Esel auf einer Metaebene auch die „Weglosigkeit“ wider, die sich in der Sekundärliteratur zum EvPhil zeigt: Diese ist durchzogen von Äußerungen über die Schwierigkeit des Textes, Bekundungen der Ratlosigkeit, von offenen Fragen sowie der Suche nach einem Ordnungsprinzip, vgl. z. B. R. McL. Wilson, The New Testament in the Nag Hammadi Gospel of Philip, NTS 9 (1963), 291–294; M. L.  Turner, On the Coherence of the Gospel according to Philip, in: J. D. Turner (Hg.), The Nag Hammadi Library after Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration (NHMS 44), Leiden u. a. 1997, 223–250. H. Lundhaug, Images of Rebirth. Cognitive Poetics and Transformational Soteriology in the Gospel of Philip and the Exegesis on the Soul (NHMS 73), Leiden u. a. 2010, 346, redet von der „highly complex, allusive and disjointed nature“ des EvPhil. 4  G. Lakoff/M. Johnson, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Aus dem Amerikanischen von A. Hildenbrand, Heidelberg, 92017 (zuerst engl.: Metaphors we live by, Chicago 1980). 5  Vgl. etwa EvPhil 84 (p. 71,22–34); 113 (p. 78,25–79,13); 119 (p. 80,23–81,14); vgl. dazu Lundhaug, Images (Anm. 3), 245–246, zur Konzeptmetapher Human is Animal. 3

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In der Forschung wird selbstverständlich sowohl die Position vertreten, dass hier nur ein Gleichnis inklusive Übertragung erzählt ist, wie auch, dass es sich um zwei Gleichnisse handelt. Hans-Martin Schenke geht von zwei Gleichnissen aus, differenziert diese Beobachtung anschließend jedoch, wenn er konstatiert, dass „die Plazierung dieses zweiten Gleichnisses neben und nach dem ersten jedoch nicht beliebig sein [dürfte]. Schon durch den Übergang des Bildes von einem Tier in den menschlichen Bereich kommt die Bildrede insgesamt der gemeinten Sache – wie gesagt, ohne sie zu nennen – ein Stück näher“.6 Dass die „gemeinte Sache“ nicht genannt wird, wird uns noch beschäftigen, zunächst ist jedoch festzuhalten, dass es anscheinend verschiedene Ebenen und Intensitäten metaphorischer Rede im EvPhil gibt. Nicht alles, was auf den ersten Blick wie „eigentliche Rede“ aussieht, scheint dies bei genauerem Hinsehen tatsächlich zu sein. Darüber hinaus lässt sich noch ein weiteres Problem bei der Übertragung feststellen: Werden hier tatsächlich nur zwei parallele Geschichten erzählt oder nicht vielmehr drei? Der erste Satz der Übertragung ist nämlich das, was wir als Übertragung erwarten, die Fortsetzung führt dann aber davon ab. Hier gehen Menschen nicht mehr im Kreis, sondern einen nicht näher differenzierten Weg ohne abendliche Zuflucht, es fehlt Stadt oder Dorf, Geschaffenes oder Natürliches zum Unterschlüpfen7 sowie (helfende) Macht oder Engel.8 Das Schema lässt sich somit folgendermaßen abstrahieren: Esel dreht Mühlstein läuft weit findet heraus, dass er am selben Ort ist

Menschen 1

Menschen 2

laufen viele Wege

laufen bis abends

kommen nicht an ein Ziel

sehen nichts Helfendes mühen sich vergeblich

Die mittlere, also zweite, Einheit beinhaltet dabei die gemeinsamen Elemente der beiden seitlich dargestellten Episoden. Sie ermöglicht mithin den textlichen Übergang vom im Kreis laufenden Esel zu den Menschen ohne Hilfe und Herberge. Überschießende Elemente sind die Deutung auf Vergeblichkeit am Ende sowie der Mühlstein in der näheren Beschreibung des Esels zu Beginn.9 Durch 6 Schenke,

Philippus-Evangelium (Anm. 1), 325.  „Zum Unterschlüpfen“ ergänzt Schenke in seiner Übersetzung, vgl. Schenke, Evangelium (Anm. 1), 150. 8 Die Abwesenheit letzterer ist deutlich, unabhängig davon, wie das ⲙⲛ̄ grammatisch zu interpretieren ist, vgl. dazu Schenke, Philippus-Evangelium (Anm. 1), 326. Schenkes Lösung des inhaltlichen Problems der Übertragung – dass auch die Menschen am Ende möglicherweise im Kreis laufen, da sie sich in der Wüste verirrt haben – scheint mir nicht unmittelbar plausibel. 9  Dieses Ungleichgewicht könnte darauf hinweisen, dass der Esel letztlich weniger vergeblich handelt als die Menschen: Gibt es doch als Resultat seines Weges zumindest gemahlenes Korn oder ausgepresste Oliven. 7

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die oben aufgeführte Parallelisierung wird auch augenfällig, dass die Menschen im Gegensatz zum Esel nicht näher bestimmt sind, sowie dass der Esel ihnen etwas voraus hat: Er findet nämlich heraus, dass er noch am selben Platz ist, während Vergleichbares für die Menschen nicht vermerkt ist. Möglicherweise hat der Esel also tatsächlich einen Erkenntnisvorsprung: Ist er den geschilderten Menschen überlegen, weil er merkt, was sie nicht merken? Und sollen folglich die Lesenden Esel werden, d. h. merken, dass sie nicht vorankommen, womit sie dann vorangekommen wären? Die (Appell‑)​Struktur10 der kleinen Gleichnissammlung entspräche dann einem sokratisch-platonischen Erkenntnisfortschritt im Sinne von: „Ich weiß jetzt zumindest, dass ich nichts weiß“.11 Auf der Suche nach der näheren Bestimmung der erfolglosen Menschen des behandelten Textes liegt es nahe, einen Blick auf die vorausgehende Passage zu werfen. Die Suche nach größerer Klarheit wird dabei allerdings zunächst frustriert, da direkt davor weder von Menschen noch von Eseln die Rede ist, sondern von Glasgefäßen und Tongefäßen.

II. Glasgefäße und Tongefäße Gefäße (ⲥⲕⲉⲩⲟⲥ) aus Glas und Gefäße (ⲥⲕⲉⲩⲟⲥ) aus Ton entstehen mit Hilfe von Feuer. Aber wenn Glasgefäße zerbrechen, werden sie wieder erschaffen, denn (ⲅⲁⲣ) sie sind entstanden durch Atem/Blasen/Geist (ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ). Wenn aber Tongefäße zerbrechen, werden sie zerstört, denn (ⲅⲁⲣ) sie sind entstanden ohne Atem/Blasen/Geist (ⲛⲓϥⲉ).12

Es gibt keinerlei direkte Hinweise im Text oder seinem näheren Kontext, welche Übertragung hier avisiert sein könnte.13 Der Text funktioniert – ähnlich wie die Geschichte vom Esel am Mühlstein, der nicht vorankommt  – auch auf einer „normalen“ Alltagsebene: Glasgefäße lassen sich durch Glasbläserei herstellen, Tongefäße werden zwar gebrannt, aber ohne ein entsprechendes „Blasen“ hergestellt. Glas lässt sich recyceln, Tonscherben werden bestenfalls zu Ostraka. Allerdings handelt es sich beim EvPhil nicht um ein Handbuch für Landwirtschaft und Handwerkskunde nach Art der Naturgeschichten von Plinius 10  Zur Appellstruktur von Gleichnissen vgl. u. a. R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“, in: R. Zimmermann/G. Kern (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte, Tübingen 2008, 383–419; hier 416 f. 11  Vgl. Plat., Apol. 21d–22a; Plat., Men. 80d. 12  EvPhil 51 (p. 63,5–11). 13 Dass der Zielbereich der Übertragung nicht ausgeführt wird, ist im EvPhil häufig der Fall, vgl. dazu etwa Lundhaug, Images (Anm. 3), 318, der entsprechend der von ihm verwendeten Theorie des „metaphorical blending“ vom „target input“ redet, oder Schenke, Philippus-Evangelium (Anm. 1), 325 u. ö., der das Gesuchte als „gemeinte Sache“ beschreibt.

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oder Theophrast, selbst wenn es sich passagenweise so liest. Durch den Kontext werden wir vielmehr dazu angehalten, auf eine andere Bedeutungsebene zu wechseln, obwohl vieles im Text einfach als Beschreibung von Alltagsphänomenen stimmig ist. Damit wird aber der Kontext ungemein wichtig für die Erhebung möglicher Bedeutungen. Bei „Kontext“ ist zunächst an den Kontext des EvPhil insgesamt zu denken, der uns u. a. sagt, dass es sich nicht um ein Arbeitshandbuch zur Gefäßherstellung handelt. Sodann ist als Voraussetzung der Übertragungen davon auszugehen, dass die Gefäße Personen metaphorisieren, was in der Forschung auch durchgehend vorausgesetzt wird.14 Unter diesen Prämissen lassen sich zunächst drei vorläufige Interpretationsvorschläge finden, die sich an unterschiedlichen Paralleltexten orientieren: (1) Menschensorten (2) Adam / Adam

(3) Christus / Adam

Glasgefäße

PneumatikerInnen

neuer Adam / Christus etc.

entstanden mit ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ

mit Geist versehen

erster Adam (Gen 1,27) nach Bild Gottes

Tongefäße

HylikerInnen

alter Adam etc.

werden zerstört entstanden ohne „Geist“

zerfallen nur materiell entstanden

zweiter Adam aus Tonerde (Gen 2,7) sterblich körperlich

Irenäus, Haer. 1,6–7 Philo, Opif. 134 f

πνευματικός ἐξ οὐρανοῦ

vergänglich

ψυχικός ἐκ γῆς χοϊκός

Paulus, 1 Kor 15,45–54

Die drei vorläufigen Übertragungsideen sind jeweils von Parallelen aus anderen Texten inspiriert, die ich in der untersten Zeile aufgeführt habe: Die erste Übertragung rekurriert auf die Polemik gegen valentinianische Gruppen aus dem ersten Band des fünfbändigen Werkes von Irenäus von Lyon gegen die Häresien, entstanden um 180 n. Chr. Dort referiert Irenäus, dass von ihm kontaktierte valentinianische Gruppen von unterschiedlichen Menschensorten ausgingen  – allerdings sind es hier drei, Pneumatiker, Psychiker und Hyliker, die jeweils durch das Element, nach denen sie benannt werden, charakterisiert sind. Die Hyliker sind so sehr der Materie verhaftet, dass sie mit ihr zugrunde gehen, die Pneumatiker ohnehin gerettet, ganz gleich was sie tun, nur die in der Mitte stehenden Psychiker müssen sich um ethisches Wohlverhalten bemühen. Nach Irenäus sind mit Letzteren die Kirchenchristen aus valentinianischer Perspektive gemeint; die Valentinianer selbst sähen sich als Pneumatiker an (weshalb sie – so

14   Vgl. z. B. R. McL. Wilson, The Gospel of Philip. Translated from the Coptic Text with an Introduction and Commentary, New York/London 1962, 112; W. C.  Van Unnik, Three Notes on the „Gospel of Philip“, NTS 10 (1964), 465–469, hier 467 f; Lundhaug, Images (Anm. 3), 235. Der Text lässt sich zudem wohl der Konzeptmetapher Atem als Leben zuordnen.

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Irenäus – auch glaubten, sich maximal unethisch verhalten zu dürfen und dies auch täten).15 Die zweite und die dritte obige Deutung basieren auf Genesisauslegungen. Philo von Alexandrien sieht (wie viele andere antike Exegesen) in den beiden Schöpfungsberichten eine Abfolge, in der qualitativ unterschiedliche Menschenprototypen hergestellt werden. Der erste Adam ist dabei der bessere, sozusagen der geistige Prototyp und tatsächlich nach dem Bild Gottes gemacht, während der zweite Adam, aus Tonerde erschaffen, Probleme bekommt und schließlich dem Tod überliefert wird.16 Vergleichbares lässt sich bei Paulus im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth finden, nur dass hier der perfekte, diesmal neuere Adam natürlich Christus ist, der als „lebendigmachender Geist“ (πνεῦμα ζῳοποιοῦν) uns die Auferstehung vermittelt, während der ursprüngliche Adam, aus Tonerde erschaffen (ἐκ γῆς χοϊκός), den Bereich der Vergänglichkeit repräsentiert. Je nach Fachrichtung lässt sich nun jeweils eine Deutung priorisieren: Kirchengeschichtlich vorgebildete Menschen werden möglicherweise zur ersten Deutung neigen, nimmt man das Alte Testament – angereichert durch eine gewisse Dosis Platonismus – als Hintergrund, erscheint die zweite Deutung plausibel, aus neutestamentlicher Perspektive liegt die dritte Deutung nahe. Solche unterschiedlichen Kontextualisierungs‑ und Deutungsmöglichkeiten bedeuten, dass wir uns an dieser Stelle den Fragen nach dem Ort des EvPhil im Rahmen des antiken Christentums zuwenden müssen, da sich an der angenommenen Verortung des Gesamttextes entscheidet, welche Paralleltexte und Interpretationen wir als relevant anzunehmen geneigt sind. Die Forschung hat den Text zunächst einhellig als gnostisch, näherhin als der valentinianischen Gnosis zugehörig,17 klassifiziert  – und infolge dessen aus der Perspektive der antivalentinianischen Schriften der Kirchenväter inter15  Vgl. Iren., Haer. 1,6–7 (N. Brox [Hg.], Irenäus von Lyon, Epideixis. Adversus Haereses, Bd. 1 [FC 8,1], Freiburg i.Br. 1993, 162–175). 16  Vgl. Phil., Opif. 134 f (L. Cohn/P. Wendland, Philonis Alexandrini opera quae supersunt, Bd. 1, Nachdruck: Berlin 1962–63, 34 f). Zur Abfolge unterschiedlicher Menschentypen in Genesisrezeptionen vgl. S. Petersen, Nicht mehr „männlich und weiblich“ (Gen 1,27). Die Rede von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz im frühen Christentum, in: I. Fischer/C. Heil (Hg.), Geschlechterverhältnisse und Macht. Lebensformen in der Zeit des frühen Christentums (Exegese in unserer Zeit 21), Wien u. a. 2010, 78–109. 17   Vgl. u. a. H.-M. Schenke, Das Evangelium nach Philippus. Ein Evangelium der Valentinianer aus dem Funde von Nag-Hamadi [sic], ThLZ 84 (1959), 1–26; Wilson, Gospel (Anm. 14), 1–7; W. B.  Isenberg, Introduction, in: Layton, Codex II (Anm. 1), 131; E. Thomassen, How Valentinian is the Gospel of Philip?, in: J. D. Turner (Hg.), The Nag Hammadi Library after Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration (NHMS 44), Leiden u. a. 1997, 251–279. Skeptischer gegenüber eindeutigen Zuordnungen äußern sich z. B. A. H. C.  Van Eijk, The Gospel of Philip and Clement of Alexandria. Gnostic and Ecclesiastical Theology on the Resurrection and the Eucharist, VigChr 25 (1971), 94–120; M. Heimola, Christian Identity in the Gospel of Philip (Publications of the Finnish Exegetical Society 102), Helsinki 2011.

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pretiert,18 wobei abschätzige Bemerkungen über den Gehalt nicht selten sind.19 In einem Aufsatz aus der Frühzeit der Nag-Hammadi-Forschung mit dem Titel „Two Gnostic Gospels“ konstatiert Robert M. Grant: „[T]he new gospels from Nag-Hammadi deserve a welcome because they will help show what Christianity is not, and what our canonical gospels are not,“ sowie: „the differences will remain more important than the similarities“.20 Die beiden „gnostischen“ Evangelien, die in diesem Aufsatz besprochen werden, sind das Thomas‑ und das Philippusevangelium. Inzwischen ist allerdings in der Forschung zu diesen Texten deutlich geworden, dass eine Zuordnung zur Gnosis ihnen nur sehr bedingt gerecht wird; und auch die Kategorie „Gnosis“ selbst hat generell Kritik auf sich gezogen – die Konsequenzen gehen bis zu Forderungen nach ihrer generellen Abschaffung.21 Jenseits dieser Debatte, die ich hier nicht in ihren Einzelheiten nachzeichnen kann, ist festzuhalten, dass eine Interpretation des EvPhil als gnostisch oder auch als valentinianisch auf jeden Fall einen Zirkelschluss beinhaltet, weil nämlich bei einer solchen Lektüre – ganz wie bei Robert M. Grant – immer schon vorher feststeht, dass das EvPhil sozusagen auf die „Gegenseite“ gehört, die als häretisch zu betrachten ist. Der Text wird so prinzipiell als Zeugnis von GegnerInnen des Christentums gelesen und nicht zuerst und vor allem als christlicher Text, was dem Selbstverständnis des EvPhil entspricht und problemlos möglich ist.22 18 Im

Hinblick auf die unterschiedlichen im EvPhil genannten Menschengruppen zeigt sich ein Einlesen valentinianischer Vorstellungen wie bei Irenäus referiert z. B. bei Van Unnik, Notes (Anm. 14), 467 f; J. S.  Siker, Gnostic Views on Jews and Christians in the Gospel of Philip, NT 31 (1989), 275–288; hier bes. 280 f. 19   Vgl. z. B. Wilson, Gospel (Anm. 14), 12 f.16; G. C.  Stead, Review of: R. McL. Wilson, The Gospel of Philip, London 1962, NTS 10 (1964), 418–419; K. M.  Woschitz, Erkenntnis und Wahrheit im platonischen Denken und im gnostischen Philippusevangelium (Log. 11 und 12). Ein Strukturvergleich, in: G. Petersmann/F. F. Schwarz/W. Pötscher u. a. (Hg.), Religio Graeco-Romana, FS Walter Pötscher (GrB.S 5), Graz 1993, 231–261, hier 249 f. 20  R. M.  Grant, Two Gnostic Gospels, JBL 79 (1960), 1–11, hier 10. Dies ist kein randständiger Aufsatz, sondern die Verschriftlichung der Presidential Address der SBL von 1959. – Für ähnliche Aussagen aus der Frühzeit der Nag-Hammadi-Forschung vgl. z. B. auch A. Helmbold, The Coptic Gnostic Texts from Nag Hammadi, BETS 2,2 (1959), 15–19. 21 Vgl. bes. M. A.  Williams, Rethinking „Gnosticism“. An Argument for Dismantling a Dubious Category, Princeton 1999; K. L.  King, What is Gnosticism?, Cambridge, Mass./ London, England 2003. 22 Vgl. die ausführlichere Begründung bei Lundhaug, Images (Anm. 3), 349–356, der u. a. darstellt, wie sehr die Forschung zunächst davon geprägt war, das EvPhil aus der Perspektive der polemischen Schriften der Kirchenväter zu lesen, ohne diese Voraussetzung hinreichend zu reflektieren. So plausibel Lundhaug hier argumentiert, so gibt es doch zwei Punkte, an denen er m. E. zu weitreichende Konsequenzen zieht: Zum Einen kann seine Lektüre des EvPhil im Kontext des ägyptischen Mönchtums des 4./5. Jh. nur partiell überzeugen und sollte ebenfalls nicht als Universalzugang gesetzt werden; zum Anderen zeigen sich in einigen Passagen des EvPhil durchaus Parallelen zu valentinianischen Vorstellungen, die wir aus anderen Quellen kennen – was allerdings gerade nicht heißt, dass der gesamte Text nur aus dieser Perspektive zu lesen ist. Schon H.-M. Schenke äußert sich in seiner ersten Veröffentlichung zum Thema (vgl. oben

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Schematisiert auf die Deutung des Textes über die Gefäße lässt sich die Alternative folgendermaßen veranschaulichen: Gefäße

Menschensorten „gnostisch“

Menschensorten „christlich“

Glasgefäße PneumatikerInnen neu erschaffbar werden leben entstanden durch ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ mit Geist versehen

ChristInnen (und Christus) werden leben / auferstehen Geist bei Taufe empfangen

Tongefäße werden zerstört entstanden ohne „Geist“

Nicht-ChristInnen werden nicht auferstehen keine Taufe > kein Geist

HylikerInnen zerfallen nur materiell entstanden

In der ersten Interpretation sind die positiv gezeichneten Menschen mit Zukunft die Insider im Valentinianismus, bei der zweiten Interpretation handelt es sich einfach um Christen und Christinnen, die den Geist vermittels der Taufe – genauer gesagt ist es im EvPhil eine Taufsalbung – empfangen haben und deshalb auferstehen werden. Mit Blick auf die internen Parallelen und die Vernetzung im EvPhil ist diese zweite Deutung wesentlich plausibler.23 Damit wäre dann die positiv gezeichnete Menschengruppe, die Idealmenschen des Textes, einfach als ChristInnen zu bestimmen, und zwar als solche, die dem Ritual der Taufsalbung eine hohe Wertigkeit zusprechen. Dies passt auch zur Annahme einer syrischen Entstehung des EvPhil am Ende des zweiten oder Anfang des dritten Jahrhunderts, wo eben dies in anderen Quellen belegt ist.24 Kompatibel ist eine solche Lektüre mit meiner dritten oben ausgeführten Interpretation, nämlich der auf Christus und Adam,25 die dann paradigmatisch für die Gruppen der ChristInnen bzw. (Noch‑)Nicht-ChristInnen stehen würden.26 Der Vorzug einer solchen, an Paulus angelehnten Lektüre besteht auch darin, dass das EvPhil sich an anderen Stellen bis hin zu wörtlichen Zitaten Anm. 17) in dieser Frage differenzierter, wenn er davon ausgeht, dass das EvPhil Traditionen unterschiedlicher Herkunft aufnimmt. 23 Vgl. u. a. die Parallelen in EvPhil 66 (p. 67,2–9); 82a (p. 71,3–10), die eine Verbindung des Feuers mit der Taufsalbung belegen; sowie die Parallele bzgl. der Menschengruppen in EvPhil 4 (p. 52,15–19), dazu auch Lundhaug, Images (Anm. 3), 235 f; ähnlich Schenke, PhilippusEvangelium, 324 f (Anm. 1), mit Verweis auf jüdische Parallelen. 24  Die wohl früheste Erwähnung einer Taufsalbung findet sich in Kap. 12 der Schrift Ad Autolycum des Theophilus von Antiochien (gest. ca. 183 n. Chr.; in dieser Schrift zeigen sich auch noch weitere inhaltliche Parallelen zum EvPhil, so etwa zu den Gefäßen aus EvPhil 5 in Buch II,9 und 27 oder zu den Paradiesbäumen aus EvPhil 84 in Buch II,24). In der ersten Hälfte des 3. Jh. finden sich dann zahlreiche Belege für ein solches Ritual vor allem in syrischen Quellen. Ich bedanke mich für den Hinweis auf Theophilus bei Predrag Bukovec, Wien, der an einem Forschungsprojekt zur Taufsalbung arbeitet und dieses bei einem Treffen des Berliner Arbeitskreises im Februar 2018 vorstellte. 25 Vgl. auch die Kombination von Adam und ⲛⲓϥⲉ in EvPhil 80 (p. 70,22 f) sowie Adam und ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ in EvPhil 83a (p. 71,16–18), im Hintergrund dürfte Gen 2,7 stehen, vgl. Lundhaug, Images (Anm. 3), 176 f. 26 Vgl. zur Interpretation des relevanten Korinthertextes W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, Teilbd. 4: 1 Kor 15,1–16,24 (EKK 7,4), Neukirchen-Vluyn 2001, 302–314. Schrage

Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften

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deutlich auf den 1 Kor bezieht,27 sowie mehrfach antithetische Gegenüberstellungen von Christus und Adam enthält.28 Bevor ich auf einen der AdamChristus-Texte eingehe, möchte ich noch auf zwei weitere interessante Züge des Textes hinweisen: Es gibt nämlich kleine Elemente in ihm, die darauf verweisen, dass es sich nicht einfach nur um Ausführungen zur antiken Gefäßherstellung handelt. Zum ersten ist dies das zweimalige ⲅⲁⲣ (denn), das nicht zur Sache passt, da Glasgefäße nicht deshalb wieder hergestellt werden können, weil sie durch Glasbläserei entstanden sind, entsprechendes gilt andersherum für die Tongefäße: Die Begründung stimmt als solche nicht und weist deshalb über das Bild hinaus.29 Ebenso erscheint es kaum zufällig, dass der griechische Begriff ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ bei den Glasgefäßen verwendet wird, bei den Tongefäßen jedoch nicht, dort steht das koptische Äquivalent ⲛⲓϥⲉ, das ebenso wie ⲡⲛⲉⲩⲙⲁ neben Geist auch Wind, Atem, Hauch etc. bezeichnen kann.30 Die Verwendung des griechischen Lehnwortes nur auf der positiven Seite verstärkt den Bezug auf die Geistgabe bei der Taufsalbung. Interessant ist weiterhin, dass von den beiden Menschengruppen (entgegen üblicher literarischer Konvention) die positiv gezeichnete zuerst auftritt, dann erst die negative. Der Text läuft also auf die scheiternden Menschen hinaus, was möglicherweise den Anschluss an die gleich folgende Geschichte vom Esel und den Menschen, die an kein Ziel kommen, vorbereiten soll, da es in dieser Geschichte ja ebenfalls um Menschen geht, die keine rettende Macht finden, also zugrunde gehen.31 Das zweimalige ⲅⲁⲣ hatte sich eben als ein querliegendes Element im Text erwiesen, als eine kleine „Störung“, die zum gedanklichen Wechsel der Ebene anregen kann. Ähnliches passiert auch in anderen Texten. Als Beispiel mag hier zunächst eine weitere, diesmal explizite Adam-Christus Gegenüberstellung dienen, in der diesmal die Landwirtschaft als bildspendender Bereich fungiert:

konstatiert hier eine antithetische Entsprechung und stellt fest, dass beide Anthropoi „das Geschick derer, die ihnen zugehören“ bestimmen (310). 27 Biblische Bezugtexte werden EvPhil häufig eingespielt, vor allem betrifft dies Gen, Mt, Joh sowie mehrere Paulusbriefe. Wichtigster Intertext ist dabei das Joh, da sowohl auf die johanneische mehrstufige Hermeneutik zurückgegriffen (und diese noch erweitert) wird, wie auch die Benennung des EvPhil nach Philippus nicht nur daran liegen dürfte, dass Philippus im Text selbst einmal genannt ist (EvPhil 91 [73,8]; im Gegensatz etwa zu Petrus oder Jakobus, die nicht namentlich vorkommen), sondern auch als Verweis auf den Dialog von Jesus und Philippus in Joh 14 interpretiert werden kann. Vgl. Lundhaug, Images, 347; 409 f; der das EvPhil als „an extended interpretation of the Gospel of John“ liest (410). 28  Vgl. u. a. EvPhil 15 (p. 55,6–14 [s. u.]); 28 (p. 58,17–22); 83 (p. 71,16–21). Auch Lundhaug, Images (Anm. 3), 345, hält die Adam-Christus-Gegenüberstellung für zentral. 29 Vgl. Schenke, Philippus-Evangelium (Anm. 1), 323. 30  Vgl. W. E.  Crum, A Coptic Dictionary, Oxford 1939, 239a. 31  Dies passt besonders dann, wenn man die dortigen Engel auf Urbilder deutet, die bei der Taufsalbung, gedeutet als Brautgemach, mit den Abbildern vereinigt werden.

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Bevor Christus kam, gab es kein Brot in der Welt, genauso wie das Paradies, der Ort, an dem Adam war, viele Bäume als Nahrung (ⲧⲣⲟⲫⲏ) für die Tiere, aber kein Getreide als Nahrung für die Menschen hatte. Der Mensch ernährte sich wie die Tiere. Aber als Christus kam, der vollkommene Mensch (ⲡⲧⲉⲗⲓⲟⲥ ⲣ̄ⲣⲱⲙⲉ), brachte er Brot vom Himmel, damit der Mensch sich ernähre mit der Nahrung des Menschen.32

Im Wissen um die eben erwähnten „Störungen“ im Text lässt sich auch hier fragen, wo der Fehler liegt. Die Antwort ist klar: Die Aussage, vor Christus habe es kein Brot in der Welt gegeben, scheint angesichts einer schon seit dem Neolithikum etablierten Landwirtschaft mit Getreideanbau zunächst einfach eine offensichtlich falsche Aussage zu sein. Auch die antiken LeserInnen des EvPhil dürften gewusst haben, dass sich schon in alttestamentlicher Zeit Menschen mit Brot ernährt haben. Allerdings bringt der Text dann umgehend das Paradies als Größe ins Spiel – und erst bei der Vertreibung daraus begann die Landwirtschaft (vgl. Gen 3,17–19) und endete die Phase der einfachen Ernährung von Baumfrüchten usw. für Mensch und Tier (vgl. Gen 1,29 f.), entsprechend dem EvPhil die Phase der „tierischen“ Ernährung. Der Genesistext scheint zutreffend rezipiert.33 Gegen diese Phase „tierischer“ Ernährung wird die Zeit seit dem Kommen Christi gestellt, in der Christus als vollkommener Mensch die menschliche Ernährung etabliert, und zwar indem er „Brot vom Himmel“ bringt. Dabei handelt es sich um eine Anspielung auf das himmlische Brot aus Joh 6, das im dortigen Kontext auf Christus selbst bezogen ist und dessen eucharistischer Verzehr zu ewigem Leben führt.34 Da Christi Brotgabe allerdings nicht direkt nach der Vertreibung aus dem Paradies erfolgte, wird im EvPhil quasi die Zeit von Gen 3 bis Joh 6 übersprungen, was darauf verweist, dass die Zeit des „normalen“ Brotes unwichtig ist  – wodurch sich eine Deutung des himmlischen Brotes auf die Eucharistie bestätigt, was wiederum erklärt, warum es eben dieses Brot nicht in der Zeit vor Christus gab. Die Eucharistie erweist sich damit als die eigentliche menschliche Nahrung. Schematisch lassen sich die verschiedenen Ebenen im eben betrachteten Text etwa folgendermaßen veranschaulichen:

 EvPhil 15 (p. 55,6–14).  Zu den (insbesondere jüdischen) Parallelen zu diesem Text vgl. J. Dochhorn, Warum gab es kein Getreide im Paradies? Eine jüdische Ätiologie des Ackerbaus in EvPhil 15, ZNW 89 (1998), 125–133. 34  Zu Christus als Brot sowie der Deutung von Joh 6 vgl. S. Petersen, Brot, Licht und Weinstock. Intertextuelle Analysen johanneischer Ich-bin-Worte (NT.S 127), Leiden u. a. 2008, 201–234; dies., Jesus zum „Kauen“. Das Johannesevangelium, das Abendmahl und die Mysterienkulte, in: J. Hartenstein/S. Petersen/A. Standhartinger (Hg.), „Eine gewöhnliche und harmlose Speise“? Von den Entwicklungen frühchristlicher Abendmahlstraditionen, Gütersloh 2008, 105–130. 32 33

Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften

↑ Ebene 3: Ritual

Eucharistie

↑ Ebene 2: Exegese

Genesis + Johannesevangelium

↑ Ebene 1: Alltag

Landwirtschaft / Getreideanbau

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Wir haben in diesem Text also drei verschiedene Ebenen, ganz unten die des Alltags, dann die der Textexegese sowie schließlich die des Rituals, auf das verwiesen wird, in diesem Fall ist es die Eucharistie. Die drei Ebenen sind auch in den anderen Texten vom Esel und den Gefäßen präsent, wenn auch nicht alle gleichermaßen explizit. Nicht alle Ebenen sind also jeweils ausgeführt; und: Ebenenwechsel werden oft durch Irritationen und Unstimmigkeiten im Text provoziert, die eine suchende Interpretationshaltung und die Offenheit für Wechsel der Ebenen befördern. Dem Phänomen dieser Irritationen oder „Störungen“ möchte ich mich jetzt näher zuwenden, und zwar im Kontext von Schwangerschaften.

III. Pneumatische Schwangerschaften und ihre Störungen Die Vollkommenen (ⲛ̄ⲧⲉⲗⲉⲓⲟⲥ) nämlich werden durch einen Kuss schwanger und gebären. Deshalb (ⲇⲓⲁ ⲧⲟⲩⲧⲟ) küssen auch wir uns untereinander: Wir empfangen die Schwangerschaft durch die Gnade, die wir untereinander haben.35

Der Anstoß liegt in diesem Fall in der Übertragungsebene des Textes, die Alltagsebene ist dabei implizit vorausgesetzt. Da unser Alltagswissen besagt, dass aus Küssen keine Schwangerschaften entstehen, setzt beim Lesen oder Hören eine Suchbewegung auf eine andere Ebene ein. Schematisieren lässt sich dies etwa folgendermaßen: „normaler“ Alltag

„vollkommen“ / wir (?)36

Küsse Sex Schwangerschaft Gebären

Küsse ? Schwangerschaft Gebären

Im Vergleich der Alltagsebene, die im Text nicht explizit ausgeführt wird, und der Übertragungsebene auf die Vollkommenen fällt auf, dass genau das ausgelassen wird, was aufgrund unseres Alltagswissens zu Schwangerschaften führt: Kinder entstehen durch Sex und nicht durch Küssen.37 Die durch das Fragezeichen 35 EvPhil

31, NHC II, p. 59,2–6.  Das Fragezeichen verweist darauf, dass die Relation der „Vollkommenen“ mit dem „Wir“ des Textes nicht eindeutig ist – „Wir“ dürften wohl diejenigen sein, die anstreben, vollkommen zu werden und sich deshalb entsprechend verhalten. 37  Zu den rituellen Küssen im frühen Christentum als Symbol der Weitergabe von Wissen sowie als gruppenbezogenes Ritual vgl. den Exkurs über Küsse bei S. Petersen, Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte (Biblische Gestalten 23), Leipzig 22015, 128–143; sowie 36

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markierte Leerstelle im Text hat in der Exegese zu Überlegungen geführt, ob an dieser Stelle das Ritual des „Brautgemachs“ einzusetzen ist, – wobei dann es dann wiederum anregend auf die Phantasie wirkt, sich zu überlegen, worin die praktische Seite dieses Rituals bestanden haben könnte.38 Ich möchte diese Spekulationslinie hier nicht weiter verfolgen – auch weil ich denke, dass es sich beim „Brautgemach“ nicht um ein Ritual handelt, sondern um eine Deutungskategorie39  – sondern mich stattdessen auf die Produktion der pneumatischen Nachkommenschaft konzentrieren, die aus der eben metaphorisch erfolgten Schwangerschaft resultieren kann: Der Himmlische hat mehr Kinder als der Irdische. Wenn die Kinder Adams viele sind, obwohl sie sterben, um wieviel mehr die Kinder des vollkommenen Menschen (ⲡⲧⲉⲗⲉⲓⲟⲥ ⲣ̄ⲣⲱⲙⲉ), die nicht sterben, sondern jederzeit erzeugt werden.40

Das ist vergleichsweise klar: Der Irdische ist Adam, der Himmlische oder vollkommene Mensch ist Christus,41 die Kinder sind übertragene Kinder, nämlich die bekehrten Christen und Christinnen, das Ganze funktioniert also folgendermaßen: irdisch

himmlisch

Adam zahlreiche Kinder / Nachfahren sterben

Christus noch mehr Kinder / Bekehrte werden jederzeit erzeugt / getauft

Wir sehen hier wiederum einen Parallelismus mit Überbietung, in dem Christus quasi dauernd neue getaufte ChristInnen produziert. Wieder sind mehrere Ebenen präsent und ineinander verschränkt: Der Alltag mit Kindern und Nachkommen, die Genesisexegese über Adam,42 sowie (implizit) das christliche AufK. Thraede, Ursprünge und Formen des „Heiligen Kusses“ im frühen Christentum, JbAC 11/12 (1968/69), 124–180; M. P.  Penn, Kissing Christians. Ritual and Community in the Late Ancient Church, Philadelphia 2005. 38  Zu Spekulationen über die mögliche sexuelle Seite des Brautgemach-Rituals vgl. z. B. A. D.  DeConick, The True Mysteries. Sacramentalism in the Gospel of Philip, VigChr 55 (2001), 225–261; dies., The Great Mystery of Marriage. Sex and Conception in Ancient Valentinian Traditions, VigChr 57 (2003), 307–342; J. J.  Buckley, A Cult-Mystery in the Gospel of Philip, JBL 99 (1980), 569–581. Anders und differenzierter: K. L.  King, The Place of the Gospel of Philip in the Context of Early Christian Claims about Jesus’ Maritial Status, NTS 59 (2013), 565–587. 39  Ich schließe mich hier der bei Lundhaug, Images (Anm. 3), 330–335, vorgetragenen Argumentation an; vgl. dazu jetzt auch: S. Petersen, Marriages, Unions, and Bridal Chambers in the Gospel of Philip, in: T. G. Petrey u. a. (Hg.), Re-Making the World. Christianity and Categories. Essays in Honor of Karen L. King (WUNT 434), Tübingen 2019, 213–234. 40  EvPhil 28 (p. 58,17–22). 41 Vgl. EvPhil 15 (p. 55,9 f) und 116b (p. 79,33–80,4), wo dies explizit konstatiert bzw. vorausgesetzt wird. 42  Zudem lassen sich möglicherweise auch argumentative Parallelen zu Gal 4 (mit dem Zitat aus Jes 54,1) feststellen.

Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften

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nahmeritual der Taufe. Abstrakt betrachtet haben wir inzwischen vier Ebenen, die sich folgendermaßen verallgemeinern lassen: ↑ Ebene 4: Himmlischer Bereich

Christus, Sophia, Pneuma etc.

↑ Ebene 3: sozio-religiöse Praktiken Eucharistie / Taufsalbung / Küsse ↑ Ebene 2: Exegese

Gen, Mt, Joh, 1 Kor …

↑ Ebene 1: Alltag

Kulturtechniken und soziale Verhältnisse

Um beim Alltag zu beginnen, wo ich den Beispielbereich nun verallgemeinernd benannt habe: Es geht im EvPhil sowohl um Kulturtechniken (darunter etwa Ackerbau, Gefäßherstellung, domestizierte Tiere, Färben von Kleidungsstücken) wie auch um soziale Verhältnisse (wie z. B. Ehe, Erbrecht, Sklaverei oder Kindschaft), die als bildspendender Bereich fungieren. Dominierend sind also Bezüge zu einer gestalteten und angeeigneten Welt, Unbeeinflussbares wie Wetterphänomene, Erdbeben, Krankheiten oder Gestirne werden nicht als Ausgangsmaterial des analogietreibenden Denkens genutzt. In der zweiten Ebene werden die Alltagsbeispiele dann mit exegetischen Überlegungen verknüpft, mit Anspielungen auf biblische Texte und Zitate aus diesen – wobei Rückgriffe auf die ersten Kapitel der Genesis, auf das Matthäus‑ und Johannesevangelium sowie auf einige paulinische Briefe besonderes zahlreich sind. Ebene drei ist in der obigen Tabelle, wieder verallgemeinernd, mit dem Stichwort „sozio-religiöse Praktiken“ zusammengefasst  – was mir zutreffender erscheint als eine Beschreibung als „Sakramente“, da dies eine sowohl sprachlich anachronistische wie auch sachlich zu eng gegriffene Kategorie darstellt.43 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass alle drei angeführten Praktiken (nach allem, was wir wissen) allgemeinchristlich üblich waren und keine sektiererischen Sonderfälle darstellen.44 Besonders ist im Philippusevangelium also die Deutung der religiösen Praktiken, nicht ihre Existenz als solche. In der vierten Ebene, dem himmlischen Bereich, sind jene Gestalten angesiedelt, die trotz ihrer Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Sphäre fähig sind, sich durch die Ebenen zu bewegen45 und „Himmlisches“ in die irdische Sphäre zu

43 Dennoch taucht diese Kategorie häufiger in Veröffentlichungen zum EvPhil auf, wird dort jedoch jeweils unterschiedlich gefasst und beschrieben, vgl. u. a. E. Segelberg, The CopticGnostic Gospel According to Philip and its Sacramental System, Numen 7 (1960), 189–200; H.-G. Gaffron, Studien zum koptischen Philippusevangelium unter besonderer Berücksichtigung der Sakramente, Diss. Ev.-Theol. Bonn 1969, und H. Schmid, Die Eucharistie ist Jesus. Anfänge einer Theorie des Sakraments im koptischen Philippusevangelium (NHC II 3) (VCS 88), Leiden 2007. 44 Vgl. E. Pagels, Ritual in the Gospel of Philip, in: J. D. Turner/A. McGuire (Hg.), The Nag Hammadi Library after Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration (NHMS 44), Leiden u. a. 1997, 280–291, hier bes. 281–283 zur Taufe. 45 Vgl. dazu auch EvPhil 33 (p. 59,11–18).

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bringen, u. a. in die Ebene der religiösen Praktiken, – wie etwa beim himmlischen Brot, welches Christus zur Eucharistie bereitstellt.46 Zwischen den dargestellten vier Ebenen werden im Text Analogien hergestellt, was vermittels (gelegentlich auch antithetischer) Parallelisierungen erfolgt. Literarisch wird dabei der Ebenenwechsel häufig durch die beschriebenen „Störungen“, die als Transfersignale47 wirken, provoziert und angeleitet. Es geht insgesamt, grundlegend gesagt, um Erkenntnisgewinn unter irdischen Bedingungen. Dazu bietet das EvPhil auch eine Metatheorie an, auf die ich noch eingehen werde. Zunächst jedoch sind einige Bemerkungen zur Gleichnistheorie am Platze.

IV. Zur Gleichnistheorie Ich habe die sprachlichen Phänomene im EvPhil gerade bewusst als „Analogien“ bezeichnet, was zunächst meine Offenheit angesichts der Frage dokumentiert, was im EvPhil gleichnistheoretisch vorliegt. Bezeichnenderweise fehlt in diesem Text jenes Vokabular vollständig, welches sich in vielen anderen frühchristlichen Schriften findet: Begriffe wie παραβολή oder παροιμία werden nicht verwendet, ebenso sind Vergleichsverben oder standardisierte Einleitungen wie „Das Reich Gottes ist wie …“ abwesend. Es gibt generell keine expliziten Reich-GottesGleichnisse, und Jesus ist zwar eine Hauptperson des EvPhil, über deren Bedeutung vielfach reflektiert wird, aber er ist keine durchgehend redende Figur wie etwa im EvThom  – geschweige denn ein notorischer Gleichniserzähler. Schon an diesen Punkten wird deutlich, dass die traditionelle und stark von Adolf Jülicher geprägte Gleichnisforschung48 mit ihrer Zentrierung auf Jesus als Gleichniserzähler zum Verständnis des EvPhil nur begrenzt weiterführen kann. Zudem stoßen auch Jülichers Einteilungen auf Schwierigkeiten, da es sich bei vielen Texten des EvPhil nicht um klar abgrenzbare Erzählungen, die auf einen deutlichen Skopus hinauslaufen, handelt, wie Jülicher dies für seine grundlegenden Formen von Parabel, Gleichnis und Beispielerzählung annimmt. Im EvPhil finden sich, wie bislang gezeigt, vielmehr mehrgliedrige komplexe Übertragungen über verschiedene Ebenen hinweg. Wenn man noch einen Augenblick bei Jülicher verweilt, so ließe sich von der Struktur der Philippustexte zunächst an Allegorien oder Allegoresen denken. Die neuere Untersuchung dieser Phänomene von Daniel Lanzinger definiert 46  Vgl. dazu neben dem oben besprochenen Text EvPhil 15 (p. 55,6–14) etwa auch EvPhil 93 (p. 73,19–27). 47 Zu Transfersignalen vgl. Zimmermann, Parabeln (Anm. 10), 418. 48  Ich beziehe mich hier auf: A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Erster Teil. Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen, Freiburg i.B. u. a. 21899; Zweiter Teil. Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien, Freiburg i.B. u. a. 1899.

Esel, Glasgefäße und pneumatische Schwangerschaften

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letzteres folgendermaßen: „Allegorese liegt dann vor, wenn ein Autor eine von ihm als autoritativ akzeptierte Quelle referiert (d. h. unter Hinweis auf die Anführung eines Fremdtextes zitiert oder paraphrasiert), aus dieser Quelle einzelne Elemente herausgreift und diesen eine
Bedeutung zuschreibt, die von derjenigen des normalen Sprachgebrauchs abweicht, dabei annimmt, dass die von ihm vorgeschlagene Bedeutung eine vom Urheber der Quelle intendierte ist, und schließlich die Plausibilität seiner Deutung durch Aufzeigen einer Ähnlichkeit zwischen dieser und ihrer Entsprechung in der Quelle begründet“.49 Die genannten Elemente sind im EvPhil allerdings nur in einigen Texten und auch dort nur in extrem verkürzter Form vorhanden. Versucht man dennoch, die behandelten Einzeltexte den genannten Unter­ gattungen zuzuordnen, so zeigt sich, dass es anscheinend Vieles gibt, aber nichts wirklich überzeugend passt: Die Eselgeschichte lässt sich als Parabel lesen (zumindest handelt es sich um eine kleine Erzählung im Vergangenheitstempus), ihre Fortsetzung von den umherirrenden Menschen ohne Zuflucht könnte eventuell eine Beispielerzählung sein, die Ausführungen über Glasgefäße und Tongefäße lassen sich am ehesten als Gleichnis ansprechen, und bei einigen der Adamtexte könnte es sich um verkürzte paradigmatische Allegorien handeln.50 Zu bezweifeln ist allerdings, ob es einen wirklichen Erkenntnisfortschritt im Hinblick auf die bildersprachliche Funktionsweise des EvPhil bedeuten würde, wenn man einzelne Teiltexte des EvPhil jeweils genauer zu klassifizieren versuchte,51 zumal ein solches Vorgehen bei vielen Texten auf schwerwiegende Probleme stößt – so etwa bei den Küssen mit dem Resultat pneumatischer Schwangerschaften, die sich heftig dagegen sträuben, in das übliche Raster von Gleichniskategorien eingeordnet zu werden. Ich möchte deshalb einen anderen Weg einschlagen und mein Modell unterschiedlicher Ebenen weiter verfolgen, um dabei dem Thema „Analogien“ und ihrer Funktionsweise nachzugehen. Es geht bei der bildersprachlichen Ausdrucksweise im EvPhil um Erkenntnisgewinn unter irdischen Bedingungen. Dazu gibt es eine wiederkehrende Struktur in den bisherigen Beispielen, die sich abstrahiert folgendermaßen darstellt: 49 D. Lanzinger, Ein „unerträgliches philologisches Possenspiel“? Paulinische Schriftverwendung im Kontext antiker Allegorese (NTOA 112), Göttingen 2016, 309. 50 Zumindest zeigen sich deutliche Parallelen in der Rezeption der Adamsgestalt im EvPhil zu dem, was Lanzinger, Possenspiel (Anm. 49), bes. 233–236, für Gal 4,21–31 als paradigmatische Allegorese beschreibt. 51 Insofern teile ich die von Zimmermann, Parabeln (Anm. 10), ausgedrückte Skepsis zumindest im Hinblick auf das EvPhil. Allerdings definiert Zimmermann Parabeln im allgemeinen Sinne so, dass auch dies nur begrenzt für die Bildersprache des EvPhil fruchtbar zu machen ist: „Eine Parabel ist ein kurzer narrativer (1) fiktionaler (2) Text, der in der erzählten Welt auf die bekannte Realität (3) bezogen ist, aber durch implizite oder explizite Transfersignale zu erkennen gibt, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist (4). In seiner Appellstruktur (5) fordert er einen Leser bzw. eine Leserin auf, einen metaphorischen Bedeutungstransfer zu vollziehen, der durch Ko‑ und Kontextinformation gelenkt wird“ (409).

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antiker Alltag x y z

Exegese x1 y1 z1

Schlussfolgerungen auf die religiöse Ebene x2 y2 z2

Es sind nie alle Ebenen und Elemente vollständig genannt, sondern die Texte arbeiten mit Leerstellen, die von den Rezipierenden erkannt und gefüllt werden müssen. Virtuell sind die verschiedenen Ebenen oft einfach dadurch präsent, dass ein Verständnis des Textes ohne Ergänzung weiterer Elemente unmöglich ist oder defizitär bleibt. Zudem werden durch die von mir beschriebenen „Störungen“ Transfersignale gesetzt; diese Störungen funktionieren mithin ähnlich wie etwa Vergleichsverben in neutestamentlichen Parabeln. Und Ebenenwechsel sind in einem System wie dem oben dargestellten grundsätzlich deshalb möglich, weil Ähnlichkeitsbeziehungen oder Analogien bestehen. In der „Stanford Encyclopedia of Philosophy“ findet sich folgende Definition von Analogien und Denken in Analogien: „An analogy is a comparison between two objects, or systems of objects, that highlights respects in which they are thought to be similar. Analogical reasoning is any type of thinking that relies upon an analogy. An analogical argument is an explicit representation of a form of analogical reasoning that cites accepted similarities between two systems to support the conclusion that some further similarity exists“.52 Dies beschreibt m. E. hinreichend gut, was im EvPhil vor sich geht, dass es lohnend erscheint, sich die vorhandene Theoriebildung zum Denken in Analogien anzusehen – was, soweit ich sehe, in der Exegese bislang eher ein Randthema ist, jedoch in der Metapherntheorie auftaucht.53 Zugleich wird dies Thema nicht nur in der Philosophie bearbeitet, sondern auch und besonders in den Kognitionswissenschaften, die sich damit beschäftigen, wie menschliche Lern‑ und Erkenntnisfortschritte funktionieren. Interessant scheint in unserem Zusammenhang insbesondere die sogenannte structure mapping theory,54 in der es 52  P. Bartha, Analogy and Analogical Reasoning, in: E.  N. Zalta  (Hg.), The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2016 Edition), https://plato.stanford.edu/entries/ reasoning-analogy/, zuletzt eingesehen am 31. 5. ​2018. Dort findet sich auch Folgendes: „When we reason by analogy, we must determine which features of both domains are relevant and how they relate to the analogical conclusion“. 53  Schon Aristoteles redet im Zusammenhang seiner Metapherndiskussion von Analogie (τὸ ἀνάλογον), vgl. Aristot., Poet. 1457b6–9: „Eine Metapher ist die Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird), und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie“ (Übers. M. Fuhrmann, Aristoteles: Poetik, Reclams Universal-Bibliothek 7828, Stuttgart 1994, 67). Neueres zum Thema z. B. bei H. Emonds, Metaphernkommunikation. Zur Theorie des Verstehens von metaphorisch verwendeten Ausdrücken in der Sprache (GAG 454), Göppingen 1986, bes. 86, dazu R. Zimmermann, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56 (2000), 108–133, hier: 116–118. 54 Zum Folgenden vgl. grundlegend D. Gentner, Structure-Mapping. A Theoretical Frame-

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grundlegend um Relationen geht, d. h. um Ähnlichkeiten auf der Struktur‑ und nicht auf der Sachebene.55 Je mehr sich menschliche Wesen schon mit solchen Analogien beschäftigt haben, desto höher ihre Fähigkeit, solches zu erkennen. Ein beliebtes Beispiel dieser Theorien ist das Sonnensystem: Die Aussage, das X12 Sternensystem der Andromeda-Galaxie sei wie unser Sonnensystem, funktioniert anders als die, das Wasserstoffatom sei wie unser Sonnensystem. Im ersten Falle haben wir eine Ähnlichkeit in den Eigenschaften, im zweiten eine Analogie, die die Relationen betrifft. Dabei werden aber nicht alle Relationen benutzt, so z. B. hebt die Analogie zwischen Sonnensystem und Atom zwar darauf ab, dass das „Zentralgestirn“ größer ist, nicht aber darauf, dass es heißer ist. Das sogenannte Matching funktioniert dann besonders gut, wenn die betreffende Eigenschaft mit anderen verbunden ist, die auch passen, wie in unserem Fall die Größe des Zentralgestirns mit Abstand und Anziehungskraft. Komplexere Systeme haben dabei für Menschen den größeren Reiz.56 Auch Irritationen lassen sich in einem solchen System beschreiben, wie dies etwa in der folgenden Versuchsanordnung geschieht: Wenn Kindern geschlossene Schachteln gezeigt werden, aus denen jeweils nacheinander mehrere gleichförmige Gegenstände geholt werden – zunächst aus der ersten Schachtel runde, dann aus der zweiten viereckige, schließlich aus der dritten dreieckige –, so erwarten sie, dass auch aus der vierten Schachtel gleichförmige Gegenstände extrahiert werden, also z. B. ausschließlich fünfeckige. Werden nun stattdessen unterschiedliche Gegenstände sichtbar, so steigt die Aufmerksamkeitsspanne der betreffenden Versuchskinder signifikant.57 Ihre Erwartungen wurden unterlaufen. Ähnliches scheint beim Lesen des EvPhil zu passieren, wenn wir auf die von mir so genannten „Störungen“ treffen und unser Lese‑ und Verstehensprozess dadurch signifikant entschleunigt wird. work for Analogy, Cognitive Science 7 (1983), 155–170; sowie D. Gentner/C. Hoyos, Analogy and Abstraction, Topics, Cognitive Science 9 (1997), 672–693; D. Gentner/L. Smith, Analogical Reasoning, in: V. S. Ramachandran (Hg.), Encyclopedia of Human Behaviour, Oxford 22012, 130–136. Diese (und weitere) Aufsätze sind abrufbar unter: http://groups.psych. northwestern.edu/gentner/index.htm, zuletzt eingesehen am 31. 5. ​2018. 55 Vgl. B. Falkenhainer/K. D. Forbus/D. Gentner, The Structure-Mapping Engine. Algorithm and Examples, Artificial Intelligence 41 (1989), 1–63, hier: 3: „Analogies are about relations, rather than simple features. No matter what kind of knowledge (causal models, plans, stories, etc.), it is the structural properties (i. e., the interrelationships between the facts) that determine the content of an analogy“. Instruktiv ist auch die Darstellung aus Gentner/ Smith, Analogical Reasoning (Anm. 54), 135, bei dem auf einer Abbildung ein rechts im Bild befindliches Auto von einem Abschleppfahrzeug gezogen wird, auf der darunter befindlichen Abbildung das ebenfalls rechts im Bild gezeigte Auto jedoch ein Boot auf einem Anhänger zieht. Strukturanalog sind nicht die beiden Autos, sondern das Auto im ersten Bild mit dem Boot im zweiten, da beide von einem anderen Fahrzeug gezogen werden. 56  Vgl. zu diesem Beispiel Gentner, Structure-Mapping (Anm. 54), 159–165. 57  Vgl. zu diesem Beispiel Gentner/ Hoyos, Analogy (Anm. 54), 685–686, mit der Abbildung auf Seite 686.

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Das Beispiel mit den Schachteln verweist allerdings zugleich auch auf ein Problem bei der Analogiebildung: Als nachdenkende Menschen wissen wir letztlich, dass der Inhalt der ersten drei Schachteln den der vierten tatsächlich nicht kausal determiniert. Analogien können also auch fehlleiten, es muss irgendetwas geben, was die Elemente zusammenhält und miteinander vergleichbar macht, so dass sich tatsächlich ein Erkenntnisgewinn und nicht nur ein Fehlschluss einstellt. Im Hinblick auf die Möglichkeit eines irdischen Erkenntnisgewinns mit Hilfe von Analogien bietet das EvPhil nun selbst eine Metatheorie an, auf die ich noch kurz eingehen möchte, da sie die Voraussetzungen für die Ebenenwechsel offenlegt. Philosophisch lässt sich diese Metatheorie dem Platonismus zuordnen.58

V. Metatheorie im Philippusevangelium Die Wahrheit (ⲁⲗⲏⲑⲉⲓⲁ) kam nicht nackt in die Welt (ⲕⲟⲥⲙⲟⲥ), sondern sie ist gekommen in Symbolen (ⲧⲩⲡⲟⲥ)59 und Bildern (ϩⲓⲕⲱⲛ). Sie (die Welt) kann sie (die Wahrheit) nicht in einer anderen Weise empfangen.60

Symbole und Bilder sind „Bekleidungsstücke“ der Wahrheit, die nicht einfach so in der Welt sein kann. Sie haben insofern Anteil an der Wahrheit, allerdings in verborgener, geheimnisvoller Weise.61 Festzuhalten bleibt dabei, dass die Wahrheit überhaupt in die Welt kommt – uns also zumindest in einer indirekten Art  Auch dies passt zu Thema der Analogien, da es sich ja auch beim Linien-, Sonnen‑ und Höhlengleichnis aus Platons Politeia um Analogien im oben besprochenen Sinne handelt. Für eine vergleichbare christliche Rezeption platonischer Theorie wie im EvPhil s. Orig., Comm. Jo. 1,26, § 167: „Christus, das Licht der Welt, ist das ‚wahre Licht‘, im Unterschied zum sinnenhaften Licht. Denn nichts, was sinnenhaft ist, ist ‚wahr‘. Aber wenn auch das sinnlich Wahrnehmbare nicht ‚wahr‘ ist, so ist es doch nicht Lüge. Denn es kann das Sinnenhafte eine Analogie zum Geistigen hin haben und es kann ganz gewiss nicht alles, was nicht wahr ist, korrekterweise als lügnerisch eingestuft werden“. (Text in: C. Blanc [Hg.], Origène: Commentaire sur Saint Jean [SC 120], Paris 1966, 142–144; Übersetzung nach R. Gögler, Origenes: Das Evangelium nach Johannes, Einsiedeln u. a. 1959, 122; den letzten Satz, der bei Gögler nur zum Teil übersetzt ist, habe ich vervollständigt). 59  Ich übersetzte hier (ebenso wie z. B. Schenke in seinen diversen Übertragungen des EvPhil) mit „Symbolen“ und nicht mit „Typen“, da die Begrifflichkeit von Typos und Typologien in der neuzeitlichen Exegese einen vollkommen anderen und im Hinblick auf die antiken Texte irreführenden Sinn bekommen hat, vgl. dazu K.-H. Ostmeyer, Typologie und Typos. Analyse eines schwierigen Verhältnisses, NTS 46 (2000), 112–131. 60  EvPhil 67a (p. 67,9–12). 61  Vgl. dazu EvPhil 68–69a (p. 67,27–35); 124 (p. 84,14–21), vgl. Gaffron, Studien (Anm. 43), 109, der EvPhil 68 folgendermaßen paraphrasiert: „Christus offenbarte alles (= das Verborgene, die Wahrheit, sich selbst) in geheimnisvoller Weise, nämlich in Taufe, Salbung, Eucharistie, Erlösung und Brautgemach. Diese Handlungen sind insofern geheimnisvoll, als sie τύποι und εἰκόνες der höheren Wirklichkeit sind. Sie sind gewissermaßen die irdische Hülle, in der die Wahrheit in der Welt anwesend wird, wie § 67 (= S. 67,9–11) es ausdrückt.“ Weiteres dazu bei S. Petersen, Interpretations of the Eucharist in the Gospel of Philip, in: S. Al-Suadi/P.-B. Smit (Hg.), T&T Clark Handbook to Early Christian Meals in the Greco-Roman World, London u. a. 2019, 147–161. 58

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und Weise zur Kenntnis gegeben wird. Die Vermittlungsgrößen eines solchen Abwärtstransfers von Wahrheit sind Symbole und Bilder. Eine vergleichbare Aussage über die Wahrheit begegnet nun auch für die „Namen“ (ⲣⲁⲛ)62 oder – wie wir heute eher sagen würden – Bezeichnungen oder Begriffe, die einerseits als unzureichend kritisiert werden, andererseits aber für die Wahrheitsvermittlung notwendig und unausweichlich sind: Die Namen, die den Weltmenschen gegeben werden, bringen eine große Täuschung. Denn sie wenden ihren (der Weltmenschen) Sinn weg von dem Feststehenden  / von der Idee, hin zu dem Nichtfeststehenden / dem Abgeleiteten.63 […] Aber die Wahrheit ließ Namen in der Welt entstehen unseretwegen, die wir sie nicht erkennen können ohne die Namen. Eine einzige ist die Wahrheit. Und doch ist sie vielgestaltig und zwar unseretwegen, um dies eine erkennen zu lassen in Liebe (ⲁⲅⲁⲡⲏ) durch vieles.64

Platonisch gesehen ist die Sinneswelt nur abgeleitet, tatsächliche Wahrheit kommt nur der Ideenwelt zu, in der allein die Dinge feststehen und sich nicht wandeln. Nur durch Partizipation am oberen Ideen‑ oder Urbildbereich haben die irdischen Dinge überhaupt eine, wenn auch abgeleitete, Realität. Aber nur durch die Betrachtung irdischer Dinge kann ein Erkenntnisgewinn angestoßen werden, der eine Bewegung in die oberen Ebenen erlaubt, – wobei Offenbarungen aus dem himmlischen Bereich im Laufe der Geschichte des Platonismus für einen solchen Aufstieg immer zentraler werden. Aufgrund der zitierten Aussagen über die „Wahrheit“ lässt sich noch eine fünfte Ebene in mein Schema einfügen: Ebene 5: Transzendenz

Wahrheit

↑ Ebene 4: Himmlischer Bereich ↑ Ebene 3: sozio-religiöse Praktiken ↑ Ebene 2: Exegese ↑ Ebene 1: Alltag

Christus, Sophia, Pneuma etc. Eucharistie / Taufsalbung / Küsse Gen, Mt, Joh, 1 Kor … Kulturtechniken und soziale Verhältnisse

62 Das koptische ⲣⲁⲛ entspricht dem griechischen ὄνομα, vgl. Crum, Dictionary (Anm. 30), 297b. Die entsprechende Terminologie findet sich auch im platonischen Dialog Kratylos, in dem ausführlich über die Zuverlässigkeit von Namen / Benennungen diskutiert wird, und es ebenso wie im EvPhil (Vgl. bes. 19 [p. 56,3–13]; 53 [p. 63,21–24]) um Etymologien geht. Kratylos wurde in Spätantike viel rezipiert, so u. a. bei Plutarch, De Iside et Osiride 60 (375C–D), Euseb, Praeparatio evangelica 11,6,2–7, sowie in der mittelplatonischen Lehrschrift Didaskalikos VI, 10–11, aus dem 2. Jh. n. Chr. 63  Ich habe hier die koptischen substantivierten Verbformen vom Feststehenden und Nichtfeststehenden schon alternativ platonisierend übersetzt, um deutlich zu machen, wie ich das Gesamtkonzept verstehe. Zum Bedeutungsspektrum von ⲥⲙⲓⲛⲉ mit dem Stativ/Qualitativ ⲥⲙⲟⲛⲧ vgl. Crum, Dictionary (Anm. 30), 337a. Die Terminologie kommt im EvPhil noch in 44a (p. 61,20–22) vor: „Es ist unmöglich, dass jemand etwas von dem Feststehenden sieht, es sei denn, dass er jenem gleich wird“. 64  EvPhil 11–12 (p. 53,23–27; 54,13–18).

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In den zitierten Texten wird eine generelle Struktur der Wirklichkeit beschrieben, in der wir uns befinden (also der „Welt“), deren Wesen es ist, dass wir uns nur vermittelt über Symbole, Bilder und Namen oder Begriffe der höchsten Ebene annähern können: Dies alles sind notwendige Vehikel auf dem platonischen Weg „nach oben“, zur Wahrheit. Nach der Sprachtheorie des EvPhil ist quasi jede Aussage auf einer „unteren“ Ebene als vorläufig aufzufassen, da die Wahrheit nicht anders zu uns kommen, nicht „an sich“ ausgesprochen werden kann. Dass der Weg nach oben aber tatsächlich möglich ist, zeigt der Schluss des EvPhil, wo davon die Rede ist, dass jemand die „Wahrheit in den Abbildern schon empfangen“ habe und der Gesamttext in einem „heiligen Licht“ endet.65

 EvPhil 127b (p. 86,12–18), dazu Lundhaug, Images (Anm. 3), 310–311.

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Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief (EpJac NHC I,2) Neue Lehre und die Deutung vorliegender Evangelien Judith Hartenstein Abstract: The Apocryphon of James uses the term ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ to refer to former teaching of Jesus preserved in other (the canonical) gospels. This teaching includes known parables, some of which are listed by title, and likewise other narratives for example about the discciples. In my opinion, the Apocryphon of James regards all these texts as figurative speech that requires interpretation. In contrast, the teaching of Jesus maintained in the Apocrypphon of James is considered as plain speech, even the texts that correspond to the defiinition of parables.

I. Zur Einführung Der apokryphe Jakobusbrief (EpJac) ist die zweite Schrift aus NHC I und nur durch dieses eine Manuskript im lykopolitanischen Dialekt des Koptischen bezeugt.1 Es gibt  – soweit bekannt  – weder Fragmente noch Zitate oder Erwähnungen in anderen Texten. Die Verbindungen zu anderen Schriften unter dem Namen des Jakobus liegen vor allem in diesem Namen.2 Die EpJac ist ver-

1 Ein Titel ist in der Handschrift nicht genannt. Im deutschsprachigen Bereich ist aufgrund des Briefrahmens die Bezeichnung als apokrypher Jakobusbrief bzw. Epistula Jacobi apocrypha üblich, so der Titel bei D. Kirchner, Epistula Jacobi Apocrypha. Die zweite Schrift aus Nag-Hammadi-Codex I (TU 136), Berlin 1989. Auf Englisch wird sie wegen der im Eingangsbrief verwendeten Selbstbezeichnung (NHC I p. 1,10) meist Apocryphon of James genannt, vgl. F. E.  Williams, The Apocryphon of James: Introduction, in: H. W. Attridge (Hg.), Nag Hammadi Codex I (The Jung Codex). Indroductions, Texts, Translations, Indices (NHS 22), Leiden 1985, 13–27, hier 16 f. 2  In der Schrift wird allerdings auf eine weitere Offenbarung an Jakobus Bezug genommen, die wohl als Schrift vorzustellen ist (NHC I p. 1,28–35; 8,31–36; 13,38–14,1), falls die Bemerkungen nicht einfach als rhetorische Stilmittel zu verstehen sind, so Williams, Introduction (s. Anm. 1), 20. Inhaltlich würde die erste Apokalypse des Jakobus (1 ApcJac NHC V,3; CT 2) passen, vgl. J. Hartenstein, Die zweite Lehre. Erscheinungen des Auferstandenen als Rahmenerzählungen frühchristlicher Dialoge (TU 146), Berlin 2000, 230–232.

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mutlich frühestens Ende des 2. Jahrhunderts entstanden, eine frühe Datierung wird inzwischen kaum noch vertreten.3 Die Schrift ist gerahmt durch einen Brief (p. 1,1–2,7 und 16,12–30), den Jakobus  – die Figur hat Züge des Jüngers und des Herrenbruders  – an einen Adressaten richtet, dessen Name aufgrund des an dieser Stelle schlecht erhaltenen Papyrus nur halb lesbar ist.4 Er erläutert in ihm die Übersendung einer geheimen Offenbarung (ⲁⲡⲟⲕⲣⲩⲫⲟⲛ p. 1,10), die wohl dem Hauptteil der Schrift entspricht. Geschildert wird dann die Situation, dass die zwölf Jünger 550 Tage nach der Auferstehung zusammensitzen und ihre Erinnerungen an die geheimen und öffentlichen Worte Jesu aufschreiben, als Jesus ihnen erscheint und Jakobus und Petrus für besondere Belehrungen auswählt (p. 2,7–39). Diese Sonderbelehrungen bilden dann den Hauptteil der Schrift (p. 2,39–15,6). Sie gleichen in der Form Jesustradition, wie sie aus anderen, auch den kanonischen, Evangelien bekannt ist, enthalten z. B. auch Gleichnisse. Das unterscheidet die EpJac von anderen nachösterlichen Dialogen, in denen Jesus eher philosophischmythologische Lehren verkündigt.5 Am Ende erleben Jakobus und Petrus nach dem Weggang Jesu eine Art visionäre Himmelsreise (p. 15,6–28), die aber von den anderen Jüngern abgebrochen wird (p. 15,28–16,11). Für diese sind die Lehren aber ausdrücklich nicht bestimmt, Jakobus schickt sie in alle Welt (um Anstoß zu vermeiden) und setzt seinen Brief fort. Die Offenbarungen sind nur für den Adressaten sowie für die späteren „Kinder“6 gedacht. Die EpJac ist nicht leicht zu verstehen, insbesondere in den Lehren Jesu verbinden sich verschiedene Themen ohne klare Struktur, oft in bildlicher Sprache und auch mit widersprüchlichen Aussagen. Thema und Anliegen ist das Erreichen von Leben und Heil, was aber auch für Jakobus und Petrus alles andere als einfach ist, obwohl sie sogar dazu aufgefordert werden, selbst Jesus zu übertreffen (p. 6,19–21; 7,10–15). Volles Verständnis und Glauben werden erst die späteren Kinder erlangen. Auffällig ist die Aufforderung zum Martyrium, das ein wesentliches Thema der Schrift bildet (p. 5,6–6,18). Eindeutig gnostischmythologische Elemente sind nicht enthalten, aber die in der Rahmenerzählung erkennbare Polemik gegen die Jüngergruppe und ihre Evangelien bzw. ihre 3  Vgl. zur Begründung der späten Datierung Hartenstein, Lehre (s. Anm. 2), 221–224; deutlich ins 3. Jahrhundert geht Williams, Introduction (s. Anm. 1), 26 f. 4 Erhalten ist die Endung ‑thos (‑]ⲑⲟⲥ p. 1,2). Denkbar ist eine Ergänzung zu Kerinthos, vgl. dazu J. Hartenstein/U.-K. Plisch, Der Brief des Jakobus (NHC I,2), in: C. Markschies/J. Schröter, Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. I. Band Evangelien und Verwandtes, Teilband 2, Tübingen 2012, 1092–1106, hier 1094 f. 5  So z. B. in der Weisheit Jesu Christi (SJC NHC III,4; BG 3), im Apokryphon des Johannes (AJ NHC II,1; III,1; IV,1; BG 2), im Evangelium nach Maria (EvMar BG 1) und auch in der 1 ApcJac. 6  Mit dieser Bezeichnung wird in der Schrift (p. 15,38–16,2; 16,9–30) eine spätere Gruppe angekündigt, die Heil in vollem Umfang erlangen kann. Vermutlich ist hierin die Zielgruppe der Schrift angesprochen.

Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief

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Predigt – sie schreiben die Worte Jesu auf, während parallel die wichtigste Offenbarung ergeht, von der sie ausgeschlossen sind; am Ende sendet Jakobus sie in die Welt, aber nicht zur Mission, sondern um Anstoß zu vermeiden – spricht für eine irgendwie abgesonderte Gruppe. Möglicherweise ist die Schrift in erster Linie für Eingeweihte bestimmt, die z. B. die Ironie einiger Aussagen und Aufforderungen erkennen können.

II. Der Abschnitt EpJac p. 6,21–8,33 In der EpJac gibt es – neben sehr viel bildlicher und metaphorischer Rede – drei formal erkennbare Gleichnisse/Parabeln,7 von denen zwei mehr oder weniger deutlich an bekannte Saatgleichnisse anknüpfen (p. 8,16–25; 12,22–31), während eines völlig eigenständig ist und von einer Dattelpalme und ihren Früchten handelt (p. 7,24–35).8 Außerdem kommt der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ in zwei Zusammenhängen vor (p. 7,1–10; 8,1–11), zunächst in einer theoretischen Reflektion über offene und bildliche Rede und dann in einem Rückbezug auf Jesu frühere Lehre in Gleichnissen, zu der eine Auflistung von sieben Gleichnissen/Parabeln gehört. Zwei Parabeln und die beiden relevanten Stellen für das Vorkommen des Begriffs sind miteinander verbunden, dieser Abschnitt folgt hier deshalb zunächst im Zusammenhang, bevor ich näher auf die Einzelheiten eingehe. Er bietet auch einen guten Einblick in den Stil der EpJac. EpJac p. 6,21–8,33:9 Darauf fragte ich ihn: „Herr, auf welche Weise können wir denen prophezeien (ⲡⲣⲟⲫⲏⲧⲉⲩⲉ), die von uns verlangen, dass wir ihnen prophezeien? Denn zahlreich sind die, die uns bitten und von uns erwarten, einen Spruch (ⲗⲟⲅⲟⲥ) zu hören.“ Der Herr antwortete und sprach: „Wisst ihr nicht, dass mit Johannes das Haupt der Prophetie entfernt wurde?“ Ich aber sprach: „Herr, {…} ist es denn möglich, das Haupt der Prophetie abzuschlagen?“ Der Herr

7  Vgl. R. Zymner, Uneigentlichkeit. Studien zu Semantik und Geschichte der Parabel (Explicatio), Paderborn u. a. 1991, 102 zur Definition der Parabel. Ähnlich auch R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 383–419, hier 409. Anders als Zimmermann unterscheidet Zymner die Parabel vom Gleichnis, das nicht episch-fiktional, sondern hypothetisch ist, vgl. Uneigentlichkeit, 128. In meiner Untersuchung spielt dieser Unterschied aber keine Rolle. Ich verwende trotz dieser Anlehnung an Parabeldefinitionen auch noch Gleichnis als Begriff, vor allem um allgemein Jesu Lehre in Gleichnissen oder konkrete bekannte Gleichnisse zu bezeichnen, weil die Verwendung des Begriffs Parabel dafür immer noch ungebräuchlich ist. 8 Zur Analyse und Auslegung vgl. J. Hartenstein, Dattelpalme, Weizenkorn und Ähre (Parabeln im apokryphen Jakobusbrief). EpJac NHC I p. 7,23–35; 8,10–27; 12,18–31, in: R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 941–950. 9 Übersetzung: Hartenstein/Plisch, Brief (s. Anm. 4), 1102 f. (mit kleinen Änderungen).

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sprach zu mir: „Wenn ihr wisst, was ‚Haupt‘ bedeutet und dass die Prophetie vom Haupt ausgeht, dann begreift (ⲛⲟⲉⲓ), was es bedeutet: ‚Ihr Haupt wurde abgeschlagen‘. (p. 7) Früher habe [ich] zu euch in Gleichnissen (ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ) geredet und ihr habt’s nicht begriffen (ⲛⲟⲉⲓ). Jetzt wiederum rede ich offen mit euch und ihr versteht (ⲁⲓⲥⲑⲁⲛⲉ) (immer noch) nicht. Aber ihr dientet mir als Gleichnis (ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ) unter Gleichnissen und als offenbares (ⲫⲁⲛⲉⲣⲟⲥ) (Beispiel) im offenen (Gespräch). Beeilt euch, erlöst zu werden, ohne dass ihr (zuvor) aufgefordert werdet! Sondern seid selbst eifrig bemüht, und wenn es möglich ist, kommt selbst mir zuvor! Denn so wird euch der Vater lieben. Hasst die Heuchelei und die böse Gesinnung! Denn die (böse) Gesinnung ist es, die die Heuchelei hervorbringt. Die Heuchelei ihrerseits ist fern der Wahrheit. Lasst das Reich der Himmel nicht verdorren! Denn es gleicht einem Dattelpalmen​ , dessen Früchte um ihn herum gefallen waren. ließen Blätter hervorgehen und als diese gewachsen waren, ließen sie den Ursprung vertrocknen. So wiederum verhält es sich mit der Frucht, die aus ein und derselben Wurzel hervorkam. Als sie abgestoßen worden war, wurden Früchte hervorgebracht durch viele. Es wäre gut, wenn es möglich wäre, jetzt diese Neugepflanzten aufzuziehen  – du würdest es (das Reich der Himmel) finden. ich so verherrlicht worden bin vor dieser Zeit, warum haltet ihr mich zurück, wenn ich mich beeile zu gehen? (p. 8) Denn nach der [Trauer] habt ihr mich genötigt, noch weitere 18 Tage bei euch zu bleiben wegen der Gleichnisse (ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ). Es genügte für Menschen, auf Lehre hören und ‚die Hirten‘, ‚das Säen‘, ‚das Bauen‘, ‚die Lampen der Jungfrauen‘, ‚den Lohn der Arbeiter‘ und ‚die Doppeldrachmen‘ (?) und ‚die Frau‘ zu verstehen (ⲛⲟⲓ̈). Seid eifrig bemüht um das Wort (ⲗⲟⲅⲟⲥ)! Das Wort (ⲗⲟⲅⲟⲥ) nämlich – sein erster Aspekt ist der Glaube, der zweite die Liebe, der dritte sind die Werke. Aus diesen nämlich entsteht das Leben. Denn das Wort (ⲗⲟⲅⲟⲥ) gleicht einem Weizenkorn. Nachdem jemand dieses gesät hatte, vertraute er ihm. Und nachdem es gewachsen war, liebte er es, da er anstelle eines (Korns) viele Körner sah. Und nachdem er (die Ernte) vollbracht hatte, wurde er erlöst, da er es zu Nahrung verarbeitet hatte. Ferner ließ er (etwas) zum Säen übrig. So auch könnt ihr für euch das Reich der Himmel empfangen. Wenn ihr dieses nicht durch Erkenntnis (ⲅⲛⲱⲥⲓⲥ) empfangt, könnt ihr es nicht finden. Deshalb sage ich euch: Seid nüchtern! Geht nicht fehl! Oftmals habe ich sowohl zu euch (allen) miteinander geredet, als auch zu dir allein, o Jakobus, habe ich gesagt: Sei um Erlösung bemüht!

1. Offene Rede und Rede in ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ – und die Jünger als ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ Klare Abgrenzungen in der EpJac sind schwierig, aber mit der Frage des Jakobus nach dem prophetischen Reden scheint doch etwas thematisch Neues zu beginnen, vorher ging es um den Tod Jesu und der Jünger.10 Jakobus fragt jedenfalls nach dem prophetischen Reden, er sieht Erwartungen nach Prophetie an sich gerichtet, die er anscheinend nicht so leicht erfüllen kann. Verwendet wird hier das griechische Verb ⲡⲣⲟⲫⲏⲧⲉⲩⲉ und am Ende einfach ⲗⲟⲅⲟⲥ. Sachlich ist die Frage des Jakobus erstaunlich, prophetische Rede hat doch ihren Ur10 Auch die Fragen sind aber kein durchgehend überzeugendes Kriterium für eine Gliederung.

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sprung gerade nicht im Propheten selbst.11 Aber als Beschreibung einer Diskrepanz zwischen äußerer Erwartung und eigenen Möglichkeiten wird sie doch verständlich. Wenn die Entgegnung Jesu als Antwort zu verstehen ist, dann scheint sie das prophetische Reden grundsätzlich abzulehnen, es hat mit dem Tod von Johannes dem Täufer ein Ende gefunden (vgl. Lk 16,16). Die Frage des Jakobus erübrigt sich damit, die an ihn herangetragenen Erwartungen sind unangemessen, aber dieser Punkt wird nicht weiter thematisiert.12 Als Konsequenz kann auch Jesus nicht prophetisch geredet haben, dies könnte bedeuten, dass die EpJac dem vorösterlichen Jesus keine Offenbarungen zuschreibt.13 Interessant für meine Fragestellung ist, dass Jesus hier zum Erkennen und Verstehen einer übertragenen Bedeutung der Enthauptung auffordert.14 Denn unmittelbar hieran schließt sich seine erste Aussage mit dem Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ an. EpJac NHC I p. 7,1–6: ⲁϩ̣[ⲓⲣ] ϣⲁⲣⲡ̣ ⲉⲉⲓϣⲉϫⲉ ⲛⲙ̄ⲙⲏⲧⲛ̄ ϩⲣⲏⲓ̈ ϩⲛ̄ ϩⲙ̄ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ· ⲁ̣ⲩⲱ ⲛⲉⲣⲉⲧⲛ̄ⲣ ⲛⲟⲉⲓ ⲉⲛ· ϯ[ⲛ]ⲟⲩ ⲁⲛ ϯϣⲉϫⲉ ⲛⲙ̄ⲙⲏⲧ̣[ⲛ ϩ]ⲛ̣̄ ⲟⲩⲱⲛϩ̄ ⲁⲃⲁⲗ ⲁⲩⲱ ⲛ̄ⲧⲉ̣ⲧ̣ⲛ̄ⲣ ⲁⲓⲥⲑⲁⲛⲉ ⲉⲛ

Früher habe [ich] zu euch in Gleichnissen geredet und ihr habt’s nicht begriffen. Jetzt wiederum rede ich offen mit euch und ihr versteht (immer noch) nicht.

Ähnliche Aussagen über eine einerseits verhüllte, andererseits offene Rede Jesu finden sich an verschiedenen Stellen im Neuen Testament, etwa in Mk 4,11 f.: „Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben. Denen aber, die draussen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil, damit sie sehend sehen und nicht erkennen, […]“15 Oder Joh 16,25: „Dies habe ich euch in verhüllter Sprache gesagt. Die Stunde kommt, da ich nicht mehr in verhüllter Sprache mit euch reden, sondern euch offen über den Vater Kunde geben werde“.16 Joh 16,25 steht dabei trotz der anderen Wortwahl (παροιμία statt παραβολή) wegen der zeitlichen Abfolge EpJac besonders nahe, es geht um den Gegensatz von früher verhüllter, jetzt offener Rede jeweils der Jüngergruppe gegenüber. In Mk 4,11 besteht dagegen ein Gegenüber von drinnen und draußen, Jesu Rede unterscheidet sich nach den angesprochenen Personen. Der Zweck der Rede in Gleichnissen ist in Mk 4,12 dann das Nichtverstehen derer, die draußen stehen. Nichtverstehen betrifft in der EpJac beide Arten des Redens und anscheinend auch Jakobus und  Vgl. Kirchner, Epistula (s. Anm. 1), 105, der die Frage für absurd hält. ist durchaus typisch für den sprunghaften Stil der Schrift. 13  So Kirchner, vgl. Epistula (s. Anm. 1), 106 f. 14  Auch diese Art des Dialogs mit Jakobus ist typisch für die Schrift und wirkt fast johanneisch in seinem Missverstehen der Ebenen. 15 Übersetzung Zürcher 2007. Griechisch: Ὑμῖν τὸ μυστήριον δέδοται τῆς βασιλείας τοῦ θεοῦ ἐκείνοις δὲ τοῖς ἔξω ἐν παραβολαῖς τὰ πάντα γίνεται, ἵνα βλέποντες βλέπωσι καὶ μὴ ἴδωσιν … 16  Übersetzung Zürcher 2007. Griechisch: Ταῦτα ἐν παροιμίαις λελάληκα ὑμῖν ἔρχεται ὥρα ὅτε οὐκέτι ἐν παροιμίαις λαλήσω ὑμῖν ἀλλὰ παρρησίᾳ περὶ τοῦ πατρὸς ἀπαγγελῶ ὑμῖν. 11

12 Das

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Petrus, fehlt aber bei Joh.17 Eigentlich eignet sich die Unterscheidung zwischen offener und verhüllter Rede gut für eine soziale Abgrenzung und Aufwertung der Angeredeten.18 Dieses Konzept funktioniert hier aber nur, wenn die EpJac doch mit Ausnahmen rechnet, etwa bei den Lesenden. Denkbar ist auch, dass unterschiedliche Arten von Unverständnis ausgesagt werden. Die verwendeten Begriffe ⲛⲟⲉⲓ und ⲁⲓⲥⲑⲁⲛⲉ werden in der platonischen Tradition und auch bei Origenes und Clemens auf intellektuelles Verstehen und Sinneswahrnehmung bezogen und eine Entwicklung zu ersterem angestrebt.19 Aber ich sehe nicht, dass das hier eine Rolle spielen würde, da die Abfolge nicht passt und es keine weiteren Hinweise auf eine Differenzierung gibt.20 Abgesehen vom Problem des doppelten Unverständnisses steht der Satz aus meiner Sicht sachlich im Widerspruch zu seinem Kontext, in dem Jesus fortwährend in bildlicher Sprache und eben nicht offen lehrt.21 Anders ausgedrückt: Ich verstehe die Sätze über das Haupt der Prophetie oder die Erzählung von der Dattelpalme als uneigentliche Rede, in der Abweichungen von normaler Sprachverwendung signalisieren, dass die Bedeutung in einer neuen Richtung gesucht werden muss.22 Aber ist das die Selbstsicht der EpJac (und ihrer Leserschaft)? Die Entscheidung, wann eine Abweichung von konventioneller Sprachverwendung vorliegt, hängt möglicherweise vom jeweiligen Kontext ab. Es ist m. E. denkbar, dass das Reden Jesu in der EpJac trotz der Bildlichkeit als offene, eigentliche Rede beabsichtigt ist und verstanden wird. Die Erzählungen von der Dattelpalme und vom Weizenkorn, die ich formgeschichtlich als Parabeln bestimmen würde, werden in der Schrift selbst jedenfalls nicht als ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ bezeichnet – anders als die früheren Gleichnisse Jesu. Auch durchdringen sich Bild und Sache in ihnen anders und intensiver als etwa in den synoptischen Evangelien üblich. Vielleicht besteht hier aus der Sicht der EpJac tatsächlich ein Unterschied.23 Dieser Möglichkeit will ich im Folgenden weiter nachgehen und überprüfen, ob sich die Ausführungen in der EpJac als offene Lehre Jesu im Gegensatz zu früherer in Gleichnissen verstehen lassen. Denkbar ist aller-

17 Bei Joh werden Verständnisprobleme aber im Kontext deutlich, vgl. U. Poplutz, Paroimia und Parabolē. Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: J. Frey/J. G. van der Watt/R. Zimmermann (Hg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language (WUNT 200), Tübingen 2006, 103–12, hier 107. 18 Vgl. D. Brakke, Parables and Plain Speech in the Fourth Gospel and the Apocryphon of James, JECS 7 (1999), 187–218, hier 203. 19  So Brakke, Parables (s. Anm. 18), 207–209. 20 Der Begriff ⲁⲓⲥⲑⲁⲛⲉ kommt nur an dieser Stelle in der EpJac vor. 21  Brakke rechnet damit, dass die EpJac sowohl ihre eigene Lehre als auch frühere Evangelien als Mischung aus offener und verhüllter Rede versteht, vgl. Parables (s. Anm. 18), 207. 22 Vgl. dazu Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 7), 60–62. 23  Die Verbindung zwischen dem Tod von Johannes und dem Ende von Prophetie wird ebenfalls hergestellt, auch wenn sie nicht weiter erklärt wird – vielleicht soll auch dies ein Beispiel für offene Rede sein.

Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief

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dings auch, dass der Gegensatz von offener und verhüllter Rede mehr behauptet als durchgehalten wird oder noch anders zu verstehen ist. In Joh 16,25 könnte er sich statt auf unterschiedliche Redeformen Jesu auf eine unterschiedliche Rezeption seiner Worte beziehen; nachösterlich wird verständlich, was vor Ostern noch rätselhaft war.24 Der Gedanke, dass der gleiche Text unterschiedliche Verstehensmöglichkeiten abhängig vom Kontext der Lesenden haben kann, passt durchaus zur EpJac, aber der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ scheint doch stärker auf bestimmte konkrete Texte bezogen. Zudem liegt die neue Lehre Jesu in einer eigenen Schrift vor und Unverständnis ist auch nachösterlich im Jüngerkreis verbreitet. Nach der eigenständig gestalteten, aber sonst nicht ungewöhnlichen Aussage zu den verschiedenen Redeformen folgt dann ein erstaunlicher Satz. EpJac p. 7,6–10: ⲁⲗⲗⲁ ⲛ̄ⲧⲱⲧⲛ̄ ⲛⲉⲣⲉⲧⲛ̄ϣⲟⲟⲡ ⲛⲏⲓ̈ ⲛ̄ⲛⲟⲩⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ ϩⲣⲏⲓ̈ ϩⲛ̄ ϩⲙ̄ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ· ⲁⲩⲱ ⲙⲫⲁⲛⲉⲣⲟⲥ ϩⲣⲏⲓ̈ ϩⲛ̄ ⲛⲟⲩⲱⲛϩ̄ ⲁⲃⲁⲗ

Aber ihr dientet mir als Gleichnis unter Gleichnissen und als offenbares (Beispiel) im offenen ­(Gespräch).

Das ⲁⲗⲗⲁ schafft zunächst einen klaren Anschluss und die Begriffe ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ und offenbar/sichtbar (ⲫⲁⲛⲉⲣⲟⲥ/ⲟⲩⲱⲛϩ̄ ⲁⲃⲁⲗ) werden wieder aufgenommen, aber die Perspektive verschiebt sich. Es geht nicht mehr darum, wie Jesus die Jünger lehrt, ob in Gleichnissen oder offen, sondern darum, welche Funktion die Jünger für ihn haben. Dass damit die Jünger an sich als für Jesus unverständlich angesehen werden, scheint mir nicht plausibel.25 Denkbar ist aber, dass auch Erzählungen von den Jüngern wie Gleichnisse gedeutet werden. Eine Verwendung von παραβολή zur Beschreibung der Deutung von alttestamentlichen Erzählungen gibt es in Hebr 9,9; 11,19. Hier wird anscheinend eine typologische Verbindung hergestellt, die Schrift verweist auf die Gegenwart und ist ein Gleichnis, das entschlüsselt werden muss und von den Glaubenden auch verstanden werden kann.26 Zunächst ist zu fragen, ob das Gegenüber von früher und jetzt aus dem vorausgehenden Satz hier auch gilt. Die frühere Lehre Jesu in Gleichnissen steht im Erzähltempus Perfekt (entspricht einem griechischen Aorist), das Nichtverstehen der Jünger im Imperfekt (mit Funktionen wie im Griechischen), es dauert also  So Poplutz, Paroimia (s. Anm. 17), 108–110.  So F. E.  Williams, The Apocryphon of James. Notes, in: H. W. Attridge (Hg.), Nag Hammadi Codex I (The Jung Codex). Notes, NHS 23, Leiden 1985, 7–37, hier 19. Für Kirchner (vgl. Epistula [s. Anm. 1], 107) zeigt die Aussage die Unverständlichkeit der vorösterlichen Lehre Jesu, das Unverständnis der Jünger ist beispielhaft, aber damit ist m. E. die Sicht der Jünger als Gleichnis nicht erfasst. 26  Vgl. C. K.  Rothschild, παραβολή in Hebrews, in: R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte (WUNT 231), Tübingen 2008, 365–379, hier 379. 24

25

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an. Für die jetzige offene Rede und das Nichtverstehen ist Präsens verwendet, auch das beschreibt einen Zustand. Dass die Jünger für Jesus Gleichnis bzw. offenbar sind, wird ebenfalls im Imperfekt ausgedrückt, hier gibt es nur ein Verb und keine zeitliche Differenzierung. Hier scheinen also die beiden Sichtweisen nebeneinander zu bestehen und sie dauern an. Wenn es nun an dieser Stelle um Erzählungen von den Jüngern geht, dann können diese einerseits als offene, eigentliche Rede verstanden werden, haben aber andererseits eine weitere Ebene als uneigentliche Rede, die einen Transfer und eine neue Sinnbestimmung nötig macht; sie lassen sich also auch wie Gleichnisse lesen. Dabei ist vermutlich an schon vorhandene Evangelien zu denken, in denen sich solche Erzählungen, aber auch die frühere Lehre Jesu in Gleichnissen findet. Vielleicht folgt auch schon die Deutung des Todes von Johannes dem Täufer einer solchen Logik: Die Erzählung über ein konkretes Ereignis kann als uneigentliche Rede verstanden werden, die neu gedeutet werden muss. Der ganze Abschnitt der EpJac eröffnet so die Möglichkeit, die schon vorhandenen Evangelien auf eine bestimmte Weise zu verstehen. Die in den nächsten Zeilen folgenden Imperative (p. 7,10–22) können auf die dafür nötigen Bemühungen verweisen, setzen aber auch einen neuen Akzent, der vom Thema der Rede in Gleichnissen wegführt. 2. Die Parabel vom Dattelpalmenzweig (EpJac p. 7,22–35) An die Reihung der Imperative, die die Jünger zur Erlösung auffordern und dabei eigenes Bemühen verlangen und speziell vor Heuchelei (ϩⲩⲡⲟⲕⲣⲓⲥⲓⲥ) warnen, schließt sich dann eine Parabel an, für der letzte der Imperative als Einleitung dient: EpJac p. 7,22–35: ⲙ̄ⲡⲱⲣ ⲁϩⲱⲕⲙ̄ ⲛ̄ⲧⲙⲛ̄ⲧⲣ̄ⲣⲟ ⲛ̄ⲙ̄ⲡⲏⲩⲉ· ⲉⲥⲧⲛ̄ⲧⲁⲛⲧ ⲛⲅⲁⲣ ⲁⲩⲗϩ̄ ⲛⲃⲛ̄ⲛⲉ·ⲉⲛⲧⲁϩⲁⲛⲉϥⲕⲁⲣⲡⲟⲥ ϩⲉϯⲉ ⲙ̄ⲡⲉϥⲕⲱⲧⲉ· ⲁⲧⲉⲩⲟ ⲁⲃⲁⲗ ⲛ̄ϩⲉⲛϭⲱⲃⲉ·ⲁⲩⲱ ⲛ̄ⲧⲁⲣⲟⲩϯ ⲟⲩⲱ ⲁϩⲟⲩⲧⲣⲉⲧⲁⲧⲉ ϣⲁⲩⲉⲓⲉ·

Lasst das Reich der Himmel nicht verdorren! Denn es gleicht einem Dattelpalmen­ ,27 dessen Früchte um ihn herum gefallen waren. 28 ließen Blätter hervorgehen und als diese gewachsen waren, ließen sie den ­Ursprung vertrocknen.

 Im Manuskript steht ⲱⲗϩ̄, was wohl eine Verschreibung für ϣⲗϩ̄ ist.  Im Text steht als Subjekt ein Singular (ⲁϥ‑), was sich auf den Zweig beziehen müsste, aber wenig sinnvoll ist. Hier ist eine Verschreibung für den Plural (ⲁⲩ‑) mit Bezug auf die Früchte sehr plausibel. Eine solche Verwechselung ähnlicher Buchstaben ist häufig. Hedrick vermutet einen Fehler beim Übersetzen und einen ursprünglichen Bezug auf die Palme, vgl. C. W.  Hedrick, Kingdom Sayings and Parables of Jesus in the Apocryphon of James. Tradition and Redaction, NTS 29 (1983), 1–24, hier 15 f. 27

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ⲧⲉⲉⲓ ⲁⲛ ⲧⲉ ⲑⲉ ⲙ̄ⲡⲕⲁⲣⲡⲟⲥ ⲛ̄ⲧⲁϩϣⲱⲡⲉ·ⲁⲃⲁⲗ ϩⲛ̄ So wiederum verhält es sich mit der Frucht, die aus ein und derselben Wurzel hervorϯⲛⲟⲩⲛⲉ ⲛ̄ⲟⲩⲱⲧ· kam. Als sie abgestoßen worden war, wurden ⲛ̄ⲧⲁⲣⲟⲩⲧⲁⲕⲛ̄ϥ ⲁⲩϫⲡⲟ ⲛ̄ϩⲛ̄ⲕⲁⲣⲡⲟⲥ ϩⲓ̈ⲧⲛ̄ ϩⲁϩ· ⲛⲉⲛⲁⲛⲟⲩⲥ ⲙ̄ⲙⲉⲛ ⲡⲉ· ⲉⲛⲉ ⲟⲩⲛ̄ϣϭⲁⲙ ϯⲛⲟⲩ ⲁⲣ̄ Früchte hervorgebracht durch viele. Es wäre gut, wenn es möglich wäre, jetzt ⲛⲓⲧⲱϭⲉ ⲃ̄ⲃⲣ̄ⲣⲉ· diese Neugepflanzten aufzuziehen – du würdest es (das Reich der Himmel) ⲛⲉⲕ ⲁϭⲛⲧⲥ̄· finden.

Der Text ist schon sprachlich ausgesprochen schwierig, es gibt vermutlich mehrere Schreibfehler und außerdem ein Wort, das nur an dieser Stelle überhaupt belegt ist und deshalb unterschiedlich hergeleitet und gedeutet wird.29 Außerdem besteht das sachliche Problem, dass von einem Palmzweig die Rede ist, nicht vom Baum selbst – an ihm wachsen aber die Früchte nicht. Schließlich ist unklar, wo die Parabel endet oder ob es vielleicht zwei sind,30 weil sich auch durch die Anwendung bildliche Sprache zieht. Das sprachliche Signal für den Übergang ist m. E. aber eindeutig („so verhält es sich …“ p. 7,28 f.),31 der zumindest teilweise weiterhin bildliche Charakter der Sprache ist aber festzuhalten. In meiner Sicht beschreibt die Parabel das Reich der Himmel als eine Dattelpalme (oder überhaupt einen Fruchtbaum), der Früchte bringt, die um ihn herum auf die Erde fallen, keimen und zu neuen Bäumen heranwachsen, so dass der Mutterbaum schließlich verdorrt. Der Baum stirbt also letztlich an seinem eigenen Erfolg. Möglicherweise ist gegen die botanische Logik von einem Palmzweig die Rede, weil er ein Symbol für (ewiges) Leben ist, was die Paradoxie der Geschichte, dass Leben zum Tod führt, unterstreicht.32 Die Parabel kann als eine Ermutigung zum Martyrium verstanden werden, das schon vorher in der Schrift Thema ist und zu dem geradezu aufgefordert wird 29 Ich halte das Verb ⲧⲱⲕⲛ̄ (p. 7,31) für eine Variante von ⲧⲱϭⲛ̄ und habe entsprechend als „abstoßen“ übersetzt. Das ist von der Ableitung her überzeugend, vgl. P. Nagel, Beiträge zur Gleichnisauslegung in der Epistula Jacobi Apocrypha (NHC I,2), in: H.-G. Bethge u. a. (Hg.), For the Children, Perfect Instruction. FS Hans-Martin Schenke (NHMS 54), Leiden/ Boston 2002, 157–173, hier 163. Da das Wort in der Anwendung steht, halte ich es auch für unproblematisch, dass es nicht zum Bildfeld passt. Demgegenüber gibt es viele Versuche, eine Deutung aus dem landwirtschaftlichen Bereich zu finden. Nagel leitet von ⲧⲱϭⲛ̄ ab, nimmt dann aber einen Übersetzungsfehler vom Griechischen ins Koptische an und kommt so zur Übersetzung „aufziehen“, vgl. Nagel, Beiträge, 163 f. Eine andere (aber sprachlich m. E. weniger naheliegende) Möglichkeit sieht ⲧⲱⲕⲛ̄ als Nebenform von ⲧⲱⲱϭⲉ und übersetzt mit „pflanzen“, vgl. Kirchner, Epistula (s. Anm. 1), 109; so auch die Übersetzung aus Hartenstein/Plisch, Brief (s. Anm. 4), 1102. Auch eine Deutung als Verschreibung für ⲧⲱⲕⲙ̄ mit der Bedeutung „ziehen“ wird vertreten und im Sinne von „pflücken“ verstanden, vgl. Williams, Notes (s. Anm. 25), 20. Allerdings ist auch dieses Verb nicht für Ernten üblich, vgl. Nagel, Beiträge, 162 f. 30 So Kirchner, Epistula (s. Anm. 1), 109. 31  Eine ganz ähnliche Formulierung (auf Koptisch mehr als in der Übersetzung) findet sich p. 8,23 f. zur Einleitung der Anwendung in der nächsten Parabel. 32 Vgl. Hartenstein, Dattelpalme (s. Anm. 8), 945.

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(EpJac p. 5,6–6,18). Unmittelbar vor der Parabel wird Heuchelei (ϩⲩⲡⲟⲕⲣⲓⲥⲓⲥ) abgelehnt, was allgemein verstanden werden kann, aber auch ein Gegenbegriff zur Standhaftigkeit bis zum Tod sein könnte. Anders als beim Gleichnis vom Weizenkorn in Joh 12,24 ist der Tod aber nicht die Voraussetzung, um neues Leben zu ermöglichen, sondern die lebensschaffende Wirksamkeit, vielleicht im Sinne von missionarischen Aktivitäten, führt zum Tod. Auch wenn die Mutterpalme am Ende verdorrt ist, hinterlässt sie doch reiches Leben und ist damit gerade ein Beispiel dafür, das Reich der Himmel nicht verwelken zu lassen.33 Die Anwendung bietet eine weitere und andere Lesart, in der die Perspektive vom Mutterbaum auf die heranwachsenden Früchte verschoben wird. Für sie bedeutet die Trennung von der Mutterpflanze (das Abgestoßenwerden) die Möglichkeit zu neuem Leben. Hier werden wieder Jakobus und evtl. auch Petrus (das Verb steht im Singular) angesprochen, die solche neuen Pflanzen34 heranziehen sollen und damit für sich selbst das Reich der Himmel finden. Möglicherweise bildet sich in dieser neuen Perspektive die Situation der Trägergruppe der EpJac ab, die sich als die lebendigen Sprösslinge der inzwischen verdorrten „Mutter Kirche“ sehen.35 Obwohl die Parabel aus meiner Sicht durch ihre Einleitung eindeutig uneigentliche Rede ist, ist die Abgrenzung von einem Kontext mit nichtbildlicher Sprache nicht klar durchgehalten. Meines Erachtens werden in der Anwendung Formulierungen aus dem Bildfeld weiter genutzt, und zwar vor allem feste metaphorische Ausdrücke wie Früchte, Wurzel, Neugepflanzte, die auch unabhängig von einer Erzählung verständlich sind. Vielleicht ist dies für die EpJac und die, die sie ursprünglich lesen, durchaus eigentliche Rede. Bei der Parabel rückt zudem das Transfersignal („es gleicht …“) in den Hintergrund nach der direkten Aufforderung („Lasst das Reich der Himmel nicht verdorren!“), an die die zweite Hälfte dann anknüpft. Es ist m. E. möglich, dass hier Grenzen verwischt werden und das Verständnis als Parabel für die EpJac zumindest nicht im Vordergrund steht. 3. Die Gleichnisliste (EpJac p. 7,35–8,10) ⲉⲡⲉ ⲉⲁϩⲓ̈ϫⲓ ⲉⲁⲩ ϩⲓ̈ ⲛⲉⲉⲓ ϩⲁⲑⲏ ⲙ̄ⲡⲓⲟⲩⲁⲉⲓϣ· ⲉⲧⲃⲉ ⲉⲩ ⲧⲉⲧⲛ̄ⲣ̄ ⲕⲁⲧⲉⲭⲉ ⲙ̄ⲙⲁⲉⲓ ⲉⲉⲓϭⲉⲡⲏ ⲁⲃⲱⲕ

ich so verherrlicht worden bin vor dieser Zeit, warum haltet ihr mich zurück, wenn ich mich beeile zu gehen? (p. 8)

ⲙⲛ̄ⲛ̄ⲥ̣ⲁ̣ ⲡϩ[ⲓⲥ]ⲉ ⲅ̣ⲁⲣ ϩⲁⲧⲉⲧⲛ̄ϯ ⲁⲛⲁⲅⲕⲏ ⲁⲣⲁⲉⲓ· ⲁⲧⲣⲁϭⲱ ϩⲁⲧⲛ̄ ⲧⲏⲛⲉ· ⲛ̄ⲕⲉⲙⲛ̄ⲧϣⲙⲏ̣ ⲛ̄ϩⲟⲟⲩ ⲉⲧⲃⲉ ⲙ̄ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ

Denn nach der [Trauer] habt ihr mich genötigt, noch weitere 18 Tage bei euch zu bleiben wegen der Gleichnisse.

  A. a. O., 946.  Die koptische Formulierung entspricht vermutlich einem griechischen νεόφυτος (vgl. 1 Tim 3,6), die Übertragung auf missionarische Erfolge liegt also nahe. 35  Vgl. Hartenstein, Dattelpalme (s. Anm. 8), 946. 33 34

Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief

ⲛ̣ⲉ̣ⲥⲣⲱϣⲉ ⲡⲉ ⲛ̄ϩⲉⲛⲣⲱⲙⲉ· ⲁⲩⲥⲱ[ⲧⲙ] ⲛ̄ⲥⲁ ⲧⲥⲉⲃⲟ· ⲁⲩⲱ ⲛⲥⲉⲣ̄ ⲛⲟⲓ̈ ⲛ̄ⲛ̄ϣ[ⲟ]ⲟⲥ ⲁⲩⲱ ⲡϫⲟ ⲁⲩⲱ ⲡⲕⲱⲧ· ⲁⲩⲱ ⲛ̄ϩⲃ̄ⲥ ⲛ̄ⲙ̄ⲡⲁⲣⲑⲉⲛⲟⲥ· ⲁⲩⲱ ⲡⲃⲉⲕⲉ ⲛ̄ⲛⲉⲣⲅⲁⲧⲏⲥ ⲁⲩⲱ ⲛⲉⲕⲉⲓⲁϯ· ⲁⲩⲱ ⲧⲥϩⲓ̈ⲙⲉ·

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Es genügte für Menschen, auf Lehre hören und ‚die Hirten‘, ‚das Säen‘, ‚das Bauen‘, ‚die Lampen der Jungfrauen‘, ‚den Lohn der Arbeiter‘ und ‚die Doppeldrachmen‘ (?) und ‚die Frau‘ zu verstehen.

Unmittelbar im Anschluss an die Erzählung von der Dattelpalme wirft Jesus den Jüngern vor, dass sie ihn nach der Passion noch zurückgehalten haben, obwohl er eigentlich gehen wollte, und zwar 18 Tage lang und wegen der Gleichnisse.36 Diesem Zurückhalten – vermutlich für weitere Erläuterungen – stehen Menschen gegenüber, die die Lehre gehört und die dann aufgelisteten Gleichnisse auch verstanden haben. Dies widerspricht der zuvor gemachten Aussage, dass weder die Gleichnisse noch die offene Rede Jesu verstanden werden. Dieser Satz vom Hören und Verstehen ist sprachlich zudem nicht korrekt, weil im Manuskript nach dem einleitenden Imperfekt erst ein Perfekt, dann ein Konjunktiv folgt, der Konjunktiv kann aber das Perfekt nicht fortsetzen. Häufig wird deshalb das Perfekt zu einem kausativen Infinitiv emendiert.37 Möglich wäre aber auch, ⲛⲥⲉⲣ̄ nicht als Konjunktiv, sondern als verneintes Präsens aufzufassen, bei dem aber die zweite Hälfte der Verneinung fehlt. Das ergäbe den Sinn: Sie hörten die Lehre und verstehen die aufgezählten Gleichnisse nicht. Das passt besser zum oben genannten Unverständnis, scheint mir aber eine zu einfache Lösung für den Widerspruch zu sein.38 Es ist m. E. eher an unterschiedliche Zielgruppen zu denken, so dass hier die zum Verständnis fähige Leserschaft der Schrift gemeint ist.39 Genannt sind p. 8,6–10 dann sieben Stichworte, durch die sich mehr oder weniger eindeutig bekannte Gleichnisse erschließen lassen. „Die Hirten“ (wegen des Plurals vielleicht Joh 10,1–5; oder Lk 15,3–7 par), „das Säen“ (Mk 4,1–9 par; 4,26–29; 4,30–32 par. und weitere Zuordnungen möglich), „das Bauen“ (Lk 6,47– 49 par), „die Lampen der Jungfrauen“ (Mt 25,1–13), „der Lohn der Arbeiter“ (Mt 20,1–16); „die Doppeldrachme“ (Lk 15,8–10), „die Frau“ (Lk 13,20 f par oder EvThom 97). Die durchgehende Reihung mit „und“ (ⲁⲩⲱ) und die Siebenzahl

36  Die 18 Tage passen nicht zu den 550 aus der Rahmenerzählung (p. 2,19 f.) und es ist auch unklar, ob jetzt speziell Jakobus und Petrus angesprochen sind, der Vorwurf klingt eigentlich allgemeiner 37  So auch meine Übersetzung und der koptische Text von Williams. Weniger überzeugend ist die Emendation zu einem Umstandssatz bei Kirchner, Epistula (s. Anm. 1), 112. 38 Es gibt es auch andere Versuche, der Aussage eine negative Wendung zu geben, Nagel, vgl. Beiträge (s. Anm. 29), 167, versteht den Einleitungssatz als „Präteritum der Nichtwirklichkeit“ und übersetzt: Es hätte den Menschen (doch) genügt, auf die Unterweisung zu hören und … zu verstehen. 39  Allerdings kommt weder der typische Begriff „Kinder“ vor noch eine Zukunftsperspektive. Kirchner, vgl. Epistula (s. Anm. 1), 112, versteht den Begriff Menschen abfällig, so dass hier nur vordergründiges Verstehen gemeint ist.

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spricht für diese Abgrenzung,40 manchmal werden die letzten beiden Stichworte zusammengefasst und auf den verlorenen Groschen bezogen.41 Diese Liste enthält Gleichnisse aus Mk, Q und Sondergut (zumindest von Mt – das Sondergut von Lk ist dagegen trotz der vielen wichtigen Gleichnisse kaum vertreten) und zeigt auch keine besondere Präferenz für ein Evangelium. Fast alle Gleichnisse sind bei Mt zu finden, aber dieses Evangelium reicht allein nicht aus, denn es fehlt der verlorene Groschen und die Mt-Variante vom verlorenen Schaf lässt sich auch nur relativ schlecht als „die Hirten“ bezeichnen. Die Liste folgt in keiner Weise der Abfolge in den Evangelien und die Kriterien der Auswahl erschließen sich nicht ohne weiteres. Es sind z. B. ausführliche Gleichnisse neben kurzen vertreten; in vielen wird ein Gegenüber von zwei oder mehr Handlungsoptionen deutlich, aber nicht in allen; viele beziehen sich auf das Reich Gottes, aber nicht alle. Vermutlich handelt es sich um eine Liste zu katechetischen Zwecken, zu denen dann auch eine Deutung gelehrt wurde.42 Jedenfalls setzt sie allgemein bekannte Lehre (vermutlich also Evangelien) voraus sowie das Bemühen um das Verständnis dieser Lehre bzw. dieser Schriften. Der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ steht also wieder in Verbindung mit vorhandenen Evangelien und ihrer Deutung. Die Liste unterstreicht Jesu frühere Lehre in Gleichnissen und auch das Unverständnis zumindest eines Teils der Jünger, das noch über Ostern hinaus andauert. Bei einigen Gleichnissen ist die Verwendung in gnostischen Gruppen belegt, so beschreibt Irenäus (Haer. 1,1,3) eine valentianische Deutung der Arbeiter im Weinberg, die durch Addition der Stundenangaben auf die Zahl 30 und damit die in ihrer Mythologie wichtigen 30 Äonen kommen. Es gibt keinen konkreten Hinweis, dass die EpJac eine irgendwie vergleichbare Deutung für dieses oder die anderen Gleichnisse vertritt. Allerdings ist auffällig, dass in fast allen Gleichnissen der Liste zumindest in einer möglichen Zuordnung Zahlen eine Rolle spielen,43 sie würden sich also für eine solche an Zahlenspekulationen orientierte Deutung eignen.44 Der Verweis auf Irenäus zeigt jedenfalls, dass Deutung eines Gleichnisses ganz anders aussehen kann als beim Dattelpalmenzweig mit seiner organisch verbundenen Anwendung.  Vgl. Nagel, Beiträge (s. Anm. 29), 172.  So Kirchner, Epistula (s. Anm. 1), 21. Der Begriff „Doppeldrachme“ ist sprachlich zudem problematisch, vgl. Nagel, Beiträge (s. Anm. 29), 170 f. Er kritisiert diese Übersetzung überzeugend, hat aber auch keine Alternative. 42  Im Dialog des Erlösers (Dial NHC III p. 139,8–13) wird mit Kurztiteln auf drei Sprüche Jesu verwiesen. 43  Nur das Gleichnis vom Hausbau aus Lk 6 par. enthält keine. Aber vielleicht wäre hier ein anderer Bezug möglich, z. B. auf das Doppelgleichnis vom Turmbau und vom Krieg (Lk 14,28– 33), in dem zumindest im zweiten Teil Zahlen genannt werden. Auch wenn einige wichtige Gleichnisse dabei fehlen, scheint mir dies ein mögliches Auswahlkriterium zu sein. 44  Wenn sich die EpJac, wie ich meine, direkt auf die 1 ApcJac bezieht und positiv an sie anknüpft, dann besteht zudem eine Verbindung zu einer valentinianischen Schrift, so dass eine valentinianische Gleichnisdeutung nicht unmöglich ist. 40

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4. Der ⲗⲟⲅⲟⲥ als Weizenkorn (EpJac p. 8,10–27) ϣⲱⲡⲉ ⲛ̄ⲣⲉϥϭⲉⲡⲏ ϩⲁ ⲡⲣⲁ ⲙ̄ⲡⲗⲟⲅⲟⲥ ⲡⲗⲟⲅⲟⲥ ⲛ̄ⲅⲁⲣ ϣⲁⲣⲡ̄ ⲙⲉⲛ· ⲡⲉϥⲣⲁ ⲡⲉ ⲧⲡⲓⲥⲧⲓⲥ ⲡⲙⲁϩⲥⲛⲉⲩ ⲡⲉ ⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲡⲙⲁϩϣⲁⲙⲛ̄ⲧ· ⲡⲉ ⲛⲉϩⲃⲏⲩⲉ· ⲉϣⲁϥϣⲱⲡⲉ ⲅⲁⲣ ⲁⲃⲁⲗ ϩⲛ̄ ⲛⲉⲉⲓ ⲛ̄ϭⲓ ⲡⲱⲛϩ̄

Seid eifrig bemüht um das Wort! Das Wort nämlich – sein erster Aspekt ist der Glaube, der zweite die Liebe, der dritte sind die Werke. Aus diesen nämlich entsteht das Leben.

ⲡⲗⲟⲅⲟⲥ ⲛ̄ⲅⲁⲣ ⲉϥⲧⲛ̄ⲧⲱⲛ ⲁⲩⲃⲗ̄ⲃⲓⲗⲉ ⲛ̄ⲥⲟⲩⲟ· ⲡⲉⲉⲓ ⲛ̄ⲧⲁⲣⲉⲟⲩⲉⲉⲓ ϫⲁϥ· ⲁϥⲧⲁⲛϩⲟⲩⲧϥ̄· ⲁⲩⲱ ⲛ̄ⲧⲁⲣⲉϥⲣⲱⲧ ⲁϥⲙⲣ̄ⲣⲓⲧϥ̄· ⲉⲁϥⲛⲉⲩ ⲁϩⲁϩ ⲃ̄ⲃⲗ̄ⲃⲓⲗⲉ· ⲁⲡⲙⲁ ⲛ̄ⲟⲩⲉⲓⲉ· ⲁⲩⲱ ⲛ̄ⲧⲁⲣⲉϥⲣ̄ ϩⲱⲃ· ⲁϥⲟⲩϫⲉⲉⲓ· ⲉⲁϥⲧⲥⲉⲛⲁϥ ⲛ̄ⲛⲟⲩϩⲣⲉ· ⲡⲁⲗⲓⲛ ⲁϥϣⲱϫⲡ̄· ⲁϫⲟ·

Denn das Wort gleicht einem Weizenkorn. Nachdem jemand dieses gesät hatte, vertraute er ihm. Und nachdem es gewachsen war, liebte er es, da er anstelle eines (Korns) viele Körner sah. Und nachdem er (die Ernte) vollbracht hatte, wurde er erlöst, da er es zu Nahrung verarbeitet hatte. Ferner ließ er (etwas) zum Säen übrig.

So auch könnt ihr für euch das Reich der ⲧⲉⲉⲓ ⲁⲛ ⲧⲉ· ⲑⲉ ⲉⲧⲉ ⲟⲩⲛ̄ ϭⲁⲙ ⲙ̄ⲙⲱⲧⲛ̄ ⲛ̄ϫⲓ ⲁ ⲣⲱⲧⲛ̄ ⲛ̄ⲧⲙⲛⲧⲣ̄ⲣⲟ ⲛ̄ⲙ̄ⲡⲏⲩⲉ· ⲧⲉⲉⲓ ⲉⲣⲉⲧⲛ̄ⲧⲙ̄ϫⲓⲧⲥ̄· Himmel empfangen. Wenn ihr dieses nicht durch Erkenntnis empfangt, könnt ihr es ϩⲓ̈ⲧⲛ̄ ⲟⲩⲅⲛⲱⲥⲓⲥ· ⲛ̄ⲧⲉⲧⲛⲁϣ ϭⲓⲛ̄ⲧⲥ̄ ⲉⲛ nicht finden.

An die Auflistung der Gleichnisse schließt sich nun eine Aufforderung um Bemühen um das Wort (ⲗⲟⲅⲟⲥ) an. Die direkte Verbindung zur Gleichnisliste legt es m. E. nahe, ⲗⲟⲅⲟⲥ analog zu ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ als Begriff für die frühere Lehre Jesu oder die Evangelienschriften, in denen sie enthalten ist, zu verstehen – oder auch umfassender für die Lehre Jesu einschließlich der EpJac. In der EpJac wird ⲗⲟⲅⲟⲥ für die EpJac selbst verwendet (p. 1,28): Jakobus fordert in seinem Einleitungsbrief zum Glauben an das Wort, nämlich das, das er übersendet, auf. In EpJac p. 9,18 gibt es eine allgemeine Aufforderung, dass Wort zu hören und die Gnosis zu begreifen. Wort und Gnosis sind auch hier gleich noch verbunden, Gnosis könnte das tiefere Verstehen der vorliegenden Texte beinhalten. Besonders interessant ist EpJac p. 4,21, wo die Jünger aufgefordert sind, sich mit Geist zu füllen, aber im Wort abzunehmen, mit der Begründung, dass der ⲗⲟⲅⲟⲥ zur Seele gehört und auch seelisch ist, Geist ist das höhere und deshalb erstrebenswertere Prinzip. Das passt gut zu einer Deutung auf frühere, vorläufige Evangelien. Schließlich ließe sich auch die vorhin schon behandelte Frage des Jakobus nach prophetischem Reden mit der Erwartung, ein Wort zu hören, einordnen. Vielleicht meint er hier: Von uns wird Evangelienverkündigung erwartet – und Jesus macht dann deutlich, dass es sich dabei nicht um prophetische Rede handelt, sondern Deutung nötig ist. In der Eingangsszene, in der die Jünger Jesu Worte aufschreiben, kommt ⲗⲟⲅⲟⲥ allerdings nicht vor, sondern das koptische Verb für sagen. Nach der Aufforderung zum Bemühen um das Wort wird dieses dann in die Aspekte Glaube, Liebe, Werke aufgeschlüsselt, die zum Leben führen. Ähnliche Listen mit leichten Varianten bei den Elementen finden sich in verschiedenen

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Judith Hartenstein

frühchristlichen Schriften. Am bekanntesten ist 1 Kor 13,13 mit Glaube, Hoffnung, Liebe; Hebr 10,22–24 nennt Glaube, Hoffnung, Liebe, Werke; Offb 2,19 Werke, Liebe, Glaube, Dienst, Geduld. Die Auflistung im EvPhil (NHC II p. 79,22–30) von Glaube, Hoffnung, Liebe, Erkenntnis steht der EpJac nahe, weil sie ebenfalls auf Landwirtschaft bezogen ist.45 Die Nennung der Werke verweist auf die Bedeutung des eigenen Bemühens für die EpJac, was aber die Hochschätzung von Glauben nicht ausschließt.46 Diese Aspekte des Worts werden dann in einer Parabel erläutert, der ⲗⲟⲅⲟⲥ wird mit einem Weizenkorn verglichen. Formal ist es wieder eindeutig eine Parabel mit dem Transfersignal am Anfang, dann einer kurzen Erzählung aus einem Bildbereich und schließlich einer Anwendung, die noch das Stichwort Reich der Himmel einbringt, aber wieder deutlich Jakobus und Petrus anspricht.47 Auffällig ist aber das Ineinander von Gleichnis und Deutung, auch in der bildlichen Erzählung kommen die vorher eingeführten Aspekte Glaube, Liebe, Arbeiten und Heil als Ziel ausdrücklich vor. Sie durchdringen die Erzählung von Saat und Wachstum. Ich halte es für gut möglich, dass aus der Sicht der EpJac dieses Textstück gerade keine ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ ist, die Deutung braucht, sondern offene Rede, die den richtigen Umgang mit anderen Texten, nämlich Gleichnissen und vielleicht auch anderen Erzählungen aus früheren Evangelien, beschreibt.

III. Fazit Bei aller Vorsicht bei der Interpretation einer schwierigen und widersprüchlichen Schrift und Unsicherheiten an etlichen Einzelpunkten zeichnet sich doch eine These zum Umgang der EpJac mit Parabeln und dem Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ ab. Der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ dient in der EpJac zur Bezeichnung von Stoff aus anderen (z. B. den kanonischen) Evangelien und schließt dabei sowohl Parabeln/Gleichnisse (in meinem formgeschichtlichen Verständnis) als auch Erzählungen z. B. von den Jüngern ein, obwohl letztere auch offene Aspekte haben können. Der Begriff bezeichnet also das, was im Verständnis der EpJac uneigentliche Rede ist und Deutung braucht, die durchaus mühsam zu erlangen ist und sich vielleicht weit vom Wortsinn entfernt. Offene, eigentliche Rede ist dagegen die Lehre Jesu in der EpJac, einschließlich der Stücke, die ich Parabeln nennen würde. Trotz der bildlich-metaphorischen Sprache scheinen sie direkter zugänglich und ohne besondere Deutung verständlich zu sein. Bei den beiden untersuchten Parabeln zeigt sich dies in einer unklaren Abgrenzung zwischen bildlicher Erzählung und ihrem Kontext: Im Fall der Dattelpalme enthält auch die Anwendung weiter Ele45 Vgl.

Williams, Notes (s. Anm. 25), 22.  Auch wenn die Werke bei Paulus nicht als Nomen genannt sind, spricht Gal 5,6 vom Glauben, der in der Liebe tätig ist. 47 Zur genaueren Deutung vgl. Hartenstein, Dattelpalme (s. Anm. 8), 947 f. 46

Parabeln und der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ im apokryphen Jakobusbrief

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mente aus dem Bildbereich, beim Weizenkorn dringt die Sache (die Aspekte des Wortes) in die Erzählung ein. Dieses Modell nimmt die Selbstaussagen auf p. 7,1–6 ernst mit der Abgrenzung zwischen früherer Lehre in ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ und späterer (nachösterlicher) offener Lehre. Das doppelte Unverständnis bezieht sich dann auf die vorösterlichen und die nachösterlichen Jünger (Petrus und Jakobus wird öfters Unverständnis vorgehalten) und wird erst in den späteren Kindern, der Zielgruppe der Schrift, überwunden, auch wenn dies an dieser Stelle nicht explizit ausgesagt wird. An sie ist die offene Rede gerichtet, sie können aber auch die frühere Rede Jesu in ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ verstehen, d. h. richtig interpretieren. Diese frühere Lehre liegt in Evangelien vor und enthält dadurch Gleichnisse wie die in der Liste genannten, aber auch Erzählungen z. B. über die Jünger, die entsprechend gedeutet werden können. Deshalb werden die Jünger ausdrücklich als ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ bezeichnet. Der Begriff ⲡⲁⲣⲁⲃⲟⲗⲏ wird also nicht nur als Gattungsbezeichnung verwendet, sondern beschreibt allgemeiner die Notwendigkeit, Texte übertragen zu deuten. Diese Sicht passt zur Gesamtsituation der EpJac mit ihrer kritischen Sicht auf frühere Evangelien.48 Es wird das Selbstbewusstsein einer elitären Gruppe deutlich, das sich sowohl aus ihren Deutungen von allgemein vorhandenen Schriften als auch aus der Kenntnis von zusätzlichen Offenbarungen wie der EpJac selbst speist und vermutlich auch eine soziale Abgrenzung beinhaltet.

48  Dies zeigt sich auch in der Kommentierung der Eingangsszene durch Jesus, der Jakobus und Petrus gegenüber feststellt, dass die übrigen Jünger seine Worte in ihre Bücher schreiben, als ob sie sie verstanden hätten (EpJac p. 3,1–4). Diese Sicht passt gut zu einer sehr eigenständigen Deutung der so entstandenen Schriften.

Irenaeus and Tertullian on Parables Dieter T. Roth Abstract: Irenaeus und Tertullian sind zwei äußerst wichtige Figuren im Christentum am Ende des zweiten und am Anfang des dritten Jahrhunderts und somit überrascht es nicht, dass auch wichtige Impulse für die frühchristliche Parabelauslegung in ihren Werken zu finden sind. Der folgende Beitrag verschafft einen Überblick über die hermeneutischen und theologischen Überlegungen dieser zwei Autoren in ihren Anweisungen für die Interpretation der Parabeln, insbesondere in ihren Auseinandersetzungen mit „Häretikern“. Exemplarisch für ihre jeweiligen Auslegungen wird ihre Interpretation der Parabel vom großen Abendmahl (Mt. 22,1–14//Lk. 14,12–24) angeführt. Letztendlich ergibt sich, dass das, was Irenaeus und Tertullian von den „Häretikern“ unterscheidet, in erster Linie nicht ihre Methode der Parabelauslegung ist, sondern ihre Theologie, die die Auslegungen der Parabeln weitgehend bestimmt.

I. Introduction It is not surprising that both Irenaeus of Lyons and Quintus Septimius Florens Tertullianus factor significantly in many discussions of Christianity at the end of the second and beginning of the third centuries CE for they are undoubtedly two tremendously important voices of that era. One can rather easily find sentiments such as “Irenaeus of Lyons was the most important Christian controversialist and theologian between the apostles and the third-century genius Origen”1 or, concerning Tertullian, that “of the early defenders of the Faith he is the most conspicuous”.2 For both Irenaeus and Tertullian, however, the historian is frustrated, at least to a certain extent, by a general paucity of extant biographical details, though the time of their writing can be fixed with relative confidence: The works of Irenaeus, a Greek-speaking church father and an individual encountered in Eusebius’s Historia ecclesiastica as bishop or presbyter (either alone or as part of a college of overseers) of Lyons in 177 CE,3 date from the final two 1 R. M. Grant,

Irenaeus of Lyons (The Early Church Fathers; London, 1997), 1.  J. Morgan, The Importance of Tertullian in the Development of Christian Dogma (London, 1928), 283. 3 Eus., Hist. eccl. 5.3.4. 2

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Dieter T. Roth

decades of the second century.4 Tertullian, who was from Carthage and an early Latin apologist and theologian, wrote his numerous works during the reigns of Septimius Severus (193–211 CE) and Caracalla (211–217 CE).5 Of particular interest for the following brief study of these two figures are their reflections upon and interpretations of parables. The literary remains of both Irenaeus and Tertullian offer comments related to the correct interpretation of Jesus’s parables along with examples of their own exegesis of such parables, usually within the context of polemical discussions with their respective opponents. In the ensuing discussion, therefore, attention will first be given to select comments of these two early church fathers concerning the manner in which parables are to be interpreted, followed by a consideration of how they themselves interpreted and exegeted the Parable of the Invited Dinner Guests (Matt 22:1–14//Luke 14:12–24). In this way, the interplay between the methodological and hermeneutical considerations of Irenaeus’s and Tertullians’s respective approach to the parables can be considered, along with an example of the manner in which these considerations, and the theological commitments embedded within them, played out in their own understandings of a parable text.

II. Irenaeus on Interpreting Parables Irenaeus’s most significant work is a five book treatise entitled Ἔλεγχος καὶ ἀνατροπὴ τῆς ψευδωνύμου γνώσεως (Refutation and Overthrow of Knowledge Falsely So Called) that is more commonly called Adversus haereses.6 The entirety

 Further details concerning Irenaeus can be found in, among other works, Grant, Irenaeus (see n. 1), 1–10; E. F. Osborn, Irenaeus of Lyons (Cambridge, 2004), 1–7; D. Minns, Irenaeus: An Introduction (London, 2010), 1–3; and J. Behr, Irenaeus of Lyons: Identifying Christianity (Christian Theology in Context; Oxford, 2013), 13–21. 5 Further details concerning Tertullian can be found in, among other works, T. D. Barnes, Tertullian: A Historical and Literary Study (Oxford, 1972), 57–59; G. D. Dunn, Tertullian (ECF; London, 2004), 2–8; É. Rebillard, “The West (2): North Africa,” in The Oxford Handbook of Early Christian Studies (ed. S. Ashbrook Harvey and D. G. Hunter; Oxford, 2008), 304–307 and D. Wright, “Tertullian,” in The Early Christian World (ed. P. F. Esler; 2 vols.; New York, 2000), 2:1027–1047. In sum, N. L. Thomas has rightly noted, “Little is known of Quintus Septimius Florens Tertullians’ life (c. 155–c. 222) outside of what is gleaned from his own writings, but his work has left an indelible mark on the Christian Church” (N. L. Thomas, Defending Christ: The Latin Apologists before Augustine [StTT 9; Turnhout, 2011], 66). 6 The only other extant work of Irenaeus is an Armenian translation of his ἐπίδειξις τοῦ ἀποστολικοῦ κηρύγματος (Demonstration of the Apostolic Preaching), found in 1904 and published in 1907 along with a German translation in vol. 31 of Texte und Untersuchungen with the title: “Des heiligen Irenäus Schrift zum Erweise der apostolischen Verkündigung: Εἰς ἐπίδειξιν ἀποστολικοῦ κηρύγματος: In armenischer Version entdeckt: Herausgegeben und ins Deutsche übersetzt von Lic. Dr. Karapet Ter-Merkttschian und Lic. Dr. Erwand Ter-Minassiantz: Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Adolf Harnack”. Several lost works are also mentioned by Eusebius in Hist. eccl. 5.20.1, including a Letter to Blastus (On Schism), a Letter to Florinus 4

Irenaeus and Tertullian on Parables

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of the work is extant only in a Latin translation, though there are numerous Greek fragments, especially of books 1 and 3, and an important old Armenian translation of books 4 and 5.7 Of particular interest when considering Irenaeus’s approach to the parables are a few comments he makes concerning the error of Valentinian exegesis of the parables and several observations he sets forth concerning the proper interpretation of parables. One has barely finished reading the preface of Adversus haereses, with its introduction of the work and identification of the disciples of Valentinus and especially the disciples of Ptolemaeus as the “heretics” Irenaeus seeks to refute, when one already encounters a first reference to the interpretation of a parable as it relates to the “thirty Aeons” posited by Irenaeus’s opponents: Sed et in parabola eorum operariorum, qui in vineam mittuntur, dicunt manifestissime triginta hos Aeonas declaratos. Mittuntur enim alii quidem circa primam horam, alii circa tertiam, alii circa sextam, alii circa nonam, alii circa undecimam. Compositae igitur praedictae horae in semetipsas, triginta numerum adimplent. Una enim, et tres, et sex, et novem, et undecim, triginta fiunt.

Ἀλλὰ καὶ ἐπὶ τῆς παραβολῆς τῶν εἰς τὸν ἀμπελῶνα πεμπομἐνων ἐργατῶν φασὶ φανερώτατα τοὺς τριάκοντα τούτους Αἰῶνας μεμηνύσθαι. πέμπονται γὰρ οἱ μὲν περὶ πρώτην ὥραν, οἱ δὲ περὶ τρίτην, οἱ δὲ περὶ ἕκτην, οἱ δὲ περὶ ἐνάτην, ἄλλοι δὲ περὶ ἑνδεκάτην. συντιθέμεναι οὖν αἱ προειρημέναι ὧραι εἰς ἑαυτὰς, τὸν τῶν τριάκοντα ἀριθμὸν ἀναπληροῦσι. μἰα γὰρ, καὶ τρεῖς, καὶ ἓξ, καὶ ἐννέα, καὶ ἕνδεκα, τριάκοντα γίνονται. But also in the parable of the laborers sent into the vineyard, they say these thirty Aeons clearly are made known. For some laborers were sent around the first hour, and some around the third, and some around the sixth, and some around the ninth, and others around the eleventh. Therefore, added together, the hours speak beforehand concerning them – the numbers add up to thirty. For one, and three, and six, and nine, and eleven are thirty.8

Shortly thereafter, Irenaeus indicates that the “Gnostic” teaching concerning the Aeons, including that there are thirty, manifeste quidem non esse dicta, quoniam non omnes capiunt agnitionem ipsorum, mysterialiter autem a Salvatore per parabolas ostensa his qui possunt intelligere.

φανερῶς μὲν μὴ εἰρῆθαι διὰ τὸ μὴ πάντας χωρεῖν τὴν γνῶσιν αὐτῶν, μυστηριωδῶς δὲ ὑπὸ τοῦ Σωτῆρος διὰ παραβολῶν μεμηνῦσθαι τοῖς συνίειν δυναμένοις οὕτως. (On Sovereignty, or that God is not the author of evil; Eusebius quotes from this letter in Hist. eccl. 5.20.4–8), and a treatise On the Ogdoad (a polemic against the Valentinian Ogdoad). 7  The Armenian translation of books 4 and 5 of Adversus haereses is found in the same manuscript, mentioned in the previous note, containing the Armenian translation of Demonstration of the Apostolic Preaching. 8  Iren., Haer. 1.1.3. The Latin and Greek text (where extant) of Irenaeus is that found in the Sources chrétiennes volumes of Contre les hérésies edited by Adelin Rousseau and Louis Doutreleau. The volumes utilized in this essay are Contre les hérésies: Livre I (SC 264; Paris: Cerf, 1979); Contre les hérésies: Livre II (SC 294; Paris, 1982); and Contre les hérésies: Livre IV, SC 100; Paris, 1965). English translations, here and throughout, are my own.

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to be sure, was not clearly said, because not all can comprehend9 their “gnosis,” but it was made known in a mystery by the Savior through parables, to those who were thus able to understand.10

Not surprisingly, Irenaeus finds the teaching that mysterious doctrines were revealed through parables to be extremely dangerous,11 a point that becomes especially clear in comments found in Iren., Haer. 2.27 concerning the proper interpretive approach to the parables.12 In book 2 of Adversus haereses, Irenaeus states that a sound mind, one that is pious and loves truth, will meditate upon those things that God has put in humanity’s power and thus grow in the knowledge of them. Significantly, Irenaeus insists that these things are “clearly” and “unambiguously” set forth “in the Scriptures.” For this reason, Irenaeus is adamant that parabolae debent non ambiguis adaptari (“parables ought not to be adapted to the ambiguous”).13 As long as such an adaptation to the ambiguous does not occur, parables, according to Irenaeus, can be interpreted “without danger,” all will interpret the parables similarly, and the integrity of the “body of truth” will be preserved. If, however, one embraces the ambiguous and that which is not clear, the interpretation of parables will follow individual inclinations, and no one will have the regula veritatis (“rule of truth”).14 The result would be that one would always seek and never find, quod ipsam inventionis abiecerit disciplinam (“because one has rejected the very method of discovery”).15  The wording here appears to have been drawn from Matt 19:11.  Iren., Haer. 1.3.1. 11 Along these lines, Irenaeus states in Iren., Haer. 1.8.1: Quum sit igitur tale illorum argumentum, quod neque prophetae praedicaverunt, neque Dominus docuit, neque apostoli tradiderunt, quod abundantius gloriantur plus quam ceteri cognovisse, de iis quae non sunt scripta legentes, et – quod solet dici – de arena resticulas nectere affectantes, fide digna aptare conantur, vel parabolas dominicas vel dictiones prophetarum aut sermones apostolicos, ut figmentum illorum non sine teste esse videatur; ordinem quidem et textum Scripturarum supergredientes, et quantum in ipsis est, volbentes membra veritatis. For further discussion, see A. Orbe, S. J., Parábolas evangélicas en San Ireneo (2 vols.; BAC 331–332; Madrid, 1972), 1:9–18. 12  Iren., Haer. 2.27 is found in what William R. Schoedel has referred to as “a section that amounts to a small tractate on theological method (Adv. haer. 2.25–28).” (W. R.  Schoedel, “Theological Method in Irenaeus [Adversus haereses 2. 25–28],” JTS 35 [1984]: 31). 13  Stated positively, “one builds, then, on what is clear in attempting to solve difficulties,” (Schoedel, “Theological Method” [see n. 13], 36). 14 The foregoing citations in this paragraph are all from Iren., Haer. 2.27.1. Concerning the regula veritatis, Osborn lists it as the first of eight principles of scriptural interpretation with which Irenaeus works, for “the rule of truth is the starting point” (Osborn, Irenaeus of Lyons, [see n. 4] 173). The following seven principles in Osborn’s list are “logical coherence and aesthetic fitness,” “fulfilment of prophecy and recapitulation,” “eschatology,” “from the certain to the obscure,” “moral integrity of interpreter,” “history,” and “grammar” (ibid., 173–174). For a brief discussion of principles in Irenaeus’s interpretation of the parables, see Orbe, Parábolas evangélicas (see n. 11), 1:33–34. 15  Iren., Haer. 2.27.2. For Irenaeus’s comments concerning the content of the “rule of faith/ truth,” cf. Iren., Haer. 1.2–3. Still helpful is A. Bénoît, Saint Irénée: Introduction à l’étude de sa  9

10

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At this point, Irenaeus begins incorporating actual parables into his argument. Those who obscure the interpretations of parables are placed among those who have their lamps untrimmed when the bridegroom comes and are therefore excluded from the marriage chamber (Matt 25:1–12). Thus, cum … universae Scripturae et propheticae, et evangelicae in aperto et sine ambiguitate, et similiter ab omnibus audiri possint (“since the entire Scriptures, and the prophets, and the Gospels, can be understood clearly, and without ambiguity, and harmoniously by all”), it is completely illegitimate to teach that there is one Being proclaimed as God and another as Father on the basis of “obscure interpretations of the parables”.16 Irenaeus does admit that the parables are open to many interpretations and therefore, to search God out and base one’s views upon obscure interpretations while rejecting the “certain and true knowledge of God” is to build on sand and not on solid rock (cf. Matt 7:24–27),17 here appealing to the imagery found in the parable that concludes he Sermon on the Mount. In sum, the essence of Irenaeus’s view concerning how one is to approach and interpret the parables can be encapsulated with reference to statements made in Iren., Haer. 2.28.3: Omnis Scriptura a Deo nobis data consonans nobis invenietur, et parabolae his quae manifeste dicta sunt consonabunt, et manifeste dicta absolvent parabolas, et per dictionum multas voces unam consonantem melodiam in nobis sentiet, laudantem hymnis Deum qui fecit omnia. All Scripture, having been given to us by God, will be found by us agreeing; and the parables will agree with those clear statements, and the clear statements will explain the parables; and through the many voices of the sayings one harmonious melody will be realized in us, praising in hymns that God who made all things.

Thus, Eric Osburn rightly observes that for Irenaeus, “there is enough that is clear and unequivocal in scripture to provide a basis for knowledge […]. When the rule of faith is followed, the scriptures fit together, unequivocally and harmoniously; for this is what the plain parts of scripture indicate”.18 théologie (EHPhR 52; Paris, 1960) as well as the more general discussion in E. Osborn, “Reason and the Rule of Faith in the Second Century A. D.” in The Making of Orthodoxy: Essays in Honour of Henry Chadwick (ed. R. Williams; Cambridge, 1989), 40–61. For a recent argument viewing ἡ ὑπόθεσις τῆς ἀληθεἰας as the Greek substrate of regula veritatis here and positing a connection in Irenaeus’s though to the rhetorical principle of οἰκονομία, see A. Briggman, “Literary and Rhetorical Theory in Irenaeus, Part 1,” VC 69 (2015): 512–516. 16  The foregoing citations in this paragraph are all from Iren., Haer. 2.27.2. 17 Iren., Haer. 2.27.3. 18  Osborn, Irenaeus of Lyon (see n. 4), 160. It is also worth nothing David B. Gowler’s helpful summary of how the arguments of this section of Adversus haereses relate to Irenaeus’s broader project: “The gnostics were dangerous, in Irenaeus’s view, because they led Christians astray with their claims of esoteric wisdom transmitted by Jesus in secret. In contrast, Irenaeus points to the authentic tradition passed on by apostolic succession, that is, from the apostles down through the bishops to the church. A defense of Scripture as apostolic writings thus plays a

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Before turning to Tertullian’s principles for interpreting the parables, one final observation should be made here concerning the nature of Irenaeus’s objections to the gnostic exegesis of the parables. In his extensive and significant work on the parables, Klyne Snodgrass observed that “complaints about allegorizing appeared early in the church’s history, even from allegorizers […]”,19 and in the footnote to this statement, Snodgrass makes reference to Irenaeus, Haer. 2.27. Though there certainly is an element of truth in the point Snodgrass is making, it is important to note that Irenaeus does not appear to be expressing a complaint about allegorizing per se.20 His complaint, rather, is about the theological framework within which the allegorizing is taking place. In other words, when Irenaeus criticizes the gnostics’ interpretations of parables, he is not first and foremost criticizing their methodology but rather their theology.21 From Irenaeus’s point of view, his allegories are legitimate whereas the “gnostics’” allegories are illegitimate because the latter’s allegories are not consonant with the “clear statements” of Scripture, a state of affairs that leads to a cacophony of voices rather than a harmonious melody.22 key role in Irenaeus’s arguments” (D. B. Gowler, The Parables after Jesus: Their Imaginative Receptions across Two Millennia [Grand Rapids, 2017], 17). 19  K. Snodgrass, Stories with Intent: A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus (Grand Rapids, 2008), 4. 20 On the one hand, Gowler notes that “Irenaeus’s use of allegory is rather restrained in comparison to other early interpreters” but on the other hand also points out that “Irenaeus’s interpretation of the parable of the good Samaritan, however (Against Heresies 3.17.3), lays the foundation for later allegorical interpretations of the parable” (Gowler, The Parables after Jesus, [see n. 18] 19; see the discussion in R. Roukema, “The Good Samaritan in Ancient Christianity,” VC 58 [2004]: 58–60). 21 The issue of Irenaeus’s theological objection to the gnostics is highlighted, for example, in B. E. Daley, S. J., presenting Irenaeus’s entire theological program as a reaction to gnostic theology: “the broad, synthetic theological vision of Irenaeus of Lyons, including his presentation of the Christian hope, must be seen above all as a polemical response to the typical Gnostic understanding of God, the world and human salvation” (B. E. Daley, The Hope of the Early Church: A Handbook of Patristic Eschatology [Cambridge, 1991], 28). Regardless of the extent to which Irenaeus is seen as influenced by Aristotle, Plutarch, or Quintillian, if at all, there is at least some validity to Briggman’s contention that Irenaeus advocates for hermeneutical principles and does not simply resort to the authority of the church (see A. Briggman, “Literary and Rhetorical Theory in Irenaeus, Part 2,” VC 70 [2016]: 31–50). Nevertheless, it is also important to note that those hermeneutical principles that Briggman sets forth (i. e., “type and antitype of a valid typology must be similar and harmonious,” “texts ought to be adapted to the hypothesis of truth,” and “ambiguous scriptural expressions and texts, including parabolic texts, ought to be adapted to clear ones” [ibid., 32–33]) are ultimately constructed upon theological convictions. 22 Though I do not agree with Adolf Jülicher’s conclusion concerning what Irenaeus should have demonstrated, a similar observation lies behind Jülicher’s view that Irenaeus was actually “hilflos” in his debates with his opponents concerning the parables, for “es käme alles darauf an, solche Phantasien als Vergewaltigung der Parabeln selber nachzuweisen, Irenaeus bringt es höchstens soweit, die Vergewaltigung des anderswoher klaren Wortes Gottes und Christi zu behaupten” (A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu: Zwei Teile in einem Band [Tübingen, 1910], 1:211–212).

Irenaeus and Tertullian on Parables

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III. Tertullian on Interpreting Parables Like Irenaeus, Tertullian is quite concerned about “heretical” interpretations of the parables. For instance, in a discussion arguing that the “seeds” (semina) of the gnostics’ dichotomy between the corporeal and the spiritual are found in Plato’s philosophy, Tertullian makes reference to the gnostic interpretation of the Parable of the Wise and Foolish Bridesmaids: Hinc enim arripiunt differentiam corporalium sensuum et intellectualium virium, quam etiam parabolae decem virginum adtemperant, ut quinque stultae sensus corporales figuraverint, stultos videlicet, quia deceptui faciles, sapientes autem intellectualium virium notam expresserint, sapientium scilicet, quia contingentium veritatem illam arcanam et supernam et apud pleroma constitutam, haereticarum idearum sacramenta; hoc enim sunt et aeones et genealogiae illorum. Indeed, from this [i. e., the philosophy of Plato] they [i. e., the gnostics and Valentinians] take up the difference between the bodily senses and the intellectual faculties, which they even fit to the parable of the ten virgins, that the five foolish virgins symbolize the five bodily senses, clearly stupid because easily deceived; but the wise express the sign of the intellectual faculties, because attaining to that secret and celestial truth and located in the pleroma, [they are] the sacred deposits of the ideas of the heretics; for in this are both their aeons and their genealogies.23

Since Tertullian queries concerning the philosophical reasoning underlying this interpretation of the parable, unde ista tormenta cruciandae simplicitatis et suspendendae veritatis (“whence such torments of simple knowledge being crucified and truth being suspended?”),24 he would presumably dismiss this understanding of the parable as simply drivel. Once again, however, it is not the case that Tertullian, in general, would always and necessarily have a problem with an allegorical interpretation of a parable; rather, he has a problem with this particular allegorical understanding. In fact, in Marc. 3.5.3, Tertullian admits that there is a form of speech qua pleraque figurate portenduntur per aenigmata et allegorias et parabolas, aliter intellegenda quam scripta sunt (“by which very many things are predicted figuratively by means of enigmas and allegories and parables, understood differently than they are written”).25 Thus, Gowler rightly recognizes that though Tertullian’s use of allegory is “restrained,” Tertullian certainly “recognizes the presence of allegory

23  An. 18.4. The Latin text of Tertullian’s works, apart from Adversus Marcionem (cf. n. 25), are taken from the Corpus Christianorum edition, Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera, 2 vols. (CCSL 1, 2; Turnhout, 1954). 24  An. 18.7. 25 The Latin text of Adversus Marcionem is taken from the Sources Chrétiennes edition, Contre Marcion, critical text by Claudio Moreschini and translated by René Braun. The volumes utilized in this essay are Contre Marcion: Livre III (SC 399; Paris, 1994) and Contre Marcion: Livre IV (SC 456; Paris, 2001).

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in Scripture”.26 The passage in which Tertullian comes closest to presenting his own theory of parable interpretation is found in Pud. 8–9, a passage in which the comments focus upon the three parables dealing with the “lost” in Luke 15. Here several principles of how one should go about interpreting parables can be gleaned from Tertullian’s discussion.27 If one begins with Tertullian’s conclusion, the seriousness with which Tertullian approaches the issue is evident: Proinde sensum Domini custodire debemus atque praeceptum. Non est levior transgressio in interpretatione quam in conversatione (“So then we are obliged to guard the sense of the Lord as well as his teaching. A transgression in interpretation is not more trivial than one in conduct”).28 For this reason, Tertullian asserts that “we” non ex parabolis materias commentamur, sed ex materiis parabolas inerpretamur (“do not prepare the subject matter on the basis of the parables, but rather interpret the parables on the basis of the subject matter”).29 This interpretive approach is different from that of the heretics, Quoniam a priomordio secundum occasiones parabolarum ipsas materias confinxerunt doctrinarum. Vacuit scilicet illis solutis a regula veritatis ea conquirere atque componere, quorum parabolae videntur. because from the beginning they [i. e., the heretics] have fashioned the actual subject matters of their doctrines according to the circumstances of the parables. Of course, freed from the rule of truth, they are allowed to search out and compose things of which the parables seem [representative].30 26  Gowler, The Parables after Jesus (see n. 18), 25. See the overview of these issues in R. P. C. Hanson, “Notes on Tertullian’s Interpretation of Scripture,” JTS 12 (1961): 273–279. With reference to Tert., Res. 30.1, Anthony J. Guerra has pointed out that there is also a development in Tertullian’s thinking in that “as the relationship between allegory and heresy becomes fixed in his mind, Tertullian decides that to prefer the literal mode of scripture interpretation evidences greater religious sensitivity” (A. J. Guerra, “Polemical Christianity: Tertullian’s Search for Certitude,” SecCent 8 [1991]: 119). An additional consideration, though it is beyond the scope of the present examination, is what role, if any, Tertullian’s identifying himself with the Montanist movement played in the development of his hermeneutics. 27  See also ibid., 28–30. 28  Pud. 9.22. 29 Pud. 9.1. Mark DeVine points out that Tertullian “effectively says that his opponents construct their doctrine prior to their exegesis with a view to the exhaustive exploitation of each feature of the parable” (M. DeVine, “Two Treatises on Penance: an Inquiry into Tertullian’s Exegesis and Montanism,” Chm 109 [1995]: 146). The implication, as stated by John F. Jansen, is that for Tertullian, “to be sure, Jesus spoke in parables, but he also spoke plainly and without figurative speech to his disciples. So we must interpret the figurative language of the parables by the plain teaching of doctrine” (J. F. Jansen, “Tertullian and the New Testament,” SecCent 2 [1982]: 204). This sentiment mirrors the one which was already seen in Irenaeus. 30  Pud. 8.12. With reference to this passage, Peter Iver Kaufman concluded that in Tertullian’s view, heretics “wanted and found in (or forced on) scripture some validation for their cherished doctrines. They thus came away from the Bible more arrogantly attached to those doctrines, more foolishly infatuated with their wild imaginings (figmenta), and more deeply mired in their heresies” (“Tertullian on Heresy, History, and the Reappropriation of Revelation,” CH 60 [1992]: 170).

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Once again, the “rule of truth” makes an appearance and Tertullian implies that it is the breaking away from the rule of truth that leads to the tortuous twists in heretical interpretations of the parables and that adhering to it is what allows Tertullian, on the one hand, to contend that “we,” that is, those whom Tertullian does not view to be heretical, do not labor omnia in expositione torquere (“to twist everything in [our] exposition”).31 On the other hand, he argues that forced subtlety and overextending allegorical meanings plerumque deducunt a veritate (“generally lead away from the truth”).32 Though Tertullian is undoubtedly complaining about the method of “heretical” interpretation, the most basic complaint concerning their method is, once again, that it is problematic because of the interpretations to which it leads.33 Additional relevant comments along these lines are found in a discussion in Res. 30. In this section of his work, Tertullian argues against an allegorical understanding of “bones” in Ezek 37:3 that excludes a resurrection. In his view, if the reappearance of the Jewish state is figured by the reanimation of bones, then the actual reanimation of bones will also occur, non enim posset de ossibus figura componi si non id ipsum ossibus eventurum esset. Nam etsi figmentum veritatis in imagine est, imago ipsa in veritate est sui: necesse est esse prius sibi id quod alii configuretur. De vacuo similitudo non competit: de nullo parabola non convenit. for it would not be possible for a figure [of speech] to be devised from bones if that same thing were not to happen with bones. For although there is a model of the truth in the 31  Pud. 9.1. Jülicher helpfully summarizes Tertullian’s view of “heretics” here: “Unbekümmert um die regula veritatis könnten sie die Gedanken aufsuchen und systematisieren, deren Bilder die Parabeln sein sollen” (Jülicher, Gleichnisreden [see n. 22], 1:216). For Tertullian’s comments concerning the content of the “rule of faith/truth,” cf. Tert., Praescr. 13; Prax. 2; and Virg. 2. See also the overview in L. W. Countryman, “Tertullian and the Regula Fidei,” SecCent 2 (1982): 208–227. Of course, this claim by Tertullian does not negate the fact that his exegesis of Scripture was clearly rhetorical and influenced by his opponents’ positions. As noted by Dunn, “Like anyone well trained in the tenets of classical rhetoric, Tertullian could for [sic] or against a position depending upon his needs in defending the overall regula fidei” (G. D.  Dunn, “Ecclesiology in Early North African Christianity: The Parable of the Wheat and the Weeds,” Aug 57 [2017]: 375). Therefore Jülicher, beholden to his own view of how parables are to be interpreted legitimately, is able to praise Tertullian for not simply going down the same path of his predecessors but nevertheless laments that Tertullian’s “Exegese ist doch zu befangen, zu dienstbar, nämlich für Dogmatik und Polemik, als dass er sich die Ruhe gönnte, eine neue Bahn zu brechen” (Jülicher, Gleichnisreden [see n. 22], 1:220). 32  Pud. 9.3. This concern for “truth” can also be seen in Patrick Gray’s observation concerning this section of De pudicitia and Tertullian’s discussion of general principles in interpreting parables: “Luke’s parable of the prodigal son (15:11–32) serves as Tertullian’s test case for which interpretations are ‘useful’ or ‘harmful’ for salvation” (P. Gray, “The Early Reception of Hebrews 6:4–6,” in Scripture and Traditions: Essays on Early Judaism and Christianity in Honor of Carl R. Holladay [ed. P. Gray and G. R. O’Day; NovTSup 129; Leiden, 2008], 322). 33 See also Jülicher, Gleichnisreden (see n. 22), 1:216: “Er [Tertullian] missbilligt die Auslegungsmethode der Gnostiker, weil er ihre Resultate verabscheut, und über die Möglichkeit einer Auslegung soll deren Fügsamkeit gegen einen ganz anderswoher erhobenen Kanon entscheiden.”

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image, the image itself is in its truth itself: it is necessary for [that truth] to exist first in itself, which is to be made a figure of something else. A similitude concerning vacuity is not relevant, and a parable concerning nullity is not fitting.34

Shortly thereafter, Tertullian asserts that explanations concerning that which is figured in a parable accompany the parable itself: Etiam et nullam parabolam non aut ab ipso invenies edissertatam,  ut de seminatore in verbi administrationem, aut a commentatore evangelii praeluminatam, ut iudicis superbi et viduae instantis ad perseverantiam orationis, aut ultra coniectandam, ut arboris fici dilatae in spem ad instar Iudaicae infructuositatis. Besides, you will not find a parable which is not either explained by him [i. e., Jesus], like that of the sower concerning the administration of the word, or has had light thrown upon it beforehand by the author of the Gospel, like that of the arrogant judge and the persistent widow concerning perseverance in prayer, or further will be obviously understood, like that of the fig tree spared in hope, in the likeness of Jewish unfruitfulness.35

From the above discussion, it is evident that Tertullian makes the overall claim that he interprets the parables consonant with the rule of truth and consonant with the content and context of the parable. The proper interpretation of the parables, as understood by Tertullian, thus supports “the truth” as understood by Tertullian.36 As such, “parables, in their literal and metaphorical interpretations, serve as an important resource in Tertullian’s rhetorical arguments. He is an exceptional apologist for Christianity, interpreter of Scripture, and polemicist against those he perceives to be heretics”.37 It is to an example of how the parables function in both Tertullian’s and Irenaeus’s rhetorical arguments that we now turn.

IV. The Interpretation of the Parable of the Invited Dinner Guests in Irenaeus and Tertullian As M. F. Wiles rightly noted several decades ago, “a very high proportion of the discussions of individual parables, in the writings of Irenaeus and Tertullian is devoted to showing that they imply the activity of one rather than two gods”.38  Res. 30.4. 33.5. 36  Dunn makes the pointed, but not incorrect, statement: “Tertullian was aware of the limitations of allegorical interpretation, but drew the line to suit himself” (G. D. Dunn, “Tertullian and Rebekah: A Re-Reading of an ‘Anti-Jewish’ Argument in Early Christian Literature,” VC 52 [1998]: 119–45, 121). 37  Gowler, The Parables after Jesus (see n. 18), 30. Concerning Tertullian’s rhetorical arguments, it is also worth bearing in mind that it has repeatedly, and rightly, been observed that Tertullian is “impassioned and brilliant in his rhetoric” while at the same time “often obscure and elusive in his ideas” (Daley, The Hope of the Early Church [see n.  21], 34). 38 M. F. Wiles, “Early Exegesis of the Parables,” SJT 11 (1958): 289. See also the relevant sections in the analyses in A. Orbe, S. J., “San Ireneo y la parábola de los obreros de la viña: Mt 34

35 Res.

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The Parable of the Invited Dinner Guests (Matt 22:1–14 and Luke 14:12–24), discussed by both Irenaeus and Tertullian, is no exception. The final section of this brief study is devoted to considering the manner in which the interpretation of this parable by Irenaeus and Tertullian is illustrative of their respective approaches to the parables discussed above. The preponderance of Irenaeus’s interpretations of parables is found in book four of Adversus haereses, and in the section from Iren., Haer. 4.36.1 to 4.41.3, a section “devoted to the proof of the unity of the two testaments from the parables of Christ”,39 Irenaeus discusses nine parables.40 The second parable in this section is the Parable of the Invited Dinner Guests and Irenaeus introduces his comments with the statement that he is continuing his attempt to convince his opponents that ab uno et eodem Patre prophetas missos esse a quo Dominus noster missus est.

ὑφ’ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ Πατρὸς τοὺς προφήτας ἀπεστάλθαι ὑφ’ οὗ καὶ ὁ Κύριος ἡμῶν. the prophets were sent from one and the same Father from whom also our Lord [was sent].41

After citing the parable from Matt 22:1–14 (//Luke 14:12–24),42 Irenaeus asserts: Manifeste enim et per haec verba sua ostendit Dominus omnia, et quoniam unus rex et Dominus omium Pater.

Σαφῶς γὰρ καὶ διὰ τῶν λόγων τούτων ἔδειξεν ὁ Κύριος τὰ πάντα, καὶ ὅτι εἷς Βασιλεὺς καὶ Κύριος, ὁ τῶν ἁπάντων Πατήρ. For clearly, through these words, the Lord shows all these [things], that there is one King and Lord, the Father of all.43

Thus, for Irenaeus, the individual who is giving the feast is clearly God. The city of this God is Jerusalem, which Irenaeus establishes with a reference to Matt 5:35. Those to whom the servants first bring the invitation to the banquet are the inhabitants of that city, i. e., the Jews.44 When they repeatedly reject the invitation, their city (Jerusalem) is destroyed and the invitation goes out to others, i. e., the

20, 1–16,” EstEcl 46 (1971): 183–206; P. Siniscalco, “La parábola del figlio prodigo (Lc 15, 11– 32) in Ireneo,” SMSR 38 (1967): 536–553; and Orbe, Parábolas evangélica (see n. 11), passim. 39 D. Minns, “The Parable of the Two Sons (Matt. 21:28–32) in Irenaeus and Codex Bezae,” in Irenaeus: Life, Scripture, Legacy (ed. S. Parvis and P. Foster; Minneapolis, 2012), 56. 40  See the overview in ibid., 56–58 and Gowler, Parables after Jesus (see n. 18), 18–19. 41  Iren., Haer. 4.36.5. 42 The wording of the citation, though interesting, will not be discussed further here. Orbe notes, “El texto ofrece curiosas variantes, sin trascendencia doctrinal” (Parábolas evangélicas [see n. 11], 2:295). 43 Ibid. 44  Orbe observes, “los primeros siervos (Mt 22,3) representarían a los profetas anteriores al destierro de Babilonia; los segundos (Mt 22,4), a los postexílicos” (Parábolas evangélicas [see n. 11], 2:298).

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Gentiles. That some servants (prophets) would be sent to the Jews and that other servants (apostles) would be sent to the Gentiles was foretold in the scriptures, a view that Irenaeus seeks to underscore through citations of Jer 35:15 (LXX 42:15) and Jer 7:25–28, along with a reference to Isa 57:19. Thus, his conclusion is: Qui igitur nos per Apostolos undique vocavit Deus, hic per prophetas vocabat eos qui olim fuerunt, quemadmodum ex sermonibus Domini ostenditur; et non ab alio quidem prophetae, ab alio autem Apostoli, etiamsi variis gentibus praeconabant.

Ὁ οὖν ἡμᾶς διὰ τῶν ἀποστόλων πανταχόθεν καλέσας Θεός, οὗτος διὰ τῶν πρφητῶν ἐκάλει τοὺς πάλαι, καθὼς ἐκ τῶν λόγων τοῦ Κυρίου ἀποδείκνυται, καὶ οὐκ ἀπ’ ἄλλου μὲν οἱ προφῆται, ἀπ’ ἄλλου δὲ οἱ ἀποστολοι, καὶ εἰ διαφόροις ἔθνεσιν ἐκήρυσσον. Therefore, the God who called us from all places through the apostles, is the one who called those of old through the prophets, as appears by the words of the Lord; and the prophets were not from one God, and the apostles from another, even if they preached to different nations.45

It is worth noting that in his discussion of this parable, Irenaeus evidently has no problem identifying the various actors in the parable with God, the prophets and apostles, the Jews, the Gentiles, and even the banquet itself in an “allegorical” manner.46 Consonant with the observations made above, his primary methodological concern is not whether or not such identifications are made, but rather the nature of the identifications made. That is to say, the important thing about the method of interpretation is that its conclusion supports Irenaeus’s theological conviction that it is one and the same God who sent the prophets and the apostles. The broader scope of Irenaeus’s understanding of the scriptural teaching concerning God’s dealings with Jews and Gentiles is part of the “rule of faith” and the “truth” that governs Irenaeus’s interpretation here. At the same time, before citing the parable, Irenaeus also indicates that being convinced of the interpretation he sets forth requires that one must open the ears of one’s heart and, calling upon the Master, the Lord Jesus Christ, listen to him (Jesus) as he (Jesus) speaks this parable. Thus, there is a clear sense in which Irenaeus’s “rule of faith” also requires Irenaeus’s faith. Within this context, Irenaeus believes that the teaching of this parable could convince those who denied that the same God sent the prophets and the apostles of the error of their ways.47 Those engaged in such a denial included the followers of Marcion, and attention is now given to Tertullian’s interpretation of this parable in his work Adversus Marcionem.  Ibid.  In Iren., Haer. 5.36.2, Irenaeus states that the mansiones prepared by Jesus in the house of his Father (cf. John 14:2) est triclinium in quo recumbent hi qui epulantur vocati ad nuptias (ἔστι τὸ τρίκλινον ἐν ᾧ ἀνακλιθήσονται εὐωχούμενοι οἱ κεκλημένοι εἰς τοὺς γάμους). See Orbe, Parábolas evangélicas (see n. 11), 2:287–288. 47 Iren., Haer. 4.36.5. 45 46

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In book 4 of his work against Marcion, Tertullian works through Marcion’s Gospel, seeking to demonstrate that even Marcion’s own text does not support the “heretic’s” positions.48 In fact, Tertullian’s final sentences in this extremely lengthy book read, Misereor tui, Marcion, frustra laborasti. Christus enim Iesus in evangelio tuo meus est (“I pity you, Marcion: you have labored in vain. For Christ Jesus in your gospel is mine”).49 It is not surprising, therefore, to see Tertullian’s discussion of the parable under present consideration arguing that the parable supports his own, and not Marcion’s, theological views. Tertullian even opens his discussion with an invitation to the reader: Etiam invitatoris parabola cui magis parti occurrat expende (“Also the parable of the one inviting [to a dinner], consider which party [i. e., Tertullian’s or Marcion’s] rather comes to mind”).50 After citing the opening of the parable (Luke 14:16), Tertullian asserts that the meal most certainly is a figure of the satisfaction of eternal life.51 His first remark is that, as a general rule, total strangers are not invited to a meal. It is the Creator God who has the connection to those invited, both through Adam, as humans, and through the fathers, as Jews. Marcion’s “other God” has no connection with those who are invited: neque natura … neque praerogativa (“neither by nature […] nor by privilege”).52 Similar to Irenaeus, Tertullian views the invitation as spoken by the prophets to the Jews, though he adds that there was also an invitation issued previously through the fathers. In this way, further evidence is adduced that it is the Creator’s meal, and it is the Creator 48  For a recent reconstruction of Marcion’s Gospel, see D. T. Roth, The Text of Marcion’s Gospel (NTTSD 40; Leiden, 2015). An English reconstruction, often parallel with my own, though also different at key points can be found in J. Beduhn, The First New Testament: Marcion’s Scriptural Canon (Salem, 2013). The reconstruction found in M. Klinghardt, Das älteste Evangelium und die Entstehung der kanonischen Evangelien (2 vols.; TANZ 60; Tübingen, 2015) is, in my estimation, problematic throughout. For further discussion concerning the reconstruction of Marcion’s Gospel, see e. g., D. T. Roth, “The Link between Luke and Marcion’s Gospel: Prolegomena and Initial Considerations,” in Luke on Jesus, Paul and Christianity: What Did He Really Know?, (ed. J. Verheyden and J. Kloppenborg, BTS 29; Leuven, 2017), 59–80; idem, “Marcion’s Gospel and the History of Early Christianity: The Devil is in the (Reconstructed) Details,” ZAC 21 (2017): 25–40; and idem, “Marcion’s Gospel and the Synoptic Problem in Recent Scholarship,” in Gospel Interpretation and the Q-Hypothesis (ed. M. Müller and H. Omerzu; LNTS 573; London, 2018), 267–83. 49  Marc. 4.43.9. 50 Marc. 4.31.2. Braun points out that one here finds a “métaphore judiciaire habituelle dans ce débat (Contre Marcion, 4:389n6)”. 51  Volker Lukas comments, “Dieses Gleichnis bezeichne [sic] die Einladung zum ewigen Leben – eine Interpretation, die wohl auch Marcion unterschreiben würde” (V. Lukas, Rhetorik und literarischer “Kampf ”: Tertullians Streitschrift gegen Marcion als Paradigma der Selbstvergewisserung der Orthodoxie gegenüber der Häresie: Eine philologisch-theologische Analyse [EHS.T 859; Frankfurt, 2008], 299). If Tertullian’s comment at the conclusion of this section in Marc. 4.31.8 concerning “you” (i. e., Marcion) understanding the banquet as figuring the one in caeleste is not rhetorical and actually reflects Marcion’s interpretation, Lukas would be confirmed in his supposition. 52  Marc. 4.31.2.

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qui misit ad convivas admonendos, ante iam vocatos per patres, admonendos autem per prophetas. who has sent to remind the guests, already previously invited through the fathers, but being reminded through the prophets.53

It is not, as Marcion would have it, the invitation of some God who has suddenly come down and, without any prior preparation or announcement, issued an invitation. The rejection of the invitation, Tertullian continues, would be entirely comprehensible, and even appropriate, if it had suddenly been sprung upon the guests. As it is, however, the Creator is the one issuing the invitation, and the guests are rejecting this invitation just as they did the first time it was issued when they asked of Aaron to make gods for them (Exod 32:1; Marc. 4.41.4). From that point on they had ears that could not hear (Isa 6:9) even though they were clearly invited. Tertullian sees both the invitation and the rejection foretold in Jer 7:23–24, 26. For Tertullian it is practically self-evident that the invitation has come from the Creator, through the fathers and the prophets, and that the invited guests who have rejected the invitation are the Jews. That the invitation now goes out to others was spoken of in Jer 2:31 and as it reaches those outside the city, it ultimately includes “us” – id est nos iam de extraneis gentibus (“that is now us from foreign nations”).54 The reason why God did this was already stated in Deut 32:20–21, namely due to the jealously aroused by the rejection on the part of the original invitees. In Marc. 4.31.7–8, Tertullian comes to his conclusion, which is set up by the opening question to this section: Quid ex hoc ordine secundum dispositiones et praedicationes creatoris recensendo competere potest illi? What out of this sequence being reviewed, according to the covenant and prophecies of the Creator, can be applicable to that [God of Marcion]?55

Tertullian’s reply, of course, is none of it. The elements of redemptive history that Tertullian sees in the parable do not apply at all to the God that Marcion viewed as revealed for the first time in Jesus Christ. They only apply to the Creator.56 Just like Irenaeus, Tertullian sees each character in the story representing figures in the biblical history of salvation as set forth in the “rule of faith.” The  Marc. 4.31.3. 4.31.6. 55  The text and translation follows the observation by Braun: “Plusieurs fois déjà, ille a servi pour désigner le dieu lointain de Marcion. Le texte transmis est parfaitement intelligible: il suffira d’admettre une ponctuation forte ici (Contre Marcion, 4:396n3)”. 56  Orbe comments, “El africano hace valer los elementos cronológicos de la parábola, capitales para el proceso de la economía. El llamamiento de Dios se acomoda a las etapas de la historia de la salud” (Orbe, Parábolas evangélicas [see n. 11], 2:248). 53

54 Marc.

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debate between Marcion and Tertullian is not whether the figures and elements of the parable are to be understood allegorically; rather, the debate concerns who and what is represented allegorically. Since Tertullian’s interpretation lines up with that which he understands Scripture to reveal elsewhere, he would be convinced that his interpretation does not “twist” the meaning. The twisting is done by Marcion, who wants to interpret the dinner as the heavenly banquet (Marc. 4.31.8) of a deity who is, in Tertullian’s view, unknown to Scripture.

V. Conclusion In Ruben Zimmermann’s recent monograph on the parables, he observed that “understanding parables is clearly not simple, uncomplicated, or uncontroversial”.57 Though the history of parable interpretation has borne out the truth of this observation, there is a certain sense in which Irenaeus and Tertullian were battling against such a view. Parables can indeed be interpreted in a variety of ways, and parables do have figurative, enigmatic, and allegorical meanings; however, Irenaeus and Tertullian are insistent that clarity is possible. They sought this clarity along theological lines by insisting that the regula fidei or regula veritatis provided the necessary guidance to avoid erroneous interpretations. Though Irenaeus and Tertullian both provide a certain level of methodological reflection in their interpretive strategies, that which distinguishes their interpretations from those of the “heretics,” as illustrated by their examinations of the Parable of the Invited Dinner Guests, is not first and foremost methodology, but rather theology. It is only as one recognizes the interplay between methodology and theology that one can understand how and why these two important church fathers approached the parables in the manner that they did and the significance that underlies the way in which they incorporated them into their works.

57 R. Zimmermann, Puzzling the Parables of Jesus: Methods and Interpretations (Minneapolis, 2015), 4.

Symbole göttlicher Güte Gleichnishermeneutik in Theorie und Praxis bei Klemens und Origenes von Alexandria Christian Hengstermann Abstract: Clement and Origen, the Christian Platonists of Alexandria, are the first to develop a theory of Jesus’s parables. In response to the pagan Platonists’ charge of philosophical banality and the Valentinian Gnostics’ ditheism of a good and evil God and determinism of immutable human natures, they define the parable as a two-part symbolic revelation of the divine nature in a simple literal and a more advanced metaphysical understanding. In it, God the Father, viewed as universal goodness, discloses to the fallen souls the intelligible truth of his Wisdom, the Son, in rich empirical imagery. Gradually ascending from the letter to the spirit, the soul, guided by Christ’s παιδεία, realizes its freedom of choice in the renewed participation in God as virtue and knowledge.

I. Typologie und Allegorese – Die Hermeneutik der Gleichnisse Jesu bei Klemens und Origenes von Alexandria Die alexandrinische Schrifthermeneutik, gemeinhin gefasst unter den Begriffen von Allegorese und Typologie, ist bis in die Gegenwart hinein Gegenstand teils heftiger Kontroversen. Ihre Bewertung reicht in der methodisch reflektierten systematischen Form, die Klemens und insbesondere Origenes ihr gegeben haben, vom Nachweis der bleibenden philosophischen Bedeutung und theologischen Rechtgläubigkeit des Programms einer „prinzipiellen Begründung“ von „Geschichte und Praxis“1 und des „Geistes aus der Geschichte“2 bis zum 1  Es ist dies der Ansatz der kurzen, aber perspektivenreichen Monographie von R. Hoffmann, Geschichte und Praxis. Ihre prinzipielle Begründung durch Klemens von Alexandrien. Ein Beitrag zum spätantiken Platonismus, München 1979. Siehe bes. die Darstellung der für sein Schriftverständnis grundlegenden antignostischen Verteidigung der Bedeutung der Heilsgeschichte im Werk des Klemens a. a. O., 83–91. 2 So der programmatische Titel des im Original „Histoire et Esprit. L’intelligence de l’Ecriture d’après Origène“ betitelten Werks H. de Lubacs von 1950, das Hans Urs von Balthasar ins Deutsche überträgt: Geist aus der Geschichte. Das Schriftverständnis des Origenes, Einsiedeln 1968. Ursprünglich als Einleitung zu den Hexateuch-Homilien in den „Sources Chrétiennes“ verfasst, trägt de Lubacs Werk maßgeblich zur modernen Renaissance des In-

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Vorwurf einer gänzlichen Aufgabe der biblischen Heilsgeschichte in einem platonischen Moralismus und Idealismus.3 In neueren Darstellungen, die zumal Origenes, dem größten Vertreter des seit der Reformation vielfach verfemten Paradigmas, gewogen sind, erscheint die Allegorese gleichermaßen als eindrucksvolle Leistung der christlichen Philologie4 wie Philosophie, in der es der Exeget Christus gleichtut und sich in der dargebotenen Interpretation behutsam dem Fassungsvermögen der ihm anbefohlenen Seele anpasst.5 Wie die übrige antike Philosophie ist auch die christliche, die vor allem Begegnung mit Christus in der Heiligen Schrift, seiner Inkarnation in Bild und Buchstaben, sein will, zuvörderst „Lebensform“,6 so dass sich die „Konturen des exegetischen Lebens“,7 wie sie in der praktischen Auslegung und in der theoretischen Methoden‑ und Genrereflexion hervortreten, zu einem etwa dem Weisen der stoischen Philosophie analogen Idealbild eines Christenmenschen zusammenfügen: In der „tropologischen Hermeneutik“, wie sie sie in ihren Interpretationen der neutestamentliche Gleichnisse heranziehen, gewinnen die alexandrinischen Schriftausleger Klemens und Origenes immer tieferen Anteil an der „Wahrheit des biblischen Wortes“, die sie sodann ihrerseits nach Jesu Vorbild jeder einzelnen der ihnen anvertrauten Seelen nach Maßgabe ihrer Fassungskraft in christlicher Predigt und Unterweisung mitteilen.8 Die teils überaus austeresses an der antiken Schriftauslegung bei, die so zu einer zentralen Quelle der katholischen „nouvelle théologie“ werden kann. 3 Hierin besteht die allgemeine Kritik am allegorischen Paradigma der Schrifthermeneutik bei R. P. C.  Hanson, Allegory and Event. A Study of the Sources and Significance of Origen’s Interpretation of Scripture, Louisville/London 2002. 4 Hierzu maßgeblich ist noch immer das Werk von B. Neuschäfer, Origenes als Philologe, 2 Bde. (SBA 18/1–2), Basel 1987. 5  Diesem Grundansatz weiß sich die Studie von K. J.  Torjesen, Hermeneutical Procedure and Theological Method in Origen’s Exegesis (PTS 28), Berlin/New York 1986, verpflichtet. 6  P. Hadots einflussreiche Leitthese zum Grundcharakter aller antiken Philosophie, dargelegt im klassischen Werk dieses Titels: Philosophie als Lebensform. Antike und moderne Exerzitien der Weisheit, Berlin 1991, überträgt erstmalig M. Skeb auf die patristische Exegese, wie sie sich insbesondere in den ausführlichen Vorreden zu den Schriftkommentaren der Kirchenväter darstellt: Exegese und Lebensform. Die Proömien der antiken griechischen Bibelkommentare (CCAM 5), Leiden/Boston 2007. 7 So lautet der treffende Untertitel der wichtigsten neuesten Gesamtdarstellung des Exegeten Origenes von P. W.  Martens, Origen and Scripture. The Contours of the Exegetical Life, Oxford 2012, die den Ansatz der patristischen Exegese als Leben in der Nachfolge Christi in Tugend und Erkenntnis umfassend darstellt. Neben dem oben umrissenen hervorragenden Überblick über die reiche Forschungsgeschichte (a. a. O., 6–11) bietet Martens’ Werk eine für die nachfolgende Darstellung durchweg grundlegende schlüssige neue Würdigung des philologischen und philosophischen Verdienstes des Hermeneutikers und Schriftauslegers Origenes. 8  Das gehaltvolle Werk von D. Lau, Origenes’ tropologische Hermeneutik und die Wahrheit des biblischen Wortes (Lateres. Texte und Studien zu Antike, Mittelalter und früher Neuzeit 10), Frankfurt a. M. u. a. 2016, ist die wichtigste neuere Darstellung des Philologen Origenes seit der Monographie von Neuschäfer, Origenes als Philologe (s. Anm. 4). Insofern sie durchweg der Analyse von Tropen bei Origenes, darunter dem der Parabel, gewidmet ist, ist sie für die vorliegende Darstellung von besonderem Belang.

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führlichen Gleichnisexegesen der beiden christlichen Platoniker von Alexandria zählen unzweifelhaft zu den bedeutsamsten Zeugnissen dieses ersten großen Paradigmas der wissenschaftlichen christlichen Bibelinterpretation. Zugleich finden sich in ihnen seine oft monierten Spannungen und Widersprüche, aber auch seine erst in der neueren Forschung wiederentdeckten exegetischen und philosophischen Vorzüge wieder. Ziel der erhaltenen Gleichnisexegesen in den Hauptwerken des christlichen Platonismus von Alexandria9 ist nämlich in der Tat ein zeitloser platonischer Moralismus und Idealismus, nach dem sich die Seele, wie Klemens und Origenes unter Rückgriff auf die Philosophie ihrer Zeit zu lehren nicht müde werden, zunächst von Welt und Leidenschaft reinigen muss, ehe sie Gott, das erste Prinzip aller Dinge, zu schauen vermag. Allerdings ist der einzige Weg dorthin der Christus der im Alten Testament prophezeiten und im Neuen niedergelegten Mitte der Heilsgeschichte, der durchweg Prinzip der Schriftauslegung der christlichen Platoniker von Alexandriner allgemein und ihrer Gleichnishermeneutik speziell ist: Er ist es, der die Seele, so der Kern eines jeden von Jesu Gleichnissen, in der Teilhabe an ihm in Tugend und Erkenntnis zum „Fest der Freiheit“ einlädt.10

II. Christus als Lehrer der Erlösung – Metaphysik und Gleichnis in der christlichen Philosophie der Platoniker von Alexandria Die exegetische Lebensform, als die Klemens und Origenes ihre christliche Philosophie auffassen, ist in jeder Hinsicht Ethos der Freiheit, das sie beide innerhalb ihrer Auslegung der jesuanischen Gleichniserzählungen zunächst gegen 9  Es ist durchaus verwunderlich, dass die Exegese der Gleichnisse Jesu bei Klemens und Origenes in der Forschung nur vergleichsweise geringe Beachtung gefunden hat. Ausgangspunkt ist daher noch immer die materialreiche ältere Pionierstudie zur patristischen Gleichnisexegese von M. F.  Wiles, Early Exegesis of the Parables, Scottish Journal for the History of Theology 11 (1958), 287–301, der die Quellen anhand einer weitgehend überzeugenden Rekonstruktion einer vornizänischen Gleichnishermeneutik sichtet und systematisiert. Unter Bezug auf die von J. Jeremias begründete moderne Forschung hebt der Autor jedoch gleich zu Beginn seiner Untersuchung die Unvereinbarkeit von antiker allegorischer und zeitgenössischer historischkritischer Gleichnisexegese hervor: „The last fifty years have seen revolutionary progress in the work of the interpretation of the parables of Jesus. This progress has been made possible primarily by the final discarding of the allegorical method and the repudiation of ‚the centuries of distortion and ill-usage that the parables have suffered through allegorical interpretation.‘“ Vgl. auch seine Klage über die „fatal tendency towards allegorical interpretation“ (a. a. O., 292). 10  Für den engen Konnex von Schrifthermeneutik und Freiheitsphilosophie, der für die Gleichnisexegese der beiden Alexandriner, wie im Folgenden aufgezeigt, durchweg konstitutiv ist, siehe eingehend die Darstellungen von E. Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit. Theologie des christlichen Handelns bei Origenes (TTS 33), Mainz 1990, 23–94, und T. Kobusch, Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität, Darmstadt 2006, bes. 34–40 und 58–63.

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ihre vornehmlichen theologischen Widersacher, den paganen Platonismus einerseits und den christlichen Gnostizismus andererseits, verteidigen. Sodann findet es in einer Metaphysik der komplementären Bewegungen des Abstiegs Gottes, der in Christus in die Welt eingeht, und des Aufstiegs der Seele, die seine παιδεία im Gleichnis von Tat und Wort zur Teilhabe an ihm in Tugend und Erkenntnis führt, eine umfassende spekulative Entfaltung.11 Im Dreieck von Christentum, Platonismus und Gnosis, als das sich das streitbare Milieu der geistigen Metropole des spätantiken Alexandria darstellt,12 ist die Gleichnisexegese durchweg Kontroverstheologie, in der sich Klemens und Origenes von den genannten anderen beiden großen geistigen Gruppen in unterschiedlicher Weise abzusetzen versuchen. Zum einen wenden sich die beiden Alexandriner gegen die unter dem Begriff der Gnosis zusammengefassten philosophisch gesinnten Christen ihrer Zeit, die Jesu Gleichnisse mit ihrer vielfach von Dichotomien bestimmten Sprachwelt heranziehen, um ihren Dualismus von alttestamentlichem Schöpfer‑ und neutestamentlichem Erlösergott und zumal ihren Determinismus unveränderlicher Menschennaturen exegetisch abzustützen. Insbesondere die komplexe Schrifthermeneutik der im Alexandria der Spätantike florierenden valentinianischen Gnosis um das Triumvirat Valentin, Basilides und Herakleon stellt vielfach den Abstoßpunkt der Gleichnisauslegungen des Klemens und des Origenes dar. Zum anderen dient die spekulativ-metaphysische Interpretation der Lehren von Jesu Gleichnissen der Widerlegung des seitens der paganen Eliten im Römerreich erhobenen Vorwurfs der philosophischen Unbedarftheit der Schrift. Bereits im zweiten Jahrhundert prangert der Mittelplatoniker Kelsos in einer Wahres Wort betitelten Streitschrift, von der sich in Form ausführlicher Zitate in der Apologie des Origenes Gegen Kelsos eine Reihe von Fragmenten erhalten hat, nicht nur das subversive Wirken der im Geheimen okkulten Riten nachgehenden religiösen Minderheit an, sondern unterzieht auch ihre Heilige Schrift, gestützt auf ­eigene intensive Lektüre, einer eingehenden Kritik. Im dritten Jahrhundert erneuert der Neuplatoniker Porphyrios die philosophischen Vorbehalte gegen die christliche Religion allgemein und ihre kanonischen Schriften speziell. Origenes, den er 11  Zur nachfolgenden Skizze des spekulativen Systems der beiden Alexandriner Origenes und Klemens siehe meine ausführlicheren Darstellungen in: C. Hengstermann, Origenes und der Ursprung der Freiheitsmetaphysik (Adamantiana 8), Münster 2016, bzw. Clement of Alexandria, in: S. Goertz/C. Taliaferro (Hg.), The Wiley-Blackwell Encyclopedia of the Philosophy of Religion (im Druck), die beide insbesondere auf dem Ansatz von Kobusch aufbauen. Vgl. neben Kobusch, Christliche Philosophie (s. Anm. 10), dem Hauptwerk des Autors zum Thema, die Zusammenfassung des von ihm geschaffenen Paradigmas einer Interpretation der griechischen Patristik im Sinne einer Metaphysik der Freiheit bei dems., Selbstbestimmte Freiheit. Das frühe Christentum im Kontext der antiken Philosophie, ZNT 34 (2014), 47–55. 12  Auf diese Weise beschreibt E.v. Ivánka, Plato Christianus. Übernahme und Umgestaltung des Platonismus durch die Väter, Einsiedeln 1964, 132–135, den geistigen Hintergrund des christlichen Platonismus des Klemens und Origenes.

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in seiner Jugend trifft und dessen philosophischen Geist er schätzt, wirft er eine allegorische Eisegese vor, mit der er, „obwohl er in seiner Auffassung von der Welt und Gott wie ein Grieche dachte“, den in den biblischen Schriften niedergelegten „fremden Mythen griechische Ideen“, also die von beiden geteilte platonische Prinzipien‑ und Ideenmetaphysik, „unterschob“.13 Besonderen Anstoß nimmt Porphyrios im Werk Gegen die Christen an den, wie er bemängelt, nachgerade unverständlichen neutestamentlichen Gleichniserzählungen, die an Absurdität sogar noch die vulgär anthropomorphistischen biblischen Vorstellungen vom Himmel als „heiliger Wohnung“ (Dtn 25,15) Gottes oder als „Schemel“ seiner „Füße“ (Jes 66,1) übertreffen: „Noch fabelhafter als diese Lehre und gleichsam in der Nacht gegeben ist die andere, auf die wir in den Worten treffen: ‚Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn‘ (Mt 13,31) und wiederum: ‚Das Himmelreich ist gleich einem Sauerteig‘ (Mt 13,33) und abermals: ‚Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmann, der köstliche Perlen sucht‘ (Mt 13,45). Das sind Fabeleien, wie sie nicht Männer, ja wie sie nicht einmal traumdeutende Vetteln reden; denn wenn einer von großen göttlichen Dingen predigt, muss er, um sie zu verdeutlichen, sich üblicher und menschlicher Hilfsmittel bedienen, nicht aber so gemeiner und unverständlicher. Diese Reden aber haben, abgesehen von dem Niedrigen und für so hohe Dinge Unpassenden, gar keinen verständlichen Sinn in sich noch Klarheit. Und doch wäre hier Klarheit das dringendste Erfordernis, da sie nicht für ‚Weise‘ noch für ‚Verständige‘, sondern für ‚Unmündige‘ (vgl. Mt 11,25; 1 Kor 3,1) geschrieben sind“.14

Leitend für die Gleichnisexegese des Klemens und des Origenes, in der sie unter Zurückweisung des platonischen Vorwurfs des fehlenden philosophischen Anspruchs von Jesu Gleichnissen wie des Ditheismus und Determinismus der Gnosis eine eigene christliche Metaphysik entwickeln, sind die in der „Glaubensregel“ zusammengefassten Grundwahrheiten der christlichen Religion. Fundament aller christlichen Philosophie ist nichts anderes als die Freiheit. Gott selbst ist demnach nicht nur transzendentes erstes Prinzip, sondern auch in Welt und Geschichte handelnde freie Person. Er ist „ungezeugte Freiheit“,15 die sich, als schöpferische Güte definiert, der Welt und dem Menschen neidlos mitteilt. Als „absolut Eins und etwas schlechthin Einfaches“,16 als das Origenes ihn anspricht, entzieht sich der Vater einerseits prinzipiell allen menschlichen Versuchen, affirmative Aussagen über ihn oder sein Wesen zu treffen: „Denn wie könnte man“, so erläutert Klemens, der Urheber christlicher Apophatik,17 eingehend, „von dem reden, was weder eine Gattung noch eine besondere Art noch eine Form noch ein Individuum noch eine Zahl ist, aber auch kein Akzidenz und  Eus., Hist. eccl. 19,7.  Makarios Magnes, Apokr. 4,8. 15 Als solche bezeichnet Origenes den Vater in Orig., Hom. Exod. 4,1 und Hom. Lev. 16,6. 16 Comm. Jo. 1,20,119. 17  Die Bedeutung des Klemens für eine christliche theologia negativa erarbeitet H. F.  Hägg, Clement of Alexandria and the Beginnings of Christian Apophaticism, Oxford 2006. Vgl. bes. a. a. O., 208–237. 13 14

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etwas, das ein Akzidenz besäße, ist? Aber auch Ganzes kann ihn niemand im eigentlichen Sinn nennen. Denn ‚ganz‘ gehört zum Begriff der Größe, und Gott ist der Vater der ganzen Welt“.18 Andererseits ist Gott aber nicht nur, wie er in Ex 3,14 offenbart, „der Seiende“, das Eine selbst, das, wie Klemens und Origenes unter Rückgriff auf die prinzipientheoretische Formel aus Platons Staat lehren, „in Würde und Kraft jenseits des Seins“19 ist, sondern auch, wie er Christus in Mk 10,18 offenbaren lässt, „der Gute“,20 als der er nicht umhin kann, die Fülle seines Wesens in schöpferischer Selbstmitteilung mit von ihm frei und selbstverantwortlich geschaffenen Seelen zu teilen. In diesem Sinne weist Klemens gleichermaßen den Ditheismus wie den Determinismus der valentinianischen Gnosis zurück, wenn er das von ihren Vertretern vorgebrachte Argument, der Fall des offenbar unvollkommen geschaffenen Adam beweise die Unvollkommenheit seines Schöpfers, des vom wahren guten Gott zu unterscheidenden Demiurgen, mit den begrifflichen Mitteln seiner christlichen Metaphysik der Freiheit widerlegt. Gott schafft den Menschen bewusst nicht im Zustand tatsächlicher, sondern lediglich möglicher Vollkommenheit. Es obliegt nämlich Adam selbst, sich in eigener geistiger und sittlicher Anstrengung die Güte Gottes in Freiheit und Tugend anzueignen: „Sie werden nämlich als Antwort auch von uns hören, dass er seiner Gestaltung nach nicht vollkommen geschaffen wurde, aber fähig, sich die Tugend anzueignen; denn es ist doch wohl ein Unterschied, ob man fähig für die Tugend geschaffen ist oder ob man sie bereits besitzt. Gott will aber, dass wir aufgrund eigener Entscheidung gerettet werden. Das ist daher das Wesen der Seele, dass sie sich aus eigener Kraft bewegt.“21 Auch bei Origenes handelt es sich bei den Adressaten der freien Selbstmitteilung Gottes, also den Wesen, „die der seiner Natur nach gute Vater“, wie auch er als definierende höchste Eigenschaft der Gottheit annimmt, „haben wollte, damit er ihnen Gutes tun und sie Freude an den von ihm empfangenen Wohltaten empfinden könnten“, lediglich um „seiner fähige Geschöpfe“ handelt, d. h. also solche, „die ihn, von ihm, wie er sagt, als ‚Söhne gezeugt‘ (Jes 1,2), würdig zu erfassen imstande wären“.22 Von der „ungezeugten Freiheit“ hervorgebracht, sind die Geistwesen selbst „gezeugte Freiheiten“ und besitzen als solche die Fähigkeit, das Geschenk der göttlichen Selbstmitteilung entweder kraft eigener Bewegung zu bewahren oder in der Vernachlässigung allen sittlichen und geistigen Strebens zu verwirken. Erst dann nämlich, wenn sie sich das Gute selbst in selbstbestimmter  Strom. 5,81. 509b. 20  Vgl. das exegetisch-philosophische Argument für die Identität von Sein und Güte bei Orig., Comm. Jo. 2,13,96. Beider Einheit ist der spekulative Kern der Gotteslehre des alexandrinischen Platonismus. Zu Klemens vgl. auch das entsprechende Kapitel in der klassischen Studie von E. de Faye, Clément d’Alexandrie. Étude sur les Rapports du Christianisme et de la Philosophie Grecque au IIe Siècle, Paris 21906, 230–247. 21 Strom. 6,96. 22  Princ. 4,4,8. 18

19 Rep.

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Freiheit aneignen, verwirklicht auch Gott sein eigenes Wesen und Wirken als schöpferische Güte: „Der Schöpfer gewährte den von ihm geschaffenen Geistwesen die Bewegungen eines freien Willens (voluntarios … et liberos motus), damit in ihnen dadurch, dass sie es mit ihrem eigenen Willen (voluntate propria) bewahrten, ein ihnen eigenes Gut (bonum in eis proprium) entstünde“.23 Im Sinne des genannten Schöpfungsziels des Vaters erschafft der Sohn die Geistwesen in seinem Auftrag nur nach seinem Abbild und überlässt es ihnen selbst, es durch die Anstrengung ihres eigenen freien Willens zum Gleichnis auszuformen.24 Wollte man hingegen den Gnostikern folgen und leugnen, „dass jede vernünftige Seele“, wie Origenes den Kern des alexandrinischen Platonismus in der ausführlichsten Wiedergabe der Glaubensregel in der Vorrede der Prinzipienschrift formuliert, „begabt ist mit Freiheit der Entscheidung und des Willens“, würden nach tiefer Überzeugung der beiden Hauptvertreter der Denkform die sittlichen Gebote der Schrift, auf die nicht zuletzt die Verheißung von Lohn und Strafe im Letzten Gericht zielt, allesamt unweigerlich unterhöhlt: „Man muss aber […] auch glauben“, so beschließt Origenes im Johanneskommentar die Kurzformeln des Glaubens an den trinitarischen Gott mit einem Bekenntnis zur Freiheit, „dass wir als Wesen mit einem freien Willen (αὐτεξούσιοι ὄντες) für unsere Sünden bestraft und für unsere guten Taten belohnt werden“.25 Schlimmer noch müsste, wie Klemens in eindringlichem reductio-Argument betont, der gnostische Determinismus unveränderlicher „sarkischer“ und „pneumatischer“ Naturen, die als solche, wie Valentin und Basilides lehren, dem Glauben ihre Zustimmung nicht geben bzw. nicht verwehren können, auch Jesu Kommen seines heilsgeschichtlich Sinns berauben: „Überflüssig sind also die Gebote des Alten wie des Neuen Testaments, wenn jemand von Natur zu den Geretteten gehört, wie Valentin will, oder von Natur gläubig und auserwählt ist, wie Basilides glaubt. Denn hätte auch ohne die Erscheinung des Erlösers mit der Zeit einmal die Naturanlage ans Licht kommen können“.26 Die „Erscheinung des Erlösers“, Jesu Inkarnation, ist Höhepunkt des heilsgeschichtlichen Handelns Gottes, in dem er sich dem Menschen nach ihrem Abfall in Sünde in Sohn und Heiligem Geist zuwendet. Jesu Kenosis und Inkarnation bildet daher das beherrschende Zentrum der platonischen Heilsmetaphysik des Klemens und Origenes. Sie ist Ausdruck der „Bewegung Gottes“,27 die den Vater, wie Origenes in ausdrücklicher Ablehnung des aristotelischen Dogmas des „unbewegten Bewegers“ darlegt, im „Leiden der Liebe“ (passio caritatis)28 mit der Not seiner gefallenen Geschöpfe mitfühlen und ihnen in Sohn und   A. a. O. 2,9,2. 3,6,1. 25 Comm. Jo. 32,16,187–189. 26  Strom. 5,3. 27  Hom. Isa. 4,1. 28 Hom. Ezech. 6,6. 23

24  A. a. O.

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Geist zu Hilfe eilen lässt. Es entspricht der Güte Gottes, dass er sich, vom Mitleid bewegt, zunächst in der griechischen Philosophie und in der hebräischen Bibel, dann in der Inkarnation des Sohnes unter Inkaufnahme der mannigfachen Unbilden einer leiblichen Existenz den gefallenen Menschen als Erzieher und Lehrer zuwendet. So bezieht Klemens die vertrauensvolle Bitte des Psalmisten um Beistand auf den leidenden Schöpfer, der sein Geschöpf in leiblicher Form zu erziehen und zu sich zurückzuführen beschließt: „Und deshalb wendet sich auch der Prophet in der Weise, wie man es zu einem nahen Vertrauten tut, mit folgender Bitte an ihn: ‚Gedenke unser, weil wir Staub sind!‘ (Ps 102,4), das heißt: Habe Mitleid mit uns, weil du die Schwachheit des Fleisches durch eigene Erfahrung kennengelernt hast! So ist denn vollkommen gütig und frei von jedem Tadel der Erzieher, der Herr, weil er in seiner überschwänglichen Liebe zu den Menschen mit der Natur jedes einzelnen Menschen Mitleid gezeigt hat“.29

Die Kenosis gründet also in der mitfühlenden Güte Gottes, in der sich der Vater, selbst einfach und unbegrenzt und mithin prinzipiell aller Erkenntnis erzogen, aus freien Stücken zunächst als erste Substanz, d. h. als Inbegriff aller Ideen im Sohn, in platonischer und alttestamentlicher Philosophie erkennbar, dann in Christi Inkarnation um der vielen Seelen willen sogar sichtbar macht: „Deshalb“, so legt Klemens die zweifache Kenosis in innertrinitarischer Substanz‑ und außertrinitarischer Fleischwerdung in dichter Spekulation dar, „heißt es auch, dass er ‚die Gestalt eines Knechtes angenommen hat‘ (Phil 2,7), was sich nicht nur auf sein Fleisch bei seiner Ankunft auf Erden, sondern auch darauf, dass er zur Substanz geworden ist, nachdem er vorher grundlegendes Prinzip aller Dinge, die sind, gewesen war. Die Substanz nämlich ist passiv und der aktiven und herrschenden Ursache untergeordnet“.30 In der ewigen innertrinitarischen Kenosis, die Urbild der heilsökonomischen in Zeit und Geschichte ist, offenbart sich der Vater als aktives Gestaltprinzip der in ihrer Geburt passiven ersten Substanz, der Weisheit, als die Gott – die Voraussetzung seiner geschichtlichen Selbstoffenbarung in der Inkarnation  – zum Gegenstand der diskursiven Erkenntnis, über die der Mensch ihn zu fassen vermag, werden kann: „Da nun Gott unbeweisbar ist, so ist er dem Wissen nicht erfassbar. Der Sohn aber ist Weisheit und Wissen und Wahrheit und was sonst damit verwandt ist, und in der Tat kann man über ihn mit Beweisen und ausführlicher Darlegung reden“.31 Das Mittel, mit dem Christus die Geistwesen über das sichtbare Bild, sein Wirken im Fleisch, in zweifachem Aufstieg zu seiner geistigen Wirklichkeit, der Weisheit, und ihrem Prinzip, dem Vater, führt, ist die παιδεία in Philosophie und Heilsgeschichte. Bei Klemens wie bei Origenes ist die Inkarnation des Wortes der Höhepunkt der göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts, seiner paideusis, als die sie  Paed. 1,8.  Exc. 19,5. 31 Strom. 4,156. 29 30

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beide die pronoia Gottes definieren.32 Als „Lehrer der Erlösung“,33 als der er ausschließlich wirkt, erzwingt Christus das Heil der gefallenen Seele in Tugend und Erkenntnis nicht etwa, was nicht weniger als einem sein Erlösungswerk rundweg konterkarierenden „Eingriff in die Eigenart ihres Wesens“34 gleichkäme, sondern führt sie, gestützt auf seine Kenntnis ihrer individuellen Stärken und Schwächen, in geduldiger Erziehung und Bildung in sichtbarer Tat und Rede zur Einsicht in seine höhere geistige Substanz und ihr einfaches Prinzip: „Und als König zwingt er nicht, sondern überredet. Er will nämlich, dass sich diejenigen, die unter ihm stehen, in Freiheit seiner Heilsökonomie fügen. Er will nicht, dass die gute Tat irgendeines Menschen erzwungenermaßen, sondern freiwillig zustande kommt“.35 Im unermüdlichen Werben um die Freiheit der Seelen, die er zu sich und zum Vater zurückzuführen sucht, wird der Sohn, wie Origenes in seiner Lehre von seinen unterschiedlichen im Neuen, aber auch im Alten Testament niedergelegten Daseins‑ und Wirkweisen, seinen ἐπίνοιαι, darlegt, jeder Seele zu eben dem, was sie zu ihrem Heil benötigt. Ist er an sich vielgestaltiges Eines, nämlich die eine alle Prinzipien und Ideen in sich einbegreifende Weisheit, als die er, von ihm „als Anfang seiner Wege“ (Spr 8,22) geschaffen,36 den einfachen Vater unaufhörlich schaut, so wird er im Heilswerk in der Vielzahl der unterschiedlichen ἐπίνοιαι, die er ohne den Abfall der Menschen von ihm nicht angenommen hätte, selbst zu „vielem“ oder gar „allem“: „Was nun Gott betrifft, so ist er absolut Eins und etwas schlechthin Einfaches. Anders unser Erlöser: Um des Vielen willen – denn ‚Gott bestimmte ihn im Voraus als Sühne‘ (Röm 3,25) und Erstlingsgabe für die ganze Schöpfung – wird er selbst zu Vielem, wenn nicht gar zu allem, was die ganze Schöpfung, fähig, befreit zu werden, so sehr von ihm braucht. Und deshalb wird er zum ‚Licht der Menschen‘, als die Menschen, gefangen in der Finsternis des Bösen, eines Lichtes bedürfen, ‚das in der Finsternis leuchtet, ohne von der Finsternis ergriffen zu werden‘ (Joh 1,5). Allerdings wäre er, ohne dass die Menschen in Finsternis gefangen gewesen wären, nicht zum Licht der Menschen geworden“.37

Zur göttlichen Pädagogik gehört ebenso die gütige Zuwendung in der Schau der „Blüte“, als die er sich dem folgsamen Schüler offenbart, wie die strenge „Rute“ gerechter Zurechtweisung gegenüber den widerständigen.38 Güte und Gerechtigkeit sind also nicht etwa, wie Markion und Valentin wollen, zwei 32 So überschreibt H. Koch das kosmologische System des Origenes in Pronoia und Paideusis. Studien über Origenes und sein Verhältnis zum Platonismus (AKG 22), Berlin 1932. 33  Es ist dies die treffende Kurzzusammenfassung der origeneischen Christologie bei A.-C. Jacobsen, Christ  – The Teacher of Salvation. A Study on Origen’s Christology and Soteriology (Adamantiana 6), Münster 2015. 34  Princ. 2,1,2. 35  Hom. Jer. 20,2. 36 Vgl. die Identifikation von neutestamentlichem Wort und alttestamentlicher Weisheit in Orig., Comm. Jo. 2,9,55. 37   A. a. O. 1,20,119 f. 38 Vgl. a. a. O. 1,36,263.

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unterschiedlichen Göttern zuzusprechen, sondern als Wirkweisen des einen Gottes, des Vaters, anzusehen, der im Appell an die Freiheit jedes Einzelnen, wie im Alten und im Neuen Testament dokumentiert, bald seine Güte, bald seine Gerechtigkeit offenbart. Als guter Lehrer ist der inkarnierte Logos zugleich „beratend“ und „abratend“ wie „tadelnd“ und „scheltend“ tätig. Motiv ist hier wie dort, wie auch Klemens in seiner Auffassung der Heils‑ als Lehr‑ und Lerngeschichte betont, nichts anderes als die Güte Gottes, sein „Wohlwollen“, mit dem er den Seelen den rechten Weg zur Teilhabe an ihm als Tugend und Weisheit weisen will: „Folglich macht der Herr nicht aus Hass den Menschen Vorwürfe, ihnen, die er wegen ihrer Sünden auch hätte vernichten können, während er für uns sogar gelitten hat. Denn in seiner Eigenschaft als guter Erzieher kleidet er außerordentlich geschickt seinen Tadel in Vorwürfe. Wie mit einer Geißel treibt er mit dem Schmähwort den trägen Sinn in die Höhe, und zur Abwechslung versucht er wiederum den gleichen Menschen Mut zu machen“.39 Es liegt auf der Hand, dass sich das Gleichnis als erzählerisches Ganzes wie im narrativen Detail nach Ansicht der beiden Alexandriner ganz in die kenotische Logik ihrer heilsgeschichtlichen Metaphysik vom Aufstieg der Seele in wachsender Selbstbestimmung und Freiheit, zu dem ihr Christus in Abstieg und Akkommodation nach und nach zu verhelfen sucht, einfügt. Seine zunächst einfache Sprache und Aussage ist nicht etwa, wie Kelsos und Porphyrios fälschlich behaupten, Beleg für sein geringes philosophisches Niveau, sondern, im Gegenteil, profundes Zeugnis des ersten Prinzips aller Dinge, der Freiheit und Güte Gottes, die sich, in der griechischen und hebräischen Philosophie lediglich erahnt, in der Kenosis von Christi Seele auf höchste Weise geschichtlich offenbart hat: „Denn man muss den Mut haben und es sagen: Die Güte des Christus hat sich als größer und göttlicher (und wahrhaft als Bild des Vaters) erwiesen, da ‚er sich selbst erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod, zum Tod am Kreuz (Phil 2,8), als wenn ‚er wie an einem Raubgut daran festgehallten hätte, Gott gleich zu sein‘ (Phil 2,6), und nicht für das Heil der Welt hätte Knecht werden wollen“.40 Stellt der leicht fassliche Literalsinn des Gleichnisses ein Mittel der pädagogischen Akkommodation dar, mit dem Jesus die einfache Seele gewinnen will, ist seine tiefere Bedeutung eben die der Heilsmetaphysik vom guten Gott, dem transzendenten Einen bzw. Vater, der sich in der Weisheit, dem Sohn, als erkennbare geistige Substanz offenbart. Die Gleichnisexegese des Klemens und Origenes versteht sich als spekulative-pädagogischer Nachvollzug der „Bewegung Gottes“, mit der zunächst sie selbst, dann die von ihnen geleitete christliche Gemeinde nach und nach Jesu symbolische Menschheit sinnlich sehen und ihn im Aufstieg zu seinem eigentlichen wahren Wesen als Weisheit des Vaters geistig begreifen können. Beiden Alexandrinern, Klemens wie Origenes,  Paed. 1,66. Jo. 1,32,231.

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40 Comm.

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ist gemein, dass sie hierzu auf der Grundlage ihrer Metaphysik göttlicher Akkommodation in Inkarnation und Pädagogik eine eigene Theorie der Gattung Gleichnis entwickeln, die sie ihren anagogischen Exegesen der synoptischen Gleichnisse und der johanneischen Bildworte konsequent zugrunde legen.

III. Bilder göttlicher Paideia – Jesu Gleichnisse in der alexandrinischen Schriftauslegung 1. Vom Bild zur Wirklichkeit: Das Gleichnisverständnis des Klemens von Alexandria Der heilsgeschichtliche Charakter gibt der Gleichnisexegese des Klemens durchweg das Gepräge: Es ist der Zweck von Christi Heilswerk, die Seele in der Pädagogik, mit der er in um ihretwillen unternommener Selbsterniedrigung auf sie einwirkt, zur Einsicht in ihr eigentliches göttliches Wesen zu bewegen. Hierauf zielt auch die Gleichnisauslegung des Klemens, die den Leser bzw. Hörer über die für das Genre konstitutiven Analogien zwischen irdischer und himmlischer Wirklichkeit nach und nach zu einem Leben der Tugend und der Erkenntnis anzuleiten sucht. Den Gleichnisbegriff beschränkt Klemens nicht auf die so bezeichneten symbolischen Erzählungen Jesu in den synoptischen Evangelien. Mittels eines exegetischen Syllogismus, wie er ihn allgemein schätzt, erweist er das Genre vielmehr als Grundausdrucksform der gesamten Heiligen Schrift. Wenn nämlich, wie Johannes lehrt, alles „durch ihn wurde“ und er, wie Matthäus sagt, alles „in Gleichnissen sagte“, dann muss „alles“ im von Christus diktierten Alten wie im Neuen Testament als Gleichnis angesprochen werden: „Die Apostel berichten ja vom Herrn, dass ‚er alles in Gleichnissen sagte und ihnen nichts ohne Gleichnisse sagte‘ (Mt 14,34). Wenn aber ‚alles durch ihn wurde und ohne ihn auch nicht eines wurde‘ (Joh 1,3), dann ist füglich auch die Weissagung und das Gesetz durch ihn geworden, und bei beider Verkündigung wurden Gleichnisse von ihm verwendet“.41 Das literarische Genre ist bei Klemens untrennbar mit dem heilsökonomischen Grunddatum der Inkarnation verknüpft, in der Christus sich dem schwachen Verstandesvermögen der gefallenen Seelen anpasst. Paradoxerweise enthüllt das Gleichnis als literarisches Mittel der Offenbarung seine symbolische Wahrheit zunächst gar nicht, sondern verhüllt sie, im Gegenteil, sogar, um die Unkundigen vor dem Schaden, der ihnen aus einem Missverständnis unweigerlich erwachsen müsste, zu bewahren. Andererseits erweist es sich aber darin als das Grundgenre der Heiligen Schriften, dass es dem Leser gleichsam in literarischer Imitation der historischen Inkarnation in Bild  Strom. 6,125.

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und Sinnlichkeit an der Ewigkeit des urbildlichen Geistes Anteil geben will. Die Logik der literarischen Form des Grundgenus aller Schriften des Alten und Neuen Testaments ist nach Klemens mithin zutiefst inkarnatorisch: „Die Heiligen Schriften haben nämlich Gleichnischarakter (παραβολικὸς γὰρ ὁ χαρακτὴρ ὑπάρχει τῶν γραφῶν), weil auch der Herr, obwohl er nicht zu dieser Welt gehörte, wie ein

Geschöpf dieser zu den Menschen kam. Denn er trug auch alle Tugend an sich und war dazu bestimmt, den in dieser Welt heimischen Menschen durch die Erkenntnis zu dem Geistigen und allein Wirklichen emporzuführen, aus dieser Welt in eine andere Welt. Deshalb bedient er sich auch der Schrift als Metapher (διὸ καὶ μεταφορικῇ κέχρηται τῇ γραφῇ). Ein Gleichnis ist nämlich das Folgende: Es ist eine Redeform, die von etwas, das nicht das eigentlich Gemeinte, aber ihm ähnlich ist, den Verständigen zum Wahren und Eigentlichen emporführt (λόγος ἀπό τινος οὐ κυρίου μέν, ἐμφεροῦς δὲ τῷ κυρίῳ ἐπὶ τἀληθὲς καὶ κύριον ἄγων τὸν συνιέντα), oder, wie einige sagen, eine Ausdrucksweise, die das eigentlich Gemeinte durch anderes nachdrücklich vor Augen stellt (ἤ, ὥς τινές φασι, λέξις δι᾽ ἑτέρων τὰ κυρίως λεγόμενα μετ᾽ ἐνεργείας παριστάνουσα)“.42

Die Parallelisierung von Inkarnation und Schrift, die beide dem Zweck der Selbstoffenbarung des vom christlichen Platoniker konsequent mit der eigentlichen und einzigen Wirklichkeit der geistigen Ideen identifizierten Sohnes in einem für die Seele fassbaren sinnlichen Medium dienen, mündet organisch in eine Definition des Genres Gleiches, das eine Form übertragener und uneigentlichmetaphorischer Bildrede ist. Sein und Sprache korrespondieren einander konsequent, wenn der platonische Aufstieg vom uneigentlichen Bild zur eigentlichen Wirklichkeit als Zweck des biblischen Grundgenus erscheint. Mittel dazu ist eine vom Hörer bzw. vom Exegeten zu erkennende Ähnlichkeit, die das niedere irdische mit dem höheren himmlischen Sein verbindet. Zwischen Ab‑ und Urbild besteht innerhalb des christlichen Neuplatonismus des Klemens, dessen Grundlage die von ihm ins Schrifthermeneutische gewendete Dialektik von Einheit und Vielheit im platonischen Parmenides ist,43 ein Verhältnis differenzierter Identität, nach dem Ersteres mit Letzterem als dem Prinzip seines eigentlichen Selbst zugleich eins und aufgrund seiner geringeren Seinsfülle verschieden ist. Der Aufstieg vom uneigentlichen Buchstaben und Bild zum eigentlichen Geist und Sein, zu dem das jesuanische Gleichnis, gestützt auf ein tertium quid oder „etwas, das nicht das eigentlich Gemeinte, aber ihm ähnlich ist“, den Hörer bzw. den Leser anzuleiten sucht, ist das Telos der Gleichnisexegese in den Hauptschriften des

42  A. a. O.

6,126.  Vgl. hierzu die Darstellung von Klemens’ symbolistischer Ontologie und Epistemologie im Sinne des genannten grundlegenden Referenztextes des paganen und christlichen Platonismus bei E. F.  Osborn, The Philosophy of Clement of Alexandria, Cambridge 1957, 168–174, sowie die darauf aufbauende Analyse zum Schriftverständnis bei dems., Clement of Alexandria, Cambridge 2005, 56–80. Siehe ferner das dem Symbolbegriff des Klemens gewidmete Kapitel bei R. Mortley, Connaissance Religieuse et Herméneutique Chez Clément d’Alexandrie, Leiden 1973, 188–207. 43

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Klemens, namentlich in den Abhandlungen Paidagogos und Stromata, und der einzigen von ihm erhaltenen Predigt mit dem Titel Quis dives salvetur. Tertium comparationis des in einer Rekapitulation am Ende des ersten Buches des Paidagogos ausgelegten matthäischen Gleichnisses vom Senfkorn ist die geschichtliche Entfaltung der göttlichen παιδεία Christi, die sich gleich der Pflanze von unscheinbaren Anfängen über das alttestamentliche Gesetz bei den Hebräern und der platonischen Philosophie bei den Griechen bis hin zum Erfolg des Evangeliums entfaltet. In seiner konsequent christologischen Lesart des Gleichnisses vom Himmelreich geht Klemens sogar so weit, dass er Erzähler und Gegenstand kurzerhand in eins setzt. Eindringlich beschwört Klemens den Erfolg des Evangeliums in der Heilsgeschichte, dem in der Bildsprache des Gleichnisses die große Fruchtbarkeit des zunächst klein und unbedeutend scheinenden Pflänzchens entspricht. Zugleich tritt neben das Vergleichsmoment des Wachstums – des irdischen im Bild, des geistigen in der Wirklichkeit – das der Bitternis, die in Gestalt des Tadels ebenfalls integraler Bestandteil der göttlichen παιδεία ist: „Somit hat er sich selbst vortrefflich damit gekennzeichnet, dass er sich mit einem Senfkorn verglich. Damit wies er hin auf die geistige Art des als Same ausgestreuten Wortes und den Ertragreichtum seiner natürlichen Anlage und auf die Großartigkeit und das rasche Wachstum der Macht des Wortes. Außerdem deutete er aber auch an, dass das Beißende und das Reinigende des Tadels infolge seiner Bitterkeit nutzbringend sei“.44 Auch hier verfolgt Klemens mit dem pädagogischen tertium quid, mit dem er Jesu Gleichniswort interpretiert, ein antihäretisches Anliegen. Wenn erfolgreiche Pädagogik, wie es alle in einem lehrenden Metier Tätigen bestätigen können, gütige Zuwendung und strenge Zurechtweisung erfordert, dann sind gewisse alttestamentliche Darstellungen eines vermeintlich grausamen Gottes, wie sie die Anhänger Markions und Valentins fälschlich als Beleg für ihren Ditheismus anführen, als Zeugnisse des zugleich guten und strengen Gottes aufzufassen. Erzieht er nämlich im Alten Bund der Hebräer, dem Alten Testament, und dem der Griechen, der Philosophie, noch vornehmlich mit gerechter Strenge, so ist seine Pädagogik in Inkarnation und Neuem Testament zuvörderst die einer gütigen Liebe. Konsequent mündet die Gleichnisauslegung nach einem Abriss der Heilsökonomie in ein Lob dessen, dem der Vater als „einzigem, der allein wahr, gut gerecht, nach dem Bild und der Ähnlichkeit des Vaters sein Sohn Jesus, der Logos Gottes ist, unserer Erzieher, dem Gott uns übergeben hat“.45 Ihm allein gehört mit „Wissen, Wohlwollen, Freimütigkeit“ der in Platons Gorgias46 festgeschriebenen Trias essentieller Eigenschaften des guten Lehrers. Gleichnisauslegung ist bei Klemens zugleich Metaphysik und Geschichtsphilosophie, in der die Seele in der Einsicht  Paed. 96,1.   A. a. O. 97,1. 46 Plat., Gorg. 487a, zitiert ebd. 44 45

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in die eigentliche trinitarisch-christologische Botschaft Anteil an dem in symbolischer Naturgeschichte dargelegten Erlösungsprozess erlangt. In den Bereich des geschichtlichen Wechsels von dunkler Unwissenheit in lichtes Wissen, den der Lehrer des Menschengeschlechts, Christus als Subjekt und Gegenstand des Gleichnisses, herbeiführt, gehört auch die Auslegung des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen in den Stromata. Zunächst deutet Klemens Jesu Selbstaussage: „Ich bin die Wahrheit“, gestützt auf den berühmten Wagenlenkermythos in Platons Phaidros,47 als Gleichsetzung von Sohn und geistiger Welt. Es ist die intelligible Welt des platonischen Dialogs, die nach dem Zeugnis des Prologs des Johannesevangeliums, aus dem Vater, dem Einen, hervorgegangen, zunächst zum Schöpfer, dann in der Inkarnation zum Erlöser wird: „Nachdem aber das Wort hervorgetreten war, wurde es Urheber der Schöpfung. Dann erzeugt es aber auch sich selbst, wenn ‚das Wort Fleisch wird‘ (Joh 1,14), damit es gesehen werden kann“.48 Die Funktion des Gleichnisses, die symbolische Selbsterschließung des Wortes als der Fülle der intelligiblen Wirklichkeit, hat seinen metaphysischen Grund zunächst also in der Inkarnation, dann sogar in der Schöpfung selbst, in der sich der überseiende eine Vater im Sohn als geistiges Sein mitteilt. Ehe die Seele ihn, vermittelt über seine vielfältigen Gleichnisse vor, während und nach der Inkarnation, zu begreifen vermag, muss sie es ihm gleichtun und ohne alle Gewalt dem Frieden dienen. Vor allem aber, und abermals verquickt Klemens Platonisches und Biblisches, muss die Seele sich, wie es das Pupillengleichnis im Alcibiades maior49 und das von den zehn Jungfrauen im Matthäusevangelium verlangen, selbst als unwissend erkennen und sich dem Wort, dem einzigen Lehrer, unterwerfen: „Solcher Art sind auch die Lampen der klugen Jungfrauen, die nachts angezündet waren in der tiefen Finsternis der Unwissenheit, die die Schrift sinnbildlich ‚Nacht‘ nannte. Kluge Seelen, rein wie Jungfrauen, die erkannt haben, dass sie sich nicht in der Unwissenheit der Welt befinden, zünden das Licht an und wecken ihren Geist auf und machen die Finsternis hell und treiben die Unwissenheit hinaus und suchen die Wahrheit und warten auf das Erscheinen des Lehrers“.50 Das „Erscheinen des Lehrers“, das durchweg Prinzip und Zentrum seiner Gleichnishermeneutik eines soteriologischen tertium comparationis ist, ist auch Gegenstand der längsten erhaltenen Gleichnisexegese im Œuvre des Klemens in der Quis dives salvetur betitelten einzigen auf uns gekommenen Homilie aus seiner Feder. In der Predigt, in der er sich an die begüterten Mitglieder der alexandrinischen Kirche wendet, löst Klemens das Problem des Ausschlusses des Reichen aus dem Himmelreich, wie ihn Jesu Gleichnis vom Nadelöhr (Mt 19,24) prima facie apodiktisch festzuschreiben scheint, in einer Auslegung, mit der er 47 Plat.,

Phaedr. 246–248.  Clem. Al., Strom. 5,16. 49  Plat., Alc. maj. 182–183. 50 Clem. Al., Strom. 5,17. 48

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nicht weniger als eine „Erklärung der Grundursachen und der Theologie“51 zu geben beansprucht. Im Sinne seiner allgemeinen Lösung eines christlich-platonischen Stoizismus, nach dem der Reichtum ethisch-soteriologisch weder gut noch böse, sondern ein zu dem einen wie zu dem anderen verwendbares Adiaphoron ist, hebt er den höchsten Wert der christlichen Ethik, das doppelte Liebesgebot, hervor, dessen Universalität er im typologisch ausgelegten Gleichnis vom barmherzigen Samariter ausgedrückt findet. Symbolische Verkörperung des Liebesdienstes, den Christus der Seele in Fleischwerdung und Erziehung erweist, ist dem alexandrinischen Exegeten im Gleichnis der typologisch auf ihn bezogene Samariter. Als analog-anagogisches tertium quid fungiert hier die Versorgung der Wunden, die in der uneigentlich-abbildlichen Erzählung körperlicher, ihrer eigentlich-urbildlichen Bedeutung nach aber seelischer Natur sind. Es handelt sich in Wirklichkeit um die Leidenschaften der Seele, von denen Christus sie bis hin zur Apathie, dem höchsten Ideal des von Klemens in Abhandlung wie in Homilie propagierten christlichen Stoizismus, nach und nach befreit: „Für alle diese Wunden ist der einzige Arzt Jesus, der die Leidenschaften ganz und gar mit der Wurzel ausschneidet und nicht wie das Gesetz nur ihre Wirkungen, die Früchte der schlechten Pflanzen, beseitigt, sondern vielmehr seine Axt an die Wurzeln der Bosheit anlegt“.52 Ihm sollen es die Adressaten der Predigt gleichtun, wenn auch sie nach seinem Vorbild ihre irdischen und geistigen Güter mit allen Mitmenschen neidlos teilen. Sowohl die Hermeneutik des Aufstiegs vom Buchstaben zum Geist, nach der das Symbol im Gleichnis seine eigentliche Bedeutung im Überstieg zum metaphysischen Begriff findet, als auch das Leitthema der Freiheit Gottes und der Seele von der Schöpfung bis zur Erlösung bestimmen auch die Gleichnishermeneutik des Origenes, des zweiten großen alexandrinischen Platonikers. Er ist es, der die ersten Ansätze einer Theorie und Hermeneutik des Gleichnisses bei Klemens zu einer an einer Vielzahl von synoptischen Jesusgleichnissen erprobten umfassenden Philosophie des Grundgenres der Heiligen Schrift weiterentwickelt. 2. Exoterisches Gleichnis und esoterischer Vergleich – Akkommodation und Heilsmetaphysik bei Origenes Die christliche Philosophie der Freiheit, von der nach tiefer Überzeugung des Origenes jeder einzelne Vers der Schrift Zeugnis ablegt, ist auch zentraler Gegenstand sämtlicher Gleichnisse Jesu. Stets geht es dem spekulativen Exegeten in seiner Nachfolge um die mit einem freien Willen begabte Seele des einzelnen Christen, die der Vater, vom zweiten großen Alexandriner selbst als „ungezeugte Freiheit“ und als „Bewegung“ bestimmt, in Sohn und Geist unaufhörlich 51

 Quis div. 25,8. 29,3.

52  A. a. O.

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dazu einlädt, aus freien Stücken an der Selbstmitteilung seines Wesens in Güte und Geist Anteil zu erlangen. Ist die „Bewegung Gottes“ der Ursprung des Gleichnisses, in dem sich der Vater über Sohn und Geist im Wort und Wirken der Christus-Seele mitteilt, so ist die neuerliche Teilhabe aller daran sein letztes und höchstes Ziel. Die zahlreichen Einzelauslegungen der jesuanischen Gleichnisse im erhaltenen exegetischen Werkcorpus des Origenes beruhen auf einer auch bei ihm eng mit der Christologie und Schrifttheorie verflochtenen Theorie des Genres. In einem in griechischer Sprache erhaltenen Fragment seines Proverbienkommentars definiert der zweite große christliche Platoniker von Alexandria das Gleichnis als „einen Bericht eines Ereignisses, das zwar nicht dem Wortlaut nach stattgefunden hat, das aber durchaus so hätte stattfinden können. Es ist eine figurative Darstellung gewisser Dinge gemäß der Teilhabe der im Gleichnis erwähnten Dingen“.53 Nicht von ungefähr verwendet Origenes mit dem metaphysischen Teilhabe-Begriff (μετάληψις), dem im Genretheoretischen am ehesten Termini wie „Vertauschung“, „Übertragung“ oder „Deutung“ entsprechen,54 die Grundkategorie seiner theistischen Metaphysik, nach der die sichtbare irdische Realität allgemein und die Worte und Geschehnisse der Heiligen Schrift speziell dem gefallenen Geistwesen als Bild und Gleichnis eine höhere unsichtbare, nämlich die vielgestaltige intelligible Wahrheit und Weisheit des Sohnes, und das einfache transzendente Prinzip, den Vater, erschließen sollen. Es entspricht der platonischen Ontologie von irdischem Abbild und himmlischem Urbild, dass das Zeichen selbst zugleich mit der bezeichneten höheren Wirklichkeit, an der es teilhat, identisch und von ihr unterschieden ist. Leitend ist für die genretheoretischen Überlegungen, wie Origenes sie wiederholt in seine Gleichnisauslegungen einflicht, der Charakter der Gleichnisses Jesu als gnadenhafte Akkommodation seiner in der Inkarnation leiblich und sichtbar gewordenen höheren ursprünglichen geistigen Wirklichkeit an das verminderte Fassungsvermögen der gefallenen Seele im für sie unmittelbar erfassbaren Symbol von Rede und Bild. In eingehender Analyse des narrativen Rahmens, mit dem der Evangelist die Gleichniserzählungen versieht, stellt Origenes fest, dass er Jesus die ersten außerhalb des Hauses der versammelten breiten Masse, die späteren dagegen innerhalb des Hauses im engen Kreis seiner Apostel vortragen lässt. Den exoterischen und esoterischen Gleichnissen entsprechen zwei Stufen des geistigen 53  Comm. Prov. 1,12: ἔστι τοίνυν παραβολὴ λόγος ὡς περὶ γενομένου, μὴ γενομένου μὲν κατὰ τὸ ῥητόν, δυναμένου δὲ γενέσθαι, τροπικῶς δηλωτικὸς πραγμάτων ἐκ μεταλήψεως τῶν ἐν τῇ παραβολῇ λελεγμένων.

54  Vgl. auch die Übersetzungsvorschläge des diffizilen Fragments bei Wiles, Early Exegesis (s. Anm. 9), 287, und bes. Lau, Origenes’ tropologische Hermeneutik (s. Anm. 8), 42 f. Gegenüber den Paraphrasen dort ruht der Schwerpunkt in der oben gegebenen deutschen Fassung im Sinne der platonischen Metaphysik des Alexandriners auf dem metaphysischen fundamentum in re seiner Gleichnishermeneutik: Die „Übersetzung“, die das Gleichnis erfordert, setzt die „Teilhabe“ der Worte und Taten, von denen es handelt, an der bezeichneten göttlichen Wirklichkeit voraus.

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Fortschrittes der Seele innerhalb der einen Heilskökonomie, eine untere der Vorbereitung, die für die einfachen, und einer höhere der Vollendung, die für die bereits fortgeschrittenen Seelen gedacht ist. Es entspricht dem engen Konnex von Heilskosmologie und Genretheorie, wenn Origenes gleich zu Anfang einer ausführlichen Auslegung der Gleichnisse über das im Anbruch begriffene Himmelreich ein nur scheinbar unerhebliches Detail wie Jesu Heraustreten aus dem Haus als Beleg seiner „Menschenliebe“ deutet, die ihn auch die aufgrund ihres Abfalls von Gott geistlos gewordenen Massen aufsuchen lässt: „Wenn Jesus bei den Massen ist, ist er nicht in seinem Haus, denn die Massen sind außerhalb des Hauses, und es ist das Werk seiner Menschenliebe, das Haus zu verlassen und sich zu denen zu begeben, die nicht zu ihm kommen können“.55 Die „Menschenliebe“ nämlich, durch die er in der origeneischen Freiheitsmetaphysik definiert ist, lässt den „leidensunfähigen“ Gott selbst, wie der Alexandriner bewusst paradox formuliert, „Mitleid“ mit der gefallenen Schöpfung empfinden: „Der Leidensunfähige litt aus Menschenliebe, insofern er vom Mitleid ergriffen wurde, und zwar hatte er nicht nur Mitleid, sondern heilte auch ihre Kranken, die vielfältige und verschiedenartige Krankheiten hatten, die aus der Schlechtigkeit kamen“.56 Der ontologischen „Bewegung Gottes“, des Vaters, vom Himmel zur Erde, die er in der von Sohn und Heiligem Geist nach dem Bild seiner Heiligkeit geformten Christus-Seele vollzieht, korrespondiert genretheoretisch somit die Unterscheidung zwischen den zwei fundamentalen semantischen Ebenen des Gleichnisses, das aus Gründen der pädagogischen Akkommodation an die gefallene Masse außerhalb des Hauses sprachlich wie inhaltlich „einfach“, innerhalb des Hauses dagegen Zeugnis der tiefsten Geheimnisse von Gott, Welt und Mensch ist: „Wenn das nämlich alles zusammengetragen ist, wird es den, der dies aufmerksam liest, überzeugen, dass der Text des Evangeliums nicht nur einfach ist, wie manche meinen, sondern dass er für die Einfachen zwar gemäß der Heilsökonomie gewissermaßen einfach geworden ist, für die aber, die schärfer auf ihn hören wollen und können, weise und des Wortes Gottes würdige Dinge birgt“.57 Dient der einfache Literalsinn des Gleichnisses dem Heil der Vielen draußen, so richtet sich seine höhere moralisch-geistige Bedeutung, die Jesus seinen Jüngern im Innern des Hauses offenbart, an die wenigen Fortgeschrittenen. Im Haus, das wie nahezu sämtliche Ortsangaben in der Schrift symbolischen Charakter hat und für seine höhere göttliche Natur steht, erläutert Christus den Jüngern den genauen Inhalt der Gleichnisrede und gibt ihnen Anteil an seinem Geist selbst, dem allein ein umfassendes Verständnis sämtlicher ihrer Details möglich ist. Nicht nur nämlich, dass ein geschriebenes körperliches Wort die im Haus offengelegte geistige Aussage grundsätzlich niemals zu fassen vermöchte, ist die  Comm. Matt. 10,1.   A. a. O. 10,23. 57  A. a. O. 10,1. 55 56

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Übersetzung der Gleichnisse, die Jesus den Jüngern im verborgenen kleinen Kreis anvertraut, von solcher semantischer Fülle, „dass“, wie Origenes mit Johannes voller Ehrfurcht vor der Tiefe der biblischen Botschaft ausruft, „nicht einmal die Welt ‚die Bücher fassen würde‘ (Joh 21,25), die über diese Gleichnisse geschrieben würden“.58 Wenn aber die heilsökonomische Akkommodation, also die Anpassung des Fleisch gewordenen Gottessohnes an das niedere Fassungsvermögen der gefallenen Seele, ein definierendes Merkmal des Genres ist, so hört die esoterische Symbolerzählung, die dergleichen aufgrund des großen Fortschrittes der Adressaten gar nicht mehr braucht, auf, Gleichnis im strengen Sinne zu sein. Die Schrift scheint dies nach Origenes selbst nahezulegen, wenn sie Gott lediglich außerhalb in Gleichnissen sprechen lässt. Im Innern des Hauses bedient sich Jesus, wie Origenes aus Mk 4,30: „Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen (ὁμοιώσωμεν) oder in welchem Gleichnis es darstellen?“ schließt, nicht des „Gleichnisses“, sondern, wie er mit zwei alternativen Termini, dem nomen qualitatis ὁμοιότης und dem nomen actionis ὁμοίωσις, auszudrücken sucht, des „Vergleiches“, in dem einander sinnliches Bild und übersinnliche Bedeutung, wie es dem terminus technicus der origeneischen Genretheorie in Etymologie und Sache entspricht, „verähnlicht“ werden.59 So wie die Seele Christus in einem Leben nach seinem Vorbild immer ähnlicher wird, so nähern sich einander sprachliches Abbild und sachliches Urbild immer weiter an. Innerhalb der Theorie des Genres, die Origenes in seinen Einzelexegesen entwirft, verhält sich der Vergleich zum Gleichnis wie die Gattung zur Art und schließt es als solches gewissermaßen mit ein: „Es scheint also der Vergleich ein Gattungsbegriff, das Gleichnis aber ein Artbegriff zu sein. Vielleicht aber umfasst auch der Vergleich als der allgemeinste Gattungsbegriff des Gleichnisses nicht nur das Gleichnis, sondern auch den Artbegriff Vergleich, der den gleichen Namen trägt wie der Gattungsbegriff“.60 Im Neuen Testament wird der Tropus wie viele andere zen  A. a. O. 14,12. 14,4. Vgl. hierzu die wichtigen Darlegungen bei Lau, Origenes’ tropologische Hermeneutik (s. Anm. 8), 44, bes. Anm. 142, der auf der Grundlage der oben wiedergegebenen Unterscheidung die Übersetzung der zitierten Stelle in Origenes, Der Kommentar zum Evangelium nach Mattäus, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von H. J. Vogt (BGrL 18), Stuttgart 1983, 64 f., in der beide Termini mit „Vergleich“ wiedergegeben werden, der Kritik unterzieht. Während der Begriff „Vergleich“ im Deutschen nämlich die Gleichheit betont, ruht der Akzent im Griechischen auf der Ähnlichkeit, die über das Aktionswort eine im Deutschen kaum wiedergebbare dynamische Dimension erhält. Leider ist der inhaltlich angemessenere Begriff der „Verähnlichung“, den Lau als Übersetzung vorschlägt, allzu archaisch. Nicht von ungefähr, so lassen sich Laus philologische Kommentierungen um ihre auch hier konstitutive philosophische Grundlage ergänzen, ist die ὁμοίωσις τῷ θεῷ, die Telosformel des Platonismus, die Platon selbst nach Orig., Princ. 3,6,1 aus der Schrift plagiiert hat, zugleich der erste Imperativ der exegetisch-philosophischen Lebensform, wie Origenes sie in Kommentar und Predigt umreißt: Im „Vergleich“, in dem er ihnen das Gleichnis übersetzt, gleicht sich Jesus die Jünger weiter an sich an, so dass sie die im Gleichnis symbolisch gelehrte geistige Wirklichkeit immer deutlicher zu begreifen vermögen. 60  A. a. O. 10,4. 58

59 A. a. O.

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trale Termini auch „homonym“ gebraucht. Er bezeichnet also eine Reihe ähnlicher Genres, die allesamt die rhetorische Figur des Vergleichs im Sinne eines sinnliche und geistige Welt metaphysisch verknüpfenden „Ähnlichen“ gemein haben.61 So gebraucht Matthäus selbst etwa den Begriff zum Abschluss des Zyklus der jesuanischen Endzeitgleichnisse, dem Origenes die genretheoretische Unterscheidung entlehnt, im Sinne eines species pro genere, wenn er von Jesus sagt, „er sei von dort weggegangen, nachdem er diese Gleichnisse vollendet hatte“ (Mt 13,52). Entweder nämlich bezeichnet „Gleichnis“ dort lediglich, worauf sich innerhalb des ausgelegten Textes freilich kein Hinweis zu finden scheint, die exoterischen Bilderzählungen oder die niedere Art schließt an der zitierten Stelle auch die esoterische höhere Gattung, von der sie ihre Bezeichnung hat, mit ein.62 Ungeachtet des höheren spekulativen Niveaus seiner esoterischen Lehre stellt gleichwohl auch der „Vergleich“ noch immer eine Form der uneigentlichen Bildrede dar, die, wenngleich im urbildlichen Genus die „Ähnlichkeit“ gegenüber der „Unähnlichkeit“ überwiegt, als solche einer sorgfältigen Exegese bedarf. Symbol und Metapher, wie sie Jesus als vornehmliche sprachliche Mittel heranzieht, sind Bilder, die als solche lediglich einzelne Teile, nie aber das Ganze der dargestellten geistigen Wirklichkeit ausdrücken können: „So versteh mir auch die Vergleiche“, so formuliert Origenes ausdrücklich als hermeneutische Regel, die sich aus seiner Genretheorie ergibt, „die sich im Evangelium für das Reich der Himmel finden: Wenn es mit irgendetwas verglichen wird, kann der Vergleich nicht alles wiedergeben, sondern nur einige Züge, auf die es für den Sinn ankommt“.63 Entsprechend bleibt auch das hehre Bild, das Jesu im Gleichnis bzw. im Vergleich den Jüngern anvertraut, immer in sorgfältig zu eruierenden Bereichen hinter der bezeichneten Wirklichkeit zurück. Im „Wer Ohren hat, der höre“, mit dem Jesus das eigentlich exoterische Gleichnis beschließt, wähnt Origenes einen Appell zur tieferen Spekulation über die esoterischen letzten Dingen, zu denen 61  Vgl. Lau, Origenes’ tropologische Hermeneutik (s. Anm. 8), 45, der den Vergleich innerhalb einer Hierarchie uneigentlicher literarischer Redeformen als höchste Art unterschiedlicher niederer Tropen wie der „Metapher“ abgrenzt: „Auf Grund des für sie konstitutiven Ähnlichkeits-Merkmals ist die Parabel eine species der auf Ähnlichkeit beruhenden Redeweise, die noch nicht durch spezifische Artmerkmale, wie sie etwa der Metapher, der Allegorie, dem Vergleich und eben auch der Parabel eignen, näher bestimmt ist.“ 62  Über die genannte stilistische Figur gelingt es Origenes in Comm. Matt. 10,16, die Aporie, in die Mt 13,52 seine wenige Kapitel zuvor dargelegte Genretheorie zu führen droht, unter Berufung auf die allgemeine biblische Homonymie-Tradition und unter Vermeidung einer einigermaßen gewaltsamen Exegese abzuwenden. 63   A. a. O. 10,11. Wiles, Early Exegesis (s. Anm. 9), 288, missversteht die zitierte Stelle, wenn er aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des platonischen Charakters des origeneischen Gleichnisverständnisses die wichtige genretheoretische Reflexion im Sinne einer hermeneutischen Maxime, nicht jedes Detail einzeln zu interpretieren, deutet. Eine solche Maxime ist dem Alexandriner aufgrund seiner symbolistischen Schriftauffassung, nach der buchstäblich jedes Wort auf das Gesamt des Geheimnisses des guten Gottes transparent ist, gänzlich fremd.

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der Evangelist selbst in Form der eigenen knappen allegorischen Erläuterungen gewissermaßen lediglich den hermeneutischen Schlüssel gegeben hat. Wenn Matthäus Jesu Prophezeiung, „die Gerechten“ würden allesamt „wie eine einzige Sonne leuchten“,64 mit der Aufforderung: „Wer Ohren hat, der höre“ versieht, so ist dies nach Origenes nämlich geradezu protreptisch, d. h. als Ermutigung zu weiterer exegetischer Anstrengung aufzufassen: „So belehrt er diejenigen, die da meinen, das Gleichnis sei in der Erklärung aufs deutlichste ausgelegt, so dass es von jedermann verstanden werden könnte, dass auch das zur Auslegung des Gleichnisses Gesagte selbst wiederum einer Erklärung bedarf“.65 Hermeneutisches Kriterium für die Übersetzung des Bildes in den Begriff, wie sie der Exeget nach dem Vorbild der Evangelisten selbst in Typologie und Allegorese zu leisten sucht, ist das Heilsdrama der komplementären Ab‑ und Aufstiegsbewegungen der „ungezeugten Freiheit“ Gottes einerseits und der gezeugten des Menschen andererseits. Die Zurechnungsfähigkeit der Seelen, die sich selbst „Ursache dafür sind, dass sie Lob empfangen“ und belohnt bzw. getadelt und bestraft werden, setzt Jesus, wie Origenes im Freiheitstraktat seiner frühen Prinzipienschrift darlegt, nicht nur in den hehren Geboten der Bergpredigt, sondern auch im Gleichnis voraus, das, wie Origenes in Sprechakt‑ und Genretheorie verbindender Analyse darlegt, seinen Hörer nicht nur belehren, sondern zuvörderst treffen und zur Umkehr bewegen will: „Wann immer er ein Gebot gibt, so spricht er unter der Voraussetzung, dass es in unserer Macht steht, das Gebotene zu tun, dass wir mit vollem Recht ‚des Gerichtes schuldig‘ werden, wenn wir es übertreten“.66 Die Zurechnungsfähigkeit des Menschen ist als Grundvoraussetzung von Jesu symbolischer Lehre selbst Gegenstand der von ihm erzählten Gleichnisse. So schafft der Logos, wie Origenes es im Sinne des genannten Glaubensartikels im Sämanngleichnis ausgedrückt findet, die Seelen mit „Samenkörnern“ der Wahrheit um Gut und Böse. In seiner Auslegung des genannten Gleichnisses folgt Origenes einerseits nämlich dem Evangelisten, wenn er den Protagonisten der symbolischen Erzählung mit dem „Menschensohn“ (Mt 13,37) identifiziert. Andererseits geht er aber über den Synoptiker hinaus, wenn er den Menschensohn innerhalb seiner nachhaltig vom Johannesevangelium geprägten christlichen Metaphysik zugleich als „Wort“, das „im Anfang bei Gott war“ (Joh 1,2), anspricht. Die Metapher des Säens hat infolgedessen eine doppelte begriffliche Referenz. Zum einen bezeichnet sie die anthropologische Wahrheit der Partizipation aller nach seinem Bild und Gleichnis geschaffenen vielen Logika an dem einen Logos, durch die sie noch vor aller Erfahrung um die ersten Prinzipien von Gut und Böse wissen. Zum anderen ist die Bedeutung heilsgeschichtlicher Natur und bezieht sich auf das Ringen   A. a. O. 10,3.  Ebd. 66 Princ. 3,1,6. 64 65

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zwischen Gott und Teufel um die Seele. Das Unkraut, das Letzterer bald nach seinem eigenen Abfall von Gott sät, wird der Seele, wann immer sie in Trägheit und Überdruss die Betrachtung der genannten angeborenen Prinzipien von Gut und Böse vernachlässigt, unweigerlich zum Verhängnis. Es liegt, wie Origenes unter Verwendung der ursprünglich stoischen Fachterminologie der spätantiken Debatte über Freiheit und Notwendigkeit darlegt, „bei uns“, ob wir das ursprüngliche Saatgut des wahren Sämanns, des Logos, pflegen, damit es gedeihen und zur Pflanze wahrer Freiheit heranwachsen kann, oder es vernachlässigen und im teuflischen Wildwuchs eingehen lassen. Auch in der Auslegung des Bildes vom Ölbaum, der nicht etwa, wie man im Sinne der Gnostiker prima facie annehmen könnte, eine statische natürliche, sondern, im Gegenteil, eine dynamische Freiheitswirklichkeit ausdrückt, führt Origenes alle Dinge auf die Bewegung von Gott und Mensch zurück. So führt ihm unverkennbar das universale biblische Freiheitsapriori, das er gegen Markionismus und Valentinianismus zu verteidigen sucht, die Feder, wenn er in Hinsicht auf den „wilden“ und „guten Ölbaum“ bei Paulus (Röm 11,17)67 darlegt, es sei „die Willensfreiheit, die für einen jeden die Natur bestimmt, sei es die eines wilden, sei es die eines guten Ölbaums“.68 Es ist also innerhalb der wahren christlichen Philosophie der freie Wille, der das Wesen der Seelen bestimmt, nicht umgekehrt, wie es die falsche gnostische will, eine vorgegebene Natur, die ihr Wollen festlegt. Neben der landwirtschaftlichen Metaphorik des Gleichnisses deutet Origenes auch die des Fischfangs, in der Jesus das herannahende Gottesreiche beschreibt, im Sinne der Freiheitsmetaphysik des alexandrinischen Christentums. Demnach fängt Christus als Menschenfischer nicht etwa unveränderlich gute und böse Fische, sondern gleichermaßen zu guten wie zu bösen Eigenbewegungen fähige Geistwesen. Es ist mithin also die fehlgeleite Philosophie, namentlich der Determinismus von unveränderlichen Menschennaturen, der Origenes die Philologie der Gnostiker, ihre mangelhafte Gleichnisexegese in der fehlerhaften Übersetzung der Metaphorik, scharf kritisieren lässt. Die Fische in Jesu Gleichnis vom Fischnetz sind demnach weder literalistisch als geistlose Seetiere noch in missverstandener Metaphorik als unveränderliche Menschenspezies zu interpretieren, sondern müssen konsequent auf das Grunddatum der Philosophie der Schrift, den Menschen als seinem Wesen nach zur Tugend auf‑ bzw. zum Laster absteigenden Wesen, bezogen werden: „Hier aber sind wir die Ursache dafür, dass es gute Arten gibt, die wert sind, in die genannten Gefäße getan zu werden, und schlechte, die wert sind, hinausgeworfen zu werden; denn nicht die Natur in uns ist der Grund der Schlechtigkeit, sondern die eigene Freiheit, die das Böse tut. So ist auch nicht eine Natur Grund der Gerechtigkeit, so als ob sie keine Ungerechtigkeit annehmen könnte, sondern das Wort, das wir angenommen haben, welches die Gerechten rüstet. Bei den Arten der Wassertiere kann man nämlich nicht  Siehe die Auseinandersetzung um das Jesus-Wort in Orig., Princ. 2,5,4. Rom. 8,10.

67

68 Comm.

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wahrnehmen, dass sich einige von schlechten Fischarten zu guten wandeln würden, oder von besseren zu schlechteren, bei den Gerechten oder den Schlechten unter den Menschen aber kann man immer wieder beobachten, wie sie entweder von der Schlechtigkeit zur Tugend kommen oder im Fortschritt zur Tugend erschlaffen und der Schlechtigkeit verfallen“.69

Die Bildworte von Ernte und Fischfang stehen für die Erlösung und Vollendung der Einzelseele, der allein die eigene wandelbare „Freiheit“, nicht die unveränderliche „Natur“ „Ursache“ ihres Wesens ist. Bezieht sich im Sämangleichnis der Prozess des Säens auf die Protologie der Erschaffung der gottebenbildlichen Seele, die in der Selbstreflexion das Gotteswort in ihrem Innern begreifen soll, so ist der Gegenstand der Gleichniserzählung, in der die Knechte das vom Teufel gesäte und in vielen Menschen wuchernde Unkraut auf Geheiß des Hausherrn sammeln und verbrennen, die Eschatologie der „Bewegung Gottes“, in der die Bosheit der Seele durch die Pädagogik der Christus-Seele nach und nach ausgemerzt wird. Während die Verbrennung des Unkrautes die purgative praktische Tugend der Überwindung der Affekte, wie sie den einfachen Christen nach dem jedermann zugänglichen „einfachen“ buchstäblichen Sinn des Gleichnisses im praktischen Leben auferlegt ist, symbolisiert, ist das Licht, in dem am Ende alle Gerechten erstrahlen, ebenso wie die Leitmetaphern anderer von Origenes ausdrücklich als „esoterisch“ und mithin als „Vergleich“ gekennzeichneten Gleichnisse, darunter der „Schatz“, den ein Mensch „im Acker“ findet, und die „schöne Perle“, nach der ein „Kaufmann“ sucht, nichts anderes als die theoretische Tugend der Schau des Vaters im Sohn. Das Gleichnis vom Schatz im Acker etwa enthält in der origeneischen Exegese in nuce den gesamten Aufstieg der Seele im Logos. So fügt der Alexandriner die symbolische Erzählung in seine hierarchische Heilsökonomie, wenn er in doppelter christologischer Auslegung sowohl den Acker wie auch den Schatz mit Christus selbst identifiziert. Ist der Acker der Sohn als die eine Person oder Hypostase, so bezeichnet der Schatz, wie Origenes in exegetisch-metaphysischerer Kombinatorik aufzeigen kann, die höchste seiner vielen Daseins‑ und Erkenntnisweisen, die Weisheit als den Anfang, in dem der Vater nach Gen 1,1 und Joh 1,1 alle Dinge schafft: „Jemand anderes könnte wohl sagen, der in Wahrheit reich bestellte Acker, ‚den der Herr gesegnet hat‘ (Gen 27,27), sei der ‚Christus Gottes‘ (Lk 9,20), der in ihm verborgene Schatz aber sei das, wovon bei Paulus gesagt ist, es sei ‚in Christus verborgen‘, sagt er doch über Christus: ‚In ihm sind die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen‘ (Kol 2,3). Die himmlischen Dinge und das ‚Reich der Himmel‘ (Mt 13,44) werden nun aber wie in einem Bilde durch die Schriften beschrieben, die ‚das Reich der Himmel‘ sind, oder Christus selbst, der König der Äonen, ist ‚das Reich der Himmel‘, das mit einem ‚im Acker verborgenen Schatz‘ vergleichen wird“.70

 Comm. Matt. 10,11. Matt. 10,4.

69

70 Comm.

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Auch die Perle, die der Kaufmann im anschließenden Jesusgleichnis findet und für die er alles verkauft, steht für die Vollkommenheit der theoretischen Tugend in der Erkenntnis der Weisheit des Vaters. Gegenüber der Erkenntnis aller Dinge im Sohn des Vaters verlieren, wie Origenes in Übereinstimmung mit sämtlichen Philosophenschulen seiner Zeit lehrt, alle anderen Dinge ihren Wert. Die Erlösung der Seele besteht in der Erkenntnis aller Dinge im Sohn, die Christus sie zunächst im Gleichnis, dann im Vergleich lehrt. Zu den hehren Dingen, die der Mensch beim Aufstieg vom exoterischen Gleichnis zum esoterischen Vergleich, von Christi eigenem Geist durchdrungen, zu schauen gewürdigt wird, gehört die Mitte der Heilsgeschichte, wie sie sich zwischen dem Anfang der Schöpfung und dem Ende der Wiederherstellung aller Dinge vollzieht. Im Sinne der in der Glaubensregel festgeschriebenen biblischen Grundwahrheit des erlösenden Wissens bezieht Origenes jedes Detail der reichen Bildsprache der Gleichnisse Jesu auf die „Bewegung Gottes“, die in der Liebe und im Mitleid des Vaters ihren Anfang nimmt und nach der „Mitte“ seines Wirkens in der Seele Christi durch Sohn und Geist in der freien Zustimmung aller Geistwesen zu ihm zu ihrem „Ende“ findet. Insbesondere im lukanischen Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner, das er an unterschiedlichen Stellen im erhaltenen exegetischen Werk ausführlich auslegt,71 findet Origenes nachgerade die gesamte conditio humana vom Fall der präexistenten Geister über die Heilstat Christi bis zum gegenwärtigen Werk der Pneumatiker, der fortgeschrittenen christlichen Lehrer, die seine Kirche leiten, ausgedrückt. Das Gleichnis bietet, wie er in einem griechisch erhaltenen Fragment einer Lukashomilie ausdrücklich darlegt, eine „Lehre über den Menschen“,72 also eine umfassende Anthropologie, die den Weg der Seele von ihrem Abfall in das irdische „Jericho“ über das im Christus-Ereignis aufgipfelnde Heilsdrama bis zu ihrer Rückkehr in das himmlische „Jerusalem“ zum Gegenstand hat. Die Auslegung stammt, wie Origenes seinen Darlegungen vorausschickt, nicht von ihm selbst, sondern geht, wie er unter Verweis auf einen namentlich nicht genannten Presbyter bemerkt, auf eine von ihm im Weiteren modifizierte ältere exegetische Tradition vermutlich alexandrinischer Provenienz zurück: „Einer von den Presbytern hat das Gleichnis so ausgelegt: Der da ‚hinabgestiegen ist‘, bedeutet Adam, Jerusalem das Paradies, Jericho die Welt, die Räuber bedeuten die feindlichen Mächte, der Priester das Gesetz, der Levit die Propheten, der Samariter Christus, die Wunden den Ungehorsam, das Reittier den Leib des Herrn, das πανδόχιον, das heißt 71  Neben der Auslegung in Hom. Luc. 34 finden sich exegetische Notizen zum Gleichnis auch in Orig., Hom. in Iob. 6,4 und Orig., Comm. Matt. 16,9. Zur reichen Wirkungsgeschichte der bei Klemens und Origenes literarisch dokumentierten Tradition der alexandrinischen Auslegung dieses Gleichnisses siehe G. Sfameni Gasparro, Varizioni esegetiche sulla parabola del Buon Samaritano. Dal „presbitero“ di Origene ai dualisti medievali, in: E. Livrea/G. A. Privitera (Hg.), Studi in onore di Anthos Ardizzoni, Rom 1978, 949–1012. 72 Comm. Luc., frg. 72.

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die Herberge, die Kirche, weil sie alle, die einzutreten wünschen, aufnimmt. Ferner, die zwei Denare bedeuten den Vater und den Sohn, der Herbergsvater den Leiter der Kirche, dem die Verwaltung obliegt. Die Ankündigung des Samariters, er werde wiederkommen, bezeichnet die Wiederkunft des Erlösers“.73

Zwar würdigt der Alexandriner die traditionelle Exegese ausdrücklich als „gewiss tiefe und schöne Auslegung“ und macht sich zudem zentrale Aspekte, darunter das allgemeine soteriologische Schema mit seinen durch Typologie und Allegorese sorgfältig hergestellten Bezügen zu Christologie und Trinitätstheologie zu eigen. Allerdings korrigiert er in einem Zeugnis der bewegten Auslegungsgeschichte des Gleichnisses im Sinne seines Freiheitsdenkens zwei Details der überkommenen Bedeutung. Zum einen lässt sich der überfallene Reisende nicht einfach mit dem Menschen identifizieren, weil, wie Origenes eigens hervorhebt, nicht alle Menschen auf die Erde gefallen sind. Zum anderen interpretiert er den Abstieg nach Jericho emphatisch voluntaristisch: „Der Mann also“, so hebt er gegenüber der von ihm kritisch rezipierten alexandrinischen Auslegungstradition hervor, „der ‚von Jerusalem nach Jericho hinabstieg‘, fiel deswegen ‚unter die Räuber‘, weil es sein Wille war ‚hinabzusteigen‘“.74 In der charakteristischen ethischen Relecture besteht die Notlage des von Räubern Überfallenen wie bei Klemens vor ihm also nicht etwa in körperlichen Verletzungen, die ihm tatsächliche Wegelagerer beigebracht hätten, sondern im weit ärgeren geistigen Elend eines gottfernen Daseins, das die gefallene Seele in der Knechtschaft des Teufels und seiner Dämonen aufgrund ihrer eigenen Verfehlung im Abfall von Gott fristen muss. Ursache für die Unbilden, die sie in Jericho von der Hand metaphorischer Räuber, der Dämonen und gefallenen Engel, erfährt, ist mithin nichts anderes als ihr eigener Wille, der sie bis zur Ermattung aller guten Impulse Lastern und Sünden dienen lässt. Dennoch ist das irdische Jericho, in das sie hinabsteigt, in der Heilsmetaphysik des Origenes nicht nur, wie es die von ihm wie von Klemens zurückgewiesenen pessimistischen Kosmologien gnostischer Provenienz wollen, bloßes Jammertal, sondern vielmehr vom ersten Moment des schuldhaften Falls an Stätte der göttlichen παιδεία, die der Vater zunächst seinen Engeln, unter denen er die Erde als Ort von Bestrafung wie Bewährung aufteilt, dann dem in Christus Fleisch werdenden Wort, dem Sohn, anvertraut. In kühner exegetischer Kombinatorik, die dem am homerischen Epos geschulten Grundprinzip, erklärungsbedürftige Textstellen unter Hinzuziehung metaphorisch und semantisch verwandter Parallelen zu erhellen, folgt,75 verbindet der Alexandriner hierzu das lukanische „hinabgestiegen ist“, das ihm biblische Gewähr für seine Lehre vom schuldhaften Fall der präexistenten Geist Hom. Luc. 34,3.

73

74 Ebd.

75  Die Bedeutung des Prinzips der alexandrinischen Homerexegese, namentlich die Erklärung Homers aus Homer, für die origeneische Exegese stellt Neuschäfer, Origenes als Philologe (s. Anm. 4), 276–285, mit Recht heraus.

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wesen in die niedere irdische Welt ist, mit der johanneischen Bildrede von der „Aussaat“, um in seiner Gleichnisexegese im Sinne seines christlichen Platonismus auch den providentiell-teleologischen Charakter des Abstiegs der Seelen zur Geltung zu bringen. In Anlehnung an den Timaios Platons, in dem nicht der Demiurg selbst, sondern die „jungen Götter“ die Leiber formen und auf die Erde „säen“, ist die „Aussaat“ der niederen irdischen Menschen bei Origenes das, wie es im ausgelegten Text des vierten Evangeliums heißt, „mühevollen“ Werk der Völkerengel, denen der Vater die gefallene Menschheit am Beginn des irdischen Äons anbefiehlt: „Wenn sich dies aber so verhält, lohnt es sich zu schauen, ob der Dienst der Engel bei der Aussaat der Seelen in Körpern mühevoll ist, denn sie führen zwei im Wesen gegensätzliche Dinge zu einer einzigen Mischung zusammen. Zudem beginnen sie zu einer festgesetzten Zeit, für ein jedes Einzelwesen Sorge zu tragen und das, was sie geformt haben, zur Vollendung zu führen“.76 Die vergängliche Welt, in die der Mensch nach Lukas aus freiem Willen „hinabgestiegen“ bzw. nach Johannes von den Völkerengeln zu Bestrafung und Bewährung „ausgesät“ worden ist, ist, wie Origenes es der den Naturdingen im Gleichnis beigelegten tiefgründigen metaphorischen Bedeutung entnehmen kann, durchweg Ort der schöpferischen Allgegenwart des Vaters im Sohn, in der das gefallene Geistwesen, so ihr ursprünglicher Daseinszweck, allenthalben seine Güte und Weisheit zu schauen vermag. Exegetische Gewähr ist ihm mithin auch hier also die Gleichnissprache als solche, deren reiche Naturmetaphorik, wie er in spekulativer hermeneutischer Metareflexion darlegt, den symbolischen Charakter das Weltganzen zur Voraussetzung hat: „Und vielleicht schuf Gott, so wie er den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis schuf, auch die übrigen Geschöpfe nach dem Gleichnis bestimmter anderer himmlischer Urbilder. Und vielleicht haben alle Einzeldinge auf Erden ein ihnen ähnliches Urbild im Himmel, bis dahin, dass sogar das Senfkorn, das das kleinste unter allen Samen ist, ein ihm ähnliches Urbild im Himmel hat. Und insofern die Sinnstruktur seiner Natur auf solche Weise zusammengesetzt ist, dass es, obwohl es das kleinste von allen Samen ist, größer wird als alle Pflanzen, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen wohnen können, weist es eine Ähnlichkeit nicht nur mit irgendeinem himmlischen Urbild, sondern mit dem Himmelreich selbst auf“.77

Der platonische Exemplarismus von Urbild und Abbild findet im a fortioriSchluss aus dem Senfkorngleichnis eine exegetische Bestätigung: Es ist Christus, der als Weisheit und Wort die Welt vom kleinen Senfkorn bis zum kosmischen 76 Comm. Jo. 13,48,327–329. In Begriff und Sache steht Origenes in der angelologischen Exegese des Jesuswortes: „Ich habe euch gesandt zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt“ (Joh 4,38) der Darstellung des niederen Schöpfungswerkes bei Plat., Tim. 42, nahe, mit dem er nicht nur das Grundanliegen, die Theodizee des „schuldlosen“ Gottes, sondern auch wichtige theologische Einzelmotive wie die nur mittelbare Erschaffung des niedersten Leibes durch den göttlichen Geist selbst und die Erziehung der Menschen durch „junge Götter“ bzw. die verschiedenen Völkerengel gemeinsam hat. 77 Comm. Cant. 3,13.

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Ganzen beseelt und sich der gefallenen Seele im Teil wie im Ganzen offenbart. Als Bild der göttlichen Güte, als das Christus selbst sie im genannten Gleichnis offenbart, hat die irdische Welt also insgesamt „sakramentalen Charakter“.78 Innerhalb der Exegese des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter findet der Sakramentalismus der Welt in der Inkarnation von Christi Seele, die sich aus freien Stücken in das sündige Jericho hinabbegibt, ihren geschichtlichen Höhepunkt. Sind es am Beginn des Dramas der irdischen Welt die Engel, die auf Geheiß Gottes die Seelen in die Welt aussäen und sie pflegen und gedeihen lassen, betritt zu seiner Peripetie Christus selbst, den der Titelcharakter des lukanischen Gleichnisses vom barmherzigen Samariter in heilsökonomischer Typologie verkörpert, die Bühne. Gegenstand des Gleichnisses ist mithin also seine Kenosis. Sie ist, wie Origenes im Römerbriefkommentar ausdrücklich darlegt, „Liebe im eigentlichen Sinne“, das semantische πρὸς ἕν der Liebe, die ihm als Prinzip aller Tugend gilt: „Durch den Tod Jesu wurde alles von uns entfernt, was die Liebe Gottes daran gehindert hat, sich an uns zu erweisen. Im Sinne dieser Erklärung müssen wir hören, dass Gott seine Liebe zu uns erwiesen und sie Bestand gehabt hat. Eine solche Liebe im eigentlichen Sinne ist nur die Liebe Gottes“.79 Nicht von ungefähr findet sich eine der ausführlichsten Auslegungen des Gleichnisses deshalb im Prolog zum Hoheliedkommentar, der als patristisches Pendant zum platonischen Symposion insgesamt dem Thema göttlicher Liebe, dem ἔρως bzw. der ἀγάπη, gewidmet ist. Methodik der origeneischen Exegese ist dort, wie es der Bezeichnung der Liebe des Christus-Typs als „Liebe im eigentlichen Sinne“ entspricht, weniger die Allegorisierung des symbolischen Geschehens zu einem platonischen Mythos über den Ab‑ und Aufstieg der Seelen, wie Origenes sie nach eigenen Angaben im alexandrinischen Traditionsfluidum vorfindet, sondern sein narrativer Rahmen, namentlich der Disput Jesu mit einem ihm feindlich gesinnten Schriftgelehrten. Jesu Gleichnis dient, wie der Alexandriner zunächst analysiert, dem Zweck, ein jedes eingeschränkte Verständnis des biblischen Gebotes der Nächstenliebe a limine zurückzuweisen. Christi eigenes Kommen, das innerhalb des kosmisch-heilsgeschichtlichen Gleichnisses typologisch dargestellt ist, ist Inbegriff der genannten universalen „Liebe im eigentlichen Sinne“, als die der Sohn den Vater offenbart: „Diese Liebe aber betrachtet jeden Menschen als Nächsten. Deswegen nämlich rügt der Erlöser einen Menschen, der meinte, dass eine gerechte Seele gegenüber einer Seele, die 78 So Wiles, Early Exegesis (s. Anm. 9), 297, in einer konzisen Zusammenfassung des sakramentalen Weltverständnisses des Alexandriners, das seiner Gleichnisexegese durchweg zugrunde liegt: „He argues that if a grain of mustard seed, the smallest of all seeds, actually corresponds to the kingdom of heaven itself, then surely all seeds, all plants and all living things must have their heavenly counterparts. In other words, he finds in what he believed to be the comparison of the kingdom of heaven to a simple physical object evidence of the sacramental character of the whole world in which we live.“ 79 Comm. Rom., frg. 28.

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in Ungerechtigkeiten verstrickt ist, die Gesetze der Nächstenliebe nicht beachten müsse, und entwirft für diesen Fall das bekannte Gleichnis, das schildert, wie jemand unter die Räuber fiel, als er von Jerusalem nach Jericho hinabging. Er tadelt darin den Priester und den Leviten, die den Halbtoten sahen, aber vorbeigingen, lobt jedoch den Samaritaner, der Barmherzigkeit geübt hat. Dass dieser für ihn der Nächste gewesen ist, ließ er durch die Antwort dessen, der die Frage gestellt hatte, bekräftigen und sagte ihm: ‚Geh und handle ebenso!‘ (Lk 10,37). Von Natur aus sind wir nämlich alle einander die Nächsten, aber durch Werke der Liebe wird der zum Nächsten, der dem Gutes tun kann, der es nicht kann. Daher ist auch unser Erlöser uns zum Nächsten geworden und nicht an uns vorübergegangen, als wir dalagen, halbtot von den Wunden der Räuber“.80

Insbesondere die Auslegung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, die, wie etwa die Darlegung des Postulats des Seelenfalls zeigt, weithin spekulativmetaphysischen Charakter hat, verdeutlicht so zugleich den praktisch-ekklesialen Ort der origeneischen Exegese von Schrift und Gleichnis,81 über die der fortgeschrittene Christ, der Pneumatiker, seinerseits Christi Werk der Wiederherstellung aller Dinge betreibt. So nutzt Origenes das Gleichnis, um das praktische Verhalten der vollkommenen Christen, die sich Christus zum Vorbild nehmen, eingehend darzustellen. In der Nachfolge Christi, der ihm in der Teilhabe an ihm als Inbegriff praktischer und theoretischer Tugend zum Formprinzip seiner Seele selbst geworden ist, geht der Pneumatiker an der Seele, die, von ihren Lastern verwundet, leblos am Wegrand liegt, nicht achtlos vorbei. Stattdessen nimmt er sich ihrer nach Christi Vorbild an und gliedert sie in der Predigt und Anleitung zur Tugend, dem rechten Handeln und Erkennen, wieder in seinen Leib, die Kirche „als Heilsgemeinde und als Lehrgemeinde“,82 ein: „Wenn es aber von einer Seele heißt, sie sei ‚in der Kirche‘, so meint dies nicht, dass sie sich innerhalb der Gebäude mit ihren Wänden aufhält, sondern dass sie im Gebäude des Glaubens und den Häusern der Weisheit weilt, die mit den hohen Firsten der Liebe bedeckt sind. Es sind also der gute Wille und der Glaube rechter Lehren, die eine Seele im Hause der Kirche sein lassen“.83 So zentral ist die Lehrtätigkeit für das in Jesu Predigt propagierte Ideal des christlichen Lebens, dass Origenes den Imperativ zur Weitergabe dessen, was Christus dem ihm gleichgestalteten Pneumatiker im metaphorischen „Haus“, der Gemeinschaft mit ihm in Tugend und Erkenntnis, mitteilt, wie selbstverständlich als Kern der moralischen Botschaft nahezu sämtlicher seiner Gleichnisse auffasst. Nicht von ungefähr flicht er etwa in seine Auslegung von der kostbaren Perle eine Reflexion über den mühseligen Weg der Seele ein, die, im Fall „zur Unmündigkeit gekommen“, des 80 Comm.

Cant., prol. 30–32.  Vgl. Wiles, Early Exegesis (s. Anm. 9), 299. 82  So bringt H. J.  Vogt, Das Kirchenverständnis des Origenes, Köln 1974, 249, den beherrschenden Leitgedanken der Ekklesiologie des Alexandriners, für die durchweg die Bildung und Erziehung sämtlicher Mitglieder der Kirche zu einer immer tieferen Teilhabe ihrer Seele an Christus als praktischer Tugend und Weisheit leitend ist, prägnant auf den Begriff. 83 Comm. Cant. 3,14. 81

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pädagogischen Beistandes des Pneumatikers bedarf, um unter seiner Leitung von der Unwissenheit und dem Stückwerk der irdischen Erkenntnis zur Fülle des himmlischen Wissens zurückzufinden: „Jede Seele also, welche zur Unmündigkeit kommt und dann voranschreitet ‚zur Vollkommenheit‘, braucht, bis für sie ‚die Fülle der Zeit‘ hereinbricht (Gal 4,4), einen Erzieher und Verwalter und Vormünder“.84 Wie selbstverständlich bezieht Origenes auch die Verurteilung des „schlechten und faulen Knechts“ (Mt 25,26), der im Gleichnis das eine ihm anvertraute Talent vergräbt, unter Bezugnahme auf das Paulus-Diktum: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (1 Kor 9,16) auf die vom getadelten Missetäter schuldhaft versäumte christliche Lehre: „Denn nicht wegen irgendeines anderen tadelnswerten Verhaltens,“ so schließt er, Matthäus mit Paulus auslegend, sogleich jede mögliche alternative Lesart mit Nachdruck aus, „sondern allein deswegen, weil er das Evangelium nicht verkündet hätte, würde ihm, wie er bekennt, das Wehe gelten. Es erscheint nämlich ganz offenkundig, dass er dann erwartet hätte zu hören: ‚Du schlechter und fauler Knecht‘, wenn er das Evangelium nicht verkündet hätte, obwohl die anderen Dinge in seinem Leben in Ordnung wären“.85 Auch im Weiteren gilt dem spekulativen Exegeten der Konnex als schlechthin evident. Wenn Jesus seine Jünger ermahnt, „Hand an den Pflug“ zu legen, ohne „zurückzuschauen“ (Lk 9,62), so kommt auch dies „offenkundig“ einer Warnung gleich, die Lehrtätigkeit nicht zu vernachlässigen. Über die Kirche als „Lehrgemeinde“ nämlich, in die der Pneumatiker nach dem Vorbild seines Typos, des barmherzigen Samariters, jede in Fall und Sünde „zur Unmündigkeit gekommene“ Seele im Unterricht wiedereingliedert, stellt Christus nach und nach alle Dinge wieder her. Das Ende aller Dinge ist ein beherrschendes Thema der origeneischen Gleichnisexegese. Unter dem Leitdiktum des „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne“ (Mt 13,43) am Ende des Sämanngleichnisses, das sich auf die von Christus und den ihm gleichgestalteten Pneumatikern nach und nach herbeigeführte Vereinigung aller Seelen in der Schau des intelligiblen Lichts in Person, des Wortes, bezieht, spekuliert der Alexandriner eingehend über das Ende: „Wenn er aber, wie wir dargelegt haben, aus dem ganzen Reich des Christus alle Ärgernisse aufgesammelt, alle auf die Gesetzlosigkeit gerichteten Gedanken in den Feuerofen geworfen und das Schlechte verzehrt hat und wenn im Zuge dessen auch die zu Verstand gekommen sind, die die Söhne, die Worte, des Bösen angenommen haben, dann werden die Gerechten zu einem einzigen Sonnenlicht und werden leuchten im Reich ihres Vaters“.86 Wie die ursprünglichen Gleichnisse selbst ist 84  Comm. Matt. 10,10. In seiner Übersetzung bemerkt Vogt ad loc. mit Recht, dass Origenes hier, gleichsam selbst seiner Pflicht als Pneumatiker nachkommend, mit der bewusst paradoxen Formulierung einer „zur Unmündigkeit kommenden“ Seele auf seine Präexistenzdoktrin anspielen dürfte. 85  Ser. Matt. 66. 86 Comm. Matt. 10,3.

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die origeneische Auslegung durchdrungen vom Ernst der vom Hörer verlangten Entscheidung angesichts des anbrechenden Gottesreiches, das er, Klemens und vermutlich einer noch älteren alexandrinischen Auslegungstradition folgend, mit Christus selbst in eins setzt. Insofern dem Gerechten Christus als „Tugend, die alle Tugenden in sich einbegreift“,87 alles in allem ist, ist die Königsherrschaft in ihm bereits angebrochen. Die βασιλεία τοῦ θεοῦ, die alles beherrschende Mitte von Jesu Gleichnispredigt, ist eine seiner hehren ursprünglichen ἐπίνοιαι: „Und wie er die Weisheit selbst und die Gerechtigkeit selbst und die Wahrheit selbst ist, so ist er vielleicht auch das Gottesreich selbst“.88 Insbesondere die Bilder von ihm als König und Hausverwalter, der, nach längerer Zeit der Abwesenheit in sein Eigentum zurückkehrend, von seinen Knechten und Verwaltern Rechenschaft für die ihnen anvertrauten Talente oder Minen fordert, deutet Origenes als Gericht über alles Tun und Denken, das der Richter der Seele am Jüngsten Tag in jeder Einzelheit vor Augen führen wird.89 In seiner Auslegung hebt der Alexandriner den eschatologischen sensus moralis des Gleichnisses hervor, wenn er die Prüfung von Gewinn und Verlust durch den Christus-Typ im Gleichnis in Termini seiner stoischen Theorie der „zukommenden Handlungen“, die den gebotenen vernunftgeleiteten Umgang mit der Welt in Urteil und Affektbeherrschung bezeichnen, deutet: „Versteht mir aber, dass jede gute oder zukommende Handlung einem Gewinn oder Zuwachs gleicht, jede schlechte aber einem Verlust. Und wie es einen Gewinn von mehr und einen anderen von weniger Silberstücken gibt und der Gewinn von mehr oder weniger unterschiedlich zustande kommt, so gibt es auch bei den guten Taten gewissermaßen eine Schätzung der größeren oder geringeren Gewinne seitens dessen, der allein versteht, solche Dinge zu untersuchen (weil er sie anschaut von der Gesinnung her, vom Wort her, von der Handlung her und von den Dingen her, die nicht in unserer Macht stehen, aber mit denen zusammenwirken, die bei uns liegen) und zu bewerten, welches Werk ein großer Gewinn ist, welches ein geringerer und welches ein ganz winziger, ebenso aber auch beim Gegenteil, welche Verfehlung sich bei der Abrechnung mit den Knechten als großer Verlust, welche sich als geringerer und welche sich (wenn man so sagen soll) nur als Verlust des letzten Pfennigs oder des letzten Viertelpfennigs herausstellt“.90

Während sich das ökonomische Bild einer Abrechnung durch einen gerechten Hausverwalter gut in die origeneische Theologie eines gerecht belohnenden und bestrafenden guten Erziehergottes fügt, stellt ihn die Gleichnisrede vom „Dieb in der Nacht“ (Mt 24,43), mit der Matthäus die Plötzlichkeit des Hereinbrechens des  Cels. 5,39. Matt. 14,7. 89  So spekuliert Origenes a. a. O. 14,8, dass Gott auf wundersame Weise das Gedächtnis der Seele verbessern und jede vergessene Tat buchstäblich ins Gedächtnis rufen wird: „Denn kurz zusammengedrängt wird Gott es wohl vollbringen durch gewaltige Macht, wenn er in dem Gedächtnis aller alles, was jeder in der ganzen Zeit getan hat, wieder aufrühren will, damit jeder sich seiner guten und bösen Tat bewusst ist.“ 90 Ebd. 87

88 Comm.

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Gottesreiches in die Welt beschreibt, vor nicht geringe hermeneutische Probleme. Sie nötigen ihn schließlich dazu, die vermeintlich gottunwürdige Metapher unter Berufung auf das Johannesevangelium, in dem Jesus vor dem heimlich in den Schafstall eindringenden „Dieb und Räuber“ (Joh 10, 1–3) warnt, fälschlich auf den Teufel zu beziehen. Er ist es nämlich, der sich des höchsten Teils einer in der Betrachtung des guten nachlassenden Seele bemächtigt: „Der Hausherr ist aber der Sinn des Menschen, das Haus aber seine Seele, der Dieb aber, der, wenn der Hausherr schläft, kommt und in das Haus einbricht, ist, meine ich, der Teufel oder jede feindliche Rede“.91 Die Gewissheit des nahenden Gerichts, die dem jesuanischen Gleichnis seine Dramatik und Dringlichkeit gibt, ist dem Alexandriner in seiner existentiellen Auslegung einerseits Quelle freudiger Hoffnung. So spekuliert er über den einen sonnengleichen Glanz, zu dem sich die wiederhergestellten Seelen nach Jesu Verheißung am Ende der Tage zusammenfügen werden, und deutet die Universalität der erhofften Wiederherstellung buchstäblich aller Dinge mehr als nur an, wenn er die Frage aufwirft, wem die genannten Gerechten noch Quelle des Lichtes sein können. In Ermanglung von Seelen, die noch in der Dunkelheit des Irrtums befangen sein werden, scheint es ihrer Lehre, als den er den Glanz durchweg versteht, gar mich mehr zu bedürfen. Schließlich werden am Ende nicht einige wenige, sondern „alle ‚zum vollkommenen Mann‘ (Eph 4,13) gelangt und alle eine Sonne geworden sein“.92 Andererseits sind ihm die Strafen, die von den unterschiedlichen Christus-Typen im Gleichnis über die nachlässigen oder faulen Knechte und Verwalter verhängt werden, Anlass, auch eindringlich vor der kompromisslosen Gerechtigkeit des Weltenrichters zu warnen. Wenn etwa davon die Rede ist, dass der König die Knechte „den Folterknechten“ übergibt, hält er nicht nur den Markioniten seiner Zeit die Strenge im neutestamentlichen Gottesbild, die ihrer planen Antithese von Güte und Gerechtigkeit nur allzu offenbar Hohn spreche, vor Augen.93 Darüber hinaus deutet er in der frühen Prinzipienschrift und im späten Matthäuskommentar das lukanische Gleichnis von den schlechten Haushältern, von denen es dort heißt, sie würden „zerteilt“ und „ein Teil unter die Ungläubigen versetzt“, im Sinne einer Anthropologie eines womöglich endgültig verdammten Sünders. Zwei der drei exegetischen Optionen, die Origenes, ohne freilich eine endgültige Entscheidung zu treffen, erwägt, scheinen die Bosheit des Sünders unwiderruflich zu machen. Während der Verlust des irdischen „Teils“ nach der ersten Lesart, im Gegenteil, sogar die Erlösung der Seele endgültig machen und der des Schutzengels eine Rückkehr zu Gott lediglich erschweren müsste, käme der Verlust des höchsten Seelenteils, des „Geistes“, der als Strafe für seine Ver91  Ser. Matt. 59. Vgl. die Kritik bei Wiles, Early Exegesis (s. Anm. 9), 298, der mit Recht in dem der eigentlichen göttlichen Referenz unwürdigen Bild den Grund für die fehlgeleitete Gleichnisexegese des Origenes an dieser Stelle wähnt. 92  Comm. Matt. 10,3. 93 Vgl. Ser. Matt. 59.

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gehen zum Heiligen Geist, seinem Urbild, zurückkehrt, einer unwiderruflichen Verdammung gleich. In der Logik des trichotomischen Schemas der immerfort zwischen teuflischer σάρξ und göttlichem πνεῦμα bewegten ψυχή, wie Origenes es den Paulusbriefen entlehnt, verlöre die Seele nämlich hiermit auch die Fähigkeit zu einer neuerlichen Hinwendung zum Guten: „Aber auch wenn von den schlechten Hausverwaltern im Evangelium gesagt wird, sie würden ‚zerteilt‘ und ‚ein Teil unter die Ungläubigen versetzt‘ (Lk 12,42–46), womit angedeutet wird, dass der Teil, der nicht eigentlich der ihrige sei, anderswohin geschickt werde, so bezeichnet das zweifellos eine Art Strafe, bei der, wie mir scheint eine Trennung des Geistes von der Seele nahgelegt wird“.94 Die Nähe zur bekämpften gnostischen Exegese, teils sogar ausdrücklich gemacht, ist eindrucksvoller Beleg für die intensive Auseinandersetzung mit den Gleichnistexten, die dem Alexandriner als zentrale Quelle seiner christlichen Freiheitsphilosophie dienen, ihn zugleich aber vor erhebliche hermeneutische Probleme stellen. 3. Die Güte Gottes und die Freiheit des Menschen – Grundzüge einer heilstrini­ tarischen Gleichnishermeneutik bei Klemens und Origenes von Alexandria Zu den zentralen philologischen und philosophischen Verdiensten der christlichen Platoniker Klemens und Origenes von Alexandria gehört ohne Zweifel die Entwicklung einer eigenen Theorie der Gleichnisses Jesu, die auf dem ontologischen Fundament einer Unterscheidung von niederer sinnlicher und höherer geistiger Welt aufruht. Es ist grundlegend für ihre Theorie, dass die beiden Wirklichkeiten einander nicht etwa in planem Dualismus unverbunden gegenüberstehen. Vielmehr ist Erstere, wie es beide im ersten großen metaphysischen System der christlichen Theologie eingehend reflektieren, durchweg auf Letztere transparent. Grund hierfür ist nichts anderes als die göttliche Akkommodation in Freiheit und Güte, in der sich der Vater zunächst vor aller Zeit im Sohn, der Fülle der geistigen Wirklichkeit, dann in der Geschichte in Christus, der Mitte zwischen Gottheit und Menschheit, offenbart. Dank des Abstiegs Gottes vermag die Seele nach ihrem Fall abermals in Freiheit zu ihm aufzusteigen. Das Gleichnis ist so als das literarische Genre der Kenosis Gottes erwiesen, mit der sie ihr im Fall verwirktes Heil in der Gottesgemeinschaft zurückerlangt, eine theologische Grundüberzeugung, der die von Klemens und Origenes entwickelte erste wissenschaftliche Theorie der vorrangigen literarischen Form von Jesu Lehre durchweg Rechnung trägt. Die heilbringende Bedeutung erschließt sich in der sorgfältigen Übersetzung des Gleichnisses. Allgemeines Kriterium für eine adäquate begriffliche Übersetzung seiner reichen metaphorischen Sprache, die sich nach Überzeugung der beiden alexandrinischen Exegeten niemals gänzlich fassen lässt, ist nichts anderes als die Freiheit der einzelnen wie aller Seelen, die Jesus auf niederer wie auf  Princ. 2,10,7.

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höherer heilsökonomischer Stufe mit Gleichnis und Vergleich zur Erkenntnis des Wesens seines Urbildes, des Wortes, zu führen sucht. Führen Klemens und Origenes den heidnischen Kritikern, die der Schrift neben ihrer stilistischen auch ihre philosophische Unbedarftheit vorhalten, die spekulative Tiefendimension der Gleichnisse vor Augen, die zu Christus als Weisheit, dem Prinzip aller Dinge, führen, so verteidigen sie gegenüber den Gnostikern immer wieder den freien Willen, über den alle Seelen kraft ihres gottebenbildlichen Wesens verfügen. Allerdings beschränkt sich ihre heilstrinitarische Gleichnisauslegung nicht negativ auf die Widerlegung des heidnischen Vorwurfs der Trivialität und des zweifachen gnostischen Irrtums von Dualismus und Determinismus. In der Auslegung von Jesu ipsissima verba, die er im „Vergleich“ dem engsten Jüngerkreis vorbehält, sehen sie vor allem eine Quelle der tiefgründigsten in der Heiligen Schrift niedergelegten spekulativen Einsichten über Gott, die Welt und die Seele. Entsprechend stellen sich die ausführlichen Gleichnisauslegungen der Platoniker von Alexandria als Gesamtsicht ihrer Freiheitsphilosophie in konsequent christologischer Optik dar. Der strikte hermeneutische Zirkel der Glaubensregel um das Grunddogma der Freiheit Gottes und der Seele, dem die alexandrinische Gleichnisauslegung konsequent folgt, erweist sich dort als circulus vitiosus, wo Klemens und Origenes sich genötigt fühlen, jedes Detail, insbesondere Zahlen oder vermeintlich sinntiefe Begriffe, als Beleg für weitreichende Theoriestücke ihres christlichen Platonismus, darunter die Selbsterkenntnis als Heil der Seele oder gar ihre Präexistenz, heranzuziehen. Dagegen erweist sich der Zirkel als produktiver, wann immer das Gleichnis Jesu genretheoretisch wie praktisch-exegetisch konsequent als providentielles Mittel begriffen wird, mit dem Gott die Freiheit der Seele bis hin zur Wiederherstellung aller Dinge in der Teilhabe an ihm in der Nachfolge und Erkenntnis des Sohnes zu vollenden sucht. Innerhalb der Hermeneutik des Aufstiegs, in der Klemens und Origenes eine Theorie der Erkenntnis Gottes im heilsgeschichtlichen Symbol von Bild und Sprache entwickeln, fügen sich philosophisches Freiheitsdenken und philologische Detailanalyse organisch zusammen. Ungeachtet mancher gezwungen scheinender Einzelexegese liegt hierin das bleibende Verdienst des von beiden christlichen Platonikern von Alexandria geschaffenen ersten großen Paradigmas der wissenschaftlichen Auslegung der Gleichnisse Jesu.

Teil III

Literaturwissenschaftliche Perspektiven

Parabolische Gattungen in literaturwissenschaftlicher Perspektive Rüdiger Zymner Abstract: This article gives some hints on the theory of literary genres in general. In a second step it outlines a little history of parable-research in literary scholarship. It differentiates between four phases of parable research by differentiating four theoretical positions.

I. Gattungen in Poetrie und Literatur Gattungen der Poetrie und der Literatur werden in der literaturwissenschaftlichen Gattungsforschung heute allgemein bestimmt als Elemente habitualisierter Klassifikations‑ oder besser: Kategorisierungshandlungen1 in historisch-kulturell unterschiedlichen und jeweils historisch und kulturell veränderlichen sozialen Zusammenhängen, welche man wiederum als spezifische soziale Konstellationen oder spezifische soziale Systeme beschreiben kann. Die moderne Literaturwissenschaft nimmt also eine nichtessentialistische und nichtidealistische gattungstheoretische Position ein: Gattungen sind demnach nirgendwo zu finden und auch in keinem Irgendwo zu denken (weder in einem Reich der Ideen noch als abstrakte Gegenstände noch in irgendeinem konkreten Sammelbehältnis) – außer in sozialen Kategorisierungshandlungen und besonders in sozialen Kommunikationspraktiken und als Kommunikationspraktik, wenn man so will: als sozial etablierte Gewohnheit, als Handlungs‑ und Kommunikationsgewohnheit. Gattungen der Literatur und der Poetrie (wie ich die ‚Literatur vor, neben und außerhalb der Literatur‘ in einem modernen Sinn zusammenfassend bezeichne und damit u. a. die frühchristliche Poetrie in der Zeit vor der modernen Literatur ab ca. 1800 adressiere, weiter die sogenannte ‚Volksdichtung‘ neben der modernen Literatur sowie die Folklore vormoderner Gemeinschaften außerhalb des Systems der modernen Literatur)2 begegnen uns literaturwissenschaftlich vor allem einerseits als Normen der Kommunikation, wie sie insbesondere in  W. Michler, Kulturen der Gattung. Poetik im Kontext 1750–1950, Göttingen 2015, 47. hierzu R. Zymner, Funktionen der Lyrik, Paderborn 2013.

1

2 Siehe

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Poetiken, Grammatiken, Ästhetiken, Sachlexika oder allgemein Texten über Gattungen formuliert werden, aber auch in Gesprächen, in denen man sich über Sachverhalte verständigen will oder muss, und andererseits in Exemplifikationen von Normen der Kommunikation bzw. Exemplifikationen für Normen der Kommunikation (also in oder mit einzelnen Texten, mit denen Normen der Kommunikation illustriert werden oder anhand deren sie überhaupt erst entwickelt werden). Bei diesen formulierten Normen der Kommunikation, mit denen oder durch die Gattungen gewissermaßen sichtbar werden, handelt es sich letztendlich um die exosomatischen sprachlichen Repräsentationen von kognitiven Schemata, die sich historisch-kulturell relativ im Zuge der erwähnten habitualisierten Klassifikationshandlungen als sozial geteilte Kognition dauerhaft etabliert haben. Die Bestimmung und die Unterscheidung von Gattungen ist eine von mehreren Möglichkeiten, die unübersichtliche Welt der Poetrie und der Literatur zu ordnen (und man kann sagen, dass ‚Dichtung‘, ‚Poetrie‘ oder ‚Literatur‘ selbst Gattungen sind – freilich solche von höchstem Allgemeinheitsgrad). Als Normen der Kommunikation haben Gattungen den Charakter konstituierter Sammelkategorien unterschiedlichen Allgemeinheitsgrades (wie z. B. auch die Genrereihe ‚Epik, Roman, Versroman, Liebesroman‘ etc. verdeutlichen mag). Im Prinzip ist jede dieser Sammelkategorien mit anderen Sammelkategorien koordinierbar oder ihnen auch subordinierbar. Dadurch lassen sich wiederum unterschiedliche systematische Zusammenhänge von Gattungen bilden (wie vor allem in poesiologischen oder auch in literaturwissenschaftlichen Zusammenhängen die Nebenordnung von Gattungen in einer Aufzählung oder die hierarchisierende Ordnung in einem ‚Stammbaum‘ oder die gradierende Ordnung in einem Typenkreis). Gattungssysteme der Poetrie und solche der Literatur entsprechen dabei aber aus mehreren Gründen nicht der Klassifikation biologischer Gattungen3 – vor allem, weil auch die Gattungen in Poetrie und Literatur letztendlich auf unscharfen und keineswegs trennscharf voneinander abgegrenzten kognitiven Schemata beruhen, deren Systematisierung mehr mit biologischen Wahrnehmungsdispositionen des Menschen und kulturell eingespielten sozialen Praktiken als mit Logik oder den Regeln der Evolution zu tun hat. Je nach theoretischem Hintergrund, je nach dem Textkorpus, das in der Kommunikationshandlung, in der Gattungen konstituiert werden, vor Augen steht, und je nach der Funktion in einem pragmatischem Kontext können Gattungen in wissenschaftlichen Zusammenhängen mithilfe unterschiedlicher Definitionsformen (Genus-differentia-Definition, Explikation, Realdefinition etc.) und unterschiedlicher Begriffstypen (univoke Begriffe, paronyme Begriffe, Familienähnlichkeitsbegriffe usw.) bestimmt werden. Es gibt also nicht die richtige 3 W. Strube, Analytische Philosophie der Literaturwissenschaft. Definition, Klassifikation, Interpretation, Bewertung, Paderborn 1993, 56.

Parabolische Gattungen in literaturwissenschaftlicher Perspektive

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(und ein für alle Mal richtige) Definitionsform oder den richtigen (und ein für alle Mal richtigen) Begriffstyp bei der wissenschaftlichen Normierung von Gattungsbegriffen (und damit auch nicht eine und nur eine ‚richtige‘ Definition einer Gattung), wohl aber Konventionalisierung und Vergesellschaftung von bestimmten Gattungsbegriffen und Gattungssystematisierungen. Die Konventionalisierung und die Vergesellschaftung von Gattungsbegriffen und ‑systematisierungen ist zunächst eine Frage ihrer Zweckmäßigkeit und ihrer Plausibilität, dazu eine Frage der geltenden Diskursmechanismen, der Herausbildung und Etablierung von Traditionen oder auch der wissenschaftlichen Schulbildungen (und dabei auch der diskursiven Macht). Die Konventionalisierung und Vergesellschaftung von Gattungsbegriffen, die einerseits vor Willkür oder Beliebigkeit in der Verständigung über Gattungen schützen und dadurch andererseits Gattungen historisch-sozial stabilisieren, können schließlich auch leicht den Effekt haben, dass Gattungen nicht mehr als theorie-, paradigmen‑ und subjektabhängige, kulturell und historisch relative Konstrukte gesehen, sondern sogar für sozusagen objektive oder ‚natürliche‘ Gegebenheiten der unübersichtlichen Welt der Poetrie und der Literatur gehalten werden. Das ist freilich eine Täuschung, vor der die Gattungsforschung schützen kann.

II. Parabolische Gattungen Die wissenschaftliche Beschäftigung mit ‚parabolischen Gattungen‘ ist nun zunächst einmal eine Perspektivierung und wenn man so will: eine spezifische Konstituierung eines Objektbereiches, in dessen Fokus allemal die Gattung Parabel steht. In aller wissenschaftlichen Beschäftigung mit ‚parabolischen Gattungen‘, in aller theologischen, altphilologischen, judaistischen oder auch literaturwissenschaftlichen Normierung der parabolischen Gattungen ist die Gattung Parabel sozusagen der ständige Bezugspunkt. Zu ihr werden alle anderen daher ja auch so genannten parabolischen Gattungen in ein Verhältnis gesetzt, von ihr werden alle anderen parabolischen Gattungen unterschieden. Dass es sich hier um eine spezifische Perspektivierung und eigentlich um eine spezifische Konstituierung des Objektbereiches handelt, kann man vielleicht auch schon daran erkennen, dass etwa die Gattung Fabel in literaturwissenschaftlichen wie theologischen, judaistischen oder auch altphilologischen Parabolikforschungen als eine innerhalb der Gruppe der parabolischen Formen kritische Gattung betrachtet wird (und eben als eine parabolische Gattung), während die internationale spezialisierte Fabelforschung dies nicht oder jedenfalls nicht wie selbstverständlich tut. Sie interessiert sich nämlich eigentlich nicht besonders für den speziellen Gegenstandsbereich der ‚parabolischen Gattungen‘ und rückt dafür im Allgemeinen eben die Gattung Fabel und lediglich die Fabel in den Fokus,

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ohne diese Gattung auch auf Parabel und Parabolik beziehen zu müssen und in aller Regel auch zu beziehen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem erst durch eine bestimmte Perspektivierung entstehenden Gegenstand der ‚parabolischen Gattungen‘ versteht sich also nicht von selbst, weil wir etwa diesen Gegenstand gewissermaßen in der freien Natur der Sprachverwendungsmöglichkeiten oder gar in der Literatur einfach so vorfänden. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Parabolik ist daher selbst begründungs‑ oder erklärungsbedürftig, und vermutlich ist es am ehesten so, dass bei allen wissenschaftlichen Beschäftigungen – gleichviel ob theologisch, judaistisch, altphilologisch oder literaturwissenschaftlich – mit dem Bereich der Parabolik die vor allem im Neuen Testament überlieferten sogenannten Gleichnisreden Jesu der kanonische, dabei interesseleitende Ausgangspunkt aller weiteren wissenschaftlichen Aufmerksamkeit sind, ein Ausgangspunkt, der alle weiteren kritischen und hermeneutischen Einschätzungen bestimmt und allen weiteren wissenschaftlichen Aussagen über den Bereich der Parabolik sozusagen die Richtung weisen kann und tatsächlich ja auch gewiesen hat. Dies ist ganz eindeutig zumindest bei großen Teilen der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung so, die sich weithin mit Parabeln und ihren generischen, parabolischen Grenzbereichen vor allem in der deutschsprachigen Poetrie und Literatur befasst. Die insgesamt in der deutschsprachigen Poetrie und Literatur eher randständige Gattung Parabel und die ihr zugeordneten, auf sie bezogenen parabolischen Grenzbereiche werden in einer literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung, die unter dem Eindruck der jesuanischen Gleichnisreden und ihrer theologischen Erforschung steht, vor allem als didaktische Formen gedeutet; sodann als Formen, die insbesondere mit der Vermittlung von höheren oder (je nach dem) tieferen Bedeutungen befasst seien; und schließlich als Formen, anhand deren sich eine Geschichte der Säkularisation, besonders eine Geschichte des Verlustes von Glaubensgewissheit nachzeichnen lasse. Alle drei Optionen zusammengenommen markieren im Grunde genommen eine Residualposition einer ‚laientheologischen‘ und eben nicht so sehr literaturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft, alle drei Optionen begründen auch, weshalb Parabel und Parabolik trotz aller literarhistorischen Randständigkeit nach wie vor ein Lieblingsgegenstand der germanistischen Literaturdidaktik sind und die Ausdrücke ‚Parabel‘ und ‚parabolisch‘ überdies zu den Hochwertwörtern der zeitgenössischen Literaturkritik gehören. Sollen im Feuilleton irgendwelche Romane, aber auch Filme oder Theaterstücke u. a. m. als besonders wichtig, bedeutend und bedeutsam bewertet werden, sind die als kunstkritische Pathosformel verwendeten Ausdrücke ‚Parabel‘ und ‚parabolisch‘ nicht weit. Freilich sind diese literaturdidaktischen und literatur‑ wie kunstkritischen Funktionalisierungen auch einer unübersehbaren Vagheit der Begriffe geschuldet, jedenfalls sind Literaturkritik und Literaturdidaktik nicht darauf verpflichtet bzw. sie verpflichten sich nicht unbedingt auch darauf, begrifflich

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klar und geklärt zu argumentieren und eine trennscharfe wie operationalisierbare Systematik von Begriffsschemata zu beachten oder überhaupt erst zu entwickeln. Allenfalls ist man hier wie beispielsweise der Didaktiker Reinhard Dithmar in seiner vielgelesenen Anthologie mit dem Titel „Fabeln, Parabeln und Gleichnisse“ der Auffassung, dass „Fabel, Parabel und Gleichnis [lediglich] drei Namen für eine Sprachform [Hervorhebung R. Z.] seien, die man als parabolische oder gleichnishafte Rede bezeichnen“ könne.4 Und schon früher bezeichnet Dithmar alle Unterscheidungen (und besonders diejenige zwischen Fabel und Parabel) als „fragwürdig“. Die logischen ebenso wie die historischen Probleme, die durch eine solche gewissermaßen egalitäre Auffassung entstehen, werden anscheinend nicht deutlich gesehen – ebenso wenig wie die Konsequenzen, die unter anderem darin bestehen, dass beispielsweise nicht mehr zwischen metaphorisch uneigentlichen Sprachzeichengebilden und lediglich exemplifizierenden eigentlichen Sprachzeichengebilden unterschieden wird, nicht mehr zwischen Erzählungen und nichterzählenden Sprachzeichengebilden und auch nicht mehr zwischen gesprochener Sprache und graphischen Repräsentationen von Sprache. Solche Unterscheidungen waren und sind für Teile der Literaturdidaktik, aber auch Literaturkritik und Literaturwissenschaft anscheinend zu komplex und für ihre Zwecke wahrscheinlich auch weder nötig noch wünschenswert. Wenn man aber beispielsweise anhand des Problemfalls der parabolischen Gattungen genauer verstehen will, dass, wie und warum Metaphorizität etwas anderes ist als Nichtmetaphorizität, Erzählen etwas anderes ist als Nichterzählen, mündliche Belehrung etwas anderes ist als schriftliche Darstellung, Sprechen etwas anderes ist als Schreiben, Hören etwas anderes als Lesen, und bei all diesen wissenschaftlichen Interessen den Blick auf den Bereich der Parabolik richtet oder den Bereich der Parabolik als einen Gegenstandsbereich betrachtet, an dem sich literaturwissenschaftliche Erkenntnisse über die genannten sprachlichen Verhaltens‑ und Verfahrensweisen erlangen lassen, so ist es nicht mehr gleichgültig, ob Fabel, Parabel und Gleichnis (lediglich) drei Namen für eine Sprachform seien, oder ob sich nicht doch mit den Begriffsnamen unterschiedliche Begriffe verbinden lassen und unterschiedliche Begriffe auf unterschiedliche linguistische, soziale und historische Sachverhalte Bezug nehmen oder eben nicht – kurz: ob es sich nicht doch lohnt, weil es sachlich geboten erscheint, die onomasiologischen und die semasiologischen Verhältnisse zu klären anstatt alles mit allem zu vermischen. Dabei ist es nun allerdings wissenschaftsgeschichtlich und ‑systematisch aufschlussreich, dass literaturwissenschaftliche Parabolik-Forschung, Literaturdidaktik und Literaturkritik fokussiert im Hinblick auf die deutsche Literatur und als ausgesprochen germanistische Literaturwissenschaft, Literaturdidaktik und Literaturkritik hervortreten. Im Hinblick auf anderssprachige Literaturen, in 4

 R. Dithmar, Fabeln, Parabeln und Gleichnisse, München 71983, 11.

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denen es ohne Zweifel ebenfalls so etwas wie Parabolik gibt, spiegelt sich deren literarhistorische Randständigkeit jedenfalls in der geringen literaturwissenschaftlichen, literaturdidaktischen und literaturkritischen Aufmerksamkeit, die man Parabel und Parabolik schenkt. So gibt es vergleichsweise wenig anglistische oder romanistische literaturwissenschaftliche Parabel‑ und Parabolik-Forschung (oder etwa eine russistische oder eine sinologische), und es gibt praktisch auch keine literaturwissenschaftliche komparatistische Parabel‑ und Parabolik-Forschung. Hier, im Bereich der literaturwissenschaftlichen Komparatistik, könnte man allenfalls an das Buch von André Jolles erinnern, in dem er ja hoch spekulativ, aber trotzdem und vielleicht sogar eher gerade deswegen nicht ohne Einfluss (und bis heute nicht ohne Einfluss) besonders auf die germanistische Literaturwissenschaft, die ‚parabolischen Formen‘ als sogenannte ‚einfache Formen‘ behandelt oder wenigstens doch zu behandeln scheint. Was Jolles’ Einfluss betrifft, so reicht er darüber hinaus bis in die germanistische Literaturdidaktik und bis in den Deutschunterricht. In einer Handreichung für den Deutschunterricht an bayerischen Schulen finde ich jedenfalls noch im Jahr 2018 die Bemerkung: Von den Neueren hat sich vor allem André Jolles mit den parabolischen Formen beschäftigt. Er spricht von der Sprachgebärde, welche die Sprachform erzeugt. Die Gebärde des Argumentierens erzeuge den Kasus, die Diskussion eines konkreten, genau bezeichneten Rechtsfalls. Die erzählende Darstellung des Kasus erhebe die juristische Form zur literarischen, während die relativierende Form weniger eine Antwort als ein Erörtern zur Folge habe. Die chassidischen Erzählungen Martin Bubers sowie die Parabeln Brechts und Kunerts kommen diesem Typus am nächsten.5

Eine immer noch und immer wieder gern in literaturdidaktischen Kontexten zitierte Jollessche Quasi-Definition der Parabel, die Tiefsinnsprätention mit moralischer Betroffenheit und leider auch begrifflichem Ungefähr charakteristisch miteinander verschränkt, lautet: „Die Parabel stellt zwar die Frage, sie gibt aber keine Antwort. Sie legt uns die Pflicht der Entscheidung auf, aber die Entscheidung selbst enthält sie nicht.“ Derartiges Geraune, so muss man annehmen, bestimmt gewissermaßen das öffentliche Bewusstsein und in diesem engen Kontext die literarisch-kulturelle Sozialisation jedenfalls im deutschsprachigen Raum mit, es bestimmt die offensichtlich mancherorts bereits in der Schule, im Deutschunterricht, vermittelten Normen der Kommunikation über Parabel und Parabolik – und das heißt: es bestimmt jedenfalls mit, was wir im Einflussgebiet eines germanistischen Diskurses unter Parabel und Parabolik verstehen können oder sollen – und das bleibt alles in allem ziemlich nebulös. In der historischen Entwicklung der literaturwissenschaftlichen Erforschung parabolischer Gattungen könnte man nun vielleicht mit ein wenig analytischer Schematisierung und Zuspitzung vier Phasen oder Richtungen voneinander unterscheiden. Damit soll und kann keineswegs ein 5

 Auf: http://www.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/451/847.pdf (19. 02. ​2018).

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Fortschritt in der literaturwissenschaftlichen Erforschung der parabolischen Gattungen angedeutet oder nachgezeichnet werden – was das betrifft, ist eher Skepsis angebracht, und man könnte die literaturwissenschaftliche ParabolikForschung vielleicht sogar geradezu als einen wissenschaftsgeschichtlichen und wissenschaftstheoretisch interessanten Modellfall der diskursiven und sozialen Mechanismen von Literaturwissenschaft als Wissenschaft analysieren. Das soll hier aber nicht geschehen. Vielmehr möchte ich lediglich vier Phasen oder Richtungen der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung voneinander unterscheiden – Phasen oder Richtungen, die von unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen Sichtweisen und begründenden Hintergrundannahmen geprägt sind und von unterschiedlichen Objekttheorien der ‚parabolischen Gattungen‘, von unterschiedlichen Fragestellungen und Interessen im Hinblick auf ‚parabolische Gattungen‘, auch von unterschiedlichen Kanonisierungen im Bereich der ‚parabolischen Gattungen‘ getragen werden.

III. Phasen der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung Die erste Phase der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung setzt im 19. Jahrhundert mit der entstehenden Germanistik ein. Ihre Auffassungen sind ungefähr bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominierend und lassen sich wenigstens in Restbeständen auch noch in der Gegenwart nachweisen. Es handelt sich hierbei um eine Phase oder Richtung der Parabolik-Forschung, die den Bereich der sogenannten Gleichnisreden Jesu als kommunikationsleitende Vorstellungen oder generische Leitidee sozusagen immer mit sich führt oder im Hintergrund der literaturgeschichtlich bezogenen Aussagen als Orientierungmodell berücksichtigt, dabei allerdings deutlich die parabolischen Formen als Gruppe von didaktischrhetorischen Genres und Verfahren profiliert. Generische Unterscheidungen werden insbesondere von mehr oder weniger gut verstandenen poesiologischen Aussagen in Poetiken und Ästhetiken seit dem 18. Jahrhundert hergeleitet und vor dem Hintergrund und auf der Basis der Alten Rhetorik vorgenommen – insbesondere die Bestimmungen und Unterscheidungen, die Aristoteles in seiner ‚Rhetorik‘ vornimmt, oder jene, die sich bei Quintilian finden lassen, spielen hier eine Rolle. Als Beispiel für diesen Typus der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung könnte man etwa Gustav Gerbers Werk „Die Sprache als Kunst“ aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts betrachten. Der promovierte Altphilologe und ‚Schulmann‘ Gerber geht von den Bezeichnungen aus, die ‚die Griechen‘, wie er formuliert, für die Fabel benutzt haben, kommt auf die Verwendung des Ausdrucks „apologos“ bei ‚den Römern‘ zu sprechen, hebt die Aristotelischen Unterscheidungen unterschiedlicher Arten des „paradeigma“ und Quintilians Kategorie des „exemplum“ hervor und kommt so auf

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Bestimmungen, also Objekttheorien insbesondere von Fabel, Parabel, Allegorie sowie zu Verknüpfungen von Gattungsbestimmungen und literaturgeschichtlichen Gegenständen. Über die Fabel etwa führt Gerber aus: Im ganzen erscheint so die äsopische Fabel teils als ein Werk der Redekunst, teils, wie noch Lessing sie fasst, „auf einem der Poesie und Moral gemeinschaftlichen Raine“; neuerdings [!] pflegt man sie als episch-didaktische Dichtung zu bezeichnen, was ebensowohl die Verbindung der Kunst mit einem unkünstlerischen Elemente ausdrückt.6

Gustav Gerber nennt im weiteren Verlauf seiner Ausführungen unterschiedliche Typen der Fabel, darunter bemerkenswerter Weise auch die Scherz‑ oder Witzfabel. Gerber betont, dass die Fabel sich grundsätzlich ‚auf dem Boden der Allegorie‘ entfalte – wie die Parabel auch: Während aber die Fabel ihr Bild aus der Anschauung der Wirklichkeit entnimmt, geht umgekehrt die Parabel von dem Gehalt eines allgemeinen Satzes aus und sucht diesen ihren Gedanken an Vorgängen zu versinnlichen, deren Bild sie mit den Zügen des Lebens ausstattet. Während also der Vorgang in der Fabel das innerhalb einer Sphäre in Wirklichkeit geltende enthält und darum an sich als Beispiel auch Glauben findet für die analogen Verhältnisse unter den Menschen, will die Parabel ein Subjektives anerkannt wissen, welches seine Geltung in der Welt erst nachzuweisen hat,7

so Gerber. Die Vorgänge, die in der Parabel geschildert werden, dürfen nach Gerber überhaupt nicht derartig sein, dass sie nur vereinzelt vorkommen können, vielmehr muss uns das Bild nur auf das gewöhnliche Thun und Treiben der Menschen hinweisen, damit der Anschein vermieden werde, dass es nach Willkür aufgestellt sei.8

Wie schon bei der Fabel, so unterscheidet Gerber auch bei der Parabel unterschiedliche Typen, nämlich solche deren Gedanke auf das Urteil einwirkt, dort zur Klugheit, hier zur Weisheit hinlenkend (wie z. B. Lessings Parabel von den drei Ringen im „Nathan“); in solche, welche den Willen anregen, dort zur Praxis des Lebens, hier zu wahrhaft menschlicher Sittlichkeit (wie z. B. die Parabel oder Paramythie des Prodikos vom Herakles, der zwischen Tugend und Lust wählt […]); so wird auch die dritte Art anzuerkennen sein, welche sich der Vergleichung zu Scherz und Spott bedient.9

Diesen Typus der „komischen Parabel“ findet Gerber etwa bei Goethe belegt (z. B. Goethes Gedicht „Rezensent“). Die Allegorie bestimmt Gerber schließlich als ein selbständiges entfaltetes Gleichnis. Auch hier werden mehrere Typen der Allegorie voneinander unterschieden. Das muss jetzt und hier nicht weiter interessieren. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang allerdings, dass schon 6 G. Gerber,

  A. a. O., 474. 8   A. a. O., 476 9  A. a. O., 478. 7

Die Sprache als Kunst, Bd. 2, Hildesheim 1961, 459.

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bei Gerber wie auch in anderen Arbeiten im 19. Jahrhundert ein Bewusstsein davon erkennbar wird, dass sich der Bereich der literarischen Parabolik generisch differenzierter darstellen könnte, als man gemeinhin annehmen sollte, wenn man sich lediglich in dem formgeschichtlichen generischen Dreieck von Gleichnis – Parabel  – Beispielgeschichte und im Horizont der Ausdrücke „maschal“ und „parabolé“ bewegt – und dass sich aus literaturwissenschaftlicher Perspektive außerdem eine Reihe von Genres kritisch zum Bereich der Parabolik verhalten, die nicht berücksichtigt werden müssen, wenn man allein oder vor allem von den kanonischen biblischen Gleichnisreden ausgeht. Ein Beispiel wäre das in der deutschen Literatur gegen Ende des 18. Jahrhunderts auftretende Genre der Paramythie, wie wir sie bei Herder, aber auch bei Novalis antreffen können. Wichtig erscheint außerdem, dass sich in der rhetorisch-didaktischen Parabolik-Forschung seit dem 19. Jahrhundert auch ein Kanon von ParabolikAutoren und literarischen Parabolik-Texten etabliert  – ein germanistischer Kanon mit besten Beispielen. Der am häufigsten in Ästhetiken, literaturwissenschaftlichen Poetiken und in Lexikon-Artikeln im 19. Jahrhundert genannte Paraboliker ist Gotthold Ephraim Lessing, Inbegriff der literarischen Parabel sind die sogenannte ‚Ringparabel‘ aus Lessings „Nathan der Weise“ sowie Lessings auch mit „Eine Parabel“ betitelter Text. Neben Lessing (und den jesuanischen Parabeln) werden im 19. Jahrhundert immer wieder Erbauungsschriftsteller wie Friedrich Adolf Krummacher oder Carl Philipp Conz genannt, Johann Gottfried Herder taucht als „Klassiker der Parabel“ auf, ebenso Friedrich Rückert und immer wieder Johann Wolfgang von Goethe.10 Während allerdings Lessing seine Position als Klassiker der Parabolik in allen literaturwissenschaftlichen Phasen der Parabolikforschung bis heute halten konnte, gerieten praktisch alle anderen Paraboliker als kanonische Paraboliker bis heute mehr oder weniger in Vergessenheit. So finden sich in zeitgenössischen Lehrbüchern zum Bereich von Fabel, Parabel, Gleichnis oder auch in Anthologien von Fabeln, Parabeln, Gleichnissen praktisch überhaupt keine Texte mehr von Friedrich Adolf Krummacher oder Carl Philipp Conz – und in dieser Hinsicht ist selbst Goethe als ein heute vergessener Paraboliker zu bezeichnen. Mit und seit der zweiten Phase der literaturwissenschaftlichen ParabolikForschung treten demgegenüber andere Autoren und andere Texte in das Zentrum des Interesses, in der zweiten Phase der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung steigen insbesondere Franz Kafka und auch Bertolt Brecht zu Klassikern der Parabolik auf – neben dem unangreifbaren Meister-Paraboliker Lessing und vor dem Hintergrund der jesuanischen Gleichnisreden, ja geradezu in Spannung zu ihnen. Die zweite Phase setzt ungefähr in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein und kann als eine besonders 10 Siehe hierzu R. Zymner, Uneigentlichkeit. Studien zu Semantik und Geschichte der Parabel, Paderborn 1991, 255 f.

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theologisch-hermeneutisch geprägte Phase der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung bezeichnet werden. Positionen dieser Richtung dominieren praktisch bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert den literaturwissenschaftlichen Diskurs und sind auch in der Gegenwart noch anzutreffen. Gekennzeichnet wird diese Phase insbesondere dadurch, dass theologische Parabolik-Theorien übernommen und auf literarische Texte übertragen werden  – ungeachtet des Umstands, dass theologische Parabolik-Forschung anhand eines spezifischen, geschlossenen Textkorpus entwickelt wird und dabei vielfach Interessen folgt, die zumindest mit säkularisierten literaturwissenschaftlichen Interessen nicht vereinbar sein sollten (wie z. B. die Gleichnisreden Jesu als authentische Worte Christi auszuweisen, eine besondere Sprache des Glaubens zu charakterisieren oder auch so etwas wie eine eschatologische Wende vorzunehmen). Literaturwissenschaftliche Parabolik-Forschung entwickelt hierbei also keine eigenständige konzeptionelle, epistemische und explanatorische Kraft, sondern kultiviert vor allem das bereits von Ernst Robert Curtius beobachtete und zu Recht scharf kritisierte ‚große Anlehnungsbedürfnis der Literaturwissenschaft‘, das sich in diesem Fall daran zeigt, dass man sich eben mehr oder weniger treu an die theologische Parabel-Forschung in praktisch all ihren Facetten und Spielarten anlehnt. Dies betrifft allerdings in erster Linie die Theorien Adolf Jülichers, seine suggestiven Unterscheidungen zwischen „Sachhälfte“ und „Bildhälfte“ sowie die Auffassung, dass der unbedingt von der Allegorie zu unterscheidende Vergleich der Grundbaustein aller Gleichnisreden sei und man die Gleichniserzählung oder Parabel im engeren Sinne bestimmen könne als eine Redefigur, in welcher die Wirkung eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch Nebenstellung einer auf anderem Gebiet ablaufenden, ihrer Wirkung gewissen erdichteten Geschichte, deren Gedankengerippe dem jenes Satzes ähnlich ist.11

wie Jülicher schreibt. In der Rezeption durch die literaturwissenschaftliche Parabolik-Forschung führt dies allerdings zu zwei Positionen, die miteinander unvereinbar sind. Erstens ist dies die ‚Reine Vergleichstheorie‘, die besagt, dass das Grundelement der Parabel der Vergleich sei und die sogenannte „Bildhälfte“ der Parabel eigentlich oder nichtmetaphorisch. Zweitens aber wird auch eine ‚Gemischte Vergleichstheorie‘ vertreten. Sie besagt, dass das Grundelement der Parabel der Vergleich sei und dass ihre „Bildhälfte“ uneigentlich sei.12 In den Horizont der theologisch-hermeneutischen Parabolik-Forschung gehört auch noch die Hermeneutische Theorie von Parabel und Parabolik, wie sie am stärksten von Theo Elm in seinem Buch „Die moderne Parabel“ ver11 A. Jülicher,

Die Gleichnisreden Jesu I, Tübingen 1886, 98. die erste Position steht K.-P. Philippi, ‚Parabolisches Erzählen‘. Anmerkungen zu Form und möglicher Geschichte, Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 43 (1969), 297–332; für die zweite Position steht W. Brettschneider, Die moderne Parabel. Entwicklung und Bedeutung, Berlin 21980. 12 Für

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treten wird.13 Die Haupthypothese der Hermeneutischen Theorie lautet: Die Parabel ist eine, den Erkenntnisprozess fordernde, hermeneutische Gattung. Elm sieht dabei eine Möglichkeit zur Lösung der wichtigsten Probleme der literaturwissenschaftlichen Parabel‑ und Parabolikforschung in einer Untersuchung der wirkungsästhetischen, rezeptionsrelevanten und verstehensorientierten Grundstruktur der Parabel. Es gehe darum, durch die Herausarbeitung dieser Grundstruktur der Parabel deren gattungsspezifische Konstanten aufzuzeigen. Diese Konstanten sieht Elm im Zusammenhang mit einer zeitabhängigen und deshalb variablen Erkenntnisfunktion der Parabel. Erst die Verschränkung der konstanten und der variablen Elemente miteinander mache die Parabel zu einer „hermeneutischen Gattung“. Elm gelangt auf diesem Weg jedoch weder zu einer operationalisierbaren Bestimmung der Parabel, noch zu Unterscheidungen zwischen Fabel und Parabel, Gleichnis und Parabel und selbst zwischen Allegorie und Parabel. Zu den literaturwissenschaftlich weiterführenden Aspekten insbesondere der Hermeneutischen Theorie gehört allerdings die beispielsweise auch von den Arbeiten Theo Elms angeregte Einsicht, dass wenigstens aus der Perspektive der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung und mit Blick auf Literatur als Symbolsystem der Kreis der generisch kritischen Gattungen und Sprachzeichenverwendungen erheblich größer als bislang angenommen ist. So zeigt sich, dass nicht allein Parabel, Fabel, Allegorie, Beispielgeschichte und Gleichnis voneinander zu unterscheiden wären und das Verhältnis dieser Genres oder Sprachzeichenformen zueinander geklärt werden müsste, sondern dass hier weitere erzählende oder lediglich storyvermittelnde historische Genres abgrenzend und zugleich mit dem Bereich der Parabolik verbindend einzubeziehen wären – nicht allein die Paramythie, sondern auch die moralische Erzählung; darüber hinaus das Denkbild ebenso wie das Emblem; das Märchen ebenso wie die Kurzgeschichte; der Kasus ebenso wie die Anekdote und die Novelle; das Lehrgedicht ebenso wie das sogenannte Parabel-Drama, der Witz ebenso wie das Rätsel, der Schlüsselroman ebenso wie unselbständige Schreibweisen des ‚alieniloquium‘. Nicht zuletzt müssen die spezifischen Mechanismen aller Formen der Parabolik von der Möglichkeit der Literatur an und für sich unterschieden werden, im Besonderen das Allgemeine aufzuweisen oder aufzurufen – und es müssen Möglichkeiten der Identifikation von Parabeltexten und ihrer Unterscheidung von lediglich parabolischen Texten gefunden werden, die allesamt von Literatur im Allgemeinen zu unterscheiden wären. Um all dies geht es jedenfalls in einer dritten Phase der literaturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung. Die dritte Phase der Erforschung parabolischer Gattungen setzt ungefähr im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ein. 13 T. Elm, Die moderne Parabel. Parabel und Parabolik in Theorie und Geschichte, München 1982.

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Positionen, die in dieser Phase entwickelt wurden, zeigen sich noch in der Gegenwart in manchen literaturwissenschaftlichen Arbeiten, aber durchaus auch im Bereich der Literaturdidaktik.14 Sie kann als eine struktural-analytische Phase bezeichnet werden, in ihr wird das Feld der Parabolik und das der angrenzenden generischen Bereiche vor allem aus der Perspektive und mit den Mitteln der Analytischen Literaturwissenschaft betrachtet. Die rationale Rekonstruktion der Parabolik-Forschung der letzten zweihundert Jahre ebenso wie die explikative Auseinandersetzung mit Traditionen der Rhetorik, der Poetik und auch der Ästhetik führen hier zu einer Untersuchung von Metaphorizität im Besonderen und Uneigentlichkeit im Allgemeinen als Optionen menschlicher Sprachverwendung und näherhin als formative Optionen von graphisch repräsentierten Sprachzeichengebilden, die zu unterscheiden sind von allen sprachlichen (und damit letztendlich kognitiven) Formen der exemplifizierenden Subsumtion, der Indirektheit und des nebeneinanderstellenden Vergleiches ebenso wie von einfachen und sozusagen zu entschlüsselnden Codierungen und schließlich auch der allgemeinen Interpretationsoffenheit literarischer Texte an und für sich. In diesem Zusammenhang habe ich mit Blick auf die parabolischen Formen und als rationale Rekonstruktion der Normen der Kommunikation über Parabeln wie auch ihrer literarhistorischen Exemplifizierungen vorgeschlagen, unter einer Parabel einen „episch fiktionale[n] Text“ zu verstehen mit mindestens einem Expliziten oder Impliziten Transfersignal zur Richtungsänderung des Bedeutens. Dabei kann die Richtungsänderung ausdrücklich gelenkt werden, kann aber auch offen bleiben im Rahmen des Bedeutungspotentials des Textes. In keinem Fall enthalte der Text anthropomorphisiertes Figural aus der bekannten Realität.15

Es handelt sich hierbei um einen rekonstruierten Ordnungsbegriff, um einen wissenschaftlichen Textsortenbegriff, der von den historischen Genreausprägungen zu unterscheiden ist. Das Kriterium „episch-fiktional“ bedeutet dabei, dass es sich bei einer Parabel um eine Erzählung handelt (typischer Weise in einem konventionellen Erzähltempus wie dem epischen Präteritum, mit einer doppelten narrativen Origo, dem Ich-Hier-Jetzt-System des Adressanten und dem Ich/Du/Er-damals-dort-System des Erzählten). Es bedeutet weiter, dass diese Erzählung von Erfundenem handelt und selbst erfunden ist  – eine Parabel ist demnach kein faktualer Zeitungsbericht und auch keine historische Erzählung über tatsächlich Vorgefallenes und historisch verbürgtes Figural, sondern ein lediglich erfundenes Geschichtchen mit erfundenem Figural. Dass die Richtungsänderung des Bedeutens gelenkt sein kann, aber auch offen bleiben kann im Rahmen des Bedeutungspotentials des Textes, stellt sicher, dass sowohl ältere Texte, bei denen ausdrücklich genannt oder verdeutlicht wird, worauf 14  Siehe hierzu K. Erlemann/I. Nickel-Bacon/A. Loose, Gleichnisse  – Fabeln  – Parabeln. Exegetische, literaturtheoretische und religionspädagogische Zugänge, Tübingen 2014. 15 Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 10), 101.

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das Erzählte bezogen werden soll, als auch moderne Texte, bei denen dies nicht geschieht, unter den Begriff fallen können. Das Kriterium der fehlenden Anthropomorphisierung stellt schließlich sicher, dass die Parabel grundsätzlich von der Fabel unterschieden werden kann. Die Fabel ist nämlich generisch charakterisiert durch anthropomorphisiertes Figural aus der bekannten Realität – etwa dem sprechenden Löwen, der sprechenden Eiche oder auch dem listigen Fuchs. Löwe, Eiche und Fuchs kennen wir aus der uns geläufigen Realität – nicht jedoch beispielsweise allegorische Figuren wie etwa den „Neid“, der in einem Text Lessings vorkommt, oder auch die nackte und ihrer Kleider beraubte „Fabel“, die in einem Text Magnus Gottfried Lichtwers vorkommt. Das Vorkommen dieses, wenn man so will: phantastischen Figurals wäre nach dieser Rekonstruktion jedenfalls kein Grund für einen Ausschluss des Textes aus der Gattung Parabel. Bei der Rekonstruktion wenigstens des inneren Kreises der parabolischen Gattungen sieht man nun auch im Hinblick auf die Abgrenzung der Parabel von der Fabel, dass die Gattung Fabel entgegen herkömmlichen Annahmen mit zwei unterschiedlichen Typen der Differenzierung von Ausdruck und Bedeutung arbeitet: Ein Typus der Fabel funktioniert nämlich wie die Parabel als ein uneigentlicher Erzähltext, in ihm geht es um eine signalisierte Richtungsänderung des Bedeutens. Ein anderer Typus hingegen, der übrigens schon von Lessing in seinen Abhandlungen über die Fabel gesehen und bestimmt wurde, funktioniert wie eine Beispielgeschichte mit einer exemplarischen Subsumtion des Erzählten unter einen allgemeinen Aspekt. Wir können hier vielleicht von der Fabel als Beispielgeschichte und von der metaphorischen Fabel sprechen. Beide Typen unterscheiden sich allerdings mindestens durch die jeweils generisch spezifische Behandlung des Figurals in der Erzählung von der Parabel. Von der Parabel und anderen ‚parabolischen Formen‘ lassen sich bei einer sprachanalytischen Rekonstruktion auch zwei Typen des Gleichnisses voneinander unterscheiden, wenn wir zunächst einmal grundsätzlich daran festhalten, dass ein Gleichnis immer ein Text sei, der an irgendeiner Stelle der Grundstruktur des Vergleiches diese Grundstruktur amplifizierend überschreite. Ein Gleichnis ist eben nicht einfach ein Vergleich nach der Form x ist so f wie y, sondern eben ein erweiterter Vergleich, wir stoßen auf einen amplifizierenden Text an den Stellen x, f oder y. So kann es etwa heißen: Das Himmelreich ist wie ein Mann, der dieses oder jenes macht. Im Falle des Gleichnisses verhalten sich nun zwei Typen der Textamplifikation kritisch zur Gattung der Parabel. Bei dem ersten Typus finden wir als amplifizierenden Teil einen mehr oder weniger umfangreichen beschreibenden Textteil. Wir können hier von einem beschreibenden Gleichnis sprechen, in dem jedenfalls nicht und nichts erzählt wird und das daher relativ leicht von der erzählenden Parabel unterschieden werden kann. Etwas schwieriger ist dies bei dem zweiten Typus des Gleichnisses, bei dem der amplifizierende Textteil – ähnlich wie bei einer Parabel – aus einer Erzählung

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besteht. Von dem Erzähltext einer Parabel unterscheidet sich derjenige des erzählenden Gleichnisses indes vor allem dadurch, dass die Erzählung des Gleichnisses als hypothetisch-fiktional markiert wird, während die Parabel ja immer episch-fiktional ist. ‚Hypothetisch-fiktional‘ bedeutet, dass Textsignale sicherstellen, dass es sich um eine blosse Imaginationserzählung handelt, während die Parabel als vollkommene Illusionserzählung anzusprechen ist. Solche Signale der Imaginationserzählung des Gleichnisses können explizite Bemerkungen sein wie etwa „stellen wir uns einmal einen Mann vor, der dieses oder jenes macht, … dieser Mann ist wie das Himmelreich.“ Häufig, vielleicht sogar in der Regel findet sich als Verstärkung des Signals, dass wir es mit hypothetischer Fiktionalität, also der Fiktionalität einer bloßen Hypothese oder Annahme zu tun bekommen, der Gebrauch des Präsens als Erzähltempus. Dies ist anders in der Illusionserzählung der Parabel, die eben nicht irgendwie zu erkennen gibt, dass es sich um eine bloße, probeweise Vorstellung handelt, sondern etwa mit der Nutzung eines etablierten Erzähltempus signalisiert, dass es hier um vollkommen Vergangenes gehe. Bei einer rationalen Rekonstruktion von Parabolik und Parabolikdiskursen wird man also feststellen können, dass die Parabel nicht einfach nur von dem Gleichnis zu unterscheiden wäre, sondern von zwei Typen des Gleichnisses. Außerdem wäre sie nicht nur einfach von der Fabel zu unterscheiden, sondern mindestens von zwei Typen der Fabel  – und für alle diese Unterscheidungen ist die Differenzierung zwischen Erzählen und Beschreiben, Anthropomorphisierung oder Nichtantropomorphisierung, Uneigentlichkeit und Exemplifikation entscheidend – so jedenfalls, dass man keineswegs wird sagen können, dass ‚Fabel‘, ‚Parabel‘ und ‚Gleichnis‘ lediglich die Namen für eine einzige Sprachform seien. Über das Kriterium der Exemplarizität, der Subordination einer Erzählung unter einen allgemeinen Aspekt anstelle des Transfers einer Erzählung auf einen Aspekt lässt sich schließlich auch die Beispielgeschichte von der Parabel unterscheiden, während die Allegorie als eine Schreibweise immer eine Option der Parabel bleibt. Insgesamt führen diese analytischen Differenzierungen und literarhistorischen Rekonstruktionen nicht nur zu operationalisierbaren Objekttheorien für den Bereich der Parabolik und letztendlich zu stabilen, voneinander unterscheidbaren Gegenständen der literaturwissenschaftlichen und literarhistorischen Forschung, sondern beispielsweise auch zu der Möglichkeit, sozusagen eine genau fokussierte Geschichte der Gattung Parabel (aber auch der Gattungen Gleichnis, Fabel oder Beispielgeschichte) für eine bestimmte Dichtungskultur rekonstruieren zu können. Eine Gattungsgeschichte der Parabel für die deutsche Literatur liegt denn auch in ihren Grundzügen vor. Die vierte und bislang letzte Phase der literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit parabolischen Gattungen ist eigentlich noch gar keine; vielmehr

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deuten sich seit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts Forschungstendenzen an, deren Stabilisierung oder Paradigmatisierung man noch abwarten muss. Es handelt sich dabei jedenfalls nach meinem Eindruck lediglich nominell um literaturwissenschaftliche Forschung, die vierte Richtung könnte demgegenüber besser als die kulturwissenschaftliche Richtung der Parabolik-‚Forschung‘ betrachtet werden. Diese Richtung scheint dadurch gekennzeichnet zu sein, dass parabolische Formen nun nicht mehr oder lediglich am Rande textanalytisch und literarhistorisch erschlossen und generisch voneinander unterschieden werden, sondern zusammen mit anderen, in der literaturwissenschaftlichen und auch literaturdidaktischen Tradition voneinander zumeist unterschiedenen Gattungen in die Koffer-Kategorie der ‚Kleinen Form‘ gepackt oder unter dem allgemeinen Stichwort ‚Fallgeschichte‘ gefasst werden. Die Fallgeschichte ist nun weder eine literarhistorische noch eine literaturwissenschaftlich etablierte Realie, vielmehr handelt es sich um eine unscharfe und weite, neue kulturwissenschaftliche Kategorie. Mit dem Ausdruck wird keine historische oder auch nur systematisch rekonstruierte literarische oder poetische Gattung bezeichnet, sondern am ehesten ein allgemeines Verfahren bzw. eine Rede‑ oder Schreibweise, dessen bzw. deren Hauptkennzeichen das der exemplarischen Darstellung eines Lebens oder Lebensabschnittes ist (wie immer diese Darstellung dann im einzelnen auch aussehen mag: erzählend, nichterzählend, dramatisch usw., illustrierend, kommentierend etc.). Es wäre daher vielleicht besser, den verwendeten Begriffsnamen zu verändern, und man sollte vielleicht nicht mehr von der Fallgeschichte sprechen, sondern beispielsweise nur noch vom kasuistischen, exemplarischen oder subsumtiven Verfahren bestimmter Redeweisen und Texte, von der Falldarstellung als strukturell unselbständigem Verfahren, das prinzipiell in unterschiedlichen selbständigen Gattungen und Textsorten möglich ist – etwa in Fabel, Gleichnis, Beispielgeschichte und vielleicht auch in der Parabel. Die systematisch rekonstruierbaren Unterschiede zwischen diesen Gattungen, die auf unterschiedlichen Verfahren und Funktionen von Sprachverwendung beruhen, sind für die kulturwissenschaftliche Fallgeschichtenforschung allerdings allem Anschein nach nicht weiter von Bedeutung. Vielmehr gehen auch die parabolischen Formen zusammen mit anderen historischen Gattungen sozusagen in das große Gefäß der Fallgeschichte ein.16 Wenn man so will: Die 16  Siehe hierzu J.Ruchatz/S. Willer/N. Pethes (Hg.), Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen, Berlin 2007; J. Sümann/S. Scholz/G. Engel (Hg.), Fallstudien. Theorie – Geschichte – Methode, Berlin 2007; A. Kosenina/C. Zelle (Hg.), Kleine anthropologische Prosaformen der Goethezeit (1750–1830), Hannover 2011; I. Mülder-Bach/M. Ott (Hg.), Was der Fall ist. Casus und Lapsus, Paderborn 2014; S. Düwell/N. Pethes (Hg.), Fall – Fallgeschichte  – Fallstudie. Theorie und Geschichte einer Wissensform, Frankfurt (Main)/New York 2014; C. Zelle (Hg.), Casus. Von Hoffmanns Erzählungen zu Freuds Novellen. Eine Anthologie der Fachprosagattung ‚Fallerzählung‘, Hannover 2015; T. Wegmann/M. King (Hg.), Fallgeschichte(n) als Narrativ zwischen Wissen und Literatur, Innsbruck 2016; E. Matala de Mazza, Offene Magazine für Erfahrungswissen. Sprichwörter, Fabeln und Exempel,

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unterschiedlichen Gattungsnamen im Bereich der parabolischen Gattungen werden hier tatsächlich wie unterschiedliche Namen für eine Sprachform verwendet, die man als die ‚falldarstellende Sprachform‘ bezeichnen könnte. Nicht ohne Grund ist in diesem Zusammenhang auch André Jolles mit seiner Theorie der ‚Einfachen Formen‘ ein wichtiger Orientierungspunkt. Ob dies jedenfalls eine Entwicklung ist, der man auch in der theologischen, der altphilologischen oder der judaistischen Parabolik-Forschung wird folgen wollen, kann ich nicht beurteilen – ich halte dies allerdings für eher unwahrscheinlich. Ähnlich wie bei der Fallgeschichte scheint es sich auch mit den Kleinen Formen zu verhalten, es handelt sich eher um eine kulturwissenschaftliche Sammelkategorie, die Unterschiede in Verfahren und Sprachmodi eher einebnet als sie deutlich werden zu lassen. Das Interesse an den Kleinen Formen als Formatierung von Wissen geht eben nicht mit einem literaturwissenschaftlichen, gattungsgeschichtlichen oder gattungssystematischen Interesse einher, wenigstens mit keinem besonders ausgeprägten Interesse. An die Stelle der Literaturwissenschaft tritt auch hier eher ein Interesse an Diskursen und diskursiven Praktiken, wie sie insbesondere durch Foucault thematisiert worden sind. So kann man insgesamt vielleicht sogar sagen, dass der literaturwissenschaftlichen ParabolikForschung in ihrer kulturwissenschaftlichen Phase eigentlich ihr literaturwissenschaftlicher Gegenstand entzogen wird  – oder vorsichtiger, dass die Gegenstände der kulturwissenschaftlichen Parabolik-Forschung jedenfalls nicht mehr unbedingt mit den Gegenständen der literaturwissenschaftlichen ParabolikForschung zusammenfallen und die andernorts unterschiedenen Formen der Parabolik als „Narrative“ unter „Narrativen“ in den luftigen Höhen solcher Geister‑ und Geisteserscheinungen wie ‚Kultur‘ und ‚Wissen‘ entschwinden.

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Autorinnen und Autoren Soham Al-Suadi, Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock. Ralph Brucker, Redakteur am Historical and Theological Lexicon of the Septuagint (HTLS), Straßburg, und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Schleiermacher-Forschungsstelle, Kiel. Jan Dochhorn, Associate Professor of New Testament in the Department of Theology and Religion, Durham University. Michael Erler, Professor em. für Klassische Philologie, Seniorprofessor und Mitglied des Direktoriums (Chair) des Siebold-Collegiums Institute for Advanced Studies (SCIAS) der Universität Würzburg. Katharina Greschat, Professorin für Kirchengeschichte (Alte Kirche und Mittelalter) an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Judith Hartenstein, Professorin für Evangelische Theologie mit dem Schwerpunkt Neues Testament und Religionspädagogik an der Universität KoblenzLandau, Campus Landau. Christian Hengstermann, Lehrbeauftragter am Seminar für Klassische Philologie der Universität Wuppertal und Fellow des Cambridge Centre for the Study of Platonism. Marianne Bjelland Kartzow, Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Oslo. Friederike Kunath, Habilitandin an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, freischaffende Schreibberaterin im Hochschulkontext. Christian Münch, Akademischer Oberrat in der Abteilung Katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Friederike Oertelt, Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neues Testament an der Augustana-Hochschule, Neuendettelsau. Silke Petersen, apl. Professorin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie, Fakultät für Geisteswissenschaften, Universität Hamburg.

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Autorinnen und Autoren

Dieter T. Roth, Asst. Professor für Neues Testament am Boston College, Chestnut Hill, Mass. Jens Schröter, Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments sowie die antiken christlichen Apokryphen an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Konrad Schwarz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Exegese und Theologie des Neuen Testaments sowie die antiken christlichen Apokryphen an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Günter Stemberger, emer. Professor für Judaistik an der Universität Wien. Ruben Zimmermann, Professor am Seminar für Neues Testament, EvangelischTheologische Fakultät, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Rüdiger Zymner, Professor für Allgemeine Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal.

Stellenregister Altes Testament / ​Hebräische Bibel / ​Septuaginta Gen 1–3 62, 69 1,1 300 1,5 62, 68 1,27 231 1,29 f. 236 2,7 231, 234 2,21 f. (LXX) 48–51 3 44, 236 3,8 45, 49 3,9 (LXX) 45 3,9–13 44 3,12 45 3,13 45, 49 3,17 69, 71 3,17–19 236 9,6 93 27,27 300 49,8–12 201 Ex 3,13 165 3,14 284 11,4 81 14,5 82, 84 14,13 87 14,15 84 14,17 87 14,19 84 14,21 85 f. 14,22 86 14,27 87 15,1 87, 89 f. 15,2 88 15,4 89 15,9 f. 91

15,12 91 f. 15,17–19 91 16,4 84 17,14 92 19,4 85 20 92 f. 20,2 88, 93 20,3 93 20,5 94 20,13 93 21,37 78 30,16 77 32,1 276 32,16 79 34,1 79 38,22 87 Lev 5,23 78 20,4 f. 75 Num 12,8 42 23 f. 31 23,3 41 23,7 32, 34 f. 23,7–9 33 23,7–10 35 23,18 32, 35, 41 23,18–24 35 24,3 32, 35, 41 24,3–9 35 24,15 32, 35, 41 24,15–19 35 24,20–23 32, 35, 41 24,21–24 35

354

Stellenregister

Dtn 1,31 85 3,23 92 10,17 88 24,1–4 79 25,15 283 28,37 34, 38, 41 f. 32,20 f. 276 Ri 14,12–19 42 1 Sam (1 Kgt) 10,12 24,14

33–35, 41 35, 41

2 Sam (2 Kgt) 23,3 31, 37 f., 41 23,4–7 38 1 Kön (3 Kgt) 5,9–14 38 5,12 33 f., 38 f., 41 9,7 42 10,1 42 2 Chr 7,20 33–35, 38 f., 41 f. 9,1 42 36,23 109 Esra 1,3 109 Tob 3,4

31, 34, 38 f., 41

2 Makk 2,24 38 Ps 2,1–4 91 10,3 80 12,7 80 21 202 23 201 24,8 88 43,14 (LXX) 38

43,15 (LXX) 38, 41 f. 48,4 (LXX) 39 48,5 (LXX) 34, 39, 41 f. 50,4 89 59,8 f. 91 68,11 (LXX) 38, 41 68,12 (LXX) 34, 38, 42 68,28 86 77,2 (LXX) 39, 41 f. 77,3 (LXX) 39 78,16 85 79,7 90 94,7 78 102,4 286 103,12 (LXX) 220 105,39 84 114,3–7 86 139 45 Spr 1,1 39, 41 1,6 39, 41 f. 5,15 85 6,30 f. 80 8,22 287 25,1 42 26,7 41 f. 29,24 f. 79 f. Pred 1,17 32, 39, 41 5,7 92 12,9 40 f. Hld 2,14 87 3,4 90 4,13 83 4,15 85 6,3 90 Hiob 13,12 42 25,2 42 27,1 42 29,1 42 33 43

Stellenregister

Weish 5,4

31, 34, 38 f., 41

Sir 1,25 40 f. 3,29 40 f. 6,35 41 f. 8,8 41 8,8 f. 38 13,26 40 f. 18,29 f. 41 20,20 40 f. 20,27 41 23,7 41 30,1 41 30,14 41 30,16 41 32,1 41 33,25 41 38,33 f. 40 f. 39,2 f. 34, 40 f. 44,1 41 44,5 42 47,15 32, 34, 40 f. 47,17 32, 40–42 51,1 41 Hos 11,3 84 12,11 88 Jona 1,4 81 Micha 2,4

34, 36 f., 41 f.

Hab 2,6

34, 36, 38, 41 f.

Zef 2,13 92 Hag 2,3 109 Jes 1,2 284

6,9 276 14,4 42 31,3 92 40,17 76 42,13 88 42,23 109 43,18 f. 75, 82 48,13 91 50,10 109 54,1 238 57,19 274 66,1 283 Jer 2,31 276 7,23 f. 276 7,25–28 274 7,26 276 10,6 88 16,14 f. 82 23,7 f. 82 24,9 34, 38, 41 f. 35,15 274 38,29 35 42,15 (LXX) 274 Ez 8,12 78 12,22 f. 35, 41 12,23 31 14,8 42 16,44 31, 35, 41 17,1–10 60 17,2 31, 33–38, 41 f. 17,3–10 36 17,23 220 18,2 f. 35, 41 19,1–14 37 19,14 31, 34, 36 f., 41 f. 20,45–48 36 20,49 36 f., 41 21,1–4 36 21,5 36 f., 41 24,3 31, 36–38, 41 24,3–14 36 25,13 92 25,16 92 29,15 78

355

356

Stellenregister

31,16 220 37,3 271 38,13–20 91 Dan 4,9 220

4,18 220 8,23 42 11,1 37 12,4–9 37 12,8 32, 37, 41

Frühjüdische Literatur Apc Mos 1–14 46 7 f. 46 8,1 47 15–30 44–47 22,2 45, 49 23 44 23,1 43, 45–48 24 f. 49 39,1 49

Flacc. 163 65

4 Esra 6,38–59 62 7,118 49

Abr. 70 69

Opif. 3 63 16 63 17 63 f., 67 17 f. 64 17–20 53, 62, 64, 66, 68 f., 71 f. 18 65 f., 68 19 64–67 20 64, 67 f. 24 f. 68 35 63 46 69 134 f. 231 f.

Conf. 4 56

Praem. 1 62

Congr. 74–78 55

Sacr. 45 69

Det. 141 f.

Spec. 3,1–6 57

Jub 2,1–21 62 4 Makk 18,7–9 50 Philo

71

Leg. 3,223 f. 53, 69, 72 3,224 70 3,318 69 Migr. 67 69

Stellenregister

Rabbinische Literatur Mishna mAv 2,5 76 mNid 2,5 74 5,7 74 mSheq 1,3 76 mSuk 2,9

74 f.

Tosefta tBer 1,11 75, 82 6,18 76 tBM 11,15 86 tBQ 7,2 78 7,3 78 f. 7,4 79 7,13 79 tHag 2,5 77 tNid 2,8 80 3,5 81 tSan 1,2 80 8,9 80 tSheq 1,6 76 tSota 11,3 78 15,7 75

tSuk 2,6 77 Babylonischer Talmud bSan 91b 89 bSuk 29a 75 Mekhilta deR. Jishmaʿel Pisḥa 1 81 13 81 16 82 Beshallaḥ 1 82 2 87 4 84 5 84 f. 6 86 7 87 Shirata 1 87 f. 2 89 3 88, 90 7 90 f. 9 91 f. 10 91 Amalek 2 92 Baḥodesh 2 85 5 88, 92 f. 6 92–94 7 94 8 93 Neziqin 13 79

357

358

Stellenregister

Mekhilta deR. Shimʿon

Wayyiqra Rabba

14,27 87

4,5 89

Neues Testament Mt 3,10 105 5,1 130 5,13 107, 116 5,13–16 131 5,14 105 5,18 134 5,35 273 6,2 134 6,5 134 6,7–11 129 6,16 134 6,19–30 131 6,25–30 129 7,1–5 129 7,2–11 131 7,3–5 107 7,9 f. 105 7,15–20 130 7,23 134 7,24 130 7,24–27 129, 267 7,25–27 130 9,14–17 123 9,37 f. 135 10,16 105 10,24 105 11,16–19 129 11,25 283 12,11 108, 216 12,22–29 123 12,30 105 13 133 13,3 132 13,10 132 13,10–23 131 13,11 133 13,11–15 132 13,11–17 134 13,13 132 13,13–15 128

13,16 f. 134 13,18 132, 134 13,18–23 133 13,24 131–133 13,24–30 103, 131 13,31 131–133, 283 13,31 f. 131, 212, 220 13,32 131 13,33 131–133, 283 13,34 132 13,34 f. 131, 133 13,34–36 134 13,35 132, 133 f. 13,36 132, 134 13,36–43 131, 133 13,37 134, 298 13,43 306 13,44 84, 131, 133, 300 13,44–46 103 13,45 131, 133, 283 13,47 131, 133 13,47–50 103, 131 13,49 f. 133 13,51 f. 131 13,52 103, 107, 133, 297 13,53 132 14,34 289 15,13 f. 131 15,15 132 15,21–28 123 15,26–28 127 18,1 130 18,1–14 129 18,12–14 8, 46 18,21–35 129 18,23 133 18,23–35 103, 107 18,24–30 129 18,31–33 130 18,34 130 19,11 266

359

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19,24 292 19,30–20,16 130 20,1 133 20,1–16 103, 257 21,28–32 103, 134 21,28–22,14 131 f. 21,33 132 21,33–46 123 21,40 f. 128 21,45 128, 132 21,46 128 22,1 132 22,1–14 103, 134, 263 f., 273 22,2 133 22,2–14 8, 101 24 f. 130 24,28 105 24,29–31 134 24,32 130, 132 24,32–36 130 24,32–25,30 131 f. 24,42–25,30 129 24,45 130 24,46–51 130 25,1 133 25,1–9 130 25,1–12 267 25,1–13 103, 135, 257 25,10 f. 130 25,12 130, 134 25,13 133 25,14–18 130 25,14–30 101 25,19 f. 130 25,21–30 130 25,26 306 25,31 f. 135 25,31–46 134 25,41 204 Mk 1,11 123 2,17 105, 123 2,18–20 131 2,18–22 123 2,19 105, 123 2,21 f. 105, 107 2,23–28 123

3,22–27 123, 131 3,23 108, 123, 132 3,24 f. 105 3,27 105 4 131–133 4,1–9 257 4,1–34 131 4,2 132 4,3–9 131 4,10 132, 134 4,10–12 7, 51 4,10–25 131 4,11 132 f., 256 4,11 f. 132, 134, 251 4,12 51, 251 4,13 132 4,13–20 133 4,21 105 4,21–25 133 4,26 102, 133 4,26–29 131 4,30 102 f., 132 f., 296 4,30–32 101, 131, 212, 220, 257 4,32 220 4,33 132 4,33 f. 7, 133 f. 4,34 132–134 7,17 132 7,24–30 123 4,26–29 257 7,28–30 127 8,31 123 9,7 123 10,18 284 11,27–33 134 12,1 215 12,1–12 101, 123, 132, 134 12,6–8 123, 128 12,12 123, 128 13,3 130 13,28 132 13,28 f. 130 13,34–36 129 13,35 f. 135 Lk 4,23 5,33–39

35, 105, 108, 126 123 f.

360 5,36 108, 126 5,36–39 131 5,39 105 6 258 6,37–42 129 6,39 105, 108, 126 6,39 (Q) 112f., 115 6,41 f. (Q) 112, 114 6,43 f. 105 6,43–45 130 6,44 (Q) 105, 112, 115 6,46–49 129 6,47–49 257 7 124 7,19–35 129 7,29 127 7,29 f. 124, 127 7,31 (Q) 112 7,31–34 124 f. 7,36–50 124, 127 7,40 125 7,42–50 125, 127 8,4 126 8,9 126, 134 8,9 f. 134 8,10 f. 126 9,20 300 9,62 306 10,2 f. 124, 127, 135 10,25–37 124 10,29 127 10,29–37 126 10,30 108 10,35 127 10,36 f. 125, 127 10,37 125, 137, 305 11,1 127 11,1–13 111 11,2 124 11,5 108, 216 11,5–7 125 11,5–8 109, 127, 131 11,5–13 124, 131 11,9 f. 127 11,9–13 112, 131 11,11 (Q) 108 11,11 f. 111, 115, 125, 127 11,13 115, 125

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11,14 f. 127 11,14–23 123 f. 12 186 12,6 126 12,13 127 12,13–46 124 12,13–59 129 12,16–21 124, 126 12,17–19 127 12,21 126 f. 12,22 130 12,22–31 112 12,22–32 129 12,23 115 12,24 125 12,24–28 111, 115, 131 12,28 125 12,24–46 124 12,25 108, 111 12,29 f. 127 12,33–46 129 12,35–48 131 12,36 125 12,41 127, 130 12,42 (Q) 112 12,42–46 309 12,42–48 186 12,43–46 129 12,45 127 12,49 218 12,54–56 130 12,56 (Q) 113 f., 116 13,1–5 127 13,1–9 124 f. 13,5 127 13,6 126 13,18 116, 133 13,18 f. 212, 220 13,18 f. (Q) 102 f. 13,18–21 131 13,19 133 13,20 f. 116, 257 13,20 f. (Q) 102, 107 13,21 133 13,22–30 124, 127, 135 14,7 126 f. 14,7–11 126 14,7–24 124 f., 131

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14,8–20 127 14,12–14 127, 263 14,12–24 264, 273 14,13 125 14,15 133 14,16 108, 275 14,16–24 8 14,21 125 14,22–24 127 14,25–35 124 14,28 108, 125 14,28–33 131, 258 14,31 108, 125 14,33 125–127 14,34 (Q) 113, 116 14,34 f. 105, 114–116 15 124, 270 15,1 f. 127 15,1–32 124, 131 15,3 126 15,3–7 46, 257 15,4 108, 111, 115, 125, 216 15,4–7 (Q) 8, 111, 115 15,4–10 131 15,5 125 15,5–7 112 15,6 127 15,7 125 f. 15,8 125 15,8–10 46, 257 15,9 127 15,10 125 f. 15,11 108, 216 15,11 f. 186 15,17–19 127 15,20–24 131 15,22–24 127 15,25–30 131 15,31 f. 127, 131 16,1 108, 130, 216 16,1–8 125, 129 16,1–13 129 16,1–31 131 16,3 f. 127 16,10 127 16,14 127, 130 16,14–31 125 16,16 251

16,19 108 16,19–31 126, 129 16,24–31 127 16,41 127 17,5 124 17,7 108, 125 17,7–10 124 17,10 126 f. 18,1 126 f. 18,1–8 125, 185 18,1–14 131 18,4 f. 127 18,6 f. 125 18,9 125–127 18,9–14 126 18,11–14 127 19,11 126 f., 133 19,11–27 124 f., 135 19,12 (Q) 108 19,12–26 107 19,12–27 134 19,12–28 135 19,20 f. 127 19,29–44 135 20,1–8 127 20,1–19 123 f. 20,9 108, 126, 128 20,13 f. 127 20,16 128 20,19 126, 128 21,5 130 21,29 126 21,29–33 130 23,21 107 Joh 1,1 300 1,2 298 1,3 289 1,5 287 1,12 f. 152 1,14 152, 156, 292 1,18 152, 154 1,23 156 1,32 156 2,19 149 3,3–5 103 3,3–8 149 f.

361

362 3,14 156 4,13 f. 149 f. 4,35–38 149 f. 4,38 303 5,19–23 149–151 5,23 156 5,30 156 6 236 6,31 156 6,32–40 149 6,32–51 150 6,48–51 149 6,57 f. 156 7,38 156 8,28 156 8,35 149 10 144 10,1–3 308 10,1–5 143–151, 257 10,6 141, 143, 145, 147, 159 10,7 143 f., 147 10,7 f. 143 f. 10,7–13 149 10,12 f. 149 f. 11,9 f. 149 f. 12,14 f. 156 12,24 149 f., 256 12,35 f. 149 13,15 157 13,31–14,31 145, 153 13,31–16,33 145 13,34 157 14,1–4 145, 150 14,2 274 14,2 f. 149, 153 14,3–11 153 14,25 145 f. 14,25 f. 146 14,26 154 14,27 158 14,31 156 15,1–8 149 15,1–10 145 15,4 155 f., 158 15,6 156 15,9 156 15,9 f. 145

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15,10 157 15,11 145 15,12 157 16 146 16,1 145 16,4 145 16,4–33 153 16,6 145 16,16 145 16,17 f. 145 16,20–24 145 16,21 145, 148 f., 152 16,21 f. 149 16,25 141, 144–146, 148 f., 151–153, 157, 159, 251, 253 16,25–29 141, 144, 147, 153, 159 16,26 146, 154 16,26–29 146 16,31 145 f. 16,33 145 17 152 17,11–16 157 17,18 156 f. 17,21 157 19,40 157 20,17 152, 154 f., 159 20,21 156 f. 20,21–23 154 20,28 154 21,25 296 Apg 4,5 166 Röm 1,13 176 1,18–3,20 175 3,5 163 3,10–20 175 3,21 165 3,21–31 176 3,25 287 4,1–15 176 4,17 165 5 168, 171 f., 177 5,1 165, 176

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5,1–11 5,12 5,12–14 5,12–21

170, 175 f. 175 f. 175, 177 163, 167 f., 170, 172–179 5,13 f. 169 5,15–17 175, 177 5,18 176 5,18 f. 169 5,18–20 175 f. 5,19 173, 176 5,20 169 5,21 169, 173, 176, 179 6,3 162 6,19 163 6,23 179 7,1 162 7,1–3 161 7,14 179 8,11 165 11,16–24 162 11,17 299 14,4 161 15,4 162 15,7 176 1 Kor 2,12–16 163, 167 2,13 162 3,1 283 3,11 166 9,16 306 9,24 f. 161 10,6 176 10,33 176 11,1 176 12,11 165 13,12 176 13,13 260 14,34 176 15,20–22 175, 177 15,45–54 177, 231 15,47 172 15,47 f. 173

2 Kor 1,14 176 4,4 165 5,17 165 11,12 176 12,7 179 Gal 3,15 163 4 238 4,4 306 4,7 186, 194 4,13 179 4,21–31 241 4,24 162 5,6 260 Eph 4,13 308 Phil 2,6 288 2,7 286 2,8 288 Kol 2,3 300 1 Thess 2,14 176 3,4–12 176 4,5 f. 176 4,13 176 5,11 176 Hebr 4,2 176 9,9 7, 200, 253 10,22–24 260 11,9 200 11,19 7, 253 Offb 2,19 260

363

364

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Neutestamentliche Apokryphen AJ (NHC II,1; III,1; IV,1; BG 2) 248 1 ApcJac (NHC V,3; CT 2) 247 f., 258 EpJac (NHC I,2) 1,1–2,7 248 1,10 247 f. 1,28 259 1,28–35 247 2,7–39 248 2,19 f. 257 2,39–15,6 248 3,1–4 261 4,21 259 5,6–6,18 248, 256 6,19–21 248 6,21–8,33 249 7,1–6 251, 261 7,1–10 249 7,6–10 253 7,10–15 248 7,10–35 254 7,24–35 249 7,28 f. 255 7,31 255 7,35–8,10 256 8,1–11 249 8,6–10 257 8,10–27 249, 259 8,16–25 249 8,31–36 247 9,18 259 12,18–31 249 13,18–14,1 247 15,6–16,30 248 EvMar (BG 1) 248 EvPhil (NHC II,3) 4 (p. 52,15–19) 11 (p. 53,23–27) 12 (p. 54,13–18) 15 (p. 55,6–14)

234 245 245 235 f., 238, 240

19 (p. 56,3–13) 28 (p. 58,17–22) 31 (p. 59,2–6) 33 (p. 59,11–18) 44a (p. 61,20–22) 51 (p. 63,5–11) 52a (p. 63,11–14) 52a–b (p. 63,11–21) 53 (p. 63,21–24) 66 (p. 67,2–9) 67a (p. 67,9–12) 68–69a (p. 67,27–35) 80 (p. 70,22 f.) 82a (p. 71,3–10) 83 (p. 71,16–21) 83a (p. 71,16–18) 84 (p. 71,22–34) 93 (p. 73,19–27) 113 (p. 78,25–79,13) 115 (p. 79,22–30) 116b (p. 79,33–80,4) 119 (p. 80,23–81,14) 124 (p. 84,14–21)

245 235, 238 237 239 245 230 227 228 245 234 244 244 234 234 235 234 228, 234 240 228 260 238 228 244

EvThom (NHC II,2) Prolog (mit „1“) 209, 213, 225 2 209 f. 3,1 f. 210 4,1 223 5 210 7 214 7,1 f. 210 8 f. 210 8,1 214, 225 9 215, 218 10 210, 218 12 210 12–14 219 13,1 214 13,2 222 13,4–8 222 14,5 210 18–24 209, 219, 224 18,3 210 19,1 210 19,2 219, 222

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20 214, 220, 224 f. 20,2 214 21 220 21,1 214, 219 21,1–4 222 21,2 223 21,2–4 221 21,6 222 22 103, 210, 214, 223 f., 226 22,1–3 223 22,2 f. 210 22,4–7 224 23 210 24,3 220 25 f. 210 27,1 210 30,2 219 37,2 222 f., 225 49,1 210 51 f. 222 51–53 219 52,2 225 54 210 55,1 222 56 f. 218 57 215 57,1 210, 214, 216 58 210 60 223 61,2–5 222 63 215 64 103, 210, 215 64,1 215 64,12 215 65 210 65,1 215, 225

68 f. 210 74,1 225 76 215, 218, 226 76,1 210, 214 76,3 215, 219 77 218 f. 77,2 219 78 222 79 224 91 222 95 210 96 215 96,1 210, 214 97 103, 215, 257 97,1 210, 214 98 103, 215 98,1 210, 214 99 f. 210 101,1 f. 222 102 214, 225 102,1 210 107 210, 215 107,1 210, 214 109 210, 215 109,1 210, 214, 216 112 210 113 210, 222 113 f. 219 114 210, 222 SJC (NHC III,4; BG 3) 248 TestVer (NHC IX) 47,18–23 50

Apostolische Väter Barn 6,10 7 17,10 7 Herm Vis 1,1

188, 192, 194

1,1,2 f. 190 1,2 189 f. 1,2,4 190 1,3 f. 191 1,5 190 1,7 f. 190

365

366 Sim 50,1 184 51,2 f. 184 54–60 185 54,2 185 55,1 185 55,3 f. 186 55,7 f. 186

Stellenregister

55,11 187 56–60 187 56,1 184 58,5 187 59,1 187 59,4 187 74,77 184 78–110 184

Antike christliche Autoren Clemens von Alexandria

Irenäus

Exc. 19,5 286

Haer. 1,1,3 258, 265 1,2 f. 266 1,6 f. 231 f. 1,8,1 266 2 266 2,27 266, 268 2,27,1 266 2,27,2 266 f. 2,27,3 267 2,28,3 267 4 265 4,36,1 273 4,36,5 273 f. 4,41,3 273 5 265 5,20,4–8 265 5,36,2 274

Paed. 1,8 286 1,17 221 1,66 288 96,1 291 97,1 291 Quis div. 25,8 293 29,3 293 Strom. 4,156 286 5,16 f. 292 5,3 285 5,81 284 6,96 284 6,125 289 6,126 290 Euseb Hist. eccl. 5,3,4 263 5,20,1 264 19,7 283 Praep. ev. 11,6,2–7 245

Justin Dial. 1,6 199 7,1 f. 199 8,2 206 9,1 200 14,8 200, 206 27,1 200 32,2 200 34,2 200 f. 36,1 f. 201 52,1 f. 202 63,2 202 68,6 202 70,1 201

Stellenregister

76,3–7 204 77,4 203 78,5 f. 203 86,2 f. 201 90,2 203 90,5 201 97,3 202 99,1 202 113,6 201 114,2 201 115,1 203 123,8 201 125,1 204 125,2 205 Makarios Magnes

10,10 306 10,11 297, 300 10,16 297 10,23 295 14,4 296 14,7 f. 307 14,12 296 16,9 301 Comm. Prov. 1,12 294 Comm. Rom. frg. 28 304 8,10 299

Apokr. 4,8 283

Hom. Exod. 4,1 283

Origenes

Hom. Ezech. 6,6 285

Cels. 282 5,39 307 Comm. Cant. prol. 30–32 305 3,13 303 3,14 305 Comm. Jo. 1,20,119 283 1,20,119 f. 287 1,26,167 244 1,32,231 288 1,36,263 287 2,9,55 287 13,48,327–329 303 32,16,187–189 285 Comm. Luc. frg. 72

301

Comm. Matt. 10,1 295 10,3 298, 306, 308 10,4 296, 300

Hom. Iob 6,4 301 Hom. Isa. 4,1 285 Hom. Jer. 20,2 287 Hom. Lev. 16,6 283 Hom. Luc. 34 301 34,3 302 Princ. 2,1,2 287 2,5,4 299 2,9,2 285 2,10,7 309 3,1,6 298 3,6,1 285, 296 4,4,8 284

367

368

Stellenregister

Tertullian Marc. 3,5,3 269 4 275 4,31,2 275 4,31,3 276 4,31,6–8 276 4,31,8 275, 277 4,41,4 276 4,43,9 275 18,4 267 18,7 267 Praescr. 13 271 Prax. 2 271

Pud. 8 f. 270 8,12 270 9,1 270 f. 9,3 271 9,22 270 Res. 30 271 30,1 270 30,4 272 33,5 272 Theophilus von Antiochia Autol. 2,9 234 2,27 234 12 234

Griechisch-römische Literatur Alkinoos Didaskalikos VI,10 f.

Cicero 245

Aristophanes Daidalos frg. 1,1

Fin. 4,64 59 Demosthenes

109

2 Aphob. 18,1 109

Aristoteles

Diogenes Laertios

Poet. 1450b 127 1457b6–9 242

10,31 23

Pol. 1264b4 17 Rhet. 1393a23–31 201 1393a28–30 16 1393a25 16 1393b4–6 16 Top. 156b25 ff.

22

Dionysios von Halikarnassos Dem. 43,17 109 Epiktet Ep. Hdt. 50 f.

23

Hermogenes Prog. 10,22 f.

14

Stellenregister

Homer Il. 5,87–93 26 11,492–496 26 Od. 11,582 ff.

28

Lukrez De rer. nat. 15 1,277–294 26 1,280 ff. 26 2,730–841 27 2,847–858 27 4,1058–1120 28 4,1097–1104 28 4,1121–1191 28 4,1192 28 4,461 ff. 23 6,1163–1167 25 Nikolaos von Myra Prog. 67–71 14 Platon Alc. Maj. 182 f.

292

Apol. 21d–22a 230 Gorg. 487a 291 491a 18 493bc 18 Lach. 190e 17 Leg. 644d–645c 22 803b–804b 22 Men. 80a 19

80b8 19 80c3 ff. 19 80d 230 Phaedr. 246–248 292 246a 22 246a–256e 70 267c 106 276a–277a 205 276c 205 276e 206 Phil. 33b 17 Pol. 258d–268b 21 277d–278e 20 278b 20 285cd 21 368de 20 369a 20 Rep. 14, 199, 244 369a 21 435cd 21 435d 21 487e 17 488ab 17 488d 70 489a–d 18 489c 17 504b 21 504b1–7 21 505b–d 21 506de 21 509b 284 509d2 68 515a 22 534ab 21 543d–544a 22 Symp. 215b 74 221e 18

369

370

Stellenregister

Theaet. 176b 22 Tim. 28a5–b2 66 42 303 50e 27 Plinius der Ältere Nat. 19,170 220 Plutarch Is. 60 (375D–E)

Seneca De ira 2,10,8 59 Sophokles Oed. 70 109 Theon Prog. 11,118–120 14 Xenophon

245

Rhetorica ad Herennium 67 4,59 f. 58

Mem. 1,2,9 18 1,2,32 18 1,2,37 f. 18

Papyri und Codices P. Oxy. I 1 IV 654 IV 654,1 IV 655

211, 219 211 210 211

C. Claromontanus 182 C. Sinaiticus 182

Moderne Autorinnen und Autoren Aasgaard, R. ​189 Agnon, S.  J. ​74 Alesse, F. ​56  f. Allert, C. D. ​197, 199, 202 Al-Suadi, S. ​6 Andresen, C. ​198 Appelbaum, A. ​74 Asmis, E. ​23 Attridge, H.  W. ​209 Baasland, E. ​126 Back, F. ​145–148, 152–154 Backhaus, K. ​32, 40 Balthasar, H. U. von ​279 Balch, D.  L. ​191 Barnes, T.  D. ​264 Barth, K. ​163, 167–172, 174 f., 179 Bartha, P. ​242 Bates, M.  W. ​202 Bauer, W. ​32 Beavis, M. A. ​182, 193 Beduhn, J. ​275 Behr, J. ​264 Bellinzoni, A.  J. ​203 Bénoît, A. ​266 Bethge, H.-G. ​209, 221 Betz, H.  D. ​163 Beyse, K.-M. ​33 Billerbeck, P. ​73 Bingham, D.  J. ​200 Blanc, C. ​244 Blass, F. ​35, 39–41 Bluck, R.  S. ​19 Böhm, M. ​55 Bond, H.  K. ​8 Borgen, P. ​62 Bork, A. ​116 Bornkamm, G. ​174, 176 Boyarin, D. ​85, 197

Brakke, D. ​252 Brandenburger, E. ​172, 174 f. Brandt, T. ​164 Braun, R. ​269, 275 f. Brenton, L. C. L. ​37 Brettschneider, W. ​322 Briggman, A. ​203, 267 f. Brooten, B. J. ​189, 191 Brox, N. ​232 Brucker, R. ​6 Buckley, J.  J. ​238 Bultmann, R. ​44, 105–107, 163, 170 f., 173–176 Busse, U. ​135 Büttner, S. ​17, 21 Carter, W. ​123 Chilton, B. ​199 Cho, S. ​192 Classen, C.  J. ​24 Clay, D. ​28 Coenen, H.  G. ​164 Cohn, L. ​232 Combes, I. A. H. ​187 Conway, C. M. ​71, 192 Cosgrove, C.  H. ​197 Countryman, L.  W. ​271 Crossan, J. D. ​4, 101 f. Crum, W. E. ​214, 223, 235, 245 Curtius, E.  R. ​322 Daley, B. E. ​268, 272 Dalfen, J. ​18  f. Dannenmann, T. ​124 Dauses, A. ​164 Davidowicz, K.  S. ​74 Debrunner, A. ​35, 39–41, 210 DeConick, A.  D. ​238 Denaux, A. ​135

372

Moderne Autorinnen und Autoren

Deufert, M. ​26 DeVine, M. ​270 Dillmann, A. ​2 Dithmar, R. ​317 Do, T.  J. ​162 Dochhorn, J. ​6, 44–47, 49–51, 236 Dodd, C. H. ​3, 102, 149 Donahue, J. R. ​123 f. Dormeyer, D. ​123, 132, 212 Doutreleau, L. ​265 Dover, K. ​19 Downey, C. ​13 Droge, A.  J. ​199 Drury, J. ​4, 123 f., 162, 178 Dulk, M. den ​197 Dunn, G. D. ​264, 271 f. Düwell, S. ​327 Eck, E. van ​103 Edwards, M. ​199 Ehrman, B. D. ​181 f., 184 Eijk, A. H. C. van ​232 Eisele, W. ​224 Elm, T. ​322  f. Emonds, H. ​242 Engel, G. ​327 Erlemann, K. ​61, 104–107, 136, 212, 324 Erler, M. ​9, 14 f., 17, 23, 27, 56, 205 f. Ernst, H. ​44, 74 Estes, D. ​108–111, 115 Evans, C.  A. ​133 Ewherido, O. ​123 Eynikel, E. ​34 Falkenhainer, B. ​243 Faye, E. de ​284 Fiebig, P. ​73 Flusser, D. ​53, 73 Forbus, K.  D. ​243 Fowler, D.  P. ​13 Fränkel, H. ​57 Franks, J. ​74 Fraser, P.  M. ​55 Frey, A. ​46 Frey, J. ​151, 154, 157, 212, 216, 225 Fricke, H. ​106, 213 Friedländer, P. ​13

Gäckle, V. ​103 Gaffron, H.-G. ​239, 244 Gaiser, K. ​21 Gärtner, U. ​13 Gathercole, S. J. ​211, 218 Genette, G. ​119, 121 f., 132, 135–139 Gentner, D. ​242  f. Gerber, G. ​319–321 Gerhardsson, B. ​216 Gesenius, W. ​33 Giversen, S. ​50 Glancy, J. A. ​186, 191 Gnilka, J. ​133 Gögler, R. ​244 Goldberg, A. ​75 Goodenough, E.  R. ​55 Gowler, D. B. ​117, 267–270, 272 f. Graf, F. ​13 Grant, R. M. ​203, 233, 263 f. Gray, P. ​271 Greschat, K. ​7, 198, 206 Grung, A.  H. ​190 Guerra, A.  J. ​270 Guillaumont, A. ​209 Gupta, N.  K. ​161 Hadot, P. ​280 Hägg, H.  F. ​283 Hanson, R. P. C. ​270, 280 Harders, A.-C. ​189, 191 Harnisch, W. ​5, 120, 126 Harrill, J.  A. ​186 Hart, S. ​172 Hartenstein, J. ​7, 221 f., 247–249, 255 f., 260 Hartung, M. ​162 Hatch, E. ​31, 33, 41 f. Hauck, F. ​17, 34 Haufe, G. ​36 Hauspie, K. ​34 Hedrick, C.  W. ​254 Heil, J.  P. ​123 Heim, E.  M. ​161 Heimola, M. ​232 Heinemann, I. ​55 Heininger, B. ​103, 124, 126 f., 224 Held, M. ​164, 167 f. Hellholm, D. ​182

Moderne Autorinnen und Autoren

Helmbold, A. ​233 Hengstermann, C. ​8, 282 Heyden, K. ​199, 207 Hezser, C. ​5, 61, 73 Hirzel, R. ​199 Hoffmann, R. ​279 Horner, T.  J. ​198 Hoyos, C. ​243 Hultgren, A. J. ​102, 133 Hunter, A.  M. ​149 Hunzinger, C.-H. ​220 Hyldahl, N. ​199 Isenberg, W. B. ​227, 232 Iser, W. ​112 Ivánka, E.  V. ​282 Jacobi, C. ​6, 8 Jacobs, A. ​197 Jacobsen, A.-C. ​287 Jansen, J.  F. ​270 Jeremias, J. ​3 f., 8, 100, 163, 204, 212, 216 f., 281 Johnson, M. ​228 Jolles, A. ​318, 328 Jones, I.  H. ​123 Jorgensen, D.  W. ​205 Jülicher, A. ​1–6, 8, 33, 61, 117, 126, 198, 204, 212 f., 240, 268, 271, 322 Jüngel, E. ​163, 171–175 Kabisch, R. ​44 Kaestli, J.-D. ​46 Karrer, M. ​32 Kartzow, M. B. ​6, 183, 185 f., 188, 192 Käsemann, E. ​177 Kaufman, P.  I. ​270 Keith, C. ​8, 103 Kepper, M. ​42 Kern, G. ​161 Keseling, P. ​198 Khobnya, S. ​162 King, K. L. ​233, 238 King, M. ​327 Kingsbury, J.  D. ​123 Kirchner, D. ​247, 251, 255, 257 f. Klauck, H.-J. ​4, 61, 136

373

Klein, H. ​135 Klinghardt, M. ​275 Knoch, O. ​102 Kobusch, T. ​281  f. Koch, H. ​287 Kosenina, A. ​327 Koskenniemi, E. ​56 Köster, H. ​217 Kövecses, Z. ​185 Kranz, M. ​19 Kranz, W. ​14 Kraus, W. ​32 Kreuzer, S. ​37 Kullmann, W. ​24 Kunath, F. ​6 Lahn, S. ​107 Lake, K. ​182 Lakoff, G. ​228 Lambdin, T.  O. ​209 Lambrecht, J. ​123 Lampe, P. ​161 Landmesser, C. ​175 Lanzinger, D. ​161, 240 f. Laporte, J. ​60 Lau, D. ​280, 294, 296 f. Lauer, S. ​44, 73 Layton, B. ​209, 215, 227 Le Donne, A. ​103 Lehnert, V.  A. ​133 Leipoldt, J. ​219 Leisegang, H. ​56 Lengsfeld, P. ​174 Levine, A.-J. ​103, 107 Liebenberg, J. ​4, 217 Lieu, J. M. ​197, 202 Liddell, H.  G. ​33 Lipsett, B. D. ​182 f., 190 f., 194 Livesay, N.  E. ​197 Livingstone, E.  A. ​183 Loose, A. ​104 f., 324 Lubac, H. de  ​279 Lührmann, D. ​51 Lukas, V. ​275 Lundhaug, H. ​228, 230 f., 233–235, 238, 246 Lust, J. ​34 Luz, U. ​130

374

Moderne Autorinnen und Autoren

MacDonald, M. Y. ​188 f. Mach, M. ​197 Manakidou, F. ​13 Manns, F. ​205 Marchal, J.  A. ​189 Marino, S. ​14 Markschies, C. ​200 Martens, P.  W. ​280 Martin, J. ​26, 28 Martínez, M. ​120 f., 135, 137 Martinsen, A. ​186 Matala de Mazza, E. ​327 Mattila, S.  L. ​71 Mayer, G. ​201 McCall, L. ​192 McCall, M. H. ​13, 19, 58 McDonnell, M. ​191 Meier, J. P. ​100 f., 103 Meiser, M. ​37 Meister, J.  C. ​107 Mell, U. ​3 Mendelson, A. ​55 Merz, A. ​100, 109, 111, 124, 126 Metternich, U. ​135 Meurer, H.-J. ​4 Michaud, J.-P. ​200 Michler, W. ​313 Minns, D. ​273 Moreschini, C. ​269 Morgan, J. ​263 Mortley, R. ​290 Moxnes, H. ​191 Mülder-Bach, I. ​327 Münch, C. ​5, 119 f., 123 f., 130, 132 f., 213 Munro, W. ​187 Münz-Manor, O. ​89 Muraoka, T. ​34 Nagel, P. ​221, 255, 257 f. Neuschäfer, B. ​280, 302 Neusner, J. ​77 Nickel-Bacon, I. ​104 f., 324 Niehoff, M. ​54, 56, 58–60, 63, 66, 68, 71 Nikiprowetzky, V. ​60 Nüsslein, T. ​58 Nyström, D.  E. ​198

Oertelt, F. ​6, 61 Oesterreich, P. ​57 Olivetti, M.  M. ​179 Olmstead, W. G. ​123, 132 Oppong-Kumi, P. Y. ​124, 132 f. Orbe, A. ​266, 272–274, 276 Osborn, E. F. ​201, 264, 266 f., 290 Osiek, C. ​182, 187–191 Osten-Sacken, P.v.d. ​177 Ostmeyer, K.-H. ​244 Ott, M. ​327 Ottenheijm, E. ​95, 204 Outtier, B. ​46 Pagels, E. ​239 Pannenberg, W. ​163–167, 171 f., 179 Pape, W. ​33, 40 Patterson, S.  J. ​217 Pearson, B.  A. ​50 Penn, M.  P. ​238 Petersen, S. ​7, 232, 236–238, 244 Peterson, P.  S. ​167 Pethes, N. ​327 Pettorelli, J.-P. ​46 Philippi, K.-P. ​322 Pietersma, A. ​32 Plisch, U.-K. ​215, 218, 248 f., 255 Poirier, P.-H. ​216 Popkes, E.  E. ​133 Poplutz, U. ​252  f. Przywara, E. ​167 f., 179 Puech, H.-C. ​216 Rahlfs, A. ​37, 40 f. Räisänen, H. ​133 Rajak, T. ​197, 199 Rapp, C. ​16 Rau, E. ​212 Rebillard, É. ​264 Redpath, H. A. ​31, 41 Rehkopf, F. ​35, 39–41 Rehmann, L. S. ​161 f. Reinmuth, E. ​120 Ricken, F. ​20 Ricœur, P. ​4, 120 Rivas Rebaque, F. ​198 Röhser, G. ​177 Rokéah, D. ​197

Moderne Autorinnen und Autoren

Roloff, J. ​123 Roth, D. T. ​7, 102, 111, 116, 275 Rothschild, C. K. ​7, 253 Roukema, R. ​268 Rousseau, A. ​265 Royalty, R.  M. ​198 Ruchatz, J. ​327 Runia, D. T. ​56, 63–68 Sampley, J.  P. ​161 Schäublin, C. ​203 Scheffel, M. ​120 f., 135, 137 Schenke, H.-M. ​227, 229 f., 232–235, 244 Schindler, C. ​13 f., 25–28 Schirren, T. ​7, 54, 58 Schmid, H. ​239 Schnackenburg, R. ​145 Schockenhoff, E. ​281 Schoedel, W.  R. ​266 Scholz, S. ​327 Schöpflin, K. ​59 Schottroff, L. ​135 Schrage, W. ​234 Schröter, J. ​6, 8, 104, 211 Schüle, A. ​59  f. Schüssler Fiorenza, E. ​192 Schwarz, K. ​6, 205, 211, 215, 219, 221, 225 Schwindt, R. ​162 Scott, B.  B. ​101 Scott, R. ​33 Segelberg, E. ​239 Sellin, G. ​4 f., 61, 120, 124, 161, 216 Sfameni Gasparro, G. ​301 Shotwell, W. A. ​198, 201–203 Siker, J.  S. ​233 Siniscalco, P. ​273 Skarsaune, O. ​197, 204 Skeb, M. ​280 Sly, D.  I. ​71 Smith, L. ​243 Snell, B. ​57 Snodgrass, K. ​3, 100–102, 220, 268 Söding, T. ​102 Söhngen, G. ​163 Standhartinger, A. ​224 Stanton, G. ​200 Stare, M. ​149

Stavru, A. ​14 Stead, G.  C. ​233 Stemberger, G. ​6, 89 Stern, D. ​73  f. Stewart, A.  C. ​224 Strack, H.  L. ​73 Strube, W. ​314 Süßmann, J. ​327 Swete, H.  B. ​37 Szlezák, T.  A. ​21 Ter-Merkttschian, K. ​264 Ter-Minassiantz, E. ​264 Teugels, L. ​81 Theißen, G. ​100 Theobald, M. ​149 Thiel, D. ​206 Thoma, C. ​44, 73 f. Thomas, N.  L. ​264 Thomassen, E. ​232 Thorion-Vardi, T. ​88 Thorsteinsson, R.  M. ​199 Thraede, K. ​238 Thurén, L. ​124–126, 135 Thyen, H. ​145 Tolbert, M.  A. ​5 Tomson, P.  J. ​161 Torjesen, K.  J. ​280 Tsang, S. ​186 Tsouna, V. ​24, 27 Tucker, J.  T. ​126 Turner, M.  L. ​228 Ulrich, J. ​204 Unnik, W. C. van  231, 233 Urbano, A.  P. ​199 Van der Watt, J. ​150 f. Vanoni, G. ​103 Verheyden, J. ​197 Via, D.  O. ​120 Vogt, H.  J. ​305 Wackernagel, J. ​33–36, 38, 41 Walters, P. ​34 Weder, H. ​4, 120 Wegmann, T. ​327 Weiher, A. ​28

375

376

Moderne Autorinnen und Autoren

Weinrich, M. ​168, 212 Weiß, H.-F. ​200 Wendland, P. ​65, 232 Wengst, K. ​103, 145 Westendorf, W. ​214 Wiles, M. F. ​204, 272, 281, 294, 297, 304 f., 308 Willer, S. ​327 Williams, F. E. ​247 f., 253, 255, 257, 260 Williams, M.  A. ​233 Wilson, R.McL. ​228, 231–233 Winden, J. C. M. van ​198 Witte, M. ​42 Wolfson, H.  A. ​57 Wolter, M. ​128, 216 Woschitz, K.  M. ​233

Wright, B.  G. ​32 Wright, D. ​264 Yarbro Collins, A. ​123 Young, S. ​183, 190–192 Yovsêpheanch, S. ​46 Yu, N. ​185 Zelle, C. ​328 Ziegler, J. ​40, 73 Zimmermann, C. ​152 Zimmermann, R. ​3, 5, 99–104, 106–108, 112–114, 121, 124, 126, 141 f., 149 f., 161, 201, 205, 212 f., 230, 240–242, 249, 277 Zymner, R. ​9, 106, 112, 115, 212 f., 249, 252, 313, 321, 324

Sachregister Adam ​44 f., 166–178, 231 f., 234 f., 238, 275, 284 Affekte ​15, 23–25, 27–29, 300, 307, vgl. Emotionen Ägypten ​81–85, 87 f., 90–93, 233 Allegorese ​54, 58, 61, 67 f., 71 f., 136, 240 f., 268 f., 271, 279–281, 298, 302–304 Allegorie ​3 f., 61, 136, 181, 240 f., 275, 298, 320–323, 326 Allegorisierung ​4, 83, 95, 136, 304 Analogie ​18, 123–125, 129, 136, 161–179, 239–244 Anthropologie ​150, 169, 172, 178 f., 298, 301, 308 Antimartyresis ​24–26 Argumentatio ​14–17, 19, 21, 23, 27, 29 Aristoteles ​15–18, 55, 127, 166, 319 Atome ​15, 23–27, 243 Beispiel/παράδειγμα ​13–29, 34, 57, 63, 66, 145, 250, 253 Beispielerzählung ​126, 240 f., 321, 323, 326 Beweis ​27, 57 f., 69, 72 Bild/Bildlichkeit ​18, 27, 35, 49–51, 60, 64, 67, 71 f., 113, 141, 145, 151 f., 157, 161 f., 167, 175, 235, 244–246, 249, 252 Bildwort ​36 f., 41, 43–51, 54 f., 100, 104–107, 145, 289, 300 Brot ​84, 111, 156, 236 Bund ​38, 79, 174 Christologie ​150, 158, 174, 202, 287, 291 f., 294, 300, 302, 310 Clemens von Alexandrien ​221, 252, 279–310 Conditio humana ​22, 301

Dichtung ​13, 313 f., 320, 326 Didaktik ​15, 19–22, 25, 27, 29, 116, 316 f. Einleitungsformeln ​35, 54, 66, 75, 82, 94, 141, 155 f., 216 Emotionen ​24 f., 27 f., 114, vgl. Affekte Epikureismus ​15, 22–29 Epilogismos ​24  f. Epistemologie ​15, 23–26, 290 Epos ​13, 25, 57, 302 Erzählung ​s. Narrativität/Narratologie Eschatologie ​3, 43, 114, 130, 132, 173 f., 179, 200, 300, 307, 322 Ethik ​15, 23, 71, 114, 116, 157, 210, 231 f., 293, 302 Eva ​44  f., 49 Evangelium ​3–5, 125, 131, 137 – synoptische Evangelien ​73, 119–139, 141 f., 158, 252 Fabel ​16, 119, 122, 315–317, 325 Freiheit ​283–288, 293, 309 f. Gattung ​14, 39, 53, 72, 104–108, 131, 210–213, 261, 289, 296 f. Gattungstheorie  104, 106–108, 213, 313 Gericht ​36–38, 89, 91, 132, 175, 285, 298, 307 f. Gesetz ​62 f., 169–174, 291 Gleichnis ​1–4, 13, 16, 18 f., 22–25, 29, 32, 36, 42, 53, 55 f., 62, 65, 68, 71, 74, 76 f., 79, 81–85, 87, 91, 93, 99 f., 102, 104 f., 120–135, 139, 141, 155, 160 f., 203, 210–226, 228, 248 f., 251, 253, 257, 260, 281–289, vgl. Parabel – Begriffsbestimmung/Definition ​3  f., 9, 99, 105, 142, 198–203, 212 f., 240 f., 249, 289, 296, 317, 321–327 – frühjüdische Gleichnisse ​43–51

378

Sachregister

– Gleichnisse Jesu ​2, 99–101, 103, 119–139, 142, 198, 203–206, 209–226, 279–281, 289–310 – rabbinische Gleichnisse ​5 f., 44, 60 f., 73–95, 119 Gnome ​33–35, 38–41 Gnosis ​50, 172, 232 f., 248, 258 f., 265, 268 f., 282–285 Gottesherrschaft ​s. Reich Gottes Hebräerbrief ​7, 32, 200, 253 Herrenworte ​105, 203–205 Himmelreich ​84, 131, 133, 255 f., 283, 292, 295, 303, vgl. Reich Gottes Hirt des Hermas ​6 f., 181–195 Höhlengleichnis ​21 f., 57, 244 Homer ​26, 56 f., 302 Ich-bin-Worte ​143  f. Ideen ​63, 67, 245 imitatio ​158, 160 Intersektionalität ​182, 190, 192 f., 195 Intertextualität ​47, 50, 185 Irenäus ​231 f., 258, 263–268 Israel ​78 f., 82–95, 156, 174, 204 Jerusalem ​125, 135, 273, 301 f., 305 Jesus ​33, 108, 119, 121, 123 f., 134, 136, 139, 148, 151–153, 156–158, 209, 223 f., 240, 248, 251, 257 – erinnerter Jesus ​99 f., 104–117 – historischer Jesus ​3, 51, 99–104 – Verkündigung Jesu ​61, 100, 103, 122, 129 f., 145 f., 149, 151, 153, 155, 253, 309 Johannes der Täufer ​129, 132, 134, 251, 254 Johannesevangelium ​141–160, 236, 298 Jünger ​133, 145–147, 152 f., 154, 157, 210, 219–224, 248, 253, 257, 260 f., 306 Justin ​197–208 Kelsos ​282  f. Kinder/Kindheit ​85, 111, 115, 152, 154, 221–224, 237–239, 243, 248 König ​4, 6, 64 f., 67 f., 73, 76–80, 84–94, 108, 116, 125, 134 f., 200, 307 f. Königsherrschaft ​s. Reich Gottes

Lehrgedicht ​13–15, 25, 323 Liebe ​28, 153, 156 f., 168, 245, 259 f., 293, 295 Linguistik ​4, 164, 317 Literaturdidaktik ​316  f., 324 Literaturwissenschaft ​55, 107, 212, 313–328 Logienquelle ​102, 111–115, 142 Logos ​152, 166 f., 171, 259–261, 288, 291, 298–300 Lukrez ​14  f., 25–29 Markusevangelium ​102, 123 f., 127 f., 132 f. mašal/‫משל‬ ׁ  ​3, 31–34, 39, 41 f., 55, 59–61, 74 f., 81, 94, 321 Matthäusevangelium ​103, 123 f., 128–131 Mekhilta deRabbi Jishmaʿel ​81–95 Metapher ​3 f., 60 f., 71 f., 105, 107, 114, 160 f., 210, 228, 231, 260, 303 – Metapherntheorie ​4, 120, 182, 242 Metaphysik ​281–289, 291 Mishna ​74 f., 79, 94 Narrativität ​1, 58, 60, 72, 105–107, 113, 122 f., 126, 151, 181–188, 193 f., 215, 328 Narratologie ​5, 119–139, 212 – Binnen-/metadiegetische Erzählung ​ 121–137, 215 – homo-/heterodiegetische Erzählung ​ 134, 136 f. Nimshal ​60, 75–78, 94 Offenbarung ​163, 165–167, 175 f., 181, 248 f., 261 Origenes ​252, 279–310 Pädagogik/paideia ​21, 69–71, 95, 287–310 Parabel ​32, 53–56, 58–61, 71 f., 99–117, 122, 132, 182–195, 198, 203, 209–226, 241, 249, 255 f., 260, 264–277, 313–328, vgl. Gleichnis – Frageparabeln ​5, 108–117 – Parabeln Jesu ​99 f., 107–117, vgl. Gleichnisse Jesu – parabolische Gattungen ​1, 56, 59, 62, 210–213, 313–328 – parabolische Transfersignale ​1, 114,

Sachregister

116, 155, 211, 213–215, 240, 242, 256, 260, 324 – τίς ἐξ ὑμῶν-Parabeln ​108–115 parabolē/παραβολή ​1, 3, 16 f., 22, 31–42, 53, 56–61, 69, 105, 107, 124–126, 141 f., 161, 198–207, 213, 240, 249–261, 258 Paraklet ​146 f., 153, 203 Parallelismus membrorum ​105, 131 Paramythie ​321, 323 paroimia/παροιμία ​33, 39, 41 f., 142–160, 240, 251 Partizipation ​164–167, 171, 179 Persuasio ​14, 18 f., 22, 26 Philippusevangelium ​227–246 Philo von Alexandria ​53–72, 232 Philosophie ​13–29, 55–59, 199, 205–207 Platon ​14 f., 17–22, 26, 55, 57, 65, 166, 198, 284–286, 290–292, 303 f. Platonismus ​67, 166, 232, 244 f., 281–290, 303, 310 Plinius der Ältere ​220, 230 Porphyrios ​282  f., 288 Pragmatik ​100, 108 f., 112 f., 115, 127, 209, 212, 222, 226, 314 Prophetie ​200, 202, 250 f., 274 Rabbinen/rabbinisches Judentum ​5 f., 44, 60 f., 73–95, 119 Ratio ​24 Rechtfertigung ​166, 176, 179 Reich Gottes ​2 f., 100–104, 116 f., 125, 133, 155, 157, 210, 213 f., 216, 220, 223–226, 240, 258, vgl. Himmelreich Rhetorik ​13–29, 55–59, 319, 324

379

Saat ​6, 116, 131, 204 f., 218, 249, 260, 298 f., 303, 306 Schifffahrt ​17 f., 26, 59, 69 f. Schöpfung ​45, 48 f., 62 f., 66–70, 94, 114, 165, 220, 232, 282–287, 292 f., 295, 301 Schwangerschaft ​237–241 Seele ​20, 22, 67, 259, 281–310 Senfkorn ​101–103, 116, 220, 223, 225, 291 Sprichwort ​33–35, 39–41, 59, 123 Staat ​17 f., 20 f., 57, 70 Stoa ​56, 59, 63, 68, 70, 280, 293, 299, 307 Sünde ​46, 166, 173, 175, 177 f. Tertullian ​263  f., 268–277 Theophrast ​231 Thomasevangelium ​142, 209–226 Tosefta ​75–81 Transfersignale ​s. Parabel Typos/Typologie ​169, 177, 244, 253, 268, 279–281, 293, 298, 302, 304, 306 Vergleich ​16–29, 33–35, 54–60, 67, 70–72, 74 f., 77–80, 83, 89, 91, 94, 105 f., 126, 142, 155–160, 293, 296 f., 300 f., 310, 322, 324 f. Wagenlenker ​69  f. Weinbau ​123, 150, 155 f., 158, 186, 215, 258 Willensfreiheit ​22, 285, 293, 299, 310